Theodor Ritter von Zeynek: Ein Offizier im Generalstabskorps erinnert sich
 9783205118756, 9783205781493

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Böhlau

VERÖFFENTLICHUNGEN DER KOMMISSION FÜR NEUERE GESCHICHTE ÖSTERREICHS Band 101 KOMMISSION FÜR NEUERE GESCHICHTE ÖSTERREICHS Vorsitzende: Univ.-Prof. Dr. Brigitte Mazohl Stellvertretender Vorsitzender: em. Univ.-Prof. Dr. Helmut Rumpier Mitglieder: Univ.-Prof. Dr. Ernst Bruckmüller Univ.-Prof. Dr. Karl Brunner em. Univ.-Prof. Dr. Moritz Csáky Univ.-Prof. Dr. Peter Csendes em. Univ.-Prof. Dr. Fritz Fellner Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Garms-Cornides Univ.-Prof. Dr. Margarete Grandner Univ.-Prof. Dr. Hanns Haas em. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Häusler em. Univ.-Prof. Dr. Ernst Hanisch Univ.-Prof. Dr. Gabriele Haug-Moritz Dr. Michael Hochedlinger Univ.-Prof. Dr. Lothar Höbelt em. Univ.-Prof. Dr. Grete Klingenstein em. Univ.-Prof. Dr. Herbert Knittler Univ.-Prof. Dr. Alfred Kohler Gen. Dir. Hon. Prof. Dr. Lorenz Mikoletzky Dr. Gernot Obersteiner Univ.-Prof. Dr. Roman Sandgruber Univ.-Prof. Dr. Reinhard Stauber Univ.-Prof. Dr. Arnold Suppan em. Univ.-Prof. Dr. Gerald Stourzh em. Univ.-Prof. Dr. Ernst Wangermann em. Univ.-Prof. Dr. Erika Weinzierl Univ.-Prof. Dr. Thomas Winkelbauer Sekretär: Dr. Franz Adlgasser Die in den Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs gemachten Aussagen sind die der jeweiligen Verfasser, nicht die der Kommission.

Theodor Ritter von Zeynek

Ein Offizier im Generalstabskorps erinnert sich

eingeleitet und herausgegeben von Peter Broucek

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Der Wissenschaftsfonds.

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INHALT

E I N L E I T U N G DES H E R A U S G E B E R S

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Die habsburgische Armee und ihre Verwaltung Das Generalstabskorps im 19. und 20. Jahrhundert Im Ersten Weltkrieg Generalstabskorps und Geschichtsschreibung zum Ersten Weltkrieg . Bemerkungen zum Leben und Wirken des Theodor Ritter von Zeynek

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ZUR EDITION

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DANKSAGUNG

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Theodor Ritter von Zeynek D A S L E B E N EINES ÖSTERREICHISCHEN

Vorwort des Autors

GENERALSTABSOFFIZIERS

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I. Teil: Friedenszeit 81 I. Die Gymnasialzeit 81 II. Die Berufswahl 85 III. Die Militärakademie in Wiener Neustadt 87 IV Der Truppendienst 91 V Die Kriegsschule 96 VI. Dem Generalstab zugeteilt 102 VII. Kompaniekommandant in Ostgalizien 110 VIII. Im Generalstab in Prag 114 IX. Im Operationsbüro des Generalstabs 117 A. Ära Feldzeugmeister Frh. v. Beck 117 B. Ära Conrad von Hötzendorf 124 X. Die Einschiffung auf S.M. Schiff Babenberg 139 XI. Die Zeit im Operationsbüro unter Oberst Metzger 142 XII. Generalstabschef der 8. ITD in Bozen 147 XIII. Bataillonskommandant im 2. Regiment der Tiroler Kaiserjäger . 152 XrV Die Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand 157 XV Die Schuld am Weltkriege 161 XVI. Beiträge zur Charakterisierung der österreichisch-ungarischen Armee vor dem Weltkriege 167

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Inhalt

II. Teil: Im Weltkrieg I. II.

Kriegsbeginn 179 Beim 4. Armeekommando unter General der Infanterie von Auffenberg 181 III. Beim 4. Armeekommando unter Erzherzog Josef Ferdinand . . . 197 IV Generalstabschef des Korps „Ost" 206 V Generalstabschef der 7. Armee (General der Kavallerie Freiherr von Pflanzer-Baltin) 219 A. Schaffung einer Front in Ostgalizien 223 B. Rückzug bis zum Prut. Schlacht am Prut 230 C. Vorgehen bis an den Dnjestr 234 D. Die Winterschlacht in Ostgalizien 238 E. Vier Monate Ruhepause 241 F. Die 2. Offensive des Gl. Brussilow. Die Niederlage 244 G. Nochmals Generalstabschef der 7. Armee 252 VI. In der Operationsabteilung des Armeeoberkommandos 259 VII. Chef der Quartiermeisterabteilung des Armeeoberkommandos unter Feldmarschall Conrad v. Hötzendorf 271 VIII. Chef der Quartiermeisterabteilung des Armeeoberkommandos unter Generaloberst Baron Arz 278 IX. Der Zusammenbruch . 305 Nachwort

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A N H A N G I : A U S Z U G AUS : T H E O D O R R . V. Z E Y N E K , F Ü H R U N G S S T Ä B E

A N H A N G I I : A U S Z U G AUS : J O H A N N A N D R E A S F R H . V . V O N M I R A M A R NACH S T .

. . .

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EICHHOFF,

GERMAIN

Militärverwaltung Verfassungsreform

317 321

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

329

LITERATURVERZEICHNIS

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Aktenpublikationen, Generalstabswerke Zeitgenössische Werke, Memoiren, Editionen Sekundärliteratur ABBILDUNGSNACHWEIS

333 333 335 355

V E R Z E I C H N I S DER K A R T E N S K I Z Z E N

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PERSONENINDEX

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ORTSINDEX

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E I N L E I T U N G DES H E R A U S G E B E R S

Man mag die Militärgeschichte als eine Hilfswissenschaft der politischen Geschichte betrachten und daher oft als Kriegsgeschichte abtun, man könnte sie den Militärwissenschaften zuordnen und daher ideologischer Gesichtspunkte wegen vernachlässigen, was ja auch oft geschieht1. Sie ist jedenfalls sowohl ein Teil der Politikwissenschaft als auch der Geschichte, auch wenn dies, was die österreichische Armee und ihre Nachbararmeen betrifft, erst sehr spät erkannt wurde2. In den sogenannten Generalstabswerken, die einen der Offiziersausbildung als auch der Traditionspflege verpflichteten Charakter hatten, aber auch der Wissenschaft dienen wollten, kam dies erst nach „Österreich-Ungarns letztem Krieg" zum Ausdruck: am Beginn der Dreißigerjahre des vergangenen Jahrhunderts3. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm der Generalstabsoffizier der Deutschen Wehrmacht und österreichische Historiker, Archivar und Museumsdirektor Johann Christoph Allmayer-Beck die Tradition der Generalstabswerke wieder auf4. Es gab aber auch die wissenschaftlichen Impulse aus den Vereinigten Staaten und aus Großbritannien sowie aus Belgien, die nun zur Geltung kamen5. 1 Johann Christoph Allmayer-Beck, Militärgeschichte - Friedensforschung - Konfliktforschung, in: ders., Militär, Geschichte und Politische Bildung. Aus Anlaß des 85. Geburtstages des Autors hrsgg. von Peter Broucek und Erwin A. Schmidl, Wien-Köln-Weimar 2003, 246-254, sowie ders., Heereskunde und Militärgeschichte, in: ebd., 255-257. 2 Peter Broucek, Kurt Peball, Geschichte der österreichischen Militärhistoriographie, KölnWeimar-Wien 2000. 3 Edmund von Glaise-Horstenau, Österreich-Ungarns Wehrmacht im Sommer 1914. Sonderdruck aus dem amtlichen Werke „Österreich-Ungarns Letzter Krieg 1914-1918", 2. Auflage des 1. Bandes, Wien 1930; Hans Heinrich Blumenthal, Das geistige Antlitz des kaiserlichen Heeres, in : Handbuch der bewaffneten Macht für Heer und Volk 1938, 28-41 ; Hubert Zeinar, Manager in Uniform. Entwicklung und Tradition des Offiziersberufes, Wien 2002. 4 Johann Christoph Allmayer-Beck, Die Bewaffnete Macht in Staat und Gesellschaft, in : Die Habsburgermonarchie 1848-1918, hrsgg. von Adam Wandruszka und Peter Urbanitsch. Bd. V: Die Bewaffnete Macht, Wien 1987,1-141. Zu zahlreichen anderen Arbeiten von AllmayerBeck zum Gegenstand siehe die Bibliographie in: ders., Militär, Geschichte und Politische Bildung, 495-519; siehe auch Peter Broucek, Konservatismus in den Armeen des Hauses Österreich und der Republik Österreich, in: Robert Rill, Ulrich E. Zellenberg (Hg.), Konservatismus in Österreich, Graz-Stuttgart 2003, 163-182. 5 Seit 1979 sind in der Serie „War and Society in East Central Europe" 40 Bände erschienen. Ihr langjähriger Herausgeber war der Berufsoffizier (Generalmajor), Weltkriegsteilnehmer und ungarische Emigrant von 1956 sowie Universitätslehrer Béla Kiraly. „Hinter" der Serie stand jedoch auch der 1938 emigrierte, nach 1950 immer wieder in Österreich lehrende und 1981 in Wien verstorbene Historiker Robert A. Kann. Auch sind die zahlreichen Arbeiten des

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Einleitung des Herausgebers

Einer der Protagonisten der Forschung über die mulitinationale Streitkraft des Habsburgerreiches, der amerikanische Universitätslehrer ungarischer Herkunft István Deák, gibt in einem bibliografischen Essay am Ende seines Buches über das Offizierskorps mehr als dreißig Memoirenwerke an, vor allem gedruckte, aber auch ungedruckte, die er für sein umfassendes Werk in den Bibliotheken und Archiven in Budapest und Wien herangezogen hat 6 . Darüber hinaus finden sich in diesen Institutionen etwa noch einmal so viele Erinnerungswerke des 18. bis 20. Jahrhunderts von verschiedener Qualität, die zum Teil durch Inhaltsverzeichnisse als erste Hilfe für den Forscher erschlossen sind. Eines der qualitätsvollsten Memoirenwerke jenes Genres, die Memoiren des Generalstabsoffiziers Theodor Ritter von Zeynek, die auch Deák erwähnte, wird hiermit in einer wissenschaftlichen Edition vorgelegt.

Die habsburgische Armee und ihre Verwaltung Seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts wuchs die Bedrohung durch die Osmanen für das östliche Mitteleuropa und konnte weder durch Kreuzzugs- noch durch Lehensheere aufgehalten werden, auch nicht durch Befestigungen an der Südgrenze des (ungarischen) Reiches der Stefanskrone. In den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts fielen die Bollwerke Rhodos und zu Land Belgrad in die Hände Sultan Süleimans, der die damals modernste Heeresmacht Europas zur Verfügung hatte. Kroatische Ständevertreter wandten sich darauf nicht an den ungarischen König, der in Personalunion König von Kroatien war, und auch nicht an den römischen Kaiser als höchsten Machthaber der Christenheit, sondern an den mächtigsten und naheliegendsten Nachbarn, Erzherzog Ferdinand von Osterreich, um Schutz und Hilfe7. Sie Universitätslehrers und Widerstandskämpfers gegen Hitler, des amerikanischen Berufsoffiziers Gunther E. Rothenberg, zu nennen mit seinem Hauptwerk The Army of Francis Joseph, West Lafayette, Indiana 1976. Der Brite und langjährige Lehrer an der Militärakademie in Sandhurst, Christopher Duffy, widmete seine Hauptwerke dem europäischen Festungskrieg der Neuzeit mit gebührender Berücksichtigung des Habsburgerreiches, der preußischen Armee Friedrichs II., schrieb aber vor allem Sieben Jahre Krieg 1756-1763. Die Armee Maria Theresias, Wien 2003. Über den belgischen Diplomaten und schließlich Österreicher Georges Englebert mit seinen zahlreichen Arbeiten über Wallonen und Lothringer informiert Broucek, Peball, Geschichte der österreichischen Militärhistoriographie, 345-347. 6 István Deák, Beyond Nationalism. A Social and Political History of the Habsburg Officer Corps, 1848-1918, New York 1990 ; deutsche Übersetzung, Der Κ. (u.) Κ. Offizier 1848-1918, Wien-Köln-Weimar 1991. 7 Gunther E. Rothenberg, The Origins of the Austrian Military Frontier in Croatia and the Alleged Treaty of 22 December 1522, in: Slavonic and East European Review 38 (1960) 493498.

Die habsburgische Armee und ihre Verwaltung

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wurde gewährt, indem der Habsburger und dann seine Nachkommen, besonders die zeitweise selbstständigen Herrscher von Innerösterreich (Steiermark, Kärnten, Krain, Görz/Gradiska, Istrien), die kroatisch-slawonische Militärgrenze organisierten. Sie gaben 1530 dieser Organisation von Wehrbauern mit der Großfamilie als Basis, mit einem System an Holzbefestigungen, Wachtürmen, Wehrkirchen sowie befestigten Dörfern als ersten Schutz gegen die Streifscharen aus dem Südosten ein Statut. Flüchtlinge aus dem Osten, Wälachen, Serben, „Uskoken" wurden angesiedelt. Rückhalt boten einige wenige Festungen im Vorfeld bis Bosnien sowie die Stadtbefestigungen noch in Kroatien, aber meist schon städtische Bollwerke in „Österreich" 8 . Die Osmanen hatten inzwischen das ungarische Lehensheer in der Schlacht bei Mohács 1526 zerschlagen und standen 1529 vor Wien, das sie vergebens belagerten. Sie brachen 1532 nochmals nach Niederösterreich und in die Steiermark mit einem Hauptheer vor9. Dann wurde 1541 das eroberte Buda Zentrum eines Paschaliks. West- und Oberungarn, zeitweise auch das zur Stefanskrone gehörende Siebenbürgen blieben den zu Königen von Ungarn/ Kroatien und Böhmen gewählten Habsburgern. Beim Kampf um Wien war 1529 erstmals in größerem Umfang eine Streitmacht der Landsknechte und der Reiterei der „Kyrisser" aufgetreten, was das „engere Osterreich" betrifft. Man kann den bis 1520 regierenden Kaiser Maximilian I. als jenen österreichischen Landesherrn bezeichnen, der diese Truppe aus eigenen Mitteln, aus Landtagsbewilligungen, selten aus Mitteln des Reiches bezahlte. Als Unterabteilung dieser Heerhaufen kristallisierte sich im 16. Jahrhundert das Regiment heraus, Kommandant dieser zunächst jährlich neu geworbenen Einheiten war der Obrist, jener „Offizier", Inhaber des Regiments und gleichzeitig Beauftragte und Amtsinhaber, der das Regiment namens des Kaisers warb und führte 10 . Burgen mussten adaptiert werden, auch Kleinstädte und Dörfer mussten sich zumindest notdürftige Anlagen leisten. Größere Bauten wurden in „italienischer Manier" durch italienische Festungsbaumeister errichtet, die in großer Zahl heranzuholen waren. Die Bollwerke sind etwa in Gyôr, Forchtenstein und Graz heute noch zu sehen11. Besatzungen und Bauten mussten bezahlt und verwaltet werden. Ein Hofkriegsrat in Wien und dann 8 Ders., Die österreichische Militärgrenze in Kroatien 1522 bis 1881, Wien-München 1970. 9 Peter Broucek, Der Krieg und die Habsburgerresidenz, in: Andreas Weigl (Hg.), Wien im Dreißigjährigen Krieg. Bevölkerung - Gesellschaft - Kultur - Konfession, Wien-Köln-Weimar 2001, 106-154. 10 Géza Perjés, The Fall of the Medieval Kingdom of Hungary. Mohács 1526 - Buda 1541 (War and Society in East Central Europe 26; Atlantic Studies on Society in Change 56; East European Monographs 255), Boulder, Colorado 1989. 11 Endre Marosi, Burgen im österreichisch-ungarischen Grenzraum, Eisenstadt 1990.

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Einleitung des Herausgebers

ein solcher in Graz, aber auch eine entsprechende Hofstelle in Innsbruck wurden ab 1556 eingerichtet und mit Beamten besetzt 12 . Schon wurde für das Hauptquartier in einem der wenigen Feldzüge bis zum ersten tatsächlich eingehaltenen Frieden von Zsitva-Török 1608 der Ausdruck Generalstab verwendet. Gemeint war offenbar meist das Hauptquartier des vom Kaiser oder Landesherrn eingesetzten Obristen-Feldhauptmannes, der sich bei den abgehaltenen Kriegsräten beraten ließ - oder auch nicht 13 . Mit dem Bruder Kaiser Rudolfs II., Erzherzog Ernst, tauchte um 1580 erstmals ein Kommandant aller Festungsbesatzungen nur für kurze Zeit auf, also eine Art Oberkommandant, vom Kaiser beziehungsweise dessen Hofkriegsrat eingesetzt. Ansonsten waren die Offiziersstellen in den Regimentern Jahr für Jahr neu zu besetzen, wenn die Soldaten im Herbst entlassen und im Frühjahr neu angeworben wurden. Neben der grausamen und immer drohend bleibenden Führung von Kriegen und Streifzügen dürfen doch die kulturellen Beziehungen auf dem Gebiet des Kunsthandwerks, der Militärmusik, der Tierhaltung, der Botanik nicht vergessen werden, die sich im Zuge von Gesandtschaften an die Hohe Pforte ergaben. Ebenso ist an den Hausbau nach „italienischer Manier", die spanische Kleidung und die ungarische Pferdehaltung durch die „Husaren" zu erinnern 14 . Dies ging so bis in den Dreißigjährigen Krieg hinein, jener Katastrophe für Mitteleuropa von der Ostsee bis zur damals spanischen Lombardei, in der die Operationen nach spanischer Taktik mit tiefen Gevierthaufen, Pikenieren, Musketieren und gepanzerter Reiterei oder Dragonern, dann nach schwedischem Muster mit weit beweglicheren Einheiten zu Fuß oder zu Pferd geführt wurden. Diese „Operationen" verlangten Heere, die auch in den nunmehr aufkommenden Winterquartieren beisammen blieben. Sie „lockte" wohlhabende adelige Grundbesitzer an, die als „Kriegsunternehmer" und zugleich Regimentsinhaber eine Besoldung vorfinanzieren konnten. Sie mussten durch die kaiserliche Hofkammer befriedigt werden, was aber oft zu Finanznöten einerseits und, wenn der Sold ausblieb, zu „Verheerungen" und Verödungen ganzer verwüsteter Landstriche sowie Plünderungen andererseits führte 15 . Am Ende des böhmischen Ständeaufstandes, der sich bald als erste 12 Oskar Regele, Der österreichische Hofkriegsrat 1556-1848 (Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Ergänzungsband 1), Wien 1949. 13 Ders., Generalstabschefs aus 4 Jahrhunderten. Das Amt des Chefs des Generalstabes in der Donaumonarchie. Seine Träger und Organe von 1529 bis 1918, Wien-München 1966. 14 Peter Broucek, Österreichisch-Osmanische Begegnungen auf dem Gebiet des Militärwesens, in: Inane Feigl u.a. (Hg.), Auf den Spuren der Osmanen in der österreichischen Geschichte (Wiener Osteuropa Studien 14), Frankfurt 2002, 55-66. 15 Jürg Zimmermann, Militärverwaltung und Heeresaufbringung in Österreich bis 1806, in: Handbuch zur deutschen Militärgeschichte 1648-1939, Bd. 1, Freiburg 1965, 1-168.

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Phase eines europäischen Krieges zwischen Spanien und Frankreich um die Vormacht in Mittel- und Westeuropa erwies, bot sich ein böhmischer Standesherr und Regimentsinhaber als ein Unternehmer an, der bereit war, nicht nur ein Regiment, sondern eine Armee für Kaiser Ferdinand II. aufzustellen und gegen protestantische Reichsstände einzusetzen: Albrecht von Wallenstein (eigentlich Waldstein bzw. Valdstejn)16. Er arbeitete teilweise nach dem Prinzip „Der Krieg ernährt den Krieg". Als er aber, der sich mit einem böhmischen Territorium, dem Herzogtum Friedland, entschädigen ließ, dort eine ganze Industrie zur zeitweiligen Bewaffnung und Versorgung seiner Armee aufbaute und selbstständige Politik, ja Politik gegen seinen Landesherrn und Kaiser machen wollte, überschätzte er seine Vollmachten und Möglichkeiten. Sein Offizierskorps hing in überwiegender Mehrheit dem legitimen „obersten Kriegsherren" und Landes- und Gerichtsherrn an, hielt ihm die Treue und wandte sich gegen den des Hochverrats angeklagten und verurteilten „Generalissimus"17. Das Offizierskorps und damit das Heer war 1634 „kaiserlich" geworden, und die Obristen-Inhaber wurden nach dem Westfälischen Frieden in einem wesentlich kleineren, aber auch im Frieden „stehenden" Heer belassen. Zwischen ihnen und dem Kaiser stand höchst selten ein „Generalissimus" mit umfassenden Vollmachten, aber oft ein „Generalleutnant" oder ein „Feldmarschall" als direkter „Untergebener" des Herrschers. Jener war an den Hofkriegsrat, an das General-Kriegskommissariat und an seine politischen Ratsgremien gebunden - das waren bis ins 18. Jahrhundert die Mitglieder des „Geheimen Rates", dann ab 1761 des „Staatsrates" 18 . Die Reichsstände hatten im Westfälischen Frieden völkerrechtliche Souveränität erlangt, stellten im Falle des Reichskrieges zusammen ein Koalitionsheer auf, unterhielten aber selbst größere oder kleinere eigene Heere. Die habsburgischen Heere aber waren und blieben die „Kaiserlichen". Wallenstein war deren Schöpfer und eben „letzter Condottiere" des dann ins Barock ausgeklungenen Renaissancezeitalters. In seinem Heer war es zur endgültigen Ausformung von Funktionen, Stellvertretungen und Hilfen gekommen, aus 16 Golo Mann, Wallenstein. Sein Leben, 2. Aufl. Frankfurt 1971; Heinz Rieder, Wallenstein. General, Herzog, Verräter, neubearb. Aufl. Wien 1983; tschechischer Standpunkt: Josef Polisensky, Josef Kollmann, Wallenstein. Feldherr des Dreißigjährigen Krieges, Köln-WeimarWien 1997. 17 Heinrich Bücheler, Von Pappenheim zu Piccolomini. Sechs Gestalten aus Wallensteins Lager, Sigmaringen 1994; Ilja Mieck, Wallenstein 1634. Mord oder Hinrichtung?, in: Alexander Demandi (Hg.), Das Attentat in der Geschichte, Köln-Weimar-Wien 1996, 143-164. 18 Henry Frederick Schwarz, The Imperial Privy Council in the Seventeenth Century (Harvard Historical Studies 53), Cambridge, Mass. 1943; Gordon A. Craig, Probleme des Kommandos und der Stäbe in der österreichischen Armee 1740-1866, in: ders., Krieg, Politik und Diplomatie, Wien-Hamburg 1968, 13-36.

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denen sich langsam ein Stab ergab (Obrist- oder General-Wachtmeister, Generalquartiermeister, Oberst-Feldquartiermeister, Oberst-Musterzahl- und Quartierungskommissär, Feldmarschalleutnant). Die wichtigsten Gehilfen, Untergebenen, ja oft Kameraden hatten diese Funktionen der Wache, der Marschvorbereitung, der Bereitstellung, der Lagervorbereitung oder der Schlachtordnung inne19. Aus ihnen konnten, mussten aber nicht die Generäle hervorgehen, da Herkunft und Wohlhabenheit, aber doch auch schon das „von der Pike auf Dienen" eine wichtige Rolle spielten. Wallenstein selbst hatte in seiner Residenz Jicin in Nordböhmen 1631 eine Ritterakademie eingerichtet, die sich aber nur kurz hielt und wohl nicht als erste Generalstabsakademie bezeichnet werden kann. Aber aus der engsten Umgebung des Herzogs von Friedland ging der erste langjährige „zugeteilte General" eines Oberbefehlshabers im Dreißigjährigen Krieg hervor, der sowohl taktische, operative, heeresorganisatorische und militärdiplomatische Arbeit leistete: Feldmarschall Octavio Fürst Piccolomini. Er „half dem Erzherzog Leopold Wilhelm, Soldat, Bischof, Kunstmäzen, Bruder Ferdinands III., des Kaisers 1636-1656 20 . Piccolominis nicht unmittelbarer Nachfolger als Hofkriegsratspräsident und Höchstkommandierender war der Türkensieger Raimondo Fürst Montecuccoli, zugleich eine Geistesgröße von europäischem Rang als Vertreter des Neostoizismus, als Hofmann, Militärtheoretiker und Dichter21. Es folgte ihm das Mitglied der kaiserlichen Familie Herzog Karl V. von Lothringen als Oberkommandierender der Kaiserlichen bei der zweiten Türkenbelagerung und der Rückeroberung von Ofen (Buda)22. Sein Nachfolger wurde Prinz Eu19 Peter Broucek, Wallenstein und die Gründung des österreichischen Generalstabes, in: Bellum Tricennale (Commission Internationale d'Histoire Militaire, Actes 23), Prag 1997, 203-220. 20 Thomas Barker, Ottavio Piccolomini (1599-1656). A Fair Historical Judgement?, in: ders., Army, Aristocracy, Monarchy. Essays on War, Society, and Government in Austria, 1618-1780 (War and Society in East Central Europe 7; East European Monographs 106), New York 1982, 61-111. Der Schweizer Militärhistoriker Jean-Jacques Langendorf, Ahnengalerie der Kaiserlichen Armee 1618-1918. Biographische Schattenrisse, Wien 1995, bringt Essays über Wallenstein, Piccolomini und Montecuccoli. Siehe auch : Gerda und Gottfried Mraz, Osterreichische Profile. Maximilian I., Wallenstein, Prinz Eugen, Maria Theresia, Kaunitz, Franz II., Erzherzog Carl, Metternich, Radetzky, Franz Joseph I., Wien 1981. 21 Thomas Barker, The Military Intellectual and Battie. Raimondo Montecuccoli and the Thirty Years War, Albany, New York 1975. 22 Oswald Redlich, Weltmacht des Barock. Österreich in der Zeit Leopolds I., Wien 1961; ders., Uber Kunst und Kultur des Barocks in Österreich, in : Archiv für österreichische Geschichte 115, Wien-Leipzig 1943, 331-379; Hanns Leo Mikoletzky, Österreich - das große 17. Jahrhundert, Wien 1963; Josef Polisensky, Gesellschaft und Kultur des barocken Böhmen, in: Österreichische Osthefte 9 (1967) 111-129; Peter Broucek, Im Kampf gegen Franzosen und Türken, in: Rupert Feuchtmüller, Elisabeth Kovács (Hg.), Welt des Barock, Wien-FreiburgBasel 1986,105-122 ; Franz Pesendorfer, Lothringen und seine Herzöge. Im Zeichen der drei Adler, Graz-Wien-Köln 1994.

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gen von Savoyen, der Wegbereiter der österreichischen Großmachtstellung, Führer der kaiserlichen Armee bis nach Belgrad, Verbündeter der Briten im Spanischen Erbfolgekrieg, Generalgouverneur von Mailand, dann der (Österreichischen) Niederlande 23 . Es versteht sich, dass die kulturellen Einflüsse, die durch jene langjährigen militärischen und politischen Tätigkeiten in Österreich ausgeübt wurden, ihre kulturellen Spuren unverwechselbar hinterlassen haben 24 . Es war die Zeit, da die Pike durch das Düllenbajonett ersetzt wurde und die Lunten-Muskete durch die Feuerstein-Flinte. Nun kam es also nicht mehr auf das kräftige Dreinschlagen, sondern das disziplinierte Schießen und das Werfen der Granaten durch Grenadiere bei Abwehr der Belagerer an. Die Rechte der Regimentsinhaber wurden eingeschränkt, Stabsoffiziere durfte nur mehr der Hofkriegsrat ernennen und befördern. Einige Regimentsinhaber gaben bereits „private" Reglements, also taktische Vorschriften zur Abrichtung der Mannschaft, heraus, die sogenannte Lineartaktik war im Kommen. Vor allem aber institutionalisierte Prinz Eugen 1705 das Quartiermeisteramt und gab 1725 eine erste Instruktion für diese Institution auf Kriegsdauer heraus. Die Finanzierung und die schwierigen Fragen der Logistik beim Transport von Mannschaft und Verpflegung auf den Flüssen und den schlechten Wegen, etwa als Prinz Eugens Heer die Alpen überquerte, spielten besonders in den Türkenkriegen eine große Rolle. Das Intendanz- ebenso wie das Festungsbauwesen waren noch in den Händen von Zivilisten, der Wiener Jude und Bankier Samuel Oppenheimer sowie der Feldproviantdirektor aus Oberösterreich Johann Georg Harruker sind hier besonders zu nennen 25 . Die Orientalische Handelskompanie als Folge des 23 Von der ungeheuren Prinz-Eugen-Literatur seien angeführt: Richard G. Plaschka (Hg.), Was blieb von Prinz Eugen?, Wien 1986. Dort finden sich Arbeiten von Wissenschaftlern der meisten Nationen der Habsburgemonarchie zur integrativen Wirkung der politischen, kulturellen und militärischen Kraft des Savoyers. Siehe dort auch: Peter Broucek, Prinz Eugen als Feldherr, 69-86. Zahlreiche finanzielle Aspekte und Fragen der Subsidien behandeln Wolfgang Oppenheimer, Prinz Eugen von Savoyen. Feldherr, Staatsmann und Mäzen 1663-1736, München 1979, und Janko Musulin, Degen und Waage. Schicksal und Gesetz europäischer Politik, Wien 1954. Der französische Aspekt bei Antoine Béthouart, Le prince Eugène de Savoie. Soldat, diplomate et mécène, Paris 1975. Eine Sammlung seiner schriftlichen und mündlichen Äußerungen in Denkschriften und Briefen : Egon Caesar Conte Corti, Der edle Ritter. Anekdoten um den Prinzen Eugen, Berlin 1941. 24 Heinrich Benedikt, Die Monarchie des Hauses Osterreich. Ein historisches Essay, Wien 1968 ; ders., Kaiseradler über dem Apennin. Die Österreicher in Italien 1700 bis 1866, Wien 1964; ders., Als Belgien österreichisch war, Wien 1965; Franz Pesendorfer, Osterreich - Großmacht im Mittelmeer? Das Königreich Neapel-Sizilien unter Kaiser Karl VI. (1707/20-1734/35), Wien-Köln-Weimar 1998; Michael Hochedlinger, Austria's Wars of Emergence. War, State and Society in the Habsburg Monarchy 1683-1797, London 2003. 25 Peter Broucek, Erich Hillbrand, Fritz Vesely, Prinz Eugen. Feldzüge und Heerwesen, Wien 1986; Peter Broucek, Logistische Fragen der Türkenkriege des 16. und 17. Jahrhunderts, in:

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Friedens ab 1718 und die Flussflottillien an der Donau sind mit dem Namen des Schweizers François-Louis de Pesme de Saint Saphorin verbunden26. Ebenso wurde der Seehandel organisiert, von Triest und Ostende aus, eine kleine Kriegsmarine war im Entstehen. 1717 gründete Prinz Eugen Ingenieurschulen in Wien und in Brüssel, später Ingenieur-Akademien genannt, und die böhmischen Stände errichteten im gleichen Jahr eine Schule des Festungsbaus und der Architektur in Prag. Die Uniform wurde eingeführt und die ersten Kasernen errichtet. Seit Ende des Dreißigjährigen Krieg waren nach einer Amnestie auch tschechische Adelige in den militärischen Dienst des Kaisers getreten und hatten Karriere gemacht. So war etwa der Höchstkommandierende in Wien 1683 und Vizepräsident des Hofkriegsrates ein Tscheche. Nach dem letzten Türkenkrieg Prinz Eugens zog es auch zahlreiche ungarische Adelige, etwa als Inhaber von Husaren- oder Infanterieregimentern, in den kaiserlichen Dienst27. Schon am Beginn ihrer Regierungszeit löste Maria Theresia die kroatisch-slawonische, die banatische und die siebenbürgische Militärgrenze aus der Verwaltung des Hofkriegsrates und unterstellte sie einer eigenen Hofkommission. Auch diese Völkerschaften, Raitzen (Serben), Kroaten, Szekler, Rumänen wurden dann bald als Grenzregimenter in die Armee integriert und zeigten sich als besonders gewandt in der Führung des „kleinen Krieges" im Zeitalter der „Kabinettskriege"28. Die Herrscherin („Kaiserin") Maria Theresia setzte die Staatsreform, die ihr Vater Karl VI. durch die Pragmatische Sanktion von 1717 eingeleitet hatte, ab 1749 fort. Der Krise des Osterreichischen Erbfolgekrieges, in dem Die Bedeutung der Logistik für die militärische Führung von der Antike bis in die neueste Zeit (Vorträge zur Militärgeschichte 7), Herford-Bonn 1986, 35-60; Heinrich Benedikt, Finanzen und Wirtschaft unter Karl VI., in: Der Donauraum 8 (1963) 42-59. 26 Langendorf, Ahnengalerie der Kaiserlichen Armee, 39^11 ; Peter Broucek, Die Donau als Raum politischer Auseinandersetzungen, in: Die Donau. Facetten eines europäischen Stromes. Katalog zur oberösterreichischen Landesausstellung 1994, Linz 1994, 4 7 - 5 6 ; Jürg Stüssi-Lauterburg, Europa und die Osmanen. Die Rolle der Schweizer im 17. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung von François-Louis de Pesme de Saint Saphorin, in: Die Osmanen und Mitteleuropa, Internationaler Kongreß für Militärgeschichte Wien 6.-10. Juni 1983, Wien 1983, 147-167. 27 Thomas M. Barker, Doppeladler und Halbmond. Entscheidungsjahr 1683, Graz-Wien-Köln 1982; Jaroslav Macek, Kaspar Zdenko Kapiii von Sullowitz und seine Bedeutung für die Verteidigung der Stadt Wien, in: Österreich in Geschichte und Literatur 27 (1983) 203-224; József Zachar, Der Anteil der Ungarn am kaiserlich(-königlichen) Heer 1683-1792, vervielfältigtes Manuskript, Collegium Hungaricum Wien 1995, 1-24; ders., Die Herrschaft der Habsburger und das Wehrwesen der ungarischen Reichshälfte 1648-1798, in: Ungarn-Jahrbuch 22 (1996) 35—49. 28 Johannes Kunisch, Der kleine Krieg. Studien zum Heerwesen des Absolutismus (Frankfurter historische Abhandlungen 4), Wiesbaden 1973.

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Österreich nochmals Gegner der Bourbonen war, folgte das Renversement des Alliances im Siebenjährigen Krieg gegen Preußen 29 . Die Staatsreform ermöglichte den Ubergang von der Autonomie der Länder zur zentralen Regierung. Dazu kam ein Bündel an Maßnahmen, vor allem Reformen der Verwaltung und des Rechts, dann der Wirtschaft und schließlich der Bildung und des Militärs30. Mit diesen Reformen des aufgeklärten Absolutismus überstand das 1804 proklamierte Kaisertum auch das Zeitalter der Französischen Revolution und die Kriege des Schöpfers des europäischen Militarismus, des „Volkskaisers" Napoleon Bonaparte 31 . Der Verlauf der Kriege erforderte 1747 die Aufstellung des Ingenieurund 1773 des Fuhrwesenkorps sowie den Abschluss der Militarisierung der Artilleriewaffe durch die Liechtenstein'sehen Reformen 32 . Ebenso ist auf den zeitweise intensiven Festungsbau nach dem Siebenjährigen Krieg und den Napoleonischen Kriegen hinzuweisen, auf den Bau von Kasernen, Invalidenhäusern und Militärspitälern, den Vorläufern von Altersheimen und „Allgemeinen" Krankenhäusern 33 . 1781 führte die Regierung das Konskriptionssystem ein, theoretisch war dies die Allgemeine Wehrpflicht unter Aufrechterhaltung der Werbung, auch der Reichswerbung. Praktisch aber war diese Wehrpflicht durch Privilegien für die Gewerbetreibenden und die für den Ackerbau notwendigen Kräfte sehr stark durchlöchert. Die Flucht vor der Konskription verminderte sich erst nach der Abschaffung der lebenslangen Dienstzeit bzw. Herabsetzung auf acht bis zehn Jahre unter Erzherzog Carl. Es war eine notwendige, gerechtfertigte und ebenso soziale Maßnahme. 29 Victor Tapié, Maria Theresia. Die Kaiserin und ihr Reich, Graz-Wien-Köln 1980; Friedrich Walter, Männer um Maria Theresia, Wien 1951; Elisabeth R. Landon, In der Gunst der Kaiserin. Karrieren unter Maria Theresia, Wien 1997. 30 Friedrich Walter, Die Theresianische Staatsreform von 1749, Wien 1958. 31 Gottfried Mraz, Österreich und das Reich 1804-1806. Ende und Vollendung, Wien 1993; Kaisertum Osterreich 1804-2004. Symposium - Beiträge, Wien 2005; Ludwig Jedlicka, Militarismus, in : Grundbegriffe der Geschichte. 50 Beiträge zum europäischen Geschichtsbild, Gütersloh 1964, 203-212. 32 Siehe Österreichs Kriege 1740-1792. Materialien zum Vortragszyklus 1997 der Gesellschaft für Heereskunde, Wien 1997; Die k.k. österreichische Armee im Kampf gegen die Französische Revolution und Napoleon I. 1792-1815. Materialien zum Vortragszyklus 1989 der Gesellschaft für Heereskunde, Wien 1989; siehe auch Die Handfeuerwaffen des österreichischen Soldaten. Katalog zur Sonderausstellung im Landeszeughaus am Landesmuseum Joanneum, Graz 1985, 7-26 und 48-66. 33 Robert Rill, Das Festungswesen im Habsburgerreich des 18. Jahrhunderts im Überblick, in: Harald Heppner, Wolfgang Schmale (Hg.), Festung und Innovation (Jahrbuch der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des achtzehnten Jahrhunderts 20), Bochum 2005, 37-52; Gerd Holler, „...für Kaiser und Vaterland". Offizier in der alten Armee, Wien-München 1990; Walter Manfredini, Anfange der militärischen Sanität im Kaiserlichen Heer, in: Österreichs Kriege 1740-1792, 107-134.

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Ein Herzstück der militärischen Reformen war die Herausgabe des Infanterie-Reglements von 1748 als erste allgemeine Dienstvorschrift in Krieg und Frieden für Mannschaft, Unter-, Ober- und Stabsoffiziere. Der Verfasser der Vorschriften, die dann kommissionell intensiv beraten wurden, war Franz Moritz Graf von Lacy, der 1757/1758 einen Generalquartiermeisterstab ins Leben rief und als deren erster „Chef" in die österreichische Heeresgeschichte einging. Er schuf 1769 das Generalsreglement als Dienstvorschrift für den Generalquartiermeisterstab, der nunmehr zu operativen Arbeiten im Krieg herangezogen wurde. Der Stab blieb jedoch im Frieden nach 1763 nur als Topografenkorps von etwa zwanzig Offizieren bestehen. Erst der 1801 wiederum als Reformer eingesetzte Erzherzog Carl bestimmte, dass Kriegsvorbereitungen schon während des Friedens vor sich zu gehen hätten. Festzuhalten ist allerdings, dass der Generaladjutant des Kaisers während dieser Epoche, was Macht und Einfluss betraf, weiterhin vor dem „Chef des Generalquartiermeisterstabes" rangierte und bis zum Abgang Erzherzog Carls 1809 auf gleicher Einflusshöhe wie dieser bei Kaiser Franz amtierte. Ein besonders wichtiges Glied der Neuerungen war die Bildungsreform, die sich auf dem militärischen Gebiet in erster Linie durch die Schaffung und Einrichtung der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt zur Heranbildung von Offizieren aller Waffengattungen 1751/1752 ausdrückte 34 . In Wien waren in gleicher Weise wie in Wiener Neustadt das Erziehungsinstitut „Theresianum", zeitweise auch „Theresianisch-Savoyische Akademie", und die Orientalische Akademie sowie 1785 zur Ausbildung der Militärärzte die Medizinisch-Chirurgische Josephs-Akademie, genannt „Josephinum", eingerichtet worden. Dem Bürgertum wurde dadurch der Zugang zum Offizierskorps eröffnet und die Dominanz des hohen Adels im Offizierskorps nach und nach zugunsten des Brief- oder Dienstadels zurückgedrängt. Gemäß der Normalverordnung von 1757 erhielten Offiziere nach dreißigjähriger „wohlverhaltener" Dienstzeit den Anspruch auf den erblichen Adel. Auch die Verleihung des Militär-Maria-Theresien-Ordens brachte „ipso facto" den 34 Siehe den Grundsatzaufsatz von Richard Georg Plaschka, Military Leadership and Education in Sociopolitical Responsibility, in: Béla Κ. Király (Hg.), The East Central European Officer Corps 1740-1920s. Social Origins, Selection, Education, and Training (War and Society in East Central Europe 24 ; Atlantic Studies on Society in Change 43 ; East European Monographs 241), Boulder, Colorado 1988, 29-35; dort auch: Gertrud Buttlar-Elberberg, The Theresian Military Academy in Wiener Neustadt, 99-103, mit Literaturangaben ; Hubert Zeinar, Alma Mater Theresiana. Geschichte und Geschichten rund um die Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt, Graz 1999; Rainer Egger, Chronik. Die k.k./k.u.k. Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt, in : „Mach er Mir tüchtige Officirs und rechtschaffene Männer darauß". Die Theresianische Militärakademie von der Gründung bis zur Gegenwart. Ausstellung in Wiener Neustadt und St. Peter an der Sperr, Wiener Neustadt 1994, 12-18.

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österreichischen Ritterstand mit sich. Das Prestige des Offizierskorps wurde auch anerkannt und angehoben, indem ihm der Zutritt zum Kaiserhof in Uniform ausdrücklich erlaubt wurde. Der Typus des „gelehrten Offiziers" wurde zum Ideal und zur Anforderung, Bildung trat neben Herkunft und Kriegserfahrung. An der Theresianischen Militärakademie wurde bald als Oberdirektor ein Mann angestellt, der sich als bedeutender Pädagoge erwies, der spätere Feldzeugmeister Franz Joseph Graf Kinsky35. Er schrieb ebenso über pädagogische wie über militärische und naturwissenschaftliche Gegenstände. In seinen geisteswissenschaftlichen Schriften ordnete er die Philosophie der Religion unter. Er stand aber auch mit dem Naturwissenschaftler und bedeutenden Freimaurer Ignaz von Born in Kontakt. Der aus Frauenthal in Franken stammende österreichische Artillerieoffizier, Militärdiplomat, vor allem aber Schriftsteller und zugleich bedeutende Theoretiker der Volksbewaffnung, Wilhelm Friedrich von Meyern (1759-1829), ist hier ebenso zu nennen 36 . Den Lehrplänen der Erziehungsanstalten sehr entsprechend brachte die Zeit aber auch Schriftsteller und Dichter, etwa von Memoirenwerken, militärtheoretischen Werken oder Lustspielen und Dramen hervor. Unter ihnen überragte in französischer Sprache der Wallone und kaiserliche hohe Offizier Charles Joseph Prince de Ligne Duc d'Ambise alle anderen. 37 In deutscher Sprache sind die Generäle Cornelius Hermann von Ayrenhoff und August Ernst Freiherr von Steigentesch als Dramatiker sowie der Lyriker der Biedermeierzeit und zeitweilige Chef des Generalquartiermeisterstabes Leonhard Graf von Rothkirch und Panthen zu nennen 38 . Als den bedeutendsten Gegner Napoleons I. auf militärischem Gebiet bezeichnet Gunther Rothenberg Generalissimus und Kriegsminister Erzherzog Carl von Österreich 39 . Seine wichtigste Reform war zweifellos die von seinem 35 Helga Hübl-Staab, Graf Franz Joseph Kinsky, phil. Diss. Univ. Wien 1949. 36 Siehe Langendorf, Ahnengalerie der Kaiserlichen Armee, 80-82, sowie die Literaturangaben 186 f. 37 Broucek, Peball, Geschichte der österreichischen Militärhistoriographie, S. 335f.; Langendorf, Ahnengalerie der Kaiserlichen Armee, 65-67, und dort 186 weitere Literaturangaben; Georges Englebert, Wallonen in Kaiserlichen Diensten. Katalog, Wien 1978; ders., Charles Joseph Fürst de Ligne. Katalog der 277. Ausstellung der Graphischen Sammlung Albertina, Wien 1982. 38 Heinrich Benkiser, Leonhard Graf von Rothkirch und Panthen. Eine Monographie, phil. Diss. Univ. Wien 1935. Rothkirch war auch Referent der Grundsteuer-Regulierungshofkommission und Mitarbeiter an der Katastralvermessungsinstruktion sowie Neubegründer der Osterreichischen Militärischen Zeitschrift. Uber militärtheoretische Arbeiten dieser Zeit siehe vor allem Günter Brüning, Militär-Strategie Österreichs in der Zeit Kaiser Franz II. (I.), phil. Diss. Univ. Münster 1983. 39 Peter Broucek, Die österreichische und amerikanische Geschichtsschreibung über Napoleon I. und Erzherzog Carl von Osterreich, in : Osterreich in Geschichte und Literatur 50 (2006) 287-295.

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Bruder Erzherzog Johann inspirierte Schaffung der Landwehr im Kaisertum Österreich außerhalb Ungarns und Tirols im Jahr 180840. Sie bedeutete de facto die Einübung und Aufbietung der meist bäuerlichen Mannschaft unter ihren Grundherrn. Dazu kam die Aufbietung des Schützenwesens in Tirol und Vorarlberg, also des Landsturms, des letzten totalen Aufgebots im Krieg von 1809, in Tirol unter dem Freiheitskämpfer Andreas Hofer41. Die Übernahme von freiwilligen Patrioten aus allen Ständen, besonders dem Adel und dem Bürgertum, sowie den Studenten in den Verband der Armeen im Kriegsfall erfolgte erstmals 1797. Dynastische Armee, Volksbewaffnung und Adelsaufgebot in Ungarn, dies geschah alles im Rahmen eines konservativen und patriotischen („nationalen") Bewusstseins im Kaisertum Osterreich seit 1804. In den böhmischen Ländern erwiesen sich die Einheiten der Landwehr 1809 als tapfer und einsatzbereit und wirkten mit an der Verhinderung der von Napoleon beabsichtigten Aufteilung des Kaisertums Osterreich 42 . Die Ungarn aber stellten nur das adelige Aufgebot, das zusammen mit der steiermärkischen Landwehr kämpfte, aber weitgehend versagte 43 . Auch in der Frage der Ausbildung versuchte der ungarische Adel eigene Wege zu gehen, indem er 1802 eine eigene „Ludovika-Akademie" stiftete, die jedoch zunächst keine Tätigkeit entfaltete, bis sie schließlich 1872 zur Offiziersakademie der ungarischen Landwehr (Honvéd) wurde44. Viele andere Maßnahmen, unter denen nur die Organisierung der ausmarschierenden Feldarmee von 1809 nach französischem Muster in Korps und Divisionen genannt werden soll, wären noch anzuführen.

40 Siehe die Aufsätze in Napoleon in Österreich. Historische Sonderausstellung, St. Pölten 1973, vor allem die Arbeiten von Johann Christoph Allmayer-Beck und Karl Gutkas. 41 Humbert Fink, Zu Mantua in Banden. Das Leben und Sterben des Volkshelden Andreas Hofer, Düsseldorf 1992; Helmut Hertenberger, Franz Wiltschek, Erzherzog Karl. Der Sieger von Aspern, Graz-Wien-Köln 1983; Hans Magenschab, Erzherzog Johann. Habsburgs grüner Rebell, Graz-Wien-Köln 1981. 42 Peter Broucek, Francousky Cisar, ceské zemë, rakousko a rok 1809, in: Ivan Sedivy (Hg.), Napoleonské Války a Ceské Zemë, Prag 2001, 101-116 und 282-283; Anton Wagner, Zur Geschichte der Landwehr in Osterreich, in: Truppendienst 9 (1970) 217-222. 43 Károly Vörös, The Insurrection of the Hungarian Nobility in the Era of the Napoleonic Wars, in: Béla Κ. Király (Hg.), East Central European Society and War in the Era of Revolutions, 1775-1856 (War and Society in East Central Europe 4; East European Monographs 150; Atlantic Studies 13), New York 1984, 19-31, und JózsefM. Borus, Hungarian Regiments, Officers and Soldiers of the Habsburg Army during the French Revolutionary and Napoleonic Wars, in: ebd., 32-46. Im Krieg von 1809 kamen neben 470.000 Mann Linientruppen 150.000 Mann Landwehr und bis Juni 1809 auch 50.000 Mann kroatische und ungarische Insurrektionstruppen zur Aufstellung. 44 Kálmán Kéri, The Ludovika Military Academy 1802-1920, in: Király (Hg.), The East Central European Officer Corps, 137-154.

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Ein Anliegen war Erzherzog Carl die Bildung des Offizierskorps und besonders des Generalquartiermeisterstabskorps. So sind die Gründung des Kriegsarchivs 1801, der Osterreichischen Militärischen Zeitschrift und der Kriegsbibliothek, die Neuorganisierung der Landesbeschreibung und die Einrichtung des Topographischen Büros ihm zuzuschreiben. Auch war Erzherzog Carl ein bedeutender Militärschriftsteller 45 . Als sein geistiges Vermächtnis gilt das von ihm verfasste und herausgegebene Generalsreglement von 1806, genannt „Grundsätze der höheren Kriegskunst für die Generäle der österreichischen Armee"46. Hier formulierte der Habsburger: „Der Krieg ist das größte Übel, was einem Staate, was einer Nation widerfahren kann. Es muß daher die Hauptsorge eines Regenten, eines commandierenden Generals sein, alle nur immer mögliche Kraft gleich bei dem ersten Ausbruche des Krieges aufzubieten, alles anzuwenden, damit der selbe so kurz, als es nur immer sein kann, dauere, und bald auf die möglichst günstigere Art entschieden werde." Aber auch: „Wehrlose Neutralität bietet keinen Schutz gegen Herausforderungen und Beleidigung ... allein der Friede und die Neutralität der Monarchie wird unerschütterlich bleiben,... wenn wir nur beweisen, daß wir im Notfalle stets zum Kampfe bereit sind."47 Auch wenn eine Analyse ergibt, dass hier die vorsichtige Manövrierweise des 18. Jahrhunderts bei Carl eine Rolle spielte, die er kommentierte und bereicherte, so kann gar nicht genug betont werden, dass hier in erster Linie das Staatswohl, also das Interesse der Allgemeinheit, bedacht wird, und dieses lag im Frieden und dann im Schutz. Erzherzog Carl ist daher von Manfried Rauchensteiner als „Theoretiker des begrenzten Krieges" gewürdigt worden48. Vielleicht sind aber Carls Ausführungen eine vorweggenommene Kritik des viel später erschienenen Werks von Carl von Clausewitz, „Vom Kriege", in dem der Autor jenes Phänomen als Fortsetzung der Politik unter Beimischung anderer Mit45 Johann Christoph Allmayer-Beck, Erzherzog Carl (1771-1847), in: ders., Militär, Geschichte und Politische Bildung, 286-302. 46 (Erzherzog Karl v. Osterreich), Grundsätze der höheren Kriegskunst für die Generäle der österreichischen Armee. Neudruck der Ausgabe 1806. Mit einer Einführung von Walter Hummelberger (Bibliotheca rerum militarium 32), Osnabrück 1974; vgl. auch Winfried Romberg, Erzherzog Carl von Osterreich. Geistigkeit und Religiosität zwischen Aufklärung und Revolution (Archiv für österreichische Geschichte 139), Wien 2006. 47 Zitiert nach Manfried Rauchensteiner, Erzherzog Carl und der Begrenzte Krieg, in : Clausewitz - Jomini - Erzherzog Carl. Eine geistige Trilogie des 19. Jahrhunderts und ihre Bedeutung für die Gegenwart. Johann Christoph Allmayer-Beck zum 70. Geburtstag, Wien 1988, 149-167. 48 Manfried Rauchensteiner, Kaiser Franz und Erzherzog Carl. Dynastie und Heerwesen in Osterreich 1796-1809 (Österreich-Archiv), Wien 1972; Siehe auch Broucek, Die österreichische und amerikanische Geschichtsschreibung. Den vollkommen gegenteiligen Standpunkt vertritt Hans Delbrück, Erzherzog Carl, in: Preußische Jahrbücher 105 (1901) 381-403.

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tel definiert. Helmuth von Moltke formulierte einmal, der ewige Friede wäre nur ein Traum - „und nicht einmal ein schöner". Auch wenn sich Moltke, dies sei betont, in späterer Zeit anders äußerte, hatte er in seiner Aktivzeit in seiner Schrift über Strategie es als gegeben und normal bezeichnet, dass sich die Politik für das Erreichen ihrer Zwecke der Militärstrategie bediene. Aber im Kriege müsse das Militär völlig unabhängig von ihr sein, und dem höchsten Soldaten sei uneingeschränkte Handlungsfreiheit einzuräumen. Diese Fehlinterpretation von Clausewitz, die zumindest mit jener anderen Äußerung Moltkes in Zusammenhang gesehen werden kann, hatte vor dem Ersten Weltkrieg und noch mehr in diesem auch in der Praxis der täglich notwendigen Zusammenarbeit von Militär und Diplomatie katastrophale Folgen49. Im österreichischen Rahmen kann man wohl das Duo Generalissimus Erzherzog Carl und Feldmarschall Maximilian Freiherr von Wimpffen für den Feldzug 1809 als erstes modernes Armeeoberkommando bezeichnen, das die Aufsicht und die oberste Verantwortung für die Kriegsschauplätze in Oberitalien und Innerösterreich, Dalmatien und Kroatien, Tirol und Vorarlberg, Böhmen und Mähren, Galizien und Oberungarn sowie Transdanubien und die unmittelbare Führung der Hauptarmee in Ober- und Niederösterreich sowie Mähren hatte50. Nach einem Zwischenspiel und dem Feldzug von 1812, an dem Osterreich durch ein Kontingent der Grande Armée sehr selbstständig beteiligt war51, folgte der Feldzug von 1813/1814. Hier führte Feldmarschall Karl Philipp Fürst zu Schwarzenberg mit seinem „ C h e f Josef Graf Radetzky das Oberkommando und zugleich eine internationale Hauptarmee zum Erfolg über Napoleon Bonaparte52. Damals stand bereits ein Haupt-

49 Christian Millotat, Carl von Clausewitz und sein Einfluss auf Politiker und Soldaten von heute (Osterreichische Gesellschaft für Landesverteidigung und Sicherheitspolitik, Broschüren/Allgemeine Reihe 73), Wien 2005. 50 Siehe Peter Broucek, Von der Schlacht bei Deutsch-Wagram und dem Gefecht bei Znojmo (Juli 1809) bis zum Frieden von Schönbrunn (Oktober 1809), in: Evropa 1805. Sborník praci V Mezinárodního Napoleonského Kongresu konaného ν budovè veremo ochrance práv Brno 26.-28. zári 2005, Brno 2006, 629-648. 51 Peter Broucek, Die Teilnahme Österreichs am Feldzug Napoleons gegen Rußland an Hand von Dokumenten aus dem Osterreichischen Kriegsarchiv, in: Rußland und Österreich zur Zeit der Napoleonischen Kriege, hrsgg. von Anna M. Drabek, Walter Leitsch und Richard G. Plaschka (Veröffentlichungen der Kommission für die Geschichte Österreichs 14), Wien 1989, 113-122. 52 Anton Wagner, Radetzky als Chef des Generalstabes der Heere der Verbündeten im Herbstfeldzug 1813, in: Österreichische Militärische Zeitschrift 1 (1963) 352-358; Karl Schwarzenberg, Das Bild des Feldmarschalls Schwarzenberg in der Geschichte, in: ebd. 2 (1964) 174-179. Die letzte deutsche Radetzky-Biographie ist Franz Herre, Radetzky. Der volkstümliche k.u.k. Feldmarschall und seine bewegte Zeit (Bastei Lübbe Taschenbuch 61076),

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mann im Korps des Generalquartiermeisterstabes, der zu Johann Wolfgang von Goethes Ausspruch, „die beste Stellung in der Gesellschaft wie auch sonst im Leben hat ein gebildeter Soldat" den Anlass gegeben haben soll: Heinrich Freiherr von Hess, Feldmarschall, Chef des Generalquartiermeisterstabes 1840-1860, Generalquartiermeister Radetzkys 1848/49 und Gründer der Kriegsschule 185253.

Das Generalstabskorps im 19. und 20. Jahrhundert Es war das Zeitalter der kulturellen Emanzipation der zwölf Nationen des Kaisertums Österreich mit ihrem Höhepunkt, der Revolution von 1848/184954. Es war eine Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs, der geistigen Blüte und der politischen Ruhe vor dem Sturm, das „Biedermeier", benannt auch nach dem leitenden Staatsmann als „Ära Metternich"55. Sofort aber hatten Deutschnationalismus, Pangermanismus, Austroslawismus, Panslawismus, Illyrismus, Hungarismus und Romanismus neben der kulturellen Leistung auch eine politische Funktion.56 Es gab eine rein kulturelle Beteiligung des

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Bergisch Gladbach 1984, die letzte tschechische Biographie Petr Havel, Andrej Romañák, Marsál Radecky vojevûdce péti cisarû, Prag-Litomysl 2000 ; die letzte österreichische wichtige Einschätzung Thomas Brandtner, „Vater Radetzky" - Symbol der Einheit Österreichs, in: Ulrich Zellenberg (Hg.), Konservative Profile. Ideen & Praxis in der Politik zwischen FM Radetzky, Karl Kraus und Alois Mock, Graz-Stuttgart 2003, 25-43; siehe auch: Peter Broucek, Radetzky, der Soldat und Staatsmann, in: Radecky a jeho doba. Bd. 1, Prag 1992, 24-39. Stefan Heym, Pargfrider. Roman, 2. Aufl. München 2002, beschreibt sowohl Radetzky als auch Wimpffen als Mitglieder der ungarischen Freimaurerloge Zur Großmuth. Dies stellt auch Otto Stradai, Der andere Radetzky. Tatsachen und Gedanken um ein Phänomen, 2. Aufl. Wien 1982, zur Diskussion. Stradai kennt die Ergebnisse der Öffnung der Gruft Radetzky-Pargfrider 1979. Ernst Bruckmüller, Sozialgeschichte Österreichs, 2. Aufl. Wien 2001, 247, schreibt: „Ob die häufige Teilnahme von Offizieren an Freimaurerlogen (etwa 30% der Mitglieder waren Offiziere) ein Indiz für die Verbürgerlichung des Offizierskorps oder ein Indiz für die aristokratische Dominanz in der Freimaurerei war, muss offen bleiben." Heinrich Freiherr von Hess, Schriften aus dem militärwissenschaftlichen Nachlaß mit einer Einführung in sein Leben und das operative Denken seiner Zeit, hrsgg. von Manfried Rauchensteiner (Bibliotheca rerum militarium 41), Osnabrück 1975. Heinrich Benedikt, Das Zeitalter der Emanzipationen 1815-1848, Wien-Köln-Graz 1977. Guillaume de Bertier de Sauvigny, Metternich. Staatsmann und Diplomat für Österreich und den Frieden, Gernsbach 1988; Humbert Fink, Metternich. Staatsmann, Spieler, Kavalier, München 1989. Robert A. Kann, Das Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie. Geschichte und Ideengehalt der nationalen Bestrebungen vom Vormärz bis zur Auflösung des Reiches im Jahre 1918, 2 Bde, Graz-Köln 1964; Gunther E. Rothenberg, The Croatian Military Border and the Rise of Yugoslav Nationalism, in: Slavonic and East European Review 43 (1964) 34-45; Hermann Freudenberger, Progressive Bohemian and Moravian Aristocracy, in: Intellectual and Social De-

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Militärs, zum Beispiel den kroatischen Dichter und zuletzt Generalmajor Petar von Preradovic. Die Armee hatte einen nominellen Stand von 400.000 Mann, einen tatsächlichen aber von 250.000. Nur in Oberitalien, wo ja Österreich die Lombardei und Venetien durch den Wiener Kongress wieder zugesprochen erhalten und auch zurückerobert hatte, garnisonierte eine einsatzbereite Armee. Der Gedanke des Vaterlandes und der einen und einigenden Nation, auch der Republik, stand dem Bestreben der Erhaltung des territorialen Besitzstandes, der wirtschaftlichen Konsolidierung und der Intervention zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung in der österreichischen Politik gegenüber. Österreich intervenierte in Unteritalien und im päpstlichen Territorium, hatte militärische Aufgaben im Deutschen Bund und eine ziemlich unruhige Grenze mit kleinen Gefechten gegenüber dem Osmanischen Reich in Kroatien. Es griff im zeitweiligen Stadtstaat Krakau ein und sorgte gemeinsam mit England mit Hilfe der Kriegsmarine in Palästina für die Aufrechterhaltung der dortigen Herrschaft der Osmanen. Die Armee war schon allein überfordert mit dieser außenpolitischen und militärischen Aufgabe57. Der Umsturz in Frankreich 1830 und die Einrichtung eines „Bürgerkönigtums" erhöhten die Sorge vor dem Ubergreifen der Revolution nach Österreich. Der technische Fortschritt nach Einführung der Dampfmaschine ist durch die Entwicklung der Eisenbahn am besten gekennzeichnet. Der Bau der Bahnen erfolgte sicher in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen, etwa die Trassierung der Semmeringbahn ab 1837. Bald aber nahm das Militär auf Planung und Bau der Bahnlinien den größten Einfluss58. Auf dem Gebiet velopments in the Habsburg Empire from Maria Theresa to World War I. Essays Dedicated to Robert Α. Kann, hrsgg. von Stanley B. Winters und Joseph Held (East European Monographs 11), Bolder, Colorado 1975, 115-130; Wayne S. Vucinich, Croatian Illyrism: Its Background and Genesis, in: ebd., 55-114; Stanley B. Winters, Austroslavism, Panslavism, and Russophilism in Czech Political Thought, 1870-1900, in: ebd., 175-202; Keith Hitchins, The Sacred Cult of Nationality. Rumanian Intellectuals and the Church in Transylvania, 1834-69, in: ebd., 131-160; Denis Silagi, Der grösste Ungar. Graf Stephan Széchenyi, Wien-München 1967; Heinz Politzer, Franz Grillparzer oder das abgründige Biedermeier, Wien-München-Zürich 1972; Georg F. Morava, Franz Palacky. Eine frühe Vision von Mitteleuropa, Wien 1990; Jiri Kofalka, Frantisek Palacky (1798-1876). Der Historiker der Tschechen im österreichischen Vielvölkerstaat (Studien zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie 30), Wien 2007. 57 Peter Broucek, Die Armee im Biedermeier, in: Ferenc Glatz (Hg.), Die k.u.k. Armee (Begegnungen. Schriftenreihe des Europa-Instituts Budapest 6), Budapest 1998, 39^45; Gunther E. Rothenberg, The Austrian Army in the Age of Metternich, in: The Journal of Modern History 40 (1968) 155-165. 58 Peter Broucek, Die Eisenbahn als militärischer Faktor, in : Karl Gutkas, Ernst Bruckmüller (Hg.), Verkehrswege und Eisenbahnen. Beiträge zur Verkehrsgeschichte Österreichs aus Anlaß des Jubiläums „150 Jahre Dampfeisenbahn in Österreich" (Schriften des Institutes für Österreichkunde 53 ), Wien 1989, 124-134.

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der Militärtechnik entwickelte ein genialer Artillerist die britische Erfindung der neuzeitlichen Rakete weiter, der spätere General-Artilleriedirektor Vinzenz Freiherr von Augustin 59 . Ein weiterer Ingenieuroffizier wurde zu Studienzwecken erstmals nach Amerika geschickt, der politisch ungemein interessierte und spätere Angehörige des 1851 gegründeten Geniestabes Karl Moering. Er war der Verfasser vieler technischer Fachartikel, aber auch der politischen Reformschrift „Sybillinische Bücher aus Österreich" 60 . Ein Revolutionär wurde dann der Offizier Ferdinand Fenner von Fenneberg mit seinem 1846 verlegten ungemein kritischen Werk „Osterreich und seine Armee". Ebenfalls Offizier war der Oberkommandant der Wiener Nationalgarde Wenzel Caesar Messenhauser, ein Lyriker und Dramendichter 61 . Doch auch auf der Gegenseite standen nicht unbedeutende Offiziersschriftsteller, die in Dichtung und Programmatik ihren Standpunkt unter das Offizierskorps und vor allem an die Öffentlichkeit brachten und teilweise auch nach 1848 publizierten. General Friedrich Fürst zu Schwarzenbergs Werk etwa umfasst insgesamt 17 Bände an Memoiren und Berichten 62 . Ein „opinion leader" des Offizierskorps wurde aber dann Karl Graf Bigot de St. Quentin in der Zeit des Frühkonstitutionalismus und des Neoabsolutismus mit seinem ebenfalls mehrere Bände umfassenden Schrifttum, etwa dem Werk „Unserer Armee"63. Die größten Änderungen in der Armee selbst waren wohl die de-facto-Auflösung der Landwehr nach den Napoleonischen Kriegen, de jure geschah dies erst 1852. Damals wurde, wohl eine Parallele zu jener Auflösung, die Gendarmerie als militärischer Körper geschaffen64. Eine echte Reformmaßnahme für die Bevölkerung war aber auch die Herabsetzung der Dienstzeit in der Infanterie auf acht Jahre. Der Generalstab wurde ganz wesentlich ausgestaltet. Noch unter Radetzky als Generalstabschef hielt man 1811 bis 1813 eine Art ersten Fortbildungskurs für Offiziere vor dem Eintritt in den Generalquartiermeisterstab ab. 1818 wurde ein unter Napoleon gegründetes Militärgeografisches 59 Langendorf, Ahnengalerie der Kaiserlichen Armee, 90-94. 60 Adam Wandruszka, Karl Moering, ein deutscher Soldat und Politiker aus dem alten Osterreich, in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 53 (1939), 79-185; ders., An Austrian in the United States: Carl Moering and Elizabeth Tucker, in: Intellectual and Social Developments in the Habsburg Empire, 161-175. 61 Richard Charmatz, Ein Träumer als Feldherr: Wenzel Messenhauser, in: ders., Lebensbilder aus der Geschichte Österreichs, Wien 1947, 45-58. 62 Langendorf, Ahnengalerie der Kaiserlichen Armee, 110-117 und 188; Friedrich Fürst von Schwarzenberg, Viele Fahnen wehten über mir, eingel. und auserwählt von E. J. Görlich (Stiasny-Bücherei 20), Graz-Wien 1957. 63 Broucek, Konservatismus in den Armeen, 171. 64 Anton Wagner, 125 Jahre österreichische Gendarmerie, in: Truppendienst 13 (1974) 195198.

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Institut in Mailand dem Generalquartiermeisterstab als Topolithografisches Büro unterstellt und 1839 als Militärgeographisches Institut nach Wien verlegt65. Dazu kam 1823 ein Kriegsgeschichtliches Büro. Schon 1801 hatte Erzherzog Carl das Kriegsarchiv beauftragt, die gegnerischen Armeen „evident" zu halten. Daraus entstand um 1813 eine eigene Gruppe im Generalquartiermeisterstab und 1828 eine Marsch-, Dislokations- und Militärstatistische Abteilung, die Vorläuferin des 1857 geschaffenen Evidenzbüros, des militärischen Nachrichtendienstes. Der vorläufige Abschluss dieser schrittweisen Modernisierung war 1848 die Umwandlung des Hofkriegsrats in ein Ministerium. Dieses wurde durch die „Militärkonferenz" erweitert, ein den jungen Kaiser Franz Joseph I. beratendes Gremium. Sie bestand aus den einander auf dem Papier gleichgestellten Generadjutanten, dem Generalquartiermeister, dem Kriegsminister und dem Chef der Militärzentralkanzlei, dem direkten Vorläufer der späteren „Militärkanzlei Seiner Majestät" 66 . Den Haupteinfluss auf die Militärpolitik hatte aber bis zum Krieg von 1866 der Generaladjutant und damit eine Institution, mit der sich schon Erzherzog Carl und weiters die Radetzky nachfolgenden Chefs des Generalquartiermeisterstabes auseinanderzusetzen gehabt hatten. Der Einfluss des Adjutanten in operativen und außenwie innenpolitischen Angelegenheiten hielt auch nach der Revolution bis zu den mit Niederlagen endenden Beteiligungen Österreichs an den italienischen und deutschen Einigungskriegen von 1859 und 1866 an. Die Ereignisse von 1848 bedeuteten eine Verbindung von bürgerlicher, demokratischer, antifeudaler, nationaler und sozialer Revolution67. Die Zentren waren Wien, Budapest, Prag und Mailand. Die Magyaren unter Lajos Kossuth gingen bis zur reinen Personalunion zwischen zwei konstitutionellen Monarchien und setzten die Habsburger schließlich ab68. Einer der drei führenden Generäle der Armee, Feldmarschall Radetzky, wandte sich zugunsten der Einheit und Stärke des Kaisertums Osterreich gegen die Teilnahme an der Frankfurter Nationalversammlung 69 . Frantisek Palacky, der 65 Oskar Regele, Beiträge zur Geschichte der staatlichen Landesaufnahme und Kartographie in Osterreich bis zum Jahre 1918, Wien 1955. 66 Der Allerhöchste Oberbefehl. Die Garden, bearb. von Peter Broucek unter Mitarbeit von Georg Zivkovic und Herbert Klima nach Manuskriptfragmenten von Alphons Freiherrn von Wrede (Militaría Austriaca 6), Wien 1988. 67 Ernst Bruckmüller, Wolfgang Häusler (Hg.), 1848. Revolution in Osterreich (Schriften des Institutes für Osterreichkunde 62), Wien 1999; István Deák, Die rechtmäßige Revolution. Lajos Kossuth und die Ungarn 1848-1849, Wien-Köln-Graz 1989. 68 Siehe die entsprechenden Aufsätze über Ungarn und die Unterstützung durch polnische und italienische Legionen in Király (Hg.), East Central European Society and War in the Era of Revolutions. 69 Rainer Egger, Radetzky und die Frankfurter Nationalversammlung, in : Radecky a jeho doba. Bd. 1, Prag 1992, 55-71.

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zivile Führer der Tschechen, erteilte eine ähnliche höfliche Absage zugunsten des österreichischen Schutzes gegen eine russische Universalmonarchie und - unausgesprochen - für einen Konstitutionalismus und ebenso für eine Föderalisierung und Demokratisierung Österreichs 70 . Das Offizierskorps der Armee von etwa 9.000 Angehörigen, darunter 2.000 aus Ungarn, setzte sich für den Fortbestand der Donaumonarchie und für den Thron ein, erwartete aber zeitgemäße Reformen wie 1749. Eine besondere Rolle spielten von Anfang an die Truppen der Militärgrenzbezirke, vor allem die der südslawischen unter dem „Banus" General Josip Graf Jelacic71. Die ständischen Führer der Serben, Rumänen und auch der Slowaken dürfen nicht vergessen werden. Radetzky konnte die italienischen Revolutionäre, die durch den Angriff Piemonte unterstützt wurden, besiegen72. Italienische und polnische Legionen sowie Offiziere unterstützten die ungarische nationale Armee, immerhin 170.000 Mann unter dem ehemals österreichischen Offizier General Arthur Görgey, die von General Haynau mit Unterstützung der Armeen des russischen Zaren niedergeworfen wurde. Mit der Rückendeckung des Zaren gelang auch durch den ersten österreichischen Eisenbahnaufmarsch 1850 die Verhinderung der Gründung eines Norddeutschen Bundes, der Preußen die Vormacht in Deutschland gebracht hätte, und die Wiederherstellung des Deutschen Bundestages. Nach Niederschlagung der Revolution wurden 14 Generäle der ungarischen Erhebung hingerichtet. 1850 wurde auch Ungarn neu geordnet, Siebenbürgen, die Voivodina, Kroatien und Slavonien abgetrennt, die ungarische Verfassung aufgehoben, die Zollgrenze zwischen Osterreich und Ungarn beseitigt. Die vom Kremsierer Reichstag erarbeitete föderalistische Verfassung wurde durch Auflösung dieses Parlaments zunichte gemacht und die zentralistische Märzverfassung oktroyiert, aber nie verwirklicht. Die Jahre des Frühkonstitutionalismus gingen durch das Silvesterpatent von 1851 zu Ende. Der sogenannte Neoabsolutismus hielt sich nur bis 1866, der Niederlage in den deutschen und italienischen Einigungskriegen, die beide 1870/71 gegen Frankreich beziehungsweise den von diesem und von Österreich geschützten Kirchenstaat ihren Abschluss fanden. Bereits seit 1860 wurde mit Verfassungsentwürfen „experimentiert", und besonders das föderalistische Konzept für den Gesamtstaat des mährischen Ständevertreters und Minis70 Vgl. Koralka, Frantisek Palacky, 269-276. 71 Ernest Bauer, Joseph Graf Jellachich. Banus von Kroatien. Schicksal und Legende des kroatischen Helden von 1848, Wien 1975; Gunther E. Rothenberg, Jelacic, the Croatian Military Border, and the Intervention against Hungary in 1848, in : Austrian History Yearbook 1 (1965)47-73. 72 Anton Wagner, Die kaiserliche Armee in Italien 1848/49, in: Truppendienst 13 (1974) 5-9 und 113-118.

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terpräsidenten Richard Graf Belcredi hätte zur politischen Versöhnung beitragen können, wäre die ungarische Forderung nach dem Staatsrecht durch den verlorenen Krieg von 1866 nicht so sehr begünstigt worden73. 1867 entstand eine Realunion von zwei konstitutionellen Monarchien, in denen Diplomatie und Armee über gemeinsame Außen- beziehungsweise Kriegsminister dem Monarchen direkt unterstanden 74 . Diese Minister hatten den beiden Parlamenten über deren Ausschüsse, den Delegationen, Rede und Antwort zu stehen. Gemäß den Verfassungen war es sodann nur mehr Staatsbürgern erlaubt, in das Offizierskorps einzutreten, und der Übertritt von Männern aus den deutschen Staaten in das bisherige kaiserliche Offizierskorps fand ein Ende. Weder die tschechischen Bürger der Länder der böhmischen Krone noch die Kroaten des kroatisch-slawonischen Königreichs oder die Angehörigen der Militärgrenze konnten mit den neuen Verfassungen des Dualismus einverstanden sein. Die „Bocchesen" in Süddalmatien erhoben sich 1869 gegen das neue Landwehrgesetz. Für die böhmischen Länder wurde mit vollster Zustimmung von Kaiser Franz Joseph 1871 durch Ministerpräsident Karl Graf Hohenwart ein Autonomieentwurf für einen „Ausgleich" zwischen der Krone und dem böhmischen und galizischen Landtag vorgelegt. Die Deutschen im böhmischen Landtag, die ungarische Regierung, der gemeinsame Außenminister und „Reichskanzler" Friedrich Ferdinand Graf Beust sowie der k.k. Kriegsminister Franz Kuhn Freiherr von Kuhnenfeld, diskret auch die deutsche Regierung, verhinderten jenes Dokument der 18 Fundamentalartikel und deren Realisierung75. Die Polen begnügten sich mit dem Zugeständnis der polnischen Amtssprache für Galizien am 5. Juni 1868 und die Aufnahme eines Ministers für Galizien, eines sogenannten Landsmannministers, in die österreichische Regierung seit April 1871. 73 Wilhelm Böhm, Konservative Umbaupläne im alten Österreich. Gestaltungsprobleme des Völkerreiches (Osterreichprofile), Wien-Frankfurt-Zürich 1967, 151 f. 74 Peter Broucek, Ungarn und Königgrätz, in: 1866. Wendepunkt in der Geschichte Europas (Österreichische Militärische Zeitschrift, Sonderheft),Wien 1966, 41-47. Dazu Frantisek Palacky: „Der Tag der Ausrufung des Dualismus wird zugleich der Geburtstag des Panslawismus in seiner am wenigsten wünschenswerten Form sein. Wir waren vor Österreich und werden auch nach ihm sein." Noch um diese Zeit begannen die Kontakte tschechischer Politiker zu Frankreich und Russland: Harald Bachmann, Riegers Memoire an Napoleon III. aus dem Jahre 1869, in: Bohemia 15 (1974) 171-196. 75 Siehe die Dokumente im Nachlass Kuhn-Kuhnenfeld im Kriegsarchiv. Kuhn verwies in seiner schriftlich abgegebenen ablehnenden Haltung gegenüber dem Kaiser sowohl auf den Ausgleich von 1867 als auch auf die Sonderrechte der Tiroler Landesverteidiger. Siehe ansonsten: Thomas Haviar, Carl Sigmund Graf Hohenwart: Beamter - Ministerpräsident - Konservativer - treuer Diener seiner Herren, in: Zellenberg (Hg.), Konservative Profile, 119-125.

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Die allgemeine Wehrpflicht von drei Jahren in der Linie für die gemeinsame Armee wurde in den neuen Verfassungen des Dualismus beschlossen. Die Armee musste sich der Schaffung von zwei Landwehren fügen und konnte zunächst nur erreichen, dass in Ungarn diese nicht als Nationalgarde bezeichnet wurde. Es war jene Armee in der 1889 reformierten Form, in der Theodor v. Zeynek dann bis 1918 dienen sollte. Die Offiziere der Armee hatten nach der Niederschlagung der Revolution von 1848/49, der Besiegung oder Zurückdrängung äußerer Feinde oder Rivalen ein Hochgefühl ihrer Bedeutung. Sie fühlten sich zunächst auch der Beamtenschaft und der Diplomatie überlegen, die These des Generals von Clausewitz vom Kriege als „eine Fortsetzung des politischen Verkehrs, eine Durchführung desselben mit anderen Mitteln" wurde in vollem Umfang akzeptiert. Aber nicht nur diese Ansicht, die ja den Anschauungen Erzherzog Carls ausdrücklich widersprach, wurde vertreten. Vielmehr wurde die Ansicht von Clausewitz über das Verhältnis von Krieg und Frieden in Theorie und Praxis gewissermaßen verstärkt, vor allem durch die Ansicht des Chefs des Generalstabs von 1905 bis 1917, Feldmarschall Franz Conrad von Hötzendorf, die man vielleicht als Interventionstheorie bezeichnen könnte. Dieser sowie viele andere Verantwortungsträger und nicht nur Militärs vertraten den Standpunkt, dass der Krieg keineswegs nur ein letzter Ausweg aus einer militärisch womöglich bereits aussichtslosen Lage sein dürfe, sondern dass er vielmehr ein wichtiges Mittel einer vorausschauenden, zielbewussten Politik sein sollte76. Es ist festzuhalten, dass diese Ansicht in Osterreich nicht nur von grundsätzlichen Pazifisten wie etwa Bertha von Suttner bekämpft, sondern auch von Staatsdenkern wie Heinrich Lammasch abgelehnt wurde. Der spätere Chef der Operationsabteilung des Generalstabs Oberstleutnant v. Zeynek trug diese Ansicht der meisten Militärs während seiner Dienstzeit im Frieden mit, verlangte aber grundsätzlich eine gute und vertrauensvolle Konsultation zwischen den Verantwortungsträgern als Grundlage für die Aufmarschplanungen und deren Modifizierungen. Wie wir wissen, wurde diese Zusammenarbeit etwa im Verhältnis zwischen Conrad und Außenminister Alois Lexa von Aehrenthal durch Rivalität „ersetzt", wobei der Kaiser ebenso grundsätzlich am Vorrang des Außenministers festhielt. Den Vorrang der „Staatskunst" vor dem „Kriegshandwerk" bestritt Zeynek in aller Loyalität zu seinem „Chef zum Unterschied von Conrad selbst nicht. Wie bereits erwähnt, ging es bei der Zusammenarbeit zwischen Diplomatie und Generalstab im Hauptquartier einer operierenden Armee um den Vorrang von 76 Günther Kronenbitter, „Krieg im Frieden". Die Führung der k.u.k. Armee und die Großmachtpolitik Österreich-Ungarns 1906-1914 (Studien zur Internationalen Geschichte 13), München 2003.

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Politik vor auch erfolgreicher militärischer Operation, etwa im Feldzug 1866 in den Hauptquartieren beider Gegner, noch mehr aber im Krieg 1870/1871. Letzten Endes stand das grundsätzliche Abwägen eines erträglichen oder ertragreichen Waffenstillstands nicht nur angesichts der Niederlage, sondern auch des Sieges zur Debatte. In den Zeiten des Militarismus wurden den Erwägungen von „Waffenehre" oder „Untergang" gegenüber der Verantwortung für das Uberleben der Menschen oder auch der Existenz des Staates ein Vorrang gegeben, der damals bereits zumindest teilweise falsch war, heute unverständlich ist. Im militärischen Betrieb während des Krieges ist zumindest ab der Ebene des Stabschefs eines Korps oder einer Armee dessen Verhältnis zum jeweiligen Kommandanten besonders wichtig und für die Lage und das Leben vieler Soldaten relevant. Die Frage der Stellung des Chefs des Generalstabs gegenüber dem Armeeoberkommandanten im 1. Weltkrieg hatte dann sogar eine politische Dimension. Dass eine so hoch gebildete Persönlichkeit wie Zeynek gegenüber „seinem" Armeekommandanten und Träger der letzten Entscheidung vor der Durchführung von Maßnahmen ebenso Urteilsvermögen wie Maßhalten, Takt, Mut und Kompetenz auch in schwierigen Lagen bewies, hebt ihn positiv hervor. Conrad zeigte sich nicht nur 1914 unangemessen überheblich, als er bei seiner Belassung als Chef des Generalstabes im kommenden Krieg Forderungen bezüglich seines Wirkungskreises erhob. Sie machten ihn, was das operative Wesen betraf, mehr als mitverantwortlich. Sie degradierten den Armeeoberkommandanten Erzherzog Friedrich, der von der Ausbildung und seinen bisherigen Funktionen durchaus alle Voraussetzungen für den Posten des Höchstkommandierenden mitbrachte, zur Repräsentationsfigur. Dies erwies sich, wie sich zeigen sollte, als Schaden an der Sache, nämlich der Landesverteidigung, da Conrad die Bewaffnete Macht überforderte 77 . Seit 1869, dem Jahr der letzten Reform, gab es die Möglichkeit zur Erlangung des Offiziersberufes über den Besuch einer Militär-Unterrealschule und einer der siebzehn Kadettenschulen. Oder es erfolgte der Besuch einer zivilen Mittelschule beziehungsweise einer Militär-Oberrealschule und anschließend einer Militärakademie. Dies waren die Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt, die Technische Militärakademie, zuletzt in Mödling, sowie die beiden Landwehrakademien, die ab 1872 auflebende Ludovika-Akademie in Budapest und die Franz-Josephs-Landwehrakademie, die 1912 in Wien gegründet wurde. Zeynek wählte den Weg über das Troppauer Gymnasium und die Theresianische Militärakademie. 1910 lag der Anteil des Adels unter den Frequentanten der Kadettenschulen bei 14%, 77 Regele, Generalstabschefs, 85-87.

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unter jenen der Theresianischen Militärakademie bei 40%. Im selben Jahr waren 78,7% des aktiven Offizierskorps und 60,2% der Reserveoffiziere deutscher Muttersprache. Dagegen waren 9,3% der aktiven und 23,7% der Reserveoffiziere ungarischsprachig 78 . Im Jahre 1897 dienten 178 Berufsoffiziere jüdischer Konfession im k.u.k. Heer, das entsprach 1,2% aller Offiziere. Den Generalsrang erreichten im 20. Jahrhundert vor 1914 zwei Offiziere jüdischer Konfession, im Ersten Weltkrieg drei weitere79. Gleichzeitig mit der durch die Gesetze vom 5. Dezember 1868 eingeführten allgemeinen Wehrpflicht wurde auch das Institut der Einjährig-Freiwilligen in der Armee geschaffen. Matura war für diese Personen Voraussetzung, die nach der einjährigen Dienstleistung eine Reserveoffiziersprüfung ablegen konnten. Fassten sie darauf den Entschluss, aktiv weiter zu dienen, so mussten sie eine Ergänzungsprüfung ablegen80. Über dieser Ebene der Offiziersausbildung stand die der Höheren Militärfachkurse. Sie sollten unter bestimmten Voraussetzungen wie erfolgreicher Truppendienst, Prüfungen und Übungen den Eintritt in die höheren Stäbe ermöglichen. Dies waren die bereits 1852 gegründete Kriegsschule in Wien für den Generalstab, der höhere Geniekurs für den Geniestab, der Spezialkurs für Hauptleute der Feld- und Festungsartillerie für den Artilleriestab sowie die Administrativen Militär-Fachkurse für die Intendanz 81 . 1896 wurde das Militär-Tierarznei-Institut gegründet und 1900 der erste Militärärztliche Applikationskurs abgehalten. Weiters wurden bereits 1869 das Technische Militärkomitee und 1875 das Reitlehrinstitut geschaffen sowie 1883 ein Eisenbahn- und Telegraphenregiment aufgestellt 82 . Ab 1890 lief der erste Aeronautische Kurs und 1893 wurde die Miltäraeronautische Anstalt gegründet, die 1909 zur k.u.k. Luftschifferabteilung wurde. Dass aus ihr Ballonfahrer, Luftschiffer und Flieger hervorgingen, die Erstflüge über bestimmte Strecken, Gebirgszüge und Meere unternahmen, ist in der Geschichte des Sports festgehalten. Offiziere und Unteroffiziere nahmen an internationalen Wettkämpfen teil und waren wie Oberst Franz Hinterstois78 Allmayer-Beck, Die Bewaffnete Macht, 117. 79 Erwin A. Schmidl, Juden in der k. (u.) k. Armee 1788-1918 (Studia Judaica Austriaca 11), Eisenstadt 1989, 62. 80 Antonio Schmidt-Brentano, Die Armee in Osterreich. Militär, Staat und Gesellschaft 18461867 (Militärgeschichtliche Studien 20), Boppard am Rhein 1975; Ulf Sereinigg, Das altösterreichische Offizierskorps 1868-1914. Bildung - Avancement - Sozialstruktur - wirtschaftliche Verhältnisse, phil. Diss. Univ. Wien 1983. 81 Rainer Egger, Der Stand des österreichisch-ungarischen Militär-Erziehungs- und Bildungswesens 1918, in: Österreichische Militärische Zeitschrift 6 (1968) 424-^30. 82 Offiziere - Kavaliere. Die Entwicklung des Reitsportes in der österreichischen Armee. Katalog der Ausstellung vom 8. September 1972 bis 26. April 1973 im Heeresgeschichtlichen Museum, Wien 1972.

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ser in die Weiterentwicklung des Flugzeuges ebenso eingebunden wie der aus Ungarn stammende Oberstleutnant Stefan Petroczy von Petrocz in die Entwicklung des Hubschraubers im Ersten Weltkrieg83. Die Bedeutung des Generalstabskorps in der Geschichte der k.u.k. Gesamten Bewaffneten Macht (ohne Kriegsmarine) zeigt auch dessen quantitative Entwicklung. Als der Generalquartiermeisterstab 1758 aufgestellt wurde, bestand er aus zwanzig Offizieren. Osterreich hatte damals ein Heer von 108.000 Mann. Im Kriegsjahr 1866 dienten 278 Generalstabsoffiziere, und 1914 waren es 757 Generalstäbler, darunter fünf aus dem Generalstab hervorgegangene Generäle. Im Jahre 1918 hatte sich die Bewaffnete Macht auf 5,500.000 Mann erhöht, sich also gegenüber 1758 mehr als vervierzigfacht. Die Zahl der Generalstabsoffiziere stieg bis 1918 auf 953 an, ihre Entwicklung hatte somit mit dem Anwachsen der Wehrmacht harmonisch Schritt gehalten. Ein bedeutender Unterschied lag allerdings darin, dass der Stab von 1758 nur einen verhältnismäßig kleinen Wirkungskreis hatte, der nach dem Friedensschluss von 1763 ausschließlich in der Landesaufnahme bestand, während sich im Ersten Weltkrieg der Generalstabsdienst auf das ganze Gebiet moderner Kriegsführung von den Frontoperationen bis tief in die Kriegswirtschaft des Heimatgebietes ausdehnte84. Bevor weiter und abschließend auf den Generalstab und seine Entwicklung vor bzw. im Ersten Weltkrieg eingegangen wird, soll noch einiges über die Förderung und Beachtung von Wissenschaft und Kultur in der Offiziersausbildung gesagt werden85. Hier ist zunächst auf die Sprachkenntnis hinzuweisen. Generell ist neben den deutschen Kommandowörtern, die jeder Rekrut zu kennen hatte, und der deutschen „Dienstsprache" sowie dem diesbezüglichen Schriftverkehr auf die „Regimentssprache" zu verweisen86. Deren genügende Kenntnis, nämlich die Möglichkeit, sich mit den Unter83 Langendorf, Ahnengalerie der Kaiserlichen Armee, 170-177. 84 Regele, Generalstabschefs, 73 ; Gedenkschrift zur Enthüllung des Ehrenmals der im Weltkrieg gefallenen Generalstabsoffiziere der bewaffneten Macht Österreich-Ungarns, Wien 1934, 125 f. 85 Peter Broucek, Die Entwicklung von Forschung und Lehre in den kaiserlichen königlichen und republikanischen Streitkräften Österreichs und seiner Nachbarn im 19. und 20. Jahrhundert, in: Symposium Perspektiven einer neuen europäischen Sicherheitsordnung - die Mitverantwortung Österreichs, Wien 21.-22. Oktober 1997 (Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie 1998/3), Wien 1998, 13-20. 86 Ders., Die Mehrsprachigkeit und Sprachenpolitik in den Einheiten der k. und k. Armee in den böhmischen Ländern, in: 250 Jahre Fremdsprachenausbildung im österreichischen Militär am Beispiel des Tschechischen. Symposion 2.-4. Oktober 2002 (Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie 2003/8), Wien 2003,16-21 ; Johann Christoph Allmayer-Beck, Die Führung vielsprachiger Streitkräfte - die k.u.k. Armee als Beispiel, in: ders, Militär, Geschichte und Politische Bildung, 370-384.

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Offizieren und Rekruten zu verständigen, hatte der Offizier nachzuweisen. In den schon genannten Schulen wurde wahlweise Tschechisch oder Ungarisch als erste „Fremdsprache" (Nicht-Unterrichtssprache) gelehrt. Unterrichtssprache war dagegen das Tschechische bei einigen Schulkompanien zur Heranbildung von Unteroffizieren für alle Waffengattungen. In einigen Infanterie- und Grenzschulkompanien sowie bei Kavallerie- und Artillerieeinheiten wurde ebenfalls in den Nationalsprachen unterrichtet. Bei der Generalstabsausbildung verlangte man seit 1887 für die Aufnahme in die Kriegsschule die Kenntnis einer Nationalsprache der Monarchie außer der deutschen, bei der Hauptprüfung zusätzlich Französisch, die als einzige Sprache dort auch gelehrt wurde. In der Geografie und Ethnografie sind die Landesaufnahme sowie die durch Feldmarschalleutnant Franz Ritter v. Hauslab entwickelte Methode des Bergzeichnens mit Horizontalschichten hervorzuheben. Die Weltumseglung des Kriegsschiffes „Novara" erbrachte wie auch andere Fahrten der Kriegsmarine wissenschaftliche Ergebnisse, und die Entdeckung des Franz-Josephs-Landes bei der Polarexpedition der Offiziere beziehungsweise Marineure Julius Payer und Karl Weyprecht bedarf keiner besonderen Erwähnung 87 . An Militärtechnikern, deren Arbeit allgemeine Aufmerksamkeit besonders verdienen, ist etwa auf Feldmarschalleutnant Franz Freiherr von Uchatius zu verweisen, den Erfinder der Stahlbronze, die nicht nur bei Geschützen verwendet wurde88. Der Offizier Karl Birago des zeitweise neben dem Pionierkorps bestehenden Pontonierkorps revolutionierte durch seine Erfindungen das Brückenwesen. Der Pionieroffizier Herbert leitete die Maßnahmen zur Regulierung der Donau am Eisernen Tor. Was die Militärmusik betrifft, so spannt sich der Bogen von der Signalund der einfachen Marschmusik der Trommeln und Querflöten bis zu den Blasorchestern der Regimenter der Armee unter ihren Kapellmeistern, die nicht nur mitreißende Märsche komponierten und dirigierten 89 . Die Vokalmusik der Landsknechts- und Werbelieder, eine ungarische Spezialität, gehört auch zu dieser Musikgattung. Der Anführer der Panduren Oberst Franz Freiherr von der Trenck marschierte mit einer „Türkischen Banda" seiner Serben 1742 für Kaiserin Maria Theresia durch Wien in den Krieg. Joseph Haydn hatte wesentlichen Anteil an der Hebung der Marschmusik. Ludwig 87 Hugo Hassinger, Österreichs Anteil an der Erforschung der Erde. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte Österreichs, Wien 1949. 88 Langendorf, Ahnengalerie der Kaiserlichen Armee, 122-126 und 189. 89 Eugen Brixel, Gunther Martin, Gottfried Pils, Das ist Österreichs Militärmusik. Von der „Türkischen Musik" zu den Philharmonikern in Uniform, Graz-Wien-Köln 1982; Herbert Jüttner, Die Militärmusik als Kulturträger, in: Die Österreichisch-ungarische Armee 18671914. Materialien zum Vortragszyklus 1998, Wien 1999, 141-151.

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van Beethoven stand 1797 beim Ausmarsch der Wiener Freiwilligen gegen Napoleon an der Spitze einer „Banda". Für seine 3. Symphonie „Eroica" ließ er sich bei seinem Aufenthalt in Böhmen durch den Prinzen Louis Ferdinand von Preußen inspirieren, bevor er dieses Werk dann in Wien 1805 dem einmarschierenden Franzosenkaiser widmen wollte90. Für das Wiener Bürgerkorps komponierte Joseph Lanner, während der wohl bekannteste und berühmteste Marsch Österreichs, der „Radetzkymarsch", aus einem Marsch der Studentenlegion hervorging91. Bedrich Smetana dagegen komponierte einen Marsch der Prager Nationalgarde. Aus der großen Zahl komponierender Militärmusiker ragen der Wiener Carl Michael Ziehrer mit seinen Walzern, Polonaisen und Märschen, der Tscheche Julius Fucik sowie vor allem Franz Lehär hervor, der ebenfalls ursprünglich Militärkapellmeister war92. Offizier war auch der Operetten- und Liederkomponist Ralph Benatzky („Im Weißen Rössel"). Von bildenden Künstlern sollten Hans Canon (eigentlich Hans Starschiripka), August von Pettenkofen, der Mitbegründer der „Sezession" Theodor von Hörmann und der zeitweilige Direktor der Kunstgewerbeschule Felizian Freiherr v. Myrbach-Rheinfeld erwähnt werden. Eine ganze Reihe von Malern, oft Reserveoffiziere, war im 1. Weltkrieg zeitweise auch als sogenannte Kriegsmaler in der „Kunstgruppe" des Kriegspressequartiers tätig. Bei einigen von ihnen verwischen sich die Grenzen von Kunst- und Propagandawerk93. Der liebenswerte Karikaturist Fritz Schönpflug ist ein Fall für sich. Zu den bedeutendsten Dichtern, die aus dem Berufsmilitär oder zumindest aus der Militärerziehung hervorgingen, gehören Ferdinand von Saar und Rainer Maria Rilke. Außerdem waren im 1. Weltkrieg zahlreiche Schriftsteller, darunter Reserve- und ehemalige aktive Offiziere, im amtlichen Kriegspressequartier tätig94. Schließlich soll auf Angehörige des Kriegsarchivs 90 Tomislav Volek, Jaroslav Macek, Neznámá lobkovická Beethoveniana, in : Hudebni rozhledy 38 (1985) 455-459; Alfred Plischnack, Napoleon vor Wien. Quellen und Augenzeugenberichte, Wien-München 2000, 236. 91 Herbert Jüttner, Johann Strauß-Vater und der Radetzky Marsch, in: Radecky a jeho doba. Bd. 1, Prag 1992, 3ÍM19. 92 Otto Wiesinger, Der Militärkapellmeister Franz Lehár, in: Die Furche v. 1. 8. 1953. 93 Siehe Franz Xaver Schubert, Offiziere in Politik, Verwaltung und Kunst. Gar viele setzten sich durch, in: Wiener Zeitung v. 24. 5. 1953. Siehe auch die beträchtliche Zahl an Artikeln in KA, Zeitungsausschnittesammlung, Karton 178. 94 Peter Broucek, Traditionsverständnis und Zukunftvisionen in literarischen Arbeiten österreichischer Offiziere, in: Jürgen Nautz, Richard Vahrenkamp (Hg.), Die Wiener Jahrhundertwende. Einflüsse Umwelt Wirkungen, (Studien zu Politik und Verwaltung 46), WienKöln-Graz 1993, 497-521 ; ders., Das Kriegspressequartier und die literarischen Gruppen im Kriegsarchiv 1914-1918, in: Osterreich und der Große Krieg 1914-1918. Die andere Seite der Geschichte, hrsgg. von Klaus Amann und Hubert Lengauer, Wien 1989, 132-139.

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hingewiesen werden, die angesehene Militärhistoriker, Militärschriftsteller oder Journalisten waren und sind. Bemerkenswert ist der Pazifismus und das Bekenntnis zu Österreich in den Werken von Rudolf Jeremias Kreuz (als Offizier im Kriegsministerium Rudolf Kriz)95. Karl Schneller, Generalstabsoffizier und Leiter der Italien-Gruppe in der Operationsabteilung des Armeeoberkommandos im 1. Weltkrieg, hat sich nach 1918 als Sektionschef im Ministerium für Heerwesen und weiterhin Berufsoffizier zum Anhänger der Sozialdemokratie gewandelt96. Die Brücken vom Tod des Kronprinzen Rudolf über den Zusammenbruch 1918 bis zur Offiziersverschwörung des 20. Juli 1944 in Wien schlug der Reserveoffizier Alexander Lernet-Holenia. Als ebenfalls erst nach dem 2. Weltkrieg hervorgetretener Schriftsteller der Wiener Lokalgeschichte ist der k.u.k. Reserveoffizier Siegfried Weyr hervorzuheben. Ungemein berührend schließlich ist Theodor Csokors Drama des Untergangs der Armee „3. November 1918"97. Ganz besonders hingewiesen sollte aber auf die unzähligen heereskundlichen Arbeiten Hugo Kerchnawes als Kriegsgeschichtslehrer sowie auf seine sonstigen schriftstellerischen Werke werden, so auf seinen Roman eines zukünftigen Zusammenbruchs der k.u.k. Armee „Unser letzter K a m p f . In dieser literarischen Mahnung und in dem Büchlein „1866 und 19??", beide im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts anonym erschienen, weist Kerchnawe auf militärische Fehler in der Vergangenheit hin und prophezeit, dass alle Nachbarn Österreich-Ungarns aufgrund außenpolitischer Fehler bald über diesen Staat und dessen Armee herfallen würden. Die Vorherrschaft des Deutschtums in der Habsburgermonarchie und ihrer Armee war für ihn eine militärische und politische Notwendigkeit98. Die Beurteilung von Militär und Außenpolitik nach 1850 ist durch den Ausgang der beiden mit Zustimmung des Militärs geführten Kriege von 1859

95 Reinhard Nachtigal, Rudolf J. Kreutz, Bruno Brehm und Jaroslav Hasek. Drei Kriegsgefangene in Russland und ihr Werk zwischen dichterischer Freiheit und historischer Wahrheit, in: Österreich in Geschichte und Literatur 49 (2005) 98-123. 96 Gabriele Bischof-Németh, Karl Schneller. Offizier aus Pflichtgefühl - Dichter aus Leidenschaft. Zum Leben des Generals im Kontext seines Schrifttums, Diplomarbeit Univ. Wien 2005. 97 Eckart Früh, F. Th. Csokor. Ein Frondeur, in: Franz Theodor Csokor, 3. November 1918. Der verlorene Sohn. Gottes General, hrsgg. von Franz Richard Reiter (Künstler Werke Interpretationen 2), Wien 1993, 249-254; Otto Forst de Battaglia, Wanderer zwischen den Welten, in: Die Furche v. 3. 9. 1960; Rudolf Henz, Partisan der Menschlichkeit. Franz Theodor Csokor zum 80. Geburtstag, in: Die Furche v. 5. 9. 1965. 98 Peter Broucek, Hugo Kerchnawe und Dr. Eduard Czegka - 25 Jahre Tätigkeit für die Heereskunde, in: Osterreichische Heereskunde 1974-1984. Festschrift der Gesellschaft für Österreichische Heereskunde, Wien 1984, 25 f.

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und 1866 bestimmt worden". Der Krieg von 1859 gegen die italienische Einigung wurde in seinem zweiten Teil unter der Führung Franz Josephs I. und wegen der schlechten taktischen Maßnahmen der Generalität verloren und überhastet durch einen Waffenstillstand beendet. Mit ihm endete der Einfluss der Generaladjutantur, also des Hofes, auf die Militärpolitik. Dass aber nun mit Ludwig von Benedek ein Haudegen Chef des Generalstabs (so der Name seit 1865) wurde und damit eine Wissenschaftsfeindlichkeit sowie im Parlament eine Geringschätzung des Militärs Platz griff, rächte sich wenige Jahre später. Nach dem deutsch-dänischen Krieg von 1864 trachtete der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck unter wohlwollender Neutralität Russlands nach der Einigung Deutschlands unter Preußen. Er verschob den Streit über die Verwaltung Schleswig-Holsteins um ein Jahr auf 1866, „zerriss" die deutsche Bundesakte und ließ überfallsartig in vier deutsche Staaten einmarschieren 100 . Dem konzentrischen Operationsverfahren mit getrennten Heeren, der Feuertaktik und der Bewaffnung des preußischen Heeres sowie seiner deutschen Verbündeten war der österreichische Generalstab nicht gewachsen, dem zahlenmäßig überlegenen italienischen Gegner zu Wasser und zu Land sehr wohl101. Sowohl 1859 wie 1866 wurde mit einer Unterstützung des Gegners durch die ungarische Unabhängigkeitsbewegung gerechnet, 1859 durch eine Landung in Dalmatien und 1866 durch die Aufstellung einer „Legion Klapka" auf preußischer und italienischer Seite 102 . Der Ausschluss aus Deutschland und die Gründung des Nord99 Siehe insgesamt Stephan Verosta, Die Bündnispolitik der Donaumonarchie vor dem Ersten Weltkrieg, in: Erich Zöllner (Hg.), Diplomatie und Außenpolitik Österreichs. Elf Beiträge zu ihrer Geschichte (Schriften des Instituts für Osterreichkunde 30), Wien 1977, 124-139. 100 John C. G. Röhl, Kriegsgefahr und Gasteiner Konvention. Bismarck, Eulenburg und die Vertagung des preußisch-österreichischen Krieges im Sommer 1965, in: Deutschland in der Weltpolitik des 19. und 20. Jahrhunderts. Fritz Fischer zum 65. Geburtstag, hrsgg. von Immanuel Geiss und Bernd Jürgen Wendt, München 1974, 89-103. 101 Siehe 1866. Gedenkschrift aus Anlaß einer Sonderausstellung über den Krieg vor hundert Jahren, Wien 1966; Geoffrey Wawro, The Austro-Prussian War. Austria's War with Prussia and Italy in 1866, Cambridge 1996 ; Craig, Probleme des Kommandos ; Anton Wagner, Osterreichische Stoßtaktik gegen preußische Feuertaktik im Krieg von 1866, in: Truppendienst 15 (1976) 211-215; ders., Österreichs Artillerie im Kriege von 1866, in: ebd. 185-190; Otto Morawietz, Zündnadelgewehr und Lorenzgewehr, in: ebd. 202-204; Hradec Králové 18661991. Königgrätz 1866-1991. Sbornik prispevkü mezinárodní védecké konference (6.-8. 6. 1991). Sammelband der Beiträge der Internationalen Wissenschaftlichen Konferenz (6.-8. 6. 1991). 4 Bde, Prag 1992. 102 Andreas Kienast, Die Legion Klapka. Eine Episode aus dem Jahre 1866 und ihre Vorgeschichte, Wien 1900. Siehe insgesamt die Aufsätze in Béla Κ. Király, (Hg.), The Crucial Decade. East Central European Society and National Defense, 1859-1870 (War and Society in East Central Europe 14; East European Monographs 151; Brooklyn College Studies on Society in Change 33), New York 1984.

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deutschen Bundes brachte die Nationswerdung der Österreicher endgültig auf den Weg. Zwar war 1851 der Geniestab eingerichtet und 1852 die Kriegsschule gegründet sowie 1857 das Evidenzbüro errichtet worden. Der Einfluss einer Tätigkeit des General(quartiermeister)stabes war jedoch minimal, und dieser wurde auch 1860 zu Beginn der konstitutionellen Ara dem Kriegsministerium unterstellt. Bei der strategischen Führung des Krieges in Deutschland, Böhmen und Italien hatte die Militärkanzlei großen Einfluss, nicht aber bei der taktischen Entscheidung auf dem Schlachtfeld selbst103. Erst 1865 kam es zur Einrichtung des Büros für Eisenbahn, Dampfschifffahrt und Telegraphenwesen (seit 1867 Eisenbahnbüro). Die Konsequenzen aus der überlegenen Mobilisierung und Führung Moltkes im deutsch-französischen Krieg, in dem Österreich-Ungarn neutral blieb, wurden erst 1876 mit der Errichtung des Operations- und des Telegraphenbüros gezogen. Sie fußten auf den militärwissenschaftlichen Arbeiten des Feldmarschalleutnants und Sektionschefs im Kriegsministerium Joseph Freiherr von Gallina. 1871 hatte Kriegsminister Freiherr von Kuhn das Generalstabskorps aufgelöst, 1875 wurde es mit dem Generalstabschef der Italienarmee von 1866, Franz Freiherr von John, als Chef wieder eingerichtet und überdies das Immediatvortragsrecht des „Chefs" im Zuge des Kriegsministers erlangt. Hinter diesen Maßnahmen steckte bereits die Regie von Friedrich Freiherr (seit 1906 Graf) von Beck, seit 1867 Vorstand der Militärkanzlei Seiner Majestät, 1881-1906 Chef des Generalstabs, seit 1895 „der Gesamten Bewaffneten Macht" 104 . Beck führte die Armee im Zeitalter der Mehrlader und vor allem dann in das der Maschinenwaffen 105 . In seiner Zeit wurden die Landwehr- und Landsturmgesetze verabschiedet, die Landwehren bekamen eigene Rekrutenkontingente. Besonders bedeutsam war die 1889 eingeführte territoriale Dislokation, die Rekrutierung der Mannschaften zu den Truppenkörpern der Region. Die „Organischen Bestimmungen für den Generalstab" von 1883 legten dessen Befugnisse fest. 1900 wurden den beiden Landwehren eigene Generalstabsorgane zugeteilt, letzten Endes das Signal, dass sie nicht wie ursprünglich vorgesehen „nur" Landwehren, also Formationen der sogenannten „Zweiten Linie", waren, sondern Heereskörper. Eine „Reservearmee" wie in anderen Armeen wurde in Österreich-Ungarn durch 103 Klaus Koch, Generaladjutant Graf Crenneville. Politik und Militär zwischen Krimkrieg und Königgrätz (Militärgeschichtliche Dissertationen österreichischer Universitäten 3), Wien 1984. 104 Scott W Lackey, The Rebirth of the Habsburg Army. Friedrich Beck and the Rise of the General Staff (Contributions in Military Studies 161), Westport, Connecticut 1995. 105 Josef Motz, Die Revolution der Bewaffnung, in: Die Österreichisch-ungarische Armee 1867-1914, 19-46.

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die Landwehren nicht errichtet. In Becks Amtszeit als Chef der Militärkanzlei wurde die größte je in der Habsburgermonarchie gebaute Festung fertig gestellt, die Festung Przemysl am San, an der seit 1814 gebaut wurde, wobei die letzte Bauphase 1886 begann106. Nach der Krise von 1878/79, die wieder einmal die „Orientalische Frage" betraf, wurde Österreich-Ungarn mit der Okkupation von Bosnien-Herzegowina zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung betraut, während Russland trotz des siegreich beendeten Krieges gegen das Osmanische Reich sein Hauptziel, die Öffnung der Dardanellen, nicht erreichte. Die schwere Verstimmung Russlands führte 1879 zum Abschluss eines Defensivbündnisses zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn für den Fall eines russischen Angriffs auf einen der beiden Staaten107. Im eben erst gegründeten Operationsbüro des Generalstabes begann man 1879 unter Becks Vorgänger als Generalstabschef Anton Freiherr von Schönfeld mit der Bearbeitung eines Aufmarschplanes gegen Russland und 1880 mit einem Operationsplan gegen Italien. Die Operationsabteilung erstellte damals auch Studien über einen Vormarsch nach Serbien und Montenegro, Vorläufer des späteren Aufmarschplanes B(alkan). Sie aktualisierte diese Arbeiten Jahr für Jahr und hielt sie in ruhigen Zeiten „evident" 108 . Schon im März 1880 hielt Beck in einer Art Zwischenbilanz-Denkschrift fest, Österreich hätte drei Grenzen möglicherweise gleichzeitig zu verteidigen, wobei es militärisch günstig wäre, die Gegner im Südwesten und Südosten politisch zu isolieren, um dann gegen sie präventiv vorzugehen. Politisch sei dies jedoch inopportun, da es der Donaumonarchie das Odium des Friedensstörers auflade. Dieser Auffassung schloss sich der Armeeoberkommandant und Generalinspektor Erzherzog Albrecht fast immer an109.

106 Franz Forstner, Przemysl. Österreich-Ungarns bedeutendste Festung (Militärgeschichtliche Dissertationen österreichischer Universitäten 7), Wien 1987. 107 Helmut Rumpier, Jan Paul Niederkorn (Hg.), Der „Zweibund" 1879. Das deutsch-österreichisch-ungarische Bündnis und die europäische Diplomatie. Historikergespräch Österreich-Bundesrepublik Deutschland 1994 (Zentraleuropa-Studien 2), Wien 1996. 108 Peter Broucek, Zu den militärischen Beziehungen im Zweibund 1879-1914. Ein Bericht über den Stand der Forschung, in: Bericht über den 15. österreichischen Historikertag in Salzburg veranstaltet vom Verband Österreichischer Geschichtsvereine in der Zeit vom 15. bis 18. September 1981 (Veröffentlichungen des Verbandes Österreichischer Geschichtsvereine 23), Salzburg 1984, 81-87 (dort zahlreiche weitere Literatur). Die Tätigkeit der Operationsabteilung beschreiben Diether Degreif, Operative Planungen des k.u.k. Generalstabes für einen Krieg in der Zeit vor 1914 (1880-1914), Wiesbaden 1985, und Willibald Richard Rosner, Feldmarschalleutnant Anton Freiherr von Schönfeld als Chef des Generalstabes. Eine Studie zur Geschichte des österr.-ungar. Generalstabes. Diplomarbeit am Institut für österr. Geschichtsforschung 1986. 109 Johann Christoph Allmayer-Beck, Der stumme Reiter. Erzherzog Albrecht - Der Feldherr

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Beck stellte aber auch Anträge, als sich ergab, dass ein Krieg mit Russland, der zum Eingreifen Italiens, Serbiens und Montenegros führen könnte, von der k.u.k. Gesamten Bewaffneten Macht nicht mit Aussicht auf Erfolg geführt werden könne. Eine solche Kriegsführung war zum Beispiel noch 1809 möglich gewesen, als österreichische Truppen und Landwehren Tagesmärsche voneinander entfernt in Bayern, Osterreich, Oberitalien/Kärnten, Tirol, Böhmen/Sachsen, Polen/Ostgalizien und Kroatien/Steiermark gleichzeitig ins Gefecht traten. Noch 1866 fanden im Rheinland, in den Böhmischen Ländern, in Westpreußen, Tirol und Venetien mit nur kurzem Zeitabstand Kampfhandlungen statt, und schließlich wurden Truppen rasch von Venetien an die niederösterreichische Donau transportiert. Nun waren die Kriegsschauplätze infolge der schnellen Eisenbahnverbindungen weit weniger voneinander „getrennt" 110 . Infolge des großen Misstrauens der österreichischen Militärs änderte sich diesbezüglich auch nichts nach der Unterzeichnung des Dreibundvertrages von 1882 in Wien für den Fall eines französischen Angriffes auf Deutschland oder Italien111. Der südliche Nachbar wurde nun als Gegner in der Nationalitätenfrage und zusätzlich als Rivale am Balkan empfunden. Der Dreibund wurde 1887 und bis 1913 mit dem Zugeständnis verlängert, dass Österreich-Ungarn seinen Machtbereich auf dem Balkan nicht ohne vorherige Verständigung mit Italien ausdehnen würde. Es gab aber keine ausdrückliche Militärkonvention, allerdings technische Besprechungen der Generalstabschefs über das Zusammenwirken von Heeren und Flotten. 1887 wurde auch der sogenannte Orient-Dreibund oder Mittelmeer-Entente zwischen Österreich-Ungarn, Italien und England abgeschlossen, durch den der Besitzstand der Türkei gegen einen russischen Angriff gesichert werden sollte. Im Kontext dieses Abkommens intervenierten die Mächte maritim und militärisch nach dem Aufstand auf Kreta und dem Krieg Griechenlands mit der Türkei, der mit einer Niederlage der Griechen endete112. Eine ähnliche internationale Intervention, an der Österreich-Ungarn wieder beteiligt war, gab es 1913/1914 nach dem Zweiten Balkankrieg in Albanien. 1881 bis „Gesamtösterreichs", Graz-Wien-Köln 1997; Matthias Stickler, Erzherzog Albrecht von Osterreich. Selbstverständnis und Politik eines konservativen Habsburgers im Zeitalter Kaiser Franz Josephs (Historische Studien 450), Husum 1997. 110 Siehe auch Tibor Simanyi, Zweifrontenkriege in Europa, in: Österreichische Militärische Zeitschrift 8 (1970) 462-467. 111 Risto Ropponen, Italien als Verbündeter. Die Einstellung der politischen und militärischen Führung Deutschlands und Österreich-Ungarns zu Italien von der Niederlage von Adua 1896 bis zum Ausbruch des Weltkrieges 1914 (Studia Histórica 20), Helsinki 1986. 112 Irmgard Pangerl, Die Kreta-Mission der k.u.k. Kriegsmarine, Wien 1989, Manuskript, Österreichisches Staatsarchiv/Kriegsarchiv, Manuskripte-Sammlung/Allgemeine Reihe.

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1903 hatte Österreich-Ungarn eine Geheimkonvention mit Serbien, und seit 1883 existierte auch ein Verteidigungsbündnis zwischen Rumänien, Österreich-Ungarn und Deutschland, das 1913 letztmals erneuert wurde. 1902 kam es zu einem Geheimvertrag zwischen Italien und Frankreich, in dem sich Italien im Falle eines deutsch-französischen Krieges verpflichtete, neutral zu bleiben. Es hatte von Frankreich Zusicherungen bezüglich der türkischen Gebiete von Tripolis und der Cyrenaika erhalten. Auf der anderen Seite sind die zu einem Bündnis erweiterte russisch-französische Militärkonvention von 1892, die Abmachungen Frankreichs mit Großbritannien und die französisch-russische Marinekonvention von 1912 sowie die Ergänzung der französisch-russischen Militärkonvention durch Vereinbarungen über den Heeresaufmarsch 1913 bekannt. Was die westlichen Mächte betrifft, so kennen wir nunmehr durch die Zeynek-Memoiren die Versuche, die König Edward VII. 1906, im letzten Jahr der Amtsführung Becks, unternahm, als er Franz Joseph I. bestimmen wollte, den Zweibund zu verlassen. Er bot dafür eine englische Garantie über das Wohlverhalten Italiens an. Im k.u.k. Generalstab wurde eine Studie für einen „Kriegsfall ÖU-DR" durch den Jahrgangsersten aus dem Jahrgang Zeyneks in der Kriegsschule verfasst, Hauptmann d.G. Josef Ritter v. Paie, in dem kalkuliert wurde, dass sich im militärischen Konfliktfall das Deutsche Heer zunächst auf Österreich werfen werde und daher ein Bündnis mit Russland notwendig wäre. Die Studie wurde ad acta gelegt und geheim gehalten113. Militärpolitische Verhandlungen zwischen Österreich-Ungarn und Deutschland über eine, falls notwendig, „energische gemeinsame Offensive" zwecks Einkesselung russischer Streitkräfte in Russisch-Polen führten weder in der Skobelev-Krise von 1882 noch in der Bulgarischen Krise von 1886 bis 1889 mit mehrmaliger Kriegsgefahr zu einem Ergebnis. Die ständige Gefahr von Zweifrontenkriegen stand immer im Raum. Aber der Zweibund gab Österreich-Ungarn seit seiner Gründung und angesichts der bisherigen vorsichtigen Politik der Partner eine Zeit relativer kultureller Blüte sowie wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts 114 . 113 Peter Broucek, Ein Aufmarschkalkül Österreich-Ungarns für einen Kriegsfall DR (Deutschland) aus dem Jahre 1907, in: Kiraly Béla Emlékkonyv [Festschrift Béla Király]. Háború és társadalom - War and Society - Guerre et société - Krieg und Gesellschaft, Budapest 1992, 91-101. 114 Robert A. Kann, Das Deutsche Reich und die Habsburgermonarchie 1871-1918, in: ders., Friedrich E. Prinz (Hg.), Deutschland und Österreich. Ein bilaterales Geschichtsbuch, Wien-München 1980, 143-160; ders., Deutschland und das Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie aus österreichischer Sicht, in: ebd., 412-423; Gunther E. Rothenberg, The Habsburg Army and the Nationality Problem in the 19th Century, in: Austrian History Yearbook 3/1 (1967) 70-87.

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Der österreichisch-ungarische Außenminister Graf Agenor Gohichowski konnte in einem „Balkan-Entente" genannten Abkommen 1897 in St. Petersburg den „status quo" auf dem Balkan festigen und 1903 mit Russland im Mürzsteger Abkommen ein Einvernehmen über Reformen in Mazedonien, insbesondere einen Finanzplan und eine Reform der dortigen Gendarmerie vereinbaren. Inzwischen war aber die Nationalitätenfrage durch zwei von der Regierung Badeni 1897 erlassene Sprachenverordnungen wieder akut geworden, welche die Kenntnis des Tschechischen für alle Staatsbeamten in Böhmen und Mähren verlangten. Es gelang der Minderheit der Deutschböhmen, Parteien in Osterreich, letztlich auch die Christlichsozialen auf ihre Seite zu ziehen und nach schweren Unruhen nicht nur in Böhmen, sondern zum Beispiel auch in Graz und Wien zu erreichen, dass die Verordnungen zurückgenommen wurden und die Regierung Badeni demissionieren musste. Die tschechische Gesellschaft wurde durch diese Kapitulation letztlich des Kaisers, der bürgerkriegsähnliche Zustände befürchtete, tief verletzt. Sie verlor die Hoffnung, zu einer staatsrechtlichen Lösung für die böhmischen Länder zu kommen. Im Jahre 1905, als es wenigstens in Mähren zu einem sogenannten „Ausgleich" kam, ergab sich auch im Agramer (Zagreber) Landtag eine Zusammenarbeit zwischen Kroaten und Serben, welche die Vereinigung von Dalmatien mit Kroatien-Slawonien und letzten Endes das Staatsrecht für einen südslawischen Staat im Rahmen der Habsburgermonarchie verlangten. Auch nach den österreichischen Wahlen im Jänner 1907 nach der Gewährung des allgemeinen gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts für Männer unter Ministerpräsident Max Vladimir Freiherr von Beck organisierten sich die Parteien des Wiener Reichsrats entlang nationaler Linien, und auch die zunächst übernationale sozialdemokratische Fraktion zerfiel 1910 in nationale Gruppierungen. Es sammelte sich eine demokratisch legitimierte Anzahl von Gruppen gegen die Relikte oder die Klammern von „Gesamtösterreich", zunächst einmal gegen den Dualismus. Seit 1903 konnte die liberale Partei unter Graf István Tisza im ungarischen Parlament keine Mehrheit für eine arbeitsfähige Regierung finden, und die ungarische Unabhängigkeitspartei unter Ferenc Kossuth und Graf Albert Apponyi löste eine fast zehn Jahre dauernde Staatskrise aus, bei deren Bewältigung der österreichische Ministerpräsident Ernest v. Koerber durch Propagierung gemeinsamer wirtschaftlicher Projekte kräftig mithelfen musste. Die „Unabhängigen" verlangten die Personal- anstatt der Realunion, die finanzielle und wirtschaftliche Trennung vom österreichischen Staat und vor allem eine selbstständige ungarische Armee. Sie betrieben jahrelang eine Obstruktionspolitik im Parlament, während die wechselnden Regierungen keine Mehrheit fanden. Zentral für die Taktik der ungarischen Opposition war die Blockierung der Wehrvorlage, die eine Erhöhung des

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jährlichen Rekrutenkontingents auf 125.000 Mann vorsah. Der Generalstab reagierte auf seine Weise. Er arbeitete Pläne zur Besetzung Ungarns durch die gemeinsame Armee aus, die ebenso wie die latente Krise bis 1912 aktuell blieben115. Der Militärkommandant von Györ, Generalmajor Moritz Ritter von Auffenberg, stellte ab 1904 Berechnungen über die Zuverlässigkeit der einzelnen Korpsbereiche an und gab diese an den Chef des Generalstabes weiter. Es wurde eine Ordre de bataille über einen konzentrischen Einmarsch nach Ungarn ausgearbeitet und unter Verschluss beim Chef des Generalstabes sowie in der Militärkanzlei des Kaisers bereitgehalten. Bedeutungsvoll in dieser Angelegenheit war es, dass insbesondere der Nachfolger Becks ab Spätherbst 1906 als Generalstabschef, Feldmarschalleutnant Franz Freiherr Conrad von Hötzendorf, bestimmt glaubte, dass Italien früher oder später die ungarische Unabhängigkeitspartei so wie 1849, 1859 und 1866 geheim oder offen unterstützen würde und daher, aber natürlich auch wegen seiner Ansprüche auf die italienischsprachigen Gebiete im Süden der Monarchie sowie seiner Aspirationen auf Hegemonie in der gesamten Adria präventiv militärisch ausgeschaltet werden sollte. Diese Verknüpfung der inneren und äußeren Front, die sowohl der Kaiser als auch der Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand zurückwiesen, führte jedoch zu einem permanenten Konflikt mit Außenminister Aehrenthal über die Frage der Befassung des Generalstabes mit außenpolitischen Fragen 116 . Die ungarische Krise wurde schließlich 1912 durch die Annahme einer Wehrvorlage mit der Erhöhung des Rekrutenkontingents sozusagen vertagt. Sie hatte aber bereits bald nach ihrem Beginn das Ausland höchst aufmerksam gemacht. Reichskanzler Fürst Bernhard von Bülow und sein Nachfolger Theobald von Bethmann Hollweg verhandelten mit Russland unter der Hand über ein sogenanntes „Uneigennützigkeitsabkommen", in dem die Donaumonarchie „neutralisiert" werden sollte117. Zeynek weist aber in seinen Memoiren sowohl auf die Angebote des englischen Königs hin als auch in Zusammenhang mit der Staatskrise 115 Kurt Peball, Gunther E. Rothenberg, Der Fall „U", in: Aus drei Jahrhunderten. Beiträge zur österreichischen Heeres- und Kriegsgeschichte von 1645-1938 (Schriften des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien 4), Wien-München 1969, 8 5 - 1 2 6 ; Christian Frech, Die Armeefrage in Österreich-Ungarn nach dem Ausgleich 1867 bis 1914, Diplomarbeit Univ. Wien 1988. 116 Lawrence Sondhaus, Franz Conrad von Hötzendorf. Architekt der Apokalypse, Wien-Graz 2003. 117 Vgl. Walter Bußmann, Das Problem Österreich in der Zeit Bismarcks, vor dem Ersten Weltkrieg und in den Jahren der Weimarer Republik. Ein Beitrag zur Frage der Uneigennützigkeit und der diplomatischen Überlieferung, in: Weltpolitik, Europagedanke, Regionalismus. Festschrift für Heinz Gollwitzer zum 65. Geburtstag, Münster 1982, 287-302, und Henryk Batowski, Pläne zur Teilung der Habsburgermonarchie im Ersten Weltkrieg (Eine Zusammenfassung), in: Österreichische Osthefte 10 (1968) 130-140.

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auf Aufteilungsgedanken bezüglich der Monarchie, die ja auch zeitweise von mehr oder weniger revolutionären Bewegungen ins Spiel gebracht worden sind, wobei man aufgrund seiner Nachrichten auch Fühlungnahmen zwischen Regierungsvertretern vermuten kann. Inzwischen war aber bereits eine neue außen- und militärpolitische Krise akut geworden und geblieben. Die Generalstäbe auf beiden Seiten des Zweibundes hatten schon in den Krisen von 1882 und 1886-1889 die Möglichkeit des Zweifrontenkrieges im Auge. Dabei musste man feststellen, dass eine große doppelseitige Umfassung der in Russisch-Polen vermuteten zaristischen Hauptkräfte, um sie von dort zu verdrängen und dann günstig in eine Defensive überzugehen, bei gleichzeitiger Gefährdung der westlichen oder südlichen Staatsgebiete nicht möglich war, vor allem aufgrund der zu geringen Kapazität der über die Beskiden und die Karpaten führenden Eisenbahnlinien. Der Nachfolger Moltkes und Generaloberst Alfred Graf Waldersees als deutscher Generalstabschef war ab 1898 Generalleutnant Alfred Graf von Schlieffen. Er kannte gegen den zu erwartenden Zweifrontenkrieg nur das Mittel einer blitzartigen Niederwerfung Frankreichs zu Beginn der Kämpfe, da der Feldzug gegen Russland infolge der Weite der Räume auf jeden Fall länger dauern würde. Dieses strategische Prinzip wurde von Bismarck schon 1887 gebilligt, von österreichischungarischer Seite jedoch als verfehlt abgelehnt. Aus dieser militärischen Not bezog Schlieffen in den deutschen Angriffsplan noch die Uberfälle auf die neutralen Staaten Belgien und Luxemburg ein und überlegte auch den Durchmarsch durch niederländisches Gebiet. Dieser Schlieffen-Plan, den er selbst offenbar nur in der Zeit des Russisch-Japanischen Krieges von 1905/06 für ausgereift hielt, „wurde wegen der in ihm vorgesehenen Völkerrechtsbrüche und des Überraschungsmoments von Deutschland streng geheim gehalten, auch vor Österreich-Ungarn." 118 Sowohl der Donaumonarchie als auch Italien kam in diesen Plänen militärisch nur die Rolle einer Hilfestellung oder eines Juniorpartners zu, bei Österreich-Ungarns Armee auch oder fast nur die Aufgabe einer sofortigen Deckung des deutschen Aufmarsches gegen Frankreich oder gar einer Opferung 119 . Diese teilweise „Offenbarung" kam 1908. Das österreichisch-ungarisch-deutsche Defensivbündnis war politisch legitim und völkerrechtlich zulässig, solange es eben defensiv blieb. Allerdings erwartete die Führung der Donaumonarchie eine Unterstützung ihrer Ambitionen auf dem Balkan durch den deutschen Bündnispartner, wurde aber bei 118 Verosta, Bündnispolitik, 132. 119 Johann Christoph Allmayer-Beck, Das Heerwesen in Österreich und in Deutschland, in: ders., Militär, Geschichte und Politische Bildung, 153-176.

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allen derartigen Initiativen unter Hinweis auf den defensiven Charakter des Zweibundes entmutigt. Klare Balkanpläne entwickelte die Donaumonarchie nie, ließ sich aber auch auf eine Teilung des Balkans in Interessensphären, wie von Russland mehrfach vorgeschlagen, nicht ein. Die Projekte allerdings gingen bis zum Bahnbau nach Saloniki. Nachdem Aehrenthal 1906 Außenminister geworden war, wollte er eine wesentlich aktivere Außenpolitik auch im Einvernehmen mit Ungarn führen und verkündete 1908 einseitig - und völkerrechtswidrig - die Annexion von Bosnien-Herzegowina, was angesichts der deutschen Pläne in der Türkei (Militärmission, Bagdadbahn) eine schwere Krise auslöste. Es waren die Konsequenzen aus dieser den Generalstab doch überraschenden Initiative Aehrenthals, die ganz offensichtlich Zeynek veranlassten, jene anonyme Broschüre zu schreiben, die er in seinen Memoiren erwähnt. 120 Mit dem historischen Rückblick auf Kriegsanfänge ab 1859 wünschte er in erster Linie, da er die Präventivkriegsideen Conrads als eine der Möglichkeiten billigte, für seine Arbeit als Chef des Operationsbüros bessere Informationen für operative Planungen. Das Operationsbüro hatte nach den damaligen „Organischen Bestimmungen" folgende Aufgaben : Kriegsgliederungen, Mobilisierung, Reichsbefestigung, Verkehrswesen, Schlagfertigkeit aller Streitkräfte, Organisation, Bewaffnung, Ausrüstung und Ausbildung der Wehrmacht, Reglements und Instruktionen taktischen und operativen Inhalts, Gegenstand der Generalsreisen, Manöver und Ausarbeitung der Pläne für die operativen Maßnahmen im Falle einer Bedrohung des Reiches (Alarm-, Mobilisierungs- und Aufmarschpläne)121. Die Annexionskrise endete angesichts des drohenden Auftretens Deutschlands mit einem Zurückweichen Russlands und Serbiens. Russlands Außenminister war aber durch unbestimmte Äußerungen Aehrenthals über eine mögliche Öffnung der Dardanellen düpiert worden. Die Signatarmächte der Berliner Kongressakte erklärten sich schließlich mit dem Gebietserwerb Österreich-Ungarns einverstanden. Bosnien-Herzegowina wurde ein völkerrechtliches Kondominium der beiden in Realunion verbundenen Staaten Österreich und Ungarn, denn keiner der beiden Staaten wollte die fast nur von Slawen bewohnten Gebiete dem eigenen multinationalen Staatsgebiet angliedern. Die Annexion rief aber in Serbien und Montenegro, die sich seit 1876 selbst Hoffnungen auf diese gleichsprachigen Gebiete gemacht hatten, wahren Hass gegen die Donaumonarchie hervor. Unter dem Motto „Der Balkan den Balkanvölkern" befreiten Serben, Montenegriner, Bulgaren und Griechen ihre Stammesgenossen im Ersten Balkankrieg aus eigener Kraft von der Osmanischen Herrschaft, gewiss ermutigt von panslawistischen Fakto120 Diplomatie und Kriegsvorbereitung. Ein Mahnwort in später Stunde, Wien 1912. 121 Regele, Generalstabschefs, 80.

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ren in Russland. In dieses Motto verspätet einstimmend, konnte die Donaumonarchie auf der Londoner Botschafterkonferenz 1912/13, unterstützt von Italien, nur die Selbstständigkeit des von ihr ins Leben gerufenen Staates Albanien vor dem expansionistischen Zugriff Serbiens und Griechenlands bewahren. Den zweiten Balkankrieg führten die früheren Bündnispartner untereinander samt Rumänien und dem Osmanischen Reich gegen Tendenzen Bulgariens, in eine Vormachtstellung zu gelangen. Noch während der drohenden Kriegsgefahr 1908/09 stellte Conrad den Antrag auf Besprechung mit dem deutschen Generalstabschef Helmuth v. Moltke dem Jüngeren. In den dann von Franz Joseph und Aehrenthal genehmigten Vereinbarungen des deutschen und des österreichisch-ungarischen Generalstabs von 1909 wurde das Defensivbündnis von 1879 auch auf den Fall eines Angriffskriegs, den einer der Vertragspartner beginnen sollte, ausgedehnt. Aehrenthal hielt allerdings, wie er in einem Brief an Conrad betonte, diese Abmachungen nur für technische Besprechungen im drohenden Kriegsfall und verwies, was seine Verantwortung betraf, ausdrücklich auf die Haltung Englands, die zu berücksichtigen sei122. Nichtsdestoweniger wurden diese Besprechungen bis 1914 und auch mit dem kurzzeitigen Generalstabschef 1912, Feldmarschallleutnant Blasius Schemua, fortgesetzt 123 . Was Conrads Amtsführung betraf, so versuchte er in der Taktik, die Initiative um jeden Preis zu predigen und zu üben. Er vernachlässigte sowohl die Defensive als auch die Artillerieunterstützung für den Angreifer bei den von ihm angeordneten vielen Übungen und Manövern124. Der Initiative des Kriegsministers Auffenberg war die Anschaffung der „Wunderwaffe", des 30,5cm-Mörsers, zu verdanken. Die Erhöhung des Rekrutenkontingents wurde bereits erwähnt. Ganz besonders aber kümmerte sich Conrad seit 1907 um den Bau von modernen Befestigungen im Süden Tirols. Die Stäbe bauten ihre Kompetenzen weiter aus. 1903 war der Artillerie- und 1905 der Geniekurs der Kriegsschule einverleibt worden, 1907 allerdings gingen diese Kurse wieder an die Technische Militärakademie. 1909 wurde das Etappenbüro errichtet und 1913 der Chef des Etappenwesens eingerichtet. Er war eine persönliche Schöpfung Conrads. Das Etappenbüro hatte die Aufgaben : Etappenreisen und -kriegsspiele, Bearbeitung der Etappenvorschriften, statistische Feldelabo122 Peter Broucek, Erzherzog Franz Ferdinand und sein Verhältnis zum Chef des Generalstabes Franz Freiherr Conrad von Hötzendorf, in : Od Sarajeva k Velké Válce - Ab Sarajevo zum Großen Krieg, Prag 1995, 19-33. 123 Josef Mann, FML Blasius Schemua. Chef des Generalstabes am Vorabend des Weltkrieges 1911-1912, phil. Diss. Univ. Wien 1978. 124 Peter Broucek, Taktische Erkenntnisse aus dem russisch-japanischen Krieg und deren Beachtung in Österreich-Ungarn, in: Mitteilungen des Osterreichischen Staatsarchivs 32 (1979) 198-215.

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rate, Vorbereitung und Durchführung der Gesamtversorgung der Armee im Felde, im Kriege Einrichtung der „Etappen" (Verkehr, Trains, Verbindungen, Verpflegung, Sanität, Verwaltung besetzter Gebiete). Dieses Büro wurde im Weltkrieg innerhalb des Armeeoberkommandos zur „Generalstabsabteilung des Etappen-Oberkommandos" und später zur „Quartiermeisterabteilung des Armeeoberkommandos" mit Dienststellen bei den Korps und Divisionen umgewandelt. In den „Organischen Bestimmungen für den Generalstab" erreichte schließlich der „Chef im Jahre 1913 den Höhepunkt seiner Macht nach jahrelangem Widerstand des Kriegsministers. Er wurde persönlich unter den unmittelbaren Befehl des Kaisers gestellt und ermächtigt, dem Herrscher direkt mündlich und schriftlich Vortrag zu erstatten, musste also nicht mehr den Weg über den Kriegsminister gehen. Die Einflussnahme des Chefs auf die Kriegstüchtigkeit wurde nunmehr auf alle Teile der Bewaffneten Macht festgelegt. Er konnte mit den Armeeinspektoren und Korpskommandanten direkt verkehren, wenn auch dieser Schriftverkehr dem Kriegsminister zur Einsichtnahme vorgelegt werden musste. Auch im Allerhöchsten Oberbefehl gab es 1913 eine gravierende Änderung. Seit 1898 gehörte ihm der „zur Disposition des Allerhöchsten Oberbefehls" gestellte Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand an.125 Er hatte Inspizierungen durchzuführen und an Konferenzen teilzunehmen, außerdem musste er bestimmte Akten der Ministerien zur Einsicht erhalten und konnte dann entsprechende Anträge und Vorschläge an den Kaiser zur Verbesserung der Schlagkraft der Bewaffneten Macht formulieren. Dafür wurden ihm ein kleiner Stab und eine „militärische Kanzlei" zugeteilt. Sie unterstand seit 1906 einem besonders fähigen Generalstabsoffizier, Alexander Brosch von Aarenau, der sie auszubauen begann. Im Jahre 1908 erhielt der Erzherzog eine „Militärkanzlei" als Folge dieses Ausbaus zugewiesen, die in steigendem Maße eine Art Konkurrenz zur „Militärkanzlei Seiner Majestät" wurde, wobei der Chef des Generalstabes fast regelmäßig Vortrag hielt126. 1913 ernannte der Kaiser seinen Neffen zum „Generalinspektor der gesamten bewaffneten Macht" und übertrug ihm die Leitung großer Manöver sowie „Besichtigungen aller Art". Der Thronfolger erreichte damit eine Stellung wie vor ihm nur Feldmarschall Erzherzog Albrecht. Brosch von Aarenau hatte für den Thronfolger und zur Erarbeitung eines zukünftigen Regierungsprogramms eine Anzahl von Rechtsgelehrten und Nationalitätenvertretern um Gutachten, Ratschläge und Studien gebeten. Sie sind seit Jahren mehr oder 125 Die letzte Biografie mit Literaturangaben: Friedrich Weissensteiner, Franz Ferdinand. Der verhinderte Herrscher, Wien 2007. 126 Johann Christoph Allmayer-Beck, Die Militärkanzlei des Erzherzog-Thronfolgers Franz Ferdinand, in: ders., Militär, Geschichte und Politische Bildung, 358-369.

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weniger bekannt und wurden von Robert A. Kann aufgearbeitet 127 . Erzherzog Franz Ferdinand wollte unter dem Eindruck seines Geschichtslehrers, des Hannoveraners und bedeutenden Historikers Onno Klopp, die Reichsidee in einem umgebauten Staat, den man „Großösterreich" nennen könnte, verwirklichen128. Er wollte die Verfassungen des Dualismus ändern, wenn nötig durch einen Staatsstreich, wenn möglich aber mit Hilfe einer Wahlrechtsreform auch in Ungarn. Bei einem Staatsstreich wäre der „Fall U", die Planungen des Generalstabs für eine militärische Intervention in Ungarn, eine Grundlage gewesen. Eine Krönung zum Kaiser von Osterreich war vorgesehen, um die Traditionen zu würdigen, auch weitere Krönungen, zum Beispiel auch die zum König von Ungarn. Ein Reichskanzler sollte an der Spitze der Regierung stehen, wofür der katholische Publizist Friedrich Funder vorgesehen war129. Ein Reichsparlament sollte durch Vertreter aller Nationen beschickt werden. Grundlage des zu oktroyierenden Wahlrechts sollten möglichst national einheitliche Wahlkreise sein. Politische Autonomie der Kreise oder der Länder war vorgesehen, ebenso Minderheitenschutz durch Sprachenverordnungen und kulturelle Freiheiten, nicht jedoch Volksgruppenrechte oder gar Staatsrechte. Ziel war die Bildung eines zentralistischen Machtstaates mit einheitlicher Armee und Flotte. Entsprechende Planungen auf umfangreichen Grundlagen lieferte der Sektionschef im österreichischen Ministerium des Innern Andreas Freiherr von Eichhoff. Franz Ferdinand beriet sie mit Eichhoff und mit dem Nachfolger Brosch-Aarenaus, Oberstleutnant des Generalstabskorps Karl Bardolff, im Sommer 1912 und nahm sie im Prinzip an. Sowohl Robert A. Kann als auch Franz Ferdinands letzter und kompetenter Biograph Friedrich Weissensteiner bescheinigten dem Erzherzog aufrichtigen Reform- und vor allem Friedenswillen für jene Umbauarbeit. Sie blieben jedoch skeptisch bis pessimistisch, ob die geplante Entwicklung für die Zeit nach dem Ableben Franz Josephs I. in Richtung Demokratie und Föderalismus gelaufen wäre, also Freiheitsrechte für die einzelnen Völker 127 Robert A. Kann, Erzherzog Franz Ferdinand Studien (Veröffentlichungen des Osterreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts 10), Wien 1976; ders., Dynasty, Politics and Culture. Selected Essays, hrsgg. von Stanley B. Winters (East European Monographs 317; Atlantic Studies on Society in Change 72), Boulder, Colorado 1991. 128 Ders., The Dynasty and the Imperial Idea, in: ders., Dynasty, Politics and Culture, 45-70, ders., Groß-Osterreich, in: ders., Erzherzog Franz Ferdinand Studien, 26-46. 129 Peter Broucek, Reformpläne aus dem Beraterkreis Erzherzog Franz Ferdinands und Kaiser Karls, in: Richard G. Plaschka u.a. (Hg.), Mitteleuropa-Konzeptionen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Zentraleuropa-Studien 1), Wien 1995, 111-122; Georg Franz, Erzherzog Franz Ferdinand und die Pläne zur Reform der Habsburger Monarchie (Südostdeutsche Arbeiten 35), Brünn-München-Wien 1943; Hedwig Pfarrhofer, Friedrich Funder. Ein Mann zwischen Gestern und Morgen, Graz-Wien-Köln 1978.

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gebracht hätte. Dagegen sahen sie die große Gefahr eines Bürgerkrieges, ja eines allgemeinen Krieges. Dass aber gerade einige wenige teilweise in Franz Ferdinands Pläne eingeweihte oder von seiner Energie beeindruckte Persönlichkeiten, wie etwa Zeynek, an eine Verbesserung der innen- und außenpolitischen Verhältnisse durch den Thronfolger glaubten und auch glauben konnten, ist ihnen nicht vorzuwerfen. Auch die Sozialdemokratie wollte den „Caesarismus" des Thronfolgers wenigstens zur Gewinnung des allgemeinen Wahlrechts für Ungarn tolerieren und ihm eine Chance geben.130 Mit dem Nachfolger Aehrenthals als Außenminister ab 1912, Leopold Graf Berchtold, arbeitete Franz Ferdinand bei den Bestrebungen, nicht in die Balkankriege hineingezogen zu werden, ziemlich gut zusammen. Der Erzherzog glaubte oder wünschte wenigstens, dass es allgemeine Kriege nicht mehr geben werde, wobei dies den Ideen Conrads widersprach. Infolge seines selbstherrlichen Verhaltens und seiner politischen wie militärischen Anschauungen, die eben im „Kampf ums Dasein" gipfelten, dürfte General Conrad, so meinen mehrere Beobachter in ihren Memoirenwerken, vor seiner Ablösung gestanden sein. Der Mord von Sarajewo wurde allgemein als Ausdruck des Terrorismus gewertet. Außenminister Berchtold, aber auch Kriegsminister Feldzeugmeister Krobatin sowie der österreichische Ministerpräsident Graf Stürgkh wandten sich der von Conrads Denken beeindruckten aktivistischen Partei an jüngeren Kräften in Diplomatie und Militär zu, die einen dritten Balkankrieg für erforderlich hielten. Das Resultat der beiden Balkankriege war eine wesentliche Stärkung der jungen Nationalstaaten und eine fast völlige Verdrängung des Osmanischen Reiches vom europäischen Kontinent. Nicht nur Conrad sorgte sich, dass Österreich-Ungarn als nächster „alter Staat" nach der Türkei zur Liquidierung heranstehen könnte, und er bedauerte die „verpasste Gelegenheit" von 1908/09. Eine gewisse Ausgestaltung der erwähnten Abmachungen mit dem deutschen Generalstab von 1909 und den folgenden Jahren erfolgte erst 1913. Deutschland erfuhr von einer bevorstehenden Marinekonvention Englands mit Russland und erwartete die Fertigstellung des russischen Eisenbahnnetzes mit Hilfe französischer Kredite. Die Besuche des Zaren in Italien und Rumänien hatten dagegen im k.u.k. Generalstab alle Alarmglocken schrillen lassen. Ein Fall „Ru" wurde daher 1913 bearbeitet. Der deutsche Oberquartiermeister Generalleutnant Georg Graf von Waldersee reiste darauf nach Wien und Rom. In Wien verhandelte er über die Zusammenarbeit einer deutschen 8. Armee mit den Truppen Österreich-Ungarns auf einem 130 Emil Franzel, Der Donauraum im Zeitalter des Nationalitätenprinzips (1789-1918) (DalpTaschenbücher 343), München 1958, 143-145.

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östlichen Kriegsschauplatz 131 , denn die deutsche Diplomatie und ebenso der Generalstab waren bereit und willens, eine Blutprobe, wie Admiral Tirpitz dies später nannte, bei nächstbester Gelegenheit vorzunehmen, um ernsthaft festzustellen, wie weit die politische und militärische Zusammenarbeit der Triple-Entente bereits gediehen war. Gegebenenfalls sollte sodann nach den vorbereiteten militärischen Plänen vorgegangen werden, gemäß dem Grundsatz: wenn militärisch „notwendig", dann J e eher desto besser". Conrad betrachtete das Attentat von Sarajewo rein technisch als eine Kriegshandlung Serbiens, und so zynisch dies klingen mag, als eine letzte günstige Gelegenheit zur Sicherung der weiteren Existenz der Monarchie. Er erwartete nunmehr die versprochene Rückendeckung Deutschlands bei einem wirkungsvollen Vorgehen gegen diesen Staat und befürwortete den Angriff auf Serbien beim Kaiser und im Kronrat 132 . Dort hatte nur der ungarische Ministerpräsident Tisza Bedenken. Dagegen wurde Conrad vom deutschen Generalstabschef Generaloberst Graf Moltke aufgefordert, in Galizien aufzumarschieren. Als Conrad wegen der begonnenen Durchführung „seines" Balkan-Aufmarsches darauf nicht reagierte, wurde er durch ein Telegramm Kaiser Wilhelms an Franz Joseph I. genötigt, auf die Planungen des deutschen Großen Generalstabs sofort einzugehen und den Russland-Aufmarsch gemäß dem Terminplan Berlins so schnell als möglich durchzuführen. Der Versuch Conrads, als einzige eigene Initiative eine rein geografisch gesehen weiter zurückliegende Aufstellung „seiner" Truppen am nordöstlichen Schauplatz zu wählen, um doch noch Zeit für ein Nachgeben Russlands zu gewinnen, war ernst gemeint, aber wohl marginal. Die Absicht wurde, da erst um den 1. Juli 1914 angeordnet, von der Operationsabteilung sabotiert. Zeynek wusste von diesem ungenügenden und „verzweifelten" Versuch Conrads, einer militärischen Konfrontation mit Russland doch noch zu entgehen.

131 Georg Graf von Waldersee, Über die Beziehungen des deutschen zum österreichisch-ungarischen Generalstab vor dem Weltkrieg, in : Berliner Monatshefte für Internationale Aufklärung 8 (1930) 103-142; hier schreibt er (129): „Mir war es natürlich nicht entgangen und ich war schon vorher davon unterrichtet, in wie zäher Weise General Conrad den Gedanken an eine Abrechnung mit Serbien verfocht", und 135: „Man wollte in Wien, scheint es, nicht sehen, daß Rußland marschieren würde." 132 Walter Goldinger, Österreich-Ungarn in der Julikrise 1914, in: Österreich am Vorabend des Ersten Weltkrieges, Graz-Wien 1964, 48-62, druckt 60-62 einen ausführlichen Brief Conrads vom 23. 1. 1924 (höchstwahrscheinlich) an den Jounalisten Theodor von Sosnosky, in dem er seine militärischen Motive für Juli 1914 nochmals ausführlich wiedergibt.

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Im Ersten Weltkrieg Der Kriegserklärung Deutschlands an Russland folgte eine Serie von weiteren gegenseitigen Kriegserklärungen. Fritz Fellner hat in einem richtungsweisenden Aufsatz abschließend festgestellt: „Der Leichtsinn und die Überheblichkeit, mit der die österreichisch-ungarischen Staatsmänner, Politiker, Militärs, Publizisten und Diplomaten den Krieg gegen den kleinen Nachbarn [Serbien] gewollt und beschlossen hatten, hat sie schuldig gemacht, jenen Anlass zu geben, den die deutschen Militärs gesucht hatten, um den seit Jahren propagierten Präventivkrieg zu führen. Österreich-Ungarn trägt die Verantwortung für die Planung eines lokalen dritten Balkankrieges gegen Serbien - die Verantwortung zum europäischen Krieg liegt nicht bei Österreich-Ungarn, die liegt in Berlin."133 In der Armee im Felde gab es einen Verpflegsstand von 1,8 bis 2 Millionen Mann. 25 % der Soldaten waren deutschsprachig, 23 % Magyaren, 13 % Tschechen, 4% Slowaken, 8% Polen, 8% Ruthenen, 2% Slowenen, 9% Serbokroaten, 7% Rumänen und 1% Italiener. 76,1% der aktiven und 56,8% der Reserveoffiziere waren Deutsche, 10,7% bzw. 24,5% Magyaren. Von August 1914 bis Anfang 1915 fielen 28.000 von 53.000 Offizieren und 634.000 von 1,180.000 Mann durch Tod, Verwundung oder Gefangennahme aus. Sie waren in jeder Beziehung unersetzlich. Mehr oder weniger war das österreichisch-ungarische Landheer darauf eine milizartige Streitmacht, die in hohem Maß auf der unteren Ebene von Reserveoffizieren geführt wurde. Die Entscheidung wurde durch die Standfestigkeit und die Leidensfähigkeit der Front und des Hinterlandes lange hinausgezögert. Sie fiel auf dem Gebiet des Wirtschaftskrieges, der Blockade und der Kriegsmüdigkeit sowie auf 133 Fritz Fellner, Austria-Hungary, in: Keith Wilson (Hg.), Decisions for War 1914, London 1995, 9-25. Dem Herausgeber stand aus dem Nachlass von Prof. Stephan Verosta die deutschsprachige Fassung des Vortrags zur Verfügung, aus der hier zitiert wird. Diese stimmt mit der englischen Druckfassung gänzlich überein. Siehe auch Fritz Fellner, Die Mission „Hoyos", in: ders., Vom Dreibund zum Völkerbund. Studien zur Geschichte der internationalen Beziehungen 1882-1919, hrsgg. von Heidrun Maschi und Brigitte Mazohl-Wallnig, Wien-München 1994, 112-141, und Samuel R. Williamson Jr., AustriaHungary and the Origins of the First World War (The Making of the 20th Century), New York 1991. Zum ungarischen Standpunkt vgl. József Galántai, Die ÖsterreichischUngarische Monarchie und der Weltkrieg, Budapest 1979. Der Ablauf der Ereignisse bei Walter Pogge ν. Strandmann, Immanuel Geiss, Die Erforderlichkeit des Unmöglichen. Deutschland am Vorabend des Ersten Weltkrieges (Hamburger Studien zur neueren Geschichte 2), Frankfurt 1965; Samuel R. Williamson, Jr., The Origins of a Tragedy. July 1914, St. Louis, Missouri 1981; zuletzt Samuel R. Williamson, Jr., Ernest R. May, An Identity of Opinion. Historians and July 1914, in : Journal of Modern History 79 (2007) 335-387.

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dem politischen Gebiet des Drangs nach dem Nationalstaat und nach mehr Parlamentarismus sowie mehr Demokratie134. Was den Generalstab betrifft, so sind die Änderungen im allerhöchsten Oberbefehl von politischer und militärischer Bedeutung. Projekte zur Umorganisierung des Armeeoberkommandos wurden mit Ausnahme kleinerer organisatorischer Änderungen bis 1918 nicht realisiert 135 . So wurden eine Zentraltransportleitung mit einem Chef des Feldeisenbahnwesens und ein Chef des Telegrafenwesens geschaffen. 1916 errichtete man anstatt des Etappenbüros eine Quartiermeisterabteilung mit Dienststellen bei den Armeen, Korps und Divisionen. Sie hatte im späteren Kriegsverlauf bei der Lösung aller Verpflegsfragen innerhalb der Monarchie wesentlich mitzuwirken. Aus dem Etappendienst gingen der k.k. Ernährungsminister Generalmajor Anton Höfer und der Vorsitzende des gemeinsamen Ernährungsausschusses Generalmajor Ottokar Landwehr hervor. Der Organisator des Etappenbüros Feldmarschalleutnant Artur von Mecenseffy fiel im Oktober 1917 an der Spitze der 6. Infanteriedivision bei Asiago. Letzter Chef der Quartiermeisterabteilung war Zeynek. Am Tag der Teilmobilisierung der k.u.k. Gesamten Bewaffneten Macht wurde am 25. Juli 1914 General der Infanterie Erzherzog Friedrich zum Oberkommandanten der Balkanstreitkräfte ernannt. Mit Entschließung vom 31. Juli 1914 wurde der Erzherzog Armeeoberkommandant, der „direkt Seiner Majestät unterstehe". Der Chef des Generalstabs blieb allerdings ebenfalls direkt dem Kaiser unterstellt, wodurch sich eine Zweigleisigkeit ergab, die aber dank der Zurückhaltung des Erzherzogs Friedrich nicht zu Konflikten führte. Allerdings wurde mit 7. 8. 1914 Feldzeugmeister Oskar Potiorek zum Kommandanten „über alle gegen Serbien und Montenegro kämpfenden Armeekörper" ernannt, der - so lautete eine Weisung vom 21. 8. 1914 - „selbständig das Oberkommando der Balkanstreitkräfte zu führen habe". Der Widerstand des Armeeoberkommandos gegen diese Sonderstellung, die auch durch direkte Berichte Potioreks an die Militärkanzlei dokumentiert wurde, hatte nichts gefruchtet. Die Bestellung Potio134 Peter Broucek, Der Erste Weltkrieg - ein politisch-militärischer Überblick, in: Weltkrieg 1914-1918. Heereskundliche-Kriegsgeschichtliche Betrachtungen siebzig Jahre danach. Materialien zum Vortragszyklus 1988, Wien 1988, 3-20; Peter Jung, Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich 1914-1918, in: ebd., 103-130. Béla Κ. Király, Nándor R. Dreisziger (Hg.), East Central European Society in World War I (War and Society in East Central Europe 19; East European Monographs 196; Atlantic Studies on Society in Change 38), New York 1985; Stephan Burgdorff, Klaus Wiegrefe (Hg.), Der Erste Weltkrieg. Die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, München 2004. 135 Johann Christoph Allmayer-Beck, AOK und „Armeefrage" im Jahre 1918, in: Osterreichische Militärische Zeitschrift 6 (1968) 430-435.

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reks zeigte, welche Bedeutung insbesondere der Minister des Äußern dem serbischen Kriegsschauplatz zumaß. Nach der Niederlage gegen Serbien wurde Potiorek am 22. 12. 1914 seines Postens enthoben, und auch die Sonderstellung der dort eingesetzten nunmehr wesentlich verminderten Streitkräfte fand ein Ende. Die Einmischung Conrads in die Innenpolitik wurde von beiden Ministerpräsidenten im Großen und Ganzen erfolgreich abgewehrt136. Schon im November 1914, nach der Zweiten Schlacht von Lemberg, war der Gedanke an einen „höchsten Oberkommandanten", nämlich Erzherzog Friedrich, mit dem deutschen Generalleutnant Erich Ludendorff als Generalstabschef auf dem nordöstlichen Kriegsschauplatz lanciert worden137. Er wurde nach Protest des Chefs des Generalstabs General Conrad fallengelassen. Nach der militärischen Katastrophe in der Brussilow-Offensive Juni 1916 und dem Kriegseintritt Rumäniens wurde der deutsche Druck zur Schaffung eines einheitlichen Höchstkommandos für alle Verbündeten übermächtig. Nicht nur Zeynek wurde ein „Opfer". Am 6. September 1916 wurden schließlich die „Bestimmungen für die Oberste Kriegsleitung" unterzeichnet. Danach hatte der Deutsche Kaiser „die Oberleitung der Operationen aller vier verbündeten Streitkräfte, sein ausübendes Organ sei die Deutsche Oberste Heeresleitung." Nur bezüglich Österreich-Ungarns konnte nach Verhandlungen ein „Geheimer Zusatzartikel" - geheim gegenüber Bulgarien und der Türkei - festgelegt werden. Er band die Befehlsgewalt Kaiser Wilhelms in den Fällen, in welchen das k.u.k. Armeeoberkommando sein Einverständnis zu den deutschen Entscheidungen mit Rücksicht auf die Integrität der österreichisch-ungarischen Monarchie nicht geben könne, an die vorherige Zustimmung Kaiser Franz Josephs138. Nach dem Tod Franz Josephs übernahm der neue Kaiser Karl in einem Armee- und Flottenbefehl vom 2. Dezember 1916 persönlich das Armeeoberkommando und ernannte Erzherzog Friedrich zu seinem Stellvertreter, der jedoch bald zur Disposition gestellt wurde. Kaiser Karl ließ sich auf Drängen des ungarischen Ministerpräsidenten Tisza auch rasch zum König von Ungarn krönen - also entgegen allen Absichten seines Vormundes, des ermordeten Erzherzogs Franz Ferdinand. Möglicherweise gemäß dessen Intentionen beauftragte Kaiserin 136 Christoph Führ, Das k.u.k. Armeeoberkommando und die Innenpolitik in Österreich 19141917 (Studien zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie 7), Graz-WienKöln 1968. 137 Peter Broucek, Die deutschen Bemühungen um eine Militärkonvention mit ÖsterreichUngarn (1915-1918), in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 87 (1979) 440-470. 138 Anton Wagner, Der Erste Weltkrieg. Ein Blick zurück (Truppendienst-Taschenbücher 7), Wien 1968, 156-158.

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Zita im Namen ihres Gemahls den Dichter Richard von Kralik, einen eminenten Vertreter einer christlichen und österreichischen Reichsidee, mit der Ausarbeitung eines Zeremoniells für eine Krönung zum Kaiser von Osterreich, also eine Fortsetzung des Dualismus139. Angesichts der Haltung der Nationalitäten im österreichischen Parlament kam ein solches Projekt ebensowenig zustande wie eine Krönung zum König von Böhmen, das Karl selbst gegenüber tschechischen Abgeordneten im Herbst 1917 angesprochen haben soll140. Ein weiteres Projekt, das der junge Kaiser generell und intern kategorisch ablehnte, nach außen hin aber nur zurückschieben konnte, war der Mitteleuropaplan des deutschen Linksliberalen Friedrich Naumann mit einem Wirtschafts- und Handelsbündnis, das sowohl vom deutschen Reichskanzler als auch von der Deutschen Obersten Heeresleitung unter General Falkenhayn befürwortet wurde. Naumanns Pläne beinhalteten eine Militärkonvention und die verfassungsrechtliche Verankerung des Bündnisses in den Teilnehmerstaaten 141 . Der Kaiser wollte auch die Bestimmungen über die „Oberste Kriegsleitung" modifiziert wissen, doch hatten die Verhandlungen im Gegensatz zu seinen Intentionen das Ergebnis, dass auch das Vetorecht des Zusatzartikels der Vereinbarung vom 1. Dezember 1916 nunmehr entfiel. Das war wohl der letzte Anstoß für die Ablösung Conrads im Februar 1917 und seine Versetzung an die Front als Kommandant der Heeresgruppe Tirol. Damals wurde auch ein Vertrauensmann des neuen Kaisers, Oberst Alfred Freiherr von Waldstätten, Chef der Operationsabteilung und bald auch Stellvertreter des neuen Chefs des Generalstabs, General der Infanterie Arthur Arz von Straussenburg. In der Wirklichkeit des Krieges kam es darauf an, wie sich Kaiser Karl gegenüber Kaiser Wilhelm und vor allem der neuen Deutschen Obersten Heeresleitung Hindenburg-Ludendorff behaupten konnte. Dies war nicht der Fall bei Kaiser Karls Widerstreben in der Frage des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs, beim sogenannten Eisenbahnvormarsch in die Ukraine (Februar 1918) und bei der Abgabe von k.u.k. Divisionen an die Westfront nach der missglückten Offensive an der Piave im Juni 1918. In allen Fällen setzte sich die deutsche Heeresleitung in ihrer Funktion als Oberste Kriegsleitung trotz des Widerstandes des Chefs des k.u.k. General-

139 Die Informationen aus dem Tagebuch in Privatbesitz, Februar/März 1917. Siehe auch Richard von Kralik, Gral und Romantik, eingel. und ausgew. von Moriz Enzinger (StiasnyBücherei 132), Graz 1963. 140 Jan Galandauer, Karel I. Poslední cesky král (Historická Pamét. Velká rada 2), 2. Aufl. Prag 2004. 141 Siehe die Aufsätze von Wolfgang Mommsen, Jiri Kofalka und Andrej Mitrovic in Plaschka (Hg.), Mitteleuropa-Konzeptionen.

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stabs und des Kaisers durch142. Politisch von eminenter Bedeutung war aber, dass sich die Oberste Kriegsleitung, also der deutsche Kaiser und die deutsche Heeresleitung mit ihrem Glauben an den Siegfrieden gegen die Friedensfühler Kaiser Karls stemmte. Sie brachte diese Bestrebungen schließlich sogar gemeinsam mit dem k.u.k. Minister des Äußern Graf Ottokar Czernin, der zuvor diese Fühler mit eingeleitet hatte, zu Fall. Die 1918 erpresste Zusage über den Abschluss eines langfristigen politischen sowie eines Militär-, Zoll- und Wirtschaftsbündnisses blieb Papier. Wie Entwürfe des Deutschen Bevollmächtigten Generals beim Armeeoberkommando, Generalleutnant August von Cramon, zeigten, wäre die k.u.k. Gesamte Bewaffnete Macht eine Kontingentstreitmacht des deutschen Heeres geworden. Der Kaiser und König der Doppelmonarchie hätte ebensowenig oder ebensoviel einen Oberbefehl ausüben können wie etwa der König von Bayern. Derartige Perspektiven, von den Ententemächten mehr oder weniger vermutet, hatten die wesentlich verstärkten Anstrengungen jener Mächte zur Zerschlagung der Donaumonarchie zur Folge. In den Beziehungen zwischen den beiden durch eine Realunion verbundenen Staaten Osterreich und Ungarn ergaben sich, was den Allerhöchsten Oberbefehl betrifft, wesentliche Änderungen. Der Kaiser und König hatte nach Beratungen im Dezember 1917/Jänner 1918 einer Zweiteilung der Armee in eine österreichische und eine ungarische grundsätzlich zugestimmt. Die Verhandlungen über die Durchführung waren bis September 1918 sehr weit gediehen. Allerdings war in den Denkschriften des k.u.k. Kriegs- und des ungarischen Honvédministeriums ein Allerhöchster Oberbefehl mit einer gemeinsamen Militärkanzlei vorgesehen. Man dachte nur an eine österreichische und eine ungarische Abteilung im Rahmen jener Kanzlei, Details waren noch nicht ausgearbeitet. Doch gab es Gegensätze, ob ein gemeinsames Kriegsministerium oder ein gemeinsames Armeeoberkommando oder keines von beiden nach dem Krieg als koordinierende Behörde bestehen bleiben sollte. Uber die von Ungarn geforderte Teilung der Armee gab es jedoch keinen Zweifel. Diese Ansicht wurde schließlich Anfang Oktober 1918 durch eine neuerliche Denkschrift des Armeeoberkommandos, verfasst vom Major im Generalstabskorps Robert R. v. Srbik und paraphiert vom Chef des Generalstabs, welche die Armeetrennung bereits als gegeben annahm und sich allein auf den Allerhöchsten Oberbefehl konzentrierte, nochmals wesentlich durchbrochen. Anstoß dürfte der Entwurf zur Bildung eines Staatenbundes unter Einschluss Polens gewesen sein, der

142 Helmut Hoyer, Kaiser Karl I. und Feldmarschall Conrad von Hötzendorf. Ein Beitrag zur Militärpolitik Kaiser Karls (Dissertationen der Universität Wien 70), Wien 1972, 70.

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in der Kabinettskanzlei vorlag143. Der Chef des Allerhöchsten Oberbefehls sollte der Chef des Generalstabs sein als „unmittelbarer und verfassungsmäßiger Ratgeber Seiner Majestät". Die Militärkanzlei wäre zur Präsidialsektion des Armeeoberkommandos geworden und ein Teil der bisher von ihr bearbeiteten Agenden in dessen übrige Sektionen übergegangen. Demnach sollten unter dem Kaiser und König, dem Chef des Generalstabs und seiner Stellvertreter eine Operations-, Verbindungs-, Materielle und Präsidialsektion sowie Gemeinsame Anstalten (Kriegsarchiv, Militärgeografisches Institut, technische und administrative Fachkurse) existieren. Der Wirkungskreis des Allerhöchsten Oberbefehls hätte umfasst : „Wahrung der vollsten Einheitlichkeit der Gesamten Bewaffneten Macht in jenen Angelegenheiten, die als Herrscherrechte Seiner Majestät vorbehalten sind, das ist Leitung, Führung und innere Organisation ; Ausarbeitung von Direktiven aus diesen Gebieten, operative und materielle Vorbereitung des Krieges ; Ausbildung des Generalstabes und sonstiger Stäbe; einheitliche Grundsätze für Dislokation, Ausbildung und Bewaffnung; Einteilung der Generäle (Oberstbrigadiere) und der Offiziere des Generalstabs (höhere Stäbe); Direktiven an die Generalinspektoren." Eine Exekutivgewalt wäre dem Allerhöchsten Oberbefehl nur bezüglich der ihm direkt unterstellten Institutionen zugekommen. Nur in budgetärer Beziehung wäre der Allerhöchste Oberbefehl weiterhin über ein Ministerium, das die gemeinsamen Institutionen der Kriegsmarine und vorläufig bis zur Lösung der südslawischen Frage der bosnisch-herzegowinischen Truppen zu verwalten hätte, den Delegationen des österreichischen und ungarischen Parlaments verantwortlich gewesen. Die Stellung Polens wäre hier noch, so wurde ausdrücklich festgehalten, zu bedenken gewesen. Auch bei der Lösung des Allerhöchsten Oberbefehls hätte sich also das Armeeoberkommando den Gedanken der Deutschen Obersten Heeresleitung, wie sie nach dem Frieden von Brest-Litowsk zu erkennen sind, angeschlossen: Es komme darauf an, ein möglichst kriegsbereites Leitungsorgan zu schaffen, in dem der Chef des Generalstabs und dessen Stellvertreter die dominierende Rolle zu spielen hätten. Ob Ungarn einer solchen Lösung zugestimmt hätte, ob vielleicht sogar das Oktobermanifest Kaiser Karls, das ja Ungarn völlig ausklammerte, aber andererseits auch auf Vorarbeiten des Chefs des Generalstabs beruhte, militärisch ein Gegengewicht erhalten sollte, ist die Frage. 143 Die Denkschrift ist mit 1. 10. 1918 datiert. Peter Broucek, Militärische Aspekte der Entwicklung bis zum Oktobermanifest 1918, in: Brennpunkt Mitteleuropa. Festschrift für Helmut Rumpier zum 65. Geburtstag, hrsgg. von Ulfried Burz u.a., Klagenfurt 2000, 353-362; vgl. auch Helmut Rumpier, Der Zerfall der Habsburger Monarchie - ein Versäumnis?, in: Karl Bosl (Hg.), Aktuelle Forschungsprobleme um die Erste Tschechoslowakische Republik, Wien-München 1969, 67-78.

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In den Tagen der beginnenden Auflösung der k.u.k. Monarchie, als die bulgarische Front zusammengebrochen war, die deutschen Truppen sich im Westen auf dem Rückzug befanden, am 24. Oktober 1918 die italienische Offensive begonnen hatte, sich aufgrund des Völkermanifestes Kaiser Karls in Osterreich Nationalräte gebildet hatten und bei den Truppen Hungerrevolten ausbrachen, trat der designierte ungarische Ministerpräsident Jänos Graf Hadik nochmals mit Forderungen hervor. Er verlangte telegrafisch am 29. Oktober, dass ein ungarischer Kriegsminister mit 1. November „das Kommando über alle Honvédformationen und alle nach Ungarn zuständigen k.u.k. Formationen und Anstalten des Hinterlandes" übernehme und Generaloberst Erzherzog Joseph als Oberkommandant der ungarischen Streitkräfte ernannt werde. Der Kaiser und König solle ab diesem Zeitpunkt nur mehr Vorsitzender eines „Kriegsrates", gebildet aus dem Chef des Generalstabes, dessen Stellvertreter, dem „Kommandanten der ungarischen Armee und dem Chef des Generalstabs der ungarischen Armee" sein. Der Herrscher genehmigte diese Forderung telefonisch am gleichen Tag, doch kam sie nicht mehr zur Durchführung. Wenn auch die Aufforderung des Honvédministers Oberstleutnant Béla Linder vom 2. November 1918 an die aus Ungarn sich ergänzenden Truppen, in die Heimat zurückzukehren, eher mit ideologischen Beweggründen erklärt werden mag, so kann sie doch auch mit diesen Forderungen zu tun haben. Kaiser und König Karl legte in der Nacht vom 2. auf 3. November 1918 das Armeeoberkommando nieder, ernannte Feldmarschall Hermann Baron Kövess von Kövesshäza zum Armeeoberkommandanten und den Chef des Generalstabs Arz zu seinem Stellvertreter. Von ihm übernahm Kövess am 11. November die Geschäfte, an dem Tag, an dem Kaiser Karl „auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften" in Osterreich verzichtete. Kövess amtierte als liquidierender Armeeoberkommandant im Kriegsarchiv, bis er auf Druck der deutschösterreichischen Regierung am 20. Dezember 1918 seinen Rücktritt erklärte.

Generalstabskorps und Geschichtsschreibung zum Ersten Weltkrieg Der Erste Weltkrieg war kaum beendet, als über seinen Beginn, Verlauf und Abschluss die politische, wissenschaftliche und propagandistische Auseinandersetzung begann. Zum Wissensdurst und zur Unterhaltung trugen alle Medien bis heute bei, von den Theaterstücken Franz Theodor Csokors und Erich Maria Remarques „Im Westen Nichts Neues" sowie den vielen Memoirenwerken bis zu den beeindruckenden ersten Dokumentarfilmen, die

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heute im Fernsehen immer wieder gesendet werden144. An der Spitze der Erkenntnissuche finden sich die vielen wissenschaftlichen Abhandlungen über die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts 145 . Am Anfang aber standen wohl nach der Propaganda und der reineren Information Erinnerung, Schuldzuweisung, Rechtfertigung und Geschichtspflege, auch in der Republik Osterreich, die nach den einen der „Rest", nach den anderen der „Universalerbe" des Kaisertums Osterreich beziehungsweise der österreichisch-ungarischen Monarchie war146. Ehemalige Angehörige des k.u.k. Generalstabes waren daran führend beteiligt. Das hier edierte Memoirenwerk des k.u.k. Oberst im Generalstabskorps Theodor Ritter von Zeynek, Österreicher schlesischer Herkunft und deutscher Muttersprache, gehört zu den erst später verfassten, wenn auch vielleicht sehr früh im Geist konzipierten Schriften. Noch vor den Friedensverhandlungen in den Pariser Vororten hat in „Deutschösterreich" der Amtsleiter im Staatsamt für Heerwesen, Oberst Theodor Körner, eine Expertengruppe von ehemaligen Generalstabsoffizieren mit der Erarbeitung von Erkenntnissen über Kriegsverlauf, Kriegsziele und Waffenstillstand gebildet, um das Resultat dem militärischen Delegierten Oberstleutnant im Generalstabskorps Karl Schneller nach Saint-Germain mitzugeben 147 . Im Hintergrund und für verschiedenste Zwecke auch politischer Natur arbeiteten der damalige Kriegsarchivdirektor Feldmarschalleutnant a.D. Max Ritter von Hoen und der Angehörige des ehemaligen Armeeoberkommandos (AOK) Major a.D. Edmund von Glaise-Horstenau als Anreger, Redakteure und militärische Schriftsteller ebenso wie als Archivare an zahlreichen 144 Österreich und der Große Krieg. Die andere Seite der Geschichte, hrsgg. von Klaus Amann und Hubert Lengauer, Wien 1989. 145 Johann Christoph Allmayer-Beck, Peter Broucek, Manfried Rauchensteiner, Der Erste Weltkrieg in der österreichischen Geschichtsschreibung zwischen 1914 und 1984, in: Jürgen Rohwer (Hg.), Neue Forschungen zum Ersten Weltkrieg. Literaturberichte und Bibliografien von 30 Mitgliedsstaaten der „Commission Internationale d'Histoire Militaire Comparée" (Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte 25), Koblenz 1985, 267-286; Rudolf Jerábek, Die österreichische Weltkriegsforschung, in: Wolfgang Michalka (Hg.), Der Erste Weltkrieg. Wirkung, Wahrnehmung, Analyse (Serie Piper 1927), München 1994, 953-971. 146 Diese Bilanz zogen Hugo Hantsch sowie sinngemäß der zeitweise im AOK eingeteilt gewesene Reserveoffizier und spätere Professor an der Universität Wien und bedeutende Historiker Heinrich Benedikt, Letzterer als Herausgeber in: Geschichte der Republik Osterreich, Wien 1954, 7-14. Seine Memoiren: Damals im alten Osterreich. Erinnerungen, Wien-München 1979. Siehe auch Johann Christoph Allmayer-Beck, Was ist Österreich?, in: Otto Schulmeister (Hg.), Imago Austriae, Wien 1963, 49-96. 147 Peter Broucek, Die österreichischen militärischen Vorbereitungen für die Friedenskonferenz von Saint-Germain, in: Saint-Germain 1919. Protokoll des Symposiums am 29. und 30. Mai 1979 in Wien (Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Kommission zur Erforschung der Geschichte der Republik Österreich 11), Wien 1989, 202-228.

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Veröffentlichungen und Aktensicherstellungen. Der ehemalige militärische Nachrichtenchef des AOK, Oberst im Generalstabskorps Maximilian Ronge, arbeitete an der Beseitigung oder doch vorläufigen Zurückhaltung von Schriftgut, das nach seiner festen Meinung zunächst der Gegenseite dienlich oder der eigenen Seite schädlich hätte sein können. Ein Hauptanliegen war es, die Akten der ehemaligen Militärkanzlei Seiner Majestät zu bewahren und für die Chefs des Generalstabes vor und im Ersten Weltkrieg, Feldmarschall Franz Freiherr (1918 Graf) Conrad von Hötzendorf und Generaloberst Arthur Arz von Straußenburg, die Voraussetzungen zu schaffen, ihr Wissen preiszugeben 148 . Arz zog dafür seinen zweiten Stellvertreter ab 1917, Generalquartiermeister Oberst i.G. Zeynek, heran 149 . Zeynek verfasste auf Ersuchen von Arz eine Handschrift über seine Tätigkeit 1917/1918 in der Quartiermeisterabteilung des AOK150. Arz verwertete diese schließlich auch in seinen 1924 erschienenen Memoiren, wo er sich indirekt auch bei Zeynek bedankte und diesen als äußerst „tüchtig" bezeichnete 151 . Zum Unterschied von Conrad war ihm offenbar vom Kriegsarchiv wesentlich weniger direkte Unterstützung bei der Abfassung zuteil geworden. Inzwischen hatten aber zwölf andere führende Persönlichkeiten aus dem ehemaligen AOK, der Kriegsmarine und dem Kriegsarchiv, an deren Spitze der ehemalige Chef der Operationsabteilung, Feldmarschalleutnant Josef Metzger, einen „Österreich-Band" des zehnbändigen deutschen Werkes „Der große Krieg 1914-1918" verfasst 152 . Man könnte sagen, dass dieser Band am Beginn eines geistigen Anschlusses der österreichischen militärischen Geschichtsschreibung über den 1. Weltkrieg stand, der vor allem in der Zusammenarbeit mit den „Berliner Monatsheften" (bis 1928 mit dem Haupttitel „Die Kriegsschuldfrage") und in der ständigen Anwesenheit eines militärischen Delegierten des deutschen Reichsarchivs im Wiener Kriegsarchiv seinen Ausdruck fand 153 . Bis etwa 1933 stand die österreichische Militärpolitik auch zwecks Auswertung der Kriegserfahrungen und der sogenannten Kriegsschuldfrage diesen Gegebenheiten positiv gegenüber154. Zeynek mel148 Ders., Die „Abteilung für militärische Staatsakten" im Kriegsarchiv (1918-1920), in: Scrinium 28(1983) 324-332. 149 KA, Nachlass-Sammlung (NLS), B/151 (Nachlass Zeynek), nr. 8, Korrespondenz Zeyneks mit Arz über diese Publikation und über private Lebensverhältnisse 1920-1932. 150 Ebd., nr. 1, Handschriftliches Manuskript Zeyneks, „Tätigkeit der Quartiermeisterabteilung des AOK", abgeschlossen 9. 8. 1920. 151 Arthur Arz v. Straußenburg, Zur Geschichte des Großen Krieges 1914-1918. Aufzeichnungen, Wien-Leipzig-München 1924. 152 Der große Krieg 1914-1918, hrsgg. von Max Schwarte. Bd. 5: Der österreichisch-ungarische Krieg, Leipzig 1922. 153 Broucek, Peball, Geschichte der österreichischen Militärhistoriographie, 93 f. 154 Siehe aber auch das von Edmund Glaise-Horstenau und dem Präsidenten der Deutschen

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dete sich in dieser Zeit publizistisch nur mit einem kürzeren Aufsatz betreffend Richtigstellungen zum Verlauf russischer Offensiven 1915/1916 und in einem nekrologartigen Leserbrief an das Neue Wiener Tagblatt zu Wort155. Ein zweites Memoirenwerk von Generaloberst i.R. Arz könnte ein letzter Anstoß gewesen sein, dass Zeynek sein Schweigen brach 156 . Er war ab 1935 mit der maschinschriftlichen Konzipierung seiner Erinnerungen befasst, die ausdrücklich und nachweislich nur auf seinen eigenen Aufzeichnungen, Korrespondenzen und Handakten sowie seinem Personalakt („Qualifikationsliste") beruhten, kaum auf größeren militärgeschichtlichen Druckwerken, wie etwa dem österreichischen Generalstabswerk 157 . Knapp vor dem deutschen Einmarsch im März 1938 war jenes Generalstabswerk „Österreich-Ungarns letzter Krieg" durch den Registerband abgeschlossen158. Das österreichische halbamtliche militärgeschichtliche Organ „Militärwissenschaftliche Mitteilungen" konnte bei unveränderter Herausgeberschaft - der Angehörige des Eisenbahnbüros des Generalstabs und dann des AOK sowie General des Osterreichischen Bundesheeres Emil Ratzenhofer - bis 1944 weiter erscheinen, zuletzt mit reduziertem Umfang. Von den Persönlichkeiten, die Zeynek zumindest im Ersten Weltkrieg als Vorgesetzte oder als Kameraden verbunden waren, wurden der ehemalige Armeekommandant Generaloberst Erzherzog Josef Ferdinand 1938 für kürzere und Maximilian Ronge für etwas längere Zeit im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Der letzte Chef des Generalstabes Feldmarschalleutnant Alfred Jansa hatte mit seiner Familie Zwangsaufenhalt in Erfurt erhalten, und dem Großteil der Generalität des Bundesheeres wurde bald die Pension wesentlich gekürzt, da sie für nicht würdig erachtet wurden, eine deutsche Generalspension zu beziehen. Spätestens im Krieg gegen die Sowjetunion

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Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften General Friedrich von Cochenhausen „eingeführte" Werk: Georg Nitsche, Österreichisches Soldatentum im Rahmen deutscher Geschichte, Berlin-Leipzig 1937; ebenso erschien in Wien 1941 der von jener Gesellschaft herausgegebene Band Osterreichische Feldherren und ihre Beziehungen zum Deutschtum, wieder meist verfasst von ehemaligen Generalstabsoffizieren und Angehörigen des Kriegsarchivs, des nunmehrigen Heeresarchivs Wien. KA, NLS, B/1438, nr. 1: Zeitungsausschnitt Neues Wiener Tagblatt, 5. 5. 1933, 8: Josef Ritter v. Paie. Herr Oberst Theodor Zeynek, Prag, schreibt uns. Arthur Baron Arz, Kampfund Sturz der Kaiserreiche, Wien-Leipzig 1935. KA, NLS, B/151, nr. 2: Das Leben eines österreichisch-ungarischen Generalstabsoffiziers, 218 S. Die Arbeit ist nur in einer maschinschriftlichen Kopie auf dünnem Durchschlagpapier dem Kriegsarchiv übergeben worden. Es dürfte sich um das Exemplar handeln, das von einem Verlag durch erhebliche Korrekturen und Streichungen so stark im Text verändert wurde, worauf es Zeynek vom Druck zurückzog. Österreich-Ungarns letzter Krieg 1914-1918, Wien 1929-1938.

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wurden diese Persönlichkeiten aber doch wieder herangezogen159. Ronge war einer der altösterreichischen Offiziere, die vom Oberkommando der Wehrmacht aufgefordert wurden, ihre Erfahrungen niederzuschreiben. In seinem Fall entstand aufgrund der von ihm geretteten Akten eine umfangreiche in Maschinschrift vorliegende Geschichte des österreichisch-ungarischen militärischen Nachrichtendienstes, an der er intensiv bis 1943 arbeitete. Das größte Werk, an dem das Oberkommando der Wehrmacht interessiert war, es aber dann aus Papiermangel nicht drucken konnte, war eine Geschichte des k.u.k. Generalstabes, zu deren Verfassung der bereits mit einer RadetzkyBiografie und zahlreichen Aufsätzen hervorgetretene Oberst im Generalstab Oskar Wolf-Schneider Freiherr von Arno angeregt wurde. Dieses wurde vor 1944 nicht fertiggestellt160. Unter den Persönlichkeiten aus der ehemaligen österreichischen Generalität und dem Generalstab, die zur Abfassung von Manuskripten aufgefordert, aber dann angesichts der Kriegsereignisse vernachlässigt wurden, war auch Zeynek. Er hatte 1938 im Verein Alt-Neustadt einen in Fachkreisen bis heute immer wieder herangezogenen Vortrag zur Geschichte des k.u.k. Generalstabs gehalten161. Seine Ausführungen waren eine veritable Auswertung und Schilderung seiner Erfahrungen im Truppen- und im Heeresgeneralstab. Offenbar dadurch wurde man auf ihn wieder aufmerksam und forderte ihn auf, seine Memoiren zur Drucklegung vorzulegen, sodass er 1940 ein Vorwort verfasste und das Manuskript einreichte. Es kann als sicher angenommen werden, dass die zahlreichen Streichungen und Änderungen, die im Zweitexemplar der Maschinschrift vorgenommen wurden, nicht vom Autor stammen und Zeynek das Werk vermutlich aufgrund dieser starken Veränderungen vom Druck zurückgezogen hat. Immerhin aber erklärte er sich bereit, an einem Sammelwerk „Österreichs deutsche Leistung" mitzuwirken, als ihn sein Kamerad, der ehemalige Generalstabsoberst Gustav v. Hubka, darum ersuchte162. Der Ritter des Militär-Maria-Theresien-Ordens Feldmarschallleutnant Carl Bardolff hatte diesen Plan gefasst und die Heranziehung Zey159 Marcel Stein, Österreichs Generale im Deutschen Heer 1938-1945 : schwarz/gelb - rot/weiß/ rot - Hakenkreuz, Bissendorf 2002. 160 Über Wolf-Schneider-Arno vgl. Broucek, Peball, Geschichte der österreichischen Militärhistoriographie, 667 f. 161 Über den österreichisch-ungarischen Generalstab. Vortrag, gehalten am 11. Dezember 1938 in der Kriegerkameradschaft Alt-Neustadt, in: Militärwissenschaftliche Mitteilungen 70 (1939) 179-194. 162 Siehe die diesbezügliche Korrespondenz in KA, NLS, B/151. Zu Hubka vgl. Josef Steiner, Gustav Hubka (1873-1962). Sein Wirken als k.u.k. Militârattaché und Schriftsteller, phil. Diss. Univ. Wien 1975. Zusammenfassung in stark verkürzter Form: ders., Soldat, Militärdiplomat und Historiker. Das Lebenswerk Gustav Hubkas (1873-1962), in: Osterreich in Geschichte und Literatur 21 (1975) 18-28.

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neks begrüßt. Im Kriegsarchiv finden sich in einer Anzahl von Nachlässen von Generalstäblern weitere Spuren von Manuskripten für dieses Werk, das schließlich offenbar aus Papiermangel nicht zustande kam163. Zeynek hatte dafür bis 1943 ein Manuskript „Führungsstäbe" in Reinschrift vorgelegt. Den Titel wählte er deshalb, weil er die Existenz des Genie- und des Artilleriestabes in der k.u.k. Gesamten Bewaffneten Macht herausstrich164. In den Jahren 1938-1945 waren Offiziere mit österreichischer Generalstabsausbildung an der Opposition beziehungsweise an Attentatsdurchführungen gegen Adolf Hitler beteiligt165. Nach der Wiedererrichtung Österreichs verhinderte der k.u.k. Oberst i.G., General des Bundesheeres und dann Bürgermeister von Wien, Theodor Körner, die Bestellung des k.u.k. Geniestäblers und Generals der Infanterie des Bundesheeres Eugen Luschinsky zum Chef des Heeresamtes im Rahmen der von Karl Renner wiedererrichteten Staatskanzlei. Andererseits sorgte Körner dafür, dass einer seiner Schüler an der Kriegsschule vor 1914, der Generalstäbler Major Walter Heydendorff, in der Zwischenkriegszeit führender Angehöriger der Heimwehr und sodann Major in der Evidenz des Osterreichischen Bundesheeres sowie schließlich Widerstandskämpfer, Präsidialchef jenes Heeresamtes wurde. Er gelangte 1946 nach dem Verbot jener Institution durch den Alliierten Rat 163 Uber Bardolff siehe Der Militär-Maria-Theresien-Orden. Die Auszeichnungen im Weltkrieg 1914-1918, hrsgg. und verf. von Oskar von Hoffmann und Gustav von Hubka, 2. erg. Aufl. Wien 1944, 63 : „Nach dem Jahre 1918 war FML Bardolff ordentlicher Hörer für Geschichte der Neuzeit an der Universität in Graz, Rechtsanwaltsanwärter in Gröbming (Stmk.), vom März 1921 an geschäftsführender Verwaltungsrat eines Industriekonzerns. Nebenbei hat sich Bardolff am nationalen politischen Leben beteiligt und war später als Vorsitzender des Deutschen Volksrates für Osterreich, des Deutschen Klubs in Wien und des Verbandes deutschvölkischer Vereine mit ein Führer der Opposition gegen das Regime DollfußSchuschnigg. Nach dem Zusammenschlüsse Österreichs mit dem Deutschen Reiche wurde FML Dr. Freiherr von Bardolff zum Generalleutnant z.V, SA-Oberführer und zum Mitglied des Reichstags ernannt. Anläßlich der 25. Wiederkehr der Schlacht von Tannenberg erhielt er den Charakter eines Generals der Infanterie z.V Freih. v. Bardolff ist seit 1917 Ritter des Ordens Pour le mérite." 164 KA/NLS, B/115, nr. 1: Führungsstäbe. Drei Fassungen, die sich durch verschiedene Papierformate und Schriftgrößen der Maschinschrift voneinander unterscheiden. Es ist jedoch auch von Interesse, dass schon vor 1918 ein Sammelwerk „Die Technik im Weltkrieg" geplant war, an dem unter Vorsitz des Oberst i.G. Ing. Theodor Brosch Edlen von Aarenau bis 1924 gearbeitet wurde, die Materialien dafür gelangten ins Kriegsarchiv. Siehe Erwin Steinbock, Der Plan eines österreichischen kriegstechnischen Geschichtswerks über den Ersten Weltkrieg, in: Militaría Austriaca 3 (1979) 91-94; Peter Broucek, Bemerkungen zu den Manuskriptesammlungen des Kriegsarchivs, in: Mitteilungen des Osterreichischen Staatsarchivs 49 (2001) 117-130. 165 Peter Broucek, Der österreichische Widerstand in Beispielen und Dokumenten, in : Manfried Rauchensteiner (Hg.), Tyrannenmord. Der 20. Juli 1944 und Österreich. Begleitband zur Sonderausstellung im Heeresgeschichtlichen Museum, Wien 2004, 32-71.

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ins Kriegsarchiv und schrieb hier sein Buch „Österreich und Preußen im Spiegel österreichischer Geschichtsauffassung", das 1947 erschien166. In diesem Jahr verhandelten Bundeskanzler Leopold Figi und seine Berater intensiv mit dem zurückgekehrten einstigen Generalstabschef des Osterreichischen Bundesheeres Alfred Jansa. Vielleicht ist aber Heydendorffs Aktivität 1945/1946 für Zeynek ein gewisser Anstoß gewesen, dass er in seinem vorletzten Lebensjahr die Schrift „Preußen gegen Österreich. Die Tragödie des deutschen Volks" in die Reinschrift tippen ließ167. Der hervorragende Rest ist schnell erzählt. Oskar Wolf-Schneider-Arno konnte die Geschichte des k.u.k. Generalstabes nicht abschließen und ersuchte 1950 um Ablösung. FML i.R. Jansa erarbeitete darauf eine handschriftliche Fortsetzung jenes Werks von 1906 bis in den Weltkrieg hinein168. Einen letzten Höhepunkt der Geschichtsschreibung setzte Generalstaatsarchivar Rudolf Kiszling, k.u.k. Oberstleutnant i.G. Sein Manuskript über den Generalstab im Weltkrieg wurde vom Bundesministerium für Landesverteidigung dank des Engagements des Ministerialbeamten Dr. Peter Fiala als Manuskript gedruckt und stellt eine Zusammenfassung aller Erkenntnisse des letzten Direktors des Kriegsarchivs vor 1945 dar 169 . Dann hatten die Zivilhistoriker, die Historiker unter den österreichischen Militärbeamten sowie die Dissertanten das Wort170. Das österreichische Generalstabswerk konnte durch Richard Plaschka und seine Schüler abgeschlossen werden171. An Memoiren von Generalstäblern, die ediert werden konn166 Walter Heydendorff, Österreich und Preußen im Spiegel österreichischer Geschichtsauffassung, Wien 1947. Heydendorff führte bis 1920 den Familiennamen seines Vaters Generalmajor Leopold Auspitz, der jüdischer Herkunft war, und nahm dann den Mädchennamen seiner Mutter, einer geborenen Conrad v. Heydendorff, an. Er war daher aufgrund seiner Herkunft und als Widerstandskämpfer besonders gefährdet. Er kümmerte sich 1945 besonders um die Information der Heimkehrer und hielt am 1. 9. 1945 einen Rundfunkvortrag, der im Druck vorliegt: Aussprüche über Osterreich und Preußen aus 2 Jahrhunderten, Wien 1945. 167 KA, NLS, B/115, Preußen gegen Österreich. Die Tragödie des deutschen Volks. Eine geschichtliche Studie von Theodor v. Zeynek, Mondsee 1946, 28 S. 168 KA, NLS, B/655 (Nachlass Jansa). 169 Rudolf Kiszling, Die hohe Führung der Heere Habsburgs im Ersten Weltkrieg. Als Manuskript gedruckt, Wien o.J. (1977). 170 Siehe die Listen der ungedruckten und gedruckten österreichischen und ausländischen Dissertationen in Broucek, Peball, Geschichte der österreichischen Militärhistoriographie. 171 Richard G. Plaschka, Cattaro - Prag. Revolte und Revolution. Kriegsmarine und Heer Österreich-Ungarns im Feuer der Aufstandsbewegung vom 1. Februar bis 28. Oktober 1918 (Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft Ost 3), Graz-Köln 1963; ders., Horst Haselsteiner, Arnold Suppan, Innere Front. Militärassistenz, Widerstand und Umsturz in der Donaumonarchie 1918. 2 Bde (Veröffentlichungen des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts 8 und 9), Wien 1974; weiters ist auch das letzte Werk Plaschkas von hohem

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ten, sind in erster Linie die Ausführungen Edmund Glaise von Horstenaus zu nennen172. Als wichtigste Gruppe an Studien zum Offizierskorps und zum Ersten Weltkrieg sind wohl die Bücher und Aufsätze von Hauptmann d.G. a.D. Johann Christoph Allmayer-Beck, Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums, aus der Wiener Neustädter Militärakademie 1938 ausgemustert, anzusehen173. Unter seinen Nachfolgern erschienen weitere Kataloge und Darstellungen174. Die anderen Nachfolgestaaten veröffentlichten zwar viel über die Geschichte der Diplomatie im Ersten Weltkrieg, doch erst nach der politischen Wende von 1989 erschienen auch Studien, vor allem Biografíen über Generäle und Generalstabschefs175. Erst kürzlich wurde eine umfangreiche Gesamtgeschichte des österreichischen Generalstabs publiziert176. Interesse: Avantgarde des Widerstands. Modellfalle militärischer Auflehnung im 19. und 20. Jahrhundert. 2 Bde (Studien zu Politik und Verwaltung 60), Wien-Köln-Weimar 2000. Das Werk behandelt das Thema weltweit und was Mitteleuropa betrifft Ereignisse von der Verschwörung gegen Wallenstein bis zum Attentat gegen Adolf Hitler. 172 Edmund Glaise von Horstenau, Ein General im Zwielicht. Die Erinnerungen Edmund Glaises von Horstenau, eingel. und hrsgg. von Peter Broucek. Bd. 1 : K.u.k. Generalstabsoffizier und Historiker (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 67), Wien-Köln-Graz 1980 (im Folgenden zitiert als Glaise-Broucek I). 173 Vgl. das Werkverzeichnis in Allmayer-Beck, Militär, Geschichte und Politische Bildung. 174 Vgl. Weltkrieg 1914-1918. Heereskundliche-Kriegsgeschichtliche Betrachtungen siebzig Jahre danach. Materialien zum Vortragszyklus 1988, Wien 1988; Manfried Rauchensteiner, Der Tod des Doppeladlers. Österreich-Ungarn und der Erste Weltkrieg, Graz-Wien-Köln, 1993. 175 Ceskoslovenská generalità: Biografie. Armádní generálové 1918-1938, Prag 1995; Sándor Szakály, A magyar katonai felsö vezetés 1938-1945. Lexikon és adattár, Budapest 2001. 176 Hubert Zeinar, Geschichte des österreichischen Generalstabes, Wien-Köln-Weimar 2006. Der Autor hat ungeheure physische Arbeit geleistet, die im Allgemeinen nur von einem Team zustande gebracht werden kann. Der erhebliche Wert der Studie liegt in der kompetenten Darstellung der Generalstabsarbeit im zweiten Österreichischen Bundesheer, wozu er einige sehr wichtige Persönlichkeiten aus dem Offizierskorps und der Generalität gewinnen konnte. Das Werk geht auf die Wurzeln von Generalstabsarbeit in Europa ab der frühen Neuzeit zurück, lehnt sich aber bei der Behandlung des Themas ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stark an das bereits erwähnte Werk von Wolf-Schneider-Arno (vgl. S. 58) an. Er verschließt sich dadurch aus mangelnder Kenntnis der neueren und neuesten Literatur, aus Solidaritätsgefühl und Standes- und Traditionsbewusstsein nicht nur konstruktiver Kritik sondern ebenso der Behandlung des untrennbaren Zusammenhangs zwischen „Staatskunst und Kriegshandwerk", gerade auch im 1. Weltkrieg. Als Behelf zum Kennenlernen des Generalstabsdienstes ist Zeinars Werk dennoch unentbehrlich. Vgl. über Grundsätze der Arbeit und der Verantwortung des Generalstabes vor allem Regele, Generalstabschefs, sowie Jedlicka, Militarismus. Uber die Militärpolitik und die Geschichte des Generalstabes im 1. Weltkrieg siehe die beispielhaften gedruckten Dissertationen von Peter Fiala, Die letzte Offensive Altösterreichs. Führungsprobleme und Führerverantwortlichkeit bei der österreichisch-ungarischen Offensive in Venetien, Juni 1918 (Wehrwissenschaftliche Forschungen, Abt. Militärgeschichtliche Studien 3), Boppard 1967 ; Gerhard Arti, Die öster-

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Bemerkungen zum Leben und Wirken des Theodor Ritter von Zeynek Theodor Ritter von Zeynek hat, soweit bekannt, mit Josef Ritter von Paie nur einem einzigen Kameraden, mit dem er in einem Armeekommando während des Krieges zusammenarbeitete, einen Nachruf unaufgefordert gewidmet. Zeynek schrieb über ihn : „Kriegsschüler, Generalstabsoffizier im Operationsbureau, Kommandant eines Jägerbataillons, Generalstabschef eines Korps und einer Armee, das war in der österreichisch-ungarischen Armee der Weg einer kleinen Gruppe von Offizieren, die nach einer Kette schwerer Prüfungen ausgewählt wurden, um von einer verantwortungsvollen und wichtigen Stellung zur nächsten weiterzuschreiten, immer im Mittelpunkt der geistigen Arbeit stehend und immer mit dem Vorrecht begabt, ihre persönlichen Eigenschaften voll zur Geltung zu bringen. Das war der Weg, den die Generale Kuhn, Beck, Galgotzy, Fiedler und Conrad für den Generalstabsoffizier vorgezeichnet hatten. ... Er absolvierte die Kriegsschule als Jahrgangserster, von seinen Kameraden übereinstimmend als Bester anerkannt. Mit 35 Jahren kam er in das Operationsbureau und leitete dort unter Conrad die Vorarbeiten für den Krieg gegen Rußland. Im Weltkrieg war er Generalstabschef des Tiroler Korps und dann der 4. Armee. Sein Kommandant war in beiden Fällen der Erzherzog Josef Ferdinand, der ihm seine hingebungsvolle Arbeit mit unbedingtem Vertrauen und mit einer bis an das Grab reichenden Freundschaft lohnte. ... Wo immer er wirkte, stets gewann er in kürzester Zeit mit magnetischer Kraft alle Herzen. Der Zauber seiner Persönlichkeit lag zum Teil in der ruhigen Festigkeit seines Charakters und in der Ausgeglichenheit seines Wesens, zum Teil in seiner durch Selbsterziehung zu klarer Weltanschauung gesteigerten Bildung, welche den Verkehr mit ihm für jedermann zum Gewinn machte, endlich aber auch in einer vornehmen Zivilisation, die jeder Übertreibung, jeder Pose und Phrase fremd, seinem Wesen den Grundzug natürlicher Bescheidenheit, Einfachheit und Liebenswürdigkeit verlieh. Ein echt österreichischer Offizier! Für Generalmajor v. Paie war der Dienst in der Armee eine Sache der innersten Überzeugung, denn er war von dem Gedanken der politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Notwendigkeit einer großen Donaumonarchie durchdrungen, und deshalb änderte er auch seine Anschauungen nach dem Kriege nicht und wahrte sich den Vorzug rureichisch-ungarische Südtiroloffensive 1916 (Militärgeschichtliche Dissertationen österreichischer Universitäten 2), Wien 1983; und Forstner, Przemysl. Siehe zuletzt auch Martin Müller, Vernichtungsgedanke und Koalitionskriegführung. Das Deutsche Reich und Osterreich-Ungarn in der Offensive 1917/1918. Eine Clausewitz-Studie, Graz 2003.

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higer Stetigkeit und männlicher Festigkeit. Er war ein Edelmensch und im Krieg wie im Frieden ein wahrer Ritter Maria Theresias." 177 Über Zeynek scheint es keinen Nachruf von Vorgesetzten, Kameraden oder Freunden zu geben, es existieren nur liebevolle Lebensläufe von zwei Frauen und von ihm selbst ein eher heiterer Lebensabriss in Gedichtform. Der Herausgeber glaubt nicht fehlzugehen, auch aufgrund der Beurteilungen Zeyneks durch seine Vorgesetzten im Personalakt („Qualifikationsliste"), dass Zeynek selbst sich um eine ähnliche Charakterbildung bemühte, wie er sie seinem Kameraden Paie bescheinigte. Im Folgenden sollen als Ergänzung zu seinen Memoiren weitere Informationen zu Herkunft, Erziehung und Umfeld gegeben werden. Theodor von Zeynek wurde am 5. März 1873 in Troppau (heute Opava) geboren, besuchte dort Volksschule, Unter- und Obergymnasium und maturierte mit Auszeichnung178. Sein Väter, Dr. Gustav v. Zeynek, war Landesschulinspektor für Volksschulen und Lehrerbildungsanstalten in Osterreichisch-Schlesien und wurde 1881 als Hofrat in den erblichen Ritterstand erhoben. Die Mutter Maria war eine Tochter des Mathematikers Franz v. Mocnik. Theodor hatte einen Bruder Richard, der ein bedeutender Mediziner wurde179, sowie eine Schwester Olga, die sich zur österreichischen Parlamentarierin emporarbeitete 180 . Die Familie übersiedelte 1892 nach Wien, als der Väter zur Dienstleistung ins Ministerium für Kultus und Unterricht einberufen wurde. Theodor Zeynek war seit 1912 mit Alice, geborene Zdekauer, verheiratet 181 . Das Ehepaar hatte keine Kinder. Die Zeyneks pflegten 177 KA, NLS, B/1438, nr. 1 : Zeitungsausschnitt Neues Wiener Tagblatt, 5. 5. 1933, 8. Siehe auch Broucek, Konservatismus in den Armeen des Hauses Österreich. 178 Státni archiv Opava, Schulnachrichten. 179 Richard R. v. Zeynek (Graz, 9. 12. 1869-28. 6. 1945, Passau). Über ihn siehe Ludmila Hlavácková, Petr Svobodny, Biographisches Lexikon der Deutschen Medizinischen Fakultät in Prag 1883-1945, Prag 1998, 234 f. Er war ab 1903 o. Prof. für medizinische Chemie an der deutschen Universität in Prag und wurde 1939 emeritiert. Er gilt als Begründer der Diathermie. 180 Olga v. Zeynek (Olmütz, 28. 1. 1871-25. 8. 1948, Graz) heiratete 1897 den späteren Generalstabsoffizier Rudolf Rudel und war bald in katholischen Frauenorganisationen tätig. Sie war 1919 Abgeordnete zur Konstituierenden Nationalversammlung Deutschösterreichs, ab Mai 1919 des Steiermärkischen Landtags, 1923-1927 Mitglied des Nationalrats und ab 31. 5. 1928 die erste Präsidentin des Bundesrates. Siehe Andrea Erti, Walter Labuda, Olga Rudel-Zeynek. Pionierin im Parlament, Wien 2003. 181 Laut KA, Versorgungsakt Zeynek, Sterbeurkunde, war Alice Gabriele Anna Antonia Marie Zeynek geborene Zdekauer, römisch-katholisch, Tochter des Carl R. v. Zdekauer und der Gabriele v. Zdekauer, geborene v. Zdekauer, Witwe nach Theodor Gustav Franz Zdekauer, geb. in Bubenec bei Prag, 9. 8. 1878, gest. in Salzburg, 26. 2. 1967. In einem Imma von Bodmershof gewidmeten Gedicht (Wien, 5. März 1943) schreibt Zeynek über seine Frau (Deutsches Literaturarchiv Marbach, Handschriftenabteilung, Nachlass Imma v. Bodmers-

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ab 1920 einen sehr engen Kontakt mit Imma geb. Freiin v. Ehrenfels, spätere verehelichte Freifrau v. Bodmershof, der österreichischen Dichterin182. Zeynek ergriff den Offiziersberuf, wie seine Gattin und Imma von Bodmershof schrieben, aus patriotischen Gründen183, absolvierte die Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt und strebte die Karriere des Generalstabsoffiziers an. Nach der Ausmusterung am 18. 8. 1894 kam er als Leutnant zum Infanterie-Regiment 3, eingeteilt zum Kompaniedienst und als Instruktionsoffizier der Einjährig-Freiwilligen-Abteilung in Wien und Brünn. 1. 5. 1898 Beförderung zum Oberleutnant, 1. 10. 1897-31. 10. 1899 Frequentant der Kriegsschule, gleichzeitig mit der Beförderung zum Hauptmann 2. Klasse am 1. 11. 1901 Transferierung zum Infanterieregiment 95 in Lemberg, kurz darauf dort Generalstabsoffizier der 25. Infanterie-Brigade. Gleichzeitig mit der Vorrückung zum Hauptmann 1. Klasse wurde Zeynek mit 1. 11. 1903 eingeteilt ins Generalstabskorps zur Generalstabsabteilung der 9. Infanterie-Truppendivision in Prag (Reisen in die Kronländer und nach Deutschland, Thüringen und Metz sowie in die Schweiz, später auch nach Oberitalien, in die Bretagne und in die Normandie). Seit 1. 5. 1905 stand er in Verwendung beim 8. Korpskommando in Prag (Lehrer an der Korpsoffiziersschule für Kriegsgeschichte und Militärgeschichte, Kleine Generalstabsreise, Manöver in Südböhmen, „Fechter, Schwimmer, zur Mappierung sehr gut vorbereitet, tüchtiger Musiker, spielt Klavier und Violine, rastlose Tätigkeit während der Zeit der Unruhen und Demonstrationen in Prag"). Mit 8. 2. 1906 wurde er ins Büro für Operative Generalstabsarbeiten in Wien transferiert, 1.5. 1908 Gruppenleiter der Balkangruppe im Operationsbüro. 1907 folgte Truppendienst beim 12. Feldjägerbataillon und 1909 beim Infanterie-Regiment 99 und mit 1. 11.1910 die Beförderung zum Major im Generalstabskorps. Am 1. 5. 1912 wurde er zum Generalstabschef der 8. Infanterie-Truppendivision in Bozen ernannt. Ab 1. 8. 1913 folgte wieder Truppendienst beim 2. Tiroler Kaiserjäger-Regiment und mit 1. 11. 1913 die Ernennung zum Oberstleutnant im Generalstabskorps sowie schließlich am 1. 8. 1914 die Zuteilung zum 4. Operierenden Armeekommando184. Zeynek konnte seine Ausbildung an der Kriegsschule in Wien höchst erfolgreich abhof - im Folgenden D L A Marbach, N L Bodmershof - , Mappe Zeynek) : Dann kam nach Lehr- und Wanderjahren, / die öfters ernst, oft heiter waren, / der Segen, den mir Gott gegeben. / Ich brauch' den Namen nur zu nennen / und alle die Alice kennen, / sie stimmen mit mir überein, / das mußte Gottes Gnade sein. 182 Imma von Bodmershof, Unter acht Winden, eingel. und ausgew. von Hajo Jappe (StiasnyBücherei 106), Graz-Wien 1962. 183 Vgl. mehrere kurze Lebensbeschreibungen in DLA Marbach, N L Bodmershof, Mappe Zeynek. 184 Sämtliche Angaben zur Karriere nach KA, Personalaktenreihen, Qualifikationsliste und Versorgungsakt mit Grundbuchblatt.

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schließen und erreichte schon in verhältnismäßig jungen Jahren das Traumziel vieler dem Generalstab zunächst zugeteilter Offiziere, die Einberufung in eines der zentralen Büros des Generalstabs in Wien185. Er legte seine Arbeiten, Gedanken und Erfahrungen, nicht Erinnerungen, im Operationsbüro in drei Schriften, vor allem in der anonymen Broschüre „Diplomatie und Kriegsvorbereitung" dar186. Kaiser Franz Joseph betrachtete es als Aufgabe seines Doppelstaates, die Völker vor den umliegenden Nachbarn und ebenso vor ihren eigenen Politikern zu schützen. Er sah es als Aufgabe des Herrschers an, den Frieden zu erhalten. Damit war er ganz auf der Linie des Schöpfers des modernen k.k. Generalquartiermeisterstabes (ab 1865 Generalstabs), Reichsgeneralfeldmarschall, dann Generalissimus Erzherzog Carl von Osterreich. Dieser war für die Gedanken eines aufgeklärten Christentums, gegen die romantischen Ideen Friedrich Schillers und gegen die Praxis des Zeitalters der Französischen Revolution und Napoleon Bonapartes eingetreten187. Zeynek stimmte mit jenen Ansichten offenbar, was den Frieden betrifft, nicht ganz überein. Sein Vorbild war über den eigenen Chef, General Conrad, hinaus der Reformator des preußischen, dann deutschen Generalstabs Helmuth Graf von Moltke in dessen aktiver Zeit und nicht dessen wichtigster Zeitgenosse in

185 (Friedrich Ossmann), Das Operationsbüro des k.u.k. Generalstabes von 1890-1914 und seine Offiziere, in: Verein „Alt-Neustadt" Mitgliederverzeichnis 1963, 22-40. Ossmann, dessen Bruder, ebenfalls deutscher Offizier österreichischer Herkunft, Opfer der Lynchjustiz Hitlers nach dem 20. Juli 1944 war, beruft sich bei seinen Angaben auf die Liste der Offiziere des Operationsbüros 1890-1914 und führt 55 Generalstäbler an. Von diesen stammten 32 aus der Theresianischen Militärakademie. Uber Zeynek, dessen Memoiren er anscheinend kannte, schreibt er, was die Friedenszeit betrifft : „Der temperamentvolle Zeynek ... trug als Leiter der Balkangruppe eine schwere Verantwortung." Zeyneks Tätigkeit als Referatsleiter beschreibt auch Degreif, Operative Planungen, 267-269. 186 Diplomatie und Kriegsvorbereitung. Ein Mahnwort in später Stunde, Wien 1912. Die Arbeit ist in den einschlägigen Bibliothekskatalogen Zeynek nicht zugeordnet. Das in KA, NLS, B/151, nr. 7 liegende Exemplar der zwanzigseitigen Broschüre trägt auf der Titelseite die handschriftliche Widmung Zeyneks „Weihnachten 1911. Zur Erinnerung an Conrad v. Hötzendorf." Weitere Arbeiten Zeyneks waren: T.R.v.Z, Über Angriffstaktik nach den Erfahrungen des südafrikanischen Krieges, in: Organ der Militärwissenschaftlichen Vereine 8 (1904) 127-138. Dort heißt es: „Unsere Lehrmeisterin ist die Kriegsgeschichte. ... Bemühen wir uns das Positive daraus zu gewinnen und die Antwort zu finden." Schließlich publizierte Zeynek Zum Entwurf des Dienstreglements II. Teil (Felddienst), in: Streffleurs Militärische Zeitschrift zugleich Organ der Militärwissenschaftlichen Vereine, II. Band 8. Heft (August 1912) 1273-1280. 187 Clausewitz - Jomini - Erzherzog Carl. Eine geistige Trilogie des 19. Jahrhunderts und ihre Bedeutung für die Gegenwart. Johann Christoph Allmayer-Beck zum 70. Geburtstag, Wien 1988; Broucek, Die österreichische und amerikanische Geschichtsschreibung.

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Österreich, Erzherzog Albrecht188. Moltke hielt bekanntlich fest, dass der Krieg von 1866 Preußens und seiner deutschen sowie italienischen Verbündeten um Machtgewinn geführt wurde. „Der ewige Friede" (nämlich Immanuel Kants) „ist nur ein Traum, und nicht einmal ein schöner", soll er damals geäußert haben189. Er änderte aber später seine Meinung. Conrad hat Moltke ebenfalls verehrt und für sein Vaterland Österreich in erster Linie den „Kampf ums Dasein" als „positive Idee" proklamiert190. Seit der Einteilung der Doppelmonarchie in 16 Militärterritorialbezirke 1882 zwecks Ergänzung und schneller Mobilisierung arbeiteten die Generalstabsoffiziere permanent nicht nur beim Allerhöchsten Oberbefehl (Militärkanzlei Seiner Majestät und Generaladjutantur), sondern im Kriegsministerium und in den Landesverteidigungsministerien der beiden Staaten der Doppelmonarchie. Als Militârattachés bei den Auslandsvertretungen waren normalerweise nur sprachenkundige Generalstabsoffiziere eingeteilt. Die höheren Verbände unter den Korps mit ihren Generalstabsabteilungen waren die Infanterie- bzw. Kavallerie-Truppendivisionen und darunter die Brigaden mit einem Brigade-Generalstabsoffizier. Die österreichischen Landwehr- und ungarischen Honvéd-Infanterie-Truppendivisionen, die von den Landwehrdistrikten aufgestellt und den Korps zugewiesen wurden, hatten ebenfalls bald Generalstabsoffiziere, die aus den Landwehrakademien oder -kadettenschulen hervorgingen. Wie das Beispiel des späteren ungarischen Landesverteidigungsministers und Ministerpräsidenten Gyula Gömbös zeigte, wurde dadurch ein extremer Nationalismus im Weltkrieg in den Generalstab getragen. Erst im Krieg übernahmen die im Frieden systemisierten Armeeinspektoren die Armeekommanden mit nunmehr aufgestellten Generalstabsabteilungen. Im Verlauf des Krieges wurden über den Armeen Heeresfronten beziehungsweise Heeresgruppen, unter den Armeen die Armeegruppen gebildet, die alle Generalstäbler und zum Teil auch Artillerie- und Geniestäbler benötigten. Dazu kamen noch Generalstabsoffiziere in besonderen Verwendungen, zum Beispiel als Lehrer an der Kriegsschule, 188 Stig Förster (Hg.), Moltke. Vom Kabinettskrieg zum Volkskrieg. Eine Werkauswahl, BonnBerlin 1992, dort 610-617 die Denkschrift vom 3. Februar 1877: Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und Rußland; Johann Christoph Allmayer-Beck, Die Gedankenwelt Moltkes und Erzherzog Albrechts von Osterreich. Ubereinstimmung und Gegensätzlichkeiten, in: Roland G. Foerster (Hg.), Generalfeldmarschall von Moltke. Bedeutung und Wirkung (Beiträge zur Militärgeschichte 33), München 1991, 117-130. 189 Siehe das Kapitel Helmuth von Moltke: Die Strategie ist eine Kunst des Handelns, in: Albert A. Stahel, Klassiker der Strategie. Eine Bewertung (Strategische Studien 6), 2. durchges. Aufl. Zürich 1996, 225-238; Hajo Holborn, Moltke and Schlieffen. The Prussian-German School, in: Edward M. Earle (Hg.), Makers of Modern Strategy. Military Thought from Machiavelli to Hitler. 9. Aufl., Princeton 1971, 172-205. 190 Kronenbitter, „Krieg im Frieden" ; Sondhaus, Franz Conrad von Hötzendorf.

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den Militärerziehungs- und Bildungsanstalten, in der Direktion des Kriegsarchivs und als Kommandant des Militärgeographischen Instituts. Unter dem Chef des Generalstabs in Wien wirkten Generalstäbler im Direktions-, Operations-, Etappen-, Instruktions-, Landesbeschreibungs-, Evidenz- (Nachrichtendienst), Eisenbahn- und Telegraphenbüro. Im Weltkrieg, bei dem im Rahmen des Armeeoberkommandos „Abteilungen" anstatt der „Büros" im nunmehrigen mobilisierten „Kommando" wirkten, ist für diese Arbeit nur mehr relevant, dass das frühere Etappenbüro den Namen Quartiermeisterabteilung erhielt191. Im Verlauf der Kämpfe gegen die Französische Revolution stellte sich bei Erzherzog Carl, der immerhin an die zehn Jahre entscheidend neben dem Kaiser und dem Staatskanzler wirkte, heraus, wie schwer Habsburg beziehungsweise Osterreich mit Rhein- und Donaupolitik zurechtkam192. Noch in der Ära des Staatskanzlers Fürst Clemens Metternich mehrten sich Anzeichen, dass Osterreich mit manchen Anforderungen, die am Wiener Kongress an seine Politik gestellt worden waren, überfordert schien193. Es musste vielmehr alle Politik und Verteidigungskraft daransetzen, dass es als Staat nicht infrage gestellt werde. Der Versuch eines „kollektiven Sicherheitssystems" der „Heiligen Allianz", dann der des Dreikaiserbündnisses, schließlich des Zwei- beziehungsweise Dreibundes waren eine gewisse Antwort darauf194, ebenso die Versuche einer Balkan-Entente mit Russland, die 1908 offenbar zerbrach, als Zeynek in der Operationsabteilung arbeitete. Dennoch hatte im Februar 1913 General der Kavallerie Erzherzog Franz Ferdinand eine andere Meinung. Der Kaiser hatte ihm in diesem Jahr einen Teil der Geschäfte des Allerhöchsten Oberbefehls übertragen, indem er ihn zum Generaltruppeninspektor für die Gesamte Bewaffnete Macht nach dem Vorbild Erzherzog Albrechts ernannte. Der Thronfolger erklärte: „In alle Zukunft werden wir mit Rußland gehen", und einige Wochen später meinte er: „Ein Krieg mit Rußland ist unser Ruin."195

191 Hugo Schmid, Heerwesen. Lehr- und Lernbehelf für Militärerziehungs- und Bildungsanstalten sowie Reserveoffiziersschulen. 2. Teil: Österreich-Ungarn (enthält die Organisation unmittelbar vor Ausbruch des Krieges sowie einige Änderungen und Ergänzungen während desselben), 3. Aufl. Wien 1915. 192 Franzel, Der Donauraum im Zeitalter des Nationalitätenprinzips. 193 Hans Reichmann, Die Uberschätzung der österreichischen Macht am Wiener Kongreß und ihre Folgen, in: Römische Historische Mitteilungen 19 (1977) 121-128; Verosta, Die Bündnispolitik der Donaumonarchie. 194 Gordon A. Craig, Neutralität im 19. Jahrhundert, in: ders., Krieg, Politik und Diplomatie, Wien-Hamburg 1968, 181-193. 195 Ernst Joseph Görlich, Felix Romanik, Geschichte Österreichs, Innsbruck-Wien-München 1970, 461.

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Zeynek ging in seinem „Mahnwort"196 vordergründig nicht auf derart entscheidende außen- und bündnispolitische Fragen ein. Er verlangte, dass der Chef des Generalstabs, der ja seit dem Mehrfrontenkrieg Österreichs von 1866 und der Allgemeinen Wehrpflicht für die operativ fast entscheidenden Vorgänge der Schnelligkeit der Mobilisierung und des Aufmarsches verantwortlich war, ein Informationsrecht erhalten sollte. Zeynek führte neben zahlreichen anderen vor allem 1859 und 1866 als Beispiele an, bei denen Feldherrn zu Recht oder zu Unrecht die Schuld an Katastrophen zugewiesen worden sei. Zum Abschluss verwies er auf die Zusammenarbeit zwischen Bismarck und Moltke197. Zeynek war also über den Konflikt Conrads mit Außenminister Aehrenthal informiert und verlangte gewissermaßen als Sprachrohr seines Chefs das Recht, das Conrad 1913 auch erreichte, nämlich das direkte Vortragsrecht beim Kaiser über den Kriegsminister hinweg. De facto bedeutete dies aber auch eine mögliche Umgehung des Ministers des Äußern. Zeynek griff in dieser Arbeit, die ihn möglicherweise zum Chef des Operationsbüros noch besser qualifizieren sollte, auf seine Erinnerungen an die Bosnienkrise 1908/1909 zurück. In seinen Memoiren vertrat er dann den Standpunkt, dass sich das Problem des Mehrfrontenkrieges und die Belastung mit der indirekten Auslösung eines Großen Krieges, dem ÖsterreichUngarn nicht gewachsen war, nicht ergeben hätte, wenn Österreich-Ungarn schon früher auf die Provokationen Serbiens hin eine schnelle militärische Vorgangsweise gewählt hätte. Die Katastrophen zweier Weltkriege haben ihn und uns endgültig eines Besseren belehrt. Die k.k. Armee hatte auf die Bedrohung von Seiten Frankreichs nach 1815 mit dem Bau von befestigten Brückenköpfen an der Donau sowie von Festungen in Oberitalien reagiert198. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam der intensive Bau von Eisenbahnlinien hinzu, um den Aufmarsch an die Süd- und vor allem an die Nordgrenze zu beschleunigen. Dazu kam die Errichtung von Gürtelfestungen in Galizien und von Befestigungen in Südtirol199. Nach dem Abschluss des Defensivbündnisses gegen Russland kam

196 Diplomatie und Kriegsvorbereitung. Ein Mahnwort in später Stunde, Wien 1912, vgl. oben Anm. 168. 197 Vgl. Gordon A. Craig, Beziehungen zwischen politischen und militärischen Amtern im Zweiten Deutschen Reich. Kanzler und Chef des Stabes 1871-1918, in: ders., Krieg, Politik und Diplomatie, 157-169. 198 Erich Hillbrand, Schutzwehr und Zaun. Beiträge zur Geschichte des Befestigungswesens in der ersten Hälfte des 19. Jh., in: Die k.k. österreichische Armee im Kampf gegen die französische Revolution, 95-133. 199 Burkhard Köster, Militär und Eisenbahn in der Habsburgermonarchie 1825-1859 (Militärgeschichtliche Studien 37), München 1999; Broucek, Die Eisenbahn als militärischer Faktor; Forstner, Przemysl.

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es zu Besprechungen von Generalstabschef Beck-Rzikowsky mit Moltke und seinem Nachfolger als Chef des deutschen Generalstabs Waldersee. Die zu geringe Leistungsfähigkeit der österreichischen Eisenbahnen beendete eine zweite Phase des Meinungsaustausches. Inzwischen war es 1894 zu einer Militärkonvention Frankreichs mit Russland gekommen, die später zu einem politischen Bündnis ausgestaltet wurde. Militärisch verpflichtend wurde festgelegt, dass einer Mobilisierung der beiden Heere auch ein Aufmarsch folgen sollte. Nach 1904, als England Absprachen mit Frankreich über Abgrenzung von Interessensphären in Afrika abgeschlossen hatte, kam es auch zwischen diesen Staaten zu Generalstabsbesprechungen und schließlich zu einer Marinekonvention 200 . Der Chef des deutschen Generalstabs des Feldheeres Graf Schlieffen musste mit dem Albtraum des Zweifrontenkrieges rechnen. Er kalkulierte schließlich die Möglichkeit einer Niederwerfung Frankreichs durch rasche Einkreisung der französischen Armee beim Vorgehen durch das neutrale Belgien. In seinem letzten Dienstjahr 1905 sah er die russische Armee infolge des Krieges mit Japan als so beschäftigt an, dass das Zarenreich zu einem Krieg an anderer Stelle nicht fähig wäre und ein Präventivkrieg gegen Frankreich gemäß seinem Plan gewagt werden könnte. Ohne dass sie vielleicht seine Pläne kannten, hatte Schlieffen zu jenem Zeitpunkt für ein präventives kriegerisches Vorgehen gegen Frankreich die Zustimmung von Russlandkennern unter jüngeren Offizieren des Generalstabs 201 . Sein Oberquartiermeister und baldiger Nachfolger Helmuth von Moltke (der Jüngere) passte dann diesen Plan den weiteren operativen Gegebenheiten an, änderte ihn aber grundsätzlich nicht. Er hielt ihn zwar für zu riskant, wusste aber keine bessere Lösung. Österreich-Ungarn war bei diesem Konzept eine Nebenrolle zugewiesen. Hier war Conrad Ende 1906 Chef des Generalstabs geworden. Er sah es als gegeben an, dass in Italien die Irredenta-Bewegung zum Krieg gegen Österreich treibe und seit dem Königsmord von 1903 in Belgrad die südslawische Bewegung Gebiete von Österreich-Ungarn fordere und dabei von russischen und serbischen militärischen Kreisen unterstützt werde. Auch für ihn gab es das Problem des Zweifrontenkrieges gegen Irredentisten und Panslawisten, unterstützt von namhaften Armeen. Wie der deutsche Generalstabschef gegenüber Frankreich erwog auch Conrad, im Falle einer ihm gefährlich erscheinenden Krise mit den Hauptkräften der 200 Darüber insgesamt Siegfried Fiedler, Kriegswesen und Kriegführung im Zeitalter der Millionenheere (Heerwesen der Neuzeit V/2), Bonn 1993. 201 Albrecht von Thaer, Generalstabsdienst an der Front und in der O.H.L. Aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen 1915-1919, hrsgg. von Siegfried A. Kaehler (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse III/40), Göttingen 1958, 7 f.

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k.u.k. Gesamten Bewaffneten Macht zunächst einen vernichtenden Schlag gegen Italien zu führen und nötigenfalls dafür selbst in Kauf zu nehmen, dass russische Kräfte bis zu den Brückenköpfen an der Donau vordringen würden202. Als nun im Verlauf der Bosnien-Krise im Herbst 1908 die Haltung Russlands immer mehr der einer Schutzmacht Serbiens gleichkam, verlangte General Conrad über Kaiser und Thronfolger die Genehmigung von Außenminister Aehrenthal zur Fühlungnahme mit dem deutschen Generalstab zwecks eventuellen Vorgehens gegen Serbien. Er hatte dafür die Zustimmung seiner Berater, und auch eine Gruppe junger Diplomaten war seiner Ansicht203. Moltke war Conrads Initiative willkommen. Er versprach volle militärische Rückendeckung, klärte aber Conrad darüber auf, dass unter diesen Umständen eine rasche Klärung der Haltung Frankreichs nötig wäre und gegebenenfalls zunächst ein entscheidender militärischer Schlag gegen diesen Staat geführt werden müsse. Conrad musste diese militärischen Ansichten zustimmend zur Kenntnis nehmen und eigene Ansichten über eventuell notwendige Präventivschläge gegen Serbien oder Italien mehr oder weniger für sich behalten204. Außenminister Aehrenthal teilte brieflich mit, dass er diese Fühlungnahmen, die von Conrad, seinem kurzfristigen Nachfolger Schemua und wieder Conrad fortgesetzt wurden, nicht ausgeweitet wissen wollte und ihm vor allem die Haltung Englands wichtig erscheine. Eine Ausgestaltung der Absprachen bis zum Aufmarsch erfolgte erst 1913. Conrad betrachtete schließlich das Attentat von Sarajewo als eine Kriegshandlung Serbiens205. In den letzten Julitagen sagte Kaiser Franz Joseph zu Conrad: „Wenn die Monarchie schon zugrunde gehen soll, so soll sie wenigstens anständig zugrunde gehen", und als sich der General am 15. August vor dem Abgehen an die Front abmeldete, verabschiedete ihn der Monarch mit der Versicherung, „Gott gebe, daß alles gut geht, aber auch wenn es schief gehen sollte, werde ich durchhalten!"206 Anlässlich eines Rapports im Juli 1916 meinte der Kaiser zu einem Offizier der Generaladjutantur: „Es steht schlecht um uns,

202 Hans Jürgen Pantenius, Der Angriffsgedanke gegen Italien bei Conrad von Hötzendorf. Ein Beitrag zur Koalitionskriegsführung im 1. Weltkrieg (Dissertationen zur neueren Geschichte 15), Köln-Wien 1984; Broucek, Zu den militärischen Beziehungen im Zweibund. 203 Georg von Franckenstein, Zwischen Wien und London. Erinnerungen eines österreichischen Diplomaten, Graz-Stuttgart 2005, 59-61. 204 Gerhard Seyfert, Die militärischen Beziehungen und Vereinbarungen zwischen dem deutschen und dem österreichischen Generalstab vor und bei Beginn des Weltkrieges, phil. Diss. Univ. Leipzig 1934. 205 Vgl. dazu vorne S. 47. 206 Egon Caesar Conte Corti, Hans Sokol, Der alte Kaiser. Franz Joseph I. vom Berliner Kongreß bis zu seinem Tode, Graz-Wien-Köln 1955, 431.

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vielleicht schlechter als wir ahnen. Die hungernde Bevölkerung des Hinterlandes kann auch nicht mehr weiter. Wir werden sehen, ob und wie wir noch den Winter übertauchen können. Im nächsten Frühjahr mache ich aber unbedingt Schluß mit dem Kriege. Ich will nicht, daß wir ganz und rettungslos zugrunde gehen!" 207 Sein Nachfolger versuchte gemäß Franz Josephs Willen zu handeln. Im zweiten Teil seiner Memoiren, die vor allem der Versorgung der Armee gewidmet sind, geht Zeynek auch darauf ein. Zeynek hatte an der Juli-Krise 1914 selbst keinen Anteil, wohl aber den eines Korps- und Armeegeneralstabschefs an der Russischen Front 1914 bis 1916 und damit an der Zurückwerfung der russischen Armeen aus der Bukowina und Westgalizien208. Nach einer nicht allzu langen Befassung mit den Problemen der polnischen Frage im Herbst 1916, soweit die k.u.k. Bewaffnete Macht dabei eingebunden war, übernahm Zeynek 1917 die Quartiermeisterabteilung des AOK. Eine kurze Aufstellung der neun Referate, die Zeynek zum Teil führte, zeigt seine Zuständigkeit : Kriegsgruppe, Referat Albanien, Referat Rumänien, Ukrainische Gruppe, Militärverwaltungs-, Verpflegungsund Intendanz-, Organisations-, Produktions- und Sanitätsgruppe. Mit dem Vertreter des k.k. Ministeriums des Innern in Zeyneks Abteilung, Johann Andreas Freiherr von Eichhoff, befasste er sich - sehr am Rande - auch mit der Verfassungsreform. Eichhoffs während des Zweiten Weltkriegs verfasste Memoiren bilden einen gewissen Kontrapunkt zu Zeyneks Werk209. Nach dem Krieg zog sich Zeynek zunächst in die Wohnung der Eltern seiner Frau nach Prag zurück, lebte aber spätestens ab 1933 in seinem Sommerhaus im oberösterreichischen Mondsee an der Grenze zu Salzburg und im Winter in Wien. Im Nachlass der Dichterin Imma v. Bodmershof finden sich zwei kurze Biografíen Zeyneks, wobei eine von seiner Frau stammt 210 . Sie befassen sich allerdings fast ausschließlich mit der Nachkriegszeit. Alice Zeynek schilderte die Stimmung ihres Gatten folgendermaßen : „Nach dem Krieg stand er, der zu den höchsten Stellen ausersehen war, vor dem Nichts, 207 Albert Freiherr von Margutti, Kaiser Franz Joseph. Persönliche Erinnerungen, Wien-Leipzig 1924, 458. 208 Vgl. Rudolf Jeíábek, Die Ostfront, in: Mark Cornwall (Hg.), Die letzten Jahre der Donaumonarchie. Der erste Vielvölkerstaat im Europa des frühen 20. Jahrhunderts, Essen 2004, 155-173. 209 Eichhoff, Von Miramar nach St. Germain, KA, NLS, B/874. Vgl. auch Anhang II dieser Edition. 210 DLA Marbach, NL Bodmershof, Mappe Zeynek. Der Bestand enthält folgende Materialien über die Beziehungen der Dichterin zu Theodor v. Zeynek: Die Manuskripte „Theodor v. Zeynek" und „Beethovens Feder" (letzteres in drei Fassungen); 73 Blatt Briefe, Karten, Telegramme, Korrespondenzen Imma Bodmershofs an Alice und Theodor Zeynek 19421966; 68 Blatt Briefe, Karten, Telegramme von Alice und Theodor Zeynek an Imma Bodmershof, sowie vier Blatt Gedichte.

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hatte alles verloren und war krank an Leib und Seele. Er zog sich nach Prag zurück, ins Elternhaus seiner Frau. Dort stand ein Klavier und Beethoven erklang. Er spielte die Sonaten, und die Töne lösten Worte bei ihm aus: Ohne Uberlegen und Absicht sprach er beim Spielen, und die Worte hatten Sinn und Zusammenhang." Imma von Bodmershof führte dazu aus: „Eine Wortgebung aller Klavier-Sonaten blieb das Ergebnis211. Dann stellte Zeynek nach eingehenden Goethe-Studien eine umfassende Anthologie , Goethes Stimme der Weisheit und Wahrheit' zusammen212 und widmete sich dann Shakespeare. Dieser Dichter nahm ihn ganz gefangen, und wie er sich immer wieder von den bestehenden Übersetzungen gehemmt fühlte, gab er sich mit Feuereifer einer neuen Übertragung hin. Es war ein manchmal mühevolles, aber unendlich beseligendes Arbeiten. Nach zehn Jahren waren alle 37 Bühnenwerke fertig; an ihrer Feilung arbeitete Zeynek aber noch weitere zehn Jahre bis zu seinem Tod 1948. Zwischendurch entstand unter anderem ein Drama ,Orest' 213 und das schlichte, aber herzgewinnende ,Mondseer Weihnachtsspiel'214. Zeynek lebte ganz zurückgezogen in einem kleinen Häuschen am Mondsee nur seinen Arbeiten hingegeben. Zu seinen Lebzeiten ist nichts von seinen Werken bekannt geworden, erst jetzt dringt aus seinem Nachlaß ganz allmählich Stück für Stück in die Öffentlichkeit."215

211 In der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek finden sich drei von Zeynek kommentierte Beethoven-Sonaten (op. 27, Nr. 2, Sonata quasi una fantasia; op. 31, Nr. 3, Sonate Es-dur; op. 53, Sonate C-dur), gedruckt im Wiener Europa-Verlag 1951-1953. Ein Exemplar der Sonate op. 53 C-dur mit Zeyneks Kommentar liegt auch in KA, NLS, B/151. 212 Laut der Korrespondenz 1944 war ein Buch unter diesem Titel im Münchener Alber-Verlag im Erscheinen begriffen. Gemäß allen verfügbaren Bibliothekskatalogen ist es jedoch nicht erschienen. 213 Laut dem Manuskript von Alice Zeynek schrieb er auch noch die Dramen „Proteus" und „Montezuma". 214 Mondseer Weihnachtsspiel. 3 Szenen, Wien: Europäischer Verlag 1950. Der „Spielansager" schließt das Stück: „Was sag ich noch? Ihr wißt von wem das Spiel hier handelt. Von dem Herrn Jesu Christ, wie er auf Erden wandelt." Eine der Shakespeare-Übertragungen besitzt ein Nachwort von Max Meli. Tatsächlich lassen sich im „Mondseer Weihnachtsspiel" Anklänge an das „Apostelspiel" und an das „Nachfolge Christi-Spiel" jenes steirischen Dichters finden. Wären Zeyneks oben angeführte Dramen erhalten geblieben, so könnte man vielleicht mit Max Mells „Sieben gegen Theben" Vergleiche ziehen. Bei Christoph Heinrich Binder, Max Meli. Beiträge zu seinem Leben und Werk (Arbeiten aus der Steiermärkischen Landesbibliothek 16), Graz 1978 ist Zeyneks Name nicht zu finden. 215 In der Reihe „Klassiker der Bühne" der Stifterbibliothek erschienen zwischen 1952 und 1986 elf Shakespeare-Dramen in der Übertragung von Theodor von Zeynek. E r hatte sich, wie aus den Korrespondenzen hervorgeht, durch Studium der englischen Sprache noch im Alter auf diese Übersetzungen vorbereitet. Es gab auch Kontakte zu englischen Universitäten, alles mit der Hilfe Imma von Bodmershofs und Alice Zeyneks.

ZUR EDITION

Die Edition der Erinnerungen Zeyneks war bald ein Desideratum des Herausgebers, nachdem er um 1965 die Ordnung, Verzeichnung und vor allem Bereicherung der Sammlung an Nachlässen und Donationen des Kriegsarchivs als Referent übertragen bekommen hatte. Damals konnten Julius v. Wellenreiter und Dr. Géza Freiherr Kövess von Kövesshäza dafür gewonnen werden, die Memoiren zu lesen und schriftlich ein Urteil abzugeben. Es fiel mit einigen sachlichen weiterführenden Kommentaren überaus positiv aus. Es gelang dann, den Durchschlag dieser Erinnerungen, den Alice von Zeynek dem Kriegsarchiv zur Verfügung gestellt hatte, von den Streichungen zu befreien, welche die betreffenden Passagen beinahe unleserlich zu machen schienen. Kürzungen des Typoskripts wurden nicht vorgenommen. Zeynek beruft sich hier und da auf Handakten, die in gewisser Zahl für die Zeit des 1. Weltkriegs nach dem Tod von Alice Zeynek ins Archiv gelangt sind. Mehrmals zitiert Zeynek aus seinen Kriegstagebüchern, die jedoch ebenso wie sein literarischer Nachlass nicht auffindbar sind. Universalerbin der Zeyneks war eine Persönlichkeit in der Steiermark, deren Nachkommen nicht mehr aufgefunden werden konnten. Laut freundlicher Auskunft von Frau Mag. Andrea Erti haben die Verwandten der Schwester Theodor v. Zeyneks kein Wissen über einschlägige Verlassenschaften. Der Herausgeber hat Zitate Zeyneks überprüft, aber Archivalien aus den Beständen der Registraturen der Armeekommanden und des AOK nicht extra im Anmerkungsapparat zitiert. Außerdem wurde Material herangezogen, das sich mit dem Kommandanten der 7. Armee, Generaloberst PflanzerBaltin, beschäftigt. Um die Herkunft, die Ausbildung und die Leistung des Offiziers- und speziell des Generalstabskorps der k.u.k. Gesamten Bewaffneten Macht zu würdigen, wurden die Kurzbiografien der Persönlichkeiten, die dem Staat und der Dynastie dienten, in den Fußnoten ausführlicher gehalten. In jenen Fällen, in denen diese Biogramme bereits im ersten Band der ebenfalls vom Herausgeber edierten Erinnerungen von Edmund GlaiseHostenau publiziert wurden 216 , wird darauf in der Form „Glaise-Broucek I" mit Seitenangabe verwiesen. Ein Abkürzungsverzeichnis erschließt die in den Anmerkungen verwendeten Kürzel der Truppenkörper sowie der militärischen und sonstigen Funktionen. 216 Edmund Glaise von Horstenau, Ein General im Zwielicht. Die Erinnerungen Edmund Glaises von Horstenau, eingel. und hrsgg. von Peter Broucek. Bd. 1: K.u.k. Generalstabsoffizier und Historiker (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 67), Wien-Köln-Graz 1980.

DANKSAGUNG

Mein Dank gilt allen Institutionen, welche die Arbeit am Manuskript gefördert haben : Dem Österreichischen Staatsarchiv/Kriegsarchiv, dem Tschechischen Landesarchiv Opava, dem Steiermärkischen Landesarchiv, der Osterreichischen Nationalbibliothek und dem Deutschen Literaturarchiv. Mein ehemaliger Kollege Dr. Berthold (Graf von) Waldstein-Wartenberg gab die Erlaubnis, Teile der Memoiren von Johann Andreas Freiherrn von Eichhoff für die Edition zu verwenden. Im Kriegsarchiv bin ich vor allem Hofrat Dr. Robert Rill zu herzlichem Dank verpflichtet. Von weiteren Kollegen muss ich Frau Mag. Andrea Erti, Götzendorf-Velm, besonders danken. Ohne ihre Hinweise und tätige Überlassung von Kenntnissen wären wissenschaftliche „Unterlassungen" passiert. Dankenswerterweise hat die Kommission für Neuere Geschichte Österreichs noch unter dem Vorsitz von Univ. Prof. Dr. Fritz Fellner die Edition in ihr Programm aufgenommen. Für alle Bemühungen, für Arbeit und Verständnis bin ich dem Verlag Böhlau, vor allem Dr. Peter Rauch, Dr. Eva Reinhold-Weisz und Ulrike Dietmayer, ungemein dankbar. Sehr verbunden bin ich meiner Familie, Ehegattin, Kindern und Enkelkindern. Gertraud Broucek hat die nicht leichte Arbeit geleistet, die Kopie des Typoskripts vor etwa fünfzehn Jahren abzuschreiben und einige wenige grammatikalische Fehler zu korrigieren. Frau Maria Muschi hat den Autor ebenfalls unterstützt. Meine Tochter Regina Zebardjedan und mein Sohn Mag. Severin Broucek haben wichtige technische Hilfe geleistet. Ich freue mich über sie wie schon so oft. Peter Broucek

Theodor Ritter von Zeynek D A S L E B E N EINES ÖSTERREICHISCHEN GENERALSTABSOFFIZIERS

VORWORT DES A U T O R S

Ich widme diese Erinnerungen dem unsterblichen Geist der alten österreichisch-ungarischen Armee, wie er durch den Feldmarschall Conrad v. Hötzendorf verkörpert wurde. Infolge meiner Tätigkeit im Operationsbüro des Generalstabs, als Generalstabschef der k.u.k. 7. Armee und als Chef der Quartiermeisterabteilung des Armeeoberkommandos, betraut mit den Funktionen des Generalquartiermeisters, kann ich manchen Beitrag zum wahren Bild der Ereignisse von 1908 bis 1918 liefern. Meine Darstellungen aus der Kriegszeit sind auf Grund meines Tagebuches verfaßt. Wien, am 5. März 1940

I . T E I L : FRIEDENSZEIT

I. Die Gymnasialzeit Als Kaiserin Maria Theresia nach dem Siebenjährigen Krieg Schlesien an Preußen abtreten mußte, soll sie gesagt haben : „Den Garten hat man mir genommen, den Zaun gelassen." Dieser Zaun, Österreich-Schlesien, ist meine Heimat 1 . Von hier haben wir nach dem Garten hinüber geschaut, aber es trennte uns von ihm eine unüberwindliche Grenze ; in meinem Geburtsjahre waren erst sieben Jahre seit dem Entscheidungskampf um die Vorherrschaft in Deutschland vergangen und begreiflicher Weise war uns damals der Name Bismarck verhaßt, denn Bismarck erschien uns als der Anstifter eines Bruderkrieges und die Preußen betrachteten wir als Usurpatoren, die uns durch Gewalt um unser historisches Recht gebracht hatten. In Schlesien herrschte damals das Osterreichertum liberalen Stils. Man war bedingungslos deutsch, aber auch voll Verehrung für das angestammte Haus Habsburg: Schwarz-Gelb durch und durch! Nur eine kleine Gruppe der Bevölkerung war preußenfreundlich ; besonders die Studenten, die auf endlos lange Ferien aus ihren Universitätsstädten kamen und die preußische Propaganda in die Reihen der Jugend trugen. Ihre Tätigkeit fand aber nicht viel Anklang, denn unser Kaiser Franz Joseph lebte in unserer Vorstellung als echter, wahrer Ritter wie weiland Kaiser Maximilian und galt uns als heilig. Diese Geistesrichtung wurde zu dieser Zeit sehr dadurch gefördert, daß die Minister, Statthalter und Landespräsidenten nicht Emissäre einer politischen Machtgruppe, sondern ausschließlich wirkliche Vertrauensmänner des Kaisers selbst, daher kultivierte, besonders aber vornehme Männer waren 2 . Die Verwaltung in Schlesien leitete damals der Landespräsident Frh. v. Summer 3 , ein Mann ohne Furcht und Tadel, vorbildlich in Wesen und Form. Leider hat sich diese Institution schon während meiner Gymnasialzeit zum Schlechten geändert. 1 Österreichisch-Schlesien hieß seit 1742 das Land der Böhmischen Krone, das nach dem Ersten Schlesischen Krieg und dann nach den beiden weiteren Kriegen beziehungsweise dem Siebenjährigen Krieg bei der k.k. Monarchie verblieb. Es setzte sich aus den Herzogtümern Troppau, Jägerndorf, Teschen und Bielitz zusammen. 2 Gemäß Gesetz vom 19. Mai 1868 standen an der Spitze der politischen Verwaltung in den einzelnen Ländern die Landeschefs, die in den größeren Kronländern Statthalter, in den kleineren Landespräsidenten hießen. 3 Alexander Ritter von Summer (Kolomea, 1820-26. 4. 1882, Troppau), 1870-1882 Landespräsident von Schlesien.

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Um Politik kümmerten wir uns nicht. Das Schlagwort, nach dem man uns bis zu unserm achtzehnten Jahr erzog, lautete: geistige Entwicklung und eisernes Pflichtgefühl. Dieses war absolut und indiskutabel, selbst wenn es sich um fast lächerliche grammatikalische Kleinigkeiten handelte. Lernen, arbeiten und gehorchen, das waren die Grundsätze, an denen unsere Gymnasialprofessoren streng festhielten. Sie konstruierten sich einen jungen Mann, wie er sein soll, und anders durfte niemand sein. Die Professoren waren Tyrannen, vor denen Schüler und Eltern zitterten. So erreichten sie es, daß von 150 Primanern nur 20 in die Oktava kamen; 130 wurden als nicht genügend begabt ausgeschieden. Diese strenge Siebung war natürlich für das Niveau der Universitäten sehr vorteilhaft, aber da die anderen Gymnasien diesen Maßstab nicht einhielten, war das Vorgehen des Troppauer 4 Staatsgymnasiums zwecklos grausam. Wem es dort zu streng war, der flüchtete nach Wien oder in kleine Provinzgymnasien oder in die vorzüglich geleiteten Internate (Theresianum, Kalksburg, Kremsmünster 5 ). Der Hauptgewinner war aber das tschechische Privatgymnasium in Troppau, wo sich der entgegengesetzte Vorgang wie bei uns abspielte. Kaum 20 junge Burschen waren dort in die Prima eingetreten und 150 verließen die Oktava. Jeder, der von uns hinüber ging, wurde mit offenen Armen aufgenommen, finanziell und geistig unterstützt, um einen möglichst großen Nachwuchs für die tschechischen Universitäten zu gewinnen. So hat das übertriebene Bestreben unserer Professoren nach strenger Zuchtwahl die Tschechisierung Schlesiens mehr gefordert, als es die slavenfreundlichste Gesetzgebung vermocht hätte. Nationaler Hochmut scheint immer blind zu sein. Es ist nur bedauerlich, daß ideale Motive so selten zum gewünschten Zweck führen. Ideologie und praktische Politik standen sich immer feindlich gegenüber, und so war es mein ganzes Leben lang. Die Tschechen waren Realisten, die Deutschen philosophische Schwärmer. Die Resultate blieben nicht aus: in meiner Kinderzeit existierte in Troppau das Tschechische als Verkehrssprache überhaupt nicht, es war nur Dienstboten- und Bauernsprache. Auf dem großen Eislaufplatz, der im Winter der Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens war, stand die Tafel : Tschechisch reden Verboten ! Und jetzt? 4 Troppau, heute Opava, Hauptstadt von Österreichisch-Schlesien. 5 Theresianum: die von Maria Theresia 1746 bzw. 1749 gegründete (Theresianische) Ritterakademie im ehemaligen kaiserlichen Lustschloss Favorita in Wien zur Heranbildung von Staatsbeamten, die zunächst von Jesuiten, dann von Piaristen geführt und später ein staatliches Gymnasium wurde, 1938 aufgelöst und 1957 als Internat wiedereröffnet. Kalksburg: das 1856 gegründete Gymnasium-Konvikt der Jesuiten, das „Oxford der alten Monarchie" (Franz Theodor Csokor) im südlichen Wienerwald. Kremsmünster: das Gymnasium des Benediktinerstifts Kremsmünster in Oberösterreich.

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Es kann nicht geleugnet werden, daß deutscher Hochmut arg ausartete. Der Herrenvolkgedanke wurde vom Liberalismus gehegt. Man sah mit Geringschätzung auf alle anderen Nationen, besonders auf die Russen, die uns als Asiaten mit der Knute und der Schnapsflasche dargestellt wurden, auf die Polen, die als degeneriert geschildert wurden, von den Balkanvölkern gar nicht zu reden, denn diese zählte man kaum zum Begriff Menschheit. Die Chinesen und „Japanesen" waren Gegenstand des Spottes, die Franzosen, Italiener und Spanier wurden als absterbende oder tote Völker behandelt. Die militärischen Siege von 1870/1 steigerten den nationalen Stolz zur nationalen Unduldsamkeit. Als Ausnahme galten nur die Griechen und Römer; man hätte glauben können, daß die Deutschen von ihnen abstammen, denn diese Völker wurden uns als ebenbürtig und geistig eng verwandt dargestellt. Den ersten Rang nahmen dabei die griechischen Philosophen ein ; diese traten uns auch deshalb geistig näher, weil wir ihre Werke nur in der deutschen Ubersetzung kennenlernten, also frei von den Qualen des grammatikalischen Fegefeuers, das uns die Schönheiten der andern Dichtungen verhüllte. Wenn man in einer Stunde nach einstündiger Vorbereitung 10 bis 20 Verse eines Epos liest, wird man das schönste Epos etwas lang und ermüdend finden. So haben wir aber die Ilias vorgesetzt bekommen. Die französische und englische Literatur blieben uns ganz verschlossen. Vom Drama Julius Cäsar6 abgesehen, kannten wir kaum die Titel der Werke Shakespeares und bei Moliere nicht einmal diese. Auf den Altären der lateinischen und griechischen Syntax wurde viel Zeit geopfert ! Der Unterricht in der Geschichte war ungenügend, der in Geographie unbrauchbar. Ich denke mit Lächeln daran, daß beide Gegenstände als ein Prüfungsgegenstand galten! Die Gemeinsamkeiten dieser Wissensgebiete 6 Siehe: William Shakespeare, Julius Caesar. In deutsche Sprache übertragen von Theodor v. Zeynek (Stifterbibliothek. Klassiker der Bühne 45), Salzburg 1953. In Zeyneks Vorbemerkung heißt es : „Ein herrliches Werk ! Höchst dramatisch im ersten Teil, dann im zweiten Teil abebbend, entsprechend der englischen Gefühlsart im Aufbau des Dramas. Die Volksszenen wunderbar gezeichnet, feiner als im Coriolan, und in der berühmten Leichenrede Marc Antons die psychologische Kunst auf ein noch nie dagewesenes und nie mehr erreichtes Maß gesteigert. Ihre Wirkung kann nicht analysiert und erklärt werden ; sie überkommt uns wie bei Michelangelos Tag und Nacht, wie bei der Venus von Milo, wie bei dem Apollo vom Belvedere als einmaliges Wunder, ewig neu und ewig stark. Die Reden, die Erwägungen des Brutus, an dessen Idealismus festgehalten wird, sind teils weltfremd und phantastisch, teils sophistisch, obwohl seine Absichten und Ziele edel und selbstlos sind. Die anderen Verschwörer, sowie die Verschwörung selbst, sind vergiftet durch kleinliche eitle, berechnende, schlaue Züge, durch Tücke und Neid, durch persönliche Machtgier. Caesars Handlungen und Worte, die wenigen, die er spricht, sind fest, einfach, fast naiv. So wird der Kampf der Vielen gegen den Einen nicht zu einer politischen, sondern zu einer menschlichen psychischen Angelegenheit von bleibender Bedeutung."

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bestanden darin, daß wir zahllose Namen lernen mußten, in der Geographie Ortsnamen und Flußnamen ohne eine Vorstellung von Größe, Bedeutung, politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Wichtigkeit eines Raumes, in der Geschichte wieder Ortsnamen und noch dazu Personennamen mit Jahreszahlen garniert. Ich übertreibe nicht, aber bei vielen Namen der Schlachten wußten wir nicht einmal, wo sich das Schlachtfeld befindet. Man hatte nach der Matura keine Ahnung von der staatlichen und gesellschaftlichen Struktur, keinen Begriff, wodurch Staaten und Völker großgeworden sind, worin ihre Kraft, ihr Reichtum lag und welche Energien für die kulturelle Entwicklung meißgebend sind. Man war für den Staat und für die menschliche Gesellschaft nach Erhalt des Reifezeugnisses unreif wie ein Säugling. Infolgedessen war es dem Zufall überlassen, wer von uns später einen Uberblick und Einblick in das Leben der Völker gewann. Politische Hetzer hatten ein freies Spiel gegenüber dieser Jugend. Extreme Elemente konnten da leicht Einfluß gewinnen, besonders auf den Hochschulen, aber auch in den bürgerlichen nichtakademischen Berufen. Das Gymnasium hat als politisches Instrument dem Staat gegenüber seine Aufgabe nicht erfüllt. Ich muß dem Gymnasium noch einen zweiten gewichtigen Vorwurf machen, nämlich die Vernachlässigung unserer physischen Ertüchtigung. Man war jedem Sport, als einer geistig minderwertigen Tätigkeit feindlich gesinnt. „Rücken gekrümmt und bebrillt", so sollte die Jugend in den Kampf ums Dasein treten. Trotzdem bewahre ich dem Gymnasium eine dankbare Erinnerung, und mir erscheinen auch jetzt noch einzelne Professoren als Muster ihres Berufes. Der Idealismus wurde uns zum Lebensprinzip, die Arbeitsfreudigkeit zur Selbstverständlichkeit und das Pflichtgefühl zum kategorischen Imperativ. In diesem Geist begegne ich mich mit meinen früheren Kollegen, deren treue Freundschaft mir jetzt noch immer wieder Freude bereitet. Mein Maturitätszeugnis vom Jahre 1891 weist fast nur „vorzüglich" aus, meiner Kritik am damaligen System liegt gewiß jedes persönliche Motiv fern. Ich muß auch feststellen, daß in meinen letzten Gymnasialjahren durch den Einfluß unseres Direktors Dr. I[gnaz] Wallentin7 eine wesentliche Besserung der engherzigen geistigen Tyrannei eintrat. Wallentin war ein eleganter, moderner Schulmann weltmännischer Form und bester Sachlichkeit.

7 Ignaz Gustav Wallentin (Wien, 1. 2. 1852-29. 5.1934 Baden bei Wien), 1874 Gymnasialprof. f. Mathematik und Physik in Brünn, 1879 in Wien, 1889 Direktor d. Obergymnasiums in Troppau, 1894 d. Franz-Josephs-Gymnasiums in Wien, 1902-1918 Landesschulinspektorf. Mittelschulen in Niederösterreich.

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II. Die Berufswahl Die Berufswahl wird meistens von dem Milieu, in dem wir leben, und von Zufälligkeiten entschieden, da man den Beruf, den man wählt, noch gar nicht kennt. Es besteht da eine Ähnlichkeit zwischen Beruf und Ehe. Da ich einer alten, angesehenen Staatsbeamtenfamilie entstammte und zur Naturforschung nicht veranlagt war, hatte ich eigentlich nur zwischen zwei Berufen zu wählen: Staatsbeamter oder Offizier? Der Landespräsident von Schlesien, Marquis Bacquehem8, hatte mich aufgefordert, in der Sexta in das Theresianum einzutreten ; ich hatte dieses gütige Anerbieten abgelehnt, denn ich wollte aus dem Elternhaus nicht vorzeitig weg, ich hatte auch vor der Juristerei nicht viel Hochachtung, weil mir die bei der Landesregierung eingeteilten Juristen nicht imponierten und weil ich immer das Sprichwort hörte: Wenn du zu nichts tauglich bist, werde ein Jurist. So gab ich den Gedanken an den Staatsbeamtenberuf auf, während mich viele Momente zur Armee drängten. Im Kriege seinen Mann zu stellen entsprach den antiken Idealen. Der Generalstab galt als erster Beruf im Staat, die Schwierigkeit der Prüfungen, um in ihn zu kommen, war legendär. Der beste Freund meines Vaters, Hubert Czibulka9, war damals als Oberst Generalstabschef in Prag; er kam mir infolge seines ruhigen, klaren, einfachen, bescheidenen Wesens als Vorbild eines wahren, tüchtigen Mannes vor. Mein bester Freund, Artur v. Zoglauer (der nachmalige Schriftsteller Auer-Waldborn)10, war der Sohn eines Obersten11. Der Kommandant des Troppauer Infanterieregiments Oberst R. v. Pino12 war Gegenstand allgemeiner Verehrung. So ließ ich mir den Lehrplan 8 Olivier Marquis Bacquehem (Troppau, 25. 8. 1847-22. 4. 1917, Wien), Verwaltungsjurist, 1882 Landespräs, von Schlesien, 1886 Handels-, 1893 Innenmin., 1895-1898 Statthalter der Steiermark; 1900 Senats-, 1906 Vize-, 1908-1917 Präs. des Verwaltungsgerichtshofes. 9 Hubert Frh.v. Czibulka (Boskowitz, Mähren, 16. 8. 1842-28. 2. 1914, Wien), Generalstabsoffizier, Brigadier, Divisionär, 31. 3. 1904 Kmdt. VIII. Korps u. Kdi. Gen. in Prag, Inhaber IR. 91, 27. 4. 1905 FZM, 1. 10. 1908 Kmdt. IV Korps und Kdi. Gen. in Budapest, 9. 9. 1909 Kapitänleutnant der 1. Arcieren-Leibgarde. 10 Artur Zoglauer (Wiener Neustadt, 18. 2. 1873-18. 12. 1920, Wien), 1894 Lt. DR. 2, 1. 11. 1898 Olt., 1. 5. 1900 zugeteilt Glstb., 1. 5. 1902 Rtm. DR. 6, 1. 4. 1911 Lehrer an der Korpsoffiziersschule Wien, 1. 11. 1913 Mjr., 1. 10. 1914 ins Präsidialbüro des KM, 20. 5. 1915 bei Armeegruppenkdo. Rohr, 1. 2. 1916 Obstlt., 14. 5. 1917 Kmdt. Landsturmbaon 11/26, 19. 10. 1917 ins Kriegspressequartier, 1. 2. 1920 Ruhestand, 16. 10. 1920 Titular-Obst. Zoglauer war unter dem Pseudonym Auer-Waldborn ein erfolgreicher Lustspieldichter. 11 Artur Zoglauer v. Waldborn (Mailand, 3. 5. 1840-26. 12. 1899, Wiener Neustadt), 1. 5. 1859 aus der Theres. Milak. zu IR. 25, bald Lehrer an Militärschulen, dann Landwehrbataillonskmdt., 1. 11. 1890 Obst., 1. 4. 1894 Ruhestand. 12 Arthur Georg Frh. (nicht Ritter) v. Pino (Stiebrowitz, Öst. Schlesien, 10. 1. 1843-29. 10. 1930, Teschen), 1861 als Lt. aus der Genieak. zu IR. 1, 1875 Hptm. i. Glstb., 1882 als Mjr. Leiter der ital. Gruppe im Landesbeschreibungsbüro des Glstb., 1884 Lehrer der Militärgeo-

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der Wiener Neustädter Militärakademie schicken und war überrascht über die Weite und Ausdehnung des Wissensstoffes, welcher zur Aufnahmeprüfung verlangt wurde. Die Akademiker, welche ich kennenlernte, gefielen mir durch ihr gesittetes Benehmen im Gegensatz zu den ungezügelten Manieren der Studenten. Meine Professoren rieten mir teils zu, teils ab. Es steckte in vielen von ihnen eine tiefe Eifersucht und Mißgunst gegenüber den Offizieren ; es spielte da die gesellschaftliche, bevorzugte Stellung der Offiziere eine bedeutende Rolle, auch hatten meine Professoren den einzigen Kontakt zu den Offizieren im Wirtshaus gefunden und da natürlich nicht die besten Elemente kennengelernt. Es trat damals schon die bedauerliche Erscheinung zutage, daß es in Österreich nicht gelungen war, zwischen Staatsbeamten und Offizierstum das richtige Verhältnis der Interessengemeinschaft herzustellen, ein Ubelstand, der sich im Weltkrieg sehr nachteilig fühlbar machte. Im Herbst 1891 hatte ich die Aufnahmsprüfung in die Militärakademie abzulegen. Während meine Kollegen die langen Ferien bis zum Beginn der Vorlesungen in voller Freiheit genossen, mußte ich sofort nach der Matura meine Geschichts- und Geographieunkenntnis durch intensives Studium bekämpfen und darstellende Geometrie neu lernen. Ich hatte nur drei Monate Zeit zur Vorbereitung. Der Abschluß der Gymnasialstudien bedeutete für mich auch den Abschied vom Elternhause. Es sind gewiß wenig Kinder so liebevoll und so sorgfältig erzogen worden wie meine Geschwister und ich. Spezifisch war bei uns die Pflege der klassischen Musik. Am meisten wurden damals Beethoven und Schumann kultiviert. Bach galt als veraltet, Mozart als zu spielerisch. Mein Väter selbst war ein glühender Beethovenverehrer, forschte auch, durch Konsul Thayer 13 angeregt, Beethovens Spuren in Troppau und Grätz 14 nach und setzte durch, daß ein großer Platz in Troppau Beethovenplatz benannt wurde; an dieser Stelle hatte Beethoven bei seiner berühmten Flucht aus Grätz die Stadt betreten. Besondere Anregungen verdankte ich dem ganz genialen, vom Erzherzog Eugen 15 voll gewürdigten Musiker Dr. Mestenhaugraphie an der Kriegsschule, 1894 Brigadier, 1896 GM und Rmdt. der Kriegsschule, 1900 Divisionär, 1902 Sektionschef im KM, 1905-1910 Kmdt. des X. Korps in Przemysl. 13 Alexander Wheelock Thayer (1817-1897), Beethovenforscher, 1865-1882 Konsul der USA in Triest. 14 In Schloß Grätz bei Troppau (heute Hradec u Opavy) des Fürsten Lichnowsky war 1806 und 1811 Ludwig van Beethoven zu Gast, 1828 wahrscheinlich Niccolo Paganini, 1846 und 1848 Franz Liszt. 15 Über Erzherzog Eugen (1863-1954) s. Glaise-Broucek I, 148, Anm. 24. Eugen war ab 23. 12. 1914 Kmdt. d. 5. Armee, 26. 5. 1915 GO und Kmdt. d. Südwestfront, seit März 1916 der Heeresgruppe Ehg. Eugen in Südtirol (23. 11. 1916 FM), seit März 1917 wieder der Heeresfront Ehg. Eugen. Er war musikalisch hoch begabt.

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ser16, der mir Beethovens Symphonien aus der Partitur vorspielte, wobei ich umblättern durfte. Das musikalische Leben wurde durch die drei in der Militärakademie verbrachten Jahre unterbrochen, denn dafür war keine Zeit verfügbar.

III. Die Militärakademie in Wiener Neustadt In den ersten Jahrgang der Militärakademie wurden 150 „Zöglinge" aufgenommen; zur Aufnahme hatten sich 450 gemeldet. Meine Prüfung stellte dem Troppauer Staatsgymnasium ein gutes Zeugnis aus, denn ich kam als „Erster" in die Akademie, und meine Leistung wurde im Ehrensaal der Akademie bei Verlautbarung der Prüfungsresultate besonders hervorgehoben. Ich lernte bald den Grund dieses Lobes begreifen, denn meine Kameraden stammten aus allen Gymnasien und Realschulen der Monarchie, und da mußte die intellektuelle Aufzucht, die in Troppau betrieben worden war, den Preis erhalten; ich konstatierte aber auch bald, daß die Ungarn, was Charakter und Selbstgefühl sowie die Kraft der Persönlichkeit und den Mut der Uberzeugung anbelangt, eine beneidenswerte traditionelle Pflege verrieten und daß der österreichische Hochadel uns Bürgerlichen in der Lebensanschauung und sozialen Kultur weit überlegen war. Selbstverständlich gab es auch Ausnahmen im entgegengesetzten Sinne. Bei den Ungarn bewunderte ich auch die Macht ihres fanatischen Patriotismus. Auf der einen Seite von mir saß im Lehrsaal ein Herr von Thorday17, der anfangs nur die Grundbegriffe der deutschen Sprache beherrschte, nach einem Jahr aber vollkommen deutsch sprach, während ich kaum einige ungarische Worte erlernt hatte. Auf meiner andern Seite saß der Herzog von Orleans, Graf d'Eu 18 . Ein Spiel des Zufalls fügte es, daß gleichzeitig auch der Prinz Jayme von Bourbon 19 Zögling der Akademie war, so daß die zwei 16 Eduard Mestenhauser (1838-1912), Stadtarzt in Troppau, Komponist und Musiker, 1874 Gründer der Troppauer Singakademie. 17 Stephan Thorday (Nagybánya, 21. 4. 1873-Jänner 1924, Budapest), 1894 Lt. HR. 1, 1. 11. 1908 Rtm., 1. 5. 1916 Mjr., 31. 10. 1917 zugeteilt dem IR. 33, 1. 8. 1918 Obstlt. u. Flügeladjutant des FM Hermann Kövess v. Kovessháza. 18 Emanuel Prinz ν. Bourbon-Orléans Herzog ν. Vendôme (Meran, 18. 1. 1872-1. 2. 1931, Cannes), 1894 Lt. DR. 5, 15. 10. 1897 in die Reserve, 1. 11. 1897 Oit., 1. 11. 1898 Rtm., 10. 4. 1911 Mjr., 28. 8. 1914 aus dem Heeresverband ausgeschieden. Er war Zeyneks Jahrgangskollege. 1893 trat auch Dom Pedro d'Alcantára, Prinz v. Bourbon-Orléans (Petropolis, 16. 10. 1875-29. 1. 1940, Petropolis), der Sohn des Grafen d'Eu, in die Theres. Milak. ein, Zeynek dürfte die beiden in der Erinnerung vermischt haben. 19 Jayme Prinz v. Bourbon (Vevey, 27. 6. 1870-3. 10. 1931, Paris) trat nach Absolvierung der Theres. Milak. in die russ. Armee ein (DR. 24), wo er bis zum Oberst aufstieg. Bereits vor dem 1. Weltkrieg außer Dienst gestellt, lebte er abwechselnd in Frohsdorf und Paris.

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Dynastien Frankreichs noch einmal in ihren Vertretern sich gegenüberstanden. Ich habe aus dieser Zeit meine Sympathie für die Bourbons übernommen, und als ich später die Geschichte des Regenten, Philipp von Orleans20, studierte, dann die Gestalt des Bürgers Egalité21 und die des Bürgerkönigs Louis Philippe22 an mir vorüberziehen ließ, gewannen diese Personen in lebhafter Erinnerung an ihren Nachkommen deutliche Plastik. Dieser Herzog von Orleans ist als österreichischer Offizier im Frieden gescheitert, während Prinz Jayme von Bourbon, ein ruhiger, ernster, bescheidener, würdevoller Mann, im Russisch-Japanischen Kriege auf dem Schlachtfeld fiel.23 Es war interessant, welchen Unterschied Kaiser Franz Joseph zwischen diesen beiden Prinzen machte; der Bourbon war fast jede Woche, der Orleans einmal im Jahr bei ihm eingeladen. Das weltgeschichtliche Rechtsgefühl in unserm Kaiser war vorbildlich. Zu Akademiekameraden hatte ich auch den Erzherzog Josef Ferdinand24 und Erzherzog Peter25, beide aus dem Hause Toscana, beide urdeutsch und urösterreichisch, das erstere besonders im Wesen, das letztere besonders im Benehmen und Fühlen. Erzherzog Josef Ferdinand war später im Weltkriege mein Armeekommandant, und nach dem Weltkriege lebte er in einer Villa am Mondsee, wo auch ich in der Villa Capri mein Refugium gefunden hatte. Dieser Erzherzog war in diesen 40 Jahren mir gegenüber immer gleichgeblieben, immer liebenswürdig, heiter, rein menschlich, warm soldatisch ; er hat mich stets durch sein Vertrauen ausgezeichnet und

20 Philippe v. Orléans (1674-1723) war zeitweise erfolgreicher Feldherr im Spanischen Erbfolgekrieg und wurde nach dem Tode Ludwigs XIV als Regent für den zweijährigen Ludwig XV eingesetzt. Philippe ließ diesen in seinem Todesjahr - am 15. 2. 1723 - krönen. 21 Louis Philippe Joseph v. Orléans Herzog v. Chartres (1747-6. 11. 1793, guillotiniert in Paris), Marineoffizier, seit 1789 Abgeordneter zu Ständeversammlung, Eintritt in den Jakobinerklub, legte sich den Namen Philippe Egalité zu und wurde Deputierter der Montagnards, 1793 stimmte er für den Tod Ludwigs XVI. 22 Louis Philippe, der „Bürgerkönig" (1772-1859), war der älteste Sohn Philippe Egalités, ebenfalls Herzog v. Chartres, hatte sich wie sein Vater der Revolution angeschlossen, ging 1793 in die Emigration, kehrte 1817 zurück. Er wurde zum Sammelpunkt der liberalen Partei und nahm am 9. 8. 1830 die Königswürde an. In der Revolution von 1848 abgesetzt, flüchtete er nach England. 23 Prinz Jayme diente zwar in der russischen Armee, fiel aber nicht in Ostasien, sondern starb erst 1931; vgl. Anm. 19. 24 Über Erzherzog Josef Ferdinand von Österreich-Toskana (1872-1942) vgl. Glaise-Broucek I, 126, Anm. 203. Er war ab 31. 7.1914 Kmdt. d. XIV Korps und G.d.I., 30. 9.1914 provisorisch u. 9. 11. 1915 definitiv Kmdt. d. 4. Armee, 26. 2. 1916 GO, 7. 6. 1916 des Kommandos enthoben, 6. 7. 1917 Inspektor der Luftstreitkräfte, 3. 9. 1918 enthoben. 1938 in das KZ Dachau gebracht, aufgrund einer Intervention von Hermann Göring nach kurzer Zeit freigelassen. 25 Über Erzherzog Peter Ferdinand (1874-1948) vgl. Glaise-Broucek I, 163, Anm. 82. 12. 2. 1914 Kmdt. 25. ID, 1. 5. 1915 FML, 9. 6. 1915 enthoben, 17. 4. 1917 G.d.I., 18. 4. 1917 Kmdt. des späteren V Korps.

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kannte nie einen andern Standpunkt als den kameradschaftlicher Aufrichtigkeit und ehrlicher Herzlichkeit. Der Erzherzog war mein „Burgherr" - 3. Jahrgänger -, ich sein „Benjamin" - erster Jahrgang. Die dominierende Persönlichkeit seines Jahrganges war der „Zögling" Alfred Frh. v. Waldstätten 26 , mit dem ich während meiner Generalstabslaufbahn im Frieden und im Krieg in rege Verbindung trat. Er war beim AOK Chef der Operationsabteilung, als ich Chef der Quartiermeisterabteilung war; so befanden wir uns auf den zwei wichtigsten Posten der Heeresleitung, als die größte Katastrophe der Weltgeschichte über Mitteleuropa hereinbrach. Als ich in späteren Jahren den lächerlichen Adelsstolz und Geldhochmut der Emporkömmlinge aus den Kreisen der Industrie, Finanz und Beamtenschaft kennenlernte, habe ich immer mit stiller Verehrung an den Geist der Militärakademie gedacht, in welcher für das gesamte Offizierskorps der Gedanke wahrer égalité und echter fraternité geschmiedet wurde, wie er sonst nirgends zu finden ist. Mit der libéralité sah es allerdings mager aus. Wir hatten, von den Sonn- und Feiertagen abgesehen, im ersten Jahrgang nur einmal monatlich „Ausgang", man durfte die Akademie nachmittags verlassen und mußte ca. 11 Uhr abends wieder zurückkommen. Im 3. Jahrgang steigerte sich diese Freiheit auf einmal Ausgang in jeder Woche ! Unsere Eltern waren mit dieser Maßnahme, die uns viel Geld ersparte, sehr zufrieden, und wir selbst empfanden diese Einschränkung der Freiheit nicht lästig, denn wir hatten den prachtvollen Akademiepark zu unserer Verfügung, waren unter uns allein sehr fröhlich, und überdies war unsere Zeit von zeitlich früh bis abends stundenweise derart für Arbeit und Erholung eingeteilt, daß es für unser Wohlbefinden und Gedeihen nicht besser sein konnte. Wir führten ein mäßiges, fleißiges und geordnetes Leben, pflegten den besten Verkehrston und gute Sitte, und trotz der brausenden Jugend von 19 bis 21 Jahren kam es nie zu Exzessen in irgendeiner Richtung. Täglich wurde eine Stunde geturnt, gefochten oder exerziert, fünf oder sechs Stunden war Unterricht, und um 9 Uhr abends wurde - müde - schlafen gegangen. Der Unterricht war sehr vielseitig; oft habe ich mich gefragt, zu welchem Zwecke ich im Pionierdienst Holzverbindungen, Weg-, Wasserbauten, sogar Hochbauten lerne, später sah ich ein, daß der Offizier in den Grenzgebieten auch als wirklicher Pionier tätig sein muß, und nach dem Krieg, als man sich vielfache Arbeiten selbst besorgen mußte, habe ich meine Kenntnisse 26 Über Alfred Frh. v. Waldstätten (1872-1952) vgl. Glaise-Broucek I, 172, Anm. 121. Er wurde 1892 aus der Theres. Milak. ausgemustert, stand bald dauernd in Glstbsverwendung, war seit 2. 3. 1917 Chef der OpA. des AOK, 17. 8. 1917 GM, 9. 1. 1918 Stellvertreter des Chefs d. Glstbs, 1. 1. 1919 pensioniert.

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oft verwerten können. Der Akademielehrplan fußte auf jahrhundertelangen Erfahrungen. Klarheit in den Vorstellungen und Begriffen, die Fähigkeit, mit offenem Auge zu sehen, zu beobachten, um dann Entschlüsse zu fassen, das waren Ziele, die dem Gymnasium sehr ferne lagen, hier aber bildeten sie einen Hauptteil der Schulung. Die Wechselwirkung von Raum und Zeit, überhaupt die wirkliche Welt, das war die neue Welt, die sich uns Gymnasiasten in der Militärakademie auftat. Höchst erfreulich war der mustergültige Unterricht in der Geographie und ganz erstklassig waren die geschichtlichen Vorträge des Generalstabshauptmanns Fath27 - später im Weltkrieg Kommandant eines Armeekorps - ; diese Vorträge waren Meisterwerke nach Form und Inhalt und sind mir unvergeßlich geblieben ; ich habe so hochwertige geistige Leistungen nicht mehr ex cathedra gehört. Fath hatte es sich zum Ziel gesetzt, uns die Bedeutung des Krieges für die Menschheit und das Wesen des Krieges vom Standpunkt eines Heerführers klarzulegen. So erweckte er in uns das Verständnis für den Zusammenhang von Wehrmacht und Völkerleben, und ich bedauerte nur, daß nicht die ganze akademische Jugend meiner Zeit diesen Vorträgen lauschen konnte ; das wäre wahrhaftig ein Gewinn für die Monarchie gewesen. Die überragende Stellung, welche sich Fath an der Akademie geschaffen hatte, teilten mit ihm die andern Generalstabsoffiziere, welche Taktik vortrugen, die Hauptleute Buschek28, Boroevic29 (der nachmalige Feldmarschall) und Johann Frh. v. Kirchbach30 (im Weltkrieg Kommandant eines Armee-

27 Über Heinrich Fath (1863-1929) vgl. Glaise-Broucek I, 211, Anm. 237. Er war ab 1. 8. 1914 Kmdt. des Brückenkopfes Wien, 21. 8. 1915 G.d.I., 8. 11. 1915 Kmdt. des Korps Fath (später XXIII. Korps), X/1916 enthoben. 28 Wilhelm Buschek (Kaaden, Böhmen, 16. 10. 1857-8. 2. 1915, Kaaden), 1879 ausgemustert aus der Theres. Milak., Glstbslaufbahn, 1. 11. 1894 Mjr.i.G. u. Glstbschef der Festung Krakau, 1. 5. 1897 Obstlt.i.G., 1. 11. 1900 Obst, im IR. 23, 1902 Rgtskmdt., 21. 10. 1906 Kmdt. Armee-Schieß-Schule, 1. 11. 1906 GM, Divisionär, 18. 12. 1911 Sektionschef im KM, 13. 12. 1912 beurlaubt. 29 Über Svetozar Boroevic de Bojna (1856-1920) vgl. Glaise-Broucek I, 168, Anm. 108. Er war ab 6. 10. 1914 Kmdt. d. 3. Armee an der russischen Front, dann ab 22. 5. 1915 Kmdt. d. 5. Armee bzw. der seinen Namen tragenden Heeresgruppe am Isonzo bzw. an der Piave bis Kriegsende, 1. 2. 1918 FM. 30 Johann Frh. Kirchbach auf Lauterbach (Kronstadt, Siebenbürgen, 7. 9. 1858-3. 10. 1920, Wien), 1879 aus der Theres. Milak. als Lt. zu FJB. 10, ab 1885 Glstbslaufbahn, 1. 11. 1900 Obst.i.G., 1. 5.1907 GM, 4. 12. 1908 Kmdt. 55. IBrig., 18. 1. 1910 Kmdt. der 8. ITD in Bozen, 1. 5. 1911 FML, führte die Division in den Schlachten bei Krasnik und Lemberg 1914, 24. 9. 1914 Kmdt. des II. (Wiener) Korps (Kämpfe bei Sokal), 1. 8. 1915 G.d.I., 6. 9. 1915 Militärkmdt. von Wien, 3. 5. 1916 Geh. Rat, 29. 6. 1917 beurlaubt, 1. 1. 1919 Ruhestand.

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korps). Das Ziel der Erziehung war die Fähigkeit schneller und eindeutiger Entschlußfassung, vielleicht manchmal auf Kosten der kritischen Überlegung. Ich habe oft als Wesensunterschied zwischen mir und den auf zivilen Hochschulen ausgebildeten Männern festgestellt, daß es mir nahelag, im gegebenen Fall mich zuerst zu fragen, welchen Entschluß ich fassen würde, während sie mit Vorliebe die von andern gefaßten Entschlüsse kritisierten und es möglichst vermieden, durch einen Entschluß sich der Kritik auszusetzen. Es entwickelte sich eben bei uns das Dogma, man könne durch Entschlußfähigkeit und Willensstärke alle Schwierigkeiten überwinden. Dieser Gedankengang mußte natürlich vom spekulativen Denken entfernen, und tatsächlich nistete sich in den jugendlichen Gehirnen eine gewisse Geringschätzung der theoretisierenden Philosophie ein. Je nach der Veranlagung bildeten sich überhaupt in der Akademie zwei Gruppen ; die eine betrachtete die Akademie als Vorstufe zur Kriegsschule, strebte also die Generalstabslaufbahn an; die andere erwartete mit Ungeduld den Tag der „Ausmusterung", um mit dem Studium Schluß machen zu können und im Truppendienst ein einfaches, problemloses, aber gesundes Leben zu führen. Die letztere Gruppe war natürlich die weitaus stärkere. Ich konnte mit meinen Erfolgen sehr zufrieden sein, denn ich bekam schon am Ende des ersten Jahres die sogenannte „dreifache Auszeichnung", die nur den drei ersten zuerkannt wurde, und ich verließ die Akademie als „Klassenerster". Die Akademie hat ihrer Bestimmung, tüchtige Offiziere und brave Männer heranzubilden, im schönsten Sinne entsprochen. Die Akademiker waren der Kern des österreichischen Offizierskorps und zahllose meiner Kameraden haben das Motto „Treu bis in den Tod" im Krieg in ergreifender Weise befolgt. Die patriotische Gesinnung der Akademiekameraden hat auch den Zusammenbruch überdauert, und der „theresianische" Geist lebt weiter, unzertrennlich von der alten Babenbergerburg in Wiener Neustadt.

IV Der Truppendienst An Kaisers Geburtstag, am 18. August 1894, fand meine „Ausmusterung" statt. Nach den sozialen Anschauungen im Freundeskreis hätte ich zur Kavallerie gehen sollen, ich vertauschte aber die schmucke Uniform des Akademikers mit der äußerst schlichten Uniform eines Infanterieleutnants : blauer Waffenrock, blaue Hose, noch dazu blaue Aufschläge des Infanterieregiments Erzherzog Carl Nr. 3. Das Kleid war nicht sehr schön; meine Kameraden, welche Dragoner, Husaren oder Ulanen wurden, waren besser dran. Trotzdem hatte ich mein Recht als Klassenerster geltend machen müssen, um

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gerade zu diesem Regiment eingeteilt zu werden, bei dem mir der Sohn eines hohen Generals den Platz streitig machte ; es mußte schließlich, da ich nicht nachgab, die Entscheidung Seiner Majestät eingeholt werden, der verfügte, daß ausnahmsweise zwei Akademiker desselben Jahrganges zu diesem Regiment kommen dürften. Die Beamten meines Vaters, der damals Hofrat im Unterrichtsministerium in Wien war, konnten nicht begreifen, daß ich zu einem so einfachen Regiment statt zu einem „vornehmen" Dragonerregiment mich einteilen ließ, ich wollte aber bei der Hauptwaffe, bei der schlachtenentscheidenden Waffe, der Infanterie, dienen, weiters aus vielfachen Gründen in Wien einige Jahre verbringen. Und endlich last, not least lockte mich besonders die Persönlichkeit des Regimentskommandanten Oberst v. Mras31. Das war ein Mann! Das war ein Soldat! Stolz und selbstbewußt gegen seine Vorgesetzten, streng, aber wirklich väterlich gegen seine Untergebenen, ein Meister in der Technik des militärischen Dienstes, geschult durch die Kriegsschule und durch den Krieg in Bosnien, dabei hochstehend durch seine geschichtliche und literarische Bildung. Viele Abende verbrachte ich mit ihm in Gesprächen über Thomas Buckles Geschichte der Zivilisation der Menschheit32, und fortlaufend mußte ich ihm über meine Eindrücke von Macaulays Geschichte Englands33 berichten. Wie imponierte mir dieser Oberst Mras, wenn er das Regiment seinem höchsten Vorgesetzten, dem Korpskommandanten Graf Üxküll-Gyllenband34, vorführte, seiner Sache sicher, immer bereit, jeden von uns in Schutz zu nehmen, wenn man seine Pflicht erfüllt hatte. Ein Mann ohne Furcht und Tadel. Uxküll liebte ihn auch, und manches Mal fuhr er nach einer Inspizierung mit ihm und ein paar von uns Offizieren in der Elektrischen aus dem Prater zur Alserkaserne, um eine halbe Stunde privat mit ihm und uns zu plaudern. Folgende Skizze wirft ein Streiflicht auf beide Männer : Besichtigung des Regiments durch den Korpskommandanten im Prater auf 8 Uhr angesagt ; während Mras die Aufstellung des Regiments noch überprüft, kommt Uxküll 31 Ambros R. v. Mras (Schattau, Bezirk Znaim, Mähren, 7. 12. 1844-?), Realschüler, diente ab 1861 als Gemeiner im FJB. 13, Absolvent der Bataillonskadettenschule, 1865 Lt., 1. 5. 1884 übernommen ins Glstbskorps, 1. 5. 1891 Obst, im IR. 3, 1892 Rgtskmdt., 16. 12. 1896 Kmdt. 1. LwIBrig. in Prag, 1. 5. 1897 GM, 11. 4. 1901 Kmdt. 12. LwITD Prag, 1. 5. 1901 FML. 32 Henry Thomas Buckle (1822-1862). Zeynek dürfte dessen Hauptwerk meinen: History of Civilization in England, London 1857-1861, erste deutsche Ausgabe 1860-1862. 33 Thomas Babington Macaulay (1800-1859). Sein Hauptwerk: History of England from the Accession of James II, London 1848-1861, erste deutsche Ausgabe 1849-1861. 34 Alexander Graf von Üxküll-Gyllenband (Potsdam, 2. 10. 1836-13. 7. 1915, Budapest), Kavallerieoffizier, Brigadier, Divisionär in Wien und Lemberg, Korpskmdt. in Kaschau und Krakau, 14. 9. 1894 Kmdt. d. II. (Wiener) Korps u. Kdi. Gen. in Wien, 1. 5. 1895 G.d.K., 1. 11. 1905 Generaltruppeninspektor, Kmdt. des IV (Budapester) Korps u. Kdi. Gen. in Budapest, 1. 11. 1908 pensioniert, 5. 1. 1909 Kapitän der Leibgarde-Reiter-Eskadron.

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schon herangaloppiert; Mras zieht den Säbel und meldet: „Exzellenz, ich melde gehorsamst, es ist fünf Minuten vor acht Uhr." Uxküll ritt lachend ab, kam fünf Minuten später wieder. Das Leben spielte sich wunderbar gerade und einfach ab. Wir kannten keinen Luxus, keinen Neid, keinen Hochmut. Mein Urteil über Mras wurde von allen, die ihn kannten, geteilt. Höchste Ehre seinem Andenken ! Mein Eintritt in das altberühmte Infanterie-Regiment Nr. 3 brachte mich auch in Beziehung zum damaligen Oberleutnant Josef Metzger35 des Regiments, der gerade die Kriegsschule absolviert hatte und der Stolz des Regiments war. Unsere Beziehungen entwickelten sich im Laufe von drei Jahrzehnten immer weiter, tiefer und herzlicher, so daß ich zu ihm schließlich wie zu einem älteren Bruder stand. Metzger war im Weltkrieg der Stellvertreter und vertrauteste Freund des Feldmarschalls Conrad36 und vor dem Krieg als Chef des Operationsbüros mein Vorgesetzter. Bei meinem Truppendienst in Wien habe ich für den Krieg wenig, fast nichts, gelernt. Die taktische Ausbildung mußte ganz vor dem Drill für die Paraden zurücktreten; diese und die Übungen auf dem Exerzierplatz waren für die Beurteilung maßgebend. Im Frühjahr fand allerdings vor Seiner Majestät eine Gefechtsübung im Prater statt, doch dies war eine unwürdige Komödie, bei der alle Rollen verteilt und im vorhinein eingeübt waren. Die Meldungen waren im vorhinein geschrieben, jede Patrouille, jeder Kommandant kannte den Platz, den er im Terrain einzunehmen hatte, und beinahe jeder Infanterist wußte schon vorher, was er zu tun habe. Von Disziplin und Ordnung abgesehen wurde keine der im Krieg entscheidenden Eigenschaften geprüft, und weder ihr Vorhandensein noch ihr Mangel kam irgendwie zum Ausdruck oder zur Geltung, hingegen war für soldatische Pose, für ein blendendes, elegantes Auftreten, für den Schein und Bluff ein weites Feld frei. Es wurde „Soldaten gespielt". Ich habe es begriffen, wenn nach dem Weltkrieg, vor Präsidenten der Republiken, welche Dilettanten waren, und vor Chefs der Armeen, welche Politiker waren, solche Gaukelspiele im Kleinen und Großen aufgeführt wurden, daß aber unser Kaiser, der den Krieg 1848 und 35 Josef Metzger (Brzezany, Galizien, 19. 1. 1870-28. 7. 1921, Ollersbach, NÖ), 1888 aus der Theres. Milak. ausgemustert, Glstbslaufbahn, ab 1896 nur von Truppendienstleistungen unterbrochen im OpB. d. Glstbs., 1910 Chef des Büros, 1915 GM, 1916 FML, 1917 enthoben und Kmdt. der 1. ID. Er erhielt für seine Leistung in der 12. Isonzoschlacht das Ritterkreuz des MMTO. 36 Über Franz Graf Conrad v. Hötzendorf (1852-1975) vgl. Glaise-Broucek I, 84, Anm. 72. Conrad war 1906-1911 und 1912-1917 Chef d. Glstbs der Gesamten Bewaffneten Macht, dann Kmdt. der nach ihm benannten Heeresgruppe in Tirol 1917-1918. Das neueste Werk über ihn ist: Lawrence Sondhaus, Franz Conrad von Hötzendorf. Architekt der Apokalypse, Wien-Graz 2003.

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1849 persönlich mitgemacht hatte, eine solche Farce duldete, noch dazu im Beisein aller ausländischen Militärattaches, das habe ich, 1894 bis 1896 als Leutnant, nicht begriffen. Wie konnte der Chef des Generalstabes Feldzeugmeister Frh. v. Beck37 dies gestatten? Wie weit war diese Auffassung von dem Verantwortlichkeitsgefühl entfernt, das etwa zehn Jahre später den General Conrad zur kriegsmäßigen Ausbildung aller Waffen und zu den freizügigen Manövern drängte ! Vielleicht dachte man an leitender Stelle im Jahre 1894, daß ein Krieg ausgeschlossen und die Wehrmacht nur zur Erhaltung der Ordnung im Innern bestimmt sei; vielleicht dachte man überhaupt etwas zu wenig? In Hofkreisen scheint man scharfem Denken nicht sympathisch gegenübergestanden zu sein. In der Verwendung des Militärs zur Erhaltung der Ordnung im Innern war man freigebig. Monatelang waren wir jeden Sonntag konsigniert, um gegen die damaligen sozialdemokratischen Unruhen einzuschreiten, allerdings kam es nie dazu. Unser normaler Dienst dauerte von 7 bis 11 Uhr vormittags und von 2 bis 5 Uhr nachmittags. Es war Exerzierplatzdrill und einfacher Unterricht. Meine Rekruten haben mir viel Freude bereitet, denn es waren prächtige Einjährig-Freiwillige, die wir aus dem großen Wiener Kontingent uns aussuchen konnten. Zwei Jahre lang war ich ihr Instruktionsoffizier, also von früh bis abends mit ihnen beisammen. Ihre Anhänglichkeit hat den Weltkrieg überdauert; noch nach 40 Jahren luden sie mich zu einer Jubiläumsfeier ein, zu der 25 von den 50 einstigen Freiwilligen erschienen. Unser Korpskommandant, Graf Uxküll, Grandseigneur durch und durch, war mir sehr gewogen und zeichnete mich bei jeder Gelegenheit aus. Als ich einmal in dichtem Menschengedränge über die Augartenbrücke ging, fuhr er in seiner Equipage vorüber; wie er mich sah, ließ er halten, zum allgemeinen Aufsehen der Volksmenge, winkte mir, um mir die Hand zu reichen. Ich war ein ganz unbekannter Leutnant, er Kommandierender General von Wien und Vertrauensmann des Kaisers. Unter meinen Freiwilligen befand sich auch ein Absolvent der Wr. Kunstakademie, Hans Larwin38, der nachmalige berühmte Maler. Oberst Mras, dem die Begabung Larwins aufgefallen war, ließ durch ihn ein Bild des Kaisers für das Regiment malen. Zur Enthüllung wurde unser Divisionär, Erzherzog Eugen, eingeladen. Als er das Bild sah, ging er auf den „Titular-Korporal" Larwin zu und sagte ihm: „Auch einer von Gottes Gnaden!" Daraufhin wurde der Korporal beim Festmahl neben Seine kaiserliche Hoheit gesetzt. Ich 37 Friedrich Graf von Beck-Rzikowsky (1830-1920) war Conrads Vorgänger als Chef d. Glstbs von 1881 bis 1906. Über ihn vgl. Glaise-Broucek I, 76, Anm. 49. 38 Johann Larwin (Wien, 6. 12. 1873-18. 11. 1938, Wien), Absolvent der Wiener Kunstakademie, Schöpfer von Genrebildern und Wienansichten, 1922/1923 in Amerika.

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führe dieses kleine Erlebnis an, weil es zur Charakterisierung österreichischen Geistes kennzeichnend ist. Ständig besuchte ich, solange ich in Wien in Garnison war, die philharmonischen Konzerte, die damals unter der Leitung Hans Richters 39 einen Höhepunkt in der Leistung und in der Beliebtheit beim Publikum erreichten. Eine besondere Sensation war die Erstaufführung der Fledermaus in der Hofoper. Da stellten wir uns um 4 Uhr nachm. an und eroberten dann um 7 Uhr in wildem Kampf den Zugang zur Kassa. Die Aufführung war hinreißend. Im Mai 1896 kam mein Regiment nach Brünn ; dort lebte ich ganz zurückgezogen, fleißigst für die Aufnahmsprüfung in die Kriegsschule studierend. Die schriftliche Vorprüfung aus Mathematik, Geographie, Pionierdienst und andern Weisheiten legte ich in Brünn ab und erfuhr bald, daß ich zur Hauptprüfung einberufen sei. Zur Vorprüfung hatten sich 300 Bewerber gemeldet, zur Hauptprüfung kamen davon nur 150. In Brünn verlor ich meinen so hoch verehrten Regimentskommandanten Oberst v. Mras, der das Kommando einer Brigade übernahm. Mras, Pino und Conrad v. Hötzendorf, das war das Dreigestirn, dessen Glanz unvergänglich in meinem Herzen leuchtet. Eine sehr interessante Persönlichkeit war übrigens mein neuer Divisionär in Brünn, Feldmarschalleutnant Succovaty40. Er war wegen seiner Strenge gefürchtet ; mich inspizierte er bei einem Vortrage in der Einjährig-Freiwilligen-Schule und war derart zufrieden, daß er als Zeichen seiner Anerkennung mich bis zu meiner Wohnung zu Fuß begleitete. Succovaty war das Gegenteil eines modernen Opportunisten. Als Divisionär in Brünn ließ er das tschechische Nationalhaus auf die Liste der für uns verbotenen Gasthäuser setzen, weil das Publikum beim Spielen der Volkshymne demonstrativ sitzen geblieben war. Ein Jahr später trat er als Korpskommandant in Graz mit aller Schärfe der Teilnahme von Offizieren an den alldeutschen Exzessen der dortigen Studentenschaft entgegen. Nationale, antiösterreichische Demonstrationen gab es fast überall, aber das Gros der Bevölkerung war schwarz-gelb gesinnt, nur hörte man natürlich nicht die Ruhigen, sondern immer nur die Schreier. Succovaty war der Typus ruhiger österreichischer Festigkeit. Im Sommer 1897 endete mein erster Truppendienst. Die rückständige Anlage der Übungen und die rein mechanische Ausbildung der Mannschaft ließ in mir ein Gefühl des Mißbehagens zurück, denn ich hatte damals schon das 39 Hans Richter (1843-1916), 1875-1900 Kapellmeister an d. Hofoper und Dirigent d. philharmon. Konzerte. 40 Über Eduard Frh. Succovaty von Vezza (1839-1919) vgl. Glaise-Broucek I, 202, Anm. 216. Succovaty war 1897-1907 als FZM Kmdt. des III. Korps und Kdi. Gen. in Graz.

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D a s L e b e n e i n e s österreichischen Generalstabsoffiziers

grundlegende Werk Conrads, das er in seiner wunderbaren Bescheidenheit „Taktik-Notizen" genannt hatte 41 , gründlich durchstudiert und begeistert in mich aufgenommen. In diesem Werk bekämpfte Conrad den formellen Exerzierplatzdrill und verlangte die Erziehung des einzelnen Soldaten zum selbsttätigen, denkenden Kämpfer; die militärische Dienstzeit sollte nur für die Ausbildung zum Gefecht verwertet werden. Dieses Buch wurde zuerst verlacht, dann leidenschaftlich bekämpft, trat aber bald seinen Siegeszug über ganz Europa an. „F.C.v.H." - so hatte er das Werk gezeichnet -, wurde der militärische Lehrmeister der meisten Armeen. Mein Truppendienst stand mit den Anschauungen Conrads noch in krassem Widerspruch. Was wir übten, war für den Laien schön zum Ansehen, aber an den Krieg durfte man dabei nicht denken. Ich dachte aber an ihn ...

V Die Kriegsschule Im Herbst 1897 wurde ich in die Kriegsschule in Wien aufgenommen. Mein Bildungsgang hat mich dazu prädestiniert. Das Gymnasium hatte eine humanistisch-theoretische Grundlage von Idealismus, Pflichtgefühl und Arbeitsfreudigkeit gelegt, die Militärakademie hatte durch Pflege des Körpers, Bildung des Charakters, Erziehung zur Entschlußfähigkeit und Weckung des gesunden Hausverstandes die Lücken der gymnasialen Einseitigkeit ausgefüllt, und der Truppendienst hatte mir endlich Gelegenheit geboten, mit dem Volk in Berührung zu treten und nicht nur mit dem deutschen, sondern auch mit dem tschechischen Volk. Da der Verkehr mit der Mannschaft grundsätzlich in ihrer Muttersprache stattfand und nur die reglementarisierte Befehlsgebung deutsch erfolgte, lernte ich die braven Hanaken 42 kennen, und das üppige Grün meines nationalen Hochmuts fiel wie dürres Laub vom Baum ; ich erkannte, daß der Wert des einzelnen Menschen nicht nach politischen Schlagworten klassifiziert werden kann und daß diese großenteils irreführend sind. So in meiner Weltanschauung geläutert trat ich mit 24 Jahren an das Spezialstudium der militärischen Wissenschaften heran. Die Aufnahmsprüfung war von entscheidender Bedeutung ; von 150 Bewerbern wurden 80 aufgenommen ; wer zurückgewiesen wurde, blieb sein Leben lang auf den normalen Truppendienst beschränkt und lernte nie die Zusammenhänge, nie die Leitung größerer Verbände kennen. Die Aufnahmsprüfung war außerordentlich schwierig; sie dauerte eine Woche lang, jeden Tag gab 41 Zum Studium der Taktik, Wien 1891, 2. Aufl. 1892. Conrad verfasste mehrere weitere Publikationen, die sich mit Taktik beschäftigen (siehe Sondhaus, Franz Conrad von Hötzendorf). 42 Bewohner der Hanna, tschechisch Haná, die mährische Tiefebene bei Olmütz.

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es eine vielstündige schriftliche Arbeit und endlich, am letzten Tag, die gefürchtete mündliche Prüfung, zu der man vor einem Areopag von etwa zwölf Kriegsschullehrern unter dem Vorsitz des Kommandanten der Kriegsschule erscheinen mußte. Es bleibt mir unvergeßlich, wie ich aus Kriegsgeschichte geprüft wurde. Ich hatte den Feldzug Radetzkys in Italien 1848 aufgrund einer von mir auf der Tafel zu zeichnenden Skizze zu besprechen. Bei einem wichtigen Ereignis unterbrach mich der Strategieprofessor Oberstleutnant Madlé43 - später General der Infanterie Frh. v. Madlé - durch eine Korrektur meiner Angaben. Ich antwortete, meine Behauptung sei richtig. Allgemeine Überraschung! Der Kriegsschulkommandant, Feldmarschalleutnant v. Pino, ließ sich Karten und Behelfe bringen und erklärte schließlich, der Herr Leutnant habe recht. Nun hatte ich gewonnenes Spiel, meine Prüfung dauerte kürzer als die der andern Kameraden, und man schenkte mir besondere Aufmerksamkeit. (Als ein Cousin von mir, der im Verlaufe der Prüfung zum Rücktritt aufgefordert wurde, sich durch Berufung auf unser Verwandtschaftsverhältnis retten wollte, sagte ihm Pino: „Schön, daß Sie mit Zeynek verwandt sind, aber Ihr Cousin ist ein anderer Kampel.") Es wurde bei der Aufnahmsprüfung mit absoluter Gerechtigkeit vorgegangen, nicht einmal die Wünsche Seiner Majestät waren ausschlaggebend. Ich erinnere mich, daß Rittmeister Prinz Hohenlohe44, ein Neffe des Königs von Rumänien, als Attaché nach Bukarest kommen sollte, aber trotz des ausdrücklichen Wunsches Seiner Majestät von Pino auf Grund der Prüfung abgelehnt wurde. Pino hatte überhaupt ein festes Rückgrat. Als bei einem Hoffest der Oberleutnant Otto Prinz Windischgrätz45 im Cortège des Kaisers gehend ihn nicht grüßte, hielt er den ganzen Zug auf und stellte ihn zur Rede. Ebenso energisch sorgte er für Schutz und Anerkennung wirklicher Leistungen; er schützte uns auch vor der Willkür und Tyrannei einzelner hochmütiger Professoren. Ich hatte die Aufnahmsprüfung als erster bestanden. Nun begann eine der schwersten Arbeiten meines Lebens. Die Kriegsschule stellte an ihre Absolventen die höchsten Forderungen, die man sich denken kann. Zwei Jahre des Lebens mußten vollkommen geopfert werden, denn die Größe des 43 Ottomar Madlé ν. Lenzbrugg (Troppau, 7. 1. 1858-29. 12. 1945, Wien), 1879 ausgemustert aus Theres. Milak., Glstbslaufbahn, 1. 5. 1900 Obst.i.G. und zugeteilt dem IR. 9, 20. 4. 1901 übersetzt zur Landwehr u. Kmdt. 25. LwIBrig., 1. 11.1906 GM, 16. 4.1910 Kmdt. 25. LwITD, 7. 5. 1913 enthoben auf eigenes Ansuchen, 15. 12. 1913 beurlaubt mit Wartegebühr, 10. 8. 1917 G.d.I. mit Titel u. Charakter, 1. 1. 1919 pensioniert. 44 Es dürfte sich um Gottfried Prinz zu Hohenlohe-Schillingsfürst (1867-1932) gehandelt haben. Siehe Glaise-Broucek I, 252, Anm. 400. Er war jedoch kein Neffe von König Carol I. von Rumänien, der aus dem Haus Hohenzollern-Sigmaringen stammte. 45 Otto Prinz v. Windisch-Graetz (1873-1852) war Gatte von Erzherzogin Elisabeth, der Enkelin Kaiser Franz Josephs. Vgl. Glaise-Broucek I, 200.

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Stoffes war erdrückend. Die Kriegsschule wurde daher mit Recht später auf drei Jahre erweitert. Wir arbeiteten von früh bis in die Nacht und kannten nicht den Begriff freie Zeit und Ferien. Taktik, Strategie, operativer Generalstabsdienst, Organisation aller europäischen Armeen, Fortifikation, Militärgeographie aller in Betracht kommenden Kriegsschauplätze, daneben Staatsrecht, Völkerrecht, kulturgeschichtliche und naturwissenschaftliche Vorträge, französische und russische Sprache, man war in den ersten Wochen von der Fülle des Neuen und Unbekannten wie betäubt. Der Unterricht war größtenteils erstklassig, das geistige Niveau geradezu glänzend. So viel Begabung, so ernstes Streben, so hingebungsvolle Arbeit wird man wohl auf der Welt selten wieder finden. Wir pflegten dabei sehr gute Kameradschaft. Ich weiß, daß alle Kameraden den führenden Persönlichkeiten unserer Klasse, den Oberleutnants v. Paie46, Ziller47, Slameczka48, v. Körner49, Christophori50 und mir ein Verdienst hierbei nicht aberkannt haben. Den Schluß des ersten Jahres bildete die sogenannte Mappierung, die Aufnahme eines Stück Landes. Diese sechs Wochen verbrachte ich in einer Übungsgruppe mit Slameczka und Hussarek51 bei Feldkirchen in Kärnten. Ich war auf einem verlassenen Dietrichstein'schen Schloß, allein mit einem Diener und Handlanger, ohne genießbare Verpflegung, von Tagesanbruch bis nach 46 Über Josef R. v. Paie (1867-1933) vgl. Glaise-Broucek I, 371, Anm. 291. Obst.i.G. Paie war 1915 Glstbschef d. 4. Armee, 1. 1. 1916 Vertreter des A O K beim dt. General-Gouverneur in Warschau, 1. 11. 1917 GM, 17. 12. 1917 Glstbschef des Generalinspektors der Luftstreitkräfte, 14. 9. 1918 Chef der Präsidialabt. des AOK, 1. 1. 1919 Ruhestand. Er war wie Zeynek nach 1918 militärhistoriographisch tätig. 47 Karl Ziller (Atzgersdorf, NÖ, 23. 7. 1871-29. 7. 1966, Wien), aktivierter Reserveoffizier, Glstbslaufbahn, 1909-1914 im OpB. bzw. im Etappenbüro d. Glstbs eingeteilt, 1. 11. 1910 Mjr.i.G., ab 26. 7. 1914 im Etappenoberkommando, 21. 12. 1915-4. 2. 1916 Glstbschef XVIII. Korps, ab 10. 2. 1916 Oberquartiermeister d. 11. Armee, dann 3. Armee, 15. 9. 1917 Artilleriebrigadier der Gruppe Etschtal, ab X/1917 Kmdt. von Feldartilleriebrigaden. 48 Über Oskar Slameczka (1874-1944) vgl. Glaise-Broucek I, 322, Anm. 343. Er war 1907-1917 im OpB. d. Glstbs, 1. 9. 1915 Obst.i.G., 23. 6. 1917 Kmdt. IR. 73. 49 Über Theodor Körner v. Siegringen (1873-1957), den späteren Bürgermeister von Wien und Bundespräsidenten der Republik Österreich, vgl. Glaise-Broucek I, 259, Anm. 434. Er war als Obst.i.G. ab 12. 9. 1917 Glstbschef der (1.) Isonzoarmee, 1919 Amtsleiter im Staatsamt für Heerwesen bzw. dann Leiter der Sektion I im BM.f. Heerwesen, 1. 7. 1923 Heeresinspektor, 18. 1. 1924 General, 1. 2. 1924 pensioniert. 50 Über Karl Christophori (1873-1919) vgl. Glaise-Broucek I, 322, Anm. 141. Er war als Mjr. bzw. Obstlt. i.G. 1910-1917 Russland-Referent im OpB. d. Glstbs. 51 Franz R. Hussarek v. Heinlein (Lemberg, 26. 11. 1873-12. 12. 1945, Wien), 1894 aus der Techn. Milak. als Lt. zum Divisionsartrgt. 4, Generalstäbler, Lehrer der Taktik, des Heerwesens und der Kriegsgeschichte an der Artilleriekadettenschule Traiskirchen, 1. 9. 1915 Obst.i.G., im Weltkrieg seit 1. 4. 1915 Glstbschef Festungskdo Sarajewo, ab 15. 12. 1915 Kriegshafenkdo Castelnuovo, dann Kmdt. von Feldartrgtern bzw. Feldartilleriebrigaden an der Isonzofront bzw. an der Piave.

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Sonnenuntergang schwer physisch arbeitend. Slameczka, der die Nachbarsektion aufnahm, war in einem Bahnwächterhaus untergebracht, wo für ihn gekocht wurde. Um mich zu erholen, ging ich abends mit der Laterne ohne Weg den 300 m hohen Hang von meinem Schloß zu seinem Bahnwächterhaus, ließ mich atzen und kroch dann wieder auf meine ungastliche Höhe hinauf. Als Pino mich nach sechs Wochen inspizierte, war er wohl mit meiner Arbeit, aber nicht mit meinem Aussehen zufrieden und teilte mich fürsorglich sofort bei der Zentrale in Feldkirchen ein, wo ich mich rasch erholte. Den Schluß des zweiten Jahres bildete die sogenannte Übungsreise. Diese führte die Gruppe, in der ich eingeteilt war, von Nagy-Kanizsa zu Fuß bis nach Mostar. Jeder Tag dieser vier Wochen dauernden Reise war eine tagelange Prüfung. Mein Übungsleiter war der hoch zu verehrende Generalstabsmajor Králicek52 (im Weltkriege Korpskommandant). Meine letzte Prüfung sollte eine Forzierung der Drau bei Warasdin sein ; ich störte aber Králiceks Plan, indem ich langsam marschierte, und so kam es zu einem Gefecht auf einem Exerzierplatz, die einfachste Gefechtsform, die es gab, statt des komplizierten Manövers, das mir zugedacht war. So gab es in dieser ernsten Zeit auch heitere Momente. Als Pino uns in Mostar inspizierte, machte er mir die erfreuliche Mitteilung, daß ich bei den Kaisermanövern 1899 als Ordonnanzoffizier des Chefs des Generalstabs eingeteilt werde ; dies war eine ständige Auszeichnung für die allerersten Absolventen der Kriegsschule. Ich wußte hiermit, daß ich sie mit vorzüglichem Erfolg absolviert hatte. Es sind inzwischen mehr als 35 Jahre vergangen, aber ich denke immer noch voll Hochachtung an das Niveau, mit welchem an der Kriegsschule die Ausbildung, Prüfung und Auswahl für den Generalstab besorgt wurde. Dieses Amt war sehr verantwortungvoll, denn der Kriegsschulerfolg war grundlegend für die weitere Karriere. Es war mir daher unbegreiflich, daß man sich an allerhöchster Stelle der Wichtigkeit dieser Hochschule nicht genügend bewußt war, jedenfalls ihr geringe Aufmerksamkeit schenkte ; ich weiß nicht, ob der Kaiser sie je betreten hat. Bei den letzten, den Abschlußprüfungen, die mehr formalen Charakter trugen, erschien jedes Jahr der Chef des Generalstabs, FZM Freiherr v. Beck, persönlich, um die Absolventen kennenzulernen, eine sehr kluge Maßregel, die leider unter Conrad außer Gebrauch kam. 52 Rudolf Králicek (Husténovice, Mähren, 19. 1. 1862-4. 1. 1946, Tetschen/Décín), Glstbsoffizier, war ab 1896 Taktiklehrer an der Kriegsschule, 1/1913 Vorstand der 10. Abt. des KM, dann Rgtskmdt., Brigadier, 1. 5. 1910 GM, 21. 4. 1913 Kmdt. 15. ITD. 25. 4. 1915 Kmdt. 28. ITD, I-X/1916 Kmdt. IX. Korps in Russland, III/1917 Kmdt. des XVI. Korps am Isonzo. Er hatte besondere Verdienste für den Durchbruch in der 12. Isonzoschlacht. 1. 1. 1919 pensioniert.

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Das Leben eines österreichischen Generalstabsoffiziers

Wir verließen die Kriegsschule sang- und klanglos, ohne Feier irgend einer Art; das Resultat wurde uns schriftlich bekannt gegeben. Die Sachlichkeit war bis zum höchsten Grade gesteigert. Von den 80 Frequentanten wurden 50 dem Generalstab „zugeteilt", aber nur die ersten 25 kamen endgültig in den Generalstab und wurden der Vorteile der Generalstabslaufbahn teilhaftig. Strenger konnte die Selektion nicht mehr sein ; bedenkt man den Weg von der Vorprüfung bis zu dieser Sichtung, so wird man ein gewisses gesteigertes Selbstgefühl der glücklich Gelandeten begreifen und entschuldigen. Die zwei Kriegsschuljahre waren nur dem Berufe gewidmet; jedes gesellschaftliche Leben, jeder gesellschaftliche Verkehr, jede Unterhaltung, Einladungen, Bälle, Konzerte, Theater, alles war unterbrochen, wir lebten zwei Jahre in der Klausur. Die einzige Abwechslung war das Reiten, das sehr ernst betrieben wurde, da es - Gott sei Dank - nach den damaligen Anschauungen eines der wichtigsten Mittel des Generalstabsdienstes bildete. Die jetzigen Kriegsschüler werden statt Reiten Chemie lernen und - fliegen! Ich sage in der Erinnerung nochmals dem Kommandanten und einzelnen Lehrern an der Kriegsschule (FML v. Pino, Major v. Przyborski53, Major Králicek, Major Rudolf Schmidt54, Hofrat Juraschek55, Hauptmann Niesiolowski56) Dank für den überaus großen Einfluß, den sie auf meine geistige Entwicklung und Charakterbildung genommen haben. Die Armee hatte allen Grund, der Kriegsschule aus Pinos Zeit für die gediegene Erziehung des jungen Generalstabs dankbar zu sein. Meine Jahrgangskameraden waren in dieser Hinsicht eines Geistes mit den Jahrgängen vor uns, wie unsere Freundschaft mit Bardolff57, 53 Arthur v. Przyborski (Wien, 10. 10. 1860-27. 1. 1948, Millstatt, Kärnten), 1. 11. 1901 Obst. i.G. u. Kmdt. 3. LwIBrig., 1. 5. 1908 GM, 15. 12. 1909 Chef des Etappenwesens, 1. 11. 1911 FML, 8. 4. 1913 Kmdt. 21. LwITD, 1. 1. 1915 pensioniert auf eigenes Ansuchen. 54 Rudolf Schmidt (Kaschau, 30.12.1860-14. 3.1938, Troppau), 24. 4. 1879 aus Theres. Milak. zu IR. 18, Glstbslaufbahn, 1. 11. 1903 Obst.i.G., Brigadier, Divisionär, 1. 5. 1913 FML, 8. 3. 1914 zugeteilt dem V Korpskdo., im Weltkrieg Militärkmdt. von Pressburg, 1. 1. 1916 Ruhestand. 55 Franz R. v. Juraschek (Arad, 24. 2. 1849-7. 2. 1910, Wien), 1881 ao. Prof. f. Statistik und österr. Staatsrecht Univ. Czernowitz, 1883 ao., 1885 o. Prof. Univ. Innsbruck, 1887 Vize-, 1905 Präs. d. statist. Zentralkommission, 1894 Hofrat, 1889-1906 auch Lehrer für Staats- und Völkerrecht an der Kriegsschule. 56 Über Viktor Niesiolowski-Gawin v. Niesiolowice (1868-1945) vgl. Glaise-Broucek I, 174, Anm. 129. Er war vor dem Weltkrieg Lehrer an der Techn. Milak., ab 15. 9. 1916 als Obstlt. Kmdt. d. Elektrotruppen der 1. Armee, 1. 4.1918 Kmdt. des Elektrobaon 6 u. Elektroreferent des 6. Armeekdo., 1. 11. 1918 Inspizierender der Elektrobaone d. Heeresgruppe Boroevic, 9. 5. 1919 Übertritt in die polnische Armee, 1920 GM, 1924 i. R. 57 Über Dr. Karl Frh. v. Bardolff (1865-1953) vgl. Glaise-Broucek I, 245, Anm. 373. Bardolff war Jurist und reaktivierter Reserveoffizier. Glstbslaufbahn, 1903-1906 Lehrer für Strategie an der Kriegsschule, 1911-1914 Vorstand der Militärkanzlei des Ehg. Thronfolgers Franz Ferdinand. Ab Kriegsbeginn Brigadier, dann 1914-1918, zuletzt als FML, Glstbschef 2. Armee bzw. d. Heeresgruppe FM Böhm-Ermolli. 3. 9. 1918 Sektionschef im KM.

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Podhajsky58, Metzger, Müller59, Berndt60, Scotti61, Pichler62, Horsetzky63 klar bewies. Einen besonderen Eindruck machte auf uns die Bereisung der Gefechtsfelder in Böhmen. Wie tapfer und hingebungsvoll hat die österreichische Armee 1866 gekämpft ; sie war militärisch der überlegenen Bewaffnung der Preußen und dem Bündnis Bismarcks mit Italien rettungslos zum Opfer gefallen. In mir kämpften damals zwei Strömungen, Widerwillen gegen die perfide Politik Bismarcks und Hochachtung vor dem preußischen Militarismus im Sinne Moltkes. Die Überzeugung, daß die österreichische Armee nach dem Jahre 1866 ungerecht beschimpft und verhöhnt wurde, gab mir einen Rückhalt, als nach dem Jahre 1918 das gleiche Verfahren gegen die österreichisch-ungarische Armee einsetzte. Nach jedem verlorenen Krieg tobt sich die Unkenntnis und Gewissenlosigkeit zunächst jahrelang aus, und die Wahrheit siegt meistens sehr spät. 58 Josef Podhajsky (Blatná, Böhmen, 18. 2. 1864-24. 12. 1946, Prag), Kadettenschüler, Infanterieoffizier, Generalstäbler, 1. 5. 1910 Obst. u. Rgtskmdt. LwIR. 24, ab Kriegsbeginn Brigadier u. dann Divisionär von Landwehrheereskörpern (zuletzt 26. Schützen-Division), Nov. 1918 Übertritt in die tschechoslowakische Armee, 5. 12. 1918 Landeskmdt. von Mähren, 1. 5. 1928 Generalinspektor der Armee und Armeegeneral, trug als einziger Offizier diesen Titel, 1.1. 1934 Ruhestand. Uber ihn vgl. Milos Sebor, Alois Podhajsky, voják. Zivot a rámec doby, Rom 1983. 59 Richard Müller (Boléchow, Bezirk Stryj, Galizien, 23. 8. 1877-19. 5. 1950, Graz), 1888 aus der Techn. Milak. zu Korpsartrgt. 2, Glstbslaufbahn, 1904-1910 im OpB. d. Glstbs, ab 1911 Glstbschef III. Korps, erhielt für die Kämpfe bei Krasnik und Luck 1914 das Ritterkreuz des MMTO, 27. 2. 1915 GM, ab März 1916 an der Front in Südtirol, ab 2. 3. 1917 Glstbschef der Heeresgruppe FM Conrad, 1918 FML, 1. 1. 1919 Ruhestand. 60 Über Otto R. v. Berndt (1865-1957) vgl. Glaise-Broucek I, 299, Anm. 72. Aktivierter Reserveoffizier, Glstbslaufbahn, Rgmtskmdt., Brigadier, 28. 9. 1915-28. 10. 1916 Glstbschef 4. Armee, dann Divisionär, ab 13. 9. 1918 interimistisch Kmdt. XVI. Korps bis Kriegsende. Bedeutender Militärschriftsteller (Kavallerietaktik). 61 Karl Scotti (Wien, 3. 3. 1862-7. 2. 1927, Warmbad Villach), Glstbslaufbahn, 1. 5. 1911 GM, 23. 4. 1914 Kmdt. 5. ITD, 1. 8. 1914 FML, Kämpfe an der russischen Front, 9. 5. 1915 Glstbschef der Armeegruppe Rohr bzw. 10. Armee (Verteidigung Kärntens u. Krains), dann Kmdt. XVIII. Korps bis Kriegsende. 62 Über Cletus Pichler (1864-1928) vgl. Glaise-Broucek I, 216, Anm. 257. 1. 11. 1913 GM, bei Kriegsbeginn Brigadier, 20. 5. 1915 Glstbschef des Landesverteidigungskdos Tirol, 1. 5. 1916 FML, 13. 8. 1916 Kmdt. ID Pustertal, 3. 3. 1917 krankheitshalber enthoben, 23. 5. 1917 Kmdt. 59. ID, 1. 1. 1919 pensioniert. 63 Ernst Horsetzky Edler v. Hornthal (Wien, 14. 5. 1865-28. 5. 1943, Wien) 18. 8. 1885 als Lt. aus der Theres. Milak. zu FJB. 21, zeitweise Kriegsgeschichtslehrer an der Milak., ab 1893 Glstbslaufbahn, 1. 5. 1893 Glstbschef XIV Korps, 1. 5. 1906 Obst.i.G., 8. 7. 1907 Glstbschef XII. Korps, ab 1911 GM u. Brigadier, bei der Südtiroloffensive 1916 im Verband des XX. Korps, 1917-1918 Kmdt. XXVI. Korps. Verfasser von: Die vier letzten Kriegswochen (26. Oktober-21. November 1918). Ein Beitrag zur Geschichte der Auflösung der österreichischungarischen Armee, Wien-Leipzig 1920.

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VI. Dem Generalstab zugeteilt Das erste Resultat der Absolvierung der Kriegsschule bestand in der Zuteilung zum Generalstab ; äußerlich kam dies durch eine kleine goldene Spange an der rechten Schulter und durch die große, quer über die Brust getragene schwarz-gelbe Feldbinde zum Ausdruck. Ein Avancement war zunächst mit der auch noch so guten Absolvierung der Kriegsschule nicht verbunden. Ich glaube, nach moderner Auffassung wäre da eine andere Rechnung dem Staate präsentiert worden. Meine erste Betätigung war die vorübergehende Dienstleistung als Ordonnanzoffizier des Chefs des Generalstabs, Feldzeugmeister Frh. v. Beck. Dieser hohe Herr war seit dem Jahre 1866 Vertrauensmann des Kaisers Franz Joseph und, wie man nach dem Krieg sagte, sein Weggefährte. Tatsächlich war er immer in der Lage, dem Kaiser persönlich zu berichten ; sein Einfluß war daher besonders in Personalien außergewöhnlich groß ; vor ihm zitterten nicht nur die Generäle, sondern auch die Statthalter, Bankgouverneure und Minister; auch die Politiker suchten stets den Weg zu ihm. Diese Sonderstellung ist nicht nur durch den österreichischen Patriotismus dieses Badensers 64 , durch seine Verläßlichkeit, Klugheit, Ruhe, Weisheit, Mäßigung, Bescheidenheit, Artigkeit, Einfachheit und Gradheit, sondern besonders durch seine Menschenkenntnis zu erklären. Er lernte konsequent alle führenden Köpfe in der Armee und im Zivil kennen, durchschaute sie und bewertete sie ganz unpersönlich nur vom Standpunkt des allgemeinen Wohles. Reich oder arm, adelig oder bürgerlich war ihm gleich, er verlangte nur Begabung, Pflichtgefühl, Einordnung in das Ganze und gesittetes Benehmen. Er selbst machte nicht einen scharf soldatischen Eindruck, er sah eher wie ein Hofgeneral aus, war aber in Wirklichkeit ein Militärpolitiker allerersten Ranges : Genau unterrichtet über die Verhältnisse in der Armee und im Staate, setzte er sich fallweise nur bescheidene, beschränkte Ziele für den Ausbau der Armee, wählte aber zu deren Erreichung die reibungslosesten Wege, so daß er im Laufe der vier Dezennien seines Wirkens zu großen Resultaten gelangte. Die österreichisch-ungarische Wehrmacht, wie sie Conrad 1906 übernahm, war das Werk des FZM Beck, und den Bau der wichtigsten Aufmarschbahnen nach Galizien sowie gegen Italien 65 hat er angeregt und durchgesetzt, ebenso wie den Ausbau von Przemysl und Krakau als große Lagerfestungen 66 . Beck trat nie mit großen Programmen, 64 General Beck wurde 1830 in Freiburg im Breisgau geboren und trat 1848 in die österr. Armee ein. 65 Siehe Broucek, Die Eisenbahn als militärischer Faktor ; Köster, Militär und Eisenbahn in der Habsburgermonarchie. 66 Forstner, Przemysl; dort auch Angaben über Krakau.

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großen Problemen auf, drohte nie mit seiner Demission und paßte sich den vielfach wechselnden Ministerpräsidenten der beiden Staatsgebiete immer geschickt an ; dem Kaiser gegenüber war er der treue, gehorsame Diener und der ehrliche, taktvolle Ratgeber. So erklären sich seine Erfolge, so begreift man seine ganz einzigartige dominierende Stellung. Er hatte seit seiner Jugend nicht bei der Truppe gedient, aber mit dem Herzen war er doch bei ihr. Vom Krieg wurde zu seiner Zeit fast nicht gesprochen, alle Bemühungen galten der Erhaltung des altösterreichischen Geistes als besonderes Kulturprodukt. Im Generalstab hielt er viel auf richtiges, korrektes, selbstbewußtes, aber gebildetes Wesen und Benehmen ; besonders pflegte er den Reitsport und überwachte seine Pflege im Generalstab. Im Privatleben war er sehr bescheiden, bei offiziellem Auftreten wahrte er aber streng seine Würde. Seine Autorität war so allgemein, daß die Minister und Statthalter bei jedem Anlaß in ihm den Vertreter des Kaisers sahen und ihn bei den taktischen Reisen und Manövern mit größten Ehren wie einen Souverän empfingen. Als ich, ein junger Oberleutnant, im September 1899 zu den Kaisermanövern in Kärnten als sein Ordonnanzoffizier einrückte, hatte ich begreiflicherweise das Trauma des ersten Auftretens. Die Manöverleitung war in Villach etabliert. Als ich mich melden wollte, erhielt ich die Weisung, gleich zum Frühstück zu kommen. Ich trat in ein einfaches Zimmer ein, welches von dichtem Zigarrenrauch erfüllt war ; FZM Beck saß in der Mitte einer langen Tafel und rauchte seine Pfeife ; die andern Dignitäre, großenteils hohe Generalstabsoffiziere, rauchten, um ihm möglichst nahe zu kommen, Virginias67 oder kurze englische Pfeifen. Ich kannte in dem ganzen illustren Kreise nur den Hauptmann Metzger des Operationsbüros, der sich meiner sofort in der freundlichsten Weise annahm. Meine Tätigkeit war höchst bescheiden: Ich hatte den Chef des Generalstabs bei den vormittägigen Ritten zu begleiten, ausnahmsweise auch den Weg zu suchen; gesprochen wurde wenig, eine Schinkensemmel geteilt und kleinere Aufträge gegeben. Die Autorität des Feldzeugmeisters trat schon bei diesen Manövern auffallend in Erscheinung. Der Bürgermeister von Villach, ein Alldeutscher, hatte nämlich die Straßen der Stadt mit schwarz-rot-goldenen Fahnen schmücken lassen; Beck stellte ihm sofort das Ultimatum, Schwarz-Gelb oder in den Landes- und Stadtfarben zu flaggen, widrigenfalls Se. Majestät die Manöverleitung nach Klagenfurt verlegen würde. Nach wenigen Stunden waren alle Trikoloren verschwunden, und der Kaiser sah bei seinem Einzug nur ihm genehme Fahnen und eine begeistert ihm zujubelnde Volksmenge; die ganze Stadt begrüßte ihn, es fehlten vielleicht nur ein paar Alldeutsche. 67 Lange dünne Zigarren mit einem eingearbeiteten Strohhalm, der vor dem Rauchen entfernt wird.

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Das Leben eines österreichischen Generalstabsoffiziers

Kriegsmäßig waren die Manöver nicht. Jeden Tag wurde eine trennende Demarkationslinie ausgegeben, hinter der man ruhig bis zum Tagesanbruch schlafen konnte. Als ich bei Ausführung eines Auftrages, von theoretischen Kriegsbegriffen erfüllt, nach langem forziertem Ritt mit stark schwitzendem Pferd zur Manöverleitung zurückkam, um Seiner Majestät Bericht zu erstatten, stürzte ein mir wohlgesinnter Herr aus der nächsten Umgebung des Kaisers (Hauptmann Margutti68) auf mich zu, ich solle das Pferd hinter dem Hügel lassen und nicht so vor das Auge des Kaisers treten. Ein feldmäßiger Anblick war sichtlich nicht erwünscht. Es wurde mir damals die hohe Auszeichnung zuteil, Seiner Majestät vorgestellt zu werden. Wir speisten als Gäste des Kaisers im Manöverzelt. Seine Majestät präsidierte der Tafel. Der Chef hatte mich avisiert, daß er mich nach dem Nachtmahle vorstellen werde. Obwohl ich aufmerksam auf den Augenblick wartete, kam ich doch zu spät und hatte nicht mehr Zeit, meine Handschuhe anzuziehen; ich habe bei meiner Meldung an nichts anderes als an meine Handschuhe gedacht. Der Kaiser war aber sehr gütig, fragte mich nach meinem Vater und nach verschiedenen Kameraden aus der Akademiezeit, insbesondere, ob ich die Erzherzöge Josef Ferdinand und Peter Ferdinand kenne. In diese Kärntner Manöver wetterleuchtete der Geist des Generals Conrad. Er kommandierte die Triestiner Brigade und erzielte trotz - oder vielleicht wegen - feldmäßiger Führung überraschende Resultate bei einem Vordringen im Gailtale; ich hatte den Eindruck, daß man diese Erfolge nicht gern sah. Der zweite Ordonnanzoffizier des Chefs war der Oberleutnant v. Merizzi69, der später bei FZM Potiorek70 und bei der Ermordung des Thronfolgers in Sarajewo eine große Rolle spielte. Nach den Kaisermanövern erfolgte meine Ernennung zum Brigadegeneralstabsoffizier. Es war Sitte, daß die besten Absolventen der Kriegsschule in Wien zugeteilt werden, ich wollte aber bei Conrad in Triest dienen, denn seine Werke hatten mich so gefangengenommen und imponierten mir der68 Über Albert Frh. v. Margutti (1869-1940) vgl. Glaise-Broucek I, 276, Anm. 9. Er war 1899/1900 im OpB., dann bis 1917 in der Generaladjutantur Seiner Majestät. Er trat vor allem als Memoirenschreiber hervor. 69 Über Erik v. Merizzi (1873-1917) vgl. Glaise-Broucek I, 275, Anm. 7. Obstlt.i.G. Merizzi war ab 1910 Flügeladjutant Potioreks. Ein großer Einfluss auf diesen General wird ihm nachgesagt. Die Gelegenheit zum zweiten Mordversuch am Thronfolger ergab sich, als dieser den beim ersten Attentatsversuch verwundeten Merizzi im Spital besuchen wollte. 70 Über Oskar Potiorek (1853-1933) vgl. Glaise-Broucek I, 211, Anm. 238. Potiorek war 19021905 stellvertretender Chef des Glstbs, dann ab 1911 Chef der Landesregierung für Bosnien u. Herzegowina, 1914 erfolgloser Kmdt. der 6. Armee und Oberbefehlshaber der Balkanstreitkräfte; über ihn siehe Rudolf Jerábek, Potiorek. General im Schatten von Sarajewo, Graz-Wien-Köln 1991.

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art, daß ich zu diesem einzigen Mann möglichst bald in persönliche Beziehungen treten wollte. Hauptmann Metzger riet mir jedoch ab und meinte, ich solle zwei Jahre in Wien verbringen, damit man mich in den maßgebenden Kreisen des Generalstabs kennenlerne. Ich folgte schweren Herzens seinem Rat, und so zog ich zum 25. Brigadekommando in die Rossauer-Kaserne in Wien ein. Mein Vorgänger war Oblt. Alfred Freiherr v. Waldstätten, mein Kommandant der Generalmajor Reznicek71, ein sehr vornehmer Offizier, Lehrer des Thronfolgers und Bruder des bekannten Komponisten 72 . Zunächst machte ich bei den höchsten militärischen Funktionären in Wien meine Aufwartung und sah sofort, daß die Zuteilung in Wien eine wirksame Abstempelung war, denn ich wurde von den stolzesten Würdenträgern sehr huldvoll empfangen. Die Arbeit war leicht, es waren zwei Jahre der Erholung, die man nach 8 Jahren Gymnasium, 3 Jahren Akademie und 2 Jahren Kriegsschule wohl verdient hatte. Ich habe dienstlich auch nichts Wichtiges erlebt. Eine Generalstabsreise in die Slowakei führte mich in ein den meisten gebildeten Menschen unbekanntes Gebiet, im Sommer war ich wochenlang im Brucker Lager73, und meinen Urlaub verbrachte ich in Italien und Paris, nachdem ich schon als Leutnant eine Urlaubsreise in die Bocche di Cattaro 74 und nach Montenegro gemacht hatte, was mir fast das Renommé eines Narren eintrug; wie konnte man aus Wien in diese wilden Gegenden freiwillig fahren? Gesellschaftlich erlebte ich sehr viel und gedenke oft der schönen Feste im Hause des Professor Kraff't-Ebing75, Prof. Gross76 und Hofrat Prof. Mracek77, mit dessen Tochter sich Oskar Slameczka vermählte. 71 Karl Frh. v. Reznicek (Wien, 7. 3. 1850-18. 1. 1924 Bad Fischau, NÖ), 1. 9. 1868 aus Theres. Milak. als Lt. zu IR. 14, 1. 5. 1886 Mjr.i.G., Glstbslaufbahn, 1878-1882 im OpB. d. Glstbs, 1885-1887 im Landesbeschreibungsbüro, 1. 11. 1898 GM, Brigadier, 1. 5. 1903 FML, Divisionär, 1. 11. 1905 pensioniert. 72 Emil Nikolaus v. Reznicek (Wien, 4. 5. 1860-2. 8. 1945, Berlin), Komponist von Messen, Opern, Operetten. 73 Einer der größten und ältesten Truppenübungsplätze befand sich nahe der niederösterreichischen Stadt Bruck an der Leitha, aber bereits auf ungarischem Staatsgebiet (heute Truppenübungsplatz Bruck/Neudorf). 74 In der Bocche di Cattaro (heute Boka Kotorska, Montenegro) nahe der montenegrinischen Grenze befand sich ein Kriegshafen der k.u.k. Kriegsmarine. 75 Richard Frh.v. Krafft-Ebing (Mannheim, 14. 8. 1840-22. 12. 1902, Graz), 1873 o. Prof. für Psychiatrie Univ. Graz, 1892-1902 o. Prof. für Psychiatrie und Neuropathologie und Vorstand der II. Psychiatrischen Klinik in Wien. 76 Karl Gross (Zuckmantel, Öst. Schlesien, 26. 7. 1837-10. 2. 1906, Wien), Kirchenrechtler, 1863 Dr. iur. sub auspiciis imperatoris an der Univ. Wien, 1863-1867 Rechtsanwaltspraxis und Juristenpräfekt am Theresianum, 1866 Privatdozent für Kirchenrecht Univ. Wien, 1867 o. Prof. Univ. Innsbruck, 1871 Univ. Graz, 1887 Univ. Wien, 1898 Hofrat, Verfasser der maßgeblichen Lehrbücher für Kirchenrecht. 77 Franz Mracek (Beneschau, Böhmen, 1. 4. 1848-8. 4. 1908, Wien), Syphilidologe und Der-

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Unser Freundschaftsband erweiterte sich auf seine Frau und später von Ehepaar zu Ehepaar. Als General Reznicek von Wien wegkam, folgte ihm GM v. Pott78, eine interessante, köstliche Persönlichkeit. Er WEIT jahrelang Attaché in Rom, aber obwohl er dem diplomatisch-aristokratischen Milieu zugehörte, trug er doch das Gepräge eines Vollblutsoldaten. Im Auftreten und in der Gesinnung war er kernig, grade, kräftig und herzenswarm, willensstark, lebensfroh und unternehmungslustig. Er wäre ein herrlicher Führer im Kriege gewesen. Seine hohe ästhetische Bildung, seine urbane Liebenswürdigkeit wiesen auf römischen Einfluß hin. Seine innere Kraft lebte sich gerne in besonderen Leistungen aus. Wir sind einmal die 50 km lange Strecke von Wien nach Bruck an der Leitha im Trab und Galopp ohne Rast geritten. Nach einer Übung bei Znaim schlug er mir vor, Direktion auf den Kirchturm von Klosterbruck bei Znaim nach Hause zu reiten; er und ich warfen keinen Blick auf die Karte. Nach einstündigem Ritte standen wir vor der Schlucht der reißenden Thaya. Ohne zaudern kletterten wir den Steilhang herunter und schwammen mit den Pferden durch den Fluß, was allerdings meinem braven Pferde „Oha" infolge des Sprunges auf eine Felsplatte unter Wasser eine Sehnenentzündung zuzog. Oha hat mir aber noch zehn Jahre gute Dienste geleistet. Seine impulsive Willenskraft bewies Generalmajor v. Pott aber auch in ernsten, schweren Lagen. Er war Vorsitzender eines Ehrenrates, der im Auftrag Seiner Majestät einen General, der durch das Auftreten seines Bruders arg kompromittiert wurde, abzuurteilen hatte. Pott trat für seine Freisprechung ein. Da erschien plötzlich der Korpskommandant Graf Uxküll bei uns im Brucker Lager, wo Pott und ich in einer Holzbaracke wohnten, seine Kabine von meiner nur durch eine Bretterwand getrennt. Nach wenigen Minuten hörte ich ein heftiges Zwiegespräch, dann einen gewaltigen Krach. Pott, den Kopf hoch gerötet, öffnete die Tür, Üxküll leichenfahl verließ das Zimmer ohne Gruß, und vor mir lagen auf dem Boden verstreut die ehrenrätlichen Akten. Der Schreibtisch, auf den Pott mit der Faust geschlagen hatte, war zusammengebrochen, und die Tinte deckte Recht und Unrecht mit ihrem schwarzen Gifte zu. Pott erzählte mir, Uxküll habe im Auftrage des Kaisers die Verurteilung des Beschuldigten verlangt, er aber habe sich geweigert. Nun könne ich von ihm Abschied nehmen, denn seine Pensionierung sei selbstverständlich. - Es kam jedoch anders, Pott blieb zu meiner Freude auf seinem Posten, und als Uxküll ihn das nächste

matologe, 1880 Primarius in der Krankenanstalt Rudolfinerstiftung, 1894 tit. ao., 1896 ao., 1904 tit. o. Prof. für Dermatologie und Syphilis Univ. Wien, 1906 Hofrat. 78 Emil Frh. v. Pott (Graz, 28. 12. 1851-12. 5. 1928, Baden bei Wien), 1870 aus der Theres. Milak. als Lt. zu FJB. 9, Glstbslaufbahn, 1882-1898 Militárattaché in Rom, ab 1898 Brigadier, 1908 Titular-G.d.I., 1909 Freiherrnstand und Pension.

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Mal sah, begrüßte er ihn mit den Worten : „Mein lieber unbotmäßiger General!" So war der österreichische Mensch beschaffen. An das Brucker Lager knüpft sich auch eine kleine musikalische Erinnerung. Wir nachtmahlten einmal mit Uxküll im Kasino und die Unterhaltung war sehr lebhaft, als ein Regimentskommandant um Ruhe bat, weil ein Violinsolo gespielt werde ; es spielte Franz Lehár79, der damals als Eleve in der Regimentsmusik eingeteilt war, Schumanns Träumerei. Es war das erste Auftreten Lehárs als Primgeiger. In meine „Zugeteilten-Zeit" fiel auch die Affäre Klofác. Dieser sozialdemokratische tschechische Abgeordnete80 war ein bekannter Feind der Armee und hatte im Parlament einen Oberleutnant Budiner81 aus Prag als Bluthund bezeichnet, weil er bei einer Übung einen Soldaten durch einen Säbelhieb am Arm verletzt hatte. Budiner bat einen Kameraden und mich, von Klofác eine Satisfaktion zu verlangen, weil die Tatsachen anders lagen. Auf eine Anfrage bei Klofác erhielten wir beide die Aufforderung, mit den Abgeordneten Udrzal82 und Hruby83, als seinen Vertretern, im Parlament zu verhandeln. Wir hatten vorher General Uxküll um seinen Rat gebeten, und er hatte unser Programm gebilligt und uns für alle Fälle seinen Schutz zugesagt. Udrzal, der spätere tschechische Ministerpräsident, und Abgeordneter Hruby empfingen uns im leeren Sitzungssaale des Herrenhauses. Wir trugen unsern Standpunkt vor, und der tadellose Abg. Udrzal gab uns recht. Wir 79 Franz Lehár (Komorn, 30. 4. 1870-24. 10. 1948, Bad Ischl), Militärkapellmeister, dann führender Komponist der sogenannten „Silbernen Operettenära". 80 Vaclav Klofác (Deutsch-Brod, Böhmen, 21. 9. 1868-10. 7. 1942, Prag) war kein Sozialdemokrat, sondern Mitgründer und führender Politiker der tschechischen National-Sozialen Partei (Ceská strana národné sociální), 1901-1918 Reichsratsabgeordneter, 1908-1913 auch Abgeordneter zum böhmischen Landtag, 1914-1917 wegen Verdachts des Hochverrats inhaftiert, Vizepräs, des Tschechischen Verbandes im Reichsrat ab 1917, Mitglied des Prager Nationalausschusses 1918 und der revolutionären Nationalversammlung, 1918-1920 tschechoslowak. Verteidigungsmin., 1925-1926 Senatspräs. 81 Karl Budiner (Eger, Böhmen, 5. 11. 1869-13. 3. 1953, Wien), Prager Kadettenschüler, 1. 11. 1891 Lt. FJB. 22, 1.11. 1904 Hptm. FJB. 9, 1912 mit Wartegebühr beurlaubt, 1914 reitender Ordonnanzoffizier beim 4. Akdo, 1. 7. 1915 Mjr., 1. 8. 1917 pensioniert, aktiviert auf Mobilmachungsdauer, 1. 11. 1917 Obstlt. 82 Frantisek Udrzal (Unterroweñ/Dolní Roveñ bei Pardubitz, 3. 3. 1866-25. 4. 1938, Prag), Landwirt und Politiker, 1897-1903 und 1907-1918 Reichsratsabgeordneter (Jungtscheche, seit 1903 tschechischer Agrarier), 1899-1903 auch Abgeordneter zum böhmischen Landtag, Mitglied des Prager Nationalausschusses 1918, der revolutionären Nationalversammlung und bis 1935 des tschechoslowak. Abgeordnetenhauses, 1935-1937 des Senats, 1921-1925 und 1926-1929 Verteidigungsminister, 1929-1932 Ministerpräs. 83 Emanuel Hruby (Obcov, Bezirk Pribram, 21. 5. 1865-23. 12. 1947, Chlumec nad Cidlinou), Landwirt, 1897-1902 Sekretär der Vereinigung der tschechischen Landwirte Böhmens in Prag, 1901-1907 Reichsratsabgeordneter, seit 1920 tschechoslowak. Senator.

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formulierten eine Ehrenerklärung, die Klofác im Plenum des Hauses zu verlesen hatte. Klofác weigerte sich aus politischen Gründen, erklärte sich aber zu einer Austragung mit den Waffen bereit. So vereinbarten wir die Details eines Duells. Die beiden Abgeordneten holten die Unterschrift ihres Mandatars ein, während mein Kamerad und ich allein im Sitzungssaale warteten. Es verging Viertelstunde um Viertelstunde in den Couloirs des Parlaments. Da entstand lautes Stimmengewirr, Udrzal kam endlich allein zurück und teilte mit, daß Klofác nicht unterschreiben wolle, daß Hruby sein Mandat niedergelegt habe84, daß der Landesverteidigungsminister soeben interpelliert werde, wieso zwei Offiziere im Parlament eine ungesetzliche Handlung, ein Duell, vereinbaren wollen, und schließlich, daß die sozialistischen Abgeordneten uns als Eindringlinge mit Gewalt entfernen wollen; er betrachte uns aber als seine Gäste und werde uns bis zur Parlamentsrampe begleiten. So gingen wir, vorne Udrzal, dann wir zwei, die Hand am Säbelgriff, durch ein dichtes Spalier von finster blickenden Abgeordneten bis zum Tor des „hohen Hauses". Von Klofác wurde nichts mehr gehört, aber die Affare hatte verschiedene Nachspiele. Der Chef des Generalstabs war nämlich mit unserm Vorgehen nicht einverstanden und wollte uns aus dem Generalstab entfernen ; Uxküll verhinderte dies, indem er die ganze Verantwortung auf sich nahm und diesen Standpunkt dem FZM Beck schriftlich bekanntgab. Das zweite Nachspiel war eine Einladung des Präsidenten des Herrenhauses, Graf Vetter von der Lilie85, zu einer Rücksprache, wobei mich dieser Würdenträger seiner Sympathien versicherte und mir Maßregeln gegen Klofác nahelegte, die wir leider nicht ausführen konnten. Das dritte Nachspiel war familiären Charakters und bestand in dem Entsetzen meiner streng katholisch-religiösen Großmutter Mocnik, die über die Affäre in den Zeitungen las und sich sehr kränkte, daß ihr Enkel so ein gewalttätiger Raufbold geworden war. In die jugendfrische Heiterkeit dieser zwei Jahre schlug plötzlich ein Blitz ein. Im Mai 1901 starb mein Vater ganz unerwartet, kaum 60 Jahre alt. Ich war gerade von meiner Urlaubsreise aus Paris zurückgekehrt, und wir hatten noch den Abend im Garten unserer Villa in Mödling fröhlich verbracht ; in der Nacht zum 13. Mai machte ein Herzschlag seinem Leben ein Ende; er war in jeder Beziehung eine Idealgestalt und das Vorbild eines weitblik84 Emanuel Hruby legte sein Mandat nicht zurück, er trat jedoch im Oktober 1902 aus dem Klub der tschechischen Agrarier aus, nachdem ihm vorgeworfen wurde, er hätte sich vom Zuckerkartell bestechen lassen. 85 Moritz Graf Vetter von der Lilie (Troppau, 22. 8. 1856-20. 9. 1945, Retz, NÖ), mährischer Gutsbesitzer und 1907 Dr. med., 1897-1907 Mitglied und 1901-1907 Präsident des Abgeordneten-, nicht des Herrenhauses des Reichsrats. Am 30.1.1914 folgte er seinem Vater auf dem erblichen Herrenhaussitz der Familie.

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kenden vornehmen Staatsbeamten. Er hatte sich außerordentliche Verdienste um das Schulwesen Schlesiens erworben, konnte sich aber als Hofrat im Unterrichtsministerium in die Gedankengänge des Ministers Gautsch 86 und seiner Präsidialisten nicht einleben. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er Feinde hatte, denn seine liebe, gütige und lebhafte, herzenswarme Art mußte alle Menschen gewinnen. Es war ein sonniges Leben, das jäh abbrach. In dieser Wiener Zeit knüpfte ich herzliche Freundschaften an, besonders mit gleichaltrigen Generalstabsoffizieren, mit Hauptmann Egon Freiherr v. Zeidler87, Oberleutnant Franz Joseph Graf Zedwitz88 und mit Oskar Slameczka. Ein heiteres Erlebnis war der Einzug des Schahs von Persien in Wien89. Die ganze Garnison rückte aus und bildete vom Franz-JosephsBahnhof bis zum Burgtor Spalier. Ich hatte den Platz beim Burgtor mit dem Auftrag, ein Zeichen mit dem Taschentuch zu geben, sobald sich der Wagen mit dem Kaiser und dem Schah der Burg nähert, worauf alle Regimentsmusiken die Volkshymne zu intonieren hatten ; bis dahin hatte alles mäuschenstill zu stehen. Ich saß harmlos auf meinem braven Pferde Oha, als ich plötzlich die Volkshymne mir vis-à-vis hörte und schon klang sie von allen Seiten ! Vom Kaiser und vom Schah keine Spur ! Schon galoppierten über das harte Pflaster wutschnaubende Generalstabsoffiziere und schrien, man solle das Spiel einstellen. Uxküll warf mir im Vorüberreiten einen wütenden Blick zu. Am nächsten Tag war hochnotpeinliche Untersuchung. Was ergab sich? Der Adjutant einer Artillerieabteilung, die vor dem Maria-Theresien-Denkmal aufgestellt war, bekam einen Schnupfenanfall, zog sein Taschentuch, und ein Kapellmeister dachte, das sei das vereinbarte Zeichen und schlug den Takt zur Volkshymne. So kam es zu einer Posse in der militärischen Operette. Dieser kleine Spaß zeigt, daß es damals keine Automobile und kein Feldtelephon gab. Für mich war wichtig, daß der Generalstab an dem Zwi86 Paul Frh. Gautsch v. Frankenthurn (Wien, 26. 2. 1851-26. 6. 1918, Wien), 1885-1893 und 1895-1897 Unterrichtsmin., 1897-1898, 1904-1906 und 1911 Ministerpräs., 1899-1904 und 1906-1911 Präs. des Obersten Rechnungshofs, seit 1895 Mitglied des Herrenhauses auf Lebenszeit. 87 Über Egon Frh. v. Zeidler-Daublebsky-Sterneck (1870-1919) vgl. Glaise-Broucek I, 292, Anm. 52. Er war ab 1916 einer der engsten Mitarbeiter Kaiser Karls, zuletzt 1918 Vorstand der Militärkanzlei Seiner Majestät. 88 Franz Joseph Graf Zedtwitz (Krugsreuth, Bezirk Asch, Böhmen, 27. 3. 1873-21. 5. 1954, Bad Mergentheim), 18. 8. 1893 als Lt. zu DR. 1, 1. 10. 1898 zugeteilt dem Glstb., 1. 11. 1902 Hptm.i.G. außer der Rangtour, 1. 4. 1904-1907 im OpB. d. Glstbs, 1. 5. 1910 Mjr.i.G., 26. 10. 1911 zu DR. 14, 1. 4. 1913 Obstlt.i.R., bei Kriegsbeginn aktiviert, 1. 5. 1915 Obst., 1. 3. 1919 pensioniert. 89 Uber die Beziehungen Österreichs zu Persien vgl. Helmut Slaby, Bindenschild und Sonnenlöwe. Die Geschichte der österreichisch-iranischen Beziehungen bis zur Gegenwart, Graz 1982.

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schenfall unschuldig war, denn bei solchen lächerlichen Vorfällen setzten die Treibereien in Hof- und Beamtenkreisen gegen ihn ein. Es ließ sich nicht leugnen, daß viele Generalstäbler Kanzleimenschen oder Gelehrtennaturen geworden waren, truppenfremd, truppenscheu und, wie es dem damaligen Intellektualismus entsprach, mit Hochmut auf die Truppe herabblickend. Das unsinnige Schlagwort, der preußische Schullehrer habe uns 1866 besiegt, wirkte noch immer nach und führte zu einer aufs äußerste gesteigerten theoretischen geistigen Schulung des Generalstabs. Dies mußte mit einseitigen Extremen enden. Der Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand hatte diese Krankheit erkannt und wußte auch das Heilmittel, es hieß : Conrad von Hötzendorf. Wir „Protektionskinder", die in Wien zugeteilt waren, spürten die Reaktion, denn der Zugeteilten-Zeit folgte nicht mehr die Ernennung zum Generalstabshauptmann, sondern es wurde noch ein zweijähriger Truppendienst vorher eingeschaltet. Diese Maßregel war richtig, wurde aber zu einer förmlichen Maßregel, indem der brutale Kriegsminister Krieghammer 90 uns in die entlegensten Garnisonen der Monarchie hinauswarf. Der eine kam nach Zloczów, der andere nach Trembowla, der dritte nach Czortkow91, gefürchtete ostgalizische Nester. Nun, der Kriegsminister denkt, und der Zufall lenkt. Infolge des unerwarteten Garnisonswechsels kam ich nämlich nicht nach Czortków, sondern zunächst nach Stanislau 92 und bald darauf nach Lemberg.

VII. Kompaniekommandant in Ostgalizien (November 1901-1903) Der Flügeladjutant des Kriegsministers, Obstlt. Urban 93 , mit dem ich befreundet war, brachte mir eines Tages die Nachricht von meiner Einteilung 90 Über Edmund Frh. v. Krieghammer (1832-1906), 1893-1902 Reichskriegsminister, vgl. Glaise-Broucek I, 121, Anm. 188. 91 Zloczów (heute Zolochiv), Trembowla (heute Terebovlya) und Czortków (heute Chortkiv) waren Bezirks- und Garnisonsstädte im mehrheitlich ruthenisch (ukrainisch) besiedelten Ostgalizien (heute Ukraine). 92 Stanislau, polnisch Stanislawów (heute Ivano-Frankivsk), Bezirks- und Garnisonsstadt in Ostgalizien (heute Ukraine) und Sitz eines Kreisgerichts. 93 Ferdinand Urban R. v. Hohenmark (Maros-Vásárhely, 6. 7. 1866-XII/1921), 18. 8. 1885 aus der Theres. Milak. zu IR. 35, 1. 11. 1890 Oit., Glstbslaufbahn, 10. 11. 1893-22. 4. 1895 im OpB., 1. 11. 1895 Flügeladjutant des Kriegsmin., 11. 10. 1906 versetzt ins Präsidialbüro, 17. 10. 1908 Vorstand des Präsidialbüros des KM, 1. 11. 1911 GM und enthoben, 2. 10. 1912 mit Wartegebühr beurlaubt, dann Vizepräs, des Obersten Militärgerichtshofes, 2. 5. 1915 Sektionschef im KM, 1. 11. 1915 FML, 12. 10. 1917 Geheimer Rat, 1. 1. 1919 pensioniert.

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zum Infanterieregiment Nr. 95, das in Stanislau und Czortkow garnisonierte. Wir Wiener konnten es kaum begreifen, daß man als gebildeter Mensch in „Halbasien" leben könne. Kein Präsidialbeamter, kein Universitätsprofessor unseres Bekanntenkreises kannte Stanislau ! Wohnt man dort in Hütten, gibt es dort europäische Sitten? Die Eisenbahn fährt lange bis Krakau, endlos bis Lemberg, und dort hört die Welt auf. In dieses Vakuum der Begriffe fuhr ich bangen Herzens. In Lemberg meldete ich mich bei dem Korpskommandanten, dem gefürchteten FZM Fiedler94 - nur Fiedler, denn er hatte jede Adelserhebung abgelehnt -, aber die Erzherzöge und Prinzen zitterten vor ihm. Sein Generalstabschef war Oberst Frh. v. Pflanzer-Baltin 95 , ebenso gefürchtet wie sein Kommandant. Bei der Meldung sah ich nur, daß beide keine Menschenfresser waren. FZM Fiedler lud mich ein, abends mit ihm in einem Hotel zu soupieren ; ich verbrachte einen sehr angeregten Abend mit diesem weitgereisten, hochgebildeten Mann. So arg waren die ersten Eindrücke also nicht. In Stanislau wurde ich von ehemaligen Akademiekameraden erwartet, die für mich eine reizende Wohnung, ein kleines Häuschen in einem Garten, gemietet hatten. Ich war völlig überrascht, daß Stanislau, vom jüdischen Zentrum abgesehen, eine schöne Gartenstadt war. Nun lernte ich das Regiment kennen. Das Offizierskorps war schlicht, aber brav und auffallend verschüchtert durch den Druck der Überlegenheit der aus dem Generalstab stammenden Generäle. Es fehlte an wahrer menschlicher Güte, Mars zeigte dort seine rauhe Faust. Die Mannschaft war teils ruthenisch, teils polnisch. Die Ruthenen waren ungebildet und verprügelt, die Polen standen geistig höher, moralisch meist tiefer; den größten Einfluß hatten die Juden, die lesen und schreiben konnten und denen daher die übrige Mannschaft ausgeliefert war. In diesen Verhältnissen spiegelte sich das Verwaltungssystem Galiziens, die ganze Macht des Polenklubs im Parlament, die Macht des Parlamentarismus. Das Arbeiten war für mich schwer, denn ich konnte kaum Tschechisch und weder Polnisch noch Ruthenisch ; es gab da viele Mißverständnisse, um so mehr, als die Unteroffiziere herzlich schlecht waren. Zu meinen Kameraden im Regiment trat ich bald in ein sehr freundschaftliches Verhältnis, wie es bei der Schwierigkeit des Dienstes selbstverständlich war. Die Ausbildung erfolgte nämlich kriegsmäßig, allerdings nicht im Sinne Conrads, sondern im Sinne der Moltkeschen Führung und Schulung, Moltke war 94 Über Ferdinand Fiedler (1842-1910) vgl. Glaise-Broucek I, 98, Anm. 119. Er war 1884-1888 Chef d. OpB., 1898-1905 Korpskmdt. in Lemberg, 1905-1908 Kmdt. d. II. Korps u. Kdi. Gen. in Wien. 95 Über Karl Frh. v. Pflanzer-Baltin (1855-1925) siehe Glaise-Broucek I, 317, Anm. 120. Er war seit 29. 9. 1914 Kmdt. einer Armeegruppe in der Bukowina, später Kmdt. d. 3. Armee.

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der große Lehrmeister, bis Conrad kam. Wir hatten anstrengende, schwierige Felddienst-, Gefechts- und Schießübungen und wurden nicht zart angepackt. Noch empfindlicher wurde die Rauheit dieses Lebens, als anstelle des gütigen Oberst v. Faccioli-Grimani96 der kranke Oberst v. Krismanic 97 kam, ein Sohn jenes Krismanic 98 , der 1866 die OpA. bei Benedek leitete und dem das Mißlingen der Operationen in Böhmen zur Last gelegt wurde. Die Opposition gegen Oberst Krismanic jun. in unserm Offizierskorps war stark, und ich übernahm ihre Führung. Die Erbitterung nahm manchmal heftige Formen an. Zu unserm Tröste war die Macht unseres Regimentskommandanten beschränkt, weil unser Divisionär, FML v. Pino, mein ehemaliger Kriegsschulkommandant, und der Korpskommandant, FZM Fiedler, gut orientiert waren. Das dienstliche Leben war nicht angenehm, aber ich habe viel gelernt, meine Kompanie hatte einen hohen Ausbildungsgrad erreicht, und die verschiedenen taktischen Aufgaben, die ich erhielt, habe ich fast immer gut gelöst, obwohl sie manchmal nicht leicht waren; so mußte ich mit einer kriegsstarken Kompanie (250 Mann) von Lemberg bis an die Grenze von Ostgalizien marschieren, ohne von den dort manövrierenden Kavalleriedivisionen bemerkt zu werden. Der siebentägige Marsch ist mir gelungen. Weniger Glück hatte ich bei den Inspizierungen durch den Korpskommandanten, da mir meine Kurzsichtigkeit sehr schadete. Da FZM Fiedler aber selbst kurzsichtig war, dürfte er auch nachsichtig und einsichtig gewesen sein. Für das Offizierskorps hielt ich einen Vortrag über Angriffstechnik im Sinne Conrads und einen Vortrag über die Lehren des Burenkrieges, wofür ich die englische Literatur studiert hatte. Dieser Vortrag erschien unter der Chiffre T. v. Z. in Streffleur's Militärischer Zeitschrift ; die Erfahrungen des 96 Amelio de Faccioli-Grimani (Verona, 28. 5. 1844-31. 5. 1926), heimatzuständig nach Ragusa/ Dubrovnik, Studium in Pisa, Dr. iur., Glstbslaufbahn, 1. 11. 1896 Obst, im IR. 59, 9. 6. 1899 zu IR. 95, 1. 11. 1902 GM und Kmdt. 4. Gebirgsbrig. 1. 5. 1903 pensioniert, 14. 3. 1908 FML mit Titel und Charakter. 97 Erwin R.v. Krismanic (Wien, 17. 12. 1856-27. 9. 1912, Wien), 1876 aus der Techn. Milak. als Lt. zu Geniergt. 1, Glstbslaufbahn, 1. 11. 1897 Obst, und Glstbschef XIV Korps, 27. 10. 1906 zugeteilter General VII. Korps, 1. 5.1908 FML, 26.1.1909 aus Gesundheitsrücksichten enthoben, 1. 6. 1911 pensioniert. Er hatte eine schlechte Beurteilung als Truppenkommandant. 98 Gideon R. v. Krismanic (Bozovici, Banat, 22. 1. 1817-23. 5. 1876, Peterwardein), 1836 aus der Theres. Milak. als Lt. zu IR. 62, ab 1839 dem Generalquartiermeisterstab zugeteilt, 1856 Vorstand des kriegsgeschichtlichen Büros, 1864 GM, 1866 Chef der Operationskanzlei der Nordarmee, 2. 7. 1866 enthoben, 1. 11. 1866 pensioniert, 1874-1876 Festungskmdt. von Peterwardein. Über seine Leistung im Feldzug 1866 vgl. Johann Christoph Allmayer-Beck, Der Feldzug der österreichischen Nord-Armee nach Königgrätz, in: ders., Militär, Geschichte und Politische Bildung, 326-358.

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Weltkrieges haben meinen damaligen Anschauungen, die mit denen der leitenden Stellen nicht im Einklang waren, recht gegeben". Gesellschaftlich verkehrte ich in Galizien nur in Offizierskreisen, denn es kam für uns weder der Adel noch die Bourgeoisie, noch die Beamtenschaft in Betracht. Galizien war ein Land für sich, dessen Polentum unter dem Schutz Österreichs stand und das uns dafür den unschätzbaren Vorteil bot, die Schlachten des Weltkrieges dort auszutragen. Gerade für so wichtige Momente hatten unsere Deutschen kein Verständnis. Sie haben es nie erfaßt, welche Rolle im Völkerleben der Krieg und welche Rolle im Krieg der Raum spielt. Sie sahen in der Erwerbung von Galizien, Venetien, Bosnien nur eine Laune dynastischer Herrschsucht. Unsere Manöver in Ostgalizien waren nicht nur sehr anstrengend, sondern manchmal volkshygienisch gefährlich ; unter dem Regime des Erzherzogs Franz Ferdinand wäre das unmöglich gewesen, aber damals nahm man auf die Truppe iiicht sehr Rücksicht. Als mein Regiment an einem heißen Sommertag von den Manövern nach Lemberg einmarschieren wollte, erhielten wir plötzlich den Befehl, bei den Schranken der Stadt drei Stunden stehen zu bleiben, weil - Seine Majestät Lemberg noch nicht verlassen hatte und wir die polnischen Festzüge nicht stören dürfen ! So etwas wäre in Preußen wohl unmöglich gewesen. Wiederholt mußte ich mit meiner Kompanie ausrücken, damit auf dem russischen Konsulat die von polnischen Studenten heruntergerissene Fahne wieder unter militärischen Ehren gehißt werde; so mußten wir den nationalen Universitätsunfug büßen. Sehr unangenehm war auch die Niederwerfung der zahlreichen galizischen Sträflingsrevolten und Bauernunruhen. Ich habe lange den Anblick der total betrunkenen, vertierten Menschenmassen, welche sich tobend durch die Vorstädte von Lemberg wälzten und welche wir zurückdrängen mußten, nicht vergessen. So freundschaftlich ich auch in den Familien FML v. Steinitz100, Hptm. Frh. v. Sieber101, Oberst v. Faccioli-Grimani, Major Podhájsky (der spätere 99 T. R. v. Z., Uber Angriffstaktik nach den Erfahrungen des südafrikanischen Krieges, in: Organ der militärwissenschaftlichen Vereine 8 (1904), 127-138. Diese Reihe erschien ab 1906 als Sonderbeihefte zu Streffleurs militärische Zeitschrift. Über die Einschätzung des Burenkrieges speziell in Osterreich vgl. Jay Stone, Erwin A. Schmidl, The Boer War and Military Reforms (War and Society in East Centred Europe 28 ; Atlantic Studies on Society in Change 51), Lanham, Maryland 1988. 100 Über Eduard R. v. Steinitz (1868-1955) siehe Glaise-Broucek I, 258, Anm. 427. Er war einer der bedeutendsten österreichischen Militärhistoriker des 20. Jahrhunderts mit den Schwerpunkten 1866 (Zeitraum nach der Schlacht bei Königgrätz) und Julikrise 1914. Sein Werkverzeichnis in Broucek, Peball, Geschichte der österreichischen Militärhistoriographie, 601-605. 101 Guido Frh. v. Sieber (Krakau, 23. 9. 1878-5. 10. 1949, Wien), 18. 8. 1901 aus Techn. Milak. als Lt. zu Pionierbaon 6 , 1 . 1 1 . 1 9 0 6 zugeteilt dem Generalpionierinspektor als Referent (bis

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Chef des Generalstabs der tschechischen Armee) aufgenommen wurde und so viel Anregungen musikalischer Art ich auch in Lemberg erhielt, war ich doch froh, im November 1903 als Generalstabshauptmann nach Prag zu kommen. Diese Freude trat aber zurück vor dem furchtbaren Unglück des Todes meiner Mutter, die an einem schweren Leiden in ihrem 51. Jahre starb. Sie hatte meinen Vater nur zwei Jahre überlebt. Ich war in den letzten Stunden an ihrer Seite. Wie wir Geschwister sie verehrt haben, ist ausschließlich eine Familienangelegenheit, über die ich gar nicht schreiben will.

VIII. Im Generalstab in Prag (November 1903 bis Februar 1906) In Prag wurde ich dem 9. Infanterietruppendivisionskommando zur Dienstleistung zugewiesen, bei dem Oblt. Otto Prinz Windischgrätz, der Gatte der Enkelin des Kaisers, eingeteilt war. Ich wußte, daß darauf Rücksicht genommen werden mußte, daß Windischgrätz, der mit der Tochter des Kronprinzen Rudolf jung verheiratet war, seinen repräsentativen und gesellschaftlichen Verpflichtungen nicht entzogen werde. Windischgrätz kam mir mit charmanter Bescheidenheit und Liebenswürdigkeit entgegen. Mein Divisionär, FML Conte Corti102, war ein sehr einsichtsvoller und gütiger Herr, der mich herzlich in seine Familie aufnahm. Mein Generalstabschef Obstlt. Kuczera103 besaß ein hochgesteigertes Selbstgefühl und scharfe Energie ; wir schlössen nach wenigen Wochen Freundschaft. Als er das Direktionsbüro des Generalstabs in Wien übernahm, kam an seine Stelle der Major Wojcik104, eine jener geschmeidigen Naturen, welche in der Ara Beck einen vorteilhaften Nähr-

30. 1. 1912), 1. 11. 1912 Hptm. Im Weltkrieg Kmdt. von Sappeurbaonen an der Isonzofront, 1. 11. 1918 Major, 1. 10. 1920 als Titular-Obstlt. pensioniert. 102 Hugo Conte Corti alle Catene (Josefstadt, Böhmen, 14. 11. 1851-13. 12. 1916, Wien), Absolvent des Kadetteninstituts in Marburg und der Genieak. in Klosterbruck bei Znaim, 11. 9. 1864 eingeteilt beim Geniergt. 1, ab 1876 Glstbslaufbahn, 21. 5. 1892 Obst. u. Kmdt. IR. 52,1. 5. 1896 GM, 10. 4. 1900 Kmdt. d. 1. ITD, 1. 5.1900 FML, 1906 beurlaubt mit Wartegebühr, 1. 11. 1909 pensioniert. Vater des Hptm.i.G. Dr. Egon Caesar Conte Corti alle Catene, des nachmaligen bedeutenden Historikers und Biographen. 103 Hugo Kuczera (Neu-Gradiska in der Militärgrenze, 24. 11. 1856-22. 4. 1916, Kötschach, Kärnten), Glstbslaufbahn, 1. 11. 1896 Mjr.i.G., 1. 5. 1903 Obst.i.G., Kmdt. 15. IBrig., 1. 5. 1909 GM, 5. 8. 1911 aus Gesundheitsrücksichten enthoben, 27. 3. 1912 pensioniert, 7. 1. 1913 F M L mit Titel u. Charakter. 104 Karl Wojcik (Trzebinia, Bezirk Chrzanów, Galizien, 7. 11. 1864-?), 18. 8. 1883 aus der Infanteriekadettenschule Lobzów als Kadett-Offiziersstellvertreter zu IR. 20, Glstbslaufbahn, Divisionsglstbschef, 1. 6. 1901-30. 4. 1902 im Evidenzbüro d. Glstbs, 1. 5. 1903 Mjr. und Glstbschef der 9. ITD, 1. 5. 1908 Obstlt.i.G., 1. 10. 1910 als kriegsuntauglich in Ruhe.

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boden fanden ; es kam sehr bald zu einem Bruch zwischen uns ; er erkrankte wenige Wochen später an Paralyse und ging elend zugrunde. Ich wurde infolge unseres Konflikts vom 9. Truppendivisionskommando, das sich in der Altstadt (am Josefsplatz) befand, zum Korpskommando auf der Kleinseite transferiert. Während ich beim Divisionskommando nur von 9 bis 1 Uhr in der Kanzlei arbeitete und nachmittags Vorträge an der Korpsoffiziersschule hielt, war ich beim Korpskommando von früh bis abends eingespannt. Mein Generalstabschef war dort der Oberst Rudolf Schmidt, mein ehemaliger Lehrer an der Kriegsschule, der mir sehr wohlgesinnt war und mit dem ich in gemeinsamer Arbeit den ganzen Tag verbrachte. Meine freie Zeit war sehr beschränkt, genügte aber doch, um mich zu verloben und dadurch die Grundlage zum Glücke meines Lebens zu legen. Meine Braut war das Fräulein Alice von Zdekauer, deren Mutter wohl eine der angesehensten Frauen Prags war. Gleichzeitig mit meiner Verlobung erfolgte im Februar 1906 meine Berufung in das Operationsbüro des Generalstabs, in das sogenannte „Feldherrngestüt der Monarchie". Meine Freude über diese höchste Auszeichnung, die mir dadurch zuteil wurde, war sehr groß. Das Operationsbüro bearbeitete die konkreten Kriegsvorbereitungen105, die ganz geheim waren, und besaß infolge dieses Einblickes in die wichtigsten Grundlagen einen bedingungslosen Einfluß auf die Organisation der Armee und eine unerhörte Machtstellung im Staate. Jeder Chef des Operationsbüros kam später auf die wichtigsten, leitenden Posten der Armee, alle Mitglieder des Büros wurden durch Kooption gewählt. Ich habe übrigens auch beim Prager Korpskommando ein historisches Ereignis erlebt, das der Außenwelt unbekannt blieb. Es war bei den Kaisermanövern in Böhmen im Jahre 1905. Nach der Schlußbesprechung ließ Seine Majestät die höchsten Generäle zu sich rufen. Da man den Zweck der Berufung nicht kannte, wurde jeder General von einem Generalstabsoffizier begleitet. Der Korpskommandant von Prag, FZM Frh. v. Czibulka, wählte mich. Als wir eintraten, eröffnete Seine Majestät mit bewegter Stimme, daß es sich um eine streng vertrauliche und geheime Angelegenheit handle. Alle seine Verhandlungen mit den ungarischen Politikern seien gescheitert, er könne nicht weiter nachgeben, ohne das Interesse der Monarchie zu gefährden. Er werde daher gezwungen sein, gegenüber Ungarn an die Gewalt der Waffen zu appellieren. Bei diesen Worten brach der Kaiser in heftiges Schluchzen aus und konnte sich nicht mehr beherrschen. „Es ist entsetzlich", sagte er, „daß ich in diese schreckliche Lage komme, aber ich vertraue auf ihre Hingebung und Treue." ... Es entstand ein allgemeines Stillschweigen, niemand sprach ein Wort, niemand rührte sich. Seine Majestät verließ das Zelt, und wir blie105 Über diese siehe Degreif, Operative Planungen des k.u.k. Generalstabs.

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ben konsterniert und überrascht zurück. Moderne Volks- oder Staatsführer hätten diese Mitteilung zu einem großartigen Theatercoup ausgebaut; unser Kaiser blieb seiner einfachen Vornehmheit auch in diesem Falle treu. Dem Vorfall waren jahrelange Konflikte mit der ungarischen Regierung106, mit Kossuth107 und Apponyi108 wegen des Rekrutenkontingents und wegen der Einheit der Armee vorausgegangen. In Prag erlebte ich auch wichtige innenpolitische Ereignisse, da große sozialistische Unruhen ausbrachen, zu deren Niederwerfung FZM Frh. v. Czibulka das Befehlsgebungsrecht über alle Truppen von Böhmen, Mähren und Schlesien erhielt. Zur Illustrierung der Zustände möchte ich erwähnen, daß ich zur Überbringung eines Befehls vom Korpskommando (Kleinseite) ins Divisionskommando (Altstadt) Zivil anlegen mußte, um unbehelligt in einem Wagen hin- und zurückzukommen. Die Zentralstelle der Aktion war für uns das Prager Polizeipräsidium. Um ein gutes Zusammenarbeiten zu erzielen, wurde ich auf zwei Wochen als Vertreter des Korpskommandanten in die Polizeidirektion delegiert, wo wir ein solches Verständnis fanden, daß der Aufstand ohne Waffenanwendung unterdrückt werden konnte. Mein nächstes Auftreten im Prager Polizeipräsidium erfolgte 1919, als ich unter dem Verdachte, ein feindlicher Ausländer zu sein, zur Rechtfertigung hinzitiert wurde; übrigens fand ich auch da volles Verständnis des leitenden Beamten. Zur Verschärfung der Gegensätze in Prag trug sehr viel die nationale Verhetzung der akademischen Jugend bei. Die deutschen Studenten zogen in ihren Kostümen mit der deutschen Trikolore geschmückt einzeln, in Gruppen und in organisierten Zügen durch die Hauptstraßen von Prag. Es kam deshalb immer wieder zu Krawallen. Die Professoren kalmierten nicht, son106 Uber die ungarische Staatskrise ab 1903, die mit der Forderung nach Personalunion und nach getrennten Armeen zusammenhing, sowie mit den Reaktionen des Herrschers vgl.: Corti, Sokol, Der alte Kaiser, 277-283 und 295-303. Der Generalstab reagierte mit der Ausarbeitung des „Fall U". Darüber siehe Peball, Rothenberg, Der Fall „U". 107 Ferenc Kossuth (Pest, 16. 11. 1841-25. 5. 1914, Budapest), Sohn von Lajos Kossuth, seit 1849 im Exil, Rückkehr nach Ungarn nach dem Ausgleich, 1895 als Mandatar der Unabhänigkeitspartei ins ung. Parlament, bald deren Vorsitzender, 18. 11. 1904 Vorsitzender der Koalition der Oppositionsparteien (also in der Zeit der Staatskrise), 8. 4. 1906-17. 1. 1910 Handelsminister. 108 Albert Graf Apponyi (Wien, 29. 5. 1846-7. 11. 1933, Genf), Absolvent des Jesuitenkollegs in Kalksburg, Rechtsstudium an der Univ. Wien, 1872 ung. Reichstagsabgeordneter als Mitglied der konservativen Sterényi-Gruppe am rechten Rande der Deákpartei, 1878 Führer der „Vereinigten Opposition" (später „Nationalpartei"), 1904 Ubertritt von der Regierungspartei zur Kossuthpartei, 1906-1910 und 1917-1918 Min. für Kultus und Unterricht, verantwortlich für die 1907-1908 erlassenen Schulgesetze, 1920 Unterhändler für den Vertrag v. Trianon und Unterzeichner des Vertrages. Er war sodann ung. Delegierter bei Verhandlungen des Völkerbundes.

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dern hetzten ; sollte es dann zur Verhaftung kommen, so beriefen sie sich auf ihr Abgeordnetenmandat oder zogen die Rektorskette aus der Tasche und waren - immun. Das friedliche Zusammenleben beider Nationen förderten sie nicht. Ahnlich war es in Graz, Innsbruck und Lemberg. Unsere Universitätsorganisation taugt vom Standpunkt des Gemeinwohls wirklich nur für rein nationale Staaten. Osterreich wurde durch sie schwer geschädigt. Die Ernennung des Kaisers Wilhelm zum Ehrendoktor konnte auch nicht als Beweis österreichischer Gesinnung der deutschen Universität in Prag gewertet werden, stellte vielmehr eine klare Demonstration gegen die Habsburger dar. Merkwürdigerweise wurde nach dem Jahre 1918 Kaiser Wilhelm gerade in den Universitätskreisen am meisten geschmäht. Der Ausspruch W. A. Chamberlains109, daß die republikanische Verfassung der Universitäten in jedem Staate eine große politische Gefahr bedeute, scheint auf reicher Erfahrung zu basieren. Ich verließ Prag im Februar 1906 voll Spannung und Erwartung, was mir die vielverheißende Zukunft in Wien bringen werde.

IX. Im Operationsbüro des Generalstabs (1906 bis 1912) A. Ara Feldzeugmeister

Frh. v. Beck

Die Kameraden, die ich im Operationsbüro fand, waren fast lauter bedeutende Persönlichkeiten, wie dies auch der Weltkrieg bewies. Sie waren alle vom Ernst und von der Wichtigkeit ihrer Arbeit durchdrungen und bildeten eine Arbeitsgemeinschaft, die sich ihrer Verantwortung bewußt war. Im Weltkrieg wurden von den 16 im Operationsbüro eingeteilten Offizieren Metzger der Stellvertreter des FM Conrad, Müller, Bardolff, Berndt, Paie, Soos110 109 Wohl Sir Joseph Austen Chamberlain (Birmingham, 16. 10. 1863-16. 3. 1937, London), Politiker der Konservativen, 1903-1905 Schatzkanzler, 1918 Mitglied des Kriegskabinetts, 1924-1929 Außenmin. 110 Karl (bzw. Károly) Soós de Bádok (Hermannstadt, 28. 7. 1869-22. 6. 1953, Villach), 18. 8. 1890 als Lt. aus der Theres. Milak. zu F JB. 23, 1. 11. 1896 als Olt. zugeteilt dem Glstb., eingeteilt bei der Glstbsabt. der 13. ITD, 1. 5. 1898 Hptm.i.G., 1900-1903 in Glstbsabt. des I. Korpskdo., 27. 3. 1907 ins OpB. d. Glstbs (bis 3. 10. 1911), dann Truppendienst, 1. 11. 1912 ständiger Lehrer am Informationskurs für Hauptleute, 31. 8. 1914 Chef d. Glstbs der 4. Armee, 30. 9. 1914 Glstbschef der Armeegruppe Pflanzer-Baltin, III/1915-16. 8. 1915 Kmdt. 1. TKJR., 16. 8. 1915 Kmdt. 33. IBrig., 16. 6. 1916 Glstbschef 11. Armee in Südtirol, 1. 8. 1917 GM, 19. 5. 1918 Kmdt. 33. IBrig., X/1918 auf Befehl Seiner Majestät zur weiteren Dienstleistung nach Ungarn, 1918/1919 Honvéd-Distriktskmdt. in Szeged, 1919 Verdienste um die Aufstellung der Armee der Gegenregierung in Szeged, dann Chef d. Glstbs der ung. Nationalarmee, 1920 Staatssekretär im Honvédmin., 1921/1922 Kdi. Gen. in Südungarn,

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und ich Generalstabschefs von Armeen, Höfer111 österreichischer Ernährungsminister, 3 Kameraden fielen, 3 wurden als Generäle Theresienritter und von den jüngsten leiteten nach dem Krieg 4 (Buzek112, Knaus113, Schilhawsky114 und Brantner115) die Organisierung der Osterreichischen republikanischen Wehrmacht. Ich arbeitete zuerst an den Kriegsvorbereitungen gegen Italien ; es war eine mühsame, aber im Lauf der Jahre mechanisierte Arbeit116. Der bürokratische Geist herrschte damals vor. Zwischen den einzelnen Abteilungen des Generalstabs, die im Einklang hätten tätig sein sollen (Operations-, Eisenbahn- und Evidenzbüro) bestand nur eine lose geistige Verbindung, da die Chefs dieser Büros keineswegs miteinander befreundet waren. Mit den Abteilungen des Kriegsministeriums bestand fast gar kein Verkehr, da Kriegsminister und Chef des Generalstabs auf ihre Kompetenzen sehr eifersüchtig waren. Von der Tätigkeit des Ministeriums des Äußern wußte man nichts, denn damals dachte niemand an die Möglichkeit eines baldigen Krieges. Die Politik betraut mit der Übernahme der von den Serben geräumten Grenzgebiete, 1922-1926 zugeteilt dem Honvédmin. zur Verfassung der Reglements, dann im Ruhestand Mitglied des Oberhauses des ung. Parlaments und Geheimer Rat, 1945 Flucht nach Osterreich. Soós war wie Podhajsky in der Tschechoslowakei und Boog in Osterreich einer der wenigen Angehörigen der Generalität der k.u.k. Armee, die wegen ihrer Fachkenntnisse und Loyalität in das Heerwesen der neuen Staaten übernommen wurden. 111 Über Anton Höfer (1871-1949) vgl. Glaise-Broucek I, 404, Anm. 389. Er war 1907-1909 als Mjr.i.G. im OpB., Chef der Quartiermeisterabt. des AOK und damit Vorgänger Zeyneks. Dann war Höfer als Minister ab 5. 1. 1917 betraut mit der Leitung des Amtes für Volksernährung, 26. 2. 1918 von dieser Funktion enthoben. 112 Über Thomas Buzek (1877-1944) vgl. Glaise-Broucek I, 322, Anm. 142. Buzek war 19081913 als Mjr.i.G. im OpB. Im österr. Bundesheer war er ab 18. 1.1924 GM, Kmdt. der. 2. Brig, und Stadtkmdt. von Wien, 1. 5. 1925 General und Heeresinspektor, 28. 2. 1926 pensioniert. 113 Sigismund Knaus (Villach, 10. 4. 1879-21. 3. 1971, Wien), 18. 8. 1899 aus Infanterie-Kadettenschule Liebenau zu IR. 97, 1. 11. 1900 Lt., ab 1905 Glstbslaufbahn, 1907-1908 Eisenbahnbüro d. Glstbs, 1. 11. 1909 Hptm.i.G. und eingeteilt im OpB. d. Glstbs, 28. 7. 1914 eingeteilt beim 1. Operierenden Armeekorps, 1. 3. 1915 Mjr.i.G., 19. 3. 1917 bei Befehlsgruppe des 11. Armeekdo. Nach Kriegsende ins Staatssekretariat für Heerwesen der Republik Deutschösterreich, ab 23. 1. 1919 betraut mit Vorbereitungsarbeiten für die Friedensvertragsdelegation, 1. 5. 1919 Stabschef des Landesbefehlshabers für Kärnten, Übernahme ins Bundesheer, 1. 11. 1921 Obst, und Stabschef der 2. Brigade in Wien, 17. 6. 1923 Stabschef des Heeresinspektors General Körner, 1. 5. 1924 GM, 1. 3. 1926 Leiter der Präsidialsektion im BMf. Heerwesen, 1. 3. 1930 G.d.I. und Heeresinspektor, 30. 9. 1932 Ruhestand. 114 Über Sigismund Schilhawsky v. Bahnbrück (1881-1957) vgl. Glaise-Broucek I, 205, Anm. 221. Er war 1917/1918 in der OpA. des AOK als Italienreferent, dann im österr. Bundesheer 1932-1938 als G.d.I. Generaltruppeninspektor. 115 Über Theodor Brantner (1882-1964) vgl. Glaise-Broucek I, 133, Anm. 325. Er war 19131916 als Hptm.i.G. im OpB. bzw. in der OpA. des AOK. Er war dann 1933-1936 Vorstand der Präsidialabteilung im österr. BMf. Heerwesen, in die das OpB. integriert war. 116 Vgl. darüber Pantenius, Der Angriffsgedanke gegen Italien.

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des Status quo, welche von oberster Stelle als maßgebend verkündet wurde, beherrschte auch alle Ministerien und alle Büros, auch das Operationsbüro. Der Kriegsfall Rußland war ein versteinertes Fossil, mit dem Balkan wurde nur insoweit gerechnet, als vielleicht eine Strafexpedition gegen Serbien in Frage kommen könnte. Das Zeichen der Zeit war abgeklärter Gleichmut und das wohltuende Ticktack eines eingelebten Uhrwerkes. Den geistigen Einfluß im Generalstab hatte der Stellvertreter des FZM Beck, der FML Potiorek, an sich gerissen. Er galt in den höchsten Kreisen als Genie, war in der Armee mehr gefürchtet als verehrt. Ich habe verschiedene seiner Studien gelesen, die alle von hoher Intelligenz zeugten, aber ich habe nie seinen Hochmut begriffen. Er war in seiner logischen Konsequenz sehr streng und gegen geistig minderwertige Männer unerbittlich; viele zitterten vor seinem Sarkasmus. Sein besonderes Wohlwollen genoß Hauptmann von Merizzi, der später sein Flügeladjutant wurde und auch an der Todesfahrt des Thronfolgers am 28. Juni 1914 teilnahm. Im Büro wurde fleißig gearbeitet, auch am Sonntag vormittag mußte man hinkommen, um zur Arbeit bereit zu sein ; FZM Beck war nämlich viel in seiner Kanzlei, und da durften die Büros nicht leer sein. In der Früh ritt man bis 9 Uhr im Prater, dann wurde ohne Mittagspause bis 4 Uhr, oft auch viel länger, gearbeitet. Das Essen wurde uns in Schalen in die Zimmer gebracht, und man verschlang in Hast, meistens durch Referate gestört, ein paar Bissen. Hygienisch war diese Lebensweise nicht, es wurde Raubbau getrieben. So lebte ich über sechs Jahre, kam immer erst abgearbeitet abends nach Hause. Ich fühlte mich zwar sehr geehrt, im „OpB." zu sein, aber Geist und Stimmung behagten mir nicht. Mir fehlte die impulsive, frische Sachlichkeit, die zielbewußt und deshalb auch ehrlich ist. Auf die dunkeln Irrwege der Personalpolitik wollte ich mich nicht begeben, spürte aber deutlich die Arbeit zahlloser Maulwürfe. Bei den Kaisermanövern in Schlesien im August 1906 wurde ich bei der Manöverleitung in Teschen eingeteilt. Parteikommandanten waren FZM Fiedler und FZM v. Horsetzky. Die leitenden Personen wünschten einen Erfolg Horsetzkys, darauf sollten wir bei der Berichterstattung Rücksicht nehmen. Es kam aber anders ; die Stimmung bei der Manöverleitung war deshalb sehr schlecht. Da ich objektiv berichtete, war meine Lage sehr unangenehm, und nur die Freundschaft Metzgers hielt mich aufrecht. Mich widerte der Betrieb an; ich sah, wie ein Klüngel herrschte und sich an der Herrschaft erhalten wollte und wie Macht und Stellung dazu verwertet wurden. Geistige Ideen spürte man nicht. Der Kaiser ließ FZM Beck mit den Armeekorps und mit sich selbst frei disponieren, ohne irgendwie Einfluß zu nehmen ; der alte FZM ließ wieder dem FML Potiorek und dem unter Leitung des Obst.

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Krauss-Elislago117 stehenden Operationsbüro freie Hand. So rollte die oft tragische Komödie ab. Ich hatte bei diesen Manövern das erste Mal Gelegenheit, Se. Majestät in der Nähe längere Zeit zu beobachten. Schon die gemeinsamen Mahlzeiten im Kaiserzelt waren charakteristisch. Sie verliefen schnell, äußerst exakt, das Gespräch war ruhig und gleichgültig. Als einmal ein Flügeladjutant einen kleinen Spaß machte und wir lebhaft darüber lachten, zitterte er bereits um seine Stellung. Der Erzbischof von Breslau und der englische Militärattaché, der ein Verwandter des Königs Eduard war, wurden vom Kaiser sehr auszeichnend behandelt, alle andern waren Nebenfiguren. Die Generalstabsoffiziere des „OpB." kamen regelmäßig zum Essen zu spät, damit ihre Arbeitsbelastung zum Ausdruck gelange. Zwei Erlebnisse machten besonderen Eindruck auf mich : FZM Horsetzky erwartete an einem Tag den Kaiser beim Schloßtor und bat ihn um eine Einflußnahme auf die Zeitungen, welche damals Horsetzky in Grund und Boden beschimpften. Der Kaiser antwortete eisig kühl, er sei für die Presse nicht verantwortlich. Schluß ! ... Kein Wort des Bedauerns, kein freundlicher Blick für den altbewährten General. An einem Übungstag erhielt ich den Auftrag, das Verhalten einer Kavalleriedivision festzustellen. Ich meldete Seiner Majestät, die Division habe den Befehl zum Rückzug erhalten; der Kaiser hörte das sichtlich nicht gerne. Wenige Minuten später ritt Erzherzog Franz Salvator118, der Schwiegersohn des Kaisers, vorüber; er war einer der beiden Kavalleriebrigadiere; der Kaiser winkte ihn zu sich und fragte, was seine Brigade tue. Antwort: sie setze den Angriff fort. Da drehte sich der Kaiser zu mir um und rief mit scharfer Stimme: „Was dieser Hauptmann mir gemeldet hat!" Die ganze Suite sah mitleidsvoll auf mich; Potiorek, der neben mir zu Pferde saß, beruhigte mich mit den Worten, es werde sich schon klären. Der Erzherzog hatte den Rückzugsbefehl noch nicht erhalten, und wenige Minuten später war die Richtigkeit meiner Meldung erwiesen. An einem andern Tage wohnte Seine Majestät dem Angriff des seinen Namen tragenden Infanterieregiments Nr. 1 bei. Wir standen auf einer Wiese, welche rechts und links eingezäunt war, so daß man nur das Vorgehen einer kleinen Abteilung beobachten konnte. Diese Abteilung war nicht in Ordnung, man sah, daß die Leute übermüdet waren und nicht in einer Linie, sondern im Zickzack vorgingen. Da rief der Kaiser : „Es ist eine Schande, wie schlecht das Regiment aussieht!" - Allgemeines Entsetzen. Das brave schle117 Über Heinrich R. Krauss v. Elislago (1862-1932) vgl. Glaise-Broucek I, 157, Anm. 56. Er war 1905-1910 Chef d. OpB. Als Divisionär versagte er bereits im August 1914. 118 Über Ehg. Franz Salvator (1866-1939) vgl. Glaise-Broucek 1,142, Anm. 5. Er war 1909 bereits Kmdt. der Wiener KTD und 1914-1918 Generalinspektor der freiwilligen Sanitätspflege.

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sische Hausregiment war nämlich die ganze Nacht marschiert, um noch in das Gefecht eingreifen zu können. FZM Beck, über die Bemerkung des Kaisers irritiert, befahl uns, sofort zu den andern Teilen des Regiments zu reiten und über ihren Zustand zu berichten. Das Regiment war tadellos. FZM Beck meldete dies dem Kaiser mit den mir unvergeßlichen Worten : „Na, na, Majestät, das geht nicht, das macht einen schlechten Eindruck auf die Schlesier." Seine Majestät ließ darauf dem Regimentskommandanten sagen, sein Urteil sei richtiggestellt worden. Die Schlußbesprechung wurde von FZM Beck wörtlich so verlesen, wie wir sie tageweise ausgearbeitet hatten; es fand auch keinerlei Diskussion statt. Man konnte sagen, das Urteil der betreffenden Generalstabshauptleute war inapellabel. Wenige Tage später kam es zur Explosion; Erzherzog Franz Ferdinand übernahm die Leitung der gemeinsamen Manöver des Heeres und der Flotte in Dalmatien, Anfang September 1906, um die Leistungsfähigkeit des FZM Beck zu erproben. Wir wurden in Pola auf die Yacht Miramare des Admirals Montecuccoli119 eingeschifft. Es war mein erstes Zusammentreffen mit dem Thronfolger. Ein kleiner Kreis von etwa 12 Offizieren war mehrere Tage mit ihm allein auf dem Schiff (es waren FZM Beck, FML Potiorek, Montecuccoli und der Schiffskommandant, dann Major Metzger, Korvettenkapitän Kailer120, Hptm. Graf Zedtwitz und ich, Linienschiffskapitän Njegovan121 und der Vorstand der Militärkanzlei des Thronfolgers Obstlt. v. Brosch122, dann ein Flügeladjutant, Personaladjutant und Ordonnanzoffizier). Von Anfang an war zu spüren, daß ein Herr mit eigenem Willen da ist, der ohne Pose, kraftvoll, einfach und natürlich sagt, was er denkt und was er will; und das muß dann geschehen. Es wehte die scharfe Luft unbedingten Herrschergeistes. 119 Über Rudolf Graf Montecuccoli degli Erri (1843-1922) vgl. Glaise-Broucek I, 417, Anm. 429. Er war 1904-1913 Marinekmdt. u. Chef der Marinesektion im KM. Er gilt als Schöpfer der modernen k.u.k. Kriegsmarine. 120 Karl Kailer v. Kaltenfels (Pola, 24. 5. 1862-28. 4. 1917, Wien), 1880 als Seekadett aus der Marineakad. ausgemustert, 1899 bei Blockade von Kreta, dann im Boxeraufstand beim öst.-ung. Eskadre, 1903 Korvettenkapitän, 1910/1911 Stellvertreter des Chefs der Operationskanzlei der Kriegsmarine, 1908-1909 Eskadrestabschef, 1911/1912 Chef der Operationskanzlei, 1. 1. 1913 Kontreadmiral und Stellvertreter des Marinekmdt., 1. 11. 1914 Vizeadmiral, 1917 nach dem Tod des Admirals Haus Chef der Marinesektion im KM. 121 Über Maximilian Njegovan (1858-1930) vgl. Glaise-Broucek I, 478, Anm. 593. Er war von 8. 2. 1917 bis 23. 2. 1917 Marinekmdt. und wurde wegen der Meuterei im Kriegshafen von Cattaro enthoben, 23. 2. 1917 Admiral, 1. 3. 1918 pensioniert. 122 Über Alexander Brosch v. Aarenau (1870-1914) vgl. Glaise-Broucek I, 153, Anm. 45. Er war 1893-1899 im Eisenbahnbüro d. Glstbs., 1906-1911 Vorstand der Militärkanzlei des Ehg. Franz Ferdinand.

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Bei den Mahlzeiten saß ich als Jüngster dem Erzherzog gegenüber; er sprach freundlich mit mir und mit dem neben ihm sitzenden Admiral Montecuccoli, hingegen beinahe kein Wort mit FZM Beck. Die Lage war für mich recht ungemütlich und peinlich. Als wir uns Ragusa123 näherten, brach ein starker Sturm los, der die beabsichtigte Landung der Angriffstruppen unmöglich machte ; dies wurde uns vom Kommando der Landungstruppen telegraphisch gemeldet. Nun war ein schneller Entschluß der Manöverleitung nötig, dem natürlich der alte FZM Beck nicht gewachsen war. Potiorek ging mit dem Telegramm direkt vor dem Erzherzog auf Beck los, der es mit zitternder Stimme vorlas. Der Erzherzog fragte, was er nun verfüge? Der alte Herr stammelte einige Worte. Damit waren die Würfel gefallen, Beck war den letzten Tag Chef des Generalstabs. Potiorek rechnete mit Sicherheit auf die Nachfolgerschaft. ... Die Manöver standen unter keinem günstigen Gestirn. Der Thronfolger wurde beim Einzug in Ragusa von der Bevölkerung ignoriert, während der in landesüblicher Tracht einreitende montenegrinische Thronfolger 124 stürmisch bejubelt wurde: ein Fehler des politischen Arrangements. Die Gefechte im Karst waren unkriegsmäßig und wurden von den ausländischen Offizieren abfällig beurteilt : ein Fehler des militärischen Arrangements. Das Souper, welches der Erzherzog den montenegrinischen Gästen gab, war gesellschaftlich schlecht arrangiert und endlich war die Schlußbesprechung ein menschlicher Mißgriff: Während nämlich der alte FZM Beck unsere Elaborate vorlas, begannen auf der Straße vor dem Garten des Hotels Imperial die Regimentsmusiken ihre Märsche zu spielen, so daß man nicht ein Wort verstand. Ich hatte den Erzherzog zu der Schlußbesprechung abzuholen ; als wir zur Eingangstür des dicht mit Bäumen bepflanzten Hotelgartens kamen, sagte ich : „Dort ist der Platz Eurer kaiserlichen Hoheit." Der Erzherzog fixierte mich und erwiderte: „Wo mein Platz ist, weiß ich selbst." Die Stimmung war sehr gereizt. Nach alter Sitte hätte der Thronfolger zum Schluß uns für unsere Arbeit danken sollen; der Kaiser tat das immer; der Erzherzog tat es nicht, dafür rief uns FZM Beck zusammen und sprach im Namen des Kaisers seinen Dank aus, „da es niemand anderer tut". Unsere Arbeit war damals erdrückend; ich habe eine Woche lang im Hotel Imperial von früh bis nachts gearbeitet und erst am letzten Tag des Meer gesehen. Bei der Rückfahrt hätte ich über Sarajevo mit der Bahn fahren sollen, weil auf der Yacht kein 123 Ragusa, kroatisch Dubrovnik, Zentrum und bedeutendster Hafen Süddalmatiens. 124 Ein Foto mit Erbprinz Danilo von Montenegro und Erzherzog Franz Ferdinand anlässlich ihres Eintreffens bei Ragusa findet sich bei Rudolf Kiszling, Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este. Leben, Pläne und Wirken am Schicksalsweg der Donaumonarchie, Graz-Köln 1953, nach 112.

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Platz war. Ich beschwerte mich deshalb bei Obstlt. v. Brosch, und tatsächlich ließ der Erzherzog einen Herrn seines Gefolges ausschiffen und nahm mich auf die Yacht Miramare auf. Als ich in der Früh in den Schiffssalon kam, lag am Tisch des FZM Beck ein Werk über den Sturz Benedeks im Jahre 1866, das er sich zur Lektüre mitgenommen hatte. Diese klassische Haltung des alten Herrn imponierte uns. Der Thronfolger hatte gewiß mit seinem Vorgehen im Wesen recht, aber die Form hätte rücksichtsvoller sein können. Sichtlich vertrug er keine Gefährdung staatlicher Interessen. In den Schluß der Ära Beck fiel noch ein höchst wichtiges, welthistorisches Ereignis: der Besuch des Königs Eduard VII. von England im Sommer 1906 bei unserm Kaiser. König Eduard fuhr nach Ischl, um Kaiser Franz Joseph zu bewegen, das Bündnis mit Deutschland aufzugeben. Der König stellte unsern Kaiser geradezu vor die Wahl, entweder im Bund mit Deutschland zugrunde zu gehen oder im Anschluß an England, Frankreich und Rußland sich eine neue Zukunft aufzubauen. Für diesen Fall hätte, wie FZM Beck uns den Tag nach der Zusammenkunft mitteilte, die Monarchie freie Hand auf dem Balkan bekommen und: „Falls Italien Schwierigkeiten bereitet, erscheint meine Flotte vor Rom und verwandelt es in 24 Stunden in einen Trümmerhaufen." Einige Stunden lang lag die Kurbel zum Rad der Weltgeschichte wirklich in der Hand des Kaisers Franz Joseph. Als König Eduard die kaiserliche Villa in Ischl verließ, sagte er laut zu seinem Adjutanten: „The emperor is very myope", der Kaiser ist sehr kurzsichtig. Der König reiste ab, ohne die gewohnten Ehrengeschenke zu geben. Unser Kaiser hatte seine Anträge, so verlockend sie auch waren, abgewiesen. Ein solcher Fall erhabener deutscher Treue ist wohl in der Geschichte des deutschen Volkes nicht wieder zu finden : Habsburg hielt Nibelungentreue. Von diesem Tage datiert der Entschluß Englands zur Einkreisung von Mitteleuropa, und es war die heilige Pflicht Deutschlands, in alle Zukunft den Wiederaufbau Österreich-Ungarns zu fördern!125 Als Kuriosum dieser Zeit möchte ich noch erwähnen, daß wir im Operationsbüro auch ganz geheim einen Aufmarschplan gegen - Ungarn ausarbeiten mußten ; diese Arbeiten wurden bis zum letzten Handlangerdienst von uns 125 Immerhin haben FZM Beck oder der Kaiser die Bearbeitung eines Kalküls für einen „Fall DR" veranlasst. Es wurde von Obstlt.i.G. Paie bearbeitet und kam zu dem Schluss, dass eine erfolgreiche Abwehr eines Angriffs des deutschen Heeres nur im Verein mit einem militärischen Bündnis mit Russland erfolgversprechend sein könnte. Es sei anzunehmen, dass die deutsche Armee am Rhein zunächst verteidigen und Österreich-Ungarn angreifen würde, ohne dass England oder Frankreich helfen könnten. Vgl. Broucek, Ein Aufmarschkalkül Österreich-Ungarns für einen Kriegsfall DR.

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Generalstabsoffizieren fertiggestellt; Se. Majestät ließ uns schließlich sagen, er verleihe jedem von uns das Militärverdienstkreuz - unter dem Hemd zu tragen. Die Arbeit blieb natürlich rein theoretisch und wurde unter Conrad vernichtet126.

B. Ara Conrad von Hötzendorf Die Enthebung des FZM Beck erfolgte unter gleichzeitiger Verleihung des Grafenstandes an diesen so hochverdienten General127. Die folgenden Wochen in Wien waren von der bangen Frage erfüllt, wer sein Nachfolger werde. Geradezu prädestiniert erschien hiefür sein bisheriger Stellvertreter FML Potiorek, der von einem mystischen Intelligenzglanz umleuchtet war und bei Hof und im Generalstab eine große Zahl von Anhängern hatte. Ich gehörte zu der kleinen Gruppe, die Conrads Ernennung herbeisehnte; ziemlich mühsam bekehrte ich auch Obstlt. Metzger zu meiner Ansicht; der einflußreichste Vorkämpfer für Conrad war Obstlt. v. Brosch, der geniale, überaus energische Vorstand der Militärkanzlei des Thronfolgers. Potiorek und Conrad waren entgegengesetzte Naturen. Beiden war gemeinsam die Freude an wissenschaftlicher Forschungsarbeit und die außergewöhnliche Intelligenz, aber Conrads Begabung war ursprünglich, urkräftig wie eine Naturgewalt, die des FML Potiorek hingegen war mehr gekünstelt, entstammte der Studierstube und wies und drängte zum Schreibtisch. Potiorek war eine Gelehrtennatur, ein militärpolitischer Schriftsteller, Conrad war eine Künstlernatur und durch und durch Soldat, dabei als Mensch eine Idealgestalt; frei von Eitelkeit, frei von Ehrgeiz, geistig durchaus ehrlich, eine reine Seele, ein Feind des Sarkasmus und ein Freund der Klarheit, immer natürlich und immer einfach, dabei von einer Liebenswürdigkeit, deren Zauber sich niemand entziehen konnte, der mit ihm zusammenkam. Nur in sachlichen Fragen, welche das allgemeine Wohl betrafen, war er unnachgiebig und messerscharf, wenn er auf Widerstand stieß. Im November 1906 erfolgte unter dem Einfluß des Erzherzogs Eugen, der Conrads Korpskommandant in Innsbruck war, über Verlangen des Thronfolgers die Ernennung Conrads zum Chef des Generalstabs, eines der wichtigsten Ereignisse der europäischen Politik vor dem Weltkriege.

126 Dürfte auf einem Irrtum Zeyneks beruhen. Die Aktenlage in den Militärkanzleien des Kaisers und des Thronfolgers erweist, dass mit einem „Fall U " noch bis zum Wehrgesetz von 1912 gerechnet wurde. 127 Gleichzeitig mit seiner Enthebung im Oktober 1906 wurde General Beck in den Grafenstand erhoben und zum Kapitän der Ersten Arcièren-Leibgarde ernannt; seit 1913 führte er den Doppelnamen Beck-Rzikowsky (der Geburtsname seiner Gattin).

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In meiner überströmenden Freude schrieb ich sofort einen Jubelruf für die Reichspost128. Niemand erfuhr meine Urheberschaft, aber der Artikel machte im Generalstab Aufsehen ; nur dem Thronfolger war er nicht recht, und er ließ uns allen sagen, daß er so eine Propaganda nicht wünsche. Sie war auch nicht notwendig, denn der Name Conrad wirkte wie ein Zauberwort auf die Armee. Ein Heer ist kein automatischer Mechanismus, der sich „nach des Dienstes ewig gleichgestellter Uhr bewegt", vielmehr ein lebhaft und fein empfindender Organismus, in welchem ein von seelischer Kraft und innerem Schwung getragener Wille an leitender Stelle Tausende, ja Hunderttausende mit sich reißt. Man spürte es, das Schlagwort : es dürfe nichts geschehen, damit nichts geschieht, werde rapid ein Ende finden. Natürlich wurde auch geraunt, Conrad werde sich nicht lange auf seinem Posten behaupten können, er sei für seine Stellung noch zu jung - erst 54 Jahre alt -, er werde über die Fußangeln und das glatte Parkett des Hofes und über die Intrigen der Ministerien bald fallen. Sein erstes Auftreten wirkte beängstigend, denn sichtlich wollte er, daß Begabung und Tüchtigkeit freie Bahn bekomme, daß der veraltete Formalismus verschwinde und anstelle bürokratischen Hochmuts soldatischer Freimut trete. Sein erstes Memoire für Seine Majestät war geradezu revolutionierend. Er entwarf ein Bild der Zustände in Europa, ja darüber hinaus aller Großstaaten der Erde und leitete daraus die zwangsläufige Gestaltung der Zukunft ab. Er bewies darin, daß Österreich-Ungarn vor dem Kampf um seine Existenz stehe! Die Hofkreise und die Diplomatie waren außer sich. Niemand hatte vorher an die Möglichkeit eines Krieges gedacht, und nun legte Conrad dem Kaiser dar, daß ein gleichzeitiger Krieg gegen Rußland, Italien und Serbien unvermeidlich sei, wenn nicht die Politik der Monarchie grundlegend geändert würde. Dynastische Beziehungen und diplomatische Klugheit würden durch völkerbewegende Kräfte über den Haufen gerannt. Da die Außenpolitik durch das Bündnis mit Deutschland in der wichtigsten Richtung unabänderlich festgelegt sei, gäbe es keine Möglichkeit, den Frieden zu erhalten, und unsere einzige Chance läge darin, den Krieg gegen Serbien, Italien und Rußland aus eigener Initiative hintereinander zu führen, statt den Feinden die Wahl des Zeitpunktes zu gleichzeitigem Vorgehen gegen uns zu überlassen. Man war in der Umgebung des Kaisers geradezu entsetzt. Das heilige System der Erhaltung des Status quo sollte zusammenbrechen, weil ein Ge128 In der Reichspost erschienen am 16. und 20. 11. 1906 zwei informative, aber rein sachliche Mitteilungen über die Bestellung FML Franz Conrads von Hötzendorf zum Chef des Generalstabs. Es kann sich in beiden Fällen nicht um den von Zeynek angeführten Artikel handeln. Möglicherweise liegt eine Verwechslung mit Danzer's Armeezeitung vor.

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neral Kassandrarufe ausstößt? Conrad wurde als Ketzer und Hetzer und Phantast gebrandmarkt, denn er hatte sich erkühnt, in dem Memoire zu schreiben : „Ich habe eine Status-quo-Politik, welche nur auf Ruhe, Frieden und Erhaltung des Bestehenden abzielt, nie begriffen, weil es in der historischen Entwicklung kein Stehenbleiben gibt." ... „Wer nicht den Mut zu einer rührigen Politik hat, muß auf den Niedergang gefaßt sein." Es war nicht zu wundern, daß Kaiser Franz Joseph noch nach Jahren Conrad sagte : „Ich ärgere mich immer, wenn ich Ihre Denkschriften lese."129 Das Echo in der Welt der Schranzen konnte nicht ausbleiben; vom Kriegsminister und vom Minister des Äußern angefangen wurde getuschelt und gewitzelt und der baldigste Sturz Conrads prophezeit. Seine Anträge wurden verlacht und abgewiesen, seine Maßnahmen möglichst vereitelt130. Es hatte sich aber um Conrad schon eine Gruppe fanatischer Anhänger und Jünger gebildet, ein geistiger Sturmtrupp, der mit Feuereifer und Begeisterung seinen Standpunkt als den wirklich patriotischen vertrat. Die Kraft der Gedanken, die von Conrad ausging, ließ sich um so weniger unterdrükken, als politische Sturmzeichen für ihn sprachen. Im Dezember 1906 wurde das Zusammenarbeiten von Rußland mit Serbien und die durch das Bündnis nur verhüllte Kampfstellung Italiens gegen uns für jeden klar, der nicht die Augen schließen wollte. Conrads erste Forderung war ein Zusammenwirken von Diplomatie und Kriegsvorbereitung, wie es damals schon in Frankreich und England bestand, denn die Außenpolitik dieser Staaten paßte sich den militärisch-operativen Verhältnissen elastisch an und wurde durch diese bestimmt. Conrad wollte wenigstens insoweit orientiert werden, daß der Generalstab wisse, für welchen Kriegsfall, für welche Kriegsfälle die Armee zu organisieren und auszurüsten sei, denn für alle Fälle konnte man sich nicht bereitstellen, dazu langten die Mittel und Kräfte nicht. Ein großer Teil der Kampftätigkeit Conrads war der Erreichung dieses Zieles zugewendet, leider wurde die ganze Kraft des Ministers des Äußern im entgegengesetzten Sinne eingesetzt, denn nach der Verfassung war dieser Minister nur Seiner Majestät verantwortlich, und der Chef des Generalstabs spielte verfassungsrechtlich keine Rolle, da 129 Dieser geflügelte Ausspruch des Kaisers wurde von dem Burgschauspieler und Volksbildner Fred Hennings als Titel eines seiner Bücher über Politik und Kultur der Epoche vor 1914 verwendet: Solange er lebt. 4. Teil: „Ich ärgere mich immer, wenn ich ihre Denkschriften lese!", Wien-München 1970. 130 Vgl. zu diesen Fragen die Arbeiten von Solomon Wank, angeführt in der Einleitung zu dem von ihm hrsgg. Werk: Aus dem Nachlaß Aehrenthal. Briefe und Dokumente zur österreichisch-ungarischen Innen- und Außenpolitik 1885-1912 (Quellen zur Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts 6), Graz 1994. Siehe auch Eugenie Maria Müller, Der Konflikt Conrad-Aehrenthal, phil. Diss. Univ. Wien 1978.

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er nur ein Hilfsorgan des Obersten Kriegsherrn war. Der Buchstabe des Gesetzes siegte jahrelang über die Vernunft und patriotische Pflicht. Der Kaiser schwankte zwischen seinen Ratgebern und suchte schließlich im konstitutionellen Prinzip seinen Halt, wonach der Minister des Äußern verantwortlich, der Chef des Generalstabs hingegen nur ein unverantwortlicher Berater war. Im militärischen Bereich änderte Conrad zunächst die Kriegsvorbereitungen gegen Italien, indem er statt eines frontalen Vorstoßes vom Isonzo einen mächtigen Angriff aus Tirol plante. Zu diesem Zweck sollten die Hochplateaus in Südtirol (Folgaria, Lavarone) fortifikatorisch und durch Ausbau des Straßennetzes hergerichtet werden. Conrad war überzeugt, daß Italien nicht an unserer Seite kämpfen werde, und hatte dies vor dem Kaiser damit motiviert, daß keine Macht in Italien stark genug sein werde, um die Einhaltung der Bündnispflicht zu erzwingen. Wenn es die Regierung auch wolle, werde sie gestürzt, wenn es der König auch wolle, werde er fallen, denn nicht höfische, sondern nur Volksinteressen bestimmen die Schicksale der Völker. Nun erhob aber der Minister des Äußern sofort Einsprache gegen militärische Vorbereitungen in Südtirol, weil dadurch das bündnisfreundliche Verhältnis gestört würde; bedauerlicherweise stellte sich auch der Kriegsminister General Schönaich131 auf die Seite des Ministers des Äußern Frh. v. Aehrenthal 132 . Es war zum Verzweifeln. Der Thronfolger durchschaute das Spiel, besaß aber nicht die Macht, Conrad zu helfen. So begann ein Kampf, der bald die maßgebenden Kreise Wiens in zwei feindliche Lager teilte, „Die Burg" und „Das Belvedere". Dort das Festhalten am Status quo in jeder Hinsicht, hier die Forderung nach einer aktiven Außen- und Innenpolitik. Solange Kaiser Franz Joseph lebte, zogen natürlich die offenen Anhänger Conrads den kürzeren, denn sie wurden als Frondeure betrachtet. Für den Sommer 1907 sagte man den Sturz Conrads voraus. Damals sollten die ersten Kaisermanöver nach seinen Grundsätzen stattfinden, als kriegsmäßig und freizügig, und die Regierungskreise erwarteten eine volle Konfusion und Unordnung vor den Augen Seiner Majestät. Die Manöver fanden in Kärnten statt und endeten mit einem großen taktischen Erfolg des FZM Potiorek, der inzwischen Korpskommandant in Graz geworden war. Auch Erzherzog Eugen, der das Innsbrucker Korps führte, zeichnete sich sehr durch seine geschickte Führung aus. Ich war Berichterstatter der Ma-

131 Über Franz Frh. v. Schönaich (1844-1916) vgl. Glaise-Broucek I, 134, Anm. 231. Er war 1905-1906 österr. Min. für Landesverteidigung und 1906-1911 k.u.k. Reichskriegsmin. 132 Über Alois Lexa Frh., seit 1909 Graf von Aehrenthal (1854-1912) vgl. Glaise-Broucek I, 158, Anm. 67. Er war 1906-1912 Min. des Äußern und des kaiserlichen und königlichen Hauses.

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növerleitung, saß eines Tages am Straßenrand, um eine Situationsmeldung zu verfassen, als ein heransausendes Auto plötzlich vor mir anhielt. Es war der Thronfolger, der sich von mir genau Bericht erstatten ließ und mir zum Schluß den Befehl gab: „Telephonieren Sie von der nächsten Station dem Egi, er solle seine Truppen nicht weiter anstrengen, das Korps hat genug geleistet. Ich übernehme die Verantwortung." Egi, das war der Erzherzog Eugen. Ich habe den Befehl im Wortlaut angeführt, weil er für die Art des Thronfolgers so charakteristisch ist; der Befehl war auch sachlich sehr am Platze, denn er verhinderte eine Überanstrengung des Innsbrucker Korps und nahm den Feinden Conrads den Stachel der Kritik. Es waren nicht Conrads, sondern des Kaisers letzte Manöver, der mit seinen 78 Jahren den Strapazen einer derartigen Leitung nicht mehr gewachsen war. So ging aus diesen Manövern der Thronfolger als neuer militärischer Herr hervor, und Se. Majestät, der immer die Sache über die Person stellte, zog sich von der Leitung der Manöver zurück. Den Kampf Conrads mit Aehrenthal erledigte Seine Majestät im Mai 1908 dahin, daß der Chef des Generalstabs ermächtigt wurde, in politischen Fragen, welche mit den Kriegsvorbereitungen zusammenhängen, direkt mit dem Minister des Äußern verkehren zu dürfen. Bis dahin war dies unzulässig. Nach den Kärntner Manövern trat ich das erste Mal in engeren außerdienstlichen Verkehr mit General Conrad. Ich hatte damals die Ausarbeitung der Kriegsvorbereitungen gegen Serbien als Nachfolger des Hptm. Graf Zedtwitz übernommen, und zufällig mußte eine dieser Arbeiten Conrad in seine Sommerfrische Mürzzuschlag gebracht werden; es war sachlich selbstverständlich, daß ich damit beauftragt wurde. Conrad war verständigt. Als ich in Mürzzuschlag ausstieg, erwartete mich zu meiner Überraschung Conrad in Steirertracht mit seinem Sohn am Bahnhof, und wir gingen zu Fuß in das bescheidene Bauernhaus, das er mit seiner Mutter bewohnte. Das Referat und die Besprechung erwiesen volle Übereinstimmung der Ansichten, ich blieb zum Mittagessen bei ihm, und er begleitete mich noch zur Bahn zurück, wobei er mir vertraulich mitteilte, daß die Annexion Bosniens eine beschlossene Sache sei, die ihm aber als halbe Maßregel nicht gefalle. Man kann sich keinen sachlicheren, einsichtsvolleren, gedankenreicheren Mann denken als Conrad. Seine Bescheidenheit und Liebenswürdigkeit waren bestrickend. Ich verließ ihn ganz im Banne dieser einzigartigen Erscheinung. Es war jeder zu beneiden, der das Glück hatte, mit ihm gemeinsam arbeiten zu können. Kurze Zeit darauf begleitete ich ihn auf einer Fahrt nach Nordböhmen, wo ein Kriegsbrückenmodell erprobt wurde. Es waren unvergeßliche Stunden voller Anregungen und geistiger Freude. Mein Enthusiasmus war nicht jugendlich, denn ich war schon 34 Jahre alt, aber der Eindruck seines Wesens war überwältigend: Er machte keinen Unterschied nach der Charge;

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wer mit ihm zusammen arbeitete, war ihm dadurch gleichgestellt; er sagte auch jedem Generalstabsoffizier Du, und seine Freundlichkeit war absolut natürlich und herzenswarm. Im geistigen Kampfe kannte er nur unbedingte Sachlichkeit; gegen Widerspruch war er etwas empfindlich, was aber bei dem Gefühl der Überlegenheit seiner Begabung begreiflich war, denn tatsächlich hatte er fast immer recht. Mit vielen bedeutenden Generälen, wie Kuhn133, Galgotzy134, Fiedler, Pino, Beck, Potiorek teilte er die bürgerliche Weltanschauung, ließ Vorrechte des Adels in der Armee nicht gelten und blickte auf höfische Sitten mit Lächeln herab. Gegen die Hofkreise war er ablehnend, ja hochmütig. Eine Ausnahme bildete der Chef der Militärkanzlei Seiner Majestät, General Freiherr v. Bolfras135, den er sehr verehrte und mit dem ihn wahre Freundschaft auch im Weltkrieg verband, was für die Armee sehr wichtig war. Es wäre überhaupt irrig, im Sinne sozialistischer Propaganda zu glauben, daß die Armee zum Servilismus erzogen wurde ; im Gegenteil, zahllose Episoden bewiesen den Soldatenstolz vor Königsthronen ; um die Gestalten der Generäle Härtung136, Galgotzy, Kuhn, Fiedler, Conrad wob sich ein ganzer Legendenkreis solcher Geschichten. Einen solchen Vorfall möchte ich erzählen, weil es den magister elegantiarum, den General der Kavallerie Graf Uxküll betraf. Als bei einer seiner Besprechungen ein höchststehender Erzher133 Über Franz Frh. Kuhn v. Kuhnenfeld (1817-1896) siehe Glaise-Broucek I, 111, Anm. 158. Er war 1866 als Brigadier der Verteidiger Südtirols gegen Garibaldi und dann 1868-1874 Reichskriegsmin. 134 Anton Galgotzy (Szepsiszentgyörgy/ Sfântu Gheorghe, Siebenbürgen, 1. 2. 1837-5. 11. 1929, Wien), Zögling der Grazer Kadettenkompanie und dann Lt. im IR. 34, Glstbslaufbahn, 1859 Hptm.i.G. im Stab des V Armeekorps, nach 1866 im militärgeographischen Institut, 30. 4. 1870 Mjr.i.G., 1. 11. 1876 Obst.i.G., 1877 Chef des Glstbsbüros für operative Arbeiten, 1878 im Stab von Philippovich beim Okkupationsfeldzug in Bosnien-Herzegowina, dann Kmdt. IR. 34, ab 1. 11. 1882 als Kmdt. der 6. Gebirgsbrig. bei der 18. ITD beteiligt an der Niederwerfung des Aufstands in Süddalmatien, 27. 2. 1887 Stellvertreter des Chefs d. Glstbs, 18. 10. 1891 Kmdt. des X. Korps und Kdi. Gen. v. Przemysl, 21. 10. 1891 Inhaber des IR. 71, Geheimer Rat, 1. 5. 1895 FZM, 1. 11. 1905 Generaltruppeninspektor, 1. 2. 1908 als G.d.I. pensioniert. 135 Über Arthur Frh. v. Bolfras (1838-1922), 1889-1917 Chef der Militärkanzlei, vgl. GlaiseBroucek I, 155, Anm. 49. Über ihn siehe auch Karl Schulda, Generaloberst Freiherr Arthur von Bolfras. Generaladjutant und Vorstand der Militärkanzlei Seiner Majestät Kaiser Franz Josephs I., phil. Diss. Univ. Wien 1993. 136 Ernst R. v. Härtung (Schwechat, 23. 8. 1808-11. 10. 1879, Wien), 1827 als Fähnrich aus der Genieak. zu IR. 1, Laufbahn als Genie- und Truppenoffizier, 15. 9. 1854 als GM Brigadier beim II. Armeekorps, dann beim Serbisch-Banater Armeekorps, 15. 8. 1862 Truppenkmdt. im Küstenland, 4. 10. 1866 ad interim Kdi. Gen. für Osterreich, Salzburg, Mähren und Schlesien, 20. 3. 1868 Kdi. Gen. in Wien, 22. 4. 1868 FZM ad honores, 1. 3. 1869 Ruhestand.

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zog mit einem Nebenmann ein paar Worte sprach, rief ihm Üxküll vor allen Offizieren zu: „Kaiserliche Hoheit, das bitte ich mir untertänigst aus!" Blinder Gehorsam wurde nur bei Ausführung von Befehlen verlangt, deren Motive und Zusammenhang der Befehlsempfänger nicht kennen konnte. Sobald hingegen die Grundlagen für ein eigenes Urteil vorhanden waren, wurde dieses nicht nur geduldet, sondern gefordert. Die Wahrheitsliebe, welche oft im Widerstreit mit dem Opportunismus lag, wurde in der Armee teils geschützt, teils toleriert; gegenüber Conrad zwang sein Wesen sogar zögernde, vorsichtige, unsichere Charaktere zu offenem Freimut. Bald nach Übernahme seines Amtes schrieb er in einer an Seine Majestät gerichteten Denkschrift - 3 1 . Dezember 1907 - , daß in der Armee „alle Augendienerei und auf Äußerlichkeiten hinauslaufenden Loyalitätskundgebungen nicht nur zu vermeiden, sondern geradezu zu verpönen seien". Wie Conrad seinem Obersten Kriegsherrn immer die Wahrheit sagte, wird für alle Zeiten vorbildlich sein ; diese Festigkeit trug ihm schließlich auch das Vertrauen des ritterlichen Kaisers Franz Joseph ein. Für Erzherzöge war es nicht leicht, mit ihm auszukommen; namentlich dem Thronfolger gegenüber, der ihn doch auf seinen leitenden Posten gebracht hatte, war er unnachgiebig und sogar in der Form unkonziliant, wie ich es wiederholt erlebt habe. Die schriftlichen Referate an den Kaiser, Alleruntertänigste Vorträge genannt, waren großenteils Meisterwerke eines prophetisch in weite Zukunft sehenden Staatsmannes und verdienen besondere geschichtliche Würdigung. Die mündlichen Referate in den Audienzen gestalteten sich oft unangenehm, weil Conrad die Wahrheit nicht einmal schminkte. In einer Audienz kam der Kaiser so aus der Ruhe, daß er zum Fenster ging und auf der Scheibe mit den Fingern trommelte. Conrad blieb beim Schreibtisch stehen, machte schließlich seine Verbeugung und verließ, ohne daß ein Wort gesprochen wurde, das Zimmer. Ich glaube, daß Conrad die Rolle, welche der Dynastie zufiel, unterschätzt hat. Bei etwas größerer Klugheit hätte sich vielleicht ein besseres Einvernehmen besonders mit dem Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand, der in den wichtigsten Fragen des Staates mit Conrad konform dachte, ergeben können ; aber es brauchte nur eine Anregung von oben zu kommen, so trat schon Conrads oppositioneller Geist in Abwehrstellung. Er traute diesen Kreisen keine Sachlichkeit zu und würdigte nicht genug den durch Generationen erzogenen Instinkt der habsburgischen Dynastie, den ich bei Erzherzog Franz Ferdinand und bei Kaiser Karl oft bewundert habe. Im Mai 1908 führte mich eine Informationsreise nach Bosnien und in die Herzegowina, wobei ich die unhaltbaren Zustände im Sandzak Novibazar (Pljevlje und Prepolje) kennenlernte und bei Uvac-Vardiste, ohne es zu wis-

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sen, serbisches Gebiet betrat und nur durch einen kühnen Sprung mich vor Gefangennahme rettete, die für mich sehr unangenehm gewesen wäre und die das Ministerium des Äußern gegen den Generalstab prinzipiell ausgewertet hätte. Im Herbst 1908 fanden bei Veszprém-Hajmáskér die ersten Kaisermanöver unter der Leitung des Thronfolgers statt. Ich war in der Operationsabteilung eingeteilt. Am ersten Tage gab Conrad nach einem alten, unter Kaiser Franz Joseph eingebürgerten Brauch spätabends die Mitteilung aus, die Manöverleitung werde sich in der Früh auf der Höhe A etablieren. In der Früh blieb ich zurück, um die inzwischen einlaufenden Situationsberichte zusammenzustellen, während Conrad mit den andern Generalstabsoffizieren auf die Höhe A fuhr. Plötzlich erschien bei mir der Chef der Militärkanzlei des Thronfolgers, Obstlt. v. Brosch, mit dem Befehl, ich solle sofort zum Thronfolger kommen; den Grund dürfe er mir nicht sagen. Wir fuhren stumm zum Haus, wo der Thronfolger wohnte. Beim Eingang stand Erzherzog Karl, der nachmalige Kaiser, und schaute mich mitleidsvoll an. Ich trat ein ; der Thronfolger empfing mich ohne Gruß mit der scharfen Frage : „Was bin ich bei diesen Manövern?" Ich antwortete ebenso dezidiert: „Kaiserliche Hoheit leiten die Manöver im Auftrag Seiner Majestät." Darauf er: „Nun also, nicht wahr? Wie kann Conrad über mich disponieren, ohne meine Zustimmung einzuholen?" Ich entschuldigte kurz, es sei ein alter Brauch aus Kaisers Zeit. Darauf befahl er : „Das gibt es nicht mehr. Telephonieren Sie sofort an Conrad, die Manöverleitung ist auf Höhe Β zu etablieren. Ich danke." Mir war die Stellungnahme des Thronfolgers begreiflich, diese Renaissancenatur, die zum Herrschen geboren war, vertrug es nicht, als Statist behandelt zu werden. Der erste Teil meiner Mission war vorüber, nun begann aber der schwerere, die Mitteilung an Conrad. Ich fuhr mit größter Beschleunigung zu ihm, um vor dem Erzherzog dort zu sein und kalmierend zu wirken. Conrad führte den Befehl aus und zeigte keine Spur einer Erregung. Als aber der Thronfolger nach kurzer Zeit auch auf die Höhe Β kam, wich er ihm konsequent aus und beschränkte den Verkehr auf rein dienstliche Berichterstattung. Die Lage war sehr unbehaglich, der Tag fand aber einen interessanten Abschluß, der damalige Generalmajor Boroevic, der im Operationsbüro viele Feinde hatte, führte nämlich seine Brigade durch eine kühne Bewegung zu einem großen Erfolg. Ich nahm die telephonische Meldung darüber entgegen und reichte sie ohne Rücksicht auf die herrschende Aversion gegen Boroevic dem gerade im Wegfahren begriffenen Thronfolger, der sich dafür herzlich bei mir bedankte und laut rief: „Der Boroevic ist doch ein Teufelskerl!" Boroevic wurde im Weltkrieg Feldmarschall. Auch bei den Kaisermanövern 1909 in Mähren (bei Meseritsch) war ich in der Operationsabteilung eingeteilt. Der deutsche Kaiser war als Gast dazu

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D a s L e b e n eines ö s t e r r e i c h i s c h e n G e n e r a l s t a b s o f f i z i e r s

eingeladen ; am letzten Tag war seine Abfahrtsstunde festgesetzt, aber der Angriff der einen Partei wollte nicht in Gang kommen, so daß ein neuer Befehl an den Parteikommandanten ausgegeben werden mußte, den ich zu überbringen hatte. Ich fuhr und suchte, konnte aber das Parteikommando nicht finden, kehrte schließlich unverrichteter Dinge zurück. Bei der nun entstehenden Diskussion trat der Thronfolger lebhaft für mich ein. Kaiser Wilhelm mußte allerdings abreisen, ohne den Angriff gesehen zu haben. Bei diesen Manövern spielte sich ein unangenehmer Zwischenfall ab, da die Kavalleriedivision des Erzherzogs Franz Salvator, des Schwiegersohns des Kaisers, in der Nacht in Unordnung kam und zersprengt wurde. Ich erhielt den Auftrag, dem Erzherzog zu melden, daß seine Division auf die Dauer der ganzen Manöver außer Gefecht gesetzt werde. Otto Windischgrätz half mir, diese Hiobsbotschaft auszurichten. Erzherzog Karl, der künftige Kaiser, war damals als Ordonnanzoffizier bei der Manöverleitung eingeteilt. Er war damals noch sehr jung, und Major Bardolff und ich halfen ihm, die Situationsmeldungen richtig zu erstatten. Ich traf den Erzherzog Karl im Juni 1911 wieder in Brioni, wo ich bei einer Festungs-Generalstabsreise unter Leitung des FZM Benda137 eintraf. Benda war einer der bedeutendsten Artilleriegeneräle, aber seine Adjustierung war weniger hervorragend; seine Kappe war so dekorumswidrig, daß, als er sich beim Erzherzog Karl melden wollte, ich ihm meine Kappe dazu borgen mußte. Der junge Erzherzog verbrachte seine freie Zeit im Kreise von solchen Marineoffizieren, die uns nicht sehr sympathisch waren, und suchte unsere Gesellschaft nicht auf. Wenige Tage später erfuhren wir aus den Zeitungen, daß er sich mit Prinzessin Zita von Parma verlobt habe. Vorgreifend will ich nur bemerken, daß diese Ehe überaus glücklich, ja geradezu vorbildlich war. Mit General Conrad machte ich 1909 eine sogenannte „große Generalstabsreise" mit, die uns zu Pferd von Laibach bis nach Görz führte. Die Ritte, Bergtouren und Arbeiten waren auch für einen trainierten kräftigen Mann sehr anstrengend. Die hohen Zivilwürdenträger waren mit dem System Beck gewiß zufriedener, denn Conrad hatte weder zu Empfängen noch zu Ansprachen, Huldigungen und Festlichkeiten Zeit und Lust. Wir kamen meistens staubbedeckt und todmüde in den Nächtigungsstationen an und waren gar nicht in der Verfassung, mit hohen Funktionären zusammenzukommen. Am letzten Tage dieser Reise besprach Conrad mit Mjr. Waldstätten, der damals 137 Adalbert Benda (Prag, 22. 6. 1852-24. 5. 1923), 1. 9. 1872 aus Techn. Milak. als Lt. zu Feldartrgt. 7, ab 1880 Glstbskarriere, 1. 5. 1896 Obst.i.G., Kmdt. von Artrgtern u. Artbrig., 1. 11. 1902 GM, 21. 11. 1907 Festungskmdt. von Krakau, 1. 5. 1907 FML, 13. 10. 1911 FZM, 31. 10. 1912 Inspektor der Festungsartillerie, 1. 8. 1917 Ruhestand.

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Stabschef der Laibacher Grenzdivision war, bei Karfreit an Ort und Stelle den Durchbruch, der 1917, als Waldstätten Chef der Operationsabteilung des AOK war, wirklich durchgeführt wurde und zu dem Sieg von Tolmein, zur Zersprengung der Armeen Cadornas führte 138 . Ich muß nun auf das Jahr 1908 zurückgreifen, da in diesem ein Ereignis sich abspielte, das sich in seinen Folgen auf viele Generationen aller Völker auswirkte, es war die Kriegsgefahr gegen Serbien und das Nachgeben Serbiens, der diplomatische Sieg Aehrenthals, der zur Vernichtung der Monarchie führte 139 . Am 6. Oktober 1908 wurde ich zeitlich früh in das Operationsbüro gerufen, wo Conrad mir mitteilte, die serbischen Manöver seien abgesagt, die Bevölkerung sehr erregt, weil für den 8. Oktober die Annexion Bosniens und der Herzegowina erwartet werde. Der Serbische Kronrat sei einberufen, um die weiteren Entscheidungen zu treffen. Die Bevölkerung verlange angeblich den Krieg gegen Österreich-Ungarn eventuell auch gegen den Willen des Königs Peter 140 . Von Conrad über meine Meinung befragt, erklärte ich im Hinblick auf unsere militärisch ganz unzureichenden Kräfte in Bosnien und der Herzegowina die Mobilisierung der für den Kriegsfall Serbien bestimmten Armeekorps für notwendig, weil wir sonst in eine militärisch sehr bedrohliche Lage hätten kommen können; überdies schien es mir unerläßlich, mit Serbien abzurechnen. Conrad stimmte natürlich zu, denn das war seine Ansicht. Da Seine Majestät in Budapest weilte, wurde beschlossen, den Major Bardolff des Operationsbüros, der in Hofkreisen sich sehr beliebt gemacht hatte, sofort nach Budapest zu schicken, damit er durch den Generaladjutanten FZM 138 Die Durchbruchsschlacht zwischen Flitsch und Tolmein fand im Rahmen der 12. Isonzoschlacht am 24. 10. 1917 statt. Luigi Cadorna (Pallanza, 4. 9. 1850-23. 12. 1928, Bordighera) war von V/1915-8. 11. 1917 Chef d. Glstbs der ital. Armee und dann bis Kriegsende Mitglied des Konsultativkomités des Obersten Kriegsrates in Versailles. Über die Schlacht siehe Hermann Schöckl, Österreich-Ungarns Isonzofront im Jahre 1917, phil. Diss. Univ. Wien 1997. 139 Über den außenpolitischen Aspekt und Ablauf der Krise siehe Francis R. Bridge, From Sadowa to Sarajevo. The Foreign Policy of Austria-Hungary, 1866-1914, London 1972, und die dort 310, Anm. 1, angeführte Literatur. Für die im Verlauf der Krise einsetzenden militärischen Verhandlungen zwischen dem deutschen und dem österreichisch-ungarischen Generalstabschef siehe Stephan Verosta, Theorie und Realität von Bündnissen. Heinrich Lammasch, Karl Renner und der Zweibund (1897-1914), Wien 1971, 343-355. 140 Peter I. Karadordevic (1844-1921), Enkel des ersten Fürsten Serbiens Georg Karadordevic. Er ging 1858 ins Exil, absolvierte die französische Militärschule von Saint-Cyr und gelangte 1903 nach der Ermordung des letzten Königs aus dem Geschlecht der Obrenovic, Alexander, auf den serbischen Thron. Er wurde im Dezember 1918 zum König der Serben, Kroaten und Slowenen ausgerufen und übergab 1919 die Regentschaft an seinen Sohn Alexander.

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Frh. v. Bolfras die Genehmigung zu dieser Teilmobilisierung erwirke. Am 7. Oktober wurde die Annexion proklamiert, am 8. kam Bardolff aus Budapest zurück und meldete, der Kriegsminister Schönaich habe in Budapest seinen Bericht höchst unwillig entgegengenommen, wolle nichts von einer Kriegsgefahr hören, da er ganz durch seine innenpolitischen Verhandlungen mit den Delegationen, den Ausschüssen der beiderseitigen Parlamente, okkupiert sei. Seine Majestät habe schließlich nur die Bereitstellung der Donauflottille genehmigt. Da wir inzwischen Nachrichten über die Zusammenarbeit der serbischen und der italienischen Regierung erhielten, bat ich Conrad, selbst zum Kaiser zu fahren, um persönlich Einfluß zu nehmen. Am 9. abends kam Conrad aus Budapest zurück und erzählte, der Kriegsminister Schönaich sei unbedingt gegen Kriegsvorbereitungen, denn Aehrenthal stehe auf dem Standpunkt, daß unsere Beziehungen zu allen Staaten ausgezeichnet seien, daß wir auf die Unterstützung durch Italien sicher rechnen können und daß England im Bedarfsfall die Dynastie Karageorgewitsch absetzen und den Herzog von Connaught141 zum serbischen König machen werde. Voraussetzung sei aber, daß wir militärisch die Ruhe nicht stören. In der Umgebung Seiner Majestät war man eher geneigt, Conrad Gehör zu schenken, wollte aber noch die Beschlüsse der am 10. zusammentretenden Skupschtina abwarten. Dieses Parlament erklärte sich mit 93 gegen 60 Stimmen für den Frieden ; allerdings erfuhren wir, daß diese offizielle Nachricht gefälscht war, daß sich alle Abgeordneten für den Krieg erklärt hatten, aber die Regierung einen günstigeren Zeitpunkt abwarten wolle, da die serbische Armee nicht aktionsfähig, besonders die Artillerie ohne ausreichende Munition war. Der Fürst von Montenegro, Nikita142, gab die Erklärung ab, er müsse allerdings mobilisieren, werde aber seine Truppen die Grenze nicht überschreiten lassen. Am 12. Oktober lief beim Evidenzbüro des Generalstabs, dem die Militârattachés unterstanden, die Nachricht ein, es sei „in Belgrad" vorgeschlagen worden, unsern Kaiser zu ermorden, aber „mit Rücksicht auf sein Alter und seine geringe Begabung" habe man diesen Plan fallengelassen. Wir wollten die Nachricht nicht glauben, nach der Ermordung unseres Thronfolgers änderten wir unsere Anschauungen über die Balkanpolitik Serbiens. Verifiziert wurde die Nachricht, daß Prinz Georg von Serbien143 leidenschaftlich die Aufstellung von Banden förderte, die in Bosnien einzufallen hatten. Am 13. Oktober erklärte Aehrenthal, ein Krieg sei ausgeschlossen.

141 Arthur Herzog v. Connaught (1850-1942), Sohn von Königin Victoria und jüngerer Bruder von König Edward VII. 142 Über Nikita I. Petrovic (1841-1921) vgl. Glaise-Broucek I, 202, Anm. 215. 143 Prinz Georg (1887-1972) war der älteste Sohn von König Peter. Er verzichtete am 29. 3. 1909 auf sein Anrecht auf den serbischen Thron zugunsten seines Bruders Alexander.

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Ich brachte Tag für Tag von früh bis nachts im „OpB." zu, wo es wie in einem Bienenstock zuging. Die Arbeiten gegen Serbien (Kriegsfall S, von mir in den Kriegsfall B, Balkan, umgewandelt) standen im Vordergrund 144 . Da ich Leiter dieser Kriegsgruppe war, fiel mir trotz meiner bescheidenen Hauptmannscharge die geistige Initiative zu. Es war eine Freude, mit welcher Selbstlosigkeit ich von den andern Kameraden des „OpB." unterstützt wurde. Die Arbeit war durch die Masse und durch die unvermeidlichen Aufregungen erdrückend, aber die herrliche Persönlichkeit Conrads wußte Schwung und Einheitlichkeit in die ganze Tätigkeit zu bringen. Leider wurde das Verhältnis zum Kriegsminister immer gereizter; Schönaich lehnte Conrads Anträge fast ausnahmslos ab und erklärte am 18. Oktober, es sei Frieden, und im Frieden sei nur er als Minister verantwortlich, denn erst im Kriege beginne die Verantwortlichkeit des Chefs des Generalstabs ! Dieser unsinnige Standpunkt erschwerte die Arbeiten natürlich sehr. Auch der Thronfolger, der Conrads Ansichten teilte, half uns nicht, denn er wollte keinen Krieg, weil er nach seiner Thronbesteigung ein freundschaftliches Verhältnis zu Rußland herstellen wollte und hoffte, bis zu diesem Zeitpunkt ein dilatorisches Verfahren einschlagen zu können. Mit seiner Thronbesteigung sollte jede Kriegsgefahr gebannt sein und alle Kraft auf die innere Neuordnung der Monarchie konzentriert werden. Conrad hielt diese Pläne aus verschiedenen Gründen für optimistisch und drängte auf militärische Vorbereitungen. Am 18. Oktober bewilligte Se. Majestät die Verstärkung der Besatzung Bosniens und der Herzegowina um 15 Bataillone, zirka 10.000 Gewehre. Bis Ende Oktober wogte die Stimmung auf und ab. Conrad wünschte die kriegerische Austragung mit Serbien, weil die dortige Armee nicht gerüstet und die russische Armee infolge des japanischen Krieges und der Revolution nicht imstande war, uns Widerstand zu leisten. Der französische Chef des Generalstabs hatte in einem Geheimbericht an die französische Regierung erklärt, der Weg nach Kiew sei für die österreichisch-ungarische Armee frei, und vor 1910 könne die russische Armee ihre Verpflichtungen als Alliierter entsprechend dem Allianzvertrag nicht erfüllen. Conrad wollte die Situation ausnützen, Aehrenthal und Schönaich brandmarkten deshalb diesen Patrioten und Propheten als „Kriegshetzer". Als Conrad den Antrag stellte, 200 Flugzeuge anzuschaffen, weil anders der Erkundungsdienst gegen Montenegro nicht durchgeführt werden könne, wurde er für verrückt erklärt. Es war ein Kunststück, sich die Grundlagen zur Arbeit in den Ressortabteilungen des Kriegsministeriums zu verschaffen, denn wir stießen teils auf passive Resistenz, teils auf wirkliche Verbote des Kriegsministers. Das Verhältnis Conrad-Schönaich wurde unerträglich. Aehrenthal hatte 144 Vgl. Degreif, Operative Planungen des k.u.k. Generalstabs.

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seinen Gesandten und Botschaftern den Auftrag erteilt, vor den Militärattachés politische Vorgänge geheimzuhalten, um die Berichterstattung an Conrad zu unterbinden. Der Grund zu dem Konflikt lag aber nicht nur in persönlichen Motiven, sondern in der prinzipiellen Auffassung der Minister, die sich nur als ausführende Organe des Kaisers, als treue Diener ihres Herrn betrachteten, während Conrad sich als geistiger Initiator, als berufener Wegbereiter des Staates fühlte. Eine vielgelesene Zeitschrift dieser Zeit gab dieser Situation durch ein Bild Ausdruck: Ministerrat im Beisein Conrads ; verstörte Gesichter, allgemeine Bestürzung, denn „es hat sich ein Genie zu uns verirrt". Conrad war in dieser Zeit fest und ruhig. Ende November 1908 mehrten sich die Nachrichten von einer Mobilisierung Rußlands; Conrad besuchte den König von Rumänien 145 und wurde in der Ansicht bestärkt, daß ein Krieg unausweichlich und nur der Zeitpunkt noch nicht fixiert sei. Am 2. Dezember hieß es, der Zar lasse Serbien im Stich, am 3. wurde diese Nachricht dementiert, am 5. wurde Serbien so herausfordernd, daß man es sich kaum gefallen lassen konnte, am 10. wurde der Dreibundvertrag publiziert, um abschreckend zu wirken, dann begann die Botschafterkonferenz in London mit allen möglichen politischen Zuckungen. Am 14. Februar 1909 genehmigte Se. Majestät die Verstärkung unserer Kräfte in Bosnien um weitere 15 Bataillone, vorbehaltlich der Zustimmung des deutschen Kaisers. Am 5. März 1909 war ich mit Conrad zum Referat beim Thronfolger befohlen. Conrad überließ mir die Berichterstattung, die mit einer tageweisen Skizzierung des Aufmarsches gegen Serbien endete. Der Thronfolger billigte die Vorbereitungen und erklärte, selbst das Kommando gegen Serbien zu übernehmen. Es schloß sich daran eine Erörterung über die höchsten Generäle der Armee, wobei ich über ausdrücklichen Befehl des Erzherzogs anwesend blieb. „Die Arbeit ist von Ihnen, Sie sollen wissen, wer sie ausführt." Die Charakterisierung unserer Führer durch den Thronfolger war scharf, aber sehr richtig; er war ein Menschenkenner. Am 13. März verfaßte ich die Zuschrift für Reichskanzler v. Bülow146, der über die etwaigen Folgen der neuerlichen Verstärkungen unserer Kräfte in Bosnien wahrheitsgemäß orientiert wurde. Conrad genehmigte mein Konzept, und es ging sofort nach Berlin ab. Am 15. März kam die Zustimmung des Kaisers Wilhelm, und nun wurden nicht nur diese 15 Bataillone, sondern 145 Über König Carol I. (1839-1914), 1866 Fürst, 1881-1914 König v. Rumänien, siehe GlaiseBroucek I, 271, Anm. 466. 146 Über Fürst Bernhard v. Bülow (1849-1929), 1900-1909 dt. Reichskanzler, vgl. Glaise-Broucek I, 426, Anm. 458. In seinen Memoiren: Denkwürdigkeiten. 2. Bd.: Von der MarokkoKrise bis zum Abschied, hrsgg. v. Franz von Stockhammern, Berlin 1930, 345-355, wird die Bosnien-Krise und die Daily Telegraph-Affäre behandelt.

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noch weitere 30.000 Mann als Standeserhöhung nach Bosnien und in die Herzegowina geschoben. Die Noten der serbischen Regierung waren inzwischen so provokatorisch geworden, daß jetzt Aehrenthal submittierte ; am 29. März 1909 wurde tatsächlich die teilweise Mobilisierung gegen Serbien und Montenegro beschlossen. Am 31. März gab aber Serbien nach und nahm die von uns gestellten Bedingungen an. Conrad war sich im klaren, daß die Nichtausnützung der Situation von 1908/9 ein nicht mehr gutzumachender Fehler war. Er sagte mir: „Das waren die Schicksalstage der Monarchie. Jetzt ist sie nicht mehr zu retten. Es ist um so mehr schade, weil die von Dir gearbeiteten Kriegsvorbereitungen vorbildlich sind. Du wirst sehen, in zehn Jahren ist die Monarchie auf die Größe der Schweiz herabgedrückt." Ich erhielt Dank und Anerkennung in reichem Maße. Conrad setzte durch, daß Seine Majestät mir das Militärverdienstkreuz verlieh, und gab mir seine Photographie mit der Widmung: „Zur Erinnerung an gemeinsame Arbeit in kritischer Zeit 1908/9". Der Thronfolger nannte mich von damals an scherzweise den Oberst Leschjanin, das war in Serbien die Seele der Kriegspartei. Der Reichskriegsminister Frh. v. Schönaich nahm es mir aber mit einer Gruppe von Satelliten sehr übel, daß ich gerade in dieser Situation ein Gehilfe Conrads war. Die Schilderung dieser Zeit dürfte es erklären, warum die Monarchie zu einer Maßnahme welthistorischen Stils sich nicht aufraffen konnte. Ich hoffte, die Zeit werde für uns arbeiten, aber das Gegenteil geschah, und wir rannten dem Untergang in die Arme. Ich möchte hier einschalten, daß die serbische Regierung am 17. April 1909 ihrem Gesandten in Wien folgende Direktive gab : „Die serbische Regierung ist im Vertrauen auf die Unterstützung durch England, Frankreich und Rußland fest entschlossen, den Moment abzuwarten, wo Serbien mit den besten Aussichten auf Erfolg zur Realisierung seiner legitimen Interessen am Balkan schreiten könne. Bis dahin wünscht die Regierung mit Wien nur rein geschäftliche, skrupulös korrekte Beziehungen. Soweit eine politische revolutionäre Propaganda notwendig erscheint, soll sie von nun an von Petersburg und Prag aus besorgt werden." Im Oktober 1909 erfolgte die Entrevue zwischen dem Zaren und dem König von Italien in Racconigi. Aehrenthal meinte, wir hätten keinen Grund, über deren Ergebnis beunruhigt zu sein. Ich war damals in Rom und weiß, daß weite Kreise der Bevölkerung nur von dem einen Wunsch beseelt waren, nämlich Verbündete zu suchen, um gefahrlos den Krieg gegen uns führen zu können. Die im Dezember 1909 abgeschlossene Militärkonvention Rußland-Bulgarien enthielt die Bemerkung, die hohen Ideale der slawischen Völker können nur nach einem günstigen Ausgang des Kampfes Rußlands mit Deutschland und Österreich-Ungarn verwirklicht werden ...

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Das Leben eines österreichischen Generalstabsoffiziers

Als ich im April 1909 nach einem kurzen Urlaub an der Riviera wieder in das Operationsbüro einrückte, fand ich Conrad im heftigsten Kampf gegen Aehrenthal, dessen Erfolge er als Scheinerfolg deklarierte, „mit welchem die Monarchie bis zu jenem Zeitpunkte hinweggetäuscht werden soll, in welchem die Gegner bereit sein werden, machtvoll und vereint gegen uns aufzutreten" (2. 4. 1909). Serbien und Montenegro seien weder besiegt noch niedergerungen, sondern nur gereizt, und bilden als Herd der irredentistischen Agitation in großserbischem Sinne eine dauernde Gefahr. Aehrenthal argumentierte seinerseits, man führe heutzutage keine Präventivkriege. Conrad erwiderte, nach seiner Ansicht gäbe es, solange die Menschen nicht jene himmlische Höhe erreicht hätten, welche Kriege überhaupt ausschließt, nur zwei Arten Kriege : die vernünftigen, die man führt, sobald sie als notwendig erkannt sind, wenn die Chancen auf eigener Seite liegen, und die unvernünftigen, die man sich vom Feinde diktieren läßt. Die historische Entwicklung stehe nicht still, um die Integrität der Monarchie zu retten, sondern dem unaufhaltsamen Wirken der gegen sie gerichteten Kräfte sei nicht durch stetes Nachgeben zu entgehen, dem Kampfe um die Existenz sei nicht zu entrinnen. Aehrenthals Grundsätze waren hingegen : „Serbien möge inzwischen sein Verschwörerdasein weiter fristen ; wir hätten kein Interesse, die serbische Frage in den Vordergrund zu rücken, weil wir nicht wüßten, was man mit dem neuen Landzuwachs anfangen solle. Rußland wolle und könne im nächsten Dezennium gegen uns keine aktive Politik führen. Der Anschluß Serbiens an die Monarchie zunächst wirtschaftlich, dann später vielleicht militärisch werde unter dem Einfluß der Ereignisse wahrscheinlich von selbst kommen. Dasselbe gelte von Montenegro. Mit Italien sei ein kriegerischer Konflikt in absehbarer Zeit nur dann im Bereich der Möglichkeiten, wenn das Königreich auf territoriale Erwerbungen am Balkan ausgehen sollte." Wie hätte da eine Einigung Conrads mit Aehrenthal erfolgen können? Jeder Historiker muß wohl zugestehen, daß Aehrenthal das Gegenteil dessen, was wirklich geschah, zur Grundlage seiner Politik gemacht hatte. Da die Chance 1908/9 versäumt worden war, regte Conrad nun ein freundliches Einvernehmen mit Rußland an und wünschte weiters eine Umgestaltung der inneren Politik, damit alle Nationen der Monarchie „in ihr ihre Zufriedenheit und die Grundlage ihrer kulturellen Entwicklung" finden können. In uneingeschränktem Maße müsse die Gleichberechtigung aller Nationen in der Armee zum Ausdruck kommen ; in dieser dürfe es kein Herrenvolk geben, jeder Nation müsse ihr Recht gewahrt werden, weil alle wesentliche und höchst wertvolle Teile der Armee bilden. Jede Nationalität müsse sich in der Monarchie, jeder Soldat in der Armee daheim fühlen. Diese Gedanken standen leider im Widerspruch mit der offiziellen Politik beider Reichshälften

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und besonders mit der magyarischen Politik Tiszas147. Wie hätte der Kriegsminister Geld und Rekruten für den Ausbau der Armee bekommen sollen, wenn er diese Gedanken zu seinen eigenen gemacht hätte? Die Situation war unlösbar, der Kriegsminister arbeitete unter Rücksichtnahme auf die magyarische Politik, der Chef des Generalstabs, unterstützt von Erzherzog Franz Ferdinand mit Wort, Schrift und persönlichem Einfluß, dagegen. Die Generalstabsoffiziere in den Abteilungen des Kriegsministeriums bildeten die Partei des Ministers, die Büros des Generalstabs standen hinter Conrad. Doppelspieler gab es auch. Auf dem Wege der konstitutionellen Verfassung war eine Rettung nicht möglich, der Gordische Knoten mußte zerhauen werden, nur ein Diktator, eine wahre Herrschernatur, hätte helfen können. Begreiflicherweise lenkten sich die Blicke auf den Erzherzog Franz Ferdinand.

X. Die Einschiffung auf S.M. Schiff Babenberg (Juli-September 1910) Der Chef des Generalstabes führte den Titel : Chef des Generalstabs der gesamten bewaffneten Macht, dazu gehörte auch die Kriegsmarine, trotzdem besaß der Generalstab fast gar keine Verbindung zu ihr. Wir kannten fremde Armeen besser als die eigene Kriegsmarine, obwohl diese berufen war, im Kriegsfall eng mit der Landmacht zusammenzuarbeiten. Kriegsmarine und Kavallerie legten Wert darauf, das Eindringen des Generalstabs möglichst zu verhindern, und so wie Erzherzog Otto148 der Protektor der Kavallerie, so war Erzherzog Franz Ferdinand der Protektor der Kriegsmarine, allerdings mit dem Unterschied, daß Ehg. Otto mehr seinen sportiven Impulsen als Reitersmann folgte, während der Thronfolger große staatspolitische Gesichtspunkte im Auge hatte ; er wollte nach den Erfahrungen seiner Weltreise, daß die österreichisch-ungarische Flagge sich der Welt zeige, und erkannte in der Kriegsmarine das wirksamste Mittel, im Frieden das Ansehen und die Interessen des Staates im Auslande zu vertreten. Der Generalstab hingegen vertrat den Standpunkt, daß die Entscheidung im kommenden Kriege bei der Landmacht liege, alle verfügbaren Mittel deshalb für den Ausbau dieser verwendet werden sollten, und die Kriegsmarine nur nach den Forderungen

147 Graf István (Stefan) Tisza (Pest, 22. 4. 1861-31. 10. 1918, ermordet in Budapest), 3. 11. 1903-18. 6. 1905 und 10. 6. 1913-15. 6. 1917 ung. Ministerpräs. Seit 1886 Abgeordneter der Liberalen Partei, gründete im Februar 1910 die „Partei der nationalen Arbeit". 148 Über Ehg. Otto (1865-1906) vgl. Glaise-Broucek I, 157, Anm. 58. Er war 1904-1906 Generalkavallerieinspektor.

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der Küstenverteidigung in der Adria ausgebaut werde. Der Ausbau großer Schlachtschiffe erschien uns als Kraftentzug und Geldvergeudung. Es war daher begreiflich, daß die Marineoffiziere uns keine besondere Sympathie entgegenbrachten. Die Tatsache, daß Landstreitkräfte und Flotte im Ernstfalle in Dalmatien und Istrien kooperieren müssen, zwang schließlich doch dazu, dem Generalstab den notwendigsten Einblick in die Tätigkeit der Flotte zu gewähren, aber der Marinestab sorgte dafür, daß über das Mindestmaß nicht hinausgegangen werde. Nun war zufälligerweise der Marinekommandant Admiral Graf Montecuccoli ein Schwager des im Operationsbüro eingeteilten Hauptmanns Graf Zedtwitz, und dies schuf die Möglichkeit, Zedtwitz auf zwei Monate auf der Babenberg149 einzuteilen. Als diese Einschiffung ohne Reibung verlaufen war, wurde in jedem folgenden Jahre ein Generalstabsoffizier des Operationsbüros für diese Kommandierung ausgesucht. Der dritte in der Reihe war ich im Jahre 1910. Meine Absicht war es, ein guter Beobachter, aber vor allem ein guter Kamerad zu sein. Beides wurde mir nicht schwer, denn die Seeoffiziere der Babenberg gewannen sehr rasch meine Sympathien. Der Ernst ihres Pflichtgefühls, die Schwierigkeit ihres Dienstes machten auf mich großen Eindruck, und ich bemühte mich, als der einzige Nichtstuer an ihren Sorgen und Aufregungen Anteil zu nehmen und in den schweren Stunden des Wachdienstes ein angenehmer Gesellschafter zu sein. Bald verband mich mit einigen Seeoffizieren eine herzliche Freundschaft. Der Schiffskommandant, durch das Reglement von den andern Offizieren streng getrennt, sprach mit mir über manche Fragen, die er mit seinen Untergebenen nicht erörtern konnte. Die Offiziere meines Ranges - Schiffsleutnants - waren hochgebildete, kluge und weitblickende Männer, welche unter besonders günstigen Verhältnissen die ganze Welt bereist hatten. Ihre Überlegenheit in der Weltanschauung war offensichtlich; die Leutnants Colloredo-Mannsfeld150, Liechtenstein151, 149 Das 1904 in Betrieb gegangene Linienschiff S.M.S. Babenberg. 150 Hieronymus Graf v. Colloredo-Mannsfeld (Schloss Dobris, 3. 11. 1870-29. 8. 1942, Prag), 1. 11. 1889 nach Absolvierung der Marineak. Eintritt in die Kriegsmarine, 1904-1907 Marineattaché in Tokio, 1. 5. 1912 Korvettenkapitän und Marineattaché in Berlin, 29. 3. 1918 enthoben, 3. 12. 1918 pensioniert; vgl. Bernhard Wenning, Der k.u.k. Marineattaché Hieronymus Graf Colloredo-Mannsfeld in Berlin 1912 bis 1914, Diplomarbeit Univ. Wien 2000. 151 Johannes Prinz Liechtenstein (Wien, 6. 1. 1872-3. 9. 1959 Schloss Hollenegg, Stmk.), 7. 10. 1890 in die Kriegsmarine eingetreten, 1. 11. 1908 Linienschiffslt., 3. 5. 1912 Marineattaché in Rom, 1. 11. 1912 Korvettenkpt., 26. 5. 1915 zugeteilt dem Hafenadmiralat in Pola, 9. 1. 1915 Kmdt. SMS Wildfang (Seegefecht bei Otranto), weitere Schiffskmdos, X/XI 1918 Mitglied der Waffenstillstandskommission von Villa Giusti bei Padua, 1. 11. 1918 Linienschiffskpt., 1. 2. 1919 Ruhestand.

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Horthy 152 , Panfilli153 waren weltmännisch erzogen und im Stil der englischen Aristokratie aufgewachsen. Sie hatten am meisten noch Sympathien für die Kavallerie, während ihnen der Dienst, die Tätigkeit und das Leben unserer Infanterieoffiziere fernlag; sie pflegten zu Land auch mit Vorliebe den Reitsport. Vor dem Generalstab hatten sie Respekt und besonders FZM Potiorek erfreute sich bei ihnen großer Bewunderung. Die tiefsinnige Sonderlingsart dieses Mannes wies verwandte Züge mit dem Abgott unserer Marineoffiziere, mit dem Admiral Haus154, auf, der höchste Verehrung und Liebe genoß. Es war ein glücklicher Zufall, daß im Weltkrieg die wirklichen Idealgestalten unserer Wehrmacht, Conrad und Haus, an der Spitze standen. Alles, was mir über Admiral Haus erzählt wurde, deutete auf einen tiefen und festen Charakter und auf einen Mann von besonderem Wissen und starkem Willen. Als ich mich bei ihm vorstellen wollte, fand ich ihn in der Kommandokabine des Admiralschiffs am Klavier Beethoven spielend, und bei allen schwierigen Manövern füllte er die Zeitspanne von Entschluß zu Entschluß mit Beethoven aus. Merkwürdig, daß Erzherzog Carl, der Sieger von Aspern, auch als Heerführer immer musizierte, wenn er freie Zeit hatte. Das sind sichtlich natürliche Eigenschaften des österreichischen Menschen. Die Übungen der Kriegsmarine, welche ich von Juli bis September mitmachte, hatten mehr technischen als taktischen Wert ; ich staunte nur über die reiche Munitionsdotierung und lernte wenigstens auf diese Weise scharfes Artillerieschießen unter verschiedenen Verhältnissen kennen. Die Landübungen zeigten großen Mangel an Erfahrung und erbrachten den Beweis, daß eine Schulung des Zusammenwirkens mit der Landmacht im Hinblick auf den Ernstfall unerläßlich war. Weder der Nachrichtendienst noch die Befehlsgebung hätten stimmen können. Es ist eben notwendig, daß in jedem Staat eine militärische Zentralgewalt auf ein koordiniertes Arbeiten Einfluß nimmt, damit die hervorragenden Leistungen der einzelnen Teile 152 Über Miklós Horthy (1868-1957) vgl. die Daten bei Glaise-Broucek I, 191, Anm. 181. Er war 1911-1914 Flügeladjutant Seiner Majestät u. als (zuletzt) Vizeadmiral 1918 Flottenkmdt., 1920-1944 ung. Reichsverweser. 153 Egon Panfilli (Triest, 1873-?), 1. 1. 1913 Korvettenkpt., 1. 5.1917 Fregattenkpt., 1. 11. 1918 Rangeines Linienschiffskpt., mit 31. 12. 1918 pensioniert. 154 Anton Frh. v. Haus (Tolmein, 13. 6. 1851-8. 2. 1917, Pola), 1869 als provisorischer Seekadett Eintritt in die Kriegsmarine, 1882 Linienschiffslt., 1890-1892 Teilnahme an der Weltumseglung von SMS Saida, 1894 Korvettenkpt., 1897 Fregattenkpt., 1901 Kmdt. v. SMS Maria Theresia beim Boxeraufstand, 1902-1905 Vorstand der Präsidalkanzlei der Marinesektion d. KM, 1904 Kontreadmiral und Kmdt. der Reserveeskadre, 1907 Delegierter bei der 2. Friedenskonferenz in Den Haag, 1910 Vizeadmiral und Präsident des Marinetechnischen Komitees, 1912 Flotteninspektor, 1913 Marinekmdt. und Chef der Marinesektion, 5. 5. 1916 Großadmiral. Vgl. Paul G. Halpern, Anton Haus. Österreich-Ungarns Großadmiral, Graz-Wien-Köln 1998.

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einer Wehrmacht nutzbringend verwertet werden können. Alle Eitelkeiten und persönlichen Interessen müssen zurücktreten. Nun ist das leicht gesagt, aber sehr schwer getan. Zum Abschied lud mich der Marinekommandant in Pola zu einem Diner ein, an dem die höchsten Admiräle teilnahmen ; auch dadurch kam zum Ausdruck, daß ich nicht nach meiner Charge, sondern als distinguished foreigner betrachtet wurde. Der Abschied von der Babenberg kennzeichnete hingegen das herzliche Verhältnis, das sich zwischen den Offizieren des Schiffes und mir entwickelt hatte. Mein Platz in der Messe war ganz mit Rosen geschmückt, und statt Matrosen ruderten mich die vier jüngsten Seeoffiziere zum Molo. Ich bewahre den Herren Hochachtung und Dankbarkeit für viele Anregungen weltanschaulicher Art. Meine Einschiffung trug dazu bei, das freundschaftliche Vertrauen zwischen dem Operationsbüro des Generalstabs und der Operationsabteilung der Marinesektion zu steigern, was für das Einvernehmen bei den Kriegsvorbereitungen wichtig war. Mit dem Ende unserer Kriegsmarine ist einer der vornehmsten Menschentypen, der österreichisch-ungarische Seeoffizier, verschwunden.

XI. Die Zeit im Operationsbüro unter Oberst Metzger (1910-1912) Die politischen Ereignisse bewiesen, wie recht Conrad 1908 gehabt hatte; Serbien deklarierte sich immer mehr als Vasall Rußlands, und die Beziehungen zu Italien wurden immer unsicherer. Für mich als Leiter der Balkangruppe im Operationsbüro war es klar, daß ein isolierter Kriegsfall „Balkan" nicht mehr in Betracht kam, sondern daß wieder mit einem Vielfrontenkrieg gerechnet werden müsse. Meine Arbeiten galten daher wesentlich der Frage, wie von einem Kriege gegen Serbien auf einen Krieg gegen Italien oder Rußland überzugehen wäre. Da bei diesem Problem der Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen ausschlaggebende Bedeutung zukam, war ein intensives Zusammenarbeiten mit dem Eisenbahnbüro nötig. Nun bestand leider zwischen den einzelnen Generalstabsbüros große Eifersucht und Gereiztheit, woran persönliche Momente schuld waren. Zur richtigen Zeit übernahm Oberst Metzger die Leitung des Operationsbüros, und hiermit zog der Geist ruhiger Sachlichkeit in das Büro ein. Es kamen zwei Kandidaten in Betracht: Oberst Metzger und Oberst Bardolff, beide stammten aus der Schule Potiorek. Wir Hauptleute des Operationsbüros traten dezidiert für Metzger ein, den wir in den schwierigsten Situationen als Muster eines Generalstäblers kennengelernt hatten. Der hochbegabte, sehr

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impulsive, künstlerisch veranlagte Oberst Dr. Bardolff kam mehr f ü r militärpolitische leitende Posten in Betracht. Conrad wählte Oberst Josef Metzger, u n d die Ereignisse haben gezeigt, daß der richtige Mann auf den richtigen Posten kam. Conrads Nachruf f ü r den leider zu f r ü h gestorbenen Metzger lautete : „Unsere Zusammenarbeit war auf dem unumwundenen Meinungsaustausch aufgebaut. Sein überaus fähiges und taktvolles Wesen machte diesen leicht. Metzger war keine geschmeidige Höflingsnatur, er ging stets seinen graden Weg, er hatte nur das Sachliche, nie das Persönliche vor Augen. Mit ihm ist einer der bedeutendsten Generale der alten Armee und ein vornehmer, edler Mensch dahingegangen." Das Arbeiten u n t e r Metzger war eine Freude ; allerdings verlangte er Klarheit, Mäßigung, seelisches Gleichgewicht, was manchen Stürmer und Dränger von ihm fernhielt. E r hatte meiner Ansicht nach n u r gute Eigenschaften, höchstens eine Schwäche, leider mit Conrad gemeinsam, eine Unterschätzung der Bedeutung der Dynastie. Wenn Metzger bei der Auswahl von Lehrern f ü r die Erzherzöge nicht auf die allerbesten Generalstäbler griff, weil es schade u m ihre Kraft sei, wenn er die Erzherzöge von der Mitarbeit fernhielt, weil er Dilettantentum nicht vertrug, teilte ich diesen Standpunkt nicht. Im Sommer 1911 wurde ich zu den u n t e r der Leitung des Thronfolgers in Dalmatien stattfindenden Landungsmanövern in die Manöverleitung eingeteilt; bei dieser Gelegenheit sollte das Zusammenwirken von Flotte u n d Landmacht geschult werden. Ich wurde als Vertreter Conrads nach Zara vorausgeschickt, u m verschiedene Vorbereitungen zu treffen. Diese Tage gestalteten sich fast romantisch. Zunächst hatte ich mir auf einem Urlaub in Belgien durch einen Sturz vom Rad eine Sehnenzerrung im Knöchelgelenk zugezogen, die ein französischer Militärarzt durch eine Gewaltkur soweit geheilt hatte, daß ich Kanzleidienst machen konnte ; im Freien gehen konnte ich nicht, auch nicht reiten. Vor Beginn der Manöver kam FZM Potiorek, der Kommandierende General von Bosnien, der Herzegowina u n d Dalmatien, nach Zara. Als ich mich bei ihm meldete, drehte er sich, mir gegenüberstehend, u m 360 Grad um seine Achse. Dies war der Ausdruck seiner Gefühle, weil er mir einen Großteil der Schuld zuschob, daß er nicht Chef des Generalstabs geworden war. Um später zu diesem Ziel zu gelangen, lud er im J u n i 1914 den Thronfolger zu den in seinem Sinn arrangierten Manövern nach Sarajevo ein und stand knapp vor der Erfüllung seines Ehrgeizwunsches, als am 28. J u n i der Mord erfolgte, der die ganze Welt in den Zusammenbruch mitriß. Ich bin Potiorek in meinem Leben nicht mehr begegnet; er hat die Menschen mit seiner Sprache, den Schreibtisch mit seiner Feder beherrscht

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und hat sich vergöttert. Es fehlte ihm die Bodenverbundenheit, welche die Landschaft als Grundlage jeder militärischen Tätigkeit in sich aufnimmt, aber als gelehrten Soldaten mußte man ihn achten. Bei einer Rekognoszierungsreise in Dalmatien, die ich mit ihm allein durchgeführt hatte, mußte ich über seine Kenntnisse staunen. Er war nächst Conrad die interessanteste Persönlichkeit der Armee. Unmittelbar vor Beginn der Manöver erhielt ich ganz überraschend ein Telegramm des Thronfolgers, ich solle ihn mit dem Polizeipräsidenten von Triest, der als Ordonnanzoffizier bei mir eingeteilt war, um 4 Uhr früh an einem bestimmten Ort der Küste mit Reitpferden erwarten; er werde dort mit Torpedoboot eintreffen. Entsetzt entnahm ich der Karte, daß ich nach einer kurzen Autofahrt drei Stunden bis zu dem angegebenen Punkt zu reiten hatte. Wir kamen bei dem Ritt in die Finsternis, mußten absitzen und zu Fuß gehen. Es war ärgster Karstboden. Ich humpelte, mühsam Schritt für Schritt, der Polizeipräsident, mein Leidensgefährte, mußte sich seine hohen Lackstiefel aufschneiden, weil sie ihn furchtbar brannten. Das war die Kavallerieadjustierung von damals ! In jämmerlichem Zustand kamen wir in finstrer Nacht am bezeichneten Punkt an und fanden dort, in seinen Mantel gehüllt, den Souschef des Generalstabs, FML Langer155, den der Erzherzog auch hinbestellt hatte. Der Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinand, landete pünktlich um 4 Uhr früh. Ich meldete mich bei ihm als „Stellvertreter des Stellvertreters Seiner kaiserlichen Hoheit", worüber er in Erinnerung an den Vorfall von Hajmáskér herzlich lachte, und befahl mir dann, ihn bis zur Autostraße zu führen. Da ich wegen meiner Schmerzen nur im Damensitz reiten konnte, hielt ich mich vom Thronfolger so weit entfernt, daß er dies nicht bemerken konnte ; ich hörte einige Male, wie er mich rief, reagierte aber nicht darauf, und in dem Karst konnte niemand mich erreichen, da man nur vorsichtig im Schritt reiten konnte. In Zara gratulierte mir Conrad am nächsten Tag dann, ich hätte auf den Thronfolger einen außergewöhnlichen Eindruck gemacht, weil ich der erste Mensch war, der drei Stunden lang Gelegenheit hatte, mit ihm allein zu sein und sich trotzdem nicht an ihn herandrängte. Seit damals genoß ich das besondere Vertrauen des sehr mißtrauischen Thronfolgers. So haben manchmal verschiedene Ursachen verschiedene Wirkungen. Im Jahre 1911 machte ich die sehr mühsamen, an Strapazen und Friktionen reichen Kaisermanöver in den Waldkarpaten bei Stropko (Duklapaß) 155 Rudolf Langer (Brünn, 18. 11.1858-5. 2. 1915, Wien), 1879 als Lt. aus der Theres. Milak. zu IR. 65, ab 1884 Glstbskarriere, 1889 als Konzipient in die 10. Abt. d. KM, 1893 als Lehrer für Militärgeographie an die Kriegsschule und die Orientalische Akademie, 1899 Obst, und Glstbschef des XV Korps in Sarajevo, 1. 11. 1905 GM u. Kmdt. 9. GBrig., 20. 11. 1906 Stellvertreter des Chefs d. Glstbs, 1. 5. 1910 FML, 17. 12. 1912 enthoben aus Gesundheitsrücksichten, 1. 12. 1913 beurlaubt mit Wartegebühr.

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mit und erlebte dann den Rücktritt des Kriegsministers Frh. v. Schönaich, der wirklich alles Mögliche getan hat, um Conrad und seinen Gehilfen die Arbeit zu erschweren, und der im Bunde mit dem Minister des Äußern, Graf Aehrenthal, Conrads politische Pläne vereitelt hatte. Um das Gleichgewicht wiederherzustellen, wurde Conrad im November 1911 „auf dem Altar des Dreibundes geopfert" und seines Postens enthoben. Jeder von uns hatte aber das Gefühl, er werde bald wiederkommen. Conrads Nachfolger war FML Schemua156, ein sehr tüchtiger ehemaliger Generalstabsoffizier. Seine geistige Einwirkung spürten wir nicht, aber aus der Umgebung Seiner Majestät wurde die Nachricht verbreitet, Schemuas Referate seien dem Kaiser angenehmer als die Conrads. In meiner gedrückten Stimmung schrieb ich zu Weihnachten 1911 die Broschüre: „Diplomatie und Kriegsvorbereitung", in welcher ich von 1866 ausgehend die Rückwirkung diplomatischer Tätigkeit auf die Kriegsgrundlagen erörterte und zu der Folgerung kam, daß Kriege meist schon entschieden sind, ehe sie begonnen haben, weil die Bündnisse und die Kriegsvorbereitungen Grundlagen schaffen, gegen welche im modernen Kriege auch die genialste Führung nicht aufkommt. Die Broschüre erregte großes Aufsehen, erschien in Danzer's Armeezeitung und als Separatausgabe in Wien, und man zerbrach sich den Kopf, wer der Autor sei. Ich saß bei einem Souper, das General Schemua gab, in unmittelbarer Nähe des Kriegsministers Auffenberg157 und hörte dem Rätselraten nach dem Autor fröhlich zu; zu meiner Freude rieten die meisten Herren, die Broschüre stamme von Conrad. Ich gab mich nicht zu erkennen 158 . Ich war zu dieser Zeit bereits verständigt worden, daß meine Kameraden mich als Nachfolger des Oberst Metzger vorgeschlagen hatten und daß Conrad den Vorschlag annahm; ich hätte im Jahre 1914 Chef des Operationsbüros zu werden, und deshalb sollte ich vorher den Dienst als Generalstabschef einer Truppendivision und den Dienst eines Bataillonskommandanten absolvieren; dem hatte auch der Kriegsminister zugestimmt. Um ein gutes Bei156 Über Blasius Schemua (1856-1920) vgl. Glaise-Broucek I, 177, Anm. 133. Er war von 3. 12. 1911 bis 12. 12. 1912 Chef des Generalstabs. 157 Über Moritz Auffenberg, seit 1915 Frh. v. Komarów (1852-1928), vgl. Glaise-Broucek 1,199, Anm. 205. Er war von 24. 9. 1911-12. 12.1912 Reichskriegsmin., 28. 12. 1912 Armeeinspektor und ab Kriegsbeginn Kmdt. d. 4. Armee, 9. 10. 1914 enthoben. 158 Diplomatie und Kriegsvorbereitung. Ein Mahnwort in später Stunde, Wien 1912, vgl. oben 65, Anm. 186. Zeynek will an Hand von Beispielen seit 1805 nachweisen, was er gleich auf der ersten Seite schreibt: „Die meisten unglücklich geführten Kriege waren verloren, ehe sie begonnen hatten." Er fordert eine „positive Politik, die die Lösung schwebender Fragen selbst durchführt". Diese Politik hätte „unsere Armee so stark zu machen, so auszurüsten und so bereitzustellen, daß sie jeder Eventualität, die sich aus den geographischen Verhältnissen ergibt, jederzeit gewachsen ist".

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spiel zu geben, bat ich um Einteilung als Generalstabschef in der Bocche di Cattaro ; ich fuhr mit meiner Frau hin, um mir in Castelnuovo159 bei Cattaro eine hübsche Wohnung zu sichern, nahm in Triest am Stapellauf des Dreadnoughts „Viribus Unitis" teil, wurde aber nach meiner Rückkehr durch die Nachricht überrascht, daß ich über Antrag des Erzherzogs Eugen (Generalstabschef Oberst Pichler) als Stabschef einer Infanterietruppendivision nach Bozen komme. Ich war überglücklich, denn abgesehen von der herrlichen Garnison war diese Truppendivision die größte und wichtigste in der ganzen Armee ; in meinem Bereiche lag die italienische Grenze vom Stilfserjoch angefangen bis Toblach. Mein Divisionär war mein ehemaliger Taktiklehrer an der Militärakademie in Wiener Neustadt, FML Johann Frh. v. Kirchbach. In der Truppendivision waren drei Tiroler Kaiserjägerregimenter eingeteilt, und das 2. Regiment in Bozen stand unter Kommando des höchst angesehenen Oberst v. Brosch, des früheren Chefs der Militärkanzlei des Thronfolgers. Ich konnte mir für das eine Jahr nichts Besseres wünschen. Meine letzten Monate im Operationsbüro waren durch eine sehr mühsame und heikle Arbeit ausgefüllt, durch die Neuredigierung unserer Felddienstvorschrift (Dienstreglement II. Teil), dessen bisherige Neubearbeitung mißlungen war. Ich brachte nach drei Monaten eine Felddienstvorschrift heraus, die vom Thronfolger, von der Militärkanzlei Seiner Majestät, von der Kriegsschule und vom Kriegsministerium als zweckentsprechend brauchbar anerkannt wurde160. Ich wurde von General Schemua dafür zur Dekorierung mit dem Orden der Eisernen Krone eingegeben, auch der Kriegsminister hatte zugestimmt, aber Seine Majestät lehnte es persönlich ab. Da ich wußte, daß dies meiner Zugehörigkeit zur „Conrad-Gruppe", welche man damals in der Hofburg als „Kriegshetzer" bezeichnete, zuzuschreiben war, hat mich dieses Zeichen Allerhöchster Ungnade nicht gekränkt. Nach sechsjähriger Tätigkeit nahm ich im Mai 1912 vom Operationsbüro Abschied mit dem sicheren Gefühl, im Jahre 1914 als Chef desselben zurückzukehren; ich wurzelte mit meiner besten Kraft und mit meinem innersten Wesen in diesem einzig dastehenden Büro, welches die Seele der Armee und ihr geheimer wirklicher Führer war. Seine Mitglieder waren die erlesenste Elite nach Wissen, Hingebung, Pflichtgefühl und Charakter, die man durch strengste Auswahl zusammenstellen kann. Nebst der Arbeitsgemeinschaft hatte sich auch eine gesellschaftliche Gemeinschaft, schließlich eine wahre patriotische

159 Castelnuovo (heute Herceg Novi) an der Nordküste der Bocche di Cattaro (heute Boka Kotorska, Montenegro), dem südlichsten Kriegshafen der Monarchie. 160 Über die jahrelange Missachtung der taktischen Erfahrungen des Burenkrieges und des Russisch-Japanischen Krieges, was die Reglements betrifft, siehe Broucek, Taktische Erkenntnisse aus dem Russisch-Japanischen Krieg.

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Interessensgemeinschaft gebildet, in der es keinen Rangunterschied gab, so daß der Jüngste seine Ideen ebenso verwirklichen konnte wie der Alteste. Meine Zugehörigkeit zum „OpB." ist die stolzeste Erinnerung meiner Friedensdienstzeit. Die Lage der Monarchie trieb inzwischen der Entscheidung entgegen. Man erwartete für 1916 den Beginn des allgemeinen Angriffes gegen die Mittelmächte, wobei Serbien den Anstoß geben sollte. Für diese Zeit erwartete ich, daß Conrad wieder Chef des Generalstabs sein und im Einvernehmen mit dem Thronfolger die Geschicke der Monarchie lenken werde. So sah ich tatenfroh der Zukunft entgegen.

XII. Generalstabschef der 8. ITD in Bozen (1912/13) Wie jeder humanistisch gebildete Deutsche sehnte ich mich nach dem Süden, und der Gedanke, am offenen Eingangstor zur italienischen Schönheitswelt leben zu können, erfüllte mich mit Freude. Von meiner Bozener Wohnung sah ich den Rosengarten, den Schiern und die Mendel ; es war eine herrliche Zeit in einem gottgesegneten Land ! Mein Leben war denkbarst angenehm und harmonisch : Arbeit im Zimmer und Arbeit im Freien, Genuß der Natur und Verkehr mit gleichgesinnten Menschen schufen eine ruhige Heiterkeit, um die wir zu beneiden waren. Wir verkehrten ausschließlich in den Offizierskreisen, besonders mit den Offizieren des Tiroler Jägerregiments, bei dem sich mehrere Akademiekameraden befanden. Die dominierende Persönlichkeit war zwischen allen Generalen Oberst Alexander v. Brosch ; mit ihm und seiner lieben Frau haben wir freundschaftlich verkehrt. Der vornehme FML Frh. v. Kirchbach war mir ein überaus wohlwollender, gütiger Vorgesetzter, und die Generalstabsoffiziere des Divisionskommandos Hptm. Leo Frh. v. Bolfras161 (ein Sohn des Generaladjutanten Seiner Majestät) und Oblt. Persa162, ein Kaiserjägeroffizier, habe ich sehr geschätzt und gern gehabt. Die militärischen Verhältnisse in Tirol kontrastierten so scharf als möglich mit jenen in Ostgalizien. Der höchste Kommandant war dort ein bürgerlicher 161 Leo V. Bolfras (Laibach, 24. 4. 1877-9. 3. 1944, Baden bei Wien), 18. 8. 1898 aus Theres. Milak. als Lt. zu UR. 3, Glstbslaufbahn, 1. 11. 1911 als Hptm.i.G. eingeteilt bei 8. ITD, 1914/1915 Glstbsoffizier, 1. 9. 1915 Mjr.i.G. u. 2. Glstbsoffizier beim XIII. Korpskdo, 1. 11. 1917 Obstlt.i.G., 1. 10. 1920 pensioniert. 162 Adalbert Persa Edler v. Liebenwald (Görz, 26. 1. 1880-?), 18. 8. 1899 als Kadett-Offiziersstellvertreter aus der Infanterie-Kadettenschule in Marburg zu 2. TKJR., 1. 11. 1900 Lt., 1. 5. 1911 zugeteilt dem Glstb. 8. ITD, dort bis 15. 9. 1916, 27. 7. 1917 Glstbsoffizier 12. IBrig., 1. 11. 1918 Mjr.i.G.

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D a s L e b e n eines österreichischen G e n e r a l s t a b s o f f i z i e r s

General, der wie ein Pascha herrschte163. Er war geistig sehr hochstehend, aber gewalttätig, und besaß wenig Respekt vor dem Offizierstum, so daß viele Offiziere unter seiner Tyrannei wie Sklaven zitterten, im Innern aber gedrückt oder verbittert waren. Bei den Regimentern wurde die Mannschaft nicht gut behandelt, denn sie war wirklich geistig tiefstehend und moralisch großenteils minderwertig infolge der galizischen politischen Verhältnisse. Zu diesem rauhen, gefürchteten Frohndienst des Ostgalizischen Korps traten noch die düstere Landschaft, das rauhe Klima, der Schmutz in den Dörfern und andere abstoßende Eindrücke, so daß sich wohl niemand danach sehnte, nach Ostgalizien transferiert zu werden. So viel Schatten dort, so viel Licht in Tirol. Der höchste Kommandant war Erzherzog Eugen, dieses Vorbild an Hoheit, Bildung, Haltung und Lebensführung, eine allgemein bewunderte Fürstengestalt, ein Ideal für jeden, der ihn kannte, mustergültig in der Arbeitsstube wie auf dem Manöverfeld, frei von Größenwahn, Hochmut und Egoismus, nur dem Gedanken seiner Pflichten für die Armee und der Pflege von Kunst und Wissenschaft lebend: Jeder Zoll ein deutscher Fürst, ein österreichischer Erzherzog! Von ihm ging der Ton aus, der durch ganz Tirol drang: vornehmes, ausgeglichenes Benehmen in jeder Lage und jedermann gegenüber. Überhebung, Hochmut, Rüdheit fanden hier keinen Nährboden. Der Truppenoffizier wurde genau so geachtet und behandelt wie der einflußreiche Generalstabsoffizier, jeder fühlte sich als Fachmann in seinem Metier und ließ dem andern sein Recht. Der Exerzierplatz und die Paradeausrückung spielten fast gar keine Rolle, die Übungen im Hochgebirge brachten Offizier und Mannschaft einander sehr nahe, einer mußte oft dem andern helfen. Die Mannschaft war auch traditionell mit dem Soldatendienst verknüpft, die Lust zum Schießen, zum Bergsteigen, zum Raufen war den Leuten angeboren, man wußte oft nicht, soll der Mann vom Offizier oder der Offizier vom Mann lernen. So entstand in Tirol unter dem Einfluß des Erzherzogs Eugen das Gefühl gegenseitigen Vertrauens und ruhigen Selbstbewußtseins, das im Weltkrieg in den Leistungen der Tiroler Truppen auch seinen Ausdruck fand. Es ist begreiflich, wie wohl ich mich dort fühlte. Nach den Arbeitsexzessen des Operationsbüros kam mir auch mein Wirkungskreis sehr einfach und bescheiden vor; natürlich war ich froh, endlich nach sechs Jahren wieder 163 Franz Schoedler (Wien, 10. 1. 1851-23. 5. 1928, Wien), 4. 9. 1874 aus Theres. Milak. als Lt. zu IR. 44, ab 1876 Glstbskarriere, 1. 5. 1900 GM, Brigadier, Divisionär, 4. 5. 1905 FML, 12. 3. 1909 Rmdt. I. Korps und Kdi. Gen. in Lemberg, 1. 5. 1910 G.d.I., 18. 8. 1910 Inhaber des IR. 30, 22. 10. 1911 Genieinspektor, 22. 1. 1914 enthoben, 1. 6. 1914 beurlaubt mit Wartegebühr, 1. 1. 1919 pensioniert.

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zu Hause mittagessen zu können, statt auf meinem Schreibtisch, zwischen zwei Entscheidungen hin und her gezerrt, mein Futter zu verschlingen. Zeit zu Ausflügen, Radtouren zu unserer und unserer Hunde Freude, hatte ich auch. Eine Radfahrt von Brixen über Bozen nach Trient war bei dem damaligen ganz geringen Autoverkehr ein großes Vergnügen, und was Schiern, Mendel, Ritten und Rosengarten bieten, weiß jeder, der die Gegend besucht hat. Ich begann meine Fußwanderungen mit einer Begehung des Grenzgebiets von Primiero, Pieve, Tesino, Pergine164, wobei sich mir ein preußischer Artillerieoberst Hirsch anschloß. Wie überrascht war dieser, als er plötzlich knapp hinter der Grenze die Schießscharten eines italienischen Forts sah, dessen Geschütze weit auf unser Gebiet bis gegen Levico165 trugen. Davon hatte man in Berlin, wo man der Bündnistreue Italiens blind vertraute, keine Ahnung. Für diesen Verbündeten war Conrad geopfert worden ! Oberst Hirsch traute seinen Augen nicht und verstand nicht, daß man gegen eine solche Drohung nicht Einsprache erhob. Die Diplomaten spielten entweder Vogel-Strauß-Politik, oder sie streuten ihren Mitbürgern Sand in die Augen. Die Zeitungsredakteure halfen ihnen dabei. Im Jahre 1915 schrie dann die Bevölkerung über italienischen Verrat, statt sich über die Irreführung durch die eigene Diplomatie zu beklagen. Ende August 1912 fand ich Gelegenheit zu einer im Frieden seltenen Betätigung, indem ich bei den nächst Storo und Lardaro in Südtirol stattfindenden Kaisermanövern Generalstabschef der einen Partei wurde, welche die Niederkämpfung eines wirklichen Forts (Werk Carriola) zur Aufgabe hatte. (Meine Partei, Kommandant FML Frh. v. Kirchbach, hatte den Angriff durchzuführen; mir war als Geniestabschef Obst v. Ellison166 unterstellt.) Der letzte Manövertag brachte mir eine böse Aufregung, da wir zum Angriff auf das Fort alle Kräfte eingesetzt hatten, während eine gegnerische Abteilung über ein Gebirgsjoch in das Tal, wo unser Parteikommando etabliert war, gegen Storo vorstieß. Zur Abwehr wurden in größter Eile Offiziersdiener, Köche, Pferdewärter und Ordonnanzen bewaffnet und in eine Abteilung 164 Fiere di Primiero, Pieve di Cadore und die übrigen Orte liegen an der damaligen Grenze Tirols zu Venetien. 165 Levico: Ort im Val Sugana. 166 Otto Ellison Frh. v. Nidleff (St. Pölten, 6. 4. 1868-11. 11. 1947, St. Stefan ob Stainz, Stmk.), 18. 8. 1889 aus der Genieabt. der Techn. Milak. zu Geniergt. 2, Absolvent des Höheren Geniekurses, Geniestabsoffizier, ab V/1915 Rmdt. eines Verteidigungsabschnittes in Südtirol, 1916 Kmdt. 43. Schützenbrig., VI/1917 GM, 14. 8. 1917 Ritterkreuz des MMTO und Freiherrnstand für Wiedergewinnung des Stützpunktes Basson im August 1915,1/1918 betraut mit Rayonskdo. II in Südtirol, 26. 8. 1918 ernannt zum Chef des Luftfahrwesens. Er betätigte sich nach 1920 in der Steiermärkischen Heimwehr und war für den Fall eines Gelingens des sogenannten „Pfrimerputsches" 1930 als BM für Heerwesen vorgesehen, 1939 Verleihung des Charakters eines dt. Generalleutnants. Nachlass im KA, sign. B/1428.

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zusammengestellt, welche die nächste Talsperre besetzte. Die Situation war um so unangenehmer, als unmittelbar vorher bei französischen Manövern ein Parteikommando gefangengenommen wurde, was als Sensationsnachricht durch alle Zeitungen lief; die Italiener hätten sehr gelacht, wenn dies uns passiert wäre. Unsere Manöver waren Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit, weil sie sich unmittelbar an der Grenze abspielten, feldmäßigen Charakter trugen, wichtige fortifikatorische Fragen betrafen und weil Erzherzog Franz Ferdinand ihnen beiwohnte. Die Schlußbesprechung fand auf einer sonnigen Bergeshöhe statt ; als der Parteikommandant Kirchbach mit mir hinkam, hatte der Thronfolger mit der Besprechung bereits begonnen; um ihn herum war ein Kreis der höchsten Generale versammelt, darunter der Chef des Generalstabs, der Kriegsminister, Landesverteidigungsminister, der Korpskommandant Ehg. Eugen, der Generalgenieinspektor und so weiter, samt Suite. Als der Thronfolger uns sah, ging er auf uns los, reichte uns die Hand und sagte laut: „Ich beglückwünsche Sie zu Ihren Dispositionen, sie waren von klassischer Vollendung, man hätte kein Wort daran ändern dürfen." Alle waren starr, so ein Lob hatte man vom Thronfolger noch nicht gehört. Ich wurde durch einen längeren Urlaub belohnt, den ich mit meiner Frau in Florenz und Rom verbrachte. Eine hübsche Erinnerung war auch ein Besuch des Erzherzogs Eugen in Bozen, der eines Tages überraschend in meine Kanzlei eintrat, als ich gerade am Entwurf einer Übung arbeitete ; er setzte sich zu mir und bat mich, laut weiterzudenken. Nach einer halben Stunde, als die Arbeit fertig war, wollte er mir in den Mantel helfen ; ich deprezierte167, er sagte darauf : „Das ist ein Dienst, den man jedem erweist und von jedem annimmt." So war unser Verhältnis zu den Erzherzogen; wundert sich da jemand über unsere Anhänglichkeit an die Dynastie? Der Dezember 1912 brachte ein Ereignis von großer Tragweite: Conrad wurde wieder zum Chef des Generalstabs ernannt 168 . Dies war keineswegs ein Sieg der „Kriegspartei", sondern nur ein Ausdruck der Angst vor schweren europäischen Komplikationen, wobei man Conrad nicht entbehren wollte. Die Entscheidung ging vom Thronfolger aus, der wünschte, daß derjenige, der die Kriegsvorbereitungen ausgearbeitet habe, auch die Führung im Kriegsfalle übernehme. Se. Majestät soll seine Zustimmung nicht gern gegeben haben und verlangte dafür die Enthebung des ihm unsympathischen Kriegsministers G.d.I. von Auffenberg, wogegen der Thronfolger, dem die167 Ursprünglich: Abbitte leisten. In der damaligen Gesellschaft die Umschreibung des Versuches der Zurückweisung einer höflichen Geste oder Gefälligkeit, die von einem gesellschaftlich höher Stehenden erwiesen wird. 168 Vgl. Sondhaus, Franz Conrad von Hötzendorf, 128-130.

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ser General von Oberst v. Brosch empfohlen worden war, keine Einsprache erhob. FZM Krobatin 169 , einer der begabtesten und bedeutendsten Männer unserer Armee, wurde Kriegsminister. Mir wurde kurz darauf offiziell mitgeteilt, daß ich die Leitung des Operationsbüros übernehmen werde. Oberst Metzger schrieb mir am 18. Februar 1913: „... Du wirst im Mai zum Truppendienst einrücken und ein Jahr bei einem Regiment verträumen. Dann mußt du in den sauren Apfel beißen, um vorerst mein Stellvertreter zu sein und dann - voraussichtlich ab Mai 1916 - das Büro zu übernehmen. So will es der Chef, der auf meinen Vorschlag hin diesen Vorgang als selbstverständlich annahm. ... Wie sehr ich mich freuen werde, Dich wieder hier zu sehen, brauche ich Dir nicht lange auseinanderzusetzen. ..." Gleichzeitig schrieb mir der Generalstabschef des Erzherzog Eugen, Oberst Pichler aus Innsbruck: „Schon zur Truppendienstleistung einrücken ! Tut mir sehr leid, daß Du nur so kurze Zeit bei uns bleibst. Gratuliere Dir aber herzlichst, daß Du für erste Stelle im Generalstab in Aussicht genommen bist." Die nächste Frage für mich war, zu welchem Regiment ich kommen werde. Mir wurde eine Anzahl von Truppenkörpern zur Wahl gestellt, ich wählte das Infanterieregiment Nr. 88 in Budweis, ließ dort Wohnung suchen und mir die Uniformen machen, als ich plötzlich ein Billett des Oberst von Brosch erhielt, ich sei in seinem Regiment, dem 2. Regiment der Tiroler Kaiserjäger in Bozen, als Bataillonskommandant eingeteilt. Ich war starr vor Freude und Staunen ; Brosch hat mir damit einen großen Freundschaftsdienst erwiesen. Gleichzeitig forderte mich der Kommandant des 1. Tiroler Jägerregiments, Oberst Novak v. Arienti (später Theresienritter) 170 , auf, in sein Regiment einzutreten, falls ich mit den Garnisonen Levico oder Mezzolombardo vorliebnehme. Ich hätte dankbarst das Anbot angenommen, welches das gute Einvernehmen zwischen Generalstab und Truppe dokumentierte, aber inzwischen kam schon das Telegramm aus Wien, daß ich in Bozen eingeteilt sei. Meine Übersiedlung bestand darin, daß ich meine Pferde aus dem Generalstabs-Stall in den daneben befindlichen Regiments-Stall führen ließ, dann wurden rasch die neuen Uniformen bestellt, und ich eilte nach Innsbruck und Wien, um mich für dieses große Wohlwollen zu bedanken. In Wien fand ich eine sehr gedrückte Stimmung. Metzger sah der Zukunft voll Sorge entgegen. Auch Conrad war sehr pessimistisch, da wir dem Krieg nach mehreren Seiten nicht mehr entgehen könnten : Auf meine Bemerkung, man müsse Freundschaft mit Rußland suchen, erwiderte er, man 169 Über Alexander Frh. v. Krobatin (1849-1933), 12.12. 1912-12.4.1917 Kriegsmin., vgl. GlaiseBroucek I, 280, Anm. 23. 170 Über Guido Frh. Novak v. Arienti (1859-1928), 1910-1914 Kindt. 1. TKJR., 1917-1918 Kmdt. d. Theres. Milak., vgl. Glaise-Broucek I, 487, Anm. 623. Er war kein Generalstabsoffizier.

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habe es versucht, Hohenlohe sei vom Kaiser damit beauftragt, aber seit dem Konflikte Aehrenthal-Izwolski habe die russische Regierung und der Zar das Vertrauen zu uns verloren171. Jetzt sähen alle ein, wie recht wir hatten, 1908/9 den Krieg mit Serbien für notwendig zu erklären, aber jetzt bleibe nichts mehr übrig, als so gut es gehe zu rüsten.

XIII. Bataillonskommandant im 2. Regiment der Tiroler Kaiserjäger (1913/14) Ein Bataillonskommandant hat wenig zu tun und nichts zu reden, denn die Akteure in einem Regimente sind der Regiments- und die Kompaniekommandanten. Oberst von Brosch legte auch großen Wert darauf, der absolute Herr im Regimente zu sein. Ich lebte in schönem Einvernehmen mit meinen Kompaniekommandanten (Hptm. Huslig172, v. Laube173, Graf Meraviglia174, Frh. v. Formentini175) und genoß die Vorteile, in einem solchen Eliteregimente zu dienen. Die Disziplin erhielt sich von selbst, den Leuten war keine Anstrengung zu groß, auf den Bergen waren sie springlebendig, auf dem Exerzierplatz war nicht viel mit ihnen anzufangen. Schwierigkeiten bereitete nur der Haß der deutschen Mannschaft gegen die Italiener, der uns zwang, an freien Tagen die Ortschaften national getrennt zuzuweisen, damit Messerstechereien vermieden werden. Auf dem Schießplatz war es ein stereotyper Ausruf, wenn ein Kaiserjäger seine Scheibe fehlte: „Du welscher Hund, ich krieg' dich noch!" Diese Volksstimmung ignorierten unsere Diplomaten vollständig; so entstehen die gefährlichsten Trugbilder. 171 Graf Alexander Izwolski (1856-1919) war 1906-1910 russ. Außenmin. Gemeint ist der Konflikt während der bosnischen Annexionskrise 1908/09. Über die Mission Gottfried Hohenlohe im Februar 1913 siehe Kronenbitter, „Krieg im Frieden", 409 f. Kaiser Franz Joseph meinte, „es sei die Pflicht des Monarchen, den Ländern den Frieden zu bewahren". 172 Hugo Huslig (Pozdiatin, Bezirk Trebitsch, Mähren, 2. 1. 1878-?), 18. 8. 1896 aus InfanterieKadettenschule Prag zu IR. 2, 1. 11. 1897 Lt., später Hptm. im 2. TKJR., 1. 8. 1917 Mjr.i.R. 173 Alois Edler v. Laube (Troppau, 25. 7. 1874-?), 25. 9. 1889 aus Infanterie-Kadettenschule Wien zu FJB. 17, 1. 5. 1905 zu 2. TKJR., 7. 9. 1914 verwundet in russ. Kriegsgefangenschaft, 27. 8. 1917 Rückkehr, XI/1917 Mjr. mit Rang vom 1. 1. 1915 und Obstlt. mit Rang vom 1. 11. 1916, 1919 pensioniert. 174 Friedrich Graf v. Meraviglia-Crivelli (Semriach, Stmk., 19. 9. 1866-?), Infanterie-Kadettenschule Innsbruck, 1. 5.1889 als Lt. zu IR. 75,1.11. 1889 zu 1. TKJR., 1. 5.1895 zu 2. TKJR., 1. 5. 1913 Mjr., 1915 Obstlt., 1. 2. 1918 Obst, im 4. TKJR. 175 Paul v. Formentini Frh. zu Tolmein und Biglia Conte di Musmezzi (Görz, 14. 5. 1871-?), 1891 als E.F. zu FJB. 2, reaktiviert, 1. 5. 1909 Hptm., 1. 5. 1913 vom FJB. 6 zu 2. TKJR.

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Über Auftrag des Oberst Brosch hielt ich eine Reihe von Vorträgen über die russische Armee. Ich gelangte bei meinen Vorstudien zu dem niederdrükkenden Resultate, daß wir uns kaum in Galizien werden behaupten können. Brosch sprach das richtige Endurteil aus, als er sagte, die russische Armee habe es nie verstanden, einen Sieg auszunützen, und das werde uns Gelegenheiten zu Erfolgen bieten. Die Ereignisse 1914 bis 1916 haben Brosch recht gegeben. Ich schrieb damals mehrere Aufsätze für Danzer's Armee-Zeitung unter dem Titel: Berichte des russischen Militärattaches über Österreich-Ungarn; in diesen kritisierte ich die bestehenden militärpolitischen Verhältnisse, die unhaltbar waren ; natürlich nannte ich meinen Namen nicht. In die Bozener Zeit fiel das traurige Ereignis des Verrates durch Oberst Redl176. Dieser Verrat hat uns im Kriege keinen Schaden gebracht, da Conrad den Aufmarsch geändert hatte und die Russen, die das nicht wußten, lange Zeit sich von den falschen Voraussetzungen nicht frei machen konnten, aber im Frieden waren die Auswirkungen dieses Verbrechens sehr arg. Die öffentliche Meinung wurde alarmiert, und der Thronfolger war über den Vorfall entrüstet. Es hätte ja nicht viel gefehlt, und Redl wäre der Leiter unseres ganzen Spionagedienstes geworden und hätte einen wichtigen Vertrauensposten (Chef des Evidenzbüros) übernommen. Merkwürdigerweise machte der Thronfolger dem in erster Linie verantwortlichen Vorgesetzten Redls, dem Korpskommandanten in Prag, keine Vorwürfe, sondern hielt sich nur an Conrad, dem er Mangel an Menschenkenntnis und Weltfremdheit vorwarf. Das Verhältnis Conrad-Franz Ferdinand wurde durch den Fall schwer 176 Über Alfred Redl (1864-1913) vgl. Glaise-Broucek I, 264, Anm. 449. Vgl. zur Affäre Redl Albert Pethö, Agenten für den Doppeladler. Österreich-Ungarns Geheimer Dienst im Weltkrieg, Graz-Stuttgart 1998, 227-238. Zeynek nahm während des 2. Weltkrieges in einem Brief v. 12. 10. 1943 an Imma v. Bodmershof zur Redl-Affäre Stellung (DLA, NL Imma ν. Bodmershof, Mappe Zeynek): „Das Drama Redl als Kulturroman! Redl war ein self made man, der sich im Generalstabsdienst über seine Kraft angestrengt hatte und ein Opfer des russischen Oberst Mfartschenko] wurde, der ihn homosexuellen Verkehrs überwiesen und vor die Alternative gestellt hatte: Verlust der Charge wegen dieses Verbrechens oder Dienstleistung für Rußland. Redl wählte Letzteres und lieferte Rußland teils wertloses, teils richtiges, teils falsches Material. Uns hat dies im Krieg 1914 nicht nur nicht geschadet, sondern genützt, da Conrad die Kräftegruppierung grundlegend änderte, die Russen aber an den Mitteilungen Redls festhielten und auf falscher Grundlage falsche Entschlüsse faßten. Auch Deutschland hatte seinen Redl, einen General, der unter dem Decknamen le vengeur den wirklichen deutschen Aufmarsch der französischen Regierung verkaufte. Dieser Verbrecher wurde nicht entlarvt und die Tatsache wurde erst nach dem Krieg bekannt. Deutschland und wir haben aber über die affaire des vengeur geschwiegen, die Affare Redl wurde hingegen dort und hier breitgetreten und nun wird der Einzelfall dieses entgleisten Menschen zum Mittelpunkt einer breiten kulturgeschichtlichen Darstellung süddeutschen Wesens gemacht."

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geschädigt. Die Feinde der Armee machten überdies aus dem Fall Redl eine Affäre Redl. In Deutschland war man geschickter und wußte es der Öffentlichkeit vorzuenthalten, daß ein hoher Generalstabsoffizier 1905 den ganzen Aufmarschplan für 60.000 Franc den Franzosen verkauft hatte (Enthüllungen Paléologues von 1932)177. Im Jahre 1913 starb FZM Hubert Frh. v. Czibulka, der treueste Freund meines Vaters178, ein hochgeachteter Mann. Er war in der Kriegsschule Lehrer des Thronfolgers, dann Generalstabschef in Prag, später Korpskommandant in Prag und Budapest, endlich Kapitän einer Garde. Als er in den Rang kam, eine Armee zu führen, bat er um Verständigung über die Aufgabe, die ihm im Kriegsfalle zukäme. Da es sich um den Kriegsfall Balkan handelte, erhielt ich den Auftrag, ihn zu orientieren. Das Resultat war, daß Czibulka um seine Pensionierung bat, da er einer so schweren Aufgabe nicht gewachsen sei. Ich glaube, dieser Fall steht einzig da, denn viele Generäle, die Czibulka nicht annähernd gewachsen waren, strebten immer noch nach mehr Macht und Einfluß, um dann im Kriege entweder Unheil über die Armee zu bringen oder als Parasiten von der geistigen Kraft ihrer Generalstabschefs zu leben. Im Herbst 1913 fanden große Kaisermanöver in Südböhmen bei Tabor statt. Kommandant der Südpartei (Budweis) war General der Infanterie v. Auffenberg; in seiner Operationsabteilung waren eingeteilt: Oberst Freiherr von Waldstätten, Oberstleutnant v. Soós und ich, Hauptmann Rossmann179, 177 Der französische Diplomat Maurice Paléologue schreibt in seinen gedruckten Tagebuchaufzeichnungen, Un grand tournant de la politique mondiale (1904-1906), Paris 1934, 274 (27. 3. 1906) unter dem Schlagwort: „Notre état-major connaît, par une trahision mystérieuse, le nouveau plan de concentration des armées allemandes contre la France - Les révélations du Vengeur: programme d'une offensive débordante et fondroyante par la Bélgique". 63-65 schildert Paléologue eine Unterredung mit dem französischen Chef des Generalstabs General Pendrézec. Unter strengster Geheimhaltung hätte ihm dieser eine Karte gezeigt, auf der eingezeichnet gewesen sei, wie eine Armee von neun Korps über Belgien Richtung Paris vorbrechen sollte. Er erklärte dazu : Ein Mann, der Offizier im Großen Generalstab in Berlin im Generalsrang sein dürfte, habe von Lüttich aus Dokumente und Karten angeboten. Der französische Service des Renseignements habe sie über seinen Exponenten Capitaine Lambling erworben: „Quand à la personnalité du traître nous l'ignorons totalement." 178 Hubert Frh. v. Czibulka starb am 28. 2. 1914, nicht 1913. 179 Hugo Rosman, auch: Rossmann (Amstetten, 16. 8. 1877-?), 18. 8. 1898 aus Infanterie-Kadettenschule Liebenau als Kadett-Offizierstellvertreter zu F JB. 11,1.11.1899 Lt., 1. 5.1908 zu FJB. 10, 15. 5. 1910 als Mappeur ins Militärgeographische Institut, 1. 5. 1913 Hptm., 21. 1. 1915 zugeteilt dem Glstb., 15. 9. 1915 Glstbsoffizier 181. IBrig., 1. 1. 1916 Glstbschef 49. I T D im Korps Goiginger bis Kriegsende (eingesetzt auch bei Rekognoszierungen und im Panzerzug), 1. 11. 1918 Mjr., 1. 3. 1919 pensioniert, aber verwendet als Referent der Auszeichnungsgruppe Obst. Heller, Übernahme ins öst. Bundesheer und verwendet als Kmdt. des Garnisonsarrestes Wien und dann in der 5. Abt. des Staatsamts für Heerwesen, 1. 1.

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Freiherr von Bolschwing180, Hauptmann Brantner, in anderen Abteilungen Generalmajor v. Mecenseffy181, Oberstleutnant Freiherr von Abele182, Major Butterweck183, kurz - eine hervorragende „Gesellschaft". Wir studierten zunächst die Manöver in Form eines Kriegsspieles, und das überraschende Resultat war der Antrag Waldstättens, die Kaisermanöver mit einem großen Rückzug zu beginnen. Das war noch nicht dagewesen. Auffenberg nahm den Vorschlag an und reüssierte auf diese Weise glänzend. Dies rettete ihn vor der drohenden Pensionierung, denn er hatte sehr viele Feinde. Merkwürdigerweise verlangte Waldstätten, daß seine Autorschaft schriftlich festgelegt werde ; ein Mißtrauen, das ich damals nicht verstand ; nach den Erfahrungen des Krieges denke ich aber anders über diesen und ähnliche Fälle. Ich hatte gleich zu Beginn der Manöver Conrad Meldungen zu erstatten und war sehr betrübt, daß es zu schweren Konflikten zwischen Conrad und dem Thronfolger gekommen war. Sichtlich bestand nicht mehr das gegenseitige Vertrauen. Metzger besprach auf einem langen gemeinsamen Ritt die Lage und meinte, der Erzherzog suche einen Nachfolger für Conrad. Da der Chef seiner Militärkanzlei, Oberst Dr. Bardolff ein Anhänger Potioreks war, trat diese Kombination in den Vordergrund. Die Situation wurde noch gespannter, als der Erzherzog am letzten Manövertage die Manöver1921 Titel Obstlt., 11. 10. 1923 zu IR. 4 bei gleichzeitiger Übersetzung zum Offizier, 20. 7. 1926 Amtsrat im BM. f. Heerwesen, 1927 Ruhestand. 180 Wilhelm Frh.v. Bolschwing (Cilli, 9. 11. 1881-12. 11. 1968, Salzburg), 18. 8. 1902 aus Theres. Milak. als Lt. zu IR. 4, 1. 11. 1907 Oit. u. zugeteilt Glstb. bei 44. LwITD, Glstbslaufbahn, 1. 8. 1914 Leiter d. Evidenzgruppe 4. Armeekdo., 16. 10. 1915 zu 44. SchD, 1. 2. 1916 Mjr., 1. 5. 1917 Leiter der materiellen Gruppe beim Heeresgruppenkdo. Ehg. Eugen bzw. der Südwestfront, 1. 5. 1918 Obstlt., 1. 11. 1920 pensioniert, 13. 2. 1940-9. 5. 1945 Zweigstelle Prag des Heeresarchivs Wien, 1. 4. 1942 Obst.z.V, 21. 6. 1945 entlassen aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft, 1945-21. 3. 1951 im Kriegsgefangenenfürsorgeamt der Tiroler Landesregierung. 181 Artur Edler v. Mecenseffy (Wien, 23. 6. 1865-6. 10. 1917 gefallen bei Asiago), 18. 8. 1882 aus Pionier-Kadettenschule als Titular-Feldwebel ins Pionierrgt., 1. 5. 1885 Lt., ab 1889 Glstbskarriere, 20. 4. 1895 als Hptm. ins OpB., 1. 11. 1900 Mjr., 1. 11. 1904 Obstlt. u. Chef d. OpB., 1. 11. 1907 Obst.i.G., 1. 11. 1912 GM u. Kmdt. 32. IBrig., 29. 7. 1914 Glstbschef 2. Armee, 4. 10. 1914 enthoben u. Armee-Etappenkmdt. 1. Armee, 20. 1. 1915 Kmdt. 10. ITD (Durchbruch bei Gorlice), 7. 9. 1915 FML. Siehe KA, NLS, sign. B/713. 182 Albert Abele Frh. von und zu Lilienberg (Ancona, 1. 3. 1857-17. 10. 1927, Rosenburg, NÖ), 24. 4. 1879 aus Theres. Milak. als Lt. zu DR. 5, 1. 5.1902 Mjr. UR. 13,1.11.1906 Obstlt. DR. 15, 23. 10. 1909 Kmdt. DR. 13, 21. 6. 1913 Kmdt. 3. KBrig., 1. 8. 1914 GM, 1. 8. 1917 FML, 1. 1. 1919 pensioniert. 183 Gustav Butterweck (Temesvár, 12. 4. 1873-?), 18. 8. 1896 aus Theres. Milak. als Lt. zu IR. 87, ab 1901 Glstbskarriere, 7.12. 1907 ins Eisenbahnbüro, ab 1911 Glstbschef 24. ITD, 1. 5. 1912 Mjr.i.G., 1. 11. 1914 Obstlt.i.G., 15. 2. 1915 Kmdt. Feldtransportleitung 6, 31. 1. 1917 Glstbschef 20. ID u. Rayon IV in Südtirol, 1. 6. 1917 bis Kriegsende Glstbschef XVII. Korps, 1. 9. 1917 Obst.i.G., übernommen ins öst. Bundesheer, 1920 Kmdt. IR. 4.

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leitung ausschaltete und persönlich eine Übung gegen Markierung leitete, die vom Standpunkte der kriegsmäßigen Schulung wertlos war und durch ungeschickte Führung eines Kavalleriekorps auch formal nicht gut gelang. In dieser Situation sprang Oberst v. Brosch ein und brachte es dahin, daß der Thronfolger Conrad schriftlich bat (23. 9.), „mit Rücksicht auf Kaiser Wilhelm, die Neue Freie Presse" und den Erzherzog selbst noch weiter auf seinem Posten zu bleiben. Da ich aber gleichzeitig erfuhr, daß Potiorek den Thronfolger aufgefordert hatte, im Juni 1914 an Manövern in Bosnien teilzunehmen, wußte ich, daß dann die Entscheidung fallen werde. Die Entscheidung fiel, allerdings anders, als man ahnen konnte. Ich persönlich erlebte noch bei diesen Manövern die Freude, daß der Thronfolger sich Conrad gegenüber in der liebenswürdigsten Weise über mich aussprach. Die Schlußbesprechung am 17. 9. 1913 bestand nur aus einer Rede des Erzherzogs, diese war aber hinreißend. Er skizzierte, wie er sich das Verhältnis der Armee zum Staate vorstelle ; das klang wie eine Fanfare ! ... Ich sah den Erzherzog nicht mehr wieder. Er wäre ein großer Herrscher geworden und hätte Großes geleistet - falls ihm die Konsequenz in kritischen Lagen nicht vielleicht gefehlt hätte. Sein Prinzip, jeden Menschen für den Zweck des Gemeinwohls auszunützen und auszupressen, dann nach Bedarf zur Seite zu stellen, hatte für mich nichts Abstoßendes an sich, denn so haben es alle großen Führer mit Napoleon an der Spitze gehalten. Die Überzeugungstreue, mit der Franz Ferdinand unbekümmert um seine Popularität und unbekümmert um die Zeitungen seine Ansichten immer vertrat, imponierte mir ; die Schärfe seines Urteiles war auffallend ; die Art, wie er Charakterstärke suchte und schätzte, die Ehrlichkeit seines Familienlebens, die Loslösung von höfischem Wesen, die Natürlichkeit und Herzlichkeit seines Tones im Verkehr mit Männern, die er hochhielt, die Unzweideutigkeit seines Benehmens gegen Männer, die er geringschätzte, wenn sie auch noch so hoch rangierten, das alles machte auf mich nachhaltigen Eindruck, und ich war stolz darauf, zu dem kleinen Kreis zu gehören, dem er sein Vertrauen schenkte. Selbstverständlich ist es nicht möglich, ein Urteil abzugeben, wie sich die Verhältnisse entwickelt hätten, wenn Franz Ferdinand Kaiser geworden wäre; gekannt haben ihn die wenigsten Menschen, am besten Oberst v. Brosch, der seine Renaissancenatur begriff und sich ihm geistig am meisten assimiliert hatte 184 . Auch Conrad mußte trotz aller Konflikte und Schwie184 Von Alexander Brosch dürften auch die Mitteilungen stammen, die Zeynek in seinem Manuskript Preußen gegen Österreich (KA, NLS, B/115), 23f., wiedergegeben hat: „Franz Ferdinand wäre als Kaiser ein Friedensfürst und wahrscheinlich der Retter Europas geworden. Er wollte durch Zusammenfassung aller Südslawen ein Großkroatisches, durch Vereinigung aller Rumänen ein Großrumänisches Reich schaffen und auf föderativer Grundlage bei einheitlicher deutscher Sprache, aber weitgehender kultureller Selbständigkeit jedes Volks-

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rigkeiten zugestehen, daß in dem Thronfolger die Grundlagen zu wahrem Führertum vorhanden waren. Die Feinde Österreichs wußten, warum sie ihn ermordeten. Am 23. Dezember 1913 schrieb mir Metzger noch erfreut, daß der Erzherzog den Weg zu Conrad zurückgefunden habe. Für September 1914 wurde meine Einrückung in das Operationsbüro festgelegt185.

XIV Die Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand Am 28. Juni 1914 wanderte ich mit meiner Frau von Madonna di Campiglio zum Brentajoch, als ein Tourist uns erzählte, der Thronfolger sei in Sarajevo ermordet worden. Wir kamen mittags zur Schutzhütte und waren überrascht, als wir eintraten. Abends in Madonna di Campiglio wurde im Hotel, das von Reichsdeutschen überfüllt war, getanzt und gelacht. Ich begriff das nicht, denn ich sah ungeheure Ereignisse herannahen, allerdings war ich selbst wie betäubt von dem Ereignis, das ich für etwas ganz Unmögliches stammes die Vereinigten Donaustaaten aufbauen, in denen ein friedliches, durch das Recht gesichertes, jede Gewaltanwendung ausschließendes Leben aller Völker des südlichen Mitteleuropa gewährleistet sein sollte. Kaiser Wilhelm II. war für seine Gedanken gewonnen, und sofort nach der Thronbesteigung wollte Franz Ferdinand zum Zaren fahren, um sich in Petersburg für die Ideen seiner Weltanschauung einzusetzen. Der Fürstenmord in Sarajevo öffnete nun das Tor der Weltgeschichte für ein Meer von Blut und Tränen." Eine Beurteilung dieser Pläne bietet Kann, Groß-Osterreich, 46 : „Daß der bedeutende Mann Österreichs Völker im Zeitalter der Revolution der Massen in seinem Zeichen hätte einigen können, ist unwahrscheinlich." Zu den militärischen Überlegungen Broschs im Zusammenhang mit der Reichsreform vgl. einen Brief Broschs an Auffenberg, Bozen, 18.10. 1913, publiziert in Ludwig Jedlicka, Alexander Brosch von Aarenau und Moritz Auffenberg-Komaröw. Dokumente einer Freundschaft, in: Virtute fideque. Festschrift für Otto von Habsburg zum fünfzigsten Geburtstag, Wien-München 1965, 9 f. : „Ja sieht man denn nicht, daß je mehr man die Landwehren ausbaut, man um so mehr der nationalen ungarischen Armee entgegentreibt? Ich würde der Landwehr, die in dem letzten Jahrzehnt um 50.000 Rekruten mehr bekommen hat, nicht einen Mann gegeben haben; sie soll wegen meiner verdorren. Die Landwehr ... ist der größte Schädling der einheitlichen Armee, in einer schwachen Stunde dem Obersten Kriegsherrn abgerungen, hätte sie immerdar nur ein Rudiment bleiben müssen." 185 Vgl. einen Brief Broschs an Auffenberg, Bozen, 9.12. 1913, gedruckt bei Jedlicka, Alexander Brosch von Aarenau und Moritz von Auffenberg-Komarów, 98: „Ob Zeynek wirklich Chef des Operationsbureaus wird, steht wohl noch in Frage: wechselt der Chef des Generalstabs, dann ist's wohl mit dieser Kombination nichts, denn der neue Chef nimmt sich gewiß nur einen Mann seines Vertrauens. Im übrigen habe ich von Herren des Operationsbureaus gehört, daß man bei der Berufung Zeyneks kaum sagen würde: ,Volkesstimme, Gottesstimme'. Ich habe über die Generalstabsfahigkeiten Zeynek's kein Urteil; als Troupier ist er sehr tüchtig, aber keineswegs besonders hervorragend - eher ein zwar sehr kenntnisreicher, aber vom Glück nicht begünstigter Feldherr. Und beim Soldaten ist Glück doch die Hauptsache!"

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hielt: ein Fürstenmord in Europa, gar die Ermordung eines Habsburgers und noch dazu die Ermordung des slawenfreundlichen Thronfolgers durch Slawen ! Mir war klar, daß dieses Attentat der Auftakt zu unabsehbaren Konsequenzen sein müsse, weil es nach meinem Gefühle die Kampfansage Serbiens an die Monarchie bedeutete. Wir fuhren sofort nach Bozen zurück, wo man aber auch nichts wußte ; das Gerücht, daß Conrad, Metzger und Bardolff verwundet seien, wurde richtiggestellt, daß nur Merizzi verwundet war. Ich suchte Brosch auf, dessen Lebenswerk vernichtet war. Als er Ende August 1914 von zahllosen Geschoßen durchbohrt neben der Fahne des Regiments fiel, war dieser Heldentod nur der Ausklang der Katastrophe, die ihn durch die Ermordung seines Herrn getroffen hatte. Ich stehe heute noch unter dem Druck eines furchtbaren Gefühls, wenn ich an diese Ereignisse zurückdenke: „Landsleute, was für ein Fall war das! Nun werdet ihr und ich und alle werden fallen!"186 Die Nachricht vom Attentat -wurde in Wien bei Hofe und in den Ministerien als Entspannung aufgefaßt, die Umgebung des Kaisers hoffte nun ungestört die Politik der Konzessionen fortsetzen zu können ; den Deutschen war der Erzherzog zu slawophil, den Slawen zu deutsch, den Ungarn zu österreichisch gewesen. Ursache zur Trauer hatten aber alle, die in ÖsterreichUngarn eine geopolitische und wirtschaftliche Einheit höchsten kulturellen Wertes für Europa erkannten; es dürften jetzt nach mehr als zwei Dezennien nicht weniger sein, als damals187. 186 Zeynek übersetzt und variiert hier Shakespeare, Julius Caesar, 3. Akt, 2. Szene: O, what a fall was there, my countrymen! / Then I, and you, and all of us fell down, / Whilst bloody treason flourish'd over us. 187 Hier eine Passage aus Eichhoff, Von Miramar nach St. Germain (KA, NLS, sign. B/874). Eichhoff war schon seit etwa 1910 der engste Berater Ehg. Franz Ferdinands in der Frage des Nationalitätenproblems. „Abends und bei Nacht arbeitete ich noch eifrig an der endgiltigen Fassung der Entwürfe für den Thronfolger. Viele dieser Arbeiten waren ja schon fertig und zusammengefaßt unter der energischen Leitung des Vorstandes der Militärkanzlei Obersten Dr. Karl Bardolff, ... mit dem ich schon damals seit mehr als zwei Jahren in regen Beziehungen gestanden und in gemeinsamer Arbeit verbunden war. Neu im Bereiche dieser Arbeiten waren die Fragen der Abgrenzung der Siedlungsgebiete der Volksstämme und der allfalligen Durchführung gerechter Volksabstimmungen zu diesem Zwecke. Meine diesbezüglichen Anregungen hatten bisher beim Erzherzog immer eine ablehnende Skepsis gefunden ; die Wahrung der historischen Kronlandsgrenzen schien ihm, nach konservativer Denkungsart, von überwiegender Wichtigkeit. Erst auf der Terrasse von Miramar hatte er diese Pläne - allerdings nicht genehmigt - aber immerhin mit Interesse aufgenommen und mich beauftragt, ihm die betreffenden Gesetzesentwürfe vorzulegen. Als ich meinte: ,Ich werde sie baldmöglichst an Oberst Bardolff schicken', erwiderte der Erzherzog diesmal: ,Nein, die werden sie mir selbst schicken!' Zwei Monate später ... das Verbrechen von Sarajewo. ... Der lebenskräftige Gedanke dieser Vorarbeiten konnte und kann allerdings nicht aus der Welt geschafft werden: Freier Zusammenschluß jedes Volksstammes, der sich

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Die gehässige Art, in welcher seitens der Hofwürdenträger das Begräbnis des Thronfolgers und seiner Gemahlin veranstaltet wurde, verriet den dort aufgespeicherten Höflingsgroll. Die Vorkehrungen bei Ubersetzung der Donau nächst Artstetten waren so primitiv, daß, wie Brosch mir erzählte, der Leichenwagen beinahe von der Fähre in die Donau gerollt wäre. Uber diese Vorkommnisse erhielt ich aus dem Operationsbüro folgende Mitteilungen: „Es steht wohl trotz aller Dementis und schönen Phrasen fest, daß die grauenhafte Sache ganz dem Leichtsinn Potioreks zuzuschreiben ist. Die Worte Potioreks nach dem mißlungenen ersten Attentat: ,In Sarajevo findet sich kein zweiter Mörder', glaube ich immer aus seinem Munde zu hören."188 ... Conrad war tief erschüttert, auch Metzger, er hatte die Manövertage in Bosnien mit Chef und Kundmann189 in der unmittelbarsten Nähe des Erzherzogs und der Herzogin verbracht, sie wurden in herzlichster und familiärster Weise behandelt. Franz Ferdinand war heiter, liebenswürdig und herzlich wie nie, ohne jede Besorgnis dem Todestag entgegengehend. Die polizeilichen Maßnahmen in Sarajevo waren ungenügend, die Truppen waren eingewiesen, erst nach der Abreise Franz Ferdinands in Sarajevo einzurücken!

durch Denkungsart, Kultur, Sitte und Sprache verbunden fühlt - und weitgehender Zusammenschluß dieser Volksverbände zu möglichst großen wirtschaftlichen Einheiten, zur gemeinsamen Verwertung aller Natur und Arbeitskräfte, dort wo man sie braucht, zum freien Austausch aller Natur- und Arbeitserzeugnisse. Dieser Leitgedanke lebt weiter, und daß er nicht zur Verwirklichung gelangte, ist eine der tiefliegendsten Ursachen des Verfalls, der mit dem Mord von Sarajewo am 28. Juni 1914 eingeleitet wurde und seither die Völker dieser Erde von Weltkrieg zu Weltkrieg immer tiefer verelendet und verdummt und mit zynischer Zielsicherheit der geistigen, moralischen und materiellen Selbstvernichtung zuführt. Viel später einmal habe ich diese Leitgedanken und die Entwürfe, in denen sie Gestalt angenommen hatten in einem Artikel der ,Reichspost' von 28. März 1926 ausführlich erörtert." Vgl. Die geplante Gründung der „Vereinigten Staaten von Großösterreich". Das vorbereitete Thronmanifest des Erzherzogs Franz Ferdinand - ein tragisches geschichtliches Dokument, in: Reichspost v. 28. 3. 1926, 1-3. Wie Eichhoff ebenfalls in seinen Erinnerungen schreibt, hätten diese Entwürfe „im gegebenen Augenblick die Grundlagen und den Ausgangspunkt zur Neugestaltung Österreich-Ungarns, zur Schaffung der .Vereinigten Staaten von Groß-Osterreich' zu bilden. Die große Schicksalsstunde der Thronbesteigung hätte den neuen Kaiser auf seinem Platze gefunden; seiner Pflichten bewußt, fest entschlossen, keinen Finger breit von seinem Weg abzugehen, die Verantwortung voll auf sich zu nehmen, sein Leben dem Glücke und der Wohlfahrt seiner Völker zu weihen." Weder Bardolff noch Eichhoff haben dem Historiker Georg Franz, der sie vor 1943 befragte, jene Pläne genauer bekannt geben wollen; vgl. Franz, Erzherzog Franz Ferdinand. 188 Vgl. dazu Fritz Würthle, Franz Ferdinands letzter Befehl. Der verhängnisvolle Fahrtirrtum von Sarajevo, in: Osterreich in Geschichte und Literatur 15 (1971), 314-328. 189 Über Rudolf Kundmann (1869-1934), 1910-1917 Flügeladjutant FM Conrads und 1916 bis Frühjahr 1918 Chef der Detailabt. (Präsidialabt.) des AOK, siehe Glaise-Broucek I, 323 f., Anm. 146.

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Die Beisetzungsfeierlichkeiten hier beschämend: Erzherzog Friedrich 190 mußte am Tage des Eintreffens der Leichen noch um 3 Uhr nachmittags zum Kaiser, um für die Offiziere das Erscheinen auf dem Bahnhofe zu erwirken. Der sonst so tadellose Prunk bei ähnlichen Anlässen wich einer empörenden Schlamperei, und beim Abtransporte der Leichen bedurfte es ein neuerliches Einschreiten bei Seiner Majestät, um eine Ausrückung von Truppen durchzusetzen. „Unser Hofschranzentum wollte sich noch nach dem Tode an Franz Ferdinand rächen, daß er dieses Ge ... erkannt und mit Fußtritten richtig behandelt hatte. Erzherzog Friedrich wird Armeeinspektor, ist im Kriege Armeeoberkommandant. Der kleine Erzherzog (Karl) soll auf Drängen Tiszas wenigstens auf ein Jahr nach Ungarn, andere Gerüchte wollen wissen, daß er einen höheren Stabsoffizier des Generalstabs bekommen soll, man nannte Metzger hiefür, der sich aber sträubt. Die Krisenstimmung flaut seit der Rückkehr Berchtolds (Minister des Äußern) 191 aus Ischl so ab, daß Chef, Minister und Metzger nächstens auf Urlaub gehen, allerdings nur in erreichbare Nähe. Es soll auf das Resultat der Untersuchung in Sarajevo gewartet werden. Es wird auch dann gewiß nichts geschehen, außer sie bringen unseren Gesandten in Belgrad um" (10. Juli). Als die Untersuchung ergab, daß das Attentat von Serben ausgeführt und von organisierten, geschulten, wohl ausgerüsteten, mit Bomben und Giften versehenen Mördergruppen veranstaltet worden war, daß die Initiatoren mindestens im serbischen Generalstab zu suchen waren, konnte man über die Provokation doch nicht hinweggehen ; es war unvermeidlich, die Serben zur Ruhe zu zwingen, und man hoffte, Rußland werde sich scheuen, im Zusammenhang mit dem gräßlichen Verbrechen Serbiens wegen den Weltkrieg zu entfesseln 192 . So spielte sich bei uns in Bozen das Leben normal ab; noch am 24. Juli marschierte ich mit meinem Bataillon zu einer 24-stündigen Übung in das Gebirge bei Waidbruck, als ich einrückte, wurde ich am 25. Juli früh verstän190 Über Ehg. Friedrich (1856-1936) siehe Glaise-Broucek I, 232, Anm. 327. Er wurde mit 12. 7. 1914 zur Disposition des Allerhöchsten Oberbefehls gestellt und mit 31. 7. 1914 Armeeoberkommandant. 191 Über Leopold Graf Berchtold (1863-1942) siehe Glaise-Broucek I, 241, Anm. 356. Vgl. Hugo Hantsch, Leopold Graf Berchtold. Grandseigneur und Staatsmann, Graz-Wien-Köln 1963. 192 Was die neuere Literatur zur Julikrise und die öst.-ung. Diplomatie betrifft, siehe vor allem Fritz Fellner, Vom Dreibund zum Völkerbund. Studien zur Geschichte der internationalen Beziehungen 1882-1919, hrsgg. v. Heidrun Maschi und Brigitte Mazohl-Wallnig, Wien 1994, darin vor allem Die Mission „Hoyos" (112-141). Was den k.u.k. Generalstab betrifft, siehe Kronenbitter, „Krieg im Frieden". Eine letzte allgemeine Dokumentation ist: Samuel R. Williamson, Jr., Rüssel Van Wyk, July 1914. Soldiers, Statesmen, and the Coming of the Great War. A Brief Documentary History (The Bedford Series in History and Culture), Boston-New York 2003.

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digt, das Ultimatum sei von der serbischen Regierung angenommen worden, am 25. abends wurde diese Nachricht dementiert und die teilweise Mobilisierung „Kriegsfall Balkan" verfügt. Rußland stellte sich hinter Serbien, und am 28. Juli nachmittags schickte mir der Generalstabschef in Bozen, Major Schilhawsky193, einen Brief, der nur die Worte enthielt: „Allgemeine Mobilisierung angeordnet." Der Weltkrieg begann. Für das in Sarajevo vergossene Blut goß ein Strom von Blut und ein Meer von Tränen, unabsehbar, ohne Ende. Das seit dem Dreißigjährigen Kriege größte geschichtliche Ungewitter zog über uns hinweg. Ich hatte meine Mobilisierungs-Einteilung beim 4. Armeekommando, G.d.I. v. Auffenberg. Dieses versammelte sich in Wien. Ich meldete mich daher sofort bei Oberst v. Brosch ab, wohl mit dem Gefühl, daß es ein Abschied für immer sei, und fuhr mit meiner Frau nach Wien ; auf der ganzen Strecke herrschte Begeisterung, Jubel und Freude; man hatte Angst gehabt, die Regierung werde im letzten Augenblick nachgeben. In Wien wurde ich von Studenten mit großem Geschrei und Hochrufen akklamiert. Nur in den Kreisen der Truppenoffiziere und der durch die Arbeit in den Zentralstellen über die Grundlagen dieses Krieges orientierten Generale und Generalstabsoffiziere war die Stimmung ernst und zum Teile sorgenvoll. Der Krieg war, wie Conrad sagte, ein Väbanquespiel geworden, so hatte sich die Lage seit 1908/9 verschlechtert.

XV Die Schuld am Weltkriege Da ich sechs Jahre in der Werkstätte gearbeitet habe, wo die Vorbereitungen für den Krieg getroffen wurden, besitze ich auch einen Einblick in den Geist, der diese Vorbereitungen diktierte. Wir im Generalstab haben für jeden Kriegsfall eine Offensive in Aussicht genommen, da man nach den damaligen Begriffen eine strategische Verteidigung für aussichtslos hielt, vielmehr durch möglichst napoleonische „vitesse et activité" die numerische Schwäche, zu der wir von vornherein verurteilt waren, ausgleichen wollte. Aus diesem offensiven militärischen Geist des Generalstabs darf man aber keineswegs auf einen offensiven Geist unserer Politik schließen, deren Kennzeichen im Gegenteil der Wunsch nach Ruhe war, der Wunsch eines erfahrenen, alten Kaisers, der bereits zwei Kriege, zwei unglückliche Kriege, erlebt hatte und zu seiner nächsten Umgebung immer sagte : „Ihr wißt nicht, was 193 Über Richard Schilhawsky R. v. Bahnbrück (1879-1960) vgl. Glaise-Broucek I, 248, Anm. 385.

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ein Krieg ist." Die Monarchie hätte den Gedanken an einen Krieg ganz abgelehnt, hätte am liebsten abgerüstet, wenn die Nachbarstaaten ihr Ruhe gegeben hätten. Dies war jedoch nicht der Fall, denn bei unsern Nachbarn herrschten national-imperialistische Ideen, die uns ganz fremd waren. Wir wollten nichts als den Status quo, die Erhaltung unserer Existenz. Dieses Streben kann man wohl nicht als Schuld am Weltkriege auslegen, denn es war kein Grund vorhanden, einer Aufteilung der Monarchie tatenlos zuzusehen, weil nach unserer besten Erkenntnis Österreich-Ungarn eine Notwendigkeit für Europa, ein Glück für die in ihm lebenden Völker darstellte und keine Lösung zu einem besseren Resultate hätte führen können. Das, was die Zeit nach dem Weltkrieg im Ubermaß erwiesen hat, das wußten wir schon vor dem Krieg: Wenn Osterreich nicht bestünde, müßte es erfunden werden, so hat es der Slawe Palacky verkündet, und diese Erkenntnis erhob für alles Bestehende wohl das Recht, unseren Bestand zu verteidigen, zur Pflicht194. Wir mußten dabei in den Konflikt mit unseren Nachbarn geraten. Die auf dem Berliner Kongreß von Bismarck geschaffenen Balkan-Kleinstaaten Serbien, Bulgarien, Rumänien, Montenegro waren nicht lebensfähig; sie vegetierten wohl, sie durften nicht sterben, aber sie lebten im Elend und betrachteten mit Neid und Haß den großen Nachbarstaat, der auf gesunder wirtschaftlicher Grundlage aufgebaut war. Sie standen nun vor der Frage, sich entweder an die Monarchie anzuschließen oder sich auf Kosten derselben zu vergrößern. Die erste Lösung war das Regierungsprogramm des Erzherzogs Franz Ferdinand, die letztere Lösung trat durch seine Ermordung als politisches Ziel Serbiens offen zutage. Die Entscheidung über den Weg, den Serbien wählen sollte, lag bei Rußland. Rußland hat aus nationalen Motiven die Kriegspolitik Serbiens gefördert ; es entzieht sich meiner Kenntnis, ob durch ein anderes Vorgehen Aehrenthals 1908/9 eine freundschaftliche Lösung im Sinne des Thronfolgers möglich gewesen wäre. Jedenfalls waren von 1912 an die Kriegspartei am Zarenhof und der panslawistische Einfluß in Rußland maßgebend. In diesem Jahre erklärte die Frau des deutschen Gesandten in Paris, v. Flotow195, eine gebürtige Russin, bei einem Souper: „Wenn Serbien bedroht würde, gibt es 194 Vgl. dazu Koralka, Frantisek Palacky, 269-276; der Text des Absagebriefes an die Frankfurter Nationalversammlung v. 11. 4. 1848 u.a. in Hartmut und Silke Lehmann (Hg.), Das Nationalitätenproblem in Osterreich 1848-1918 (Historische Texte/Neuzeit 13), Göttingen 1973, 9-14: „Wahrlich, existierte der österreichische Kaiserstaat nicht schon längst, man müßte im Interesse Europas, im Interesse der Humanität selbst sich beeilen, ihn zu schaffen." 195 Hans v. Flotow (1862-1935), dt. Diplomat, 1904-1907 Botschaftsrat in Paris, 1907-1910 Vortragender Rat im Auswärtigen Amt, 1910-1913 Gesandter in Brüssel, 19. 2. 1913-18. 12. 1914 Botschafter in Rom, nicht Paris.

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unbedingt Krieg, und wenn in Rußland die Revolution ausbricht, so gehen wir (Russen) zugrunde, aber wir ziehen los." Der Zar teilte dem serbischen Kronprinzen mit, daß die Aspirationen Serbiens gegen Österreich-Ungarn bald in Erfüllung gehen werden, und der russische Gesandte Krupensky 196 in Bukarest eröffnete dem dortigen französischen Gesandten am 2. Dezember 1912, daß Rußland diesmal für jeden Fall bereit sei197. Serbien stellte sich uneingeschränkt in den Dienst dieser slawischen Expansionspolitik. Das Ziel schien mit Hilfe Rußlands leicht erreichbar, denn die Monarchie wurde von vielen Politikern als verwesender Kadaver geschildert, der eines Widerstandes von vornherein nicht fähig sei, kaum mobilisieren, gewiß nicht kämpfen könne. Hätten unsere Feinde geahnt, welche innere Kraft in uns steckte, so wäre es nicht zum Weltkrieg gekommen, aber der Wunschtraum eines sofort zerfallenden Österreich-Ungarn war für die beutegierigen Nachbarn zu verlockend. So tragen an dem Kriege jene Politiker, die uns tendenziös schlechter machten, als wir waren, in hohem Maße Schuld. Es waren bei dieser Agitation vor allem tschechische und serbische Politiker tätig, aber auch leitende reichsdeutsche Diplomaten schädigten mit Vorliebe unser Ansehen. Im August 1913 meldete einer unserer Generalstabsoffiziere aus Bukarest, daß zwischen Deutschland, Rumänien, Serbien, Rußland und Italien eine förmliche Aufteilungsvereinbarung bestehe, die nach dem Tode Kaiser Franz Josephs realisiert werden solle. Diese Nachricht wollten wir im Hinblick auf Deutschlands Bundestreue nicht glauben, aber nun hat man aus den Mitteilungen des französischen Gesandten in Bukarest erfahren, daß der deutsche Botschafter von Jagow198 wirklich Ende November 1912 die Aufteilung der Monarchie angeregt hat. Der französische Gesandte erklärte in seinem Bericht, er sei geradezu „versteinert" gewesen199. Wenige Wochen

196 Anatoli Krupensky (1850-1923), russ. Diplomat, 1905-1912 Gesandter in Christiania (Oslo), 1912-1915 Botschafter in Rom, nicht in Bukarest. 197 Zeynek verwies in seinem Text auf C.-J. Diamandy, La grande guerre vue du versant oriental 1912-1914, in: Revue des deux mondes v. 15. 12. 1927, 781-805, hier 785. Constantin Diamandy war rumänischer Spitzendiplomat, u.a. Gesandter in Rom und St. Petersburg und nach 1918 in Paris. Es scheint, dass Zeynek Diamandy versehentlich für den französischen Gesandten in Rumänien hielt und daher die hier und im folgenden geschilderten Ereignisse von Rom nach Bukarest verlegte. 198 Gottlieb v. Jagow (1863-1935), 1909-1913 dt. Botschafter in Rom, 1913-1916 Staatssekretär des Auswärtigen Amtes. 199 Wenn die Angaben Diamandys, auf die sich Zeynek beruft, zutreffen, könnte es sich um die Fortsetzung des von Reichskanzler Bülow gehegten Gedankens eines „Uneigennützigkeitsabkommens" zwischen Deutschland und Russland handeln. Vgl. dazu oben Einleitung, 40.

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später hat der deutsche Botschafter in Konstantinopel, v. Wangenheim200, dieselbe Anregung seinem rumänischen Kollegen gegeben. Der französische Botschafter in Rom, C. Barrère201, berichtete bereits im Jahre 1904 an Delcassé202, Admiral Tirpitz 203 habe Luzzatti204 erklärt, der Kaiser Franz Joseph hätte durch seine Charakterschwäche und beschränkte Intelligenz bereits außerordentlich geschadet, aber verglichen mit seinem traurigen Nachfolger sei er ein Genie und Charakter!205 So haben unsere eigenen Verbündeten das Feuer angefacht, in dem sie verbrennen sollten. Darf man sich dann wundern, daß der serbische Gesandte in London noch am 1. 8. 1914 die Kühnheit hatte, seinem französischen Kollegen J. Cambon206 zu erklären, es werde anstelle der Mobilisierung in der Monarchie ein allgemeiner Aufstand aller Slawen und ein Aufruhr in Bosnien und der Herzegowina ausbrechen? In Frankreich war die Bevölkerung überzeugt, die russischen Armeen würden in einem Zug bis Wien-Budapest vorstoßen und dort nach wenigen Wochen den Frieden diktieren. Liegt darin nicht das größte Geheimnis von der Schuld am Weltkriege? Waren diese Politiker nicht die wirklichen Kriegshetzer, und spielt sich ein ähnlicher Unfug nicht immer wieder ab? Der Konflikt mit Rußland und Serbien betraf in erster Linie ÖsterreichUngarn. Mit Frankreich hatte die Monarchie keine Interessendivergenz, aber als Deutschlands Bundesgenosse mußten wir die Last des französischen Revanchegedankens mit tragen. Ebenso wurde Großbritannien nur durch Deutschlands kommerziellen Expansionstrieb und merkantilen Aufschwung zur Abwehr der Konkurrenz veranlaßt. Gegen diesen Staat muß man den 200 Hans Frh.v. Wangenheim (1859-1915), Offizier und Diplomat, 1904 dt. Gesandter in Mexiko, 1909-1915 Botschafter in Konstantinopel. 201 Camille Barrère (1851-1940), 1897-1924 franz. Botschafter in Rom. 202 Theophile Delcassé (1852-1923), 1894-1895 franz. Kolonial-, 1898-1905 Außenmin. und „Baumeister" der Triple-Entente, 1911-1913 Marinemin., II/1913-I/1914 Botschafter in St. Petersburg, VIII/1914-X/1915 neuerlich Außenmin. 203 Alfred v. Tirpitz (1849-1930), 1892 Stabschef des Oberkdos d. dt. Kriegsmarine, 1897 Staatssekretär d. Reichsmarineamtes, 1911 Großadmiral, im Weltkrieg Kmdt. der Kriegsmarine, 1916 verabschiedet, 1917 Gründer der Deutschen Vaterlandspartei, 1924-1928 Mitglied des Reichstages. 204 Luigi Luzzatti (1841-1931), 1903 ital. Schatz-, 1909 Ackerbaumin., 31. 3. 1910-29. 3. 1911 Ministerpräs. 205 Camille Barrère, Le prélude de l'offensive Allemande de 1905, in: Revue des deux mondes v. 1. 2. 1932, 634-641. In einem Bericht von Barrère, 27. 7. 1904 (640), gibt dieser Tirpitz wieder: ,„Par sa faiblesse de caractère et son intelligence étroite, l'empereur François-Josephe a fait à son pays un mal incalculable ; mais, comparé à son triste héritier, c'est un génie et un caractère' ... Car on aura beau faire, l'autriche est condamnée à demeurer le satellite de l'Empire allemand." 206 Jules Cambon (1845-1935), franz. Diplomat, 1897-1902 Botschafter in Washington, 19071914 in London, 1915 Generalsekretär des Außenmin.

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Vorwurf erheben, daß er nicht Farbe bekannt hat. Während Frankreich und Italien überzeugt waren, England werde nicht neutral bleiben, wurden wir verständigt, daß bei der englischen Regierung keine Gefühle der Sympathie für das des Mordes am Thronfolger schuldige Serbien bestünden, vielmehr gehofft werde, daß Serbien sich den Forderungen der Monarchie unterwerfen müsse. Sogar der englische Botschafter in Petersburg erklärte Ende Juli 1914 dem russischen Minister des Äußern, die englische öffentliche Meinung würde es nicht begreifen, wenn jetzt ein Krieg zugunsten Serbiens entfesselt würde207. Hätte Großbritannien seine Geheimverträge mit Frankreich vor dem Kriege veröffentlicht, so hätten die Mittelmächte den Krieg wahrscheinlich nicht begonnen. Ich habe am 4. August die Nachricht von dem Ultimatum Englands an Deutschland im Auftrage Conrads meinem Armeekommandanten, G.d.I. v. Auffenberg, überbracht. Auffenberg, der als Reichskriegsminister über die Außenpolitik gut orientiert war, hielt die Nachricht für nicht möglich und das Eingreifen Englands für kriegsentscheidend gegen uns. Der Vorwurf, daß England durch seine Zweideutigkeit am Ausbruch des Weltkrieges schuld ist, dürfte gerechtfertigt sein. Leider ist Europa jetzt, 1935, wieder in die Nebelsphäre der politischen Unklarheiten getrieben worden. Möchte man doch aus der Weltgeschichte lernen! Italien befand sich vor dem Kriege in einer Zwangslage. Im Frieden brauchte es das Bündnis mit den Mittelmächten für seine ruhige Entwicklung, im Kriegsfalle konnte es aber nicht gegen Frankreich und England kämpfen, weil es durch seine Verbündeten nicht zur See geschützt werden konnte, daher blockiert und ausgehungert worden wäre, nachdem ihm seine ganzen Küstenstädte zusammengeschossen wurden. Überdies strebte es als nationaler Staat die Befreiung von Triest und Trient an. Sacro egoismo und nationaler Imperialismus vereinigten sich, um, wie es Conrad dogmatisch vorausgesagt hat, Italien auf die Seite unserer Feinde zu drängen. Wie irreführend aber die Diplomatie tätig war, zeigt folgendes Beispiel : Am 14. 2. 1913 kam der Stellvertreter des italienischen Chefs des Generalstabs zu Conrad, um ihm mitzuteilen „in Italien halte man an der Idee fest, gegen die Franzosen mit größter Energie vorzugehen, um einen möglichst baldigen Erfolg zu erzielen. Die italienische Flotte werde dem ö.-u. Admiral Haus im Kriegsfalle unterstellt werden." Am 28. 11. 1913 schrieb der Chef des italienischen Generalstabs, Gl. Pollio208, an Conrad: „L'alliance signifie 207 Zeynek bezieht sich auf M. S. Sazonov, Pages de Mémoires. Les Journées Tragiques de Juillet 1914, in: Revue des deux mondes v. 1. 8. 1927, 515-539. Sergej Sazonov war 1910-1916 russ. Außenmin. 208 Alberto Ρω11ίο (Caserta, 21. 4. 1852-1. 7. 1914, Turin), Artillerieoffizier, Flügeladjutant König Umbertos I., 1892-1897 Militârattaché in Wien, Brigadekmdt., ab 1908 Chef des ital. Glstbs.

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surtout union des forces. J'espère aussi que le jour ne soit pas loin, où je puisse assurer un plus large concours de troupes royales italiennes sur l'échiquier stratégique de l'Europe centrale." Am 14. Februar 1914 gab im Gegensatz dazu der italienische Minister des Äußern, Marquis San Giuliano209, dem französischen Botschafter in Rom auf Ehrenwort die Erklärung ab, Italien habe keine gegen Frankreich gerichtete Vereinbarung getroffen, auch keine militärischen Protokolle unterschrieben. Wenn solche existieren, seien es gefälschte Dokumente.210 Es ist wohl kein Zweifel, daß ein derartiges Doppelspiel, welches König Carol von Rumänien selbst am 17. 7. 1914 als „perfid" bezeichnete, wesentliche Schuld am Kriege involviert. Ich möchte festlegen, wenn Italien die Diplomatie der Mittelmächte nicht irregeführt und wenn England seine Militärverträge mit Frankreich veröffentlicht hätte, wäre der Weltkrieg vermieden worden, daß weiters die imperialistische Politik des mit Rußland verbündeten Serbien vermieden worden wäre. Montenegro eröffnete bekanntlich den Weltkrieg, indem König Nikita selbst den ersten Kanonenschuß abgab ; darin lag eine geschichtliche Ironie, denn dieser Kleinstaat schwankte in seiner Haltung hin und her; der König glich, nach Conrads Worten, einem doppelarmigen Kandelaber, der eine Hand dem Kaiser, die andere dem Zaren entgegenstreckte, um mit beiden Geld zu nehmen. Wirft man einen Blick nach Österreich-Ungarn, so darf man wohl die Worte an die Spitze setzen, die der Kaiser am 15. 11. 1911 an Conrad richtete: „Die Politik mache ich, das ist meine Politik, eine Politik des Friedens! Dieser meiner Politik müssen sich alle anbequemen. Es ist möglich, daß es zum Kriege kommt, aber dieser wird erst geführt, bis Italien uns angreift." Am 3. 2.1913 ergänzte der Kaiser seinen Standpunkt noch durch den Grundsatz: „Es ist Pflicht der Regenten, Frieden zu halten." Der Thronfolger schrieb Conrad am 23. 11. 1910: „Äußere Kriege werden wir nicht mehr haben", und am 22. 2. 1913 ließ er Conrad durch seinen

209 Antonio Paterno-Castello Marchese di San Giuliano (1852-1914), 1898 ital. Post-, XII/190511/1906 Außenmin., 1906-1909 Botschafter in London, 1909-1910 in Paris, III/1910-X/1914 neuerlich Außenmin. 210 Zeynek bezieht sich auf: xxx, L'Italie et l'agonie de la Paix en 1914, in: Revue des deux mondes v. 1. 10. 1926, 545-562, hier 545, bezüglich einer Erklärung San Giulianos an Barrère: „On m'a assuré (c'est M. de San Giuliano qui parle), que la Alliance n'aurait pas été modifiés dans un sens offensif contre la France et l'Italie n'avait pas conclu d'autres conventions avec le même objet. S'il existe des documents de ce genre, je ne peux que déclarer qu'ils sont faux." Der anonyme Aufsatz stammt ebenfalls von Camille Barrère, vgl. René Albrecht-Carrie, Italian Foreign Policy, 1914-1922. Bibliographical Article, in: The Journal of Modern History 20 (1948) 326-339, hier 331, Anm. 31.

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Flügeladjutanten sagen, er wolle unter gar keinen Umständen den Krieg gegen Rußland, er werde ihn nicht zugeben : er wolle von Serbien nicht einen Zwetschgenbaum, nicht ein Schaf. Überdies ließ er am gleichen Tage Conrad durch den Minister des Äußern sagen, er sei absolut gegen einen Krieg. Diese Mitteilungen ergänzte der Thronfolger brieflich am 26. 2.: „In aller Hinkunft werden wir mit Rußland gehen" und am 27. 2. 1913: „Alles muß vermieden werden, was zu einem Krieg mit Rußland führen kann." 211 Schärfere Friedensbekenntnisse von der einzig verantwortlichen Stelle aus konnten wohl nicht abgegeben werden. Conrads Gedanke eines Präventivkrieges gegen Serbien, sodann gegen Italien, um nicht mit allen Feinden gleichzeitig kämpfen zu müssen, wurde abgelehnt, die Friedenspolitik wurde bis zum starren System des Status quo getrieben und unterlag. Von einer Schuld der Monarchie am Weltkriege zu sprechen, ist frivol, wohl aber war die Friedenspolitik à outrance schuld am Zusammenbruch, an der Vernichtung der Monarchie. Ich möchte nur schließlich noch gegenüber dem ausgegebenen Schlagworte von der Kriegshetze Conrads feststellen, daß dieser seit 1910 bis 1914 immer wieder einen Modus vivendi mit Rußland, ein Bündnis mit Rußland, ein Zusammengehen mit Serbien, sogar ein Bündnis mit Serbien empfahl, weil er eine Konstellation unbedingt vermeiden wollte : den Krieg der Monarchie gleichzeitig an allen Fronten.

XVI. Beiträge zur Charakterisierung der österreichischungarischen Armee vor dem Weltkriege Da diese Armee nicht mehr existiert, wohl aber viele sehr falsche Vorstellungen über sie teils aus Unkenntnis, teils aus politischer Tendenz verbreitet wurden, füge ich zum Schluß dieses Teiles meiner Erinnerungen einige für die Leitung und den Geist der Armee kennzeichnende, im allgemeinen weniger bekannte Milieuschilderungen bei. Oberster Kriegsherr war Seine Majestät, aber die Beziehungen des Offizierskorps zum Kaiser waren nur spärlich, denn der Weihrauchdunst des Hofes trennte ihn, der mehr Begriff als Person war, auch von den Offizieren. Mit dem Kriegsminister und dem Chef des Generalstabs endete die von Stufe zu Stufe führende Leiter; der Kaiser war unnahbar. Wenn sich aber auch die Entwicklung und Ausbildung der Armee fast ohne direkte Fühlung mit Seiner Majestät vollzog, so wirkte doch das Fluidum seiner Persönlichkeit 211 Vgl. Broucek, Erzherzog Franz Ferdinand und sein Verhältnis zum Chef des Generalstabs.

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in überaus starkem Maße, denn man ahnte, daß er als Schutzherr des ritterlichen Geistes und als Vorbild eines Edelmannes über der Armee wache. Der konservative Sinn des Kaisers hat uns vor Exzessen bewahrt, allerdings machte er sich in Formfragen, wie in der Adjustierung, auch unangenehm fühlbar : Es kostete Mühe, die blaue Hose des Infanterieoffiziers durch eine schwarze zu ersetzen, und die schreiende rote Hose der Kavallerie blieb bis zum Kriegsbeginn als Teil der Feldadjustierung, angeblich aus Tradition. Bis erst Conrad aufdeckte, daß unsere Kavallerie nie in ihr eine Attacke vor dem Feind geritten hatte, sondern daß wir nach Auflösung der mexikanischen Armee des Kaisers Maximilian die überschüssigen Vorräte an diesem Theaterrequisit übernehmen mußten. Dem Generalstab stand der Kaiser kühl gegenüber ; es ist bezeichnend, daß diese Uniform bei Hofe wenig bekannt war, so daß des Kaisers Freundin Frau Schratt, als der österreichische Generalstabshauptmann Prinz Hohenlohe an einer Jause teilgenommen hatte, den Kaiser fragte, welcher Armee dieser Offizier angehöre. Das Verhältnis zum „Allerhöchsten Kriegsherrn" hätte sich ganz geändert, wenn Franz Ferdinand Kaiser geworden wäre, der für die Armee die volle Kraft seiner impulsiven Persönlichkeit eingesetzt hätte. Sein Regime hätte sich weniger auf die Paragraphen einer Verfassung als auf die Treue und Kraft einer braven Armee gestützt. Dafür hätte er dem Staat das Korruptionssystem des Parlamentarismus, das sich bis in die höchsten Stellen der politischen Verwaltung - besonders zur Zeit der Herrschaft Körber-Sieghart212 - auswirkte, gewiß erspart. 212 Rudolf Sieghart, bis 1895 Singer (Troppau, 18. 3. 1866-4. 8. 1934, Luzern), Finanzfachmann und Beamter, 1892 Dr. iur., 13. 3. 1894 Eintritt in den Staatsdienst (Finanzlandesdirektion Wien), XII/1894 einberufen ins Finanzmin., seit 16. 12. 1899 im Ministerratspräsidium, 1902-1910 Vorstand der Präsidialkanzlei, 1904 Sektionschef, 1900 Privatdozent für politische Ökonomie Univ. Wien, 1910-1916 Gouverneur und 1919-1929 Präs. der Bodencreditanstalt. Während seiner Zeit als Präsidialchef wurde zum Teil erfolgreich versucht, wirtschaftlich, aber auch militärisch eine Politik des „do, ut des" zwischen den beiden Staaten der Doppelmonarchie zu praktizieren. Siehe Alfred Ableitinger, Rudolf Sieghart (1866-1934) und seine Tätigkeit im Ministerratspräsidium. Ein Beitrag zur Geschichte der österreichischen Innenpolitik im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts, phil. Diss. Univ. Graz 1964, und Margarete Sieghart, Rudolf Sieghart und das Ministerium Beck, in: Osterreich in Geschichte und Literatur 16 (1972) 465^178 und 540-557. Sieghart schreibt ein ganzes Kapitel seiner Memoiren: Die letzten Jahrzehnte einer Großmacht. Menschen, Völker, Probleme des Habsburger-Reichs, Berlin 1932, 277-285, kritisch über die Armee. Es heißt dort aber abschließend : „Die übergroße Mehrheit der Offiziere bestand aus ehrenhaften, für ihren Beruf lebenden Leuten, vielfach aus Familien, die schon seit Jahrzehnten, ja seit einem Jahrhundert Offiziere gestellt hatten. Diese Männer von alter Uberlieferung, grenzenloser Hingebung an den Beruf, knapp und bescheiden in ihren Ansprüchen ans Leben, waren der beste Teil des Offizierskorps der alten Armee ... Im Herbst 1918 verschwand das k.u.k. Heer sozusagen vom Erdboden ... Im läuternden Feuer dieser in der

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Von den andern Mitgliedern der Dynastie stand Erzherzog Eugen im hellsten Lichte; sein Auftreten war so vornehm wie seine Gesinnung, sein Charakter so geläutert wie sein reiches Wissen ; er war in allem, was er sprach und tat, vorbildlich. Erzherzog Friedrich, der Armeeoberkommandant im Weltkriege, erfreute sich schon im Frieden bei allen, die ihn näher kannten, großer Verehrung. Im Kriege war er für Conrad, was Hindenburg213 für Ludendorff214 war, Rückhalt und Deckung. Die Mäßigung, Klugheit, mit der er ausgleichend wirkte, war ebenso wertvoll wie seine Festigkeit und sein Ernst in gefährlichen sachlichen und personellen Krisen. Der Erzherzog trat immer sehr bescheiden, fast schüchtern auf, so daß er auf den Fernstehenden nicht den Eindruck machte, der ihm nach dem Urteil aller seiner Mitarbeiter zukam. Die andern Erzherzöge spielten in der Armee nur die ihrer Charge zukommende Rolle und fügten sich in das Gefüge des Ganzen mit liebenswürdiger Vornehmheit ein ; im allgemeinen freute man sich, wenn man mit einem Erzherzog zu tun hatte. Eine außergewöhnliche Wichtigkeit kam der Militärkanzlei des Thronfolgers zu215. Sie wurde vom Generalstabshauptmann v. Brosch geschaffen; er baute die Stellung des Thronfolgers aus, kämpfte für seine Ideen ohne Weltgeschichte einzig dastehenden Heimsuchung und Katastrophe eines ganzen Standes zeigte sich der innere Gehalt. Nur mit abgezogenem Hute, nur mit ehrlicher Bewunderung, kann man von der Haltung der österreichischen Offiziere in und nach diesem beispiellosen Sturze sprechen. Sie hatten alles verloren, nur die Ehre nicht." 213 Paul v. Beneckendorff und von Hindenburg (1847-1934), 1865 Eintritt in die preußische Armee, 1877 Kommandierung in den Großen Glstb., Glstbskarriere, 18. 3. 1911 i.R. als G.d.I., 22. 8. 1914 Oberbefehlshaber 8. u. 9. Armee, 1. 11. 1914 Oberbefehlshaber Ost, 27. 11.1914 Generalfeldmarschall, 29. 8. 1916 Chef d. Glstbs d. Heeres und Einrichtung der (3.) DOHL, 3. 7. 1919 Rückkehr in den Ruhestand, 26. 4. 1925 Wahl zum dt. Reichspräs., 10. 4. 1932 wiedergewählt, 7. 8. 1934 Ehrenbegräbnis in Tannenberg. Die neueste Biographie aus Osterreich: Walter Rauscher, Hindenburg. Feldmarschall und Reichspräsident, Wien 1997. 214 Erich Ludendorff (1865-1937), 1882 Eintritt in die preußische Armee, Glstbslaufbahn, 1904 in die Abt. 2 (Aufmarschplanung) des Großen Glstbs, 6. 8. 1914 Besetzung der Zitadelle v. Lüttich aufgrund von Ludendorffs Initiative und Durchführung, 22. 8. 1914 Chef d. Glstbs d. 8. Armee, 29. 8. 1916 G.d.I. und Erster Generalquartiermeister in der (3.) DOHL, 3. 10. 1918 Stellung eines Waffenstillstandsangebots, 29. 10. 1918 Entlassung, während der revolutionären Ereignisse Flucht nach Schweden, dann politische und schriftstellerische Betätigung im rechtsradikalen Sinn. Letzte Biographien: Wolfgang Venohr, Ludendorff. Legende und Wirklichkeit, Berlin-Frankfurt 1993 ; Franz Uhle-Wettler, Erich Ludendorff in seiner Zeit. Soldat-Stratege-Revolutionär. Eine Neubewertung, 2.Aufl. Berg 1995. 215 Vgl. Allmayer-Beck, Die Militärkanzlei des Erzherzog-Thronfolgers; Rainer Egger, Die Militärkanzlei des Erzherzog-Thronfolgers Franz Ferdinand und ihr Archiv im Kriegsarchiv Wien, in: Mitteilungen des Osterreichischen Staatsarchivs 28 (1975) 141-163. Ihr Vorstand war seit 1906 Alexander Brosch v. Aarenau, anschließend ab 1911 Karl Frh. v. Bardolff; vgl. oben, Einleitung, 44.

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Rücksicht auf die Feindschaft der Minister und der Ratgeber des Kaisers. Er kannte nur ein Ziel: Österreich! Für Österreichs Heil und Wohl mußte jeder Widerstand niedergekämpft werden. Die Monarchie sollte wieder einheitlich und zielbewußt geleitet werden; Brosch war wirklich ein Wegbereiter für den Thronfolger und baute seine Militärkanzlei zur Regierung des Staates aus, allerdings zuerst zu einer gefährlichen Nebenregierung, aber schließlich doch zur Hauptregierung. Da ich mit Brosch in Bozen sehr befreundet war, hat er mir über diese Tätigkeit viel erzählt. Sein Nachfolger Generalstabsoberst Dr. Bardolff fand bereits die fertige Plattform. Der Thronfolger hatte schon seine Position und führte selbst. Bei Brosch war die patriotische Vehemenz so stark, der Patriotismus so absolut, daß der Erzherzog keinen treueren Diener finden konnte. Bardolff, ursprünglich Burschenschafter und Bismarckianer, hatte später im Operationsbüro das Vertrauen seiner Kameraden und durch sein Auftreten auch das Vertrauen des Generaladjutanten Seiner Majestät, FZM Frh. v. Bolfras, erworben; als er das Amt des ersten Gehilfen des durchaus schwarz-gelben Thronfolgers übernahm, konnte er wohl infolge seiner widerspruchsvollen inneren Grundlagen die Zuneigung des Erzherzogs nicht so erwerben wie Brosch, immerhin setzte sich die kräftige, hochbegabte, politisch sehr geschickte Persönlichkeit Bardolffs auch auf diesem Posten durch216. Der Uradel spielte in der Armee keine bedeutende Rolle, im Gegensatz zur politischen Verwaltung. Die Landeschefs und Minister waren vielfach alte Aristokraten, die Korpskommandanten fast ausnahmslos Bürgerliche, die selbstverständlich in den Freiherrnstand erhoben wurden, wenn sie diese Nobilitierung annahmen, was öfters nicht der Fall war. Die Prüfungen, namentlich die Kriegsschule, hielten den Adel von unsern leitenden Stellen fern; es war dies bedauerlich, denn manche wertvolle Qualitäten des Uradels mußten jahrhundertelang gezüchtet werden und waren dem Bürgerlichen unerreichbar. Jene Aristokraten, welche die Mühe unserer Studien und Prüfungen nicht gescheut hatten und in die leitenden Stellungen ge216 Über Bardolff als Militär und Politiker siehe Johannes Mende, Dr. Carl Freiherr von Bardolff, phil. Diss. Univ. Wien 1984; über Bardolff als Publizisten und Historiker siehe: Broucek, Peball, Geschichte der österreichischen Militärhistoriographie, 288-290. Angesichts einer von Bardolff an General Auffenberg gerichteten Rücktrittsaufforderung schrieb Brosch an Auffenberg am 4. 10. 1913 (Jedlicka, Alexander Brosch von Aarenau und Moritz von Auffenberg-Komarów, 92) : „Über die taktlose Art, in der Bardolff Eure Exzellenz seine Hoffnungen bekanntgab, bin ich ganz entsetzt; nach meiner unmaßgeblichen Meinung und bei Kenntnis der Verhältnisse halte ich es aber für ganz ausgeschlossen, daß er ,im Auftrage' [des Thronfolgers] diese Frage gestellt hat. ... Ich hoffe daher, daß Eure Exzellenz den Entschluß, im Frühjahr dem Obersten B. (denn ich betone nochmals, der hohe Herr kann nicht dahinterstecken) den Gefallen des Rücktritts zu erweisen, bei ruhiger Überlegung nicht zur Tat werden lassen."

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langten, genossen ein besonderes Ansehen ; ich nenne nur die Namen Graf Üxküll, Erzherzog Josef Ferdinand, den ungarischen Erzherzog Josef 217 , Fürst Schönburg-Hartenstein218, Felix Prinz zu Schwarzenberg219, Graf Carl Csáky220, Graf Brusselle221, Prinz Liechtenstein222. Ich bewahre diesen typischen Gestalten österreichischen Soldatentums dankbarste Erinnerung. Der österreichische Hochadel, welcher der Armee nicht angehörte, hatte für uns Offiziere wenig Verständnis. Ich war Gast bei der Taufe des ersten Sohnes der Erzherzogin Elisabeth. Sie war die Tochter des Kronprinzen Rudolf und mit Prinz Otto Windischgraetz vermählt. Taufpate war in Vertretung Seiner Majestät der Erzherzog Franz Salvator223. Zur Taufe waren die höchsten Vertreter des böhmischen Uradels geladen, die einzigen Bürgerlichen waren der Korpskommandant FZM Fabini224, sein Generalstabschef Oberst Boroevic (der nachmalige Feldmarschall) und ich. Während des ganzen Festaktes standen wir in zwei getrennten Gruppen, dort der Adel, hier die drei bürgerlichen Offiziere. Der liebenswürdige Hausherr und der Erzherzog pendelten zwischen den beiden Gruppen hin und her. 217 Über Ehg. Joseph August (1872-1962) vgl. Glaise-Broucek I, 214, Anm. 249. 218 Über Aloys Fürst von Schönburg-Hartenstein (1858-1944) vgl. Glaise-Broucek I, 193, Anm. 190. 219 Über Felix Prinz zu Schwarzenberg (1867-1946) vgl. Glaise-Broucek I, 435, Anm. 480. 220 Karl Graf Csáky (Szepesmindszenti, 10. 4. 1873-30. 4. 1945, Budapest), 8. 10. 1892 aus der Honvéd-Kavalleriekadettenschule zu HHR. 7, ab 1900 Glstbskarriere, 1. 2. 1910 Mjr.i.G., 1. 11. 1913 Obstlt. i. G„ 1. 8. 1914 Glstbschef 1. HKTD, 27. 11. 1914 Vorstand d. 1. Abt. im Honvéd-Min., 1. 11. 1915 Obst.i.G.; 1923-1929 ung. Honvéd-Min. 221 Alfred Graf von Brusselle-Schaubeck (Graz, 8. 12. 1881-21. 12. 1944, Graz), 1. 9. 1900 als E.F. zu HR. 9, 1. 3. 1903 übersetzt in den Berufsoffiziersstand als Lt., ab 1. 11. 1903 Glstbslaufbahn, 1. 8. 1914 Glstbschef 7. KTD, ab 1. 5. 1915 Verbindungsoffizier zu bulgarischen bzw. dt. Truppen am Balkan, 30. 9. 1915 bis Kriegsende Flügeladjutant von G.d.K. Kövess, 1. 2. 1916 Mjr.i.G., 1. 5. 1918 Obstlt.i.G., 1. 1. 1919 pens. 222 Friedrich Prinz Liechtenstein (Arad, 12. 9. 1871-10. 10. 1959, Rosegg, Bezirk Villach, Kärnten), 26. 7. 1890 als E.F. zu DR. 14, 1. 11. 1892 als Lt. übersetzt in den Berufsoffiziersstand, Glstbslaufbahn, 24. 8. 1904-7. 11. 1911 Militârattaché in London, dann Truppendienstleistung, 1. 5. 1910 Mjr.i.G., 1. 5. 1913 Obstlt.i.G., 1. 5. 1915 Obst.i.G., 10. 9.-9. 10. 1917 Kmdt. der Gruppe Nassfeld in Kärnten, ab VII/1918 Brigadier der 9. (bzw. umbenannt 18.) KBrig., 1. 2. 1919 pensioniert, 26. 5. 1924 Titular-GM. 223 Über Ehg. Franz Salvator (1866-1939) vgl. Glaise-Broucek I, 142, Anm. 5. 224 Ludwig v. Fabini (Mediasch, Siebenbürgen, 6. 7. 1861-11. 12. 1937, Temesvár), 26. 1. 1879 aus Infanterie-Kadettenschule Prag zu IR. 36, 1. 5. 1882 Lt., ab 1. 11. 1889 Glstbskarriere, 1. 10. 1899-1. 11. 1904 in Militärkanzlei Seiner Majestät, 1. 11. 1906 Glstbschef des V (Pressburger) Korps, 1. 11. 1911 Kmdt. 11. IBrig. u. GM, 7. 10. 1914 Kmdt. 8. ITD (Innsbruck), Verdienste um die Siege von Limanowa—Lapanów 1914 und Gorlice 1915, VIII/1916 Kmdt. VI. Korps, V/1917 Kmdt. XVII. Korps, Rückeroberung von Czernowitz, 1. 8. 1918 G.d.I., 1919 pens. Siehe: Rudolf Kiszling, Berühmte Generale der Siebenbürger Sachsen, in: Südostdeutsche Vierteljahresblätter 11 (1962), 228-235.

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Der Beamten- und Offiziersadel hatte nicht die Qualität der Aristokratie, sondern blieb im Wesen bürgerlich; noch mehr galt dies von den nobilitierten Finanz- und Industriekreisen; dafür nistete sich hier oft lächerlicher Hochmut ein. Der Thronfolger ließ diese Pseudoaristokratie auch nicht gelten. Ahnliche Eindrücke wie bei der Taufe Windischgraetz gewann ich beim Hofball und beim Ball bei Hof. Der Hofball war ein Massenfest, zu dem alle Offiziere und alle Ordensritter Zutritt hatten. Mein Vater führte mich, wie ich Leutnant war, auf meinen ersten Hofball. Wir wurden gleich beim Eintreten getrennt, denn wir hatten in verschiedenen Anticameras zu warten; wir sahen uns in dem Trubel nicht mehr, flüchteten aber beide, sobald es möglich war, vor diesem zwar prunkvollen, aber ganz inhaltslosen Schauspiel. Der Ball bei Hof trug einen vollkommen anderen Charakter; er war ein streng exklusives Hoffest, an welchem nur die höchsten Würdenträger und die eigentlichen Hofkreise teilnahmen. Der Korpskommandant in Wien hatte das Recht, zwei Offiziere zur Teilnahme zu kommandieren. Im Jahre 1900 fiel die Wahl auf mich. Dieser Ball wurde zu Ehren des deutschen Kronprinzen gegeben; um 9 Uhr begann der Tanz, zu dem man von den Erzherzoginnen und Prinzessinnen aufgefordert wurde ; ich zählte zu den Glücklichen nicht. Nach dem Kotillon wurde ein Souper serviert, zu dem man mit Karten in besonderer Farbe beordert wurde. Ich kam an einen kleinen Tisch für drei Personen, an welchem eine alte, sehr vornehme, brillantenübersäte Dame und ein alter Hofgeneral Platz nahm ; ich habe ihre Namen nicht verstanden und die Unterhaltung war einsilbig, aber es dauerte nicht lange. Das Bild war prachtvoll, im Radetzky- und Stephans-Appartement lauter kleine mit größter Eleganz gedeckte, blumengeschmückte Tische, blendende Beleuchtung, zahllose Lakaien, viel Gold, viel Juwelen, Ordenssterne, viel Purpur und Weiß, große Pracht und Herrlichkeit. Nach dem Souper wurde bis Mitternacht weitergetanzt, dann verließ Seine Majestät den Saal. Ich war die ganze Zeit rettungslos verloren, das bürgerliche Boot im aristokratischen Ozean! Meine einzigen Bekannten waren der Korpskommandant und der Chef des Generalstabs, von beiden trennte mich der Abgrund des Chargenunterschiedes. Ahnlich ratlos wie dieser junge Oberleutnant war aber auch der deutsche Kronprinz, denn nur Seine Majestät sprach mit ihm, alle andern wichen ihm förmlich scheu aus, die Erzherzöge in einer Ecke zusammengedrängt, die andern durch Ehrfurcht distanziert, er selbst jugendlich schüchtern und befangen. Ich war froh, wie ich „in meines Nichts durchbohrendem Gefühl" wieder auf der Ringstraße stand, denn niemals kam ich mir so armselig vor wie damals, als ich auf meine Kommandierung besonders stolz hätte sein sollen. Zu den Hoffestlichkeiten kann man auch die militärischen Ausrückungen, die Paraden, zählen. Jedes Jahr fand einmal die Frühjahrsparade statt. Sie bot Seiner Majestät Gelegenheit, den Regimentskommandanten Lob und

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Tadel auszuteilen, wurde deshalb mit Spannung erwartet, und wochenlang wurde für sie gedrillt. Nun hat gewiß auch der Drill seinen erzieherischen Wert, aber in Wien wurde ihm die kriegsmäßige Ausbildung beinahe aufgeopfert, und in Budapest auch ; die Hauptgefahr dieser Art der Inspizierung durch den Kaiser lag aber darin, daß der Schein des Soldatentums für Soldatentum genommen wurde. Conrad wollte daher mit Recht diese Paraden eliminieren. Als Volksfest zur Popularisierung der Armee werden sie natürlich nie ganz vermeidlich sein ; auch andere Propagandazwecke können billig durch sie erreicht werden. Eine interessante Parade fand 1896 in Wien „auf der Schmelz" statt, als Zar Nikolaus unsern Kaiser besuchte. Der Kaiser erwartete ihn zu Pferd am Ende der Schönbrunner Allee, aber die Ankunft des Zaren verzögerte sich um eine halbe Stunde, man munkelte bereits von einem Attentat, als endlich der Trompeter mit dem silbernen Horn sein Herankommen avisierte. Unser Kaiser ritt zuerst mit dem Zaren die drei Fronten ab, wobei er ihn in liebenswürdigster Weise über die einzelnen Truppenkörper orientierte, dann erfolgte die Defilierung, wobei ich als Interims-Bataillonsadjutant durch besondere Protektion den Defilierungspunkt markierte und auf einem unbeweglichen Pferd in nächster Nähe der beiden Kaiser war. Der Zar war sichtlich überaus müde und teilnahmslos ; unser alter Kaiser schien jung, der junge Zar greisenhaft. Zu den Paraden gehörten auch die Auferstehungsfeier und die Fronleichnamsfeier. Bei der Ausrückung zu Fronleichnam 1900 hätte ich mit meinem Brigadier durch das Michaeiertor auf den innern Burghof zur Defilierung reiten sollen. Mein Pferd war aber durch den dunkeln Seitengang des Michaelertores nicht durchzubringen, so trat rasch entschlossen ein Kamerad an meine Stelle und defilierte mit meiner und dann mit seiner Brigade zweimal am Kaiser vorbei, ohne daß es jemand bemerkte, ich trabte inzwischen an der Oper vorüber über den Ring zum äußern Burgtor, wo ich meinen Brigadier wiederfand. Die Quadrille stimmte, es mußte nur jeder Platz besetzt sein, gleichgültig, von wem. Das liegt im Wesen solcher Ausrückungen. Auch bei der Fronleichnamsfeier 1901 ging es für mich nicht ganz glatt ab; ich war am „Graben" postiert, und als der prachtvolle Zug herankam, machten die unzähligen im Winde flatternden Kirchenfahnen, die Fackeln der Kämmerer und geheimen Räte, endlich der Baldachin des Fürsterzbischofs auf mein Pferd so einen Eindruck, daß es sich, grade als der Kaiser in seiner Goldkarosse herankam, im Kreise drehte; ein Sandkörnchen unter der Satteldecke war die wirkliche Ursache. Eine Ausrückung hat in mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen, das Leichenbegängnis des Feldmarschalls Erzherzog Albrecht im Jahre 1895. Ich war einer jener Offiziere, die ausgewählt waren, vom Südbahnhof bis zur Hofburg zur Seite des Sarges zu marschieren. Der düstere Zug durch die ge-

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spenstisch beleuchteten, von schweigenden Volksmassen erfüllten Straßen, der dumpfe Trommelwirbel beim Eintritt in die Burg, dann die Totenstille, als der Sarg zur Stiege im Riesentor getragen wurde, wo Seine Majestät ihn erwartete, wirkten mit überwältigender, romantischer Macht. Die militärischen Ausrückungen zu kirchlichen Festen geben vielleicht den Anlaß zur Vermutung, in der Armee sei klerikaler Geist gepflegt worden. Das wäre ein großer Irrtum. Wir kümmerten uns wenig um kirchliche Angelegenheiten, es war uns gleichgültig, ob ein Soldat Katholik, Protestant, griechischuniert oder nichtuniert war. Vom Kirchenbesuch waren wir dispensiert, auch die Feldmessen waren nur eine militärische Feier, bei der das Hauptaugenmerk darauf gerichtet war, daß die Generaldecharge gelang, ein Schuß, ein Krach! Vom Geistlichen verlangten wir, daß die Messe nicht lange dauere und daß er während der Volkshymne, die nach der Messe gespielt wurde, den Altar nicht verlasse. Daß der kaiserliche Hof und besonders der Thronfolger fromm waren, betrachteten wir als Eigenart der Dynastie, die für die Armee nicht verpflichtend war. Dabei gab es aber bei uns keine Gottlosigkeit, und der Respekt vor religiösen Sitten und Bräuchen war selbstverständlich. Die Stellung des österreichischen Berufsoffiziers war überhaupt eigenartig, er war gesellschaftlich sehr beliebt, politisch ein Fremdkörper. Der Dienst in der Armee galt als Sonderberuf ; in Österreich gab es keinen Militarismus, die gebildeten Kreise waren unter dem Einfluß der liberalen Ideen militärfremd, großenteils militärfeindlich ; und unsere gesellschaftliche Stellung verdankten wir teils der Anziehungskraft des Offizierstums an sich, teils der Protektion durch Goethe, der eben dogmatisch erklärt hatte, die größten Vorteile in der menschlichen Gesellschaft habe der gebildete Offizier. Eine Amalgamierung von Zivil und Militär, wie sie in Preußen erreicht worden war, existierte bei uns nicht. Die Wege der Erziehung, welche Zivil und Militär gingen, führten weit auseinander. Einige meiner Gymnasialkollegen, denen das Studium Schwierigkeiten bereitete, gingen mit 15 Jahren in die Kadettenschulen; die Intellektuellen blickten auf sie mit Hochmut herab, und man verzieh es ihnen nie, daß sie nicht die Matura abgelegt hatten. Die Akademiker stellten zwar die Verbindung mit den zivilen Intellektuellen her, aber aus politischen Gründen entstanden da Spannungen und Trennungen, da der wahre österreichische Offizier übernational, die Studenten und Professoren aber großenteils national waren, national deutsch, tschechisch, ungarisch, polnisch, ruthenisch, slowenisch, serbisch, italienisch. Obgleich die meisten Berufsoffiziere Deutsche waren, so genügte das den Deutschnationalen doch nicht, sie verlangten Bismarck-Verehrung, wir haßten aber Bismarck als Feind der Alpendeutschen. So kam es selten zu herzlichen Beziehungen zwischen Militär und Zivil ; die gegenseitige Berufsfremdheit trug zur Entfremdung das

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Weitere bei. Zur Zeit, da der Truppenoffizier arbeitete, 5 bis 11 Uhr, schlief der Beamte oder erfreute sich privater Freiheit, und wenn der Beamte arbeitete, von 10 bis 3 Uhr, saß der Offizier im Restaurant, Kaffeehaus oder flanierte auf dem Korso. Wenn der Offizier Bereitschaft hielt, merkte man es nicht, von seinen Kursen, Schulungen, Prüfungen wußte man nichts, man sah höchstens die geistlosen, komödienhaften „Paraden". Eine Gruppe blickte scheelen Auges auf die andere, sah immer nur den Schatten, nie das Licht im fremden Berufe. Die Uniform war Gegenstand des Neides. Die Opfer, welche der Offizier an Freiheit des Lebens dafür bringen mußte, wurden übersehen. Wir wechselten alle drei, vier Jahre Garnison, ohne uns diese wählen zu dürfen, während es dem Staatsbeamten nicht einfiel, sein Wien, Prag, Graz zu verlassen; er wurde höchstens strafweise und zum Avancement versetzt. Man beneidete den Offizier um sein Ansehen, vergaß aber, daß mit verschiedenem Maße die Chargen gemessen werden mußten, denn bei allen gemeinsamen Sitzungen stand dem Hofrat der Generalstabshauptmann gegenüber; in den alten Familien war oft der eine Bruder Minister, der andere - gleichaltrig und gleichbegabt - Oberstleutnant im Generalstab. In der Armee klagte niemand darüber, aber im Zivil klagte man über die Vorzugsstellung des Generalstabs. Der Offizier war sich dessen bewußt, daß er in höherem Maße als der Staatsbeamte dem Staate persönliche Opfer bringen mußte. Trat beim Beamten noch politische Unverläßlichkeit hinzu, so war ein gewisses gesteigertes Selbstbewußtsein des Offiziers wohl begreiflich. Der überlegene Einfluß der Beamtenschaft gegenüber dem Offizier mußte vielfach aufreizend wirken. Das Verhältnis Offizier zum Staatsbeamten war nicht richtig geregelt; der Thronfolger wollte Ordnung schaffen. Zur Illustration führe ich zwei kleine Episoden an, die ich miterlebt habe. Seine Majestät fragte bei einem Besuche in Prag den Statthalter: „Wie sind Sie mit dem neuen Korpskommandanten zufrieden?" Der Korpskommandant in Lemberg packte bei einer Fronleichnamsfeier den Statthalter bei der Taille, stellte ihn hin und sagte: „Hier ist Ihr Platz." Es bestand aber nicht nur ein latenter Kriegszustand zwischen dem Berufsoffizier und dem Staatsbeamten, sondern eine noch viel heftigere Eifersucht zwischen dem Berufsoffizier und den Militärbeamten. Die Intendanten, diese staatlichen Sparmeister, knauserten auch mit unsern Bezügen und feilschten hellerweise, so daß wir vielfach in ihnen uniformierte Kommissäre sahen, keineswegs Soldaten oder Kameraden. Der König von Sachsen hat das treffende Wort gefunden, als er dem damaligen Chef der Militärintendantur, Sektionschef Hanausek 225 , sagte: „Sie sehen mal wie ein General 225 Wilhelm Hanausek (Wien, 28. 7. 1856-?), Sohn eines Heereskleidermachers, als Rechnungs-

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aus, sind aber keiner." Die Intendanten waren dabei sehr gut geschulte, gewissenhafte, tüchtige Beamte, und ein Teil von ihnen hat sich schon vor dem Kriege, besonders aber im Kriege zu enger Zusammenarbeit mit dem Generalstab emporgearbeitet. Noch weniger assimiliert war dem kombattanten Offizierskorps das Auditoriat, denn die Auditore waren nie Verteidiger der Offiziere, sondern immer deren Ankläger und Richter; die Offiziere wichen daher vielen von ihnen aus. Weitaus günstiger war das Verhältnis zu den Militärärzten, die mit uns Entbehrungen und Anstrengungen teilten und uns so gut sie es konnten, halfen226. Den größten Feind hatten wir Offiziere an der Leitung der marxistischen Sozialdemokratie, die mit allen Mitteln gegen uns arbeitete, da sie in dem Offizierskorps die Hauptstütze der bestehenden Ordnung sah; Parlamentarier, Lehrer und Zeitungsredakteure dieser Richtung halfen mit. Auch die liberale Presse war nicht offiziersfreundlich. So wurden der Öffentlichkeit vielfach falsche Begriffe über das Leben und Treiben in der Armee beigebracht. Die gesellschaftliche Stellung, welche sich die Offiziere trotzdem erworben haben, beweist, wie brav, ehrenwert, tüchtig und gediegen das Gros dieser Männer war. Vom preußischen Offizierstyp unterschied sich der österreichische durch bürgerliche Bescheidenheit, anspruchslose Arbeitswilligkeit. Es wurde - von einigen Kavallerieregimentern abgesehen - einfach gelebt, ohne jeden Luxus; es gab keine Gelage und keine Exzesse, auch keine Duelle; man könnte eher von einem militärischen Spießbürgertum sprechen. Die gesellschaftlichen Verhältnisse waren je nach der Garnison verschieden. Ararischer Zwangsverkehr war ganz selten, in den Großstädten bestand zwischen Vorgesetzten und Untergebenen überhaupt keine gesellschaftliche Verbindung; in den kleineren Garnisonen, namentlich in nichtdeutschen Orten, entstand innerhalb der Regimenter ein reger Verkehr, an den wir aber alle gerne zurückdenken. Mit großer Strenge hielt Seine Majestät darauf, daß der Offizier immer die Uniform trage ; die Pflege des Berg- und Skisports durchbrach schließlich den kaiserlichen Willen. In Tirol gingen wir alle nur in Zivil auf unsere Touren. Mit Auszeichnungen ging der Kaiser sehr sparsam vor, nur den hohen, alten Generälen gegenüber war er sehr gütig. Conrad sagte oft, er möchte seine Orden unter uns Junge verteilen, denn was die Jugend freut, wird dem Alter zum Spiel. eleve in den Heeresdienst, 1. 11. 1903 Militärintendant II. Klasse, 1. 5. 1908 Vorstand der 15., 1. 5.1912 der 1. Abt. d. KM, 20.10. 1912 Generalintendant, ab 1. 8.1914 Intendanzchef des AOK, VIII/1915 Titel und Charakter eines Sektionschefs. 226 Über alle Fragen der Militärverwaltung siehe Walter Wagner, Die k. (u.) k. Armee - Gliederung und Aufgabenstellung, in: Die Habsburgermonarchie 1848-1918, hrsgg. von Adam Wandruszka und Peter Urbanitsch, Band V: Die bewaffnete Macht, Wien 1987, 142-633.

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Die Generalstabskarriere stellte das rascheste Vorkommen dar, das es in der Armee gab. Ich war mit 21 Jahren Leutnant, mit 28 Jahren Hauptmann, mit 38 Jahren Major, mit 40 Jahren Oberstleutnant, mit 42 Jahren Oberst und wäre mit 46 Jahren General geworden. Der Krieg hat das Avancement nicht beschleunigt. Diese Karriere war sachlich zweckentsprechend, weil man im richtigen Alter in die richtigen Verwendungen gelangt. Auf die Politik besaß die Armee keinen Einfluß, wie das Schicksal Conrad deutlich bewies.

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Das L e b e n eines österreichischen Generalstabsoffiziers

Aufmarsch

Kriegs fäll

fí,

1. Skizze „Aufmarsch Kriegsfall R" (Verein „Alt-Neustadt"

Mitgliederverzeichnis

1963,

Skizze 1).

2

2. Skizze „Rückverlegter Aufmarsch gegen Rußland" nis 1963, Skizze 2).

(Verein „Alt-Neustadt",

Mitgliederverzeich-

I I . T E I L : IM WELTKRIEG

I. Kriegsbeginn Nach dem russisch-japanischen Kriege 1905 wollte eine Gruppe von Generalstabsoffizieren die Erfahrungen dieses Krieges taktisch und operativ für uns nutzbar machen; an der Spitze dieser Gruppe stand geistig mutig führend Oberst v. Csicserics227, der an dem Kriege teilgenommen hatte. Leider war die konservative Gegenströmung so stark, daß seine Anregungen nicht berücksichtigt wurden. Ich erinnere mich noch an den frivolen Ausspruch der Gegenpartei, die österreichisch-ungarische Armee werde zur Hälfte in der Adria schwimmen müssen, wenn man die ausgedehnten, lockeren Gefechtsfronten der Japaner nachahmen würde. Überdies hieß es bei allen Folgerungen, die aus dem Kriege von 1905 gezogen wurden, man könne das, was die Japaner aushalten, nicht dem verfeinerten, zum Teil degenerierten Europäer zumuten. Ahnlich wie die Widerstandskraft unserer Monarchie von unsern Feinden unterschätzt wurde, so haben wir uns selbst und alle Europäer unterschätzt. Literatur, Philosophie, Presse und Schulen haben zur Bildung dieser Fehlmeinung sehr beigetragen. Es überwog allgemein die Ansicht, daß der Staat, welcher in der ersten großen Schlacht entscheidend besiegt wird, nicht mehr die Kraft haben werde, einen durchgreifenden Erfolg zu erzielen ; auch erklärten die maßgebenden Finanzleute, daß der Krieg nur von kurzer Dauer sein dürfe, da man sonst finanziell zusammenbrechen müßte. Im deutschen Generalstab wurde die vollständige Niederwerfung Frankreichs mit vier bis höchstens sechs Wochen veranschlagt. So entstand die Vorstellung, der Krieg werde in wenig Monaten beendet sein und wir würden zu Weihnachten als Sieger oder Besiegte uns wieder zu Hause befinden. An die Möglichkeit eines jahrelangen Krieges dachte man nicht, sogar ein Winterfeldzug schien über unsere Kräfte zu gehen 228 . 227 Über Maximilian Csicserics (kroat. Ciceric) von Bacsány (1865-1948) vgl. Glaise-Broucek I, 135, Anm. 239. 228 Die wichtigsten zusammenfassenden Darstellungen aus österreichischer Sicht sind : Rudolf Kiszling, Österreich-Ungarns Anteil am Ersten Weltkrieg (Historische Schriften des Arbeitskreises für Osterreichische Geschichte 1), Graz 1958; Wagner, Der Erste Weltkrieg; Rauchensteiner, Der Tod des Doppeladlers. Siehe ferner Emil Brix (Hg.), The Decline of Empires (Schriftenreihe des Osterreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts 26), Wien 2001 ; Die Nachkriegszeit 1918-1922. Kämpfe, Staaten und Armeen nach dem Ersten Weltkrieg (Truppendienst-Taschenbuch 22), Wien 1973.

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Das Leben eines österreichischen Generalstabsoffiziers

Die Engländer hatten allerdings anfangs auch ein schnelles Niederbrechen unserer Widerstandskraft angenommen und hatten Österreich-Ungarn mit dem Wort „the ramshackle Empire" belastet, erkannten aber bald ihren Irrtum und stellten die Prognose, daß der Entscheidungskrieg erst im dritten Jahre beginnen werde; sie gingen deshalb zum Aushungerungskrieg über, woran man gleichfalls nicht gedacht hatte 229 . Wirklich kriegsgemäß war bei uns nur die Schulung des BefehlgebungsApparates, der eigentliche Generalstabsdienst, und wenn Fehler in dieser Hinsicht vorkamen, sind sie auf personelles und nicht auf Konto der Schulung zu buchen. In dieser Hinsicht waren wir wohl der deutschen Armee überlegen, die uns sonst als Vorbild erschien und an deren Seite zu kämpfen uns mit Stolz erfüllte. So stark wirkte geistig die Persönlichkeit des alten Moltke nach. Die ersten großen Leistungen bei Kriegsbeginn sind die Mobilisierung und der Eisenbahnaufmarsch. Der Mobilisierungsbefehl wurde von allen Völkern der Monarchie derart befolgt, sodaß die von uns festgesetzten Termine nicht nur eingehalten wurden, sondern viele Truppen den Kriegsstand früher erreichten, als angenommen wurde. Sie mußten auf den Bahntransport tagelang warten. Da die Mobilisierung damals ein freiwilliger Akt der Bevölkerung war und gegen eine Obstruktion keine Abwehr vorbereitet war, konnte diese schnelle Einrückung als politische Probe auf den inneren Zusammenhalt der Monarchie gewertet werden. Der darauffolgende reibungslose Eisenbahnaufmarsch bewies die Solidität der in den Generalstabsbüros ausgearbeiteten Elaborate, war daher die erste militärische Erprobung, bewies gleichzeitig die Gediegenheit unseres zivilen Eisenbahnwesens. So konnte man schon in den ersten August-Tagen 1914 erkennen, daß die Völker Österreich-Ungarns bereit waren, den Staat zu verteidigen. Das Bild von Haß, Zank und Streit, welches die Parlamente jahrzehntelang geboten hatten, war bei Kriegsbeginn wie ein böser Spuk verschwunden, und die Devise des Kaisers „Viribus unitis" trat wirklich in Erscheinung. Die Entente mußte nun, um den grundlegenden Rechenfehler betreffs der Widerstandskraft der Monarchie auszugleichen, trachten, die neutralen Staaten auf ihre Seite zu bringen 230 . 229 Britische Werke: Alan Clark, The Eastern Front 1914-18. Suicide of the Empires, London 1971, Neuaufl. Moreton-in-Marsh 1999; Mark Cornwall (Hg.), Die letzten Jahre der Donaumonarchie. Der erste Vielvölkerstaat im Europa des frühen 20. Jahrhunderts, Essen 2004; John F. C. Fuller, Die Entscheidungsschlachten der westlichen Welt, Tübingen 2004, 386-448. 230 Zeyneks Feststellungen zur Mobilisierung und zur rein technischen Abwicklung des Eisenbahnaufmarsches, wie er jahrzehntelang geplant und immer wieder verbessert wurde, kann

II. Teil: Im Weltkrieg

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II. Beim 4. Armeekommando unter General der Infanterie von Auffenberg Die Tätigkeit eines Armeekommandos liegt mit ihrem Schwergewicht in der Operationsabteilung, an deren Spitze der Armee-Generalstabschef und der Chef der Operationsabteilung stehen. Ersterer ist meistens ein General - ich wurde weitgehend zugestimmt werden. Siehe Broucek, Die Eisenbahn als militärischer Faktor. Bezüglich der operativen und politischen Aspekte der Mobilisierung und des Aufmarsches vgl. Graydon A. Tunstall, Jr., Planning for War Against Russia and Serbia. Austro-Hungarian and German Military Strategies, 1871-1914 (War and Society in East Central Europe 31; East European Monographs 374; Atlantic Studies on Society in Change 78), New York 1993; von britischer Seite siehe Norman Stone, The Eastern Front 1914-1917, London 1975; von österreichischer Seite siehe die Beiträge von Hugo Hantsch, Anton Wagner und Rudolf Kiszling in Österreich am Vorabend des Ersten Weltkrieges, Graz-Wien 1964, sowie Johann Christoph Allmayer-Beck, Der Sommerfeldzug von 1914 gegen Rußland, in: Die wichtigsten Operationen der österreichisch-ungarischen Armee 1914 (Osterreichische Militärische Zeitschrift Sonderheft 1/1965), Wien 1965, 31-39. Die politischen Aspekte bieten von österreichischer Seite Verosta, Die Bündnispolitik der Donaumonarchie ; von deutscher Seite Hans Meier-Welcker, Strategische Planungen und Vereinbarungen der Mittelmächte für den Mehrfrontenkrieg, in: Zur Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges (Österreichische Militärische Zeitschrift Sonderheft 11/1964), Wien 1964, 15-22; von neutraler (schweizerischer) Seite Adolf Gasser, Deutschlands Entschluß zum Präventivkrieg 1913/14, in: Discordia Concors. Festgabe für Edgar Bonjour zu seinem siebzigsten Geburtstag am 21. August 1968, hrsgg. von Marc Sieber. Bd. 1, Basel-Stuttgart 1968, 173-224. Im Wiener Kriegsarchiv findet sich ein handschriftliches Manuskript von Andreas Balvany von Oroszi (1914 Hptm.i.G. und eingeteilt in der R-Gruppe des OpB.), Antwort auf ... Rudolf Kiszling (KA, NLS, sign. B/327, nr.4). Balvany erklärte den Gedanken „von Haus aus" für undurchführbar, Serbien militärisch rasch zu erledigen und sich dann gegen Russland zu wenden. Er verwies darauf, dass Conrad im März 1914 den Auftrag gegeben habe, den R-Aufmarsch so abzuändern, dass er an die San-Dnjestr-Linie zurückverlegt werden könne. Ende Juli habe er diese neue Planung auch herausgeben lassen. Er hätte die Absicht verfolgt, im Fall des Falles trotz der Drohungen Russlands und auch bei Aufmarsch gegen Serbien sowie der Mobilisierung der russischen Armee Kampfhandlungen mit Russland zu vermeiden. Denn er hoffte immer noch auf die Wirkung einer Rückendeckung Deutschlands wie in der BosnienKrise. Die operative Absicht, dass der nördlichste Flügel der k.u.k. Armee, die 1. Armee, eine Umfassung der ihr gegenüberstehenden russischen Armee bewerkstelligen könnte, sei dadurch zunichte gemacht worden, da schließlich, als Moltke die sofortige Wendung gegen Russland forderte, ein zeitraubender Fußmarsch notwendig geworden war und die beiden Armeen nunmehr frontal aufeinanderprallten. Gustav v. Hubka (1918 Obst.i.G. und in der Zwischenkriegszeit in Kontakt mit seinen Kameraden) kommt in seiner Maschinschrift „Der kritische Monat Juli 1914. Als Vermächtnis des Obersten Maximilian Freiherrn von Pitreich bearbeitet von ...", Graz 1949 (KA, NLS, sign. B/61), zu ähnlichen Ergebnissen. Conrad hielt einen Mehrfrontenkrieg des Zweibundes für absolut verderblich, wollte aber ebenso unbedingt eine militärische Niederwerfung Serbiens und stellte dem Eisenbahnbüro des Generalstabs jene Aufgabe wider alle Hoffnungen, kümmerte sich aber darum erst, Eds sie nicht mehr durchführbar war.

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es ausnahmsweise als Oberstleutnant -, letzterer meist ein Oberst des Generalstabs. Einer von diesen beiden Offizieren übernimmt die geistige Führung. Der Armeekommandant faßt die entscheidenden Entschlüsse aufgrund der Situationsskizzen und Situationsberichte, welche unter Benützung aller eingelaufenen Nachrichten und Meldungen von der Operationsabteilung verfaßt werden. Dieses Gesamtbild hat meistens eine so suggestive Kraft, daß der Entschluß des Armeekommandanten geradezu provoziert wird; die Hauptfrage ist, ob das Bild richtig oder falsch ist, denn die zahllosen, sich widersprechenden Nachrichten und die vielen ungenauen, oft auch unrichtigen Meldungen lassen der Kombinationsgabe und dem operativen Instinkt ein weites Feld. Für diese Arbeit ist eine ununterbrochene, zähe und wohlüberlegte Tätigkeit bei Tag und Nacht notwendig. Nur der Schreibtisch und das Telephon ermöglichen den notwendigen kontinuierlichen Kontakt mit allen Kommandos und allen Nachrichtenstellen, wobei nur durch Wechselrede eine Klärung der Lage erzielt werden kann. Wehe dem Kommando, bei welchem diese Grundlage aus Unkenntnis oder Nervosität verlorenging; diese Armee war von vornherein zum Mißerfolg verurteilt. Die geistige Führung mußte zwangsläufig dem Offizier zufallen, der diese mühsame, schwere Arbeit auf sich nahm. Ein Armee-Generalstabschef, der sich nur die Endergebnisse durch seinen Chef der Operationsabteilung melden ließ, hat natürlich nie selbst geführt, sondern wurde geführt und schmückte sich nur mit dem Schein der Führung. Jeder eingeweihte Offizier wußte, daß die Chefs der Operationsabteilungen (Obst. v. Soós, Obst. v. Pitreich231, Obst. v. Paie, Obst. Hummel232) die geistigen Zentren der Arbeit bei ihren Armeekommandos waren. 231 Maximilian R. v. Pitreich (Wien, 1. 5. 1877-29. 6. 1945, Wien), 18. 8. 1897 aus Theres. Milak. als Lt. zu IR. 68, 1. 11. 1901 Oit., 1. 8. 1907 Hptm.i.G. u. Glstbskarriere, 1. 11. 1912 Mjr.i.G., 1. 4. 1914 kommandiert zur Kriegsschule, 1. 8. 1914 Glstbschef einer kombinierten ITD im Verband der 4. Armee (später Korps Ljubicic, ab 18. 9. 1914 Korps Gruscha, später Korps Schönburg), 20. 9. 1914 Glstbschef 30. ITD, 1. 3. 1915 Obstlt.i.G., 15. 9. 1916 Glstbschef VIII. Korps, 1. 8. 1917 Obst.i.G., XII/1917 Kmdt. IR. 82, nach 26. 4. 1918 Glstbschef des (dt.) Generalkdo. 16 in Rumänien, 1. 9. 1919 pensioniert. Zahlreiche militärhistorische Aufsätze bis 1944 in der Österreichischen Wehrzeitung und im Neuen Wiener Tagblatt (zum Teil in KA, NLS, sign. B/589, nr. 5 u. 6) sowie drei selbständige Publikationen : Lemberg 1914, Wien 1929 ; Die Schlacht bei Okna 4. bis 16. Juni 1916, Wien 1931; 1914. Die militärischen Probleme unseres Kriegsbeginnes. Ideen, Gründe und Zusammenhänge. Zum 2. Jahrzehnt geschrieben, Wien 1934. Zwischen 1941 und 1944 gab es zwischen Pitreich und Emil Ratzenhofer, 1914 im Eisenbahnbüro des Generalstabs und später General des Bundesheeres, einen ungedruckten, aber in öffentlichen Sammlungen hinterlegten Austausch von Streitschriften über das Verhalten des Eisenbahnbüros während des Aufmarsches 1914 gegen Serbien und Russland. 232 Karl Hummel (Penzing bei Wien, 24. 7. 1872-1. 7. 1919, Wien), 18. 8. 1889 aus InfanterieKadettenschule Pressburg zu IR. 100, 1. 5. 1892 Lt., ab 1897 Glstbskarriere, 1. 5. 1904 Konzeptsoffizier in der 5. Abt. des KM, 1. 1. 1910 zugeteilt der Militärkanzlei Ehg. Franz Ferdinand, 1.11. 1913 zu IR. 54, ab Kriegsbeginn in der Glstbsabt. der 4. Armee, 1.11.1914 Obst.i.G., Verwendung in weiteren Stabsstellungen bis Kriegsende.

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Diese Offiziere trugen auch gegenüber dem Armeeoberkommando die gleiche Verantwortung wie der Armeekommandant selbst, wurden auch mit ihm gemeinsam enthoben, wenn die Oberste Heeresleitung mit der Führung einer Armee nicht einverstanden war. Man glaube aber ja nicht, daß der Armeekommandant, wenn er auch diese grundlegenden Arbeiten nicht selbst leitete, im modernen Kriege an Bedeutung verloren habe; keineswegs, aber das Schwergewicht seiner Tätigkeit liegt auf anderem Gebiete, auf dem des Charakters. Der leitende Generalstabsoffizier war kaum fünfzig Jahre alt, der Armeekommandant mindestens sechzig Jahre und bekleidete daher auch die Charge eines sehr hohen Generals. Ihm war es deshalb möglich, den unterstellten Generälen den Willen des Armeekommandos aufzuzwingen oder die Absichten des Armeekommandos mit ihnen autoritativ zu besprechen, ferner bei einer Krisis persönlich nach Bedarf, manchmal auch rücksichtslos einzugreifen. Nur der Armeekommandant selbst konnte an der Front die nötige geistige Disziplin überwachen, erhalten, erzwingen. Ohne die Kraft seiner Persönlichkeit blieb alle Arbeit des Generalstabs Papier- und Zimmerarbeit ohne Wert. So ergab sich automatisch eine Zweiteilung: die geistige Initiative durch den leitenden Generalstabsoffizier, der Willensimpuls durch den Armeekommandanten. Diese Zweiteilung setzte natürlich ein gegenseitiges Vertrauen und geistiges Verständnis voraus, welches auch noch durch persönliche Sympathie ergänzt werden mußte, wenn das Maximum an Leistungen erreicht werden sollte. Diese Fragen sind von ausschlaggebender Wichtigkeit für den Erfolg einer Armee. Wenn sie nicht richtig gelöst werden, ist die ganze Hingebung und die Tapferkeit aller Truppen umsonst. Das 4. Armeekommando versammelte sich in den ersten Augusttagen 1914 in Wien. Kommandant war der ehemalige Kriegsminister G.d.I. v. Auffenberg; die Hauptperson war Obstlt. v. Soós, der Chef der Operationsabteilung; unter ihm arbeitete Obstl. v. Lunzer 233 als Leiter der Befehlgebungsgruppe, ich als Leiter der Evidenzgruppe (feindliche und eigene Situation). Soós und ich waren durch jahrelange gemeinsame Arbeit im Operationsbüro herzlich befreundet, und wir hielten auch in den argen Wochen, die wir durchmachten, treue Freundschaft. Am 8. August nahm ich schweren Herzens von meiner Frau Abschied, nicht ahnend, daß es ein Abschied auf mehr als 1 Jahr sein solle, aber auch nicht wissend, ob es nicht ein Abschied für immer ist. Ich hatte damals das 233 Rudolf Lunzer v. Lindhausen (Komorn, 4. 12. 1870-5. 6. 1952), 18. 8. 1891 aus Theres. Milak. als Lt. zu IR. 27, ab 1896 Glstbskarriere, 1. 5. 1908 Mjr.i.G., ab 28. 9. 1910 in der Militärkanzlei Seiner Majestät, 1. 8. 1914 Leiter der Befehlsgruppe 4. Armee, 1. 7. 1914 zu IR. 99, 1. 8. 1914 Obst.i.G., 2. 7. 1916 Kmdt. 20. IBrig., 1. 2. 1918 GM, 1. 11. 1919 pensioniert.

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Gefühl eines Sprunges in eine dunkle Wolkenzone, die mich tragen soll ; es fehlte mir jede Vorstellung, wie sich mein Leben im Krieg gestalten werde; die Phantasie konnte sich frei ausleben. Wir fuhren zwei Tage und eine Nacht im langsamen Tempo der Aufmarschbahnen, wo ein Zug dem andern mit kleinem Intervalle folgte. Unser Ziel war Radymno am San. In jeder Station wurden wir mit Jubel unter Heil-, Hoch-, Nazdar-Rufen234 empfangen, Wein, Bier, Zigarren, Zigaretten gab es im Uberfluß, ebenso Begrüßungsreden; Auffenberg wurde besonders in Galizien immer wieder gebeten, dem Kaiser die Huldigung der Gemeinden zu übermitteln. Am 10. August trafen wir ohne Zwischenfall in Radymno ein. Die Nachricht, daß russische Flieger unsern Zug bombardieren würden, erwies sich als falsch, auch der von uns erwartete große russische Kavallerieeinbruch war nicht so erfolgt; er hätte uns sehr unangenehm werden können, und wir müssen den ängstlichen russischen Generälen, die gegen ihn gestimmt hatten, dankbar sein. Auf vielen Bahnhöfen sah man Mitglieder der polnischen Legion, die sich unter Führung Pilsudskis235 formierten, aber weniger einen militärischen als einen abenteuerlichen Eindruck machten ; weibliche Mitglieder fehlten bei keiner Gruppe. 234 Nazdar (tschechisch) - Heil. 235 Józef Klemens Pitsudski (1867-1935), 1893 Mitbegründer der Polnischen Sozialistischen Partei (PPS), 1900 in Lodz verhaftet, 1901 Flucht nach Österreich. Er stellte seit 1908 in Galizien mit Kazimierz Sosnkowski bewaffnete Verbände auf, die 1910 als Schützenverband offiziell anerkannt wurden. Pitsudski war deren Kmdt. 6. 8. 1914 (Tag der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Russland) erster Vorstoß dieser Verbände nach Kielce in Russisch-Polen. 1914-1916 Führer der 1. Brigade der „Polnischen Legion" bei gleichzeitiger geheimer Organisierung der „Polnischen Militärorganisation" (POW). Pilsudski wurde bei Proklamation des Königreichs Polen am 5.11. 1916 Mitglied des Staatsrates, aus dem er im Juli 1917 austrat, seit 22. 7. 1917 in Magdeburg in Festungshaft. 11. 11. 1918 Oberbefehlshaber der polnischen Streitkräfte, kurz darauf erstmals Staatspräsident. Pilsudskis „Polnische Legion" war zunächst drei Bataillone stark und trat erstmals Mitte Oktober 1914 an der Weichsel ins Gefecht. Um diese Zeit stellte FML Karol R. v. Durski in Ostgalizien eine weitere polnische Legion auf, die bei der Befreiung von Máramaros-Sziget ihre Feuertaufe erhielt und im Winter 1914/15 an der Karpatenfront kämpfte, wo Obstlt. Józef Haller v. Hallenburg eine dritte polnische Legion formierte. Im Frühjahr 1915 wurden diese Verbände unter Durskis Kommando gestellt und in zwei Brigaden (1. IBrig. unter Pilsudski) mit etwa 13.000 Mann und einer Gefechtsstärke von rund 9.000 Mann mit 8 Geschützen umgegliedert. Die Erfolge des Frühjahrs 1915 ermöglichten am 15. Juli 1915 die Aufstellung einer dritten Brigade. Im Frühjahr 1916 löste GM Stanislaw v. Puchalski FML Durski ab, im Herbst 1916 folgte Obst. v. Haller, der 1915 Glstbschef der Festung Krakau gewesen war, als Kmdt. der 2. Brigade Obst. Ferdinand Küttner. Die Legion (nunmehr 6 IR. mit Artillerie und Pioniereinheiten) stand während der Brussilow-Offensive im schweren Abwehrkampf und war im August 1916 am Fluss Stochod eingesetzt. Am 19. 9. 1916 wurden die Verbände in ein „Polnisches Hilfskorps" unter Obst. Stanislaw Graf Szeptycki umgewandelt, das im November 1916 die Sollstärke von 20.000 Mann erreichte.

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Als wir in Radymno ausstiegen, wußten wir nicht, ob der Feind in der Nähe sei oder nicht. Wir gingen, auf alles gefaßt, in den Ort und fanden dort - vollkommene Friedenszustände ; das normale Manöverbild. Die Russen hatten die Grenze nicht überschritten. Plötzlich kreist über uns ein Flugzeug. Auffenberg, der kurzsichtig war, befahl einem mit seinem Zug vorübermarschierenden Leutnant: „Schießen, schießen!", aber Soós intervenierte sofort, da es ein reichsdeutsches Flugzeug war ; so blieb es uns erspart, den Krieg mit einem unliebsamen Mißverständnis zu beginnen. Unsere Arbeit spielte sich zunächst wie bei den Kaisermanövern ab, nur mußten alle Meldungen und Befehle chiffriert gegeben werden, damit sie nicht vom Feinde abgelesen werden. Nun nahm schon das Chiffrieren viel Zeit in Anspruch, aber das Dechiffrieren war geradezu eine Qual, weil die meisten Ortsnamen, Höhenangaben und Namen überhaupt verstümmelt ankamen. Bei diesem Dienste halfen uns die Ordonnanzoffiziere. Insbesondere zeichnete sich dabei der spätere österreichische Ministerpräsident, Oblt. Graf Clam-Martinic236, durch sein vorbildliches Pflichtgefühl und seine unerschütterliche, vornehme Ruhe aus. Dieser echte Hocharistokrat erwarb sich in kürzester Zeit unsere besondere Sympathie. Mir imponierte sein Wesen und die freundschaftlichen Beziehungen, die uns bald verknüpften, fanden in den Jahren 1917/18 unter Kaiser Karl ihre wertvolle Fortsetzung. Der Dienst war sehr anstrengend, denn wir waren froh, wenn wir von 2 Uhr nachts bis 5 Uhr früh uns ausruhen konnten. Die Einführung der Hughes-Apparate, welche jeden Versuch eines Abhorchens automatisch infolge der Wellenstörung anzeigten, waren für uns eine wahre Erlösung, denn nun konnte der ganze Verkehr unchiffriert erfolgen, und überdies war der Gesprächstext beim Absender und Empfänger auf dem Hughes-Streifen festgehalten. Die ersten Gefechte trugen das Kennzeichen der Kinderkrankheiten. Unsere Kavallerie kämpfte reglementmäßig, daher unkriegsmäßig, sie attakkierte, wie es dem im Frieden gelehrten Angriffsgeist entsprach; mit viel Blut mußten die falschen Begriffe korrigiert werden. Nach wenigen Tagen kämpften die sechs Kavallerietruppendivisionen der 4. Armee bereits zu Fuß mit dem Karabiner. Auch unsere Infanterie hat überall nur angegriffen, die Defensive war verpönt; dabei muß aber in Betracht gezogen werden, daß wir gegen die russische Dampfwalze nur aufkommen konnten, wenn wir überall in der Offensive blieben, überall die Initiative an uns rissen und die russische Führung zwangen, nicht ihren eigenen Plänen nachzugehen, sondern zuerst unsere Pläne in schweren Kämpfen umzustoßen. Für diese Idee fand Conrad 236 Über Heinrich Graf v. Clam-Martinic (1863-1932), 20. 12. 1916-19. 6. 1917 österr. Ministerpräs., vgl. Glaise-Broucek I, 446, Anm. 310.

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auch bei allen Kommandanten volles Verständnis. Es wäre niemandem eingefallen, in der Defensive den Ausgleich gegen die russische Überlegenheit zu suchen, um so mehr, als wir uns dem deutschen Verbündeten gegenüber zur Offensive bis zur äußersten Kraftanstrengung verpflichtet fühlten. Wir rechneten, daß er unterdessen die französische Armee vernichtend schlagen und uns in vier Wochen von der erdrückenden Last russischer Übermacht befreien werde. Operativ war das Vorgehen Conrads wohl das einzig mögliche, aber taktisch hätte man von der Abwehr gewiß vielfach kräftesparenden Gebrauch machen können, statt unsere heldenmütige Infanterie dem überlegenen russischen Artilleriefeuer preiszugeben. Ein großer Teil unseres Offizierskorps und unsere beste Mannschaft fiel unserem Mangel an Kriegserfahrung zum Opfer. Die kriegsgefangenen Russen waren über den Geist unserer Truppen voll des höchsten Lobes. Vom 24. August bis zum 1. September dauerte die erste Schlacht, die ich mitmachte, die Schlacht von Komarow. Obstlt. von Soós war der geistige Leiter. Ich habe nie mehr einen Mann von solcher Elastizität, von solchem Schwung der Gedanken kennengelernt. Er hat das Armeekommando mit blendendem Elan zu einer höchst angespannten geistigen Tätigkeit emporgerissen. Ich kann nur wiederholen, was Obstlt. v. Lunzer nach der Schlacht vor G.d.I. v. Auffenberg dem versammelten Stab des 4. Armeekommandos sagte: „Ich bin es uns allen schuldig, feierlich hier zu erklären: Die Sonne von Komarow heißt Oberstleutnant von Soós!" 237 Die Aufregungen dieser Schlacht waren groß. So glänzend Ehg. Josef Ferdinand sein Tiroler Korps, das Edelweiß-Korps, führte, so wenig einverstanden war das Armeekommando mit dem Verhalten seines Bruders Ehg. Peter, welcher auf eine Nachricht, daß seine Truppendivision im Rücken von Russen bedroht sei, den Vormarsch einstellte. Trotzdem erbeuteten wir damals über 200 Geschütze, und der Armeeoberkommandant FM Ehg. Friedrich schrieb dem Armeekommandanten, wir hätten das Recht auf den höchsten Dank des Vaterlandes erworben. Wir waren nach der Schlacht von der An237 Anderer Ansicht war der damalige Hptm.i.G. Eugen Hirsch v. Stronstorff, eingeteilt im Stab der 4. Armee. Der spätere erfolgreiche Kaufmann teilte dem Herausgeber in mehreren Interviews, darunter am 15. 10. 1974, Episoden und Urteile mit, aus denen hier kurz zitiert wird: „Soós war der größte Wolkenschieber, den es gegeben hat. Er war gescheit, witzig, ideenreich, aber unseriös. Bei ihm gingen die Träume viel weiter als das Reale. Er sagte mir später persönlich : , Während der Schlacht von Lemberg waren sie beim AOK so zusammengehaut; nur wir bei Auffenberg machten es ganz gut. Daher habe ich ein bisserl aufgeschnitten, um im AOK Mut zu machen.' Ich meine, Komarow war kein Sieg, denn die Russen waren wundervolle Meister im Abbrechen des Gefechts und in der Durchführung des Rückzugs. Dies zeigte sich sowohl bei Komarow als auch später bei Gorlice" (KA, NLS., sign. B/1003, nr. 28).

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strengung und Aufregung erschöpft, mußten aber bald einsehen, daß unser Sieg keine Entscheidung gebracht hatte, weil die Russen über ein scheinbar unerschöpfliches Menschenreservoir und über ungeheure Munitionsvorräte ihrer Artillerie verfügten. Da inzwischen die 3. Armee (G.d.K. Brudermann 238 ) geschlagen worden war, mußten wir mit der ganzen Armee die Front verkehren und gegen Lemberg vorstoßen, um der 3. Armee Hilfe zu bringen. Diese Aufgabe war so kompliziert als nur möglich239. Am 6. September begann die zweite Schlacht, die ich mitmachte, die Schlacht bei Lemberg. Bei dieser folgte eine Krisis der andern. Wir wurden durch starke Kräfte aus östlicher Richtung angegriffen, Erzherzog Josef Ferdinand, der unsern Nordflügel, man kann auch sagen unsern Rücken, zu decken hatte, erhielt widersprechende Befehle, von allen Seiten kamen ungünstige Nachrichten. Unsere Truppen waren überanstrengt, hatten furchtbare Verluste, unsere Nerven waren auf das ärgste angespannt, die Stimmung war verzweifelt, denn wir sahen, daß unser Kampf aussichtslos war, wenn nicht baldigst die versprochene deutsche Unterstützung eintritt. Gl. Boroevic meldete die Verluste seines Korps mit 15.000 Mann Infanterie, 50 Mann Kavallerie und Artillerie. Ein Beweis für die kriegsentscheidende Wichtigkeit der Infanterie ! Die Lage an unserm Nordflügel wurde unhaltbar, eine tschechische Truppendivision (aus dem Wahlbezirk des Abgeordneten Klofác) versagte240. In der Nacht vom 10. zum 11. September wurde der Entschluß zum Rückzug der 4. Armee gefaßt. Am 11. September steigerte sich die Krisis, weil unser nördlicher Flügel ganz erschöpft war ; überdies konnte 238 Über Rudolf R. v. Brudermann (1851-1941) vgl. Glaise-Broucek I, 134, Anm. 232. Er wurde am 6. 9. 1914 nach der ersten Schlacht bei Lemberg vom Kommando der 3. Armee enthoben und am 27. 3. 1915 pensioniert. 239 Eugen Hirsch v. Stronstorff (vgl. Anm. 237) weiter: „Wenn Komarow zu Ende geführt hätte werden können und Ehg. Peter Ferdinand den Ring geschlossen hätte, wäre der Sieg auch noch fraglich gewesen. Aber so ist Komarow nie gewonnen worden. Es wäre nur drei bis vier Tage lang in der Verfolgung eine schwere Schädigung der Russen möglich gewesen. Die Russen gingen über den Bug und machten aber gleich bei Sokal einen Vorstoß. Da kam zu uns der Befehl, gegen Rawa Ruska kehrt zu machen." 240 Gemeint ist die 10. ITD (Josefstadt) des IX. Korps (Leitmeritz), Václav Klofác saß jedoch seit 1911 für einen Prager Wahlbezirk (Neustadt-Vysehrad) im Reichsrat und hatte auch zuvor Josefstadt bzw. seine Umgebung weder im Reichsrat noch im böhmischen Landtag vertreten. Lobende schriftliche Äußerungen General Auffenbergs über die Soldaten tschechischer Nationalität in seiner Armee im August/September 1914 berichtet Otakar Frankenberger, Cesti vojáci ve svëtové válce (Die tschechischen Soldaten im Ersten Weltkrieg), in: Od Sarajeva k Velké Válce - Ab Sarajevo zum Großen Krieg, Prag 1995, 3-8. Siehe weiters Richard G. Plaschka, Zur Vorgeschichte des Uberganges von Einheiten des Infanterieregiments Nr. 28 an der russischen Front 1915, in: Osterreich und Europa. Festgabe für Hugo Hantsch zum 70. Geburtstag, Graz-Wien-Köln 1965, 455-464.

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man aus allen Nachrichten schließen, daß die Russen uns von Norden her mit starken Kräften umfassen wollen, um uns den Rückzug gegen Krakau zu verlegen und die Armee in die Karpaten abzudrängen. In dieser Situation befahl das Armeeoberkommando einen Vorstoß unseres nördlichen Flügels ! Das war unausführbar ; 3 zerfetzte Divisionen wären auf 3 starke russische Korps gestoßen. Da rief mich am 11. September früh Oberst Metzger im Auftrag von Exz. Conrad an und verlangte von mir ein aufrichtiges Urteil über die Lage. Ich schilderte sie rückhaltlos wahrheitsgetreu. Metzger war über diese Darstellung verzweifelt, weil der Rückzug aller österr.-ung. Armeen unvermeidlich wurde. Soós war ungehalten, daß das Armeeoberkommando sich an mich gewendet hatte; er hatte recht, aber in solchen Situationen hören alle Vorschriften auf. Die Geschichtsschreibung der Nachkriegszeit erwies, daß diese Auffassung der Lage richtig war, denn es war der letzte Moment, sich einer wirklich katastrophalen Abdrängung von Westgalizien oder einem Durchbruch durch unsere reservenlose Front zu entziehen. Das AOK befahl sofort am 11. September früh den Rückzug aller Armeen hinter den San. Wir waren ganz gebrochen, unsere Hoffnungen begraben, unsere Kraft zu Ende241. Eine sehr traurige Episode war auch das Unglück des 2. Regiments der Tiroler Kaiserjäger, das in eine Falle geraten war, wobei der größte Teil des Regiments und Oberst v. Brosch den Heldentod fanden. Das Schicksal dieses zu dem höchsten Einfluß in der Monarchie ausersehenen Mannes hat mir die Vergänglichkeit aller irdischen Ehren und die Kleinlichkeit allen menschlichen Strebens vor Augen geführt; er starb als Held, und dadurch erhielt seine Persönlichkeit den Glanz der Treue bis zum Tod. Dies war der einzige tröstende Gedanke bei der furchtbaren Tragödie Erzherzog Franz Ferdinand-Oberst Brosch242. 241 Am 2. September musste Lemberg geräumt werden. Durch die Rückzüge der benachbarten Heeresteile geriet die zur 4. Armee gehörende Armeegruppe Ehg. Joseph Ferdinand in eine schwierige Lage. Fast isoliert von den Hauptkräften der 4. Armee, die von Rawa Ruska gegen Lemberg vorrückten, gelang es dieser Gruppe nur unter großen Schwierigkeiten, sich der Einkreisung zu entziehen. Ein Versuch der 2. und 3. Armee zur Wiedereroberung Lembergs (2. Schlacht bei Lemberg bis zum 12. September) misslang. Am 11. September musste der Befehl zum Rückzug über den San an alle vier Armeen gegeben werden. Doch bald erzwang der anhaltende russische Druck die Rücknahme der Front bis nach Westgalizien und in die Karpaten. Die Festung Przemysl wurde am 26. 9. 1914 vollständig eingeschlossen. Das ö.-u. Heer hatte in den Kämpfen bis Mitte September 1914 den Kern seines Bestandes verloren (400.000 Tote, Verwundete und Gefangene). Das angestrebte Ziel - die Rückendeckung Deutschlands für seinen Angriff gegen Frankreich - war jedoch erreicht worden. 242 Obst. Alexander Brosch v. Aarenau fiel am 6. 9. 1914 bei Hujcze an der Spitze des 2. Regiments der Tiroler Kaiserjäger. Bei Jedlicka, Alexander Brosch von Aarenau und Moritz von Auffenberg-Komarów, 100f., findet sich auch sein letzter Brief an Auffenberg, Bozen 1. 7. 1914: „... die Meisten glauben ja doch, daß es weniger Liebe und Verehrung für den

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Am 11. September abends wurden die Dispositionen für den Rückzug der 4. Armee hinter den San ausgegeben; am 12. war die Lage so kritisch, daß wir nicht mit dem Auto fuhren, sondern von Niemirow nach Krakowiec ritten. Verwundetentransporte und Lastautos sperrten die tief aufgewühlte Straße ; die Bevölkerung flüchtete in Massen vor den Russen, einzelne Herren begannen schon auf Conrad zu schimpfen ; bei Regenwetter trafen wir in dem elenden Nest Krakowiec ein. Am 13. wieder Regen, unsere Trains standen schon mitten in unserer Front, die Unordnung war sichtlich allgemein geworden. Am Nachmittag schwebten plötzlich feine, kleine weiße Wölkchen über der nächsten Hügelkette, und schon schlugen Flammen aus den nächsten Dörfern empor. Kosakenbatterien waren uns gegenüber in Stellung gegangen ; es explodierten Schrapnells über Krakowiec. Wir eilten zu den Pferden, und nun ging es, Soós an der Spitze, mit Auffenberg und vielleicht zehn anderen Generalstabsoffizieren im Galopp davon, vorbei an unseren Batterien, mitten durch das zum Angriff vorgehende Brünner Infanterie-Regiment Nr. 8. Es begann wieder zu regnen, Trainkolonnen jagten sinnlos an uns vorüber, wir mußten vom Weg abbiegen, ritten querfeldein, ledige Pferde schlössen sich uns an, weinende Frauen mit Kindern kreuzten unsern Zug, da kam ein Offizier auf uns losgesprengt, Kosaken seien im nächsten Dorfe. Wir machten kehrt, ritten in dichtem Traingewirr über halb abgetragene Brücken in das nächste Dorf (von Kalnikow nach Starzawa). Es begann zu dunkeln, wurde bald stockfinster, regnete stark; wir ritten weiter, immer weiter, ohne zu wissen, wo wir sind ; wir nahmen Führer auf, um nach Radymno zu kommen, aber die Führer gingen in der Finsternis durch. Wo Flammen aus einem Dorf emporschössen, bogen wir aus, denn dort waren toten Erzherzog war, wenn ich jetzt so niedergeschmettert bin, als die getäuschte Hoffnung auf eine glänzende Zukunft, die mir durch die Gnade des Verstorbenen gewunken hätte. Vor Euer Exzellenz brauche ich nichts beschönigen und nichts herabsetzen ; ich bin ins Herz getroffen : persönlich, weil mir ein wirklicher Freund, der mich aufrichtig geliebt hat, gestorben, als Österreicher und Soldat, weil mir mit dem Tod des Erzherzogs jede Zukunftshoffnung, jedes erstrebenswerte Lebensziel geraubt wurde. Für heute bin ich nicht imstande, mehr zu schreiben ; ich bin fast irrsinnig, jedenfalls aber völlig stumpf und ohne einen vernünftigen Gedanken. ... Den Glauben an eine göttliche Weltordnung, der bei mir ohnehin nicht tief saß, habe ich gänzlich verloren ; ich glaube an gar nichts, weder an eine irdische noch an eine himmlische Vergeltung oder Gerechtigkeit. Wenn man nach so viel Religiosität ein solches Ende nehmen muß, dann frage ich mich, wann einen dann der Himmel nützt! Endlich weiß ich noch, daß es die tragische Schuld des Erzherzogs war, im Jahre 1908/09 den Krieg gegen Serbien verhindert zu haben ; die großserbische Frage wäre mit Blut und Eisen zu unseren Gunsten gelöst und eine Irredenta gäbe es nicht in der an die Monarchie angegliederten großserbischen Provinz ! Schwer ist die Verantwortung, die auf FZM Potiorek lastet; ich hätte mich nach diesem Unglück erschossen - er ist offenbar zu feig dazu! Jedenfalls hat er trotz seines Extérieurs mit den Japanern keine Ähnlichkeit!"

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Das Leben eines österreichischen Generalstabsoffiziers

die Russen, so irrten wir bis nach Mitternacht herum, mehr dem Instinkt der Pferde als uns vertrauend. Es war eine gespenstische Nacht, und als dunkelster Schatten lag auf uns das Gefühl : Finis Austriae. Endlich um halb zwei früh nach fast zehnstündigem Ritt stießen wir auf ein Eisenbahngeleise und stellten schließlich fest, daß wir an der Bahn Lemberg-Przemysl bei Medyka angekommen waren. Wir telephonierten vom nächsten Wächterhaus nach Przemysl mit der Bitte, uns mit zwei Waggons abzuholen. In Przemysl legten wir uns in einer Kaserne in einem Mannschaftszimmer auf die Betten und schliefen von 3 bis 5 Uhr früh. Als wir aufwachten, am 14. September, war G.d.I. von Auffenberg mit dem Generalstabschef GM Krauss243 nicht mehr bei uns, sondern per Auto nach Lancut gefahren (50 km westl. vom San). Wir bildeten daraufhin eine Filiale des Armeekommandos unter Leitung des Obstlt. v. Soós, um von Radymno aus den Rückzug, soweit es möglich war, zu regeln (Obstlt. Lunzer, Obstlt. Bogusz244, Hptm. Bolschwing und ich). Unterstützt vom 2. Korpskommando (FML Johann Frh. v. Kirchbach - Oberst Graf Szeptycki245), wurden einige Befehle, namentlich wegen der Sprengung der Sanbrücken, ausgegeben ; da die Russen nicht nachdrängten, kam es zu keinem Debakel. Die Feldwege waren infolge des Regens fast unbenützbar, die Straßen von Trainkolonnen 243 Rudolf Krauss (Zara, Dalmatien 29. 9. 1863-5. 11. 1943, Oberzell bei Wegscheid, Kreis Passau, Bayern), 18. 8. 1884 aus Theres. Milak. als Lt. zu IR. 1, ab 1889 Glstbskarriere, 16. 9. 1898 Lehrer an der Kriegsschule, 1. 5.1899 Mjr.i.G., 25.1.1906 Vorstand Departement II im k.k. Min. f. Landesverteidigung, 1. 5. 1906 Obst.i.G., 1. 11. 1911 GM u. Kmdt. 87. LwIBrig., 1. 8. 1914 Chef d. Glstbs. 4. Armee, 29. 8. 1915 Kmdt. 16. ITD, dann 29. ITD, 5. 10. 1915 34. ITD, 26.10.1916 Kmdt. XXII. Korps, 25. 4. 1918 Kmdt. II. (Wiener) Korps, 1. 5. 1918 G.d.I., Teilnahme an der Piaveschlacht, 1. 1. 1919 pensioniert. 244 Artur R. Bogusz v. Ziemblice (Budapest, 21. 11. 1873-?), 18. 8. 1904 aus Techn. Milak. als Lt. zu Divisionsartrgt. 4, 1. 11. 1909 Hptm.i.G. u. Glstbskarriere, 1. 5. 1910 Glstbschef 44. LwITD, 25. 1. 1913 Flügeladjutant des Armeeinspektors G.d.I. Auffenberg, 1. 12. 1913 Obstlt., 2. 1. 1915 enthoben, rückt zum Glstb. ein, 1. 9. 1915 Obst., 3. 10. 1915 Flügeladjutant des G.d.I. Ehg. Josef Ferdinand, 6. 3. 1916 enthoben, 14. 3. 1916 Kmdt. schweres Feldkanonenrgt. 44. 245 Stanislaw Graf v. Szeptycki (Przylbice, Bezirk Jaworów, Galizien, 3. 11. 1867-9. 10. 1950, Korczyna, Kreis Krosno, Polen), 18. 8. 1888 aus Techn. Milak. als Lt. zu schwere Batt.Div. 3, ab 1896 Glstbskarriere, 1. 11. 1907 Mjr.i.G., 6. 12. 1907 Evidenzbüro d. Glstbs, 1. 5. 1911 Obstlt.i.G., 1. 7. 1912 Militârattaché in Rom, 1. 5. 1914 Obst.i.G., 5. 8. 1914 OpA. d. AOK, VIII/1914 Glstbschef von Lemberg, 29. 9. 1914 Chef d. Glstbs des II. Korps, IX/1915 Kmdt. 30. FABrig., 11. 7. 1916 Kmdt. 3. Poln. Brig., 9. 11. 1916 Kmdt. Polnisches Hilfskorps, 17. 4. 1917 GM, 24. 4. 1917 Militär-Generalgouverneur in Lublin, 14. 5.1917 Geheimer Rat, 10. 6. 1918 Kmdt. 85. Schützenbrig., 1. 12. 1918 Eintritt in die poln. Armee als Chef d. Glstbs bis 11/1919, IV/1919—III/1920 Kmdt. d. Litauen-Weißrussland-Division, später Litauisch-Weißrussische Front, III/1920 Kmdt. d. 4. Armee (später Nord-Ost-Front), 1921 FZM, III/1921VI/1923 und XII/1923-VI/1926 Armeeinspektor in Krakau, VI/1923-XII/1923 Kriegsminister, VI/1926 Ruhestand, 1945-1950 Präs. des Polnischen Roten Kreuzes.

II. Teil: Im Weltkrieg

191

versperrt. Unsere Truppen waren vollkommen erschöpft, nahezu kampfunfähig, von Müdigkeit und Hunger überwältigt. Jede Begeisterung war in dieser Überanstrengung erstorben. Am 15. September fuhren wir mit Soós zum Armeekommando nach Lancut. Ein größerer Kontrast war nicht denkbar als der Schrecken, die Häßlichkeiten, Leid, Elend und Gefahr der letzten Tage und hier die herrliche Wunderpracht dieses einzigartigen Schlosses. Es gehörte dem Grafen Potocki, dessen Familie ebenso beim Wiener wie beim Petersburger Hofe in hohen Gnaden stand. Die Kunstgalerie des Schlosses war angefüllt mit Meisterwerken der französischen und holländischen Schule und mit seltensten Ausgrabungen aus Pompei und Herculaneum. Das Schloß strotzte von antiken Möbeln größter Schönheit. Während wir uns mit G.d.I. v. Auffenberg in dieser märchenhaften Pracht wiedersahen, gingen die Trümmer der 4. Armee im Regen auf grundlosen Wegen, mißmutig, teils ohne Kommandanten, teils in kleinen Trupps, schimpfend, verbittert, ins Mark getroffen durch den Mißerfolg und die Überanstrengung langsam zurück. Es war ein widerliches Gefühl, in dieser Situation in der fürstlichen Pracht des Schlosses von Lancut zu leben. Die halbe Armee haben wir liegengelassen, der Rest glich einem Skelett. Wir fühlten uns aber frei von Schuld, denn der letzte Karabiner, das letzte Gewehr waren eingesetzt worden, und die Kühnheit der Operationen war kaum zu überbieten. Wir ahnten nicht, daß damals auch die deutschen Armeen auf dem Rückzug waren ; wie anders sah aber dieser aus ! Die deutschen Armeen gingen von der Marne nur deshalb zurück, weil einzelne leitende Personen versagt hatten ; sie waren nicht durch Übermacht erdrückt worden; dort war die Führung an dem Unglück schuld!246 246 Am 6. 9. 1914 begann auf der gesamten Frontlinie der französische Gegenangriff. Infolge wechselseitiger Durchbruchserfolge wurde die Schlachtordnung für die deutsche Seite so unübersichtlich, dass sich der Befehlshaber der 2. Armee GO von Bülow und der von der DOHL detachierte Obstlt. Hentsch am 9. September zum Rückzug entschlossen. Dieser Rückzugsbefehl war, indem er die deutsche Niederlage in der Schlacht an der Marne besiegelte, zweifellos ein Wendepunkt des Krieges. Am 14. 9. 1914 wurde darauf der preußische Kriegsminister GLt. Erich v. Falkenhayn mit der Führung der Geschäfte des Chefs des Generalstabs des Feldheeres beauftragt. Offiziell aus Geheimhaltungsgründen, aber sicherlich auch aus Prestigegründen wurde Falkenhayns definitive Ernennung erst am 3. 11. 1914 verlautbart. Als maßgebende militärisch-operative Darstellung der Marneschlacht gilt Sebastian Haffner, Wolfgang Venohr, Das Wunder an der Marne. Rekonstruktion der Entscheidungsschlacht des Ersten Weltkriegs, Bergisch Gladbach 1982; vgl. auch Horst Rohde, Beispiele für den Einfluß der Logistik auf die Operationsführung, in : Die Bedeutung der Logistik für die militärische Führung von der Antike bis in die neueste Zeit (Vorträge zur Militärgeschichte 7), Herford-Bonn 1986, 135-166. Zur DOHL, die ja Zeynek anspricht, siehe Holger Afflerbach, Falkenhayn. Politisches Denken und Handeln im Kaiserreich (Beiträge zur Militärgeschichte 42), München 1994, 179-189.

192

Das Leben eines österreichischen Generalstabsoffiziers

Bevor wir Lancut verließen, veranlaßte Clam-Martinic die Vermauerung der Kunstgalerie, damit sie von den Russen nicht geplündert werde. Die 4. Armee ging über den Dunajec zurück, es kamen 45 Marschbataillone, um die Lücken auszufüllen; das waren 45.000 Männer, aber nicht 45.000 Soldaten. 70% der Infanterieoffiziere waren gefallen. Anstelle der österr.-ung. Armee trat hiermit eine Improvisation, eine Neuschöpfung; der Krieg hatte die Arbeit der Friedensjahre bereits nach sechs Wochen verschlungen ; jetzt mußte es sich zeigen, wie tief der Patriotismus reichte, der anstelle des Berufssoldatentums trat: Die Armee wurde im September 1914 zum Volksheer. Viele unfähige Generäle, darunter manche Friedensgröße, wurden enthoben ; leider begann - meistens von minderwertiger Seite - eine scharfe Agitation gegen Conrad, und wie wir nach dem Krieg erfahren haben, verdankten wir es nur dem Ehg. Friedrich, daß nicht Potiorek an seine Stelle kam. Jeder Rückzug demoralisiert. Das Wetter war elend, in der Früh hatten wir kaum 4 Grad. Die Trains konnten nicht weiter, die Wege waren von sterbenden Pferden eingesäumt. Die Schloßbesitzer, welche wußten, daß ihr Hab und Gut verbrannt oder geplündert werden wird, verschleuderten ihre kostbaren Teppiche, Möbel, Bilder, und es fanden sich überall Hyänen, die auf Beute gingen. Der Krieg wird zur Geißel der Menschheit nicht durch die Verluste an Menschenleben, sondern durch die Verluste an ethischen Werten ! Das Armeekommando fuhr über Jaslo, Lipnica zurück; die Ortschaften wurden immer schöner und kultivierter, man hörte schon vielfach deutsch reden. Am 23. passierten wir Neu-Sandec, wo sich das AOK befand, und ich erhielt den Befehl, mit ihm in Verbindung zu treten. Nun sah ich das erste Mal im Kriege meine Freunde aus dem Operationsbüro wieder. Die besten Informationen gab mir der Chef der Nachrichtenabteilung, der hervorragende Oberst v. Hranilovic247. Fürchterlich war mir die Mitteilung von der deutschen Niederlage an der Marne ; die Nachricht davon war nicht nur vor der Öffentlichkeit, sondern auch vor Conrad geheimgehalten worden. Ein bayrischer Oberleutnant, von Conrad zum Nachtmahl eingeladen, erzählte ahnungslos von der Panik beim Gardekorps, und so erfuhr der Chef des Generalstabs der verbündeten Monarchie von der kriegsentscheidenden Tatsache, also hatten wir sieben Wochen lang in der falschen Hoffnung, die deutsche Armee werde den Russen in den Rücken fallen, wenn wir nur wie die Doggen anbeißen und nicht lockerlassen, gekämpft. Ich hätte so ein Verhalten der deutschen obersten Leitung nie für möglich gehalten248. Den Abend 247 Über Oskar Hranilovic-Czvietassin (1867-1933) vgl. Glaise-Broucek I, 345, Anm. 222. Insgesamt siehe zum Nachrichtendienst Pethö, Agenten für den Doppeladler. 248 Vgl. Francis R. Bridge, Die Außenpolitik der Donaumonarchie, in: Cornwall (Hg.), Die letzten Jahre der Donaumonarchie, 24-57, hier 45: „Ein sogar noch schamloserer Vertrauens-

Ein Offizier im Generalstabsdorps erinnert sich

1. Besuch der Maturaklasse des Troppauer Staatsgymnasiums in Wien, Juni 1888. Zeynek in der ersten Reihe der Zweite von rechts (KA, NLS, sign. BI151, nr. 8, fol. 192).

2. Zeynek im Schuljahr 1893/1894 in einer Gruppe von Militärakademikern (Person ohne Kopfbedeckung) bei einer Übung in Landesvermessung bei Wiesmath, NÖ. (ΚΑ, BI151, nr. 8, fol. 193).

3.

Zeynek aus der Tafel „Kriegsschule 1899" (KA, B/151, nr.8, fol. 194).

4.

Karl Christophori, Mitschüler Zeyneks und 1914-1916 Russland-Referent abteilung des AOK, aus der Tafel „Kriegsschule 1899".

in der Operations-

Theodor Ritter von Zeynek

IV

Bmmì

' • - • V ' 5 . Hptm.i.G.

Theodor v. Lerch, der

Erste, der den Fudschijama

auf

Skiern als Lehrer der Japaner bestiegen hat.

Korrespondenzkarte

an Major v. Zeynek, 27. 2. 1911 „via sibiria" (KA, NLS, linfe

sign.

B/151, nr. 8).

tia Ät ali timori in fpätrc Slutibr

içtlIB

Wbn 1912 *- » ¿tt»" * ι. ^tfiMvom

Umschlagblatt der anonym erschienenen Broschüre Zeyneks „Diplomatie reitung", nr. 7).

und Kriegsvorbe-

Wien 1912 (KA, B/151,

Ein Offizier im Generalstabsdorps

Weichenarbeiten

erinnert

sich

7.

Lemberg,

am Güterbahnhof

8.

Die Offiziere des Stabes der Armeegruppe 1. Reihe von links Mjr.i.G. υ. Kasprzycki Obstlt.i.G. υ. Zeynek;

ν

III (KA, Bildersammlung,

G.d.I. v. Pflanzer-Baltin, (später Divisionär

neben ihm der Zweite Hptm.i.G.

Roten Armee, dann der Honvéd (B/151, nr. 8).

nr. 14.274).

Frühjahr

in der polnischen

Julier,

1915. In der Armee),

später Angehöriger

der

dann ung.

VI

Theodor Ritter von Zeynek

9. Armeekommandant G.d.I. υ. Pflanzer-Baltin im Gespräch mit Angehörigen seines Stabes „in vorderer Linie" (genau hinter ihm Obstlt.i.G. υ. Zeynek) im Frühjahr 1915 in der Bukowina (KA, B/151, nr. 8: Zeitungsausschnitt Das Welt-Bild, Beilage zum „Fremdenblatt", o.D.)

10. Straßenszene anlässlich der Rückeroberung Lembergs und des feierlichen Einmarsches der 2. Armee unter G.d.K. v. Böhm-Ermolli am 22. 6. 1915 (KA, Bildersammlung, Album nr. 450).

Ein Offizier im Generalstabsdorps erinnert sich

11. Der Chef des Generalstabes G.d.I. Franz Frh. Conrad v. Hötzendorf beim Einmarsch der 2. Armee in Lemberg im Gespräch mit römisch-katholischen Prälaten (KA, Bildersammlung, Album nr. 450).

12. Zeynek, Kolomea 1915, angefertigt von der k.u.k. Kriegsvermessung nr. 7 (KA, NLS, Β/151, nr. 1).

VII

Vili

Theodor Ritter von Zeynek

13. Zeynek mit Angehörigen des Stabes der 7. Armee beim Kartenstudium während einer Rast bei einem Erkundungsritt, wahrscheinlich Sommer 1915 (KA, B/151, nr. 10).

14. Die Wiederherstellung der gesprengten Pruthbrücke von Czernowitz, 1915 (KA. Bildersammlung, nr. 14.191).

Ein Offizier im Generalstabsdorps erinnert sich

15. Der Bahnhof von Czernowitz, Bukowina

(KA, Bildersammlung,

nr. 14.250).

16. Das Kommando der 7. Armee beim Besuches des Russland-Referenten der Operationsabteilung des AOK Obstlt.i.G. Christophori am 8. Mai 1916. Darunter 4. von links Mjr. Pflügl (Evidenzgruppe), 6. von links Zeynek, weiters nr. 8 GM Josef Podhajsky (später Generaltruppeninspektor der tschechoslowak. Armee), GM Dáni v. Gyarmata, G.d.I. Rhemen v. Barenfeld, nr. 24 GO υ. Pflanzer-Baltin, nr. 7 Obst.i.G. Graf Szeptycki (später poln. Armeekmdt.) (B/151, nr. 8, fol. 25).

χ

18 GM Stanislaw Graf Szeptycki, Kommandant B/655 Bildersammlung Jansa).

Theodor Ritter von Zeynek

der Polnischen Legion, um 1916 (KA, NLS

Ein Offizier im Generalstabsdorps

17. GO Erzherzog penabzeichen

erinnert

Karl Franz Joseph, des Edelweiß-Korps

sich

XI

der spätere Kaiser und König Karl I. (IV.), mit dem (XX. Korps), 1916 (KA, NLS,

B/655).

Kap-

19 Josef Pilsudski, Bildersammlung

späterer poln. Generalissimus Jansa).

und Präsident,

vor 1918 (KA, NLS.

B/655,

20 G.d.l. Artur Arz von Straußenburg, Bildersammlung Jansa).

1917/1918 Chef des Generalstabes

(KA, NLS,

B/655,

XIV

Theodor Ritter von Zeynek

22 Pfarrschule in Baden bei "Wien, Sitz der Operationsabteilung November 1918 (KA, Bildersammlung, Album nr. 2490 S).

des AOK Frühjahr 1917 bis

Ein Offizier im Generalstabsdorps erinnert sich 23 FM Paul u. Hindenburg, Chef des Generalstabes des dt. Feldheeres, am 2. Juli 1917 in Baden bei Wien (Gertraud Maria Mühlbach, Das Kaiserhaus zu Baden, Baden 2000, Abbildung 34).

24 Der Besuch Kaisers Wilhelm II. am 6. Juli 1917 in Baden bei Wien (Mühlbach, Das Kaiserhaus zu Baden, Umschlagbild).

XV

XVI

Theodor Ritter von Zeynek

25 Spazierfahrt der Monarchen Wilhelm II. und Karl I. (IV.) im Laxenburger Park des Besuches im Juli 1917

anlässlich

26 Der polnische Regentschaftsrat nach der Audienz bei Kaiser und König Karl am Bahnhof in Laxenburg, um den 19. 1. 1918 (KA, Bildersammlung, nr. 5595).

II. Teil: Im Weltkrieg

193

verbrachte ich im Kreise von Conrad und seinem engsten Stab, überrascht über den äußerlichen, fast höfischen Prunk beim Nachtmahl, was zu Conrads einfachem Wesen gar nicht paßte. Es waren die Sitten des Manöverzelts Seiner Majestät beibehalten worden, kaiserliches Tafelservice, kaiserliches Dienstpersonal, man speiste auf Silber, und Hofkammerdiener servierten bei Kerzenbeleuchtung großer Kandelaber. Das paßte nicht zu Conrad und nicht zum Krieg. Ich fuhr nachdenklich durch ein Gewirr von Trainkolonnen zum 4. Armeekommando zurück. Das AOK hatte zu dieser Zeit einen höchst wichtigen und wertvollen Zuwachs erhalten, den Glstbshptm. Pokorny249, der es zustande brachte, die Radiodepeschen der russischen Kommandos so rasch zu dechiffrieren, daß wir oft die russischen Befehle früher erhielten als die russischen Stellen selbst. Pokorny hat sich dadurch die größten Verdienste erworben. Am 25. September ging das 4. Armeekommando bis nach Zakliczyn zurück; hier besuchte uns der Armeeoberkommandant Ehg. Friedrich, um sich über die Stimmung der 4. Armee zu orientieren. Das Resultat war die Enthebung Auffenbergs. Leider erfolgte diese in rücksichtsloser Form ; auch Soós wurde enthoben ; er hatte die Operationen teils glänzend, teils sehr gebruch der Deutschen - die es grundsätzlich ablehnten, von Ostpreußen aus eine Offensive zu starten - zwang Conrad zu einem verspäteten und katastrophalen Versuch, die riesige russische Streitmacht in Polen zu neutralisieren, indem er Truppen vom Balkan an die galizische Front warf. Das Ergebnis war die verheerende Schlacht von Lwow (Lemberg), die dem österreichisch-ungarischen Heer als erstklassiger Kampftruppe ein Ende machte. Wie Norman Stone bemerkt, hatten die Deutschen diesen Wettbewerb um deutsche Treue gewonnen, und Österreich-Ungarn verblutete, um Berlin zu verteidigen." Vgl. auch Norman Stone, Moltke - Conrad. Relations between the Austro-Hungarian and German General Staffs, 1909-1914, in: The Historical Journal 9 (1966) 201-228. Zeynek selbst schrieb 1946 in seinem Manuskript Preußen gegen Österreich (KA, NLS, B/115), 26, über die Marneschlacht : „Die Verluste der Deutschen waren gering im Vergleich zu den furchtbaren Blutopfern, welche die Österreicher gleichzeitig in Galizien brachten: in der sicheren Erwartung, die siegreiche deutsche Wehrmacht werde bald zum entscheidenden Sieg in Rußland eingreifen. Es erfolgte aber weder eine Unterstützung von Warschau her zu Beginn des Krieges, noch im weiteren Verlauf das erwartete Eingreifen der deutschen Hauptkräfte. Die DOHL hat aber die Niederlage an der Marne, die sich im September 1914 abspielte, nicht nur vor der Öffentlichkeit geheimgehalten, sondern auch Gl. Conrad davon nicht in Kenntnis gesetzt, so daß dieser noch bis Ende Oktober unter falschen Voraussetzungen bis zum Äußersten mit immer wieder erneuerten Offensivstößen sich gegen die Russen wehrte. Erst Ende Oktober erfuhr er, daß General Moltke enthoben und der preußische General Falkenhayn deutscher Generalstabschef geworden war. General Conrad führte bitterste Klage über das Verhalten des Verbündeten, brandmarkte es als ,illoyal, rücksichtslos und egoistisch'. Das Vertrauen zur DOHL war für lange Zeit schwer erschüttert." 249 Über Hermann Pokorny (1882-1960) vgl. Glaise-Broucek I, 368, Anm. 278. Seine Memoiren: Emlékeim. A láthatatlan hírszerzo, Budapest 2000 (http://mek.oszk.hu/02000/02095/ html).

194

Das Leben eines österreichischen Generalstabsoffîziers

schickt initiiert, war aber jetzt wirklich überarbeitet, neigte zu sprunghafter Befehlsgebung, hätte daher eine Erholungspause benötigt, um dann wieder auf seinen verantwortungsvollen Posten einzurücken. Seine Enthebung habe ich als Unrecht empfunden. Der bisherige Glstbschef Rudolf Krauss blieb beim Armeekommando, dessen Führung dem General der Infanterie Ehg. Josef Ferdinand übertragen wurde. Am 1. Oktober verabschiedeten wir uns von Auffenberg und Soós250. Ich schließe dieses Kapitel mit einer kurzen Notiz über die damaligen Qualitäten der österr.-ung. Armee. Unsere Infanterie ohne Unterschied der Nationalität hat unter unerhörten Verlusten an Offizieren und an Mannschaft heldenmütig gekämpft und übermenschliche Anstrengungen ausgehalten ; da wir ohne Reserven kämpfen mußten, waren alle Truppen ununterbrochen auf dem Marsch oder im Gefecht. Schneid und Tapferkeit waren unübertrefflich. Wir trugen die in Norddeutschland über uns verbreitete falsche Meinung mangelnder Energie wie eine schwere Last und bewiesen durch Übertreibung das Gegenteil. Der Wert der Verteidigung und die Ausnützung künstlicher Deckungen wurde nicht entsprechend gewürdigt. Gefühlsmäßige ethische Eindrücke sind bei uns stärker als rationales Denken. Unsere Kavallerie trat mit dem herrlichsten Soldatengeist in den Krieg, brachte aber für die Aufklärungsarbeit und für das Gefecht eine unkriegsmäßige Taktik mit ; so konnten ihre Erfolge den Anstrengungen nicht entsprechen, sie wurden oft zum Ausgangspunkt von Paniken und ihr Riesentrain war ein lästiger Ballast. Eine unserer Kavallerietruppendivisionen zählte 2400 Reiter und hatte einen 24 km langen Train. Die Truppen waren an diesen Übelständen unschuldig, die Friedensausbildung und Organisation der Kavallerie waren eben nicht kriegsmäßig - trotz aller Warnungen des Generalstabs. Höfische Einflüsse hatten da tatsächlich Schaden angerichtet. Unsere vorzügliche Artillerie war im Zusammenwirken mit der Infanterie nicht geschult, die Russen waren uns in dieser Hinsicht sehr überlegen. Es konnte nicht anders sein, denn die Volksvertreter unserer Parlamente verweigerten für gemeinsame Schießübungen die Geldmittel und erhoben gegen sie wegen des Gefahrenmoments Einsprache. So hat man im Frieden ein paar Menschenleben erspart, im Krieg hunderttausende zwecklos geopfert251. 250 Krauss beurteilte Zeyneks Leistung „so vorzüglich", dass dieser „bereits anfangs September" für den Eisernen-Kronen-Orden 3. Klasse vorgeschlagen wurde: „Seine Leistungen überragen weit das normale Maß, sie verdienen eine ganz besondere Anerkennung" (KA, Qualifikationsliste Zeynek). 251 Vgl. Jerábek, Die Ostfront, 159: Verhältnismäßig geringe Budgetsummen der wirtschaftlich ohnedies schwachen Donaumonarchie, wo Heeresvorlagen in den Parlamenten oftmals

II. Teil: Im Weltkrieg

195

Unsere technischen Truppen waren ganz hervorragend, unsere Telegraphen- und Telephonabteilungen geradezu bewundernswert. Ihre Schulung und ihr Pflichtgefühl erreichten den Höhepunkt menschlicher Leitung. Unser Generalstab hat zum größten Teil mustergültig gearbeitet, leider war ein Teil hochmütig, genialitätssüchtig und nervös ; dies lag im Geist des Intellektualismus unserer Zeit. Die bedeutendsten unserer Heerführer waren Generalstäbler: Conrad, Arz252, Boroevic, Pflanzer-Baltin, Auffenberg, Schönburg, Dankl253, Goiginger254, Kövess255. Die Generäle, welche nicht entsprachen und in den ersten Kriegsmonaten entfernt werden mußten, kennzeichnete FM Kövess als „alte Weiber und Neurastheniker in Uniform"; auch FZM Bolfras, der Generaladjutant des Kaisers, gab zu, daß man bei Hofe keine Menschenkenntnis besessen hat und nach dem Krieg umlernen müsse. Unsere materiellen Kriegsvorbereitungen waren infolge des durch die Volksvertreter herbeigeführten Geldmangels in der Armee absolut unzureichend. Nach den ersten Kriegswochen änderte sich der Geist der Offiziere ; es entstand eine geistige Krisis bei dem Ubergang von unserer Friedensethik zum Kriegsdauerzustand; Neid, Ordenssucht, Egoismus, Ruhmredigkeit, voraussetzungslose Kritik an dem höheren Kommando, um die eigene Leistung zu erhöhen, waren wie eine Epidemie aufgeschossen ; am ärgsten erwiesen sich dabei die wegen Unfähigkeit enthobenen Generäle, die sich im Hinterland

252 253 254 255

durch „nationale Obstruktion" blockiert wurden, waren in die Aufrüstung geflossen. 1906 wurden 14,6%, 1910 15,7% des Etats für die Verteidigung ausgegeben. Dies war deutlich weniger als in anderen Ländern (jeweils für 1906): Russland 20%, Serbien 23%, Italien 25%, Frankreich 28%, Großbritannien 29% und Deutschland 50%. Die Militärausgaben pro Kopf beliefen sich auf 14 Kronen, deutlich weniger als in Deutschland (43,7), Frankreich (39), Großbritannien (38,4) und Italien (16,9); und ebd., 161: „Zu Beginn der Operationen standen 46,5 ID und 18,5 KD auf der russischen Seite bei den Österreichern nur 37,5 ID und 11 KD gegenüber. Dies bedeutete, daß im Durchschnitt etwa zwei österreichische ID gegen drei russische ID kämpfen mußten. Bei näherer Betrachtung wird das Verhältnis sogar noch ungünstiger für die Habsburgermonarchie: eine russische Division setzt sich nämlich aus einer größeren Anzahl an Bataillonen, Geschützen und Maschinengewehren zusammen, was insgesamt eine Überlegenheit von 60 bis 70 Prozent Infanterie, 90 Prozent leichter und 230 Prozent schwerer Feldartillerie ausmachte; 42 Maschinengewehre einer russischen Division standen 24 einer österreichischen gegenüber. Zu allem Überfluß verfügte die russische Artillerie über ein größeres Quantum an Munition, und die Reichweite ihrer Geschütze neuesten Baumusters war eine nicht unbeträchtlich höhere." Über Arthur Arz v. Straussenburg (1857-1935) vgl. Glaise-Broucek I, 129, Anm. 212. Über Viktor Dankl v. Krasnik (1854-1941) vgl. Glaise-Broucek I, 244, Anm. 367. Über Ludwig Goiginger (1863-1931) vgl. Glaise-Broucek I, 431, Anm. 469. Über Hermann Baron Kövess v. Kovessháza (1854-1924) vgl. Glaise-Broucek I, 247, Anm. 379.

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und insbesondere in Wien zu Wortführern der Opposition gegen die Heeresleitung entwickelten. Über den militärischen Operationen im Herbst 1914 liegt eine schwere Tragik: Conrad führte sie nach dem Gesetz der Zielverbundenheit mit der deutschen Armee, indem er die Offensive der Russen durch ununterbrochene Offensivstöße aufhalten wollte. Wir haben uns dabei verblutet, und diesen Schwächezustand hat unser Verbündeter als eine vitale Schwäche betrachtet und zum Kampf gegen unser Ansehen und unseren Einfluß ausgenützt. Conrad hat sich bitter über diesen deutschen, undeutschen Undank beklagt. Ich zitiere nur aus dem Brief vom 5. 9. 1914 an Bolfras: „Die Deutschen erfechten ihre Siege auf unsere Kosten. Sie haben uns im Stich gelassen." Am 19. 11. 1914 schrieb er: „Die Deutsche Oberste Heeresleitung ist illoyal, weil sie rücksichtslos auf unsere Kosten arbeitet. Jetzt muß man vor der Welt die Pose der innersten Ubereinstimmung und Bundestreue zur Schau tragen, in meinem Innern aber habe ich die Gesellschaft satt." In Conrads Memoiren findet man (TV/713) das furchtbare Bekenntnis: „Ich möchte fast bedauern, in Politik und Krieg fest und treu am Bund mit Deutschland festgehalten zu haben." Die Schuld an dieser geistigen Verbitterung trägt aber keineswegs das tapfere, brave deutsche Heer, sondern nur die damalige DOHL (Falkenhayn256). Das größte Wunder dieser Zeit war, daß nach den Verlusten vom Herbst 1914 eine neue österr.-ung. Armee aus dem Boden gestampft wurde. Diese war der Energie und Begabung des Kriegsministers FZM Krobatin und dem Patriotismus aller Völker der Monarchie zu danken. Sie war eben kein künstliches Gebilde, sondern der politische Ausdruck einer Lebensnotwendigkeit257. 256 Über Erich Georg v. Falkenhayn (1861-1922) vgl. Glaise-Broucek I, 325, Anm. 153. 257 Rückblick auf August/September 1914: Der Aufmarsch des ö.-u. Heeres von Nordwesten nach Südosten war: 1. Armee, 4. Armee, 3. Armee, 2. Armee. Im Abschnitt Krakau stand außerdem die Armeegruppe G.d.K. Kummer. Nördlich anschließend, in Preußisch-Schlesien, befanden sich zwei dt. Landwehrdivisionen unter G.d.I. Woyrsch. A m 24. August warfen Truppen der 1. Armee (G.d.I. Dankl) die russ. 4. Armee gegen Lublin zurück. Wegen des Eingreifens der russ. 5. Armee musste sie jedoch am 9. September den Rückzug antreten. Vom 26. 8 bis 2. 9. 1914 versuchte die 4. Armee bei Komarów die russ. 5. Armee einzukreisen, doch ab 1. September konnte diese einen erfolgreichen Rückzug antreten. Am 26. August wurden die im Räume Gródek-Lemberg-Rohatyn stehenden Truppen der 3. (G.d.K. Brudermann) und 2. Armee (G.d.K. Böhm-Ermolli) von überlegenen russ. Kräften angegriffen (1. Schlacht bei Lemberg). Trotz hartnäckigem Widerstand bei Ztoczów und Przemyslany (28. August) wurden diese Armeen zurückgedrängt. In eine 60 km breite Lücke zwischen der 4. und 3. Armee drangen starke russ. Kräfte ein. Am 2. September musste Lemberg geräumt werden. Ein Versuch der 2. und 3. Armee zur Wiedereroberung Lembergs (2. Schlacht bei Lemberg 8.-12. 9.) misslang. A m 11. September wurde der Befehl zum

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III. Beim 4. Armeekommando unter Erzherzog Josef Ferdinand Am 1. Oktober 1914 trafen der neue Armeekommandant und der neue Chef der Operationsabteilung, Oberst v. Paie, bei uns ein. Der Erzherzog gewann im Sturm unsere Herzen. Sein festes, klares, immer offen ausgesprochenes Urteil und sein schlichtes, freundliches, heiteres Wesen waren bestrickend. Als Frühaufsteher kam er schon um 5 Uhr zu dem Generalstabsoffizier, welcher Nachtdienst hatte, um sich zu informieren. Da er alle Kommandos vom Kompaniekommando an geführt hatte, besaß er vollstes Verständnis für die Truppe, und da er die Kriegsschule absolviert hatte, war ihm auch der Generalstabsdienst keineswegs fremd. Als Bergsteiger und Aeronaut war er von Wagemut erfüllt und frei von jedem Bürokratismus. Es war eine Freude, unter ihm zu dienen, und da er durch einen glücklichen Zufall den geradezu idealen Oberst v. Paie an seiner Seite hatte, der Ruhe mit Entschlossenheit, Schweigsamkeit mit Aufrichtigkeit, Klugheit mit Ehrlichkeit verband, so waren die besten Vorbedingungen zur Arbeit gegeben. GM Rudolf Krauss verließ seinen Posten als Armeegeneralstabschef nicht, aber so, wie früher Obstlt. v. Soós die Operationen geleitet hatte, so leitete sie jetzt der Erzherzog gemeinsam mit Oberst v. Paie. Das 4. AK funktionierte nun tadellos, und Stimmung und Geist waren bald wieder auf gewünschter Höhe. Unsere Ordonnanzoffiziere hatten sich uns ganz assimiliert258 ; es waren die beiden Brüder Clam-Martinic259, Prinz Taxis260, Graf Buquoi [sie]261, Blaas262 und Rückzug über den San an alle vier Armeen gegeben, Front bis nach Westgalizien und in die Karpaten. Die Festung Przemysl wurde am 26. 9. 1914 eingeschlossen. 258 Bei den Ordonnanzoffizieren, zunächst wegwerfend „Schlachtenbummler" genannt, hatte Zeynek offenbar ihre Präsenz bei Kriegsbeginn in Erinnerung, daher verzeichnet er mehrere Offiziere, die im Oktober 1914 als Verwundete nicht mehr beim Kommando waren. 259 Heinrich (vgl. Anm. 236) und Gottfried Graf v. Clam-Martinic (Clam, OÖ, 30. 7. 1864-24. 11. 1935, Clam), 22. 11. 1883 als E.F. zu UR. 1, 1. 9. 1887 übersetzt zum Berufsoffizier als Lt., 1. 1. 1892 Oit., 1. 5. 1894 in Reserve, dann neuerlich präsentiert, 1. 5. 1900 Rtm., 11. 9. 1914 reitender Ordonnanzoffizier beim 4. Akdo., 11. 5. 1917 Kreiskmdt. in Olkusz (Kreis Krakau), 1. 8. 1917 Obst., 1. 1. 1919 pensioniert. 260 Anton Graf (nicht Prinz) von Thurn-Valsassina und Taxis (Graz, 1. 6. 1877-24. 2. 1964 Icking, Oberbayern), 24. 3. 1897 als E.F. zu 4. TKJR., 1. 11. 1900 übersetzt zum Berufsoffizier als Lt., 1. 11. 1907 Oit., 1. 1. 1914 zu 1. TKJR., 1. 5. 1914 Hptm., 28. 8. 1914 verwundet, 15. 4. 1915 wieder an der Ostfront, später Verwendung im Stellungskrieg an der Südwestfront. 261 Ein Graf Buquoy konnte weder als aktiver noch als Reserveoffizier 1914 festgestellt werden. Es dürfte sich um Karl-Georg Heinrich de Longueval Graf v. Buquoy (Wien, 9. 3. 1885-17. 5. 1952, Brünn) handeln, Großgrundbesitzer und seit 1916 Herrenhausmitglied. 262 Guido Blaas (Innsbruck, 4. 8.1870-21.11.1915, Innsbruck), 1889-1890 E.F., als Lt. i. d.Res. zum Berufsoffizier, 1. 5. 1901 Hptm. IR. 22, 1. 5. 1907 zu 1. TKJR., 1. 11. 1912 Mjr., nach Kriegsbeginn schwer verwundet, 1. 11. 1914 als dienstuntauglich beurlaubt.

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Budiner. Das Gefolge des Erzherzogs bildete eine liebenswürdige Gesellschaft für die Ruhestunden: Erzherzog Heinrich263, General Frh. v. Seyffertitz264, Hptm. v. Mayerweck265, Baron Wassilko266. Am 6. Oktober wurden die Dispositionen für den Vormarsch an den San ausgearbeitet, und bis zum 12. wurde dieser Vormarsch durchgeführt. Das elende Wetter, Schnee, Hagel, furchtbarer Kot, bereiteten dem Nachschub die größten Schwierigkeiten, Pferdefuhrwerke blieben stecken, Lastautos fuhren bis zu den Achsen im Lehm, die armen Pferde standen massenhaft um. Der Regen hörte nicht auf, die Ruhr grassierte, die Cholera trat vielfach auf; da setzte eine vom Generalstabsarzt des AOK, Dr. Steiner267, großzügig organisierte Seuchenbekämpfung ein und führte zu vollem Erfolg. Die Russen waren indessen bis zum San zurückgegangen, wie die Fliegeraufklärung, die bereits anstelle der Kavallerieaufklärung getreten war, konstatierte. Das 4. Armeekommando gelangte wieder nach Lancut, wo es bis zum 4. November blieb. Das Schloß war intakt, was deutlich bewies, daß die Familie Potocki sich auch um Rußland Verdienste erworben hatte, denn alle polnischen Schlösser waren in Trümmerhaufen verwandelt worden ; der 263 Ehg. Heinrich Ferdinand Salvator (Salzburg, 13. 2. 1878-21. 5. 1969, Salzburg), 18. 8. 1897 aus Theres. Milak. als Lt. zu DR. 6, 1. 5. 1900 Olt., 1. 11. 1903 Rtm., 1. 11. 1907 beurlaubt, „um sich dem Studium der Malerei zuzuwenden", 1. 5. 1913 Mjr., 11. 10. 1914-7. 6. 1916 Ordonnanzoffizier beim 4. Akdo., 1. 5. 1915 Obstlt., 15. 2. 1917 Obst., IV/1917 Ordonnanzoffizier beim Gruppenkdo. Ehg. Peter Ferdinand, 19. 6. 1917 Kmdt. des takt. Kdo. Gruppe Raibl an der Kärntner Front, 7. 8. 1917 Kmdt. Gruppenkdo. Naßfeld, 16. 8. 1917 GM, 1. 10. 1917 Kmdt. 29. GBrig., 9. 6. 1918 Kmdt. 112. SchBrig. an der albanischen Front, 2. 8. 1918 beurlaubt, 1. 9. 1918 enthoben, 1. 12. 1918 Verhältnis a.D. 264 Theobald Frh. v. Seyffertitz (Neusatz, 19. 1. 1856-20. 4. 1926, Salzburg), 1. 2. 1873 aus Infanterie-Kadettenschule Innsbruck als Kadett zu 3. TKJR., 1. 11. 1878 Lt., 1. 11. 1902 Mjr. 3. TKJR., 9. 6. 1903 Kmdt. FJB. 2, 1. 11. 1905 zugeteilt dem Hofstaat Ehg. Josef Ferdinand, 1. 11. 1907 Obstlt. und Kammervorsteher, 1. 11. 1910 Obst., 1. 11. 1914 GM, 1. 11. 1917 FML, 1. 1. 1919 pensioniert. 265 Karl Mayerweck (Wien, 25. 9. 1874-23. 5. 1952, Wien), 18. 8. 1894 aus Infanterie-Kadettenschule Wien als Kadett-Offiziersstellvertreter zu FJB. 32,1.11.1895 Lt., 1.11.1904 zu FJB. 22, 20. 5. 1916 Baonskmdt IR. 99,1. 11.1916 Mjr. 4. TKJR., 8. 7.1918 Adjutant des Generalinspektors der Luftstreitkräfte GO Ehg. Josef Ferdinand, 1. 3. 1919 als Obstlt. pensioniert, 2. 4. 1922 Titular-Obst. 266 Alexander Frh. Wassilko v. Serecki (Berhometh, Bukowina, 2. 2. 1871-21. 7. 1920 Bärlad, Rumänien), 18. 8. 1893 aus Theres. Milak. als Lt. zu DR. 9, 1. 8. 1897 zu DR. 10,1. 11. 1907 Rtm., 7. 12. 1907 Kammervorsteher Ehg. Heinrich Ferdinand, 1. 5. 1916 Mjr., 1. 5. 1918 Obstlt. 267 Johann Steiner (Prag, 1. 12. 1855-25. 12. 1945, Wien ), Dr. med., 1885 als E.F.-Mediziner zu IR. 28, 1891 Oberarzt, 1904 Stabsarzt im KM, Abt. 14, 1913 Oberstabsarzt 1. Klasse, 1914-1918 Sanitätschef des AOK (4. 11. 1917-1. 1. 1918 Korpsarzt des IV Korps), 1918 Generalstabsarzt, 1919 Ruhestand. Verfasser zahlreicher wissenschaftlicher Werke und vieler Vorschriften für den militärärztlichen Dienst. Sein Nachlass in KA, NLS, sign. B/41.

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dortige Güterdirektor wurde schließlich auch wegen Spionageverdacht entfernt. Unsere 4. Armee erhielt den Auftrag, den San zu forzieren: meine 3. Schlacht (12.-30. Oktober). Im Verlauf dieser Schlacht gab es immer Konflikte mit dem AOK, welches grundlos an unserer Energie zweifelte. Wir hatten den Kontakt mit den Truppen, der dem AOK, das sechs Armeen zu leiten hatte, abging, nur wir konnten daher über die taktische Durchführbarkeit einer solchen Operation ein Urteil abgeben ; das war dem AOK begreiflicherweise oft unangenehm, aber das hätte nie der Grund zu einem gereizten Verhältnis sein dürfen, welches schließlich das gegenseitige Vertrauen erschütterte. Es haben da zweifellos einige Generalstabsoffiziere des AOK ihre Stellung falsch aufgefaßt; sie vergaßen, daß sie und die Generalstabsoffiziere der Armeekommandos eine vollkommen wesensgleiche Klasse waren, spielten die gottgleiche Manöverleitung im Frieden und legten zwischen das AOK und die Armeekommanden die Kluft des hierarchischen Verhältnisses. Wir haben es sehr bedauert, daß Conrad den Standort des AOK beinahe gar nicht verlassen hat, daher nur auf Berichte angewiesen war und so die Fühlung mit der Front - er, der taktische Lehrmeister Europas - verlieren mußte. Metzger begründete dies damit, daß er zu stark der Beeinflussung durch die einzelnen Armeekommandanten ausgesetzt gewesen wäre. Die Sanforzierung gelang nicht. Wir schlugen vor, gemeinsam mit der Armee Boroevic südlich von Przemysl vorzustoßen, aber der Antrag wurde abgelehnt, vermutlich aus Rücksichten auf den deutschen Bundesgenossen. In der Zwischenzeit habe ich viele russische Stellungen abgeritten und staunte über ihre geschickte, sorgfältige, saubere Anlage. Man hatte der Öffentlichkeit falsche Begriffe über russisches Wesen beigebracht. ... Ende Oktober sanken die Stände unserer Kompanien infolge der verlustreichen und erfolglosen Angriffe auf 70 bis 100 Mann. Da zu dieser Zeit etwa 7 russische Korps von Warschau aus gegen Schlesien vorstießen, ohne auf ernsten Widerstand zu stoßen, wurden alle 4 österreichische Armeen nach Westgalizien zurückgenommen. Als ich dem Erzherzog diesen Befehl meldete, füllten sich seine Augen mit Tränen 268 . 268 In der letzten Septemberwoche wurde der Rückzug auf der Linie Nida-Gorlice-Duklapass abgestoppt. Die Russen folgten nur zögernd, Anfang Oktober verlegten sie ihre Hauptmacht in den Raum Warschau, von wo aus sie gegen Deutschland vorbrechen wollten. Um dieser Gefahr zu begegnen, war bereits Ende August ein Großteil der dt. Truppen aus Ostpreußen nach Preußisch-Schlesien verlegt worden. Sie bildeten die dt. 9. Armee, die aus dem Raum Krakau am 27. 9. 1914 einen Vorstoß in Richtung Warschau-Iwangorod einleitete. Die in Galizien stehenden vier ö.-u. Armeen schlössen sich dieser Aktion an. Nach einem Vormarsch von etwa 100 km wurden der San und die anschließende Weichselstrecke erreicht, wo sich der russische Widerstand versteifte. Es entbrannte eine große Schlacht zwischen

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Am 2. November begann der allgemeine Rückzug. Obwohl unsere 4. Armee großenteils nur aus notdürftig geschulter Mannschaft bestand, wurde der Rückmarsch bis in den Raum bei Krakau in Ordnung ausgeführt; dies war besonders der Tätigkeit des GM. v. Mecenseffy zuzuschreiben, der als ArmeeEtappenkommandant die Wege mit größter Konsequenz planmäßig hatte herrichten lassen, so daß 2 bis 3 Trainkolonnen nebeneinander fahren konnten. Dieser stille, bescheidene, ernste, willensstarke General hatte wirklich große Leistungen vollbracht und war das Gegenbild so mancher Kameraden, welche im Hinterland mit Offensivgeist, Schneid und Angriffslust posierten, im Felde aber nur Unordnung und geistiges Chaos verursachten ; es gibt in jeder Armee jeder Zeit Menschen, welche die Soldatenart zur Fratze erniedrigen; es sind dies nie bescheidene, stille, sondern immer hochmütige, wortreiche Leute. Der Rückzug schädigte natürlich den Geist der Armee; Arger, Verdruß, Verstimmung, Verhetzung, Verleumdung laufen mit Rückzugswegen parallel. Wir trafen am 12. November in sehr gedrückter Stimmung in Krakau ein, wo wir bis zum 30. blieben. Beim Rückzug hatte das Eisenbahnpersonal wahre Glanzleistungen zu verzeichnen. Die Züge, welche das Riesenmaterial der Armeen zurückschaffen mußten, fuhren tagelang ohne Intervall einer hinter dem andern, die Lokomotivführer machten 70 bis 80 Stunden Dienst. Wir waren kaum in Krakau eingetroffen, so erhielten wir den Befehl, mit der 3. Armee von Krakau in nördlicher Richtung vorzustoßen ; dies führte zu meiner 4. Schlacht. Conrad hatte in strengster Auffassung der Bundestreue die eigene Front in den Karpaten zugunsten der Deckung von PreußischSchlesien ganz geschwächt, hatte die 2. Armee zur Deckung von Breslau eingesetzt, und wir mußten nun wieder offensiv werden, obwohl dies unserem Kräftezustand nicht entsprach, denn unsere Truppen waren erschöpft. Vom 16. bis zum 26. November dauerte diese Schlacht nördlich Krakau. Der Kampf war wechselvoll, aber die Russen gingen nicht zurück; damals war ein deutlicher Unterschied in der Kampfkraft unserer slawischen und deutschen Regimenter zu bemerken. Die Kavallerie kämpfte nur noch mit dem Karabiner, verlangte jetzt selbst den Spaten und das Bajonett ; die Friedenstaktik der Kavallerieinspektoren war liquidiert. ... Der Winter brach ein. Am 26. wurde die Schlacht abgebrochen, und die 4. Armee, die kaum 50.000 GeWarschau und den Karpaten. A m 11. Oktober wurde Jaroslau im Sturm genommen, am gleichen Tage zwangen Truppen der 3. Armee unter G.d.I. Boroevic die Russen zur Aufgabe der Belagerung von Przemysl. Die dt. 9. Armee rückte bis auf 10 km an Warschau heran. Wenige Tage später begann der russ. Gegenangriff. In der Schlacht bei Iwangorod westlich der Weichsel (22.-26. 10.) wurden die dt. 9. und die ö.-u. 1. Armee von überlegenen russischen Kräften zum Rückzug gezwungen. Die 1. Armee verlor über 40.000 Mann. Auch die Armeen in Galizien mussten sich Anfang November vor starkem russischem Druck zurückziehen, Przemysl wurde neuerlich eingeschlossen.

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wehre zählte, wurde zurückgenommen. Nun begann ein wüstes Geschimpfe auf die oberste Führung; die Unruhe infolge oft wechselnder Befehle hatte eine unerträgliche Lage geschaffen. Nun trafen endlich die ersten deutschen Verstärkungen ein, die 47. Reserve-Division unter Kommando des Generalleutnants v. Besser269, Glstbsoffz. Hptm. v. Fleischhacker. Ich erhielt den Auftrag, diese Herren zunächst über die bisherige Tätigkeit der 4. Armee zu orientieren, und hielt ihnen einen zusammenfassenden Vortrag, bei dem sie aus dem Staunen nicht herauskamen, denn sie wußten nicht, was wir schon durchgemacht hatten: 46 Gefechtstage von zirka 100 Kriegstagen ! Nun erfuhr ich, daß die deutsche Armee in Frankreich durchschnittlich kaum 10% Verluste hatte und daß ein großer Teil jeder Armee immer als Reserve zurückgehalten werden konnte. Für uns begann nun der Kampf um die engere Heimat, denn wir standen fast an der Grenze Schlesiens ; da durfte kein Gedanke an Müdigkeit, Kriegsunlust oder Mitleid aufkommen, wir mußten jetzt eine russische Invasion nach Mähren-Schlesien verhindern. Hierzu sollte als letzter Versuch ein Vorstoß südlich Krakau erfolgen. Diese Operation, die zur 5. Schlacht der 4. Armee führte, dauerte vom 1. bis zum 5. Dezember, erhielt den Namen Schlacht von Limanowa, war die schönste Operation des Feldzuges und das wichtigste Ereignis des Winters270. Die Operation führte Erzherzog Josef Ferdinand mit Oberst v. Paie. Der Angriff gewann anfangs nur langsam Raum, es entstanden böse Krisen und Konflikte zwischen einzelnen Unterkommandanten, aber schließlich traten die Russen den Rückzug an. Ich besitze die Originalskizze, aufgrund derer Erzherzog Josef Ferdinand die Schlacht geleitet hat. Die Schlacht war der Wendepunkt im Kriege gegen Rußland, denn bei Limanowa kulminierte die russische Offensive; es ist unabsehbar, was im Falle eines Mißerfolges geschehen wäre. Die Generale Arz und Roth271 hatten die zwei 269 Alfred von Besser (1854-1919), preuß. Generalleutnant. 270 Die dt. 9. Armee, nunmehr unter G.d.K. August v. Mackensen, begann am 12. 11. 1914 aus dem Räume Thorn den geplanten Angriff in Richtung Lódz-Warschau. Vier Tage später setzen die k.u.k. 1. und 4. Armee beiderseits Krakau zu einer Offensive an, um die dt. 9. Armee zu unterstützen. Inzwischen kämpfte die im Verband der dt. Armeegruppe Woyrsch stehende ö.-u. 2. Armee etwa 200 km östlich von Breslau erfolgreich gegen überlegene russische Kräfte. Am 6. Dezember eroberte die dt. 9. Armee Lodz. In die bei Limanowa entstandene breite Frontlücke wurden zunächst nur vier Divisionen (drei ö.-u. und eine dt.) unter FML v. Roth geworfen. Rasch herangeführte Verstärkungen (3. und 4. Armee) ermöglichten es, in der Schlacht von Limanowa-Lapanów (5.-17. 12. 1914) die Russen zurückzuschlagen und dadurch sowohl die Gefahr für Krakau zu bannen wie auch einen Einbruch nach Ungarn zu verhindern. Uber diese Kämpfe siehe: Gustav Stöckelle, Der Feldzug von Limanowa-Lapanów, 1.-20. Dezember 1914, in: Die wichtigsten Operationen der österreichisch-ungarischen Armee 1914, 39-46. 271 Über GO Josef Roth Frh. v. Limanowa-Lapanów (1859-1927) siehe Georg Reichlin-Meldegg,

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wichtigsten Gruppen geführt, der Erzherzog gestattete in seiner großzügigen Güte, daß FML Roth das Prädikat „von Limanowa" führen durfte. Der russische Generalstab betrachtete die Schlacht als ein strategisches Meisterwerk, das, genial erdacht und virtuos durchgeführt, für die russische Heeresleitung eine große Überraschung bedeutete. Der Name Erzherzog Josef Ferdinand sollte von jedem Mitteleuropäer mit Dankbarkeit genannt werden. Am 16. Dezember ritten wir quer über das ganze Schlachtfeld. Der Anblick war schrecklich. Ein Gewirr von Schützengräben in verschiedensten Richtungen, alle angefüllt mit Patronenhülsen, zerschlagenen Gewehren, verbogenen Bajonetten, zusammengeschossenen Bretterdecken, faulem Stroh, Grundwasser, Speiseresten. Oft lagen noch Gebetbücher da, dann wieder österreichische Kappen, preußische Pickelhauben, russische Mützen, dann kamen ganze Netze von neu angelegten, nicht benützten Schützengräben, niedergebrannte Häuser, in Trümmer geschossene Dörfer, umgeworfene Telegraphenleitungen, demolierte Brücken, dann zogen Gruppen von klagenden, weinenden Bauern und Bäuerinnen mit ihren Kindern vorbei, die nicht wußten, wohin sie sollen, dann lag da ein Haufen toter Soldaten, dann sah man lange Reihen von frisch aufgeworfenen Gräbern, viele Pferdekadaver. In den Dörfern furchtbare Bilder der Verwüstung, die Bevölkerung großenteils abtransportiert oder geflohen, die Felder zerstampft und am Himmel massenhafte Züge kreischender, beutefroher Raben. Ein für uns erfreulicheres Bild waren die vielen russischen Kriegsgefangenenkolonnen, die in bester Freundschaft mit der österreichischen Eskorte wegmarschierten, weg von der Front, von dieser Hölle des Völkerlebens. Uber allem schien die hellste Wintersonne, als wäre nichts geschehen und als herrschte Friede und Freude auf der Erde. Das A K begab sich nach Okocim, wo das Schloß, die Residenz des russischen Oberkommandanten Radko Dimitrieff272, in bester Ordnung war; hier habe ich am 18. Dezember das erste Mal im Krieg wieder Klavier gespielt, Beethoven ; der Erzherzog hatte mir ein Klavier in die Halle neben unserm Arbeitsraum stellen lassen. Das sind die grellen Kontraste des Lebens im Kriege. Während des Vormarsches an den Dunajec wurde fast ununterbrochen weiter gekämpft, die Russen versuchten offensiv zu werden, aber sichtlich war die russische Angriffskraft erschöpft; Regen, Schneestürme, Infanterie- und Geschützfeuer bei Tag und Nacht, so arbeiteten wir uns bis an den Dunajec vor, wo ab 18. Dezember die 6. Schlacht der 4. Armee begann, die bereits die Form des Stellungskampfes trug; die Schlacht am Dunajec dau-

Der Löwe von Limanowa. Josef Roth Frhr. v. Limanowa-Lapanów - ein Leben zwischen den Epochen, Graz 2005. 272 Radko Dimitrieff (1859-1919), bulgarischer General, 1914 Kmdt. d. russ. 3. Armee, 1919 von den Bolschewiken ermordet.

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erte noch an, als ich am 25. Jänner 1915 die 4. Armee verließ273. Damals war uns klar, daß mit dem Krieg Schluß gemacht werden müsse, wenn nicht die Konsequenzen des Krieges ärger sein sollten als der Krieg selbst, denn so unmenschliche Forderungen an eine Volksarmee auf die Dauer zu stellen, muß revolutionierend auf die Geister wirken. Gewiß werden wir noch lange „durchhalten", aber mit Widerwillen und mit wachsendem Grimm. Clam-Martinic meinte, ohne Sieg dürfen wir nicht nach Hause kommen, ich meinte, die Fortsetzung des Krieges sei eine Sünde an der Menschheit. In den bisherigen Kämpfen hatten alle Heere sich so abgebraucht, daß die Fronten wie zwei erstarrte Mauern von der Ostsee bis zu den Karpaten, von Belgien bis zur Schweiz sich gegenüberstanden. Die neutralen Mächte hätten jetzt hervortreten und den Frieden erzwingen sollen ; das war die unbedingte Pflicht der führenden Kreise. Militärisch genommen war die Lage so, daß die österreichisch-ungarische Armee in viermonatigen, fast ununterbrochenen Kämpfen die Riesenmacht des russischen Reiches aufgehalten hatte ; von diesem Ringen konnte sich Rußland nicht mehr erholen, und die durch Aufopferung unserer Armee geschaffene Situation bot der deutschen Armee, welcher die Lösung der vereinbarten Aufgabe in Frankreich mißlungen war, Gelegenheit, im Osten große Erfolge zu erzielen. Die Schlacht am Dunajec nahm einen wechselvollen Verlauf, besonders am 24. Dezember erzielte ein russischer Vorstoß gegen uns und gegen die Nachbararmee Boroevic einen großen Erfolg, der in der Neujahrsnacht noch weitergetrieben wurde, aber im Jänner schien die Angriffskraft der Feinde zu erlahmen, und wir konnten unsern Truppen sogar etwas Ruhe gönnen. In diese Zeit fiel die Fahnenweihe für das 2. Regiment der Tiroler Kaiserjäger; ich sah meine alten Kameraden wieder, richtiger gesagt, ich sah sie nicht wieder, denn das Regiment hatte seinen Kommandanten Oberst v. Brosch, 3 Bataillonskommandanten, 12 Kompaniekommandanten und 64 andere Offiziere sowie 2700 Mann verloren; von meinem Bataillon aus dem Juli 1914 waren noch fünf Mann da! Der 22. Jänner wurde für mich ein entscheidender Tag, da ich nach Rücksprache mit Oberst Metzger zum Generalstabschef des Korps Ost (FML Czibulka274) bestimmt wurde ; dieses Korps erhielt die Aufgabe, die Russen aus der Bukowina zurückzuwerfen. 273 Zu Jahresende 1914 verlief die nunmehr gefestigte Front der Verbündeten von der Bzurazur Nida-Mündung und von dort in die Gegend von Gorlice, wo sie sich an die Karpaten anlehnte. 274 Claudius Czibulka (Neutitschein, Mähren, 22. 9. 1862-18. 4. 1931, Karlsbad), 18. 8. 1883 aus Theres. Milak. als Lt. zu IR. 1, ab 1888 Glstbskarriere, 1. 1. 1897 Mjr.i.G., 1. 11. 1910 GM, Brigade- u. Divisionskmdt (3. ITD), 1. 11. 1913 FML, 26. 1. 1915 Kindt. Korps Ost, das spätere XIII. Korps, noch 1915 Kmdt. XVIII. Korps, 1. 8. 1917 G.d.I., 12. 8. 1918 Geheimer Rat, 1. 1. 1919 pensioniert.

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Skizze „Aufmarsch Kriegsfall R" (Verein „Alt-Neustadt", Mitgliederverzeichnis 1963, Skizze 1).

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Das Leben eines österreichischen Generalstabsoffiziers

Ich trennte mich schwer vom 4. Armeekommando, mit dem ich fast ein halbes J a h r lang Sorgen, Strapazen, Aufregungen, Gefahren, Glück und Unglück geteilt hatte; es war wie ein Abschied aus einem Familienkreis, an dessen Spitze Erzherzog Josef Ferdinand stand. Der Erzherzog nannte mich den Bravsten der Braven und gab an die Armee folgenden Befehl aus (25. 1. 1915) : Oberstleutnant des Generalstabskorps Theodor Ritter von Zeynek wurde auf einen leitenden Generalstabsposten berufen. Seit Kriegsbeginn dem 4. Operierenden Armeekommando angehörend, war er in allen Phasen dieses Feldzuges eine jener erprobten Stützen des Armeekommandos, deren hingebungsvolles Zusammenarbeiten eine Grundlage unseres Erfolges bildete. Mit lebhaftem Bedauern sehe ich diesen hervorragenden Offizier aus meinem Stab scheiden; seine erfolgreiche Betätigung hat ihm meine volle Anerkennung, sein echt soldatisches, chevalreskes Wesen meinen kameradschaftlichen Dank erworben. Unsere herzlichsten Wünsche begleiten Obstlt. v. Zeynek auf seinen neuen Dienstposten. Erzherzog Josef Ferdinand m. p. G. d. I.

IV Generalstabschef des Korps „Ost" (25. Jänner-10. März 1915) Am 25. Jänner meldete ich mich beim AOK in Teschen, wo ich erfuhr, das Korps „Ost" werde neu formiert, um die Bukowina zu erobern, die von den Russen besetzt worden war275. Kommandant des Korps wurde FML Claudius Czibulka, ein Stiefbruder des Gardekapitäns Hubert Frh. v. Czibulka, daher mit mir entfernt verwandt, doch hatte weder ich noch meine Familie mit ihm verkehrt, da unsere Lebensanschauungen zu verschieden waren; er war ein sehr begabter, aber durch Krankheit in seinen Leistungen sehr behinderter General. Mein Armeekommandant wurde G.d.K. Frh. v. Pflanzer-Baltin, dessen Stabschef Oberst v. Soós war, so daß dieser wieder mein direkter Vorgesetzter wurde276. Conrad meinte, ich werde mir in der Bukowina die goldenen 275 In den Karpaten und im Dnjestr-Raum spielten sich bei Kriegsbeginn nur unbedeutende Ereignisse ab. Gendarmerie- und Landsturmabteilungen führten einen wochenlangen Guerillakrieg gegen das russische Dnjestr-Detachement, doch musste Czernowitz Mitte September 1914 geräumt werden. Am 11. 9. 1914 wurde in Galizien der allgemeine Rückzugsbefehl gegeben. Dadurch kam die 2. Armee in die Karpaten zwischen Uzsóker- und Duklapass. In den Ostkarpaten wurde die Armeegruppe G.d.K. Pflanzer-Baltin gebildet (die spätere 7. Armee). Am 8. November begann der Abtransport eines großen Teiles der 2. Armee nach Schlesien. Die in den Karpaten verbliebenen Verbände wurden dem Kommando der 3. Armee (Boroevic) unterstellt. Die Armeegruppe Pflanzer-Baltin blieb selbständig. 276 Zur Genesis der 7. Armee nach Manfred Tuschel, Generaloberst Freiherr von Pflanzer-

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Sporen holen, die größten Schwierigkeiten würden die ungeheuren Schneemassen sein, die in der Bukowina jedes Fortkommen abseits der Straßen fast unmöglich machen ; materiell war sichtlich wenig vorbereitet, so daß diese Gebirgsexpedition im Hoch winter improvisiert werden mußte. Wir lebten leider von Improvisationen, während auf deutscher Seite solideste Organisation die Grundlage aller Unternehmungen war. Bei den Improvisationen konnte sich allerdings die spezifische österreichische Begabung voll entfalten277. Nach 36Baltin. Eine Biographie, phil. Diss. Univ. Wien 1978, 54-58: Bereits im gemeinsamen Ministerrat vom 19. 7. 1914 sagte Conrad dem ung. Ministerpräs. Tisza 40.000 Mann an Landsturmeinheiten und Marschbataillonen für eine eventuell notwendige Verteidigung Siebenbürgens gegen Rumänien zu. Als an der Nordostgrenze Siebenbürgens russ. Truppen auftauchten, ersuchte das AOK am 29. 9. 1914 um die Designierung des seit 13. 6. 1914 bis zur definitiven Versetzung in den Ruhestand beurlaubten FML v. Pflanzer-Baltin. Seine Aufgabe war die Verzögerung des Vormarsches rumänischer Kräfte von der Reichsgrenze an. Am 2. 10. 1914 hatte Pflanzer-Baltin eine Audienz bei Kaiser Franz Joseph, der eine Befestigung der rumänischen Grenze nicht wünschte. Pflanzer-Baltin stellte mit Hilfe des Korps FML Hofmann (22 Baone) und der Polnischen Legion, der 52., 53., 54. und 56. ITD sowie Gendarmerieeinheiten in der Bukowina in der Höhe von 6.500 Mann unter dem Kdo. des später zum Theresien-Ritter promovierten Gendarmerie-Obstlt. Eduard Fischer eine Armeegruppe auf, der die versprochenen Landsturmeinheiten beigegeben wurden. Das „Korps Ost" kam im Jänner 1915 dazu. Am 27. 12. 1914 überbrachte Ehg. Karl Franz Joseph dem inzwischen zum G.d.K. beförderten Pflanzer-Baltin den Leopold-Orden 1. Klasse. Die Armeegruppe hatte damals bereits Verluste von 28.000 Mann. 277 Géza Kövess, Karl Freiherr von Pflanzer-Baltin (1855-1925), in: Neue Osterreichische Biographie ab 1815, Bd. 16, Wien-München-Zürich 1965, 119-131, urteilt ähnlich (123): „Nun war Pflanzer-Baltin in seinem Element! An der Spitze seiner vom Pflug weggeholten, zum Teil zuerst nur durch schwarz-gelbe Armbinden zu Soldaten gestempelten Landstürmer stürmt er über die Waldkarpathen in das Buchenland und gegen den Dnjestr vor. Als Meister der Improvisationen ist er der richtige Feldherr für dieses alte, bedrohte Österreich, in welchem es so viel zu improvisieren gab. Er stampfte, wie der Held aus der Sage, die Truppen aus dem Boden und ersinnt immer wieder, wenn alle anderen ungläubig den Kopf schütteln, eine rettende Aushilfe. Da werden Baumstämme ausgehöhlt und als Kanonen-Attrappen verwendet, daneben Böller aufgestellt und selbstverfertigte Holzratschen benützt, die durch ihren Lärm und Rauch den Feind täuschen und aufhalten sollen. (Die Böller imitieren die Kanonenschüsse, die Ratschen das rasche Feuer der fehlenden Maschinengewehre!) Prächtige Unterführer, wie der Gendarmerieoffizier Fischer, zunächst Major, zu Ende des Krieges Generalmajor, unterstützen den ,Condottiere' Pflanzer. Freilich ist dieser ein Kommandant, der persönlich führen will und keinen Herren neben sich duldet. Für einen ehrgeizigen, selbst kommandieren wollenden Generalstabschef, wie man ihm einen solchen zu Anfang beigab [Obst. v. Soós], ist kein Platz an seiner Seite; da gibt es Funken. Pflanzer-Baltin ist von dem Gefühl durchdrungen, daß sein eiserner Wille stark genug ist, auch den letzten Mann seiner Armeegruppe höchstselbst zu dirigieren, was er in vierzehn Schlachten ausreichend bewiesen hat. Daher mußte eine gewisse Geringschätzung für den seinem Feuergeist als unnötige Fessel erscheinenden Rahmen der Kriegsgliederung (,Ordre de bataille') Platz greifen. Pflanzer-Baltin trat für die bewegliche Front ein, die sich fast immer, schon bei den Manövern im Frieden und seit Beginn des Krieges bewährt hatte, von den weniger praktisch

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stündiger Fahrt langte ich in Máramarossziget278 an ; es schneite ununterbrochen. Bei Pflanzer und Soós erhielt ich auch kein klares Bild über die Lage in der Bukowina; es schlug sich dort die polnische Legion herum, und ihre Verbindung mit dem Armeegruppenkommando Pflanzer war sichtlich nur sehr locker. So erhielt ich in Mármarossziget drei Autos und fuhr von einem Offizier begleitet weiter: ins Ungewisse. Wir hatten auf den tief verschneiten Straßen zahllose Havarien und näherten uns erst um 3 Uhr früh dem Dorfe Kirlibaba279, wo sich das Korpskommando formieren sollte. Da wir nicht wußten, wo feindliche, wo eigene Abteilungen stehen, fuhren wir vorsichtigst in den Ort und fragten von Haus zu Haus, wo Militär liege, fanden endlich eine Patrouille der Polnischen Legion, die uns aber auch über den Feind keine Auskunft geben konnte, bei der wir aber doch von 4 bis 6 Uhr früh Nachtruhe und beweglich eingestellten Führern aber nicht richtig verstanden und angewendet wurde und ihm daher den Namen ,Bald hin, bald her' in der Armee eintrug. Auch von den pedantischen deutschen Bundesgenossen wurde ihm diese Taktik übel ausgelegt. Wohl erschwerte das von Pflanzer-Baltin notfalls gerne angewandte Zerreißen selbst der kleinsten Verbände den Ersatz und den Nachschub außerordentlich, insbesondere in dem an Kommunikationen so armen Gelände der Waldkarpathen und der eingleisigen Eisenbahn von Ungarn nach dem Osten. Er war besonders darauf bedacht, vor jedem Angriff die in der Stärke richtigen Reservetruppen bereitzuhalten, notfalls hat er diese dann auf dem schnellsten Wege mit Autokolonnen an die gefährdeten Frontstellen bringen lassen. Oberflächliche Beobachter oder fremde Führer, denen die österreichisch-ungarischen Terrainverhältnisse ebenso unbekannt waren wie die nationale Zusammensetzung unseres Heeres, haben nicht bedacht, daß das Pflanzer-Baltin unterstehende Kampfgebiet nicht auf engstem Räume beschränkt blieb. Es reichte ... über 250 km weit und umspannte Teile von Ostgalizien, die Bukowina und das ungarische Anland. Der ganze Charakter des Kriegsschauplatzes mit breitem Waldgebirge, offenen Gegenden und vielfach gewundenen Flußläufen diktierte eine auch durch die feindliche Ubermacht bedingte beweglichere Kampfführung. Daß der schwächere Teil - Pflanzer-Baltins Truppen - meisterhaft focht, ist auch dadurch erwiesen, daß der später eingesetzte stärkere deutsche Partner ganz denselben Wechselfallen ausgesetzt war. ... Wo Pflanzer-Baltins Armee stand, da konnte wohl auch zurückgegangen werden, nie aber vermochte der Gegner den Südflügel der Ostfront zu durchbrechen oder gar aufzurollen." Rudolf Kiszling, Generaloberst Carl Frh. v. Pflanzer-Baltin, in: Osterreich in Geschichte und Literatur 15 (1971) 514-520, schreibt über die politischen Hindernisse am Beginn der Operationen: „Da mengte sich Tisza, der stets um Siebenbürgen bangte, ganz unberechtigt in die Operationsführung und wies die Bahnbehörden an, die Truppentransporte Pflanzers zu stoppen. Das Armeeoberkommando und die Militärkanzlei des Kaisers befahlen gleichfalls das Verbleiben der Armeegruppe in Siebenbürgen. Dagegen erhob Pflanzer schärfsten Protest und erreichte auch, daß Tisza seine Weisung zurückzog; das Armeeoberkommando und der Kaiser gaben die Vorrückung bis zur Linie Delatyn-Kolomea-Czernowitz frei." 278 Máramarossziget (heute rumän. Sighetu Marmatiei) war Komitatshauptort in den Waldkarpaten an der oberen Theiß. Eine Bahnlinie führte von dort weiter nach Delatyn und Kolomea in Ostgalizien. 279 Kirlibaba (heute rumän. Cirlibaba), Ort an der Goldenen Bistritz, Bezirk Suczawa, Bukowina, nahe der siebenbürgischen Grenze.

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fanden. Am 27. Jänner fuhr ich zu einer Straßenkreuzung, wo ich meinen neuen Korpskommandanten traf. FML Claudius Czibulka war kenntnisreich, hochintelligent, witzig und schlagfertig, aber durch eine Krankheit physisch gehemmt. Wir fuhren zusammen trotz Schneesturms auf den Prislop-Sattel (1413 m hoch), wohin uns Pflanzer zu einer Besprechung bestellt hatte. Es war ein hochalpines Bild, als Pflanzer, in einen Pelz gehüllt und über und über schneebedeckt, in die elende Schutzhütte eintrat. Er gab nur dem Wunsche Ausdruck, daß wir so rasch als möglich den Vormarsch durch die Bukowina aufnehmen und die Russen werfen sollten. Die wichtigste Voraussetzung einer ruhigen Improvisation, die nötige Zeit, wurde uns hiermit auch genommen. Über operative Grundlagen oder Absichten teilte Pflanzer uns nichts mit, aber dafür gewannen wir den Eindruck, daß unser Armeegruppenkommandant ein willensstarker, tatkräftiger und unternehmungsfreudiger Soldat sei280. Im Schneesturm fuhren wir nach Kirlibaba zurück, wo wir bis zum 8. Februar blieben. Es war ein elendes Gebirgsdorf in einer wunderschönen Waldlandschaft; alle Fensterscheiben waren zerbrochen und durch Papier ersetzt, dabei hatte es 23 Grad Reaumur in der Nacht. Die Bevölkerung war größtenteils geflüchtet, man sah nur hier und da einige alte ruthenische Bauern. Es sammelte sich nun um mich eine Anzahl von Offizieren, aus welchen ich einen

280 Zeynek verfasste eine dreiseitige Maschinschrift: Der Stabschef über seinen Armeekommandanten (Mondsee, im November 1943) (KA, NLS, sign. B/151, nr. 3): „Am 27. Jänner 1915 meldete ich mich in Mármarossziget bei dem vorgesetzten Armee-Gruppenkommando G.d.K. Frh. v. Pflanzer-Baltin als neu ernannter Stabschef des Korps G.d.I. Czibulka, welches den Auftrag hatte, die von den Russen besetzte Bukowina zu erobern. General Pflanzer war leider abwesend. Ich fuhr nach wenigen Stunden über den mehr als 1400 m hohen Prislop-Sattel in die Bukowina nach Kirlibaba. Die Fahrt war abenteuerlich, denn in dem 2300 m hohen Gebirge wüteten Schneestürme, und auf der Straße waren überall solche Schneewächten aufgetürmt, daß meine drei Autos ununterbrochen Havarien erlitten und ich 12 Stunden brauchte, um den 120 km langen Weg bis zur Front zurückzulegen. Für den folgenden Vormittag war ich zu einer Besprechung mit General Pflanzer wieder auf den Prislop-Sattel befohlen, wohin ich und der eben angekommene Korpskommandant mit Schlitten zurückfuhren. Als wir oben eintrafen, setzte ein so furchtbarer Schneesturm ein, daß wir glaubten, der Armeekommandant werde nicht kommen. Zu unserer Überraschung trat er aber gegen Mittag in das Wegeinräumerhaus auf der Paßhöhe ein, ganz mit Schnee überdeckt, halb erfroren, doch trotz seiner 60 Jahre in jugendlicher Frische und Kraft. Wir blieben kaum Vi Stunde beisammen und seine Weisungen waren elementar einfach : ohne Zeitverlust die Russen aus der Bukowina verjagen und bis zum Nordrand der etwa 100 km breiten Waldkarpaten, also bis zur Linie Kolomea-Czernowitz, vorstoßen. Das war mein erstes unvergeßliches Zusammentreffen mit General Pflanzer. Der Eindruck war prächtig; ein Mann von sichtlich unbeugsamem Willen, großzügigem Denken, voll Freude am Bekämpfen von Schwierigkeiten, einfach, hart, zielstrebig und kraftstrotzend, dabei rücksichtslos gegen sich selbst. Dieser erste Eindruck hat sich bei unserer späteren Zusammenarbeit voll bestätigt."

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Korpsstab bildete ; es war kein wirklicher Generalstabsoffizier darunter, nur Truppenoffiziere, welche während des Krieges dem Generalstab zugeteilt wurden, aber was Leistungsfähigkeit, Energie und Pflichtgefühl betrifft, hervorragende Männer. Wir formierten in aller Eile zwei sogenannte Truppendivisionen, in Wirklichkeit riesige Landsturmhaufen, unter Kommando von FML v. Lilienhof281 und GM Schultheiß282, der aber wegen baldiger Erkrankung durch den reaktivierten FML v. Benigni (später Graf Benigni)283 ersetzt wurde. Als Intendanzchef fungierte der zugeteilte Hauptmann Swoboda284. So wurden in primitiver Weise die Kommandos improvisiert. Zu den zwei Landsturmdivisionen trat noch die Polnische Legion. Sie war besser, als man erwarten konnte, denn sie kämpfte gut, sonst allerdings war die Disziplin nicht einwandfrei, der Stab neigte zu fröhlichen Gelagen, die Legionäre verkauften vielfach ihre Schuhe an die Bauern und mußten immer wieder neu ausgerüstet werden, es meldeten sich auch viele krank und betonten den 281 Godwin ν. Lilienhof-Adelstein (Lemberg, 1. 5. 1862-25. 9. 1929, Wien), 18. 8. 1883 aus Techn. Milak. als Lt. zu Geniergt. 2, ab 16. 2. 1892 GIstbskarriere, 1. 11. 1907 Obst., 28. 10. 1908 Kmdt. IR. 12, 29. 11. 1912 GM u. Kmdt. 24. IBrig., 9. 1. 1915 enthoben, 1. 6. 1915 als dienstuntauglich beurlaubt, 24. 7. 1915 Brückenkopfkmdt. von Budapest, 8. 5. 1916 Stellvertreter des Militärkmdt. von Wien, 1. 9. 1915 FML, 1. 1. 1919 pensioniert. 282 Emil Schultheiß v. Devecser (Devecser, Ungarn, 18. 7. 1856-1920), 28. 3. 1872 als Infanterist zu IR. 48, Infanterie-Kadettenschule Graz, 1. 5. 1876 Lt., 1. 4. 1896 als Hptm. zu HHR. 10, 1. 5. 1904 Obst. HHR. 14, 1. 5. 1910 GM, 17. 9. 1910 Kmdt. des 45. Honvéd-Distrikts, 1. 5. 1913 als FML pensioniert, auf Kriegsdauer reaktiviert, 14. 10. 1914 Kmdt. 54. ITD, 5. 2. 1915 aus Gesundheitsrücksichten beurlaubt, ab 1. 5. 1915 Hinterlandsverwendungen, u.a. in Budapest und Pressburg, nach 1918 weiter Dienst in der Honvéd. 283 Siegmund Benigni R. (1918 Graf) v. Müldenberg (Fiume, 15. 1. 1855-23. 10. 1922, Graz), Truppenoffizier, 1. 5. 1901 Obst. u. Kmdt. 2. Gebirgsbrig., 9. 11. 1907 GM, 25. 1. 1910 zugeteilt XVI. KKdo., 1. 11. 1911 FML, 14. 1. 1913 enthoben aus Gesundheitsrücksichten, 1. 9. 1913 beurlaubt, 1914 aktiviert auf Mobilmachungsdauer als Kmdt. 45. ITD (Verteidiger des Brückenkopfes Jaroslau in der 1. Schlacht bei Lemberg), 11. 9. 1915 FZM, 11. 4. 1916 Kmdt. Armeegruppe Benigni, 7. 7. 1916 Kmdt. VIII. Korps, 1. 11. 1916 übersetzt in den Präsenzstand, 24. 11. 1916 Geheimer Rat, 1. 1. 1919 pensioniert. 284 Vielleicht Franz Swoboda (Gattenhof, Bezirk Tachau, Böhmen, 26. 6. 1882-3. 6. 1941, Weichsein bei Krumau, Protektorat Böhmen und Mähren), 18. 8. 1901 aus Infanterie-Kadettenschule Prag als Kadett-Offizierstellvertreter zu IR. 55,1/1902 Lt., Laufbahn als Infanterieoffizier, 21. 10. 1914 verwundet, seither diverse Verwendungen, 2. 7. 1916 Ritterkreuz des Franz-Josephs-Ordens, 14. 12. 1917 zugeteilt dem Militärgouvernement Lublin, 1918 Lehrer an der Infanterie-Kadettenschule Kamenice, 1.1. 1920 Major, 1. 5. 1921 eingeteilt beim IR. 6 des öst. Bundesheers, 1. 7. 1921 Obstlt., 22. 5. 1929 dienstzugeteilt dem Informationskurs für Stabsoffiziere in Wien und Bruck-Neudorf, 30. 9. 1932 dauernder Ruhestand (wegen nationalsozialistischer Betätigung; war lt. aktenkundigen Angaben der Gattin seit „Herbst 1932" bei der SA), 1. 11. 1938 Offizier im deutschen Heer, 1. 4. 1939 Obst., 6. 8.-1. 10. 1939 Kmdt. Grenzwachabschnitt 13, 4. 12. 1939 in die Führerreserve, 22. 1. 1940 bis zum Tod Kmdt. Infanterieersatzrgt. 45.

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Gedanken, daß sie nur freiwillig mittun. Später erfuhr ich, daß die meisten Legionäre nicht aus Russisch-Polen, sondern aus Galizien stammten, daher zum normalen Kriegsdienst verpflichtet gewesen wären. Die Polen waren immer klug. Die wirkliche Schlagkraft des Korps „Ost" war die kroatische 36. ITD, die aus 4 kriegserprobten Regimentern erster Güte bestand. Der Vormarsch durch die Bukowina dauerte vom 30. Jänner bis zum 18. Februar. Die Waldkarpaten sind an dieser Stelle etwa 100 km breit, die Berge 1300 bis 1400 m hoch, mit Urwald bedeckt. Abseits der größeren Wege lag der Schnee mehrere Meter hoch ; die Wege waren von den Russen besetzt. Mein Plan war, zunächst in den beiden Hauptrichtungen Seletin-Kolomea und Kimpolung-Czernowitz die Russen durch lokale Umgehungen aus dem Tal zu vertreiben; sobald ein Loch geschlagen war, sollte eine Kolonne die Russen von vorne angehen, eine andere auf die russische Rückzugslinie vorrücken, um die Russen zum Aufgeben ihrer Stellungen zu veranlassen; sie sollten also zuerst angegriffen, dann aber hinausmanövriert werden. Dieser Plan wurde ausgeführt und gelang; nur funktionierten die Telephonverbindungen schlecht, so daß wir oft mehrere Stunden brauchten, um von einem der Kommandos eine Situationsmeldung zu erhalten ; sichtlich war auch die Bevölkerung vielfach im russischen Dienst und zerstörte unsere Leitungen. Das Land war mit russischen Agenten überschwemmt, der Staatsgedanke war in der Bevölkerung nicht durchgedrungen, das geistige Niveau der Ruthenen und Rumänen äußerst niedrig, die Träger der Intelligenz, die Juden, gebrauchten ihre Überlegenheit vielfach in egoistischem Sinne. Man war eben in „Halbasien". Am 30. Jänner begann der Vormarsch ; bis zum 6. Februar hatten wir 30 km Raum nach vorwärts gewonnen und die Russen bei Moldawa, Izwor, Schipot und Seietin in der Richtung auf Kolomea, bei Kimpolung in der Richtung auf Czernowitz geworfen285. Unsere Umgehungskolonnen waren dabei auf fast unüberwindliche Schwierigkeiten gestoßen, so konnte das kriegsgewohnte IR. 53 trotz größter Anstrengung an einem Tag kaum hundert Meter Raum gewinnen, da die mühsam ausgeschaufelten Wege sofort durch Schneesturm verweht wurden. Vom AOK erhielt ich nur die Depesche, ich möge sobald als möglich die Eroberung der Bukowina melden. Am 6. Februar konnten wir feststellen, daß die Russen die Täler räumen und ohne Widerstand zurückgehen. Ich wollte nun mit der Hauptkraft über Czernowitz vorstoßen; schon war unser Gros von Seietin gegen Radautz abgebogen, als ein Gegenbefehl Pflanzers eintraf, der die Hauptkraft auf Kolomea eingesetzt wissen wollte, um das Zusammenwirken mit der deutschen Südarmee westlich von 285 Siehe auch Wolfdieter Bihl u.a., Czernowitz im Ersten Weltkrieg. Aus dem Tagebuch des k.k. Landesgerichtsrates Dr. Alfons Regius, in: Österreichische Osthefte 27 (1985) 115-213.

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uns sicherzustellen. Wir änderten sofort alle Dispositionen derart, daß wir am 11. das Gros des Korps bei Kolomea vereinigen konnten. Die Operation entwickelte sich glänzend; wir warfen die Russen in einem Gefecht zwischen Seietin und Wiznitz, wobei sich die Polnische Legion im Kampfe sehr bewährte ; aber die furchtbare Kälte und radikale Verwüstung aller Orte durch die Russen, dann die Schwierigkeiten beim Verpflegsnachschub machten uns das Leben schwer. In dieser Situation besuchte uns der Landespräsident der Bukowina, Graf Meran286, der aus Wien zurückgekehrt war; es macht einen traurigen Eindruck, wenn der „Vertreter des Kaisers" bei der Gefahr das Land verläßt, in die Reichshauptstadt fährt und erst wieder zurückkommt, wenn die Gefahr verschwunden ist. Am 12. standen wir in der Linie Wiznitz-Sereth, stießen am 14. mit aller Kraft auf Kolomea vor, erhielten erst am 15. die bezüglichen, durch die Ereignisse bereits überholten Weisungen Pflanzers und führten vom 15. bis zum 18. Februar einen erbitterten Kampf um den Besitz von Kolomea. Am 18. war Kolomea und Czernowitz in unsern Händen. FML Czibulka forderte mich auf, für uns beide um den Maria-Theresien-Orden einzukommen, ich lehnte ab, da nach meiner Ansicht nur das AOK beurteilen konnte, wer in dem Weltkriege sich um diesen Orden zu bewerben habe. Leider wurde später ein ganz planloses und nicht gerechtes Vorgehen eingeschlagen207. In der Nacht vom 17. zum 18. Februar fuhr ich mit meinem Korpskommandanten von Wiznitz nach Kolomea und ging mit Major v. Kodolitsch288, dem Stabschef der Division Benigni, über die noch brennende Pruthbrücke in die Stadt. Da keine telephonische Verbindung funktionierte, fuhr ich selbst zu den einzelnen Gefechtsgruppen und habe in der nächsten Nacht zum ersten Mal seit dem 30. Jänner wirklich geschlafen. Wir hatten beim Korpskommando in einem wahren Arbeitstaumel gelebt : Der Ubergang über das tief verschneite, an allen passierbaren Stellen vom Feind besetzte Waldgebirge in einer Tiefe von 100 und einer Front von etwa 200 km bei schwerster Winterkälte, ohne Ressourcen in einem ausgeraubten, ausgebrannten, 286 Rudolf Johann Graf v. Meran (Graz, 9. 12. 1872-17. 9. 1959, Salzburg), 7. 1. 1912 Leiter der Landesregierung, 27. 9. 1912 Landespräsident der Bukowina, 13. 1. 1917 Statthalter in Linz, 20. 11. 1917-5. 11. 1918 in Innsbruck. 287 Den Wortlaut des von Pflanzer-Baltin erlassenen Armeebefehls vom 19. 2. 1915 anlässlich der Einnahme von Czernowitz siehe in der Maschinschrift: August v. Urbanski, Generaloberst Karl Freiherr von Pflanzer-Baltin, Marhof in Thal bei Graz, Frühjahr 1944, 48 (KA, NLS, sign. B/58, nr. 3). 288 Philipp Edi. ν. Kodolitsch ν. Neuweinsberg und zum Khag (Graz, 23. 2. 1871-15. 6. 1918 gefallen beim Sturm auf Cesuna, Friaul), 18. 8. 1893 als Lt. zu DR. 5, 1. 11. 1893 zugeteilt Glstb., blieb zugeteilt, 1. 11. 1901 zu DR. 1, 1. 11. 1915 Obstlt., 1. 8. 1914 zu UR. 5, 13. 1. 1915 Glstbschef 54. ITD, dann von div. Armeegruppen (Gruppe Schönburg, Gruppe Benigni), weiters in kurzer Folge Divisionsglstbschef, zuletzt ab 5. 7. 1916 bei 6. ITD.

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armseligen Land mit einer teils apathischen, teils feindlich gesinnten Bevölkerung und einem zu zwei Drittel improvisierten Korps war eine Operation, die alle Kräfte aufs äußerste in Anspruch nahm. Wir arbeiteten in der Nacht bei Kerzenbeleuchtung oder rußenden Petroleumlampen ; die Herren waren so übermüdet, daß sie während des Sprechens einschliefen. Da die Truppen Ungarisch, Deutsch, Kroatisch, Ruthenisch, Polnisch und Tschechisch waren, die Dienstsprache teils Deutsch, teils Ungarisch, teils Kroatisch, teils Polnisch war, ergaben sich viele ungeahnte Schwierigkeiten289. Die Rücksichtslosigkeit, mit der wir in sachlicher wie auch in persönlicher Richtung vorgehen mußten, war auf die Dauer der verlangten Überanstrengungen widerlich. Es ging aber nicht anders. FML Czibulka ließ mir während der ganzen Operation vollkommen freie Hand. Ich selbst war an der Grenze der Leistungsfähigkeit angelangt, den meisten andern Herren erging es nicht besser, aber wir fühlten uns reich belohnt durch den glänzenden Erfolg unserer Unternehmung. Ich muß besonders dankbar gedenken der Hauptleute Goffin290 und Swoboda. Wir wollten für die Truppen des Korps eine dringend nötige Erholungspause einschalten, aber das Armeegruppenkommando bestand auf sofortiger Weiterführung der Offensive bis Stanislau. Da keine Zeit war, die Verbände innerhalb des Korps zu ordnen, und die Telephonverbindungen trotz der hingebungsvollsten Arbeit der technischen Abteilungen immer wieder versagten, war die Führung schwierig. Das Korpskommando begab sich nach Ottynia und blieb dort vom 19. bis 27. Februar: es war eine bewegte Zeit. Zunächst besetzten wir ohne besonderen Widerstand am 20. Stanislau, aber gleich darauf gingen die Russen zum Gegenangriff über: am 21. mußten wir zurück: und es begann ein siebentägiges Gefecht um den Besitz der Stadt. Die Lage war am 21. sehr ungünstig, eine Gruppe war ganz umzingelt, wir setzten den letzten Mann ein, zum Schutz des Korpskommandos blieben nur ein paar Pioniere. Da kam nachmittags die Alarmmeldung, daß russische Kavallerie mit Artillerie im Rücken unserer Front bei Tlumacz, 20 km von Ottynia, eingebrochen sei; wir konnten jeden Augenblick überfallen werden und waren wehrlos ; die Autos standen startbereit ; abends erhielt ich die Meldung, daß die Russen ein Dorf 6 km von Ottynia überfallen hatten. Das Korpskommando arbeitete normal weiter, dem Korpskommandanten hatte ich die Alarmmeldung nicht mitgeteilt, 289 Dienst- und Kommandosprache war bei den Truppen des k.u.k. Heeres und der öst. Landwehr Deutsch, in der ung. Honvéd Ungarisch bzw. in ihren kroatischen Einheiten Kroatisch, in der Polnischen Legion Polnisch. 290 Ernst Goffin Edler v. Gotthardsburg (Krakau, 16. 11. 1867-?), 18. 8. 1888 aus InfanterieKadettenschule Prag als Kadett-Offizierstellvertreter zu IR. 88, 1. 5. 1897 Oit., 1915 als auf Kriegsdauer reaktivierter Hptm. beim Stab der 7. Armee.

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Das Leben eines österreichischen Generalstabsoffiziers

aber für ein rechtzeitiges Aviso durch Feuersignale vorgesorgt. Es waren Stunden höchster Spannung, die Russen gingen aber nicht weiter vor, wir waren gerettet. Am 22. trafen Verstärkungen ein, die uns das Armeegruppenkommando zudisponiert hatte, die Lage besserte sich. Pflanzer beglückwünschte uns zum Durchhalten am 21. Februar und wünschte, wir sollen gleich wieder zur Verfolgung vorgehen. Nun, so günstig war die Lage wohl nicht, am 22. konnten wir nicht Raum nach vorwärts gewinnen, am 23./24. wechselten Erfolg und Mißerfolg, am 25. setzten wir alle Kräfte zu einem einheitlichen Angriff an und warfen die Russen am 26. von den Höhen nördlich von Stanislau. Hiermit kulminierte unsere Offensive. Die Friktionen, die durch die Übermüdung des Korps entstanden, überschritten die Grenzen des Erträglichen. Zu meiner großen Freude war in meinen Stab Major v. Pflügl291 eingerückt, der nachmalige Minister und Vertreter Österreichs beim Völkerbund; uns verband bald herzliche Freundschaft, denn dieser vornehme, großzügige, hochbegabte Offizier war mir eine wertvolle Stütze in diesen argen Tagen. Am 27. Februar begab sich das Korpskommando nach Stanislau, und da fuhr ich an der kleinen Villa vorüber, in der ich als junger Hauptmann gehaust hatte. Wir trafen noch abends mit dem Kommandanten des westlichen Nachbarkorps, dem G.d.K. Frh. v. Marschall292, und seinem Stabschef

291 Emmerich v. Pflügl (Budapest, 20. 10. 1873-15. 2. 1956, Genf) war vielleicht ein Sohn des Generaladjutanten Franz Josephs, G.d.K. Eduard Graf v. Paar. 10. 8. 1893 als E.F. zu HR. 5, 1. 1. 1895 Lt.i.d.Res., dann Berufsoffizier, 1. 11. 1900 Olt., 1900/1901 Amerikaaufenthalt, X/1905 nach Besuch der Kriegsschule Rtm. und ins Evidenzbüro d. Glstbs, 7. 5. 1907 Zuteilung zum Glstb. u. Dienstleistung beim Militärbevollmächtigten in Konstantinopel, 25. 11. 1909 versetzt in den Diplomatischen Dienst als Legationssekretär, Dienst in Athen, Belgrad und 1912-1914 in Kairo, ab 27. 9. 1914 Kriegsdienstleistung im Evidenzbüro, 18. 2. 1915 Ordonnanzoffizier beim 7. AKdo., 2. 4. 1915 Glstbsoffizier 9. IBrig., 7. 5. 1915 Leiter der Evidenzgruppe 7. AKdo., 1916 Mjr.i.d.Res., VII/1917 Bevollmächtigter Glstbsoffizier AOK Mackensen, nach Kriegsende Rückkehr in den diplomat. Dienst, 28. 4.1919 Geschäftsträger beim Hl. Stuhl, 30. 6.1920 Übernahme in den Dienst der Republik Osterreich als Legationsrat und Sekretär des Ständigen Vertreters beim Völkerbund Albert Mensdorff-Pouilly, 2. 7. 1921 Ministerresident und Ständiger Vertreter beim Völkerbund, 1924 Gesandter, 1932 Delegierter bei der Internationalen Abrüstungskonferenz, XI/1933 in Ruhe, aber weiterhin Ständiger Vertreter beim Völkerbund, 12. 3. 1938 Rücktritt, später Annahme der Schweizer Staatsbürgerschaft, zeitweilig Emigration in die USA, dann wieder in der Schweiz. Vgl. Silvia Stiedl, Emmerich von Pflügl (1873-1956). Leben und Werk eines österreichischen Diplomaten (Dissertationen der Universität Wien 206), Wien 1990. 292 Wolf Rudolf Frh. Marschall v. Altengottern (Lyck, Ostpreußen, 26. 9. 1855-20. 11. 1930, Altengottern, Thüringen), preuß. G.d.K., 24. 12. 1914 Kmdt. dt. 3. Gardediv., 14. 2. 1915 Armeekorps Marschall, 17. 4. 1916 d. Garde-Reservekorps, 22. 11.-XII/1918 d. 4. Armee.

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Oberst v. Dommes 293 zusammen 294 . Da Marschall rangälter war als Czibulka, wurde unser Korps ihm unterstellt. Schon am Tage darauf wurde unsere Front westlich von Stanislau am Rande der dortigen riesigen Waldungen teils durchbrochen, teils umgangen, so daß wir am 1. März zurück mußten, was aber nur lokale Bedeutung hatte, aber gleichzeitig war südlich von uns das XIII. Korps (Rhemen295) vollständig geworfen worden, so daß die Russen uns in den Rücken kommen konnten. Wir entschlossen uns trotzdem, noch in der gegenwärtigen Stellung bis zum 2. März zu bleiben, weil Rückzugsbefehle den in der Waldzone verteilten Truppen nicht mehr rechtzeitig hätten zukommen können; ein am 2. März eintretender starker Schneefall schloß alle Bewegungen aus, aber um 3 Uhr nachmittags erhielten wir den Befehl des Armeegruppenkommandos, in eine Stellung südlich Ottynia zurückzugehen, da die Situation beim Korps Rhemen dies erfordere. Unsere Lage war nicht leicht, denn wir standen Front gegen Westen, mußten daher vor Beginn des Rückzuges eine Schwenkung um 90 Grad ausführen, um Front gegen Norden anzunehmen. Die Dispositionen hiefür hätte, da wir dem deutschen General Frh. v. Marschall unterstellt waren, sein Stabschef Oberst v. Dommes auszuarbeiten gehabt ; wir saßen in einem Zimmer zusammen ; es war Vi 4 Uhr, in längstens zwei Stunden mußten die Dispositionen an alle 293 Wilhelm von Dommes (Göttingen, 15. 9. 1867-5. 5. 1959), preuß. Offizier, 1912 Obstlt., 5. 9. 1914 Obst., 2. 8. 1914 Chef d. Politischen Büros im dt. Glstb., 22. 10. 1914 Glstbschef dt. 8. Armeekorps, 14. 2. 1915 d. Korps Marschall, 17. 4. 1916 d. Garde-Reservekorps, 12. 6. 1917 in Reserve, 22. 3. 1918 GM, 31. 3. 1918 Kmdt. 66. Infbrig., 28. 6. 1918 Kmdt. 2. ID, 12. 7. 1919 in Ruhe. 294 Tuschel, Generaloberst Freiherr von Pflanzer-Baltin, 76f., unter Verwendung des Tagebuchs Pflanzer: „Mitte Februar hatte die Gruppe Pflanzer ... die Karpaten vom Feind gesäubert, das Gebirge überschritten und war so bis an den Pruth gelangt. Nun sollte Pflanzer der (deutschen) Südarmee den Austritt aus dem Gebirge erleichtern. Zu diesem Zwecke befahl er Operationen in Richtung Dolina, um russische Kräfte an sich zu ziehen und die Südarmee auf diese Weise zu entlasten. Für diese Unternehmungen wurden ihm die dt. 5. KD und die dt. 5. ID unter dem Kdo. d. G.d.K. Marschall zur Verfügung gestellt. ... General Marschall war einer der wenigen dt. Offiziere, mit denen Pflanzer das Auslangen fand und ihn sogar sympathisch nannte: ,Marschall ist ein eleganter, sehr liebenswürdiger und verläßlicher General.' Vorerst war dieser etwas darüber verstimmt, kein größeres Kommando zu erhalten, aber Pflanzer konnte ihm auseinandersetzen, daß alle höheren Kommanden mit k.u.k. Offizieren besetzt waren, die nicht enthoben werden konnten. Das Verhältnis zwischen Marschall und Pflanzer war während der gesamten Zeit, die der General bei der Armeegruppe verbrachte, ausgezeichnet." Die Gruppe (später Korps) Marschall bestand aus der dt. 5. KD, der ö.-u. 30. ITD und der ö.-u. 10. KTD. 295 Adolf Frh. Rhemen v. Barensfeld (Rastatt, Baden, 22. 12. 1855-11. 1. 1932, Rekawinkel, NÖ), 18. 8. 1876 aus Theres. Milak. zu IR. 14, ab 1884 Glstbskarriere, 1. 11. 1905 GM u. Kmdt. 72. IBrig., 14. 3. 1909 Kmdt. 34. ITD in Temesvár, 11. 5. 1910 FML, 20. 10. 1912 Kmdt. XIII. Korps und Kdi. Gen. in Agram, 14. 12. 1913 Geh. Rat, 1. 4. 1914 G.d.I., 1916 Militärgouverneur in Serbien, 1. 12. 1918 pensioniert.

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Einheiten mit Auto, Reiter, telegraphisch, telephonisch abgehen. Es dauerte nur wenige Minuten, so machte G.d.K. Marschall den Vorschlag, ich solle die Dispositionen für beide Korps verfassen. Dies war der Ausgangspunkt eines mehrere Monate dauernden vertrauensvollen Verhältnisses von mir zu Oberst Dommes und seinem von mir sehr verehrten Kommandeur. Eine besondere Schwierigkeit beim Rückzug ergab sich dadurch, daß über die Bystrica bei Stanislau nur eine Brücke führte; während die beiden Kommandanten in die Nächtigungsstation Markowce vorausfuhren, begab ich mich zu dieser Brücke, und mit dem Revolver in der Hand erzwang ich, unterstützt von preußischen und österreichischen Offizieren, die notwendige Ordnung; die Brücke wurde rasch hergerichtet, alle Fuhrwerke und die Artillerie mußten auf einer großen Schneefläche vor dem Fluß auffahren, allerdings mit der Sorge, daß sie bei Tagesanbruch ein Opfer der russischen Artillerie werden können. Es gelang unsern wackeren Pionieren, die Brücke so zu verstärken, daß noch in der Nacht hinter den Fußtruppen die ganze Artillerie und der Train hinübergeschafft werden konnten. Entsetzlich war die Verzweiflung der Bevölkerung, die zu Tausenden flüchtete und in der eisigen Nacht auf Stegen und Furten ihre Rettung suchen mußte, denn die Brücke konnten wir nicht freigeben. Als ich nach Tagesanbruch nach Markowce fuhr, war die Straße mit Flüchtlingen übersät, darunter viele Mütter, welche die Kinderwagen vor sich schoben, die mit Decken und Plumeaus 296 gefüllt waren ; alle verzweifelt, denn sie wußten nicht, wohin sie sich retten sollen. Die Schwenkung der beiden Korps Marschall und Czibulka gelang ohne Störung durch den Feind, doch waren die Korps stark in Unordnung gekommen. Am 3. März suchte mich Oberst v. Soós in Ottynia auf; er betrachtete die Lage sehr ungünstig. Unser Korps hatte statt 30.000 nur 8.000 Gewehre. Herren meines Stabes erklärten, sie möchten lieber ihrem Leben ein Ende machen, als so weiter zu leben. Am 5. März kam G.d.K. Pflanzer zu uns und beklagte sich über Oberst v. Soós, mit dem er nicht mehr arbeiten könne297. Am 8. März teilte mir FML Czibulka mit, daß er im Einverneh296 Plumeau, österreichisch für Oberbett, Daunendecke. 297 Tuschel, Generaloberst Freiherr von Pflanzer-Baltin, 73-75: „Das AOK entschloß sich zu einer Offensive, in deren Verlauf dem Feind ,die linke Flanke abgewonnen' und zugleich die belagerte Festung Przemysl entsetzt werden sollte ... für diese Offensive wurde nun zwischen die ö.-u. 3. Armee und die Gruppe Pflanzer die dt. Südarmee, die Pflanzer das Korps Hoffmann abzugeben hatte, eingeschoben. Die Aufgabe der 3. Armee war es, auf Lisko, Sanok und Przemysl vorzustoßen, die Südarmee sollte gegen Stryj operieren, und die Armeegruppe Pflanzer, die durch das XIII. Korps (Agram) verstärkt worden war, hatte den Raum Nadwórna-Kolomea-Delatyn zu gewinnen; außerdem sollte sie der Südarmee das Überschreiten der Karpathen erleichtern. ... Als Pflanzer den Operationsplan für die kommende Offensive entwickelte, kam es zum großen Zusammenstoß mit seinem Stabschef Obst.i.G. Soós: Dieser hatte erklärt, er habe Pflanzers Entwurf gemeinsam mit dem Chef

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men mit Exz. Pflanzer mich für den Leopold-Orden eingegeben habe. Ich bekam ihn jedoch nicht, weil das AOK der Ansicht war, es sei zu kurze Zeit vergangen, seit ich die Eiserne Krone erhalten hatte. So blieb die einzige Anerkennung, die mir zuteil wurde, die Beschreibung, die FML Czibulka meiner Tätigkeit im Begutachtungsblatt widmete ; ich führe sie im Wortlaut an, weil sie für die Bukowina-Operation charakteristisch ist: „Obstlt. Zeynek hat mit einem improvisierten, unzulänglichen Stab die an und für sich komplizierte, angesichts der Terrain- und Witterungsverhältnisse sowie der sehr bedeutenden räumlichen Ausdehnung des Operationsfeldes doppelt schwierige Befehlsgebung des bis zu 3 ITD und 1 KTD starken Korps während der Operationen zur Säuberung der Bukowina und Südostgaliziens in musterhafter Weise durchgeführt - eine Leistung, welche nur bei seinem unvergleichlichen Pflichtgefühl, seiner Arbeitskraft und besonderen militärischen Begabung möglich war. Er war mir in dieser Zeit, der auch krisenhafte Momente nicht fehlten, ein vordenkender, treuer und bewährter Berater, dem Stab ein beispielgebendes Vorbild." Am 10. März erhielt ich die Mitteilung, daß ich zum Generalstabschef der Armeegruppe Pflanzer-Baltin bestimmt wurde und sofort auf meinen Posten abzugehen habe. Ich war der einzige Oberstleutnant der ganzen Armee, der auf diesen Generalsposten berufen wurde. Ich nahm sofort Abschied und fuhr zwei Stunden nach Erhalt des Befehles von Majdan sredni unter den Zivio-Rufen298 der Stabskompanie nach Delatyn, im Schlitten und dann in einem Auto, das mir Exz. Pflanzer entgegengeschickt hatte. Um 5 Uhr nachm. übernahm ich schon mein neues Amt. Exz. Pflanzer sagte mir, das AOK habe ihm einen Terno-Vorschlag gemacht, er habe aber mich gewählt, ohne einen Augenblick zu zweifeln299. Vom AOK fand ich herzliche Glückwünsche vor. Das AOK war über meine Tätigkeit genau orientiert. Aus der Operationsabteilung hatte ich folgende briefliche Mitteilungen bekommen : der Operationsabteilung beim AOK, GM Metzger, abgeändert, und der geänderte Plan sei bereits vom AOK genehmigt worden. Das war nun Pflanzer, der zwar die Arbeitskraft und Leistungsfähigkeit Soós' schätzte, dessen Taktlosigkeiten und Selbstüberschätzung aber schon oft angeprangert hatte, zuviel. ,Das Kritisieren und Abändern meiner Befehle hinter meinem Rücken ließ ich mir nicht gefallen, schrieb sofort an Freiherrn von Conrad und bat gleichzeitig um Ablösung von Oberst Soós.' (19. 1. 1915). Die Antwort Conrads fiel dem Wunsch Pflanzers gemäß aus und schmeichelte auch seiner Selbstgefälligkeit: ,Nur der Wille Eurer Exzellenz ist maßgebend für die Durchführung der Operationen.' Pflanzer sollte aber Soós solange behalten, bis die Operationen, an denen der Stabschef mitgearbeitet hatte, beendet waren. (20. 1. 1915)." 298 Zivio (kroatisch) Prost bzw. Lebe hoch. 299 Es waren vorgeschlagen worden: Franz Putz, 1906-1910 de facto Flügeladjutant Conrads, ab November 1914 dem 2. Akdo. zugeteilt, Obst. Hummel (zugeteilt beim 4. Akdo.) und Zeynek (Tuschel, Generaloberst Freiherr von Pflanzer-Baltin, 81).

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Am 1. März: „Wir denken täglich des öfteren herzlich Dein und Deiner großen Sorgen und verfolgen teilnahmsvoll und gespannt die Schicksale Deiner Gruppe. Daß Du ein schweres Brot essen und Deine ganze Kraft aufwenden mußt, um unter so schwierigen Verhältnissen und bei dem ewigen Wechsel in den Befehlen und Ereignissen durchzuhalten, glauben wir Dir gerne ; wir vertrauen aber voll Deiner Befähigung und Deinem Pflichtgefühl ohnegleichen. Wir möchten euch gerne helfen, leider werden aber fast alle gute Absichten, durch das Unvermögen der Deutschen Südarmee aus dem Gebirge herauszukommen, vereitelt." Am 5. März: „Wir sind stolz auf Dich. Beim Korps Czibulka merkt man die Führung, die bei den andern anscheinend ganz zusammengeklappt ist und versagt hat. ... Wir erwarten täglich das Auseinandergehen der Menage Pflanzer-Soós, die alles eher als glücklich ist. Es ist nicht leicht, mit Pflanzer auszukommen, ich glaube gern, daß es Dir manchmal zu bunt wird." Am 7. März: „Conrad nach Wien zur Konferenz in Schönbrunn berufen, die Neutralen fangen an ungeduldig zu werden." So waren die Voraussetzungen, unter denen ich mein Amt als Armeegeneralstabschef übernahm300. 300 Zeynek zog in seinem Manuskript Führungsstäbe (KA/NLS, B/115, nr. 1), 20f., Bilanz : „Zu Beginn des Krieges verliefen die zwei ersten großen militärischen Ereignisse, die Mobilisierung und der Eisenbahnaufmarsch, die unter Leitung des Generalstabs erfolgten, mustergültig, obwohl von der Diplomatie der Feindmächte ihr Mißlingen prophezeit und in das Erfolgskalkül eingestellt worden war. Bei den nachfolgenden militärischen Operationen lag das Schwergewicht der Generalstabsarbeit in der Tätigkeit bei den höheren Kommanden. Dieser Dienst spielte sich je nach den Verhältnissen und handelnden Personen sehr verschieden ab, trotzdem können einige infolge der damaligen Organisation und Kriegführung beinahe allgemein gültige Züge hervorgehoben werden, um ein Bild dieser Tätigkeit zu entwerfen. Im Bewegungskrieg war die Arbeit des Generalstabs am schwierigsten, weil seine wichtigsten Aufgaben, die Klarstellung der eigenen und feindlichen Lage einschließlich aller materiellen und psychologischen Begleiterscheinungen betreffs Zustand, Stimmungen und Wünschen der Front, ferner die Befehlsgebung und Befehlsübermittlung, schließlich die materielle Versorgung der Front oft stark behindert oder gestört waren. Es mußte manchmal ein verzweifelter Kampf geführt werden, um die Verbindung mit den unterstehenden Kommanden herzustellen und zu erhalten. Wenn sich plötzlich nach beharrlicher Anstrengung die Verbindung mit einem Kommando auf kurze Zeit öffnete, dann mußte dies tatkräftig, geschickt, sachlich und zielbewußt ausgenützt werden, um die wichtigsten Nachrichten einzuholen und die dringendsten Befehle zu erteilen. Diese Arbeiten sind äußerst wichtig, denn je eingehender und gewissenhafter sich die Befehlsgebung vollzieht und je besser die materielle Versorgung erfolgt, um so leichter ist die Führung und um so freier kann sich die Kraft des Kommandanten bei der Fassung entscheidender Entschlüsse entfalten. Bei einer Truppendivision kann sich ein Kommandant, der Erfahrung, Umsicht und große physische Widerstandskraft besaß, alle Fäden so in der Hand behalten, daß sein Generalstabschef ausschließlich zum ausführenden Gehilfen für Evidenz- und Konzepts-Dienst wurde, obwohl selbst in diesem kleinen Rahmen selbsttätige Verantwortungsfreudigkeit dieses Gehilfen

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V Generalstabschef der 7. Armee (General der Kavallerie Freiherr von Pflanzer-Baltin) (10. März 1915-10. September 1916) Als ich zum Armeegruppenkommando Pflanzer-Baltin einrückte, war es mir klar, daß ich die Leitung aller Generalstabsagenden persönlich übernehmen, Stabschef der Armeegruppe sein und nicht scheinen werde, aber unklar war mir, welches Maß von geistigem Einfluß G.d.K. Frh. v. Pflanzer-Baltin mir einräumen werde, denn er war seinerzeit selbst einer der angesehensten Lehrer des operativen Dienstes an der Kriegsschule gewesen und war erfüllt von Tatendrang und Selbstgefühl ; der eifersüchtige Kampf, den er mit Oberst v. Soós um die geistige Leitung der Armeegruppe geführt hatte, war kein Geheimnis geblieben und hatte der Ruhe der Führung schwer geschadet301. wertvoll, erwünscht und oft geboten war. Schon beim Korpskommando war im Bewegungskrieg eine zielbewußte Zweiteilung der Arbeit unerläßlich. Der Stabschef mußte durch Einsatz des ganzen Personals die für die Entschlußfassung nötigen Grundlagen schaffen, und sobald der Entschluß gefaßt war, daß die Befehle in zweckmäßiger Form und auf die zweckmäßigste Art den unterstehenden Stellen raschest zukamen. Wenn dieser Dienstbetrieb sich nicht glatt vollzog, mußte Unordnung einreißen." 301 Zeynek, Führungsstäbe (KA/NLS, B/115, nr. 1), 21 f.: „Beim Armeekommando arbeitete jenes große Räderwerk, das dem FM Ehg. Albrecht bei seiner Deutung der Tätigkeit des Generalstabs vorschwebte. Hier war eine überlegt gegliederte Operationsabteilung und eine umfangreiche Quartiermeisterabteilung von zeitlich früh bis spät nachts und oft die Nacht hindurch bei der Arbeit, um für alle Lebensbedingungen des Riesenkörpers einer Armee zu sorgen, sie zu regeln und zu beherrschen. Wenn diese dem Mechanismus eines modernen Rüstungsbetriebes vergleichbare Tätigkeit gut geleistet wurde, konnte der Stabschef seinem Kommandanten ein wahrheitsgetreues Bild der Lage vorlegen, das nicht nur den eigenen und feindlichen Kräfteverhältnissen entsprach, sondern auch die personellen, physischen und materiellen Verhältnisse der Armee klarlegte, und durch welches oft der Entschluß bereits in eine bestimmte Richtung gedrängt wurde. Wenn nun ein gleicher Entwicklungsgang und gleiches soldatisches Denken den Kommandanten mit dem Stabschef verband, deckten sich auch dessen Anträge mit den Gedanken des Kommandanten. Der Fall, daß ein Stabschef mit diesen Anträgen zurückhielt, um der Entschlußfassung des Armeekommandanten nicht vorzugreifen, war unserer Geistesrichtung fremd. So ist im Weltkrieg die geistige Initiative, wie dies in der Natur der Dinge liegt, großenteils dem jüngeren Kameraden, dem Stabschef, zugefallen, aber wenn dies auch die Wichtigkeit seiner Stellung erhöhte, so drückte es keineswegs die Bedeutung des Armeekommandanten herab, denn das Schwergewicht der Führung liegt nicht auf dem intellektuellen Gebiet, sondern auf dem Gebiet des Charakters und des Willens. Ein Entschluß bekommt erst dadurch seine Kraft, daß der Kommandant ihn wirklich zu seinem eigenen macht; ein Befehl bekommt erst dadurch seine Kraft, daß die Armee weiß und fühlt, er ist eine Ausstrahlung des Willens des Armeekommandanten, ein Teil seiner geistigen Persönlichkeit ; die Führung bekommt erst dadurch ihre Kraft, daß der Kommandant seine Befehle durch die Macht seines überle-

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Die Entscheidung fiel gleich bei dem ersten Referat. Ich legte dar, daß die Verbände der Armeegruppe so zerrissen wurden, der innere Zusammenhang und die Ordnung daher so gestört seien, daß eine erfolgreiche Führung die sofortige Herstellung der organisatorischen Verbände voraussetze. Pflanzer meinte, dies sei jetzt undurchführbar, weil die Armeegruppe an allen Stellen im engsten Kontakt mit einem verfolgenden Feinde stehe. Da stellte ich den Antrag, in den zwei folgenden Nächten nach einem von mir entworfenen Plane alle nötigen Verschiebungen gleichzeitig durchzuführen. Die Armeegruppe werde allerdings zwei Nächte lang gefechtsunfahig, um aber dafür dann dauernd kampffähig zu sein. Pflanzer meinte, wenn ich mich auf mein Soldatenglück verlasse, stimme er zu. Die Russen ließen uns während der zwei Nächte in Ruhe, die sehr gewagte Verschiebung wurde durchgeführt, und von da an hatte ich gewonnenes Spiel. Exz. Pflanzer nahm bis zu unserm Abschiedstage, bis zum 10. September 1916, alle meine Anträge an, gab mir freie Hand, und ich konnte meine Kraft voll für die Tätigkeit der Armeegruppe, später 7. Armee, entfalten. Er motivierte im Frühjahr 1916 sein Verhältnis zu mir vor dem versammelten Stab mit der Erklärung, mein und sein Denken seien so konform, daß er nie einen meiner Anträge ablehnen oder abändern mußte, und der Operationsabteilung des AOK gegenüber gab er die Erklärung ab, er vertraue mir nicht unbedingt, sondern blind. Ich habe diese geistige Treue, die sich auch in der kritischesten Zeit und auch bei Mißerfolgen bewährte, dadurch vergolten, daß ich streng vor der Armee den Eindruck wahrte, jeder Befehl, jede Weisung, jeder Entschluß und jede Disposition gehe ausschließlich von Exz. Pflanzer aus, ja ich bemühte mich, in der Diktion immer seiner persönlichen Eigenart Ausdruck zu geben. Der Dienst spielte sich dabei so ab, daß ich zum Referat das Stenogramm der Disposition bereits mitnahm, dem Armeekommandanten meinen motivierten Antrag stellte und nach seiner Genehmigung dieses Stenogramm dem Chef der Operationsabteilung übergab, der es sofort abschrieb und expedierte. Die Expedition der Dispositionen ist im Krieg eine Kunst für sich; da Oberst v. Jäger 302 , Chef der Operationsabteilung, ein ebenso gewissenhafter geilen Willens deckt. Wenn Widerstände vorkommen, muß er sie an Ort und Stelle brechen, wenn unvorhergesehene Hindernisse eintreten, sie überwinden oder auch, wenn nötig, den Befehl abändern ; wenn eine Krise an der Front entsteht, muß er hineilen, um stützend und helfend mit ruhiger, aber fester Hand einzugreifen. Auf den Schultern des Kommandanten liegt die Last der kriegerischen Tat, ihm gebührt aller Ruhm und aller Glanz. Da verblaßt die Arbeit des Generalstabschefs, der zum Schatten des Heerführers wird. Im Stellungskrieg, der ein ruhigeres Arbeiten der höheren Kommanden ermöglicht, verschieben sich diese Verhältnisse, und der Einfluß des Kommandanten konnte im allgemeinen noch stärker und durchgreifender zur Geltung kommen als im Bewegungskrieg." 302 Oskar v. Jaeger (Budapest, 2. 5. 1873-17. 2. 1938, Wien), 18. 8. 1894 aus Techn. Milak. als

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wie erfahrener Generalstabsoffizier war, brauchte ich mich um diesen Dienst nicht zu kümmern; er war der „Gesamt-Detailoffizier" des Kriegsschiffes, auf dessen Kommandobrücke der Armeekommandant mit mir stand. Exz. Pflanzer konnte auch seine volle Kraft für die Durchführung der Befehle des Armeekommandos einsetzen und sich jener geistigen Beeinflussung der Unterkommandanten widmen, welche im Kriege für den Erfolg unerläßlich ist. Er war fast den ganzen Tag an der Front, besprach dort mit den Unterkommandanten die Situation, die Aufträge, die Personalien, griff oft mit rauher Hand ein, wenn Mangel an Willenskraft sich zeigte, stärkte die Energie, wo sie nachließ, und in kritischen Lagen war er immer dort, wo wir Gefahr besorgten, und erzwang sich im Bedarfsfalle das Eingehen auf die Befehle des Armeekommandos. Im persönlichen Verkehre mit mir war er der liebenswürdigste, fürsorglichste ältere Freund; er kannte vor mir kein Geheimnis und besprach alle seine Sorgen rückhaltlos. Da er eine ehrgeizige Gewaltnatur war, gab es bei ihm viele innere und äußere Konflikte, in einem Punkt war er aber immer ganz klar und einfach : in rücksichtsloser Sachlichkeit bei der Führung der Armee, wofür er seine ganze Kraft auf das äußerste einsetzte. So gestaltete sich das Verhältnis von mir zu Exz. Pflanzer in der für die Armee erfreulichsten Weise, was auch vom AOK dankbar gewürdigt wurde, während wir am Wiener Hofe nicht in Gnaden standen, da man dort über die persönlichen Schwächen Pflanzers nicht hinwegsehen wollte. So dauerte es lange, bis er Geheimer Rat wurde. Auch Kaiser Karl war ihm nicht gewogen, dafür bezeichnete ihn Conrad als seinen besten Armeekommandanten 303 . Mir gegenüber hielt Pflanzer an seiner treuen Freundschaft bis zum Tode fest, wie die vielen Briefe beweisen, die er mir schrieb. Mit den geistigen Mitarbeitern des Armeekommandos pflegte ich das herzliche Verhältnis gleichgestellter Freunde ; ich fand an Major Otto v. Redlich304, Lt. zu PiBaon 4, ab 1. 11. 1900 Glstbskarriere, 1. 11. 1907 ins Eisenbahnbüro d. Glstbs, 1. 5. 1911 Mjr.i.G., 1. 3.1912 zugewiesen der Landwehr u. Vorstand der LwGruppe des XI. KKdos (Lemberg), 1. 11. 1913 Obstlt.i.G., 1. 8. 1914 Stellv. Glstbschef XI. KKdo, 21. 2. 1915 Chef d. OpA. 7. AKdo, 10. 4. 1915 Glstbschef Korps Marschall, dann wieder im 7. AKdo, 1. 9. 1915 Obst.i.G., 1. 12. 1916 Glstbschef 11. AKdo, 25. 11. 1917 Vorstand der 26. Abt. im KM, 16. 9. 1918 Kmdt. IR. 79, 25.10.1918 enthoben, 19. 11. 1918 Abt.Vorstand beim Landesbefehlshaber Wien der Deutsch-Osterr. Volkswehr, 11. 6. 1920 übernommen ins Österr. Bundesheer, 1. 12. 1920 Zugeteilter Offizier der 1. Brig. Burgenland, 30. 6. 1921 betraut mit Aufstellung 3. Brig., 1. 11. 1922 Kmdt. 1. Brig., 1. 12. 1922 in Ruhe, 7. 1. 1923 Titel GM. 303 Franz Conrad von Hötzendorf, Private Aufzeichnungen. Erste Veröffentlichungen aus den Papieren des k.u.k. Generalstabschefs, bearb. u. hrsgg. v. Kurt Peball, Wien-München 1977, 241: „Unsere besten Armeekommandanten waren: Pflanzer, Boroevic, Dankl, Böhm." 304 Otto v. Redlich (Urfahr bei Linz, 15. 8. 1873-19. 9. 1926, Wien), 18. 8. 1894 aus Theres. Milak. zu IR. 27, ab 1. 5. 1900 Glstbskarriere, 1. 11. 1913 Mjr. bei IR. 39, VIII/1914 Glstbschef

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Ernst v. Redlich305, Major v. Pflügl, den ich erfreulicherweise hier wieder sah, Obstlt. v. Kasprzycki, dem nachmaligen polnischen Kriegsminister306, dem hochbegabten, hervorragenden Geniestäbler Major von Griebach307, dem ausgezeichneten Artilleriestäbler Hptm. Höger308 mustergültige Unterstützung; der Chef der Quartiermeisterabteilung Oberst v. Schotsch309 war erstklassig und wußte materiell den bewegten Ereignissen bei der Armee so elastisch zu folgen, daß ich mich um die materiellen Fragen nicht zu kümmern brauchte ; das ist der ideale Zustand für einen Armee-Generalstabschef. Ich stand täglich von zeitlich früh bis spät abends im Dienst, schlief neben meinem Arbeitszimmer und beschränkte mich auf die unumgänglich notwendigen Spazierritte in der Nähe des Kommandogebäudes; Pflanzer kam täglich viermal zu mir; in der Nacht habe ich ihn nur ganz ausnahmsweise geweckt ; in dieser Hinsicht ist der Unterschied in der Tätigkeit eines Korpskommandos durchgreifend, weil dort jedes taktische, hier nur jedes operative Ereignis ein Eingreifen erfordert; die Gefahr der Bürokratisierung eines Ar54. ITD, 23. 1. 1915 Chef der Evidenzgruppe des 7. Akdo, 1. 9. 1915 Obstlt., 14. 7. 1916 Glstbschef XI. Korps, 3. 12. 1916 bis Kriegsende Kmdt. IR. 32, 1. 4. 1918 Obst, außer der Rangtour, Übernahme ins Osterr. Bundesheer, 1. 12. 1920 Waffeninspektor für die Infanterie, 18. 1. 1924 GM, 1. 2. 1924 Ruhestand. 305 Ernst Redlich v. Redensbruck (Alt-Arad, 13. 5. 1872-10. 2. 1963, Wien), 18. 8. 1893 aus Theres. Milak. als Lt. zu IR. 27, Infanterieoffizierskarriere, 1. 1. 1912 Mjr. IR. 19, 2. 3. 1915 schwer verwundet, 22. 5. 1915 Leiter d. Kundschaftsgruppe im 7. AKdo, 1. 11. 1917 Obst. u. Kmdt. IR. 101 bis Kriegsende, 1. 9. 1920 Ruhestand und Vertragsbediensteter beim Kriegsgefangenen- und Zivilinterniertenamt, 1. 5. 1923 ausgeschieden, 25. 10. 1923 Titel GM. 306 Stefan Kasprzycki R. v. Castenedolo (Czernowitz, 25. 12. 1870-26. 2. 1936, Otwock, Polen), 18. 8. 1891 aus Theres. Milak. als Lt. zu DR. 9, ab 1899 Glstbskarriere, 1. 5. 1913 Mjr. im UR. 1, 30. 9. 1914 Krankenstand, 29. 11. 1914 in die Glstbsabt. der Armeegruppe PflanzerBaltin, dort bis 1916, 1918 Ubertritt in die poln. Armee, später Divisionsgeneral. Polnischer Kriegsmin. von 1935 bis 1939 war jedoch nicht er, sondern sein Namensvetter Divisionsgeneral Tadeusz Kasprzycki (1891-1978). 307 Hugo v. Griebach (Jassy, Rumänien, 9. 3. 1877-?), aus Pionier-Kadettenschule Hainburg zu PiBaon 8, 1. 11. 1898 Lt., 1. 5.1915 Mjr. d. Geniestabs, 14. 3. 1917 Titel Ingenieur, 1. 5. 1917 Obstlt. d. Geniestabs, 24. 3. 1918 Lehrer für Befestigungswesen am Informationskurs für Kriegsschulaspiranten. 308 Franz Höger (Mährisch Weißkirchen, 18. 6. 1878-1. 5. 1949, Wien), 18. 8. 1898 aus Techn. Milak. als Lt. zu KAR. 2, 1. 5. 1912 Hptm., 1. 8. 1914 Artilleriestabsabt. Peterwardein, 8. 3. 1915-13. 3. 1916 Armeegruppe Pflanzer-Baltin, 1. 11. 1916 Mjr. im Artilleriestab, 6. 1. 1917-22. 8. 1921 Artilleriereferent des k.u.k. bevollmächtigten Offiziers bzw. liquidierender Offizier beim preuß. KM, 1. 9. 1921 als Obstlt. pensioniert, 24. 11. 1921 Titular-Obst. 309 Hugo Schotsch (Mediasch, Siebenbürgen, 7. 1. 1871-?), 8. 9. 1890 Eintritt in die Armee bei FJB. 23, 23. 12. 1891 Lt.i.d.Res., 1. 11. 1893 Berufsoffizier als Lt. bei F JB. 29, ab 1. 5. 1903 Glstbskarriere, 1. 5. 1913 Obstlt.i.G., 8. 6. 1913 Kmdt. F JB. 9,1. 5. 1915 Obst., Chef d. Quartiermeisterabt. 7. AKdo, weitere Verwendung im Glstb. konnte nicht eruiert werden.

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meekommandos muß daher durch steten Kontakt mit der Front bekämpft werden. In dieser Hinsicht war Exz. Pflanzer vorbildlich. Als deutscher Verbindungsoffizier war Glstbshptm. v. Hasse310 eingeteilt ; ich hatte ihm keine Ingerenz auf unsere Arbeiten eingeräumt, verkehrte auch mit den deutschen Kommandos nicht durch seine Vermittlung, so daß er auf die Berichterstattung an die Deutsche Oberste Heeresleitung beschränkt blieb. Gesellschaftlich war er uns ein lieber Kamerad, den wir hoch schätzten. Wie mir G.d.I. v. Soós nach dem Kriege in Budapest mitteilte, hat Hptm. Hasse über Exz. Pflanzer seinerzeit sehr ungünstig berichtet; ob dies auch zu meiner Zeit der Fall war, ist mir nicht bekannt311. A. Schaffung einer Front in

Ostgalizien

Der östliche Flügel der Armeegruppe hing im März 1915 in der Luft, und jeder russische Versuch, uns dort zu umgehen, hätte die ganze Front aufgerollt. Es ist dies ein Beweis, wie es dem AOK an Kräften fehlte, daß monatelang der Südflügel der mitteleuropäischen Front nicht geschützt wurde, obwohl noch dazu das unverläßliche Rumänien in unserer Flanke lag312. Die 310 Ein Generalstabshauptmann v. Hasse konnte nicht festgestellt werden. 311 Kövess, Karl Freiherr von Pflanzer-Baltin, 124f., schreibt über diese Zeit: „Schon im Frieden, als Generalstabschef des 11. Korps in Lemberg, schlug Pflanzer-Baltin wiederholt und dringend den Ausbau der unzulänglichen Kommunikationen zwischen Ungarn, dem östlichen Galizien und dem Buchenland vor und drängte auf den Umbau der eingeleisigen Eisenbahn, die Ungarn mit der Bukowina verband, auf eine zweigeleisige. Die ungarische Regierung und Delegation hat aber immer wieder - offenbar aus dem Nichtbegreifen der strategischen Notwendigkeit für die Zukunft - aus finanziellen Gründen die Durchführung abgelehnt. Die Leistungen der Führungskunst Pflanzer-Baltins spotten den Bedenken aller Anhänger des ,Schemas'. Im Jänner und Februar führt er, während seine Nachbarn unter dem deutschen General der Infanterie v. Linsingen schon nach einigen Tagen in Schnee und Eis stecken bleiben, seine Armeegruppe in einem Ansturm bis an den Dnjepr vor. Und hier war es wieder die von Pflanzer-Baltin schon vierzehn Jahre vorher bemängelte Bahnanlage, die es unmöglich machte, ihm Verstärkungen zuzusenden. Wer weiß, wie sonst damals der Karpathenwinter ausgegangen wäre ! Nun rächten sich die Sünden der Friedenszeiten ! Aber die Russen fühlten sich von da an durch Pflanzer-Baltin und seine Scharen immer besonders bedroht. Ein Korps nach dem anderen werfen sie ihm entgegen, einer ihrer besten Führer, General der Kavallerie Letschitzkij, übernimmt das Kommando gegen PflanzerBaltins Armeegruppe. Und auch im Sommer 1915 - seit Mai heißt die bisherige Armeegruppe k.u.k. 7. Armee - sind die Russen gegen Pflanzer-Baltins Drängen und Drücken außerordentlich empfindlich. Rückschläge sind bei ihm unvermeidlich, aber er behauptet sich schließlich doch in drohender Flankenstellung am Dnjestr, und seine Reiterei schwärmt bei Chotin ins russische Land hinein." 312 Am 23. 3. 1915 fiel nach viereinhalbmonatiger Verteidigung unter den härtesten Bedingungen und nach einem letzten Versuch, den Belagerungsring zu durchbrechen (19. März), Przemysl infolge Erschöpfung sämtlicher Vorräte. Der Festungskommandant G.d.I. Her-

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Kraft der Armeegruppe Pflanzer reichte auch nicht aus, um eine geschlossene Kampffront zu besetzen, die Grundidee mußte daher sein, nur eine ganz schwach besetzte, befestigte Sicherungslinie zu schaffen und möglichst starke, schnell verschiebbare Reserven bereitzuhalten, um rechtzeitig dort einzugreifen, wo Gefahr drohte. Dieses Prinzip wurde konsequent bis zum Juli 1916 durchgeführt. Gewiß war es unangenehm, Armeereserve bei Pflanzer-Baltin zu sein, denn statt in die Ruhe kam man in die Unruhe, weil auch schon auf Nachrichten von einem wahrscheinlichen Angriff Verschiebungen vorgenommen werden mußten, um nicht zu spät zu kommen. Es ist uns

mann v. Kusmanek kapitulierte mit 9 Generälen, 293 Offizieren und 117.000 Mann. Das lange Aushalten dieser Festung, die starke russische Kräfte band, hatte die erfolgreiche Verteidigung der Karpatenfront ermöglicht. Nunmehr wuchs aber die Gefahr eines russischen Einbruchs nach Ungarn außerordentlich, und nur ein großer Offensivschlag schien die Situation wenden zu können. So entstand der von Conrad entworfene Plan für die Durchbruchsschlacht von Gorlice-Tarnów. Zwischen die 4. und 3. Armee wurde die dt. 11. Armee unter G.d.K. August v. Mackensen eingeschoben, der auch das ö.-u. VI. Korps angehörte. Die dt. 11. und die ö.-u. 4. Armee sowie vier Divisionen der in den Karpaten stehenden 3. Armee (zusammen zehn ö.-u. und acht dt. Divisionen) sollten unter dem Oberbefehl Mackensens den ersten Schlag führen. Ab Mitte Jänner 1915 wurde im Raum Ungvár-Munkács die dt. Südarmee bestehend aus dt. und ö.-u. Truppen (einschließlich der Gruppe FML Hofmann) unter G.d.I. Alexander v. Linsingen (später G.d.I. Felix Graf v. Bothmer) aufgestellt und in den Abschnitt zwischen der 3. Armee und der Armeegruppe Pflanzer eingeschoben. Am 23. 1. 1915 begann die große „Winterschlacht in den Karpaten" (bis Ende März 1915) im Abschnitt der 3. Armee und der dt. Südarmee („Karpatenoffensive"). Am 26. Jänner wurde der Uzsokerpaß zurückerobert, doch scheiterte ein weiterer Vormarsch. Es kam zu wochenlangen schweren Kämpfen nördlich der Linie Kaschau-Ungvár-Munkács. Die Armeegruppe Pflanzer-Baltin (ab Mai 1915 7. Armee), die wenige Tage vorher mit der Offensive begonnen hatte, war erfolgreicher. Sie stieß 50 bis 100 km vor und erreichte den Dnjestr; am 17. Februar wurde Czernowitz und am 20. Februar Stanislau erobert. Gegenangriffe einer neu aufgestellten russ. Armee blieben erfolglos. Die Schlacht forderte allein bei der 3. Armee etwa 90.000 Mann Verluste, hauptsächlich infolge Erfrierungen und Erkrankungen. Auch von hier aus scheiterte eine Großoffensive zum Entsatz von Przemysl. Zur Verstärkung der Karpatenfront wurde in den Beskiden aus drei dt. Divisionen das dt. Beskidenkorps unter G.d.K. Georg v. d. Marwitz aufgestellt. Am 2. 5. 1915 brach nach starker Artillerievorbereitung der Angriff der Stoßarmee bei Gorlice los. Tiefgestaffelte Verteidigungsstellungen wurden überrannt, die Wistoka am 4. Mai erreicht. Am 11. Mai war die russische Front in 300 km Breite aufgerissen. Fast gleichzeitig begannen auch die Nachbararmeen, im Süden die 3. und 2. Armee sowie die dt. Südarmee offensiv zu werden. Vom 16. bis 23. Mai entwickelten sich heftige Kämpfe am San, Przemysl wurde von drei Seiten eingeschlossen. Die 2. Armee und die dt. Südarmee erreichten den Dnjestr. Stryj wurde am 31. Mai erobert, dann lief sich der Angriff fest. Sämtliche Karpatenarmeen (2., 3. und 7. sowie dt. Südarmee) standen zwei Wochen nach Beginn der Offensive in den Ebenen nördlich des Gebirges. Im Sommer 1915 kam es zu wechselvollen und erbitterten Kämpfen am Dnjestr (dt. Südarmee und 7. Armee). Ende August wurden die Russen an den Sereth zurückgeworfen, wo die Kämpfe während der Herbstmonate weitergingen.

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jederzeit gelungen, russische Angriffe rechtzeitig zu erraten. Die Anforderungen an die Elastizität und an das Verständnis der Unterkommandanten waren natürlich hohe, und in den ersten Monaten mußte eine Säuberungsaktion vorgenommen werden, die den verschiedenen Formen von Eitelkeit, Ängstlichkeit, Trägheit, Ränkesucht, Mangel an persönlichem und geistigem Mute galt und uns begreiflicherweise viele Feinde im Hinterland schuf, denn jeder gemaßregelte General fand in Wien bei Hof williges Gehör für seine Klagen gegen die Brutalität von Pflanzer und Zeynek. Nach wenigen Wochen war aber bei der Armeegruppe Ordnung geschaffen, und mit den verbleibenden Korpskommandanten FZM Frh. v. Rhemen, FZM v. Benigni, G.d.K. v. Korda313, G.d.K. Frh. v. Marschall, G.d.I. v. Hadfy314, G.d.I. Krautwald315 und ihren Stabschefs Obst. bzw. Obstlt. Csoban316, Frh. v. Pitreich, Graf Beck317,

313 Ignaz Edler v. Korda (Josefstadt, Böhmen, 12. 9. 1858-11. 12. 1918, Wien), 1. 9. 1877 aus Theres. Milak. als Lt. zu DR. 4, ab 1893 Glstbskarriere, 1. 5. 1898 Obstlt., 9. 4. 1901 Kmdt. HR. 9, 1. 11. 1901 Obst.i.G., 1. 5. 1907 Kmdt, 8. KBrig., 1. 5. 1908 GM, 10. 11. 1911 Kmdt. 7. KTD (Krakau), ab 24. 4. 1915 im Verband der 7. Armee, 1. 9. 1915 G.d.K., 1. 8. 1917 i.R. 314 Imre Hadfy (Nagykaroly, Siebenbürgen, 2. 11. 1853-29. 3. 1936, Kiszombor, Ungarn), 1. 6. 1871 als Infanterist zu IR. 5, 1. 5. 1875 Lt., 1. 5. 1880 Olt., 16. 1. 1883 in Reserve, später aktiviert in der Honvéd, 1. 11. 1910 GM als Kmdt. des VI. Honvéd-Distrikts, 30. 4. 1911 Kmdt. 79. HIBrig., 5. 11. 1913 Kmdt. I., 4. 4. 1914 III. Honvéd-Distrikt, 1. 5. 1914 FML, 1915 Kmdt. einer Korpsgruppe der 7. Armee, ab Juli 1916 bei 3. Armee, 1. 8. 1917 G.d.I., 2. 3. 1918 Kmdt. VIII. Korps, 5. 9. 1918 XXIV Korps, bei Kriegsende pensioniert. 315 Josef Frh. Krautwald v. Annau (Wien, 1. 10. 1858-13. 4. 1925, Pressburg), 24. 4. 1879 aus Techn. Milak. als Lt. zu Geniergt. 2, Karriere als Genie- u. Pionieroffizier, 1. 1. 1900 Obstlt. PiBaon. 4, 1. 11. 1901 zu IR. 96, 8. 3. 1906 Rgtskmdt., 1. 5. 1910 53. IBrig., 20. 10. 1912 Kmdt. 34. ITD in Temesvár, 1. 5. 1913 FML, 4. 1. 1915 Kmdt. X. Korps, HI/1915 Kmdt. III. Korps (Graz, „Eisernes Korps") im Verband 7. Armee, nach 1. Isonzoschlacht an die Isonzofront, 1. 5. 1917 G.d.I., 1/1918 aus Gesundheitsrücksichten enthoben und beurlaubt, 15. 2. 1918 Geheimer Rat, 1. 1. 1919 pensioniert. 316 Dragutin Csoban (Jasenovac, Kroatien, 26. 8. 1871-?), 18. 8. 1893 aus Techn. Milak. als Lt. zu KAR. 2, ab 1903 Glstbskarriere, 1. 5. 1905 ins Evidenzbüro d. Glstbs, 1. 5. 1913 Obstit. i.G. und Flügeladjutant des KM, 1. 3. 1915 Glstbschef der 43. Landsturm-ITD (bald Korps FML Schmidt aus drei Landsturm-ITD), 1. 5. 1915 Obst.i.G., 2. 5. 1917 enthoben und Chef d. Glstbs d. XIII. KKdo. Der ehemalige Hptm. zugeteilt d. Glstb. Hans Mailáth-Pokorny schreibt in seinen Memoiren (KA, NLS, sign. B/700), dass er Csoban nach 1918 in serbischer (jugoslawischer?) Uniform anlässlich einer Bahnfahrt gesehen habe. Csoban wäre dann der einzige bekannt gewordene Fall eines Generalstabsoffiziers, der in die serbische bzw. jugoslawische Armee übernommen worden ist. Anfragen um Verifizierung an das Belgrader Militärarchiv blieben ergebnislos. Hochrangige Marineoffiziere südslawischer Herkunft sind in die jugoslawische Kriegsmarine eingetreten. 317 Über Friedrich Graf v. Beck-Rzikowsky (1872-1942), 1. 5. 1915 Obst.i.G., ab Juli 1917 Chef des Kriegspressequartiers, vgl. Glaise-Broucek I, 405, Anm. 390.

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v. Dommes, Stromfeld318, Trauttweiller319 war ein ungestörtes sachliches Arbeiten möglich. Dem Gendarmeriekommandanten der Bukowina, Oberst Fischer320, der zu Kriegsbeginn ohne Truppen die Bukowina verteidigt hatte, bot ich das Kommando eines Landsturm-Regiments oder einer Landsturm-Brigade an, er lehnte dies jedoch ab, da er für eine solche Kommandoführung nicht geschult sei, und bat mich, ihm den Spionagedienst und Viehschmuggel an der rumänischen Grenze zu übertragen. In dieser Tätigkeit bewährte er sich infolge seiner Personalkenntnisse und seiner Rührigkeit vortrefflich ; er tat auch viel für die Popularisierung des Namens Pflanzer-Baltin in der Bukowina. Die militärischen Ereignisse bei der Armeegruppe werde ich nicht schildern, denn sie sind im Generalstabswerk des Kriegsarchivs niedergelegt, nur psychologisch interessante Fälle greife ich heraus. Die ersten Tage nach der Übernahme meines Amtes waren aufregend. Kaum hatten wir die Verbände in der Armee geordnet, so gingen die Russen zu heftigen Angriffen in der Richtung auf Kolomea über. G.d.K. Marschall hielt die Lage für unhaltbar 318 Aurel Stromfeld (Budapest, 19. 9. 1878-10. 10. 1927, Budapest), 18. 8. 1896 aus HonvédLudovica-Akad. als Kadett-Offizierstellvertreter zu 18. HIR., 1. 11. 1897 Lt., ab 1. 11. 1902 Glstbskarriere, 1. 11. 1912 Mjr.i.G., zugeteilt d. Honvéd, 18. 2. 1913 Glstbschef 41. LwITD, 27. 7. 1914 eingeteilt beim XIII. KKdo., ab 13. 8. 1915 Glstbschef von Kriegsgruppen, darunter Gruppe Hadfy, 1. 8. 1917 Obst.i.G., X/1918 Kmdt. Ludovika-Akad., XII/1919 Mitglied der ung. Sozialistischen Partei, 18. 1. 1919 Staatssekretär für Heerwesen in der Regierung Berinkey, 19. 4. 1919 Glstbschef der ung. Ostarmee, 4. 5. 1919 der Roten Armee in Ungarn, 29. 6. 1919 zurückgetreten, 1919-1921 inhaftiert, 1925 Mitglied der ung. Kommunistischen Partei. 319 Josef Trauttweiller Edler v. Sturmheg (Budapest, 2. 7. 1871-2. 5. 1942, Wien), 18. 8. 1892 aus Theres. Milak. zu als Lt. IR. 26, ab 1. 10. 1905 Glstbskarriere in der Landwehr, 31. 10. 1912 Obstlt. u. Flügeladjutant Ehg. Friedrichs, 1. 8. 1914 Kanzleidir. 5. AKdo, 20. 10. 1914 Glstbschef 50. ITD, 4. 1. 1915 Kmdt. LwIR. 6, 1. 3. 1915 Obst.i.G., 1. 4. 1915 Glstbschef III. KKdo, 21. 7. 1915 XI. KKdo, 23. 11. 1916 MilKdo. Wien, 3. 8. 1918 Kmdt. 65. IBrig., 1. 5. 1919 pensioniert. 320 Eduard Fischer (Karapcziu, Bukowina, 18. 1. 1862-21. 6. 1935, Wien), 1879 als Infanterist zu IR. 41, 1882-1885 Infanterie-Kadettenschule Budapest, 1. 11. 1888 Lt., 1890 Übertritt zur Gendarmerie. Er war 1914 Obstlt. und Leiter des Landesgendarmeriekdo. 13 und führte mit seinen Gendarmen und Freiwilligen einen erfolgreichen Kleinkrieg gegen die Russen, gleichzeitig organisierte er in großem Stil den Schmuggel von rumänischem Vieh nach Osterreich, 1. 10. 1914 Obst, außer der Rangtour, 17. 3. 1918 GM und Gendarmeriekmdt. für Galizien und die Bukowina. 1918 organisierte Fischer eine Einkaufs- und Aufbringungsaktion vor allem zur Versorgung von Wien und der österr. Industriegebiete. Er wurde im November 1918 von den Rumänen gefangengenommen und in Jassy interniert. 1927 wurde ihm die Würdigkeit für das Ritterkreuz des MMTO zuerkannt. Nachlass in KA, NLS, sign. B/8. Memoiren : Krieg ohne Heer. Meine Verteidigung der Bukowina gegen die Russen, Wien 1935.

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und beantragte durch Obst. Dommes den Rückzug. Wir ließen statt dessen das Korps Czibulka einen Vorstoß machen, der am 14. März ein sehr gutes Resultat ergab. Obst. v. Dommes war so liebenswürdig, in einem Brief mein ausschließliches Verdienst an diesem Erfolge anzuerkennen. Am 18. März kam es zu schweren Abwehrkämpfen, wobei die Russen meistens im Handgemenge abgewiesen wurden. Ein Versuch, Zaleszczyki zu besetzen (20.-25. März), gelang nicht, dafür warfen wir am 26. März die Russen nordöstlich von Czernowitz. Am 31. März wurde die Agramer Landwehrdivision östl. von Zaleszczyki (südlich des Dnjestr) überfallen, das Gefecht aber durch Reserven wiederhergestellt; am 2. April gab es dort schwere Kämpfe, bei denen uns die Feldjäger-Bataillone 14 und 18 retteten, während ein tschechisches Dragonerregiment versagt hatte. Am 4. April, Ostersonntag, wurde in demselben Räume die 10. KTD (GM Bauer321) geworfen. Oberst v. Dommes meldete mir den russischen Einbruch, ich fuhr sofort von Kolomea, wo sich das AK befand, zum G.d.K. Marschall, stellte diesem unsere letzten Reserven (IR. 93) zur Verfügung und machte telephonisch GM Bauer „bei seiner Charge" dafür verantwortlich, daß die verlorene Stellung wieder genommen werde, weil sonst die ganze Armeefront vom Dnjestr an den Prut zurückgenommen werden müßte. G.d.K. Marschall gab mir vollkommen recht, aber GM Bauer beschwerte sich, daß ein Obstlt. sich einen solchen Ton gegen einen General erlaube. Die Stellung war bis abends wieder in unserem Besitz. Dieser Vorfall zeigt nur, wie zweckmäßig es im Kriege ist, jeden Posten mit der richtigen Charge zu besetzen. Auch Pflanzer gab mir Recht und trug die Angelegenheit sehr geschickt aus. Von der Operationsabteilung des AOK wurde mir Mitte März geschrieben: „Wir wissen, welches Chaos Dir Soós hinterlassen hat und welche Mühe Du haben wirst, Ordnung zu schaffen. ... Es wird nach Möglichkeit getrachtet, euch neue Kräfte zuzuführen. ... Ihr seid jetzt unser Lichtpunkt, von allen andern Seiten nur Jammer, Unzufriedenheit und vollständige Impotenz. ... Deine Herren melden Einzug großer Ruhe beim AK. Pflanzer seit der Gewaltübernahme durch Dich." Am 23. März schrieb mir GM Metzger: „Ihr seid die einzigen, die aktiv und nicht kriegsmüde sind. ... Das Unglück mit Przemysl, dazu die Sorge wegen Italien und Rumänien, die ewigen Sekkaturen aus Wien, Budapest, wo jeder, Bolfras, Minister [Krobatin], Burian 322 , 321 Viktor Bauer v. Bauerthal (Wien, 31. 3. 1867-24. 11. 1937, Graz), 18. 8. 1887 aus Theres. Milak. als Lt. zu DR. 3, ab 1. 11. 1892 Glstbskarriere, 17. 4. 1909 zu DR. 8, 1. 11. 1910 Obst, und Rgtskmdt., 14. 6. 1914 dt. 8. KBrig., 26. 9. 1915 Kmdt. 10. KTD, 1. 1. 1919 pensioniert. 322 István (Stefan) Graf Burian de Rajecz (Stampfen/Stupava bei Pressburg, 16. 1. 1851-20. 10. 1922, Wien), 10. 6. 1913-13. 1. 1915 ung. Minister am kgl. Hoflager, 13. 1. 1915-22. 12. 1916 Außenmin., 22. 12. 1916-16. 4. 1918 Gemeinsamer Finanzmin., 16. 4. 1918-24. 10. 1918 wieder Außenmin.

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Tisza, Stürgkh323 etwas, jeder etwas anderes will. Alles hat einschließlich Seiner Majestät nur Angst vor Tisza und tanzt nach seiner Pfeife. Für den armen Chef ist es scheußlich. ... Bleibe uns weiter der einzige Trost. ..." Die Zeit bis Ende April 1915 benützte die Armee zum Ausbau ihrer Verteidigungsstellung. Wir wußten, daß die Russen einen starken Angriff gegen uns planen; überdies besorgten wir eine rumänische Kriegserklärung. Vorläufig war aber Ruhe, weshalb wir auch mehrere interessante Besuche bekamen. Der Thronfolger Erzherzog Karl besuchte die Armee und besichtigte die meisten Reserven ; er machte einen sehr jugendlichen Eindruck, doch kam seine Gewissenhaftigkeit und sein warmes Empfinden für die Truppe deutlich zum Ausdruck; er ging auch noch in der Dunkelheit die Front der einzelnen Abteilungen ab, um mit möglichst vielen Leuten zu sprechen und Dekorationen anheften zu können : ein sachliches Gespräch über die vergangenen Gefechte oder über die Lage und ihre mutmaßliche Gestaltung wurde nicht geführt. Vielleicht war das innere Bewußtsein mangelhafter Schulung der Grund, daß die Eigenschaften des Geistes vor denen des Gemütes zurücktraten. Exz. Pflanzer benahm sich gegenüber dem Thronfolger wenig aufmerksam und beinahe hochmütig; er zeigte ostentativ, daß er den Besuch nicht ernst nahm. Bei einer gemeinsamen Mahlzeit machte Erzherzog Karl eine abfällige, etwas banale Bemerkung über den deutschen Generalstab, worauf ich ablehnend erwiderte ; als der Erzherzog dann bemerkte, er verstehe nicht, warum wir uns so bemühten, da doch alles umsonst sei, der Krieg nicht gewonnen werden könne und er selbst froh sein werde, wenn ihm ein Palais in Wien bleibe, war ich gezwungen, vor allen Herren einer solchen Anschauung entgegenzutreten. Es war klar, daß der junge Thronfolger einen hervorragenden, erfahrenen, willensstarken und charakterfesten Generalstabsoffizier an seiner Seite gebraucht hätte, um in Wort und Urteil den richtigen Standpunkt einnehmen zu können. Conrad hat dem viel zu wenig Bedeutung beigelegt324. 323 Karl Graf v. Stürgkh (Graz, 30. 10. 1859-21. 10. 1916, Wien, ermordet), 1908-1911 Unterrichtsmin., seit 3. 11. 1911 Ministerpräs. 324 Die Bemerkungen und Urteile Conrads über Kaiser Karl reichen von der hingeworfenen Feststellung, dieser kenne nicht einmal das Alphabet, bis zu mündlichen und schriftlichen Äußerungen über moralische Fehler und Schwächen - ganz abgesehen von Fehlern bei der Regierungsarbeit. Sie sind nachzulesen u.a. bei Conrad, Private Aufzeichnungen; GlaiseBroucek I; Josef Redlich, Schicksalsjahre Österreichs 1908-1919. Das politische Tagebuch Josef Redlichs, bearb. v. Fritz Fellner. 2 Bde. (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte 39 u. 40) Graz-Köln 1953-1954. Der Kaiser hat sich in seinen „Kriegserinnerungen" über Pflanzer-Baltin bzw. Zeynek fast nur positiv referierend geäußert, über Conrad wesentlich differenzierter und gerechter als dieser über den Kaiser. Siehe Elisabeth Kovács (Hg.), Untergang oder Rettung der Donaumonarchie? Bd. 2 : Politische Dokumente zu Kaiser

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Der Besuch des Thronfolgers hatte noch ein unangenehmes Nachspiel, denn als die Armee Pflanzer im Mai vom Dnjestr an den Prut zurückgeworfen wurde, hatte man dem Erzherzog an der italienischen Front erzählt, dies sei deshalb geschehen, weil wir die Front zu sehr geschwächt hätten, um dem Ehg. starke Reserven zeigen zu können. Der Thronfolger hat dieses unsinnige bösartige Geschwätz nicht zurückgewiesen, sondern forderte mich zur Berichterstattung auf. Die Verleumdung war so absurd, daß die Antwort mir leicht fiel, nur blieb der bittere Nachgeschmack, daß solche Intriganten beim Thronfolger Gehör finden. Pflanzer wollte eine Anzeige an das AOK erstatten, aber der Erzherzog bat, davon abzusehen. Bald nach dem Thronfolger besuchte uns der Generalartillerieinspektor Ehg. Leopold Salvator325, der uns auch bösartiges Gerede aus Wien mitteilte, dem wir diesmal nachgingen und einen Fall bis auf die Wurzel ausrotteten. Das Unkraut des Tratsches und Quatsches findet aber im Krieg den besten Nährboden , und es ist Sache der Charakterfestigkeit der leitenden Personen, den ausgewählten Gehilfen das Vertrauen zu bewahren, sonst kann ein Unternehmen, wie es der Krieg ist, nicht gelingen. Als uns der ehemalige österr. Ministerpräsident Baron Beck326 besuchte, war Exz. Pflanzer gegen ihn so ablehnend, daß der Bericht dieses hohen Würdenträgers in Wien dem Unmut gegen uns neuen Stoff geliefert haben dürfte. Zur Courtoisie haben gerade die Tüchtigsten an der Front keine Lust. Der Forschungsreisende Sven Hedin327 besuchte die Bukowina und kaufte, wie mir Oberst Fischer lachend erzählte, alle Führer durch die Bukowina in ganzen Auflagen auf. In dieser Zeit der Ruhe hatte ich vielfach Verhandlungen mit preußischen Kommandostellen zu führen. Unsere linke Nachbararmee, die deutsche Südarmee, unterstand dem Gl. v. Linsingen 328 , Stabschef Gl.

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und König Karl I. (IV). aus internationalen Archiven (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 100/2), Wien-Köln-Weimar 2004, vor allem Nr. 3, 142, 213. Ehg. Leopold Salvator (Jungbunzlau, Böhmen, 15. 10. 1863^. 9. 1931, Wien), 23. 4. 1878 Lt. IR. 77, 3. 10. 1883 zu FAR. 2, 1. 5. 1883 zu schwerer Batteriediv. 3, 2. 5. 1887 zu IR. 1,17. 2. 1893 Obst. u. Inhaber IR. 18, 20. 3. 1896 Kmdt. 13. FABrig., 26. 4. 1896 GM, 15. 10. 1899 Kmdt. 36. ITD, 26. 10. 1899 FML, 26. 9. 1900 Kmdt. 25. ITD, 27. 10. 1906 FZM u. zugeteilt dem General-Artillerie-Inspektor, 20. 1. 1907 General-Artillerie-Inspektor, 20. 5. 1916 GO, 5. 3. 1918 enthoben und versetzt in das Verhältnis eines beurlaubten Generals. Über Max Vladimir Frh. v. Beck (1854-1943) vgl. Glaise-Broucek I, 148, Anm. 26. Beck war damals Präs. des Obersten Rechnungshofes und Vizepräs, der Österr. Gesellschaft vom Roten Kreuz. Sven Hedin (1863-1952), schwedischer Forschungsreisender und Schriftsteller. Über Alexander v. Linsingen (1850-1935) vgl. Glaise-Broucek I, 370, Anm. 283. Er war ab 9. 1. 1915 Oberbefehlshaber der dt. Südarmee, 6. 7. 1915 der Bugarmee, 18. 9. 1915 der Heeresgruppe Linsingen.

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Stolzmann 329 ; beide Herren repräsentierten übertrieben die preußische Art : waren scheinbar kühl bis ans Herz heran und erwarben sich unsere Sympathien nicht ; sie kamen uns wie Schauspieler vor ; auch betreffs der Operationen war daher der Einklang mit ihnen mangelhaft. Dies änderte sich vollkommen, als der bayrische General v. Bothmer 330 und Stabschef Oberst Hemmer 331 die Führung übernahmen. Man möchte es nicht für möglich halten, wie leicht das nordische preußische Wesen auf uns entfremdend wirkt ; fremd wird, wenn es sich um ernstes Zusammenarbeiten handelt; anstelle des natürlichen Einvernehmens tritt unwillkürlich der Gedanke an den Kampf um den inneren Vorrang; eine jahrhundertlange Spaltung läßt sich nicht überbrücken ; das Einvernehmen mit den Baiern und Sachsen und Rheinländern ergab sich fast immer sofort.

B. Rückzug bis zum Prut. Schlacht am Prut (9. Mai-6. Juni 1915) Anfang Mai konnte man aus allen Nachrichten entnehmen, daß die Russen eine Offensive gegen Kolomea planen, um nach der Niederlage bei Gorlice hier einen Erfolg zu erringen. Ich rekognoszierte fleißig an der Front. Beinahe wäre ich einem Detail unserer Adjustierung zum Opfer gefallen. Die eigene Stellung bei Zaleszczyki war kaum 150 Schritte von der russischen entfernt, es war aber vollkommene Waffenruhe, so daß ich über die Dekkung hinaussehen konnte ; kaum tat ich es, so fielen schon einige Schüsse, die knapp über meiner Mütze in die Böschung einschlugen; ich trug nämlich nicht die Kappe des Truppenoffiziers sondern die der Generale und Generalstabsoffiziere. Später trugen wir alle ausnahmslos die Mannschaftsmütze. ... Am 9. Mai begann der russische Angriff nördlich und nordöstlich Horodenka. Das Korps Czibulka wurde durchbrochen, weil die preußische 5. Kav.Division die Russen über die tiefe Schlucht des Dnjestr fast kampflos herübergelassen hatte. Diese Kavalleriedivision machte bei der Parade mit ihren Lanzen einen sehr guten Eindruck, im Gefecht hat sie damals furchtbar versagt. Der Kommandant GLt. Heydebreck332 und sein Glstbsoffizier 329 Über Linsingens Glstbschef Paulus v. Stolzmann (1863-1930) vgl. Glaise-Broucek I, 370, Anm. 284. 330 Felix Graf v. Bothmer (München, 10. 12. 1852-18. 3. 1937, München), 1870 Eintritt in die bayer. Armee, 1910 G.d.I., 1914 Führer des 2. Bayer. Reservekorps, 6. 7. 1915 Oberbefehlshaber dt. Südarmee, 4. 2. 1918 dt. 19. Armee in Lothringen. 331 Hans R. v. Hemmer (München, 26. 6. 1869-15. 12. 1931), seit 1900 bayer. Glstbsoffizier, 30. 11. 1914 Obstlt., 28. 12. 1914 Glstbschef d. 2. Bayer. Reservekorps, 6. 7. 1915 d. dt. Südarmee, 4. 12. 1917 Obst., 4. 2. 1918 Glstbschef dt. 19. Armee. 332 Ernst von Heydebreck (1857-1935), 1911 preuß. GM, dann GLt. und G.d.K.

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Obstlt. Buchfink kamen mir mit ihren fast rhythmischen Monokelbewegungen fremdartig vor. Die Russen hatten diese Division in der Nacht angegriffen und überrascht ; sie konnten den Dnjestr-Ubergang fast ohne Artillerieunterstützung durchführen, die Garde-Kavalleriebrigade GLt. Rosche333 hatte ihre Stellungen fast ohne Verluste aufgegeben; angeblich waren die Offiziere in der Nacht nicht in der Kampfstellung. Die Folgen dieses Durchbruchs waren nun schwere, verlustreiche Kämpfe beim Korps Czibulka und Marschall, von allen Seiten wurde um Hilfe gerufen, von allen Seiten kamen Hiobsbotschaften, jeder verlangte Unterstützung, weil er sonst zurückgehen müsse ... Am 12. Mai war die Gruppe Marschall vollkommen zurückgeworfen, und der allgemeine Rückzug hinter den Prut mußte anbefohlen werden. Die Verstärkungen, welche das AOK uns zusendete, kamen zu spät. Es war eine charakteristische Eigenheit des 7. Armeekommandos (so hießen wir inzwischen), nie um Verstärkungen zu bitten, denn wir waren der Ansicht, daß es dem AOK überlassen bleiben müsse, die Kräfte nach eigenem Ermessen zu verteilen334. Diese Woche war aber das Entsetzlichste, was man sich vorstellen kann, eine wahre Hölle auf Erden. Am 13. Mai begab sich das AK, als die Russen schon auf 20 km von Kolomea herangekommen waren, nach Delatyn ; dieses Verbleiben bis zum letzten Augenblick wurde vielfach getadelt, es erfolgte aber zielbewußt, um bei den Kampfgruppen den Geist des Widerstandes nicht zu schwächen, denn sobald das vorgesetzte Kommando zurückgeht, sieht auch schon die nächst niedere Stelle nach rückwärts. Exz. Pflanzer war damals äußerst besorgt, daß die Armee vernichtet werde. Er wollte zunächst mit dem AK bis nach Máramaros-Sziget zurückgehen, aber nach einem nächtlichen Gespräche, das ich mit GM Metzger führte, wurde der Entschluß gefaßt, am 14. Mai mit dem eigenen linken Flügel offensiv vorzubrechen, um die Russen zum Stehen zu bringen. Es ist merkwürdig, wie dieser überraschende Entschluß zustande kam: Als ich die Situationsskizze betrachtete, dachte ich mir, die Gruppierung der Armee sehe genau so aus, als wenn wir im Vormarsch wären. Warum sollte man sie nicht in diesem Sinne auffassen, warum nicht den Vormarsch anbefehlen, denn Geist 333 Hier irrt Zeynek, ein GLt. Rosche existierte nicht, es handelte sich um die 9. Kavbrig. unter GLt. Graf Eberhard v. Schmettow (1861-1935). 334 Siehe aber auch Gerlinde Leher, Conrad von Hötzendorf im Spiegel des Nachlasses von Carl Freiherr von Pflanzer-Baltin, Seminararbeit am Institut für Geschichte der Univ. Wien, Abt. f. Neuere Geschichte, Wintersemester 1966/67 (Bibliothek des Österreichischen Staatsarchivs, sign. II 60.844), die Kriegstagebuchaufzeichnungen Pflanzer-Baltins zitiert. Zum 8. 4. 1915 : „Ich muß mir nun wieder eine neue Reserve an der Strypafront bilden, obwohl sich die Verhältnisse an der bessarabischen Front neuerdings zu verschärfen scheinen. Entweder ist das AOK blind oder will es sein, hypnotisiert durch seine geplante Tiroler Offensive. Schade um den Verlust der bei meiner Frontausdehnung so notwendigen Artillerie."

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und Ordnung waren nicht schlechter als im Winter bei Erreichen des Prut. GM Metzger war begeistert, als ich ihm diese Auffassung vortrug, die ganze OpA. des AOK beglückwünschte mich, und der Vorstoß wurde ausgeführt. Er kam für alle überraschend; drang aber nicht durch; es fehlte die richtige Artillerievorbereitung, wir gingen zu hastig vor. Am 15. Mai entwickelten sich heftige Kämpfe bei Delatyn; in der Nacht zum 17. wurde unsere Front zurückgedrängt. Da um 1 Uhr nachts in den Wäldern nächst Delatyn gekämpft wurde und die Infanteriegeschoße bereits in unsere Arbeitsräume einschlugen, fuhr das AK nach Körösmezö zurück, nur ein kleiner Stab mit einigen Telephonisten arbeitete unter meiner Leitung noch bis zum 18. Mai 4 Uhr früh in Delatyn. Als wir nach Körösmezö fuhren, begegneten wir dem Auto von Exz. Pflanzer, der sich tagsüber wieder nach Delatyn begab, um Fühlung mit den Kommandanten herzustellen. Das AK blieb in Körösmezö bis zum 31. Mai. Der russische Angriff kam bei Delatyn und am Pruth zum Stehen, nur bei Kolomea versuchten die Russen durchzubrechen, was aber unsere alpenländischen Jägerbataillone verhinderten. Die neue Situation war sehr ungünstig, denn eine aktive Verteidigung des Pruth war infolge des Mangels von Straßen fast undurchführbar ; jede Gruppe mußte in der Zusammensetzung, in welcher sie war, bleiben und ausharren, eine rechtzeitige Verschiebung von Reserven kam kaum in Betracht. Wenn aber eine Gruppe durchbrochen worden wäre, hätte die ganze Armee in das Waldgebirge der Karpaten zurückgenommen werden müssen ; dabei lauerten die Rumänen, deren Eingreifen in unserm Rücken wir täglich erwarteten. Es war ein Martyrium ! Um meine Stimmung noch zu verschlechtern, kam ein Brief von der Kanzlei des Thronfolgers, der ungehalten war, daß ich ihm nicht telegraphisch über die Verluste des Dragoner-Regiments Nr. 7, bei dem er im Frieden gedient hatte, berichtet hatte. Damals faßte ich den Entschluß, nach dem Kriege die Armee zu verlassen. In diesen Tagen erfolgte die Kriegserklärung Italiens. Meine Empörung richtete sich aber viel weniger gegen diesen Staat, der dem Gesetz des sacro egoismo folgte, als gegen die Kurzsichtigkeit unserer Diplomaten von 1909, die uns in diese verzweifelte Lage hineintaumeln ließen. Der Widerwille, unter solchen Verhältnissen weiter Blut zu vergießen, mußte niedergekämpft werden. Ich hielt mit den Korpskommandanten G.d.I. Krautwald, FML Czibulka, G.d.K. v. Korda, G.d.K. Frh. v. Marschall und ihren Stabschefs in Kosow eine Besprechung ab, in der ich den Rückzug der 7. Armee im Falle des Eingreifens Rumäniens genau festlegte und vereinbarte335. Es zeigte sich wieder, wie operativ ungeeignet die Kavallerietruppen335 Zwischen Italien und Rumänien bestand ein militärisches Bündnis zur gegenseitigen Hilfe bei unprovoziertem Angriff. Italien hatte zwar Österreich-Ungarn am 15. 5. 1915 den Krieg erklärt, aber das dt. Alpenkorps, das gebildet wurde, um die Tiroler Front zu schützen, musste

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divisionen infolge ihrer geringen Gefechtskraft und ihres riesigen Trains und Futterbedarfes waren. Statt den Rückzug zu decken, hätten sie als erste abgeschoben werden müssen. Das echt kameradschaftliche Verhalten von Exz. Marschall und Oberst Dommes hat mir in diesen argen Tagen sehr wohlgetan. In dieser Zeit besuchte uns der deutsche Schriftsteller Ganghofer336, der dafür Propaganda machte, Österreich solle Südtirol an Italien abtreten, um diesen Staat neutral zu erhalten. Meine Antwort war, Deutschland solle Elsaß-Lothringen an Frankreich abtreten, um den Krieg mit einem Schlage zu beenden. Wir kamen über diesen Streit nicht hinaus. Ende Mai machte sich die Wirkung des Sieges von Gorlice bereits bei der deutschen Südarmee fühlbar. Uns gegenüber stießen hingegen die Russen östlich Kolomea gegen Kosow vor, und am 3., 4. Juni wurde die Front bei der Gruppe Czibulka durchbrochen; die Russen griffen verzweifelt an, es entstand Krisis über Krisis, und am 6. abends war der Entschluß zum Rückzug der 7. Armee gefaßt; da kam in der Nacht zum 7. Juni in letzter Stunde die erlösende Botschaft, daß die Russen in einzelnen Abschnitten zurückgehen und überall ihre Angriffe einstellen. Allgemeiner Jubel, beispiellose Freude ! Am 7. Juni traten die Russen an der ganzen Front den Rückzug an, wir waren gerettet und hatten gerade noch durchgehalten! Die zähe Tapferkeit der 7. Armee wurde mit Recht allgemein anerkannt; wir waren auf dem schwersten Posten. Zu solchem Kriegführen gehören wirklich eiserne Nerven und ein Herz von Stein. Es war ein Glück, daß wir zu dieser Zeit noch die alpenländischen Truppen hatten, die Steirer und die Kärntner, denn sie waren die Quadersteine, die alles zusammenhielten, was sonst zerbröckelt wäre337. Wir begannen nun freudig den Vormarsch an den Dnjestr.

achten, die italienische Grenze nicht zu überschreiten, um nicht eine italienische Forderung an den Bündnispartner zu provozieren. Angesichts der Erfolge der Mittelmächte beim Feldzug von Gorlice kam jedoch für Rumänien ein Kriegseintritt vorläufig nicht in Frage. Vgl. dazu Martin Müller, Die österreichische Kriegführung an der Südwestfront 1915-18 aus der Sicht der deutschen Obersten Heeresleitung, Diplomarbeit aus Geschichte Univ. Innsbruck 1993. 336 Ludwig Ganghofer (18551920), bayer. Heimatschriftsteller. 337 Leher, Conrad von Hötzendorf, 24, zitiert Pflanzers Kriegstagebuch zum 9. 12. 1915: „Das AOK muß doch in meine Person und in meinen persönlichen Einfluß auf die Truppe ein besonderes Vertrauen haben, sonst würde es mir in meiner stets gefährdeten und sehr schwierigen Situation nicht so viele unverläßliche Truppen belassen bzw. behufs Disziplinierung mir zutransferieren. Es liegt aber darin, daß mir stets die besten Truppen: die 6. ITD, dann das III. Korps und schließlich die 5. ITD auf den italienischen Kriegsschauplatz abtransferiert werden, ferner, daß mir jede von mir aus der Front herausgezogene Reserve weggenommen wurde, eine gewisse Gefahr."

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C. Vorgehen bis an den Dnjestr (7. Juni-23. Dezember 1915) Der Vormarsch bis zum Dnjestr war als Verfolgung gedacht und danach disponiert338. Mitten während dieser Verfolgung mußte aber auf Befehl der 338 Im Norden wurde am 12. 6. 1915 die Offensive der Heeresgruppe Mackensen wiederaufgenommen. Am 4. August eroberte das ö.-u. XII. Korps unter General Kövess (im Rahmen der dt. Heeresgruppe Prinz Leopold von Bayern) die Festung Iwangorod an der Weichsel. Einen Tag später besetzten deutsche Truppen Warschau. Am 26. August fiel Brest-Litowsk und am 31. August eroberte die 1. Armee Luck. Durch die Operationen im August erreichten die Verbündeten die Linie südlich Riga-Brest-Litowsk-Kowel-Sokal-Nizniow-Okna-Czernowitz. Die Erfolge forderten jedoch hohe Verluste, von Mai bis August verloren die Verbündeten 500.000 Mann an Toten, Verwundeten und Gefangenen. Schwere russ. Angriffe mit Schwerpunkt bei Derazno (15. September) gegen die Heeresgruppe Ehg. Josef Ferdinand führten am 19. September zur vorübergehenden Räumung von Luck (Wiederbesetzung am 25. 9.). Dieser Rückschlag führte zu einer Krise zwischen den Mittelmächten und Bulgarien, dem neuen Verbündeten im Krieg gegen Serbien, da Österreich-Ungarn die bereits zugesagten Kräfte für den geplanten Feldzug nicht bereitstellen konnte, sodass Conrad einwilligen musste, dass auch dort GFM Mackensen den Oberbefehl führen werde. Am 6. 10. 1915 begann der Feldzug gegen Serbien an der Save und Drina, am nächsten Tag eröffneten ö.-u. und dt. Truppen den Angriff auf Belgrad. Am 14. und 15. Oktober begann die bulgarische Armee mit ihrem Angriff und erreichte am 16. Oktober die Bahnlinie Belgrad-Saloniki, wodurch eine direkte Hilfe der Entente für Serbien unmöglich wurde. Nach der Eroberung von Belgrad und Kragujevac, dem Hauptstützpunkt der serbischen Armee, konnten die Serben keinen weiteren Widerstand mehr leisten und mussten über Albanien und Montenegro den Rückzug antreten. Ein Angriff auf die bei Saloniki stehende englisch-französische „Orientarmee" scheiterte an der Weigerung der dt. Heeresleitung, dieses Unternehmen zu unterstützen, mit der Begründung, dass die Ziele des Feldzuges - Niederwerfung Serbiens und Herstellung der Verbindung mit dem Osmanischen Reich - erreicht worden seien. Die Position Serbiens hatte bis zu jenem Feldzug eine stärkere Hilfe an die Türkei, die ab Frühjahr 1915 in schweren Kämpfen um die Dardanellen stand, unmöglich gemacht. Dort wollte die Entente den Russen den Weg zum Bosporus freimachen. Mit dt. Unterstützung (Offiziersmission und Munition) sowie artilleristischer Hilfe Österreich-Ungarns (24-cm-Mörserbatterie Nr. 15 und 15-cm-Haubitzbatterie Nr. 36) wurde dieses Unternehmen vereitelt. Reste der Landungstruppen der Alliierten bildeten sodann jene „Orientarmee". Im Londoner Vertrag zwischen Italien und der Entente (26. 4. 1915) wurden Rom u.a. Südtirol bis zum Brenner, Istrien und Dalmatien zugesprochen. Dafür verpflichtete sich Italien, binnen vier Wochen in den Krieg auf der Seite der Entente einzutreten. Mit der Kriegserklärung am 23. Mai erschien die militärische Lage für die Donaumonarchie an der „Südwestfront" fast hoffnungslos. Nur durch die zögernde Angriffstaktik der Italiener konnte eine wirksame, wenn auch stärkemäßig unterlegene Abwehrfront aufgebaut werden (Teilfronten zwischen Ortler und Gardasee, Gardasee und den Dolomiten, in den Dolomiten, an der Kärntner Grenze, zwischen Tolmein/Tolmin und Flitsch/Bovec sowie am Isonzo bis vor Triest). In den „Isonzoschlachten" versuchten die Italiener, über Laibach und Triest in das Innere der Monarchie vorzudringen. Bis Dezember 1915 fanden vier derartige Schlachten statt, bei denen es jedoch den Italienern nicht gelang, die Front mehr als 12 km zurückzudrängen. Von der

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Deutschen Obersten Heeresleitung die preußische 5. Kavallerie-Division GLt. v. Heydebreck abgegeben werden ; besonders bedauerten wir, daß auch G.d.K. Frh. v. Marschall und Oberst v. Dommes uns verließen. Beide Herren hatten unsere Schicksale seit Februar in treuer Waffenbrüderschaft mit uns geteilt, unsere besonderen Sympathien gewonnen, und besonders ich bin keinem Offizier der deutschen Armee gefühlsmäßig so nahe gekommen, wie diesen beiden wirklichen Soldaten. Zu Beginn der Verfolgung hätten unsere Kavalleriedivisionen vorgehen sollen, da sie aber erst abwarten wollten, daß Brücken über den Prut geschlagen würden, damit ihr Sattelzeug nicht Schaden leide, mußte die Infanterie überschifft werden und kam dadurch vor die Kavallerie. Gleich nach Beginn der Verfolgung wurde die deutsche Südarmee bei Stanislau geworfen, und um sie zu „degagieren", mußten wir in nordwestlicher Richtung abschwenken. Gegen den Ausdruck: „degagieren" erhob v. Linsingen Einsprache, er wollte nicht öffentlich zugeben, daß eine ö.-u. Armee eingreifen mußte, um den Mißerfolg einer deutschen Armee gutzumachen. Wir mußten das Schwergewicht unserer Kraft auf den linken Flügel werfen, obwohl wir gerade umgekehrt den rechten Armeeflügel stark halten wollten, da ein russischer Vorstoß zwischen Zaleszczyki und Czernowitz sichtlich bevorstand. Am 10. Juni etablierte sich das 7. AK wieder in den alten Räumen in Kolomea; eine Zeit voll Sorgen, Angst und Leid lag hinter uns; die ersten zwei Schlachten, die ich bei der Armee Pflanzer mitgemacht habe, waren nervenzerrüttend für alle Beteiligten. Am 17., 18. Juni kam es zu schweren Kämpfen an unserer Ostfront, doch stellten die Polnische Legion bzw. mit Autos verschobene Reserven die Lage wieder her, darauf brachen am 19. die Russen gegen unsern linken Flügel vor, am 21. stand es sehr kritisch, am 25., 26. wurden unsere Stellungen mehrfach durchbrochen, erst gegen Ende Juni hörten die russischen Gegenstöße auf; in diesen Kämpfen hatten sich die Generale Benigni und Fürst Schönburg glänzend bewährt, die Truppen tapfer und opferwillig gekämpft. Am 28. Juni gedachten wir des vor einem Jahre ermordeten Erzherzogs Franz Ferdinand; ein Berg von Blut deckte bereits diese Untat, und doch sollte das erst die Einleitung zum weiteren Blutbade sein. Anfang Juli besuchte uns der Armeeoberkommandant, Ehg. Friedrich; leider gewannen Exz. Pflanzer und ich das Gefühl, daß wir uns nicht der Gunst der höchsten Hofkreise erfreuen, dafür brachte uns der Erzherzog die angenehme Nachricht, daß Linsingen und Stolzmann durch General Frh. v. Ostfront mussten aber zahlreiche Truppenverbände abgezogen werden, um die Isonzofront halten zu können.

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Bothmer und Oberst Hemmer ersetzt werden. Das Verhältnis zur deutschen Südarmee gewann nun mit einem Schlag den Charakter freundlichen Zusammenarbeitens, was gerade jetzt dringend notwendig war. Uber Wunsch des A O K disponierten wir anfangs Juli eine Vorrückung über den Dnjestr ; es wurde hin und her gekämpft, kam aber zu keinem größeren Erfolg; Anfang und Ende August wurde der Versuch wiederholt, wurde aber bald wieder aufgegeben339. Wir kämpften (30., 31. August) schwer bei Buczacz und (5., 6. September) östl. Zaleszczyki, am 7. September wurde die deutsche Südarmee durchbrochen und mußte an den Seret zurück; am 9. September wurde unser linkes Flügelkorps (Rhemen) geworfen, und auch an andern Frontteilen konnten wir uns kaum behaupten; endloser Regen steigerte die Strapazen der Truppen; am 12., 13. September wurde die Lage noch kritischer, da der Südflügel der deutschen Südarmee zerschlagen wurde. Metzger telephonierte mir, wir sollen dort mit möglichst starken Kräften helfend eingreifen. Ich schlug Exz. Pflanzer einen Vorstoß östlich der Strypa in der Richtung Süd-Nord vor, obwohl Metzger dies für zu gefährlich hielt und einen Vorstoß westlich des Flusses empfahl, sogar noch in einem Telephongespräch seine Bedenken wiederholte, und obwohl auch der Stabschef des zur Ausführung berufenen Korps, Oberst Graf Lamezan340, dagegen war. Exz. Pflanzer erschien mein Vorschlag auch zu gewagt, aber schließlich ließ er meine Gründe gelten. Der Vorstoß östlich der Strypa begann am 15. September, wurde zuerst durch einen russischen Gegenstoß zurückgeworfen, aber wiederholt und gelang; am 17. gingen die Russen zurück341. Das schöne Resultat dieses Gefechtes hat mich sehr befriedigt, mehr als der Leo-

339 Leher, Conrad von Hötzendorf, 21, zitiert Pflanzer-Baltins Tagebuch, als er am 21. 7. 1915 das Tiroler Landesschützenregiment an die italienische Front abgeben musste: „Infolge der stets stiefmütterlichen Beteilung mit Truppen mußte ich bei den langen Fronten, die ich mit meiner Armee zu decken hatte, oft zum Zerreißen der Verbände und zu anderen kleinlichen Aushilfen in Fällen der Not greifen. Es ist eine ewige Flickarbeit nötig, sonst hätte ich nicht meine Erfolge haben können." 340 Robert Graf v. Lamezan-Salins (Mödling, NÖ, 14. 8. 1869-29. 11. 1930, Lemberg), 18. 8. 1890 aus Theres. Milak. als Lt. zu DR. 6, ab 1.11.1896 Glstbskarriere, 1. 11.1907 Militärattaché in Paris und Brüssel, 1. 11. 1911 Obstlt.i.G., 1. 11. 1912 zu DR. 7, 6. 5. 1912 beurlaubt aus Gesundheitsrücksichten, 4. 8. 1914 Glstbschef Milkdo. Lemberg, 11. 8. 1914 Obst.d.G., 23.10. 1914 Glstbschef Gruppenkdo. F M L Peter Hofmann, 3. 5.1916 zugeteilt der Statthalterei von Galizien in der „Zentrale für die Wiederaufrichtung des Landes", 1. 11. 1917 GM, 1918 Teilnahme an den Kämpfen gegen die Rote Armee im Rahmen der 6. (poln.) Armee, später Divisionsgeneral und Armeeinspektor, 1928 Ruhestand. 341 Immerhin war, wie Leher, Conrad von Hötzendorf, 22, aus Pflanzer-Baltins Tagebuch entnimmt, „der 7. Armee mitgeteilt worden, daß sie Truppenverstärkungen erhalten sollte. Und zwar wurde ihr die 37. H I T D unter F M L v. Tabajdi und das ganze VI. Korps unter F M L Arz mit der polnischen [sie!] 12. I T D und der 39. H I T D zuinstradiert."

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pold-Orden, den ich zufällig damals erhielt. Die Gratulation der OperationsAbtg. lautete: „Das ist eine Auszeichnung, die Du Dir so ehrlich, schwer und redlich verdient hast wie Niemand. In schweren Zeiten, wirklich unter den schwierigsten Verhältnissen habt nur ihr euch bewährt, immer durchgehalten und immer wieder einen Ausweg gefunden ; darum hat Deine Dekorierung allseits wirkliche, ehrliche, aufrichtige und neidlose Freude erregt. ... Viel Tratsch, unverbindliche Privatbriefe, die den Dienstweg umgehen, machen auf maßgebende Personen starken Eindruck. Auch aus den Kreisen der 7. Armee sind viele Mitteilungen an das AOK gekommen, in denen über Deinen Armeekommandanten und auch über Dich geschimpft wird. Das soll Dich aber nur freuen, wird auch gewiß nicht schaden, denn wir halten fest zu euch und sind froh, wenigstens in euch eine Energiequelle zu haben. Was wir an Arger und Widerwärtigkeiten mit den eigenen Leuten und mit den p.t. Verbündeten verdauen müssen, läßt sich überhaupt nicht beschreiben. Die Operationen seit Gorlice sind trotz der tìrfolge dank der Kriegsmüdigkeit unserer Führer und dank der geringen Voraussicht, der Sprunghaftigkeit und Präpotenz Falkenhayns ein Leidensweg, den wir mit zusammengebissenen Zähnen und oft wirklich mit geballter Faust in der Tasche gehen." Ich hatte also wenigstens den einen Trost, daß es meinen Kameraden in der Operationsabteilung des AOK nicht besser ging als mir. Am 8./9. Oktober erfolgten wieder schwere Angriffe gegen unsere Ostfront, am 11. bis 14. gegen Buczacz. Nun begann auf Anordnung des AOK der Ausbau der Dauerstellung, dieser Ausdruck tatsächlicher Aufzehrung der Angriffskraft Mitteleuropas. Es trat nun bis Mitte Dezember eine Ruhepause ein. Da ich seit Kriegsbeginn nicht auf Urlaub war und auch jetzt nicht auf Urlaub gehen konnte, wurde meiner Frau erlaubt, mich zu besuchen. Ich sehnte mich unendlich danach, denn die inneren Verletzungen, welche man in einem solchen Kriege erleidet, machen den Menschen ebenso zum Krüppel wie die äußeren; bei mir kam noch erschwerend der Neid hinzu, den meine so einflußreiche Stellung bei so niederer Charge - ich war noch immer Oberstleutnant - erregen mußte. Am 22. Oktober passierte meine Frau Teschen, wo ihr Generaloberst Conrad sofort einen Besuch abstattete, am 23. Nachm. sahen wir uns auf dem Bahnhof von Stanislau nach lVi-jähriger Trennung wieder, ein glückseliger Tag reinster Freude. Nach einigen Stunden kam Exz. Pflanzer nach Stanislau, meiner Frau seinen Besuch abstatten, und ich blieb nun vier Tage dem Akdo. fern. In den ersten Novembertagen erfolgten große Angriffe gegen die deutsche Südarmee und gegen unseren nördlichen Flügel, am 20. Nov. verlegten aber die Russen angeblich wegen Wasser- und Unterkunftsmangel ihre Stellungen nach rückwärts, und wir hatten Kampfruhe bis zum 24. Dezember. Der

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Das Leben eines österreichischen Generalstabsoffiziers

zweite Kriegswinter hatte mit starken Schneestürmen eingesetzt. Anfang Dezember wurden alle unsere Kriegsbrücken über den Dnjestr durch einen Eisstoß abgerissen und mußten schleunigst neu gebaut werden, wobei sich unsere wunderbaren Pioniere glänzend bewährten. Die mehrwöchentliche Ruhepause war ein Segen für unsere Truppen, denn wir gingen schwersten Ereignissen entgegen. D. Die Winterschlacht in Ostgalizien (23. Dezember 1915-20. Jänner 1916) Bis zum 20. Dezember 1915 hatten wir die Gewißheit gewonnen, daß ein großer Angriff zwischen Dnjestr und Prut bevorstehe, stellten daher alle Reserven dort bereit und ließen durch den hochbegabten GM Elmar342 die Artillerieverwendung an dieser Front mehrheitlich vorbereiten und organisieren343. Am Weihnachtstag begann der Angriff wirklich in dem von uns vorausgesehenen Frontabschnitt, und es spielte sich zwischen der rumänischen Grenze und dem Dnjestr in einer Breite von etwa 30 km ein nur durch die Dunkelheit unterbrochenes vierwöchentliches Ringen ab, bei dem es sich um das rechtzeitige Einsetzen der Reserven an der richtigen Stelle und um eine Ökonomie der Kräfte handelte, damit noch zum Schluß der Schlacht die notwendige Reserve und Artilleriemunition verfügbar bleibe. In der Gefechtsfront lagen die Dörfer Rzawiency, Dobronoutz, Toporoutz, Rarancze, jeder Name ist ein Ruhmestitel unserer Truppen344.

342 Wilhelm v. Elmar (Gföhl, NÖ, 27. 5. 1859-6. 7. 1944, Innsbruck), 18. 8. 1880 aus Techn. Milak. als Lt. zu FAR. 12, ab 1. 11. 1895 Angehöriger des Techn. Militärkomitees, 1. 5. 1902 Mjr. im DAR 23, 15. 12. 1907 im Artilleriestab, 1. 11. 1909 Obst., 13. 4. 1910 Kmdt. Feldartillerieschießschule, 1. 5. 1914 GM, 8. 5. 1916 Adelsstand, 2. 1. 1917 Kmdt. 19. IBrig., 1. 5. 1917 FML, 27. 7. 1917 Kmdt. 19. ID, 8. 10. 1918 betraut mit den Agenden des Artillerieinspektors, 1. 1. 1919 pensioniert. 343 Um Serbien zu entlasten, unternahmen russ. Truppen im Herbst 1915 zahlreiche schwere Angriffe, die aber zu keinen wesentlichen Veränderungen an den Fronten führten. Ab 25. 12. 1915 griff eine zunächst für den Balkan bestimmte, in und um Odessa neu aufgestellte russ. Armee, der Rumänien den Durchmarsch nach Serbien verweigert hatte, die Stellungen der 7. Armee zwischen P r u t und Dnjestr an. Die bis 26. 1. 1916 dauernden Kämpfe brachten keine russischen Erfolge. Die russ. Armee verlor ca. 60.000 Mann, die 7. Armee etwa 30.000 Mann. Die Kämpfe „stärkten das Vertrauen in das eingelebte starre Abwehrverfahren mit stark besetzter vorderster Kampflinie" (Kiszling, Österreich-Ungarns Anteil am Ersten Weltkrieg, 42). 344 Während der erste erwähnte Ort (in den heutigen Karten meist als Rzhavinzy transliteriert) bereits jenseits der russischen Grenze lag, befanden sich die übrigen Orte im Bezirk Sadagora in der Bukowina.

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Am 24. Dezember wurden zwei Nachtangriffe abgewiesen. Wir feierten den Weihnachtsabend nicht, aber Exz. Pflanzer, der inzwischen Geheimer Rat, Großkreuz des Leopold-Ordens, Inhaber eines Regiments geworden war, schenkte mir zur Erinnerung ein Zigarrenetui mit der Widmung: „Der dankbare Kommandant der 7. Armee." Ich will nicht den Verlauf der Schlacht schildern, sondern nur einzelne Eindrücke, die uns bewegten. Am 29. Dezember wurde zu unserer Überraschung die Strypafront, unser linker Flügel, angegriffen. Es waren dort, ohne daß wir es erfahren hatten, 3 russische Korps aufmarschiert, Metzger, mit dem ich sofort telephonierte, versprach sogleich eine Truppen-Division als Verstärkung zu schicken. Die Angriffe wiederholten sich dort beim VI. Korps (General Arz) am 30. und 31. Dezember, wurden aber abgewiesen, wobei sich der nach den Ideen und Plänen des Mjr. Griebsch des Geniestabs 345 erbaute Stützpunkt auf Höhe 382, dann Pflanzer-Baltin-Höhe genannt, glänzend bewährte. Diesem Offizier fiel bei der Verteidigung an der Strypa zweifellos ein Hauptverdienst zu. Am Neujahrstage wiederholten sich die Angriffe an der Strypa und nördlich Czernowitz, wo unsere Front durchbrochen wurde; die Lage wurde mir als rettungslos geschildert, wir verschoben daher alle Reserven in diesen Raum zur Verfügung des dortigen Korps G.d.K. Korda. Die Krisis dauerte noch am 2. Jänner, weshalb Pflanzer mit mir zu Gl. Korda fuhr, um dort (im Räume bei Sadagora) persönlich Einfluß zu nehmen. Am 3. Jänner gelang es, die Front dort wiederherzustellen und ebenso an der Strypa beim Korps Arz alle Angriffe erfolgreich abzuschlagen. Am 4. kamen vom linken Armeeflügel (Korps Rhemen) und von der Mitte der Armee (Korps Hadfy) alarmierende Nachrichten, während nördlich Czernowitz glücklich gekämpft wurde. GM Metzger versprach weitere Verstärkungen. Am 5. und 6. - russische Weihnachten - trat Ruhe ein, schon gratulierte man uns zu unserm Sieg und glaubte, die Schlacht sei beendet, da erfolgten am 7. Jänner 1916 neue schwere Angriffe an der Strypa und Einbrüche bei Toporoutz. Die Strypafront konnten wir mit 2 ITD (21. und 24.) verstärken, die uns das AOK zugeschoben hatte, unser rechter Flügel mußte mit seinen Kräften auslangen. Am 11. und 12. wurde er heftigst angegriffen, bei Toporoutz auch durchbrochen, und es kam zu einem erbitterten Ringen an der ganzen Ostfront. Am 13. Jänner, dem russischen Neujahrstage, begann das Trommelfeuer ge345 Hugo Griebsch (Jassy, Rumänien, 9. 5. 1877-1. 6. 1927), 18. 8.1897 als Kadett-Offiziersstellvertreter zu Pionierbaon 8, 1. 11. 1898 Lt., Frequentant des höheren Geniekurses, Dienst in diversen Festungen und Kommanden, 1918 als Obstlt. Lehrer für Befestigungswesen am Informationskurs für Kriegsschulaspiranten, nach dem Weltkrieg Brigadegeneral in der poln. Armee.

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gen das Korps Korda, dem am 14. fünf Angriffe unmittelbar hintereinander folgten. Die Energie der russischen Führung unter Brussilow war großartig, aber die Organisation unserer Artillerie durch GM Elmar war meisterhaft und bewährte sich wunderbar. Am 18. Jänner entfernten die Russen alle Hindernisse vor der Ostfront, und am 19. brach die Hölle los. Unsere Artillerie wirkte auch furchtbar, und die Honvéds haben uns durch ihre Tapferkeit im Handgemenge gerettet. Am 20. wurden neue russische Verstärkungen gemeldet, aber die Russen griffen nicht mehr an, sondern begruben ihre Toten. Die Schlacht war beendet und gewonnen. Das Hauptverdienst kam den Kommandanten an der Front und den Truppen zu, denn die Leistung der Führung bestand nur darin, die Reserven rechtzeitig im richtigen Räume zur Verfügung zu stellen und für den Nachschub von Munition und Kriegsmaterial zu sorgen, endlich die Leistungsfähigkeit der Truppe richtig einzuschätzen. Zu einer besonderen schöpferischen geistigen Tätigkeit, wie bei der Schlacht bei Komarow oder bei der Frühjahrsoffensive des Korps „Ost" durch die Bukowina, ist bei einer Frontalschlacht wenig Gelegenheit. Die Leistungen der Truppe waren ungeheuer groß ; wir haben durch Flieger einen Teil der Ostfront photographieren lassen, die Photos wurden im Geographischen Institut in Wien auf eine Karte 1:7500 übertragen, und es stellte sich nun heraus, daß der Boden in größerer Dichte von Artillerietrichtern durchwühlt war als jener auf dem Schlachtfelde von Verdun. Pflanzer erhielt Mitte Februar das Militärverdienstkreuz I. Klasse, die höchste Auszeichnung, die es gab, GM Elmar und ich Mitte März das Militärverdienstkreuz II. Klasse; ich war der einzige Obstlt. der ö.-u. Armee, der es besaß. GM Metzger ließ mir offiziell mitteilen, Exz. Pflanzer und ich mögen nicht um den Militär-Maria-Theresien-Orden einkommen, da er uns über Antrag des Armee-Oberkommandanten verliehen werde. Dies ist allerdings nicht geschehen, weil Ehg. Friedrich Anfangs 1917 samt Conrad und Metzger enthoben wurde und neue Gesichtspunkte bei Kaiser Karl Eingang fanden. Ich erhielt Gratulationen von allen Seiten, wurde aber als „genialer" Generalstabschef gefeiert ; Pflanzer schenkte mir sein großes Ölbild mit herzlichster Widmung, die Budapester Honvéd-Division verehrte mir ein Ehrenexemplar ihrer Nahwaffe, „Fokos" genannt, mit einer kurzen Axt, mit der die Honvéds im Nahkampf den Sieg entschieden haben 346 . Ich wurde trotz aller Ehrungen dieses Sieges nicht froh. Wenn die Diplomaten eine solche Dauerschlacht mitmachen würden, hätten wir sofort Frieden und nie mehr Krieg. 346 Es handelte sich um die 20. HITD unter GM Paul v. Nagy, der in der 184. Promotion am 17. 8. 1918 das Ritterkreuz des MMTO verliehen erhielt.

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In Personalien gab es natürlich schweren Verdruß. Vier Generäle und ein Generalstabschef, die nicht unseren Anforderungen entsprochen hatten, mußten enthoben werden. Da sie Träger sehr angesehener Namen waren und einen ausgedehnten Freundeskreis namentlich in Wien besaßen, entstanden uns daraus in der Folgezeit böse Feindschaften. Auch meine Beziehungen zur OpA. des AOK waren, wie es begreiflich ist, während dieser Dauerschlacht manchmal sehr gereizt. Wenn dieser Krieg nicht bald aufhört, wird er alle Werte zerstören, wie immer es ausgeht. Die Kameraden, welche solche Ereignisse wie die Winterschlacht 1915/16 gemeinsam erlebt haben, verbindet ein Band der Treue, das nur der Tod oder gekränkter Ehrgeiz lösen kann. Die Nachkriegszeit brachte Orgien des Ehrgeizes347. E. Vier Monate Ruhepause Nach der Winterschlacht trat eine lange Erschöpfungs- und Ruhepause ein348. In dieser Zeit wurden die Verteidigungsstellungen ausgebaut. Da es 347 In seinem Manuskript Führungsstäbe (KA/NLS, B/115, nr. 1), 22f., schreibt Zeynek zusammenfassend über seine Erfahrungen im Stellungskrieg: „Infolge des einsichtsvollen Verständnisses unserer höheren Führer, die fast alle dem Generalstab entstammten, trat die einst gefürchtete Zweiteilung der Führung bei uns meistens ohne Reibungen in Kraft. Dies muß besonders gewürdigt werden, denn gerade bei den höheren Kommanden zeigt die Kriegsgeschichte eine Abstufung von Gefühlen, die von Bewunderung, Hochachtung, Freundschaft, bis zur Eifersucht, zu Neid und Haß, selbst destruktiver Feindschaft herabsteigt, welche die Armee zum Mißerfolg verurteilt. Die gemeinsame Arbeit von Heerführer und Generalstabschef, dieses einzigartige werktätige Zusammenwirken, setzt Seelengröße und Vornehmheit bei beiden Teilen voraus. Der Kommandant gelangt infolge des modernen Kriegsmechanismus in Abhängigkeit von einem jüngeren Gehilfen, dessen Gedanken er annehmen und unter seinem Namen in die Tat umsetzen soll, ohne von Eitelkeit und Eifersucht beeinflußt zu werden. Der Generalstabschef andererseits muß seine Arbeit, das Ergebnis seiner Studien, seiner Begabung, dem Kommandanten voll und ganz abtreten, als wäre es nicht sein geistiges Eigentum, er muß seine Persönlichkeit ihm opfern, unmerkbar und unsichtbar tätig sein und alle Ehre dem Kommandanten überlassen. Generalstabsdienst wird immer selbstloser Opferdienst sein und der einzige Lohn des Generalstabsoffiziers ist das Bewußtsein der in schwerster Zeit voll erfüllten Pflicht. Als seit 1916 die Kämpfe vorwiegend den Charakter des Stellungskrieges trugen, entwickelte sich gefühlsmäßig eine Spannung zwischen der oft unter den Strapazen des Kriegslebens schwer leidenden und in der Schlacht die Blutopfer tragenden Truppe und dem in größerer Sicherheit und in Ruhe arbeitenden Generalstab. Bei einem lang dauernden Krieg ist es deshalb unerläßlich, daß ein steter Wechsel zwischen Truppen- und Generalstabsdienst eintritt, was allerdings Personalreserven im Generalstab voraussetzt, die bei uns nicht vorhanden waren." 348 Anfang Jänner 1916 setzten Truppen der 3. Armee ihren Vormarsch gegen die Ostgrenze Montenegros fort. Gleichzeitig begannen Truppen unter G.d.I. Sarkotic aus der Herzegowina und von Cattaro (Kotor) aus mit einer Offensive gegen die Westgrenze Montenegros. Am 25. Jänner kapitulierte die montenegrinische Armee. Vom Dezember 1915 bis April

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sich hierbei um taktische, nicht operative Maßnahmen handelte, überließen wir die Initiative den Kommandanten an der Front. Als ich nach einigen Wochen die Stellungen besuchte, war ich entsetzt, denn es waren Notquartiere entstanden, ein Wirrwarr und Zickzack von gedeckten Hütten, Gängen, Gräben, wahre Labyrinthe, in denen eine rasche Unterstützung im Kampfe kaum möglich war und die oft zu Mausefallen werden mußten. Die Lebensnot erwies sich vielfach stärker als das zielbewußte Streben nach Erfolg im Kampfe. Da es sich um die Herrichtung einer Stellung von mehr als 150.000 m (Luftlinie) handelte und nur die primitiven Mittel der Truppe zur Verfügung standen, konnten die Resultate nicht gute sein; die Stellungen waren kaum gegen Haubitzfeuer eingedeckt und boten gegen schwere Artillerie keinen Schutz. Meine Eindrücke waren ungünstig, aber helfen konnte man um so weniger, als die Truppen unter sehr schlechten Verhältnissen lebten. Die Laufgräben waren durch die geschmolzenen Schneemassen im Frühjahr vielfach über xh m tief verschlammt, so daß die Grabenwände immer wieder einstürzten. Mannschaft und Offiziere konnten an mehreren Frontteilen, wo der Boden lehmig war, nur mehr barfuß gehen. Alle Arbei1916 wurden die Reste des serbischen Heeres (153.000 Mann) mit alliierten Schiffen von den albanischen Häfen auf die Insel Korfu gebracht. Sie wurden später der Orientarmee bei Saloniki zugeteilt. Dort entstand auch eine „Südslawische Legion" aus Staatsbürgern Österreichs und Ungarns (siehe Richard Georg Plaschka, Einige Perspektiven zum „Freiwilligen-Korps der Serben, Kroaten und Slowenen" in Rußland. Ein Modellfall der nationalen Bewegungen Ostmitteleuropas im Ersten Weltkrieg, in : Bildungsgeschichte, Bevölkerungsgeschichte, Gesellschaftsgeschichte in den böhmischen Ländern und in Europa. Festschrift für Jan Havránek zum 60. Geburtstag [Schriftenreihe des Osterreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts 14], Wien-München 1988, 370-385). Nunmehr hatten sich die Mittelmächte im Osten und auf dem Balkan so viel Operationsfreiheit geschaffen, dass sie an das Niederwerfen der beiden Westgegner oder Italiens denken konnten. Die nach den Siegen im Osten und auf dem Balkan frei gewordenen Kräfte hätten in Frankreich oder an der Südwestfront das Auftreten mit wuchtiger Angriffskraft ermöglicht. Tiefgehende Meinungsverschiedenheiten zwischen Conrad und Falkenhayn verhinderten aber den Beschluss eines einheitlichen Kriegsplanes für 1916. Falkenhayn hatte sich schon im Dezember 1915 entschlossen, Frankreich an der Maas in eine Ausblutungsschlacht zu verstricken, um danach gegen das englische Heer einen entscheidenden Schlag führen zu können. Die hierzu (ab 21. 2. 1916) bei Verdun angesetzte „Blutpumpe" erfüllte die Erwartungen keineswegs (Verluste bis November 1916 auf beiden Seiten jeweils etwa 800.000 Mann). Conrad plante einen doppelten, aus Südtirol und vom Isonzo her geführten Angriff gegen Italien. Da er die dafür notwendige deutsche Unterstützung nicht erhielt, reichten die Kräfte jedoch nur mehr für einen Angriff von der Hochfläche von Folgaria-Lavarone gegen Bassano, der - bedingt durch die hohe Schneelage und Nachschubprobleme - erst am 15. Mai begann. Ein entscheidender Erfolg blieb aus, und für den Durchbruch in die Ebene schien eine neue Offensive unter Einsatz der letzten verfügbaren Truppen nötig zu sein. Die am 4. 6. 1916 im Osten losbrechende russische Entlastungsoffensive unter General Brussilow brachte aber eine völlige Wendung der Lage. Vgl. dazu Arti, Die österreichisch-ungarische Südtiroloffensive.

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ten der Truppen reichten nur gerade aus, um den bestehenden Zustand zu erhalten. Von einer wirklich verteidigungsfähigen zweiten Stellung war gar keine Rede. Jede Einwirkung hätte die Stimmung der Truppen schwer beeinträchtigt; das AK sah daher ziemlich passiv den Ereignissen zu. Wir gaben uns keinen Illusionen hin, hofften nur, daß es uns wieder gelingen werde, in der nächsten Schlacht die Reserven rechtzeitig hinter den gefährdeten Abschnitten bereitzustellen 349 . In meinem Verhältnis zu Exz. Pflanzer hatte sich äußerlich nichts geändert, aber die verschiedenen Anerkennungen, welche auch mir zuteil wurden, machten ihn doch ein wenig ängstlich, und durch das besondere Hervortreten anderer Generäle in seiner Eitelkeit verletzt, legte er einen sehr hohen Wert auf eine gesteigerte Propaganda für seinen Namen ; er fand da auch tatkräftige Unterstützung bei einzelnen Unterkommandanten, die allen Beifall, alle Aufmerksamkeit auf seine Person lenkten : ich trug diesem begreiflichen Wunsch in vollstem Maße Rechnung und hielt mich vor der Öffentlichkeit ganz im Hintergrund, begleitete Exz. Pflanzer auch bei keiner festlichen Gelegenheit, ob es eine Brückeneinweihung oder eine Feier seines Ehrendoktorates oder Siegesfeste irgendwelcher Art waren. Wir erhielten reichen Besuch von ausländischen Zeitungsberichterstattern, Dänen, Schweden, Schweizern, Rumänen, Holländern, denen ich das Material zur Ehrung der 7. Armee und ihres Kommandanten zur Verfügung stellte, dann kamen türkische Prinzen, berlinerisch erzogen, der ung. und der öst. Landesverteidigungsminister, Deputationen einzelner Städte aus Osterreich, der rumänische Militârattaché Styrcea350, der Kommandeur der deutschen Südarmee Graf Bothmer, der uns in herzlichster Weise beglückwünschte, der Universitätsprofessor Dr. Eiseisberg351 aus Wien, Verbindungsoffiziere aus 349 Siehe auch Jerábek, Die Ostfront, 167 : „Seit Geländegewinne im Osten höchst unwahrscheinlich schienen, war Conrad darauf verfallen, die Russische Front als Mühlstein um seinen Hals zu betrachten, die ihn hinderte, seine alten Pläne in bezug auf Italien in die Tat umzusetzen.... Ein Defensivsieg in der Bukowina zum Jahreswechsel diente beim AOK nur dazu, die Vernachlässigung des östlichen Kriegsschauplatzes zu verstärken. Jetzt hielt man die Errichtung von Unterständen oder ,Fuchslöchern' in großer Zahl für das beste Heilmittel gegen künftige russische Angriffe. Diese nunmehr dezidiert defensive Haltung versetzte der Kampfmoral noch einen weiteren Schlag. Jetzt begann den ö.-u. Truppen an [dieser] ... Front die Kampfpraxis zu fehlen, während die taktische Ausbildung, der sie unterzogen wurden, groteskerweise noch vorwiegend auf den Angriff... ausgerichtet war." 350 Trajan Starcea (moderne Namensform Traian Stärcea), rumänischer Militârattaché in Wien, seit 1920 Gesandter in Budapest. 351 Anton Frh. v. Eiseisberg (Steinhaus bei Wels, OÖ, 31. 7. 1860-25. 10. 1939, bei St. Valentin, NO), 1901-1931 o. Prof. f. Chirurgie und Vorstand der I. chirurgischen Klinik am Allgem. Krankenhaus in Wien, 1906 Admiralstabsarzt a.D., 1914-1918 auch Kriegschirurg.

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der OpA. des AOK (Obstlt. Christophori und Slameczka), dann der Flügeladjutant des Königs von Rumänien, Obst. Sturdza. So mißtrauisch wir dem rumän. Major Styrcea gegenüberstanden, der auch tatsächlich seine Berichte durch den Ministerpräsidenten Bratianu352 prompt an die russische oberste Heeresleitung weitergeleitet hat, so sympathisch war uns Obst. Sturdza, dem wir vertrauensvoll entgegenkamen und der auch noch nach seiner Rückkehr zum König mir brieflich den Wunsch ausdrückte, daß wir uns immer freundschaftlich gegenüberstehen mögen. Alle diese Besuche gaben in manchmal übertriebener Weise und Form ihrer Bewunderung für die Führung der 7. Armee Ausdruck und erleichterten mir dadurch meine Stellung gegenüber Exz. Pflanzer nicht. F. Die 2. Offensive des Gl. Brussilow. Die Niederlage (3.-16. Juni 1916) Seit Ende April verdichteten sich die Nachrichten über das Eintreffen großer russischer Verstärkungen gegenüber der 7. Armee, und bis Ende Mai konnten wir selbst die Vorbereitungen zu einem Großangriff genau feststellen353. Brussilows Offensive sollte sichtlich die operative Gegenmaßnahme der Entente auf die österr. Offensive aus Tirol heraus sein. Für diese mußten wir unsere besten alpenländischen Truppen und unsere schwere Artillerie abgeben, wofür uns auch der Thronfolger Ehg. Karl nach seinen ersten Erfolgen in Südtirol besonders dankte. Ich hatte den größten Teil unserer Stellungen zwischen Prut und Dnjestr persönlich abgegangen und in die russischen Angriffsvorbereitungen in diesem Räume einen deutlichen Einblick gewonnen. Die Reserven wurden

352 loan Bratianu (1864-1927), 1909-1911, 1914-11/1918, XII/1918-IX/1919 und 1922-1926 rumän. Ministerpräs., setzte im Kronrat vom 3. 8. 1914 die Neutralität und dann 1916 den Kriegseintritt Rumäniens durch. 353 Vgl. Heinrich Benedikt, Wie es zur Katastrophe von Luck kam, in : Beiträge zur neueren Geschichte Österreichs, hrsgg. v. Heinrich Fichtenau und Erich Zöllner (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 20), Wien-Köln-Graz 1974, 489-492. Hier schildert der damalige Hptm.i.d.Res. Heinrich Benedikt, zugeteilt der Nachrichtenabt. des A O K , wie es Olt.i.d.Res. Viktor Marchesetti gelang, den russischen Punkverkehr zu dechiffrieren. Aus diesen Informationen und aus den Warnungen, die von GO Ehg. Josef Ferdinand, Kmdt. d. 4. Armee, an die OpA. des A O K gelangten, wären die Angriffsvorbereitungen der Russen hervorgegangen. Diese Informationen wären aber, so erfuhr Benedikt von dt. Offizieren, von Offizieren in der OpA. zurückgehalten worden. Ihr Ziel sei gewesen, F M Conrad auf ein neu zu bildendes Oberkommando gegen Italien abzuschieben und durch einen begrenzten Misserfolg an der russischen Front dort ein neues Oberkdo. bilden zu können. Benedikt informierte darüber so bald als möglich seinen Vorgesetzten Obst. Hranilovic. Vgl. auch Benedikts Memoiren Damals im alten Österreich, 330 f.

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dementsprechend bereitgestellt, aber das Zusammenziehen der Artillerie, die wieder unter den Befehl des GM Elmar gestellt wurde, erfolgte zu spät. Wir konnten uns nur schwer dazu entschließen, da mangels einer Artilleriereserve die einzelnen Batterien anderen Heereskörpern entnommen und deren Artillerieverbände dadurch zerstört werden mußten. Als die Schlacht ungünstig endete, hat man dem Armeekommando auch deshalb entsprechende Vorwürfe gemacht. Wir hatten uns zu dieser Maßregel nur unter dem Zwang der Not entschlossen, leider nicht rechtzeitig354. 354 Die wichtigste aus eigener Anschauung verfasste Studie über den Durchbruch bei Okna ist Pitreich, Die Schlacht bei Okna. Zahlreiche Einzelheiten auch bei Tuschel, Generaloberst Freiherr von Pflanzer-Baltin, 99-125. Der Historiker des gesamten Komplexes ist Rudolf Jerábek, Die Brussilowoffensive 1916. Ein Wendepunkt der Koalitionskriegführung der Mittelmächte, phil. Diss. Univ. Wien 1982. Die Offensive war ursprünglich bloß als ein Begleitunternehmen des gegen Wilna geplanten Hauptschlages gedacht, der dem für den 1. Juli anberaumten Generalangriff der Westmächte um zwei Wochen vorangehen sollte. Wegen der italienischen Hilferufe ließ Brussilow früher als ursprünglich beabsichtigt seine vier Armeen zum Angriff antreten. Sehr bald bildeten sich zwei Schwerpunkte der Kämpfe heraus, der eine im Raum um Luck, der andere in der nördlichen Bukowina. Bei Luck konnten die Russen bis zum Abend des sechsten Schlachttages die 4. Armee über den Styr werfen und zwischen ihr und der 1. Armee eine 15 km breite Lücke aufsprengen. Bis zum Monatsende konnten die russ. Truppen westlich von Luck zum Stehen gebracht und eine, wenn auch dünne, Front hergestellt werden. Die von den Russen erhoffte Wiedereinnahme von Lemberg war nicht geglückt. Die 7. Armee wurde bei Okna durchbrochen und wurde nach Verlust von Czernowitz zur Preisgabe der ganzen Bukowina und zum Rückzug auf den Karpatenkamm gezwungen. Die von Südtirol eiligst herangeholte 3. Armee (GO. Frh.v. Kövess) genügte zunächst nicht, die Front zu schließen. Eine aus neu herangeführten dt. und ö.-u. Divisionen gebildete 12. Armee unter Thronfolger Ehg. Karl Franz Joseph sollte durch eine Gegenoffensive Dnjestr abwärts die Lage zum Besseren wenden. Doch ehe diese Armee gebildet war, zwang neues Abbröckeln der Enden der bisher feststehenden Front zum vorzeitigen Einsatz der eingetroffenen Divisionen, und die geplante Gegenoffensive am Dnjestr kam nicht zustande. Der noch im Juni zum Heersgruppenkommandanten ernannte Thronfolger konnte aber wenigstens mit der ihm unterstellten dt. Südarmee sowie der 3. und 7. Armee bis Ende Juli westlich von Kolomea eine feste Front bilden. Die Ursache der Durchbrüche bei Luck und Okna sind zunächst in der dem neuen russischen Angriffsverfahren gegenüber nicht mehr entsprechenden Abwehrtaktik und in Fehlgriffen der örtlichen Führung zu suchen. Außerdem versagten überraschend oft Truppen mit slawischem Ersatz, was zur Erkenntnis führte, dass sie nach zweijährigem Krieg gegen Russland nicht mehr unbedingt verlässlich verwendbar waren. Die hohen Verluste der ö.-u. Truppen von 475.000 Mann, davon 265.000 Gefangene, im Juni und Juli 1916 zwangen den dt. Verbündeten zu immer größeren Unterstützungen. Dadurch geriet das AOK in wachsende Abhängigkeit von der DOHL, sodass GFM v. Hindenburg das Oberkommando über die bisher dem AOK unterstellte dt. Heeresgruppe Linsingen und die 2. Armee (GO. ν. Böhm-Ermolli) erhielt. Bloß die Heeresgruppe Erzherzog Karl blieb dem AOK uneingeschränkt untergeordnet. In der sechsten Isonzoschlacht (4.-6. 8. 1916) eroberten die Italiener den Görzer Brückenkopf, worauf die Front auf die Höhen östlich der Stadt zurückverlegt und auch die Hochfläche von Doberdò planmäßig geräumt wurde. Dies war der erste Erfolg der Italiener nach 15

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Der russische Angriff begann am 4. Juni genau in dem vorausgesagten Raum, hinter welchem das Gros unserer Reserven bereitstand. Der Kommandant des dortigen Abschnittes, FZM v. Benigni, erwartete den Angriff mit Ungeduld und stellte einen großen Erfolg in Aussicht, da er zu einem kräftigen Gegenangriff entschlossen war. Es kam jedoch anders. Unsere Stellungen südlich des Dnjestr wurden durch mehrstündiges Trommelfeuer schwerer Artillerie in einer Ausdehnung von mehr als 6000 m in einen Schutt- und Trümmerhaufen verwandelt ; sie glichen während dieser Beschießung einem endlos breiten braunen Geysir ; unsere braven Honvédtruppen wurden buchstäblich begraben, und als das Trommelfeuer aufhörte und das Sperrfeuer einsetzte, sah man ganze Kolonnen in die russische Kriegsgefangenschaft abmarschieren. Nun erfolgte ein mächtiger russischer Einbruch. GO Pflanzer hatte eine starke Influenza und lag mit 39 Grad Fieber zu Bett; ich referierte ihm wie gewöhnlich. In seinem Fieberzustand regte er an, ich solle allein zu FZM Benigni fahren und dort die Leitung der Aktion übernehmen; ich lehnte dies ab, weil sich schon gleichzeitig die Angriffsvorbereitungen gegen den linken Flügel der Armee an der Strypa deutlich aussprachen. Es ehrte mich, daß Pflanzer mir das Recht seines persönlichen Eingreifens an der kritischen Stelle gerne übertragen wollte, aber die Verhältnisse lagen grundverschieden. Er als Armeekommandant konnte dem FZM Benigni befehlen, ohne daß die Führung desorganisiert wird, ich als Obstlt. hätte FZM Benigni um das Gefühl eines ruhigen Selbstbewußtseins gebracht, hätte mich zwischen seinen ausgezeichneten Stabschef Max Pitreich und ihn eingedrängt und hätte schließlich im entscheidenden Moment, wo es sich um die Verwendung der ganzen Armeereserve gehandelt hätte, doch die Entscheidung des AK anrufen müssen, weil ich bei Benigni über die Vorkommnisse am linken Armeeflügel nicht orientiert gewesen wäre, überdies hätte ich gewiß von dort aus, mitten im Trubel eines Gefechtes stehend, nicht die Leitung der Ereignisse am linken Armeeflügel besorgen können. Nun lag aber Exz. Pflanzer fieberkrank im Bett und war telephonisch nicht erreichbar. Es wäre also die Führung beim AK und bei Benigni desorganisiert worden. Die Korpskommandanten des linken Armeeflügels hätten in ihrer Bedrängnis weder mit dem Armeekommandanten noch mit dem Armeeglstbschef sprechen können. Man stelle sich nur die Auswirkung einer solchen Situation vor; diese Bilder durchzuckten mich blitzartig, und mir war klar, daß in dieser Lage eine Trennung von Kommandant und Stabschef unzulässig war.

Monaten Krieg. Vgl. dazu auch Kiszling, Österreich-Ungarns Anteil am Ersten Weltkrieg, 44 f.

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Wir stellten also dem FZM Benigni, der das volle Vertrauen Pflanzers besaß, alle unsere Reserven (eine Feldjägerbrigade, das IR. 16, IR. 97, LwIR. 25) für einen raschen Gegenstoß zur Verfügung. Dieser schien zu gelingen, aber am Nachmittag meldete Pitreich, die Front sei ganz durchbrochen, da die Russen über Okna eingedrungen seien. Alle Viertelstunden telephonierte nun Pitreich eine Schreckensnachricht nach der andern, während die übrigen Korpskommandanten dringendst Verstärkungen verlangten. Am 5. Juni ließen wir alle Stellungen nördlich des Dnjestr räumen, um unsere Front zu verkürzen und neue Reserven zu gewinnen ; es war ein bitterer Entschluß, aber wir hofften, um diesen Preis den russ. Angriff zum Stehen zu bringen. Wir hielten uns am 5. und am 6., aber alle Reserven waren aufgebraucht. Am 7. brachen die Russen in unsere Stellungen an der Strypa ein, stießen bei Jazlowiec stark nach, verfolgten auch mit Kavallerie und erzeugten dort beim Korps Rhemen eine Panik; das Korpskommando ging selbst bis Nizniow zurück und beurteilte die Lage äußerst pessimistisch. Exz. Pflanzer, der sich inzwischen von der Influenza erholt hatte, war bewundernswert ruhig. Wir waren entschlossen, uns, wenn es sein muß, zertrümmern zu lassen, aber nur schrittweise den Boden aufzugeben, nicht Kartenstrategie, sondern Terraintaktik zu betreiben; man ahnt nicht, welche militärische Wichtigkeit eine Bodenwelle hat. Die Deckung des Südflügels der benachbarten deutschen Südarmee war vorläufig zweifellos unsere Hauptaufgabe, daher eine zähe Verteidigung des Raumes unsere Pflicht. Nach diesem Grundsatz ging das AK streng konsequent vor. Am 8., 9. Juni verschlechterte sich die Lage beim Korps Rhemen, dem wir als letzte Reserve die „Handpferde-Detachements der Kav. Divisionen" zuschoben. In der Nacht zum 10. sprach ich mit GM Metzger die Lage durch, doch konnte er mir keine Direktiven geben. Erst am 10. Juni 1 Uhr 30 nachm. kam im allerletzten Augenblicke die Direktive, das Gros der Armee nicht zur Deckung der Bukowina zu verwenden, sondern in westlicher Richtung zurückzuführen. Jede Minute war kostbar, um das Zurückgehen der Gruppe Benigni in südlicher Richtung gegen den Prut zu verhindern ; ich gab daher als allgemeine Rückzugsrichtung den Ort Kotzman und als anzustrebende Front die Linie Walawa-Kadobestie an und ließ durch alle verfügbaren Offiziere des Stabes den Rückzug an Ort und Stelle dirigieren. Exz. Pflanzer genehmigte nachträglich diese Verfügungen, und es gelang wirklich noch, die Gruppe Benigni gegen Westen abzudrehen ; alle meine Gehilfen waren ruhig, tätig und energisch. Am 11. Juni wurde der Rückzug in die angegebenen Räume durchgeführt, aber die Gruppe Benigni war gefechtsunfähig, ihre Kraft war aufgebraucht, und unser Versuch, in der Linie Sniatyn-Zaleszczyki weiterzukämpfen, war nicht durchführbar. Die Situation war: Gruppe Korda deckte die Bukowina, das Gros der Armee war im Rückzug gegen Westen, die Gruppe Benigni zertrümmert und zermürbt, das

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Korps Hadfy im Rückzug gegen Stanislau, am wenigsten hergenommen, die Korps Rhemen und Arz sehr schwer erschüttert im Rückzug gegen die Zlota Lipa. Nur durch Verstärkungen konnte eine weitere russ. Offensive zum Stehen gebracht werden, unsere eigene Kraft genügte nicht mehr. Viele Jahre nach dem Kriege erfuhr ich zu meiner Überraschung, daß Exz. Pflanzer am 8. Juni den Plan gefaßt hätte, die ganze Armee in einem Zuge hinter den Pruth zurückzuführen, um von dort offensiv vorzustoßen. Diese Nachricht kam mir und allen Kameraden, die damals an der Führung beteiligt waren, absurd vor. Angeblich sei Pflanzer vom AOK Teschen in diesem Plane durchkreuzt worden, und die Weisungen des AOK hätten wie ein Bleigewicht auf der Führung des 7. AK gelastet. Ich stelle fest, daß der Rückzug der 7. Armee in vollem Einvernehmen mit dem AOK Teschen und ausschließlich nach der Leitidee erfolgte, eine Isolierung der benachbarten deutschen Südarmee zu verhindern. Einen so abenteuerlichen Plan, die zerfetzte 7. Armee hinter den Pruth, also zirka 100 km südlich der deutschen Südarmee, zurückzunehmen, hat Exz. Pflanzer damals mit mir überhaupt nicht besprochen, er ist nicht einmal theoretisch ausgearbeitet worden und hat in keiner Weise auf die Führung und auf die Ereignisse bei der 7. Armee einen Einfluß gewonnen. Ich kann nur annehmen, daß Exz. Pflanzer in seiner impulsiven Art vor irgendeinem für die Führung nicht verantwortlichen Offizier, im privaten Verkehr, so einen Gedanken geäußert hat, ohne aber irgendwie ernstlich an seine Ausführung zu denken. Die Vorbereitungen zur Okna-Schlacht, diese selbst und die Durchführung des Rückzuges lagen in meiner Hand, Exz. Pflanzer übernahm die Leitung erst am 13. Juni, als ich zurücktrat und der ihm unbekannte Gl. Seeckt355 an meine Stelle kam. Diese Tatsachen bestätigte GO Pflanzer in einem an mich gerichteten Brief v. 8. 4. 1920356. Seeckt befand sich an diesem Abend in einer Gesellschaft. Am 12. Juni erhielt ich ein Chiffrentelegramm des Armee-Oberkommandanten FM Ehg. Friedrich, mit der Mitteilung, daß von der DOHL bedeutende Verstärkungen zur 7. Armee kommen werden, daß dies jedoch an die Bedingung „eines erhöhten Einflusses auf die operative Führung gebunden 355 Über (zuletzt) GO Hans v. Seeckt (1866-1936) vgl. Glaise-Broucek I, 358, Anm. 256. Er war 1915/16 Chef d. Glstbs. Heeresgruppe Mackensen, 14. 6. 1916 Oberglstbschef k.u.k. 7. Armee, 1. 7. 1916 Chef d. Glstbs. Heeresgruppe Ehg. Karl bzw. Ehg. Joseph, 2. 12. 1917 Chef d. Glstbs. des türk. Feldheeres. 356 Zeynek bezieht sich hier ausdrücklich auf seinen Aufsatz Ein mißglückter und ein gelungener russischer Durchbruch. Eine Ergänzung, in: Militärwissenschaftliche Mitteilungen 67 (1936), 146-147. Dagegen Tuschel, Generaloberst Freiherr von Pflanzer-Baltin, 104: „Es steht aber entgegen Zeyneks Ansicht fest, daß Pflanzer sehr wohl eine solche Maßnahme [nämlich den Rückzug bis zum Prut] erwogen hatte, wie aus den Tagebuchnotizen PflanzerBaitins als auch aus AO K-Befehlen hervorgeht."

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wurde, weshalb Gl. v. Seeckt als Ober-Generalstabschef eingeteilt, Obst. Zeynek als Generalstabschef auf seinem Posten zu bleiben hat. Notwendigkeit gebietet anzunehmen, da hierdurch weitere kräftige Unterstützung gewährleistet wird. Bei Versicherung vollsten Vertrauens in bewährte Führung Exz. Pflanzers und in erprobte Tätigkeit des Obst. Zeynek bin ich vom verständnisvollen Eingehen beider Herren auf den zwingenden Ernst der Lage überzeugt und gewärtige mit Zuversicht gedeihliches Zusammenarbeiten mit Gl. v. Seeckt." Ich wäre nicht überrascht gewesen, wenn Exz. Pflanzer und ich enthoben worden wären, denn im Krieg ist nur der Erfolg maßgebend, ich war aber ganz überrascht von dieser künstlichen Lösung. Pflanzer wurde öffentlich unter Kontrolle gestellt, mir ein widerspruchsvoller Posten zugewiesen und Seeckt zwischen mich und Pflanzer eingeschoben. Ein Armeekommandant kann nur einen, nicht zwei Ratgeber haben; ich wäre entweder nur zum Schein Generalstabschef der 7. Armee geblieben oder in das Zwielicht eines Intriganten geraten. Beides fand ich unter meiner Würde. Ich wußte, daß man mir vertraut, daß aber Falkenhayn die Leitung nicht einem ö.-u. Offizier überlassen wollte. Ich fügte mich daher nicht dem Wunsche des FM Ehg. Friedrich und glaubte, daß sich Pflanzer solidarisch erklären und, im Kern seiner Stellung, getroffen auch seine Abberufung verlangen werde. Exz. Pflanzer blieb; ich erhielt „bei voller Anerkennung meiner ausgezeichneten Dienstleitung" einen Urlaub, hatte nur das Eintreffen des Gl. v. Seeckt abzuwarten357. Die DOHL sandte zunächst nur zwei ITD zur Verstärkung! Da wurde wirklich eine Erstgeburt für ein Linsengericht verkauft, denn es handelte sich um die prinzipielle Frage der Qualität militärischer Führung durch österreichische oder preußische Generale. Die russische Offensive war inzwischen zum Stehen gekommen. Das 7. A K verlegte sich am 15. Juni von Kolomea, wo es ein Jahr lang tätig war, nach Bohorodczany südlich Stanislau. Am Vormittag traf Gl. v. Seeckt ein. Die Art, wie er von mir die Agenden übernahm, machte auf mich einen sehr guten Eindruck: Er gab mir auch recht, daß ich nicht auf meinem Posten bleiben wollte. Exz. Pflanzer war niedergebrochen, im Stab herrschte Empörung. Ich mußte am 16. Juni noch am gemeinsamen Mittagessen teilnehmen, ich stand bald auf und verabschiedete mich von Gl. Seeckt, der auch

357 Dazu Tuschel, Generaloberst Freiherr von Pflanzer-Baltin, 104: Pflanzer konnte sich nach dem Rückzieher des A O K nicht mehr des Gedankens erwehren, „daß unsere Heeresleitung bereits in volle Abhängigkeit von der DOHL gekommen war. ... Meinetwegen, einheitliche Leitung war nötig, doch darf diese nicht von den Deutschen gegen unsere Mentalität brüsk ausgenützt werden" (Tagebuch Pflanzer-Baltin, 9. Juni 1916).

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dazugekommen war. Als ich wegging, erhoben sich alle Offiziere, es war Totenstille, alle Blicke starr auf mich gerichtet, ich konnte die Tränen kaum unterdrücken. Ich hatte wunderbare Mitarbeiter im General-, im Genie- und im Artilleriestab. So endete für mich der wichtigste Teil meiner operativen Tätigkeit im Weltkriege. (Das drückendste Gefühl war, daß die Monarchie sich nun nicht nur gegen äußere Feinde wehren, sondern gleichzeitig einen Kampf gegen preußische Herrschsucht führen mußte, die den Weltkrieg auch dazu benützen wollte, Österreich-Ungarn zu unterwerfen.) Ich fuhr über Lemberg, wo reiches Leben wie mitten im Frieden herrschte, so daß ich es gar nicht erfaßte, daß das auch Kriegsschauplatz genannt wurde, ohne Aufenthalt beim AOK nach Prag, wo ich vom 18. bis 30. Juni auf Urlaub blieb. Ich wurde dort von ziviler und militärischer Seite um Nachrichten bestürmt, enthielt mich aber jeder Mitteilung. Die Nachrichten vom Kriegsschauplatz lauteten elend. Die 7. Armee ging unaufhaltsam zurück, die Bukowina wurde geräumt. Exz. Pflanzer schrieb mir, wie leid es ihm tue, daß ich nicht mehr an seiner Seite stehe ; und daß sich ein Fremder eingedrängt habe : „Mich freut es nicht, wenn ich sehe, wie miserabel jetzt der Dienstgang ist und nicht wie früher glatt und mit meinem vollen Vertrauen" (22. 6. 1916). Mein Stellvertreter, Oberst v. Jäger, der Chef der OpA., schrieb mir : „Der Ober-Generalstabschef hat nicht das Gefühl des unbedingten Einflusses auf Pflanzer. Was Seeckt irritiert, sind die Fahrten Pflanzers an die Front, weil er nie weiß, was Pflanzer draußen befiehlt und treibt. Gegenseitiges Vertrauen besteht nicht. Daß er selten, und nur wenn Pflanzer fragt, seine Meinung sagt, ist wieder Pflanzer nicht gewohnt. Er ersehnt und erwartet Deine Rückkehr" (26. 6. 1916). GM Metzger schrieb mir: „Wir hoffen, die kargen Urlaubstage werden vielleicht doch genügt haben, um Dir über einen Teil des Ekels hinwegzuhelfen, den die Juni-Sache begreiflich bei Dir erregt hat. ... Die Verhältnisse in Deinem altgewohnten Wirkungsbereich sind nicht günstiger geworden, als sie zur Zeit Deines Urlaubsantrittes waren. Es mag Dir eine kleine Genugtuung sein, daß auch der ,deutsche Einfluß' nichts anderes zu erzielen vermochte wie der Deine. Das Ganze war ein durch Falkenhayn dem AOK in kritischer Zeit aufgezwungenes Oktroy, gegen das ein Wehren nicht möglich war" (1. 7. 1916). Gleichzeitig erhielt ich am 1. Juli 1916 ein Telegramm des AOK, ich solle „sofort mit größter Beschleunigung auf bisherigen Posten einrücken". Wenige Stunden später befand ich mich bereits auf der Fahrt nach Krakau, wo mir eine Zuschrift des GO Conrad übergeben wurde, in welcher Conrad seinem Bedauern Ausdruck gab, „daß er infolge übermächtiger Einflüsse kurze Zeit auf meine Mitwirkung verzichten mußte und mich mit Vertrauen und Freude auf meinem alten Dienstposten neuerlich begrüße".

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G. Nochmals Generalstabschef der 7. Armee (30. Juni-10. September 1916) Ich fand das 7. Armeekommando noch in Bohorodczany. Die Armee war ununterbrochen ohne den Versuch einer Gegenaktion bis in die Linie Dorna Watra-Tatarenpaß-Delatyn-Stanislau zurückmarschiert, die Lage war elend, die Stimmung noch schlechter. Exz. Pflanzer sprach sich sehr ungünstig über Gl. v. Seeckt aus, dessen Entschlüsse nicht zweckmäßig gewesen seien, weil er das Gelände im Kampfraume nicht kannte. Gl. v. Seeckt benahm sich bei der Ubergabe seines Amtes an mich korrekt; er habe sich überzeugt, daß unter meiner Leitung mustergültige Ordnung war und daß meine Rückkehr erwünscht sei. Er sprach sich über alle Personalfragen des Armeekommandos offen aus. Leider fand ich nicht mehr meinen alten Stab ; die Personen waren geblieben, aber der Geist hatte sich geändert; der in vielen Monaten geschaffene Aufbau einer einheitlichen geistigen Zentrale war zusammengebrochen. Der frühere ehrliche, offene, frische Geist war wie weggeblasen. Dies trat auch äußerlich in Erscheinung, denn während wir früher wie eine Familie gelebt hatten, kam jetzt Exz. Pflanzer nicht mehr zu den Mahlzeiten. Die Herren hatten das Vertrauen zu ihm verloren, sprachen ungünstig über seine Charaktereigenschaften, und beim Armeekommando hielt man mit aufreizenden, unfreundlichen Reden gegen ihn nicht zurück. Einzelne Generalstabsoffiziere sahen schon in dem preußischen General den künftigen Herrn und bewarben sich um seine Gunst, trugen ostentativ nur das Eiserne Kreuz und wandten sich mit ihren Gedanken in diese Richtung. Um so höher schätzte ich die Treue, welche der Großteil meiner Mitarbeiter bewahrt hatte; bei manchen Herren war eine sehr starke antipreußische Einstellung eingetreten, und so hatten sich mitten im Krieg binnen kaum zwei Wochen innerhalb des so einheitlich geschulten und gesinnten Stabes zwei Lager gebildet, und das Vertrauensverhältnis, das früher bestand, war nicht mehr da. Ich hatte mich entschlossen, nur an das Wohl der Armee zu denken, aber das Prestige der ö.-u. Truppen strenge zu wahren 358 . Die Truppen waren stark hergenommen, es fehlte nicht an Disziplin, aber an Kampffreudigkeit. Zur Kennzeichnung der Stimmung führe ich an, daß 358 Leher, Conrad von Hötzendorf, 31 f.: „Außerdem teilte ihm Stabschef Zeynek mit, daß über ihn beim AOK minder günstige Urteile gefallt werden. Am 9. 7. schrieb Pflanzer unter dem Eindruck dieser ungünstigen Urteile in sein Tagebuch: ,Haben denn diese Kanzleiherrn meine Leistungen und Erfolge vergessen? Haben sie vergessen, daß Exzellenz Conrad mich als seinen tüchtigsten General bezeichnet hatte? Haben sie jene schriftlichen Anerkennungen vergessen, in denen ich besonders hervorgehoben wurde? Das Ganze läuft auf eine planmäßige Unterwühlung der Stellung meiner Person aus, die diesen und anderen Herren nicht mehr genehm ist.'"

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ein hoher General (FZM Scheuchenstuel359) und sein Stabschef (GM Sündermann 360 ), die von der italienischen Front gekommen waren, sich weigerten, den ihnen zugewiesenen Abschnitt zu übernehmen, da die Lage hoffnungslos sei. Ich war darüber entrüstet, da doch jeder Soldat dort kämpfen muß, wo man ihn hinstellt ; aber der Vorfall war symptomatisch. Wir unterstanden nicht mehr dem AOK Teschen, sondern dem Heeresfrontkommando Erzherzog Karl, dessen Stabschef General v. Seeckt wurde, der sonach mein direkter Vorgesetzter war. Beim Erzherzog-Thronfolger war Oberst Alfred Frh. v. Waldstätten eingeteilt ; er hatte leider nicht das Recht, einen Einfluß auf die Führung zu nehmen, genoß aber das vollste Vertrauen des Thronfolgers. So ungesund hatten sich die Verhältnisse durch das Eindringen des norddeutschen Einflusses gestaltet. Der furchtbare Kleinmut, der in der 7. Armee Platz gewonnen hatte, sprach sich darin aus, daß die Kommandanten bei relativ schwachem feindlichem Drucke schon zurückgingen. Es meldeten aber die meisten Kommandanten Erschöpfung der Truppe, und viele baten um ihre Enthebung; es gab infolgedessen unangenehme Personalkonflikte wie in den allerersten Kriegswochen. Die Deutschen übten ihre Oberkontrolle manchmal zu scharf aus, trotzdem zogen viele Kommandanten ihr Regime vor, weil sie dabei mehr Munition, mehr Artillerie, mehr Anerkennung erhielten. Das AOK wollte seinen direkten Einfluß auf uns auch nicht aufgeben, was sich besonders in negativer Kritik aussprach. So hatten wir zwei direkt vorgesetzte Stellen und ein wenig brauchbares Instrument. Unsere Situation war wirklich nicht beneidenswert. Als ich mich beim Heeresgruppenkommandanten Ehg. Karl in Chodorow361 meldete, erörterte Gl. v. Seeckt die operative Lage, der Ehg. besprach Personalfragen der Generalität, Waldstätten war ausgeschaltet. Es ist begreiflich, daß der Erzherzog aus dieser Zeit den Wunsch auf den Thron mitnahm, den Krieg unbedingt zu beenden, der zu einem Martyrium für die Armee geworden war und besten Falles als preußischer Sieg über Osterreich enden mußte. Die operativen Ereignisse bei der 7. Armee nahmen keinen glücklichen Verlauf. Es kamen uns während der nächsten Wochen mehr als sieben Truppendivisionen an Verstärkungen zu, aber sie wurden verzettelt, denn sie trafen nicht planmäßig ein, konnten daher immer nur zur momentanen Unterstützung in den gefährdeten Räumen verwendet werden. Wenige Tage nach meinem Eintreffen beim AK bat ich Exz. Pflanzer, er möge um seine Ent359 Über Viktor Graf Scheuchenstuel (1857-1938) vgl. Glaise-Broucek I, 410, Anm. 409. 360 Über Ludwig Sündermann (1869-1936) vgl. Glaise-Broucek I, 178, Anm. 137. 361 In Chodorów, ca. 50 km südsüdöstlich von Lemberg, befand sich das Hauptquartier der Heeresgruppe GO Ehg. Karl Franz Joseph.

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hebung bitten. Er tat es, aber das A O K antwortete ausweichend. Ich hatte fortlaufend Konflikte mit General v. Seeckt. Ich konnte zu diesem Mann mit dem Monokel, dem süßen Lächeln, das plötzlich eisig erstarrte, keine Sympathie fassen ; der nordische und der österreichische Mensch bleiben durch eine Kluft getrennt. Am 10. Juli hätte nach Rücksprache mit General v. Seeckt ein größerer Angriff südlich Delatyn stattfinden sollen ; ich hatte ihn rekognosziert, er war bereits disponiert, wurde aber am 12. Juli vom Ehg. Karl abgesagt. FML Metzger ließ mir sagen, das A O K wünsche unbedingt, daß Pflanzer und ich auf unseren Posten ausharren. Die Reibungen mit General v. Seeckt wegen interner Fragen vermehrten sich; preußische Ordonnanzoffiziere kontrollierten unsere erfahrenen Truppenkommandanten, der preußische Artilleriegeneral Hafenstein362 unsere Artilleriegenerale. So konnte es nicht weitergehen. Da nach meiner Ansicht die Karpatenfront von Ostgalizien aus nicht geleitet werden konnte, beantragte ich die Zweiteilung der 7. Armee, was auch am 16. Juli vom A O K verfügt wurde. Am 20. Juli übernahm GO ν. Kövess den galizischen Frontteil, und nach schwerem Abschied von den Kommandanten in Ostgalizien, mit denen wir seit VA Jahren zusammengearbeitet hatten, fuhr das 7. A K nach Máramaros-Sziget, um von dort aus die Karpatenverteidigung zu leiten. In Máramaros-Sziget empfingen mich böse Nachrichten über die Kämpfe am Tatarenpaß und gleichzeitig sehr unfreundliche Bemerkungen des AOK, welches uns sprunghafte Entschlüsse, Verwendung der Kräfte in falscher Richtung, Zerreißung der Verbände, verspätete und sogar unrichtige Berichterstattung vorwarf. Ich wurde fast gemütskrank vor Ekel und Arger, geriet gegenüber dem Heeresgruppenkommando in eine gereizte Stimmung, da ich entweder eine Änderung dieses Zustandes zu unsern Gunsten oder einen offenen Bruch herbeiführen wollte. Ich mußte auch gegen den deutschen Verbindungsoffizier einschreiten - Generalstabsmajor Herrgott 363 - , mit dem mehrere Herren wegen seiner scharfen österreichfeindlichen Propaganda nicht mehr verkehren wollten. Er wurde tatsächlich enthoben und beim Korpskommando Graf Kirchbach364 eingeteilt.

362 Richtig GLt. Otto Hermann Havenstein (1859-1931). 363 Adolf Herrgott (Bamberg, 1. 10. 1872-15. 2. 1957, Lindau am Bodensee), 1890 Eintritt in die bayer. Armee, 1911 Mjr., 1. 7.-9. 9. 1916 dt. Verbindungsoffizier Heeresgruppe Ehg. Karl Franz Joseph, dann im Glstb. 7. Armee bis 18. 7. 1917, 14. 12. 1916 Obstlt., seit VII/1917 Armeegruppe Palästina, 2. 12. 1917-6. 4. 1918 in der türk. Armee, türk. GM, dann wieder in der bayer. Armee, 1920 Obst., 1923 GM, 1939 Charakter eines GLt., 1941 GLt. ζ. V. 364 Karl Graf v. Kirchbach (Gyöngyös, Ungarn, 20. 5. 1856-20. 5. 1939, Scharnstein, OÖ), 18. 8. 1875 als Lt. zu DR. 5, ab 1884 Glstbskarriere, 1. 11. 1905 Kmdt. 10. KBrig., 3. 4. 1909 Kmdt. KTD in Temesvár, 3. 3. 1914 Landwehrkavallerieinspektor, 17. 2. 1914 Geh. Rat, 1. 5. 1914 G.d.K., 25. 7. 1914 Kmdt. I. Korps und Kdi. Gen. in Krakau, 8. 9. 1916 Kmdt. 7. Armee, 1.

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Am 22.-23. Juli fanden ungünstige Kämpfe am Tatarenpaß und nördlich vom Prislopsattel statt. Nach Ansicht Seeckts hatte ich auf diesen zu starke Kräfte zur Unterstützung geschickt ; in einem Telephongespräch lehnte er meine Anträge brüsk ab; wir hatten nicht mehr die Freiheit, über die eigenen Kräfte zu disponieren, sondern mußten bei jedem Entschluß vorher die Genehmigung des Gruppenkommandos einholen. Als der Erzherzog mit Seeckt uns am 27. Juli besuchte, war der Ton derartig steif, daß wir uns nicht als Kriegskameraden, sondern als Angeklagte vorkamen. Ende Juli übernahm FM Hindenburg den Befehl über die ganze russische Front, wodurch unser AOK überhaupt ausgeschaltet wurde. Dieses Gefühl war für jeden österreichischen Offizier niederdrückend. Ehg. Karl bat mich, gegen General v. Seeckt nachgiebiger zu sein. Ich hatte nur einen Wunsch, von meiner Stellung enthoben zu werd. Die Armee GO ν. Kövess in Ostgalizien hatte inzwischen eine schwere Niederlage erlitten, und Rumänien hatte uns den Krieg erklärt365. 11. 1916 GO, 2. 3. 1917 Kmdt. 4. Armee, Frühjahr 1918 Höchstkommandierender der k.u.k. Truppen im Gouvernement Cherson, 24. 9. 1918 Inspizierender der k.u.k. Truppen an der Westfront, 1. 12. 1918 pensioniert. 365 Die am 17. 8. 1916 abgeschlossene Militärkonvention mit der Entente verpflichtete Rumänien zum Kriegseintritt. Wieder waren Versprechungen auf den Gewinn ö.-u. Staatsgebiets gemacht worden. Das AOK hatte schon seit Wochen den Funkverkehr zwischen Rom und St. Petersburg entschlüsseln können und war daher von der Kriegserklärung am 27. August nicht überrascht. Deutschland, die Türkei und Bulgarien antworteten ebenfalls mit Kriegserklärungen. Am 29. August übernahm GFM Paul v. Hindenburg von G.d.I. Erich v. Falkenhayn das Amt des Chefs des Generalstabs des deutschen Feldheeres mit G.d.I. Erich Ludendorff als Generalquartiermeister. Das rumänische Heer überschritt mit drei Armeen die ö.-u. Grenze. In Siebenbürgen stand die 1. Armee unter G.d.I. Arz (kaum 34.000 Mann), die sich zumeist aus erholungsbedürftigen Truppenteilen, welche die schweren Kämpfe an der russischen Front hinter sich hatten, zusammensetzte. Doch die Rumänen mussten sehr bald auf eine bulgarische Offensive aus der Dobrudscha Rücksicht nehmen, was anfangs September die Lage der 1. Armee wieder erleichterte. Deutsche Verstärkungen bildeten bald die 9. dt. Armee unter General Falkenhayn, und die Verbündeten warfen die Rumänen über die Grenzpässe zurück. Mitte Oktober war Siebenbürgen fast zur Gänze von rumänischen Truppen gesäubert. Seit dem 13. Oktober vereinigte das Heeresfrontkommando Ehg. Karl die 7. und 1. Armee sowie die dt. 9. Armee, und die Verbündeten waren bestrebt, in die Walachei einzubrechen, um so die kürzeste Front zwischen „Karpatenwall" und Schwarzem Meer herzustellen. Dies gelang auch. Am 23. November überschritt dann die aus Kontingenten aller vier Verbündeten gebildete „Donauarmee" die Donau. Nach der Schlacht am Fluss Arge überließen die Rumänen am 6. Dezember ihre Hauptstadt den siegreichen Gegnern. Bis Mitte Jänner 1917 war die rumänische Front an den unteren Seret und ins Donaudelta zurückgeworfen und russische Truppen (insgesamt 40 Divisionen) besetzten den neuen Frontabschnitt. Eine Folge der Brussilow-Offensive und des Krieges gegen Rumänien war die Bildung einer „Obersten Kriegsleitung" am 13. 9. 1916 unter dem Oberkommando des deutschen Kaisers bzw. der DOHL. Vgl. dazu Einleitung, S. 50 f.

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Der ganze August 1916 verging mit Abwehrkämpfen, die zum Teil sehr kritisch waren. Die Russen machten verzweifelte Anstrengungen, um nach Ungarn einzubrechen ; wir verhinderten dies und brachten die Brussilow-Offensive wenigstens zum Stehen. Dieser Erfolg wurde im feindlichen Ausland hoch bewertet; uns befriedigte er nicht366. Die Verstimmungen innerhalb der obersten Führung wirkten sich nach unten wenig aus, zwischen uns und den deutschen Kommandanten bestand ein gutes Einvernehmen, nur einzelne jüngere deutsche Offiziere benahmen sich hochmütig und uns gegenüber unmilitärisch. So mußte der Kommandant des I. Korps, G.d.K. Graf Kirchbach, die sofortige Enthebung des ihm von uns abgetretenen deutschen Verbindungsoffiziers Mjr. d. G. Herrgott verlangen, weil sein Benehmen die Kameraden empörte. Uber Bitte Seeckts nahm ich ihn wieder zu mir und hatte dann nicht mehr zu klagen. Die Luft war gewitterschwanger, die Durchsetzung mit preußischem Einfluß führte zunächst zu einer Zersetzung. Endlich, am 6. September 1916, kam unsere von mir wiederholt angeregte Enthebung. Exz. Pflanzer wurde vom Ehg. Friedrich verständigt, daß die DOHL zu ihm kein Vertrauen habe und sich deshalb weigere, deutsche Truppen seinem Kommando zu unterstellen367. Exz. Pflanzer hatte sich krank zu melden, G.d.K. Graf Kirchbach hatte das AK zu übernehmen, ich hatte noch zu bleiben, bis mein Nachfolger, GM Demus368, orientiert ist. Mir wurde für „hervorragende Dienstleistung als Armee-Generalstabschef" die Allerhöchste Anerkennung ausgesprochen, und ich wurde mit Zustimmung der Militärkanzlei Seiner Majestät in die Kommission zur Aufstellung einer polnischen Armee eingeteilt, hatte sonach in die OpA. des AOK einzurücken. 366 Die 7. Armee führte vom 1. bis 30. 9. 1916 die sogenannte „Septemberschlacht in den Karpaten", wobei es zu sehr wechselvollen Kämpfen mit den Russen kam. In Nordost-Siebenbürgen kam es im Oktober zu schweren Abwehrkämpfen im Abschnitt der 1. Armee gegen Russen und Rumänen. Hier begann Brussilow am 14. Oktober mit einer Entlastungsoffensive, die aber Anfang November abgewehrt werden konnte. 367 Der Text dieses Schreibens bei Leher, Conrad von Hötzendorf, 33 f. Pflanzer schrieb am 4. 9. 1916 in sein Tagebuch (ebd., 34): „Das A O K hat es jedenfalls unterlassen, mich zu stützen und TU halten und mich nicht schon früher dorthin zu versetzen, wo ich keine Deutschen unter meinem Kommando gehabt hätte. Jedenfalls scheinen auch Neid und Mißgunst gegen mich im Spiele gewesen zu sein, sonst hätte man schon einen anderen Modus finden können, um mich nicht so zu brüskieren. Das alles nachdem ich meine Armee durch 2 Jahre unter den schwierigsten Verhältnissen immer erfolgreich geführt hatte." 368 Ferdinand Demus-Moran (St. Pölten, 27. 3. 1868-19. 1. 1946, Bad Reichenhall), 18. 8. 1889 aus Theres. Milak. als Lt. zu IR. 49, ab 1.11.1899 Glstbskarriere, 1.11.1905 Glstbschef Festung Przemysl, 1. 5. 1906 Mjr.i.G., 1. 11. 1908 Lehrer an der Kriegsschule, 1. 5. 1910 Obstlt. i.G., 1. 5. 1913 Obst.i.G., 22. 4. 1914 Glstbschef I. Korps (Lemberg), 8. 5. 1915 Glstbschef der Gruppe Kirchbach östlich der Weichsel, 9. 9. 1916 Glstbschef 7. Armee, 8.1. 1917 Kmdt. 10. IBrig., 3. 3. 1917 Glstbschef 4. Armee, 4. 6. 1917 GM, 15. 5. 1918 Kmdt. 10. IBrig., 1. 1. 1919 pensioniert.

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FML Metzger ließ mir schriftlich mitteilen, das AOK sei mit dieser Lösung nicht einverstanden, aber „andere" Einflüsse seien stärker gewesen. Es ist kennzeichnend, daß einen Tag nach unserer Enthebung Ehg. Karl gegen die von der DOHL verlangte Einteilung deutscher Offiziere als Bataillons- und Kompaniekommandanten bei unsern nichtdeutschen Regimentern Einsprache erheben mußte. Ich war unter diesen Verhältnissen glücklich, daß man mir die Last einer nicht tragbaren Verantwortung abgenommen hatte. Zum Schluß erlebte ich noch eine kleine Komödie, indem der deutsche Verbindungsoffizier Mjr. Herrgott mich demütigst bat, ihn sofort wegzulassen, damit er nicht mehr mit dem neuen Armeekommandanten G.d.K. Graf Kirchbach und seinem Stab zusammentreffe. Die Kommandoübernahme erfolgte in vornehmster Weise. Gl. Graf Kirchbach schloß sich meiner Beurteilung der Lage an, verlangte aber sofort zwei Truppendivisionen als Verstärkung. Am 10. September 1916, zufälligerweise genau IV2 Jahre nachdem ich es übernommen hatte, übergab ich mein Amt als Glstbschef der 7. Armee meinem Nachfolger. GO Pflanzer war in diesen Tagen von stoischer Ruhe. Sein dienstlicher Abschied von mir bestand in der lakonischen Eintragung im Vormerkblatt : „In jeder Hinsicht hervorragender, ganz ausgezeichneter, loyaler Generalstabschef. 9. September 1916." Ich blieb mit ihm in reger brieflicher Verbindung bis zu seinem Tode, und er benützte jede Gelegenheit, mich seiner treuen Dankbarkeit und Freundschaft zu versichern. Er wurde für die Verteidigung von Ostgalizien einige Jahre nach dem Krieg mit dem Kommandeurkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens ausgezeichnet. Leider teilte mir der Direktor des Kriegsarchivs Obstlt. v. Glaise369 später mit, daß Pflanzer ein Wortführer gegen die Dekorierung der Generalstabschefs mit dem Theresien-Orden war. Das hätte ich allerdings nicht für möglich gehalten, da gerade er für die Unzertrennlichkeit der Arbeit von Kommandant und Stabschef nach seinen Erfahrungen bei Oberst v. Soos und bei mir hätte Zeugnis ablegen können. Die prinzipielle, ausnahmslose Ausschließung des Generalstabs vom Theresien-Orden 369 Zu Edmund Glaise von Horstenau (1882-1946) vgl. Glaise-Broucek 1,18-52, und Peter Broucek, Der Deutsche Bevollmächtigte General in Kroatien Edmund Glaise von Horstenau, in : Militärgeschichte 2 (1992) 3-9. Er war 1915-1918 Presseoffizier des AOK als Mjr.i.G., dann 1925-1936 Direktor des Kriegsarchivs, das auch das sogenannte Generalstabswerk Österreich-Ungarns Letzter Krieg herausgab. Glaise-Horstenau wurde 1936 Bundesmin. ohne Portefeuille und war seit 1937 Oberst in der Evidenz des Bundesheeres. Vgl. auch die Bände 2 (Minister im Ständestaat und General im OKW) und 3 (Deutscher Bevollmächtigter General und Zeuge des Untergangs des „Tausendjährigen Reiches") seiner Erinnerungen Ein General im Zwielicht.

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war ebenso unlogisch wie ungerecht und ist ein trauriger Sieg persönlicher Eitelkeiten über die Pflicht einfachster Gerechtigkeit. So eine Entgleisung wäre unter Kaiser Franz Joseph nicht möglich gewesen - so erschüttert waren eben durch den Krieg die ethischen Grundlagen auch in der Armee. Ich hätte diese Frage nicht zur Sprache gebracht, wenn das in ihr liegende Unrecht nicht grundsätzlich den ganzen Generalstab als Institution berühren würde. Es geht doch nicht an, daß man zuerst nach strengstem soldatischem Maßstab die besten Offiziere der Armee auf die schwierigsten, verantwortungsvollsten Posten im Kriege unter allen Zeichen besonderen Vertrauens beruft, ihre volle Kraft aufs Äußerste in Anspruch nimmt, zum Schluß aber gerade diese Offiziere, die man als unentbehrlich von ihren Stellen nicht wegließ, vom MMTO, der ihnen statutengemäß zukam, ausschloß. Hätte man die Statuten des Ordens mit Rücksicht auf den Charakter des modernen Krieges dahin abgeändert, daß er nur als Auszeichnung für einen durch persönliche Tapferkeit erzielten wichtigen Waffenerfolg verliehen werden solle, also auf Offiziere der Truppe beschränkt worden wäre, so hätte jeder Soldat diese Auffassung gebilligt. Ausnahmsweise hätten trotzdem Generäle und Offiziere der Stäbe, die zufälligerweise durch persönliche Tapferkeit ihre Führertätigkeit fördern konnten, den Orden erhalten können. Die tatsächliche Entscheidung, daß er auch der höheren Führung bei großen Waffenerfolgen der anvertrauten Heereskörper zuerkannt wurde, aber nur dem Kommandanten und nicht dem Generalstabschef, obwohl dieser mitverantwortlich war und in vielen Fällen die Hauptlast der geistigen Führung trug, in den allermeisten Fällen sie mit dem Kommandanten redlich teilte, diese Entscheidung ist einem gerecht denkenden, über die wirklichen Verhältnisse orientierten Soldaten unverständlich. Sie führte auch zu lächerlichen Absurditäten : FML Metzger, der bei den größten, entscheidendsten Operationen gegen die russischen Armeen die rechte Hand Conrads war, erhielt den MMTO nicht für diese Tätigkeit welthistorischer Bedeutung, sondern für ein im Rahmen des Weltkrieges unbedeutendes Gefecht der Truppendivision, die er später kommandierte. Er und Oberst Alfred Frh. v. Waldstätten erhielten als Chefs der Operationsabteilung des AOK für österreichische Siege den preußischen Pour le mérite, aber nicht den österreichischen MMTO. So knüpft sich an diesen Orden ein Verhängnis: er hat in den früheren Kriegen viel Unheil angerichtet durch übertriebenen Ehrgeiz, den er weckte. Im Weltkriege wurde dies vermieden, dafür haftet an der Art seiner Verleihung nach dem Weltkriege der drückende Vorwurf eines Unrechts 370 . 370 Zum Abschluss des Abschnitts über Zeyneks Tätigkeit als Chef des Generalstabs der 7. Armee soll auf die Äußerungen GO. v. Seeckts über seine Erfahrungen in der k.u.k. Bewaffneten Macht hingewiesen werden. Hans Meier-Welcker, Die Beurteilung der politischen Lage

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VI. In der Operationsabteilung des Armeeoberkommandos (1. 10. 1916-10. 1. 1917) Am 1. Oktober 1916 rückte ich zum AOK nach Teschen ein. Ich traf in der Operationsabteilung meine alten Freunde, FML Metzger, Oberst Christophori und Oberst Oskar Slameczka. GO Conrad empfing mich mit der Versicherung, das 7. Armeekommando sei das beste von allen gewesen, nur in den letzten Wochen hätte uns das Glück im Stich gelassen. Meine Aufgabe sei nun, die Grundlagen für die Organisation einer polnischen Armee zu schaffen371, von welcher man sich die Entscheidung im Weltkriege verspreche. in Österreich-Ungarn im Sommer 1917, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 18 (1968) 87-104, publiziert einen „Bericht des Chefs des Generalstabs der Heeresfront Erzherzog Joseph, Generalmajor von Seeckt, an den Chef des Generalstabs des Feldheeres, GeneralFeldmarschall von Hindenburg, über die politische Lage in Österreich-Ungarn. 22. 7. 1917." Seeckt schreibt darin einleitend, er sehe sich zu dieser Darstellung verpflichtet, „auch wenn sie weit über den Rahmen meiner militärischen Stellung hinausgehen mag. Ich sehe aber in der Entwicklung der Dinge eine Gefahr für das Reich und glaube daher mit meiner Auffassung ... nicht zurückhalten zu dürfen." Der unmittelbare Anlass des Berichts war der Amnestieerlass Kaiser Karls. „Es sind seit einiger Zeit, verstärkt seit etwa 3 Monaten, in beiden Hälften der Monarchie Bestrebungen im Gang, welche letzten Endes die Lockerung oder Auflösung des Bündnisses mit Deutschland zum Teil zum Ziel haben, zum Teil zur Folge haben müssen." Es hätten „sich in Österreich selbst Kräfte hervorgewagt, welche die Durchführung des Nationalitätenprinzips und damit die Gründung eines föderalistischen Staates als ihr Ziel erklären. In diesem Gebilde würde neben einem Deutsch-Österreich ein polnischer, ein tschechischer und ein südslawischer Nationalstaat entstehen." In dem ausführlichen Bericht (6 Druckseiten) kommt u.a. auch zur Sprache, dass GO Erzherzog Joseph die rumänische Krone angetragen worden war, der aber in einem Bericht an Kaiser Karl „bestimmt abgelehnt" habe. Seeckts Bericht geht dann ausführlich auf dessen Erfahrungen 1916/1917 bezüglich der politischen Ansichten und der Politik Kaiser Karls ein. Im Nachlass Seeckt im deutschen Bundesarchiv/Militärarchiv (Freiburg im Breisgau) sign. N247/32 (als Kopie auch in KA, NLS, sign. B/892, nr. 32) findet sich ein umfassender amtlicher Bericht Seeckts, „Das k.u.k. Heer" an die DOHL, datiert mit 1. 6. 1917. Dieser 126 Seiten starke Bericht analysiert in einer Einleitung „Allgemeines" und in 19 Kapiteln die ö.-u. Armee vom Generalstab über das Offizierskorps, Ausbildung, Waffengattungen, Flugwesen bis zum Sanitätswesen. Die durchaus politische Einleitung verwirft eine österreichische Identität, kritisiert noch post mortem Ehg. Franz Ferdinand und empfiehlt die Errichtung zweier getrennter Armeen, einer deutsch-österreichischen und einer ungarischen. Die Entstehung von tschechischen und polnischen Armeen müsse dagegen verhindert werden. Auf Missstimmung in Ungarn gegenüber Österreich und gegenüber der k.u.k. Armee wird eingegangen. Die Südslawen kommen in dem Bericht nicht vor. Informanten werden nicht ausdrücklich genannt, es scheint aber besonders Ehg. Joseph in Frage zu kommen. Das Kapitel über den Generalstab bietet eine sachliche, aber auch kritische Analyse der Erfahrungen Seeckts und hebt besonders Cliquenwesen, Truppenfremdheit, aber auch manches Positive hervor. 371 Am 5. 11. 1916 wurde ein selbstständiges Königreich Polen durch das Deutsche Reich und

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Diese Arbeit sei im Einvernehmen mit dem deutschen Generalgouverneur Gl. v. Beseler372 in Warschau auszuführen. Der Unterschied im Leben beim AOK gegenüber jenem beim 7. AK war ungeheuer! Armeekommando und Gefechtsfront bilden eine Einheit, während das Armeeoberkommando zwischen Hinterland und Front lebt, mit seinen Gedanken mehr an der Front, mit seinen Gewohnheiten mehr im Hinterland. Der Dienstgang und das Benehmen waren bürokratisch : Man war hier Stratege, Diplomat, Politiker, Schreiber, Zeichner, Aktenfabrikant, geistiges Lumen, Intrigant, Höfling oder Original, Reiter, Tennisspieler, Kaffeehausbesucher oder eine Mischung aus alledem, aber man war nicht wirklicher Feldsoldat. Die älteren Herren glänzten durch ihr Selbstbewußtsein, die jüngeren durch ihre scharfe Kritik; alle waren erfüllt von dem Gefühl professoraler Gottähnlichkeit ; man war furchtbar gescheit, man war unfehlbar, denn es gab keine höhere Instanz. Das tägliche Leben ähnelte dem in den Generalstabsbüros in Wien. Die Arbeitspause von 8 bis 10 Uhr früh und von 3 bis 6 Uhr abends wurde streng eingehalten, für die Übernahme der Österreich-Ungarn proklamiert, doch kam es zunächst nicht zur Festlegung definitiver Grenzen und zur Bestimmung eines Königs. Die Polen neigten in gewisser Weise der sogenannten „austropolnischen" Lösung zu, nämlich der Personalunion mit Osterreich, also der Proklamierung des Kaisers von Osterreich auch zum polnischen König. Diese Frage blieb aber bis zum Kriegsende nicht nur mit dem Deutschen Reich, sondern auch mit Ungarn umstritten, das für die Zustimmung zu dieser Lösung eine Kompensation verlangte, ab 1917 konkret Bosnien-Herzegowina und womöglich auch Dalmatien für Kroatien. Das größte Problem mit dem Deutschen Reich waren der sogenannte „Polnische Grenzstreifen" und die Nutzung von Bergwerken, die der deutsche Generalstab aus strategischen und kriegswirtschaftlichen Gründen forderte. Siehe insgesamt Gotthold Rhode, Polen von der Wiederherstellung der Unabhängigkeit bis zur Ära der Volksrepublik 1918-1970, in: Theodor Schieder (Hg.), Handbuch der Europäischen Geschichte, Bd. 7 (Stuttgart 1979) 9781000; Hans Lemke, Allianz und Rivalität. Die Mittelmächte und Polen im ersten Weltkrieg (bis zur Februarrevolution), Wien-Köln-Graz 1977. Zur austropolnischen Lösung und zum Versuch ihrer Durchführung siehe Broucek, Reformpläne aus dem Beraterkreis Erzherzog Franz Ferdinands; ders., Militärische Aspekte der Entwicklung hin zum Oktobermanisfest; Wolfdieter Bihl, Kaiser Karl und seine Bedeutung für die Ukrainer, in: Jan Mikrut (Hg.), Kaiser Karl I. (IV) als Christ, Staatsmann, Ehemann und Familienvater (Veröffentlichungen des Internationalen Forschungsinstituts zur Förderung der Kirchengeschichte in Mitteleuropa 1), Wien 2004, 15-34; Stanislaw Grodziski, Kaiser Karl I. aus der Sicht seiner Völker, ebd., 245-256, und Heinz Rieder, Ein Europa freier Völker. Kaiser Karls politische Vorstellungswelt, ebd., 575-589. 372 Hans Herwig v. Beseler (Greifswald, 27. 4. 1850-30. 12. 1921, Neubabelsberg), 1888 Eintritt ins preußische Garde-Pionier-Baon, als Hptm. in den Großen Generalstab, 1893 Abteilungsleiter im preuß. KM, 1904 Adelsstand, dann Generalinspekteur der Festungen, 1910 verabschiedet, 1912 Mitglied des preuß. Herrenhauses, Aug. 1914 Kdi. Gen. III. Reservekorps, Okt. 1914 Eroberung von Antwerpen, Aug. 1915 bis Kriegsende Generalgouverneur in Warschau.

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Meldungen genügte der „Inspektionsdienst", denn die Nachrichten von der Front kamen doch wie aus weiter Ferne. Es war eine andere Welt gegenüber dem fiebrigen Dasein an der Front. Es ist begreiflich, daß Offiziere, welche von der Front kamen und die Herren des AOK beim Spazierritt, beim Tennis, im Kaffeehaus sahen, erbittert waren, denn sie wußten nicht, welche Summe von Aufregungen und geistigen Leistungen hinter dieser so aalglatt aussehenden Fassade verborgen lagen. Es kann nicht genug betont werden, daß Conrad und Metzger auf der Höhe ihrer Aufgabe standen wie niemand anderer, daß sie wohl allen Heerführern des Weltkrieges überlegen waren und daß die Idee des gemeinsamen Existenzkampfes der Verbündeten von ihnen mustergültig betreut wurde. Am 16. Oktober 1916 fand in der polnischen Frage die erste Besprechung zwischen den Leitern der Außenpolitik Minister Burian und Kanzler Bethmann Hollweg373 sowie zwischen Conrad und Hindenburg statt. Grundlegend war die Idee der Schaffung eines Königreichs Polen unter Ausschluß der polnischen Gebiete beider Großmächte. Am 21. fuhr ich mit FML Höfer nach Warschau zur ersten Rücksprache mit G.d.I. Beseler. Damals erhielten wir die Schreckensnachricht von der Ermordung des öst. Ministerpräsidenten Graf Stürgkh durch den sozialistischen Abgeordneten Dr. Adler374. Am 23. fand im königlichen Schloß in feierlicher Weise die erste Verhandlung unter dem Vorsitze des Generalgouverneurs Beseler statt. Die große Frage war, ob bei der Aufstellung der polnischen Armee unsere Polnische Legion den Kader zu bilden habe. Bei der Beliebtheit, welche diese in polnischen Kreisen genoß, und bei dem hohen Ansehen, dessen sich ihr Kommandant, GlstbsObst. Graf Szeptycki erfreute, hätte dies unsere Pläne sehr erleichtert, aber Beseler sprach sich scharf dagegen aus und wünschte ausschließlich neue Anwerbungen; man wollte deutscherseits nicht einsehen, daß Deutschland zunächst auf die Auswertung der Sympathien, die wir bei den Polen besaßen, angewiesen war. Bei dem glänzenden Souper, das uns Gl. Beseler im königlichen Schloß gab, sprachen sich hohe deutsche Offiziere sehr für meine Ansicht aus, gegen die Ubermacht des preußischen Einflusses, und fürchteten Böses von der rapiden Steigerung preußischer Machtgier. Die Besprechungen mit Gl. Bese373 Theobald von Bethmann Hollweg (1856-1921), 1909-1917 dt. Reichskanzler und preuß. Ministerpräs. Seine Memoiren: Betrachtungen zum Weltkriege. 2 Bde., Berlin 1919-1921, Neuausg. hrsgg. von Jost Dülffer, Essen 1989. 374 Friedrich Adler (1879-1960), der Ministerpräs. Graf Stürgkh am 21. 10. 1916 im Wiener Hotel Meißl & Schadn erschoss, war vor 1918 nicht parlamentarisch tätig, gehörte aber von 1920 bis 1923 dem österr. Nationalrat an. Dagegen war sein Vater Victor, der Führer der österr. Sozialdemokratie, seit 1905 Mitglied des Abgeordnetenhauses und von 30. 10. bis zu seinem Tod am 11. 11. 1918 deutsch-österr. Staatssekretär des Äußeren.

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1er, diesem sympathischen, würdigen General, wurden am 24. und 25. fortgesetzt. Am 26. Oktober referierte ich GO Conrad in Teschen ; ich hatte die Uberzeugung gewonnen, daß die DOHL, deren Sprachrohr Beseler war, nicht eine polnische Armee, sondern ein deutsches Hilfskorps polnischer Nationalität schaffen wollte, und politisch die Angliederung Polens an das Deutsche Reich anstrebte. Nach meiner Ansicht war hingegen ein ganz unabhängiges Polen zu schaffen, das nach eigenem Wunsch entweder unabhängig bleiben oder einer der beiden Großmächte sich anschließen sollte. Nur auf dieser ehrlichen Grundlage war die Formierung einer polnischen Armee zu erreichen375. Jede andere Konzeption drängte Polen in die Arme der Entente. Die polnische Armee sollte meiner Ansicht nach so organisiert werden, daß die Mannschaft und die Truppenoffiziere möglichst nur mit ö.-u. Offizieren zusammenkämen, während die höhere Leitung und materielle Ausgestaltung in deutsche Hände zu legen wäre. (Ich wußte doch von der 7. Armee her, daß 375 Zur Entwicklung der Polnischen Legion bis 1916 vgl. oben Anm. 235. Es dauerte bis 14. 1. 1917, bis schließlich in Warschau ein polnischer Staatsrat mit 15 Vertretern aus dem deutschen und zehn aus dem öst.-ung. Besatzungsgebiet gebildet wurde. Ein Mitglied war auch Obst. Pilsudski, der den Rang eines Generals erhielt. Nach der russ. Märzrevolution schlössen sich polnische Angehörige der russ. Armee zusammen und bildeten am 14. 7.1917 ein Polnisches Heereskomitee, dem es rasch gelang, in Weißrussland ein I. Polnisches Korps unter General Józef Dowbór-Musnicki aufzustellen. In der Ukraine entstanden Kader für ein II. und III. Polnisches Korps, von denen aber nur das II. unter General Eugen Michaelis später wirklich Gestalt gewann. Nach einem allpolnischen Kongress in Stockholm im Mai 1917 wurde von Gruppen unter dem Klaviervirtuosen Ignacy Jan Paderewski ein republikanisches Programm aufgestellt. Diese Entwicklung gipfelte in der Eidesverweigerung des größten Teils der poln. Truppen im deutschen Einflussgebiet - 6.500 Mann unter Oberst Walery Slawek - am 24. Juli 1917, die daraufhin in Deutschland interniert wurden. Pilsudski legte sein Mandat im Staatsrat nieder. Die 10.000 poln. Soldaten im österr. Einflussbereich wurden nun von Lublin nach Przemysl verlegt. Dort schied man die österr. Staatsbürger aus und bildete aus dem Rest eine gemischte Brigade mit zwei Infanterieregimentern unter Obst. Haller, die man aber nicht mehr in vorderster Linie einsetzte. Die Unzufriedenheit der Polen mit dem Frieden mit der Ukraine am 9. 2. 1918 hatte eine unerwartete Aktion der im Raum westlich Czernowitz liegenden polnischen Brigade zur Folge. Sie unterbrach am 15. Februar alle Bahn- und Fernmeldeverbindungen und setzte sich in Richtung der in der Ukraine und in Bessarabien stehenden poln. Verbände der früheren Zarenarmee in Marsch. Die Brigade wurde jedoch von öst.-ung. Truppen umstellt, nach kurzem Gefecht gefangengenommen und in Huszt (Ungarn) interniert. Nur Obst. Haller konnte sich mit drei Kompanien zum II. Polnischen Korps unter General Michaelis durchschlagen. Am 25. Februar konnte das I. Polnische Korps Minsk erobern. Nach dem Abschluss des Friedens von Brest-Litowsk am 3. 3. 1918 rückten die Truppen der Mittelmächte nach Osten vor und besetzten auch die Ukraine. Das II. poln. Korps wurde vom 10. bis 18. 3.1918 bei Kanew am Dnjepr, von dt. Truppen eingeschlossen, zur Kapitulation gezwungen. Obst. Haller konnte jedoch mit einem Teil der Truppen entkommen und entschloss sich zum Anschluss an die poln. Armee in Frankreich. Er marschierte mit seinen Soldaten quer durch Russland nach Murmansk, von wo sie zur See nach Frankreich gebracht wurden.

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die Legionäre vor einer Pickelhaube mit Abscheu davonlaufen.) Ich hatte das Gefühl, daß mit dem Warschauer Generalgouvernement ein Einvernehmen zu erzielen wäre, falls es nicht durch Direktiven der DOHL unmöglich gemacht würde. Die Warschauer Bevölkerung machte aus ihrem Haß gegen die Preußen kein Hehl, während sie unseren Offizieren gegenüber eine Art nachsichtiges Wohlwollen zum Ausdruck brachte; die Polen waren sich voll bewußt, daß sie das Zünglein an der Wage waren376. Ich betonte aber auch Exz. Conrad gegenüber, daß die Arbeit des deutschen Generalstabs beim Generalgouvernement Warschau den besten Eindruck machte, denn jeder Teilnehmer an den Sitzungen fand Gelegenheit, sich nach Maßgabe seiner Kenntnisse zur Geltung zu bringen, und dabei waren sichtlich die Rollen geschickt verteilt. Es wurde sachlich und ruhig gesprochen, und das Benehmen war tadellos artig. Exz. Conrad war mit meiner Auffassung einverstanden, und von nun an entwarf ich die Korrespondenzen in den polnischen Fragen im Verkehr mit dem Minister des Äußern Baron Burian, mit FM Hindenburg und mit dem Vertreter des AOK in Warschau, GM v. Paie, meinem alten, lieben Freund. Conrad wünschte, daß ich noch im Oktober nach Baranowiczi377 fahre, um mit dem Kommandanten der polnischen Legion, Obst. Graf Szeptycki, zu verhandeln. Da brach plötzlich unerwartet ein Konflikt mit Gl. Beseler aus, der, ohne jede Verabredung mit uns, einseitige Vereinbarungen mit dem Fürsten Radziwill378 getroffen hatte, die den von der künftigen polnischen Armee zu leistenden Eid betrafen. Es begannen sofort dringende Verhandlungen mit Baron Burian, der rückensteif wurde und mit GLt. Ludendorff [sprach], der nach kurzer drohender Geste eine vermittelnde Haltung einnahm, so daß wir uns über den Text einer von beiden Monarchen zu erlassenden Proklamation an das polnische Volk einigten. Die Proklamation war bereits gedruckt, als am 1. November die deutsche Reichsregierung Einsprache erhob. Nun wünschten Hindenburg-Ludendorff eine persönliche Aussprache mit Exz. Conrad; dieser beauftragte mich mit seiner Vertretung. 376 Siehe Richard Georg Plaschka, Galizien: polnische Legion auf Seiten Österreich-Ungarns. „Die strzeley bewähren sich sehr gut ...", in: ders., Avantgarde des Widerstands. Bd. 1, 318-338; ders., Die polnische Legion in der Beurteilung der österreichisch-ungarischen militärischen Führung am Beginn des Ersten Weltkrieges, in: ders., Nationalismus, Staatsgewalt, Widerstand. Aspekte nationaler und sozialer Entwicklung in Ostmittel- und Südosteuropa (Schriftenreihe des Osterreichischen Ost- und Südosteuropainstituts 11), Wien 1985, 286-294. 377 Baranowiczi, poln. Baranowicze, heute Baranavici, Weißrussland, Bahnknotenpunkt auf der Strecke Warschau-Moskau, gehörte 1919-1939 zu Polen. 378 Ferdinand Fürst Radziwitt (Berlin, 19. 10. 1834-28. 2. 1926, Rom), GM, Mitglied des preuß. Herrenhauses und 1874-1918 des dt. Reichstags, Führer der poln. Reichstagsfraktion, ab 1916 Mitglied des poln. Kronrates für auswärtige Angelegenheiten.

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Am 3. November 1916 fuhr ich zur DOHL nach Schloß Pleß379. Ich hatte zunächst Besprechungen mit den Obersten d. Glstbs Bartenwerffer380, v. Bülow und Helfritz381, dann mit Gl. v. Beseler. Als ich die von GO Conrad festgesetzten Forderungen vortrug, wurden die Herren sehr ablehnend. Ich gab nicht nach. Gl. v. Cramon382 war als Zuhörer dabei. Die deutschen Glstbsoffiziere zeigten sich ebenso energisch, selbstbewußt und tüchtig, wie meinen Gedanken von Herzen feindlich gesinnt. Die Debatte wurde ihrerseits so geschickt geführt, daß ich mir wie bei einem Raubüberfall vorkam, dessen Opfer ich war. Nach fünfstündigem Streite waren wir uns nicht näher gekommen. Obst. Bartenwerffer beantragte eine Unterbrechung der Verhandlungen. Ich bat um ihre Weiterführung, worauf er meinte, es bleibe mir überlassen, allein weiter zu arbeiten. (Meine Erwiderung war, die Art der Gastfreundschaft müsse ich den Herren überlassen.) Ich verabschiedete mich kurz und ging zu meinem Auto, um unverrichteterdinge, aber nach klarem Einblick in die Denkungsart der DOHL, zum AOK zurückzufahren. Wie ich mich meinem Auto näherte, kam mir ein Adjutant des GFM v. Hindenburg nach und überbrachte mir dessen Einladung zu einem gemeinsamen Frühstück. Ich kehrte in das Schloß zurück, wo ich in einer Halle einige Minuten auf Hindenburg, der gerade erst von einer mehrtägigen Jagd zurückgekommen war, warten mußte. Er führte mich nach erfolgter Meldung in einen kleinen Speisesaal, wo er mir den Platz rechts neben sich anwies, während links von ihm GLt. Ludendorff saß. Exz. Beseler und die andern Herren, mit denen ich vormittags verhandelt hatte, waren nicht anwesend. GFM v. Hindenburg erinnerte mich in seiner leutseligen, liebenswürdigen, aber klugen Art an unseren FZM Beck, den früheren Chef des Glstbs. Er sprach von seiner Verehrung für FM Ehg. Friedrich, von seinem stolzen Gefühl, daß S.M. ihn zum Inhaber des Debrecziner Infanterieregiments383 gemacht habe, und von seinem Wunsche, Debreczin kennenzulernen. Als der Wein eingeschenkt wurde, erhob er sein Glas und trank „auf das freund379 Pleß, Preußisch-Schlesien, heute Pszczyna, Polen, Stadt und Schloss südlich von Kattowitz, 1915/1916 bei den Offensiven gegen Russland Sitz der DOHL, für die Zusammenarbeit zwischen den beiden Generalstäben der Mittelmächte besonders geeignet infolge der Nähe zum Sitz des AOK in Teschen, Öst.-Schlesien. 380 Paul v. Bartenwerffer (1867-18. 9. 1928, Potsdam), 1914 Oberquartiermeister, 1916-X/1918 Chef d. polit. Abt. im Glstb. d. dt. Feldheeres. 381 Paul Helfritz (1852-1950). 382 Über August v. Cramon (1861-1940), 1915 bis Kriegsende Bevollmächtigter dt. General beim AOK, vgl. Glaise-Broucek I, 327, Anm. 159. Seine Memoiren August v. Cramon, Unser Österreichisch-Ungarischer Bundesgenosse im Weltkriege. Erinnerungen aus meiner vierjährigen Tätigkeit als bevollmächtigter deutscher General beim k.u.k. Armeeoberkommando, Berlin 1920. 383 Das Ungarische Infanterie-Regiment Nr. 39.

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schaftliche und einvernehmliche Arbeiten von GLt. Ludendorff mit Oberst Zeynek". Er fügte gleich die Frage hinzu: „Sie werden doch so freundlich sein und nachmittags die Besprechung noch fortsetzen?" Natürlich sagte ich zu. Dieser kleine Vorfall ist für die Rolle, die Hindenburg spielte, kennzeichnend. Ludendorff hatte das geistige Programm aufgestellt, und als es sich als undurchführbar erwies, vermittelte Hindenburg. Nach dem Dejeuner unterhielt sich Ludendorff mit mir über die Person des Ehg.-Thronfolgers und meinte, man solle dem jungen Herrn einen hervorragenden Generalstabsoffizier an die Seite stellen, der ihn mit seinen Erfahrungen und seiner Charakterfestigkeit beeinflussen könnte. Ich erwiderte, daß Oberst Waldstätten der richtige Mann dafür sei, man müsse ihm nur den entsprechenden Wirkungskreis gewähren. Als die Verhandlungen am Nachmittag wiederaufgenommen wurden, war das Bild ganz verändert, und meine Forderungen wurden schließlich angenommen. Als ich abends Exz. Conrad und Metzger Bericht erstattete, waren beide sehr erstaunt und befriedigt. Ergänzend telephonierte am nächsten Tag unser Vertreter bei der DOHL, GM Klepsch-Kloth 384 , daß ich auf die DOHL besonderen Eindruck gemacht hätte und man mit mir weiter zu verhandeln wünsche. Mein Eindruck war, daß Ludendorff abgöttisch verehrt wurde, daß er der Inspirator aller Leistungen war, daß sein klares Wesen, sein zielbewußtes Benehmen und seine auffallende Willensstärke faszinierend wirkten. Er, nur er, war der geistige Führer der deutschen Armee. Wenn der kleine Buchstabe „L" unter einem Konzepte stand, war es genehmigt, und das große „Hindenburg" konnte später - nach einer Jagd - hinzugefügt werden ; aber ohne Hindenburg wäre Ludendorff längst gefallen, denn der Generalfeldmarschall hatte Menschenkenntnis und wußte, wie man die Menschen behandeln muß. Am 5. November 1916 wurde die Wiederherstellung Polens als selbständiger Staat proklamiert; Galizien wurde dem Königreich nicht einverleibt, um weiterer Entscheidung wegen des Anschlusses nicht vorzugreifen. Am 11. November fuhr ich wieder zur DOHL nach Pleß, wo auch Oberst Graf Szeptycki und GM v. Paie als Zuhörer an den Besprechungen teilnahmen. 384 Alois Frh. Klepsch-Kloth v. Roden (Brünn, 24. 9. 1863-16. 3. 1957, Baden bei Wien), 1883 aus der Kavallerie-Kadettenschule Mährisch-Weißkirchen als Kadett-Offizierstellvertreter zu UR. 2, 1. 11. 1884 Lt., Glstbskarrriere, 1. 11. 1902 Militâr-Attaché in Berlin, 29. 11. 1909 Rmdt. HR. 10, 1910 Obst., 1. 8. 1914 Kmdt. 221. KBrig., 13. 8. 1914 schwer verletzt, 1. 11. 1914 GM, 17. 5. 1915 bis Kriegsende Bevollmächtigter General bei der DOHL, 1. 11. 1917 FML. Vgl. Peter Broucek, Alois Klepsch-Kloth von Roden, k.u.k. Delegierter im Deutschen Großen Hauptquartier, 1915/18, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27 (1974) 385-101.

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Wir einigten uns, daß unsere Polnische Legion der neu aufzustellenden polnischen Armee als Kader übergeben werde. Nach wenigen Tagen erhielt ich das Handschreiben des Kaisers Franz Joseph, mit welchem die Legion aus dem Verband unserer Armee entlassen und der polnischen Armee zur Verfügung gestellt wurde. Das Blatt mit der zitternden Unterschrift des greisen Kaisers überließ mir Exz. Conrad zur Erinnerung. Die Unterschrift ist vom 19. November; am 21. November schloß Kaiser Franz Joseph die Augen für immer. Sein Tod war ein Erlöschen. Das Verhängnis seiner Zeit lag darin, daß er wohl erkannte, die Monarchie sei nicht konstitutionell zu regieren, trotzdem bis zu seinem Tode streng konstitutionell regiert hat. Wir gedachten in Ehrfurcht der Vornehmheit, mit welcher Kaiser Franz Joseph von 1848 bis 1916 die Geschicke der Monarchie geleitet hat und immer wieder dem schon durch Bismarck repräsentierten Leitprinzip der Unanständigkeit in der Politik zum Opfer fiel, und wir fühlten, daß der junge Kaiser Karl ein furchtbares Erbe voll kaum lösbarer Probleme übernahm. Zunächst ging der Krieg über das Ereignis hinweg. Am 21. November 1916 bestieg Kaiser Karl den Thron, am 25. ernannte er Conrad zum Feldmarschall. In diesen Tagen überraschte uns Gl. v. Beseler, indem er eigenmächtig einen polnischen Landtag und Staatsrat einberufen wollte. Minister Burian fuhr schnell nach Berlin, um zu intervenieren, die Polen lachten über Mangel des Einvernehmens. Die Konfusion wurde immer ärger, denn die deutsche Regierung und die DOHL bestanden darauf, daß der polnische ArmeeEid auch auf Kaiser Wilhelm zu leisten sei. Wir wußten natürlich, daß nicht ein einziger Pole einen solchen Eid über die Lippen bringen würde und daß alle unsere Bemühungen wegen Aufstellung einer polnischen Armee hiermit begraben waren. Am 2. Dezember 1916 fanden die Werbungen statt und blieben ganz ergebnislos ! Die Aktion war zunächst gescheitert. Am 1. Dezember erklärte Kaiser Karl, daß er persönlich die Leitung des AOK übernehme, am 3. nahm er unsere Meldung in Teschen entgegen. Mir sagte er nur: „Wir haben uns schon oft begegnet." Am 5. Dezember erhielten wir den Befehl, das AOK werde nach Baden-Vöslau385 verlegt. Begreiflicherweise wollte der Kaiser in der Nähe der öst. und ung. Regierung sein, uns aber war die Verlegung wegen der Entfernung von der DOHL und von beiden Hauptfronten nicht erwünscht. Die offene Frage war nun, wie sich das Verhältnis des neuen Armee-Oberkommandanten zum FM Conrad gestalten werde. Leider wählte der junge Kaiser den FML Marterer 386 zum General385 Das AOK kam nach Baden bei Wien, die Quartiermeisterabteilung ins benachbarte Bad Vöslau. 386 Über Ferdinand Frh. v. Marterer (1862-1919) vgl. Glaise-Broucek I, 37, Anm. 292.

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adjutanten. Dieser Offizier hatte seit seiner Oberleutnantszeit nie bei der Truppe, nie bei einem Kommando gedient, er war eine Treibhauspflanze der Hofburg, und da er zu Zeiten des Ehg. Franz Ferdinand sichtlich ein Doppelspiel zwischen Hofburg und Belvedere gespielt hatte, genoß er bei uns keine Sympathien. Gegen Ende Dezember wurden Minister Burian und Ministerpräsident Körber387 enthoben, Czernin388 wurde Minister des Äußern, Graf Clam-Martinitz öst. Ministerpräsident. In Pleß herrschte wegen dieser Personaländerungen große Aufregung. Am 21. Dezember erhielt das AOK vom Minister des Äußern den Entwurf einer polnischen Eidesformel, wie sie

387 Über Ernest v. Koerber (1850-1919), 1900-1904 und 28. 10. 1916-20. 12. 1916 ö. Ministerpräs., vgl. Glaise-Broucek I, 417, Anm. 431. 388 Ottokar Graf Czernin (1872-1932), 25. 10. 1913-27. 8. 1916 Gesandter in Bukarest, 21. 11. 1916-16. 4. 1918 Min. d. Äußern und des Kaiserlichen Hauses; 1920-1923 Abgeordneter zum österr. Nationalrat. Siehe Ladislaus Singer, Ottokar Graf Czernin, Staatsmann einer Zeitenwende, Graz-Wien-Köln 1965, und Ingeborg Meckling, Die Außenpolitik des Grafen Czernin (Österreich-Archiv), Wien 1969. Meckling schreibt abschließend, 357f.: „Ebenso, wie es wahrscheinlich richtig ist, daß die Experimente Kaiser Karls Czernins Absichten durchkreuzten und ihre Verfolgung erschwerten, ist es Tatsache, daß Czernin Kaiser Karls Friedenspläne boykottierte. Er teilte nicht die Gedanken des Monarchen und schritt unter Aufgebot seiner Macht und aller Mittel gegen jeden Versuch einer Verwirklichung ein, soweit er davon wußte. Dadurch, daß es Karl nicht wagte, den Minister zu entlassen, obwohl er wiederholt gewillt war, es zu tun, degradierte er selbst seine Politik zu einer Nebenpolitik und reihte sich ein in die Kette seiner Vorfahren, von denen Grillparzer sagte, es sei ihr Fluch, ,auf halben Wegen und zu halber Tat mit halben Mitteln zauderhaft zu streben'. Weshalb der österreichische Kaiser sich nicht zu einer Ablösung Czernins durchringen konnte, mag einmal auf dessen starke Persönlichkeit zurückzuführen sein, die den jungen Monarchen immer wieder unsicher werden ließ, in erster Linie jedoch darauf beruhen, daß Czernin das alte Osterreich mit seiner deutsch-magyarischen Vorherrschaft hinter sich formiert hatte und es selbst repräsentierte, gedeckt und immer wieder bestätigt durch den mächtigen deutschen Verbündeten. ... Wäre das traditionalistische Osterreich schwächer gewesen und hätte man in Wien aus der katastrophalen Lage die Konsequenz gezogen, ohne sich auf die zweifelhafte Hilfe des deutschen Bundesgenossen zu verlassen, und die Richtung eingeschlagen, die Kaiser Karl vorschwebte, wäre es unter Umständen zu einem Ausgleich zwischen den Deutsch-Österreichern und den Magyaren einerseits und den slawischen Nationalitäten andererseits gekommen und eine Verständigung zwischen der Donaumonarchie und der Entente gelungen. Beides lag bis zum März 1918 im Bereich der Möglichkeit. Die Formierung des alten Österreich hinter der energischen und ehrgeizigen Gestalt Czernins jedoch verhinderte einen verlustreichen Separatfrieden und eine rechtzeitige Föderalisierung der Donaumonarchie, das heißt die erforderliche Nachgiebigkeit nach außen und innen, die das Habsburgerreich vermutlich hätte retten können, freilich mit Einbußen." Vgl. dazu Gary W. Shanafelt, The Secret Enemy. Austria-Hungary and the German Alliance, 1914-1918 (East European Monographs 187), New York 1985; Peter Broucek, Kaiser Karl als Staatsmann, in: Mikrut (Hg.), Kaiser Karl, 91-114; Friedrich Engel-Janosi, Uber den Friedenswillen Kaiser Karls, ebd., 533-548; Hugo Hantsch, Kaiser Karl, ebd., 549-554; Galandauer, Karel I.

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S.M. wünschte, am 22. teilte uns aber die DOHL mit, daß Kaiser Wilhelm diese Formel ablehne. Ich erhielt von FM Conrad den Auftrag, am 3. Jänner 1917 mit Graf Czernin die im Vordergrund des Interesses stehende polnische Frage zu besprechen. Die Grundlagen für die Besprechung legte der Feldmarschall fest. Der Vertreter Czernins beim AOK, Sektionsrat v. Wiesner389, wollte mich in liebenswürdiger Weise in die Lage versetzen, den Wünschen und Anschauungen Czernins möglichst Rechnung zu tragen ; ich mußte dies ablehnen, da ich das Programm Conrads zu vertreten hatte. Meine „Audienz" bei Czernin nahm einen sehr schlechten Verlauf. Obwohl mich ClamMartinitz bei ihm einführte, war er von vornherein hochmütig und zeigte sich für die Anschauungen Conrads, die ich vorzutragen hatte, ganz uninteressiert. Als wir im Verlauf des Gespräches auf die Grenzlinien der deutschen und öst. Interessensphären in Polen zu sprechen kamen, bat ich um eine Karte von Polen, um die geographischen Grenzlinien einzeichnen zu können. Zu meiner größten Überraschung erklärte der Minister des Äußern, er habe keine Karte, und sein Präsidialchef Graf Hoyos390 sei nicht mehr anwesend, da es bereits 7 Uhr abends sei. Wir vereinbarten daher, daß ich mir eine Karte vom geographischen Institut verschaffen und ihm am nächsten Tag schicken werde. Ich war entsetzt. Einen so frivolen Hochmut hatte ich noch nie kennengelernt, eine solche Oberflächlichkeit in der Arbeit - aus geistigem Größenwahn stammend - habe ich nicht für möglich gehalten. Ich habe leider mit Graf Czernin noch viel zu tun gehabt, aber mit ihm persönlich nie mehr verhandelt. Kaiser Karl kam erst im April 1918 darauf, daß er einem Hochstapler aufgesessen war. Sein Endurteil lautete, Czernin wechsle täglich seine Uberzeugung, er sei der unaufrichtigste und unverläßlichste aller Menschen. Nicht ein Wort, das er spricht, sei wahr 391 . Tief erschüttert, die Leitung der Außenpolitik in solchen Händen zu wissen, referierte ich FM Conrad, der meinte, ich werde mich schon an 389 Über Friedrich Frh.v. Wiesner (1871-1951), ab 29. 1. 1917 Vertreter des Min. d. Äußern beim AOK, vorher seit 1914 diesem Vertreter zugeteilt, vgl. Glaise-Broucek I, 327, Anm. 158. 390 Alexander Graf v. Hoyos (Fiume, 13. 5. 1876-20. 10. 1937, Schwertberg, OÖ), 22. 4. 191212. 1. 1917 Chef des Kabinetts des Außenmin., 14. 2. 1917-2. 11. 1918 Geschäftsträger in Christiania (heute Oslo). 391 Zeynek gibt hier als „Beleg" auch an: Windisch-Graetz Memoiren, 163 u. 246. Diese Belegstelle konnte weder auf den genannten Seiten noch anderswo in den damals gedruckt vorliegenden Memoiren von Ludwig Prinz Windisch-Graetz festgestellt werden: Vom Roten zum Schwarzen Prinzen. Mein Kampf gegen das k.u.k. System, Berlin-Wien 1920. Es könnte sein, dass Zeynek Rohfassungen der erst nach 1945 verlegten Memoiren Windisch-Graetz' einsehen konnte, in welchen schließlich diese scharfen Stellungnahmen weggelassen worden sind : Ein Kaiser kämpft für die Freiheit. So begann Ungarns Leidensweg, Wien-München 1957, und Helden und Halunken. Selbsterlebte Weltgeschichte 1899-1964, Wien 1967.

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Czernin gewöhnen, es gehe zunächst jedem so mit diesem doch sehr begabten Mann. Am 9. Jänner nahm ich an Besprechungen des FZM Kuk392 und des polnischen Parlamentariers Konopka393 bei Graf Czernin teil ; es wurde die Bildung eines polnischen Staatsrates beschlossen394. Am 10. Jänner 1917 teilte mir FM Conrad mit, daß er mich dem Kaiser für den Posten des Generalstabschefs des Generalquartiermeisters vorgeschlagen habe, als Ersatz für den zum öst. Ernährungsminister ernannten GM Höfer. Ich solle am 13. zum Kaiser deshalb in Audienz gehen. 392 Karl Wilhelm Kuk (Triest, 1. 12. 1853-26. 11. 1935), Genieoffizier, 1900 Obst, 1902 Kmdt. Eisenbahn- u. Telephonrgt, 1906 72. Infbrig, 1. 5. 1907 GM, 1908 Festungskmdt. v. Peterwardein, 1909-1912 v. Komarom, 1. 5. 1911 FML, 1914 Festungskmdt. v. Krakau, 1. 3. 1915 FZM, 1916-1917 Generalgouverneur in Lublin, 1. 1. 1919 pensioniert. 393 J a n Frh. v. Konopka (Tarnów, 2. 12. 1855-13. 12. 1948, Krakau), galizischer Großgrundbesitzer und 1910-1914 Mitglied des Landtags, war ö.-u. Regierungskommissär beim poln. Staatsrat. 394 Zeynek schreibt in seinem Manuskript Preußen gegen Osterreich (KA, NLS, B/115), 27, über 1916 und die Polenpolitik: „Es ist staunenswert, daß nach den furchtbaren Verlusten von 1914 neue kampfesfreudige österreichische Armeen aus dem Boden gestampft werden konnten, was wohl den Beweis erbrachte, daß die alte Monarchie kein künstliches Gebilde, sondern der politische Ausdruck einer Lebensnotwendigkeit war. Das Schwergewicht des Krieges hatte sich nun von Frankreich auf den russischen Kriegsschauplatz verschoben, und hier mußten an vielen Stellen deutsche Kräfte eingesetzt werden, um das militärische Gleichgewicht gegenüber der russischen Übermacht herzustellen. Osterreich hatte seine Soldaten buchstäblich bis zum letzten Mann an der Front eingesetzt. Seine Truppen mußten ununterbrochen kämpfen. Jeder Einsatz deutscher Truppen wurde von preußischer Seite zu einem Druck ausgenützt, um die Führung an sich zu reißen. FM Conrad, selbst wohl der treueste, uneigennützigste Bundesgenosse, den man sich vorstellen kann, schrieb nach zwei Kriegsjahren, er möchte fast bedauern, in Politik und Krieg fest und treu zum Bund mit Deutschland gehalten zu haben. Der Schaden, den das egoistische Denken des General Falkenhayn angerichtet hat, war groß. Preußischer Partikularismus machte sich zum Nachteil der gemeinsamen Kriegführung empfindlich fühlbar. Die Konflikte der beiden Heeresleitungen erreichten ihren Höhepunkt im Jahre 1916, so daß die gesonderte deutsche Aktion bei Verdun ebenso erfolglos blieb wie die österreichische in Südtirol, während die russische Offensive des General Brussilow große Erfolge in Galizien erzielen konnte. Als der preußische Gl. Falkenhayn durch GFM Hindenburg ersetzt wurde, besserten sich zwar die Verhältnisse auf militärischem Gebiet, verschlechterten sich aber gleichzeitig auf dem politischen, wobei allerdings ein großer Teil der Schuld dem österreichisch-ungarischen Minister des Äußern Czernin zur Last gelegt werden muß, dessen Frivolität und Leichtsinn ein ernstes Arbeiten erschwerten. Die Konflikte auf politischem Gebiet betrafen zuerst die polnische Frage. Der Verlauf des Krieges hatte gezeigt, daß die Mittelmächte nicht die Kraft besaßen, zu einem entscheidenden Endsieg zu gelangen. Deshalb sollte Polen eine Armee aufstellen, die den Ausschlag geben sollte. Die unsichere Führung durch Czernin und die preußische Herrschsucht brachten die von der österreichischen Heeresleitung gut eingeleiteten Verhandlungen zum Scheitern."

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Die Audienz dauerte über eine Stunde. Kaiser Karl erklärte mir, daß er Frieden schließen wolle, daß er aber wenig Aussicht auf Erfolg habe, da sowohl die Feinde wie der deutsche Verbündete dagegen seien. Man müsse also mit einer langen Dauer des Krieges rechnen. Da dieser ein Aushungerungskrieg sei, spiele die materielle Versorgung der Armee die entscheidende Rolle. Deshalb möchte er die Leitung dieser Agenden mir anvertrauen, da nur ich bei allen Stellen die nötige Autorität besitze, um meinen Willen durchzusetzen. Sollte ich bei meiner Tätigkeit auf Schwierigkeiten seitens der Regierungen oder einzelner Minister stoßen, so möge ich mich auf seinen Befehl berufen und im Notfall ihn telephonisch anrufen, damit er Ordnung schaffe. Er vertraue mir voll, ich möge ihm vertrauen. Ich versprach S.M. nach meiner ganzen Kraft das Menschenmögliche zu tun. Nachdem S.M. noch die Lage an den einzelnen Fronten besprochen hatte, entließ er mich mit den gnädigsten Worten395. Ich schied hiermit aus der OpA. des AOK. FML Metzger trug in das mir nach dem Krieg von Obstlt. Glaise-Horstenau mitgeteilte geheime Vormerkblatt ein : „Ernster, gediegener, in den schwersten Lagen vor dem Feind und in verantwortlicher Stellung erprobter Charakter. Vornehme Gesinnung. 395 Vgl. auch Eichhoff, Von Miramar nach St. Germain (KA, NLS, sign. B/874), 30f.: „Nach dem Regierungsantritte des jungen Kaisers Karl, mit dem ich schon, als er noch Thronfolger war, wiederholt lange Gespräche geführt hatte, wurde ich im Dezember 1916, noch während unseres Aufenthaltes in Teschen, von Seiner Majestät im Hofzuge empfangen und abends dem Hofdiner zugezogen. Beim Eintritt in den Salonwagen war ich charmiert vom Anblick dieses hübschen, lebensfrischen jungen Mannes ; im Unterbewußtsein regte sich allerdings eine Art Bangigkeit: ,Was wird ihm noch alles beschieden sein?' Der Ton des Gespräches war immerhin etwas anders als früher - er war eben mein Herr und Kaiser geworden. Wir sprachen im wesentlichen nur von der Aufhebung einer der wirklich ganz zwecklosen ,Ausnahmeverfügungen für den Kriegsfall' ; - daß die Verordnungen des AOK in Hinkunft direkt vom Kaiser ,als Armeeoberkommandant' erlassen werden müssen; - dann einige wegwerfende Worte über die Überheblichkeit der Herren vom .bisherigen' AOK - ,das muß anders werden' ... Abends beim Diner machte der gewesene Minister des Äußern, Graf Berchtold, als Obersthofmeister in liebenswürdiger Weise die Honneurs. Ich saß zur Linken des Kaisers, der Ton war freundlich, wenn auch etwas reserviert. Mein Tagebuch sagt: .Eindruck sehr günstig, energisch, hat seinen eigenen Willen, ist gar nicht für die militärischen Übergriffe auf politischem Gebiet.' ... Nachdem wir Teschen verlassen hatten und nach Vöslau übersiedelt waren, wurde ich neuerlich am 10. Jänner 1917 zum Kaiser beschieden und habe abends bei ihm gegessen. Die Gespräche waren nur ganz allgemeiner Natur. Wir saßen nach Tisch mit den wenigen Herren des Gefolges gemütlich beisammen, erzählten harmlose Dinge. Der Kaiser fragte mich, ob ich Sektionschef Seidler kenne, er halte viel von ihm. Kurz darauf hat er ihn zum Ministerpräsidenten ernannt. Der Kaiser wollte mich anscheinend an diesem Abend im persönlichen Verkehr näher kennenlernen. Ich habe ihm offenbar nicht gefallen, nicht den richtigen Ton gefunden. Fesche Kavallerieakzente oder die witzige Redeweise Dr. Seidlers liegen mir nicht. Von da an ließ der Kaiser mich durch lange Zeit nicht mehr rufen."

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Vorbildlicher Soldat mit sicherem gereiftem Urteil, rasch und treffend im Entschluß, energisch und konsequent in der Durchführung. Hochbegabt und gebildet, besitzt reiche, durch Kriegserfahrung als Korps- und Armeegeneralstabschef geläuterte militärische Kenntnisse. Unermüdliche, hervorragende Arbeitskraft; geistig und physisch außerordentlich leistungsfähig. Hat die Vorarbeiten für die Schaffung eines selbständigen polnischen Staatswesens mit ganz besonderer Umsicht, großem Verständnis für die in Betracht kommenden militärischen und politischen Notwendigkeiten durchgeführt und als Vertreter des Armee-Oberkommandos bei den schwierigen und umfangreichen Verhandlungen mit den eigenen Zentralstellen, insbesondere aber mit der Deutschen Obersten Heeresleitung, besonderen Takt, große Geschicklichkeit, Umsicht und Festigkeit bewiesen. Oberst v. Zeynek ist das Muster eines hochbegabten, vielseitig verwendbaren Generalstabsoffiziers, für jeden, auch den schwierigsten leitenden Generalstabsposten sowie für jeden seiner Charge entsprechenden Kommandoposten hervorragend geeignet. 20. Jänner 1917, Josef Metzger FML m.p., Stellvertreter des Chef des Generalstabs." Ich führe diese Notiz im Wortlaut an, damit ich doch ein Zeugnis beibringe, daß meine Erinnerungen nicht durch Eitelkeit entstellt sind, sondern soweit es menschlich möglich ist, sachlich gehalten wurden.

VII. Chef der Quartiermeisterabteilung des Armeeoberkommandos unter Feldmarschall Conrad v. Hötzendorf (10. Jänner bis 1. März 1917) Kurz nachdem ich mein Amt als Glstbschef des Generalquartiermeisters übernommen hatte, wurde über meinen Antrag eine wichtige Organisationsänderung beim AOK durchgeführt, nämlich die Stelle des Generalquartiermeisters aufgelassen und ich als Chef der Quartiermeisterabteilung mit den Funktionen des Generalquartiermeisters betraut. Ich hielt diese Stelle für überflüssig, wollte die Verantwortung für die materielle Leitung allein tragen und nur dem Chef des Glstbs verantwortlich sein. Ich referierte ohnehin nur diesem und erhielt alle Weisungen nur von ihm; der Generalquartiermeister war daher eine überflüssige Zwischenstelle. FML Kaltenborn 396 , ein vornehmer, einsichtsvoller General, der diesen Posten bekleidete, schloß sich meinem Initiativantrag sofort und gerne an. Der Quartiermeisterabteilung des AOK (Qu.Abtg.) oblag vor allem die Vorsorge für die meisten materiellen Bedürfnisse der Armee, also für Ver396 Über Ferdinand v. Kaltenborn (1866-1935), 1 9 1 1 - 1 9 1 7 Chef d. Direktionsbüros d. Glstbs bzw. d. Detailabt. des AOK vgl. Glaise-Broucek I, 321, Anm. 136.

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pflegung, Bekleidung, Ausrüstung, weiters die materielle Vorbereitung der Operationen aller Armeen, die Leitung der Verwaltung aller besetzten Gebiete in Serbien, Polen, Montenegro, Italien, und das Einvernehmen mit der DOHL bezüglich der gemeinsam verwalteten Gebiete im Feindesland (Ukraine, Rumänien), endlich die Leitung des Sanitätsdienstes bei der Armee im Felde, des Auto- und Pferdewesens, der Feldgendarmerie und des Dienstes im Etappenraum. Das Justizwesen, das vor meinem Dienstantritt auch in der Qu.Abtg. des AOK geleitet wurde, übernahm die Präsidialabteilung, da ich mich weigerte, diese Agenden zu führen397.

397 Zeynek, Führungsstäbe (KA/NLS, B/115, nr. 1), 24-29: „Mit Beginn des Jahres 1917 entwickelte sich der Krieg für die Donaumonarchie zum schärfsten Materialkrieg. Hunger, Kälte, Mangel an Munition, Transportmitteln, Kleidern und Schuhen wurden zu größeren Gefahren als die Kampfhandlungen des Feindes. Zugleich war die Bewaffnung seit 1914 vielgestaltig, die Ausrüstung kompliziert, der Umfang an Heeresbedürfnissen verschiedener Art geradezu maßlos geworden. Ziffernmäßig fand das darin seinen Ausdruck, daß bei Kriegsbeginn der Verpflegsstand sich wie 1,8 zu 1 verhalten hatte, im Jahre 1916 aber auf 3,4 zu 1 gestiegen war. Die Abhängigkeit der Kriegführung vom Wirtschaftsleben des Staates war eine neue Erscheinung, mit der man im Frieden nicht im genügenden Maße gerechnet hatte, und deren Gefahren nun organisatorisch bekämpft werden mußten. Dies war die Aufgabe der von Generalstabsoffizieren geleiteten Quartiermeisterabteilungen. Der nicht behebbare Mangel an Vorräten zwang schon 1917 dazu, nur noch jene Armeen voll auszurüsten, welche kämpften. Von den anderen mußte alles Entbehrliche abgezogen werden, damit größere Offensivoperationen materiell ausreichend vorbereitet werden konnten. ... Der Generalstab behandelte unter diesen Verhältnissen ab 1917 die Verpflegsversorgung der Bewaffneten Macht nicht als eine fur sich bestehende Angelegenheit, sondern bemühte sich, die Wechselbeziehungen zwischen Kampffront und Heimat durch einen gerechten Ausgleich zu regeln. Leider fehlte es bei den staatlichen Verwaltungsbehörden vielfach an der Erkenntnis, daß die trennenden Grenzlinien zwischen Beamten und Soldatentum endlich fallen müssen und daß durch die Not eine untrennbare Interessensgemeinschaft des ganzen Volkes entstanden sei. Der Verpflegsstand für die Wehrmacht betrug jährlich rund 80.000 Waggons Mehl, 140.000 Waggons Hafer und 4,000.000 Meterzentner Fleisch. Die Lieferungen des ganzen Mehls übernahm Ungarn, trug also die Hauptlast; der Fleischbedarf wurde zwischen Osterreich und Ungarn aufgeteilt. Bis zum Herbst 1916 funktionierte diese Verteilung, dann aber entstanden in Österreich infolge von Schwierigkeiten bei der Erfassung der Ernte große Abgänge, während Ungarn 1917 seinen Verpflichtungen nachkam und überdies den Armeen, welche große Kampfaktionen durchzuführen hatten, erhöhte Verpflegsmengen rechtzeitig zuschob. ... Der Futternot suchte der Generalstab dadurch abzuhelfen, daß der Pferdestand der Armee auf die Hälfte herabgesetzt wurde. Auf die anderen vom Generalstab geleiteten, aber von Fachorganen bearbeiteten materiellen Vorsorgen sei nur ein Streiflicht geworfen, um ihren Umfang anzudeuten: Die Mechanisierung der Verkehrsmittel war so weit entwickelt worden, daß rund V5 aller für den Zu- und Abschub nötigen Transportmittel durch motorisierte Kraft ersetzt wurde, ein weiterer Ausbau war wegen Benzinmangels nicht möglich. Der Eisenbedarf der Wehrmacht betrug über 80% der Gesamterzeugung: Der Generalstab erzwang daher schon 1917 weitgehende Einschränkungen und Spar- sowie Kontrollmaßregeln in der Heimat. Die Holzversorgung der

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Am 15. Jänner 1917 nahm ich die Vorstellung der bei der Qu.Abtg. eingeteilten Offiziere, Ärzte, Militärbeamten und politischen Beamten, im ganzen zirka 300, entgegen, schaffte die Stelle des bisher eingeteilten Personaladjutanten ab, wählte mir als Arbeitsraum ein kleines Zimmer und begann mit der Arbeit, bei der von 9 bis 1 Uhr, von 4 bis 9 Uhr ein Referent dem andern die Klinke in die Hand drückte. Der Arbeitsumfang war der eines großen Ministeriums. Die eingeteilten Glstbsoffiziere waren ausnahmslos erstklassig, und ich gedenke dankbarst der Herren Obstlt. Sefcik398, Obstlt. Schäfer399, Armee mußte durch ihre eigenen Kräfte bewirkt werden, weil der Holzbedarf der Heimat (für chemische Zwecke) alle verfügbaren Arbeiter in Anspruch nahm. Die Kohlenversorgung konnte durch das dem AOK unterstehende poln. Kohlerevier von Dabrowa erfolgen. Der Wäschemangel war sehr empfindlich, denn auf den Bedarf von rund 8 Mill. Garnituren fehlte fast die Hälfte. Die Beschlagnahme der in Privatbesitz befindlichen Wäschevorräte war daher geplant. Gleichzeitig wurde getrachtet, das Verständnis der Armee für die Notwendigkeit einer erhöhten wirtschaftlichen Disziplin zu steigern. Der Sanitätsdienst stellte das AOK bei der Rückkehr von über einer halben Mill. Kriegsgefangenen, die sich in verwahrlostem und verseuchtem Zustand befanden, so daß die Einschleppung von Flecktyphus bereits eine gefährliche Tatsache war, vor große organisatorische Aufgaben, die glücklich gelöst wurden. Das Gebiet der materiellen Versorgung der Wehrmacht war den meisten Generalstabsoffizieren ursprünglich fremd gewesen. Im Verlauf des Krieges entwickelten sich aber viele Begabungen - und der Generalstab konnte in dieser Hinsicht Leistungen vollbringen, die ihm den Dank der Wehrmacht gesichert hätten, wenn ihr der Einblick in die Schwierigkeiten der Bekämpfung von Material- und Hungerkrisen möglich gewesen wäre. Der tiefgreifende Einfluß des Glstbs auf das Wirtschaftsleben des Staates war eine wichtige Neuerung des Weltkriegs." Vgl. Robert J. Wegs, Die österreichische Kriegswirtschaft 1914-1918, Wien 1979 ; ders., Transportation. The Achilles Heel of the Habsburg War Effort, in: Robert A. Kann u.a. (Hg.), The Habsburg Empire in World War I. Essays on the Intellectual, Military, Political and Economic Aspects of the Habsburg War Effort (East European Monographs 23; Studies on Society in Change 2), New York 1977; Heinrich Mejzlik, Die Eisenbewirtschaftung im Ersten Weltkrieg. Die Planwirtschaft des k.u.k. Kriegsministeriums, Wien 1977; Gustav Gratz, Richard Schüller, Der wirtschaftliche Zusammenbruch Österreich-Ungarns. Die Tragödie der Erschöpfung (Carnegie Stiftung für Internationalen Frieden, Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Weltkrieges, Osterreichische und Ungarische Serie 12), Wien 1930, und eine Reihe von ungedruckten Dissertationen, angeführt bei Broucek, Peball, Geschichte der österreichischen Militärhistoriographie, 216-224. 398 Rudolf Sefczik (nach 1918 Schefczik) (Bruck a. d. Leitha, 11.9.1877-11.12. 1956, Wien), 18. 8.1897 aus Theres. Milak. als Lt. zu IR. 35, 1. 5. 1911 Hptm., 1. 3. 1914 dauernd zugewiesen dem V KKdo., 1. 6. 1914 als untauglich pensioniert, 4. 8. 1914 auf Mobilisierungsdauer aktiviert und dem Milkdo. Preßburg zugeteilt, 6. 10. 1914 zugeteilt der Feldtransportleitung Lublin, 1. 9. 1916 versetzt zum AOK/Zentraltransportleitung, 1. 11. 1918 Mjr., 28. 11. 1918 Abt. 5/EB des liquidierenden KM, 1. 7. 1920 Obstlt., 13. 9. 1920 Heeresverwaltungsstelle Wien, 12. 11. 1920 Heeresschule Enns/Offizierskurse, 28. 5. 1921 Titular-Obstlt. und übernommen in die ö. Heeresverwaltung, 1. 1. 1922 Obst, und pensioniert. 399 Hugo Schäfer (Reichenberg, 16. 11. 1870-Frühjahr 1946, verschollen in der russ. Besatzungszone Österreichs), 18. 8. 1899 aus Infanterie-Kadettenschule Prag zu IR. 31, ab 1. 11. 1905 Glstbskarriere, 1908 beim Kdo. der Sperre Riva, 1909/1910 im Etappenbüro d. Glstbs,

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Obstlt. Haberl400, Mjr. Frh v. Bolschwing, Mjr. Skubec401, Hptm. Frh. v. Tisljar402, Hptm. Hubicki403, Hptm. v. Lunzer404. Zum Verkehr mit den Ministe1. 8. 1914 Glstbschef der Armeegruppe Kummer, 18. 9. 1914 Etappenoberkdo/AOK, 13. 1. 1915 Chef d. QuA., 1. 3. 1915 Mjr.i.G., 1915 Verbindungsoffizier zur dt. Südarmee bzw. Bugarmee, 1916 Glstbsabt. 3. Armee, 1. 2. 1917 Obstlt.i.G., 1917/18 Glstbsabt. 1., dann 11., dann 6. Armee, dann Stellvertreter des Rmdt. der QuA. des AOK, ab Nov. 1918 im liquidierenden KM, 1. 12. 1920 zum Kdo. der Heeresschule Enns, 1. 1. 1921 Obst., 15. 2. 1921 Kmdt. der vorbereitenden Offizierskurse für ehemalige Volkswehrleutnants in Enns, 15. 8. 1923 dauernd zugeteilt dem Heeresinspektor und Dienst beim Kdo. der Heeresschule, 1. 2. 1925 eingeteilt bei der militärischen Fachprüfungskommission, 1. 4. 1925 GM, 1. 2. 1929 zugeteilter Offizier beim Heeresinspektor, 31. 1. 1931 in Ruhe, 3. 5. 1935 Titular-FML, 1. 2. 1942 GLt. ζ. V und Kmdt. d. Kriegsgefangenen im Wehrkreis XXI, 4. 9. 1942 im Wehrkreis XVII. Mitautor des Behelfes: Die wichtigsten Kriegs- und Feldzüge der Weltgeschichte, 1. Auflage, Wien 1928, mehrere heereskundliche und militärgeschichtliche Publikationen in ö. und dt. Zeitschriften vor und nach 1938. 400 Johann Haberl (Nagykanizsa, 23. 8. 1874-5. 5. 1936, Wien), 28. 9. 1893 als E.F. zu IR. 7, 1. 11. 1896 Berufsoffizier, ab 1. 11. 1909 Glstbskarriere, 8. 8. 1912 Evidenzbüro d. Glstbs (Balkangruppe), 1913 Eisenbahnbüro, 1. 11. 1913 Militärkanzlei Ehg. Franz Ferdinand, 26. 4. 1914 zur 11. ITD, ab 1. 10. 1915 QuA. d. AOK, 1. 2. 1918 Obstlt.i.G., ab November 1918 im ö. Staatsamt für Heerwesen, 1. 9. 1920 pensioniert, aber weitere Verwendung im Zivilstaatsdienst, 17. 9. 1921 Titular-Obst., 1. 12. 1922 Ruhestand. 401 Richard Skubec (Bratschendorf, Bezirk Rann, Stmk., 26. 1. 1882-?), 19. 8. 1900 ausgemustert aus Infanterie-Kadettenschule, ab 1. 5. 1907 Glstbskarriere, Dienst bei mehreren ITDKdos, 6. 11. 1917 Obstlt.i.G., 27. 12. 1917 in QuA., 3. 6. 1918 in Ukraineabt. d. AOK, 1. 3. 1919 pensioniert. 402 Milan Frh. Tisljar v. Lentulis (Agram, 7.12.1882-XI/1969, Wien), 1887-1900 Marineak., 18. 8. 1903 als Lt. zu PiBaon. 1, ab 1. 5. 1910 Glstbskarriere, 6. 3. 1915-31. 5. 1917 im KM/5. Abt., dann bei Divisionskdos an der Front, 1. 11. 1917 Mjr.i.G., 1. 3. 1919 pensioniert. 403 Dr. Alfred R. v. Hubicki (Frigyesfalva, Komitat Munkács, Ungarn, 5. 2. 1887-14. 7. 1971, Wien), 18. 8. 1905 aus Artillerie-Kadettenschule Wien zu DAR. 4, 1. 11. 1907 Lt., 1. 7. 1912 Olt., ab 28. 7. 1914 Glstbskarriere, zunächst beim 5. Armee-Etappenkdo., dann bei Divisionskdos, 29. 9. 1915 beim Kdo. der Südwestfront bzw. Heeresgruppe Ehg. Eugen, 20. 2. 1918 bis Kriegsende bei 33. ID, ab Dez. 1918 im Staatsamt für Heerwesen in Abt. 1 (später 3) als Referent über das Personal der früheren „Stäbe", 1. 7. 1920 Mjr., 1. 1. 1921 Obstlt., 1. 6. 1925 Präsidialabt. des BM.f. Heerwesen, 22. 2. 1930 Obst., 1. 11. 1930 dienstzugeteilt zur Militärischen Fachprüfungskommission als Lehrer für Operative Truppenführung und Versorgung, 24. 12. 1935 Kmdt. der Kraftfahrjägerbrigade beim Kdo. der Schnellen Division, 24. 12. 1935 GM, 1. 10. 1936 Kmdt. d. Schnellen Division, 1938 Übernahme in die dt. Wehrmacht, ab 1. 4.1938 Kmdt. der 4. Leichten Division (seit März 1940 9. Panzerdivision), 1. 8. 1940 GLt., 1. 8. 1942 Kdi. Gen. des Korps Scheide, 1. 10. 1942 Gen. d. Panzertruppen, 24. 10. 1942 Kdi. Gen. des 89. AK., 11. 6. 1943 Kdi. Gen. d. Auffrischungsstabes Mitte, 20. 7. 1943 Sonderstab II beim OKH, 26. 7. 1944 Chef d. Heeresmission in der Slowakei, 26. 9. 1944 Auflösung der Dienststelle, 31. 3. 1945 verabschiedet. Vgl Friedrich Labner, General der Panzertruppen Dr. Alfred Ritter von Hubicki. Ein österreichischer Truppenführer, phil. Diss. Univ. Wien 1988. 404 Rudolf Lunzer v. Lindhausen (Marburg, Stmk., 5. 10. 1884-31. 3. 1956, Wien), 18. 8. 1904 aus Theres. Milak. als Lt. zu 4. TKJR., ab 1. 3. 1914 Glstbskarriere, im Weltkrieg Dienst bei

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rien waren mir von der österr. und ung. Regierung Vertreter zugewiesen. Der öst. Vertreter Sektionschef Frh. v. Eichhoff405 arbeitete wesentlich bei der Verwaltung der besetzten Gebiete infolge seiner außergewöhnlichen legislatorischen Begabung und Kenntnisse mit406. Schon zu Beginn meiner Tätigkeit zeigte sich starke Verpflegsnot. Da die Armee in dieser Hinsicht von der ungarischen Regierung abhing, denn Österreich beteiligte sich nur an der Lieferung von Schlachtvieh, Pferdefutter und Gemüse, so mußte mein erstes Bestreben dahin gehen, das Vertrauen der ung. Regierung zu erwerben, an deren Spitze der berühmte Graf Tisza stand. Er begrüßte mich bei meiner Vorstellung mit den Worten, mein Name habe von der Karpatenverteidigung und von den Kämpfen in Ostgalizien her bei der Honvéd einen guten Klang. Er sah wie ein Pastor aus, sein Blick hinter der scharfen Brille hatte etwas Schneidendes und Kaltes, seine absolute Ruhe hatte etwas Aufregendes in sich, aber wenn man mit ihm verhandelte, da wurde er ganz Geist und Wille. Er war eine wirkliche Führernatur. In Máramaros-Sziget hatte er Pflanzer gesagt : „Verlangen Sie, was Sie zur Verteidigung brauchen, ich werde es Ihnen verschaffen, aber kein ungarisches Dorf darf in die Hände der Russen fallen." Nach gleichem Grundsatz verhielt er sich zu mir, doch prüfte er jeden Antrag streng sachlich. So vollzog sich das Arbeiten mit der ung. Regierung, wo Graf Hadik407 Ernährungsminister mehreren Divisionskdos, 1. 11. 1914 Hptm.i.G., 30. 3. 1918 in die QuA., 1. 10. 1919 pensioniert. 405 Johann Andreas Freiherr v. Eichhoff (Wien, 27. 9. 1871-22. 3. 1963, Wien), Dr. iur. Univ. Innsbruck, 1. 5. 1895 Konzeptspraktikant bei der Statthalterei in Graz, 20. 9. 1897 ins Handelsmin., 1900-1902 im Ministerratspräs., 9. 12. 1902 Ministerialsekretär im Innenmin., dem Departement für Verfassungsrecht, internationales Recht und allgemeine Gesetzgebung zugeteilt, 1906 Vorstand dieses Departements, 12. 11. 1906 Sektionsrat, spätestes ab 1910 Berater von Ehg.-Thronfolger Franz Ferdinand, 2. 4. 1911 Ministerialrat mit Titel und Charakter, 1913 Ministerialrat, 1914-1916 Zivilkommissär in der QuA. des AOK als Vertreter des ö. Innenmin., 28. 9. 1918 Sektionschef mit Titel und Charakter, 1917/1918 und auch vorher Berater von Kaiser u. König Karl., 1919 Mitglied der ö. Delegation bei den Friedensverhandlungen in St. Germain, 30. 9. 1919 Bevollmächtigter beim Obersten Rat in Paris, danach Gesandter in Paris, 31. 12. 1920 Sektionschef im BM für Äußeres, 31. 7. 1925 Ruhestand, aber ö. Vertreter bei der Schiedsgerichtskommission des Völkerbundes, Ehrenmitglied der Liga für Menschenrechte und der Ost. Friedensgesellschaft, Vizepräsident der Öst. Völkerbundliga, 1946-1948 Präs. der Franz.-Öst. Gesellschaft. 406 Uber die Militärverwaltung in den besetzten Gebieten siehe die Erinnerungen Zeyneks (Führungsstäbe) und Eichhoffs (Von Miramar nach St. Germain) in den Anhängen 1 und 2. Vgl. ferner Hugo Kerchnawe u.a., Die Militärverwaltung in den von den österreichischungarischen Truppen besetzten Gebieten (Carnegie Stiftung für Internationalen Frieden, Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Weltkrieges, Osterreichische und Ungarische Serie 12), Wien 1928. 407 Über János Graf Hadik de Futak (1885-1933) vgl. Glaise-Broucek I, 505, Anm. 679. Er war

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war, reibungslos. Leider kann ich nicht das gleiche von dem Verhältnis zur öst. Regierung behaupten, denn gerade mein Vorgänger, Minister Höfer, war gezwungen, zur Verpflegung der öst. Bevölkerung auf Abgaben der Armee hinzuarbeiten, was ich nicht zugeben durfte. Kaiser Karl wünschte deshalb, ich solle auch die Versorgung der ö. Arbeiterschaft übernehmen, was ich jedoch ablehnte, da ich die Schwierigkeiten der Armeeverpflegung kaum bewältigen konnte. Der Kaiser schuf deshalb die Stelle eines „Gemeinsamen Ernährungs-Ausschusses", dessen Leitung GM v. Landwehr408 übernahm, der die Funktionen eines Chefs des Verpflegswesens für die Monarchie geschickt und taktvoll ausübte. Er unternahm nichts gegen die Interessen der Armee, so daß wir immer freundschaftlich zusammenarbeiten konnten. Ein sehr wichtiges Mittel, die Lebensfähigkeit der Armee zu erhalten, boten uns die besetzten Gebiete; die Tätigkeit der Generalgouvernements in Polen und Serbien, wo hervorragende Glstbschefs eingeteilt waren, ebenso die Tätigkeit unseres Vertreters beim deutschen Generalgouvernement in Bukarest war erstklassig, so daß eine Einflußnahme des A O K nie nötig war, nur bei verschiedenen Konflikten mit den deutschen Verwaltungsstellen mußten wir vermitteln, wobei uns der deutsche Generalquartiermeister GLt. v. Hahndorff 409 kameradschaftlich entgegenkam. Die Armeebereiche wurden von den Quartiermeisterabteilungen der Armeen musterhaft bewirtschaftet, die Oberquartiermeister der Armeen waren ausgezeichnete Fachleute. Die polnische Frage, die in meiner politischen Abteilung bearbeitet wurde, ging, seit Graf Czernin die Führung hatte, kreuz und quer, so daß niemand wußte, was geschehen werde. Der schwerste Schlag, der uns Anfang 1917 traf, war die Enthebung des FM Conrad. Sie konnte uns nicht überraschend kommen, denn es war klar, daß neben Conrad für einen Kaiser beim A O K kein Platz war. Am 4. Februar 1917 rief mich S.M. zu sich, besprach die allgemeine Verpflegslage und regte an, zur Verminderung des Futterbedarfes die Reitpferde nahezu ganz abzuschaffen, da man sie an der Front nicht mehr brauche. Ich konnte nur zustimmen. Der Kaiser erwähnte noch etwas gereizt, diese Maßnahme werde

Absolvent der Theres. Milak., nur kurz Berufsoffizier, dann Abgeordneter zum ung. Parlament, Staatssekretär im Innenmin. und 1917/1918 Ernährungsmin., 30. 10. 1918 designierter Ministerpräs. 408 Ottokar Landwehr v. Pragenau (Wien, 12. 2. 1868-13. 3. 1944, Wien), 18. 8. 1889 als Lt. aus Theres. Milak. zu IR. 86, ab 1897 Glstbskarriere, 27. 10. 1912 Vorstand der Abt. 5/M im KM, Protagonist der Motorisierung beim Militär, 31. 10. 1912 Obst.i.G., 1/1916 Oberquartiermeister d. Isonzoarmee, 1. 11. 1916 GM, 27. 2. 1917 Vorsitzender des Gemeinsamen Ernährungsausschusses, 1918 pensioniert, später Vizepräsident d. Ost. Roten Kreuzes; seine Memoiren: Hunger. Die Erschöpfungsjahre der Mittelmächte 1917/18, Zürich-Leipzig-Wien 1931. 409 Felix Hahndorff (8. 9. 1852^1. 12. 1920).

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auch den Spazierritten beim AOK ein Ende bereiten ; die Bevölkerung halte sich darüber auf, es mache sich nicht gut, daß Conrad und Metzger mit Suiten herumreiten und schließlich noch Pferde am Hauptplatz mit Semmeln gefüttert werden, während das Volk hungere. Der Kaiser fragte mich weiters, wie ich über die einzelnen Herren der OpA. denke und ob ein Personalwechsel nötig sei. Ich sagte nur, Conrad sei die überragende Führergestalt Europas; jeder andere Offizier sei ersetzbar. Am 7. Februar ließ mich S.M. neuerlich rufen und teilte mir mit, von der 7. Armee, GO Graf Kirchbach, sei eine Depesche eingelangt, daß die Artilleriepferde kein Futter mehr hätten. Ich möge abhelfen und die Weisungen entsprechend seiner Anregung vom 4. Februar sofort ausgeben, aber FM Conrad von diesen Besprechungen keine Meldung erstatten, weil S.M. sich die Angelegenheit noch überlegen wolle. Am 14. Februar berief mich S.M. nochmals zu sich ; nun sprach er sich scharf gegen die Zustände beim AOK aus, tadelte das gesellschaftliche Leben des AOK und erklärte, die leitenden Glstbsoffiziere der Operationsabteilung müßten sofort ihre Posten verlassen und aus dem Glstb. ausscheiden, zum Truppendienst einrücken. Die Befehle wegen Abschaffung der Reitpferde solle ich FM Conrad in seinem Auftrag zur Ausgabe vorlegen. Als ich FM Conrad Bericht erstattete, erklärte dieser, er werde alle Konsequenzen aus dem Vorgehen des Kaisers ziehen und bat sofort um seine Enthebung. Am 28. Februar wurde er enthoben. FML Metzger und ich erwarteten ihn, als er von der entscheidenden Audienz zurückkam. Er fragte uns, ob er das ihm angebotene Kommando über die Streitkräfte in Tirol annehmen solle. Ich antwortete mit dezidiertem : Nein ! Er habe den Krieg gegen Rußland so geführt, daß sein Name den größten Feldherren aller Zeiten angereiht werden müsse, er dürfe jetzt nicht ein Teilkommando übernehmen, bei welchem er von der Gnade oder Ungnade des vorgesetzten AOK abhängig sei. Für seine weltgeschichtliche Tätigkeit als Chef des Glstbs gebe es keine Fortsetzung auf einem andern Posten. Metzger stimmte mir zu, und Conrad sagte, er werde in seine Wohnung gehen, sich in Zivil umziehen und sofort von Baden nach Wien fahren, um seine Pensionierung zu verlangen. Als er in Wien am Südbahnhof eintraf, erwartete ihn dort der FML Marterer, der Generaladjutant des Kaisers, und überredete ihn, aus dynastischen Gründen und wegen der Wirkung auf das Ausland das Kommando in Tirol zu übernehmen. Conrad gab leider nach. Er verabschiedete sich nicht vom AOK, gab nur seinen direkten Mitarbeitern seine Photographie. Ich hatte dienstlich mit ihm nicht mehr zu tun, aber das Bild dieses Mannes von heroischer Kraft der Überzeugung und von wahrer Genialität als Heerführer und Staatsmann steht mir immer vor Augen. Ich bin ihm unendlich dankbar für das Vertrauen, das er mir geschenkt hat, und bin dem Schicksal dankbar, daß ich mit dieser singulären Erscheinung vor dem Kriege und im Kriege arbeiten durfte.

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Es wäre trotzdem ungerecht, dem Kaiser Karl wegen der Enthebung Conrads einen Vorwurf zu machen, denn es standen sich zwei entgegengesetzte Ideen gegenüber, die ein gemeinsames Arbeiten ausschlössen. Conrad war für das Durchhalten im Ludendorff sehen Sinne bis zum Siegfrieden. Der Kaiser hingegen war für schleunigste Beendigung des Krieges, unbedingten Friedensschluß im Geiste eines Ausgleiches der Gegensätze, eventuell - falls Deutschland sich weigert - ohne Deutschlands Zustimmung, also im Wege eines Separatfriedens. Dies sollte aber unter voller Wahrung der Interessen Deutschlands geschehen, welches zwar Elsaß-Lothringen abzutreten hätte, aber durch Gebiete im Osten, eventuell sogar durch Galizien, entschädigt werden sollte. Die Tatsachen haben bewiesen, daß die Konzeption Ludendorffs nicht durchgeführt werden konnte ; Kaiser Karls Konzeption wäre bei einem tüchtigen Minister des Äußern wahrscheinlich gelungen. Nach der Enthebung Conrads erfolgte sofort die Sprengung der OpA.: Am 6. März 1917 wurde FML Metzger enthoben; er nahm von mir weinend Abschied, wie es sonst bei uns nicht Sitte war, und bat mich bei unserer Freundschaft, auf meinem Posten solange als möglich auszuharren, was auch immer kommen möge. Metzger betrachtete mich als einen jüngeren Bruder gleicher Art; und uns verband eine Sympathie des Denkens und Fühlens, wie sie wohl nur ausnahmsweise bei zwei Männern vorkommen dürfte. Nun versank plötzlich die ganze militärische Vergangenheit, und es entwickelte sich ein neues Bild, dessen Hauptakteure GO Baron Arz und GM Alfred Frh. v. Waldstätten waren.

VIII. Chef der Quartiermeisterabteilung des Armeeoberkommandos unter Generaloberst Baron Arz (1. März 1917 bis 12. November 1918) Das AOK II war dem AOKI natürlich nicht ebenbürtig, weil FM Conrad und auch FML Metzger, dessen erster Gehilfe, unersetzlich waren. GO Arz war vor dem Krieg an operativen Arbeiten nicht beteiligt gewesen, im Krieg hatte er sein Armeekorps zu großen Erfolgen geführt, wobei das Kriegsglück und sein Generalstabschef eine wesentliche Rolle gespielt hatten, aber persönlich erfreute sich Arz durch sein ritterliches Wesen allgemeiner Sympathien. War Conrad ein tiefer Denker und Prophet, so besaß Arz gesunden Hausverstand und Lebensklugheit; beiden war Festigkeit des Charakters eigen, bei Arz war sie aber verbunden mit einer agileren, leichteren, vielleicht sogar etwas leichtsinnigen Weltanschauung. Allerdings muß betont werden, daß das AOK II sich in einer solchen Abhängigkeit von der DOHL befand, daß es nicht mehr ganz frei in seinen Entschlüssen war. Es kam dadurch ein fatalistischer

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Zug in die oberste Führung, der öfters als Frivolität mißdeutet wurde und dem Ansehen des AOK schadete. Oberst Waldstätten genoß das besondere Vertrauen des Kaisers Karl und war im Generalstab hochgeschätzt. In meinen Agenden wurde ich von niemandem gestört und von niemandem unterstützt. Ich referierte täglich dem GO Arz, doch waren die Referate kürzer als zu Conrads Zeiten und beschränkten sich auf seine Orientierung über die materielle Lage im Großen. Eine geistige Einflußnahme erfolgte öfters durch Kaiser Karl, dem besonders die Versorgung der österreichischen Bevölkerung am Herzen lag410. Ich war auf das wohlwollende Verständnis der ungarischen Regierung angewiesen, da die ungarischen Uberschüsse die Grundlage der Heeresverpflegung bildeten. Als Mittelpunkt von Intrigen wurde der Generaladjutant des Kaisers, FML Marterer, bezeichnet. Am 26. Februar berief mich S.M. zu einem Kronrat nach Wien, bei welchem über die Leitung des Eisenbahnwesens in Österreich verhandelt wurde; es waren Kriegsminister Krobatin, Min.-Präs. Clam-Martinitz, Eisenbahnminister Forster 411 und Arbeitsminister Trnka 412 anwesend; ich als Vertreter des AOK. Da der Kaiser mich persönlich telephonisch einlud, entnahm ich daraus, daß meine Enthebung vom AOK nicht beabsichtigt sei. Ich blieb beim AOK bis zur letzten Stunde und erfreute mich des besonderen Vertrauens des Chef des Glstbs und seines Stellvertreters GM Waldstätten, mit dem ich freundschaftlichst zusammenarbeitete. GO Arz nahm weniger Einfluß auf die Führung der Arbeiten wie FM Conrad ; die Referate waren viel kürzer.

410 Zeynek stellte in seinem ersten Manuskript über die Tätigkeit der QuA. ausdrücklich fest, dass der Gemeinsame Ernährungsausschuss einer Initiative Kaiser Karls entsprang. Bei Gratz, Schüller, Der wirtschaftliche Zusammenbruch, 69 f.: „Der Monarch hat auf seine [d.i. GM Landwehr] Bitte oft und oft in diese Angelegenheiten persönlich eingegriffen, denn es lag wieder an der staatsrechtlichen Konstruktion der Monarchie, daß ... der Herrscher ... tatsächlich eingreifen mußte, um die immer wieder zutage tretenden Reibungen zwischen den beiden Staaten auszugleichen und den Einklang zwischen ihnen - so gut es eben ging - herzustellen. Dank wußten ihm dafür nur wenige einsichtige Leute. Der Monarch kümmerte sich auf das angelegentlichste um die Ernährungsfragen, und es verstrich keine Woche, ohne daß er General Landwehr mehrere Male - oft mitten in der Nacht - zu sich berufen oder telephonisch befragt hätte." 411 Zdenko Frh. v. Forster (Prag, 9. 6. 1860-15. 1. 1922, Wien), Sektionschef, 15. 11. 1908-10. 2. 1909 Leiter des ö. Eisenbahnmin., 3. 11. 1911-31. 10. 1916 und 20. 12. 1916-23. 6. 1917 Eisenbahnmin. 412 Ottokar Frh. v. Trnka (Pardubitz, 19. 7. 1871-25. 6. 1919, Wien), Sektionschef im Eisenbahnmin., 3. 11. 1911-23. 6. 1917 Min. für Öffentliche Arbeiten, 25. 9. 1917 Mitglied des Herrenhauses.

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Arz fuhr schon Anfang März nach Kreuznach 413 , und als Beweis des starken Einflusses, den Ludendorff gewonnen hatte, überbrachte er mir am 13. März 1917 den Auftrag, die Polnische Legion aus Polen wegzunehmen und an der russischen Front als Kampftruppe einzuteilen, so daß sie als Kader für eine polnische Armee nicht mehr in Betracht kam ; ich war entsetzt, denn ärger konnte man die Polen nicht vor den Kopf stoßen. Ich hatte keine Ahnung, daß Czernin einen Verzicht auf Polen ausgesprochen hatte und die Monarchie in Rumänien schadlos halten wollte. Hunderte von Offizieren und Beamten bemühten sich indessen zwecklos, in Polen die Sympathien der Bevölkerung zu erwerben, während Rumänien nur als Ausnützungsobjekt behandelt wurde. So fehlte der Einklang der leitenden Stellen. Als Konzession für die Polen wurde der bisherige Kommandant der Polnischen Legion, Obst. Graf Szeptycki, Generalgouverneur in Lublin. Es begann hiermit eine Reihe von Ernennungen auf besonders hohe Posten ohne Rücksicht auf die Charge. Da aber die Kommandanten an der Kampffront restlos an ihren Rang gebunden waren, entstand bei den Kombattanten eine arge Mißstimmung. Oberst Graf Szeptycki wurde Generalgouverneur, Minister Graf Czernin General, Rittmeister Graf Clam-Martinitz Generalgouverneur in Montenegro. Kaiser Karl fiel sichtlich dem unheilvollen Einfluß Czernins und Marterers anheim ; Arz beschränkte sich auf seine Agenden beim AOK, und so fand sich niemand, der diesen beiden Männern entgegenwirkte; der Kaiser selbst war zu jung und zu schwach. Er besaß einen richtigen Blick und beurteilte die Situationen manchmal klarer als seine Ratgeber. Er bewies dies in der Frage der militärischen Gesamtlage, des Unterseebootkrieges, der sozialen Folgen des Weltkrieges, der Notwendigkeit baldigsten Friedensschlusses. Es fehlte ihm nur die Kraft, seinen Willen durchzusetzen. Sein einziger Fehler war seine zu weitgehende Güte; es fiel ihm nichts so schwer, als jemandem Nein sagen zu müssen. Aus diesem Grunde sagte er oft seine Meinung nicht so aufrichtig, als es geboten gewesen wäre, und kam dadurch schließlich in den Verdacht der Unaufrichtigkeit. Ich habe folgenden charakteristischen Fall erlebt: Ich wurde plötzlich telephonisch in die Villa Wartholz des Kaisers nach Payerbach 414 zitiert; der Grund der Berufung wurde mir nicht angegeben. Als ich ankam, empfing mich der Kaiser in seinem Arbeitszimmer, führte mich aber gleich in den Garten und besprach mit mir die Lage der Ar413 (Bad) Kreuznach, Stadt an der Nahe, heute Rheinland-Pfalz, ab 1914 oftmals Deutsches Großes Hauptquartier. 414 In Payerbach, einem Ort an der Schwarza, westlich von Gloggnitz, NO, befand sich die vom Großvater Kaiser Karls, Ehg. Karl Ludwig, ererbte Villa Wartholz. Kaiser Karl machte dort 1917/1918 Urlaub und führte die Geschäfte zeitweise dort, am Sitz des AOK oder im Schloss Laxenburg bzw. im Hofzug und an der Front. Vgl. Anna Maria Sigmund, Das Haus Habsburg - Habsburgs Häuser. Wohnen und Leben einer Dynastie, Wien 1995.

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mee und der ö. Arbeiterschaft. Nach zweistündigem, herzlichem Gespräche schüttelte er mir die Hand und sagte mir: „Lieber Zeynek, bitte arbeiten Sie nur so weiter, ich bin Ihnen sehr dankbar dafür." ... Als ich beim Eingangstor den Generaladjutanten Gl. Prinz Lobkowitz415 traf, fragte dieser mich, ob S.M. mir ordentlich seine Meinung gesagt habe? - „Warum?" - „Du bist doch über Verlangen des österr. Ministers H[öfer] gerufen worden, weil Du angeblich Schuld bist, daß die Arbeiterschaft hungert." - Der Kaiser hatte diese Beschwerde nicht mit einem Worte gestreift, hingegen die Verpflegsfrage gründlich durchbesprochen. Das Privatleben des Kaisers war mustergültig. Es ist empörend, was für falsche Begriffe verbreitet wurden. Die Kaiserin Zita hat sich nie in die Angelegenheiten des AOK hineingemengt, im Gegenteil sich von uns auffallend ferne gehalten. Wenn ich dem Kaiser an Sonntagen referierte, unterbrach er die Arbeit auf die Dauer der Messe, die Kaiserin zeigte sich nie. Soweit es mir bekannt wurde, trat sie nur in zwei Fällen aus ihrer Reserve hervor: Als das Luftbombardement von Venedig angeregt wurde, bat sie offiziell den Kaiser, aus kulturellen Gründen davon abzusehen ; dies geschah auch ; und als Admiral Holtzendorff 416 den U-Boot-Krieg verlangte und beim Dejeuner die Bemerkung machte, das Volk solle „nur mal den Riemen noch enger schnallen", sagte sie erregt, sie liebe es nicht, wenn bei einer wohlbesetzten Tafel vom Hungern des Volkes gesprochen werde. Außer diesen zwei Fällen habe ich in den mehr als IV2 Jahren meiner Tätigkeit beim AOK von einer Einflußnahme der Kaiserin Zita auf militärische Angelegenheiten nichts gehört. Eine Einmischung zugunsten der Entente gehört in das weite Feld der planmäßigen preußischen Verleumdungen gegen das Haus Habsburg. Ich gehe nun zur chronologischen Darstellung meiner wichtigsten Erlebnisse über: Am 22. März 1917 fand wegen der Verpflegsnot ein Gemeinsamer Ministerrat statt. Czernin führte den Vorsitz, Tisza, Krobatin, dann eine Reihe ö. und u. Minister waren anwesend; ich vertrat das AOK. Da Czernin nicht orientiert war, präsidierte tatsächlich Ministerpräsident Graf Tisza. Er überprüfte genau meine Aufstellungen und Daten, was Czernin sichtlich langweilte. Es wurde eine Intervention bei der DOHL beschlossen, die über große

415 Über Zdenko Prinz Lobkowitz (1858-1933), ab 1907 Kammervorsteher Ehg. Karl Franz Joseph, 24. 11. 1916 Generaladjutant des Kaisers, vgl. Glaise-Broucek I, 383, Anm. 325. 416 Henning v. Holtzendorff (Prenzlau, 9. 1. 1853-7. 6. 1919, Jagow, Uckermark), 1869 Eintritt in die preuß. Kriegsmarine, 1906-1909 Chef des I. Geschwaders, 1909 II. Admiral des Kreuzergeschwaders in Ostasien, 1910 Chef der Hochseeflotte, 1/1913 ausgeschieden aus dem aktiven Dienst, IX/1915 reaktiviert als Chef des Admiralstabes, 1918 Großadmiral, 27. 8. 1918 neuerlich ausgeschieden.

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Verpflegsreserven verfügte417. Am 25. März wurde ich durch GO Arz ver417 Das Protokoll dieses Gemeinsamen Ministerrats in Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914-1918), eingel. u. zusammengest. v. Miklós Komjáthy (Publikationen des ungarischen Staatsarchivs II. Quellenpublikationen 10), Budapest 1966, 471-482. In einem zweiten, am selben Tag abgehaltenen Ministerrat, an dem Zeynek nicht teilnahm (Protokoll ebd., 482-499), referierte Außenmin. Czernin über seine Besprechungen mit Reichskanzler Bethmann Hollweg und bemerkte, dieser hätte ihm Zusicherungen gemacht. „Wenn Deutschland Frankreich und Belgien herausgibt und noch etwas dazu, dann ist der Friede da. Der Reichskanzler hat mir dieses Opfer streng geheim zugesagt." Czernin war auch deshalb, was Zeynek natürlich nicht wissen konnte, für die Aufgabe der austropolnischen Lösung. Rudolf Neck, Das „Wiener Dokument" vom 27. März 1917, in: Mitteilungen des Osterreichischen Staatsarchivs 25 (1972), 294-309, interpretiert auch, dass Czernin auf die bei Meckling, Die Außenpolitik des Grafen Czernin, genauer geschilderten Verhandlungen des ö.-u. Diplomaten Graf Albert Mensdorff-Pouilly-Dietrichstein den größten Wert und die überwiegende Hoffnung hegte. Wenn dem so wäre, dann hat er das Ineinanderspiel der Kontakte nicht mehr im Griff gehabt. Denn dass er über die sehr aussichtsreichen Fühlungnahmen zum französischen Staatspräsidenten Poincaré weitgehend informiert war, hat Tamara Griesser-Pecar, Die Mission Sixtus. Österreichs Friedensversuch im Ersten Weltkrieg, Wien-München 1988, sehr eindringlich nachgewiesen. Der Herausgeber vertritt aufgrund der Aktenlage im KA, AOK/Operationsabteilung/geheim (Op.geh.), eine andere Meinung. Der Chef des Generalstabs, GO Arz, hat noch am Tag des Gemeinsamen Ministerrates eigenhändig und mit Datum bestätigt, dass er das Sitzungsprotokoll genau gelesen habe. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass er noch am selben Tag den Verbindungsoffizier GM Cramon oder gar die DOHL selbst von jenen Äußerungen Czernins verständigt hat. Die eigentümliche Haltung Czernins in der darauffolgenden Nacht, als der sogenannte erste Sixtus-Brief verfasst wurde, den Czernin im Wortlaut anscheinend tatsächlich nicht kannte, ist durch eine massive Intervention der DOHL am ehesten zu erklären. Denn nach der Thronbesteigung hatte Kaiser Karl auch den Oberbefehl über die Gesamte Bewaffnete Macht übernommen und dem Chef des Generalstabs FM Conrad den Auftrag gegeben, die Bestimmungen über eine Oberste Kriegsleitung neu zu verhandeln oder aufzuheben. FM Conrad hatte damit nicht nur keinen Erfolg, vielmehr wurde auch die Bestimmung, dass die OKL nur Waffenstillstand schließen dürfe, wenn dadurch keine Gebiete der Donaumonarchie betroffen seien, im neuen Vertrag einfach weggelassen. Arz dürfte sich also der DOHL oder OKL gegenüber verpflichtet gefühlt haben. Kaiser Wilhelm selbst informierte dann in Homburg Kaiser Karl ebenfalls von seiner negativen Haltung gegenüber jenem Friedensfühler, obwohl Kaiser Karl auch ihn ins Vertrauen gezogen hatte. Aus Angst vor einer roten oder weißen Revolution wie in Russland vorher und nachher und aus Sorge vor dem mehrmals angedrohten Einmarsch der dt. Armee in Böhmen wurden Kaiser Karl und seine Politik von Czernin und Arz im Stich gelassen. Sein Handeln wurde durch deutschnationale Propaganda verzerrt wiedergegeben. Für seine Politik hat eben Kaiser Karl sehr wohl die Zustimmung des Gemeinsamen Ministerrates gehabt, aber nicht die Zustimmung der DOHL und, wie ja auch Zeynek - und Glaise-Horstenau - vorsichtig schrieben, der Spitzen des I. und II. AOK. Vgl. Friedrich Funder, Vom Gestern ins Heute. Aus dem Kaiserreich in die Republik, 3. Aufl. Wien-München 1971, 431-433; Erich Feigl, Kaiserin Zita. Von Österreich nach Österreich, Wien-München 1982, 266f.; Elisabeth Kovács, Untergang oder Rettung der Donaumonarchie? Bd. 1 : Die österreichische Frage. Kaiser und König Karl I. (IV). und die Neuordnung Mitteleuropas (1916-1922) (Veröffent-

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ständigt, daß S.M. zum Kaiser Wilhelm fahren werde, um die Erneuerung des Friedensangebotes durchzusetzen. Diese Zusammenkunft fand am 3. April in Homburg statt, und Czernin soll - unrichtigerweise - erklärt haben, die Armee könne aus materiellen Gründen den Krieg höchstens bis Ende 1917 weiterführen. Solche unsachliche Behauptungen mußten das deutsche Vertrauen in unsere Führung schwerst schädigen. Am 10. April wurde mir von Exz. Arz mitgeteilt, Ludendorff habe den Vorschlägen unseres Kaisers zugestimmt. Inzwischen flammte wieder die polnische Frage auf. Die Polnische Legion wurde aus der Front zurückgezogen und dem polnischen Staatsrat übergeben. Czernin wünschte, ich solle einen polnischen Landsmannschaftsminister in die QuA. des AOK aufnehmen; ich lehnte es ab. Czernin wünschte nun die Aufstellung einer eigenen polnischen Abteilung beim AOK außerhalb der QuA.; er hatte keine Ahnung von den Zusammenhängen der Armeeverpflegung mit der politischen Verwaltung der besetzten Gebiete. Ich lehnte auch diesen Vorschlag ab, beantragte aber meine Enthebung und die Berufung des FZM Schleyer418 oder des G.d.I. Alfred Krauss 419 auf meinen Posten. Der erstere war ein Freund Marterers und hätte sich gewiß auch mit Czernin vertragen, der letztere war ein Mann von besonderer Energie und großen Kenntnissen und hätte auf die Regierungen einen starken Einfluß gewonnen. Bis Mitte Mai war aber die Entscheidung gefallen, ich solle auf meinem Posten bleiben. In der polnischen Frage sattelte Czernin plötzlich um und verzichtete am 17./18. Mai 1917 bei einer Rücksprache mit Bethmann Hollweg auf Polen; GM Paie berichtete aus Warschau, die Polen würden nun gewiß zur Entente übergehen. Eine Ironie des Schicksals wollte es, daß das AOK damals in Bukarest feststellte, daß Czernin - ohne es zu melden - im Jahre 1914 den diplomatischen Chiffrenschlüssel verloren hatte und jetzt die photographischen Kopien desselben in der Villa des Ministerpräsidenten Bratianu gefunden wurden ! lichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 100/1), Wien-Köln-Weimar 2004, 161-163. 418 Leopold Schleyer v. Pontemalghera (Königgrätz, 2. 6. 1858-2. 5. 1920 Wien), 1879 aus Techn. Milak. als Lt. zu FAR. 6, Glstbskarriere nach Absolvierung des Höheren Artilleriekurses, 1894-1895 Taktiklehrer an der Kriegsschule, 1. 11. 1900 Obst.i.G. u. Vorstand des Telegraphenbüros des Glstbs., 1905 Vorstand d. Abt. 5/TB d. KM, 1. 5. 1907 GM, 1909 Kmdt. der neu errichteten Verkehrstruppenbrigade, 10. 1. 1913 Sektionschef als Leiter der Techn. Sektion des KM, 1. 5. 1915 FZM, 2. 8. 1917 enthoben und dem AOK zur Verfügung gestellt, 1. 1. 1919 pensioniert. 419 Über Alfred Krauss (1882-1938) vgl. Glaise-Broucek I, 191, Anm. 184. Er war 1917 Kmdt. des I. Korps, dann ab Mai 1918 der Ostarmee.

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Am 17. Juni 1917 wurden wir in Baden-Vöslau durch Explosionen von Pulverdepots in Blumau geweckt; der Ort war ganz in grelles Rot getaucht, falsche Alarmnachrichten über einen italienischen Fliegerangriff wurden sofort verbreitet, und die Aufregung einiger älterer Militärbeamten war so groß, daß ich sie zwingen mußte, ihre Kanzleien aufzusuchen. So war auch für den Humor gesorgt. Zu meinem großen Bedauern war im Jahre 1917 Kriegsminister Krobatin, dieser geniale, bewundernswerte Organisator aller Neuschöpfungen im Kriege, der Mann, der die Kriegsindustrie mobilisiert hatte, von seinem Posten zurückgetreten ; G.d.I. Stöger-Steiner420 wurde Kriegsminister. Ende Juni 1917 trat auch Clam-Martinitz als Ministerpräsident zurück, der mir unbekannte Minister Seidler421 übernahm die Leitung der öst. Regierung. Anfang Juli verlangte die DOHL die Enthebung unseres Vertreters in Warschau, des GM Paie, weil er gegen die deutschen Interessen intrigierte. Dem Ansuchen wurde vorläufig nicht Folge gegeben. Am 6. Juli besuchte uns Kaiser Wilhelm. Waldstätten, GM Straub422, der Chef des Feldeisenbahnwesens, Oberst Ronge423, der Chef des Nachrichtendienstes, und ich wurden ihm durch S.M. vorgestellt ; man spürte, daß die Beziehungen nur formell gut waren. Am 11. August 1917 wurde einem Wunsche Ludendorffs entsprechend die Polnische Legion aus Warschau wieder weggenommen, um an der italienischen Front eingesetzt zu werden; die Legion lehnte sich aber dagegen auf und wurde schließlich nach Przemysl abgeschoben. Am 20. Oktober verlangte Czernin Zugeständnisse für die polnische Legion, da er die Stimmen des Polenklubs im Parlament für sich gewinnen wollte. Jetzt hörte man wieder auf meinen Rat in den polnischen Fragen, da war es aber schon zu spät. Über die Politik in Montenegro habe ich mich mit dem neuen Generalgouverneur Graf Clam-Martinic direkt geeinigt, um von hysterischen Launenhaftigkeiten des Außenministers frei zu bleiben. Eine Studie zur sofortigen Lösung der südslawischen Frage im Rahmen der Monarchie, die ich Exz. Arz vorlegte, lehnte dieser mit dem lakonischen Wort Dualismus! ab. 420 Über Rudolf Frh. v. Stöger-Steiner (1861-1921) vgl. Glaise-Broucek I, 466, Anm. 577. Stöger-Steiner war vom 12. 4. 1917 bis Kriegsende Kriegsmin. 421 Über Ernst Seidler R. v. Feuchtenegg (1862-1931) vgl. Glaise-Broucek I, 447, Anm. 511. Seidler war vom 23. 6. 1917 bis 25. 7. 1918 Ministerpräs., dann kaiserlicher Kabinettsdirektor, 9. 11. 1918 Ruhestand. Sein Nachlass in KA, NLS, sign. B/1818. 422 Johann Straub (Linz, 14. 11. 1866-18. 10. 1929, Salzburg), 14. 1. 1886 als E.F. zu FJB. 26, 1. 1. 1889 Lt.i.d.Res., 1. 8. 1889 Berufsoffizier, ab 1899 Glstbskarriere, 1. 11. 1910 Obstlt.i.G., 12. 4. 1911 Eisenbahnbüro d. Glstbs., 24. 7. 1913 Obst.i.G., 22. 1. 1914 Chef d. Eisenbahnbüros, 30. 7. 1914 Vorstand der Abt. 5/EB des K M und Chef der Zentraltransportleitung, 1. 10. 1914 Chef des Feldeisenbahnwesens beim A O K , 27. 6. 1917 GM, 1. 1. 1919 pensioniert. 423 Über Maximilian Ronge (1874-1953) vgl Glaise-Broucek I, 264f. Er war ab 25. 4. 1917 Chef der Nachrichtenabt. des AOK.

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Ende Oktober 1917 begann unsere Offensive gegen die italienische Armee424. Wir hatten sie materiell seit Monaten vorbereitet, wobei mir der u. 424 Die Rriegsereignisse des Jahres 1917 waren zunächst an der russischen Front durch den Sturz des Zaren und die Revolution am 15. März sowie die am 1. Juli beginnende KerenskiOffensive unter Gl. Brussilow geprägt. Dabei erstürmte eine im Verband der russ. Armee kämpfende, vornehmlich aus Soldaten tschechischer Nationalität bestehende Brigade die Mogila-Höhe bei Zborów. Die dt. Südarmee und die 7. Armee mussten zunächst bis zur Linie Kalusz-Halicz zurückgehen, doch wurde diese Stellung am 11. Juli von den Russen trotz der Heranbringung neuer dt. und ö.-u. Truppen durchstoßen. Damit war aber die Offensivkraft der Russen erschöpft. Nach erbitterten Kämpfen vom 6. bis 16. Juli bei Stanislau eroberten kroatische Truppen am 2. August Czernowitz. Nach der russischen Oktoberrevolution wurde am 7.12. 1917 mit Rumänien und am 15. Dezember mit den Bolschewiki Waffenstillstand geschlossen. Die „tschechischen" Einheiten im Rahmen der russ. Armee erreichten eine Stärke von etwa 92.000 Mann und gelangten schließlich zum Großteil 1919/20 nach Frankreich. Dort war inzwischen eine ähnliche Truppe von etwa 12.000 Mann aufgestellt worden, und in Italien formierte die Entente eine solche Truppe von 24.000 Mann. Sie alle wurden schließlich „Tschechoslowakische Legion" genannt und als kriegführende Macht von den Alliierten anerkannt. Vgl. dazu: Marton Farkas, The Army and Internal Conflict in the Austro-Hungarian Empire 1918, in: Béla Κ. Király, Nándor F. Dreisziger (Hg.), East Central European Society in World War I (War and Society in East Central Europe 19; East European Monographs 196; Atlantic Studies on Society in Change 38), New York 1985, 338-354, und Josef Kalvoda, The Origins of the Czechoslovak Army, in: ebd., 419-438. Am 1. 2. 1917 begann Deutschland den uneingeschränkten U-Boot-Krieg, und am 6. April erfolgte die Kriegserklärung der USA an Deutschland (erst am 7. 12. 1917 an ÖsterreichUngarn). Am 11. 3. 1917 eroberten die Briten Bagdad und am 9. Dezember Jerusalem. An der Isonzofront brachte die 10. Schlacht den Italienern nur geringe Geländegewinne, die sogenannte „Junischlacht um die Sieben Gemeinden", auch Ortigaraschlacht, an der Front zwischen Gardasee und Dolomiten (10.-29. 6. 1917) wurde durch Gegenangriffe zum Scheitern gebracht. Der italienische Angriff in der 11. Isonzoschlacht, der blutigsten von allen (18. 8.-15. 9. 1917) erreichte fast ihr Ziel, nämlich Triest. Die ö.-u. Front musste in 15 km Breite und 4 bis 8 km Tiefe zurückgenommen werden, Verluste der ö.-u. Armee 10.000 Tote, 45.000 Verwundete, 30.000 Vermisste, 20.000 Kranke. Die Donaumonarchie brauchte dringend Hilfe. Die DOHL oder OKL gewährte sie gegen das vorherige schriftliche Versprechen des AOK (wahrscheinlich ohne Wissen Kaiser Karls), im nächsten J a h r Deutschland militärische Hilfe zu leisten. Es kam zum großen Entlastungsangriff (12. Isonzoschlacht) aus dem Raum Tolmein-Flitsch ab 24. Oktober. Die DOHL stellte die 14. Armee (General Otto v. Below) zur Verfügung. Der Angriff begann bei nebeligem und regnerischem Wetter, wodurch die Geheimhaltung der Richtung und des Beginns des Offensivstoßes weitgehend gewährleistet war. Nach Gasschießen und Trommelfeuer begann in den Morgenstunden jenes Tages der Infanterieangriff, der in den Tälern und erst in zweiter Linie auf den Höhen („Talstoß") vorgetragen wurde. In wenigen Tagen waren die italienischen Stellungen durchbrochen, und die verbündeten Truppen begannen ihren Vormarsch in die Ebenen Venetiens. Der große Frontbogen (Asiago-Dolomiten-Kärntner Grenze-Isonzo) geriet in Bewegung und kam erst am Piave, den die ö.-u. Truppen am 9. November erreichten, wieder zum Stillstand. Die Offensive kostete den Italienern nach eigenen Angaben 10.000 Tote, 30.000 Verwundete, 730.000 Gefangene, 3.152 Geschütze, 1.732 Minenwerfer und 3.000 Maschinengewehre (vgl. Schöckl, Österreich-Ungarns Isonzofront).

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Ernährungsminister Graf Hadik treu geholfen hat. Ich muß es klipp und klar aussprechen, daß die Armee während des Weltkrieges fast nur von Ungarn verpflegt wurde. Österreich kam nicht einmal seinen Verpflichtungen wegen der Viehaufbringung und Futterversorgung nach ; die Wirtschaft in Galizien, Böhmen, aber auch in den Alpenländern war nicht entsprechend. Nur den ungarischen Lieferungen war es zu danken, daß wir die zu einer großen Operation nötigen Reserven ansammeln konnten. Die Glstbsmajore Haberl und Schäfer und der Oberintendant Schreiber der QuA. haben damals glänzend gearbeitet, ebenso wirkte sehr erfolgreich der Leiter des Sanitätsreferates General-Stabsarzt Dr. Steiner mit. Sektionschef Hanausek beschränkte sich auf finanzielle, administrative und Personalangelegenheiten. S.M. weilte mit Exz. Arz seit Anfang Oktober in Bozen, so daß auf GM Waldstätten und auch auf mir eine erhöhte Verantwortung lastete. Am 24. Oktober begann die Offensive und führte zu dem großartigen Erfolge von Karfreit-Tolmein. Dieser Durchbruch entsprach der Anregung, die FM Conrad lange vor dem Krieg dem Mjr. Waldstätten an Ort und Stelle gegeben hatte. Die Mitwirkung deutscher Truppendivisionen war bei diesem Durchbruch höchst wertvoll, ja unentbehrlich, hatte aber auch böse Konsequenzen, indem schon am 27. Oktober ein Streit mit der DOHL wegen Verteilung der Beute ausbrach. Ludendorff verlangte ursprünglich die halbe Beute, den halben Einfluß, das halbe besetzte Gebiet. Die Beute betrug nebst 730.000 Gefangenen 3.150 Geschütze, 1.732 Minenwerfer, 3.000 Maschinengewehre, 300.000 Gewehre, 300 Waggons technisches Material, 7.000 Fuhrwerke, 900 Waggons Monturen, 100 Waggons Sanitätsmaterial, 1.300 Lastautos etc. Allmählich gelangten wir wegen Aufteilung der Riesenbeute zu einer Einigung, und für die Verwaltung des besetzten Gebietes wurden die Grundlagen in der QuA. durch Sektionschef Frh. v. Eichhoff ausgearbeitet. Nach drei Wochen kam Exz. Arz wieder zum AOK zurück, überglücklich über den Erfolg und voll Dankbarkeit für die so wichtige deutsche Waffenhilfe. Ich mußte ihn nun über die trostlose Lage im Innern orientieren: der ungarische Ernährungsminister weigerte sich, nach den großen Leistungen der vergangenen Monate die Armee weiter zu beliefern, und der österreichische Ernährungsminister stand einer chaotischen Lage gegenüber. Als daher Exz. Arz von mir verlangte, ich solle der Ausfuhr von Lebensmitteln aus dem von uns besetzten Teil Italiens nach Deutschland zustimmen, mußte ich es absolut ablehnen und bat um sofortige Enthebung. Als Antwort bekam ich das Kleinkreuz des St.-Stephans-Ordens, eine Auszeichnung, die in der ganzen Armee nur noch zwei Offiziere während des Weltkrieges erhielten : GM v. Paie und Oberst Kundmann, der langjährige Chef des Präsidialbüros des AOK. GM v. Paie erhielt ihn, weil er im Oktober 1917 über Verlangen Beselers enthoben werden mußte, Seine Majestät ihm aber ein Zeichen seines besonderen Vertrauens geben wollte. Im allgemeinen

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maßen wir Orden und Auszeichnungen während des Krieges keinen großen Wert bei und trugen sie auch nur bei festlichen Anlässen, außer dem Signum laudis 425 , das dadurch mehr Gesinnungsbekenntnis als Dekoration wurde. Die Zustände im Innern verschlechterten sich rapid; Ende Oktober 1917, als ich in der Nacht zu einem gemeinsamen Ministerrat nach Budapest fuhr 426 , wurde ich im abgesperrten, reservierten Kupee ausgeraubt; ähnliche Fälle passierten vielen Offizieren ; die Ordnung im Hinterland hatte sehr nachgelassen. Am 26. Oktober wurde der Regentschaftsrat in Warschau feierlich eröffnet; die Polnische Legion hatte die Bewilligung, dazu eine Deputation zu senden, erbeten. Wer beschreibt mein Erstaunen, als mir der Chef des Feldeisenbahnwesens mitteilte, daß ein Transport von 50 Offizieren, 600 Mann angemeldet wurde und bereits abgegangen sei ; wir ließen ihn in Czenstochau stoppen, um einem neuen Konflikt mit der DOHL auszuweichen. Gegen Ende 1917 teilte mir Exz. Arz mit, daß der Kaiser FML Marterer entheben werde und GM Egon Frh. v. Zeidler als Generaladjutanten ausersehen habe. Eine bessere Wahl hätte der Kaiser nicht treffen können, leider ist der Wechsel zu spät erfolgt. Im Dezember 1917 gelang es mir, im Einvernehmen mit dem deutschen Generalquartiermeister GLt. v. Hahndorff, die Beuteverteilung in Italien und die Abgrenzung unserer dortigen Interessengebiete so zu regeln, daß Ludendorff den Wunsch aussprach, es möge bei mir eine politische Abteilung analog wie bei der DOHL geschaffen werden ; mein Verhältnis zu Graf Czernin war aber so ungünstig, daß ich Gl. v. Cramon bat, von dieser mich sehr ehrenden Anregung abzusehen. Zu Beginn des Jahres 1918 steigerten sich die Schwierigkeiten im Hinterland und in der Armee in scheinbar unüberwindlichem Maße. Die ungarische Regierung verlangte die Zweiteilung der Armee, der Kaiser lehnte es ab, die Armee mußte dafür hungern, denn die Lieferungen Ungarns wurden spärlicher. Die Arbeiterbewegung in Österreich verschärfte sich infolge des Mangels an Lebensmitteln 427 . Der Gedanke einer Verpflegsdiktatur tauchte wie425 Die Große Militärverdienstmedaille oder Signum Laudis wurde mit 1. 4. 1916 als besondere belobende Anerkennung für Verdienste in der hohen Führung geschaffen und war der oberste Grad dieses 1890 durch Franz Joseph I. geschaffenen Militär-Ehrenzeichens. 426 Zeynek nahm am 28. 10. 1917 an einem Gemeinsamen Ministerrat in Budapest teil, vgl. Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates (1914-1918), 600. 427 In der Donaumonarchie kam es ab 3. Jänner 1918 zu weitgestreuten Streiks in kriegswichtigen Betrieben, ausgehend von Ungarn und Galizien. Etwa 700.000 Arbeiter traten in den Ausstand. Beendigung des Krieges und Besserung der Lebensmittelversorgung wurden ebenso gefordert wie Demokratisierung des Gemeindewahlrechtes und Abschaffung der Militarisierung der Betriebe.

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der auf, GO Fürst Schönburg und G.d.I. Alfred Krauss wurden genannt428. Im Februar 1918 hatte ich Besprechungen mit dem neuernannten ungarischen Ernährungsminister Prinz Ludwig Windischgrätz429. Ich wußte, daß das Schicksal der Armee von ihm abhänge, nur er konnte uns helfen. Er war aber ein abgesagter Feind des Generalstabes, hatte zur Sprengung des A O K I viel beigetragen, hatte Conrad und Metzger gestürzt, ich konnte daher kaum auf Sympathien von seiner Seite rechnen. Das Gegenteil trat aber ein. Wir verstanden uns glänzend, und es entstand ein Vertrauensverhältnis, das bis zum Kriegsschluß alle Krisen überdauerte. Ohne die kraftvolle Unterstützung durch Prinz Windischgrätz wären wir im Jahre 1918 unter der Last wirklicher Hungersnot rettungslos zusammengebrochen; seine Tätigkeit überschritt weit das Maß seiner „konstitutionellen" Pflicht; er war mit dem ganzen Herzen Patriot, und so war es eine Freude, mit ihm zu arbeiten. Ich glaube schon, daß ich an dieser glücklichen Wendung auch ein kleines Verdienst habe. Wie freundschaftlich er mir half, illustriert die Tatsache, daß er nach einem gemeinsamen Ministerrate, der meine Forderungen ablehnte, mir telegraphierte, ich könne mich auf ihn verlassen, er werde auf eigene Verantwortung der Armee geben, was sie nach meiner Angabe brauche430. Anfang 1918 schloß Czernin in Brest-Litowsk den ukrainischen Frieden431, wobei er der höchst fragwürdigen ukrainischen Regierung die Russifizierung von Ostgalizien und die Abtretung des Gebietes von Chelm432 zugestand. Die Aufregung in Polen war ungeheuer ; Oberst Graf Szeptycki erbat seine sofortige Enthebung als Generalgouverneur, der Südslawe FML Liposcák433 kam 428 Siehe diesbezüglich auch Glaise-Broucek I, 455. Drahtzieher bei diesem Versuch der Einführung einer Militärdiktatur war vor allem General Bardolff. 429 Über Ludwig Prinz Windischgraetz (1882-1968) siehe Glaise-Broucek I, 377, Anm. 306. Er war ab 26. 1. 1918 ungar. Min. ohne Portefeuille („Ernährungminister"). In seinen drei Erinnerungswerken (vgl. Anm. 391) schildert er die Zusammenarbeit mit Zeynek weitgehend auch nach dessen Darstellung und Bewertung. 430 Es handelte sich wahrscheinlich um den Gemeinsamen Ministerrat vom 24. 2. 1918, in dem der Plan des Kriegsministers über die Materialbeschaffung für die zweite Jahreshälfte 1918 als irreal bezeichnet und dessen Umarbeitung verlangt wurde. Vgl. Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates (1914-1918), 648-655. Zeynek nahm laut Protokoll an diesem Ministerrat nicht teil. 431 Wolfdieter Bihl, Österreich-Ungarn und die Friedensschlüsse von Brest-Litowsk (Studien zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie 8), Wien-Köln-Graz 1970; Stephan M. Horak, The First Treaty of World War I. Ukraine's Treaty with the Central Powers of February 9, 1918 (East European Monographs 236), New York 1988. 432 Chelm, heute polnische Stadt südöstlich von Lublin. Sowohl die Ukraine als auch das im Entstehen begriffene Polen erhoben Ansprüche auf dieses Gebiet. 433 Anton Liposcák (Székely-Udvárhely, Siebenbürgen, 9. 4. 1863-22. 4. 1924, Zagreb), 18. 8. 1883 aus Theres. Milak. als Lt. zu IR. 53, ab 1892 Glstbskarriere, 1. 5. 1898-1. 5. 1901 Evidenzbüro d. Glstbs, 12. 3. 1903 ins Präsidialbüro d. KM, 1. 5. 1905 Obst., 8. 10. 1909

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an seine Stelle nach Lublin. Am 16. Februar 1918 meuterte die Polnische Legion und mußte von unsern Truppen umzingelt werden, Major Zagorski434, der ihre Vorhut zu den Russen führen wollte, sollte erschossen werden, wir retteten ihn, da doch Czernin der eigentlich Schuldtragende war. Czernin behauptete einen Brotfrieden geschlossen zu haben, verschwieg aber, daß die ukrainische Regierung, eine Bande junger Burschen, keine Macht im Land besaß und die ganze Ukraine sich im Zustand der Anarchie befand. Nicht ein Kilogramm Getreide hat uns dieser Brotfrieden Czernins verschafft, aber Polen in die Reihen unserer Feinde hinüber gedrängt. Ich schämte mich vor den Polen wegen unserer Charakterlosigkeit, vor den Deutschen wegen unserer Dummheit. Die deutschen Armeen marschierten nun in die Ukraine ein, um dort Ordnung zu machen und sich das Getreide selbst zu holen, unser Kaiser wollte hingegen die Vereinbarungen des Friedensvertrages einhalten und erlaubte unsern Einmarsch nicht, erst als die Deutschen gegen Kiew und gegen Odessa vorrückten, entschloß er sich doch dazu, und es begann ein Wettlaufen beider Verbündeten nach Odessa, bei dem wir dank der Energie des GM Alfred v. Zeidler435 den Erfolg hatten 436 . So war nach wenigen Wochen der Frieden Czernins annulliert, und die beiden obersten Heeresleitungen teilten einvernehmlich die Ukraine in eine deutsche und ö.-u. Besatzungszone. Anfang Februar 1918 orientierte ich im Auftrag S.M. den Erzherzog Max, seinen jüngeren Bruder 437 , über die Obliegenheiten des Generalgouverneurs in Serbien. Ich hätte seine Ernennung als Ausgangspunkt einer positiven Lösung der südslawischen Frage sehr begrüßt und beantragte im Einvernehmen mit dem Generalgouverneur von Serbien, von Montenegro und dem Landeschef von Bosnien und der Herzegowina die Vereinigung aller dieser Gebiete, die damals in unserer Verwaltung standen, einschließlich DalmaGlstbschef d. Armeeinspektors in Sarajewo, 23. 1. 1911 Kmdt. 72. IBrig., 9. 5. 1914 FML, 30. 3. 1917 Kmdt. 42. HITD, 2. 10. 1917 Kmdt. IX. Korps, 21. 2. 1918 Militägouverneur in Lublin, nach Kriegsende zeitweise in Zagreb interniert. 434 Waldemar v. Zagorski (St. Martin-Lantosque bei Nizza, um 1892-?), 18. 8. 1903 aus Techn. Milak. als Lt. zu KAR. 11, ab 1. 11. 1910 Glstbskarriere, 3. 1. 1911 im Evidenzbüro mit zeitweiligem Aufenthalt in Moskau zur Erlernung der russischen Sprache, 1. 5. 1914 Hptm., zugeteilt dem Glstb. 435 Alfred v. Zeidler (Agram, 18. 11. 1869-4. 11. 1950, Wien), 18. 8. 1889 aus Theres. Milak. als Lt. zu FJB. 1, seit 1. 11. 1894 Glstbskarriere, ab 1. 5. 1899 ein Jahr im Direktionsbüro d. Glstbs, 1. 5. 1906 Mjr.i.G., 20. 7. 1908 Flügeladjutant des Generaltruppeninspektors FZM Fiedler, 6. 4. 1912 Glstbschef XIII. Korps Agram, 1. 11. 1912 Obst.i.G., 28. 4. 1915 Kmdt. 28. IBrig., 1. 11. 1916 GM, 28. 9. 1918 Kmdt. 28. ID, 1. 1. 1919 pensioniert. 436 Siehe Alfred v. Dragoni, Die öst.-ung. Operationen zur Besetzung der Ukraine 1918, in: Militärwissenschaftliche und Technische Mitteilungen 59 ( 1928) 2 5 7 - 2 8 8 . 437 Über Ehg. Maximilian (1895-1952), Mjr., vgl. Glaise-Broucek I, 158, Anm. 64.

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tien, in ein Generalat, wodurch die Bildung eines südslawischen Staates im Anschluß an die Monarchie angebahnt worden wäre438. Czernin lehnte es ab und beantragte, im Gegenteil, noch während des Krieges einen Teil Montenegros Albanien zuzuschlagen; dieses Projekt vereitelten wir, da ihm keine aufbauende Kraft innewohnte. Im besetzten Gebiete Italiens ereigneten sich viele Reibungen zwischen unsern und den deutschen Kommandos ; der Raum ließ eine Zweiteilung der Verwaltung nicht zu, und eine gemeinsame Verwaltung ergab zu große Friktionen. Nach langen Vorbesprechungen kam am 20. Februar der deutsche Glstbsobst. v. Schwartzkoppen439 als Vertreter der DOHL zu mir, und in einer 11-stündigen Dauersitzung einigten wir uns darauf, daß Italien von den deutschen Truppen geräumt werde, wofür wir den Deutschen den Raum um Kowel440 abtraten und Zugeständnisse in Rumänien machten. Nach meiner Ansicht war eine Zuweisung der besetzten Gebiete entsprechend den überwiegenden wirtschaftlichen Interessen viel zweckmäßiger als ihre räumliche Teilung durch wirtschaftlich nicht gerechtfertigte, aber dem sogenannten Prestigestandpunkt Rechnung tragende Grenzlinien. In der Ukraine, wo eine solche Scheidung eingetreten war, gab es sehr bald schwere Konflikte, die beinahe in wirkliche Kämpfe der Verbündeten ausarteten441. Die Folge dieser Uneinigkeit waren Unordnung und passive Resistenz der Bevölkerung, die sich schließlich zum Attentat auf den deutschen FM Eichhorn in Kiew steigerte442. Der Versuch einer Getreideaufbringung durch militärische Kräfte ist natürlich gescheitert. So war die Verpflegslage ungünstig, obwohl der Krieg an der Ostfront seit Anfang März 1918 beendet war. Es wäre besser gewesen, die Armee abzubauen, statt fast alle in Rußland verwendeten Armeekörper zur Besetzung der Ukraine zu zersplittern ; sie waren ein Mittelding zwischen kombattanter und Etappen-Armee, brachten kein Getreide auf, wurden aber durch die bolschewistische Propaganda verseucht. Im Innern wurde die Lage sehr gefährlich. Verhandlungen mit Windischgrätz am 5. Februar in Wien, dann am 9. Februar mit Windischgrätz, Mini438 Eine solche großkroatische föderalistische Lösung wurde vor allem von GO Stefan Sarkotic v. Lovcen vorgeschlagen. Siehe Literatur bei Broucek, Militärische Aspekte der Entwicklung zum Oktobermanifest. 439 Friedrich Wilhelm v. Schwartzkoppen (Stuttgart, 23. 2. 1874-30. 4. 1933, Groß-Saalau, Ostpreußen), Obst.i.G., eingeteilt beim Großen Glstb. in Berlin, dann 1914 kommandiert beim Oberbefehlshaber in den Marken, 23. 4. 1918 Chef des Glstbs der Heeresgruppe Mackensen in Rumänien. 440 Kowel gehörte zum öst.-ung. Generalgouvernement Lublin, 1921-1939 polnisch, heute im Nordwesten der Ukraine. 441 Siehe Bihl, Kaiser Karl und seine Bedeutung für die Ukrainer. 442 Über GFM Emil v. Eichhorn (1848-1918) vgl. Glaise-Broucek I, 460, Anm. 565. Er starb nach einem Attentat am 30. 7. 1918 in Kiew.

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ster Szterényi443, Minister Höfer, GM Landwehr in Budapest ergaben kein Resultat. Minister Höfer wurde am 23. Februar 1918 enthoben, Sektionschef Paul444 trat an seine Stelle, ein vortrefflicher, klug und zielbewußt vorgehender Mann, mit dem ich freundschaftlichst zusammenarbeitete. Wir halfen uns, so gut wir konnten, unterstützten uns, so weit es möglich war, und es gab nie mehr einen Konflikt zwischen dem AOK und dem ö. Ernährungsministerium. Am 24. Februar trug ich vor einem Gemeinsamen Ministerrat als Vertreter des AOK die Minimalforderungen der Armee vor und setzte eine bessere Aufteilung der Fleischversorgung zwischen Osterreich und Ungarn durch445. Am 27. Februar sprach mir der Chef des Generalstabs für die Leitung der Verwaltung in den besetzten Gebieten schriftlich seine besondere Anerkennung aus ; ich weiß nicht, welcher demonstrative Zweck damit verfolgt wurde. Am 14. März ließ sich S.M. im Beisein des leider noch immer nicht enthobenen Generals Marterer und des FZM Schleyer von mir über die gesamte materielle Lage der Armee in 2-stündigem Referate berichten. Der Kaiser vertrat damals den Standpunkt, daß die Mittelmächte den Krieg nicht mehr gewinnen konnten, er verglich sie mit einer belagerten Festung, welche früher oder später kapitulieren müsse, wenn auch einzelne grandiose Ausfälle gelingen mögen. Ich verstand nur nicht, wie diese Überzeugung mit dem Plane Czernins, den Krieg à outrance fortzusetzen, im Einklang sein sollte. Endlich, am 20. April 1918, wurde Czernin entlassen. Für mich war Czernin, den der Kaiser zum allmächtigen Herrn gemacht hatte, das abschreckende Beispiel eines frivolen, leichtsinnigen und unverläßlichen Staatsmannes. Jedenfalls war das AOK in allen politischen Fragen während seines Regimes auf das Rätselraten angewiesen, denn Richtlinien gab es keine und auch kein Einvernehmen. Er war wohl der Totengräber der Monarchie. Ende April 1918 erlebten unsere Beziehungen zum deutschen Bundesgenossen eine gefährliche Krisis : Die Verpflegslage in Osterreich war furchtbar, Wien hatte buchstäblich nichts mehr zu essen. In der wirklich ärgsten Not stellte ich der Stadt Wien den Sicherheitsvorrat des Kriegshafens Pola, 443 József Szterényi (Lengyeltóti, Ungarn, 5. 11. 1861-6. 2. 1941, Budapest), Journalist, ab 1885 Beamter im ung. Handelsmin., 25. 1. -31. 10. 1918 Handelsmin., Vertreter der Mitteleuropa-Pläne Friedrich Naumanns vor allem in rein wirtschaftlicher Hinsicht, in polit.-milit. Hinsicht Vertreter des Dualismus. 444 Ludwig Paul (Wien, 16. 9.1864-1. 7. 1920, Wien), Jurist, ab 1890 im Verkehrsdienst der öst. Staatsbahnen, ab 1901 im Eisenbahnmin., 1909-1914 Direktor-Stellvertreter der Staatseisenbahngesellschaft, 11. 6.-30. 7. 1918 Direktor des Amtes für Volksernährung und Min. ohne Portefeuille, 15. 3. 1919 österr. Staatssekretär für Verkehrswesen als erster ehemaliger k.k. Minister. 445 Nach dem Protokoll (vgl. vorne Anm. 430) nahm Zeynek an diesem in Wien abgehaltenen Gemeinsamen Ministerrat nicht teil. Auch ist im Protokoll keine detaillierte Diskussion über die Fleischversorgung der Armee vermerkt.

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20 Waggons Mehl, zur Verfügung. Der Kaiser war verzweifelt, denn alle Versuche, bei der deutschen Reichsregierung eine Hilfe zu erlangen, waren gescheitert. Dies veranlaßte GM Landwehr als Vorsitzenden des gemeinsamen Ernährungs-Ausschusses am 30. April 1918, ohne mit mir Fühlung zu nehmen, die deutschen Schleppschiffe, welche Getreide von Rumänien nach Passau zu schaffen hatten, zu beschlagnahmen. Das war ein Raub, der nur durch äußerste Not entschuldigt werden konnte. Nach wenigen Tagen kam das Echo der Entrüstung aus Berlin. Am 10. Mai abends wurde ich mit GO Arz, GM Landwehr und Min.-Präs. Seidler zu S.M. befohlen und als Vertreter des AOK bestimmt, falls eine Aussprache mit der deutschen Reichsregierung notwendig werden sollte. Es wurde gleichzeitig beschlossen, den Statthalter von Galizien, den wortreichen Graf Huyn446, zu einer gesteigerten Getreideaufbringung in Galizien zu verhalten. Am 13. Mai wurde er zitiert, versprach mehr zu leisten, als verlangt wurde, aber es änderte sich nichts. Am 13. Mai nachmittags erhielt ich den Befehl, mit dem ungarischen Minister Gratz447 und dem österr. Minister Paul als Vertreter des AOK nach Berlin zu fahren, um die Angelegenheit der beschlagnahmten Schlepper in Ordnung zu bringen ; die deutsche Reichsregierung hatte uns dazu aufgefordert. Ich genoß damals beim deutschen Generalstab einige Sympathien, und gerade in diesen Tagen, am 7. Mai, schrieb mir der zum Stabschef Mackensens ernannte Oberst Schwartzkoppen, ich möge „auch seinem Nachfolger Oberst v. Thaer448, dem neuen Stabschef des Generalquartiermeisters das gleiche 446 Karl Graf v. Huyn (Wien, 18. 11. 1857-21. 2. 1938, Rottenbuch bei Bozen), 24. 4. 1879 aus Theres. Milak. als Lt. zu DR. 2, ab 1. 11. 1883 Glstbskarriere, 27. 9. 1882 Militârattaché in Bukarest. 9. 12. 1893 enthoben, Regiments-, Brigade- und Divisionskmdt., 1. 5. 1910 FML, 23.10. 1912 Generalkavallerieinspektor, 12. 2. 1914 Geheimer Rat, 1. 5.1914 G.d.K., 22. 10. 1914 beurlaubt mit Wartegebühr, 1. 3. 1917 Statthalter von Galizien, 1. 5. 1917 GO, 1. 12. 1918 pensioniert. 447 Über Gustav Gratz (1875-1946) vgl. Glaise-Broucek I, 450, Anm. 528, sowie Gertrude Enderle-Burcell, Michaela Follner, Diener vieler Herren. Biographisches Handbuch der Sektionschefs der Ersten Republik und des Jahres 1945, Wien 1997, 130-133. Er war zunächst journalistisch, dann wirtschaftlich tätig, 1906-1918 Abgeordneter des ung. Parlaments für die Partei der Nationalen Arbeit, 28. 1. 1917 als Sektionschef Leiter der wirtschaftlichen und handelspolitischen Sektion im Min. d. Äußern, 15. 5.-16. 9. 1917 ung. Finanzminister, Mitglied der ö.-u. Delegation bei den Friedensverhandlungen mit Russland in Brest-Litowsk sowie mit Rumänien in Bukarest, ab 22.11. 1919 Gesandter der Szegediner Gegenregierung in Wien, 17. 1.-12. 4. 1921 ung. Außenmin., Teilnahme am 2. Restaurationsversuch König Karls, Χ/1921-1/1922 deshalb inhaftiert, 1924-1938 Vorsitzender des Ungarländischen Deutschen Volksbildungsvereins, 1926-1935 wieder Abgeordneter zum ung. Reichstag als Mitglied der Partei der Nationalen Einheit sowie 1939-1944 der Liberalen Partei, 19. 3. 1944 verhaftet und in ein Konzentrationslager verschleppt. Zahlreiche Bücher und Tätigkeit als Chefredakteur des „Pesti Naplo" bis 1940. Sein Nachlass in KA, NLS, sign. B/15. 448 Albrecht v. Thaer (Panten, Kreis Liegnitz, Niederschlesien, 2. 6. 1868-23. 6. 1957, Gronau,

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Entgegenkommen und die gleich echte kameradschaftliche Gesinnung entgegenbringen, die ich ihm in so reichem Maße geschenkt habe und für die er mir allezeit herzlichst und aufrichtigst dankbar sein werde". Nun schien es aber, daß plötzlich mein Wirken ein Ende finden solle, indem der Kaiser die Verpflegsdiktatur des G.d.I. Alfred Krauss in Aussicht nahm; ich wurde nämlich am 13. Mai knapp vor meiner Abreise nach Berlin zu einer Zusammenkunft mit Gl. Krauss in der Hofburg eingeladen ; zufällig ging mein Zug erst spät abends, und ich konnte noch zur Verfügung stehen. G.d.I. Krauss, der an unserer Tätigkeit immer schärfste Kritik geübt hatte und sich die Fähigkeit zutraute, der Schwierigkeiten, die er allerdings kaum kannte, Herr zu werden, eröffnete mir im Beisein des GM Waldstätten am 13. abends, er werde in der Monarchie Ordnung machen und dazu auch die Leitung der Qu.Abtg. des AOK selbst übernehmen. Ich antwortete, daß ich mit Freude nach meiner Rückkehr von Berlin ihm die Geschäfte übergeben werde. Am 14. Mai 1918 traf ich in Berlin ein. Unsere Mission war unangenehm und schwierig, wir arbeiteten aber wirklich Viribus unitis. Die deutsche Regierung mit den Vertretern der DOHL hatte sich zunächst als Gerichtshof konstituiert, und wir vier - Minister Gratz, Minister Paul, ich und Sektionschef Riedl449 des Handelsministeriums, der sich uns angeschlossen hatte Hannover), 1892 als Lt.d.R. aktiviert, 1904 Hptm.i.G., 1910 Mjr., 1913 1. Glstbsoffizier beim Gardekorps, 1917 Stabschef des Gruppenkdo. Wytschaede in Flandern, 1. 5. 1918 Dienstantritt als Chef des Stabes des Generalquartiermeisters II (zuständig für die Heeresversorgung im Großen Hauptquartier) bis Kriegsende, dann Kmdt. einer Brigade im Grenzschutzabschnitt Schneidemühl, Pommern, 10. 3. 1920 Kmdt. des Reiterrgt. 7, 31. 12. 1921 Ruhestand. Siehe Thaer, Generalstabsdienst. 449 Richard v. Riedl (Wien, 8. 12. 1865-9. 3. 1944, Wien), Rechtsstudium an der Univ. Wien, ab 1890 im Dienst der Handels- and Gewerbekammer Wien, seit 1898 Mitglied der Deutschnationalen Partei, 21. 1. 1909 Sektionschef im Handelsmin. (Sektion IV für handelspolitische, Zoll- und Seeschifffahrtsangelegenheiten sowie Seeverwaltung), in dieser Zeit auch Berater von Ehg.-Thronfolger Franz Ferdinand; 1917 führend bei den Ausgleichsverhandlungen mit Ungarn, 1918 Vorsitzender der Zentralstelle für Ein-, Aus- und Durchfuhrbewilligungen, während des Krieges auch Generalkommissär für Kriegs- und Ubergangswirtschaft und Mitglied der Staatskommission für Sozialisierung; im Herbst 1918 Mitarbeit beim Abschluss der Salzburger Protokolle (Wirtschaftsbündnis zwischen dem Deutschen Reich und Osterreich-Ungarn) ; 4. 11. 1918 Übernahme als Sektionschefin die Republik, 7. 11. 1918-15. 3. 1919 Unterstaatssekretär für Gewerbe, Industrie und Handel sowie für Kriegs- und Übergangswirtschaft, 23. 4. 1921 ins Außenmin. und Gesandter in Berlin, 30. 6. 1925 pensioniert, 1926-1934 Delegierter der öst. Handelskammer zur Erweiterung des Wirtschaftsgebietes, 1930 unter Bundeskanzler Schober hauptsächlicher Träger des Zollunionsgedankens, bis 1934 auch geschäftsführendes Präsidialmitglied der öst. Landesgruppe der Internationalen Handelskammer, 1. 12. 1937 Mitglied der NSDAP 16. 3. 1938 Leiter der durch den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich notwendigen handelspolitischen Maßnahmen sowie kommissarischer Leiter der Wiener Handelskammer, dann Berufung in den Beirat der Reichswirtschaftskammer, Mitglied der SS. Vgl. Gerald Horst Brettner-Messler, Richard Riedl. Ein

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- wurden wie Angeklagte empfangen. Die Anklageschrift wurde verlesen, Minister Gratz sprach einige entschuldigende Worte, die Theaterszene dauerte nicht lange, die Herren zeigten deutlich den Wunsch, mit uns vertrauensvoll zu arbeiten. GLt. v. Hahndorff ließ sich von mir genaue Aufklärungen über die Verpflegslage unserer Armee geben, erklärte jedoch, daß an eine deutsche Hilfe nicht zu denken sei, solange wir nicht die durch GM Landwehr beschlagnahmten deutschen Vorräte zurückerstattet hätten. So richtig dieser Standpunkt war, so undurchführbar war er auch. Um einen Ausweg zu finden, setzte ich am 15. Mai die Besprechungen mit der deutschen Regierung fort; diese erklärte sich bereit, Österreich 15.000 Waggons Mehl zur Verfügung zu stellen, falls wir sechs zum Teil demütigende Bedingungen angenommen hätten. Wir dachten nicht daran, uns einem solchen Diktat zu unterwerfen, sondern vertraten den Standpunkt des im gemeinsamen Interesse geführten Krieges, der gegenseitig die Pflicht statuiert, sich mit den Mitteln, die zur Fortsetzung des Krieges nötig sind, auszuhelfen. Am 15. Mai einigten wir uns, daß die deutsche Regierung die Lieferung von 15.000 Waggons Mehl zu bestimmten Terminen garantiere, wenn wir ihr die Leitung der Getreideaufbringung in der ganzen Ukraine überlassen. Ich stimmte zu, telegraphierte GM Waldstätten diesen Vorschlag und erbat die Genehmigung S.M. Da machte mir Waldstätten die überraschende Mitteilung, daß G.d.I. Alfred Krauss gleich bei den ersten Verhandlungen wegen Errichtung einer Verpflegsdiktatur in Österreich-Ungarn auf solche Schwierigkeiten gestoßen sei, daß er seinen Plan fallengelassen habe, wofür ihm Seine Majestät die Stelle eines Verpflegsdiktators in der Ukraine angeboten habe ; er solle mit dem Titel eines Armeekommandanten nach Odessa gehen und unabhängig von der QuA. des AOK die Lebensmittelaufbringung in dem dort von uns besetzten Gebiete leiten. Diese Absicht widersprach gerade dem wichtigsten Punkt meiner Verhandlungen mit der deutschen Regierung. Ich wartete nun auf die Entscheidung, ob mein Vorschlag abgelehnt oder angenommen werde ; in letzterem Falle mußte G.d.I. Krauss wohl darauf verzichten, nach Odessa zu gehen, weil er keinen entsprechenden Wirkungskreis mehr fand. Das Unwahrscheinlichste geschah. Meine Berliner Vorschläge wurden angenommen, General Krauss ging trotzdem nach Odessa; ich blieb Chef der QuA. des AOK, betraut mit den Agenden des Generalquartiermeisters, und für Gl. Krauss wurde beim AOK eine eigene, von mir unabhängige Ukrainische Abteilung (Glstbs-Oberst Kreneis450) errichtet. Mir war das Vorgehen liberaler Imperialist. Biographische Studie zu Handelspolitik und „Mitteleuropa"-Gedanken in Monarchie und Erster Republik, phil. Diss. Univ. Wien 1998. 450 Emil Kreneis (Karlowitz, Slawonien, 23. 5.1871-?), 18. 8. 1892 aus Theres. Milak. zu IR. 53, ab 1. 5.1902 Glstbskarriere, 1. 5.1907-10. 9. 1911 im Eisenbahnbüro d. Glstbs, dann bis 26.

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des Gl. Krauss sachlich unverständlich; es ist derselbe General, der nach dem Kriege für die Bergung der Armeekassa eine Provision verlangte und die Führung der antihabsburgischen Partei in Osterreich übernahm. Am 17. Mai waren die Verhandlungen mit der deutschen Regierung beendet, Sektionschef Riedl regelte noch die Abgrenzung unserer Interessen im Kohlenrevier des Don-Gebiets. Am 18. Mai kam ein kurzer Rückschlag, indem die deutsche Regierung uns mitteilte, daß sie nach genauer Prüfung uns statt 150.000 nur 120.000 t Mehl geben könne; wir erklärten jedes Feilschen für ausgeschlossen, da wir nur den Minimalbedarf für unsere Armee angegeben hätten; die deutsche Regierung gab nach, und wir reisten abends heim in dem Gefühle, daß die Armee und Österreich bis Mitte Juli 1918 versorgt seien. Ich habe von diesen schwierigen Verhandlungen den Eindruck mitgenommen, daß mit den Deutschen stets eine Einigung zu erzielen ist, wenn man über Äußerlichkeiten hinwegsieht und auf der Basis strenger Sachlichkeit fest bleibt und überzeugungskräftig auftritt. Beim AOK organisierte nun der sehr tüchtige und erfahrene Glstbs-Oberst Kreneis die von G.d.I. Krauss gewünschte ukrainische Abteilung, sah aber sehr bald, daß eine solche Teilung der materiellen Leitung undurchführbar war, trat freiwillig von seinem Posten zurück, und die ukrainische Abteilung übernahm ich als Arbeitsgruppe in die QuA., welche bis zum Kriegsschluß einheitlich die materielle Versorgung der ganzen ö.-u. Armee leitete. Ende Mai 1918 wurde endlich FML Marterer enthoben; es war zu spät; die Hintertreppe war schon zur Haupttreppe geworden, das Netz der Zuträgereien unberufener, nicht orientierter, unverantwortlicher Personen um den allerhöchsten Herrn war schon zu dicht geworden, als daß sein Nachfolger GM Egon Frh. v. Zeidler-Sterneck in kurzer Zeit hätte Abhilfe schaffen können. Im Mai 1918 wurde der Entschluß zu den getrennten Offensiven in Frankreich und Italien gefaßt451. Dank der Unterstützung durch Minister Ludwig 7. 1914 Baonskmdt. IR. 84, 27. 7. 1914 Chef der Zentraltransportleitung und Vorstand der Abt. 5/EB d. KM, 1. 3. 1915 Obst.i.G., 1918 kurz Chef der Ukraine-Abt. des AOK. 451 Der Angriff begann am 14. 6. 1918 am Tonale-Pass und einen Tag später in den Kampfabschnitten von Asiago, im Grappa-Gebiet und am unteren Piave. Sie wurden alle von der überlegenen italienischen Abwehrmacht zum Stehen gebracht, im Grappa-Gebiet 4 km vor der venetianischen Ebene. Die Angriffe scheiterten, da es dem Generalstab nicht gelungen war, zwischen den beiden Feldmarschällen Boroevic und Conrad zu vermitteln und einen Angriffsschwerpunkt zu bilden. Der Übergang über den Piave gelang zwar an einigen Stellen, doch das Hochwasser des Piave wurde so reißend, dass ein Brückenschlag auch technisch unmöglich wurde. Am 20. Juni wurde der Befehl zum Rückzug auf das linke Ufer gegeben. Vgl. Fiala, Die letzte Offensive Altösterreichs; Hans Meier-Welcker, Die militärische Lage der Mittelmächte Anfang Juni 1918, in: Osterreichische Militärische Zeitschrift 6 (1968) 388-395; Kiszling, Die hohe Führung.

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Windisch-Grätz konnten die materiellen Vorbereitungen für die Piaveoffensive noch getroffen werden, aber als die Offensive am 15. Juni 1918 begann, brach in Osterreich die schwerste Verpflegskrise aus452. Ministerpräsident Seidler bat mich, nach Berlin zur deutschen Regierung oder nach Spa zur DOHL zu fahren, um neuerliche Hilfe zu erbitten. Ich hatte eine Rücksprache mit der DOHL, die sich aber außerstande erklärte, Vorräte abzugeben. S.M. war mit GO Arz an der italienischen Front, sichtlich stark unter dem Einfluß des FM Boroevic. Auf meine Berichte über die verzweifelte Lage im Hinterland berief S.M. den Minister Windisch-Grätz zu sich, und dieser telegraphierte mir am 2. Juni : „Bitte versichert zu sein, daß in voller Erkenntnis der schweren Situation alles angewendet wird, um in treuer Ubereinstimmung und Zusammenarbeit die schweren Hindernisse zu überwinden. Es muß gehen ! Herzlichste Grüße Windischgrätz." Am selben Tag erhielt ich den Befehl S.M., mich mit Gl. Fürst Egon Fürstenberg453 betreffs einer gemeinsamen Fahrt nach Spa sofort ins Einvernehmen zu setzen, und gleichzeitig telephonierte mir Ministerpräsident Seidler, ich möge ihn gleich aufsuchen. Er legte mir den Entwurf eines Briefes vor, den S.M. an den Kaiser Wilhelm richten wolle; der Brief hatte ultimativen Charakter: er schilderte die Verpflegslage in Osterreich und in der Armee und gelangte zu der Folgerung, daß, wenn nicht Deutschland die nötigen Aushilfen beistellen könne, S.M. gezwungen sei, den Krieg zu beenden und Frieden zu schließen. Ich ergänzte die konkreten Daten, S.M. genehmigte den Wortlaut des Briefes und erteilte dem Fürst Fürstenberg den Auftrag, als sein Vertreter das Schreiben dem Deutschen Kaiser zu überbringen. Windischgrätz hatte als Vertreter der ungarischen Regierung, ich als Vertreter des AOK ihn zu begleiten. Als Ordonnanzoffiziere fuhren Hauptmann Rátz454 und Generalstabshauptmann v. Lunzer mit.

452 Cramon, Unser Österreichisch-Ungarischer Bundesgenosse, 166: „Die österreichische Offensive wurde aus verschiedenen Gründen immer wieder verschoben. Zuletzt drohte noch schlechtes Wetter, das im Gebirge und an den italienischen Flüssen für den Fortgang der Kriegshandlungen gefährlich werden konnte. Anderseits drängte der Chef der Quartiermeisterabteilung Oberst v. Zeynek, weil wegen der ungünstigen Verpflegslage der Monarchie für die in den Hauptangriffsräumen eingesetzten Truppen nur auf wenige Tage Vorrat niedergelegt werden konnte. Wartete man mit dem Angriff, so standen möglicherweise die Angriffstruppen gerade in entscheidender Stunde ohne ein Stück Brot da." 453 Max Egon Fürst Fürstenberg (Lana, Böhmen, 13. 10. 1863-11. 8. 1941 Heiligenberg, Baden), 2. 4. 1918 G M a.D., preuß. GM à la suite, seit 1873 Chef der böhmischen Linie, seit 1896 des Gesamthauses und dadurch Mitglied des Oberhauses von Österreich, Preußen, Württemberg und Baden, und persönlicher Freund von Kaiser Wilhelm II. 454 Jeno Rátz (Nagybecskerek, Vojvodina, 20. 9. 1882-21. 1. oder 21. 5. 1952, Vác, Ungarn), 18. 8. 1904 aus Ludovika-Akademie ausgemustert als Lt., Kriegsschule, ab 8.1. 1914 als Hptm. i.G. Glstbskarriere, nach dem Weltkrieg in der ung. Armee, 9. 1. 1920 Obstlt., 1. 11. 1930 GM, 10. 4. 1938 G.d.K., 14. 5.-15. 11. 1938 Honvédmin.

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Am 23. Juni 1918 traf sich die Deputation in Wien am Westbahnhof, und Fürstenberg teilte uns mit, er habe vom Generaladjutanten des Kaisers Wilhelm die Depesche bekommen, nur er werde vom Deutschen Kaiser empfangen, die andern Abgesandten mögen sich nach Berlin begeben und mit der deutschen Regierung verhandeln. Entschluß? Wir hatten gemeinsam den Brief unseres Kaisers dem deutschen Kaiser zu überbringen, mußten daher gemeinsam empfangen werden. Um jedoch nicht eine irreparable Situation zu schaffen, wurde der Generaladjutant des deutschen Kaisers von dieser Auffassung telegraphisch sofort in Kenntnis gesetzt, und wir fuhren gemeinsam nach Köln, um dort die Entscheidung des deutschen Kaisers abzuwarten. Die Fahrt im Salonwagen des Fürsten Fürstenberg wurde durch die liebenswürdige Gastfreundschaft dieses vornehmen Grandseigneurs zu einem schönen Erlebnis. Fürstenberg war als Freund Kaiser Wilhelms, als Präsident des öst. Herrenhauses 455 , als deutscher und öst. General der einzig richtige Vermittler in dieser heiklen Angelegenheit. Die Fahrt verging in anregenden politischen Gesprächen. Als wir in Köln am 24. Juni eintrafen, meldete sich ein Ordonnanzoffizier des GFM Hindenburg und teilte mit, S.M. bedaure, uns nicht empfangen zu können, und ersuche uns, wir mögen nach Berlin fahren, wo die Regierung bereits Weisungen erhalten habe. Gleichzeitig sprang aber auf das andere Trittbrett des Salonwagens ein Flügeladjutant Kaiser Wilhelms und überbrachte uns die Einladung S.M., nach Spa zu kommen ; die kaiserlichen Autos standen vor dem Bahnhof. So verschieden waren die Anschauungen des Kaisers und der DOHL. In höchst gespannter Stimmung fuhren wir nach Spa. Gegen 5 Uhr nachmittags trafen wir in dem Waldpark ein, in welchem sich die vom Kaiser bewohnte Villa befand, und wurden in der Villa gegenüber untergebracht. Fürstenberg wurde sofort zu Kaiser Wilhelm berufen, Windischgrätz und ich warteten in seinem Salon auf ihn; es verging eine, es vergingen zwei Stunden, die Lage wurde ungemütlich, da riß Fürstenberg um 8 Uhr abends die Türe auf und rief: „Sieg auf allen Linien!" Der Kaiser hat nach langem Kampf alle Bedingungen Kaiser Karls angenommen. Da Ihre Majestät gerade angekommen war, ersuchte er, wir mögen abends mit seiner Suite speisen, und morgen solle ich mit dem Generalquartiermeister GLt. v. Hahndorff einen Vertrag zwischen DOHL und AOK abschließen ; mittags seien wir dann Gäste des Kaisers. Wir telegraphierten sofort an Kaiser Karl und verbrachten den Abend mit dem Generaladjutanten v. Plessen456 und den Herren der 455 Max Egon Fürst Fürstenberg war seit 1886 Mitglied und 1907-1918 Erster Vizepräsident, jedoch nicht Präsident des Herrenhauses. 456 Hans Georg v. Plessen (Spandau, 26. 11. 1841-28. 1. 1929, Potsdam), seit 1892 Generaladjutant Kaiser Wilhelms II., 1908 GO.

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Kaiserlichen Suite. Da erfuhren wir, daß die Kaiserin Augusta nur wenige Tage des Jahres in Spa verbringe und dann nie Gäste zugelassen werden, mit uns werde diesmal eine Ausnahme gemacht. Hindenburg und Ludendorff waren nicht in Spa. Am 25. Juni vormittags kam ich in der Stadt Spa bei der DOHL mit dem Generalquartiermeister v. Hahndorff zusammen, und in wenigen Stunden war der Vertrag, mit welchem die deutsche Armee uns den vierwöchentlichen Mehlbedarf abtrat, unterschrieben. Ich telegraphierte an S.M.: „Die bisherigen Verhandlungen haben zu dem Resultat geführt, daß von deutscher Seite für die zweite Hälfte Juli 1.700 Waggons aus ukrainischen und rumänischen Vorräten für uns bereitgestellt werden. Der Rest unseres Mankos wird dadurch gedeckt, daß Deutschland auf die in der ersten Hälfte Juli zurückzuerstattenden 750 Waggons verzichtet. In dieser letzteren Frage finden am 26. Juni Verhandlungen beim preußischen Kriegsministerium statt, die aller Voraussicht nach günstig ausfallen werden. Ich melde, daß von deutscher Seite großes Entgegenkommen gezeigt wurde. Oberst Zeynek." Minister Windischgrätz versprach mir, daß in der zweiten Hälfte Juli schon Lieferungen aus Ungarn wieder einsetzen würden ; so war diese Frage erledigt. Vor dem Dejeuner empfing uns Kaiser Wilhelm in einfacher Felduniform zu gemeinsamer Vorstellung, führte uns dann in einen kleinen Speisesalon, wo er uns der Kaiserin vorstellte. Mein Platz war rechts von Ihrer Majestät. Der Kaiser unterhielt sich lebhaft mit Fürstenberg und Windischgrätz, die Kaiserin war auffallend schweigsam und nachdenklich, erst als ich zufällig von meiner Garnison Bozen sprach, erzählte sie begeistert von ihrem lieben Bozen und Meran und war wie ausgewechselt. Nach dem einfachen Dejeuner empfing der Kaiser zuerst Windischgrätz zu längerem politischem Gespräch in Audienz und dann mich. Er erörterte genau die materielle Möglichkeit eines längeren Widerstandes, dann die Mittel, welche gegen die verräterischen Treibereien des Prof. Masaryk457 zu ergreifen wären. Seinen Vorschlag, eine Gardedivision nach Prag zu schicken, bezeichnete ich als nicht ausreichendes Palliativmittel. Kaiser Wilhelm sprach weiters den Wunsch aus, über die Verwendung unserer verfügbaren Infanterietruppendivisionen orientiert zu werden und Schutzmaßnahmen zu Gunsten reichsdeutscher Urlauber 458 durchzusetzen, da diesen beim Passieren der galizischen Grenze häufig Lebensmittel abgenommen wurden. In beiden Fällen konnte ich die erwünschte 457 Tomás Garrigue Masaryk (1850-1937), 1882 ao., 1897-1911 o. Prof. für Philosophie tschech. Univ. Prag, 1891-1893 und 1907-1917 Reichsratsabgeordneter, jedoch seit Ende 1914 im Exil in Westeuropa und den USA, 14. 11. 1918-1935 tschechoslowakischer Staatspräs. 458 Offiziere und Soldaten auf Heimaturlaub, vgl. auch unten Anhang I, S. 314.

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Zusage machen, besonders wichtig war es, daß Kaiser Karl die Entsendung von 6 ö.-u. Infanterietruppendivisionen an die französische Front in Aussicht stellen konnte; sie war von S.M. intern bereits genehmigt, was ich dem deutschen Kaiser meldete. Die Folge meines Auftretens in Spa war, daß Kaiser Wilhelm unsern Kaiser durch General v. Cramon besonders auf mich aufmerksam machen ließ. Am 26. Juni 1918 fuhren wir, begleitet von Gl. Eisenhart 459 und von Hptm. d.Glstbs Schleicher460, der bei den Verhandlungen interveniert hatte und bei der DOHL großes Ansehen genoß, nach Berlin, wo eine Besprechung beim preußischen Kriegsministerium und beim Reichskanzler stattfand; unser Vertrag von Spa wurde ohne Schwierigkeiten von der Regierung genehmigt. Fürstenberg telegraphierte noch an unsern Kaiser, daß : „unsere Interessen trotz der schwierigsten Lage Deutschlands in weitgehendster Weise Berücksichtigung fanden und daß der glatte Gang der Verhandlungen in erster Linie der Initiative S.M. des deutschen Kaisers zu verdanken ist." Wir fuhren nun im Bewußtsein, gute Arbeit geleistet zu haben, zum AOK zurück. Anfang Juli 1918 stellte ich in einem Gemeinsamen Ministerrat in Budapest meine Anträge für den Versorgungsplan 1918/9. Sie wurden am 6. Juli genehmigt461. In dieser Zeit spielten sich die heftigsten Angriffe ab gegen alle Persönlichkeiten, denen man die Schuld an der mißlungenen Piave-Offensive zuschreiben wollte. Wirkliche und falsche Energie führten geradezu Hexentänze auf. GO Arz stellte seinen Posten dem Kaiser zur Verfügung; er blieb gegenüber allen Intrigen und Hetzereien ruhig und bewies wahre soldatische Ritterlichkeit, was auf der Gegenseite nicht der Fall war. Das Resultat der ganzen Agitation, die am liebsten eine Kommission zur Untersuchung der höheren Führung eingesetzt hätte, war leider die Enthebung des FM Conrad. So ist 459 Ernst v. Eisenhart-Rothe (Anklam, Vorpommern, 21. 12. 1862-23. 10. 1947, Potsdam), 1883 Eintritt in die preuß. Armee, 1. 2. 1915 Oberquartiermeister beim Oberbefehlshaber Ost, 2. 1. 1917 General-Intendant des Feldheeres, 1. 10. 1919 Inspekteur des Militär-Erziehungsund Bildungswesens, 15. 6. 1921 Abschied bewilligt, General a.D. 460 Kurt von Schleicher (1882-1934), preuß. Glstbsoffizier, im Weltkrieg im Truppenglstb. und in der DOHL, 1926 Abteilungsleiter im Reichswehrmin., 1929 GM und Chef des Ministeramtes, 2. 12. 1932-30. 1. 1933 Reichskanzler, am 30. Juni 1934 von der SS ermordet. Vgl. Thilo Vogelsang, Kurt von Schleicher. Ein General als Politiker (Persönlichkeit und Geschichte 39), Göttingen-Frankfurt-Zürich 1965. 461 In Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914-1918) ist kein Ministerrat zwischen 30. 5. und 24. 8. 1918 verzeichnet. Da der Punkt „Aufteilung der Heereslieferungen auf die beiden Staaten der Monarchie im zweiten Halbjahre 1918", zu dem „zwischen den beiden Regierungen namhafte Differenzen" bestehen, im Ministerrat v. 24. 8. 1918 behandelt wurde (669-676), dürfte es sich bei dem von Zeynek erwähnten „Ministerrat" um eine Ministerbesprechung ohne Protokoll gehandelt haben.

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damals im Juli 1918 eingetreten, was ich im März 1917 Conrad vorausgesagt hatte. Ich war höchst betrübt, denn ich hatte den fortlaufenden Streit, den FM Boroevic zugunsten seiner Isonzofront geführt hatte, um mehr Truppen, mehr Verpflegung, mehr Munition zu bekommen, mitgemacht. FM Conrad antwortete mir auf einen Brief, der meiner Stimmung Ausdruck gab, am 27. Juli 1918 mit folgendem Brief: Lieber Zeynek! Ich danke Dir herzlich für Dein ausführliches Schreiben, das mich um so mehr gefreut hat, als es ja in der Regel nicht Brauch ist, einem „Abgetanen" mehr als ein paar konventionelle Zeilen zu widmen. Dein Brief hat mich lebhaft an die Zeiten erinnert, in welchen ich, die kommenden Dinge voraussehend, zum Handeln drängte, ehe es zu spät wird, und mit Dir damals an den Balkanvorbereitungen arbeitete. Nun, man hat es zu spät werden lassen, die Folgen sind nicht ausgeblieben, und jetzt glaubt man durch kleinliche Mittel, Personalwechsel u. dgl. einer Situation Herr werden zu können, die sich zur katastrophalen Erscheinung entwickelt hat. Mir sind die Menschen noch nie so armselig erschienen wie jetzt, und Du wirst mir gern glauben, daß ich mich lächelnd in das Schicksal füge, zu dem man mich ausersehen hat, so sehr ich mir auch den Schluß meiner Laufbahn anders gedacht habe. Ich wünsche nur, daß mich niemand für so dumm hält, daß ich die ganze Mache nicht durchschaue, und nicht für so einfältig, daß mich äußerliche Auszeichnungen kaptivieren können. Im übrigen steht man in meinen Jahren auf einer Höhe der Weltanschauung, von der man alles sehr von oben herab betrachtet. ... Sei herzlichst gegrüßt von Deinem alten ergebenen Conrad m.p. F.M. In den führenden Kreisen der Armee riß nun teils starke Apathie ein, da man vielfach der Ansicht war, alle weiteren Anstrengungen und Opfer seien nutz- und zwecklos, teils bildeten sich Kreise, welche sich für eine geänderte Zukunft günstige Voraussetzungen schaffen wollten. Es wurde plötzlich beim AOK in der OpA. und in der QuA. viel Politik getrieben. Großdeutsche, sozialistische und christlich-soziale Führer streckten lange mit Besprechungen beladene Fühler aus, um mit maßgebenden oder besonders begabten Glstbsoffizieren in Verbindung zu treten ; für Karrieren der Zukunft wurde mit mehr oder weniger Glück der Grund gelegt. Sogar unser alter Sektionschef Hanausek, der Chef der Militärintendantur, der bis dahin ein von unseren Aufregungen und Arbeiten wenig gestörtes Leben geführt hatte, entwickelte nun eine lebhafte politische Rührigkeit. Für oppositionelle und negative Geister war die Lage überaus günstig, denn von allen Seiten liefen Klagen und Beschwerden ein, von Albanien bis Polen, von der französischen Front bis Odessa; bei dem damaligen Mangel an Verpflegung, Futter, Bekleidung, Wäsche war reicher und berechtigter Anlaß dazu gegeben, und je weniger die Unzufriedenen wußten, wie beim AOK gearbeitet wurde, um so

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ärger schimpften sie auf das AOK. Das war immer so und wird immer so bleiben. Sehr hohe Generale leiteten zum Teil aus Unwissenheit, zum Teil aber aus Ehrsucht den Kampf gegen GO Arz, der am 10. August nochmals um Enthebung bat, die aber nicht bewilligt wurde. Die Stimmung wurde immer schlechter, das Vertrauen und die Autorität nahmen rapid ab. Am 12. August 1918 fand noch ein gemeinsamer Ministerrat statt, bei welchem der Honvédminister GO Hazai462 den Vorsitz führte und die österr. Regierung durch Minister Hussarek 463 vertreten war ; ich drohte als Vertreter des AOK, daß die Auflösung der Armee nicht zu verhindern sei, wenn man sie noch weiter hungern lasse464. Beide Regierungen machten am Papier alle Konzessionen, aber in Wirklichkeit geschah nichts. Die Aufbringung in Böhmen war elend, die Wirtschaft in Galizien unter dem Statthalter Gf Huyn war in voller Unordnung, und auch die Alpenländer, die ihre Söhne ohne Zögern an die Front schickten, weigerten sich, ihr Vieh herauszugeben ; Nach dem Weltkriege konnte die Statistik mit Stolz feststellen, daß die Viehzucht Österreichs den Krieg mit einem Verlust von nur 14 % ihres Standes überdauert habe. Dieser Erfolg war durch den Hunger der kämpfenden Soldaten erkauft worden. Bei einer Versammlung aller politischen Landeschefs bei Ministerpräsident Seidler ergingen sich Statthalter Graf Huyn und der Laibacher Landespräsident Graf Attems465 in einem Schwall von Vorwürfen und Klagen gegen das AOK und gegen das Kriegsministerium ; da es sich nur um eine Demonstration und nicht um eine sachliche Erörterung handelte, enthielt ich mich jeder Bemerkung, was GO Arz vollkommen billigte. Der Vorfall war aber symptomatisch für den Geist der Unzufriedenheit und Zersetzung, die von oben gefördert wurde. 462 Baron Samu Hazai (Rimaszombat, Ungarn, heute Rimavská Sobota, Slowakei, 26. 12. 185113. 3. 1942, Budapest), Honvédoffizier, 1907 GM, 17. 1. 1910-19. 2. 1917 (sic) Honvédmin., 1. 11. 1910 FML, 1. 8. 1914 G.d.I., 1. 11. 1916 GO, Februar 1917 bis Kriegsende Chef des Ersatzwesens, 1. 12. 1918 pensioniert. Sein Nachfolger als Honvédmin. war bereits seit 19. 2. 1917 FML Sándor Frh. v. Szurmay. Er war der höchstrangige Offizier jüdischer Herkunft (1876 Namenswechsel von Kohn zu Hazai). 463 Über Max Frh. Hussarek v. Heinlein (1865-1935) vgl. Glaise-Broucek I, 491, Anm. 633. Hussarek war von 25. 7. 1918 bis 27. 10. 1918 ö. Ministerpräsident. 464 Es handelte sich wiederum nicht um einen Gemeinsamen Ministerrat (vgl. oben Anm. 461). Im Ministerrat v. 24. 8. 1918, in dem die Verpflegsfrage der Armee behandelt wurde, führte wie immer bei Abwesenheit des Kaisers der höchstrangige gemeinsame Minister, in diesem Fall Außenminister Burián, den Vorsitz, als Honvédminister nahm Sándor Frh. v. Szurmay teil. Es kann jedoch wiederum sein, dass sich Zeynek auf eine informelle Vor- oder eine Ministerbesprechung ohne Protokoll beruft, an der GO Hazai teilnahm, der als Chef des Ersatzwesens eine entscheidende Rolle in der Frage der Versorgung der Armee spielte. 465 Heinrich Graf v. Attems (Ödenburg, 13. 10. 1858-12. 1. 1937, Salzburg), Statthalterei-Vizepräs., 18. 4. 1916-1918 Landespräs, von Krain.

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Am nächsten Tag - 13. 8. 1918 - zitierte der Kaiser den österr. Ackerbauminister und mich zur Audienz nach Reichenau. Er empfing zuerst mich und besprach mit mir folgende Fragen : 1. Die Armee hungert, weil die Lieferung des Schlachtviehs in Österreich und in Ungarn nicht im vorgeschriebenen Ausmaß erfolgt. Wie wäre dem abzuhelfen? Ich legte dar, daß der ungarische Ackerbauminister Szterényi466 sofort eine Steigerung der Viehlieferungen durchsetzen würde, sobald das gleiche in Osterreich erfolge, aber der öst. Ackerbauminister Graf Silva-Tarouca467 habe mehr sein Ressort, die Hebung der Viehzucht, vor Augen als die hungernden Soldaten an der Front. Ihm wäre ein Ultimatum zu stellen, und wenn bis zu einem bestimmten, kurzfristigen Termine die Viehlieferungen nicht das erwünschte Maß erreichen, wäre er sowie die betreffenden Landeschefs zu entheben. Der Kaiser stimmte zu, machte sofort in meinem Beisein dem Grafen Silva-Tarouca diesbezüglich Mitteilung, ließ die politischen Landeschefs Graf Clary468 (Graz) und Graf Lodron469 (Klagenfurt) im gleichen Sinne anweisen, weil dort die Ablieferung damals am schlechtesten war, und legte mir die Pflicht wöchentlicher direkter Berichterstattung auf. Das Mittel half, die Fleischversorgung der Armee kam überall in Ordnung. 2. Innerhalb einzelner Armeen ist viel Mißbrauch und Unfug eingerissen, so daß zwar genügende Verpflegsvorräte in den Armeebereich gelangen, aber nicht bis zum Soldaten im Schützengraben. S.M. stimmte mir zu, daß auf eine Abhilfe seitens der höheren Kommandos kaum zu rechnen sei, daß vielmehr eigens qualifizierte Generäle mit Gehilfen zu einzelnen Armeen zu entsenden wären, die - nur S.M. verantwortlich - den Unfug rücksichtslos aufzudecken und dessen Abstellung von den betreffenden Kommandos zu verlangen hätten. Die für diese heikle Verwendung geeigneten Generäle wurden nun durchgesprochen, und ich staunte über die Menschenkenntnis 466 József Frh. v. Szterényi (Lengyeltóti, 5. 11. 1861-6. 2. 1941, Budapest), 20. 8. 1917-23. 10. 1918 ung. Ackerbaumin. 467 Ernst (Arnost) Graf Silva-Tarouca (Cechy pod Kosííem, Mähren, 3. 1. 1860-15. 8. 1931, Schloss Schwaigern, Württemberg), Erziehung im Jesuitenkolleg in Kalksburg, Großgrundbesitzer und Dendrologe, 1893 Generalkommissär für die Organisierung des Allgemeinen Österr. Katholikentages, 1891-1897 Reichsratsabgeordneter für den Konservativen Großgrundbesitz, 1907 Herrenhausmitglied und Geheimer Rat, 30. 8. 1917-11. 11. 1918 Ackerbaumin., im September/Oktober 1918 als Ministerpräs, im Gespräch. 468 Manfred Graf v. Clary-Aldringen (Wien, 30. 5. 1852-12. 2. 1928, Salzburg), 22. 2. 1896-1. 12. 1898 Landespräs. v. Schlesien, 1. 12. 1898-2. 10. 1899 Statthalter der Steiermark, 2. 10. - 2 1 . 1 2 . 1 8 9 9 Vorsitzender des Ministerrates und Ackerbaumin., 2 1 . 1 2 . 1 8 9 9 bis Kriegsende wieder Statthalter in Graz. 469 Karl Graf v. Lodron-Laterano (Trient, 25. 7. 1840-14. 12. 1918, Gmünd, Kärnten), seit 1898 Besitzer der Herrschaft Gmünd, 1903 Herrenhausmitglied, 3. 2. 1915 bis Kriegsende Landespräs. v. Kärnten.

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des Kaisers. Die Maßregel wurde zum Teil durchgeführt, stieß aber auf so große Widerstände, daß sie wenig Resultate ergab. 3. Frage einer Diktatur in Osterreich. Es müsse ein Diktator gewählt werden, der zu sich und zu dem man Vertrauen habe. Ich meinte, daß ausschließlich nur ein Mann hiefür in Betracht käme, GO Fürst Schönburg-Hartenstein, dessen Tätigkeit als Führer einer ITD, als Korps- und Armeekommandant allgemein bewundert wurde und der vor dem Kriege als Vizepräsident des Herrenhauses große Verehrung genoß. Bei ihm waren wirklicher Patriotismus und wirkliche Energie vorhanden. Mit einem Diktator sei aber nichts erreicht, wenn nicht alle wichtigen Posten mit seinen Vertrauensleuten besetzt würden. Dieser Diktator müsse dann von den unterstehenden Funktionären nicht nur die Erfüllung ihrer Pflicht, sondern die Erreichung der gestellten Aufgaben bedingungs- und rücksichtslos verlangen. Ich betonte, daß bei den diesbezüglichen Entscheidungen persönliche Moral und Herrscherpflicht oft in Konflikt kommen würden ; die wichtigsten treibenden Kräfte müßten dann höchstgespannte Energie und Angst vor Pensionierung sein. S.M. befahl mir, diese Fragen mit seinem Generaladjutanten, GM Egon Frh. v. Zeidler-Sterneck, und mit dem ö. Ministerpräsidenten Seidler zu besprechen, die ihm weitere Anträge zu stellen hätten. Ich tat dies; beide Herren waren der Ansicht, daß S.M. vor Gewaltmaßregeln, welche er mit seinem menschlichen Gewissen nicht vereinbaren könnte, zurückschrecken würde. Es wurde in dieser Frage noch viel verhandelt, um so mehr als sich mehrere Kandidaten für die Diktatur meldeten, aber es kam zu keiner Entscheidung. 4. S.M. war mit der Tätigkeit des Kriegsministeriums betreffend den Offiziers- und Mannschaftsersatz für die Armee nicht zufrieden, wünschte eine Unterstellung des Kriegsministeriums unter das AOK und einen Personalwechsel an leitender Stelle. Ich riet entschieden von beiden Maßregeln ab. Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit dieser Audienz vom 13. August 1918 legte ich sie für Exz. Arz schriftlich nieder und führe sie hier als für diese Zeit charakteristisch an. Beim AOK blieb dank der klugen, ruhigen Art des GM Waldstätten das einvernehmliche Arbeiten bis zum Schluß gewahrt. Am 20. August 1918 fuhr er mit mir nach Belluno und Görz, um verschiedene Streitfragen der dortigen Armeekommandos (FM Boroevic und GO Fürst Schönburg) beizulegen. Wir konnten bei dieser Reise feststellen, daß die absprechende Kritik an den vorgesetzten Kommandos und die Freude an böswilligem Gerede zur Epidemie geworden waren. FM Boroevic entzog sich einer Rücksprache mit uns, die Herren seines Stabes waren auffallend kühl und zurückhaltend. Bemerkenswert war das freundliche Benehmen der italienischen Bevölkerung, die uns z.B., als wir zwecks einer Rekognoszierung das Auto verließen, Blumen in das Auto legte.

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Am 22. September 1918 wurde GO Arz mit Waldstätten und mir zum Kaiser Karl nach Villa Wartholz in Reichenau berufen; S.M. wünschte einen zusammenhängenden Vortrag über die materielle Lage der Armee und über die Situation in den besetzten Gebieten. Als ich nach etwa zwei Stunden fertig war, sagte er : „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, bin ich noch in der Lage, Gewehr bei Fuß Frieden zu schließen." Ich bejahte, meinte aber, daß eine Uberwinterung kaum mehr möglich sei, da uns die für den Winter im Hochgebirge nötige Ausrüstung bereits fehle. S.M. erörterte nun die Friedensbedingungen, die Abtretung von Galizien, von Bosnien, der Herzegowina und Dalmatien, vom italienischen Südtirol und von Triest. Wegen Südtirol entwickelte sich eine erregte Debatte, wobei Waldstätten betonte, dort sei jeder Quadratmeter mit dem Blute unserer Soldaten gedüngt, deshalb für uns heilig. Kaiser Karl meinte, er werde es nur im äußersten Falle hergeben, wenn der Friede anders nicht erreicht werden könne. S.M. verabschiedete uns in der gewohnten liebenswürdigen, bescheidenen und herzlichen Weise ; ich ahnte nicht, daß es ein Abschied für immer war. Als wir das Arbeitszimmer verließen, zeigte uns der Flügeladjutant ein Telegramm des Zaren Ferdinand von Bulgarien470, seine Front sei durchbrochen, weiterer Widerstand unmöglich, er sei gezwungen, Separatfrieden zu schließen471. In den Kreis, mit welchem wir unsere Feinde mit Waffengewalt abhielten, war nun eine Bresche geschlagen, die wir nicht mehr schließen konnten. S.M. rief Exz. Arz noch zurück, um ihm nur zu sagen, daß jetzt alles verloren sei. Es war der 22. September 1918 abends. Wir fuhren in Grabesstimmung zum A O K zurück.

470 Ferdinand Prinz von Sachsen-Coburg-Gotha (1861-1948), k.u.k. Offizier, 1887 zum Fürsten von Bulgarien gewählt, 1908 Zar der Bulgaren und Erklärung der völligen Unabhängigkeit des Landes vom Osmanischen Reich, 3. 10. 1918 Rücktritt zugunsten seines Sohnes Boris. 471 Am 15. 9. 1918 eröffnete die alliierte Salonikiarmee („Orientarmee") den Angriff, der zum raschen Zusammenbruch der bulgarischen Armee führte. Am 26. September ersuchte Zar Ferdinand um Waffenstillstand. Damit lag für die Entente-Truppen der Weg nach Ungarn, Serbien und Kroatien offen. Am 4. 10. 1918 wurde FM Kövess zum Kmdt. einer Heeresgruppe aus ö.-u. und dt. Divisionen ernannt, die in aller Eile an die Save und die Donau geworfen wurde, doch gelang es nicht mehr, eine stabile Front zu bilden. Am 6. 10. 1918 bildeten Kroaten, Serben und Slowenen in Zagreb einen eigenen Nationalrat, am 29. Oktober erklärte der kroatische Landtag den Zusammenschluss der südslawischen Gebiete zu einem unabhängigen Staat und dessen Anschluss an Serbien. Am 1. Dezember erfolgte in Belgrad die feierliche Vereinigung dieser Länder mit Serbien und Montenegro zum Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen unter der Dynastie Karadordevic.

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IX. Der Zusammenbruch (Oktober-November 1918) Am 25. September 1918 schloß Bulgarien den Separatfrieden ab. Am 28. schrieb mir Fürst Fürstenberg, er sei dringend vom Ministerpräsidenten nach Wien berufen worden. „Vielleicht würde eine Reise von uns nach dem Balkan dort Ordnung schaffen ; allerdings könnte man einen Erfolg mit Bestimmtheit nicht vorhersagen, aber im Juni waren die Aussichten ja auch nicht brillant, und es gelang uns doch. ..." Nun, es kam zu keiner aktiven Tätigkeit mehr. Ich ließ als ersten Schritt die Räumung der besetzten feindlichen Gebiete in der Qu.Abt. ausarbeiten, um die dort aufgestapelten Vorräte und Materialien jeder Art zu bergen. Dies wurde auch noch rechtzeitig durchgeführt. Meine nächste Bemühung galt der Schaffung einer militärischen Zentralstelle, da mit dem Wegfall der Grenze von Armeebereich und Hinterland auch eine Trennung der Arbeiten des Kriegsministeriums und des AOK nicht mehr möglich war; ich wollte die Gruppen der QuA. parallel zu den korrespondierenden Abteilungen des Kriegsministeriums organisieren, damit beide Stellen verschmolzen werden können, jedoch der Kriegsminister lehnte es ab, sichtlich um das Odium des Zusammenbruchs nicht mittragen zu müssen. GO Arz war in Begleitung des Kaisers meistens von Baden abwesend; er teilte mir nur mit, daß S.M. von den Besprechungen mit den führenden Politikern sehr befriedigt war, so habe ihm der Führer der ö. Sozialdemokratie Dr. Renner erklärt, wenn Osterreich je eine Republik würde, müßte Kaiser Karl ihr Präsident werden. Eine Studie des Sektionschefs Frh. v. Eichhoff über die Föderalisierung Österreichs legte ich durch GO Arz dem Kaiser vor, ich weiß nicht, inwieweit sie auf die Verfassung des bekannten Manifestes Einfluß ausgeübt hat 472 . Als die Tendenz der ung. Regierung, die Truppen von der Front zurückzurufen, immer stärker wurde, ließ ich im Oktober eine Skizze anfertigen, in welcher unsere Front nach Nationen dargestellt war; die ungarischen Truppen waren mit einer eigenen Farbe eingetragen, so daß es jedem Laien augenfällig klar werden mußte, daß das Wegziehen der ung. Truppen unsere vollständige Wehrlosigkeit zur Folge haben müßte. Gl. Dormandy473, der Vertreter der ungarischen Regierung, der zwecks Verhandlungen zu uns geschickt worden war, nahm die Skizze nach Budapest ins Parlament, weil

472 Siehe diesbezüglich Anhang II. 473 Heinrich Dormándy von Dormánd (25. 3.1872-1943), Honvédoffizier, Sektionschef im Honvédmin., 1. 2. 1918 GM, nach 1918 nicht in die ung. Armee übernommen.

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ein Blick auf sie besser wirken mußte als alle Reden und Debatten. Es war vergebens. Die ungarische Opposition wollte den Zusammenbruch und berief die Truppen ab. Die Kampffront war zerstört. Als die Waffenstillstandsbedingungen veröffentlicht wurden, war ein chaotisches Zurückfluten von der Front zu erwarten. GM Waldstätten und ich versuchten an die wichtigsten Verkehrsknotenpunkte Regulierungskommandos zu schicken, die zum Teile aus Generalstabsoffizieren, zum Teile aus Politikern gebildet werden sollten, um mit diktatorischer Vollmacht das Zurückströmen zu regeln. Es kam nicht dazu, denn die provisorischen Regierungen in Wien, Prag, Agram, Krakau, Lemberg, Czernowitz beantworteten unser Ansuchen überhaupt nicht. Nun brach über Nacht auch beim AOK die Auflösung herein. Ich fand die meisten Intendanten nicht mehr auf ihrem Platze, weil sie in privaten Angelegenheiten, meistens wegen Erlangung der österr. Staatszugehörigkeit, weggefahren waren. Die Stabskompanie verschwand, um Haus und Hof zu schützen. Die meisten Telephonisten fehlten, einzelne Leute hingegen leisteten Wunder an Pflichtgefühl, aber die Disziplin hatte aufgehört, nur freiwilliger Gehorsam wurde geleistet. Mein Diener, Matzka, und mein Chauffeur, Oberschachner, benahmen sich vorbildlich. In den Straßen von Vöslau war aufgeregte Unordnung, dunkle Elemente begannen zu stehlen und zu plündern. Da wir mit Wien kaum mehr telephonieren konnten, vereinbarte Waldstätten mit mir, daß sich die OpA. und QuA. mit kleinem Stab am 4. November in Baden vereinigte und am 6. November als AOK in Wien etabliere. GO Arz, den ich nach langer Zeit wiedersah, stimmte dem Vorschlag, der noch eine Einflußnahme des AOK ermöglichte, zu. Ich formierte einen Stab von 12 Fachreferenten, so daß wir vollkommen arbeitsfähig waren, und übertrug die Auflösung des Restes der Qu.Abtg. meinem Stellvertreter Obstlt., später Gl. Hugo Schäfer, der sie unter unerhört schwierigen Verhältnissen mit größter Umsicht und Ruhe ausführte. Ich selbst hatte alle meine Maßregeln und Absichten am 2. November den versammelten Gruppenvorständen vorgetragen und ihre volle Zustimmung gefunden. Am 5. November 1918 benützte ich noch die Mittagspause, um von Baden nach Vöslau zu fahren und mich von allen Herren offiziell in einer Ansprache zu verabschieden und jedem einzelnen durch Handschlag Lebewohl zu sagen. Meine beiden Stellvertreter Generalstabsoberstleutnant Schäfer und Obstlt. Frh. v. Bolschwing konnten mit gutem Gewissen bei der später von der sozialdemokratischen Partei gegen das AOK eingeleiteten Untersuchung erklären, daß ich „bei allen Maßnahmen stets zielbewußt und planmäßig gehandelt und alles aufgeboten habe, um Ruhe und Ordnung zu erhalten", ferner, daß ich „alle Anordnungen ohne jede Überhastung getroffen hatte und die Herren bei jeder Gelegenheit zur Besonnenheit und Ruhe mahnte".

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Im Jänner 1920 wurde ich verständigt, daß mein Verhalten als einwandfrei festgestellt worden sei474. Am 6. November 1918 fand ich noch Gelegenheit, unserm Bundesgenossen einen Dienst zu erweisen ; Gl. v. Cramon bat mich, einem aus Rumänien in Wr. Neustadt eingelangten Transport, der ohne Verpflegung und Futter war, zu helfen. Ich konnte mit dem dortigen Magazin eine Verbindung erhalten und gab den entsprechenden Auftrag. Das war der letzte Befehl, den ich in der Armee gegeben habe. Als sich Gl. v. Cramon dafür bei mir bedankte, sagte er die Worte, die ich nie vergessen kann : „Herr von Zeynek, Sie haben kein Vaterland mehr, die Monarchie ist aufgelöst." Das war der Schluß aller Opfer und Mühen. GO Arz zeigte mir noch ein Telegramm, das Kaiser Karl persönlich für Kaiser Wilhelm geschrieben hatte ; es lautete, er müsse Frieden schließen, werde sich aber an die Spitze der treu gebliebenen Truppen stellen, um einen feindlichen Einbruch durch Tirol nach Deutschland zu verhindern. In Wien nahmen wir sofort am 7. November unsere Arbeiten im Hotel Majestic auf. Der Name des Hotels stand in krassem Widerspruch zu unserer Lage. Immerhin konnten wir noch die Verhältnisse an der Front evident führen und die Verbindung mit allen Armeekommandos herstellen. Die Hoffnung auf eine Leitung des Rückzuges und geregelte Auflösung der Armee wurde aber plötzlich durch ein Eingreifen der Wiener Regierung vernichtet. Am 12. November, kaum daß FM Kövess bei uns zur Übernahme des Oberbefehls eingetroffen war, erschien FML v. Boog475 im Hotel und stellte sich als Vertrauensmann der öst. Regierung vor. Dieser General war früher Generalstabsoberst, Chef des Präsidialbüros des Kriegsministeriums, immer höchst dynastisch gesinnt, aristokratisch orientiert. Nun war er der Vertrauensmann einer demokratischen, fast bolschewistischen Regierung. Er erklärte namens dieser dem vom Kaiser zum Armeeoberkommandanten ernannten FM Kövess, daß dem AOK nicht mehr das Recht zustehe, über Truppen der Republik zu verfügen und Befehle auf ihrem Territorium zu erteilen, daß 474 Über den „Bericht des Ausschusses für Heerwesen über die Berichte der Kommission zur Erhebung militärischer Pflichtverletzungen im Krieg" des österreichischen Parlaments vgl. Wolfgang Doppelbauer, Zum Elend noch die Schande. Das altösterreichische Offizierskorps am Beginn der Republik (Militärgeschichtliche Dissertationen österreichischer Universitäten 9), Wien 1988. 475 Adolf v. Boog (Belluno, 27. 4. 1866-15. 2. 1929, Wien), 18. 8. 1886 aus Techn. Milak. als Lt. zur schweren Batteriediv. 4, 1. 11. 1892 Glstbskarriere, 8. 10. 1909 Glstbschef XV Korps, 3. 11. 1910 Vorstand des Präsidialbüros des KM, im Krieg 1. 8. 1917 FML, zuletzt ab 1. 5. 1918 Kmdt. 4. ID, 3. 11. 1918 Kmdt. der dt.-öst. Volkswehr, 1. 7. 1919 pensioniert. Vgl. Ludwig Jedlicka, Ein Heer im Schatten der Parteien. Die militärpolitische Lage Österreichs 1918-1938, Graz-Köln 1955, 11 f.

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dementsprechend die Telegraphenbehörden angewiesen wurden, uns zu isolieren, daß weiters GM Waldstätten und Oberst Zeynek sofort zu entheben seien. FM Kövess rief uns beide zu sich, sprach uns in lieben, bewegten Worten seinen Dank aus, sagte mir noch zum Abschied „Du warst immer ein Ehrenmann!", und dann meldeten wir uns bei GO Arz ab, der uns einen nicht terminierten Urlaub erteilte. Als ich in mein Arbeitszimmer zurückkehrte, fand ich eine Visitenkarte des Sektionschefs Hanausek, der auch „Vertrauensmann" der österr. Regierung geworden war. Als Vertrauensmann Nr. 3 folgte der Generalstabsoberst Theodor v. Körner, der stets unser besonderes Vertrauen genossen hatte und nun mit einem Satz aus dem kaiserlichen in das bolschewistische Lager überging. Im großen und ganzen waren das aber nur vereinzelte Fälle, die meisten meiner Kameraden hielten treu an ihren Grundideen fest. Über meine Tätigkeit beim A O K schrieb GO Arz in das geheime Vormerkblatt: „Oberst Zeynek ist unbedingt einer unserer Besten. Hervorragend begabt, willensstark, kenntnisreich ; initiativ und energisch ; hat sein weitverzweigtes Ressort, das sich fast auf alle Gebiete erstreckte, glänzend geführt. Die Schwierigkeiten der Lage, die Mangel und Not an allem schuf, hat er doch immer wieder überwunden. Nur seiner alle Kräfte anspannenden Energie ist es zu danken, daß wir nicht früher zusammengebrochen sind. Er und sein Organismus hat in militärischer, materieller und militärpolitischer Richtung bei Uberwindung der unglaublichen Schwierigkeiten Hervorragendes geleistet. Es gebührt ihm der Dank der Armee. AOK, Standort November 1918. Arz m.p., Chef des Generalstabes." GO Arz, der meinen Werdegang von der Oberleutnantszeit an verfolgt hat, war mir im Krieg immer ein ritterlicher Vorgesetzter, der alle Intrigen von sich abwies und alle Fragen mit männlicher Offenheit mit mir besprach. Ich blieb mit ihm bis zu seinem Tod in freundschaftlichem Briefwechsel. Wenn ich auf den Krieg zurückblicke, danke ich dem Schicksal, das mir Gelegenheit bot, meine Kraft voll im Interesse des Gemeinwohls zu betätigen. Ich war IV2 Jahre Generalstabschef einer großen, den rechten Flügel der gesamten Ostfront bildenden Armee und führte, als der Krieg zum Hungerkrieg wurde, fast 2 Jahre lang die Agenden des Generalquartiermeisters, da ich die ganze materielle Versorgung der österreichisch-ungarischen Wehrmacht und die Verwaltung aller von uns besetzten Feindgebiete leitete. Meine Tätigkeit hätte beinahe noch eine Verlängerung erfahren, da Sektionschef Frh. v. Eichhoff mich aufforderte, die Liquidierung der österreichisch-ungarischen Armee bei der neuen österreichischen Regierung zu übernehmen. Als ich mit ihm diesbezüglich im Ministerium des Äußern verhandelte, wurde die Tür aufgerissen und ein Beamter rief : „Zum Treuege-

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löbnis zu Staatssekretär Dr. Adler476!" Ich dachte, das sei der Mörder des Ministerpräsidenten Graf Stürgkh, reichte Baron Eichhoff stumm die Hand, verließ das Haus am Ballhausplatz und habe es nicht mehr betreten. Der Staatssekretär Dr. Adler war nicht der Mörder, sondern dessen Vater. So endete mit meinem 45. Lebensjahr meine militärische Laufbahn. Verehrung und Dankbarkeit für die alte k. und k. Armee habe ich als innersten Besitz mitgenommen.

476 Über Victor Adler (1852-1918), den Führer der deutsch-österr. Sozialdemokratie, siehe die Daten bei Glaise-Broucek I, 500, Anm. 665. Er war vom 30. 10. bis zu seinem Tod am 11. 11. 1918 Staatssekretär des Äußeren. Über Zeyneks Verwechslung von Vater und Sohn Friedrich Adler, den Mörder von Ministerpräs. Graf Stürgkh, vgl. auch oben S. 261.

NACHWORT

Die heroischen Leistungen der Mittelmächte waren nicht imstande, gegen die von König Eduard VII. eingeleitete Einkreisung aufzukommen. Die Monarchie hat dem Deutschen Reich, abgesehen von unsern ganz hervorragenden deutschen Truppen, viele Millionen nichtdeutscher Soldaten in diesem Riesenkampf zur Verfügung gestellt, die fast alle trotz unsagbarer Entbehrungen bis zum Schluß heldenmütig kämpften. Die deutsche Armee war vorbildlich durch ihre Organisation und reiche Ausrüstung, aber leider wurde durch preußische Selbstüberhebung und Herrschsucht das gemeinsame Arbeiten erschwert und ein rechtzeitiger Friedensschluß, wie ihn Kaiser Karl in richtiger Erkenntnis der Lage anstrebte, vereitelt. Wir haben an der Seite Deutschlands bis zum letzten Atemzug ausgeharrt und sind deshalb zertrümmert worden. Unsere Lage war trostlos. Ich führe einen Brief an, den mir FM Conrad am 19. Dezember 1921 aus Innsbruck schrieb: „Lieber Zeynek! Ich will das Jahr nicht dahingehen lassen, ohne Dir für die Freude gedankt zu haben, die mir Dein geschätztes Schreiben bereitet hat. Nimm meinen Dank jetzt entgegen. Es ist ja alles so anders gekommen, als wir es erwartet haben und wohl auch erwarten durften. Uns Soldaten kann man wenigstens nicht den Vorwurf machen, die Gefahr nicht gesehen und vorbeugende Maßnahmen nicht verlangt zu haben. War das alte Reichsschiff schon wirklich so leck oder waren nur Capitán und Steuerleute nichts wert? - Wer wollte das heute entscheiden? ... Nach meiner Entlassung im Juli 1918 habe ich den Civilkittel angezogen, mich um nichts mehr gekümmert und zunächst einige Wochen in Villach verbracht, dann war ich bis zur Katastrophe in Triest bei der Mutter meiner Frau. Als das Unheil hereinbrach, erreichte ich gerade noch den letzt möglichen Zug und fuhr nach Wien. Ein Tag Verzögerung, und ich wäre den Italienern in die Hände gefallen ! Die zunehmende Teuerung in Wien, meine Vorliebe für die Tiroler Bergwelt veranlaßten uns dann Aufenthalt in Innsbruck zu nehmen, wo wir seit September 1919 in zwei kleinen rückwärtigen Zimmern im III. Stock des Hotel Tirol hausen. ... Ich laufe auf den Bergen herum, schreibe und lese, aber keine Zeitungen. Um Politik und dergl. kümmere ich mich prinzipiell gar nicht, das habe ich gründlich satt. Leider macht sich bei mir der oft plötzlich einsetzende Föhn unangenehm fühlbar, er herrscht eben jetzt und hat die Temperatur von -10 Grad auf plus 10 Grad gebracht. Und nun, beste Empfehlungen und aufrichtigste Grüße und Feiertagswünsche von meiner Frau und mir. Dein alter ergebenster Conrad F.M."

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Das Leben eines österreichischen Generalstabsoffiziers

Das war der Ausklang des Lebens eines Österreichers, der nach Geist und Wesen von antiker Größe war. Wir sind besiegt, aber die Weltgeschichte hat nicht das letzte Wort gesprochen, denn es wurde kein neues Europa aufgebaut, sondern nur das alte Europa aus den Fugen gerissen.

ANHANG I A U S Z U G AUS : T H E O D O R R . V. Z E Y N E K ,

FÜHRUNGSSTÄBE1

Ein erfreuliches Bild bot die Verwaltung der besetzten Feindgebiete, die gleichfalls von der Quartiermeisterabteilung des Armeeoberkommandos geleitet wurde. Zweck dieser Verwaltung war die wirtschaftliche Auswertung des Feindeslandes zugunsten der Kriegführung. Die Grundidee bei der Verwaltung war, das völkische Leben in dem besetzten Gebiet möglichst wenig zu stören, damit Handel, Landwirtschaft, Gewerbe und Verkehr sich in Ruhe fortentwickeln und aus dem Gebiet ein möglichst hoher Betrag zur Unterstützung unserer materiellen Vorsorgen gezogen werden konnte. So wurde deshalb auf die Mentalität der fremden Nationen Rücksicht genommen, damit böser Wille, passive Resistenz oder Sabotageakte ausgeschaltet bleiben und minimale Kräfte zur Sicherung des Landes genügen. Wir beschränkten uns also auf die militärische und wirtschaftliche Kontrolle des dortigen Lebens, setzten eine soldatische Verwaltung ein, Militärgouvernements und Kreiskommandos, ließen aber jedem Volk seine Schulen, Wohlfahrtseinrichtungen und kulturellen Institutionen. Den militärischen Kommanden standen fachlich qualifizierte Verwaltungsbeamte für die einzelnen Zweige der Verwaltung zur Seite. Die Durchführung der Verwaltung war in jedem Gebiete verschieden. In Polen (Militärgouvernement Lublin) legten unsere und die deutsche Heeresleitung auf gute Beziehungen zur Bevölkerung besonderen Wert, während gleichzeitig die Entente sich bemühte, das Volk auf ihre Seite zu ziehen ; überdies fungierte nicht nur ein dreiköpfiger Regentschaftsrat in Warschau als Staatsoberhaupt, sondern es bestanden auch eine polnische Regierung und ein polnischer Staatsrat (Parlament) - alles von den Mittelmächten organisiert und eingesetzt. Da mußten weitgehend nationale Rücksichten genommen werden. Trotzdem lieferte uns das kleine Gebiet große Vorräte an Getreide, Kartoffeln, Hafer, überdies Pferde und Steinkohle. Die Lieferungen waren so zufriedenstellend, daß im Herbst 1917 bei der Ernteaufbringung die Leitung polnischen Organisationen übergeben wurde. Als aber 1918 die Vereinbarungen des Außenministers Graf Czernin mit der bolschewistischen Regierung bekannt wurden, nach denen das polnische „heilige" Chelmer 1 KA/NLS, B/115, nr. 1. Drei Fassungen, die sich durch verschiedene Papierformate und Schriftgrößen der Maschinschrift voneinander unterscheiden.

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Anhang I

Land an die Ukrainer abgetreten wurde2, entwickelte sich in unserem Generalgouvernement eine derart feindliche Stimmung, daß die militärische Organisation der Aufbringung schleunigst wieder ins Leben gerufen werden mußte, um zu retten, was noch möglich war. Das Resultat konnte nicht gut sein, denn der größte Teil der Ernte war bereits verschleppt. Das Kohlenrevier von Dabrowa nahm eine Sonderstellung ein, denn dieser Riesenbetrieb war für uns so wichtig, daß wir jeden politischen Einfluß von vornherein streng fernhielten. Die Pferde- und Viehausfuhr wurde soweit durchgeführt, als es ohne Schädigung der Ernte und des Anbaus zulässig war. Überdies wurde nach einem großzügigen Plan Lynd [sie]3 für die Retablierung der heruntergekommenen Pferde der Armee im Felde ausgenützt. Als die Differenzen zwischen dem deutschen und dem österreichisch-ungarischen Außenministerium in der polnischen Frage gefährliche Dimensionen nahmen, wollte das Armeeoberkommando die Verwaltung aller besetzten Gebiete dem Ministerium des Äußern abtreten. Dies wurde allseits abgelehnt, und es gelang uns trotz aller Schwierigkeiten, das vertrauensvolle Verhältnis der beiden Heeresleitungen ungetrübt zu erhalten. Die Besatzung des Generalgouvernements von Lublin betrug kaum 40.000 Mann und war größtenteils an der Grenze gegen das deutsche Generalgouvernement Warschau disloziert, um dem organisierten Waren- und Ernteschmuggel entgegenzutreten, der zu unserem Schaden großen Umfang angenommen hatte, weil im deutschen Gebiet höhere Preise gezahlt wurden als bei uns. Jeder Urlauber durfte mehr als 25 kg Lebensmittel frei in die Heimat mitnehmen. Ahnliches galt für Rumänien, Serbien und Italien. Am günstigsten gestalteten sich die Verhältnisse für die Verwaltungstätigkeit in Serbien, wo wir dem deutschen Verbündeten gegenüber nur einige Servitute übernommen hatten, sonst aber die Verwaltung nach eigenem Ermessen führen konnten, wobei sich unsere Gabe des Improvisierens glänzend entfaltete. Das kleine Land trug wesentlich zur materiellen Erhaltung der Wehrmacht bei, lieferte Mehl, Eier, Schlachtvieh, Geflügel, Gemüse, Obst, Tabak, Wein, Marmeladen, Branntwein und Pferde ; auch der Beitrag an Blei und Schwefelkies war ansehnlich. Im Südteil Serbiens mußten infolge dort nie aufhörenden Bandenwesens eigene Grenzschutzformationen aufgestellt werden. Trotzdem betrug die Besatzung einschließlich des Verwaltungspersonals nur rund 40.000 Mann. Aus Verpflegsgründen verlegten wir nach Serbien zahlreiche Ersatzkader. Bei der dortigen Verwaltung waren, einem Wunsch der ungarischen Regierung entsprechend, viele ungarische Offiziere und Beamte eingeteilt. 2 Vgl. dazu oben S. 288 f. 3 Es konnte nicht eruiert werden, worauf sich Zeynek hier bezieht.

Auszug aus: Theodor R. v. Zeynek,

Führungsstäbe

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Das Militärgouvernement Montenegro konnte zu unserer Erhaltung wenig beitragen, immerhin wurde die dortige Besatzung, rund 40.000 Mann, vom Land ernährt, was bei den schwierigen Nachschubverhältnissen sehr wichtig war. Die Besatzung mußte relativ stark sein, weil Anfang 1918 eine Bandenbewegung ausbrach, die anfangs politischen Ursprung zeigte, sich später aber zur ausgesprochenen Räuberbewegung entwickelte; ihre Niederwerfung erforderte bedeutende Kräfte. In Albanien wurden die Landesbehörden belassen, nur die oberste Leitung und Kontrolle wurde von uns ausgeübt. Zur Sicherstellung der Ordnung im Rücken unseres in Albanien kämpfenden Korps wurde eine rund 3.500 Mann starke Feldgendarmerie als einziges Vollzugsorgan der militärischen Verwaltungsbehörden organisiert. Die Versorgung des in Albanien stehenden Korps war kompliziert ; sie erfolgte teils auf dem Seeweg, teils mit Vollbahn, teils mit Schmalspurbahn, teils mit Auto, Fuhrwerk oder Tragtier. Um diese Schwierigkeiten zu überwinden, wurde eine von einem Generalstabsoffizier geleitete Transportzentrale in Fiume geschaffen, die das Einvernehmen zwischen österreichischen, ungarischen, montenegrinischen und albanischen Stellen, zwischen militärischen Kommanden, zivilen Behörden und Schiffahrtsgesellschaften deutsch, ungarisch, kroatisch, italienisch und albanisch herstellen mußte. Sie bewältigte ihre Aufgabe, wobei das AOK nur insoweit mithelfen konnte, daß es den Zuschub für die Kräfte in Albanien allen anderen Dispositionseinheiten voranstellte. Die Militärverwaltung in Italien stieß zunächst auf große Schwierigkeiten, da ein Teil zu einem österreichisch-ungarischen, der andere zu einem deutschen Armeebereich gehört hatte. Als sich diese Teilung in einem so dicht besiedelten Feindesraum bei Anwendung sehr verschiedener Verwaltungsgrundsätze als nachteilig erwies, regte das AOK eine einheitliche österreichisch-ungarische Verwaltung an, wobei die deutschen Interessen durch eine eigene Vertretung bei der leitenden Zentralstelle gewahrt wurden. Dieser Vorschlag wurde von der deutschen Heeresverwaltung angenommen. Unsere Pläne wurden ungestört durchgeführt, und das dortige Gebiet trug wesentlich zur Verpflegung unserer Südwestfront bei. Die Bevölkerung kam uns freundlich entgegen, obwohl hier infolge des Zusammendrängens auf engstem Raum größere Opfer verlangt werden mußten als anderswo. In der Ukraine führte GFM v. Mackensen die Verwaltung. Zum Schutze unserer weitverzweigten Interessen war bei seinem Stab ein paritätisch besetzter Wirtschaftsstab geschaffen worden, der sich bewährte und seine Aufgabe zur Zufriedenheit beider Verbündeter erfüllte. Etwa ein Drittel aller dortigen Kreise wurde durch ö.-u. Organe verwaltet, auch wirkten wir mit Besatzungstruppen (rund 70.000 Mann), mit Arbeitskräften, Autos, Feldbahnen, Fuhrwerken in großem Umfang mit. Alle wirtschaftlichen Überschüsse

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AnhangI

wurden zwischen Deutschland und der Donaumonarchie im Verhältnis 7 zu 5 geteilt. Dieser Zuschuß ermöglichte es, die Bevölkerung Österreichs halbwegs zu ernähren. Die Erdölproduktion von täglich 1 0 0 0 1 überließen wir zunächst der deutschen Armee, die damals den größten Bedarf hatte, ab 1918 erhielten wir Vi des Ertrages. Die Regelung des Donau verkehr s wurde von uns nach Schaffung der von einem Generalstabsoffizier geführten Schwarzen-Meer-Stelle in Braila einvernehmlich gelöst. Diese Stelle arbeitete Hand in Hand mit der Qu.Abtg. in Odessa. Die Leitung der wirtschaftlichen Ausnützung Rumäniens oblag auch nach dem Friedensschluß bis zur Beendigung des Weltkrieges dem paritätischen Wirtschaftsstab. Eine bedeutende Rolle spielte bei der Hebung der landwirtschaftlichen Produktion in den besetzten Gebieten und in den Armeebereichen die Organisation von Motorpflugkolonnen (rund 250 Motorpflüge), Motorpflugwerkstätten und Führerschulen, die je nach dem Klima der besetzten Gebiete von Süd nach Nord wanderten. Die Verwaltung der besetzten Gebiete war vielgestaltig und mußte elastisch geführt werden. Unsere Grundsätze erreichten voll den Kriegszweck, trugen aber auch den internationalen Gesetzen und den ungeschriebenen Gesetzen der Humanität Rechnung, so daß alles vermieden wurde, was den nationalen Haß steigern, Rachegefühle wecken oder Feindseligkeiten über den Krieg hinaus erregen konnte. Als der Krieg ein so unseliges Ende nahm, wurden seitens der von uns verwalteten Gebiete weder Gutmachungen verlangt noch Klagen vorgebracht oder Anzeigen erstattet. Politische oder sonstige Direktiven haben wir vom Ministerium des Äußern nicht erhalten, sondern mußten die Verwaltung auf eigene Verantwortung führen. Bei der Tätigkeit des Generalstabs im Krieg waren die Arbeiten des Chefs des Feldeisenbahnwesens und der Zentraltransportleitung, die den Riesenapparat von 46.000 km Vollbahnen einheitlich zu leiten hatten, von Bedeutung ... Dem Chef des Feldtelegraphenwesens waren 1918 über 80.000 Mann unterstellt. ...

ANHANG

II

A U S Z U G A U S : J O H A N N A N D R E A S F R H . V. V O N M I R A M A R NACH S T .

GERMAIN

EICHHOFF,

1

Militärverwaltung ... Schon am nächsten Tag [nach Kriegsbeginn] wurde ich dem Armeeoberkommando/Etappenoberkommando, das ist die spätere Quartiermeisterabteilung des AOK, als „Vertreter des Ministers des Innern" zugeteilt. ... Was diese Stellung zu bedeuten hatte, wußte damals niemand, wenigstens niemand von uns Zivilisten. Die Stellung war im geheimnisvollen „Dienstbuch für die höheren Kommanden" vorgesehen. Dieses Dienstbuch hatten die Generalstäbler verbrochen, aber auch sie wußten nicht recht, was sie mit mir anfangen sollten. Ich hatte anfangs zwei Gegenstücke, eines von der ungarischen, eines von der kroatischen Regierung. Letzterer Vertreter ist bald, ersterer allmählich verschwunden, beide hatten nichts zu tun. Meine Stellung hat sich erst im Laufe der Ereignisse zu der des „Leiters des Zivilkommissariatsdienstes bei den Armeen im Felde" und Organisators der Verwaltung in allen Gebieten des Feindeslandes ausgestaltet, die wir jenseits der Grenzen während des Krieges besetzt hielten. ... Gleich in den ersten Tagen meiner neuen Tätigkeit mußte ich erkennen, daß - nach der damaligen militärischen Mentalität - der Zivildienst im Verbande eines militärischen Kommandos, bei aller persönlicher Liebenswürdigkeit der einzelnen Offiziere, immer mit einigem Mißtrauen und mit einer Art höflicher Geringschätzung behandelt wurde. Militärische Nachrichten wurden vor mir geheimgehalten, und erst wenn sich die Notwendigkeit ergab, in meinem Wirkungskreis aus den verheimlichten Ereignissen irgendwelche Konsequenzen zu ziehen, irgendwelche Verfügungen zu treffen, wurde ich in Kenntnis gesetzt. Diese Geheimnistuerei hat sich mitunter recht nachteilig fühlbar gemacht. Zu meinen später ausgestalteten und immer mehr erweiterten Amtsgeschäften gehörte nicht nur die Verwaltung der okkupierten Gebiete mit Ausnahme Serbiens, sondern insbesondere auch die Gesetzgebung, die dort, so weit notwendig, aufgrund des Allerhöchsten Oberbefehls des Kaisers über die Bewaffnete Macht ausgeübt wurde. Alle meine Arbeiten - die legislativen ebenso wie die administrativen - bedurften aber der „Paraphe" - lies Genehmigung - eines Generalstabsoffiziers. Mitunter ist diese 1 KA, NLS, sign. B/874.

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Anhang II

Paraphierung zu einer reinen Formalität geworden; je nach der Persönlichkeit des Generalstabschefs unserer Abteilung mußte ich mir aber auch recht eigensinnige und verständnislose Eingriffe gefallen lassen, um im Interesse des guten Einvernehmens schweigend zuzusehen, wie Arbeiten, die ich natürlich besser verstand als die tüchtigsten Offiziere, verbösert und verstümmelt wurden. Anfangs war mein Verböserer ein Major, später Oberstleutnant, namens Kaltenborn], dem die Zivilabteilung „zugewiesen" - lies „unterstellt" - war. Nachdem K. eine andere Kommandierung erhalten hatte, wechselten die betreffenden Offiziere, die meisten waren sehr einsichtsvoll, andere recht anmaßend. Solange aber der außerordentlich liebenswürdige Oberst Anton Höfer, der spätere Ernährungsminister, Generalstabschef der Quartiermeisterabteilung war, konnten sich keine wesentlichen Schwierigkeiten ergeben. Die bösesten Verböserungen mußte ich im dritten und vierten Kriegsjahre von Höfers Nachfolger erdulden. Auf unsere zivilen Rangverhältnisse wurde dabei natürlich gar keine Rücksicht genommen. Ich war schon bei Kriegsbeginn, und zwar seit 1911, Ministerialrat, also im Generalsrange, avanzierte im Kriege zum Sektionschef und wurde mit etlichen Kriegsdekorationen behängt, die mir jetzt liebe Andenken sind. Die Arbeiten des Sektionschefs, im Range eines Feldmarschalleutnants, mußten aber immer noch von einem Oberst oder einem seiner untergebenen Generalstäbler „paraphiert" werden. ... Allerdings hat sich im Laufe der Zeit meine Stellung gefestigt. Man hat gesehen, daß zu den Arbeiten der Gesetzgebung und Verwaltung denn doch einiges Wissen und Können notwendig sind. Handelt es sich doch um Leben, Hab und Gut einer verschreckten, mißtrauischen, mitunter feindseligen Bevölkerung, die großenteils von Haus und Hof vertrieben war oder evakuiert werden mußte, um das Vertrauen in Recht und Gerechtigkeit der Österreicher. ... [Es ging auch] um Lebensmittel, Notstandshilfen, Verkehrswege, um Holz und Kohle, insbesondere auch um Steuergelder, um Zollregime, um Währungsfragen, um Landwirtschaft, Handel und Gewerbe, kurz um Herstellung eines möglichst geordneten, möglichst fruchtbaren Volkslebens unter den schwierigen Kriegsverhältnissen. Dazu kam unsere militärischerseits allerdings nicht anerkannte, ja bespöttelte Verpflichtung, die völkerrechtlichen Grundsätze zu wahren und die immerhin noch in Kraft stehende, im Namen unseres Kaisers rechtsverbindlich kundgemachte Haager Landkriegsordnung einzuhalten. Unser Arbeitsaufwand und die Erfolge unserer Arbeit haben immerhin imponiert. Ebenso wohl auch das Ansehen, das ich mir persönlich bei den reichsdeutschen Okkupationsbehörden in Polen - insbesondere bei Generaloberst Beseler, dem Kommandierenden in Warschau - errungen habe, dann vielleicht auch, gegen Ende des Krieges, die mir auf Befehl des Kaisers weiterhin anvertrauten Arbeiten der Verfassungsreform und meine wiederholten Berufungen zum Kaiser. Tatsache ist,

Auszug aus: Johann Andreas Frh. υ. Eichhoff, Von Miramar nach St.

Germain

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daß gegen Ende des Krieges, wo die militärischen Verfügungen immer mehr und mehr von unserem AOK abgezogen und von der Deutschen Obersten Heeresleitung übernommen worden waren, die Tätigkeit meiner Abteilung zum Gegenstand immer größerer Aufmerksamkeit der Generalstäbler geworden ist. ... Eine der wichtigsten Voraussetzungen, um in den besetzten Gebieten das Wirtschaftsleben wieder in Gang zu bringen, war die Freigabe des Verkehrs, die Förderung des Güteraustausches zwischen den verschiedenen Kreisen an Nahrungsmitteln und Bedarfsartikeln. [Aber man wollte] so viel behalten als möglich und als sich hier nur gewinnen und zusammenhamstern läßt. Befehle, Erlässe, Verordnungen des AOK blieben meistens erfolglos, wurden meistens nur vom Zivilkommissär gelesen, während der militärische Kommandant meinte: „Ah was, das werden wir schon machen, mit dem Kameraden XY beim AOK werde ich sprechen - oder auch nicht." So wurde der Verkehr immer wieder gehemmt, ja es wurden sogar „Ausfuhrverbote" von Kreis zu Kreis erlassen. ... Bei einer Besprechung wurde von mir verlangt., ich solle den Statthalter von Galizien auffordern, eine Reihe von Postbeamten, die politisch unverläßlich, ja als „Hochverräter" galten - mit dem Wort war man immer gleich bei der Hand - justifizieren zu lassen. Allgemeine Entrüstung, als ich sagte, der Statthalter könne keine Todesurteile fällen. ... Sehr bedenklich war die Haltung gegen die katholische Geistlichkeit und das hierdurch hervorgerufene Mißtrauen der kirchlichen Behörden. ... Gegenüber geistlichen wie weltlichen Behörden jene Macht zu bekunden, die sich aus der Befehlsgewalt über die kämpfende Truppe ergab, gegen Minister Beschuldigungen zu erheben, Statthalter abzusetzen, Maßregeln von Bezirkshauptmännern und Richtern zu fordern usw. waren beliebte Beschäftigungen im Etappenraum. Das Bedürfnis nach Machtbetätigung war mitunter so mächtig, daß jede gesunde Denkungsart verdunkelt wurde. ... Alles das ist Psychose, und wer davon befallen wurde, hätte sein Tun zu anderen Zeiten belächelt, mißbilligt, verurteilt, unglaublich, dumm, empörend gefunden. Aber in der Mentalität des Krieges, in jener Verfassung, in die einer den anderen mitgerissen und die dann um sich gegriffen hat, sind diese Vorkommnisse kaum verwunderlich. Dieselbe Mentalität führte bei dem Einen zur heldenhaften Selbstverleugnung, bei anderen zu hirnrissiger Brutalität und bei einem dritten zum Kriegsgewinnertum. Die verschiedentlichen Erscheinungen der Kriegspsychose zur Kriegszeit - auf viel ärgere Psychose-Erscheinungen bei den „Siegern" nach dem Kriege komme ich noch zurück - verursachten die größten Bitternisse und Schwierigkeiten unseres Dienstes im Kriege. Aber alledem zum Trotz mußten wir tapfer drauflos arbeiten !

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Anhang II

Unser Beamtenstand in allen okkupierten Gebieten war natürlich groß. Er umfaßte mehr als 300 Beamte. ... Mit diesen Hilfskräften mußten wir unter den geschilderten Verhältnissen aus Nichts eine klare Gesetzgebung, eine geordnete Verwaltung, eine gerechte Rechtsprechung einführen. ... Unsere Verwaltung war tatkräftig und wohlwollend. Sie hat das Vertrauen der Bevölkerung gewonnen, Recht und Ordnung gesichert. ... Wäre der Krieg nicht so unglückselig ausgegangen, so hätte die Geschichte unserer Arbeit die Anerkennung nicht versagt. So aber wurden alle Erfolge und Errungenschaften in jener wilden Konfusion begraben, die schließlich in den verhängnisvollen Friedensverträgen aus der Pariser Bannmeile ausgeartet hat. ... Im September 1916 waren in Berlin Vereinbarungen über das Zollwesen im polnischen Okkupationsgebiete abzuschließen. Diese Besprechungen haben im Ministerium des Äußern stattgefunden. Ich war damals bitter enttäuscht über die Qualitäten der reichsdeutschen Beamten, hatte mir von deren Sachkenntnis, Arbeitskraft und Urteilsschärfe eine viel zu hohe Meinung gemacht. Auch die manipulative Geschäftsführung war schwerfällig und ungeschickt. Bei offiziellen Abfütterungen habe ich mich bodenlos gelangweilt. Interessant war eine Äußerung des damaligen Unterstaatssekretärs Zimmermann 2 : „Nun wollen wir mal die Rumänen verhauen, und denn machen wir mit Rußland Friede !" ... Nur ein einziges Mal war ich im besetzten Serbien beim Generalgouverneur Grafen Salis3. Die dortigen Zivilkommissariatsgeschäfte waren meiner Abteilung theoretisch nur in bezug auf die Gesetzgebung, nicht auch bezüglich der Verwaltung anvertraut. ... Was ich oben von unserer Militärverwaltung gesagt habe, muß ich bezüglich des Vorgehens in Serbien sehr wesentlich einschränken. Ich gewann allerdings keinen tiefen Einblick, aber den Eindruck großer Brutalität gegenüber der nackensteifen serbischen Bevölkerung. Berufung auf Gesetze, auf Verordnungen des AOK oder gar auf die Grundsätze des Völkerrechts wurden von den Machthabern in Belgrad mit schlechten Witzen abgetan. ... Am 20. Oktober 1916 hatte ich in Wien eine lange Besprechung mit dem Ministerpräsidenten Grafen Stürgkh. Er hegte Bedenken gegen die von den politischen Parteien geforderte Einberufung der Delegationen und bat mich, 2 Arthur Zimmermann (Marggrabowa, Ostpreußen, 5. 10. 1864-6. 6. 1940, Berlin), dt. Diplomat, 1903 Vortragender Rat im Auswärtigen Amt, 1910 Direktor der Politischen Sektion, 1911 Unterstaatssekretär, X/1916-VIII/1917 Staatssekretär. 3 Johann Graf v. Salis-Seewis (Karlstadt, Kroatien, 8.12.1862-24.10.1940, Zagreb), Glstbslaufbahn, 1. 11. 1899 Mjr.d.G., 1. 11. 1906 Obst, bei IR.86, 1. 5. 1912 GM und Brigadier, 16. 1. 1915 Kmdt. 42. LwID, 22. 12. 1915 Militärgouverneur von Serbien, 4. 1. 1916 Geheimer Rat, 6. 7. 1916 enthoben, 6. 10. 1917 Kmdt. 92. ID, 1. 11. 1918 FZM, 1. 1. 1919 pensioniert.

Auszug aus: Johann Andreas Frh. v. Eichhoff, Von Miramar nach St.

Germain

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das AOK gleichfalls zur Stellungnahme gegen diese Einberufung zu bewegen. ... Im November 1916 hatte sich in Warschau ein polnischer Nationalrat gebildet. Er forderte die Anerkennung durch die beiden Okkupationsmächte. Ich mußte ein Statut für den polnischen Staatsrat ausarbeiten und zu den Verhandlungen über Lublin nach Warschau fahren. In der Nacht vom 21. auf den 22. November war ich auf der Fahrt nach Lublin. Um 1 Uhr nachts weckte mich mein getreuer Sekretär, Karl Reitbauer: „Ein Telegramm ist eingetroffen, Seine Majestät der Kaiser Franz Joseph sind gestorben." Erschütternd, eine Welt geht mit diesem Mann zu Grabe. Die Verhandlungen in Warschau mit unserem Generalgouverneur G.d.I. Kuk und dem deutschen Generalgouverneur GO Beseler wurden durch die vielen Hineinreder und Herumsitzer verzögert und kompliziert, denn schließlich wurde mein Entwurf mit einigen Verschlechterungen akzeptiert. Nach den Siegen am Isonzo und bei Caporetto mußte ich im November 1917 zur Einrichtung der Militärverwaltung in das besetzte Oberitalien. Diese Gebiete waren vom Krieg furchtbar hergenommen. Um dem Elende und der Verwirrung möglichst rasch abzuhelfen, hatte ich - leider zum Schaden der Verwaltung von Montenegro - die Einrichtung und Leitung der Verwaltung wieder der bewährten Tatkraft meines Freundes Sternbach anvertraut. Die militärischen Herren hatten in Udine am allerwenigsten Verständnis für die Pflichten und Aufgaben der Verwaltung. Feldmarschall Erzherzog Eugen hat mich empfangen, sich in huldvollster Weise über meine von seinem Bruder geschilderte Tätigkeit im Armeeoberkommando geäußert, Gespräche über Schwierigkeiten bei der Einrichtung der oberitalienischen Verwaltung aber anscheinend mit Sorgfalt vermieden. Baron Sternbach hatte in der Zeit seiner Tätigkeit in Udine unverkennbarerweise ganz glänzende Erfolge zu verzeichnen. Nicht nur durch seine rastlose Arbeit, sondern auch in seiner Eigenschaft als Hauptmann und ehemaliger ausgezeichneter Frontoffizier hat er großen Einfluß auf die militärischen Kommandos errungen. Trotzdem oder vielleicht eben gerade aus diesem Grunde ist er gegen Ende des Krieges, ohne daß ich es hindern konnte, durch die Intrigen des Feldmarschalls Boroevic seiner Stellung enthoben worden. ...

Verfassungsreform Meine Arbeiten während des Krieges haben schon im zweiten Kriegsjahr einen neuen - einen doppelten - Charakter angenommen. Neben der Fortführung der Militärverwaltung wurde ich nämlich in meinem eigensten Wirkungskreis, als legislativer Referent für Verfassungsrecht, mit den Pro-

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A n h a n g II

jekten über die Neugestaltung Österreichs befaßt. Bei einem Frühstück im erzherzoglichen Schloß in Teschen hat der damalige Minister des Innern Prinz Konrad Hohenlohe den Erzherzog [Friedrich] gebeten, mich wieder für die Verfassungsfrage im Ministerium des Innern freizugeben 4 . Der Erzherzog hat in meiner Anwesenheit sehr entschieden abgelehnt ; es wurde aber vereinbart, daß ich neben meiner militärischen Verwendung auch für die aktuellen Verfassungsfragen zur Verfügung stehen sollte. Ich habe daraufhin, teils in Teschen die Nacht benützend, teils auch bei kurzen Aufenthalten in Wien, an den verschiedensten Verfassungsentwürfen und an immer neuen Sprachgesetzentwürfen herumgearbeitet: Arbeiten wie ich sie seit mehr als zehn Jahren in zahllosen Varianten zutage gefördert hatte. Verständnis und Interesse haben meine Arbeiten in der Kriegszeit bei niemandem gefunden. Überdies bestand auch kein fester Wille und keine rechte Energie zur Durchführung der immer wieder als „sehr schätzenswert" anerkannten Projekte. Nach dem Regierungsantritt des jungen Kaisers Karl, mit dem ich schon, als er noch Thronfolger war, wiederholt lange Gespräche geführt hatte, wurde ich im Dezember 1916, noch während unseres Aufenthalts in Teschen, von Seiner Majestät im Hofzuge empfangen und abends dem Hofdiner zugezogen. ... Wir sprachen im wesentlichen von der Aufhebung einer der wirklich ganz zwecklosen „Ausnahmeverfügungen für den Kriegsfall." ... Bei allen meinen bisherigen Audienzen war niemals eingehend und sachlich von der Verfassungsreform und den dazu notwendigen Maßnahmen gesprochen worden. Immer aber war Kaiser Karl mir gegenüber außerordentlich liebenswürdig und gnädig. Meine ersten und meine späteren Eindrücke von seiner Persönlichkeit ermächtigen mich nicht zu einem abschließenden Urteil über seinen Charakter und seine Fähigkeiten zur Lösung der Probleme, die nach einem verlorenen Weltkrieg an den Monarchen herantreten. Nichts berechtigt aber zur Annahme, daß in ruhigen Zeiten Kaiser Karl nicht ein kluger, gewissenhafter und gerechter Kaiser geworden wäre und daß seine Regierungszeit sich nicht segensreich für seine Völker gestaltet hätte. Ob überhaupt ein Monarch dem Ansturm der Ereignisse gewachsen gewesen wäre, die zur Zertrümmerung der Monarchie geführt haben, ob überhaupt jemand fähig gewesen wäre, dieses Staatsgebilde allen inneren und äußeren Gefahren zum Trotz zu erhalten, diese Frage kann kein sterblicher Mensch ehrlich beantworten. Kaiser Karl war es nicht - und die meisten seiner Zeitgenossen wären es auch nicht gewesen - und noch weniger alle die Leute, die nach ihm zur Lenkung der Staatsgeschäfte gelangt sind und die ihn so 4 Eichhoff war Zivilkommissär in der QuA. des AOK, eine Abberufung bedurfte daher der Genehmigung von Ehg. Friedrich als Armeeoberkommandant.

Auszug aus: Johann Andreas Frh. v. Eichhoff, Von Miramar nach St. Germain

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lebhaft kritisiert haben. Jedenfalls war Kaiser Karl beseelt vom besten Willen für das Wohl seiner Völker zu arbeiten, vom Bewußtsein der Pflicht, den Frieden herzustellen und zu erhalten, sowie von jener Gerechtigkeit gegenüber den Volksstämmen des Reiches, die die Grundlage des österreichischen Völkerstaates bilden mußte. Ich erinnere mich an ein Gespräch am 6. 8. 1918, als ich mich in offizieller Audienz für das Kriegskreuz für Zivildienste I. Klasse bedankte. Der Kaiser hat den vielerörterten „Sixtusbrief" zur Sprache gebracht, den er an seinen Schwager, den Prinzen Sixtus von Bourbon, gerichtet hatte, um auf diesem Wege, der Not gehorchend, zu Friedensverhandlungen zu gelangen. Der Brief war leider erfolglos. Er ist seither im genauen Faksimile als Anhang im Buch des Prinzen Sixtus „L'offre de la paix séparée ..." der Öffentlichkeit zugänglich geworden 5 . Der Kaiser besprach die Sache mit der ihm eigenen Natürlichkeit. Sogar der deutsche Kaiser habe den Sixtusbrief nicht tragisch genommen. Uberhaupt seien die Deutschen draußen im Reich viel objektiver und einsichtsvoller als bei uns die - wir wollen nicht sagen - Deutschen im allgemeinen, aber die alldeutschen Politiker und Parteiführer. „Die haben das sadistische Bestreben, daß den anderen Nationalitäten nicht die volle Gerechtigkeit zuteil werde." Kaiser Karl fühlte sich durch und durch als Kaiser aller Völker, alle müßten seinem Herzen gleich nahe stehen. Eine Einstellung, die den österreichischen Verfassungsbestimmungen ebenso wie dem vorgeschriebenen Krönungseid voll entspricht, vor der man sich als Altösterreicher beugen mußte, vermöge deren aber später - im rein deutschen Restösterreich - jede legitimistische Bewegung widersinnig geworden ist, da ja aus dem Gesichtspunkt desselben Legitimismus alle anderen nicht deutschen, eventuell sogar feindlichen Staaten „dem Herzen der legitimen Dynastie gleich nahe standen ! " Damals aber hat der legitime Monarch den Gedanken einer Vorherrschaft des einen oder anderen der unter seinem Zepter vereinigten Völker entschieden zurückgewiesen. Allerdings konnte diese Haltung durch die Macht der Tatsachen nur in Österreich, nicht auch jenseits der Leitha zur Geltung gelangen. Bekanntlich mußte der junge Monarch auf Drängen des allgewaltigen ungarischen Ministerpräsidenten Graf Tisza, der prominentesten Figur des Reiches, bald nach dem Regierungsantritt die Krönung zum König von Ungarn über sich ergehen lassen und den Krönungseid ablegen. Hiermit war eine Verfassungsreform für die ganze ö.-u. Monarchie schon im voraus unmöglich 5 Sixte de Bourbon, L'offre de paix séparée de l'Autriche (5 décembre 1916-12 octobre 1917) avec deux lettres autographes de l'empereur Charles et une note autographe du comte Czernin, Paris 1920.

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geworden. Die ungarische Verfassung war beschworen, die österreichische Verfassung stimmte mit ihr in wichtigen Punkten nicht überein. Sie konnte also vom neuen Kaiser aus demselben Grunde nicht beschworen werden, der seinerzeit der Ablegung des im österreichischen Staatsgrundgesetz vorgeschriebenen Eides durch Kaiser Franz Joseph im Wege gestanden war. Er konnte nicht zwei Verfassungen beschwören, die sich widersprechen, den einen Eid hätte er brechen müssen. Eben mit dieser Begründung war in den Projekten des Erzherzogs Franz Ferdinand vorgesehen, bei seinem Regierungsantritt die Ablegung des Krönungseides solange aufzuschieben, als nicht die Ubereinstimung der beiden derzeit unvereinbaren Verfassungen hergestellt ist. Im Gegensatz hierzu hat beim Regierungsantritt Kaiser Karls Ungarn im Verhältnis zur Krone seine Vorzugsstellung beibehalten. Hierzu kam wohl auch, daß der Glanz und Prunk der Krönung für den jungen Kaiser etwas Blendendes hatte, so daß er das ganze Reich durch die ungarische Brille sah, für die ungarischen Verhältnisse empfänglich war und Ungarn, wie er mir gegenüber einmal geäußert hat, als den „ruhenden Punkt" betrachtete. Die Verfassungsreform war somit auf die österreichische Reichshälfte beschränkt. Tatsächlich wurde daran, und zwar an den verschiedensten, auch an den unfähigsten Stellen, herumgebastelt. Hierzu ergab sich einmal eine sehr possierliche Phase : Mein Freund Polzer6 war... Kabinettsdirektor geworden. Durch die Animosität des Ministers des Äußern Grafen Ottokar Czernin wurde er allerdings bald beseitigt. Während seiner Amtsführung hat er aber, ich weiß nicht warum, zu den Verfassungsarbeiten einen kleinen Universitätsprofessor entsendet, ein braves Männchen, das aber von der Ausarbeitung legislativer Projekte überhaupt und von Verfassungsfragen und deren Bearbeitung im Besonderen nicht die matteste Ahnung hatte. Wie der kleine Moritz hat er sich diese Arbeit vorgestellt, naive Grundzüge zusammengeschrieben und infolge der Polzer'schen Protektion sogar im Ministerrat vorgetragen7. ... Ein Intermezzo, das nicht 6

Über Arthur Graf v. Polzer-Hoditz (1870-1945) vgl. Glaise-Broucek I, 391, Anm. 347. Er war seit 7. 2. 1917 Kabinettsdirektor, wurde am 25. 11. 1917 krankheitshalber beurlaubt, 25. 7. 1918 Rücktritt. 7 Christine Kosnetter, Ministerpräsident Dr. Ernst Ritter von Seidler, phil. Diss. Univ. Wien 1963, 87: „Seidler überließ es bei seiner Verfassungsreform auf dem Boden der nationalen Autonomie, die einer Selbstverwaltung im jeweiligen Siedlungsgebiet gleichkam, den Parteien, die Form für jene Körperschaft zu finden, die die endgültige Revision ausarbeiten sollte. Seidler bat dazu nur um einen Burgfrieden für eine Arbeitsmehrheit. Im Ministerratspräsidium wurde ein Departement für nationale Autonomie errichtet unter der Leitung von Professor Hold von Ferneck. Ein Gesetzesentwurf kam zustande und wurde den Obmännern beider Häuser vorgelegt, doch wagte man schließlich keine weitere Einbringung, um ein parlamentarisches Chaos zu vermeiden, es geschah also nichts."

Auszug aus: Johann Andreas Frh. v. Eichhoff, Von Miramar nach St.

Germain

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ernst zu nehmen war, das aber in so ernsten Zeiten bitter stimmen mußte. Aber nicht nur diese witzige Intervention, auch die Haltung der verantwortlichen Träger der Regierungsgewalt hat mir den Eindruck wachgerufen, daß in diesem Staate während der Kriegszeit schon so manches faul geworden ist. Zur Illustration erzähle ich Folgendes: Auf Befehl des Kaisers habe ich im Ministerrat des Kabinetts Seidler wiederholt über die Verfassungsreform, namentlich über die Abgrenzung der Siedlungsgebiete und über die Sprachenfrage, Vortrag gehalten. In ersterer Hinsicht habe ich das sogenannte Agglomerationsprinzip vorgeschlagen, das ist die Zusammenfassung der in kompakten Massen lebenden gleichsprachigen Bevölkerung auf ihrem Siedlungsgebiet in der Weise, daß sie von Gemeinde zu Gemeinde, ja von Ortschaft zu Ortschaft überall die zahlenmäßige Mehrheit bildet. In der Sprachenfrage lag bekanntlich der Ausgangspunkt des Streites in der unglückseligen Stilisierung des Artikels 19 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger betreffend die „Gleichberechtigung" der „landesüblichen" Sprachen. Gleichberechtigt können nicht Sprachen, sondern nur Menschen sein, und was unter „landesüblich" zu verstehen ist - ob üblich im ganzen Königreiche oder Lande oder nur im Amtsgebiete des betreffenden Amtes -, war eben der Gegenstand der leidenschaftlichsten Kämpfe. Der unglückselige Artikel 19 war wohl in ganz Osterreich und bei jedermann, der sich für Osterreich interessierte, auch bei der Laienwelt, bekannt und berüchtigt. Als ich nun meinen Vortrag im Ministerrate begann, hat ein kluger, dienstbeflissener Schriftführer, ein Sektionschef, das Manz-Bändchen „Staatsgrundgesetze" herbeigeholt, sich auf die Finger gespuckt, den Artikel 19 aufgeblättert und dem Ministerpräsidenten präsentiert. Dankbar lächelnd hat Dr. Seidler gelesen : „Die Gleichberechtigung der landesüblichen Sprachen ... ja, meine Herren, da steht ja ohnehin schon alles !... " Zustimmendes Kopfnicken der Minister ! In so ernster Stunde ein solcher Mangel an Sachkenntnis sowie an Interesse und Verständnis für die größten Gefahren, von denen der Bestand unseres Vaterlandes bedroht war! Erschütternd! Am meisten Verständnis von den Mitgliedern des damaligen Kabinetts für den Ernst der Verfassungsarbeiten zeigte noch der neue südslawische Minister Dr. Ivan Zolger8, ein fleißiger, talentierter Mann, der etwa gleichzeitig mit mir in der Steiermark in den politischen Dienst eingetreten war und in seiner Laufbahn immer wieder mit der meinen in Konkurrenz ge8

Dr. Ivan R. v. Zolger (Devina bei Windisch-Feistritz, Stmk., heute Slovenska Bistrica, Slowenien, 22. 10. 1867-18. 5. 1925, Graz), Privatdoz.f. Verwaltungslehre u. österr. Verwaltungsrecht Univ. Wien, 1915 Sektionschef im Ministerratspräs., 30. 8. 1917-6. 5. 1918 Min. ohne Portefeuille.

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treten ist. Auch er wurde zu den einschlägigen Arbeiten immer wieder beigezogen und galt als Rechtskenner im Kreise seiner auf diesem Gebiete ebenso unerfahrenen wie anspruchslosen Ministerkollegen. Auf meine letzte, ungleich interessantere Begegnung mit Dr. Zolger komme ich noch zurück. Nach all diesem systemlosen und wenig erfreulichen Herumarbeiten an der Verfassungsreform wurde ich nach langer Zeit wieder zum Kaiser gerufen. Am 27. September 1918, meinem Geburtstag, als unsere Balkanfront durch Maréchal Franchet d'Esperey durchbrochen war und der Ausgang des Krieges für uns hoffnungslos schien, kam der Befehl, ich solle sofort in Baden vor dem Kaiser erscheinen. „Sie haben ja damals die Sachen für Erzherzog Franz gearbeitet; wie hat er sich denn die neue Verfassung vorgestellt ...?" Mir lag der schmerzliche Ausruf auf den Lippen : „Eure Majestät fragen mich etwas spät." Meine Arbeiten gingen von da an in unmittelbarem Kontakt mit dem Kaiser vonstatten. Er ließ sich wiederholt informieren von der Abgrenzung der Sprachgebiete, von der autonomen Vertretung der Volksstämme auf ihren Siedlungsgebieten und von der einheitlichen Gesetzgebung und Verwaltung in allen jenen Belangen, deren Gemeinsamkeit ein Lebensinteresse der einzelnen Teile ist. Der „Bund freier Völker" sollte soweit irgend möglich - leider aber mit der Beschränkung auf die österreichische Reichshälfte - verwirklicht werden. Zwischen diese Vorarbeiten hinein kam die Erörterung der vom Präsidenten der Vereinigten Staaten Wilson schon am 8. Jänner 1918 im amerikanischen Kongreß als Friedensbedingungen enunzierten 14 Punkte, denen später, ja noch durch Jahrzehnte seit dem Ende des Ersten Weltkrieges, immer wieder eine so übertriebene Bedeutung beigelegt wurde und wird. Die österreichisch-ungarische Regierung hatte diese „Punkte" als durchaus annehmbar erklärt. Der deutsche Reichskanzler Graf Hertling 9 hatte sie in einer Erklärung vor der Reichskommission am 24. Jänner 1918 im wesentlichen abgelehnt mit Ausnahme des 14. Punktes betreffend die Errichtung eines Völkerbundes, der die volle Sympathie Deutschlands finde. In ihrer Antwort auf einen Vorschlag Österreich-Ungarns, die Friedensbedingungen zum Gegenstand einer Konferenzbesprechung zu machen, hat die amerikanische Regierung geantwortet, sie habe ihre Friedensbedingungen schon mit voller Deutlichkeit dargelegt. Ich habe damals in einer Denkschrift ausgeführt, daß das nicht wahr ist. Die Botschaft des Präsidenten an den Kongreß enthalte in ihren 14 Punkten keine konkreten Anträge über die Rechte und Pflichten, deren Übernahme den Gegenstand zu bilden hätte. Das Programm 9

Georg Graf v. Hertling (1843-1919), 1912 bayer. Ministerpräs., 1. 11. 1917-30. 9. 1918 dt. Reichskanzler.

Auszug aus: Johann Andreas Frh. υ. Eichhoff, Von Miramar nach St. Germain

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Wilsons zeige keinen Weg, um zum Frieden zu gelangen. Der Wortlaut der 14 Punkte ist so unpräzis und verwaschen und läßt so verschiedene Deutungen zu, daß sich hieraus je nach der Art der Durchführung ganz diametral entgegengesetzte Folgen und Wirkungen ergeben können. Besonders auf den Punkt 10, wonach „den Völkern Österreich-Ungarns zum ersten Male Gelegenheit zu einer autonomen Entwicklung gegeben werden sollte", habe ich - mit anderen Worten - erwidert, daß das ein Unsinn ist. In der autonomen Entwicklung der Völker Österreich-Ungarns liege ja das Wesen und der Lebenszweck dieser Monarchie. Alle unsere Verfassungsvorschriften und alle unsere Bemühungen, diese zu verbessern, zielen darauf ab, die Autonomie dieser kleinen Völkerschaften sorgfältig zu bewahren, ohne die zum Schutz nach außen und zur Erhaltung der wirtschaftlichen Lebensmöglichkeiten notwendige Gemeinsamkeit preiszugeben. Was mit meiner Denkschrift geschehen ist, ob der Kaiser sie verwertet hat, ob sie in Generalstabsbüros oder im Ministerium des Äußern begraben oder nach Amerika weitergeleitet wurde, weiß ich nicht. Während von allen Fronten die ungünstigsten Nachrichten über die Kriegslage einliefen, haben unsere Verfassungsarbeiten plötzlich eine unerwartete Wendung genommen. Anfang Oktober wurde dem Kaiser der Entwurf eines Manifests vorgelegt, der von den maßgebenden Vertretern der Deutschradikalen stammte und durch Besprechungen des Kabinettsdirektors Ritter von Seidler ausgelöst worden war. Bekanntlich war Seidler nach seiner wenig erfolgreichen Ministerpräsidentschaft zum Nachfolger Polzers in dessen auch wenig erfolgreichen Funktion als Kabinettsdirektor ernannt worden. Dieser Manifestentwurf zeigte, daß auch deutschradikale Kreise sich der Einsicht für den Zwang der Staatsnotwendigkeiten nicht verschließen und daß auch dort mit der Notwendigkeit der Preisgabe bestimmter Siedlungsgebiete an anderssprachige Volksstämme gerechnet wurde. Der Hauptverfasser des Entwurfs war, wie mir Seidler damals sagte, ein Abgeordneter namens Teufel10. Dieser deutschradikale Entwurf hat den Anstoß dazu gegeben, die Ver-

i o Oskar Teufel (Znaim, Mähren, 5. 10. 1880-26. 1. 1946, Wien), Konservenfabrikant in Znaim, Mitglied der Reichs- und mährischen Landesparteileitung der Deutschradikalen Partei, 1911-1918 Reichsratsabgeordneter, 21. 10. 1918-15. 2. 1919 Mitglied der dt.-ö. Provisorischen Nationalversammlung, Oktober-Dezember 1918 Kreishauptmann von Deutsch-Südmähren.

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fassungsreform noch vor dem Eintritte der praktischen Voraussetzungen für ihre Einleitung und Durchführung baldmöglichst durch ein Manifest anzukündigen. ... u

11 In der Folge schildert Eichhoff die Ereignisse bis zur Publizierung des Oktobermanifests so, wie er dies Helmut Rumpier 1962 mitgeteilt hat, dem allerdings neben den amtlichen Materialien die Memoiren Eichhoffs nicht zur Verfügung standen: Helmut Rumpier, Das Völkermanifest Kaiser Karls vom 16. Oktober 1918. Letzter Versuch zur Rettung des Habsburgerreiches (Österreich-Archiv), Wien 1966. Rumpiers Frage, welchen Anteil Zeynek an den Entwürfen Eichhoffs hat, ist somit geklärt. Der Anteil ist minimal: der einer Weitergabe - oder eben einer sicher „interessierten Paraphe". Was die Verfassungsreform und das Manifest von Oskar Teufel betrifft, so bleiben Fragen offen, die sowohl Rumpier als auch Wilhelm Brauneder, Deutsch-Österreich 1918. Die Republik entsteht, Wien-München 2000, nicht beantworten. Es war bisher nicht bekannt, dass sich im Nachlass Seidler (KA, NLS, sign. B/1818) zwei Entwürfe einer Staatenbund- oder Bundeskaisertum-Verfassung für das Habsburgerreich befinden, von denen der zweite auf Ende September 1918 datiert ist und den Staatsrechtler Arnold Krasny zum Verfasser hat. Er dürfte den Ideen Kaiser Karls am meisten entsprochen haben, wirkt er doch auf den Leser wie eine Mischung der Gedanken von Aurel Popovici über die Vereinigten Staaten von Groß-Österreich und des von Kaiser Karl hoch geschätzten E Wilhelm Schmidt SVD über die „Wiederverjüngung" Österreichs, niedergelegt in einer von diesem anonym publizierten Broschüre (Austriacus Observator, Zur Wiederverjüngung Österreichs. Versuche eines Entwurfes der Verfassungsreform. Als Manuskript gedruckt, o.O.u.J.). Dazu kommen noch dem Kaiser oder Seidler nicht weiter bekannte Gedankengänge von Heinrich Lammasch. Allen diesen Ideen mit Ausnahme des Entwurfs von Popovici ist gemeinsam, dass sie die Lösung des Problems der ungarischen Nationalitäten hinausschieben. Wahrscheinlich hat Seidler aber Oskar Teufel von jenem Verfassungsentwurf Mitteilung gemacht, auch Glaise-Horstenau erwähnt dies in seinen Memoiren. Wenn dies so ist, dann hat er also nicht oder nicht nur vom Entwurf Eichhoffs über die weitgehende Lösung von Nationalitätenproblemen auf Bezirksebene gesprochen, sondern von einer „radikalen" Föderalisierung. Damit hat der Kabinettsdirektor sicher unbewusst und aus welchen Motiven auch immer durch Teufels Einbringung der Institution der Nationalräte in den Manifestentwurf sowohl die Demokratisierung als auch den Umsturz, der außerhalb der Monarchie bereits ins Werk gesetzt wurde, noch schneller ins Innere getragen, als es sich die nationalrevolutionären Kräfte überhaupt vorstellen konnten. Motive mögen weiters gewesen sein, dass sowohl Seidler als auch Eichhoff, der ja für den BundeskaisertumEntwurf den Gedanken einer Zollunion beigetragen und konkretisiert hatte, diesen Entwurf für utopisch und undurchführbar hielten. Bei allen Anhängern deutschradikaler Parteien wird wohl die Furcht, daß es mit einer deutschen Vorherrschaft oder doch privilegierten Stellung in den böhmischen, südslawischen und ungarischen Ländern ein radikales Ende haben würde, für ihre Zustimmung zu Teufels Initiative maßgebend gewesen sein. Siehe Peter Broucek, Karl I. (IV). Der politische Weg des letzten Herrschers der Donaumonarchie, Wien-Köln-Weimar 1997, 199-201, und die Literatur 254-256.

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abt., -abt. a.D. AK, Akdo AOK Artbrig. Artrgt., -artrgt. Baon, -baon Batt.Div. BM Brig., -brig. DAR. DOHL DR. dt. E.F. Ehg. Exz. FABrig. FAR. FJB. FM FML Frh. FZM GBrig. G.d.I. G.d.K. Geh. Genieak. Geniergt. GFM Gl. Glstb., Glstbs GLt. GM GO HHR.

Abteilung, -abteilung außer Dienst Armeekommando Armee-Oberkommando Artilleriebrigade Artillerieregiment, -artillerieregiment Bataillon, -bataillon Batterie-Division Bundesministerium Brigade, -brigade Divisions-Artillerieregiment Deutsche Oberste Heeresleitung Dragonerregiment deutsch Einjährig-Freiwilliger Erzherzog Exzellenz Feldartilleriebrigade Festungsartillerieregiment Feldjägerbataillon Feldmarschall Feldmarschalleutnant Freiherr Feldzeugmeister Gebirgsbrigade General der Infanterie General der Kavallerie Geheim, Geheimer Genieakademie Genieregiment Generalfeldmarschall General Generalstab, Generalstabs Generalleutnant Generalmajor Generaloberst Honvéd-Husarenregiment

330

HIBrig. HITD HKTD Hptm. HR. IBrig. ID i.G. IR. i.R. ital. ITD KA KAR. KBrig. KD Kdi. Gen. Kdo., -kdo. KM Kmdt., -kmdt. KKdo kroat. KTD KZ LIR. Lt., -lt. LwIBrig. LwIR. LwITD Marineak. Milkdo. Min., -min. Mjr. MMTO NLS NÖ Oblt. Obst. Obstlt. ö.-u. Olt.

Abkürzungsverzeichnis

Honvéd-Infanteriebrigade Honvéd-Infanterietruppendivision Honvéd-Kavallerie-Truppendivision Hauptmann Husarenregiment Infanteriebrigade Infanteriedivision im Generalstabskorps Infanterieregiment in Ruhe, in Reserve italienisch Infanterie-Truppendivision Kriegsarchiv Korps-Artillerieregiment Kavalleriebrigade Kavalleriedivision Kommandierender General Kommando, -kommando Kriegsminister, Kriegsministerium Kommandant, -kommandant Korpskommando kroatisch Kavallerie-Truppendivision Konzentrationslager Landwehr-Infanterieregiment Leutnant, -leutnant Landwehr-Infanteriebrigade Landwehr-Infanterieregiment Landwehr-Infanterie-Truppen-Division Marineakademie Militärkommando Minister(ium), -minister(ium) Major Militär-Maria-Theresien-Orden Nachlass-Sammlung Niederösterreich Oberleutnant Oberst Oberstleutnant österreichisch-ungarisch Oberleutnant

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Abkürzungsverzeichnis

00 OpA. OpB. PiBaon poln. Präs., -präs. provis. QuA., Qu.Abtg. R. Rgt. -rgt. Rgtskmdt. Rtm. russ. SchBrig. SchD S.M. SMS Stmk. Techn. Milak. Theres. Milak. TKJR. ung. Univ. UR. z.V

Oberösterreich Operationsabteilung Operationsbüro Pionier-Bataillon polnisch Präsident, -président provisorisch Quartiermeisterabteilung Ritter Regiment, -regiment Regimentskommandant Rittmeister russisch Schützenbrigade Schützendivision Seine(r) Majestät Seiner Majestät Schiff Steiermark Technische Militärakademie Theresianische Militärakademie Tiroler Kaiserjägerregiment ungarisch Universität Ulanenregiment zur Verfügung

LITERATURVERZEICHNIS

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ABBILDUNGSNACHWEIS

1. Besuch der Maturaklasse des Troppauer Staatsgymnasiums in Wien, Juni 1888. Zeynek in der ersten Reihe der zweite von rechts (KA, NLS, sign. B/151, nr. 8, fol. 192). 2. Zeynek im Schuljahr 1893/1894 in einer Gruppe von Militärakademikern (Person ohne Kopfbedeckung) bei einer Übung in Landesvermessung bei Wiesmath, NO. (KA, B/151, nr. 8, fol. 193). 3. Zeynek aus der Tafel „Kriegsschule 1899" (KA, B/151, nr.8, fol. 194). 4. Karl Christophori, Mitschüler Zeyneks und 1914-1916 Russland-Referent in der Operationsabteilung des AOK, aus der Tafel „Kriegsschule 1899". 5. Hptm.i.G. Theodor v. Lerch, der erste, der den Fudschijama auf Skiern als Lehrer der Japaner bestiegen hat. Korrespondenzkarte an Major v. Zeynek, 27. 2. 1911 „via sibiria" (KA, NLS, sign. B/151, nr. 8). 6. Umschlagblatt der anonym erschienenen Broschüre Zeyneks „Diplomatie und Kriegsvorbereitung", Wien 1912 (KA, B/151, nr. 7). 7. Lemberg, Weichenarbeiten am Güterbahnhof III (KA, Bildersammlung, nr. 14.274). 8. Die Offiziere des Stabes der Armeegruppe G.d.I. v. Pflanzer-Baltin, Frühjahr 1915. In der 1. Reihe von links Mjr.i.G. v. Kasprzycki (später Divisionär in der polnischen Armee), dann Obstlt.i.G. v. Zeynek; neben ihm der zweite Hptm.i.G. Julier, später Angehöriger der ung. Roten Armee, dann der Honvéd (B/151, nr. 8). 9. Armeekommandant G.d.I. v. Pflanzer-Baltin im Gespräch mit Angehörigen seines Stabes „in vorderer Linie" (genau hinter ihm Obstlt.i.G. v. Zeynek) im Frühjahr 1915 in der Bukowina (KA, B/151, nr. 8: Zeitungsausschnitt Das Welt-Bild, Beilage zum „Fremdenblatt", o.D.) 10. Straßenszene anlässlich der Rückeroberung Lembergs und des feierlichen Einmarsches der 2. Armee unter G.d.K. v. Böhm-Ermolli am 22. 6. 1915 (KA, Bildersammlung, Album nr. 450). 11. Der Chef des Generalstabs G.d.I. Franz Frh. Conrad v. Hötzendorf beim Einmarsch der 2. Armee in Lemberg im Gespräch mit römisch-katholischen Prälaten (KA, Bildersammlung, Album nr. 450). 12. Zeynek, Kolomea 1915, angefertigt von der k.u.k. Kriegsvermessung nr. 7 (KA, NLS, B/151, nr. 1). 13. Zeynek mit Angehörigen des Stabes der 7. Armee beim Kartenstudium während einer Rast bei einem Erkundungsritt, wahrscheinlich Sommer 1915 (KA, B/151, nr. 10). 14. Die Wiederherstellung der gesprengten Pruthbrücke von Czernowitz, 1915 (KA, Bildersammlung, nr. 14.191). 15. Der Bahnhof von Czernowitz, Bukowina (KA, Bildersammlung, nr. 14.250). 16. Das Kommando der 7. Armee beim Besuch des Russland-Referenten der Operationsabteilung des AOK Obstlt.i.G. Christophori am 8. Mai 1916. Darunter 4. von links Mjr. Pflügl (Evidenzgruppe), 6. von links Zeynek, weiters nr. 8 GM Josef Podhajsky (später Generaltruppeninspektor der tschechoslowak. Armee), GM Dáni v. Gyarmata, G.d.I. Rhemen v. Barenfeld, nr. 24 GO ν. Pflanzer-Baltin, nr. 7 Obst.i.G. Graf Szeptycki (später poln. Armeekmdt.) (B/151, nr. 8, fol. 25). 17. GO Erzherzog Karl Franz Joseph, der spätere Kaiser und König Karl I. (IV), mit dem Kappenabzeichen des Edelweiß-Korps (XX. Korps), 1916 (KA, NLS, B/655 Bildersammlung Jansa).

356

Abbildungsverzeichnis

18 GM Stanislaw Graf Szeptycki, Kommandant der Polnischen Legion, um 1916 (KA, NLS B/655 Bildersammlung Jansa). 19 Josef Pilsudski, späterer poln. Generalissimus und Präsident, vor 1918 (KA, NLS. B/655, Bildersammlung Jansa). 20 G.d.I. Artur Arz von Straußenburg, 1917/1918 Chef des Generalstabs (KA, NLS, B/655, Bildersammlung Jansa). 21 Sogenanntes „Kaiserhaus" am Standort des AOK im Kurort Baden bei Wien : „Allerhöchstes Hoflager" (KA, Bildersammlung, Album nr. 2490 S). 22 Pfarrschule in Baden bei Wien, Sitz der Operationsabteilung des AOK Frühjahr 1917 bis November 1918 (KA, Bildersammlung, Album nr. 2490 S). 23 FM Paul v. Hindenburg, Chef des Generalstabs des dt. Feldheeres, am 2. Juli 1917 in Baden bei Wien (Gertraud Maria Mühlbach, Das Kaiserhaus zu Baden, Baden 2000, Abbildung 34). 24 Der Besuch Kaiser Wilhelms II. am 6. Juli 1917 in Baden bei Wien (Mühlbach, Das Kaiserhaus zu Baden, Umschlagbild). 25 Spazierfahrt der Monarchen Wilhelm II. und Karl I. (IV) im Laxenburger Park anlässlich des Besuches im Juli 1917. 26 Der polnische Regentschaftsrat nach der Audienz bei Kaiser und König Karl am Bahnhof in Laxenburg, um den 19. 1. 1918 (KA, Bildersammlung, nr. 5595).

Verzeichnis der Kartenskizzen 1. Skizze „Aufmarsch Kriegsfall R" (Verein „Alt-Neustadt", Mitgliederverzeichnis 1963, Skizze 1).

2. Skizze „Rückverlegter Aufmarsch gegen Rußland" (Verein „Alt-Neustadt" Mitgliederverzeichnis 1963, Skizze 1). 3. Skizze der im Text genannten Ortlichkeiten in der Bukowina und in Ostgalizien (August v. Urbanski, General der Infanterie v. Pflanzer-Baltin, handschriftl. Manuskript, KA, Allgemeine Manuskriptenreihe). 4. Skizze „Die Ostfront 1916-1917" (Rudolf Kiszling, Österreich-Ungarns Anteil am Ersten Weltkrieg, Graz 1958, 45).

PERSONENINDEX

In das Register aufgenommen wurden die in der Edition und den beiden Anhängen erwähnten zeitgenössischen Personen, nicht jedoch die ausschließlich in der Einleitung und im Kommentar verzeichneten Namen.

Abele, Albert Freiherr von und zu Lilienberg 155 Adler, Friedrich 261, 309 Adler, Victor 261, 309 Aehrenthal, siehe Lexa von Ae. Albrecht, Erzherzog 36, 44, 65ff., 173, 219 Apponyi, Albert Graf 39, 116 Arz von Straussenburg, Arthur 51-54, 56f., 195, 201, 239, 249, 255, 278ff„ 282ff., 286f„ 291f., 296, 299, 301, 303-308 Attems, Heinrich Graf von 301 Auffenberg, Moritz Freiherr von 40, 43, 145f., 150, 154f., 157, 161, 165, 181, 183-187, 189ff., 193ff. Augusta, dt. Kaiserin 297f. Bacquehem, Olivier Marquis 85 Bardolff, Karl Freiherr von 45, 58f., 100, 117, 132ff„ 142f., 155, 158f„ 170, 288 Barrère, Camille 164,166 Bartenwerffer, Paul von 264 Bauer von Bauerthal, Viktor 227 Beck(-Rzikowsky), Friedrich Freiherr (Graf) von 35-38, 40, 62, 69, 94, 99,102f., 108, 114, 117, 119,121ff., 129, 132, 172, 264 Beck-Rzikowsky, Friedrich Graf von 225 Beck, Max Vladimir Freiherr von 39, 229 Below, Otto von 285 Benda, Adalbert 132 Benedek, Ludwig von 34, 112, 123 Benedikt, Heinrich 244 Benigni, Siegmund Graf 210, 212, 225, 235, 246, 248 Berchtold, Leopold Graf 46, 50, 160,167, 270 Berndt, Otto Ritter von 101, 117 Beseler, Hans Herwig von 260-264, 266, 286, 318, 321

Besser, Alfred von 201 Bethmann Hollweg, Theobald von 40, 261, 282f., 299 Bismarck, Otto Fürst von 34,41, 68, 81,101, 162, 174, 266 Blaas, Guido 197 Bogusz von Ziemblice, Artur Ritter 190 Bolfras, Arthur Freiherr von 129, 134, 147, 170, 195f„ 227 Bolfras, Leo Freiherr von 147 Bolschwing, Wilhelm Freiherr von 155, 190, 274, 306 Boog, Adolf von 307 Born, Ignaz von 17 Boroevic, Svetozar 90, 131, 171, 187, 195, 199f., 203, 295f„ 300, 303, 321 Bothmer, Felix Graf von 224, 230,235f., 243 Brantner, Theodor 118, 155 Bratianu, loan 244, 283 Brosch von Aarenau, Alexander 44f., 121, 123f., 131, 146f., 151ff., 156-159,161,169f., 188f., 203 Brudermann, Rudolf Ritter von 187 Brusselle-Schaubeck, Alfred Graf von 171 Brussilow, Alexej 240, 242, 244f., 255f., 269, 285 Budiner, Karl 107,198 Bülow, Fürst Bernhard von 40,136 Buquoy, Karl Georg Heinrich Graf von 197 Burián de Rajecz, István 227,261, 263, 266f., 301 Buschek, Wilhelm 90 Butterweck, Gustav 155 Buzek, Thomas 118 Cadorna, Luigi Graf 133 Cambon, Jules 164

358 Carol I., König v. Rumänien 97,136,166, 244 Cäsar, Julius 83 Chamberlain, Joseph Austen 117 Christophori, Karl 98, 244, 259 Ciceric siehe Csicserics Clam-Martinic, Gottfried Graf von 197 Clam-Martinic, Heinrich Graf von 185,192, 197, 203, 267f., 279f., 284 Clary-Aldringen, Manfred Graf von 302 Colloredo-Mannsfeld, Hieronymus Graf von 140 Connaught, Arthur Herzog von 134 Conrad von Hötzendorf, Franz Freiherr (Graf) 27f., 40, 42ff„ 46f., 49ff„ 56, 62, 65f., 68ff., 79, 93-96,102,104f., HOff., 117,124-139,141-147,149-153, 155-161, 165-169, 173, 176f., 185f., 188f., 192f., 195f., 199f., 206f„ 217f„ 221, 224, 228, 234, 237, 240, 243f., 25lf., 258f., 261-266, 268f., 271, 276-279, 286, 288, 295, 299f., 311 Conte Corti alle Catene, Hugo 114 Cramon, August von 52, 264, 282, 287, 299, 307 Csáky, Karl Graf 171 Csicserics (Ciceric) von Bacsány, Maximilian 179 Csoban, Dragutin 225 Czernin, Ottokar Graf 52, 267ff., 276, 280284, 287-291, 313, 324 Czibulka, Claudius 203, 206, 209, 212f. 215218,227, 230-233 Czibulka, Hubert Freiherr von 85,115f., 154, 206 Danilo, Prinz v. Montenegro 124 Dankl von Krassnik, Viktor 195 Delcassé, Theophile 164 Demus-Moran, Ferdinand 256 Diamandy, Constantin 163 Dimitrieff, Radko 202 Dommes, Wilhelm von 215f., 226f., 233,235 Dormándy, Heinrich von 305 Dowbór-Musnicki, Józef 262 Edward VII., König ν. Großbritannien 38,40, 120, 123,311 Eichhoff, Johann Andreas Freiherr von 45, 71, 158f., 270, 275, 286, 305, 308f., 317-328

Personenindex Eichhorn, Emil von 290 Eiseisberg, Anton Freiherr von 243 Eisenhart-Rothe, Ernst von 299 Elisabeth, Erzherzogin 114, 171 Ellison von Nidleff, Otto Freiherr 149 Elmar, Wilhelm von 238, 240, 245 Emanuel, Prinz v. Bourbon-Orléans Herzog von Vendôme 87f. Eugen, Erzherzog 86, 94,124, 127f., 146,148, 150Í, 169, 321 Fabini, Ludwig von 171 Faccioli-Grimani, Amelio de 112f. Falkenhayn, Erich von 51,191,193,196, 237, 250f., 255, 269 Fath, Heinrich 90 Ferdinand, Zar v. Bulgarien 304 Fiedler, Ferdinand Ulf., 119, 129 Fischer, Eduard 207, 226, 229 Flotow, Hans von 162 Formentini, Paul Freiherr 152 Forster, Zdenko Freiherr von 279 Franchet d'Espèrey, Louis 326 Franz Ferdinand, Erzherzog 40,44ff., 50, 67, 70,104f„ 110,113,119,121-125,127f„ 130ff., 134-137, 139,143f., 146f., 150f„ 153-160, 162,164-171,188f., 235, 259, 267, 324, 326 Franz Joseph I., Kaiser 24, 26f., 34, 38fT., 43ff., 47,49f., 65, 67, 70f., 81, 88, 92ff., 97, 102ff., 106,109, 113, 115f., 119ff., 123f., 125-128,130-137, 145f„ 150,160-164, 166ff., 171-176, 207, 258, 264, 266, 321, 324 Franz Salvator, Erzherzog 120,132,171 Friedrich, Erzherzog 28, 49f., 160,169,186, 192f., 235, 240, 249f., 256, 264, 321f. Fürstenberg, Max Egon Fürst 296-299, 305 Galgótzy, Anton 62,129 Ganghofer, Ludwig 233 Gautsch von Frankenthurn, Paul Freiherr 109 Georg, Prinz v. Serbien 134 Glaise-Horstenau, Edmund von 55, 61, 257, 270,282, 328 Goffin Edler von Gotthardsburg, Ernst 213 Goiginger, Ludwig 195 Gratz, Gustav 292ff.

359

Personenindex Griebach, Hugo von 222 Griebsch, Hugo 239 Gross, Karl 105 Haberl, Johann 274,286 Hadfy, Imre 225, 239, 249 Hadik de Futak, János Graf 54, 275, 285f. Hahndorff, Felix 276, 287, 294, 297f. Haller von Hallenburg, Józef 184, 262 Hanausek, Wilhelm 175, 286, 300, 308 Härtung, Ernst Ritter von 129 Haus, Anton Freiherr von 141f., 165 Havenstein, Otto Hermann 254 Hazai, Samu Baron 301 Hedin, Sven 229 Heinrich Ferdinand Salvator, Erzherzog 198 Helfritz, Paul 264 Hemmer, Hans Ritter von 230, 236 Herrgott, Adolf 254, 256f. Hertling, Georg Graf von 326 Heydebreck, Ernst von 230f., 235 Hindenburg, Paul von 51, 169, 245, 255, 261, 263ff., 269, 297f. Hirsch von Stronstorff, Eugen 186f. Höfer, Anton 49, 118, 261, 269, 276, 281, 291, 318 Höger, Franz 222 Hohenberg, Sophie Herzogin von 159 Hohenlohe-Schillingsfürst, Gottfried Prinz zu 97, 152, 168, 322 Holtzendorff, Henning von 281 Horsetzky Edler von Horn thai, Ernst 101, 119f. Horthy, Miklós von 141 Hoyos, Alexander Graf von 268 Hranilovic-Czvietassin, Oskar 192, 244 Hruby, Emanuel 107f. Hubicki, Alfred Ritter von 274 Hummel, Karl 182, 217 Huslig, Hugo 152 Hussarek von Heinlein, Franz Ritter 98 Hussarek von Heinlein, Max Freiherr 301 Huyn, Karl Graf von 292,301 Izwolski, Alexander Graf 42, 152 Jäger, Oskar von 220f., 251 Jagow, Gottlieb von 163 Jayme, Prinz von Bourbon 87f.

Josef August, Erzherzog 54,171, 259 Josef Ferdinand, Erzherzog 57, 62, 88f., 104, 171, 186ff., 194,197f., 201f., 206, 234, 244 Juraschek, Franz Ritter von 100 Kailer von Kaltenfels, Karl 121 Kaltenborn, Ferdinand von 271, 318 Karl I., Kaiser 50-54, 71, 130ff., 160, 185, 207, 221, 228f., 232, 240, 244f., 253ff., 257, 259, 265-270, 276-287, 289, 291-299, 302305, 307, 311, 322-328 Kasprzycki, Stefan Ritter von 222 Kirchbach, Johann Freiherr 90, 146f., 149f., 190 Kirchbach, Karl Graf von 254, 256f., 277 Klepsch-Kloth von Roden, Alois Freiherr 265 Klofác, Václav 107f., 187 Klopp, Onno 45 Knaus, Sigismund 118 Kodolitsch, Philipp Edler von 212 Koerber, Ernest von 39, 168, 267 Körner, Theodor von 55, 59, 98, 308 Kövess von Kovessháza, Hermann Freiherr 54, 195, 234, 245, 254f„ 304, 307f. Konopka, Jan Freiherr von 269 Korda, Ignaz Edler von 225, 232, 239f., 248 Kossuth, Ferenc 39, 116 Krafft-Ebing, Richard Freiherr von 105 Králicek, Rudolf 99f. Krasny, Arnold 328 Krauss, Alfred 283, 288, 293ÍT. Krauss, Rudolf 190,194,197 Krauss-Elislago, Heinrich Ritter 119f. Krautwald, Josef Freiherr 225,232 Kreneis, Emil 294f. Krieghammer, Edmund Freiherr von 110 Krismanic, Erwin Ritter von 112 Krismanic, Gideon Ritter von 112 Krobatin, Alexander Freiherr von 46, 151, 196, 227, 279, 281, 284 Krupensky, Anatoli 163 Kuczera, Hugo 114 Kuhn von Kuhnenfeld, Franz Freiherr von 26, 35, 62,129 Kuk, Karl Wilhelm 269, 321 Kundmann, Rudolf 159, 286 Lamezan-Salins, Robert Graf von 236

360 Lammasch, Heinrich 27, 328 Landwehr von Pragenau, Ottokar 49, 276, 279, 291f., 294 Langer, Rudolf 144 Larwin, Johann 94 Laube, Alois Edler von 152 Lehár, Franz 32,107 Leopold Salvator, Erzherzog 229 Leopold, Prinz 234 Lernet-Holenia, Alexander 33 Lexa von Aehrenthal, Alois Freiherr (Graf) von 27, 40, 42f., 46, 68, 70,126ff., 133-138, 145,152, 162 Liechtenstein, Friedrich Prinz 171 Liechtenstein, Johannes Prinz 140 Lilienhof-Adelstein, Godwin von 210 Linsingen, Alexander von 223f., 229f., 235 Liposcák, Anton 288 Lobkowitz, Zdenko Prinz 281 Lodron-Laterano, Karl Graf von 302 Ludendorff, Erich 50f„ 169, 255, 263ff., 278, 280, 283f., 286f., 298 Lunzer von Lindhausen, Rudolf 183,186, 190, 274, 296 Luzzatti, Luigi 164

Personenindex 121,124,142f„ 145,151,155,157-160,188, 199, 203, 217, 227, 23'lf., 236,239f., 248, 251, 254, 257ff., 261, 265, 270f., 277f., 288 Michaelis, Eugen 262 Mocnik, Maria von 108 Moltke, Helmuth Graf von 20, 35, 41, 65f., 68f., 101, Ulf., 180 Moltke, Helmuth Graf von, der Jüngere 43, 47, 69f., 181,193 Montecuccoli degli Erri, Rudolf Graf 121f., 140 Mracek, Franz 105 Mras, Ambros Ritter von 92-95 Müller, Richard 101,117 Nagy, Paul von 240 Niesiolowski-Gawin von Niesiolowice, Viktor 100 Nikita I., Fürst (König) v. Montenegro 134, 166 Nikolaus II., Zar v. Russland 46,136f., 152, 163,166,173 Njegovan, Maximilian 121 Novak von Arienti, Guido Freiherr 151 Otto, Erzherzog 139

Mackensen, August von 201, 224, 234, 292, 315 Madlé von Lenzbrugg, Ottomar 97 Marchesetti, Viktor 244 Margutti, Albert Freiherr von 104 Marschall von Altengottern, Wolf Rudolf Freiherr 214ff., 225ff, 231ff., 235 Marterer, Ferdinand Freiherr von 266Í, 277, 279f„ 283, 287, 291, 295 Masaryk, Tomás Garrigue 298 Maximilian, Kaiser v. Mexiko 168 Maximilian, Erzherzog 289 Mayerweck, Karl 198 Mecenseffy, Arthur Edler von 49,155, 200 Mensdorff-Pouilly-Dietrichstein, Graf Albert 282 Meran, Rudolf Johann Graf 212 Meraviglia-Crivelli, Friedrich Graf von 152 Merizzi, Erik von 104, 119,158 Mestenhauser, Eduard 86f. Metternich, Fürst Clemens 21,67 Metzger, Josef 56, 93,101,103,105,117,119,

Paderewski, Ignacy Jan 262 Paie, Josef Ritter von 38, 62f., 98, 117, 123, 182,197, 201, 263, 265, 283f., 286 Palacky, Frantisek 24f., 162 Paléologue, Maurice 154 Panfilli, Egon 141 Paul, Ludwig 291ff. Pedro d'Alcantara, Prinz v. Bourbon 87 Persa Edler von Liebenwald, Adalbert 147 Peter Ferdinand, Erzherzog 88,104, 186f. Peter I., König v. Serbien 133 Pflanzer-Baltin, Karl Freiherr von 111,195, 206-209,211f., 214-221, 223-229, 231ff., 235ff., 239f., 243f„ 246, 248-254, 256f., 275 Pflügl, Emmerich von 214, 222 Pichler, Cletus 101,146,151 Pilsudski, Józef Klemens 184,262 Pino, Arthur Georg Freiherr von 85, 95, 97, 99f., 112,129 Pitreich, Maximilian Ritter von 182, 225,246, 248

361

Personenindex Plessen, Hans Georg von 297 Podhajsky, Josef 101,113f. Pokorny, Hermann 193 Pollio, Alberto 165f. Polzer-Hoditz, Arthur Graf von 324, 327 Popovici, Aurel 328 Potiorek, Oskar 49f., 104,119,121f., 124, 127, 129, 141-144, 155f., 159,189,192 Pott, Emil Freiherr von 106f. Przyborski, Arthur von 100 Putz, Franz 217 Radziwitt, Ferdinand Fürst 263 Rátz, Jenö 296 Redl, Alfred 153f. Redlich von Redensbruck, Ernst 222 Redlich, Otto von 221 Reitbauer, Karl 321 Renner, Karl 59, 305 Reznicek, Emil Nikolaus von 105 Reznicek, Karl Freiherr von 105f. Rhemen von Barensfeld, Adolf Freiherr 215, 225,236, 239,248f. Richter, Hans 95 Riedl, Richard von 293, 295 Ronge, Maximilian 56ff., 284 Rossmann, Hugo 154 Roth von Limanowa-Lapanów, Josef Freiherr 201f. Rudolf, Kronprinz 114, 171 Salis-Seewis, Johann Graf von 320 San Giuliano, Antonio Paterno-Castello Marchese di 166 Sarkotic, Stefan 241 Sazonov, Sergej 165 Schäfer, Hugo 273, 286, 306 Schemua, Blasius 43, 70,145f., 150 Scheuchenstuel, Viktor Graf 253 Schilhawsky, Richard Ritter von Bahnbrück 161 Schilhawsky, Sigismund Ritter von Bahnbrück 118 Schleicher, Kurt von 299 Schleyer von Pontemalghera, Leopold 283, 291 Schrnettow, Graf Eberhard von 231 Schmidt, Rudolf 100, 115

Schmidt, Wilhelm 328 Schoedler, Franz 147f. Schönaich, Franz Freiherr von 127, 134f., 137,139,145 Schönburg-Hartenstein, Aloys Fürst von 171, 195, 235, 288, 303 Schotsch, Hugo 222 Schratt, Katharina 168 Schultheiß von Devecser, Emil 210 Schwartzkoppen, Friedrich Wilhelm von 290, 292 Schwarzenberg, Felix Prinz zu 171 Scotti, Karl 101 Seeckt, Hans von 249-256, 258f. Sefczik, Rudolf 273 Seidler von Feuchtenegg, Ernst Ritter 270, 284, 292, 296, 301, 303, 324f„ 327f. Seyffertitz, Theobald Freiherr von 198 Sieber, Guido Freiherr von 113 Sieghart, Rudolf 168 Silva-Tarouca, Ernst Graf 302 Sixtus von Bourbon, Prinz 282, 323 Skubec, Richard 274 Slameczka, Oskar 98f., 105f., 109, 244, 259 Stawek, Walery 262 Soós de Bádok, Karl (Károly) 117,154,182f., 185f., 188-191,193f., 197, 206ff., 216-219, 223, 227, 257 Starcea, Trajan 243f. Steiner, Johann 198,286 Steinitz, Eduard Ritter von 113 Stöger-Steiner, Rudolf Freiherr von 284, 305 Stolzmann, Paulus von 230, 235 Straub, Johann 284 Stromfeld, Aurel 226 Stürgkh, Karl Graf von 46, 50, 228, 261, 309, 320f. Succovaty von Vezza, Eduard Freiherr 95 Sündermann, Ludwig 253 Summer, Alexander Ritter von 81 Swoboda, Franz 210,213 Szeptycki, Stanislaw Graf von 190, 261, 263, 265, 280, 288 Szterényi, József Freiherr von 291, 302 Szurmay, Sándor Friherr von 301 Taxis, Anton Graf von 197 Teufel, Oskar 327f.

362 Thaer, Albrecht von 292 Thayer, Alexander Wheelock 86 Thorday, Stephan 87 Thurn-Valsassina, Anton Graf von 197 Tirpitz, Alfred von 47,164 Tisljar von Lentulis, Milan Freiherr 274 Tisza, István Graf 39, 47, 50,139, 160, 207f., 228, 275, 281, 323 Trauttweiller, Josef Edler von Sturmheg 226 Trnka, Ottokar Freiherr von 279 Udrzal, Frantisek 107f. Urban Ritter von Hohenmark, Ferdinand 110 Üxküll-Gyllenband, Alexander Graf von 92ff., 106-109, 129f., 171 Vetter von der Lilie, Moritz Graf 108 Viktor Emanuel II., König v. Italien 137 Waldstätten, Alfred Freiherr von 51,89, 105, 132f., 154f., 253, 258, 265, 278f., 284, 286, 293f., 303f„ 306, 308 Wallentin, Ignaz Gustav 84 Wangenheim, Hans Freiherr von 164 Wassilko von Serecki, Alexander Freiherr 198 Wiesner, Friedrich Freiherr von 268

Personenindex Wilhelm II., dt. Kaiser 47, 50ff., 117,131f., 136,156f„ 266, 268, 282ff„ 296-299, 307, 323 Wilson, Woodrow 326f. Windischgrätz, Ludwig Prinz 288, 290, 295-298 Windischgrätz, Otto Prinz 97,114,132,171f. Wojcik, Karl 114f. Zagórski, Waldemar von 289 Zdekauer, Gabriele von 115 Zedtwitz, Franz Joseph Graf 109,121,128, 140 Zeidler, Alfred von 289 Zeidler-Daublebsky-Sterneck, Egon Freiherr von 109, 287, 295, 303 Zeynek, Alice von 115,146,150,157,161, 183, 237 Zeynek, Gustav Ritter von 92,104,108f., 114, 154,172 Zeynek, Maria von 114 Ziller, Karl 98 Zimmermann, Arthur 320 Zita, Kaiserin 50f., 132, 281 Zoglauer, Arthur von 85 Zolger, Ivan Ritter von 325f.

ORTSINDEX

Aufgenommen wurden die in der Edition und den Anhängen genannten Orte, Flüsse und sonstigen topographischen Namen in ihrer historischen, im Text verwendeten Form. Nicht aufgenommen wurden Erwähnungen in der Einleitung und im Kommentar sowie größere geographische Einheiten wie Länder, Landesteile, Gebirge oder Meeresteile. Agram siehe Zagreb Artstetten 159 Bad Ischl 123,160 Baden 266, 277, 284, 305f., 326 Baranowiczi 263 Belgrad 134,160, 320 Belluno 303 Berlin 136,149, 162, 266, 292-297, 299, 320 Blumau 284 Bocche di Cattaro 105,146 Bohorodczany 250,252 Bozen 146-153, 158, 160f., 170, 286, 298 Braila 316 Brentajoch 157 Breslau 120,200 Brest-Litowsk 288 Brixen 149 Bruck a.d. Leitha 105ff. Brünn 95 Buczacz 236f. Budapest 133f., 154,164,173, 223, 227, 287, 291, 299, 305 Budweis 151, 154 Bug 187 Bukarest 97,163, 276, 283 Bystrica 216 Caporetto siehe Karfreit Castelnuovo 146 Cattaro 146,241 Chehn 288, 313f. Chodorów 253 Czenstochau 287 Czernowitz 208f., 211f., 227, 235, 239, 306

Czortków llOf. D^browa 273,314 Debreczin 264 Delatyn 208, 216f., 231f., 252, 254 Dnjestr 227, 229ff., 233f., 236, 238, 244, 246, 248 Dobronoutz 238 Dorna Watra 252 Drau 99 Duklapass 144f. Dunajec 192, 202f. Feldkirchen 98f. Florenz 150 Folgaria 127 Forchtenstein 9 Gailtal 104 Görz 132,303 Gorlice 186,230,233 Grätz 86 Graz 117,127,175,302 Hajmáskér 131,144 Homburg 283 Innsbruck 117,124,127f., 151, 311 Ischl siehe Bad Ischl Isonzo 127,321 Izwor 211 Jaslo 192 Jazlowiec 248

364 Kadobestie 248 Kalksburg 82 Kalników 189 Karfreit 133,286,321 Kiew 135, 289f. Kimpolung 211 Kirlibaba 208ff. Klagenfurt 103,302 Klosterbruck 106 Köln 297 Körösmezö 232 Kolomea 208f., 211f., 216, 226f., 230-233, 235, 250 Komarów 186f., 240 Konstantinopel 164 Kosów 232f. Kotzman 248 Kowel 290 Krakau 102, 111,188, 200f„ 251, 306 Krakowiec 189 Kremsmünster 82 Kreuznach 280 Laibach 132f, 301 Lañcut 190ff., 198f. Lardaro 149 Lavarone 127 Lemberg 110-114, 117, 175, 186ff., 190, 251, 306 Levico 149,151 Limanowa 201f. Lipnica 192 Lisko 216 London 136, 164 Lublin 280, 289, 313f„ 321 Madonna di Campiglio 157 Majdan sredni 217 Máramarossziget 208f., 231, 254, 275 Markowce 216 Marne 191ff. Medyka 190 Mendel 147,149 Meran 298 Meseritsch siehe Wallachisch Meseritsch Mezzolombardo 151 Mödling 108 Moldawa 211

Ortsindex Mondsee 88 Mostar 99 Nadwórna 216 Nagy-Kanizsa 99 Neu-Sandec 192f. Niemirów 189 Nizniow 248 Odessa 289, 294, 300, 316 Okna 248f. Okocim 202 Ottynia 213, 215f. Paris 105,108,162 Passau 292 Payerbach 280f. Pergine 149 Piave 296, 299 Pieve 149 Pleß 264ff., 267 Pljevlje 130 Pola 121,142, 291 Prag 85, 107,114-117, 137, 153f., 175, 251, 298, 306 Prepolje 130 Primiero 149 Prislop-Sattel 209, 255 Prut 212, 227, 229-232, 235, 238, 244, 248f. Przemysl 102, 190,196f., 216, 227, 284 Racconigi 137 Radautz 211 Radymno 184f., 189f. Ragusa 122 Rarancze 238 RawaRuska 187f. Reichenau 302ff. Ritten 149 Rom 106, 123,137,150,164,166 Rosengarten 147, 149 Rzawiency 238 Sadagora 239 San 184, 189f., 198f. Sankt Petersburg 137 Sanok 216 Sarajewo 104,122,143,157,159ff.

365

Ortsindex Schipot 211 Schiern 147,149 Seietin 211f. Sereth 212, 236 Sniatyn 248 Sokal 187 Spa 296-299 Stanislau 110f„ 213-216, 235, 237, 249f„ 252 Starzawa 189 Stilfserjoch 146 Storo 149 Stropko 144f. Stryj 216 Strypa 231, 236, 239, 246, 248 Tabor 154 Tatarenpass 252, 254f. Teschen 119f., 206, 237, 249, 253, 259-262, 266, 270, 322 Tesino 149 Thaya 106 Thimacz 213 Toblach 146 Tolmein 133,286 Toporoutz 238f. Trembowla 110 Trient 149, 165 Triest 104, 144, 146,165, 304, 311 Troppau 82-87

Udine 321 Uvac 130 Vardiste 130 Verdun 240 Veszprém 131 Villach 103,311 Vöslau 266, 270, 284, 306 Waidbruck 160 Walawa 248 Wallachisch Meseritsch 13 lf. Warasdin 99 Warschau 193, 199, 260-263, 283f„ 287, 313f„ 318, 321 Wien 82, 92-100, 104-111, 114,117, 124,127, 137, 145, 151,158,160f., 164,172-175,183, 196, 212, 218, 225, 227ff., 240f., 243, 260, 277, 279, 290f., 293, 297, 305-309, 311, 320, 322 Wiener Neustadt 86-91,146, 307 Wiznitz 212 Zagreb 306 Zakliczyn 193 Zaleszczyki 227, 230, 235f., 248 Zara 143f. Zloczów 110, 196 Ztota Lipa 249 Znaim 106

Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs

Eine Auswahl:

Bd. 89: Margret Friedrich ,Ein Paradies ist uns v e r s c h l o s s e n ...' Zur Geschichte der schulischen Mädchenerziehung in Österreich im „langen" 19. Jahrhundert 1 9 9 9 . 17 X 2 4 c m . 4 4 0 S e i t e n , B r . ISBN

978-3-205-99049-9

Bd. 90: Christopher Laferl, Christina Lutter (Hg.) Die K o r r e s p o n d e n z F e r d i n a n d s I. Familienkorrespondenz Bd. 4: 1533 und 1534 2 0 0 0 . 17 χ 2 4 c m . 4 0 0 S e i t e n , B r . ISBN

978-3-205-99172-4

Bd. 91 : Fritz Fellner ,... e i n wahrhaft patriotisches Werk' Die Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 1897-2000. Unter Mitarb. v. Franz Adlgasser, Doris Corredini 2 0 0 1 . 17 χ 2 4 c m . 2 9 2 S e i t e n , 11 s / w . - A b b . Br. ISBN

978-3-205-99376-6

Bd. 92: Holger Afflerbach Der Dreibund Europäische Großmacht- und Alllanzpolitik vor dem Ersten Weltkrieg 2 0 0 2 . 17 χ 2 4 c m . 9 8 4 S e i t e n , 1 6 s / w . - A b b . Br. ISBN

978-3-205-99399-5

Bd. 93: Franz Adlgasser (Hg.) Die A e h r e n t h a l s Eine Familie in ihrer Korrespondenz 1872-1911 2 0 0 2 . 17 X 2 4 c m . Z u s . 1015 S e i t e n , 2 S t a m m b ä u m e ; B d . In 2 T e i l e n . Br. ISBN

978-3-205-99483-1

Bd. 94: Georg Christoph Berger Waldenegg Mit v e r e i n t e n Kräften! Zum Verhältnis von Herrschaftspraxis und Systemkonsolidierung im Neoabsoiutismus am Beispiel der Nationalanleihe von 1854 2 0 0 2 . 17 X 2 4 c m . 6 5 6 S e i t e n , Br. ISBN

978-3-205-77013-8

W l E S I N G E R S T R A S S E I , 10X0 W l E N , T E L E F O N ( 0 1 ) 3 3 0 2 4 2 7 - O , F A X ( 0 1 ) 3 3 0 2 4 3 2

V e r ö f f e n t l i c h u n g e n d e r K o m m i s s i o n für Neuere Geschichte Österreichs

Eine A u s w a h l :

Bd. 95: C o n s t a n t i n S c h n e i d e r (Hg.) Die Kriegserinnerungen

131-4—1319

Eingeleitet, k o m m e n t i e r t u n d hg. v, O s k a r D o h l e 2003. 17 χ 24 c m . 672 Seiten, 4 s/w.-Abb., 2 Ktn. Br. ISBN 978-3-205-77060-2 Bd. 9 6 : H e i m o C e r n y (Hg.) Die Jugend-Tagebücher Franz Josephs (1843—1848) U n g e k ü r z t e k o m m e n t i e r t e Textedition 2003. 17 χ 24 cm. 187 Seiten, 7 s/w.-Abb. Br. ISBN 978-3-205-77092-3 Bd. 97: U r s u l a Prutsch, Klaus Zeyringer (Hg.) L e o p o l d v o n A n d r i a n (1875—1951) K o r r e s p o n d e n z e n , Notizen, E s s a y s , Berichte 2003. 17 χ 24 c m . 888 + 16 Seiten, 17 s/w.-Abb., 5 Faks. Br. I S B N 978-3-205-77110-4 Bd. 99: Fritz Fellner, Doris A. C o r r a d i n i Österreichische G e s c h i c h t s w i s s e n s c h a f t im 20. Jahrhundert Ein b i o g r a p h i s c h - b i b l i o g r a p h i s c h e s Lexikon 2006. 17 χ 24 cm. 476 Seiten, Br. I S B N 978-3-205-77476-1 Bd. 100/1 : Elisabeth K o v á c s Untergang oder Rettung der D o n a u m o n a r c h i e ? Die ö s t e r r e i c h i s c h e Frage. Kaiser u n d K ö n i g Karl I. (IV.) u n d die N e u o r d n u n g Mitteleuropas 2004. 17 χ 24 cm. 804 Seiten, 4 0 0 s/w-Abb. Geb. ISBN 978-3-205-77237-8 Bd. 1 0 0 / 2 : Elisabeth K o v á c s Untergang o d e r Rettung der D o n a u m o n a r c h i e ? Politische D o k u m e n t e a u s internationalen A r c h i v e n 2004. 17 χ 24 c m . 1040 Seiten, Geb. ISBN 978-3-205-77238-5

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