Tempel, Lehrhaus, Synagoge. Orte jüdischen Gottesdienstes, Lernens und Lebens. Festschrift für Wolfgang Kraus [1. ed.] 9783506703491, 9783657703494

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German/English Pages XII, 492 [504] Year 2020

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Tempel, Lehrhaus, Synagoge. Orte jüdischen Gottesdienstes, Lernens und Lebens. Festschrift für Wolfgang Kraus [1. ed.]
 9783506703491, 9783657703494

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Entstehung und Funktion(en) der Synagoge – zum Stand der Diskussion
Teil 1: Leben und Lernen im Mutterland und in der Diaspora
Der „verlängerte Arm“ des Jerusalemer Tempels. Ein Beitrag zur Diskussion über die Ursprünge der Synagoge
Consequences of the Desecration and Destruction of Alexandrian Synagogues as Spaces of Learning and Living. An Orientation Based on Philo’s In Flaccum and Legatio ad Gaium
Spatial Concepts, Assembled People and the Compositional Organisation of the Book of Esther
Identitätsstiftung durch Gelehrsamkeit in Babylonien
Philos Vorstellung vom Lehrer nach De posteritate Caini, 138–142.146–147
Synagogengemeinden im antiken Rom. Eine Bestandsaufnahme
Teil 2: Leben und Lernen – die Übersetzung von Israels Schriften ins Griechische
The Samaritan Tenth Commandment as a Literary Composition
In Search of the Greek Translator of Genesis
Teil 3: Die antike Synagoge
Human Activities Attributed to God in Deuteronomy mt and lxx
Die Kapitelle der Säulen Jachin und Boas: Gestalt und Funktion. Eine textgeschichtliche Untersuchung von 1 Kön 7:16–22 und 3 Kgt 7:4–9
The Accusation of Incest in Psalms of Solomon 8:9. Apologetics, Halakha, and Exegesis
Teil 4: Das Lehrhaus des Ben Sira
„Ein Gesetz, das Mose uns geboten hat“ – eine synagogale Lesung als Hintergrund für eine Übersetzung des griechischen Buches Jesus Sirach?
Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Bildungsideal des Jesus Sirach in der griechischen und syrischen Fassung von Sir 39,1–11
„Was zu groß für dich ist, versuche nicht zu erforschen“. (Sir 3,21; GenR VIII,2[10a])Haben die rabbinischen Sirach-Zitate einen textkritischen Wert?
Teil 5: Die Synagoge in der römischen Kaiserzeit
Juden in Rom unter Nero. Intellektuelle Netzwerke, religiöse Praxis, geistige Horizonte
“For the Welfare of My Children and Grandchildren: Donor Inscription Syr 69 (Apamea) and 2 Corinthians 1:6”
Fast alle dürfen mitdiskutieren. Bemerkungen zur Lehrhauskultur in der rabbinischen Welt
Teil 6: Lehrhaus und Schrift – Ort der Begegnung von Christen und Juden?
Forgiveness Monopoly? Identity Formation and Demarcation in the Jesus Movement
Die Aberkios-Inschrift, ein Zeugnis für christlich-jüdische Kontakte im 2. Jh.
Gen 12,1f. und Gen 22 in antiker jüdischer und christlicher Rezeption
Teil 7: Synagogen – Spurensuche zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden
Bayerische Stimmen zum christlich-jüdischen Verhältnis aus den Jahren um 1950
Ein steiniger Weg: das Projekt „mnemo-syne“
Die Autorinnen und Autoren
Publikationsverzeichnis Prof. Dr. Wolfgang Kraus
Stellenregister
Sachregister
Namenregister

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Tempel, Lehrhaus, Synagoge

Christian Eberhart, Martin Karrer, Siegfried Kreuzer, Martin Meiser (Hg.)

Tempel, Lehrhaus, Synagoge Orte jüdischen Lernens und Lebens

Festschrift für Wolfgang Kraus

Ferdinand Schöningh

Umschlagabbildung: Darstellung des Tempels in der Synagoge von Dura Europos, ca. 230 n. Chr. (wikimedia commons)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlags nicht zulässig. © 2020 Verlag Ferdinand Schöningh, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland) Internet: www.schoeningh.de Einbandgestaltung: Evelyn Ziegler, München Herstellung: Brill Deutschland GmbH, Paderborn ISBN 978-3-506-70349-1 (hardback) ISBN 978-3-657-70349-4 (e-book)

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xi Christian A. Eberhart, Martin Karrer, Siegfried Kreuzer, Martin Meiser Entstehung und Funktion(en) der Synagoge – zum Stand der Diskussion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Siegfried Kreuzer

Teil 1 Leben und Lernen im Mutterland und in der Diaspora Der „verlängerte Arm“ des Jerusalemer Tempels. Ein Beitrag zur Diskussion über die Ursprünge der Synagoge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Manfred Oeming Consequences of the Desecration and Destruction of Alexandrian Synagogues as Spaces of Learning and Living. An Orientation Based on Philo’s In Flaccum and Legatio ad Gaium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Gert J. Steyn Spatial Concepts, Assembled People and the Compositional Organisation of the Book of Esther . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Kristin De Troyer Identitätsstiftung durch Gelehrsamkeit in Babylonien . . . . . . . . . . . . . . . 89 Bonifatia Gesche Philos Vorstellung vom Lehrer nach De posteritate Caini, 138–142.146–147 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Eberhard Bons Synagogengemeinden im antiken Rom. Eine Bestandsaufnahme . . . . . 119 Christian Eberhart

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Inhaltsverzeichnis

Teil 2 Leben und Lernen – die Übersetzung von Israels Schriften ins Griechische The Samaritan Tenth Commandment as a Literary Composition . . . . . . 141 Emanuel Tov In Search of the Greek Translator of Genesis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Robert J.V. Hiebert

Teil 3 Die antike Synagoge Human Activities Attributed to God in Deuteronomy mt and lxx . . . 181 Hans Ausloos Die Kapitelle der Säulen Jachin und Boas: Gestalt und Funktion. Eine textgeschichtliche Untersuchung von 1 Kön 7:16–22 und 3 Kgt 7:4–9  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Adrian Schenker The Accusation of Incest in Psalms of Solomon 8:9. Apologetics, Halakha, and Exegesis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Jan Joosten

Teil 4 Das Lehrhaus des Ben Sira „Ein Gesetz, das Mose uns geboten hat“ – eine synagogale Lesung als Hintergrund für eine Übersetzung des griechischen Buches Jesus Sirach? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Frank Ueberschaer Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Bildungsideal des Jesus Sirach in der griechischen und syrischen Fassung von Sir 39,1–11 . . . . . . 235 Burkard M. Zapff

Inhaltsverzeichnis

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„Was zu groß für dich ist, versuche nicht zu erforschen“ (Sir 3,21; GenR VIII,2[10a]). Haben die rabbinischen Sirach-Zitate einen textkritischen Wert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Heinz-Josef Fabry

Teil 5 Die Synagoge in der römischen Kaiserzeit Juden in Rom unter Nero. Intellektuelle Netzwerke, religiöse Praxis, geistige Horizonte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Karl-Wilhelm Niebuhr “For the Welfare of My Children and Grandchildren: Donor Inscription Syr 69 (Apamea) and 2 Corinthians 1:6” . . . . . . . . . . . . . 323 Jan Willem van Henten Fast alle dürfen mitdiskutieren. Bemerkungen zur Lehrhauskultur in der rabbinischen Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Martin Vahrenhorst

Teil 6 Lehrhaus und Schrift – Ort der Begegnung von Christen und Juden? Forgiveness Monopoly? Identity Formation and Demarcation in the Jesus Movement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 William Loader Die Aberkios-Inschrift, ein Zeugnis für christlich-jüdische Kontakte im 2. Jh. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Martin Karrer Gen 12,1f. und Gen 22 in antiker jüdischer und christlicher Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Martin Meiser

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Inhaltsverzeichnis

Teil 7 Synagogen – Spurensuche zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden Bayerische Stimmen zum christlich-jüdischen Verhältnis aus den Jahren um 1950 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 Axel Töllner Ein steiniger Weg: das Projekt „mnemo-syne“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 Anna Grill und Roland Marti Die Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 Publikationsverzeichnis Prof. Dr. Wolfgang Kraus . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 Stellenregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 Sachregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485

Dem Freund und Kollegen Wolfgang Kraus gewidmet

Vorwort Wolfgang Kraus im Rahmen einer Festschrift zu würdigen heißt, mit Anerkennung und Dank sowohl auf die Vielfalt seiner wissenschaftlichen und kirchlichen Interessen und Lebensvollzüge zu blicken als auch auf inhaltliche Schwerpunkte. Dieses Unterfangen sei einer klassischen Symphonie mit vier Sätzen verglichen: Für den ersten Satz, Allegro con sforza, sei als Hauptthema die theologische Leidenschaft gewählt. Auch in geselliger Runde geht das Gespräch des Jubilars stets über kurz oder lang in diese Richtung. Die Paulusbriefe (allen voran der Römerbrief), der Hebräerbrief, das Matthäusevangelium – es sind gerade solche Texte voller Leidenschaft, die im Jubilar einen engagierten Leser, Anwalt und Kommentator gefunden haben bzw. finden werden. Darüber hinaus lassen speziell die dunklen Seiten in den biblischen Texten, von Gen 4 bis Jer 20,7–18, diese theologische Leidenschaft eindringlich erleben, in Predigt wie in der akademischen Lehre. Das folgende Andante con moto bezeichnet einen drängenden Grund seiner theologischen Leidenschaft, die tief empfundene theologische Verantwortlichkeit auf dem Feld des jüdisch-christlichen Miteinanders. Das schmerzliche Thema jüdischen Leidens unter christlicher Schuld bewegt ihn zeitlebens – emotional wie in seinem Publizieren und in seinem Handeln. Sowohl literarisch als auch in unzähligen persönlichen Begegnungen, u.a. im Rahmen des Vereins „Begegnung zwischen Christen und Juden“ hat der Jubilar Exzeptionelles geleistet. Dafür steht vor allem die mit Meir Schwarz und Berndt Hamm initiierte Bestandsaufnahme von Synagogen und jüdischen Gebetsräumen in Bayern, die eine ungeahnte Zahl von noch bestehenden solchen Räumen zu Tage gefördert hat; mit der Veröffentlichung in mehreren gewichtigen Bänden ist sie ein einzigartiges Dokument der historischen wie theologischen Erinnerung geworden. Zu Recht hat sein vielfältiges Wirken eine außerordentliche Würdigung in der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande erfahren. Ein Scherzo. Allegretto assai schließe an. Es indiziere die Fröhlichkeit und Begeisterungsfähigkeit des Jubilars, aber auch sein unbeugsames Organisationstalent. Bemerkenswert schnell kam das von ihm zusammen mit Martin Karrer initiierte Projekt Septuaginta Deutsch zum Erfolg. Seit 2006 erschienen der Übersetzungsband, die beiden Erläuterungsbände, mehrere Bände des „Handbuches zur Septuaginta“ sowie bisher sieben Bände der Internationalen Septuaginta-Tagungen in Wuppertal. In den Arbeitsgruppen ist viel gegenseitiges Vertrauen erwachsen; die Tagungen in Wuppertal haben wissenschaftliche wie emotionale Brücken gebaut (wozu dann abends auch Wolfgangs

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Vorwort

Begleitmusik auf der Gitarre beitrug) und einen gewichtigen Beitrag zu einem Aufschwung der Septuaginta-Forschung und deren Breitenwirkung in und außerhalb von Deutschland geleistet. Die Anerkennung dessen spiegelt sich auch in der Herausgeberschaft des Jubilars für die wissenschaftliche Reihe „Septuagint and Cognate Studies“. Die in Arbeit befindliche Sirach-Synopse wird einen Markstein in der Textkonstitution dieser jüdischen Schrift mit ihren weitreichenden antiken Wirkungen darstellen. Das Finale. Vivace stehe für den zähen Durchsetzungswillen des Jubilars. Er war nicht zuletzt maßgeblich an dem langen Ringen und der intensiven Überzeugungsarbeit beteiligt, die 1998 eine „Erklärung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zum Thema ‚Christen und Juden‘“ und 2012 einen Zusatz in der Kirchenverfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern möglich gemacht haben, der die bleibende Erwählung des Volkes Israel, die bleibende Verwurzelung der christlichen Kirche in Israel und die geschwisterliche Verbundenheit mit dem jüdischen Volk betont. Von der Symphonie begeben wir uns nun zur Prosa des Begleitheftes: Nach seinem Studium der Evangelischen Theologie, seiner Promotion über Röm 3,25–26 (1990) und Habilitation über die paulinische Ekklesiologie (1994) in Erlangen war Wolfgang Kraus von 1996 bis 2004 Professor an der Universität Koblenz/Landau in Koblenz und ist seit 2004 Professor für Neues Testament an der Universität des Saarlandes. Am 4. März 2020 wird er 65 Jahre alt. Die Herausgeber des vorliegenden Bandes und all diejenigen, die sich mit Beiträgen daran beteiligt haben, gratulieren ihm aus diesem Anlass herzlich! Der große Kreis der hier versammelten Autoren hat von ihm in vielfältiger Art und Weise gelernt, wobei das Judentum und seine Lehrinstitutionen immer wieder im Zentrum standen, von der Septuaginta bis zu den Synagogenbauten. Daher freuen sie sich, ihm einen Band mit dem Titel „Tempel, Lehrhaus, Synagoge. Orte jüdischen Gottesdienstes, Lernens und Lebens“ in dankbarer Anerkennung dieser Verdienste zu überreichen. Die Herausgeber danken all denen, die sich mit Beiträgen beteiligt haben. Einige Kollegen und Freunde bedauern außerordentlich, dass ihnen aus diversen, stets nachvollziehbaren Gründen die Mitwirkung nicht möglich war. Wir danken Herrn Jörg Persch und Herrn Dr. Jacobs für die Übernahme der Festschrift in das Verlagsprogramm sowie Frau Kumbartzky und Herrn Illert für die weitere Betreuung. Wir danken schließlich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verlages für die Sorgfalt der Drucklegung, ebenso Frau Kerstin Kirsch und Frau Nora Hempel für die Mitarbeit bei den Bibliographien und den Registern. ‫לחיים‬. Ad multos annos! Christian A. Eberhart, Martin Karrer, Siegfried Kreuzer, Martin Meiser

Entstehung und Funktion(en) der Synagoge – zum Stand der Diskussion Siegfried Kreuzer 1.

Zum Begriff

Das deutsche Wort Synagoge geht, wie auch seine englische und französische Entsprechung synagogue, auf das griechische synagogé zurück, das in seiner latinisierten Form synagoga die europäischen Sprachen geprägt hat. Der griechische Begriff bedeutet zunächst Versammlung, in weiterer Folge auch den Ort der Versammlung, dann auch das dafür bestimmte Gebäude. Wann sich die einzelnen Bedeutungen entwickelten und welchen Zwecken eine Synagoge diente, ist in der Forschung umstritten. Neben Synagoge wird – etwa in Belegen aus Ägypten – praktisch bedeutungsgleich auch die Bezeichnung proseuché verwendet. Der erste Beleg des Wortes synagogé in der Septuaginta findet sich in Gen 1,9, wo er den einen Ort bezeichnet, an dem sich nach Gottes Wort das Wasser sammeln sollte (’äl māqôm ’äḥād) und neben dem dann das Trockene sichtbar werden sollte. In den meisten Fällen steht synagogé in der Septuaginta für die Begriffe qāhāl und ꜥēdāh, die beide die Versammlung der Israeliten bezeichnen, die aber auch mit anderen griechischen Wörtern wiedergegeben werden können. Weder aus der Bedeutung in Gen 1,9 noch von den weiteren Belegen im Sinn von Versammlung kann man – positiv oder negativ – schließen, ob der Begriff im 3. Jh. v.Chr. auch bereits ein Versammlungsgebäude bezeichnete. Da sich für die Synagoge unter anderem die Frage nach dem Verhältnis zum Tempel in Jerusalem stellt, bildet dessen Zerstörung im Jahr 70 n.Chr. einen wichtigen Markierungspunkt auch für die Geschichte der Synagoge. Dementsprechend werden die Synagogen oft in Synagogen vor und nach 70 n.Chr. bzw. in Second-Temple-Period-Synagogen und in spätere bzw. spätantike Synagogen eingeteilt.1 Zu den ältesten literarischen Belegen für die Synagoge als Gebäude gehören Bemerkungen in den neutestamentlichen Evangelien, nach denen Jesus verschiedentlich in einem Synagogengebäude, insbesondere in der Synagoge von Kapernaum, auftrat (Mk 1,21; 3,1; 5,35; 6,2 u.ö.). Da die Berichte für die Leser und Leserinnen nicht plausibel wären, wenn es keine Synagogen gegeben 1  So etwa bei Rachel Hachlili in ihrem opus magnum Ancient Synaogoges.

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Siegfried Kreuzer

hätte, muss es Synagogengebäude, die auch so bezeichnet wurden, mindestens einige Jahrzehnte vor der Abfassung des Markusevangeliums, also einige Jahrzehnte vor 70 n.Chr. gegeben haben. Auch wenn an einzelnen Stellen das Verständnis von synagogé als Versammlung ausreichen würde, ist doch ein fester Platz für die Versammlung anzunehmen und insbesondere wird in Lk 7,5 gesagt, dass der (nichtjüdische) Hauptmann eine Synagoge habe bauen lassen. Ähnlich ist der Befund bei Josephus, der ebenfalls an verschiedenen Stellen eine Synagoge erwähnt. Damit ist nicht gesagt, dass diese Gebäude nur dem Lehrvortrag oder gottesdienstlichen Feiern gegolten haben und andererseits auch nicht, dass Gebäude mit solcher Funktion nicht auch schon früher, ggf. unter anderer Bezeichnung, existiert hätten oder durch Umbau oder Erweiterung eines privaten Hauses entstanden wären. Aber mit diesen Belegen ist doch ein kaum zu bestreitender Fixpunkt für die Geschichte der Synagoge gegeben. Nicht zuletzt gibt es aus Ägypten eine Reihe von Belegen, angefangen vom 3. Jh. v.Chr., die zwar meistens nicht den Begriff synagogé sondern proseuché verwenden, die aber von derselben Sache sprechen, wobei proseuché „Gebet(sstätte)“ noch konkreter den primären Zweck dieser Einrichtung bezeichnet. – Von da aus stellt sich die Frage der Vorgeschichte, der Entwicklung und der Funktion(en) der Synagoge. 2.

Zur Entstehung der Synagoge

Seit Beginn gelehrter Erörterungen gibt es unterschiedliche Positionen zur Entstehung und zur ursprünglichen Funktion der Synagoge. Es kommt dabei auch darauf an, was man unter einer Synagoge verstehen will. Für die ältere Zeit geht es um die prinzipielle Sachüberlegung, dass es spätestens nach der Kultzentralisation durch Joschija (622 v.Chr.) bzw. nach der bald danach erfolgten Zerstörung des Jerusalemer Tempels durch die Babylonier (587 v.Chr.) an einzelnen Orten Plätze gegeben haben wird, an denen man sich für diverse Angelegenheiten versammelte, darunter eben auch spezifisch religiöse wie etwa Bitt- und Klage-„Gottesdienste“ oder Erntedankfeiern, die eventuell mit einschlägiger Unterweisung verbunden waren. Allerdings ist man für diese Überlegungen auf Rückschlüsse aus Texten angewiesen, die Vorgänge benennen, denen man eine gewisse Verortung zubilligen muss. Orte, die von Haus aus eine religiöse Funktion hatten und die auch Versammlungsstätten waren, sind die verschiedenen Ortsheiligtümer. Diese hatten, wie etwa die spätere Phase des Heiligtums in Arad erkennen lässt,

Entstehung und Funktion ( en ) der Synagoge

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auch nach der Kultzentralisation in Jerusalem weiterhin eine gewisse religiöse Funktion und wurden wohl nicht nur von einzelnen Personen besucht, sondern auch gemeinschaftlich verwendet.2 Über konkrete Vorgänge und insbesondere das Verständnis dieser Örtlichkeiten ist aber so gut wie nichts bekannt. Man wird sie aber schwerlich bereits als Synagoge im späteren Sinn ansprechen können. Eine andere Institution von der gelegentlich eine Linie zur Synagoge gezogen wird, ist der Platz am Tor. Eine Reihe unterschiedlicher Texte setzen den Platz am Tor als Ort öffentlicher Beratung (Spr 31) und konkret der lokalen Gerichtsbarkeit (Ruth 4) voraus. Wie etwa die bei den Ausgrabungen in Tell Dan gefundenen Masseben zeigen, ist der Platz am Tor keineswegs ohne religiöse Konnotation. Darüber hinaus kann der Stadtoberste bzw. der König einen besonderen Thronsitz im Tor haben, der dann am ehesten für die Rechtsprechung und vielleicht auch für Proklamationen verwendet wurde.3 Der Platz am Tor ist wohl der wichtigste Ort, an dem die lokale Gemeinschaft sichtbar wird und handlungsfähig ist. – Während eine gewisse Kontinuität im Sinn von Versammlung und Versammlungsort bestehen mag, ist der Platz am Tor keine Synagoge, denn er ist offensichtlich nur ein Platz und kein Gebäude. Für die Fragestellung beachtenswert ist auch die in Neh 8 beschriebene Versammlung mit Verlesung der Thora. Diese Stelle wurde bereits von Campegius Vitringa (1669–1722), dem ersten Autor, der die Synagoge nicht mehr traditionell von Mose sondern aus der nachexilischen Zeit herleitete, für die Entstehung der Synagoge herangezogen, Vitringa sah in Neh 8 mit der dort beschriebenen Thoraverlesung wesentliche Elemente des späteren Synagogengottesdienstes gegeben.4 Allerdings beschreibt Neh 8 ein einmaliges – aber vielleicht auch doch prototypisches – Geschehen und eine Versammlung im Freien.5 Angesichts der Beschreibung der im Regen stehenden Menge in Esra 10,9 und 13 kann man sich allerdings gut vorstellen, dass für regelmäßige Versammlungen 2  Offensichtlich wurde durch das Verbergen der Masseben und der Räucheraltäre der Opferkult aufgehoben, andererseits aber der Raum doch weiterhin verwendet, und zwar ziemlich sicher für religiöse Zwecke; zum archäologischen Befund siehe: Aharoni, Arad, 83. 3  Biran, Tell Dan, 1688f. 4  Hruby, Die Synagoge, 19. 5  Kommentatoren wie Kellermann, Nehemia, haben darauf hingewiesen, dass die Beschreibung aus der Zeit des Autors stammt, also mehrere Jahrzehnte nach dem beschriebenen Ereignis, und dass die detaillierten Angaben zum Ablauf vermutlich zeitgenössischen Usus wiederspiegeln. So auch Runesson, Persian Imperial Politics, 77: „The detailed description of the liturgy in Neh 8: 1–8 most likely reflects contemporary customs in the first half of the fourth century B.C.E., the story explaining how this reading custom came into being, assuring this practice legitimacy from historical authorities (legitimacy through authorization).“

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Siegfried Kreuzer

welcher Art auch immer der Wunsch nach einem „Dach über dem Kopf“ auftauchte, zumal es in Israel – was in der Diskussion manchmal vergessen wird – auch eine kalte Jahreszeit und Regen gibt. Während wir über die Situation der durch die Assyrer deportierten Bewohner des ehemaligen Nordreiches kaum etwas wissen, ist deutlich, dass die von den Babyloniern deportierten Jerusalemer und Judäer in geschlosseneren Siedlungen lebten. Man wird annehmen können, dass es eine interne Organisation und einen Versammlungsort gab. Leider ist es nicht die Intention der Texte, uns über diese „Infrastruktur“ zu informieren. Allerdings lässt das Ezechielbuch gewisse Vermutungen zu. Wiederholt kommen dort die Ältesten zum Propheten Ezechiel, um mit ihm über religiöse Gegebenheiten und Angelegenheiten der Gemeinschaft zu diskutieren. Man hat den Eindruck, dass sich hier eine gemeinschaftliche Funktion und ein regelmäßiger usus wiederspiegeln, z.B. Ez 8,1: „Und es begab sich im sechsten Jahr am fünften Tage des sechsten Monats. Ich saß in meinem Hause, und die Ältesten von Juda saßen vor mir. Da fiel die Hand Gottes des Herrn auf mich.“ Ähnlich in 14,1: „Und es kamen einige von den Ältesten Israels zu mir und setzten sich vor mir nieder“ sowie in 20,1: „Und es begab sich im siebenten Jahr am zehnten Tage des fünften Monats, da kamen einige von den Ältesten Israels, den Herrn zu befragen, und setzten sich vor mir nieder.“ Aus diesen Stellen kann man schließen, dass Ezechiel eine gewisse offizielle Funktion als Prophet hatte und auch, dass sein Haus eine größeren Raum umfasste, in dem er auch eine offizielle Besuchergruppe empfangen konnte. Möglicherweise hatte dieser Raum auch einen spezifisch religiösen Bezug („die Hand des Herrn fiel auf mich“), aber offensichtlich war das Haus des Ezechiel keine Synagoge. Man kann es aber vielleicht als Privathaus mit erweiterter Funktion bezeichnen.6 Damit ist nicht gesagt, dass es neben diesem Haus des Propheten nicht auch ein Gebäude gegeben hätte, das den religiösen und zivilen Versammlungen der Deportierten (des jeweiligen Ortes) diente, und wo die Ältesten ihre Zusammenkünfte abhielten und ihre Funktionen wahrnahmen. Aber auch das bleibt nur eine wenn auch sehr plausible Annahme. So bleibt das Problem, dass wir für die (spät)babylonische und die persische Zeit keinen Beleg für eine Synagoge im späteren Sinn haben, dass es aber doch sehr wahrscheinlich Räumlichkeiten gab, die den Zusammenkünften der örtlichen Gemeinschaft dienten und die auch religiöse Funktion hatten.

6  Selbst wenn man diese Texte nicht als authentische Beschreibungen betrachtet, sondern als spätere literarische Darstellung, wird man doch annehmen müssen, dass den Autoren eine solche Situation plausibel erschien.

Entstehung und Funktion ( en ) der Synagoge

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Ähnlich verhält es sich mit Ägypten. Wie dem Jeremiabuch und andererseits den Texten der jüdischen Militärkolonie in Elephantine zu entnehmen ist, gab es dort seit dem 6. Jh. eine Diaspora, die einen gewissen Zusammenhalt hatte und die sich auch religiös darstellte.7 Während man die für den Wiederaufbau in Elephantine genehmigten Gottesdienste ohne (tierische?) Opfer als eine Vorform der späteren Wort- und Gebetsgottesdienste betrachten kann, etablierte Onias III. in Leontopolis – allerdings auch nur dort – offensichtlich einen traditionellen Tempelkult. Man wird sagen, können, dass es bei den verschiedenen jüdischen Gemeinden die Notwendigkeit von Versammlungen und gemeinsame Aufgaben gegeben haben wird, für die eine gemeinsame Örtlichkeit notwendig war. Dass es örtliche Versammlungen gab und dass diese auch religiösen Zwecken dienten, ergibt sich schließlich daraus, dass diese in Ägypten vorwiegend als proseuché, Gebet, Gebetsversammlung, bezeichnet wurden. Somit ergibt sich insgesamt eine Reihe plausibler Vorstufen für die Synagoge, aber andererseits bleibt es bei – wenn auch sehr plausiblen – Annahmen. Dabei mündet keine der anzunehmenden Vorstufen geradlinig in die Synagoge (im späteren Sinn). Daher erscheint es mir sinnvoll, die Frage bzw. den Zusammenhang etwas anders zu formulieren, und zwar in dem Sinn, dass die Synagoge eine eigenständige Entwicklung war, die verschiedene Funktionen, die vorher in anderer Weise existierten, aufnahm und die zugleich auf neue Herausforderungen und Möglichkeiten antwortete. Diese Neuentwicklung brauchte ihrerseits eine gewisse Zeit und führte durchaus auch zu einer gewissen Vielfalt und Ausdifferenzierung. Wie bei manchen anderen Entwicklungen sind die Anfänge wenig greifbar, sondern tritt uns die Synagoge in mehr oder weniger fertiger Gestalt entgegen. Als Synagoge wird man ein Gebäude bezeichnen können, das der Versammlung der lokalen jüdischen Gemeinschaft (bzw. zumindest eines Teiles davon) zu verschiedenen, insbesondere auch religiösen Zwecken dient. Wie bei anderen Themen gibt es auch bezüglich der Datierung der Synagogen in neuerer Zeit strikte Verfechter einer von der üblichen Datierung abweichenden extremen Spätdatierung. Insbesondere Heather McKay und Howard C. Kee haben versucht, sämtliche Evidenz erst frühestens in das 2. Jh. n.Chr. zu datieren bzw. das Verständnis von Synagoge für die ältere Zeit 7  Die Flucht nach Ägypten erfolgte sehr wahrscheinlich nicht einfach ins Blaue, sondern zu Juden, die bereits in Ägypten lebten und spätestens zusammen mit den Flüchtlingen gab es nun eine jüdische Gemeinschaft. Nach den Elephantine-Texten gab es die tief im Süden gelegene jüdische Militärkolonie bereits bevor Kambyses 525 nach Ägypten kam (siehe Weippert, HTAT, 481: Text Nr. 285, Z. 13f.).

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Siegfried Kreuzer

nur als Versammlung und nicht als Versammlungsraum bzw. Gebäude zu akzeptieren.8 Allerdings ist das weder im Blick auf den archäologischen Befund noch im Blick auf die Quellen haltbar. Die Evangelien ebenso wie die Angaben bei Philo und Josephus sprechen zum Teil explizit von Gebäuden und setzen auch an den anderen Stellen sehr wahrscheinlich nicht nur eine Versammlung sondern eine Institution mit bestimmten Funktionen und einem Gebäude voraus. Selbst wenn die entsprechenden Bemerkungen nicht Traditionsgut sondern erst Formulierungen der Evangelisten Markus und Lukas wären, müssten Synagogen bereits mehrere Jahrzehnte vorher existiert haben, denn ansonsten wären die entsprechenden Erzählungen für die Leserinnen und Leser nicht nur unverständlich, sondern auch schlicht unglaubwürdig. Dasselbe gilt auch für die entsprechenden Belege bei Philo und Josephus. Auch die von Kee vorgetragene Datierung der Theodotus-Inschrift aus dem 1. Jh. in das 2. oder 3. Jh. n.Chr. ist nicht wirklich begründbar und hat wenig Gefolgschaft gefunden. Insofern ist davon auszugehen, dass es im Gebiet von Israel in der Zeit des Zweiten Tempels Synagogen gab, d.h. Gebäude die gewisse Funktion für die lokale jüdische Gemeinschaft hatten und insbesondere den Raum für Studium und predigende Auslegung der heiligen Schriften boten. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass in mehreren Inschriften ab dem 3. Jh. für Ägypten eine proseuché also eine Stätte für gemeinschaftliches Gebet im Sinn eines entsprechenden Gebäudes bezeugt oder vorausgesetzt ist. Zwei dieser Inschriften stammen bereits aus der Zeit von Ptolemaios III. (246–221) und nennen eine proseuché in Schedia, einem Stadtteil von Alexandria, und in Arsinoe/Krokodilopolis. Insgesamt gibt es 16 Inschriften und 4 Papyri, die die Existenz einer Synagoge als Gebäude für gemeinschaftliches Gebet (und wahrscheinlich auch weitere Funktionen) erwähnen oder voraussetzen.9 Die Widmungsinschriften beziehen sich dabei, wie auch sonst in Ägypten üblich, auf die Familie des Herrschers und drücken damit die Loyalität gegenüber dem

8  McKay, Sabbath and Synagogue, bes. 103–142; Kee, Defining. 9  Claussen, Meeting, 147 fn. 14, gives the following list: „JIGRE 22.117 (246–221 B.C.E.); JIGRE 24.25.125 (140–116 B.C.E.); JIGRE 13.27.28 (2nd or 1st century B.C.E.); JIGRE 126 (1st or 2nd century C.E.); JIGRE 9 (2nd century B.C.E.?); JIGRE 20 (late Ptolernaic or Roman; perhaps not Jewish); JIGRE 105 (restored; mid–2nd century B.C.E.–early 2nd century C.E.); CPJ I 129 (218 B.C.E.); CPJ I 134 (late 2nd century B.C.E.); CPJ I 138 (second half of 1st century B.C.E.?); CPJ II 432 (113 C.E.). In addition to these JIGRE 16.17.127.129 may imply a synagogue.“

Entstehung und Funktion ( en ) der Synagoge

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Herrscherhaus aus.10 – Auf Grund dieser frühen Erwähnung von Gebäuden für gemeinschaftliches Gebet („proseuché“) und vermutlich auch Schriftlesung hat schon Martin Hengel die Entstehung der Synagoge in Ägypten vermutet.11 Allerdings ist bei solchen Überlegungen immer auch die Zufälligkeit der Überlieferung zu beachten, d.h. es ist durchaus möglich, dass es analoge Bedürfnisse und parallele Entwicklungen auch in anderen Bereichen der Diaspora und vielleicht auch in von Jerusalem weiter entfernten Gegenden des Mutterlandes gab. Jedenfalls kann man davon ausgehen, dass es schon in hellenistischer Zeit Gebets- und Versammlungsstätten der lokalen jüdischen Gemeinschaften gab, deren ägyptische Ausprägung als proseuché bezeichnet wurden. Jedenfalls war Ägypten nicht nur der Lebensraum für eine große Anzahl jüdischer Gemeinschaften, von denen zumindest ein Teil auch ein staatlich anerkanntes Politeuma bildete,12 sondern auch das Land, in dem es schon frühe Gebetsstätten bzw. Synagogen gab, die der gemeinsamen Religionsausübung, aber gewiss auch anderen gemeinschaftlichen, sozialen Zwecken diente. Dass bisher in Ägypten keine Synagogen aus ptolemäischer Zeit archäologisch identifiziert werden konnten, wird an der Überbauung vieler Orte liegen, vor allem aber auch an den Zerstörungen, die bei den großen Pogromen von 38.n.Chr.13 und 115 unter Trajan erfolgten. 3.

Synagogen aus der Zeit des Zweiten Tempels

3.1 Synagogen im Mutterland Nach Rachel Hachlili sind derzeit folgende Synagogengebäude bekannt, die in diesen Zeitraum einzuordnen sind:14

10  Dass diese Loyalität gegenüber den Herrschern zu keinem Schutz gegenüber den Ausschreitungen gegen die Juden im Jahr 38 n.Chr. führte, gehört zu den besonderen Enttäuschungen und Klagen von denen Josephus berichtet (siehe den Beitrag von Gert Steyn). 11  Hengel, Proseuche und Synagoge. 12  So jetzt nachgewiesen durch die Papyri von Herakleopolis von ca. 140 v.Chr., was auch die Existenz des im Aristeasbrief erwähnten Politeuma in Alexandria bestätigt und auch für weitere Orte plausibel macht. Siehe Cowey, Judentum. 13  Siehe dazu den Beitrag von Gert Steyn in diesem Band. 14  Für eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Gebäude mit Grundrisszeichnungen siehe Hachlili, Synagogues, 23–42, und die Liste auf 41f. Für eine ähnliche Übersicht siehe auch Strange, Archaeology and Ancient Synagogues.

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Ort

Zeit

Größe des Hauptraumes (in Meter)

Kapernaum I Et Tuwani Gamla Herodium Jericho, Hofhaus, Phase 1 Synagoge I Synagoge II Masada Migdal I Modiin, seleukidische Halle Synagoge I Synagoge II Synagoge III Qiryat Sefer

1.Jh. CE 1.Jh. BCE bis 2. Jh. CE 1. Jh. CE 1. Jh. CE 75/50–31 BCE

18,5 × 24.2 8×? 15,1 × 19,6 10,5 × 15 20 × 10,5 20 × 28 16 × 11 12 × 15

1. Jh. CE 50 BCE–100 CE 3.–2. Jh. BCE 2. bis 1. Jh. BCE Mitte 1. Jh. CE bis 1. Jh. CE Spätes 1. Jh. bis 2. Jh. CE 1. bis frühes 2. Jh. CE

7 × 3,8 10,5 × 6,7 11,5 × 10,5 11,5 × 10,5 9,6 × 9,6

Dazu kommen vier Gebäude, die durchwegs in das 1. Jh. n.Chr. gehören, deren Interpretation als Synagoge allerdings umstritten ist, und zwar in: Horvat Burnet, Horvat Etri, Migdal II, Qumran Raum 77. Die erwähnten Gebäude sind zum Teil freistehend, zum Teil wurden sie an bestehende Gebäude angebaut und zwei (Masada und Herodium) waren ursprünglich Triklinien, die zu Versammlungsräumen umgebaut wurden.15 Ein gemeinsames Kennzeichen sind die eingebauten Sitzbänke, von denen aus die Lesungen und Ansprachen oder Zeremonien verfolgt werden konnten. Es gibt noch keine festgelegte Orientierung der Gebäude und die Außenfassaden sind noch wenig gestaltet.16

15  Hachlili, Synaogoges, 43. 16  Hachlili, Synaogoges, 43f.: „The most important and outstanding feature, and the central element in public buildings in the Second Temple period, is the stepped benches erected along the walls of the hall and facing the focal point in the center. … the benches continued to be an essential aspect of the later synagogues of Late Antiquity. … it is clear that their placement directed the attention of those present to the focal point, in the center of the hall. The congregation sat there during the reading of the Torah, and during sessions of instructions, lectures, and political and social discussions, while the readers

Entstehung und Funktion ( en ) der Synagoge

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Der Hauptzweck der Gebäude war es offensichtlich, für eine größere Zahl von Menschen einen Versammlungsraum zu bieten, wobei die Versammlung unterschiedlichen Zwecken dienen konnte. So berichtet z.B. Josephus (Vita, 277–293)17 für die Synagoge von Tiberias sowohl von Versammlungen zum Gebet als auch zu politischen Beratungen. Dieser zentrale Raum war in unterschiedlichem Ausmaß und in unterschiedlicher Weise mit Nebenräumen unterschiedlicher Funktion verbunden. 3.2 Synagogen im Umfeld und in der Diaspora Bereits im 1.Jh. gab es im näheren Umfeld und auch in der entfernteren Diaspora Synagogen. Die ältesten bekannten Synagogen sind jene von Caesarea, Damaskus, Dor, Delos und von Ostia. Bei den Synagogen von Caesarea und Dor kann man sich fragen, ob sie zum Mutterland oder zur Diaspora zu zählen sind. Trotz der Nähe zu Jerusalem stehen sie stärker im Kontext der maritim und hellenistisch-römisch geprägten Umwelt als die Synagogen im Binnenland, sei es in Jerusalem und Judäa oder in Galiläa und am Golan. Daher ist oben das Stichwort Umfeld gewählt. Zu diesem kann man auf Grund der relativen Nähe auch noch Damaskus rechnen. Die Synagoge von Caesarea am Meer ist bei Josephus (Bellum 2,287) erwähnt und war somit im 1. Jh. n.Chr. – in welcher Form auch immer – vorhanden. Die Synagoge von Dor ist ebenfalls bei Josephus (Ant. 19,300–305) und somit für das 1. Jh., aber ebenfalls nur literarisch belegt. In Apg 9,2 und 20 werden im Kontext der Bekehrung des Paulus mehrere Synagogen in Damaskus erwähnt. Das ist für die relativ große Stadt nicht unwahrscheinlich. Wenn nicht schon für die Zeit des Paulus würde das wohl für die Zeit des Lukas (bzw. des Verfassers der Apostelgeschichte) sehr wahrscheinlich zutreffen. Für eine vergleichsweise frühe Zeit wird bei Josephus, Bellum 7,44f., auch eine Synagoge in Antiochia, der Hauptstadt Syriens, genannt. Er berichtet, dass die um 167 v.Chr. von Antiochus IV. im Jerusalemer Tempel geraubten

and lecturers either stood in the center or stood up in their place while leading, and the community members responded from their places.“. 17  Josephus verwendet hier ausnahmsweise die Bezeichnung als proseuché für eine Synagoge in Israel (sonst für Synagogen in Ägypten; insgesamt 6 Mal bei Josephus). Hüttenmeister, Synagogé, 91–93 meint, dass sich Josephus damit – im Unterschied zu anderen Synagogen in Tiberias – auf eine in ägyptischem Stil, konkret nach dem Vorbild der Synagoge in Alexandrien gestaltete Synagoge bezieht.

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Gegenstände von dessen Nachfolgern an die Synagoge der Juden in Antiochia (zurück)gegeben worden sein sollen.18 Die Synagoge von Delos wurde bereits 1912/13 bei Ausgrabungen durch André Plassart entdeckt.19 Die Synagoge liegt am Ostrand der Insel bzw. auch der Stadt Delos. Diese war in römischer Zeit (ab 166 v.Chr.) ein wichtiger Handelsstützpunkt und hatte schon im 2. Jh. v.Chr. eine größere jüdische Gemeinde. Josephus erwähnt zwei Dekrete, die die Rechte der Juden auf Delos schützen sollten (Ant 14,213–216; 231f.). Die Synagoge wurde offensichtlich vom 2. Jh. v.Chr. bis zum 2. Jh. n.Chr. benutzt. An den 16,90 m (in N-S Richtung) und 14,40 m (in O-W Richtung) messenden Hauptraum schließen sich Nebenräume an. In späterer Zeit wurde der Raum durch eine Mauer geteilt (in Vorraum und Hauptraum?). Ein Teil der Anlage ist infolge Erosion nicht mehr vorhanden. So wie die anderen älteren Synagogen zeigt auch diese keine spezifisch jüdischen Elemente. An der Nord-, Süd- und Westmauer finden sich Überreste von Sitzbänken. Das Gebäude befindet sich in einem Wohnbereich der Stadt, was ebenfalls dafür spricht, dass es sich um eine Synagoge und nicht um ein anderes öffentliches Gebäude handelt, das eher im Stadtzentrum zu finden wäre. Interessant ist, dass 1979–80 bei neueren Ausgrabungen 90 m nördlich samaritanische Texte gefunden wurden (mit Erwähnung des Garizim). Dass auch die Samaritaner eine Synagoge hatten, ist wahrscheinlich aber bisher nicht nachgewiesen.20 Für Rom ist durch Inschriften eine Reihe von Synagogen bezeugt.21 Allerdings gibt es keine archäologischen Befunde in Form von Gebäuden. Als ältere Synagogen sind zu nennen: Die Synagoge der Agrippenser. Diese ist vermutlich nach einem Schwiegersohn des Augustus benannt und würde so vermutlich in das 1. Jh. n.Chr. gehören. Die Synagoge der Augustenser, vermutlich benannt nach Augustus und daher vermutlich ebenfalls ins 1. Jh. n.Chr zu datieren. Die betreffenden Inschriften sind zwar erst aus dem 3.und 4. Jh., die Benennung und damit die Gründung geht aber wahrscheinlich in etwa auf die Zeit der Geehrten zurück. Eine Synagoge der Hebräer wird in einer zweisprachigen, aramäisch-griechischen Inschrift genannt. Die Bezeichnung als Synagoge der Hebräer könnte auf eine frühe Phase und Abgrenzung gegenüber später nach Rom gekommenen, griechisch sprechenden Juden gemeint und 18  Für das Gebiet von Syrien siehe Langer, Judentum in Syrien, 248–260: „2.3 Wichtige Jüdische Gemeinden bis zur arabischen Eroberung“. 19  Plassart, La synagogue juive de Délos. Siehe auch: Richardson, Architectural Case, 106f. Richardson verweist auf die Ähnlichkeit zu Gebäuden anderer „associations“. 20  Richardson, Architectural Case, 106. 21  Claußen, Versammlung, 107–110.

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insofern auch alt sein. Ferner werden zwei Synagogen der Volumnesianer und der Vernaclesianer genannt, diese sind jedoch schwer zeitlich einzuordnen. Besser möglich ist das für die Synagoge in Ostia, der Hafenstadt Roms. Die Synagoge wurde wahrscheinlich als eigenes Gebäude gegen Ende des 1.Jh. n.Chr. errichtet.22 Es umfasste ein Triklinium, das später als Küche verwendet wurde, und einen Hauptraum mit Bänken an drei Seiten. Identifiziert wurde die Synagoge durch typisch jüdische Elemente, insbesondere mit Darstellungen der Menora, die allerdings erst aus dem 4. Jh. stammen. Auch die Thoranische wurde erst später hinzugefügt. Trotzdem wird man auch das Gebäude des 1. Jh. bereits als Synagoge betrachten können. Insgesamt sind gemäß der Übersicht bei Richardson (2003) für die Zeit bis zum Ende des 1. Jh. n.Chr. 62 Synagogen archäologisch, epigraphisch oder literarisch bezeugt und zwar für den Raum von Ägypten bis zum Schwarzen Meer und von Syrien bis Italien.23 3.3 Zur Funktion der Synagogen Das Verhältnis der Synagoge zum Tempel in Jerusalem wird in den einschlägigen Erörterungen unterschiedlich bestimmt. Manche wie etwa Binder24 sehen eine sehr enge Verbindung, andere betonen die Unterschiede und auch die räumliche und sachliche Distanz. Man wird aber schwerlich so weit gehen können wie Flesher, der von zwei Arten des Judentums spricht, Tempel-­ Judentum, das durch die Priester bestimmt ist und Synagogen-Judentum, das den Juden volle Partizipation am religiösen Leben ermöglichte.25 Auch wenn diese Gegenüberstellung einen wichtigen Unterschied heraushebt, so sind diese beiden Pole doch aufeinander bezogen: Der priesterlich dominierte Kultbetrieb am Tempel lebte von seiner Relevanz für das ganze Volk und sollte vom Volk wahrgenommen und miterlebt werden, und andererseits war das religiöse Leben auch bei räumlicher Distanz zu Jerusalem auf den Tempel als das ideale Zentrum orientiert. Es ist von Haus aus wahrscheinlich, dass es neben dem eigentlichen Versammlungsraum Räume für andere Funktionen gab, nicht zuletzt auch zur 22  Richardson, Architectural Case, 97–105, weist darauf hin, dass es nach Hermansen, Ostia, 55 in Ostia an die 60 Vereine („associations“) gegeben haben soll, die sich zum Teil in eigenen Gebäuden, zum Teil in Tempeln zu unterschiedlichsten Zwecken versammelten, und beobachtet einige Ähnlichkeiten zwischen Synagogen und anderen Versammlungsgebäuden, was interessant aber angesichts der Ähnlichkeit in der Funktion nicht überraschend ist. Siehe auch Mitternacht, Synagogue of Ostia Antica, bes. 533–544. 23  Richardson, Architectural Case, 91–93. 24  Binder, Temple Courts, 31f. 123–126, 481; siehe auch ders., Origins of the Synagogue. 25  Flesher, Prolegomena, 141.148.

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Aufbewahrung verschiedener Gegenstände und zur Verwaltung gemeinsamer Angelegenheiten. Insbesondere in der Diaspora brauchten die jüdischen Gemeinschaften einen Ort der Versammlung und der Begegnung.26 Es liegt nahe, dass diese verschiedenen Funktionen in einem gemeinsamen „Zentrum“ ausgeübt wurden. Sehr informativ ist in diesem Zusammenhang die 1913 von Raimund Weill bei Ausgrabungen gefundene Theodotos-Inschrift aus Jerusalem.27 Diese in griechischer Sprache abgefasste Inschrift stammt aus dem südlichen Bereich der Davidstadt, der nach 70 n.Chr. nicht mehr bebaut wurde, sondern nach 135 als Steinbruch diente. Die Inschrift wurde zusammen mit behauenen Steine in einer Zisterne gefunden, wodurch sie offensichtlich geborgen werden sollte. Die Inschrift stammt, wie auf Grund der Fundumstände weithin anerkannt ist, aus der Zeit vor der Zerstörung des Tempels und ist auf Grund der paläographischen Einordnung wahrscheinlich bereits in die herodianische Zeit zu datieren. Theodotos, der Verfasser bzw. Auftraggeber der Inschrift, spricht darin von der Gründung und den verschiedenen Funktionen der Synagoge.28 1 2 3 4 5 6 7

ΘΕΟΔΟΤΟΣ ΟΥΕΤΤΗΝΟΥ ΙΕΡΕΥΣ ΚΑΙ ΑΡΧΙΣΥΝΑΓΩΓΟΣ ΥΙΟΣ ΑΡΧΙΣΥΝ(ΑΓΩ) Γ(Ο)Υ ΥΙΩΝΟΣ ΑΡΧΙΣΥΝ(Α)ΓΩΓΟΥ ΩΚΟ ΔΟΜΗΣΕ ΤΗΝ ΣΥΝΑΓΩΓ(Η)Ν ΕΙΣ ΑΝ(ΑΓ)ΝΩ Σ(ΙΝ) ΝΟΜΟΥ ΚΑΙ ΕΙΣ (Δ)ΙΔAΧ(Η)Ν ΕΝΤΟΛΩΝ ΤΟΝ ΞΕΝΩΝΑ ΚΑ(Ι TΑ) ΔΩΜΑΤΑ ΚΑΙ ΤΑ ΧΡΗ Σ(Τ)ΗΡΙΑ ΤΩΝ ΥΔΑΤΩΝ ΕΙΣ ΚΑΤΑΛΥΜΑ ΤΟΙ

26  Maier, Geschichte, 36, fasst das so zusammen: „Von größerer Bedeutung war die Synagoge in der Diaspora, wo die Synagogengemeinde ja auch Trägerin des politisch-rechtlichen Status der örtlichen Juden war.“. 27  Weill, Le cité de David, 1920, 28  Siehe dazu u.a.: Küchler, Jerusalem, Eine ausführliche Erörterung der Erklärungen wie auch der kritischen Einwände, bietet Hachlili, Synagogues, 523–526. Die kritischen Einwände bei Kee, Defining the First-Century C.E. Synagogue, 10, basieren im Wesentlichen, darauf, dass es Synagogen als Gebäude erst ab dem 2. Jh. gegeben habe, und dass der lateinische Name Vettenus nicht schon so früh nach der römischen Eroberung des Landes übernommen worden sein könnte. Die generelle Annahme ist jedoch von vielen einschlägigen Funden wiederlegt. Der lateinische Name wurde häufig auf einen in Rom Freigelassenen gedeutet, der sich nach dem Geschlecht der Vettia nannte. Der Aspekt der Freilassung (der manchmal mit der Apg 6,9 erwähnten Synagoge der Freigelassenen verbunden wurde), ist jedoch nur eine Vermutung wie auch die Zuordnung zur Vettia gens, die zudem unterschiedlich erfolgt sein kann (d.h. nicht nur qua Freilassung). Eine Datierung vom lateinischen Namen her erscheint problematisch, zumal Vettenus nicht schon der Geburtsname gewesen sein muss. Gewichtiger erscheint die Verbindung mit dem lateinischen bzw. römischen Bereich.

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8 Σ(Χ)ΡΗΖΟΥΣΙΝ ΑΠΟ ΤΗΣ ΞΕ(Ν)ΗΣ ΗΝ ΕΘΕΜΕ 9 Λ(ΙΩ)ΣΑΝ ΟΙ ΠΑΤΕΡΕΣ (Α)ΥΤΟΥ ΚΑΙ ΟΙ ΠΡΕ 10 Σ(Β)ΥΤΕΡΟΙ ΚΑΙ ΣΙΜΩΝ(Ι)ΔΗΣ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Theodotos, des Vettenos Sohn, Priester und Synagogenvorsteher, Sohn eines Synagogenvorstehers, Enkel eines Synagogenvorstehers, erbaute die(se) Synagoge zur Vorlesung des Gesetzes und zum Unterricht in den Geboten, ebenso auch das Fremdenhaus und die Kammern und die Wasseranlagen für die (Pilger) aus der Fremde, die eine Herberge brauchen. Den Grundstein dazu hatten gelegt seine Väter und die Ältesten und Simonides.29

Die Inschrift spricht jedenfalls von der Errichtung eines Gebäudes. Es scheint dabei zwei Phasen gegeben zu haben, eine ältere Phase, deren Grundstein die Vorfahren gelegt hatten, und eine jüngere, die durch Theodotos veranlasst wurde. Die erste Bauphase könnte ein neues Gebäude oder auch der Umbau oder die Erweiterung eines bereits bestehenden Gebäudes gewesen sein, die Erwähnung der Ältesten besagt jedenfalls, dass es sich nicht um ein privates Gebäude handelte, sondern um ein Gebäude der Gemeinschaft bzw. der Versammlung (synagogé). Aus der Nennung der Vorfahren ergibt sich, dass dieses erste Gebäude im 1. Jh. v.Chr. errichtet wurde.30 Aus der Datierung der Inschrift in die herodianische Zeit ergibt sich für das von Theodotos errichtete Gebäude: „Thus, the inscription is evidence of a pre-70 CE synagogue in Jerusalem, which was constructed in the late 1st c. BCE or early 1st CE but before 70 CE.“31. Weiter belegt die Inschrift den Titel Synagogenvorsteher (archisynagogós) und dass dieses Amt offensichtlich vererbt werden konnte, was sich in diesem Fall 29  Deißmann Licht vom Osten, 380. Küchler, Jerusalem, 70, übersetzt leicht variiert:  „Theodotos, des Vettenos (Sohn), Priester und | Synagogenvorsteher, Sohn eines Synagogenvorste-|hers, eines Sohnes eines Synagogenvorstehers, er-|baute die Synagoge zur Vorle-|sung des Gesetzes und zur Lehre der Gebote und | das Fremdenhaus und die Kammern und die An-|lagen der Wasser für d-|ie es Gebrauchenden aus der Fremde; diese (Synagoge) haben grund-|gelegt seine Väter und die Pre-|sbyter und Simonides.“ 30  Die Annahme, dass sich die Grund(stein)legung (ΕΘΕΜΕΛ(ΙΩ)ΣΑΝ) der Synagoge auf die Gründung einer Gemeinschaft (synagogé) bezieht, die dann nach Jerusalem transferiert worden wäre und für die Theodotos ein Gebäude errichtet hätte (so Price, Synagogue building inscription of Theodotos in Greek, 55), erscheint fraglich. 31  Hachlili, Synagogues, 525.

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wohl aus der Rolle des Stifters bzw. seiner Familie erklärt. Die Inschrift benennt den Hauptzweck der Anlage bzw. der eigentlichen Synagoge mit der Verlesung des Gesetzes und der Unterweisung in den Geboten. Dazu kommen Räumlichkeiten für die Unterbringung von Besuchern, offensichtlich Pilger, die von auswärts nach Jerusalem kommen, sowie Wasseranlagen, die wahrscheinlich nicht nur der (Trink)wasserversorgung und hygienischen Zwecken, sondern auch religiösen Waschungen dienten. Die Inschrift ist somit Zeugnis für die Errichtung und den Betrieb einer Synagoge, wobei die Initiative einer begüterten Familie und die Verantwortlichkeit der durch die Ältesten repräsentierten Gemeinschaft Hand in Hand gingen. Die Nennung der Räumlichkeiten für von außen kommende Gäste verweist auf Pilger, die nach Jerusalem kamen, und zwar in der Tat vielleicht – jedenfalls auch – aus Rom oder Italien. Die Erwähnung der Ältesten lässt allerdings auch auf eine ortsfeste Gemeinschaft schließen, die vermutlich zumindest zum Teil aus aus der Diaspora zugewanderten Juden bestand. Dass die Synagoge auch zivile Funktionen hatte, ergibt sich aus dem Herbergs- und Pilgerbetrieb. Interessant ist, dass das Gebäude der Schriftlesung und dem Studium der Heiligen Schriften diente, und zwar in Jerusalem, am Ort des Tempels. Offensichtlich hatte die Verlesung der Heiligen Schriften, und der Unterricht in den Geboten selbst in Jerusalem und in der Nachbarschaft des Tempels eine eigenständige Bedeutung gewonnen. Dass die Synagoge dazu auch verschiedene zivile Funktionen, als Ort der Begegnung, des Austausches und auch der sozialen Fürsorge hatte, hat gewiss wiederum auch zur religiösen Bedeutung beigetragen. Zutreffend auch für die übrigen Synagogen formuliert Claussen: „… first century synagogues may best be viewed as a kind of community center for a rather broad variety of functions. It would almost be impossible to make a clear distinction between their religious and their communal activities.“32 Generell wird man sagen können, dass die sozialen Funktionen der Synagoge dort umso größere Bedeutung hatten, wo diese Funktionen nicht von einer jüdischen Obrigkeit und Verwaltung wahrgenommen wurden, also in der Diaspora. In Jerusalem war diese Funktion wohl für spezifische Gruppen wie etwa Pilger oder aus der Diaspora zugewanderte Juden von Bedeutung. Das verbindende Element und wohl auch eine wichtige Wurzel der Institution war die preseuché, der Ort des Gebetes, in Verbindung mit Schriftlesung und Verkündigung. 32  Claussen, Meeting, Community, Synagogue, 148.

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4.

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Ausstattung und Funktion der Synagogen der spätrömischen und byzantinischen Zeit

Leider ist für das 2. Jh. n.Chr. wenig archäologisches Material zu den Synagogen vorhanden und auch die literarische Quellenlage ist dürftig. Das dürfte mit der Lage nach den großen Aufständen zu tun haben, aber auch damit, dass es für diese Zeit keinen Historiker wie Josephus gibt. Dagegen wird mit dem dritten Jahrhundert und bis an das Ende der Spätantike eine große Zahl an Synagogen aus dem ganzen römischen Reich und auch aus dem Mutterland selbst greifbar.33 Markant ist, dass nun Symbole aus dem nicht mehr existenten Tempel und aus dem Tempelkult für die Synagogen verwendet werden, vor allem die Menora aber auch Lulav und Etrog sowie das Schofar und häufig auch ein Thoraschrein. Überraschend war insbesondere die Entdeckung bildlicher Darstellungen auch von Personen, und zwar nicht nur in der Diaspora sondern auch im Mutterland. Elemente der spätrömisch-byzantinischen Synagogen 4.1 In den Synagogen entwickelte sich im Lauf der Zeit eine Reihe von Symbolen, die zum Teil allgemeine Erkennungs- und Identitätszeichen des Judentums waren und insbesondere zu Kennzeichen der Synagogen und der Synagogenkunst und -architektur wurden. Im Wesentlichen waren sie von Elementen des Tempels abgeleitet. „The menorah, the showbread table, the ark, the ritual objects, and the conch are uniquely Jewish symbols, expressing profound and significant values of the religion. They were used frequently throughout late antiquity. Derived from the accouterments of the Temple rites, this limited repertoire holds a prominent place in the vocabulary of Jewish art.“34 Diese Symbole verkörperten den Bezug auf den Tempel in Jerusalem, und zwar bereits in der Zeit als dieser noch existierte, danach markierten sie zunehmend die Synagoge als Nachfolgeinstitution, die aber immer von ihrem Ursprung her legitimiert blieb. Ein wichtiges und auch schon zur Zeit des zweiten Tempels verwendetes Symbol war der Siebenarmige Leuchter, die Menora.35 Leuchter unterschiedlicher Gestalt gehörten zur Standardeinrichtung eines Tempels. In diesem Sinn 33  Siehe dazu die oben (Fn. 23) von Richardson, Architectural Case, 91–93, genannte Zahl von 62 (literarisch und/oder archäologisch bezeugten) Synagogen, zu denen seit 2003 einige weitere Entdeckungen kamen. 34  Hachlili, Synagogues, 285. 35  menôrā von nûr = leuchten, somit: Ort des Lichtes, Leuchter.

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werden auch in der Beschreibung des salomonischen Tempels zehn (einfache, einarmige) Leuchter erwähnt (1Kön 7,49). Die Menora als singulärer, siebenarmiger Leuchter hebt sich davon ab und entspricht traditionsgeschichtlich vielleicht der in 1Sam 3,3 für Schilo erwähnten Leuchte Gottes (nēr ’älōhīm). In der Zeit des Zweiten Tempels wird sie in etwa der Beschreibung in Ex 25,31–40 und 37,17–24 entsprochen haben. Das Aussehen der Menora des Herodianischen Tempels ist auf dem Titusbogen in Rom erkennbar, wo sie (nach dem Schaubrottisch und den Posaunen) als zentrales Beutestück dargestellt ist. Die Menora taucht erstmals auf der Rückseite einer Münze des letzten hasmonäischen Königs Mattathias Antigonos (40–37 v.Chr.) auf (mit dem Schaubrottisch auf der Vorderseite). Unterschiedlich gestaltete Menoroth (auch mit unterschiedlichen Sockeln) wurden auf verschiedenen Objekten und auch in einem Grafitto an einer Hausmauer in Jerusalem gefunden. Die Menora in der Synagoge von Migdal ist die einzige aus einer Synagoge der Zeit des Zweiten Tempels. Auf einem Stein ist zentral die Menora zu sehen, rechts und links flaniert von einem Krug und außen jeweils drei Säulen. Der Stein war vermutlich an einem prominenten Platz angebracht, was aber nicht mehr näher bestimmbar ist.36 Praktisch alles späteren Synagogen hatten Darstellungen der Menora, sei es auf den Bildern oder als halbplastische Gebilde, auf denen ggf. Lampen befestigt und entzündet werden konnten. Die Abbildungen mit je einer Menora rechts und links vom Thoraschrein in den Mosaikböden von Beth Alpha, Beth Schean A, Hammat Tiberias B, Naaran, Sephoris und Susyia lassen vermuten, dass solche Leuchter auch real neben dem Thoraschrein standen bzw. stehen konnten. Interessant ist, dass bei paarweisen Darstellungen oft Unterschiede in der genauen Ausführung bestehen. In Synagogen des 5. und 6. Jh. wurden auch (Fragmente) von freistehenden Menoroth gefunden (meistens mit ca. 55 bis 70 cm Breite bzw. Höhe). In En-Gedi wurde eine Bronzemenora gefunden.37 Vermutlich gab es auch an anderen Orten Menoroth aus Metall oder auch Holz (ggf. mit Metall überzogen), die allerdings nicht erhalten blieben. In der Synagoge von Sardis in Kleinasien wurden Fragmente einer Menora aus Marmor gefunden; neuerdings auch in Andriake (s.u.). Hachlili vermutet, dass die paarweise Anordnung von zwei Menoroth eine Neuerung im Synagogengottesdienst im 3. oder 4. Jh. reflektieren könnte. Die Inschrift von Side in Kleinasien erwähnt die Stiftung von zwei Menoroth, was ebenfalls auf eine paarweise Verwendung schließen lässt.38 36  Hachlili, Synagogues, 296f. 37  Hachlili, Synagogues, 301–309. 38  Hachlili, Synagogues, 310f.

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In Verbindung mit der Menora sind häufig weitere Elemente des Kultes zu finden, nämlich Lulav und Etrog sowie eine kleine für den Kult bestimmte Schaufel und nicht zuletzt das Schofar. Letzteres findet sich nach Hachlili nur in Darstellungen in Israel, während es in der Diaspora durch eine Vase ersetzt ist.39 Allerdings gibt es jetzt auch aus der Synagoge in Andriake eine Marmoplatte mit Menora, Lulav, Etrog und Schofar.40 Der älteste datierbare Beleg für die Kombination von Lulav und Etrog findet sich in Dura Europos (s.u.).41 Der Schaubrottisch42 ist, wie oben erwähnt, erstmals auf einer Münze von Mattathias Antigonos und auf dem Titusbogen sowie einer Hauswand im jüdischen Viertel in Jerusalem abgebildet, danach bisher nur in einer Szene (WB I) der Synagoge von Dura Europos (aber nicht auf dem Thoraschrein), auf einem Mosaik der samaritanischen Synagoge in el-Hirbe (4. Jh.) und in der Synagoge von Sepphoris (5. Jh.).43 Die Menora samt den erwähnten begleitenden Elementen bildeten ein Standardmotiv, das dann auch zum Standardbestandteil der Mosaike der byzantinischen Zeit wurde, wie insbesondere an den Mosaiken der Synagogen von Beth Alpha, Hamath Tiberias B und Sepphoris zu beobachten ist. In diesen Mosaiken steht zwischen zwei symmetrisch angeordneten Menoroth jeweils das Symbol für die Tempelfassade bzw. den Thoraschrank. Die Kombination steht ihrerseits wiederum am nächsten zur Thoranische. Davor befinden sich in Beth Alpha und in Hamath Tiberias der Zodiak sowie Löwen, die eine Inschrift flankieren. In Beth Alpha ist vor dem Zodiak in etwas schlichter Weise die Akeda dargestellt. In Sepphoris ist das Mosaik zu einem ganzen „Teppich“ mit sieben Zonen erweitert. Ein auffallendes – weil zunächst heidnisch wirkendes – Element ist der Zodiak, der auf dem Gebiet Israels in Synagogen des 4. bis 6. Jh.s zu finden ist. In einem Quadrat sind kreisförmig die zwölf Tierkreiszeichen angeordnet (meist mit hebräischer Benennung), in den dadurch entstandenen vier Ecken Symbole für die vier Jahreszeiten, und in einem inneren Kreis der Sonnengott bzw. die Sonne mit dem Sonnenwagen.

39  Hachlili, Synagogues, 328. 40  Siehe die Abbildung bei Çevik, Andriake, 224. 41  Hachlili, Synagogues, 327. 42  Zur ursprünglichen Bedeutung der Schaubrote siehe Lee, Symbole, 177–180. 43  Hachlili, Synagogues, 334. Das Mosaik von El-Hirbe zeigt, jeweils etwa gleich groß, die Fassade des Tempels mit geöffnetem Vorhang(!), den Schaubrottisch sowie eine Menora mit Schaufel und Schofar (und vermutlich auch Lulav und Etrog).

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Die Interpretation des Zodiak in der Synagoge ist umstritten.44 Gewiss sollte mit dem Bild des Sonnengottes keine heidnische Gottheit dargestellt werden, gewiss aber auch nicht Gott selbst. Wenn, dann geht es um die personifizierte Darstellung der Sonne, was mit einer Stelle wie Ps 19,6 gerechtfertigt werden mag.45 Der Zodiak mag als Hinweis auf Gottes Schöpfung und ihre Ordnung betrachtet worden sein: „In der Sonne – zusammen mit dem Tierkreis – proklamiert die Synagoge: Der in seiner heilschaffenden Tora verkündete und gegenwärtige Gott ist ein und derselbe Gott, der auch die Gestirne erschaffen hat und sich selbst durch sie im kosmisch-kultischen Gesetz der Ordnung der Tage, Wochen, Jahreszeiten, Jahre, Feste und Festzeiten offenbart.“46 Darüber hinaus mag der Tierkreis doch auch kalendarischen Zwecken gedient haben. In Beth Alpha war offensichtlich der Monat Nisan als erster Monat erkenntlich. In En Gedi wurde anscheinend im 6. Jh. der Zodiak durch eine Inschrift ersetzt, die mit dem Monat Nisan beginnt.47 Ein zentrales Element der Darstellung ist schließlich die Akeda bzw. die Erzählung von der Opferung Isaaks (Gen 22). Gewiss wird diese Erzählung hier im Kontext der Synagoge auch deswegen aufgegriffen, weil sie nach schon in 2Chron 3,1 belegter Tradition an jenem Ort stattgefunden haben soll, an dem später der Tempel errichtet wurde, womit sie wieder ein Hinweis auf den Tempel ist. Hier verfängt sich der Widder nicht wie in Gen 22 im Gebüsch sondern er steht (angebunden?) an einen Baum, bei dem wohl an den Baum des Lebens im Paradies gedacht ist, denn in einer jüdischen Legende wird davon berichtet, dass dieser Widder im Paradies beim Baum des Lebens geweidet und ein Engel ihn aus dem Paradies geholt habe.48 In mehreren Synagogen der byzantinischen Zeit sowohl im Mutterland als auch in der Diaspora finden sich einzelne Darstellungen weiterer biblischer Erzählungen wie etwa die Arche Noahs (Gen 6–9), der Besuch der drei Männer bei Abraham (Gen 18), oder der Exodus (Ex 13f) bzw. von einzelnen Personen wie etwa Simson, David oder Daniel.49 – Gegenüber diesen Darstellungen erscheint der Bilderzyklus der Synagoge von Dura Europos erstaunlich früh und erstaunlich umfangreich, wobei auch dort offensichtlich sowohl ein sachlicher als auch zeitlicher Vorrang von Menora, Thoraschrein 44  Siehe den Überblick bei Hachlili, Synagogues, 386f. 45  So auch Stähli, Synagogenkunst, 61 mit Hinweis auf Pirque de Rabbi Eliezer § 6. Der Zwecke des Zodiak war gewiss auch nicht primär astrologisch, auch wenn er von manchen so gedeutet worden sein mag. 46  Stähli, Synagogenkunst, 62 47  Hachlili, Synagogues, 387. 48  Stähli, Synagogenkunst, 64f., mit Verweis auf Jalqut Schim‘oni I, 30b zu Gen 2,13. 49  Hachlili, Synagogues, 401–420.

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und Akeda besteht, während der demgegenüber etwas jüngere Bilderzyklus dann praktisch die ganze hebräische Bibel umfasst, bis hin zu einer Szene aus dem 1. Makkabäerbuch. 4.2 Zur Rolle der Frauen in den Synagogen Die Rolle der Frauen in der Synagoge und insbesondere die Form ihrer Teilnahme am Gottesdienst ist vielfach diskutiert und hat sehr unterschiedliche Antworten hervorgerufen.50 Hachlili fasst die Meinung von Goudenough (1953) folgendermaßen zusammen: „Women occasionally showed great interest in what went on in the synagogue. They might have prayed in separate rooms, or stood outside, or, for the most past, might not have attended synagogue at all.“ Demgegenüber referiert sie die Ansicht von Levine (2000): „Women frequently attended the synagogue and were present during worship. According to rabbinic traditions and various literary sources from the 2nd c. CE, their presence in the synagogue was acknowledged and accepted, with no distinctions in seating for males and females.“51 Diese beiden erheblich divergierenden Positionen spiegeln wohl nicht nur eine unterschiedliche Quellenlage sondern auch die unterschiedliche zeitgeschichtliche Wahrnehmung und Interessenslage bezüglich der Rolle der Frauen. Auf jeden Fall wird man regionale Unterschiede und auch eine Entwicklung von der frühjüdischen Zeit bis zur Spätantike annehmen können. Darüber hinaus ist zwischen der sozialen Stellung und Mitwirkung der Frauen und der Form ihrer Teilnahme am Gottesdienst zu unterscheiden. „Women appear in numerous Diaspora inscriptions as donors, title-holders, office holders and benefactors, and may have been wealthy in their own right. Inscriptions were found commemorating women who donated by themselves or with their husbands, or who are commemorated by a donation on their behalf. Many of these inscriptions were discovered in Diaspora synagogues, for example at Delos, Apamea, Hammam-Lif52 and Sardis …“53 Man wird annehmen können, dass sich die Bedeutung dieser Stifterinnen auch in ihrem Status in den Aktivitäten der Synagoge wiederspiegelte und dass sie doch auch im Gottesdienst entsprechend partizipierten. Rajak und Noy vertreten die Ansicht, dass „the contribution of women, just as that of men, must be 50  Siehe dazu die Übersicht bei Hachlili, Synagogues, 578–581. 51  Hachlili, Synagogues, 579 mit Verweis auf Goudenough, 1953, I, 210.226.228; II, 74; 1964,32; Levine, Ancient Synagogue, 472–474. 52  In Tunesien, s.u. in 4.3. 53  Hachlili, Synagogues, 579.

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envisaged as paternal and perhaps ceremonial rather than religious.“54 Hierher gehört dann auch der Titel archisynagogós, der wie auch andere Titel auch für Frauen belegt ist: „Women bearing titles such as archisynagogos, leader, elder, principal person, mother of the synagogue, priestess and possibly president are found in Diaspora inscriptions from the 2nd to the 6th c. CE… . Though they were probably exceptional, these titles suggest that women were functionally parallel to the men who bore such titles.“55 Allerdings bestand hier offensichtlich ein erheblicher Unterschied zwischen Mutterland und Diaspora: „Based on present knowledge it seems that in the synagogues of the Land of Israel (in contrast to those of the Diaspora), women did not hold titles or office in the synagogue or the community.“56 Leider sind die archäologischen bzw. architektonischen Befunde wenig hilfreich. Ob die spätere Aufteilung des Raumes der Synagoge von Delos der Schaffung eines separaten Frauenraumes diente oder einen anderen Zweck hatte, bleibt völlig offen. Unterschiede bei den Sitzbänken der Synagogen sind nicht erkennbar. Wandschirme oder andere, nicht erhaltene Abgrenzungen anzunehmen, bleibt hypothetisch. Auch die Deutung des kleineren Eingangs links vom Haupteingang in der Synagoge von Dura Europos als separater Eingang für die Frauen bleibt Spekulation. Ebenso wahrscheinlich ist die Deutung als Nebeneingang, der dem alltäglichen und individuellen Zugang diente, während das große Tor den großen Versammlungen und Festen vorbehalten war und vielleicht dabei auch rituelle Funktion hatte.57 Jedenfalls ist bei den Sitzbänken und bei der Malerei kein Unterschied zwischen der linken und der rechten Seite erkennbar (was nicht ausschließt, dass Männer und Frauen wie in der Antike üblich getrennt saßen bzw. standen). Samaritanische Synagogen 4.3 Ergänzend zum Schwerpunkt auf den jüdischen Synagogen des Mutterlandes ist auf die samaritanischen Synagogen und auf Diasporasynagogen hinzuweisen. Zunächst ist zu erwähnen, dass die samaritanische Form des Judentums nicht nur in Samaria von Bedeutung war, sondern im römischen Reich weit verbreitet und zahlenmäßig stark vertreten war. Auch die Samariter hatten eine größere Zahl von Synagogen, die den jüdischen ähnlich waren und die ebenfalls sowohl religiöse als auch soziale Funktionen erfüllten.

54  Rajak / Noy, Archisynagogoi, 87, nach Hachlili, Synagogues, 579. 55  Hachlili, Synagogues, 580. 56  Hachlili, Synagogues, 580f. 57  Vgl. Ps 24,7.10.

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Josephus erwähnt schon für das 4. Jh. v.Chr. Samaritaner in Ägypten (ANT XI, 345, XII, 7–10; XIII 74–79); in Ant XVIII, 167 erwähnt er einen Samaritaner in Rom, und Cassiodor erwähnt einen Brief Theoderichs von 507/512, in dem es um eine in eine Kirche umgewandelte samaritanische Synagoge geht. Ein im Kodex Theodosianus XIII, 5, 18 gesammeltes Gesetz von 390 befreit die samaritanische Gemeinde von Alexandria von der Pflicht, einen Beitrag zur Ausrüstung von Schiffen leisten zu müssen. 1953 wurde in Thessaloniki die Inschrift einer samaritanischen Synagoge entdeckt.58 Oben (bei Fn. 19) wurden die 1979/80 auf Delos gefundenen samaritanischen Inschriften erwähnt, die jedenfalls eine samaritanische Gemeinde bezeugen und wohl auch auf eine samaritanische Synagoge verweisen. Für das Mutterland sind einige Synagogen durch Inschriften nachgewiesen. In Salbit (= Sha‘alvim) wurde eine Synagoge, deren Achse auf den Garizim orientiert ist, ausgegraben. Der ältere der beiden Mosaikböden zeigt zwei Siebenarmige Leuchter beiderseits eines stilisierten Berges, der vermutlich den Garizim darstellt. Aus den Keramikfunden wird diese Schicht auf das 4. Jh. datiert. Eine Inschrift „Das Gebetshaus war wieder erneuert worden“ setzt auch eine ältere Phase des Gebäudes voraus. Samaritanische Inschriften gibt es aus den ersten Jahrhunderten nach Chr. bis in die Justinianische Zeit aus Gaza, aus Emmaus-Nikopolis, aus Sychar und aus Nablus. Einige bieten Teile des Dekalogs und waren vermutlich in Synagogen angebracht. Kippenberg kommt zu dem Schluss: „Die Gemeinde der Samar.[itaner] war nicht nur auf das Stammesgebiet um den Garizim beschränkt. Sie war vielmehr auch über Judäa und den Küstenstrich verbreitet. Da die aufgezählten Funde nur einen Ausschnitt bieten, und die älteste Inschrift aus Emmaus (1. Jh. n.Chr.) kaum der allerältesten Synagoge zugehören wird, dürfte diese Institution recht verbreitet und alt gewesen sein.“59 Diese angesichts des damals zugänglichen spärlichen Materials optimistische Einschätzung hat sich zwischenzeitlich durch eine Reihe weiterer Funde bestätigt. Auf samarischem Gebiet wurden mehrere Synagogen identifiziert und ausgegraben, nämlich: Auf dem Berg Garizim selbst, in Kapernaum, in Tell Qasile (= Ramat Aviv; heute im Gebiet von Tel Aviv), Nablus und Beth Schean.60 Dazu kommen die Synagogen von El-Hirbe (=El-Khirbe), H. Migdal (= Tsur Natan) und in Khirbet Samara.61 58  Nach Kippenberg, Garizim und Synagoge, 145–148; siehe auch Lifshitz / Schiby, Une synagogue samaritaine à Thessalonique. 59  Kippenberg, Garizim und Synagoge, 158. 60  Vgl. Pummer, Material Remains, 135–147. 61  Siehe dazu Segni, Samaritan Synagogue at El Khirbe bzw. Fine, Jews, 117–120. Siehe auch die Darstellung in Pummer, The Samaritans, 91–112 (Synagogues) und die Übersichtskarte Seite 97.

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4.4 Weitere Synagogen im Römischen Reich Über die bereits genannten hinaus wurden in vielen Teilen des römischen Reiches, insbesondere in Kleinasien, Synagogen gefunden, von denen hier nur wenige exemplarisch erwähnt werden können.62 In Kleinasien, ist für Aphrodisias in Karien nicht nur eine Synagoge des 4. Jh.s nachgewiesen, sondern auf einer 2,80m hohen Stele sind über hundert Personen genannt, die für die Synagoge gespendet haben, wobei der zweite Teil die Überschrift Theosebeis, die Gottesfürchtigen, trägt. Die Stele stand vor der Synagoge und erweist so auch das Selbstbewusstsein der jüdischen Gemeinde, die gewiss schon längere Zeit dort existierte.63 Die beiden Inschriften auf der Stele bezeugen bestimmte Einrichtungen der Gemeinde, so eine patélla, d.h. Tafel, die vielleicht analog einer in der Mischna genannten (aber schon im 1. Jh. existierenden; vgl. Apg 6,1) tamḥui der täglichen Versorgung Armer oder Durchreisender diente, und dekanía, d.h. Zehnergruppe, deren Funktion nicht näher bestimmbar ist, aber vielleicht in Zusammenhang mit einem Schulbetrieb bzw. Lehrhaus steht.64 Die jüdische Gemeinde von Sardis in Lydien soll bereits um 200 v.Chr. entstanden sein, als Antiochus III. (223–187 v.Chr.) Juden aus Babylon veranlasst haben sollte, nach Sardis zu ziehen. Josephus berichtet (Ant XIV,14,10.17) dass Lucius Antonius, der römische Prokurator für 50–49 v.Chr., die Rechte der Juden, die einen eigenen Platz (also wohl eine Synagoge) hatten, wo sie ihre eigenen Rechtsfälle regeln konnten, bestätigte.65 Die Synagoge wurde 1962 entdeckt. Die bereits eine größere Anlage darstellenden Vorgängerbauten wurden im 4. Jh. von der jüdischen Gemeinde übernommen. Die erkennbaren Bauphasen stammen aus dem 4. bis 6. Jh. Sie ist die größte und eindrucksvollste Synagoge des westlichen Kleinasien und der Ägäis. Es wurden mehrere eindrucksvolle Mosaikfußböden entdeckt sowie über 80 griechische und fünf hebräische Inschriften.66 Der Hauptraum war über 50 m lang und fasste ca. 1000 Personen, was die Größe der jüdischen Gemeinde ahnen lässt.67 Die Synagoge in Priene in Jonien ist demgegenüber wesentlich kleiner. Es handelte sich ursprünglich um ein Privathaus, das dann in eine Synagoge

62  Zu den Gegebenheiten in Kleinasien siehe Japp, Spuren jüdischen Lebens in Kleinasien. 63  Zu dieser „Community List“ siehe: http://aphrodisias.classics.ox.ac.uk/jewishcom.html. 64  Reynolds / Tannenbaum, Jews and God-Fearers at Aphrodisias, 26–38; siehe auch: Chaniotis, The Jews of Aphrodisias: New Evidence and Old Problems. 65  Dies würde den Gegebenheiten des jüdischen Politeuma in Herakleopolis entsprechen; siehe dazu Cowey, Das ägyptische Judentum. 66  Seager, Building History of the Sardis Synagogue. 67  Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde von Sardis siehe Bonz, The Jewish Community of Ancient Sardes.

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umgewandelt wurde. In der ersten Bauphase bestand die Synagoge aus einer dreischiffigen Halle, später erhielt sie einen Vorraum dazu. In der Rückwand war eine Nische eingelassen, vermutlich als Thoranische. Vor dieser fand sich eine Platte mit einer von zwei Vögeln flankierten Menora. Die ganze Anlage samt Nebengebäuden wird auf die Zeit vom 4. bis zum 7. Jh. datiert. Bei neueren Untersuchungen wurden Reste von Wandmalereien entdeckt. Eine Platte mit Menora samt Lulav, Etrog und Schofar fand sich, als Bodenplatte wiederverwendet, in einer dem Theater von Priene nahe gelegenen Kirche. Ob diese Platte von der erwähnten oder einer weiteren Synagoge stammt, ist offen.68 2009 wurde in Andriake, der Hafenstadt von Myra, eine Synagoge entdeckt.69 Sie hatte einen wohl zweigeschossigen Hauptraum mit 7,25 m Länge und 5 m Breite, dem später im Südosten – also Richtung Jerusalem – eine Apsis mit dem beachtlichen Durchmesser von 3,9 m angebaut wurde. Dazu kamen Nebenräume. Die Ausgräber vermuten, dass die eigentliche Synagoge im Obergeschoß war. Im Inneren fanden sich Schrankenplatten mit der Darstellung von Menora, Lulav, Etrog und Schofar. Auf den beiden Platten mit Menora sowie auf einer Boden(?)platte fanden sich griechische Stiftungsinschriften mit jüdischen Wendungen. Die Anlage wird auf das 5. bis 6. Jh. datiert.70 „Offenbar folgte die Synagogenarchitektur in Kleinasien keinem festgeleg­ ten Kanon. Neubauten treten ebenso auf wie die Nutzung und Umwandlung bereits bestehender Gebäude. Im Vergleich mit Synagogen im Stammland lassen sich zwar gewisse Ähnlichkeiten gerade hinsichtlich der basilikalen Bauten mit Nischen bzw. Apsiden konstatieren, doch war diese Architekturform nicht auf Synagogen beschränkt, wie ein Blick auf zeitgenössische christliche Basiliken belegt. Die Synagogen in Kleinasien geben sich also nicht auf Grund ihrer Architektur als solche zu erkennen, auch wenn eine nach Jerusalem hin ausgerichtete Nische einen gewissen Anhaltspunkt bietet. Eine sichere Identifizierung erlauben nur entsprechende Inschriften oder Objekte mit bestimmten Symbolen wie der Menora.“71 Schließlich sei eine Synagoge aus dem Westen erwähnt, nämlich jene von Naro bzw. dem heutigen Hammam-Lif in Tunesien, 16 km südöstlich von Tunis. Sie wurde 1883 im Garten eines französischen Offiziers gefunden, 68  Japp, Kleinasien, 373; Ameling, Inscriptiones, 172–174; Burkhardt, Priene. 69  Japp, Kleinasien, 373; Çevik, Novum. 70  Interessant ist, dass in Andriake östlich der Synagoge eine Münze aus Judäa gefunden wurde. Diese wird auf 9–12 n.Chr. datiert, als Marcus Ambibulus Präfekt von Judäa war, und bezeugt somit sehr frühe Beziehungen. 71  Japp, Kleinasien, 374.

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der nach der Freilegung der Anlage die Mosaike zunächst malen, dann aber zerteilen und verkaufen ließ, so dass sie heute, sofern noch erhalten, in verschiedenen Museen zu finden sind. Die Anlage selbst ist nicht mehr auffindbar. Die Synagoge wird in das 4. bis 6. Jh. datiert. Die Anlage war in einem Villenkomplex mit 16 Räumen, bot also Platz für verschiedene Funktionen. Im Eingangsraum zum Hauptraum der Synagoge befand sich ein Mosaik mit der lateinischen Stifterinschrift der Familie des Sohnes des Synagogenvorstehers „Asterius, filius Rustici arcosinagogi, Margarita, Riddei (filia), partem portici tesselavit“. Mit ARCOsinagogus ist die latinisierte Form des griechischen archisynagogós bezeugt. Das Mosaik des 5,25 m breiten und 9 m langen Hauptraumes nennt als Stifterin des Mosaiks eine Julia[na]: „Die heilige Synagoge von Naro hat für ihr Heil deine Magd Juliana, das Mädchen (?), auf ihre eigenen Kosten mit einem Mosaik ausgeschmückt“.72 Am Ende der Inschrift findet sich eine Menora, ebenso in den beiden Rauten neben der Inschrift, einmal zusätzlich mit Lulav und Schofar. Auffallend sind die florale Motivik und die vielen Tierdarstellungen in den umgebenden Mosaikfeldern, die wahrscheinlich eine Paradiesessymbolik andeuten.73 Östlich vom Hauptraum und mit Zugang zu diesem befand sich ein Nebenraum mit einer Inschrift, die die instrumenta der Synagoge erwähnt und von Motiven ähnlich Buchrollen umgeben ist. Dieser Raum war wahrscheinlich der Aufbewahrungsraum für die Torarollen.74 Die Synagoge von Naro zeigt lokale Einflüsse, wahrt aber zugleich die zentralen Elemente der Synagoge und ihrer Theologie.75 4.5 Die Synagoge von Dura Europos Zu den überraschendsten Entdeckungen des 20. Jh.s gehört die Entdeckung der Synagoge von Dura Europos.76 Dura liegt auf der südlichen Seite des Euphrat, wenige Kilometer vor der heutigen syrisch-irakischen Grenze. Die 72  Stähli, Synagogenkunst, 52, mit Diskussion der Lesungen in Fn. 66. 73  Zur Deutung der zentralen Abbildungen siehe Stähli, Synagogenkunst, 52–54. Gute Abbildungen sind bei Zaher Kammoun zu finden: http://zaherkammoun.com/2017/06/11/ la-synagogue-de-naro-hammam-lif/ (abgerufen 8.4.2019). 74  Levine, Ancient Synagogue, 280. 75  Auffallend ist, dass die Nische im Westen des Hauptraumes liegt, während Jerusalem im Osten liegt. Hatte die Nische nicht die Funktion der Apsis und gab der Thoraraum die Richtung nach Jerusalem? Leider waren die Wände der Synagoge, deren Gestaltung genauere Auskunft geben könnte, schon bei der Entdeckung der Synagoge nicht mehr vorhanden. 76  Zum Folgenden siehe: Stähli, Synagogenkunst; Gutmann, Synagogue at Dura Europos; Langer, Judentum in Syrien, 250–253. 259f. (mit Plan der beiden Bauphasen und Abb. der gesamten Westwand). Odenthal, Syrien, DuMont, 288–293 (Geschichte und Stadtanlage).

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Stadt wurde bereits im 3. Jh. v.Chr. als Karawanen- und Handelsstützpunkt gegründet und gehörte ab 165 n.Chr. zum östlichen Limes des römischen Reiches zur Sicherung der Grenze gegen die Sassaniden, von denen die Stadt allerdings 256 zerstört wurde. Die Stadt lag auf dem, den Euphrat auf der Südseite begleitenden Plateau zwischen zwei tiefen Wadis, so dass nur die Westseite mit einer großen Mauer befestigt werden musste, in der sich drei Tore befanden. Vom mittleren Tor führt die Straße ins Zentrum am Euphrat, wo, tiefer gelegen und zum Teil auf einem kleinen Hügel direkt am Euphrat, das Zentrum mit den Verwaltungsbauten und den großen Tempeln lag. Der Fund von Malereien führte 1921 zu ersten Ausgrabungen, die 1929–37 von der Yale University wieder aufgenommen und fortgeführt wurden. Die Synagoge wurde im Nov. 1932 von Clark Hopkins entdeckt. Unmittelbar nach dem mittleren Tor, in der ersten Häuserreihe und jeweils in der zweiten insula von der Hauptstraße, lag linker Hand (also nördlich) die Synagoge und rechter Hand (südlich) eine christliche Kirche. Beide Gebäude waren zum Teil durch die hinter der 12m hohen Stadtmauer erfolgte Verfüllung zur Verstärkung der Stadtmauer und durch Ablagerungen des Sandes aus der Wüste zum Teil verschüttet und dadurch zum Teile erhalten geblieben. Die Versammlungsräume der Synagoge und der Kirche waren auf der Westseite vollständig verschüttet, auf der Ostseite nur ca. 1m. Die Synagoge wurde 244/45 über einer ca. 75 Jahre älteren Haussynagoge erbaut. Die große Überraschung war, dass die Synagoge offensichtlich auf allen Seiten mit biblischen Szenen ausgemalt war und zwar in drei Bändern bis zur Decke.77 Das widersprach allen damals gängigen Theorien über die Bilderlosigkeit des Judentums. Die unterschiedlich breiten Darstellungen zeigen zentrale biblische Gestalten wie etwa Abraham, Mose (Auffindung des Kindes durch die im Wasser stehende Pharaonentochter;78 Mose am brennenden Dornbusch; Mose mit dem Stab beim Durchzug durch das Schilfmeer) und Aaron (bei der Einweihung des Wüstenheiligtums mit Bundeslade und Siebenarmigem Leuchter; ausnahmsweise steht hier auch der Name und zwar in griechischer Schrift), 77   Entsprechend der damals üblichen Praxis der Fundteilung blieben die Bilder der Synagoge in Syrien während die (wesentlich schlechter erhaltenen) Bilder der Kirche an die Yale-University nach New Haven kamen. Die Malereien der Synagoge befinden sich heute in einem der Synagoge nachgebauten Raum des Nationalmuseums in Damaskus. Von den ursprünglich (je nach Gestaltung der östlichen Wand) ca. 40 Bildern blieben 28 erhalten. 78  Die Darstellung ergibt sich aus einer anderen Lesung des hebräischen Textes der entweder als ’āmā = Magd („sie schickte eine Magd“) oder als ’ammā = Elle, Unterarm („sie streckte den Arm aus“, wofür sie selbst im Wasser stehen musste). Die zweite Deutung wird Rabbi Jehuda um 100 n.Chr. zugeschrieben und findet sich noch in mittelalterlich jüdischen Illustrationen; Stähli, Synagogenkunst, 90.

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Erzählungen wie etwa die Salbung Davids, die Bundeslade bei den Philistern bzw. bei ihrer Rückkehr von dort, den Gotteserweis auf dem Karmel (1Kön 18) und nicht zuletzt die Vision von der Auferweckung der Totengebeine (Ez 37). Die Darstellung entspricht den biblischen Erzählungen bzw. wie sie damals verstanden wurden. Neben der badenden Pharaonentochter (s. o.) ist die Darstellung des Gotteserweises auf dem Karmel ein anschauliches Beispiel: Dort ist im Altar der Baalspriester ein Mensch versteckt, der offensichtlich das Opfer anzünden soll. Das entspricht einer rabbinischen Auslegung, der zufolge Hiel von Bethel im Altar versteckt gewesen sein soll. Ob die Auferweckung der Toten im Sinn der individuellen Auferstehung verstanden wurde, ist schwer zu entscheiden, würde aber zur Entwicklung des Themas und auch zur bildlichen Darstellung passen. Auffallend ist, dass in vielen Darstellungen von oben her die (rechte) Hand Gottes in das Bild ragt, womit auf Gottes Wirken verwiesen wird. Eine Darstellung, die gut zur Bekenntnis- und Gebetssprache in den Psalmen passt.79 Von besonderer Bedeutung auch für das Geschehen in der Synagoge ist nicht zuletzt die Darstellung Esras bei der Verlesung der Thora (Neh 8). Esra hält mit weit ausgebreiteten Armen die Thorarolle vor sich und neben seiner rechten Seite steht offensichtlich ein oben runder Behälter, der eine gewisse Ähnlichkeit mit der Bundeslade hat und der der Aufbewahrung der Schriftrollen dienen könnte. Gewiss liegt in dieser Abbildung eine Anspielung an die in der Synagoge erfolgende Schriftlesung vor. Die Thoranische an der Jerusalem zugewandten Westwand tritt etwas aus der Wand hervor und zeigt einen etwas älteren Stil. Sie wurde offensichtlich von einer früheren Bauphase her beibehalten. Zwischen zwei angedeuteten Säulen ist eine halbrunde Nische, die oben durch eine muschelförmige Konche abgeschlossen ist. Im darüber liegenden Bildfeld ist der Tempel mit dem von Säulen flankierten Tor dargestellt. Links davon sind der siebenarmige Leuchter und daneben Lulav und Etrog dargestellt. Auf der rechten Seite findet sich die Aqeda bzw. Opferung Isaaks. Isaak liegt bereits auf dem Altar, Abraham, der mit dem Rücken zum Betrachter steht, hält das Messer in seiner Rechten. Im Vordergrund ist ein niedriger Baum zu sehen, bei dem der nach Gen 22,13 als Ersatz für Isaak dienende Widder steht bzw. angebunden ist.80 Über bzw. hinter Abraham ist ein Zelt zu sehen, in dessen Eingang eine Person steht, deren Deutung umstritten ist (Sarah? Ismael?). Über der Szene ist auch hier 79  Vgl. Ex 13,3.9.16; 15, 6.12.17; Ps 18,17; 20,7; 27,9 u.ö. 80  Zur Bedeutung dessen, dass sich der Widder nicht im Gebüsch verfangen hat, sondern an einem Baum steht bzw. angebunden ist, s.o.S. 18 zur entsprechenden Szene in Beth Alpha.

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die Hand Gottes zu sehen, nicht so schräg von oben wie in den Malereien, sondern eher waagrecht, wodurch sie zugleich wie ein Hinweis auf die ganze Darstellung, d.h. auch auf den Tempel wirkt. Die Synagoge bzw. der Gebetsraum enthält somit markante Elemente, wie sie für Synagogen nach dem Ende des Jerusalemer Tempels üblich wurden und die ihrerseits an den Tempel erinnern. Die Synagoge ist auf den Tempel in Jerusalem orientiert und ist, wie die Symbole zeigen, ihrerseits zum heiligen Ort geworden. Interessant ist, dass neben dem Tempel und seinen Kultobjekten die Akeda Isaaks dargestellt ist. Der Berg Moria, auf dem sie stattfand, soll nach der Tradition (so bereits 2Chron 3,1) mit dem Tempelberg identisch sein. Insofern ist die Akeda so wie die anderen Elemente wohl ebenfalls ein Hinweis auf den Tempel, aber doch auch auf die Person Abrahams als Vorbild und Vater des Judentums. Die großartige Ausmalung mit den Darstellungen der biblischen Geschichte verweist darauf, dass diese Erzählungen bekannt waren bzw. bekannt gemacht und erinnert werden sollen. Das setzt einschlägige Schriftlesungen und wohl auch Predigt und Unterweisung voraus, und das in einer vermutlich kleinen aber doch einigermaßen wohlhabenden Gemeinde am Ende der römischen Welt und Übergang zum parthischen Reich. Die Synagoge bzw. der Gebetsraum lag nicht direkt an der Straße, sondern er war nur durch das vorgelagerte Haus und einen Peristylhof zu erreichen. Das Haus war mit ca. 28 × 19 m etwa doppelt so groß wie der Gebetsraum samt Peristylhof, d.h. neben einen anzunehmenden Wohnbereich hatte die gesamte Anlage sicher auch weitere Funktionen als soziales Zentrum der jüdischen Gemeinde. Mit anderen Worten: Auch die Synagoge von Dura Europos war ein Ort des Lernens und des Lebens.81 Bibliographie Aharoni, Miriam, Arad, NEAEHL I, Jerusalem: The Israel Exploration Society, 1993, 75–87. Ameling, Walter, Inscriptiones Judaica Orientis 2. Kleinasien (Texts and Studies in Ancient Judaism 99), Tübingen: Mohr Siebeck 2004. Binder, Donald D., Into the Temple Courts. The lace of the Synagogue in the Second Temple Period, Atlanta: Society of Biblical Literature, 1999. 81  Vgl. Maier, Geschichte, oben, Fn. 26, sowie Holmberg, Life in the Diaspora Synagogue, 141: „The synagogue (community) in a sociological perspective could be described as a social, economic, pedagogic, religious, cultural, and political institution …“.

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Teil 1 Leben und Lernen im Mutterland und in der Diaspora

Der „verlängerte Arm“ des Jerusalemer Tempels Ein Beitrag zur Diskussion über die Ursprünge der Synagoge Manfred Oeming Die Worte eines älteren Forschungsberichtes von 1964 treffen noch heute zu: „The problem of the origin of the synagogue has hitherto perplexed scholars. Several attempts have been made to ascertain how, when and where the synagogue first came into existence, but no firm conclusions have been achieved and we are still in the realm of speculation and probability. There is no historical record of the date and circumstances of its emergence as a religious institution, nor is there any literary reference or archaeological evidence pointing directly to its beginnings.“1 In welchem sachlichen und historischen Verhältnis stehen der eine Jerusalemer Tempel und die Vielzahl der Synagogen, die in Jerusalem selbst, über das Land Israel und über die gesamte Diaspora verteilt sind? Die Erforschung der Frühgeschichte der Synagogen war in den letzten 30 Jahren ungeheuer produktiv.2 Das lag zum einen an intensiven Grabungsaktivitäten.3 Es sind eine Reihe von großen, ja monumentalen Überblickswerken zu den aktuellen Grabungsfunden von antiken Synagogen hervorgebracht worden. Siegfried Kreuzer hat in seinem in dieser Festschrift vorliegenden Beitrag den Stand des Wissens und der Diskussion umsichtig zusammengefasst, so dass ich hier darauf verweisen und daran anschließen darf. Die verzweigten archäologischen Funde, die ich im Detail nicht zu übersehen vermag, sind für die Entstehungsgeschichte aber nur bedingt aussagekräftig, da Synagogen als Gebäude mit eigenständiger Architektur erst relativ spät erkennbar wurden; in den Anfängen waren es einfache Versammlungsräume in „normalen“ Häusern. Mir geht es hier nur darum, die ursprüngliche(n) Funktion(en) der Synagogen zu erfassen, wozu ebenfalls viel publiziert wurde. Es gibt eine ganze Reihe von Theorien, die miteinander rivalisieren. Zur Aufklärung der immer noch offenen Fragen muss man neben den archäologischen Evidenzen wohl oder übel textliche Funde sehr stark heranziehen und durch Abwägung historischer Wahrscheinlichkeiten und Entfaltung sachlogischer Kombinatorik von allgemeinen 1  Weingreen, Origin of the Synagogue, 68. 2  Forschungsüberblicke Runessen, Origins of the Synagogue in Past and Present Research; Hachlili, Ancient Synagogues, 42–46. 3  Vgl. die Überblicksdarstellungen von Urman / Flesher, Ancient Synagogues; Runesson / Binder / Olsson, The Ancient Synagogue from its Origins to 200 C.E. Hachlili, Ancient Synagogues.

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Rahmenbedingungen und vereinzelten Hinweisen ein umgreifendes Modell entwickeln. Ich versuche hier im Sinne einer Skizze unter 1. zunächst die Fülle der Theorien über die Ideen hinter den ersten Synagogen idealtypisch zu ordnen, unter 2. die wenigen archäologisch-epigraphischen Hinweise zu bedenken, 3. die (wenigen) literarischen Traditionen bzw. Indizien in der zeitgenössischen Literatur über 4. die alttestamentlichen Ursprünge zurückzuverfolgen und diese dann unter um einen Vorschlag zu erweitern, der 5. auch die Frühgeschichte der Schule und 6. die Anfänge des Kanons mit einbezieht. 1.

Sieben Grundmodelle zur Funktion der ersten Synagogen

Die historische Entstehung von Synagogengemeinden und ihre Relation zum Tempel von Jerusalem werden gegenwärtig sehr unterschiedlich dargestellt und beurteilt: A) Der Ursprung der Synagogen lag in der Differenz von Zentrale und Peripherie. Nach einer Theorie entstanden Synagogen schon vor 587/86 in der Zeit des ersten Tempels. Schon aus praktischen Gründen legte es sich nahe, Versammlungsräume für Gebete und Lesungen zu haben, denn man konnte nicht jedes Mal nach Jerusalem reisen, um dort einen Gottesdienst zu feiern. Es brauchte auf dem Land einfache Synagogen, um die Religion vor Ort zu pflegen.4 B) Auf der anderen Seite wird die Position vertreten, dass die Synagogen ihren Ursprung in der Abwesenheit des Tempels hatten, also im Untergang des ersten Tempels und auch in der Situation der Diaspora. In Jerusalem und in Eretz Israel, aber eben auch in der Diaspora brauchte man eine Art „Ersatz“ bzw. eine „Kopie des Tempels“, um in Privaträumen Gemeindeversammlungen, Lesungen und Gebete durchzuführen. Die Entstehung der Synagogen fiele damit frühestens in die Zeit des Babylonischen Exils oder in die Persische Epoche. Für diese Funktionsbestimmung wird auf den Propheten Ezechiel verwiesen, der in seinem Privathaus einen größeren Raum für Diskussionen über religiöse Inhalte und für prophetische Entscheide vorhielt (Ez 8,1; 14,1; 20,29).5 Die fern vom Tempel lebenden Juden erlangten durch die Synagogen die Möglichkeit, spirituell und rituell am Tempelleben zu partizipieren. 4  Finkelstein, The Origin of the Synagogue, 49–59. 5  „Damit ist nicht gesagt, dass es neben diesem Haus des Propheten nicht auch ein Gebäude gegeben hätte, das den religiösen und zivilen Versammlungen der Deportierten (des jeweiligen Ortes) diente, und wo die Ältesten ihre Zusammenkünfte abhielten und ihre Funktionen wahrnahmen. Aber auch das bleibt nur eine wenn auch sehr plausible Annahme.“ (Kreuzer, Beitrag in diesem Band, 4)

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Synagogen waren in dieser Perspektive eine Notlösung, um das Verlorene oder weit Entfernte vor Ort nacherlebbar zu halten. Einer der bekanntesten Forscher in dieser Richtung ist Donald D. Binder: „He argues that the synagogue was actually an extension of the Temple, in that the tasks, offices, liturgy, architecture, art and sacred rites were adopted by the early synagogue. Everywhere, the synagogue imitated the Temple as a sacred area, enabling the Jews, wherever they were, to participate in the central ritual. Binder (2011) contends that a Single cultic system, centered in Jerusalem, included both the Temple and the synagogues. The synagogues were gathering spaces for prayer and the reading of scripture on Sabbaths and holidays; Jewish communities around the world conducted these rites and thus participated vicariously in the Temple ritual.“6 C) Wenn man diese Hypothese, dass die Synagoge den untergegangenen Tempel ersetzen soll, erst auf den Zweiten Tempel bezieht, dann ergibt sich eine Spätdatierung von Synagogen erst nach 70 n. Chr. In der Funktion eines Ortes des Lesens und Feierns in einem Sakralgebäude wird die Synagoge in der Tat erst ab dem 2. Jh. n. Chr. greifbar.7 D) Auf der anderen Seite des Spektrums steht die Ansicht, dass sich in den Synagogen eine Opposition gegen den noch existierenden Tempel manifestiere. Die Synagogen wären demnach erst ab dem 2. Jh. v. Chr. entstanden. Sie hingen mit dem Aufkommen des Pharisäertums als einer Laienbewegung zusammen. Am schärfsten hat diese Position wohl Paul Flesher ausformuliert. Er unterscheidet die Synagoge sehr schroff vom Tempel, indem er sogar ein Narrativ von „zwei Arten des Judentums“ entfaltet: Das „Tempeljudentum“, das zum ritenorientierten Priestertum gehörte, und das „Synagogenjudentum“, das jedem einzelnen Juden die volle Teilnahme anbot, ganz unabhängig von irgendeinem Klerus.8 E) Die Synagoge bildete als Ort der Lesungen und Gebete eine Ergänzung neben dem Tempel, der weiter wichtig blieb. Tempel und Synagogen standen aber unverbunden nebeneinander: Das religiöse Gemeindeleben organisierte sich im „Gebet(shaus“), welches später Synagoge heißen sollte. Literarische Quellen beziehen sich auf diese Institution erst ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. (Philon von Alexandria, Josephus), als die Synagoge bereits das städtische Judäa für sich gewonnen hatte (erste Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr.). Jedoch zeigen Inschriften und Notizen innerhalb der Papyrus-Belege, dass es 6  Hachlili, Ancient Synagogues, 46 als Zusammenfasung der Sichtweise Binders. 7  So z.B. Heather Mc Kay oder Howard C. Kee. 8  Flesher, Prolegomena, 141, 148.

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„Gebetshäuser“ in Ägypten bereits seit der Regierungszeit Ptolemaios’ II. (246–221 v. Chr.) gab. Die Inschriften beschreiben öffentliche Gebäude, von denen mehrere dem Herrscher Ptolemaios III. und der königlichen Familie gewidmet sind von ‚den Judäern‘ des Ortes, des Dorfes oder der Stadt. Agatharchides von Knidos (2. Jahrhundert v. Chr.) beschreibt diese Bauten als ‚Tempel‘, in denen die Judäer sich versammeln, um am Sabbat gemeinsam zu beten (Josephus, Contra Apionem I, 209). Diese Zeugnisse weisen auf die Wichtigkeit des Gebetes und der Lesung des mosaischen Gesetzes im Judentum hin, ohne dass das ‚Gebetshaus‘ als möglicher Ersatz für den Tempel empfunden würde. Aus der Entfernung stellten die Judäer in Ägypten mittels Gebeten und Lesungen eine Verbindung her zu den öffentlichen Liturgien, welche die Kultgemeinde am Jerusalemer Tempel feierte. Tempel und Opferkult sollten bis zur Zerstörung des Tempels durch die Römer im Jahre 70 n. Chr. der zentrale Bezugspunkt der Beziehung bleiben, die die Judäer, wo sie auch lebten, mit ihrem Gott verband.9 F) Lee I. Levine versteht die antiken Synagogen als „ Jewish municipal centre, in which not only religious and cultic but also various other civic and political activities took place.“10 Für die vielfachen Lebensaufgaben der jüdischen Gemeinden brauchte es eine Sozialstation, eine Schule, ein Krankenhaus und eine Herberge für durchreisende Glaubensgenossen, einen Gerichtsraum, manchmal sogar ein Gefängnis, in begrenztem Umfang eine Bibliothek, aber auch einen Ort für Wohltätigkeitsveranstaltungen und einen Ort, wo Geld gesammelt und gelagert werden konnte. „Scholars debate the relation between Temple and synagogue. Levine contends that no rivalry existed. Each institution served particular needs and functions, and they were dissimilar in their organization; there is no evidence in contemporary Halakhic or exegetical sources regarding the sanctity of the synagogue.“11 So sieht Levine den funktionalen Ursprung der Synagoge in der Nähe des Stadttores. Auch Claußen vermutet den Ursprung in „Räumlichkeiten in und um das Stadttor“12. Dagegen hat Omerzu aber zutreffend argumentiert: „Das wesentliche Defizit 9  Sérandour, Geschichte des Judentums, 84; die Funktion als Ersatz und Nachfolge des Tempels ergibt sich erst später ab 100 n. Chr.: „Der Kult, der in den zunächst wenigen Synagogen gepflegt wurde, welche seit der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. in der Region entstanden, trat nach und nach die Erbschaft des zerstörten Tempelkultes an“ (a.a.O. 101). 10  Levine XXX:182–185. 11  Hachlili, Ancient Synagogues, 46. 12  Claußen, Versammlung, Gemeinde, Synagoge, 157.

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von Levines These, dass für das Stadttor keine außerbiblischen Belege für die in der Synagoge so zentrale Thoralesung vorliegen, […] wird mit dem Argument übertüncht, ‚die religiösen Funktionen der Synagogengemeinden seien demgegenüber allmählich aus dem privaten Kontext der Unterweisung und Feier in der Familie hervorgegangen‘.“13 Hannelore Künzel argumentiert ähnlich für ein multifunktionales Grundanliegen: „Im Gegensatz zum Tempel hatte die Synagoge nichts mit einem Opferkult zu tun und besaß daher auch keinen Altar. Die Synagoge war vor allem in der Antike ein Mehrzweckbau. Sie war in der Regel Stätte der Versammlung, des Gebets und der Lehre. Zuweilen übernahm sie auch die Funktion eines Schul- und Gerichtsgebäudes“14. Wie die Grundrisse der Synagogen aus dem 1. Jh. n. Chr. in Masada, Gamla und im Herodion bei Bethlehem zeigen,15 ist die Synagoge primär ein Versammlungsraum zum Vorlesen, Hören, Auslegen und Diskutieren der Tora sowie ein Raum des gemeinsamen Gebets. Die textliche Evidenz für diese Einordnung ist recht groß. G) Runesson16 hat dieses Modell von einem multifunktionalen Gemeindezentrum noch weiter differenziert. Er nimmt an: dass „the ancient synagogue existed in two distinct forms, with two distinct origins, namely „the public or municipal synagogue“, which originated in the land of Israel, and, „the association synagogue“, which originated in the Diaspora. Runessons Lösung erlaubt es ihm, eine Synthese des Verständnisses der Synagoge als städtischem Zentrum einerseits und des Verständnisses der Synagoge als freiwillige Vereinigung von Frommen auf dem Lande andererseits zu integrieren. Nach meiner im Folgenden noch zu entfaltenden Analyse kann man hier schon Folgendes sagen: Die Synagogen sind im Anfang – weder nostalgischer Tempel-Ersatz für die Diaspora seit dem Exil, – noch befinden sie sich in bloß funktionsbedingter neutraler Koexistenz, – schon gar nicht stehen sie in planmäßiger Opposition gegen das Tempelestablishment; – erst recht kann man nicht von zwei Arten von Judentümern sprechen, – auch sind Synagogen nicht Produkt eines jahrhundertelangen ungesteuerten Prozesses.

13  Omerzu, Rezension. 14  Künzel, Synagogenbau in der Antike, 47f. 15  Vgl. Künzel, 48. 16  Runesson (1999; 2001; 2003; 2004).

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Vielmehr meine ich plausibel machen zu können, dass die Synagogen ursprünglich als verlängerter Arm des Jerusalemer Tempels gemeint waren. Sie wurden von Jerusalem aus gegründet, aktiv in ihrer Arbeit unterstützt und auch kontrolliert. Dieses Modell geht von der Frage aus, wie das Judentum als Gesetzesreligion überhaupt entstehen, sich etablieren und die Katastrophen der Geschichte Israels überleben konnte. Es war die Tempelaristokratie, die von Anfang an systematisch dafür sorgen musste, dass die Tora verbreitet, gelernt und praktiziert wurde. Der Jerusalemer Tempel war der Nutznießer der Synagogen. Die dafür notwendige Form war die regelmäßige Lesung und Erläuterung der Tora des Mose und ihrer Gebote in der Gemeinschaft von Männern, Frauen und Kindern. Zur Begründung dieser Sicht kann ich drei Argumentationsketten anführen. Zum einen die archäologisch-epigraphischen Hinweise, zum andern die alttestamentlichen Texte und drittens allgemeine Überlegungen zu den institutionellen Notwendigkeiten einer Religion und ihrer geordneten Pflege. 2.

Abb. 2.1

Archäologisch-epigraphische Hinweise

Theodotos-Inschrift, Israel-Museum (Replica Jerusalem, Rockfeller Museum)17 75 cm × 41 cm, mit 10 Zeilen in Griechischer Unzialschrift

17  Bild Public Domain; © Sodabottle (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons. org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons.

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Der älteste inschriftliche Hinweis auf die Funktion einer Synagoge ist die Theodotos-Synagogeninschrift, die Raymond Weil in Teile zerbrochen bzw. zerschlagen 1913 bei seinen Ausgrabungen in der Davidstadt in einer Zisterne gefunden hat und die heute im Israel-Museum in Jerusalem ausgestellt ist.18 In Zeile 4f. wird die Funktion der Synagoge bestimmt: ΕΙΣ ΑΝ(ΑΓ)ΝΩ Σ(ΙΝ) ΝΟΜΟΥ ΚΑΙ ΕΙΣ (Δ)ΙΔAΧ(Η)Ν ΕΝΤΟΛΩΝ: „zum Vorlesen des Gesetzes und zum Beibringen19 der Gebote“. Dies ist die zentrale Aufgabe jeder Synagoge zur Zeit Jesu, aber wie auch schon die ersten Zeilen lehren, zu Zeiten der Väter und Großväter des Theodotos, also im 1. Jh. v. Chr. Die weiteren in der Inschrift genannten Funktionen wie Gästebewirtung und Waschgelegenheiten sind sonst nicht nachweisbar. „Nevertheless, it is quite possible that the description of the facilities of the synagogue (hostel, chambers and water fittings) in the Theodotos inscription relate only to a synagogue in Jerusalem, which had to accommodate for pilgrims visiting the City (at least during the three annual feasts) to participate in the Temple activities. These other facilities of the synagogue were not found and were not characteristic of other Second Temple buildings.“20 Zur Synagogenausstattung gehörte vermutlich auch der „Stuhl des Mose“, der symbolische Ort der autoritativen Schriftauslegung. „Auf die Kathedra des Moses haben sich die Schriftgelehrten und Pharisäer gesetzt“ (Ἐπὶ τῆς Μωσέως καθέδρας ἐκάθισαν οἱ γραμματεῖς καὶ οἱ Φαρισαῖοι)? (Mt 23,2), was Jesus aber als Anmaßung ansieht.21 Der aus einem Balsaltstein gehauene Thron gehört in die Synagoge von Kerazim und stammt aus dem 3. Jh. n. Chr. 3.

Literarische Indizien

Mit der Theodotos-Inschrift harmoniert die Auskunft Philos (Mos. 2,215f.; Somn. 2,127; Leg. 156), dass die Synagoge, wie er sie kannte, die Erfindung des 18  Die Datierung der Inschrift ist in der Forschung umstritten und ist nicht sicher; zumeist wird die Zeit vor der Zerstörung des Tempels angenommen. Zum vollständigen Text siehe oben bei Kreuzer. 19  Man könnte auch pointierter übersetzen „zum pädagogischen Unterrichten in den Geboten“, „Gebotsunterweisung“, was zum Parallelismus zu νόμος Sinn ergibt. 20  Hachlili, Ancient Synagogues, 526. 21  Vgl. Konradt, Das Evangelium nach Matthäus, 355.

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Abb. 2.2 Der Lehrstuhl des Mose aus der Synagoge Kerazim, Nordufer des See Genezareth, heute Israel-Museum

Mose war. Philo hält dies ebenso für selbstverständlich, wie Josephus es später auch tut (C. Ap. 2,175; vgl. A.J. 16,43–44). Warum Mose? Im Pentateuch ist deutlich, dass Mose nicht nur die Tora empfing, sondern sie auch selbst dem Volk öffentlich vorlas (z.B. Ex 24,7; Deut 5,1; 31,11). Diese Aktivität des (Vor-)Lesens und Unterrichtens in der Tora ist genau das, was diese Institution zur Zeit Jesu charakterisiert hat. Paulus konnte das gesamte Judentum unter dem Begriff „Synagoge“ fassen. Die synagogale Lesung war ein Identitymarker des Judentums.22 Logischerweise wird also die erste Person in der Geschichte, die mit dem Lesen und Unterrichten der öffentlichen Tora in Verbindung gebracht wird, der Gesetzgeber Mose selbst, als das Gehirn hinter der Institution Synagoge begriffen. Dies ist keine historische Aussage, aber gewiss spielte die herausragende Bedeutung des Moses für das jüdische Denken im Allgemeinen eine Rolle dabei, ihm den Ursprung einer Institution zuzuordnen, die für die jüdische Gesellschaft des ersten Jahrhunderts so zentral ist. Richtig dürfte auch die Einsicht sein, dass mit der Tora die Aufgabe der Verbreitung und Implementierung der Tora in den Gemeinden sachlogisch zusammenhängt. Es ging um Identitätsbildung der Gemeinde, nicht um eine zufällige Bildung, sondern eine geplante und von oben organisierte Grundlage. Das Judentum brauchte eine Form, sich zu bilden und durchzusetzen: Die Tora muss vor den 22  „By the first century, a weekly ceremony featuring the communal reading and Study of holy texts had become a universal Jewish practice. It was a unique liturgical feature in the ancient world; no such form of worship was known in paganism“ (Levine, Ancient Synagogue, 139; vgl. 142f.).

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Ohren des ganzen Volkes zu Gehör gebracht werden. Sie muss erklärt und auswendig gelernt in Lebenspraxis umgegossen werden.23 Aber wie weit reicht diese Idee in die Frühgeschichte der Synagoge zurück? 4.

Hinweise aus alttestamentlichen Texten

4.1 Baruch 1 – ein Zeugnis aus dem 2. Jh. v. Chr.24 Das schwer zu datierende Baruch-Buch (die Vorschläge reichen vom 6. bis zum 2. Jh. v. Chr., am wahrscheinlichsten ist der Anfang des 2. Jh. v. Chr.) wirft einen kleinen Lichtkegel auf die Funktion der Synagoge. Zur Belehrung und zur Buße wurde das Buch Baruch nach seiner Selbstdarstellung aus Babylon nach Jerusalem gesandt mit dem Auftrag: ἀναγνώσεσθε τὸ βιβλίον τοῦτο ὃ ἀπεστείλαμεν πρὸς ὑμᾶς ἐξαγορεῦσαι ἐν οἴκῳ κυρίου ἐν ἡμέρᾳ ἑορτῆς καὶ ἐν ἡμέραις καιροῦ (Bar 1,14) Lest dieses Buch vor, das wir zu euch gesandt haben, damit ihr’s im Hause des Herrn vorlesen sollt am Feiertag und an andern Festtagen,25 Die Bewohner der Stadt sollen aus der Vorlesung des Buches „im Gotteshaus“26 erkennen: Der Herr, unser Gott, ist gerecht; wir aber tragen heute mit Recht unsre Schande […], weil wir vor dem Herrn gesündigt und ihm nicht geglaubt haben und nicht gehorcht der Stimme des Herrn, unsres Gottes, nach seinen Geboten zu leben, die er uns gegeben hat. (καὶ οὐκ ἠκούσαμεν τῆς φωνῆς κυρίου θεοῦ ἡμῶν πορεύεσθαι τοῖς προστάγμασιν κυρίου οἷς ἔδωκεν κατὰ πρόσωπον ἡμῶν) (Bar 1,15) 23  Die Logik des Arguments, dass Mose und Tora eng zusammenhängen, war so stark, dass sie noch bis ins 17. Jahrhundert verteidigt wurde, z.B. von Hugo Grotius mit Bezug auf Dtn 31,12. Der italienische Humanist Carlo Sigonio (1524–1584) war der erste, der den mosaischen Ursprung 1583 ernsthaft in Frage stellte und die Hypothese vorschlug, dass die Synagoge im babylonischen Exil und an anderen Orten in der Diaspora entstand (so nach Urman/Flesher, Ancient Synagogues XXI). 24  Floyd, Glimpse, 25–42. 25  Zum Problem, ab wann in Synagogen die Sabbatobservanz nachweisbar ist (nämlich spät, d.h. ab dem 2. Jh. n. Chr.) vgl. McKay, Sabbath and Synagogue. 26  Steck, Das Buch Baruch, 33, Fn. 29, identifiziert das „Haus des Herrn“ nicht mit einer Synagoge, sondern meint, dass es das Gelände um das Haus Gottes herum bezeichne. Dass „Haus“ hier „Areal“ bedeuten soll, ist nicht überzeugend.

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Wie Michael H. Floyd 2016 nachgewiesen hat, wird hier ein kurzer Blick auf das geöffnet, was in Synagogen realiter stattfand. Es wurden Schriften verlesen, welche die „Stimme des Herrn“, d.h. die Gebote Gottes, als autoritativ aufweisen und die Lebenssituation der aktuellen Gemeinde im Lichte dieser Gebote deuten sollten: Weil Israel Gottes Gebote übertreten hat, musste Israel – wie im Deuteronomium angekündigt – seine Strafe erleiden: „Baruch shows that by the second century BCE some local assemblies in the diaspora envisioned the institutionalization of certain penitential practices which they considered complementary to Jerusalem’s sacrificial cult. Groups that were synagogues in this sense thus saw themselves as outlying extensions or satellites of the temple.“27 Darin spiegelt sich eine Art „Predigttechnik“: Baruch thus presents ‚Babylonian exile‘ in the abstract, as if it were a condition that persists even after restoration happens. The narration recognizes that the Jerusalem temple cult has been restored, as it finally was in the reign of the Persian emperor Darius II (ca. 516 BCE), but it superimposes upon this situation the time frame of Babylonian rule (597–539 BCE), as if to say that ‚although there has been a return to Jerusalem and a resumption of sacrifices in the temple there, we are still, in effect, in exile‘.28 Der Umstand, dass dieser Brief im Kanon steht, verdeutlicht auch, welche Auswirkung eine gottesdienstliche Verlesung hat; sie bewirkt allmählich eine überzeitliche Geltung oder anders gesagt: die Akzeptanz des Baruch-Buches als Heilige Schrift. Neh 8,1–12 als die Urszene des synagogalen Gottesdienstes 4.2 In ähnliche Richtung, aber wesentlich ausführlicher als Baruch 1, verweist die Darstellung in Neh 8, die in der Forschung gerne als „Urbild des synagogalen Gottesdienstes“29 angesehen wird. Der Text beschreibt in idealtypischer Verdichtung, wie ein Wortgottesdienst aussehen sollte.30 Der Text nennt vier Teilmomente: a) Die Verlesung der Tora von einem „Turm aus Holz“, (‫ל־עץ‬ ֵ ‫) ִמגְ ַּד‬, d.h. hohen hölzernen Lesepult (LXX βῆμα= „erhöhte Plattform“31), aus, was die gehobene Bedeutung der Schrift sinnfällig macht. b) Zur Schriftlesung steht 27  Floyd, Glimpse, 40, Hervorhebung M.O. 28  Floyd, Glimpse, 28. 29  Gunneweg, Nehemia, 110. 30  Venema, Reading Scripture, 138–181; Hieke, Bücher Esra und Nehemia, 189–201. 31  Schaller, Art. βήμα, EWNT I, 2 Stuttgart 1980, 517f.

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die Gemeinde auf, offenbar für Stunden, was die Bedeutsamkeit der Lesung nochmals verstärkt. Das ganze Volk soll aufmerksam zuhören, seine Ohren auf das Wort richten. c) Die Lesung wird von der Gemeinde dreifach beantwortet: mit einer feierlichen Bekräftigung, einem doppelten „Amen!“, mit extensiven Bewegungen von hoch erhobenen Händen bis hinab zur Proskynese und mit einem Buß-Gebet. d) Es geht aber nicht nur um das Hören, sondern um das Verstehen. Die Leviten explizieren den Sinn der Gebote, die Abschnitt für Abschnitt vorgelesen werden,32 so lange, bis alle verstanden haben (‫)ּבין‬, worauf es ankommt. Homiletik und Hermeneutik kommen ebenso zusammen wie Predigt und ethische Belehrung, die sich am Text entlang bewegt. Obgleich „gesetzlich“ über das, „was Gott Israel befohlen hat (‎‫“) ִצָ ּ֥וה‬, gepredigt wird und obgleich die Strafen, die das Gesetz für Übertretungen androht (vgl. Lev 26,14–41; Dtn 28,14–68), mitgelesen und mit erläutert werden, was die Hörer zu Tränen der Verzweiflung treibt, bewirkt das Verstehen der Gebote am Ende doch große Freude und ein Feiern mit einem opulenten Festmahl. Die Tora richtig zu verstehen und nach ihr zu leben, das macht glücklich. Weil der Text so zentral ist, soll er hier vollständig angeführt werden: 1 Da versammelte sich das ganze Volk wie ein Mann auf dem Platz vor dem Wassertor und sie sprachen zu Esra, dem Schriftgelehrten, er solle das Buch des Gesetzes des Mose, das JHWH Israel geboten hat, holen. 2 Und Esra, der Priester, brachte das Gesetz vor die Gemeinde, d.h. vor Männer und Frauen und alle, die es verstehen konnten, am ersten Tage des siebenten Monats 3 und las daraus auf dem Platz vor dem Wassertor vom frühen Morgen an bis zum Mittag vor Männern und Frauen und wer’s verstehen konnte. Und die Ohren des ganzen Volks waren dem Gesetzbuch zugekehrt. 4 Und Esra, der Schriftgelehrte, stand auf einem hölzernen Lesepult, die sie dafür gemacht hatten, und es standen neben ihm Mattitja, Schema, Anaja, Uria, Hilkija und Maaseja zu seiner Rechten, aber zu seiner Linken Pedaja, Mischaël, Malkija, Haschum, Haschbaddana, Secharja und Meschullam. 5 Und Esra tat das Buch auf vor aller Augen, denn er überragte alles Volk; und als er’s auftat, stand alles Volk auf. 6 Und Esra lobte den HERRN, den großen Gott. Und alles Volk antwortete: „Amen! Amen!“, und sie hoben ihre Hände empor und neigten sich und beteten den HERRN an mit dem Antlitz zur Erde. 32  Alternative Deutungen von parasch vgl. Hieke, Die Bücher Esra und Nehemia, 199.

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7 Und die Leviten Jeschua, Bani, Scherebja, Jamin, Akkub, Schabbetai, Hodija, Maaseja, Kelita, Asarja, Josabad, Hanan, Pelaja unterwiesen das Volk im Gesetz und das Volk stand auf seinem Platz. 8 Und sie legten das Buch des Gesetzes Gottes klar und verständlich aus, sodass man verstand, was gelesen worden war. 9 Und Nehemia, der Statthalter, und Esra, der Priester und Schriftgelehrte, und die Leviten, die das Volk unterwiesen (‫)ּבין‬, sprachen zu allem Volk: […] die Freude am HERRN ist eure Stärke. […] 12 Und alles Volk ging hin, um zu essen, zu trinken und davon auszuteilen und ein großes Freudenfest zu machen; denn sie hatten die Worte verstanden, die man ihnen kundgetan hatte. (Neh 8,1–12) Das Volk verlangte nach der Tora. Esra, der Schriftgelehrte, inszeniert die Versammlung; er brachte das Gesetz vor die Ohren des Volkes. Die Initiative zur Lesung und zur Katechese geht vom Tempel aus, um der Gemeinde die Gebote massiv einzuprägen! Das ganze Volk wird unterwiesen; nicht für Einzelne, sondern für alle findet eine allgemeine Schule statt: Männern und explizit Frauen und Kindern, welche die notwendige intellektuelle Reife mitbringen, wird die mosaischen Unterweisung zuteil. Die Erklärung des praktischen Sinnes der Tora ist das Ziel. Es geht weniger um Predigt als Erbauung, sondern um eine strenge Sonntagsschule mit kultischem und ethischem Schwerpunkt. Dies trifft sich exakt mit der Theodotos-Inschrift und zeigt, dass die Funktion der Synagoge33 schon im 5. Jh. v. Chr. die gleiche war wie im 1. Jh. n. Chr. Alle Anstrengungen zielen auf das Verstehen und das Praktizieren der Tora. Kleinere Anspielungen auf die Situation in den synagogalen Predigtgottesdiensten Neben Neh 8 könnte man noch auf wenige Indizien in den Texten aus der Perserzeit verweisen, die auf eine solche Verkündigungssituation hinweisen. Z.B. 4.3

die Formel: „sagt der ganzen Gemeinde Israel“ (‫)דברו אל־כל־עדת ישראל‬ (Ex 12,3; 16,9f.; 34,5; Lev 19,2; Num 14,7),

33  Dass es sich um eine Szene im Freien handelt, ist der Erzählsituation geschuldet. Auch dass es sich um ein einmaliges Event handelt, rechtfertigt kaum den Schluss: „There is not enough evidence to assume that a synagogal service was at the background of the basic text or of any addition to this chapter.“ (Pakkala, Ezra the scribe, 179).

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die Wendung: „und diese ganze Gemeinde hier soll erkennen“ (1 Sam 17,47)34 (‫)וידעו כל־הקהל הזה‬, „ich verkündige in der großen Gemeinde“ (Ps 40,10f.), wobei hier an eine Predigt im Tempel gedacht sein könnte. Je nachdem, wie man den „Tel Deuteronomium“ diachron schichtet, könnten aus der Exilszeit oder ggf. noch früher Formulierungen stammen wie: damit ich dir verkündige das ganze Gesetz, die Gebote und Rechte, die du sie lehren sollst, dass sie danach tun in dem Lande (‫המצוה והחקים‬ ‫)והמשפטים אשר תלמדם ועשו בארץ‬ Und nun höre, Israel, die Satzungen und Rechte, die ich euch lehre, damit ihr danach handelt (Dtn 4,1) Höchst interessant ist die kurze Notiz darüber, wie die neu angesiedelten assyrischen Bewohner Samarias zur JHWH-Religion gebracht werden sollen. Diese religiöse Aufrüstung war nötig, weil die in der JHWH-Religion theologisch völlig ungebildeten Assyrer wegen ihrer Gebotsübertretungen andauernd von Löwen gefressen worden sein sollen: Der König von Assyrien gebot: Bringt dorthin einen der [JHWH-]Priester, die von dort in die Verbannung geführt sind; sie sollen hingehen und dort wohnen; und er lehre sie die Verehrung des Gottes des Landes. (2 Kön 17,27) Der Priester führte eine Art theologische Volkshochschule für assyrische Besatzungsmächte durch. Diese Szene gibt wohl umgekehrt auch einen Blick darauf frei, wie es mit der religiösen Erziehung des eigenen Volkes in Samaria bestellt ist. Der Synagogenunterricht vollzog sich in einer „liturgischen Trias von Lesungen, wo notwendig gefolgt von einer Übersetzung des Gelesenen und in der Regel abgerundet durch eine das Gelesene erklärende und sich auf die Anwesenden beziehende Homilie; sie war gleichzeitig Teil des sozioreligiösen Bildungsprogramms einer jeden Synagoge.“35

34  Vgl. M. Oeming (2019), Erzählen lernen, 129f. 35  Gelardini, Verhärtet eure Herzen nicht, 148. Gelardini hat für ihre originelle Interpretation des Hebräerbriefes als eine Predigt für eine Synagoge in Rom ein umfangreiches Portrait

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„Kommt her zu mir, ihr Ungebildeten, verweilt in meiner Schule!“ (Sir 51,23). Das Problem der Nähe von Synagoge und Schule

Die bis hierher entfaltete Theorie der frühen Synagoge als „Lernort der Tora“ und der Didaktik der Gebote bringt die Frage auf, wie sich diese Institution zur Schule allgemein verhält. Die wissenschaftliche Diskussion um die Anfänge des Schulwesens sind den zuvor behandelten Fragen weithin strukturanalog. Schulgebäude sind archäologisch nicht nachweisbar; auch die Frage, wo die „normale“ Ausbildung für die Anforderungen des Alltags stattfand, wird in der Literatur aus der Zeit nicht viel behandelt. Man gewinnt aus den Texten den Eindruck, dass eine Alphabetisierung in Israel relativ früh vorlag und dass Schriftlichkeit wie selbstverständlich vorausgesetzt wird. Nach Ri 8,14 z.B. greift sich Gideon einen Knaben aus Sukkot, der ihm die 77 Namen der Obersten der Stadt wie selbstverständlich aufschreibt. David schickt ebenso verwerfliche Briefe zur Tötung Urias (2 Sam 11,15) wie Isebel zum Justizmord an Naboth (1 Kön 21,8f.). André Lemaire hat die These vertreten, dass es ab dem 10. Jh. Schulen als Lernorte der Schrift im doppelten Sinne gab: die Kunst des Lesens und Schreibens wurde an Heiligen Texten geübt.36 D.W. Jamieson-Drake37 hat auf der Basis des Materials bestritten, dass es ein Schulsystem in Israel und Juda gab. Ausbildung und Training der Schreiber „take place primarily if not exclusively in Jerusalem“. Noch skeptischer äußerte sich Christopher Rollston.38 Eine rezente Untersuchung der bislang entdeckten Ostraka-Hortfunde (119 in Samaria, die mit Weinhandel zu tun haben; 35 aus dem Stadttor von Lachisch mit Militärangelegenheiten und 100 aus Arad ebenfalls militärischen Inhalts) mit feinsten Methoden der Schriftanalyse (C14-Analyse und Software, wie sie von Banken benutzt wird, um Fälschungen von Unterschriften aufzudecken) ließ erkennen, dass vor allem im Bereich des Militärs viele der Schrift kundig waren (in Arad waren es acht verschiedene Schreiber, die alle eine ganz außergewöhnlich gute Beherrschung der Rechtschreibung aufweisen!).39 Man könnte hier sogar Indizien für das literarische Szenario sehen, in welchem die vorexilische Ausgabe des Deuteronomistischen Geschichtswerks anzusetzen ist.40

der antiken Synagoge (87–122) sowie der in Synagogen gehaltenen Predigten (123–168) als Grundlage entfaltet. 36  Lemaire, Écoles. 37   Jamieson-Drake, Scribes and Schools, 159. 38  Rollston, Writing and Literacy; Ders. Scribal Curriculum. 39  Sh. Faigenbaum-Golovin et al.: Algorithmic Handwriting. 40  Allerdings kann man auch fragen, ob nicht.

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Es wurde vielfach vermutet, dass das Lernen, gerade auch das religiöse Lernen, zu Hause stattfand. Das ist wohl möglich, aber heißt das notwendig, dass es im Einzelunterricht vonstattenging? Zwischen Lemaires Schulsystem und Rollstons Ausbildung durch den individuellen Lehrmeister kann und sollte man sich Zwischenstufen vorstellen. Und dieses Zwischen ist die Synagoge. Religiöses Lernen wurde von Jerusalem aus gefordert und gefördert, darin liegt die Richtigkeit von Jamieson-Drakes Theorie von Ausbildungszentren in Jerusalem. Auch wenn es anachronistisch ist, sei ein Vergleich erlaubt: Im Zeitalter der Reformation erlebte das Lernen in Deutschland eine enorme Blüte, sogar Frauen und Mädchen lernten Lesen und Schreiben. Analoges war vermutlich in Juda und Israel der Fall: Das Volk sollte lesen lernen, damit es die Schrift studieren konnte. Aber die Biblia Hebaica erwähnt nirgendwo eine Schule (bêt-midraš). Mehr oder weniger indirekte Hinweise könnte man aus folgenden Texten entnehmen. 1 Sam 1,22–28; 1 Sam 2,11.18–19;1 Sam 3,19; 2 Sam 12,25; 1 Kön 12,8.10; 2 Kön 6,1; 2 Kön 10,1.5.641; 2 Kön 12,3; 2 Chr 22,11; Jes 8,16; Jes 28,7–13; Jes 50,4–6.42 Neben diesen Texten stehen die Weisheitsbücher des Alten Testaments, die vielfach als Schultexte angesehen werden. Die mangelhafte Quellenlage lässt alle konkreten Ausmalungen als Spekulationen erscheinen. Aber neben dem Königshof, den Militärschulen und den Tempeln wären die frühen Synagogen, als von Jerusalem aus initiierte Volksschulen, ein durchaus denkbarer, ja naheliegender Kontext. In der Septuaginta ist einmal von einer Schule die Rede: „Haus der Erziehung“ ἐγγίσατε πρός με ἀπαίδευτοι καὶ αὐλίσθητε ἐν οἴκῳ παιδείας. „Kommt her zu mir, ihr Ungebildeten, verweilt in meiner Schule!“ (Sir 51,23) Nur im Sinne einer Frage sei hierzu angemerkt, dass Jesus Sirach den Titel „Ecclesiasticus“ bekam. Verbirgt sich darin zumindest ein kleiner Hinweis auf seine Verwendung in der Synagoge? Ist seine dankbare Haltung gegenüber den Lehrern von da her verständlich? 13 ἔτι ὢν νεώτερος πρὶν ἢ πλανηθῆναί με ἐζήτησα σοφίαν προφανῶς ἐν προσευχῇ μου 14 ἔναντι ναοῦ ἠξίουν περὶ αὐτῆς καὶ ἕως ἐσχάτων ἐκζητήσω αὐτήν 15 ἐξ ἄνθους ὡς περκαζούσης σταφυλῆς εὐφράνθη ἡ καρδία μου ἐν αὐτῇ ἐπέβη ὁ πούς μου ἐν εὐθύτητι ἐκ νεότητός μου ἴχνευον αὐτήν 16 ἔκλινα ὀλίγον τὸ οὖς μου καὶ ἐδεξάμην καὶ πολλὴν εὗρον ἐμαυτῷ παιδείαν προκοπὴ ἐγένετό μοι ἐν αὐτῇ τῷ διδόντι μοι σοφίαν δώσω δόξαν (Sir 51,17).

41  ‫אמ ִנים‬ ְ ֹ wären die „Erzieher“. 42  Nach Lemaire, Écoles, 34–40.

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13 Als ich jung und noch nicht unstet war, suchte ich eifrig die Weisheit. 14 Sie kam zu mir in ihrer Schönheit, und bis zuletzt will ich sie erstreben. 15 Und wie nach dem Blühen die Trauben reifen, die das Herz erfreuen, so schritt mein Fuß auf geradem Weg; denn schon von Jugend an habe ich sie erkannt. 16 Nur kurz hörte ich hin, und schon fand ich Belehrung in Menge. 17 Sie ist für mich zur Amme geworden; dem, der mir Weisheit gab, will ich ein Lobpreis geben. Leider bleibt die Rekonstruktion des frühen Synagogenbetriebes und der Schulen eine Gleichung mit zu vielen Unbekannten, als dass man sie eindeutig auflösen könnte. Aber noch das Leben des galiläischen Wanderlehrers Jesus wirft einen gewissen Schatten auf die Anfänge zurück. Wie er seine Lehre verbreitete, so ähnlich dürften auch die deuteronomistischen Gesetzestheologen und die priesterlichen Ritualmissionare ihre Theorien im Volk zu implementieren versucht haben. Καὶ περιῆγεν ὅλην τὴν Γαλιλαίαν ὁ Ἰησοῦς, διδάσκων ἐν ταῖς συναγωγαῖς αὐτῶν, εἰσελθὼν εἰς τὴν συναγωγὴν ἐδίδασκεν. Und er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in ihren Synagogen, verkündigte das Evangelium vom Reich und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen im Volk. (Mk 1,21) ἐγὼ πάντοτε ἐδίδαξα ἐν συναγωγῇ καὶ ἐν τῷ ἱερῷ, ὅπου πάντοτε οἱ Ἰουδαῖοι συνέρχονται Ich habe allezeit gelehrt in der Synagoge und im Tempel, wo alle Juden zusammenkommen. (Joh 18,20) Auch die späteren Jünger mahnen: Ἕως ἔρχομαι, πρόσεχε τῇ ἀναγνώσει, τῇ παρακλήσει, τῇ διδασκαλίᾳ. Bis ich kommen werde, achte auf das Vorlesen, auf das Ermahnen, auf das Lehren! (1 Tim 4,13) 6.

Die Synagogen und die Anfänge des Kanons

Wenn die Synagoge der Ort war, wo autoritative Literatur gelesen, übersetzt, überdacht und gepredigt werden sollte, dann muss man weitergehend

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fragen: Welche Rolle spielten diese synagogalen Kernaktivitäten für die Entstehung der Sammlung der Heiligen Schiften? Ist es vorstellbar, dass gerade diejenigen Texte, die in dieser Weise gepflegt wurden, letztlich zu dem Corpus der Heiligen Texte wurden, das im Judentum in Palästina und in der Diaspora allgemein akzeptiert wurde? Wie ich an anderen Stellen bereits versucht habe zu begründen, ist die Entstehung des Kanons und die Akzeptanz dieser „Schriften“ als autoritativ (einschließlich auch der regionalen Differenzen an den Rändern) sehr eng mit der Verwendung im Jerusalemer Tempel, aber eben auch mit der Pflege der Texte in den Synagogen verbunden.43 Der Kanon kann daher keinesfalls als individuelle Leistung gelten, sondern muss für das Alte Testament als das Ergebnis eines viele Jahrhunderte langen Erschließungs-, Deutungs- und Selektionsprozesses begriffen werden. Allerdings sind die formativen Prozesse im Einzelnen kaum mehr aufhellbar. Die Einsicht in die Nichtrekonstruierbarkeit der vielfädigen Kanonentstehung zwingt dazu, sich von solchem individualistischen Denken zu lösen und die Entstehung des Kanons – zumindest tendenziell – stärker „demokratisch“ zu denken. Der Gebrauch oder Nicht-Gebrauch in den potentiell unendlich vielen Gottesdiensten der weltweiten Synagogen mit Lesungen und Predigten entschied über kanonisch oder nicht-kanonisch sehr erheblich mit. 7. Ergebnis Die Analysen zur Funktion der ersten Synagogen führten zu einem relativ sicheren Resultat: Die Synagogen sind aus einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die alle parallel und synchron wirkten, synchron zum Tempel gewachsen. Sie waren ein lebensnotweniges und lebensdienliches Projekt der Priester und Leviten in Jerusalem, welche eine Existenz nach den Geboten Gottes als den „Weg zum Leben“44 propagierten. Diese hatten ein elementares Interesse daran, dass die Gesetze regelmäßig der Gemeinde vorgelesen wurden. Sie wollten, dass die Menschen in Juda und später überall in der Diaspora die Gebote so gelehrt bekamen, dass sie sie verstanden und sie willentlich als Verpflichtung annahmen (Neh 8). Man wollte von Jerusalem aus sicherstellen, dass die Regeln des Moses und die Anweisungen seiner Tora flächendeckend verbreitet und in der Gemeinde implementiert wurden. Die

43  Dohmen / Oeming, Biblischer Kanon, Oeming, Das Hervorwachsen des Normativen. 44  „Du tust mir kund den Weg zum Leben“ (Ps 16,11) „Wer das Gebot bewahrt, der bewahrt sein Leben; wer aber auf seinen Weg nicht achtet, wird sterben. (Prov 19,16)

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Synagogen waren von Anfang an der entscheidende Ort, wo „Judentum“ im weitesten Sinne entstand und vor dem Untergang bewahrt wurde. Damit erweisen sich Julius Wellhausens Ansichten als erstaunlich zutreffend (auch wenn der leicht abwertende Unterton nicht ganz angemessen ist): Zu dem Cultus als geistigem Mittelpunkt der Gemeinde kam das Gesetz als ein zweiter dazu. Durch seinen Inhalt stützte es allerdings den Cultus und erhöhte die Würde und Macht der Priester. Aber durch seine Form hatte es eine andere Wirkung; es war kein Manuale für den Klerus, sondern ein öffentliches Buch zum Unterricht und zur Nachahmung für die Gemeinde. Das Ende war sogar, daß die Hierokratie durch die Nomokratie verdrängt wurde, freilich erst im Lauf einer langen Zeit.45 Wellhausen hat schon klar gesehen, dass die Initiative zu den Synagogen vom Tempel ausging und dem Tempel diente: Neben den Tempel traten die Synagogen. In ihnen lebten gewissermaßen die alten Bamoth wieder auf, an deren Stätte sie oft genug gestanden haben mögen. Nur waren sie nicht Gotteshäuser im antiken Sinne, bestimmt zur Wohnung der Gottheit und zu ihrer Bedienung, sondern Gotteshäuser im modernen Sinne, bestimmt zur Versammlung und Erbauung der Menschen. Ihre Ursprünge liegen im Dunkel, wie die Ursprünge alles Lebendigen und spontan Erwachsenen. Sie hängen nicht mit den alten politisch-sakralen Vollbürgerversammlungen zusammen, eher mit den im Psalter öfters erwähnten Conventikeln der Frommen. Schon im babylonischen Exil haben fromme Versammlungen ohne Opfer stattgefunden. Regelmäßiger und von allgemeinerer Bedeutung sind dieselben aber erst seit der Einführung des Gesetzes geworden. Die Vorlesung des Gesetzes stand im Mittelpunkte des synagogalen Gottesdienstes, daran schloss sich die Vorlesung der Propheten. Ebenso wichtig und vielleicht noch älter war aber auch das gemeinsame Gebet, der Rest des Opfers. […] An die Seite der Priester traten die Schriftgelehrten. Synagogen waren Lernorte der Tora des Mose und als Schulungszentrum für angemessene Gebotsausübung im Alltag (inklusive Diskussionen darüber). In der Ausübung dieser Funktion wurden die Synagogen gleichsam als „Beifang“ zu multifunktionalen „Gemeindezentren“; sie waren Orte des Gebets, der Begegnung, des Diskutierens, der Rechtsfindung, der Bildung, der Bücher, 45  Wellhausen, Israelitisch-jüdische Geschichte, 184f. (= 8. Aufl. 193f.).

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der Mildtätigkeit und der Gastfreundlichkeit. Sie gehörten wahrscheinlich schon vorexilisch zum Kern-Israel, denn sonst wäre die nachexilische Verbreitung in der gesamten Diaspora nicht verständlich, gewiss aber wurden sie für das exilische und nachexilische Judentum essentiell. Funktional waren die frühen Synagogen Schulen zum Erlernen der Schrift (im doppelten Sinne), des Gesetzes und der Propheten (als Ausleger des Gesetzes), der Psalmen und der Weisheit. Dadurch, dass die Texte in den Gottesdiensten benutzt und bekannt wurden, waren es die Synagogen, die ihnen noch weitre Autorität verliehen. Die synagogalen Verwendungen haben im Exil, spätestens ab der Perserzeit, die Realität des Kanons mitgeschaffen und gestaltet. Bibliographie Binder, Donald D., Into the Temple Courts: The Place of the Synagogues in the Second Temple Period (SBLDS 169), Atlanta: Soc. of Biblical Literature, 1999. Binder, Donald D., The Origins of the Synagogue, in: Olsson / Zetterholm, 2003, 118–131. Claußen, Carsten, Versammlung, Gemeinde, Synagoge. Das hellenistisch-jüdische Umfeld der frühchristlichen Gemeinden (Studien zur Umwelt des Neuen Testaments 27), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2002. Claußen, Carsten, Artikel „Synagoge (NT)“, 2013, unter https://www.bibelwissenschaft. de/stichwort/53997/ Dohmen, Christoph / Oeming, Manfred, Biblischer Kanon, warum und wozu? Eine Kanontheologie (QD 137), Freiburg/Basel/Wien: Herder, 1992. Faigenbaum-Golovin, Shira et al., Algorithmic Handwriting Analysis of Judah’s Military Correspondence Sheds Light on Composition of Biblical Texts. Proceedings of the National Academy of Sciences 113, no. 17 (April 2016) 4664–4669. Fine, Steven (Hg.), Sacred realm. The Emergence of the Synagogue in the Ancient World, New York: Oxford University Press and Yeshiva University Museum, 1996. Finkelstein, Louis, The Origin of the Synagogue, Proceedings of the American Academy of Jewish Religion1 (1928–1930) 49–59; reprinted in: Joseph Gutmann, The Synagogue: Studies in Origins, Archaeology, and Architecture, New York: Ktav Publ. House, 1975, 3–13. Flesher, Paul Virgil McCracken, Prolegomena to a Theory of Early Synagogue Development, in: Avery-Peck, Alan J. / Neusner, Jakob, Judaism in Late Antiquity, Pt. III: Where We Stand: Issues and Debates in Ancient Judaism (vol. IV of The Special Problem of the Synagogue), Leiden: Brill, 2001. Flesher, Paul / Urman, Dan, Ancient Synagogues: Historical Analysis and Archaeological Discovery (2 Bd.), Leiden: Brill, 1995. Floyd, Michael H., A Glimpse of the Emerging Synagogue in the Book of Baruch, in: Sean A. Adams (Hg.), Studies on Baruch. Composition, Literary Relations, and

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Consequences of the Desecration and Destruction of Alexandrian Synagogues as Spaces of Learning and Living An Orientation Based on Philo’s In Flaccum and Legatio ad Gaium Gert J. Steyn 1.

Introduction and Terminology

The Jewish Diaspora synagogues – particularly in Egypt and Alexandria – were initially not designated with the term “synagogue” (συναγωγή), but rather with the terms “prayer houses” or “prayer places” (προσευχή – literally “prayer”),1 “holy places” (ἱερόν), or even as a “sabbath house” (σαββατεῖον).2 Such “prayer places” were most likely “more of the nature of an enclosure, marking off the sacred spot from the profane foot, than of a roofed building like a synagogue”.3 The reference to “synagogue” probably originally indicated a gathering rather than a building4 and were thought to have been instituted by Moses.5 The earliest references6 to these crucial Jewish institutions during the Diaspora, came from Egypt instead of Palestine. It is dated during the time of Ptolemy III Euergetes, between 246 and 221 B.C.E.,7 with the dedication of a “prayer house” (προσευχή) by the Ioudaioi of Schedia, a suburb of Alexandria.8 In a 1  So also Acts 16:13. “Whether the occurrence of this word in Acts 16:13 designates a synagogue or a prayer meeting at Philippi is a matter of dispute” (Chilton / Yamauchi, Synagogues, 1145). Cf. P.R. Trebilco: “At first the building seems to have been called a proseuchē, or place of prayer (see CPJ 129, 134, 138, 432; Horbury / Noy, nos. 9, 13, 22, 25, 27, 125–26; 3 Macc 7:20; Philo Flacc. 41, 45, 122; Josephus Life 280; CII 682–84, 690, 726); sometimes the congregation that gathered in the building is called synagōgē, which means ‘assembly.’ However, later the building in which they assembled is more often called the synagōgē” (“Diaspora Judaism”, 291). 2  Cf. Josephus, Ant. 16.164. He calls it a σαββατεῖον (“sabbath-house”) as meetings took mostly place on the Sabbath. 3  Levertoff, Synagogue, 2977–2979. 4  Gruen, Judaism in the Diaspora, 80. 5  Cf. Apion, ii, 17; Philo, Vit. Mos, iii.27; compare Targum Jer. to Exod. 18:20 (P. Levertoff, Synagogue, 2977-79). 6  Extant are fifteen inscriptions and a number of papyri from the 3rd cent. B.C.E. to the 1st cent. C.E. “Almost all use the term proseuchē; the term synagōgē is rare” (Zangenberg, “Archaeology”, 210). Similarly, Claussen, Meeting, 147. 7  Trebilco, “Diaspora Judaism”, 291. 8  “Because the building itself has not been found (indeed, no synagogue building has been excavated at all in Egypt), nothing is known about its shape and architectural context”

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recent investigation where five case studies were analysed, Lidia Matassa cautions against unverified and too quick identifications of first-century synagogues. She writes: “There is little evidence in the sources to help us to make specific identifications. Even though it is widely accepted that the proseuchai of Hellenistic and Roman Egypt evolved into the institution we know as the synagogue, there is nothing in the material record to support this claim.”9 This word of caution is in line with other voices “who dispute the interpretation of references to these proseuchai in Egypt as synagogues” and who hold the opinion that the synagogue as an institution developed in Palestine in the 2nd cent. B.C.E. during the rise of the Pharisees.10 The Jewish community in Alexandria11 (and Sardis) was called a politeuma12 during the 1st cent. B.C., “the term for an organized body of citizens within a Hellenistic city. In Alexandria this politeuma was governed by a council called the gerousia.”13 The Letter of Aristeas (Ep. Arist. 310) reports that a gerousia represented the Jews of the whole city of Alexandria, whereas an ethnarchēs stood at the head of the Jews during the time of Strabo.14 Augustus rectified the situation again in 11 C.E. “by either reintroducing the gerousia or giving it the power previously vested in the ethnarchēs (Philo Flacc. 74, 117)”.15

(Zangenberg, “Archaeology”, 210). So also Claussen, Meeting, 148. Cf. Reinach, date de la colonie juive d’Alexandrie, passim; Schrage, συναγωγή, κτλ., 811. 9  “There can be little doubt that the synagogue began to take on its more sacral functions after the destruction of the Jerusalem temple in 70 CE, and that this happened far from Jerusalem. There can be little doubt that it was in this period, also, that the physical structure of the synagogue began to take shape …” (Matassa, Invention, 215–216). 10  See Chilton, “Synagogue”, 1146. 11  Cf. Schäfer: “Die freiwillig nach Ägypten ausgewanderten bzw. von Ptolemaios deportierten Juden bildeten dann den Kern der späteren jüdischen Diaspora, vor allem in Ägypten (und dort in Alexandria)” (Geschichte, 14). 12  Compare, for instance, also C. Claussen: “A situation like that of the huge Jewish politeuma in Alexandria is by no means common for other places and regions” (“Meeting”, 149). Hence, “There has been debate about whether the Jews of Alexandria were organized as an autonomous politeuma as other ethnic groups of originally military settlers were” (Noy, “Egypt”, 566). According to Zangenberg, those who belonged to the politeuma of Jews in Alexandria were no citizens of the city, but residents with special status (“Fragile Vielfalt”, 101). 13  Reasoner, Political Systems, 718. Cf. Noy: “They had their own council of elders (gērousia), which Augustus instituted, probably in 10–12 C.E., in place of an individual leader called the genarch (Philo, In Flaccum 74; Josephus, Ant. 14.117, refers to the ethnarch)”, (“Egypt”, 566). 14  Josephus Ant. 14.7.2 §117 quoting Strabo. 15  Trebilco, “Diaspora Judaism”, 292.

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Role and Function of the Synagogues

Synagogues held the status of aedes sacrae (sacred buildings)16 in Roman law17 – at least during Paul’s time (which overlaps with Philo) – and those without a permanent fixture for the Torah, could function as meeting houses for non-religious matters by the Jewish community.18 Jürgen Zangenberg describes the Alexandrian synagogues as “religiöses und soziales Zentrum der jüdischen Gemeinde”.19 Bengt Holmberg also defined the role of the Diaspora synagogue from a sociological point of view, stating that “The synagogue (community) in a sociological perspective could be described as a social, economic, pedagogic, religious, cultural, and political institution …”.20 First century synagogues in Egypt might indeed “be viewed as a kind of community center for a rather broad variety of functions.”21 Its “diversity of functions, physical characteristics, and institutional structures precluded any notion of uniformity.”22 Their role and function were thus not merely limited to Jewish worship or cultic events during sabbaths and feasts, but extended far beyond cultic spaces to spaces of learning and living.23 “It would almost be impossible to make a clear distinction between their religious and their communal activities.”24 According to Philo, the synagogues were considered as “houses of instruction, where the philosophy of the fathers and all manner of virtues were taught”.25 Philo describes synagogues (“prayer houses”) as “schools of wisdom, courage, temperance, justice, piety, holiness and every virtue” (Mos. 2.216). It has been pointed out, quite rightly, that in their role as teaching institutions, “the choice of synagogue leaders and administrators must have been of importance to 16  Epigraphic and literary evidence from the Mediterranean Diaspora and in Palestine from the 3rd cent. B.C.E. to the 6th cent. C.E. confirm the significance of synagogues as sacred place (Martin, The School of Virtue, 58–62). So also A.R. Krause: “we have ample evidence from earlier periods that many of the Diaspora synagogues were treated as sacred” (Rhetoric, 166). 17  “The right of Jews to assemble was protected by Roman law, even in Rome itself, where other religious societies were forbidden to meet” (Wagner, “Jewish Piety”, 799). 18  M. Reasoner, “Political Systems”, 718. 19  J.K. Zangenberg, “Fragile Vielfalt”, 101. 20  Holmberg, “The Life in the Diaspora Synagogue”, 141. 21  Claussen, “Meeting”, 148; 152. 22  Gruen, “Judaism in the Diaspora”, 80. 23  “The functions associated with the synagogue varied from place to place and from time to time, with the synagogue’s importance to the Jewish community likely increasing the greater the distance from Jerusalem” (Wagner, “Jewish Piety”, 799). 24  Claussen, “Meeting”, 148. 25  Compare, for instance, Matt. 4:23; Mark 1:21; 6:2; Luke 4:15, 33; 6:6; 13:10; John 6:59; 18:20; CAp, ii, 17 (P. Levertoff, “Synagogue”, 2977–2979).

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Jews in antiquity”.26 Some even reckon that the synagogue “as an institution for mass adult religious education, was unparalleled in the ancient world before Christianity”27 – a viewpoint which is perhaps too extreme, but nonetheless emphasizes the key role that the synagogues held as spaces of learning. Philo himself considered the synagogue, in the words of Otto Kaiser, as “die volkommene Schule (διδασκαλία/didaskalía). Denn in ihr wurde das Volk in seiner Erbauung und Besserung an jedem siebten Tag im Studium der Weisheit unter der Anleitung eines kompetenten Leiters (ἡγεμών/hēgemōn) an Hand der Philosophie ihrer Vater (und d.h.: der Thora) darüber belehrt, was es zu reden und zu tun hätte.”28 The synagogues became the centres of Jewish identity29 and religious life,30 cultic spaces where the Hellenistic Jews in Egypt could worship the God of their forefathers through prayers,31 liturgies, songs and feasts, on the one hand, but also educational spaces where they could read, study and interpret their Scriptures.32 Philo elaborated on the sabbath in his Special Laws and deals with it as the second of ten festivals, “that of the sacred seventh day”, which he calls an “uninterrupted festival” (Leg. 2.56). He wrote: Accordingly, on the seventh day there are spread before the people in every city innumerable lessons of prudence, and temperance, and courage, and justice, and all other virtues; during the giving of which the common people sit down, keeping silence and pricking up their ears, with all possible attention, from their thirst for wholesome instruction; but some of those who are very learned explain to them what is of great importance and use, lessons by which the whole of their lives may be improved. And there are, as we may say, two most especially important heads of all the innumerable particular lessons and doctrines; the regulating of one’s 26  Goodman, History of Judaism, 68. 27  See Goodman, History of Judaism, 60. 28  Kaiser, Philo von Alexandrien, 62. 29  “… the synagogue (in whatever form) could serve as a means to promote communal activity among Jews and advance a sense of collective identity” (Gruen, “Judaism in the Diaspora”, 80). 30  Cf. Martin: “… it was the institution of the synagogue which formed the fundamental focus of their religious life and experience” (School of Virtue, 26). 31  “That some of the buildings were called ‘prayer houses’ indicates that prayer was also an important feature” (Trebilco, “Diaspora Judaism”, 292). So also Goodman, History of Judaism, 64. 32  The essential aim of the synagogue was instruction in the Law for all classes of the people (Levertoff, “Synagogue”, 2977–2979). “Sources describe synagogue services primarily in terms of the reading and study of Scripture (Philo Vit. Mos. 2.215–16; Josephus Ag. Ap. 2.17  §175)” (Trebilco, “Diaspora Judaism”, 292).

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conduct towards God by the rules of piety and holiness, and of one’s conduct towards men by the rules of humanity and justice; each of which is subdivided into a great number of subordinate ideas, all praiseworthy (Leg. 2.62–63). Philo provided some insight into the instruction of students at a Jewish Sabbath-school in an Alexandrian synagogue.33 There were three clear forms of education: φιλοθέῳ (the love of God), φιλαρέτῳ (love of virtue) and φιλανθρώπῳ (love of people): … they were taught (παιδεύονται) piety (εὐσέβειαν), holiness (ὁσιότητα), justice (δικαιοσύνην), economy (οἰκονομίαν), the science of regulating the state (πολιτείαν), knowledge of such things that are truly good, or bad (ἀλήθειαν ἀγαθῶν καὶ κακῶν), or indifferent (καὶ ἀδιαφόρων), and how to choose what they should do (ὧν χρή) and to avoid the opposite (φυγὰς τῶν ἐναντίων), using a threefold variety of definitions, and rules, and criteria – the love of God (τῷ τε φιλοθέῳ), love of virtue (φιλαρέτῳ), love of people (φιλανθρώπῳ) (Prob. 83). The synagogues were thus also economic,34 political35 and judicial spaces36 where Jews could organise and manage their affairs, as well as social spaces where they could meet to exchange their views, opinions and traditions. They were, furthermore, also spaces where they could raise their children in the socio-cultural and socio-religious boundaries of their own identity (functioning as schools for the religious education of the Jewish youth),37 as well as spaces where they could pass on their traditions and customs38 to future generations. The Jewish synagogues were holy spaces, but also living spaces where “thefts would be reported, slaves would be released,39 the poor would 33  Cf. Witherington III, What’s in the Word, 52, 58. 34  They served as a collection point for alms (Mt 6:2) and for the temple tax (Philo Leg. Gai. 23 §156; Josephus Ant. 14.10.8 §215; 16.6.2 §§163–64) (J.R. Wagner, “Jewish Piety”, 800). 35  According to Reasoner, the political matters unique to Diaspora Jews were conducted mostly through the local synagogue (Reasoner, “Political Systems”, 718). 36  “The synagogue also served as a law court for community matters, with authority to mete out punishments such as the thirty-nine lashes suffered repeatedly by Paul (2 Cor 11:24; cf. Mt 10:17; Acts 22:19; m. Mak. 3:10–11)” (J.R. Wagner, “Jewish Piety”, 800). 37  Reasoner, “Political Systems”, 718. 38  The synagogue was seen “as the right and protected centre of Jewish ancestral customs within the larger Roman Empire” (Krause, Rhetoric, 165). 39  The Jews who disputed with Stephen in Acts 6:9 included, for instance, those from the “Synagogue of Freedmen” for former slaves in Alexandria.

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be fed and decisions about community life would be made.”40 They were meeting places where different generations acknowledged their long religious and cultic traditions, where they met and interacted with each other and with their God.41 The Alexandrian synagogues were the heartbeat of the Jewish body in this foreign land – the land of Joseph and his family, the land of the Exodus from the slavery of their ancestors. “It was thus a crucial institution for the maintenance of Jewish identity and played a central role in Jewish life.”42 But an important aspect of the Alexandrian synagogues – often overlooked – is the fact that they were considered as spaces of political respect for the Roman authorities, of “gratitude, honour, piety and loyalty towards the house of Augustus” (Flacc. 49). With the Roman takeover of Egypt in 30 B.C.E., shortly before Philo’s birth, the change of rulership was most probably welcomed by the Jewish population.43 Josephus (Ag. Ap. 2.37, 61) reported about a stele that was erected at Alexandria by the emperor Augustus, on which the rights of the Jews, initially granted to them by Alexander the Great and the Ptolemies, were again confirmed.44 Evidence of loyalty expressed to the Ptolemaic rulers of the Jews has been found in the vicinity of the Nile Delta. Several Greek inscriptions there expressed the dedication of the Jewish “prayer houses” by their communities to their political authorities. These “inscriptions are dedications ‘on behalf of’ the monarchs (not ‘to’ them), and they avoid the divine titulature of calling the king a god which is normally found in Egyptian inscriptions.”45 Attention has been drawn particularly to a honorific dedication of such a proseuche,46 an inscription on a plaque at Schedia near Alexandria in Egypt, published in the Corpus Inscriptionum Judaicarum (CIJ ii.1440),47 as “the oldest reference to a synagogue in Egypt under Ptolemy III Euergetes (246–221 B.C.E.)”48

40  Reasoner, “Political Systems”, 718. 41  Cf. Wagner: “Particularly in the Diaspora, the synagogue functioned as a center for community life in a manner similar to that of Greco-Roman associations, providing a site for communal meals and for the celebration of holy days (Josephus Ant. 14.10.8 §§213–16; cf. Mt 23:6; 1 Cor 11:17–34…)” (“Jewish Piety”, 800). 42  P.R. Trebilco, “Diaspora Judaism”, 292. 43  M.S. Venit is of the opinion that the rift between the Jews and the Greeks must have deepened with the Roman conquest of Egypt in 30 C.E. (“Alexandria”, 322). 44  “These rights are not specified but presumably included religious freedom and some degree of self-government.” (Noy, “Egypt”, 566). 45  Noy, “Egypt”, 565. 46  Horbury / D. Noy (eds.), Jewish Inscriptions, 35. 47  R.P.  Jean-Baptiste Frey (ed.), CIJ, number 1440. 48  Conzelmann, Gentiles, 21.

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ὑπὲρ βασιλέως | Πτολεμαίου καὶ | βασιλίσσης | Βερενίκης ἀδελ | φῆς καὶ γυναικὸς καὶ | | τῶν τέκνων | τὴν προσευχήν | οἱ Ἰουδαῖοι (On behalf of king Ptolemy and queen Berenice his sister and wife and their children, the Jews (dedicated) the proseuche).49 Carsten Claussen state in this connection: “The dedicatory inscriptions witness to a common Egyptian practice: synagogue buildings were dedicated to the royal family as a sign of expressing loyalty and gratitude as well as of dependence on them”.50 Furthermore, some of the Jewish ruling elite cooperated with the Romans – even to the point of offering sacrifices to Israel’s God for the well-being of the Roman Emperor (cf. Philo Legat. 357).51 3.

The Desecration and Destruction of the Alexandrian Synagogues

As an Alexandrian citizen52 and a Hellenistic Jew, Philo of Alexandria (ca. 25 B.C.E.–40/50 C.E.) was well educated in a classical Greek manner “in grammar, mathematics and music as well as literature, drama and athletics. He moved in the highest Jewish social circles”53 and belonged to the Jewish elite of Alexandria. Tensions escalated during Philo’s time “between the pagans of Alexandria and their Jewish neighbours, which resulted in the desecration of synagogues and physical violence directed against the Jews.”54 During his elaboration of this victimization and persecution of the Jews, the famous Hellenistic Jew, Philo, speaks about “every sort of ill treatment of us without ever being called to account” (Legat. 134).55 In his impressive corpus of literature, Philo “merges Greek philosophy with Jewish history and theology and produces a corpus of Jewish Hellenistic literature that would provide a window into the world of both Judaism and

49  Horbury / Noy, Jewish Inscriptions, 35. 50  Claussen, “Meeting”, 147–148. 51  C.G. Kruse, “Persecution”, 776. 52  “Alexandrian citizenship was largely confined to those of purely Greek descent, but some Jewish families, including Philo’s, apparently acquired it without giving up their Jewish identity” (Noy, “Egypt”, 566). 53  Goodman, History of Judaism, 171. 54  Tuval, “Doing without the Temple”, 234. 55  “Instances of violence against Jews and their synagogues are known from this period (e.g., in Alexandria, A.D. 38, Philo Leg. Gai. §§132–39; Flacc. §§41–53; Caesarea, A.D. 66, Josephus J.W. 2.14.4–5 §§284–92)” (Wagner, “Jewish Piety”, 800).

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Hellenism.”56 In two consecutive historical treatises, Philo reports about the volatile situation of the Jews in Alexandria and broader Egypt during the reign of Ceasar Gaius (Caligula) who ruled from 37–41 C.E.57 The first treatise, In Flaccum, presents a meagre picture of the Jews under the Roman governor Flaccus in Egypt. P.W. van der Horst has pointed out that Philo structured In Flaccum as a diptych: “the first half is about the undeserved sufferings that the Jews underwent in the pogrom, the second half about the well-deserved sufferings of their enemy, the Roman governor, Flaccus, who not only let everything run out of hand but even actively encouraged the Greeks and Egyptians to commit many atrocities against the Jews” .58 Flaccus is portrayed by Philo as someone who could not get to terms with the death of Tiberius and who was greatly upset with the succession of Gaius (37–41 C.E.) who was “a wicked man” and someone whom Tiberius wanted to get rid of, but pursuaded by Macro – Tiberius’ chief advisor and comfortor – the Ceasar refrained from doing so during his lifetime (Flacc. 12–14). In the end, Flaccus finally became the puppet of his former enemies who advised him to “devise a most grievous design against the Jews”, namely to “abandon and denounce all the Jews” and to execute it (Flacc. 21–23). The initial discrimination and unfair trials soon escalated to more severe rejection, hostility and active deeds of persecution (Flacc. 23–24). This situation further escalated to the point where the mob of uncontrolled trouble makers and “shrewd in their wickedness”, “out of its restlessness and love of an unquiet and disorderly life” cried out to have images erected in the “places of prayer” (εἰκόνας ἐν ταῖς προσευχαῖς ἀνατιθέναι) – which were then permitted by Flaccus (Flacc. 41–43). Interestingly, Philo never uses the term “synagogues” in his work In Flaccum (cf., however, Legat. 311: εἰς τὰ συναγώγια συνέρχεσθαι). He reported how the “destruction of the places of prayer” (περὶ τὴν κατάλυσιν τῶν προσευχῶν) spread then from Alexandria, through the whole of Egypt to the east and the oriental nations, as well as from the Mareotic district towards the west and the western nations – as the Jews populated Europe and Asia (Flacc. 45–46). The Jews, although they were “naturally entirely disposed towards peace”, “if their ‘places of prayer’ (τὰς προσευχάς, i.e. synagogues) were destroyed”, “deprived of their

56  Steyn, “Elements” online. 57  “Das gespannte Verhältnis zwischen römischer Obrigkeit und dem jüdischen Volk kam unter der Regierung Caligulas (37–41 n.Chr.) zu seinem vorläufigen Höhepunkt. Unter ihm (und möglicherweise von ihm inszeniert) ereignete sich eines der größten antijüdischen Pogrome in Alexandria” (Schäfer, Geschichte der Juden, 131). 58  van der Horst, Jews and Christians in their Graeco-Roman Context, 99.

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places of prayer” (ταῖς προσευχαῖς) and if they “would no longer have any sacred places (οὐκ ἔχοντες ἱεροὺς περιβόλους) in which they could declare their gratitude”, “were not inclined to remain quiet under everything” (Flacc. 48). They challenged their opponents by indicating that the destruction of their “places of prayer” (αἱ προσευχαί, i.e. synagogues) results in the “taking away of honour”, “piety and loyalty towards the house of Augustus”, because “what other place, or what other manner of showing that honour, will be left to them if they no longer have any sacred places in which they could declare their gratitude” (ἄν οὐκ ἔχοντες ἱεροὺς περιβόλους, οἷς ἐνδιαθήσονται τὸ εὐχάριστον) (Flacc. 49). It became vividly clear from the Jews’ response to the destruction of the places of prayer (τὰς προσευχάς, i.e. the synagogues), that not only the buildings were affected, but the consequences surpassed the physical spaces themselves, affecting “their name” and the “destruction of their constitution”, so that “all those things to which their life was anchored, were cut away, namely, their national customs and their lawful political rights and social privileges”, leaving them “exposed to the very extremity of calamity, without having any stay left to which they could cling for safety” (Flacc. 53). They all ended up being called “foreigners and aliens”, being “condemned without a trial” and “allowing anyone who was inclined to proceed to exterminate the Jews as prisoners of war” (Flacc. 54). Although two of the five districts in Alexandria were known as “the quarters of the Jews”, they were now all crammed into one of these, a ghetto, where they were deprived of all their property. The workshops of the Jews were broken into, plundered and robbed (Flacc. 55–56). They lost the money that they rented out, whilst farmers, ship captains, merchants and artisans all lost their positions and became unemployed. Severe shortages and a great famine under the Jews followed – despite flourishing crops and plentiful food in possession of their enemies. They were left to beg for food, and many were murdered – most left without burial (Flacc. 57–65). Philo portrays a picture of public injustice, discrimination and victimization. He wrote: … their enemies, who in their savage madness had become transformed into the nature of wild beasts, slew them and thousands of others with all kinds of agony and tortures, and newly invented cruelties, for wherever they met with or caught sight of a Jew, they stoned him, or beat him with sticks (Flacc. 66). Others were attacked with “iron and fire”, whilst others were slain by the sword, or whole families being burnt – even wives and children of all ages – often in the midst of the city, sometimes with green wood, sometimes with their own furniture as firewood. Others were dragged along in the streets with one foot

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being bound, not only until death but even the corpse completely being mutilated. They were mocked and mimicked in theatrical ways and their friends and sympathizers were imprisoned, martyred and crucified59 (Flacc. 66–72). The governor later also sent the centurion Castor with his soldiers to search through all the Jewish houses for arms whilst Jewish families stood in fear of being carried away into captivity (Flacc. 86–87). Philo seems bitter about this suspicion that the Jews had stockpiled weapons and might have considered a revolt. He posed a series of rhetorical questions in this regard about the peaceful nature of the Jews and if they would have permitted this ill-treatment at all if they had such weapons. Philo writes: “In fact, if the Jews had had arms in their houses, would they have submitted to be stripped of above four hundred dwellings, out of which they were turned and forcibly expelled by those who plundered them of all their properties?” They were falsely accused, ill-treated and forced to eat swine meat (Flacc. 94–96). This lead eventually to a request from the Jews to Flaccus to permit them to send an embassy to Emperor Gaius, which Flaccus publicly approved and supported, but actually finally ignored it, broke his promises and retained the decree (Flacc. 97–101). But then, unexpectedly, Gaius (Caligula) sent Agrippa in 38 C.E. to Egypt and the Jews put their request for a delegation to meet with Gaius directly to Agrippa (Flacc. 103). Flaccus was surprised and arrested at a private banquet by an unexpected visit of the centurion Bassus and his soldiers who were sent by Gaius from Italy. He was removed from his position as governor of Egypt. This happened during the autumnal equinox and the Jewish Feast of the Tents. The Jews sang hymns and songs through the night and went to the nearest point of the shore “for they had been deprived of their usual places for prayer” (Flacc. 104–122). In Flaccum ends with the execution of Flaccus on the island Andros and Philo’s religious interpretation that “the nation of the Jews is not left destitute of the providential assistance of God” (Flacc. 191). In his second treatise, his Legatio ad Gaium (132–135), Philo vividly reports about the violence against the Jews (in the year 38 C.E.) and how governor Flaccus simply turned a blind eye on the catastrophe. He writes that “the governor of the country, who by himself could, if he had chosen to do so, have put down the violence of the multitude in a single hour, pretended not to see what he did see, and not to hear what he did hear, but allowed the mob to carry on the war against our people without any restraint, and threw our former state of tranquility into confusion.” Philo describes how the violence spiraled into 59  Cf. Kahl: “… during the anti-Jewish pogroms in Alexandria in 38–41 C.E. Jews were crucified in the theater after public scourging and torture on the occasion of the emperor’s birthday celebrations” (Galatians Re-imagined, 157).

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chaos and destruction and how the synagogues were targeted by the mob: “the populace being excited still more, proceeded onwards to still more shameless and more audacious designs and treachery, and, arraying very numerous companies, cut down some of the synagogues (τὰς προσευχάς) (and there are a great many in every section of the city: πολλαὶ δέ εἰσι καθ’ ἕκαστον τμῆμα τῆς πόλεως),60 and some they razed to the very foundations, and into some they threw fire and burnt them, in their insane madness and frenzy, without caring for the neighbouring houses.” The effect of this destruction is not only limited to the Jewish realm itself, according to Philo, but extends even to the honour of the Ceasar himself. He writes: “I omit to mention the ornaments in honour of the Emperor, which were destroyed and burnt with these synagogues, such as gilded shields, and gilded crowns, and pillars, and inscriptions, for the sake of which they ought even to have abstained from and spared the other things; but they were full of confidence, inasmuch as they did not fear any chastisement at the hand of Gaius.” In this sense, Philo presents the destruction of the synagogues not only as an attack on the “prayer places” of the Jews, but as an act against the honour of Rome’s Emperor. That the Emperor himself doesn’t care about this, Philo explains in the light of Gaius’ hatred for the Jews: “they well knew that he (Gaius) cherished an indescribable hatred against the Jews, so that their opinion was that no one could do him a more acceptable service than by inflicting every description of injury on the nation which he hated”. Philo elaborated further in more detail on the destruction and desecration of the synagogues and wrote: All the synagogues (προσευχάς) that they were unable to destroy by burning and razing them to the ground, because a great number of Jews lived in a dense mass in the neighbourhood, they injured and defaced in another manner, simultaneously with a total overthrow of their laws and customs; for they set up in every one of them images of Gaius, and in the greatest, and most conspicuous, and most celebrated of them they erected a brazen statue of him borne on a four-horse chariot (Legat. 134) Philo cannot resist the irony and the ridiculousness of the situation when he adds that the statue erected for Gaius in the “greatest and impressive” (ἐν δὲ τῇ μεγίστῃ καὶ περισημοτάτῃ) synagogue61 was “a very old one out of the 60  One may also deduce from Philo’s account elsewhere (Spec. 2.62), that there were several synagogues in Alexandria. 61  Cf. Zangenberg: “The magnificent synagogue of Alexandria is known only from firstcentury-C.E. literary texts (Philo, Legatio ad Gaium 134; cf. the legendary version in

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gymnasium”, which state he describes as damaged, full of rust and probably dedicated originally in honour of a woman, the eminent Cleopatra. (Legat. 135). It is a picture of disrespect and shame to the image and stature of the Emperor of the Roman Empire. Following these events, Philo travelled with a Jewish delegation in the autumn of 39 C.E.62 to Rome in order to plead with Emperor Gaius Caligula himself on behalf of the civil rights of the Alexandrian Jewish community63 and to intercede for the Jews. Similtaneously, however, another delegation, consisting of Alexandrian Greeks and led by Apion64 (probably of Macedonian origin), also went to Rome to argue against the Jews.65 According to Philo’s account, they waited several months before they could meet with Gaius and then had a weary and exhausting meeting with him, in which their “pleadings on behalf of justice were thus broken up, and cut short, and interrupted, and crushed as one may almost say” (Legat. 366). “The Jews’ primary argument was that they should be allowed to live according to their own laws, while the Greeks pointed out that the Jews refused to sacrifice to the emperor.”66 The Jewish delegation finally left without any clear decision whether they would be allowed to live according to their own laws – which left the issue open that other cities might also attack Jewish citizens and synagogues (προσευχή) might also be destroyed (Legat. 371). 4.

Causes and Consequences of the Destruction and Desecration of the Synagogues

Several reasons for the outbreak of the violence against the Jews were proposed by scholars. Some67 are of the opinion that the Jews were made liable for t. Sukkah 4:6; y. Sukkah 5:1 [55ab]; b. Sukkah 51b). Its construction date is unknown, but its importance as a civic center for Alexandrian Jews is beyond doubt. It was destroyed during the uprisings under Trajan (116–117 C.E.).” (“Archaeology”, 210). 62  Cf. also Church, Hebrews and the Temple, 65. 63  Goodman, History of Judaism, 171. According to N. Elliott – and highly debatable – the Jewish population of Alexandria was “perhaps the largest concentration of Judeans in the Roman world” (Arrogance, 93). 64  “Apion was a versatile and successful teacher and author in the first century C.E.” who “attained citizenship in Alexandria” and “came to be highly respected” (Conzelmann, Gentiles, 86). His anti-Jewish writings were later given a literary response by Josephus in his Contra Apionem (Noy, “Egypt”, 567). 65  Cf. Josephus, Ant. 18.257. 66  Miller, Jews and Anti-Judaism, 85–87. 67  Cf., for instance, Grabbe, Wisdom of Solomon, 86.

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the laographia (poll tax) that native Egyptians had to pay, although the Greeks were exempted and that this eventually became the trigger as Jews exempted to gain Alexandrian citizenship. Others68 reckon that with the Roman conquest of Alexandria, the capital of Ptolemaic Egypt, the Greeks lost their three century long sovereignty and their council (the boulē). Alexandria’s Jews, on the other hand, “retained their ‘autonomous state,’ with only the replacement of the ethnarch69 by a council of elders (gērousia) (Philo, In Flaccum 74), but lost their position in the ethnic hierarchy.”70 The Alexandrian Jews became a scapegoat for the Alexandrian Greeks in their hostile attitude towards the Roman Empire.71 Whilst playing on Flaccus’ fear as he stood in disfavor with Emperor Caligula, the Greek citizenry of Alexandria “channeled their resentment of Rome, whom they could not resist directly, into fury against Rome’s protégés the Jews, who were at hand and far more vulnerable”.72 The visit to Alexandria of the Jewish king Agrippa I from the Roman province Syria,73 as well as the Roman governor, Flaccus, who rescinded the special privileges held by Jews, fueled the antagonism against the Jews and spilled over into public riots and persecution in 38 C.E. “As part of the overall violence against the Jewish community as a whole, many synagogues were destroyed. Synagogues that were not destroyed were desecrated and made unfit for use through the installation of images of Gaius. As a result, it became impossible for the Jews to observe their customs, which, until 38 C.E., had been protected by Roman law.”74 After the desecration of the “prayer places” (synagogues), Flaccus issued a decree that designated the Jews as “foreigners and aliens” (Flacc. 54). The result was far-reaching and had serious implications for their group identity. The 68  Venit, “Alexandria”, 321. 69  Strabo, quoted by Josephus Ant. 14.117. 70  Venit, “Alexandria”, 321. She elaborates further: “No longer ‘Macedonians,’ Jews could not aspire to Alexandrian citizenship nor the Greek education that opened portals to a rich political and social life. Further, like Egyptians (from whom they assiduously tried to distance themselves), they were forced to suffer the financial burden and social indignity of a poll tax” (“Alexandria”, 322). 71  So van der Horst, “The First Pogrom”, 469–484. Also Elliott: “we see how readily even an established Jewish population could become the scapegoats of other groups resentful of Roman domination” (Liberating Paul, 223). He, in turn, quotes Gager: “Their own antiSemitism had its roots not in hatred of Jews as such but in nationalistic and violent antiRomanism” (Origins, 52, 48). 72  Elliott, Liberating Paul, 222; Smallwood, Jews under Roman Rule, 234. 73  “His acclamation by the Jews must have been felt as an affront by the Alexandrians, whose grievances were aggravated by what they perceived as favoritism toward the Jews” (Noy, “Egypt”, 566). 74  Miller, Jews and Anti-Judaism in Esther and the Church, 95.

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Alexandrian Jews were now no longer allowed to live according to their own laws and permission was granted to anyone who wanted to plunder them. I stated elsewhere that “The relation to strangers is closely related to the perception and understanding of cultural or group identity. Belonging to ‘another group’ by origin and culture implies being an ‘outsider’ and being ‘different’ to any other group than one’s own. Moving outside the circle of commonalities in origin, geography, history, culture, and religion inevitably makes one a ‘stranger’”.75 Given the spectrum of funtions attached to the synagogues and the centrality of these spaces of worship, instruction, learning and living, it is obvious that the destruction and desecration of the synagogues in Alexandria in 38 C.E. resulted in the collapse of the social fabric of Alexandrian Jews. The heart of their Jewish identity and the centre of their existence was politically and socially largely demolished. The consequences of the attacks on these Jewish “prayer places” affected their function on a broad spectrum: a) The Jews of Alexandria were stripped of their cultic spaces – those sacred spaces where they could pray and worship the God of Israel, the God of their forefathers, on their sabbaths and feasts. There were no “sacred place” (Flacc. 48) for the Scrolls, no place to study the Torah,76 no “prayer place” anymore.77 In another work of his, De Vita Contemplativa, Philo provides some interesting insights into a particular Jewish group – the Therapeutae – who deliberately distanced themselves from society and lived a contemplative life on the outskirts of Alexandria. They revered the number seven (Contempl. 8,65). For six days they “seeked wisdom”. The seventh day they had a general assembly. The seventh day sanctuary consisted of a double enclosure – one for men and the other for women. Women too could join the movement having the same ardour and the same sense of their calling (Contempl. 3,32). They gathered and sat according to their age (Contempl. 3,30). The seventh day was considered sacred and festal in the highest degree. They refreshed the body and released the cattle from their continuous labour (Contempl. 4,36). On the Sabbath, a senior member delivered a “well-reasoned and wise discourse after which followed a careful examination by careful expression of the 75  Steyn, “observations”, 75. 76  Cf. Wagner: “During the pre-70 period, the reading and exposition of Torah was the primary sabbath activity of the synagogue (Philo Op. Mund. 43 §128; Spec. Leg. 2.15 §§61–64; Josephus Ag. Ap. 2.17 §175; Acts 15:21)” (“Jewish Piety”, 800). 77  “What is evidenced in Egypt is an institution typical of the Judaism of the time, a gathering for accepting the guidance of the Torah with prayerful dedication.” (Chilton, “Synagogue”, 1142).

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exact meaning of the meanings”. “He does this with visage and voice alike quiet and composed. He does not make an exhibition of clever rhetoric like the orators or sophists of to-day”, writes Philo, “but follows carefull examination by carefull expression of the exact meaning of the thoughts, and this does not lodge just outside the ears of the audience but passes through the hearing into the soul and stays there securely” (Contempl. 3,31). The audience on the gathering of the sabbath sat still, according to seniority, their hands inside their robes – their right hand between their breast and chin and the left hand withdrawn along the flank (Contempl. 3,30) and listened, showing approval by their looks and nods (Contempl. 3,31). Philip Church appropriately pointed to Matthew Martin’s study78 in which the latter discussed “the impact of the desecration of the Alexandrian synagogues in Philo’s writings”: Martin “makes it quite clear that these were not ‘mere synagogues’. It was a serious issue; the Jews no longer had places for worship since their synagogues had been rendered unfit for this purpose.”79 b) They were also stripped of their teaching and learning spaces – those spaces where they could read and study their Scriptures. According to Philo, regarding the Therapeutae: The exposition of the sacred Scriptures treats the inner meaning conveyed in allegory. For to these people the whole law book seems to resemble a living creature with the literal ordinances, for its body and for its soul the invisible mind (νοῦς) laid up in its wording. It is in this mind especially that the rational soul begins to contemplate the things akin to itself and looking through the words as through a mirror beholds the marvellous beauties of the concepts, unfolds and removes the symbolic coverings and brings forth the thoughts and sets them bare to the light of day for those who need but a little reminding to enable them to discern the inward and hidden through the outward and visible (Contempl. 10,78). The Torah, the Law of Moses – most likely several copies in its Greek Septuagint format – disappeared from their reading and studying places when the synagogues were plundered, destroyed and burned. The implications were far-reaching for the scribes, exegetes and teachers of the Jewish Scriptures. Generation-long traditions of instruction, wisdom traditions and Jewish

78  Martin, The School of Virtue, 175–181. 79  Church, Hebrews and the Temple, 66, fn. 195.

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literature were most likely destroyed and desecrated.80 But oppression and destruction lead those who suffer to seek ways of coping with it – often expressed in the desire to create literature and the formulation of wisdom. In this regard, the Wisdom of Solomon becomes fascinating against this backdrop. Although opinions differ on its dating, most scholars agree on a date ranging from the 3rd cent. B.C.E. to the 1st cent. C.E.81 Based on a thorough analysis of the language, David Winston82 argued that a more precise date could be established – precisely within the period of Caligula’s reign (37–41 C.E.) during the riots in Alexandria when numerous synagogues were destroyed and the Jews being degraded as second-class citizens. Even John Collins,83 although he considers the data to be rather “quasi-philosophical” than historical in nature, argues in favour of a narrower date, ranging between 30 B.C.E. to 70 C.E. The same applies to Michael Kolarcik,84 who proposed the period 30 B.C.E. to 40 C.E. – mainly because of similarities between Philo and the Wisdom of Solomon, placing it thus during the “Roman period of Alexandria”.85 Helmut Engel, too, chose a date between 24 B.C.E. and 41 C.E. in Alexandria.86 Lester Grabbe is of the opinion that particularly “Wis. 5:16–23 gives an apocalyptic vision which best fits the time of Caligula and the threat to Judaism toward the end of his reign”.87 Wisdom addresses righteousness and the wicked and culminates into justice for those who live a loyal and hopeful life, those who are trusting God and faithfully practicing Judaism according to the Decalogue, not merely in teaching sentences, but rather in prayerful view at the history as a reminder for the present – all within the culturally challenging Egyptian diaspora during the time of the Roman Emperor.88 c) They were stripped of their legal spaces – those spaces formerly granted to them by Roman Law to allow them to live according to their own laws. The connection between synagogue and the political-judicial status of the Jews had been pointed out several times before. Johann Maier, for instance, drew attention to the fact that “Von größerer Bedeutung war die 80  “Jewish literature in Greek flourished in Ptolemaic Egypt. Numerous works have survived only in fragments, usually preserved by Christian writers. Many of them show the influence of the Septuagint” (Noy, “Egypt”, 566). 81  Winston, Wisdom of Solomon, 20; deSilva, Introducing the Apocrypha, 144. 82  Winston, Wisdom of Solomon, 21–23. 83  Collins, Jewish Wisdom, 179. 84  Kolarcik, “The Book of Wisdom”, 439. 85  Kuo / Gordley, “Book of Wisdom of Solomon”, n.p. 86  Engel, Sophia Solomonos, 2128. 87  Grabbe, Wisdom of Solomon, 88. 88  Kraus / Karrer (eds.), Septuaginta Deutsch, 1058.

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Synagoge in der Diaspora, wo die Synagogengemeinde ja auch Trägerin des politisch-rechtlichen Status der örtlichen Juden war.”89 These rights were now violated. Philo reported about the arrest of 38 members of the Jewish Council of Elders (the gerousia) – who were originally elected by their “saviour and benefactor, Augustus,” to manage the affairs of the Jewish nation. These old men were led, handcuffed in iron chains, through the middle of the marketplace, to stand in front of their sitting enemies, stripped of their clothing, scourged and so severely flogged, that some immediately died (Flacc. 74–75). They were also stripped of their socio-cultural living spaces – those spaces where they could meet, pass on their cultic and scriptural traditions90 and where they could practice and express their identity. The assembly room of these synagogues often boasted an adjacent dining hall (with communal meals also often held there), or even guest rooms, attached to them.91 “The synagogue was the focus of community life for Diaspora Jews and was organized by the community for the community.”92 The identity of the Alexandrian Jews, despite their connection to the Jews in Palestine, was different and unique.93 They were primarily Hellenistic Jews, proudly Alexandrian. Their Hellenistic identity took particularly shape in their utilization of the Greek translation of the Torah, the Septuagint, and in their way of life on the nexus of Jewish religion and Greek culture. Another consequence of the destruction and desecration of the Jewish synagogues in Alexandria was the fact that the Jews were also stripped of their economic spaces – those spaces where they could collect the temple tax for Jerusalem and the spaces where they could distribute alms to the poor and needy. “The generality of the synagogue is attested by the decree of Caesar Augustus that money for the temple tax might be stored in synagogues, and that confiscation should be regarded as sacrilege (Josephus, Ant. 16.6.2–3 §§162–66).”94

89  Maier, Geschichte der jüdischen Religion, 36. So also Tcherikover, Hellenistic Civilization and the Jews, 303; Rosenau, Synagogue and the Diaspora, 196–202. 90  Cf. Schrage: “… the synagogue had also to transmit customs and usages, rulings and traditions” (συναγωγή, κτλ., 822). 91  Trebilco, “Diaspora Judaism”, 292. 92  Trebilco, “Diaspora Judaism”, 292. 93  Cf. Conzelmann: “it becomes clear that it is not possible to generalize about ‘the’ social status of the Jews, especially in Egypt. Jews were found in every branch of economic life and in every social stratum” (Gentiles, 14). 94  Chilton, “Synagogue”, 1142.

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5. Conclusion Alexandrian synagogues were known to Philo as “prayer places” (προσευχαί) or “sacred places” (ἱεροὺς…τόπους). They were social spaces where the Jewish communities could meet for religious, educational, cultural, political, judicial and economic purposes. They were social centres where Jewish identity was shaped, nurtured and transcended from one generation to the next. Given the spectrum of funtions attached to the synagogues and the centrality of these spaces of worship, instruction, learning and living, it is obvious that the destruction and desecration of the synagogues in Alexandria in 38 C.E. had a serious impact on the identity and social fabric of Alexandrian Jews. Serious theological challenges would surface against the backdrop of traditional Alexandrian synagogue teaching since the destruction and desecration of these centres of learning. How does a pious Jew continue to live in this context of persecution and hate in the light of φιλοθέῳ (the love of God), φιλαρέτῳ (love of virtue) and φιλανθρώπῳ (love of people)? Some would produce new literature, seeking therapy and comfort in Jewish wisdom, for instance, that points to God and the Law, patiently waiting for the revelation of God’s salvation of the righteous and condemnation of the wicked (perhaps a conducive context for the Wisdom of Solomon?), whilst others, such as Philo and his delegation, would seek a diplomatic solution through political dialogue with Emperor Gaius Caligula in Rome. Yet some others might have kindled the bitterness of their victimization in the absence of their synagogues as sacred spaces and spaces of instruction, which might have prepared the soil for a more rebellious reaction to Rome’s attitude by the next generation of Diaspora Jews. Bibliography Chilton, Bruce, Art. Synagogue, in: Dictionary of the later New Testament and its developments, ed. Ralph P. Martin / Peter H. Davids, Downers Grove: InterVarsity Press, 1997, 1141–1146. Chilton, Bruce / Yamauchi, Edwin M., Art. Synagogues, in Dictionary of New Testament background: a compendium of contemporary biblical scholarship, Downers Grove: InterVarsity Press, 2000, 1145–1153. Church, Philip, Hebrews and the Temple: Attitudes to the Temple in Second Temple Judaism and in Hebrews (NT.S 171), Leiden: Brill, 2017. Claussen, Carsten, Meeting, Community, Synagogue – Different Frameworks of Ancient Jewish Congregations in the Diaspora, in: The Ancient Synagogue. From

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Spatial Concepts, Assembled People and the Compositional Organisation of the Book of Esther Kristin De Troyer The story of Esther slowly moves from a focus on the whole empire to what happens in the most inner part of the king’s palace and then again, in reverse, from what happens in this most inner part to again the whole empire. The gradual progression movements, which in the first part of the story is “inwards,” and then, in the second part, “outwards,” structures the narrative. In this contribution, which I dedicate to Wolfgang Kraus, I study the spatial concepts. I will demonstrate however, that the story of Esther is only truly moved forward when the characters are acting in accordance with or together with assembled people, which figure within the spatial structure as visible in the story. 1.

Spatial Concepts in the Masoretic Text of the Book of Esther

The (127) Provinces 1.1 In the MT of the Book of Esther, the first spatial concept that is used is the concept of the empire. The story of Esther even starts with a description of the empire: it encompasses 127 provinces. The empire is mentioned in 1:1, 22; 3:12, 14; 4:3; 8:9 (2x), 13, 17; 9:28 and 9:30. In almost all these instances, the greatness of the empire is referred to (1:1). Moreover, edicts have to be written and sent to all these provinces (1:22; 3:12, 14; 8:13, 17) and people of all these provinces need to know what the king issues (4:3) and what is said about Purim (9:28, 30). With the description of the empire, the story starts and (almost) ends. The fact that the provinces are mentioned when the edicts are given emphasizes that all the edges of the empire are involved in the story. 1.2 Susa After the story has been set in the context of the empire and its 127 provinces, the focus is moved from the 127 provinces, as mentioned in 1:1, to one place in particular: Susa, which is mentioned in 1:2. Susa was the most important city of Elam and can boast a long history, with a time of revival under Darius.1 Xerxes, 1  Yamauchi, Persia, 279–303.

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the king in the Book of Esther, is said to have retired to Susa.2 Ahasuerus is Xerxes, who reigned from 486–465 B.C.E. and who is the successor of Darius. Susa is the location of the story of Esther. It is city where the throne of king Ahasuerus stands. Susa is the place of the throne (1:2), the place where the people gather to party or to fast (resp. 1:5 and 4:16). Susa is the place where also Mordecai lives (2:5), where an edict has been promulgated (3:15; 4:8; 8:14) and the city where the killing of the enemies happens (9:11, 12, 13, 14, 15-2x) or a day of rest in inserted after the killing (9:18). In other words, Susa in the location or where the whole event as narrated in the Book of Esther happens: from the place where people gather and where Vashti does not show up, which sets the scene for Esther to be brought in, to the place where the edicts against the Jews are issued, which then are overturned, leading to a killing of the enemies and finally, a place where occurs a day of rest at the end of the story. There are two concepts attached to the location Susa: Susa is either ‫ הבירה‬or ‫העיר‬. When Susa is said to be ‫הבירה‬, the city is connected in some way with the king: it is citadel where his throne stands (1:2), it is the citadel in which the king gives a party (1:5), it is the citadel to which young women need to be gathered to be brought before the king (2:3), it is the citadel where Esther is brought into the house of the king (2:8), it is the citadel out of which the royal couriers leave (3:15; 8:14), it is the citadel where the king gives permission to kill the enemy (9:6, 11, 12). Finally, it is also the place where Mordecai lives! The city (‫ )העיר‬of Susa is spoken of as if she is a person that responds to the edict (3:15; 8:15) or in which the response to the edict becomes visible (4:1). Whereas the story of Esther starts and ends with the provinces, the action lies in Susa. Susa is however connected with the rest of the empire through the sending out of the edicts. 1.3 The Royal Palace In a third move, the narrative gets an even further focus: from the 127 provinces, to the city and citadel of Susa, to the royal palace of Susa. According to Yamauchi, Susa has four major mounds: the Acropolis, the Apadana, the royal city and the city of the craftsmen. The section called Apadana received its name, as it was the location where the Persian kings built their palaces and audience hall – the latter is called the Apadana.3 The audience hall, following Yamauchi, was to the north of the palace of the king.4

2  Yamauchi, Persia, 301. 3  Yamauchi, Persia, 282–83. 4  Yamauchi, Persia, 293–295, and the map of the excavations on 297.

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In the Book of Esther, in chapter 2, the focus moves from the citadel of Susa, where the king resides to the palace of the king. The palace of the king, however, seems to have many rooms: there is the house of the king, the house of the women, different court yards, and a gate. 1.3.1 House of the King When Esther is taken to join the women in the palace (2:8), she is taken to the house of the king (‫)בית המלך‬. The latter is still a general concept referring to the palace of the king. It will be specified that the women have their own quarters, and that women are taken from their own quarters to those of the king (2:13). When things take a turn for the worst, it is asked by Mordecai whether Esther thinks she is safe within the house of the king (4:13). As soon as Esther is taken to the palace, the further specification of the different areas in the overall palace of the king starts being mentioned. For instance, in 5:1 there is a court in the house of the king and Esther stands in the court in front of the house of the king. In 6:4, there is again a reference to the court in the house of the king. Before turning to these more specific locations, the house of the women needs further scrutiny. House of the Women 1.3.2 The advisers to the king, upon giving their council regarding the replacement of Vashti, suggest to the king that young women be taken to the house of the women (2:3) and indeed, Esther, who was first said to be taken to the house of the king (2:8), is actually taken to the house of the women (2:9). Mordecai seems to know precisely where that women’s house is, as he walks every day in front of it, in the courtyard in order to figure out how things are going with Esther (2:11). When Esther’s turn comes to go to the house of the king, she is taken from the house of the women to the house of the king (2:14). Both the house of the king and the house of the women have a courtyard (‫)חצר‬. 1.3.3 The Court The party of the king takes place in the court of his palace (1:5). Esther seems to go to the court of the king’s palace in 5:1 and stands there in 5:2. Similarly, Haman is in the courtyard of the king’s palace in 6:4 (2x), which is confirmed by the servants of the king in 6:5. Mordecai on the other hand seems to be walking in the court of the women’s house in 2:11. Which court precisely he is at in chapter 4, when there is a dialogue between Esther and Mordecai is not clear, albeit that it looks like Mordecai is also standing in the courtyard of the king’s palace (4:11), where he ought to not have shown up wearing sackcloth!

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That going to the courtyard of the king’s palace is not without risk is told in 4:11 – if not called by the king, one can be punished by death if going to the king! In 4:11, an additional adverb is however added to the warning: it is not just going to the king’s palace, or the courtyard of the king’s palace, it is: ‫אל־המלך‬ ‫אל־החצר הפנימית‬, going in the inner part of the courtyard of the king’s palace – that is truly risky! And that is precisely what Esther does in 5:1: she goes in the inner part of the courtyard of the king’s palace. Then, she stands opposite (‫)נכח‬ the house of the king. The preposition used in the latter phrase is only used twice in the book of Esther and it is twice used in 5:1. In 5:1a Esther goes to the inner part of the courtyard of the king’s palace and stands opposite the house of the king. In 5:1b it is said that the king is sitting in his house on his throne, which is opposite the entrance of his house. The attention has shifted from the house of the king to the courtyard of the house of the king, close to the area where his throne stands. Esther has all but moved to the most central part of the empire. There is hardly space left between the most inner part of the courtyard of the king’s palace and the room in which the royal throne stands. In 5:2, the spatial setting comes to a culmination point: the king sees Esther standing in the inner courtyard, she finds favour in his eyes, he extends his sceptre, she comes closer and touches the top of the sceptre. That is the point where Esther has come into the most inner location of the king’s empire. That is the point where the king and Esther meet (again). Whereas it could be argued that the story has come to a culmination point in 5:2, the story continues with a series of acts of reciprocity. Whereas in the first part of the book of Esther, Esther moves from one location to another, each time coming closer to the inner part of the palace, and ultimately to the point of touching the power, the king now starts to also go towards Esther. For example, in 5:4, the king goes to the house of Esther to enjoy a meal. Similarly, in 6:14. The story of Esther develops along the lines of the spatial concepts: from the 127 provinces, to the city of Susa, to the palace of the king, to the courtyard of the king, and finally to his throne.5 The most central location is the place where the throne of the king stands, and Esther reaches that point in 5:2. That is also the point in the narrative where the king starts moving outwards and starts visiting Esther to have a meal with her (5:4 and 6:14). Whereas the 127 provinces and the citadel of Susa are primarily connected with the king, 5  In the synagogue of Dura-Europos, Esther is portrayed as sitting on a throne right behind the king!

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the concepts of the house of the king, the house of the women, and the inner courtyards as developed so far are especially connected with Esther. There is however, another narrative thread developing in the story of Esther: it is the story about Mordecai and Haman. These men, however, are more connected with the gate of the royal palace. 1.3.4 The Gate That there was a gate in Susa is attested in an inscription. The inscription reads, quoting Yamauchi: “Xerxes the king says, by the grace of Ahuramazda, this gate, Darius the King made it, he who was my father.”6 The gate is mentioned often in Esther: it is the place where Mordecai is sitting when he discovers the assassination plot against the king (2:19 and 21; also mentioned in 6:10 and 6:12), it is the place where he refuses to bow before Haman (3:2 and 3; but also 5:9 and 5:13), it is the place where he goes to after the edict is published (4:2) and where a communication between Mordecai and Esther develops, albeit through a middleman (4:6). Yamauchi reports that the French excavators that excavated Susa were “convinced that the author of Esther had accurate information regarding the royal palace complex at Susa” and that the narrative accords with the archaeological finds at Susa!7 1.3.5 The Square in Front of the Gate Mordecai is sitting either in the king’s gate or in the open square in front of the king’s gate: for instance, in 4:6, Hathach goes to Mordecai who is in the open square of the city in front of the king’s gate: ‫אל־רחוב העיר אשר לפני שער־המלך‬. This also seems to be the place where Mordecai is later honoured by Haman – as instructed by the king (6:9,11). In summary, the narrative in the MT of the book of Esther is moved forward by the strategic use of different spatial concepts, which help the reader to focus. Starting from a most broad perspective on the Persian empire, the reader is then directed to a city, then to a palace, and ultimately to the inner part of a courtyard opposite the house of the king in which the throne of the king stands. Not only are the reader’s eyes moved from one location to another, also Esther, the key figure, is making a similar transition. In the middle of the narrative, the reader is not only in the most inner place of the palace, but also Esther meets precisely at that point the king and touches the top of his golden sceptre. From that central point, the story takes on yet another course. But how 6  Yamauchi, Persia, 300, and 300, fn 55 with reference to Perrot, “Historique des recherches,” 20. 7  Yamauchi, Persia, 300.

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does that happen? How does the story move from the inner part of the palace of the king to an action that influences the whole empire? In order to answer that question, we need to study the characters and where people assemble in the story. 2.

The Main Characters in Their Context

2.1 Haman, His Moves and His Entourage Haman is mentioned often in the book of Esther. That is of course obvious as he is one of the main characters. Haman however is mostly not in a large company. Mostly Haman is with the king (3:8, 10, 11, 15; 4:7; 6:4, 5, 6, 7, 10, 14) or his representatives, such as the scribes (3:12), a eunuch (7:9) or with the king and queen (5:12; 7:1, 6), or with the queen (5:4, 5, 8; 7:7, 8), or with Mordecai (3:5; 5:9; 6:11). Rather typical of Haman is that he is either above other people (3:1, 2, 4) or that he considers others, such as Mordecai, beneath him (3:6). The only times that he is with others is when he is in the company of his friends and his wife at his house (5:10–11 and 6:12–13). These occasions are precisely where things take a turn: in 5:10–11, his wife and his friends suggest him to erect a gallows to have Mordecai hanged on it; in 6:12–13, his friends and wife understand that the reversal of his fortune has begun: “If Mordecai, before whom your downfall has begun, is of the Jewish people, you will not prevail against him, but will surely fall before him”. The place where this meeting with friends and wife is happening is not one of the key places of the narrative: it is in his own house. Nevertheless, it is within the context of a small assembly of people that the trajectory of the story seems to have been made clear: from the wife and friends suggesting to kill Mordecai to their warning that all may collapse! 2.2 Mordecai and His Crowd In the book of Esther, Mordecai is often portrayed as the counterpart of Haman and both of them are mentioned together in many places in the book of Esther (3:5; 4:7; 5:9, 13; 6:10–13; 7:9–10). Moreover, like Haman, Mordecai is mentioned together with the king (8:1, 2, 7, 15). There is however, another dimension to Mordecai. For instance, at the beginning of the story, he is introduced as part of the Benjaminite tribe (2:5), who is responsible for Esther (2:7, 10, 11). He is part of a larger crowd. When Mordecai refuses to bow before Haman, his act of disobedience is seen by servants (3:2–3). The small gathering of servants in a sense moves the story forward: the king’s servants (3:2–3) draw Haman’s attention to the fact

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that Mordecai is not bowing down in front of him and precisely the act of this little group leads to Haman’s decision to destroy the Jews. Haman plans revenge for this act of insubordination and intends to not only harm Mordecai but also all his people (3:6). Mordecai is again placed within a broader context! Not just Mordecai, but the whole Jewish people need to be destroyed. From the beginning Mordecai is part of his tribe (2:5) or Mordecai is put in the context of all the Jews (3:6). Similarly, when Esther tells Mordecai to do the same as she plans to do, it is said that Mordecai and all the Jews went and did as Esther told them (4:16–17). In other words, the story is moved forward through the gathering or assembling of people and through the identification of the main person with an assembly of people. There is however a difference between Haman and Mordecai: whereas Haman was only portrayed twice within the context of his friends and wife, Mordecai is seen as representing the Jewish people from the beginning. Attached to Mordecai, there is an important but unexpected identification: when the edict is issued and hung out, it is the city of Susa that is responding to its publication: “the city of Susa was thrown into confusion” (3:15). Whereas the city of Susa was a part of the spatial conceptual development of the story, the city of Susa just became a personified group of people that stand at the side of Mordecai. Mordecai, subsequently takes the confusion further and mourns the release of the edict (4:1ff). Similarly, the city responds to the counter edict as issued by Mordecai and Esther and Mordecai’s display of the reversal of fortune: “the city of Susa shouted and rejoiced” (8:15). There the subsequent response is that for the Jews “there was light and gladness, joy and honour” (8:16). As there was an intense connection between the city and Mordecai in 3:15, there is an identification between the city of Susa and the Jews in 8:16. In the book of Esther, what happens to Mordecai happens to the Jews, and what happens to the Jews happens to the city of Susa. The spatial concept of the city stands for the assembled characters in the story: Mordecai and the Jews. This coming together of the spatial concept and the main character also happens in the next verse: not just Susa and its Jewish population is rejoicing, there is also gladness and joy among the Jews “in every province and in every city, wherever the king’s command and his edict came” (8:17). The spatial concept is receiving yet another additional and again unexpected twist. Whereas the officials of the provinces, the satraps, the governors and royal officers in different sorts and colours were used as the background for the developing story (chapter 1) or as the persons to whom the original edict

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and the counter-edict were written (chapters 3 and 8), these persons are now becoming the people that side with Mordecai: “all the officials of the provinces, the satraps and the governors, and the royal officials were supporting the Jews, because the fear of Mordecai had fallen upon them” (9:3). That means that not only Susa is siding with the Jews, now also the whole empire is on their side! At the end of the story, Mordecai’s connection with his own people is again emphasized: “For Mordecai the Jew as next in rank to King Ahasuerus, and he was powerful among the Jews and popular with his kindred, for he sought the good of his people and interceded for the welfare of all his descendants.” From the beginning till the end, Mordecai is part of a larger crowd – the assembled Jewish people stand along him, first as the Jews and then as the Jews of Susa. Moreover, at the end the story, the whole empire also sides with Mordecai. The spatial concepts have become allies to the main character! 2.3 Esther and Her Company Esther is introduced in the story almost together with Mordecai. As already described, albeit from the perspective of Haman and Mordecai, Esther is mentioned together with Mordecai, with Haman, and with the king. As Mordecai is identified with his Jewish background, so Esther is linked with her people, even if she does not mention them explicitly: “Esther did no reveal her people or kindred” (2:10, 20). Whereas she is distinguished from the other women in the house of the women (2:17), she acts foremost within the house of women (4:4–17), albeit that she also informs the king (most likely in his house) at different occasions (2:22; 5:1–2) and that she organizes get-togethers at her house for the king and Haman (5:5b–8; 6:14–7:10). Only in her final act to safe the Jewish people, when she negotiates with the king (8:3–8), she reveals her Jewish background: “For how can I bear to see the calamity that is coming on my people? Or how can I bear to see the destruction of my kindred” (8:6). It is precisely at this point, that Esther and Mordecai receive permission to write as they want with regard to the Jews (8:8ff.). In other words, when Esther is revealing her context and identifying the crowd she is with, the story takes a definitive turn for the good. Only when Esther reveals her people and kindred can the danger be averted and destiny be rewritten. From this moment on, the story moves out of the palace of the king, out of the citadel (9:12), into the city of Susa (9:13–15), then to the provinces of the whole empire (9:16).

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3. Conclusions In the story of Esther, different spatial concepts play a crucial role: the provinces of the empire, the city of Susa, the citadel of Susa, the royal palace with its venues, the king’s gate and the open square in front of the gate. The main actors move between the different locations. The story line unfolds from the large context of the empire to the inner palace of the king. Precisely in the inner palace of the king, the story takes a turn. At that inner palace, both Haman and Esther are present. Haman takes the decision to destroy the Jewish people. The complot thickens and there seems no way out. The study of the story main characters reveals however that whereas Haman mostly acts on his own, the characters of Mordecai and Esther are portrayed in the context of their people and act often with the Jews alongside them. Moreover, it is only when Esther reveals her kindred and people that truly the reversal takes effect and the story is reversed. At that time, the spatial concepts are no longer solely used as spatial indicators, they themselves become tied to the main characters. The city of Susa rejoices with Mordecai (8:15) and the provinces and their officials support the Jews (9:3)! The story of Esther is not only governed by a strategic use of spatial concepts, the story is turned upside down and the fate of the Jewish people reversed when the main characters assemble with or on behalf of their kindred and people! Bibliography Perrot, Jean, Historique des recherches, CDAFI 4 (1974) 15–20. Yamauchi, Edwin M., Persia and the Bible, Grand Rapids, MI: Baker Book House, 1990.

Identitätsstiftung durch Gelehrsamkeit in Babylonien Bonifatia Gesche 1. Identität1 Kein Volk kann auf eine so lange Geschichte zurückblicken wie Israel, das jüdische Volk. Es war immer ein kleines Volk und hat sich nie zu einer Weltmacht entwickelt. Doch es hat, unter welchen Bedingungen auch immer, bis heute seine eigene Identität bewahrt. Wie dies möglich ist und ob nicht gerade ein bedrohliches äußeres Umfeld die Identitätsfindung sogar stärken kann, wollen wir uns für einen kleinen Aspekt in der Geschichte des Babylonischen Exils anschauen. Sowohl der einzelne als auch die Gruppe beziehen ihre Identität aus dem Bewusstsein der Zugehörigkeit zu eben jener Gruppe, die durch eindeutige Merkmale konstituiert wird und sich klar von anderen Gruppen unterscheidet. Das kollektive Gedächtnis entsteht durch vielerlei Faktoren, von denen für unsere Frage die Sprache als Mittel der Kommunikation, autoritative und sinnstiftende Texte und die für die Gruppe spezifische Riten besonders ins Gewicht fallen. „Wenn dich morgen dein Sohn fragt: Was bedeutet das?, dann sag ihm: Mit starker Hand hat uns der HERR aus Ägypten, aus dem Sklavenhaus, herausgeführt.“ (Ex 13,14)2 Die Frage an die Vorfahren nach dem Sinn dessen, was überliefert wird, durchzieht die Schriften des AT und verankert das Gedenken im Volk. Als Teil des Ritus um das Pesach-Mahl ist es die Aufgabe des Sohnes, eben diese Frage zu stellen, damit das Gedächtnis dieses zentralen Ereignisses in der Geschichte des Volkes bewahrt bleibt.3 Das Bewusstsein, dass man gemeinsam heilige Texte besitzt, das Wissen um die gemeinsame Geschichte, typische Riten und Speisegebote, die sich von denen der Umgebung unterscheiden, und auch die Sprache prägen die kollektive Identität. Zwar ist Sprache als solche nicht in jedem Fall identitätsstiftend, aber das Hebräische hat eine besondere „Stellung im Beziehungsfeld 1  Als Standardwerk zu Fragen bezüglich Identität und Gedächtnis gilt Assmann, Kulturelles Gedächtnis, 130–160. 2  Übersetzung nach der Einheitsübersetzung 2016. 3  Siehe Mischnah Pesachim, 10,4.

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zwischen Gott und seinem Volk Israel“4 und erhält dadurch auch dann jene Kraft, wenn es nicht Umgangssprache ist. „Profane Dinge darf man in der heiligen Sprache sagen, heilige Dinge darf man nicht in profaner Sprache sagen.“ (bShab 40b) 2.

Sprache und Identität

In seiner Antrittsvorlesung in Oxford hat Jan Joosten dargelegt, wie Hebräisch, eine Sprache wie jede andere, zu einer heiligen Sprache wurde. Er stellt fest, dass es eigentlich wenig naheliegend ist, dass das Volk Israel als gemeinsame Sprache das Hebräische pflegte. Hebräisch als kanaanäische Sprache war in dem Gebiet heimisch, in dem das Volk sesshaft geworden ist, wohingegen die Patriarchen einem aramäischsprachigen Kontext entstammten. Und nicht nur das: In seiner weiteren Geschichte stand das Volk oft isoliert mit seiner Sprache in einem fremdsprachigen Umfeld. Das Hebräische wurde dennoch zu einem Teil dessen, was das religiöse und nationale Bewusstsein ausmachte.5 Dennoch ist die Aussage, dass die Treue zur hebräischen Sprache nicht wenig dazu beigetragen habe, „daß die Eigentümlichkeit des jüdischen Wesens durch alle Generationen erhalten geblieben ist, obschon das jüdische Volk in der Verstreuung leben und sich nach außen hin seiner jeweiligen Umgebung anpassen mußte,“6 differenzierter zu betrachten. Jan Joosten stellt heraus, dass die Menschen weiterhin Hebräisch sprachen, als sie in einem anderssprachigen Umfeld lebten, wie sich aus gewissen Entwicklungen der Sprache schließen lässt; und schließlich wurden sogar die spätesten biblischen Bücher in Hebräisch verfasst. Auf diese Besonderheit der Verwendung der Sprache zielt er in seinem Vortrag ab. Er schließt mit der Beobachtung, dass es sich nicht von selbst ergibt, dass die Judäer Hebräisch beibehielten, wie sich daran zeigt, dass dies zwar in der Babylonischen Gefangenschaft geschah, in der Diaspora im Westen jedoch nicht. In Ägypten gibt es keinerlei Anzeichen, dass in den jüdischen Gemeinden Hebräisch gepflegt wurde. Einzelne hebräische Elemente waren vertreten, aber alle überlieferten Dokumente sind in Aramäisch geschrieben. Und schließlich entstand in Ägypten auch die Septuaginta.7 4  Grözinger, „Sprache und Identität“, 78. 5  So Gzella, A Cultural History of Aramaic, 292. Gzella sieht jedoch die Rolle, die Hebräisch als gesprochene Sprache spielte, als unbedeutend und auf bestimmte Kontexte beschränkt an. Siehe ebenda, 227. 6  Rudy, Soziologie des jüdischen Volkes, 105. 7  Joosten, „Holy Language“, 62.

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Was unterscheidet Babylonien von Ägypten, woraus sich diese Entwicklung erklären lässt? Aus der Sicht einer Assyriologin scheint die Antwort auf der Hand zu liegen. Wenn man das kulturelle Umfeld betrachtet, in das die aus Israel Verschleppten im 6. Jahrhundert v. Chr. gerieten, wäre alles andere überraschend.8 Im Folgenden versuche ich zu zeigen, inwiefern ausgerechnet das Leben der verschleppten Israeliten in Babylonien dazu beigetragen haben kann, dass das Hebräische nicht nur als die Sprache der alten Texte in religiösem Umfeld erhalten blieb, sondern dass auch nach dem Exil hebräische Texte entstanden, die nun Teil des biblischen Kanons sind, – mit Anzeichen dafür, dass sich die Sprache weiterentwickelte, was darauf hindeuten, dass sie auch Alltagssprache war.9 Beobachtungen zur Entwicklung einer Sprache, die meist eine Vereinfachung bedeutet, hat schon im 12. Jahrhundert Jehuda haLevi in seinem „Buch Kusari“ eindrücklich formuliert: „Es ging der Sprache wie ihren Trägern. Sie verarmte, als diese verarmten, und wurde beschränkt, als diese weniger wurde.“10 2.1 Die Sprachen in Babylonien Anders als in Ägypten ist Mehrsprachigkeit in Mesopotamien über viele Jahrhunderte ein übliches Phänomen, wobei die mit Abstand wichtigsten Sprachen Sumerisch und Akkadisch (= Assyrisch-Babylonisch) waren. Das gesamte Schriftsystem des Akkadischen ist nur als Resultat einer Symbiose beider Sprachen verständlich. Die unzähligen zweisprachigen lexikalischen Texte zeugen ebenso davon wie die zweisprachigen Ritualtexte und die Übersetzungen einiger großer sumerischer Literaturwerke ins Akkadische. Nachdem das Akkadische das Sumerische als gesprochene Sprache abgelöst hatte und später zur lingua franca geworden war, blieb das Sumerische als Sprache der Religion über lange Zeit in Gebrauch und war darüber hinaus im Bewusstsein zumindest der gebildeten Klasse präsent.11 Ob es auch noch gesprochen wurde, ist kaum auszumachen. Vielleicht mehr als in anderen Kulturen ist die Sprache in Mesopotamien nicht von den Texten zu trennen. Babylonische 8  Siehe auch die Ausführungen von Assmann, Kulturelles Gedächtnis, 165. 9  Joosten, „Holy Language“. Zur Frage der Entwicklung des Hebräischen der Bibel siehe auch: Hendel und Joosten, How Old is the Hebrew Bible?. 10  Cassel, Das Buch Kusari des Jehuda ha-Levi, 166. 11  Dies lässt sich auf vielerlei Weise zeigen. Interessant ist in diesem Zusammenhang z.B., dass babylonische Schreiber Keilschriftzeichen so verwendet haben, dass sie dadurch eine Metaebene des Textverständnisses vermittelten. Dafür war eine gute Kenntnis des Sumerischen notwendig. Siehe dazu Maul, „Küchensumerisch oder hohe Kunst der Exegese?“, 253–267 und auch Maul, „Bildhafte Orthographie in der AssyrischBabylonischen Keilschrift“, 65–75.

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Kultur ohne babylonische Sprache und ohne Keilschrift ist zum Untergang verurteilt. Und dennoch verlor das Babylonische seine Bedeutung auch dann nicht gänzlich, als das Aramäische sich zur allgemeinen Verkehrssprache entwickelt hatte und selbst im mesopotamischen Kernland immer üblicher wurde. Es blieb sogar noch in Gebrauch, als die Oberhoheit des Landes zunächst an achämenidische, dann an seleukidische Herrscher fiel.12 Dabei war der Einfluss des Aramäischen mit seiner im Vergleich zur Keilschrift so simplen Schrift groß. Schon im 8. Jh. v. Chr. verbat sich Sargon II., offizielle Schreiben auf Aramäisch, auf Leder geschrieben, zu erhalten.13 Und sogar in der internen Palastverwaltung in Ninive versahen die Schreiber die administrativen Tontafeln mit aramäischen Notizen, um einen raschen Überblick über den Inhalt zu erlangen, da ihnen Aramäisch wohl geläufiger war als Akkadisch.14 Die Bedeutung des Aramäischen nahm in den folgenden Jahrhunderten eher noch zu. Später, in seleukidischer Zeit, trat neben das Aramäische als lingua franca das Griechische. Dennoch dauerte es noch lange, bis diese Sprachen das Babylonische völlig verdrängen konnten. Alle Arten von Texten, literarische, religiöse, lexikalische, administrative Texte und auch Briefe sind in großer Zahl aus neu- und spätbabylonischem Kontext bekannt. Astronomische Berechnungen wurden selbst im ersten Jahrhundert nach Christus noch in Keilschrift geschrieben. Doch gehört Astronomie nicht zum Alltag. In täglichem Gebrauch war Keilschrift wohl bis ins 4. Jahr­hun­dert v. Chr. Der Einzug Alexanders des Großen in Babylon im Jahr 331 v. Chr. war das entscheidende Ereignis, mit dem ein Fixpunkt gesetzt ist: Von da an ging der Gebrauch der Keilschrift rapide zurück. Doch sind es von den ersten Zeichen, dass Aramäisch neben das Akkadische trat, bis zu diesem Ereignis immerhin etwa fünfhundert Jahre, fünfhundert Jahre, in denen die babylonische Kultur mit ihrer Sprache und Schrift lebendig geblieben ist. Mitentscheidend dafür, dass dies möglich war, ist zweifellos das tief verwurzelte Bewusstsein für die kulturelle und kollektive Identität. Frei nach dem Motto „Wissen ist Macht“ hat man sich bemüht, in den Besitz von Texten zu kommen, hat sich z.B. Tontafeln ausgeliehen, um sich eine Kopie davon anzufertigen. Die wichtigen Texte fanden ihren Platz jedoch nicht nur zur sicheren Aufbewahrung in Bibliotheken und Archiven, sondern sie wurde in gebildeten Kreisen innerhalb der Schreiberausbildung weitervermittelt. 12  Vgl. dazu z.B. Gesche, Schulunterricht, 28. 13  Vgl. Gesche, Schulunterricht, 29 mit weiterer Literatur. Die Übersetzung des entsprechenden Passus aus dem Brief Sargons II. an Sin-iddin aus Ur findet man bei Streck, „Keilschrift und Alphabet“, 77. Siehe auch Zehnder, „Die Assyriens“, 417–438. 14  Siehe Fales, Aramaic Epigraphs on Clay Tablets of the Neo-Assyrian Period.

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2.2 Schulunterricht in Babylonien15 Unter Schule versteht man eine Institution, deren Aufgabe darin besteht, Wissen, Fähigkeiten und Werte an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Für Babylonien im ersten Jahrtausend v. Chr. wissen wir zwar, dass es eine Institution gegeben hat, über das, was den äußeren Ablauf des Unterrichts und die Organisation der Institution betrifft, ist jedoch kaum etwas bekannt. Wenn wir hier von „Schule“ sprechen, verstehen wir darunter das System, das es ermöglicht, die oben umrissene Aufgabe zu erfüllen. Entscheidend ist, dass das babylonische Curriculum etwa seit der Zeit Nebukadnezars weitgehend fest fixiert war und dadurch die Weitergabe der Inhalte in einer standardisierten Form gestattete. Zu dem Repertoire der Schulausbildung gehörten vor allem die wichtigsten lexikalischen Listen, das Epos Enuma Eliš, kultische Texte und Beschwörungen, sowohl rein babylonische als auch zweisprachige. Daneben lernten die Schüler die Grundlagen, die sie für den Geschäftsverkehr brauchten. Doch nicht nur die Kenntnis der wichtigsten Texte und mit den Texten zusammen die Keilschrift wurde in der Schule gelehrt, sondern auch Babylonisch als Sprache. Auf Tontafeln babylonischer Schüler, die zum größten Teil aus spätbabylonischer Zeit stammen, aber eine ältere Tradition fortsetzen, finden sich häufig Übungen, in denen die Schüler Wörter geschrieben haben, die dem Wortschatz und Sprachgebrauch des Unterrichts entnommen sein dürften. Dabei schrieben sie die Wörter jeweils zweimal, wobei sie unterschiedliche Zeichen verwendeten. Einige Beispiele sind: limad „lerne!“, gefolgt von limdā „lernt!“, oder tulammad „du lernst“, gefolgt von nilammad „wir lernen“. Auch „ihr seid zu spät gekommen“, „ich tuschele“, „ich lärme“, „strebe“, „ehre“, „du hast dich bemüht“ und viele andere Verbformen sind dem Schulkontext entnommen.16 Dass babylonische Alltagssprache niedergeschrieben wurde, findet man äußerst selten. Umso mehr ist hervorzuheben, dass hier im Unterricht Babylonisch als gesprochene Sprache, vermutlich als Zweitsprache praktiziert wurde. Man bemühte sich demnach aktiv darum, das Babylonische lebendig zu erhalten, und zwar, wie die Bildung und Schreibweise der Verbformen nahelegt, nicht in einer konservativen archaisierenden Weise, sondern offensichtlich in der Form, wie sie in jener Zeit üblich war. 2.3 Schule und Kult Identitätsbewusstsein muss auf mehreren, sich gegenseitig ergänzenden Faktoren gründen. Wissen, das nicht angewendet wird, und Texte, die ausschließlich in Archiven und Bibliotheken verwahrt werden, tragen nicht zum 15  Allgemein dazu: Gesche, Schulunterricht. 16  Siehe Gesche, Schulunterricht, 104–105.

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kulturellen Gedächtnis und damit zur Identitätsfindung einer Gruppe bei.17 Assmann versteht sogar „Ritus und Fest als primäre Organisationsformen des kulturellen Gedächtnisses.“18 Demnach ist es notwendig, dass das Wissen im Bewusstsein präsent bleibt. Die Charakteristika, die zum Gemeingut einer Gruppe gehören, müssen in einen kultischen Kontext eingebunden sein, wenn sie nicht nur reine Theorie bleiben sollen. Das gilt für die Sprache19 ebenso wie für die Erinnerung an bestimmte Ereignisse. So werden, wie schon erwähnt, die grundlegenden Ereignisse der Geschichte des Volkes Israel, vor allem der Auszug aus Ägypten, rituell beim Pesach-Mahl in Erinnerung gerufen. 2.4 Schule im Kontext des babylonischen Neujahrsfestes In diesen Kontext gehört die Praxis, dass Schüler der neu- und spätbabylo­ nischen Zeit in Babylon von ihnen beschriebene Tontafeln dem Schreibergott Nabû weihten. Zwar ist für diesen Ritus keine Ritualbeschreibung bekannt und die Weihung von Schülertafeln wird nicht als Teil der großen Feste genannt, aber zahlreiche Hinweise und Parallelen zu besser bekannten Ritualen bringen diese Handlung mit wichtigen Passagen des Akitu-Festes – die häufig verwendete Übersetzung „Neujahrsfest“ trifft den Festinhalt nur teilweise – in Verbindung. Gehörte der Weiheakt dieser Schülertafeln tatsächlich zum AkituFest – und das ist nach den Indizien möglich –, wäre er in das zentrale Kultgeschehen in Babylon eingebunden.20 Aber auch wenn dies nicht der Fall ist, zeigen die Weihungen, dass man die Bedeutung des Schulunterrichtes kaum hoch genug einschätzen kann. Ein weiteres Fest, in dem sich Anklänge an die Schule zeigen, ist das spätbabylonische kislīmu-Ritual in Babylon21, in dem 17  Dass die Inhalte dessen, was im Gedächtnis der Gruppe bewahrt werden soll, gepflegt werden müssen, um ihren Zweck zu erfüllen, geht aus folgender Definition hervor: „Unter dem Begriff des kulturellen Gedächtnisses fassen wir den jeder Gesellschaft und jeder Epoche eigentümlichen Bestand an Wiedergebrauchs-Texten, -Bildern und -Riten zusammen, in deren „Pflege“ sie ihr Selbstbild stabilisiert und vermittelt, ein kollektiv geteiltes Wissen vorzugsweise (aber nicht ausschließlich) über die Vergangenheit, auf das eine Gruppe ihr Bewußtsein von Einheit und Eigenart stützt.“ Assmann, Kollektives Gedächtnis, 15. 18  Assmann, Kulturelles Gedächtnis, 56. 19  Grözinger, „Sprache und Identität“, 78: „Das Hebräische wird in der jüdischen Tradition Leschon ha-Qodesch, heilige Sprache, genannt. Diese Sprache ist ein Teil der Religion, der praktisch geübten Religion.“ 20  Obwohl das Akitu-Fest das wichtigste kultische Ereignis in Babylon war, besteht über dessen vorrangige Bedeutung keine Einigkeit. Zgoll, „Königslauf“, 16–17, stellt die verschiedenen Deutungen der Festinhalte zusammen. Vermutlich verbinden sich in diesem, sich über mehrere Tage erstreckenden Fest die dort genannten Aspekte, so dass man nicht von einem Entweder-Oder reden kann. 21  Çağırgan und Lambert, „The Late Babylonian Kislimu Ritual for Esagil, 89–106.

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eine Person auftritt, die als „Sohn des Tafelhauses“ (mār-eduppê) bezeichnet wird. Die Bezeichnung für einen Schreiberlehrling ist in spätbabylonischer Zeit nicht mehr gebräuchlich, sondern sie greift altbabylonische Terminologie auf. Die Handlungen, die diese Person innerhalb des Rituals auszuführen hat, lassen jedoch keine Beziehung zur Schulausbildung erkennen. Zwar lässt sich so die kultische Handlung, die wir für die Schüler annehmen, nicht einordnen, aber dass die Schreiberausbildung in irgendeiner Weise auch kultisch von Bedeutung ist, liegt nahe. Eine große Zahl von Schülertafeln ist in Tempeln des Schreibergottes in verschiedenen Städten gefunden worden, und zwar im Boden des Heiligtums vermauert, wobei es sich aber sicher um eine sekundäre Aufbewahrung handelt. Am besten ist dies vom Tempel des Nabû ša ḫarê in Babylon bezeugt, so dass wir uns auf diesen Ort konzentrieren werden.22 Von den dort gefundenen Tafeln sind viele mit einer ausführlichen Weihinschrift versehen, deren Formulierung so aufschlussreich für die Einordnung der Tafelfunde ist, dass wir hier eines der ausführlicheren Beispiele besprechen. BM 77665+:23 (1–14) Bēlšunu, Sohn des Nabû-nādin-apli […]: Damit er lange lebe, dafür dass es seiner Nachkommenschaft gut ergehe, für sein festes Fundament, für den Zusammenhalt des Vaterhauses, dass er offene Ohren habe, für […] der Sprache, damit er die Schreibkunst erlerne, damit er nicht krank werde und lange lebe, (15–19) hat er Ton von der Außenseite, von dem reinen Ort, herausgekratzt. Er hat die Tafel beschrieben und ins E-nig-gidri-kalama-summu, den Tempel des Nabû ša ḫarê, in das Haus seiner Herrschaft für das kanak bābi, für das gunnu [… gebracht]. (20) Tafel, wenn du eintrittst, lege Fürsprache ein und rede Gutes für mich! Zunächst ist hervorzuheben, dass Nabû mehrfach während des Akitu-Festes in Erscheinung tritt, auch in direktem Bezug zu seinem Tempel E-nig-gidrikalama-summu. So ist von mehreren assyrischen und babylonischen Königen bekannt, dass ihre Herrschaft durch die Übergabe des Zepters durch Nabû am vierten Festtag an jenem Ort bestätigt und legitimiert wurde.24 Auch die bedeutenden Vasallenverträge Asarhaddons stehen kultisch in Verbindung mit dem Tempel des Nabû.25 Diese weisen ebenso wie einige der geweihten 22  Siehe v.a. Cavigneau, Textes scolaires. 23  Publikation: Gesche, Schulunterricht, 650–652. Vgl. dazu: Gesche, „Ton“, 58; Gesche, „Late Babylonian School Exercise Tablets“, 257–265; Maul, „tipik santakki“, vii–xvii. 24  Vgl. z.B. Zgoll, „Königslauf“, 23–24. 25  Siehe dazu George „Studies Cultic Topography and Ideology“, 377–378, der in seinem Rezensionsartikel die Thesen von Pongratz-Leisten, Beate, Ina Šulmi Irub. Die kulttopographische und ideologische Programmatik der akitu-Prozession in Babylonien und Assyrien im I. Jahrtausend v. Chr., Baghdader Forschungen 16, Mainz: Zabern, 1994, aufgreift.

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Schülertafeln eine Eigenart auf, die für Tontafeln äußert ungewöhnlich ist: Sie sind nicht horizontal zu wenden, sondern wie eine Buchseite um die Längsachse, möglicherweise, weil man sie so aufstellen wollte, dass beide Seiten lesbar waren.26 Die direkte Anrede an die Tafel erinnert an die seit dem dritten Jahrtausend übliche Praxis, Statuen oder sonstige Gegenstände in Tempeln als Votivgaben zu deponieren, damit jene beständig Fürbitte für den Spender vor der Gottheit einlegen.27 Wenn wir uns nun der Weihinschrift zuwenden, stoßen wir auf die Feststellung, dass der Schreiber den Ton für seine Tafel von dem reinen Ort geholt habe. Für „Ton“ verwendet der Schreiber das Wort ṭīdu, das normalerweise den Ton bezeichnet, aus dem man Figurinen für Rituale herstellte und der als Baumaterial verwendet wurde. Auch als Grundstoff für die Erschaffung des Menschen verwendeten die Götter entsprechend babylonischer Mythologie ṭīdu. Es handelt sich also um den rohen Lehm, wie er aus der Erde kommt und der erst bearbeitet werde musste, um ihn für Tontafeln verwenden zu können.28 Dieses für den Zweck ungewöhnliche Material holten die Schüler von dem reinen Ort, dem ašru ellu. Das ist nun nicht irgendein Ort, sondern aus Parallelstellen wird erkennbar, dass es sich um den Garten des Apsû, des unterirdischen Süßwasserozeans (É-kar-za-gìn-na), handelt.29 Damit wird der Weiheakt direkt mit dem mythischen Schöpfungsgeschehen verbunden. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass während des Akitu-Festes das babylonische Weltschöpfungsepos Enuma Eliš rezitiert wurde und zwar zum ersten Mal am vierten Tag, an dem Tag, an dem im E-nig-gidri-kalamasummu dem König das Zepter überreicht wurde. Enuma eliš spiegelt ganz und gar die gängige Weltsicht, in der die Schöpfung auf den Tempel ausgerichtet ist und das Königtum durch die Götter legitimiert wird.30 Die Topographie Babylons wird kultisch gedeutet, und die Orte spielen eine Rolle im Ablauf der Kulthandlungen in der Stadt. Die Deutungen dafür sind in einer Liste mit dem Titel Tintir31 überliefert. Diese Liste und das Enuma Eliš waren fester Bestandteil des Schulcurriculums, was deren zentrale Bedeutung als Kulturgut zeigt. Ob auch das Ḫarû-Ritual des Akitu-Festes mit dem Tempel des Nabû ša

26  Vgl. dazu Gesche, Schulunterricht, 157. 27  Siehe dazu auch Watanabe, „abbūt(m)/abbuttu ṣabātu(m) – Zur immanenten und transzendenten Interzession“, 319–338. 28  Vgl. Maul, „tikip santakki“, xv–xvii. 29  Maul, „tikip santakki“, xiv–xv. 30  Auf die Verbindung von Tempel und Schöpfung in Mesopotamien geht Janowski, „Der Himmel auf Erden“, 232–235, ein. 31  Publikation: George, Babylonian Topographical Texts.

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ḫarê in Zusammenhang steht, ist nicht geklärt.32 Auch wenn sich über den genauen Ort und Zusammenhang keine Aussagen machen lassen, so lassen die genannten Hinweise keinen Zweifel an der Tatsache, dass der Schulunterricht in den Tempelkult eingebunden war.33 3.

Die in der Verbannung lebenden Israeliten und ihre Integration in die babylonische Gesellschaft

Als die Babylonier unter Nebukadnezar II. Jerusalem erobert hatten, führten sie vor allem die Oberschicht der Bevölkerung ins Exil nach Babylon. Dass sich die Israeliten bis zu einem gewissen Maß in die babylonische Umgebung integrierten und dennoch ein gewisses Maß an Eigenständigkeit bewahrten, ist hinreichend bekannt. Einige von ihnen standen im Dienst des Königs oder fanden ihren Platz in der Verwaltung, als Händler, Schreiber oder Übersetzer,34 viele schafften allerdings in der Verbannung den Schritt in die Oberschicht nicht.35 In den letzten Jahren wurden zahlreiche Tontafeln aus der Siedlung ĀlYahudu publiziert,36 die wohl aus dem Schriftverkehr von Israeliten stammen, auch wenn es im Einzelnen nicht einfach ist, die Nationalität der dort genannten Personen zu bestimmen.37 Als wichtigster Hinweis gilt, dass die Namen der Personen oder ihrer Vorfahren als theophores Element den Namen JHWH enthalten, selbst wenn ihr Bildungsschema dem von babylonischen folgt. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Schreibung des Namens einer Person, die wohl Jāhu-šarra-uṣur, „Jāhu, schütze den König“, heißt. Nicht nur ist es erstaunlich, dass JHWH angerufen wird, den babylonischen König zu schützen, sondern noch mehr die Tatsache, dass der Name derselben Person auch in der Schreibweise Bēl-šarra-uṣur belegt ist. Bēl, eigentlich „Herr“, ist so üblich als Bezeichnung des Gottes Marduk, dass es erstaunt, wenn diese Bezeichnung für JHWH verwendet wird. Man hätte einen Namen mit dem theophoren Element Bēl nicht mit einem Israeliten in Verbindung gebracht, wenn dies nicht aus dem Kontext zu erschließen gewesen wäre. Solchen und 32  Siehe Zgoll, „Königslauf“, 37. 33  Carr, Writing on the Tablet of the Heart, 206–214, untersucht mit Fokus auf des Buch Sirach die „Temple- and Priest-Centered Textuality and Education in Hellenistic Judaism“. 34  Siehe z.B. Abraham, „The Reconstruction of Jewish Communities in the Persian Empire“ 262–264. 35  Stökl, „A Youth Without Blemish“ 225 stellt hierzu eine Liste der zahlreichen Studien zusammen, in denen Ran Zadok seine Identifikation von Judäern publiziert hat. 36  Pearce und Wunsch, „Documents of Judean Exiles“. 37  So Pearce, „Identifying Judeans“ 7–32.

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ähnlichen Schwierigkeiten bei der Identifikation von Israeliten in den Quellen begegnen einem immer wieder.38 Wenn die Israeliten weitgehend an dem alltäglichen Leben in Babylonien teilhatten, waren sie zweifellos auch mit der babylonischen Kultur und Lebensweise gut vertraut. Der Alltag, das Leben im babylonischen Umfeld waren prägend,39 aber besonders wichtig für die Integration war der Schulunterricht, der mit seinem fest gefügten Curriculum die zentralen Inhalte babylonischer Kultur vermittelte. Das Buch Daniel wirft ein besonderes Licht auf diese Tatsache. Die Entstehung und Redaktion des Buches ist schwer zu fassen, dürfte aber wohl im 2. Jh. v. Chr. anzusetzen sein.40 Für einige Teile ist anzunehmen, dass sie zur Zeit des Seleukidenkönigs Antiochos IV (167–164 v. Chr.) entstanden. Die Schrift projiziert die aktuelle Situation des 2. Jahrhunderts zurück in die Zeit des babylonischen Exils. Doch wie beginnt dieses Buch? Nicht etwa mit der Schilderung der Notlage jener Menschen. Nein, das Thema ist die Ausbildung dreier junger Männer, die als Gefangene nach Babylon gekommen waren, in althergebrachter babylonischer Schrift und Kultur.41 Die kurze Zeit von drei Jahren, die für die Ausbildung veranschlagt waren, dürfte der besonderen Situation am königlichen Hof geschuldet sein. Vor allem aber zeigt sich, wie wichtig auch für die Israeliten die Ausbildung in der babylonischen Sprache und Kultur gewesen ist, dass sie an so exponierter Stelle in einem biblischen Buch genannt wird. Im Buch Daniel sind daneben allerdings auch andere Faktoren thematisiert, die für die Festigung einer selbständigen Identität grundlegend sind. Unmittelbar im Anschluss an den Bericht über die Ausbildung der israelitischen Männer werden deren speziellen Speisegebote thematisiert (Dan 1,5–16). Und dass Daniel auch in Babylon zu JHWH betete (Dan 6,11), führte zum Konflikt mit der Herrscherschicht. Obwohl die Männer in die Grundlagen babylonischer Sprache und Kultur eingeführt wurden, blieben sie in ihrer eigenen Kultur beheimatet. Doch nicht nur im Rückblick aus späterer Zeit, sondern auch aus dem Kontext des Exils selbst lassen sich Hinweise dafür finden, dass einige 38  Pearce, „Identifying Judeans“, 24–25. 39  Auf die Bedeutung der Schule weist David Carr in seinen aktuellen Monographien hin, v.a. Carr, Writing on the Tablet of the Heart, aber auch Carr, The Formation of the Hebrew Bible. Seine wichtigen Bemerkungen zur mündlichen Überlieferung von Texten gehören am Rande zu unserem Thema, können aber in diesem Kontext nicht weiter ausgeführt werden. 40  Siehe z.B. Newsom und Breed, A Commentary, 6–12. 41  Dass sich diese Schilderung aus Dan 1,3–5 tatsächlich auf die Situation am Hof zu Babylon während der Zeit des Exils zieht auch Finkel. The Ark Before Noah, 251f. in Erwägung wie zuvor schon Gesche, Schulunterricht, 219.

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Exilierte eine babylonische Schulausbildung genossen haben. Jedenfalls wagt Jonathan Stökl diese Interpretation, wenn er annimmt, dass Ezechiel in einer babylonischen Schule ausgebildet wurde.42 Er argumentiert mit Ezechiels guter Kenntnis babylonischer Kultur, dem Gebrauch akkadischer Lehnwörter in dem ihm zugeschriebenen biblischen Buch und z.B. dem ausdrücklichen Hinweis, dass er als Prophet nicht zu den Völkern fremder Sprache, sondern zum Volk Israel gesandt sei (Ez 3,4–7). Auch für Ezechiel waren beide Kulturen prägend. Diese Beispiele brauchen wir nicht im Einzelnen nachzuvollziehen. Für unserem Kontext reicht es zu zeigen, dass die im Exil lebenden Israeliten, oder wenigstens viele von ihnen, offensichtlich weitgehend in die babylonische Kultur integriert waren. Die Kenntnisse und Fähigkeiten, die ihnen mithilfe des fest gefügten babylonischen Curriculums vermittelt wurden, führten sie in die wichtigsten und für die babylonische Kultur grundlegenden Texte ein. Die Einbindung in die kultischen Handlungen, wie sie durch die Weihungen von Tontafeln gegeben war, kannten sie zumindest, selbst wenn nicht nachzuweisen ist, dass sie sie selbst praktizierten. 4.

Babylonische Schule und hebräische Sprache

Obwohl man natürlich die Entwicklung und den Gebrauch des Babylonischen und des Hebräischen nicht eins zu eins gleichsetzen kann, sind doch einige Gemeinsamkeiten nicht zu verleugnen. Sowohl die Babylonier als auch die Israeliten standen mit ihrer Muttersprache einer fremden Sprache, hier dem Aramäischen, gegenüber. Anders als z.B. in Ägypten geschah dies allerdings in einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem von alters her Mehrsprachigkeit zum Alltag gehörte. Es war nicht ungewöhnlich, neben der eigenen Muttersprache mit fremden Sprachen umzugehen. Gerade in Babylonien war das Sumerische immer und überall präsent. Darüber hinaus bestand Kontakt zu diversen weiteren Sprachen, der sich zum Beispiel in mehrsprachigen lexikalischen Listen niederschlug. Bilinguen auf Tontafeln gibt es in großer Menge. Man hatte Übung mit der Zweisprachigkeit und ging selbstverständlich mit dem Nebeneinander von Sprachen um, auch mit dem Aramäischen neben dem Babylonischen. Darin waren die Babylonier den Israeliten Vorbild.43 Ein weiteres Faktum für die Israeliten war, dass sie aus eigener Anschauung die 42  Stökl, „A Youth Without Blemish“, 223–52. 43  Mehrsprachigkeit war in späterer Zeit im Judentum ebenfalls normal. Siehe z.B. den  Beitrag von Neubert, „Sprachvielfalt in der rabbinischen Welt“, 199–221.

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positive Bedeutung eines festen Curriculums für die Erhaltung des kulturellen Erbes erfuhren. Es zeigte sich, wie wichtig es ist, die Texte und das Wissen, die zum kulturellen Gedächtnis der Gruppe gehörten, möglichst unverfälscht an die nachfolgenden Generationen weiter zu geben. Dies geschah in Babylonien zu einem erheblichen Teil schriftlich. Ein solches Umfeld, in dem die Israeliten heimisch geworden waren und das sie nicht nur von außen betrachteten, war zweifellos prägend. Sie haben sicher einiges von der babylonischen Kultur übernommen. Noch mehr aber haben sie erfahren, dass die Schule dazu beiträgt, das Eigene zu bewahren, wenn dort die wichtigsten Texte schriftlich in einer standardisierten Form tradiert werden. Es wundert auf dieser Basis kaum, dass die Israeliten weiterhin Hebräisch sprachen. Vielleicht ist es kein Zufall, dass gerade das Buch Daniel lange Passagen sowohl in Hebräisch als auch in Aramäisch enthielt und der Autor des Esra-Buches sich nicht scheute, innerhalb des hebräischen Textes Dokumente in der Originalsprache, dem Aramäischen zu zitieren. Mehrsprachigkeit ist kein Hindernis. Insofern bot gerade das soziale Umfeld im babylonischen Exil eine gute Grundlage dafür, dass das Hebräische lebendig blieb. Bibliographie Abraham, Kathleen, „The Reconstruction of Jewish Communities in the Persian Empire: The Āl-Yahūdu Clay Tablets“, in: Light and Shadows – The Catalog – The Story of Iran and the Jews, hg. v. Hagai Segev and Asaf Schor, Tel Aviv: Beit Hatfutsot, 2011, 262–264. Assmann, Jan, „Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität“, in: Kultur und Gedächtnis, hg. v. Jan Assmann und Tonio Hölscher, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1988, 9–19. –, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. 7. Aufl., München: Beck, 2013 (erstveröffentlicht 1992). Çağırgan, Galip / Lambert, Wilfred G., „The Late Babylonian Kislimu Ritual for Esagil“, JCS 43–45 (1991–1993) 89–106. Carr, David M., The Formation of the Hebrew Bible: A New Reconstruction, Oxford/New York: Oxford University Press, 2011. –, Writing on the Tablet of the Heart: Origins of Scripture and Literature, New York: Oxford University Press, 2005. Cassel, David, Das Buch Kusari des Jehuda ha-Levi (hebr. und dt.), Berlin: Louis Lamm, 1922. Cavigneau, Antoine, Textes scolaires du temple de Nabû ša ḫarê, Baghdad: State Organization of Antiquities & Heritage, 1981.

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Philos Vorstellung vom Lehrer nach De posteritate Caini, 138–142.146–147 Eberhard Bons Einleitung Wer in der Hebräischen Bibel Aussagen zum Thema des Lernens und Lehrens sucht, muss sich mit wenigen Informationen begnügen. Im Buch Deuteronomium wird Israel nicht nur darauf verpflichtet, das Gesetz zu halten, sondern es soll das Gesetz auch an die Nachkommen weitergeben (vgl. etwa Dtn 4,10 we’æt benêhæm yelammedûn „und sie sollen [es] ihre Kinder lehren“). Um zu verhindern, dass das Gesetz in Vergessenheit gerät, werden ganz bestimmte Gegenmaßnahmen empfohlen: Es soll an Stirn und Handgelenk getragen und auf die Türpfosten geschrieben werden (vgl. Dtn 6,8–9), so dass es im Alltagsleben eines jeden Israeliten geradezu allgegenwärtig ist. Das Lehren und Lernen bedeutet somit im wesentlichen die Lehre und das Erlernen des Gesetzes, das, wie etwa in Psalm 1 mit einem Makarismus ausgedrückt wird, Tag und Nacht meditiert, d.h. halblaut rezitiert werden soll.1 Explizite Aussagen über eine Institution, die sich die Lehre des Gesetzes zur Aufgabe macht, enthalten diese Texte jedoch nicht. Vielleicht ist zunächst an die Familie gedacht, in deren Rahmen das Gesetz an die Kinder weitervermittelt wird. Dass Israel Schulen kannte und damit auch ein Lehrpersonal, das Unterrichtsfunktionen ausübte, mag man postulieren. Die Hebräische Bibel behandelt das Thema nicht ausdrücklich und lässt kaum eindeutige Schlussfolgerungen zu. Zwar könnte man an Texte wie Spr 5,13 denken, wo der Schüler davor gewarnt wird, die Lehre der Weisheit so sehr abzulehnen, dass er sich irgendwann eingestehen muss, er habe nicht auf seine Lehrer und Erzieher gehört. Aber kann man aus der Verwendung der Begriffe môræh und melammed an dieser Stelle schließen, dass hier eine institutionelle schulische Ausbildung durch Lehrer und Erzieher vorausgesetzt wird?2 Mit diesem Einwand soll keineswegs ausgeschlossen werden, dass in Israel ein gewisses „Expertenwissen“ vermittelt *  Diesen Aufsatz widme ich meinem Kollegen Wolfgang Kraus, den ich über die Mitarbeit am Projekt Septuaginta Deutsch kennenlernen durfte und mit dem mich seither eine langjährige Zusammenarbeit und Freundschaft verbindet. 1  Vgl. hierzu Lohfink, Psalmengebet und Psalterredaktion, 5–6. 2  Vgl. Davies, Were there schools in ancient Israel?, 200. Eher zustimmend Schipper, Sprüche, 355, der von „professionellen Schreiberschulen zur Zeit des zweiten Tempels“ spricht.

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wurde, etwa die Fähigkeit, Texte rechtlichen Inhalts wie den sogenannten Scheidebrief (Dtn 24,1) abzufassen. Ebenso muss man sich fragen, wo die Verfasser der Texte, die später in die Hebräische Bibel aufgenommen wurden, ihre Kenntnisse erwarben. In welchem institutionellen Rahmen und durch welche Personen eine entsprechende Ausbildung stattfand, etwa in Form eines Einzelunterrichts, bleibt jedoch offen.3 Wenn man die Suche nach Aussagen zum Thema des Lehrens und Lernens auf die Septuaginta ausdehnt, vor allem auch auf die Schriften, die kein Pendant in der Hebräischen Bibel haben, bleibt der Befund dürftig. Zwar verwendet das Buch Jesus Sirach einmal den Ausdruck „Lehrhaus“ (Sir 51,23, Ms. B byt mdršy, wörtlich „Haus meiner Lehre“). Aber ist damit eine Schule gemeint? Und dasselbe Buch enthält einen langen Text über den Weisen, der im Inland und Ausland Erfahrungen und Kenntnisse gesammelt hat und als Ratgeber und Experte hoch angesehen ist (Sir 39,1–11). Aber dass er sein Wissen in einer Institution wie der Schule anderen Menschen zugänglich macht, wird in diesem Text nicht gesagt. Schließlich ist es bemerkenswert, dass ein griechischer Terminus für den Lehrer, διδάσκαλος, in der Septuagint äußerst selten vorkommt, und zwar nur einmal in einer übersetzten Schrift (Esth 6,1), jedoch nicht etwa in der griechischen Übersetzung der zitierten Stelle Spr 5,13. Somit liegt eine Schlussfolgerung nahe: Zwar enthalten die Hebräische Bibel sowie die Septuaginta Aussagen, in denen von der Weitergabe von Wissen und Weisheit die Rede ist. Dagegen fehlen weitgehend Informationen über Schulen und Lehrer, und zu Grundlagen und Methoden der Vermittlung findet man so gut wie keine näheren Angaben. Ein Autor, der sich jedoch dieser Frage widmet, ist der jüdische Philosoph Philo, der in seinem Traktat De posteritate Caini 138–142, 146–147 Überlegungen zu Lehre und Lernen und zum Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern formuliert. Ausgangspunkt seiner Gedanken ist die allegorische Bibelauslegung von Gen 24,16–20. Daran schließen sich Reflexionen theoretischer Art an, die wie eine Art Exkurs aus ihrem unmittelbaren Kontext herausgelöst werden können, da sie die allegorische Bibelauslegung von Gen 24,16–20 unterbrechen, aber dennoch nicht völlig unabhängig von ihr sind. Wegen ihres grundsätzlichen Charakters verdienen Philos Gedanken jedoch Beachtung, zumal da sie in Werken über antike Pädagogik – auch in denjenigen, die dem Erziehungsgedanken im antiken Judentum Aufmerksamkeit schenken – in der Regel vernachlässigt werden4, 3  Neben dem zuvor zitierten Artikel von Davies vgl. zur Thematik auch Haran, On the Diffusion of Literacy and Schools in Ancient Israel. 4  Vgl. etwa Schwenk, Geschichte der Bildung und Erziehung von der Antike bis zum Mittelalter, Kapitel III.

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genauso aber auch in der exegetischen Literatur, die sich auf das Thema bezieht5 sowie in der Sekundärliteratur zu Philo.6 Der vorliegende Artikel gliedert sind in vier Abschnitte. Zunächst gilt es kurz den Kontext zu behandeln, in den die Gedanken Philos zum erwähnten Thema eingebettet sind (1). Die Argumentationen sind – wie so häufig bei Philo – ziemlich verwickelt. Daher ist es notwendig, deren Grundlinien sorgfältig herauszuarbeiten. Weniger wichtig erscheinende Elemente sowie Digressionen werden dagegen nicht berücksichtigt. In einem zweiten Schritt sollen die Gedankengänge von De posteritate Caini 138–142, 146–147 vorgestellt werden (2–3). Zunächst werden jeweils die Aussagen Philos zusammengefasst und in einem weiteren Schritt einige zentrale Begriffe näher analysiert, und zwar unter Berücksichtigung der übrigen Werke Philos sowie des biblischen und griechisch-hellenistischen Hintergrunds seines Denkens. Da sich zwischen De posteritate Caini 138–140 und 141–142 eine Zäsur erkennen lässt, werden beide Abschnitte getrennt behandelt. Zuletzt sollen noch einmal die wichtigsten Ergebnisse des Artikels zusammengefasst werden. 1.

Der Kontext von De posteritate Caini 138–142.146–147

Die Aussagen über den Lehrer und sein Verhältnis zum Schüler finden sich im Zusammenhang von Philos allegorischer Auslegung7 von Gen 24,16–20, also der Szene, in der der Knecht Abrahams der zukünftigen Frau Isaaks, Rebekka, begegnet: Rebekka kommt gerade aus der Stadt, steigt zur Quelle hinab, füllt Wasser in ihren Krug und gibt dem Knecht Abrahams sowie dessen Kamelen reichlich zu trinken. Dass diese Begegnung zum Zusammentreffen des Knechts mit der Familie Rebekkas führt und schließlich die Entscheidung getroffen wird, dass Rebekka Isaaks Frau werden soll, spielt im Traktat Philos keine Rolle. Philo ist vielmehr an einer ganz anderen Thematik interessiert. Den größeren Zusammenhang seiner Aussagen über den Lehrer bildet nämlich der siebte Abschnitt des Traktates (Post. 124–169), als dessen gedanklicher Ausgangspunkt die allegorische Auslegung der Geburt Sets gelten kann (Gen 4,25). Der Name dieses Sohnes Adams und Evas wird – vielleicht infolge 5  Vgl. die Aufsätze des Sammelwerks Multiple teachers in biblical texts, hg. von Archibald L.H.M. van Wieringen und Bart J. Koet. 6  So etwa Kaiser, Philo von Alexandrien, Kp. 4, bes. 62–63; Böhm, Rezeption und Funktion der Vätererzählungen, 380–382, behandelt die Thematik nur relativ kurz. 7  Zur Hermeneutik, die der allegorischen Bibelauslegung zugrunde liegt, sowie zu ihren Methoden, vgl. u.a. Siegert, Early Jewish Interpretation in a Hellenistic Style, 182–187; Kamezar, Biblical Interpretation in Philo; Kaiser, Philo von Alexandrien, Kap. 14.

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einer Assoziation mit der hebräischen Wurzel šātāh „trinken“ – im Sinne von „Tränken“ (ποτισμός) gedeutet (Post. 124). Dies gibt Anlass zu einer weiteren allegorischen Deutung: So wie die Pflanzen nur dann gedeihen und Früchte tragen, wenn sie ausreichend bewässert werden, so gedeiht und entwickelt sich die menschliche Seele nur dann, wenn sie durch den Fluss der Weisheit genährt wird (Post. 125). Damit ist die Thematik der folgenden Abschnitte bestimmt. Als biblisches Beispiel für die Gabe von Wasser, mit dem jemand genährt wird, führt Philo zunächst Hagar an, die ihrem Kind Ismael, das vom Verdursten bedroht ist, in der Wüste zu trinken gibt (Gen 21,19; Post. 130). An dieser Stelle setzt die allegorische Auslegung an: Philo bezieht das Kind (τὸ παιδίον) allegorisch auf die Seele: „Er [= Mose als gedachter Verfasser des Buches Genesis] nennt ‚Kind‘ die jetzt nach Unterricht verlangende und auf gewisse Weise gerade erst zum Lernen geborene Seele“ (παιδίον δὲ καλεῖ τὴν ἄρτι διδασκαλίας ὀρεγομένην ψυχὴν καὶ πρὸς τῷ μαθεῖν νυνὶ τρόπον τινὰ γεγενημένην (Post. 131). Sodann kommt Philo auf die schon erwähnte Szene zu sprechen, in der Rebekka dem Knecht Abrahams und seinen Kamelen zu trinken gibt (Post. 132). Diese interpretiert er wiederum allegorisch, wobei er den Akzent zunächst auf Rebekkas Jungfräulichkeit und Schönheit legt, Eigenschaften also, die für ihre Tugend (ἀρετή) stehen (Post. 133). Ihre Tugend wird später noch eine wichtige Rolle spielen (Post. 139). Nach einer Digression über Lea und Rachel (Post. 135) wendet Philo sich erneut der Thematik der Gabe des Wassers zu. Die Bereitschaft, mit der Rebekka den Knecht Abrahams mit Wasser versorgt, und der Durst eben dieses Knechtes werden ebenfalls allegorisch interpretiert: Das nach Einsicht dürstende Denken kann nur mit der nie versiegenden Quelle der göttlichen Weisheit gefüllt werden (Post. 136). Diese Thematik wird nach einer weiteren Digression wieder aufgenommen (Post. 138): Der Knecht bittet Rebekka letztlich darum, dass sie seinen Durst nach Wissen stille (ebd.: ὅπως τὴν τοῦ μαθεῖν δίψαν ἀκέσηται). Diese Aussage bildet den Ausgangspunkt für eine Deutung der biblischen Szene, in der Rebekka zunächst die zentrale Figur darstellt (Post. 138–140). Dann treten jedoch allgemeinere Überlegungen in den Vordergrund, die den biblischen Text weitgehend ausblenden (Post. 141–145), während in einem weiteren Abschnitt die Elemente der biblischen Erzählung wieder aufgenommen werden; dabei findet Rebekkas Handeln wieder mehrfach Erwähnung (Post. 146–153). Im folgenden werden zunächst die Aussagen über Rebekka behandelt (Post. 138–140), da sie die Grundlage für die anschließenden Überlegungen (Post. 141–142, 146–147) über den Lehrer bilden.

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Rebekka als uneigennützige Lehrerin

2.1 Ein kurzer Überblick über Post. 138–140 Bevor Philo seine grundsätzlichen Überlegungen zum Lehrer und seinem Verhältnis zum Schüler vorträgt, hebt er mehrere Aspekte von Rebekkas Handeln hervor, ohne dabei die Ebene des wörtlichen Sinns des biblischen Textes völlig zu verlassen. Zunächst unterstreicht er Rebekkas Neidlosigkeit und Freigebigkeit (Post. 138: τὸ ἀβάσκανον καὶ φιλόδωρον), mit der sie dem Knecht unverzüglich das Wasser der Weisheit reicht, sodann die Art und Weise, wie sie auf die Bitte des letzteren reagiert: πότισόν με μικρὸν ὕδωρ, „gib mir ein wenig Wasser“ (Gen 24,17; Post. 139). Statt darauf mit ποτιῶ „ich will [dir] zu trinken geben“ zu antworten, sagt sie lediglich πίε, „trink“ (Gen 24,18; Post. 139), was Philo wie folgt interpetiert: Mit der Aussage ποτιῶ würde sie – und hier oszilliert die Deutung wieder in Richtung auf die Allegorie hin – ihre eigenen beruflichen Fähigkeiten anpreisen, und zwar diejenige ihrer Lehre. Das bedeutet, dass sie mit der Aufforderung „trink“ letztlich dem Knecht die Iniative überlässt, auf ihr Angebot einzugehen, indem sie ihm den Krug reicht. Ihre eigene Initiative stellt Rebekka somit nicht in den Vordergrund. Ein solches Vorgehen würde für Philo eine Art Werbung für eine berufsmäßige Tätigkeit darstellen, die er nicht für tugendgemäß hält, wobei wieder der Begriff ἀρετή fällt (Post. 139: οὐδὲν δὲ τῶν ἐξ ἐπαγγέλματος οἰκεῖον ἀρετῇ, „nichts, was mit einem Anpreisen [scil. einer berufsmäßigen Tätigkeit] zusammenhängt, ist verwandt mit der Tugend“). Auch der folgende Vers, Gen 24,18, erfährt eine subtile Deutung, wobei Philo von vornherein betont, dass der biblische Verfasser des Textes sehr sachgerecht die Art und Weise beschreibt, mit der Rebekka den Knecht unterweist und ihm nützlich ist (Post. 140: τεχνικώτατα μέντοι χαρακτηρίζει τὴν τῆς διδασκούσης καὶ ὠφελούσης ὑφήγησιν). Philo legt den Akzent auf zwei Aspekte: auf Rebekkas Eile sowie das Hinablassen des Krugs auf ihren Arm (Gen 24,18; Post. 140: ἔσπευσεν καὶ καθεῖλεν τὴν ὑδρίαν ἐπὶ τὸν βραχίονα αὐτῆς). Doch die Bewegungen der jungen Frau bilden nur den Ausgangspunkt für eine Exegese, die ihr Verhalten als Lehrerin in den Mittelpunkt stellt: Mit ihrer Eile bringt sie sichtbar zum Ausdruck, dass sie keine Zeit verstreichen lässt, um sich für das Wohlergehen des Knechtes bzw. Schülers einzusetzen (Post. 140: διὰ μὲν τοῦ σπουδάσαι τῆς πρὸς τὸ εὐεργετεῖν ἐμφαινομένης ὀξύτητος). Und dieses Handeln erwächst aus einer Einstellung, aus deren Bereich Neid und Habgier weit weg verbannt, wörtlich „weggeschossen“ worden sind (Post. 140: ἧς ὑπερόριος ἐκτετόξευται φθόνος). Das Hinablassen des Krugs wiederum steht für die Vertrautheit des Lehrers mit seinem Schüler, dem er sich nähert und zu dem er sich hinabbeugt (ebd., 140: διὰ δὲ τοῦ καθελεῖν ἐπὶ τὸν βραχίονα αὐτῆς τῆς πρὸς τὸν μανθάνοντα τοῦ διδάσκοντος ἐπικλινοῦς καὶ προσεχοῦς οἰκειώσεως).

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2.2 Die zentralen Aussagen von Post. 138–140 Philos Auslegung von Gen 24,16–18 gewinnt eine größere Tiefenschärfe, wenn man mehrere Begriffe näher untersucht, die zwar dem biblischen Text als solchem fremd sind, jedoch Philo dazu dienen, seine Vorstellung vom Lehrer und seinem Verhältnis zum Schüler zu entwickeln. Diese ist vor allem geprägt von drei Elementen, die im folgenden behandelt werden: das Fehlen von Neid und Eigennutz sowie der Verzicht auf das Anpreisen einer beruflichen Tätigkeit, das Interesse am Wohlergehen des Schülers und schließlich die Vertrautheit zwischen Lehrer und Schüler. 2.2.1 Die Freigebigkeit der Lehrerin Zunächst wird Rebekkas Handeln als uneigennützig, wörtlich als „frei von Neid“ charakterisiert. Bezeichnet wird dies zunächst mit dem substantivierten Adjektiv τὸ ἀβάσκανον (Post. 138), sodann mit der Metapher des Neids, φθόνος, der aus Rebekkas Einstellung „weggeschossen“ ist (Post. 140). Zwar ist das Adjektiv ἀβάσκανος ein Hapaxlegomenon in Philos Werken; dennoch ist es mit dem Substantiv φθόνος keineswegs inkompatibel.8 Mehrfach begegnet letzteres nämlich in Parallele mit dem bedeutungsverwandten Substantiv βασκανία (Virt. 170; Mut. 112; Somn. 1.107), so dass man davon ausgehen muss, dass beide Begriffe sich ergänzen. Eine erste Deutung des uneigennützigen Verhaltens Rebekkas ergibt sich aus dem weiteren Kontext. Im selben Traktat, jedoch einige Abschnitte später, beschreibt Philo das Verhalten der jungen Frau, indem er auf dieselbe Begrifflichkeit zurückkommt: Dadurch dass Rebekka den gesamten Inhalt des Krugs in die Tränke leert (vgl. Gen 24,20), gießt sie ihr gesamtes Wissen in die Seele ihre Schülers (Post. 150: ὅλην ἐξεκένωσε τὴν ὑδρίαν εἰς τὸ ποτιστήριον, τουτέστι τὴν τοῦ διδάσκοντος ἅπασαν ἐπιστήμην εἰς τὴν ψυχὴν τοῦ μανθάνοντος). Das unterscheidet sie aber – so fährt Philo fort – von den Sophisten, die um des Lohnes willen und aus Habsucht die Entwicklung der natürlichen Anlagen ihrer Schüler behindern und vieles an notwendigem Wissen ihnen vorenthalten, um sich Einkünfte für die Zukunft zu sichern (Post. 150: σοφισταὶ μὲν γὰρ ὑπὸ μισθαρνίας ἅμα καὶ φθόνου τὰς τῶν γνωρίμων κολούοντες φύσεις πολλὰ τῶν ἃ χρὴ λέγειν ἡσυχάζουσι ταμιευόμενοι τὸν ἀργυρισμὸν εἰσαῦθις ἑαυτοῖς). Möglicherweise ist vor diesem Hintergrund auch die Bemerkung zu interpretieren, wonach Rebekka ihre Fähigkeiten nicht angepriesen habe. Vielleicht will Philo damit zum Ausdruck bringen, dass es nicht in Rebekkas Absicht lag, irgendwelche materiellen Vorteile aus der Gabe des Wassers – allegorisch 8  Vgl. Philon d’Alexandrie, De posteritate Caini, 128, Anm. 2: „φθόνος rappelle ἀβάσκανος de 138, synonyme de ἄφθονος“.

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interpretiert: aus ihrer Lehrtätigkeit – zu ziehen. Schon bei Plato findet sich das entsprechende Vokabular, vor allem das Verb ἐπαγγέλλω sowie das Substantiv τὸ ἐπάγγελμα, wenn von den Sophisten und ihren Versprechen die Rede ist (Euthyd. 274a3; Prot. 319a6; Gorg. 447c2). Philo selbst verwendet diese Termini nicht mit Hinblick auf die Sophisten, unterscheidet aber an anderer Stelle (Plant. 81) deutlich zwischen den Versprechen (τὰ ἐπαγγέλματα) des Handwerkers und dem Ergebnis der tatsächlich ausgeführten Arbeit (τὰ ἔργα), die hinter dem Versprechen zurückbleibt. In diesem Zusammenhang können die weiteren Aussagen Philos zu den Sophisten außer Acht gelassen werden.9 Auch mag offen bleiben, welche Form von sophistischer Lehre er durch persönlichen Kontakt oder vom Hörensagen kennengelernt hat. Vermutlich bedient Philo sich eines Topos, der sich schon bei Plato findet (vgl. Euthyd. 304c2; Prot. 310d7; 311d2; 328b6–7; Meno 91b3–8), wenn er den Sophisten vorwirft, ihre Lehre nur gegen gute Bezahlung anzubieten.10 Doch die Kritik an den Sophisten sowie die Würdigung des uneigennützigen Verhaltens Rebekkas lassen sich auch auf dem Hintergrund anderer Stellen aus Philos Werken erklären. Nur zwei seien angeführt: In seinem Traktat De Virtutibus, und zwar im Zusammenhang seiner Kritik am Hochmut, ruft Philo dazu auf, Gaben und Fähigkeiten nicht für sich selbst zu behalten oder sie sogar zum Schaden anderer Menschen einzusetzen, sondern sie allen zur Verfügung zu stellen (Virt. 168–169). Dabei redet Philo nicht nur diejenigen an, die über Reichtümer verfügen, die sie teilen sollen, sondern auch die Verständigen (Virt. 170: ἐπιστήμονες), die dazu ermahnt werden, andere Menschen ebenfalls verständig zu machen. Kurz: Auch in diesen Fällen gilt, dass man der Tugend (ἀρετή) den Vorrang vor Neid und Missgunst (φθόνος καὶ βασκανία) geben soll (Virt. 170).11 Die Forderung, dass gerade diejenigen, die über Wissen verfügen, dieses anderen zugänglich machen sollen, wird aber – wenigstens indirekt – in einem ganz anderen Kontext zum Ausdruck gebracht, und zwar in Philos

9  Für eine erste Übersicht zu Philos abschätziger Meinung zu den Sophisten, vgl. Kaiser, Philo von Alexandrien, 77–78; Koskenniemi, Greek Writers and Philosophers in Philo and Josephus, 89–90. 10  Wie diese Vorwürfe zu interpretieren sind, ob sie zutreffen oder ob sie nur die Reputation der Sophisten unterminieren sollten, kann im Zusammenhang dieses Artikels nicht behandelt werden; vgl. zur Thematik u.a. Tell, Wisdom for Sale? Zu Philos Plato-Kenntnissen vgl. Koskenniemi, Greek Writers and Philosophers in Philo and Josephus, 102–106. 11  Zu dieser Thematik vgl. auch Berthelot, L’„humanité de l’autre homme“, 233–234.

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Missbilligung der Mysterienkulte (Spec.leg. 1.319–320; vgl. Dtn 23,18LXX12). Dabei richtet Philo sich nicht in erster Linie gegen die Kenntnisse, die durch die Teilnahme an derartigen Kulten erworben werden; auch deren mögliche Unvereinbarkeit mit dem Glauben Israels spielt keine Rolle in Philos Kritik. Vielmehr beanstandet er, dass die in die Mysterien Eingeweihten ihre Kenntnisse nur ganz wenigen anderen zur Verfügung stellen, anstatt sie offen auf dem Markt zum Nutzen (ὠφέλεια) aller Menschen bekannt zu machen und somit zu einem besseren und glücklicheren Zusammenleben beizutragen (Spec.leg. 1.320). Denn wiederum gilt: φθόνος γὰρ ἀρετῆς διῴκισται, „der Neid wohnt nicht mit der Tugend zusammen“ (Spec.leg. 1.320). 2.2.2 Das Interesse am Wohlergehen des Schülers Das Verhalten Rebekkas wird aber nicht nur mit dem Fehlen von Neid beschrieben, sondern auch mit positiven Kategorien. Die eine ist die Bereitschaft, dem Knecht bzw. Schüler Gutes tun zu wollen, die andere die Vertrautheit des Lehrers mit ihm. In Post. 140 wird die Absicht von Rebekkas Handeln mit dem Ausdruck πρὸς τὸ εὐεργετεῖν, wörtlich „zum Wohltun“ beschrieben. Auf dem Hintergrund der übrigen Werke Philos, aber auch auf demjenigen der Septuaginta13 ist die Verwendung des Verbs εὐεργετέω in diesem Zusammenhang bemerkenswert. In der Regel hat das Verb nämlich andere Subjekte, vor allem politische Herrscher (Legat. 50; 283) oder Gott selbst (Ps 12,6LXX; 2 Makk 10,38; Weish 3,5; Plant. 86; 130; Mut. 129); dasselbe gilt für das Substantiv εὐεργέτης, das meistens auf Gott (Post. 154; Leg.all. 3.137) oder auf politische Herrscher (Legat. 22; 148–149; Flacc. 74) bezogen wird und nur gelegentlich auf andere menschliche Wohltäter (Spec.leg. 2.226–227; 229). An nur ganz wenigen Stellen in den Werken Philos begegnet das Verb εὐεργετέω aber auch mit menschlichen Subjekten, die nicht mit Herrschern oder öffentlichen Wohltätern gleichzusetzen sind. So findet sich im Traktat De mutatione nominum eine Aufzählung von Verhaltensweisen, die vor Gott Gefallen finden: die Ehre der Eltern, das Erbarmen gegenüber den Bedürftigen, das Erweisen von Wohltaten den Freunden gegenüber (φίλους εὐεργετῶν), die Verteidigung des Vaterlandes, schließlich die Sorge um die Einhaltung des Rechts, das alle Menschen betrifft (Mut. 40). Anhand dieser Beispiele wird ein uneigennütziges Handeln beschrieben, das auf das Wohlergehen der Mitmenschen und das Gedeihen der Gesellschaft bedacht ist, wobei der Kreis der Nutznießer bei den engsten Angehörigen beginnt und 12  Vgl. zur Septuaginta-Übersetzung von Dtn 23,28 u.a. La Bible d’Alexandrie. Le Deutéro­ nome, 262. 13  Vgl. hierzu Passoni Dell’Acqua, Euergetes, 184–191.

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sich auf die gesamte Menschheit erstreckt.14 An einer anderen Stelle ist der Nutznießer der Sklave. In seiner Interpretation des Gesetzes zur Freilassung des Sklaven (Spec.leg. 2.84) geht Philo noch weiter als die beiden Versionen der Vorschrift im Pentateuch (Ex 21,2; Dtn 15,12–15): Der Herr soll seinen Sklaven zu Beginn des siebten Jahres freudig und ohne Zögern freilassen und insofern die Gelegenheit ergreifen, ihm mit der Gabe der Freiheit, des höchsten Gutes für einen Menschen, eine Wohltat zu erweisen (εὐεργετῆσαι). Außerdem soll er ihn mit so vielen Gaben aus seinem eigenen Besitz ausstatten, dass der Freigelassene nicht erneut von der Versklavung bedroht ist (Spec.leg. 2.85). Auf dem Hintergrund dieser beiden Stellen kann man den Ausdruck πρὸς τὸ εὐεργετεῖν (Post. 140) wie folgt verstehen: Rebekka wird als eine junge Frau gekennzeichnet, die ihrem Schüler nicht nur nützlich sein will, sondern auch auf sein Wohlergehen bedacht ist. Einmal mehr ist darauf hinzuweisen, dass hier ein weiterer versteckter Seitenhieb auf die Sophisten liegt, was die Verwendung des Vokabulars zeigt. Den Sophisten wirft Sokrates nämlich vor, dass sie demjenigen, der ihnen etwas anvertraut, nicht nützlich sind (οὐκ ὠφελοῦσιν), während sie sich doch dafür ausgeben, Wohltaten erweisen zu können (ἐπίστασθαι εὐεργετεῖν) – in Wirklichkeit aber richten sie Schaden an und verlangen dafür auch noch Geld (Platon, Meno 91c6–d1). Zurück zu Rebekka: Darauf bedacht, ihrem Schüler zu nutzen und ihm Gutes tun zu wollen, fühlt sie sich zur Eile und zum Einsatz für ihn veranlasst. Zusammenfassend kann man also feststellen, dass diese Aussagen diejenigen über das Fehlen von Eigennutz und Neid ergänzen. 2.2.3 Die Vertrautheit zwischen Lehrer und Schüler Zuletzt ist noch ein Begriff zu behandeln, mit dem Philo (Post. 140) das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler beschreibt: οἰκείωσις. Was ist damit gemeint? An dieser Stelle wird der Begriff wahrscheinlich nicht in einem philosophische Sinne gebraucht, den Philo der Stoa entlehnt haben könnte. Diese versteht unter οἰκείωσις eine durch die Natur vorgegebene und sich entwickelnde Selbstaffirmation des Individuums, auf die sich die Ethik gründet.15 Philo verwendet dagegen das Substantiv οἰκείωσις sowohl im negativen Sinne (z.B. die enge Verbindung des Menschen mit dem Fleisch, vgl. Gig. 29) als auch im positiven Sinne (z.B. Abrahams Nähe zu Gott, vgl. Cher. 18–19)16. Darum ist auch in Post. 140 an eine grundsätzliche Vertrautheit, eine Zuneigung oder Sympathie 14  Vgl. zu dieser Stelle auch Berthelot, L’„humanité de l’autre homme“, 112. 15  Zur Bedeutungsentwicklung des Begriffs besonders in der Philosophie der Stoa, vgl. Horn, Art. „Zueignung (Oikeiosis)“, passim. 16  Vgl. hierzu u.a. Berthelot, L’„humanité de l’autre homme“, 118–119.

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zu denken, mit der der Lehrer seinen Schüler und dessen Entwicklung begleitet.17 3. Die δύναμις des Schülers als Maßstab der Lehre 3.1 Ein kurzer Überblick über Post. 141–142.146–147 Schon beim ersten Lesen fällt auf, dass zwischen Post. 140 und 141 eine Zäsur besteht. Während zuvor noch von Rebekka und ihrem Verhalten die Rede war, wird sie erst wieder viel später, in Post. 146, erwähnt. In Post. 141 wechselt die Thematik insofern, als die Aufmerksamkeit auf die Lehrer in der maskulinen Form und im Plural gelenkt wird. Dieser Übergang deutet sich aber schon an: Zu Beginn von Post. 140 wird noch die feminine Form des Partizips verwendet, da Rebekkas Lehrtätigkeit gemeint ist (τῆς διδασκούσης), während kurz darauf dasselbe Partizip im Genitiv durch die entsprechende maskuline Form ersetzt wird (τοῦ διδάσκοντος). Im Gegensatz zu seinen vorangegangenen Überlegungen über Rebekka und ihr Verhalten illustriert Philo in Post. 141–142 seine Vorstellungen von guter Lehre nicht mit Hilfe von konkreten Beispielen, sondern argumentiert mit allgemeinen Termini. Erst in Post. 146 ist wieder von Rebekka die Rede. Was den guten Lehrer ausmacht, wird zunächst nur angedeutet, bleibt aber erst einmal offen. Denn zunächst werden nur die Lehrer kritisiert, die sich nicht an der δύναμις der ihnen anvertrauten Schüler orientieren (Post. 141: μὴ πρὸς τὴν τῶν γνωρίμων δύναμιν), also an deren Fähigkeiten. Stattdessen machen sie ihre eigenen Fähigkeiten zum einzigen Maßstab des Unterrichts. Damit ist der Gegensatz genau beschrieben: In Post. 141 unterscheidet Philo deutlich zwischen einer διδασκαλία – also einer Pädagogik, die von den Begabungen des Schülers ausgeht – und einer ἐπίδειξις, also dem Prahlen mit den eigenen überragenden Kenntnisse, die der Lehrer über lange Zeit durch das Studium zuhause (Post. 141: τὰ ἐν μακρῷ χρόνῳ πονηθέντα οἴκοι) erworben hat. Doch dies ist nicht das einzige Problem: Ein Lehrer, der seine Kompetenzen zur Schau stellt, verhält sich für Philo wie ein Maler oder Bildhauer, der seine Werke der Öffentlichkeit anpreist und nach dem Beifall der Menge jagt (Post. 141: τὸν παρὰ τῶν πολλῶν θηρώμενος ἔπαινον). Um seine Vorstellungen noch besser zu begründen, wählt Philo in Post. 141 das Beispiel des guten Arztes (ἰατρὸς ἀγαθός). Ähnlich wie derjenige, der zu 17  Nach Niehoff, Philo of Alexandria, 279, Anm. 23, verwendet Philo hier den Begriff οἰκείωσις „in the context of an affinity between teacher and student“. In Filone di Alessandria, Tutti i trattati, 603, wird das Substantiv mit „familiarità“ übersetzt.

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lehren versucht (ὁ δ᾽ αὖ διδάσκειν ἐπιχειρῶν), ist der Arzt nicht in erster Linie darauf bedacht, in jedem individuellen Fall seine gesamten Fähigkeiten auf dem Gebiet der Heilkunst zur Anwendung zu bringen. Er orientiert sich vielmehr – und hier fällt ähnlich wie zuvor das Stichwort δύναμις – an den Bedürfnissen des Patienten (ἀλλὰ πρὸς τὴν τοῦ θεραπευομένου δύναμιν ἀφορῶν) und wählt seine Therapie nach dem Kriterium der Maßhaltung (στοχαζόμενος τοῦ μετρίου προφέρων ἐπιδίδωσιν). In Post. 142 wählt Philo weitere Beispiele; der Ausgangspunkt der Argumentationen ist aber seine Interpretation von Dtn 15,818: δάνειον δανειεῖς τῷ χρῄζοντι ὅσον δεῖται, καθ᾽ ὃ δεῖται, „ein Darlehen sollst du leihen demjenigen, der dessen bedarf, soviel wie er benötigt, je nach dem er es benötigt“. Philo konzentriert sich in seiner Auslegung weniger auf die Pflicht, dem Bedürftigen Geld zu leihen, sondern auf die Aussage, wonach die Art und die Quantität des Darlehens den Bedürfnissen der Empfänger entsprechen soll (τὰ οἰκεῖα τῇ τῶν δεομένων χρείᾳ). Um die Wichtigkeit dieses Kriteriums zu unterstreichen, zählt Philo anhand von mehreren Beispielen auf, dass die Gabe eines Gegenstandes mit den Bedürfnissen des Empfängers in Einklang stehen muss. So bedarf der Bauer keines Ruders oder Ankers, und der Hungernde benötigt keinen Wein, es sei denn – und hier fällt wieder das Stichwort ἐπίδειξις –, der Geber will mit seinem Handeln nur seinen eigenen Wohlstand zur Schau stellen und gleichzeitig ein Beispiel für seine Menschenverachtung geben (πρὸς ἐπίδειξιν εὐπορίας τε ἅμα καὶ μισανθρωπίας). Die Argumentation endet vorläufig mit einer allgemeinen Regel: Die Menge an Gaben richtet sich nach der Entsprechung zwischen Gabe und Bedürfnis, was als sehr nützliche Sache gilt (διὰ συμμετρίαν, πρᾶγμα ὠφελιμώτατον), denn – so interpretiert Philo die Stelle aus Dtn 15,8 – es gilt: „Gib nicht soviel, wie du hast, … sondern soviel, wie der Bedürftige aufzunehmen vermag“ (μὴ γὰρ ὅσα δύνασαι χαρίζου …, ἀλλ᾽ ὅσα ἱκανὸς ὁ δεόμενός ἐστι δέξασθαι). Nach weiteren Überlegungen über die Gaben, die Gott den Menschen gewährt, kommt Philo in Post. 146–147 wieder auf Rebekka zurück und betont dabei zwei Aspekte: Sie reicht dem Schüler die Lehren dar, die aufzunehmen er fähig ist (Post. 146: ὀρέγει τῷ μαθητῇ ἃς ἱκανὸς ἐκεῖνός ἐστι δέξασθαι διδασκαλίας). Insofern entspricht Rebekka mit ihrem Verhalten der Regel, die Philo in Post. 142 aus der Torah ableitet. Weiterhin greift er auf seine frühere Interpretation von Gen 24,18 zurück, wenn er Rebekkas Freigebigkeit, wörtlich 18   Philo zitiert einen von den kritischen Septuaginta-Ausgaben leicht abweichenden Text. Diese lesen: δάνειον δανιεῖς αὐτῷ ὅσον ἐπιδέεται καθ᾽ ὅσον ἐνδεεῖται. Zur Frage des biblischen Textes, den Philo zitiert, vgl. u.a. Passoni Dell’Acqua, Upon Philo’s Biblical Text and the Septuagint, 36–52.

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„Neidlosigkeit“ (Post. 147: τὸ ἄφθονον αὐτῆς) unterstreicht. Und die Aussage, dass sie den Knecht trinken ließ, bis er aufhörte zu trinken (Gen 24,18–19LXX; Post. 147: καὶ ἐπότισεν αὐτόν ἕως ἐπαύσατο πίνων), gilt ihm schließlich als äußerst wundervolles Beispiel für Rebekkas Menschenfreundlichkeit (Post. 147: πρὸς φιλανθρωπίαν δίδαγμα θαυμασιώτατον). 3.2 Die zentralen Aussagen von Post. 141–142.146–147 In seinen zuvor kurz zusammengefassten Ausführungen zeichnet Philo das Bild von zwei Typen von Lehrern: diejenigen, die sich an den Fähigkeiten ihrer Schüler orientieren, und diejenigen, die ihre eigenen Fähigkeiten in den Mittelpunkt stellen. Die Analyse dieser Abschnitte gewinnt noch klarere Konturen, wenn man folgende Ideen näher untersucht: die Prahlerei mit den eigenen Fähigkeiten, die Vorstellung des Maßes, das in der Lehre anzuwenden ist, zuletzt die Idee der Menschenfreundlichkeit. 3.2.1 Der Unterschied zwischen διδασκαλία und ἐπίδειξις In Post. 141 unterscheidet Philo deutlich zwischen διδασκαλία und ἐπίδειξις. Dabei kann man in der Verwendung von ἐπίδειξις wiederum Anklänge an die Kritik an den Sophisten erkennen. Vielleicht wird man der spezifischen Bedeutung des Substantivs in Post. 141 und 142 am ehesten gerecht, wenn man hierin eine Art „performance“ erkennt, einen Auftritt, mit dem der Lehrer eine Kostprobe seines Könnens abgibt, um beim Publikum Erstaunen, Bewunderung, ja Verblüffung hervorzurufen, wie man aus einigen Stellen bei Plato folgern kann (z.B. Euthyd. 275a4; Gorg. 447c3, c6).19 Ähnliches ist möglicherweise in Post. 141 impliziert: Der Lehrer, der vor seinem Schüler seine umfassenden Kenntnisse ausbreitet, kann diesen vielleicht beeindrucken, ja er kann wie ein Bildhauer oder Maler Lob erhalten. Aber – und dies ist wohl impliziert – mit Effekthascherei vermittelt der Lehrer seinem Schüler nicht sein Wissen, da der Maßstab seiner Lehre nicht die δύναμις des Schülers ist. Genauso verhält es sich mit demjenigen, der nach Post. 142 dem Hungrigen Mengen von Wein anbietet: Er will nur mit seinem Reichtum prahlen, wird dem Hungrigen aber nicht gerecht und bringt mit seinem Verhalten letztlich nur seine μισανθρωπία zum Ausdruck. Anders dagegen Rebekka, die mit der Aufforderung „trink“ nicht ihre eigenen Fähigkeiten anpreist, sondern ihrem Schüler den göttlichen Reichtum zugänglich macht – letzteres ausgedrückt 19  Vgl. hierzu auch Cassin/Goffrey, Sophistics, Rhetorics, and Performance, 353. Pernot, Rhetoric in Antiquity, 15, bemerkt im Hinblick auf die Formen der ἐπίδειξις: „Sometimes – the height of virtuosity – they [= the ἐπιδείξεις] are improvised on a theme proposed by the audience.“

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mit dem Verb ἐπιδείκνυμι (Post. 139: „πίε“· τοῦτο μὲν γὰρ ἐπιδεικνυμένης τὸν θεῖον ἦν πλοῦτον). 3.2.2 Das Kriterium des rechten Maßes Ein zentrales Argument in Philos Überlegungen zum Verhältnis von Lehrer und Schüler ist das der Entsprechung: Der Lehrer soll dem Schüler Kenntnisse und Wissen vermitteln, indem er dessen δύναμις als Maßstab seiner Pädagogik wählt.20 Damit ist die Vorstellung des rechten Maßes angesprochen, also einer Maxime, die in der bewussten Wahl eines Mittelwegs zwischen den Extremen liegt. Sie trägt der Individualität des Patienten – so der Kontext in Post. 141 – sowie des Schülers Rechnung. Philo verzichtet hier auf weitere Definitionen dessen, was er unter τὸ μέτριον versteht. Andere Stellen, von denen nur eine angeführt sei, sind ausführlicher. So interpretiert Philo die Aufforderung an die Israeliten von Ex 12,11, das Passahmahl mit gegürteten Hüften zu sich zu nehmen, als eine allgemeingültige Maxime (Leg.all. 3.154): οὕτως γὰρ αὐτοῖς μόνοις χρησόμεθα τοῖς ἀναγκαίοις, τῶν δὲ περιττῶν ἀφεξόμεθα, „so sollen wir uns nämlich nur mit dem Notwendigen begnügen, vom Überflüssigen aber uns fernhalten.“ Dieses Prinzip wird sodann auf Vergnügungen aller Art bezogen: Dabei soll der Verstand die Oberhand über die Leidenschaften behaltenl, so dass Exzesse ausbleiben, die das Maß überschreiten (Leg.all. 3.155: πέραν τοῦ μετρίου). 3.2.3 Die Menschenfreundlichkeit des Lehrers Bekanntlich zitiert Philo den Begriff der φιλανθρωπία in den verschiedensten Zusammenhängen.21 So unterstreicht er mehrfach das Ideal der Menschenfreundlichkeit, das den Vorschriften des jüdischen Gesetzes in seiner Gesamtheit oder einer bestimmten Vorschrift zugrunde liegt (z.B. Decal. 164; Spec.leg. 1.129; 2.104; Virt. 88, 121, 140); ebenso werden Gott selbst (Vit.Mos. 1.198) und herausragende Personen wie Mose (Virt. 66, 76) als menschenfreundlich beschrieben. An anderen Stellen folgert Philo aus der conditio humana, der alle Menschen in gleichem Maße unterworfen sind, dass diese ihr Verhalten an verschiedenen Maßstäben ausrichten sollen, die auf ein harmonisches Zusammenleben abzielen. Dazu gehört – neben Gemeinschaftssinn (κοινωνία) und Eintracht (ὁμόνοια) – auch die φιλανθρωπία (Spec.leg. 1.295). In Post. 147 20  In Quaest.Gen. 5.105, wo ebenfalls Gen 24,18 ausgelegt wird, betont Philo, dass der Lehrer der Begeisterung und dem Eifer des Schülers Rechnung tragen soll (discipuli noscere impetum studiumque). 21  Vgl. hierzu etwa Borgen, Philo of Alexandria, Kap. 14; Lévy, Philo’s Ethics, 168; Kaiser, Philo von Alexandrien, 221–222.

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ist der Kontext aber weniger theoretisch. Vielleicht zählt dieser Beleg von φιλανθρωπία zu den wenigen im Werk Philos, in denen das Wort nicht in einem der vorhin erwähnten Zusammenhänge gebraucht wird. Vielmehr scheint Philo mit φιλανθρωπία hier ein Gemeinschaftsgefühl zu bezeichnen, ein Wohlwollen und eine grundsätzliche Sympathie einem anderen Menschen gegenüber.22 Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen ein Abhängigkeitsverhältnis besteht. So handelt etwa der Herr, der einen Sklaven freilässt, aus einer φιλανθρωπία heraus (Spec.leg. 4.15), ohne aus dieser Handlung einen unmittelbaren Nutzen zu ziehen. An anderer Stelle – und damit schließt sich der Kreis – stellt Philo einen Zusammenhang zwischen der φιλανθρωπία und einer Freigebigkeit her, die den eigenen Besitz anderen nicht vorenthält und jedes Gefühl von Missgunst verbannt (Spec.leg. 2.141).23 So erklärt sich, dass Rebekka ihre φιλανθρωπία zeigt, wenn sie dem Knecht Abrahams nicht nur zu trinken gibt, sondern großzügig wartet, bis er von selbst zu trinken aufhört. Zusammenfassung In seinem Traktat De posteritate Caini zeichnet Philo das Bild eines idealen Lehrers, das durch verschiedene Elemente charakterisiert ist. – Die Lehre bewegt sich zwischen zwei Polen: dem der Uneigennützigkeit, d.h. der grundsätzlichen Bereitschaft, dem Schüler alles Wissen zu vermitteln, und dem der Rücksichtnahme auf die Fähigkeiten des Schülers. – Die Lehre orientiert sich an verschiedenen Maßstäben. Neben der erwähnten Berücksichtigung des Aufnahmevermögens des Schülers spielen auch andere Maßstäbe eine wichtige Rolle: Die Lehre soll dem Schüler von Nutzen sein. Zugleich ist sie von den Werten der οἰκείωσις und der φιλανθρωπία bestimmt. – Philo grenzt sich – wenigstens implizit – von denjenigen Praktiken ab, die mit sophistischer Lehre in Verbindung gebracht werden können bzw. mit dem, was man darunter zu Recht oder zu Unrecht verstand, vor allem von kommerziellen Interessen sowie Effekthascherei, die aber nicht das Wohl des Schülers und der Gesellschaft in den Mittelpunkt stellen. 22  Vgl. zu dieser spezifischen Bedeutung von φιλανθρωπία u.a. Bellantuono, La φιλανθρωπία tolemaica, 148–156; Borgen, Philo of Alexandria, 254: „To Philo it [= φιλανθρωπία] covered aspects of fellowship feelings and corresponding behaviour, and not primarily benevolence to the poor.“ 23  Ähnlich erklärt schon Sokrates im Dialog Eutyphron, dass er großzügig und ohne Geld zu nehmen sein Wissen aus seiner φιλανθρωπία heraus jedem beliebigen Menschen anbietet (Euthyphr. 3d7–8).

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Bibliographie

Textausgaben und Übersetzungen



Übrige Literatur

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Bellantuono, Antonella, La φιλανθρωπία tolemaica: indagine alla luce della letteratura greca classica e dei papyri, in: La Settanta – Perché è attuale la Bibbia greca, hg. von Eberhard Bons, Dionisio Candido, Daniela Scialabba, Syrakus: Edizioni San Metodio, 22017, 147–180. Berthelot, Katell, L’„humanité de l’autre homme“ dans la pensée juive ancienne (JSJ.S 87), Leiden-Boston: Brill, 2004. Böhm, Martina, Rezeption und Funktion der Vätererzählungen bei Philo von Alexand­ ria: zum Zusammenhang von Kontext, Hermeneutik und Exegese im frühen Judentum (BZNW 128), Berlin-New York: De Gruyter, 2005. Borgen, Peder, Philo of Alexandria: An Exegete for His Time (NT.S 86), Leiden-Boston: Brill, 1997. Cassin, Barbara/Goffrey, Andrew, Sophistics, Rhetorics, and Performance; or, How to Really Do Things with Words? Philosophy and Rhetoric 42 (2009) 349–372. Davies, Graham I., Were there schools in ancient Israel?, in: Wisdom in Ancient Israel: Essays in honor of J.A. Emerton, hg. von John Day et al., Cambridge: Cambridge University Press, 1995, 199–211. Haran, Menahem, On the Diffusion of Literacy and Schools in Ancient Israel, in: ­Congress Volume Jerusalem 1986, hg. von John A. Emerton (VT.S 40), Leiden: Leiden-­ Boston, 1988, 81–95. Horn, Christoph, Art. „Zueignung (Oikeiosis)“, Historisches Wörterbuch der Philosophie 12, Basel: Schwabe, 2004, 1403–1408. Kaiser, Otto, Philo von Alexandrien. Denkender Glaube – Eine Einführung (FRLANT 259), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015. Kamesar, Adam, Biblical Interpretation in Philo, in: id. (ed.), The Cambridge Compani­ on to Philo, Cambridge: Cambridge University Press, 2009, 65–91. Koskenniemi, Erkki, Greek Writers and Philosophers in Philo and Josephus. A Study of Their Secular Education and Educational Ideas (Studies in Philo of Alexandria 9), Leiden- Boston: Brill, 2019. Lévy, Carlos, Philo’s Ethics, The Cambridge Companion to Philo, hg. von Adam Kamesar, Cambridge: Cambridge University Press, 2009, 146–171.

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Synagogengemeinden im antiken Rom Eine Bestandsaufnahme

Christian Eberhart Dieser Beitrag ist dem Studium jüdischer Synagogengemeinden im antiken Rom gewidmet. Die – eher spärlichen – inschriftlichen Informationen und Bemerkungen in anderen Textquellen zu diesem Thema sind dazu im Kontext biblischer Daten zum Thema zu interpretieren. Dem dient erstens ein Überblick über antike Synagogen einschließlich terminologischer Aspekte, der auch auf Fragen nach ihren historischen Ursprüngen und dem Spektrum ihrer religiösen und säkularen Funktionen eingeht. Zweitens werden Erwähnungen von Synagogen in neutestamentlichen Texten untersucht, die dort als primäre Handlungs- und Verkündigungsräume Jesu erscheinen, weshalb teilweise detaillierte Beschreibungen der synagogalen Praxis vorliegen. Dem folgt drittens ein Überblick über die Synagogengemeinden im antiken Rom, von denen heute bis zu 14 bekannt sind; untersucht werden ihre Organisationsstrukturen und Ämter sowie die Wohnbezirke der jüdischen Gemeinde und ihre Zugehörigkeit zu sozialen Bevölkerungsschichten. Den Abschluss bildet viertens ein kurzer Abriss der Konflikte im 1. Jahrhundert n. Chr., die zur vorübergehenden Vertreibung der Juden und Judenchristen aus Rom führten, unter ihnen auch Aquila und Priska. 1.

Einführende Überlegungen zum Thema antike Synagogen

Synagogen sind seit über 2000 Jahren Orte jüdischer Gelehrsamkeit und jüdischen Gottesdienstes. Zwar ist noch immer nicht vollständig geklärt, wo und wann Synagogen entstanden sind; mit hoher Wahrscheinlichkeit hat sich diese Institution aber in der jüdischen Diaspora entwickelt. Zudem lässt die bald gebräuchliche griechische Bezeichnung συναγωγή, die „Versammlung“ bedeutet und von welcher der deutsche Terminus „Synagoge“ als Transliteration abgeleitet ist,1 in einem gewissen Maß auf einen hellenistischen Hintergrund

1  Augustinus verwendet den lateinischen Begriff „synagoga“, den er als „congregatio“ übersetzt (vgl. Kinzig, Ecclesia and Synagoga, 266). Auf diesen gehen später das englische und französische „synagogue“ und das italienische und spanische „sinagoga“ zurück.

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und vielleicht auch auf hellenistische Prägung schließen.2 Anfangs standen Synagogen sicherlich im Schatten des Tempels in Jerusalem, der als Residenz Jhwhs galt (Ex 23,19; Dtn 12,5; 1Kön 8,12f.; Jes 66,1)3 und deshalb seit der Reform des Josia (2Kön 23,4–20; vollendet 622 v. Chr.) einziger Ort legitimen jüdischen Gottesdienstes in seiner kultischen Ausformung war (Dtn 12,5–7).4 Eine Synagoge war eben kein Tempel.5 Dieser Unterschied muss stets bedacht werden; er manifestiert sich auch darin, dass Synagogen meist (allerdings nicht immer) nach Jerusalem hin ausgerichtet waren, da dort der Tempel Jhwhs mit seinem Brandopferaltar stand.6 Solche theologischen Aspekte wurden im 1. Jahrhundert n. Chr. sicherlich auch durch die gewaltigen Ausmaße und die Pracht des von Herodes (eigentlich Gaius Iulius Herodes, bekannt als Herodes 2  Zwar sind in der antiken rabbinischen Literatur auch die hebräischen Bezeichnungen ‫בית‬ ‫„ – הכנסת‬Haus der Versammlung“, ‫„ – בית המדרש‬Haus des Lernens“ und ‫– בית התפילה‬ „Haus des Gebets“ gebräuchlich, aber das griechische Wort συναγωγή ist deutlich breiter belegt. Abgesehen davon ist dieses Gebäude bzw. diese Institution in Ägypten schon seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. unter dem griechischen Wort προσευχή – „Gebet / Bethaus“, einem terminologischen Äquivalent zu ‫בית התפילה‬, bekannt (JIGRE 22; 117). Vgl. dazu auch Billerbeck, Kommentar 4/1, 115; Levine, Synagoge, 499f. 3  Vgl. De Vaux, Institutions 2, 166–168; Busink, Tempel, 639–642; Blum, Studien, 296f.; Rendtorff, Theologie, 55f.60f.109–111; George, Israel’s Tabernacle, 174–179. 4  Deshalb steht dem Schweigen über die Ursprünge der Synagogen eine breite und detaillierte Tradition über den Bau des erstmals von König Salomo errichteten Tempels in Jerusalem (1Kön 6,1–38; 7,13–51; 2Chr 3,1–14; 4,1–10.19–22), seine Wiedererrichtung und die Wiedereinweihung nach der Zerstörung (Esr 1,1–6,22) gegenüber (s.a. Jos.Bell 5,184–227; m.Midd.). Dazu gesellt sich außerdem die noch breitere Tradition über das „Zelt der Begegnung“ (‫א ֶֹהל‬ ‫ֹמועד‬ ֵ / σκηνὴ τοῦ μαρτυρίου) genannte, transportable Heiligtums Israels während der Wüstenwanderung (Ex 25–31; 35–40) und seinen Gottesdienst (Lev 1–7; s.a. die Festkalender in Ex 23,14–19; Lev 23; Dtn 16,1–17 und den Opferkalender in Num 28–29). Ob dieses Heiligtum je realiter existierte oder fiktionaler Bestand der Tradition ist, um den Bedürfnissen der jüdischen Exilsgemeinde zu entsprechen, wird in der Forschung kontrovers diskutiert (vgl. z.B. George, Israel’s Tabernacle, 194). 5  Erst in späterer Zeit kam die Vorstellung auf, Synagogen könnten „ein Ersatz für den Tempel sein“ (Billerbeck, Kommentar 4/1, 119; ferner auch ebd., 123). Vor 70 n. Chr. war eine solche Vorstellung gleichwohl nicht möglich. 6  Vgl. Ferguson, Backgrounds, 506. Das ist zumindest die alttestamentliche ‚Theorie‘; die historische Realität sah freilich anders aus. So existierte bis 410 v. Chr. ein frühjüdisches Heiligtum in Elephantine (aramäisch Yeb), einer Militärkolonie auf einer Insel im oberägyptischen Nil (vgl. Frey, Temple, 173–186). Später ist in Unterägypten der Tempel von Leontopolis, ca. 190 km südöstlich von Alexandria gelegen, bekannt, der gegen 160–150 v. Chr. in den Ruinen eines verlassenen Bubastis-Heiligtums errichtet und im Jahre 73 n. Chr. von den Römern geschlossen wurde (Jos.Bell. 7,421–422; vgl. Ameling, Leontopolis, 117–121; Capponi, Il tempio di Leontopoli, 39–89). Er hat also denjenigen in Jerusalem überdauert. Schließlich befand sich auf dem Berg Garizim der Tempel der Samariter, der um 129 v. Chr. durch die Hasmonäer zerstört wurde.

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der Große; ca. 73–4 v. Chr.) seit 20 v. Chr. erheblich vergrößerten Tempelgebäudes eindrucksvoll unterstützt.7 Der Terminus συναγωγή bezeichnete in der Profangräzität primär ganz allgemein Volksversammlungen kultischen und unkultischen Charakters und wurde von den Übersetzern der Septuaginta meist zur Wiedergabe von ‫ ֵע ָדה‬ – „Gemeinschaft“ und ‫„ – ָק ָהל‬Menschenmenge“, speziell mit Bezug auf die Gesamtgemeinde Israel, herangezogen.8 Auf ein Gebäude bezieht er sich nur sehr selten, nämlich in Num 16,24 als Übersetzung von ‫„ – ִמ ְׁש ָּכן‬Wohnung“, die im Anschluss als „Zelt“ näher beschrieben wird. Zudem ist συναγωγή der Ort (‫) ָמקֹום‬, an dem sich der ersten Schöpfungserzählung zufolge das Wasser sammelt (Gen 1,9; s.a. Lev 11,36); er bezeichnet ferner das Einbringen der Ernte (Ex 34,22) oder einen Steinhaufen (Hi 8,17).9 Deutlich ist deshalb, dass Assoziationen an Gebäude, auch wenn sie heute das Verständnis des Begriffs dominieren, sekundär sind und einer späteren Epoche angehören. Angesichts solcher terminologischen Ambivalenzen ist der genaue Zeitraum der Entstehung jüdischer Synagogen schwierig zu bestimmen. Vorgeschlagen wurde beispielsweise einerseits, dass Synagogen sehr alte Institutionen seien und im 1. Jahrhundert n. Chr. in Palästina weit verbreitet waren,10 andererseits, dass dort zu diesem Zeitpunkt keine Synagogengebäude mit Sabbatgottesdiensten existiert hätten.11 Letztere Ansicht wurde allerdings weitgehend zurückgewiesen, weshalb die Erwähnung von „Synagogen“ in frühchristlichen Schriften nicht als anachronistisch zu gelten hat.12 Adela Yarbro Collins 7  Vgl. dazu auch Goodman, Temple, 51. Die Begeisterung eines Besuchers kommt beispielsweise bei Josephus zum Ausdruck: „Die äußere Gestalt des Tempels bot alles, was sowohl die Seele als auch das Auge des Beschauers in großes Erstaunen versetzen konnte. Denn der Tempel war überall mit massiven Goldplatten belegt, und mit Beginn des Sonnenaufgangs strahlte er einen ganz feurigen Glanz von sich aus, so daß die Beschauer, sogar wenn sie durchaus hinsehen wollten, ihre Augen wie von den Sonnenstrahlen abwenden mußten. In der Tat erschien er den nach Jerusalem kommenden Fremden wie eine schneebedeckte Bergkuppe, denn wo man ihn nicht vergoldet hatte, war er blendend weiß“ (Jos. Bell 5,222–224; Übersetzung nach Michel / Bauernfeind, bello, 141). Bart Ehrman zufolge hatte der Herodianische Tempel die Größe eines zehnstöckigen Hochhauses (Ehrman, New Testament, 53). 8  Vgl. Schrage, συναγωγή, 800–804; Claußen, Synagoge; Griffiths, Egypt, 7. 9  Vgl. Schrage, συναγωγή, 803. 10  Vgl. für die ältere Lehrmeinung stellvertretend Billerbeck, Kommentar 4/1, 115f. 11  Vgl. z.B.  McKay, Sabbath and Synagogue, 250f. Ähnlich hatte vor McKay schon Howard C. Kee argumentiert; vgl. Kee, Transformation, 1–24. In jüngerer Zeit mahnte auch Lidia Matassa davor, voreilig Gebäude als Synagogen oder deren Vorstufen zu verstehen; vgl. Matassa, Invention, 215f. 12  Vgl. z.B. Oster, Anachronism, 178–208; Atkinson, Defining, 491–502; Runesson, Origins, 485f.; Collins, Mark, 162f.; Kloppenborg, Dating Theodotos, 243–280.

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zufolge stammen die ältesten inschriftlichen Erwähnungen von Synagogen aus dem Ägypten des späten 3. Jahrhunderts v. Chr., wo sie anfangs προσευχή – „Gebetshaus“ genannt wurden.13 In Jerusalem wurde im Jahr 1913 die griechische „Theodotos-Inschrift“ gefunden, die inzwischen mit Sicherheit vor 70 n. Chr. datiert worden ist und sich auf eine örtliche, wenigstens drei Generationen zuvor gegründete Synagoge bezieht.14 So kann die Existenz von Synagogen in Palästina und in der frühjüdischen Diaspora des 1. Jahrhunderts n. Chr. als gesichert gelten. Damit ist gleichwohl nicht bewiesen, dass sich der Begriff stets auf ein Gebäude bezieht; plausibel dürfte sein, dass mit συναγωγή sicherlich stets eine jüdische Gemeindeversammlung gemeint ist, ein separates Gebäude allerdings nur gelegentlich.15 Solche Institutionen dienten primär dem Verlesen der Tora, der Belehrung über die Gebote sowie der Unterbringung von Gästen, womit evtl. an aus Diasporagebieten angereiste Pilger zu denken ist.16 Mit diesen Funktionen bestand gleichwohl ein deutlicher Unterschied zum Gottesdienst am Jerusalemer Tempel, denn Opferrituale wurden nur dort durchgeführt. Weitere Aufgaben fielen außerdem in den säkularen Bereich; so „konnten antik-jüdische Synagogen eine Bibliothek oder ein Archiv beherbergen, der Aufbewahrung der Tempelsteuer dienen oder als Orte für Gerichtsverhandlungen, zur Sklavenbefreiung oder für Festmähler genutzt werden“.17 Die meisten dieser Gebäude, deren Architektur sich allgemein an öffentlichen Versammlungs13  Vgl. Collins, Mark, 163; ferner auch Greeven, προσευχή, 807f.; Cohen, Maccabees, 110f. Der griechische Text der Inschrift mit Übersetzung ist abgedruckt in CPJ 3, 141 (Nr. 1440). 14  Diese Inschrift ist heute im Rockefeller Museum in Jerusalem ausgestellt; eine Abbildung, deutsche Übersetzung und knappe Kommentierung findet sich bei Claußen, Synagoge. Vgl. dazu ferner Levine, Nature, 429; ders., First-Century Synagogue, 70–102; Ferguson, Backgrounds, 575; Hachlili, Ancient Synagogues, 525; Lifshitz, Donateurs, 70f.; van der Horst, Synagogue, 18–43; Wick, Gottesdienste, 110f., Collins, Mark, 163; Cohen, Maccabees, 111; Strange, Synagogues, 2559. 15  Vgl. Claußen, Jesus, 228f.; ders., Synagoge. 16  Zu bedenken ist allerdings, dass im großen Stil organisierte Pilgerreisen aus Diasporagebieten anderer Länder, denen Hundertausende Folge leisteten, erst während des Römischen Reiches logistisch möglich waren, wozu u.a. die Eroberung der diesbezüglichen Territorien und die Bekämpfung der Piraterie beitrugen (vgl. Goodman, Pilgrimage Economy, 61–67). Außerdem legt sich anhand solcher Funktionen nahe, dass nicht alle Synagogen das gesamte Spektrum von Diensten bereitstellten. Die Beherbergung von Pilgern war ohne Zweifel in Palästina und speziell in Jerusalem wichtiger als anderswo. Dazu kommt, dass im Tempel in Jerusalem ein Ort für das Gebet bereit stand, sodass diese Funktion möglicherweise eher für Diaspora-Synagogen anzunehmen ist (vgl. Cohen, Maccabees, 112f.). 17  Claußen, Synagoge. Vgl. ferner Griffiths, Egypt, 7; Wick, Gottesdienste, 111f.; Cohen, Maccabees, 110.

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räumen der hellenistischen Welt orientierte, waren reich mit Mosaiken, Wandgemälden und Säulen ausgestattet; dargestellt wurde beispielsweise häufig die Menora.18 Oft fand sich in oder nahe bei dem Gebäude eine Mikwe (‫ ) ִמ ְקוֶ ה‬/ Mikva (‫ ) ִמ ְקוָ ה‬für rituelle Waschungen, um die Einhaltung von Reinheitsvorschriften zu ermöglichen. 2.

Synagogen in neutestamentlichen Texten

In der Bibel begegnen Synagogen als Institutionen und Gebäude erst in neutestamentlichen Schriften, wo sie meist als συναγωγή (Mk 1,21.23.29.39; 3,1; 5,22; 6,2parr usw.; Mt 4,23 u.a.; Lk 4,15; Joh 18,20), seltener auch als προσευχή – „Gebet / Gebetshaus“ (Apg 16,13.16) bezeichnet werden; sie treten als Orte frühjüdischer Versammlungen mit Schriftlesungen in Erscheinung, deren Vorsteher namentlich bekannt sein können (Mk 5,22.36.38).19 Allgemein erscheinen sie als primärer Handlungs- und Verkündigungsraum Jesu: „Und er (sc. Jesus) kam und predigte in ihren Synagogen in ganz Galiläa“ (Καὶ ἦλθεν κηρύσσων εἰς τὰς συναγωγὰς αὐτῶν εἰς ὅλην τὴν Γαλιλαίαν, Mk 1,39parr; s.a. Joh 18,20). Im Sinne der oben angestellten Überlegungen zur Bedeutung des Begriffs ist auch hier zu problematisieren, dass mit συναγωγή sicherlich stets eine Gemeinde gemeint ist; ob diese sich in einem speziell dazu errichteten bzw. gestifteten Gebäude versammelt hat, ist nicht sicher zu bestimmen. Aufschlussreich für synagogale Praxis in Palästina ist die Perikope über die Ablehnung Jesu in seiner Heimatstadt Nazareth, die in Mk 6,1–6a und in adaptierter und erweiterter Form in Lk 4,16–30 vorliegt. Beiden Versionen zufolge ist der Sabbat der Tag der Woche, an dem sich die Gemeinde in der örtlichen Synagoge zur Schriftlesung und Lehre versammelte (s.a. Apg 15,16). Zu beiden Aufgaben waren offensichtlich auch Laien zugelassen, denn die Zurückweisung Jesu ist nicht durch fehlende Amtsbefugnis, sondern durch den spezifischen Inhalt seiner Verkündigung begründet.20 Nur bei Lukas finden sich 18  Vgl. Ferguson, Backgrounds, 507–512.573–582 (mit Abbildungen); Ma’oz, Synagogue of Gamla, 35–41; Fine, Art and Judaism, 165–209; Strange, Synagogues, 2566f. Interessant ist, dass damit die Bilderverbote bezüglich der Dinge im Himmel oder auf der Erde (Ex 20,4; Dtn 5,8) offensichtlich nicht überall ernst genommen wurden; vgl. dazu auch Konikoff, Second Commandment. 19  Eine Auflistung der in neutestamentlichen Schriften erwähnten Synagogen findet sich z.B. bei Billerbeck, Kommentar 4/1, 116f. Als ältestes der drei synoptischen Evangelien wird das Markusevangelium meist um 70 n. Chr. datiert. Vgl. z.B. Schnelle, Einleitung, 185–240; Ehrman, New Testament, 82–87.105–113; Collins, Mark, 11–14. 20  Vgl. auch Billerbeck, Kommentar 1, 677 (mit Bezug auf die Parallelstelle in Mt 13,54).

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die Notizen, dass man sich zur Schriftlesung erhob und anschließend wieder setzte;21 diese Praxis ist auch in spätjüdischen Traditionen belegt (t.Meg. 3,12). Ein wichtiger Aspekt ist, dass man sich in der Synagogenversammlung kennt, wozu speziell die Familienzugehörigkeit gehört; darauf bauen Argumente zur Diskreditierung Jesu auf (Mk 6,3; Lk 4,22).22 Interessant ist schließlich, was genau Jesus aus den Schriftrollen vorliest. Nur Lukas berichtet von der Lektüre aus Jes 61,1–2 (Lk 4,18f.); der hier zitierte Text ist exakt derjenige der Septuaginta und weicht damit in einer Aussage von Jes 61,1–2MT ab, nämlich der über die Heilung von Blinden (s.a. Lk 7,22).23 Den synagogalen Bräuchen zufolge würde es sich um die Haftara-Lesung handeln, nämlich das Heranziehen von Prophetenbüchern zur Auslegung der – bei Lukas nicht erwähnten – Toralesung (s.a. Apg 13,15).24 Dabei fällt auf, dass Jesus die Worte ἀποστεῖλαι τεθραυσμένους ἐν ἀφέσει („schicke die Unterdrückten fort in Entlassung“25) aus Jes 58,6LXX am Ende von Lk 4,18 einfügt. Ein derartiger freier Umgang mit dem Text, motiviert aufgrund von identischen Worten und bekannt als gězērâ šāwâ, war im Rahmen der Haftara-Lektüre durchaus üblich.26 Allgemein weisen diese bei Lukas erwähnten Details in ihrer eigenen Weise auf die Bedeutung der Septuaginta für den Synagogen-Gottesdienst und auf dessen hellenistische Prägung hin. 21  Vgl. Bovon, Luke, 152; Wick, Gottesdienste, 274f. 22  Natürlich ist es kurios, wie im Laufe der Redaktionsgeschichte aus der kritischen Anfrage: „Ist dieser nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria“ (οὐχ οὗτός ἐστιν ὁ τέκτων, ὁ υἱὸς τῆς Μαρίας, Mk 6,3) in Lk 4,22 wird: „Ist dieser nicht der Sohn Josefs?“ (οὐχὶ υἱός ἐστιν Ἰωσὴφ οὗτος;). Die ungeklärte Vaterschaft Jesu hat Lukas damit geflissentlich beseitigt. Zu erwägen ist freilich, ob hier außerdem impliziert ist, dass die Zuhörer in der Synagoge Jesus als den verkennen, der er Mk 1,1.11 usw. zufolge in Wahrheit ist, nämlich der „Sohn Gottes“ (υἱός θεοῦ; vgl. Bovon, Luke, 155). 23  Jes 61,1MT bietet „Der Geist meines Herrn Jhwhs ist auf mir, weil Jhwh mich gesalbt hat. Er hat mich gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit, den Gebundenen, dass sie frei und ledig sein sollen (‫ח־ֹקוח‬ ַ ‫סּורים ְפ ַק‬ ִ ‫“) ִל ְקרֹא ִל ְשבּויִ ם ְדֹרור וְ ַל ֲא‬. Die Aussage über die Befreiung der Gefangenen ist also verdoppelt. Jes 61,1LXX bricht diesen Parallelismus auf und führt den Aspekt der Blindenheilung ein: „Der Geist des Herrn (ist) auf mir, weil er mich gesalbt hat; um frohe Botschaft den Armen zu bringen, hat er mich abgesandt, um die zu heilen, die zerbrochenen Herzens sind, um den Gefangenen Freilassung zu verkünden und den Blinden neue Sehkraft (κηρύξαι αἰχμαλώτοις ἄφεσιν καὶ τυφλοῖς ἀνάβλεψιν), …“. Vgl. dazu auch Billerbeck, Kommentar 2, 156; Baltzer u.a., Esaias, 2683. 24  Vgl. Billerbeck, Kommentar 4/1, 153–171. 25  Übersetzung nach Kraus / Karrer, Septuaginta Deutsch. Diese Übersetzung ist als „wörtlich“ beigegeben; im Haupttext findet sich: „lass die Unterdrückten frei“. Der genaue Wortlaut in Jes 58,6LXX ist: ἀπόστελλε τεθραυσμένους ἐν ἀφέσει. 26  Vgl. Bovon, Luke, 153; Bernstein / Koyfman, Interpretation, 84–86.

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Ein chronologisch geordneter Überblick über die sonstigen neutestamentlichen Schriften ergibt folgenden Befund: In den paulinischen (und deuteropaulinischen) Schriften fehlt das Wort συναγωγή vollständig, demgegenüber wird es im lukanischen Doppelwerk immerhin 34-mal erwähnt.27 In der Apostelgeschichte belegt der etwas unklar formulierte Satz „einige … von der Synagoge der Libertiner und der Kyrenäer und der Alexandriner und einige von denen aus Zilizien und der Provinz Asien“ (τινες τῶν ἐκ τῆς συναγωγῆς τῆς λεγομένης Λιβερτίνων καὶ Κυρηναίων καὶ Ἀλεξανδρέων καὶ τῶν ἀπὸ Κιλικίας καὶ Ἀσίας, Apg 6,9) in eindrucksvoller Weise erstens die geographische Verbreitung von Synagogen und zweitens, dass sich hier auch Angehörige unterer sozialer Schichten trafen, zu denen ebenfalls freigelassene Sklaven zählten.28 Ansonsten sind die Synagogen in verschiedenen Städten der griechisch-römischen Welt anfangs die Orte, die Paulus mit seinen Begleitern und Begleiterinnen in der Regel ansteuert, um dort das Evangelium von Jesus als Christus zu verkündigen (Apg 9,20; 13,5.14–43; 14,1; 17,1–4.10–12.17; 18,4–8.19; 19,8 usw.).29 Später ändert er seine Strategie bzw. sein Verhalten, denn „die Ausschlußerfahrungen, die durch die ‚Eigenen‘ zugefügt werden, verdichten sich fortlaufend“.30 Charakteristisch für das Johannesevangelium ist, dass es schon auf die Erfahrung einer deutlichen Absonderungsbewegung frühchristlicher Gruppen von der jüdischen Muttergemeinde zurückblickt, da hier mehrfach von dem Problem der mit ἀποσυνάγωγος γίνομαι (Joh 9,22; 12,42) bzw. ἀποσυνάγωγος ποιέω (16,2) bezeichneten Ausstoßung aus Synagogen die Rede ist.31 3.

Synagogen im antiken Rom

Rom war als Hauptstadt des Römischen Reichs im 1. Jahrhundert n. Chr. eine kosmopolitische Großstadt. Mit ihren ca. 1.100.000 Einwohnern gehörte sie neben Alexandrien zu den kulturell und geistig bedeutendsten Zentren des 27  Vgl. Claußen, Synagoge. Paulus verwendet den Begriff προσευχή regelmäßig, allerdings nie in der Bedeutung „Gebetshaus“, sondern meist mit Bezug auf Gebete (Röm 1,10; 12,12; 15,30; s.a. 1Kor 14,14; Phil 1,9 usw.). 28  Vgl. a. Cohen, Maccabees, 111. Die Bezeichnung der erstgenannten Synagoge leitet sich ab von Λιβερτῖνος – „Freigelassener“; hier liegt eine Transliteration nach dem lateinischen „Libertinus“ vor, das einen emanzipierten Sklaven bezeichnet (vgl. Fitzmyer, Acts, 356). Siehe dazu auch im Folgenden. 29  Vgl. Malherbe, Social Aspects, 64. Auch Apollos verkündigte in einer Synagoge, nämlich der von Ephesus (Apg 18,24–28). 30  Wick, Gottesdienste, 280. 31  Vgl. dazu auch Wick, Gottesdienste, 330f.

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antiken Mittelmeerraumes.32 Peter Richardson datiert die Ankunft der ersten Juden in Rom in die Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr.: eine Delegation unter Führung von Judas Makkabäus stattete im Jahre 161 dem römischen Senat einen Besuch ab (1Makk 8,1–32).33 Die jüdische Gemeinschaft wuchs im Jahre 63 v. Chr. in Folge der Eroberung Palästinas durch Pompeius (106–48 v. Chr.), der kriegsgefangene Juden als Sklaven nach Rom verbrachte, die sich ihrerseits im Anschluss an ihre Freilassung vor Ort niederließen und das römische Bürgerrecht erwarben. Das römische Recht erlaubte es ihnen, sich als collegia zu organisieren; damit genossen sie den Schutz des Staates.34 Die früheste römische Quelle, aus der jüdische Präsenz hervorgeht, stammt aus dem Jahr 59 v. Chr. (Cicero, Pro Flacco 66).35 Wird ihre Zahl um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. noch auf 20.000 bis 60.000 geschätzt, so entstand hier bis zum 3. Jahrhundert allmählich die größte jüdische Gemeinschaft außerhalb Palästinas.36 Über die Ursprünge oder Geschichte der Synagogengemeinden in Rom und ihrer Versammlungsstätten liegen vergleichsweise spärliche Informationen vor; eine Bestandsaufnahme hat das anzuerkennen. Beschreibungen oder Erwähnungen in antiken Textquellen existieren nicht; ebenso wenig wurden jemals Ruinen von Synagogengebäuden bei archäologischen Ausgrabungen gefunden.37 So stehen für ihrer Erforschung lediglich antike Inschriften aus Roms Katakomben zur Verfügung. Peter Lampe geht nach deren Auswertung von maximal 14 Synagogengemeinden aus: die Synagoge der Agrippesier (συναγωγὴ Ἀγριππησίων), der Augusteer (συναγωγὴ τῶν Αὐγουστησίων), der Volumneser (Βολουμνησίων), der (He)rodianer, diejenige auf dem Marsfeld, die in der Subura (Σιβουρησίοι), die Synagoge der Hebräer (συναγωγὴ Αἰβρέων / Ἑβρέων), die Synagoge des Elaias (συναγωγὴ Ἐλαίας), die „proseucha“ zwischen Porta Esquilina und Porta Collina, die Synagoge der Calcarenses, der 32  Vgl. Wiefel, Rom, 354. 33   Vgl. Richardson, Synagogues, 18; ders., Building, 114; aufgenommen z.B. in Lohse, Evangelium, 171. 34  Vgl. Lohse, Evangelium, 171; Richardson, Building, 113–115. 35  In dieser Quelle polemisiert Cicero in einem Gerichtsverfahren zur Verteidigung eines Prätoriers gegen die ansässige jüdische Bevölkerung. Er erwähnt dabei die Größe der jüdischen Gemeinde, ihre Eintracht sowie ihren Einfluss in Volksversammlungen (scis quanta sit manus, quanta concordia, quantum valeat in contionibus). 36  Vgl. Wiefel, Rom, 354; Gruen, Diaspora, 15; Wolter, Brief, 32. Vgl. dazu ferner die allgemeinen Bemerkungen Lee I. Levines: „Bevölkerungszahlen für die Antike zu schätzen ist schwierig; doch übertraf die jüdische Bevölkerung der Diaspora, die vielleicht zwischen drei und fünf Millionen umfaßte, sicher schon lange vor 70 jene Judäas“ (Levine, Synagoge, 501). 37  Vgl. Richardson, Building, 120; Levine, Synagoge, 501.

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Tripolitaner (Τριπολειτῶν), der Calcarenses, Ἄρκ[ης Λι]βάνου, der Σεκηνῶν, und schließlich der Vernaculi.38 Es fällt also auf, dass diese Gemeinschaften nach ganz verschiedenen Aspekten benannt wurden, nämlich Sprachzugehörigkeit, Herkunftsort, Personen, Stadtteilen Roms und Städten anderswo. Auch wenn heute letztlich wenig über die einzelnen Gemeinden bekannt ist, so kann aufgrund dieser Informationen von einer gewissen Vielfalt im individuellen Profil ausgegangen werden. Vermutet wird generell, dass die „Synagoge der Hebräer“ die älteste in Rom ist. Für ein hohes Alter sprechen auch zwei weitere Bezeichnungen, nämlich erstens „Synagoge der Augusteer“, die den Augustus ehrt und folglich wohl in sein Prinzipat (27 v. Chr.–14 n. Chr.) zu datieren ist, und zweitens „Synagoge der Agrippesier“, die nach dem obersten Lieutenant des Augustus benannt ist, der im Jahre 12 v. Chr. verstarb.39 Damit stimmen Anmerkungen bei Philo und Josephus überein, dass Augustus selbst sowie vor ihm schon Julius Caesar die Juden allgemein gefördert hätten (Philo.Leg.Gai. 157f.; Jos.Ant. 14,185–216). Solche Konjekturen zum Alter der Synagogen in Rom gewinnen an Plausibilität angesichts des ca. 30 km von Rom entfernten, in Ostia an der Tibermündung seit 1961 ausgegrabenen Synagogengebäudes, das in den Zeitraum 41–54 n. Chr. datiert wird (und bis ins 5. Jahrhundert in dieser Funktion verwendet wurde).40 Zu fragen ist nun nach den Wohnbezirken der Juden bzw. nach der möglichen Verteilung der frühjüdischen Synagogen im Stadtgebiet von Rom. Peter Lampe zufolge war das „traditionelle Judenviertel seit dem 1. Jh. vor Chr. … Trastevere“,41 also die 14. augusteische Region am westlichen Tiberufer, in der sich noch heute der wichtige jüdische Monteverde-Friedhof befindet. Abgesehen davon siedelten Juden auch in den Gegenden zwischen Porta Collina und Porta Esquilina sowie bei der Porta Capena.42 38  Vgl. Lampe, Christen, 367f.; Wiefel, Rom, 354. Zu beachten ist der Vermerk Lampes (ebd., 367), dass sich die Bezeichnung „proseucha“ auf ein Synagogengebäude bezieht, während alle anderen Bezeichnungen Namen von synagogalen Gemeinden sind. Insofern ist in diesem Falle eine Doppelung möglich; es würde sich also nur um 13 Synagogengemeinden in Rom handeln. In einer älteren Studie zu diesem Thema ging schon Harry Leon von 11 und maximal 14 Synagogengemeinden aus (Leon, Jews, 135–166). 39  Vgl. Leon,  Jews, 147–149; Lichtenberger, Jews and Christians, 2160; Richardson, Synagogues, 20–23; ders., Building, 120f.; Jewett, Romans, 57. 40  Vgl. Claußen, Versammlung, 192–208; Grundrisse finden sich z.B. in Ancient Synagogue, hg. v. Runesson u.a., 226–230. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Anmerkung von L. Michael White: „… the evidence indicates that most, if not all, of the earliest synagogues were renovated from existing buildings, usually houses“ (White, Synagogue, 34). Die Synagoge in Ostia gilt gleichwohl als die älteste Europas. 41  Lampe, Christen, 26. 42  Vgl. Lampe, Christen, 28.

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Abb 7.1 aus: Lampe, Christen, Abb. 2 (im Anhang)

Speziell die am westlichen Tiberufer gelegene Region Trastevere, aber auch die anderen Stadtbezirke am östlichen Tiberufer waren feuchte Niederungen; die dortigen Bewohner waren ungesunden Lebensbedingungen ausgesetzt. Hier lebte die unterste Bevölkerungsschicht der Stadt. Wird bedacht, dass ein Teil der jüdischen Bevölkerung Roms freigelassene Sklaven sind (so schon Apg 6,9; siehe dazu oben), dann überraschen solche Erkenntnisse nicht. Diese Menschen lebten zusammengepfercht in engen Apartmenthäusern; sie arbeiteten primär im Hafen am Tiber und den zugehörigen großen Lagerhäusern. Bereits in der Antike war der über diesem Bezirk hängende üble Geruch der Schindereien und Gerbereien Grund zum Ekel.43 Die Mitglieder der synagogalen Gemeinden hätten sich hauptsächlich aus der hier ansässigen Bevölkerung rekrutiert. Kontrovers diskutiert wird die Existenz eines übergreifenden Kommunalverbandes (Gerusia) der verschiedenen Synagogen in Stadtgebiet Roms. Ansichten, dass es einen solchen – evtl. nach dem Vorbild Alexandriens – gegeben habe, steht die Auffassung einer dezentralen Organisationsstruktur gegenüber, die historisch sicherlich wahrscheinlicher ist.44 Bestimmen lässt sich aber die Organisationsstruktur einzelner Synagogengemeinden mit ihren 43  Vgl. Leon, Jews, 136f.; Lampe, Christen, 38–41. 44  Für einen synagogalen Dachverband argumentiert z.B. Williams, Structure, 215–228, dagegen Leon, Jews, 167–170; Wiefel, Rom, 354; Wolter, Brief, 32.

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Ämtern. Die Leitung lag beim Synagogenvorsteher (ἀρχισυνάγωγος); diese Funktion ist insgesamt in fünf Inschriften belegt.45 Der Synagogenvorsteher hatte vor allem Gottesdienste zu organisieren, die Leser aus den Heiligen Schriften zu bestimmen, und war für Bau- und Renovierungsmaßnahmen am Synagogengebäude zuständig. Während der Vorsteher diese Funktion in der Regel auf Lebenszeit innehatte, wurde die Position des Archons oder Archonten wohl jährlich neu besetzt. Es war ein administratives Amt, das erneuert werden konnte; der Inhaber hatte den nicht-religiösen, also geschäftlichen Teil der Synagoge zu verwalten.46 Inschriftlich belegt ist auch das Amt des Grammateus, der wohl der synagogale Sekretär war und die Buchführung versah. Erwähnenswert sind schließlich noch die Ehrentitel pater synagogae und mater synagogae, die ebenfalls in Inschriften belegt sind und evtl. im Zusammenhang mit finanziellen Zuwendungen und anderen Formen der Unterstützung gewährt wurden.47 Über diese Informationen hinaus lässt sich angesichts der spezifischen Quellenlage nicht mehr viel Konkretes über die Synagogen im antiken Rom sagen. So lassen sich etwa ihre genauen Funktionen und die dort praktizierten Gottesdienstformen heute nicht mehr näher bestimmen. Wer mehr über diese Bereiche wissen möchte, ist auf Analogieschlüsse von anderen Quellen her, so beispielsweise den neutestamentlichen und frühjüdischen Schriften, angewiesen.48 Unvermeidlich ist, dass sich auf diesem Wege bestenfalls Näherungswerte erheben lassen, deren historische Zuverlässigkeit fraglich bleibt. 4.

Konflikte im ersten Jahrhundert n. Chr. – der Streit um Christus

Die Situation der Juden im antiken Rom und damit auch der dortigen frühjüdischen Synagogengemeinden war manchem Wechsel unterworfen. Die eine Realität war die oben erwähnte allgemeiner Förderung und Unterstützung unter Julius Caesar und Augustus; die andere Realität war diejenige der Ausgrenzung bis hin zum Verbot der Religionsausübung. So berichtet Sueton über folgende, in das Jahr 19 n. Chr. fallende Maßnahme des Kaisers Tiberius, dessen Prinzipat (14–37 n. Chr.) unmittelbar auf das des Augustus folgte: 45  Vgl. Leon, Jews, 171. 46  Vgl. Leon, Jews, 173–180. 47  Vgl. Leon, Jews, 186–188. 48  Zur Ähnlichkeit der Synagogengemeinden in der Diaspora und ihren Strukturen vgl. z.B. Levine, Synagoge, 501f.

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„Fremde Religionen, die ägyptischen und jüdischen Kulte, verbot er (externas caerimonias, Aegyptios Iudaicosque ritus compescuit), indem er die zu solchem Aberglauben sich Haltenden zwang, die kultischen Gewänder mit jeglicher Gerätschaft zu verbrennen … Die übrigen Angehörigen dieses Volkes oder die, welche ähnliches verfolgten, verbannte er aus Rom … (reliquos gentis eiusdem vel similia sectantes urbe summovit)“ (Sueton.Tib. 36).49 Bald sollte dieser Anordnung eine weitere mit ähnlichem Ziel, nämlich der Ausweisung, folgen. Sie war u.a. durch innere Unruhen begründet. War Jahre zuvor die jüdische Gemeinschaft noch aufgrund ihrer „Eintracht“ (concordia) aufgefallen (Cicero, Pro Flacco 66, siehe oben), so untersagte Kaiser Claudius (Tiberius Claudius Nero Germanicus; Prinzipat: 41–54 n. Chr.) im Zuge der Implementierung einer konservativen Religionspolitik zunächst ihre Gemeindeversammlungen (Dio Cassius, Römische Geschichte 60,6,6). Im Jahre 49 n. Chr. erließ er ferner ein Edikt, im Zuge dessen die Juden Rom zu verlassen hatten, da ein gewisser Chrestos sie zur Unruhe angestiftet habe (Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantes Roma expulit; Sueton.Claud. 25,4).50 In der Forschung wird allgemein angenommen, dass Aquila und Priska (Priszilla) von dieser politischen Maßnahme betroffen waren und deshalb Rom verlassen mussten.51 Das aber bedeutet, dass dieses Ehepaar vorher wahrscheinlich zu einer der Synagogengemeinden Roms gehört und sich für den umstrittenen Christusglauben entschieden hatte. Nach der Ausweisung siedelten Aquila und Priska nach Korinth um, der Hauptstadt der römischen Provinz Achaia, in der es gleich zwei Häfen (Kenchreä / Κεγχρεαί und Lechaion / Λέχαιον) gab, weshalb die Stadt die führende Handelsmetropole der antiken Welt und ein eher teures Pflaster war.52 Dort lernten sie Paulus kennen, der wie sie von Beruf Zeltmacher war und damit zur Arbeiterklasse gehörte (Apg 18,2–3). Für diesen Berufsstand bot die Stadt Korinth damals jede Menge Beschäftigung.53 Der von Paulus dort 49  Nach Wolter, Brief, 33. 50  Vgl. Wardle, Claudius, 400. 51  Vgl. Koester, History, 109; Schüssler Fiorenza, Memory, 178f; Botermann, Judenedikt, 47f.134f.; Lampe, Christen, 4–8; Jewett, Romans, 19; Wolter, Brief, 33f. 52  Vgl. Koester, History, 109; Rife, Religion, 391–432; Concannon, Archaeology, 77–79; Fletcher, Corinth, 770. 53  Jerome Murphy-O’Connor beschreibt, dass Zeltmacher einerseits für die Isthmischen Spiele, die zu Ehren des Poseidon alle zwei Jahre ausgetragenen wurden, Zelte anfertigen mussten. Andererseits waren auch die Segel der Schiffe regelmäßig zu reparieren, sodass die beiden Häfen eine stabile Einkommenssituation versprachen (vgl. MurphyO’Connor, Paul, 29–31; ferner auch ebd., 80–85). Peter Lampe zufolge hatte Aquila den Paulus in seiner Werkstatt in Korinth angestellt; Lampe betont, dass die Werkstoffe dieses Gewerbes Leder und Leinen gewesen seien und fügt hinzu, dass Tarsos, die Heimatstadt des Paulus, in der Antike als Produktionsstätte von Leinen bekannt war (vgl. Lampe,

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gegründeten Gemeinde gehörten Mitglieder verschiedenster Bevölkerungsschichten an; allerdings kann vermutet werden, dass darunter auch viele am Existenzminimum Lebende waren.54 Für die missionarische Arbeit in der Gemeinde kann Priskas Rolle nicht unterschätzt werden. Als Paulus dem Ehepaar später brieflich Grüße übermitteln lässt, ist allein schon die Tatsache, dass sie namentlich genannt wird, bemerkenswert; außerdem wird Priska sogar zuerst erwähnt (Ἀσπάσασθε Πρίσκαν καὶ Ἀκύλαν τοὺς συνεργούς μου ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ, Röm 16,3; s.a. Apg 18,18).55 Die Unruhen in den Synagogengemeinden Roms lassen ein frühes Stadium des Absonderungsprozesses des frühen Christentums von der jüdischen Muttergemeinde greifbar werden. Die Frage um die Messianität des Jesus von Nazareth hatte offensichtlich in den jüdischen Gemeinden zu kontroversen Diskussionen geführt und sie evtl. auch gespalten. Diese Situation bestand für einen gewissen Zeitraum. Als Paulus in einem Winter der Jahre 55–57 n. Chr. in Korinth dem Schreiber Tertius seinen Brief „an alle Geliebten Gottes und berufenen Heiligen in Rom“ (πᾶσιν τοῖς οὖσιν ἐν Ῥώμῃ ἀγαπητοῖς θεοῦ, κλητοῖς ἁγίοις, Röm 1,7) diktierte,56 waren seine beiden ehemaligen Mitarbeiter Aquila und Priska ausweislich der Grußliste jedoch schon wieder in der Hauptstadt des Kaiserreichs ansässig (16,3–4).57 Dort leiteten sie eine Hausgemeinde, an die Paulus auch Grüße übermitteln lässt (16,5; eine weitere Hausgemeinde ist nach 16,23 die des Gaius). Viele der im Anschluss angeführten Namen können Christen, 156–158). Erwähnt wurde bereits, dass in Rom der Stadtteil Trastevere u.a. wegen seiner Gerbereien berüchtigt war (siehe oben); hier könnte sich also die Werkstatt des Aquila befunden haben. Vgl. ferner Lampe, Paulus, 256–261; Theissen, Conflicts, 372f. 54  Die soziale Komposition der Gemeinde des Paulus in Korinth ist Gegenstand gelehrter Diskussionen. Immerhin sind 16 Mitglieder dieser Gruppe namentlich bekannt; zu ihnen gehören die vermögende Phoebe, die Paulus als seine Patronin vorstellt (Röm 16,1–2; vgl. Schüssler Fiorenza, Memory, 181f), und der Synagogenvorsteher Crispus, der angesichts dieses Amtes wahrscheinlich auch wohlhabend war (Apg 18,1; 1Kor 1,14–16). Eine gemischte soziale Zusammensetzung nehmen z.B. Murphy-O’Connor, Paul, 85–89 und Meeks, Christians, 56–63 an. Dass die Mehrheit der Mitglieder dieser Gemeinden dennoch am oder unter dem Existenzminimum lebte, hat jüngst Steven J. Friesen nachgewiesen (Friesen, Poverty, 323–361). Vgl. dazu auch Concannon, Archaeology, 80–82. 55  Vgl. Schüssler Fiorenza, Memory, 178. 56  Zur dieser Datierung des Römerbriefes vgl. Koester, History, 138f.; Schnelle, Einleitung, 130; Jewett, Romans, 23; Fitzmyer votiert für das Jahr 58 (Fitzmyer, Romans, 86f.). Ein knapper Forschungsüberblick findet sich bei Wolter, Brief, 29f., der sich auf keine genaue Jahreszahl festlegt. 57  Vgl. Förster, Aufenthalt, 189–211, dem zufolge die Rückkehr von Aquila und Priska nach Rom bereits vor dem Tod von Kaiser Claudius im Oktober 54 möglich war, da derartige Edikte vor allem in römischen Provinzen nur unzureichend umgesetzt werden konnten und abgesehen davon entscheidend war, dass sich die Situation in Rom, die Anlass für das Edikt war, wieder beruhigt hatte.

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aus dem Rom dieses Zeitraumes nachgewiesen werden, und zwar teilweise unter Sklaven und Freigelassenen.58 In welchen Stadtgebieten mögen diese Personen und Hausgemeinden – und damit die Adressaten des Römerbriefes – zu vermuten sein? Peter Lampe bestimmt ihre Wohnviertel vor allem in Trastevere, außerdem „die innerhalb der Stadt gelegene Zone links und rechts der Via Appia“.59 Damit wohnten die Christen Roms in der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. nach wie vor in unmittelbarer Nachbarschaft der dortigen jüdischen Bevölkerung. Insofern kann für die Folgezeit ein bleibender wechselseitiger Einfluss vermutet werden. Da in diesem Stadtbezirk vornehmlich die unterste Bevölkerungsschicht Roms ansässig war (siehe dazu oben), hätten die Mitglieder der frühchristlichen Hausgemeinden außerdem einen ähnlichen sozialen Status gehabt wie diejenigen in Korinth. 5. Zusammenfassung Die Geschichte der Juden und ihrer Synagogengemeinden im antiken Rom ist wechselvoll. Erste Textzeugnisse lassen dort ansässige Juden bereits in der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. vermuten; im Zuge römischer Expansionspolitik wurden zudem kriegsgefangene Juden als Sklaven dorthin verbrachte, die später als Freigelassene das römische Bürgerrecht erwarben. Sie konnten ihre Gemeinden als collegia organisieren, weshalb ein übergreifender Kommunalverband wohl nicht existierte. Insgesamt sind heute, basierend auf antiken Inschriften, maximal 14 Synagogengemeinden im Rom des 1. Jahrhunderts n. Chr. bekannt, von denen die ältesten schon im 1. Jahrhundert v. Chr. entstanden sind. Damit fügen sie sich in die allgemeine Entstehungsgeschichte jüdischer Diasporagemeinden ein; zu vermuten ist auch, dass ihre Organisationsstruktur, diversen Funktionen und Gottesdienstformen den in neutestamentlichen Texten beschriebenen Verhältnissen ähneln. Viele der jüdischen Bewohner Roms waren Hafen- und Lagerhausarbeiter; sie wohnten in engen Apartmenthäusern und gehörten mehrheitlich der untersten Bevölkerungsschicht an. Zu der wechselvollen Geschichte dieser im 1. Jahrhundert n. Chr. zwischen 20.000 und 60.000 Einwohner zählenden Gruppierung gehörte zuweilen die kaiserliche Anerkennung und Unterstützung, zuweilen aber auch – so etwa infolge des Absonderungsprozesses der frühen Christen von der jüdischen Muttergemeinde – die Ausgrenzung bis hin zum Verbot der 58  Vgl. Lampe, Christen, 58; Lohse, Evangelium, 171. 59  Lampe, Christen, 30.

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Religionsausübung. So verbannte im Jahre 49 n. Chr. Kaiser Claudius die jüdische Gemeinschaft per Edikt vorübergehend aus der Stadt; bald danach entstanden hier – in ähnlichen sozialen Verhältnissen – die ersten christlichen Hausgemeinden. Bibliographie Ameling, Walter, Die jüdische Gemeinde von Leontopolis nach den Inschriften, in: Die Septuaginta – Texte, Kontexte, Lebenswelten. Internationale Fachtagung veranstaltet von Septuaginta Deutsch (LXX.D), Wuppertal 20.–23. Juli 2006 (unter Mitarbeit von Martin Meiser), hg. v. Martin Karrer / Wolfgang Kraus (WUNT 219), Tübingen: Mohr Siebeck, 2008, 117–133. Atkinson, Kenneth, On Further Defining the First-Century CE Synagogue. Fact or Fiction? A Rejoinder to H. C. Kee, NTS 43 (1997) 491–502. Baltzer, Klaus / Koenen, Klaus / van der Kooij, Arie / Wilk, Florian (Mitarbeit: Kabiersch, Jürgen), Esaias / Isaias / das Buch Jesaja, in: Septuaginta Deutsch, Erklärungen und Kommentare zum griechischen Alten Testament, Bd. 2: Psalmen bis Daniel, hg. v. Martin Karrer / Wolfgang Kraus, Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 2011, 2484–2695. Bernstein, Moshe J. / Koyfman, Shlomo A., The Interpretation of Biblical Law in the Dead Sea Scrolls: Forms and Methods, in Biblical Interpretation at Qumran, hg. v. Matthias Henze, Grand Rapids: Eerdmans, 2005, 61–87. Billerbeck, Paul, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, Bd. 1–6, München: Beck, 1926–1961. Blum, Erhard, Studien zur Komposition des Pentateuch (BZAW 189), Berlin/New York: de Gruyter, 1990. Botermann, Helga, Das Judenedikt des Kaisers Claudius. Römischer Staat und „Christiani“ im 1. Jahrhundert (Hermes.E 71), Stuttgart: Steiner, 1996. Bovon, François, Luke 1: A Commentary on the Gospel of Luke 1:1–9:50, Hermeneia, Minneapolis, MN: Fortress Press, 2002. Busink, Theodor A., Der Tempel von Jerusalem von Salomo bis Herodes. Eine archäologisch-historische Studie unter Berücksichtigung des westsemitischen Tempelbaus, Bd. 1: Der Tempel Salomos (SFSMD 3), Leiden: Brill, 1970. Capponi, Livia, Il tempio di Leontopoli in Egitto. Identità politica e religiosa dei Giudei di Onia (c. 150 a.C–73 d.C.) (Pubblicazioni della Facoltà di Lettere e Filosofia dell’Università di Pavia 118), Pisa: Edizione ETS, 2007. Claußen, Carsten, Jesus und die Versammlungen Galiläas. Zur Frage nach der Bedeutung von ἡ συναγωγή, in: Jesus und die Archäologie Galiläas, hg. v. ders. / Jörg Frey (BThS 87), Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 2008, 227–244.

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Teil 2 Leben und Lernen – die Übersetzung von Israels Schriften ins Griechische

The Samaritan Tenth Commandment as a Literary Composition Emanuel Tov This brief study deals with the tenth commandment of the Samaritan Pentateuch (SP), but before analyzing that subject we need to delve into two subjects, the nature of SP and the pre-Samaritan texts and their textual features. 1.

The Samaritan Pentateuch and the Pre-Samaritan Scrolls: Nature and Identity

The earliest manuscripts of SP were copied in the early Middle Ages but they derived from an age-old tradition since their main characteristics were already included in various Hebrew and Greek documents from the ancient world. Fragmentary Qumran scrolls from the last pre-Christian centuries reflect the central characteristics of SP. The earliest text of this type is 4QExod-Levf from the middle of the third century BCE. Likewise, some of the SP readings were known to the Greek translators who rendered the Pentateuch into Greek in the third century BCE.1 It appears that the SP was created before the time of the LXX and 4QExod-Levf but this assumption is not necessarily correct. Although scrolls such as 4QExod-Levf were already in existence in the third pre-Christian century, SP itself could have been created later, for example, in the second century BCE based on a scroll like 4QExod-Levf. In the last decennia, scholars recognized the close relation between SP and these early scrolls. One has become increasingly aware that there are hardly any differences between these early scrolls and the SP manuscripts from the Middle Ages; as a result, the early scrolls have been named pre-­Samaritan texts, signifying that they reflect the text of SP before the time of the latter texts.2 The working hypothesis of most scholars who study these scrolls is 1  Undoubtedly, the many non-Masoretic agreements between the LXX and SP point to a large base of agreement between these two versions. See Tov, Shared Tradition. 2  Some scholars, such as Cross in Ulrich–Cross, Qumran Cave 4.VII, 136, name these as Palestinian scrolls since they are not evidenced outside Palestine, but this term may be inferred as indicating that there were no other scrolls in Palestine.

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that SP, when created, was based on one of the pre-Samaritan scrolls. At that time, the Samaritan scribe(s) inserted a thin layer of sectarian revisions. The pre-Samaritan texts differed slightly from one another, while sharing some central editorial and textual phenomena: segments in Exodus 7–11 as well as sections in Exodus and Numbers that were duplicated from parallel passages in Deuteronomy 1–3, grammatical adaptations in small details, contextual harmonizations, and facilitating readings. In the wake of these common characteristics, the pre-Samaritan texts and SP may be defined as one common text family (the SP group). In the past, the question arose as to why the Samaritans adopted the preSamaritan text as the basis of their new Torah and not another text from among those that circulated in ancient Israel.3 However, there were not many texts in Israel, and the main choice was between the conservative proto-MT text and a group of popular texts among which we can identify the main ones as being the pre-Samaritan texts and the Hebrew source of the LXX.4 The MT was identified with the religious establishment (the proto-Pharisaic or proto-rabbinic movement), and it goes without saying that a new religious movement that wanted to change the conventional thinking patterns of Judaism would not have adopted MT as the basis for its writings. It would have been more natural to base the new text on the Jewish text that was accepted by the people at the time and that was equally as Jewish as MT. Therefore, the Samaritans inserted their changes into a text that we now name pre-Samaritan. The pre-Samaritan group is reflected by these texts: 4QpaleoExodm, 4QExod-Levf, 4QNumb (the last mentioned scroll is also close to the LXX), and possibly also 4QLevd.5 This group also included the scrolls 4QRPa (4Q158) and 4QRPb (4Q364), but they differ from those mentioned above.6 These five or six scrolls never miss an editorial plus of SP but, conversely, 4QNumb (combination of Numbers 27 and 36) and 4QRPa (addition after Deut 5:31) reflect editorial changes not found in SP. The SP text is also reflected in 4QTest (4Q175) in

3  Scholars made different suggestions regarding the founding of the Samaritan sect and the creation of SP (which were not necessarily identical), but for both we lack stable evidence. See a summary in Tov, Textual Criticism, 77–78. 4  See especially Tov, Text Blocks. 5  4QDeutn is not a pre-Samaritan scroll; see Owen, 4QDeutn. However, this scroll shares harmonizing readings with SP and it also contains additional harmonizations. For an analysis, see Eshel, 4QDeutn. 6  These two scrolls reflect all the features of SP but, in contradistinction to SP, they also add exegetical elements.

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the quotation from SP Exod 20:17 = MT 20:21 (containing MT Deut 5:28–29 [25–26], 18:18–19), in 4QCommGen A (4Q252), and in Jubilees.7 All these scrolls are pre-Samaritan and not Samaritan because they lack the Samaritan sectarian layer.8 The number of Samaritan changes that were inserted in SP was minimal, and they consist first and foremost of the tenth Samaritan commandment, and a few Samaritan changes pertaining to the emphasis on Shekhem and Mt. Gerizim as their holy site. Due apparently to this tendency, SP changed the frequent Deuteronomistic formula (of MT and LXX) “the place that the Lord will choose” (referring to Jerusalem) to “the place that the Lord has chosen”, referring to Shekhem, since from the Samaritan point of view that place had been chosen already at the time of the patriarchs (Gen 12:6, 33:18–20); for example, Deut 12:5 MT “only to the site that the Lord your God will choose (SP: has chosen) amidst all your tribes”. However, various scholars believe that this reading is ancient and does not involve a sectarian change,9 and in general there is a tendency in modern scholarship to view most presumed sectarian readings in SP as ancient (non-sectarian) readings. Thus, it was argued long ago that the SP reading of Mt. Gerizim in Deut 27:4 instead of MT’s Mt. Ebal is not sectarian but was an ancient reading. This reading (in monte Garzin) is found in the Vetus Latina, which was translated from the LXX and not suspected as being Samaritan;10 this is also the implication of an internal analysis of the chapter: if an altar needs to be erected according to v. 4, it is surprising that that mountain is mentioned in v. 13 as the mountain of the curse. Therefore, it is possible that the initial reading was “on 7  According to VanderKam, Jubilees, 137, the Scripture quotations in Jubilees do not reflect MT but the LXX and SP, texts that were at home in Palestine. 8  It should be noted that there is not much sectarian evidence relating to Exodus, and the evidence relating to Deuteronomy is irrelevant since there are no certified pre-Samaritan scrolls of Deuteronomy. The existence of pre-Samaritan readings can be established especially by examining the Samaritan tenth commandment. This commandment is not found in 4QRPa (4Q158) or 4QpaleoExodm, but in the latter case this assumption is based on reconstructed evidence only. See Skehan–Ulrich–Sanderson, Qumran Cave 4.IV, 68–70. 9  There is an increasing understanding that the reading “he chose” is ancient, showing that God had in the past chosen that city. According to that view, the Samaritans did not change an earlier view. Thus Kratz, The Place; Schenker, Le Seigneur; Schorch, Deuteronomy, 23–37 (esp. p. 34); Knoppers, Samaritan Conceptions”; idem, Jews and Samaritans, 194–216; Ulrich, Dead Sea Scrolls, 219. 10  Thus Kartveit, Samaritans, 300–305 (with bibliography). The reading “on Mount Gerizim” is also found in a fragment from the Judean Desert (from Qumran Cave 4?), but its authenticity has not yet been proven. See Charlesworth, Variant; Schattner-Rieser, Garizim. On the other hand, Van der Meer, Formation & Reformulation, 501 considers the reading of the Vetus Latina to be corrupt.

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Mt. Gerizim” and that it was replaced in MT as a refutation of the contentions of the Samaritans.11 2.

Textual Features of the SP Group

As background material for an analysis of the tenth commandment we need to mention briefly the central features of the textual character of the SP group. The SP group does not preserve many ancient readings, and it mainly “improves” the text through changes and additions and occasional transpositions, but not through omissions. This “improvement” takes place with the aid of the following procedures:12 2.1 Reediting The most characteristic changes of the SP group are the editorial changes in the earlier text made without inserting additional elements. Some of these are duplications of verses (with adaptations of names and verbal forms) and changes in sequence, but not omissions, following SP’s strong desire to not change the divine message. 2.2 Harmonizations in Small Details Harmonizing changes adapt details in the text to other details in the immediate or remote context. These harmonizations reflect a tendency to remove internal contradictions from the Torah that were considered harmful to its sanctity. This feature, which is often described as characteristic only of SP, is actually present already in pre-Samaritan texts, as well as in the LXX. 2.3 Contextual Adaptations Many grammatical forms in SP have been adapted to a formal grammatical approach as if they were originally in error: for example, in the case of incongruence between the subject and a verb in matters of gender and number. 2.4 Addition of the Execution to a Command Often the execution of a command is only hinted at in such formulations as “he acted accordingly”, “he did as he was told to do”; see, for example, Exod 7:6 referring back to 7:1–5. In such cases, the SP group followed the description of God’s commands with a detailed story about their execution. For example, 11  Thus Kartveit, Samaritans, 292. 12  For a longer analysis, see Tov, Textual Criticism, 79–90 with bibliography.

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after Exod 8:19, 4QpaleoExodm and SP add in accord with vv. 16–17 “Moses and Aaron came to Pharaoh and said to him: ‘Thus says the Lord: “Let My people go that they may worship Me. 17For if you do not let My people go, I will let loose …’”. 2.5 Small Additions in Order to Improve the Internal Logic of the Story Several small segments have been inserted into the text in order to improve the internal logic of some stories. For example, in the story of the Sinai pericope in Exodus 20 (but not in Deuteronomy 5, since the segment is found in chapter 18 there), SP, as well as 4QRPa (4Q158), added a segment after v. 17 (= v. 21 in MT) that at first is not connected to this event, namely Deut 18:18–22 “I will raise up a prophet for them from among their own people, like yourself …” This segment was added because of the previous verse in MT and SP (18:16) “This is just what you asked of the Lord your God at Horeb , on the day of the Assembly, saying …” Since there is no specific mention of the “raising up of a prophet” in the Sinai story in MT and the other sources, the common source of 4QRPa and SP felt the need to add this pericope after v. 17. Some similar phenomena are visible especially in discourse in other verses. In Exod 14:12, the Israelites murmur against Moses after he led them through the Red Sea: “Is this not the very thing we told you in Egypt, saying, ‘Let us alone, and let us serve the Egyptians, for it is better for us to serve the Egyptians than to die in the wilderness’?” However, the exact wording of this complaint is not quoted earlier in the book, and therefore the ancestor of SP found it necessary to insert the source of this quotation at an earlier point in the story, after Exod 6:9, at a seemingly very appropriate juncture. Likewise, in Gen 31:11–13, Jacob tells his wives of a past dream that included divine speech, but which had not been mentioned in the preceding verses. This presumed “oversight” led the text underlying 4QRPb (4Q364) 4b–e ii and SP to add the content of the dream at an earlier stage in the story, after 30:36. As far as I know, SP does not add new elements to the Torah. Possibly the only instance of a new added element is the plus in Exod 23:19. This plus is not based on any explicit verse, but is probably a late plus as indicated by its language.13 However, in some instances, SP adds the particles “or” or “and” in 13  To the phrase “You shall not boil a kid in its mother’s milk”, SP adds ‫כי עשה זאת כזבח‬ ‫שכח ועברה לאלהי יעקב‬. This was translated by Teeter, Kid, p. 43 as: “for doing this is like forgetting a sacrifice, and it is enragement to the God of Jacob”. However, the meaning of the plus is unclear, since ‫ עברה‬needs to be understood as ‫ ֲע ֵב ָרה‬in rabbinic Hebrew, a meaning not evidenced in Scripture. Apparently this plus was once included in nonSamaritan manuscripts (cf. many manuscripts of the LXX), from where it was also quoted in 4QMMT B 38. In a later study, Scribal Laws, 61–69, Teeter returns to this issue.

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the laws of Exodus 21–23, thus expanding the coverage of the law (Exod 21:28, 33, 35; 22:3; 23:4, based on 22:9). However, all these instances, and also the expansion of a law through the addition of a word (e.g., Exod 22:13, cf. v. 9) are instances of textual harmonization, and not of the addition of new content.14 Like SP, the pre-Samaritan texts do not insert in the text new elements that are not included in Scripture. 3.

Addition of the Samaritan Tenth Commandment in SP

3.1 Loyalty to the Jewish Tradition Even though SP added a tenth commandment, that addition suited the character of the pre-Samaritan texts and SP itself as described above, and it does not contain additional elements.15 SP remains loyal to the Jewish text that it had before it (in our terminology: the proto-MT text); otherwise it would have formulated the tenth commandment in a shorter and more appropriate way (see below, p. 148). The Meaning of the Segments Introduced in SP without Connection to their Context in SP SP adduces two segments that are not formulated as a commandment or a general command, but as a command for a one-time action (11:29a, 30 as the framework, and 27:2b, 3a, 4a, 5–7 as the body of the command). The tenth commandment repeats a command given elsewhere; Moses commands the people of Israel to execute a series of actions upon traversing the Jordan: to erect large stones, plaster them, write on them all the words of the Torah, build an altar, and to make offerings upon it. SP omits certain details from the original passage, while disregarding the internal tension within v. 8, according to which the Israelites were told to write the words of the Torah on the stones of the altar and not on the large stones that were mentioned in vv. 2 and 4.16 The description of the one-time action includes the mentioning of the locality, the mountain of Gerizim (original location, 11:29, 30). All the needed information was already found in the chapter that was chosen as the central Scripture source from which our author quotes (27:4 “on Mt. Gerizim” according to SP), but the 3.2

14  See the analysis of Teeter, Scribal Laws, 120–128. 15  The only content change (“that mountain”) in 5:17h reflects an adaptation to the new context; see below. 16  These problems were analyzed at length in the commentary of Tigay, Deuteronomy, 668– 669 (Hebrew).

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framework of 11:29 (introduction) and 11:30 (end) provides a more ceremonial status to the act described in SP between these two verses as well as an exact geographic location. The whole action obtains a different meaning in the new framework to be described below. Incompatibility of the Tenth Commandment with the Context of the Decalogue For many reasons, the tenth commandment of SP is incompatible with its new context, which emphasizes its secondary nature.17 (i) The tenth commandment represents an order to execute a one-time action that should take place upon crossing the Jordan involving the building of an altar on Mount Gerizim and the writing of the Torah on these stones. On the other hand, all the other commandments deal with the relation between man and God as well as between humans and they are timeless. This is a major difference that cannot be reconciled. The uniqueness of the action of the tenth commandment stands in contrast to the timelessness of the other commandments. Furthermore, the lack of an ethical aspect to that commandment is also remarkable. (ii) All the commandments of the Jewish and Samaritan Torah pertain to behavior, except for the declarative first commandment of the Jewish Torah (“I am the Lord your God”),18 and the tenth commandment of the SP, which describes a future action. (iii) The verbosity of the tenth commandment differs from the style of the other commandments. (iv) In contrast to the other commandments, the tenth commandment repeats verbatim the content of texts that occur elsewhere. Therefore,19 the tenth commandment of SP makes the impression of an artificial addition, but the round number of “ten words [commandments]” 3.3

17  To the best of my knowledge, scholars have not emphasized these points. 18  This commandment, the first one of the Jewish Torah, is not included among the commandments of SP; see below. 19  In one point, the situation is unclear. All the commandments, except for the first commandment of the Jewish Torah, involve divine commands to the people (for example, the second one, “You shall have no other gods besides Me…. For I, the Lord, your God, …”). At the same time, many formulations are in the third person, e.g., the third commandment (“by the name of the Lord your God”). However, the tenth commandment of SP contains Moses’s order to the people, as is visible from the quotation from Deut 27:2–8. The beginning of this pericope speaks about Moses (v. 1: “Moses and the elders of Israel charged the people, saying: Observe …”). However, since this opening verse was not included in the passage quoted in the tenth commandment, SP probably transferred the understanding of Moses as speaker in chapter 27 to God in the tenth commandment. In the same spirit,

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(Exod 34:28; Deut 4:13, 10:4) could not be changed. As a result, the Samaritans calculate the commandments in a different way from the Jews, and not without reason. Since, in calculating the number of the commandments, the first one, “I am the Lord your God”, serves as a general and introductory declaration20 and not a command, it could easily be disregarded in the Samaritan tradition. The Samaritan tradition thus turned the first commandment of the Jewish tradition into an introductory statement to the Decalogue, and the second commandment became the first one, etc. In this way, SP made room for an additional commandment. 4.

The Meaning of the Tenth Commandment in SP21

The real meaning of the tenth commandment is thus not a command to the generation of those who conquered the land of Israel who were told to erect the stones and the altar on Mt. Gerizim in chapter 27. The repetition of this commandment within the Decalogue may point to its meaning. We notice two different emphases, the erection of the altar and Mt. Gerizim (named “this mountain”). These two emphases should be taken together: the erection of the altar on Mt. Gerizim, the sacred cult place of the Samaritans. It would have been simpler had the tenth commandment expressed the belief in the centrality of Mt. Gerizim in plain terms, but in that case the text would have needed to have been phrased in words that are not included in the Torah. However, it was a principle of SP to not insert new formulations. The reviser thus had two options, to either choose chapter 12, the central chapter that expressed declaratively the idea of the unity of the cult, or chapter 27. The idea that the reviser wanted to stress is expressed more clearly in chapter 12, but that chapter does not mention Mt. Gerizim,22 and he therefore turned to chapter 27. elsewhere the text stresses that all the commandments were spoken by God, both in the beginning (Exod 20:1) and at the end (Deut 5:22). 20  See Tigay, Deuteronomy, 63. 21  For earlier analyses of the tenth commandment, see Tigay, Empirical Models, 78–83; Ben-Hayyim, The Tenth Commandment; Hepner, Samaritan Version; Anderson–Giles, Samaritan Pentateuch, 94–103; Kartveit, Samaritans, 290–295; Knoppers, Jews and Samaritans, 194–216. 22  “You must destroy all the sites at which the nations you are to dispossess worshiped their gods … 5 but look only to the site that the Lord your God will choose amidst all your tribes as His habitation, to establish His name there. There you are to go, 6 and there you are to bring your burnt offerings”. However, Mt. Gerizim was mentioned at the end of the previous chapter, in v. 30, as was emphasized by Schorch, The Samaritan Version.

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The simplest solution for the Samaritans was therefore to summarize in the tenth commandment Moses’s command to the people to erect an altar on Mt. Gerizim. This command determines the centrality of Mt. Gerizim as a holy site for the Israelites and at the same time it cancels the centrality of the competing site, the temple in Jerusalem. The command also speaks at length about the altar that was indeed erected on Mt. Gerizim. In MT, the command is very detailed, but SP (in the tenth commandment, not in chapter 27 itself) deleted certain details that were not needed for its purpose (vv. 2a, 3b, 4b, 8). Even though the tenth commandment contains several cultic details, the cult itself is not the central message,23 and it would also not have been appropriate within the Decalogue. The cultic details, important as they may be, cannot be considered sufficiently central to constitute the main feature within the Decalogue. Obviously, the building of the altar was important for the reviser who added this commandment. Probably the tenth commandment was added to SP after the building of the temple at Mt. Gerizim, and not necessarily after its destruction by John Hyrcanus in 129 BCE, as suggested by Dexinger.24 5.

The Tenth Commandment as a Literary Composition

The anonymous author of the tenth commandment used several literary devices in order to express his ideas:

23  On the other hand, Zahn, The Samaritan Pentateuch, places much stress on the offerings and altar mentioned in the tenth commandment. She emphasizes the connection between the Samaritan tenth commandment in Exodus and the law of the altar in that book in 20:23–26, a connection that does not exist with regard to Deuteronomy. Similarly Knoppers, Jews and Samaritans, 194–216. These scholars view the cultic details as central within the tenth commandment, and they also link them to the SP reading in Exod 20:24 (20): MT “in every place where I cause My name to be mentioned”; SP: “in the place where I mentioned my name”. However, this detail does not apply to SP’s version of the tenth commandment in Deuteronomy. Further, I tried to show above that in this analysis we need to take into consideration especially the place of the tenth commandment within the Decalogue. Within this framework, the building of the altar on Mt. Gerizim should be viewed as the central topic within the tenth commandment. 24  Dexinger, Das Garizimgebot. According to Ben-Hayyim, The Tenth Commandment, that commandment was added only after the beginning of Christianity, against Christian claims that the Decalogue contains only moral commandments.

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Emanuel Tov

5.1 Repetition SP, in addition to the pre-Samaritan scrolls found at Qumran, often repeats verses from other contexts without change in content in order to express certain exegetical ideas. As a rule, a string of verses is copied verbatim, but sometimes a certain manipulation is visible in the rewriting. Thus, in the case of the two versions of the appointment of the judges by Moses (Exodus 18 and Deut 1:9–18) in SP, the account in Deuteronomy is repeated in Exodus after 18:24 and within v. 25 as an integral part of the story. In the same way in the tenth commandment, verses of Deuteronomy have been abridged and combined with verses from chapter 11. 5.2 Contextual Adaptations Sometimes the duplication of a section required additional changes in the context. Thus, the text of Exod 14:12 was added after Exod 6:5 (see p. 145). Since the text was changed, the Samaritan reviser of that verse needed to add a few connecting words in Exod 6:5, “and they said to Moses”. Likewise, when Jacob’s dream was duplicated from 31:11–13 after 30:36, the reviser was compelled to change the opening words from “an angel of God said to me” (Gen 31:11) to “an angel of God said to Jacob”. 6.

Literary Compilation of the Tenth Commandment

SP does not introduce new elements into the text and therefore the contents of the tenth commandment are not new. However, the literary system used in the compilation is new. 6.1 The Compilation System The innovative system of compiling the tenth commandment resembles the creation system of the rewritten Bible compositions, especially the Temple Scroll, that is characterized by two features: (1) the combination of verses found in different places (here, 11:29, 30, and 26:3–7); and (2) the deletion of parts of verses, apparently because they were considered irrelevant. (i) The combining of verses from chapters 11 and 27 shows the elements that are important to the reviser. The central part of the quoted text contains the verses in chapter 27 that speak about the erecting of the altar on Mt. Gerizim,25 25  In the rewriting of SP, the wording of MT 11:30 “As you know, they are” (NRSV) was altered to “that mountain”, since MT mentions two mountains, while SP speaks only of one (5:17h).

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The Samaritan Tenth Commandment

while 11:30 speaks additionally about Shekhem (“the terebinth of More opposite Shekhem” as opposed to “the terebinths of Moreh” in MT). (ii) The omission of parts of verses and one complete verse. The reviser abridged the original text since it was rather repetitious.26 The table compares the tenth commandment with its sources in SP (Deut 11:29, 30; 27:3–7). Table

The Tenth Commandment of SP Compared with Its Sources in SP (Deut 11:29, 30; 27:3–7)27

References Deut 5:17a

10th Commandment, SP Deuteronomy 11, 27 SP SP

‫והיה כי יביאך יהוה אלהיך והיה כי יביאך יהוה אלהיך‬ ‫אל‬ ‫אל‬ ‫ אשר אתה בא‬+ ‫ הכנעני‬+ ‫הארץ  אשר אתה בא ארץ‬ ‫שמה לרשתה‬ ‫שמה לרשתה‬ -‫והיה ביום אשר תעברו‬ ‫את הירדן אל הארץ אשר‬ ‫יהוה אלהיך נתן לך‬ Deut 5:17b ‫והקמת לך אבנים גדלות‬ ‫והקמת לך אבנים גדלות‬ ‫ושדת אתם בשיד‬ ‫ושדת אתם בשיד‬ Deut 5:17c ‫וכתבת על האבנים את כל‬ ‫וכתבת עליהן את כל‬ ‫דברי התורה הזאת‬ ‫דברי התורה הזאת‬ -- ‫בעברך למען אשר תבוא‬ ‫אל הארץ אשר יהוה‬ ‫אלהיך נתן לך ארץ זבת‬ ‫חלב ודבש כאשר דבר‬ ‫יהוה אלהי אבותיך לך‬ Deut 5:17d ‫והיה בעברכם את הירדן‬ ‫והיה בעברכם את הירדן‬ ‫תקימו את האבנים האלה תקימו את האבנים האלה‬ ‫אשר אנכי מצוה אתכם‬ ‫אשר אנכי מצוה אתכם‬ ‫היום בהרגריזים‬ ‫היום בהרגריזים‬ -‫ושדת אתם בשיד‬

Deut 11:29a

Deut 27:2a Deut 27:2b Deut 27:3a Deut 27:3b

Deut 27:4a

Deut 27:4b

26  Cf. the opening v. 2 (“As soon as you have crossed the Jordan”), v. 4 (“upon crossing the Jordan”), and the surrounding verses. 27  The Samaritan texts are quoted from the edition of Tal–Florentin, The Pentateuch. The versions of the tenth commandment in Exodus 20 and Deuteronomy 5 are identical. The numbering follows that of the version in Deuteronomy.

152 Table

Emanuel Tov The Tenth Commandment of SP Compared with Its Sources in SP (cont.)

References Deut 5:17e Deut 5:17f Deut 5:17g

Deut 5:17h

10th Commandment, SP Deuteronomy 11, 27 SP SP ‫ובנית שם מזבח ליהוה‬ ‫ובנית שם מזבח ליהוה‬ ‫אלהיך מזבח אבנים לא‬ ‫אלהיך מזבח אבנים לא‬ ‫תניף עליהם ברזל‬ ‫תניף עליהם ברזל‬ ‫אבנים שלמות תבנה את אבנים שלמות תבנה את‬ ‫מזבח יהוה אלהיך והעלית מזבח יהוה אלהיך והעלית‬ ‫עליו עלות ליהוה אלהיך‬ ‫עליו עלות ליהוה אלהיך‬ ‫וזבחת שלמים ואכלת שם וזבחת שלמים ואכלת שם‬ ‫ושמחת לפני יהוה אלהיך ושמחת לפני יהוה אלהיך‬ -- ‫וכתבת על האבנים את כל‬ ‫דברי התורה הזאת באר‬ ‫הייטב‬ ‫הלוא הם בעבר הירדן‬ ‫ההר ההוא בעבר הירדן‬ ‫אחרי דרך מבוא השמש‬ ‫אחרי דרך מבוא השמש‬ ‫בארץ הכנעני הישב‬ ‫בארץ הכנעני הישב‬ ‫בערבה מול הגלגל אצל‬ ‫בערבה מול הגלגל אצל‬ ‫אלון מורא מול שכם‬ ‫אלון מורא מול שכם‬

Deut 27:5 Deut 27:6 Deut 27:7 Deut 27:8 Deut 11:30

(iii) Omissions Deut 27:2a “As soon as you have crossed the Jordan into the land that the Lord your God is giving you”. This verse was not needed in the new context since its content was already covered by the introduction (= 11:29a). Deut 27:3b “When you cross over to enter the land that the Lord your God is giving you, a land flowing with milk and honey, as the Lord, the God of your fathers, promised you”. This verse was not needed in the new context because it repeats details that had been mentioned already in the context and also because it contains a general formulation (“a land flowing with milk and honey”). Deut 27:4b “and coat them with plaster”. These words repeat v. 2b. Deut 27:8 “And on those stones you shall inscribe every word of this Teaching most distinctly”. This verse forms part of Moses’s order to the people in Deut 27:1–8, but it is not included in the tenth commandment, apparently because it overlaps with v. 3. According to v. 2 the Torah needs to be written on “large stones”, while according to v. 5 it has to be written on an “altar of stones”; however, the ancient reader probably did not perceive this discrepancy. Also the author of Josh 8:31–32 did not distinguish between these different versions (writing on “an altar of unhewn stone”, vv. 31–32).

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6.2 Flow of Ideas The flow of the ideas in the tenth commandment is very logical as the verses were combined skillfully. The main section is that of Deut 27:2–8, and around it are the framework verses from 11:29–30 even though in that chapter they introduce a different type of unit (the laws of Deuteronomy). In other words, the framework verses were skillfully selected to surround the central unit of the tenth commandment. The tenth commandment thus consists of the following three elements: Introduction (= Deut 11:29a) Command (= Deut 27:2b, 3a, 4a, 5–7) Summary (= Deut 11:30) Chapter 27, from which the command has been quoted, also includes an introduction to the command, even a double one (v. 2a “When you cross the Jordan River”; v. 4a “upon crossing the Jordan”), but the reviser preferred more specific statements from chapter 11. Therefore the introduction to the tenth commandment is a little more extensive than that in chapter 27: “When the Lord your God brings you into the land of the Canaanite28 you are to possess”.29 This verse speaks about the entrance into the promised land, and not the crossing of the Jordan as in 27:2, 4, and therefore the tenth commandment of SP is somewhat more ceremonial and elevated than chapter 27. The quote from chapter 11 also provided the reviser with a summarizing remark that was not found in chapter 27, since in 11:30 it originally served as an introductory remark: “That mountain30 is on the other side of the Jordan, beyond the west road that is in the land of the Canaanites who dwell in the Arabah – opposite Gilgal, by the terebinth of More opposite Shekhem”. The ending (= 11:30) links up with the beginning of the pericope (= 11:29) since it mentions the geographical location, which is the main focus for the reviser (namely Shekhem). By so doing, the reviser inserted an element of exegesis while revising 11:30. The original verse 11:30 spoke of two mountains, Mt. Gerizim and Mt. Ebal, mentioned in v. 29, while the new environment in the tenth commandment speaks only of one mountain, Mt. Gerizim, mentioned in v. 4, and therefore the formulation needed to be adapted to “that mountain”. Adaptations of this kind occur frequently in SP (see § 5). Also the addition 28  Thus the tenth commandment, adapted to Deut 11:30, quoted at the end of the tenth commandment. On the other hand, in chapter 5:17a in the addition parallel to 11:29a, SP reads “the land” as in MT. 29  The segment of v. 29 that is not included in the quote in the tenth commandment speaks about “the blessing on Mt. Gerizim” and this may well be the background for the addition of this verse here. 30  See below.

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of “opposite Shekhem” in the tenth commandment reflects exegesis (possibly influenced by Josh 8:33), but that was already found in SP 11:30.31 6.3 The Command Itself was Composed Skillfully The reviser did not adduce a complete segment, but he carefully chose the elements he was interested in (vv. 2b, 3a, 4a, 5–7), while omitting parts of verses that were deemed superfluous or not needed for his purpose: ‫ והיה כי יביאך יהוה אלהיך אל ארץ הכנעני אשר אתה בא שמה לרשתה‬11:29a ‫ והקמת לך אבנים גדלות ושדת אתם בשיד‬27:2b ‫ וכתבת על האבנים את כל דברי התורה הזאת‬3a ‫ והיה בעברכם את הירדן תקימו את האבנים האלה אשר אנכי מצוה אתכם‬4a ‫היום בהר גריזים‬ ‫ ובנית שם מזבח ליהוה אלהיך מזבח אבנים לא תניף עליהם ברזל‬5 ‫ אבנים שלמות תבנה את מזבח יהוה אלהיך והעלית עליו עלות ליהוה אלהיך‬6 ‫ וזבחת שלמים ואכלת שם ושמחת לפני יהוה אלהיך‬7 ‫ ההר ההוא בעבר הירדן אחרי דרך מבוא השמש בארץ הכנעני הישב‬11:30 ‫בערבה מול הגלגל אצל אלון מורא מול שכם‬

When summarizing the reviser’s techniques, we see clearly that he did not insert new verses or formulations. However, he did insert a new idea in the tenth commandment when inserting new content into existing texts without changing their formulation. Thus the reviser skillfully inserted verses from two chapters in Deuteronomy (11, 27) into the existing text, shortening when needed. In these two aspects, the reviser acted in a similar fashion to the author of the Temple Scroll, and comparisons can be made between the two when both revise texts from Deuteronomy, a book that is written in a verbose style.32 The author of the Temple Scroll was more daring than our reviser, since he not only changed the wording of verses that he combined, but also added his own exegesis. SP contains exactly ten commandments in the same place where these commandments are found in its Jewish counterpart, MT, but they are arranged differently and include an additional, Samaritan, commandment. To be precise, in order to be able to add a tenth commandment, the ten commandments of the Jewish tradition were rearranged in such a way that the first commandment 31  In the closing verse in SP (parallel to 11:30), after “opposite Gilgal, beside the oak of Moreh” (MT: “oaks of Moreh”), SP adds “opposite Shechem”, both in 11:30 and in the quotation in the tenth commandment. 32  See, for example, 11QTemplea’s procedures in shortening Deuteronomy 12 as described in Tov, Deut. 12.

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(Exod 20:2 = Deut 5:6) was removed from the block and presented as an introduction to the Decalogue. See § 3. That commandment was created as a new literary composition that carried a very clear sectarian message. That message could have been relayed very briefly as a command (“Thou shalt perform all thy religious duties in the city that the Lord thy God has chosen, Mt. Gerizim”), but such a message would not have been appropriate since the SP only added statements that occurred elsewhere in Scripture. For that reason, SP copied four complete and four half-verses from the book of Deuteronomy that should express this idea. These verses were copied from their original positions in chapters 11 and 27 to their new location in the Samaritan tenth commandment, with slight internal differences in the two Samaritan texts. The logic runs as follows within SP: In Deuteronomy 27, Moses commands the Israelites to erect large stones on Mt. Gerizim upon crossing the Jordan, to write the whole Torah on those stones, and to erect an altar on the spot. SP now copied the key verses from this chapter (27: 2b, 3a, 4a, 5–7) and presented them as the tenth commandment, with the understanding that this command of Moses, which was meant to be a one-time action to be completed in the promised land, would form the symbolic kernel of the command to make Mt. Gerizim the cult center of the Samaritans. In the new environment of the tenth commandment, the verses from Deuteronomy 27 thus no longer referred to one-time actions but to the permanent status of Mt. Gerizim as the central place of worship. Bibliography Anderson, Robert T. and Terry Giles, The Samaritan Pentateuch: An Introduction to Its Origin, History, and Significance for Biblical Studies, RBS 72, Atlanta: SBL, 2012. Ben-Hayyim, Ze’ev, “The Tenth Commandment in the Samaritan Pentateuch,” in: New Samaritan Studies of the Société d’Études Samaritaines III–IV: Essays in Honour of G. D. Sixdenier, ed. Alan D. Crown and Lucy Davey, Studies in Judaica 5, Sydney: Mandelbaum Publishing, 1995, 487–491. Charlesworth, James H., “What is a Variant? Announcing a Dead Sea Scrolls Fragment of Deuteronomy”, Maarav 16 (2009) 201–212. Dexinger, Ferdinand, “Das Garizimgebot im Dekalog der Samaritaner”, in: Studien zum Pentateuch: Walter Kornfeld zum 60. Geburtstag, ed. Georg Braulik, Vienna: Herder, 1977, 111–133. Eshel, Esther, “4QDeutn: A Text That Has Undergone Harmonistic Editing”, HUCA 62 (1991) 117–154. Hepner, Gershon, “The Samaritan Version of the Tenth Commandment”, SJOT 20 (2006) 147–151. Kartveit, Magnar, The Origins of the Samaritans, VTSup 128, Leiden: Brill, 2009.

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In Search of the Greek Translator of Genesis Robert J.V. Hiebert 1. Introduction It is a pleasure to contribute the present essay to a volume in honour of Wolfgang Kraus on the occasion of his sixty-fifth birthday. The title of this monograph, Tempel, Lehrhaus, Synagoge. Orte jüdischen Gottesdienstes, Lernens und Lebens, is a testament to his well-known contributions both to the field of biblical scholarship (specifically in the areas of New Testament and Septuagint studies) and to his involvement in research on the history of Judaism in Germany and the synagogues of Bavaria in conjunction with efforts to foster conversations and renewal of relationships between the Protestant Churches and the Jewish communities in Germany. 2.

Context of the Translator

In this essay, I highlight a number of features of the Septuagint version of the book of Genesis that provide indicators as to certain aspects of the physical setting and social context of the individual who produced the translation. The essay topic was inspired in part by a paper presented by Claude Cox at a session of the Society of Biblical Literature conference in San Antonio in November 2016, a paper that was the product of a similar kind of investigation of the Septuagint version of Job.1 2.1 Synagogue Wolfgang Kraus’s interest in the history of synagogues, synagogue architecture, and Jewish life throughout the centuries has prompted me to consider the earliest use of the term συναγωγή in Jewish Scripture, namely the Septuagint book of Genesis. Of course, the earliest usage of the term in Greek literature goes back much farther, to the writings of authors such as Aeschylus (vi–v BCE; Τῶν παρ᾽ Ἱπποκράτει λέξεων συναγωγή2 / “a collection of terms 1  Cox, “Biography of a Translator.” The print version of this paper will appear in a forthcoming collection of essays. I express my thanks to Cox for graciously forwarding an advance copy to me. 2  Aeschylus, Tetralogy 10.A.81.1.

© Ve

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in Hippocrates”), Thucydides (v BCE; ἐν τῇ ξυναγωγῇ τοῦ πολέμου3 / “in the gathering for war”), Plato (v–iv BCE; Τούτων δὴ ἔγωγε αὐτός τε ἐραστής, ὦ Φαῖδρε, τῶν διαιρέσεων καὶ συναγωγῶν / “Now I myself, Phaedrus, am a lover of these processes of division and bringing together”4), and Aristotle (iv BCE; τῶν νόμων καὶ τῶν πολιτειῶν αἱ συναγωγαί / “collections of laws and constitutions”5), etc. In Septuagint Genesis, the first of five occurrences of συναγωγή is found chapter 1: Gen 1:9 LXX6: Καὶ εἶπεν ὁ θεός Συναχθήτω τὸ ὕδωρ τὸ ὑποκάτω τοῦ οὐρανοῦ εἰς συναγωγὴν μίαν, καὶ ὀφθήτω ἡ ξηρά. καὶ ἐγένετο οὕτως. καὶ συνήχθη τὸ ὕδωρ τὸ ὑποκάτω τοῦ οὐρανοῦ εἰς τὰς συναγωγὰς αὐτῶν, καὶ ὤφθη ἡ ξηρά. NETS7: And God said, “Let the water that is under the sky be gathered into one gathering, and let the dry land appear.” And it became so. And the water that was under the sky was gathered into their gatherings, and the dry land appeared. MT8: ‫ויאמר אלהים יקוו המים מתחת השמים אל מקום אחד ותראה היבשה ויהי כן‬ NRSV: And God said, “Let the waters under the sky be gathered together into one place, and let the dry land appear.” And it was so. This is, to be sure, referring to something very different than a ‫ בית כנסת‬or shul where Jews have through the centuries met for prayer and study. What is common to both contexts, however, is the concept of gathering or assembly, whether of people or of the primeval waters of creation as in the passage from Genesis cited above. It is, in fact, the only place in Genesis in which συναγωγή is the counterpart to ‫ מקום‬in the MT. In all forty-six other occurrences of ‫ מקום‬in the book, the equivalent is, as would be expected, τόπος. Indeed, in the present verse, Aquila, Symmachus, and Theodotion all have εἰς τόπον ἕνα instead of εἰς συναγωγὴν μίαν.

3  Thucydides, Historiae 2.18.3.2. 4  Plato, Phaedr. 266b.3–4 (Fowler, LCL). 5  Aristotle, Eth. nic. 1181b.7 (Rackham, LCL). 6  Septuagint texts are cited from relevant volumes in the series Septuaginta: Vetus Testamentum Graecum Auctoritate Academiae Scientiarum Gottingensis editum, or if such volumes have not yet been published, from Septuaginta: Id est Vetus Testamentum graece iuxta LXX interpretes edidit Alfred Rahlfs, rev. ed. Robert Hanhart. 7  A New English Translation of the Septuagint, ed. Pietersma and Wright. 8  B  HS.

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Scholars have long recognized that συναγωγή is the semantic counterpart to ‫ – מקוה‬another term of great significance in the world of Judaism – rather than to ‫מקום‬.9 The term ‫ מקוה‬also has to do with the action of gathering10 and, whether it is vocalized as ‫ ִמ ְקוֶ ה‬collection, collection of waters, reservoir, pool or ‫ ִמ ְקוָ ה‬reservoir,11 it pertains to a place where water has been collected. The earliest archaeological evidence for the appearance of the ‫ מקוה‬in the sense of a pool of water used by Jews to achieve ritual purity by immersion dates back to the early first century BCE.12 As for Gen 1:9, the discovery of Dead Sea Scrolls manuscript 4QGenh, which in fact attests ‫ מקוה‬rather than ‫מקום‬,13 has furnished evidence for the possibility that the reading from Qumran cave 4, rather than the MT reading, was the Vorlage of the OG translator. What complicates the situation, however, is that in the next verse, where ‫ מקוה‬is attested in both the MT and extant Qumran material (4QGenb),14 the Septuagint counterpart is different: Gen 1:10 MT: ‫ויקרא אלהים ליבשה ארץ ולמקוה המים קרא ימים וירא אלהים כי טוב‬ NRSV: God called the dry land Earth, and the waters that were gathered together he called Seas. And God saw that it was good. LXX: καὶ ἐκάλεσεν ὁ θεὸς τὴν ξηρὰν γῆν καὶ τὰ συστήματα τῶν ὑδάτων ἐκάλεσεν θαλάσσας. καὶ εἶδεν ὁ θεὸς ὅτι καλόν. NETS: And God called the dry land Earth, and the systems of the waters he called Seas. And God saw that it was good. τὰ συστήματα τῶν ὑδάτων “the systems of the waters” in the present verse would seem to parallel τὰς συναγωγὰς αὐτῶν “their gatherings” in the Tatbericht section of the preceding verse, a section that has no attested Hebrew counterpart.15 The entities signified by these different plural terms in vv. 9b and 10 are the various bodies of water distributed throughout the earth, whereas the συναγωγὴ μία in v. 9a is the primordial ocean whose waters are gathered (συναχθήτω / ‫)יקוו‬ so that a habitable land mass may emerge. This distinction may well account

9  Gunkel, Genesis, 107; Skinner, Commentary on Genesis, 22; Speiser, Genesis, 6; Harl, La Genèse, 90; Wenham, Genesis 1–15, 4; Hendel, Genesis 1–11, 24; BHS. 10   D  CH, s.v. ‫ קוה‬II. 11   D CH, svv. ‫ ִמ ְקוֶ ה‬II, ‫ ִמ ְקוָ ה‬. 12  Berlin, “Manifest Identity: From Ioudaios to Jew,” 151–175 (here 169). 13  Davila, “4QGenh,” 61–62. 14  Davila, “4QGenb,” 33. 15  Hiebert, “A ‘Genetic’ Commentary,” 19–36.

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for the different Greek renderings of arguably the same Hebrew root, ‫מקוה‬, in both v. 9 and v. 10 in the OG’s Vorlage.16 The counterpart to ‫ ִמ ְקוֶ ה‬in Lev 11:36 is, however, συναγωγή, and it has to do with “a gathering of water” (συναγωγῆς ὕδατος) as is the case in Gen 1:9, though in Exod 7:19 it is rendered by the perfect active neuter participle of συνίστημι functioning attributively (συνεστηκὸς ὕδωρ αὐτῶν “their accumulated water” / ‫“ מקוה מימיהם‬its pools of water”). In Isa 22:11, the counterpart to ‫ ִמ ְקוָ ה‬is simply ὕδωρ “water.” The only other occurrences of συναγωγή in Genesis are in the plural and have to do with the reiterated promise to Jacob of numerous descendants: Gen 28:3 LXX: ὁ δὲ θεός μου εὐλογήσαι σε καὶ αὐξήσαι σε καὶ πληθύναι σε, καὶ ἔσῃ εἰς συναγωγὰς ἐθνῶν· NETS: And may my God bless you and make you increase and make you numerous, and you shall become gatherings of nations. MT: ‫ואל שדי יברך אתך ויפרך וירבך והיית לקהל עמים‬ NRSV: May God Almighty bless you and make you fruitful and numerous, that you may become a company of peoples. Gen 35:11 LXX: εἶπεν δὲ αὐτῷ ὁ θεός Ἐγὼ ὁ θεός σου· αὐξάνου καὶ πληθύνου· ἔθνη καὶ συναγωγαὶ ἐθνῶν ἔσονται ἐκ σοῦ, καὶ βασιλεῖς ἐκ τῆς ὀσφύος σου ἐξελεύσονται. NETS: And God said to him, “I am your God: increase, and multiply; nations and gatherings of nations shall be from you, and kings shall come from your loins. MT: ‫ויאמר לו אלהים אני אל שדי פרה ורבה גוי וקהל גוים יהיה ממך ומלכים מחלציך‬

‫יצאו‬

NRSV: God said to him, “I am God Almighty: be fruitful and multiply; a nation and a company of nations shall come from you, and kings shall spring from you.

16  The only other place in the Septuagint where σύστημα serves as the translation counterpart of a Hebrew term is in 2 Reigns/Samuel 13:15(14): ‫“ מצב פלשתים‬garrison of the Philistines” / τὸ … σύστημα τῶν ἀλλοφύλων “the corps of the allophyles.” In two other cases, σύστημα is found parts of the corpus that were written in Greek rather than translated from Hebrew or Aramaic and is used in reference to certain Jewish communities: 2 Macc 15:12 (those attacked by Nicanor in the days of Ioudas Makkabaios); 3 Macc 7:3 (the subjects of Ptolemy Philopator).

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Gen 48:4 LXX: καὶ εἶπέν μοι Ἰδοὺ ἐγὼ αὐξανῶ σε καὶ πληθυνῶ σε καὶ ποιήσω σε εἰς συναγωγὰς ἐθνῶν, καὶ δώσω σοι τὴν γῆν ταύτην καὶ τῷ σπέρματί σου μετὰ σὲ εἰς κατάσχεσιν αἰώνιον. NETS: and said to me, ‘See, I will make you increase and will multiply you and will make you into gatherings of nations and will give to you this land, and to your offspring after you, for a perpetual holding.’ MT: ‫ויאמר אלי הנני מפרך והרביתך ונתתיך לקהל עמים ונתתי את הארץ הזאת‬ ‫לזרעך אחריך אחזת עולם‬

NRSV: and said to me, ‘I am going to make you fruitful and increase your numbers; I will make of you a company of peoples, and will give this land to your offspring after you for a perpetual holding.’ It will be noted that, in each case, the counterpart to the plural of συναγωγή is the singular form of ‫ קהל‬and that, whether the accompanying Hebrew term is ‫עמים‬, as in 28:3 or 48:4, or ‫גוים‬, as in 35:11, the Greek counterpart is ἐθνῶν. The term ‫ קהל‬is also one of great significance in the history of Judaism, used for millennia to designate the community of the faithful, as is the case in the book of Sirach in a passage where wisdom is the subject of discussion: Sirach 15:5 BENSIRA-C17: ‫ורוממתהו מרעהו ובתוך קהל תפתח פיו‬ BENSIRA-E18: And she will exalt him above his companions and in the midst of the congregation she will make his voice be heard. LXX: καὶ ὑψώσει αὐτὸν παρὰ τοὺς πλησίον αὐτοῦ καὶ ἐν μέσῳ ἐκκλησίας ἀνοίξει στόμα αὐτοῦ· NETS: And she will exalt him above his fellows, and in the midst of an assembly she will open his mouth. There would appear to be an organic connection between the ‫ קהל‬/ συναγωγή equivalence in the three Genesis passages quoted above and the ‫ קהל‬/ ἐκκλησία equivalence in the passage in Sirach. That linkage pertains to the ethnoreligious identity of the descendants of Jacob envisaged by the author of Genesis and that of the intended audience for the teachings of Ben Sira.

17  SirA 6r:18, Abegg and Toews, transcription and grammatical tagging, “Ben Sira (Canonical order).” 18  Parker and Abegg, “Ben Sira English.”

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The only other place in Genesis where ‫ קהל‬is found, however, is in connection with Jacob’s farewell speech in chapter 49 concerning the future of his twelve sons. With respect to Simeon and Levi, he says: Gen 49:6 MT: ‫בסדם אל תבא נפשי בקהלם אל תחד כבדי כי באפם הרגו איש וברצנם עקרו‬

‫שור‬

NRSV: May I never come into their council; may I not be joined to their company – for in their anger they killed men, and at their whim they hamstrung oxen. LXX: εἰς βουλὴν αὐτῶν μὴ ἔλθοι ἡ ψυχή μου, καὶ ἐπὶ τῇ συστάσει αὐτῶν μὴ ἐρείσαι τὰ ἥπατά μου, ὅτι ἐν τῷ θυμῷ αὐτῶν ἀπέκτειναν ἀνθρώπους καὶ ἐν τῇ ἐπιθυμίᾳ αὐτῶν ἐνευροκόπησαν ταῦρον. NETS: May my soul not come into their council, and may my inward parts not press in on their company, because in their anger they killed men and in their passion they hamstrung a bull. In this instance where the referent is not Jacob but his two violent sons, the equivalent for ‫ קהל‬is σύστασις, a term that occurs elsewhere in the Septuagint only in 3 Macc 2:9 (in reference to the Temple as a structure established for the glory of God’s name) and Wisd 7:17 (with respect to the constitution of the cosmos). The locale of the Septuagint Genesis translator – presumably Alexandria – would have included a place of prayer and study as an integral part of the community of which he was a member. The evidence from Egypt, however, is that such a place was called a προσευχή place of prayer,19 as attested in a foundation stone inscription from Schedia, near Alexandria. The inscription states that the προσευχή was founded by Jews and it includes a dedicatory statement honouring King Ptolemy III Euergetes (246–222 BCE) and Queen Berenike and their children.20 Another προσευχή inscription with the same dedication comes from Arsinoë-Crocodilopolis in the Faiyum.21 The term used for this building is reminiscent of the reference in Isa 56:7 to the Temple as the οἶκος τῆς προσευχῆς / ‫“ בית תפלה‬house of prayer.” It is in the New Testament, however, that συναγωγή comes to be used for a place of prayer (56x). In the Septuagint, 19   L SJ, s.v. προσευχή. 20  Lewis, “The Jewish Inscriptions of Egypt,” no. 1440. 21  Lewis, “The Jewish Inscriptions of Egypt,” no. 1532A.

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συναγωγή is frequently an equivalent for ‫ עדה‬congregation,22 although there it is typically used in the sense of the assembled covenant community rather than of the place where such a community would gather.23 As for the term ‫כנסת‬, it is attested already in a fragmentary text written in probably the second half of the first century BCE: ‫“ היא כנסת אנשי‬it is the congregation of the men of …” (4QCommGenA = 4Q252 56).24 This commentary on a portion of Jacob’s prophecy regarding his son Judah in Gen 49:10 makes mention of a group of people rather than a place of prayer. 2.2 Tent/House The protagonists in the Hebrew version of Genesis are portrayed essentially as seminomadic sojourners in the Fertile Crescent who live in ‫ אהלים‬tents.25 Yet the counterpart to ‫ אהל‬in Septuagint Genesis is, not infrequently, οἶκος house, dwelling-place.26 Gen 9:21 MT: ‫וישת מן היין וישכר ויתגל בתוך אהלה‬ NRSV: He drank some of the wine and became drunk, and he lay uncovered in his tent. LXX: καὶ ἔπιεν ἐκ τοῦ οἴνου καὶ ἐμεθύσθη, καὶ ἐγυμνώθη ἐν τῷ οἴκῳ αὐτοῦ. NETS: And he drank some of the wine and became drunk, and he was stripped naked in his house. Gen 9:27 MT: ‫יפת אלהים ליפת וישכן באהלי שם ויהי כנען עבד למו‬ NRSV: May God make space for Japheth, and let him live in the tents of Shem; and let Canaan be his slave. LXX: πλατύναι ὁ θεὸς τῷ Ἰάφεθ καὶ κατοικησάτω ἐν τοῖς οἴκοις τοῦ Σήμ, καὶ γενηθήτω Χανάαν παῖς αὐτῶν. NETS: May God make space for Iapheth, and let him live in the houses of Sem, and let Chanaan become their slave. 22   D  CH, s.v. ‫ ֵע ָדה‬I. 23  Griffiths, “Egypt and the Rise of the Synagogue,” 3–16 (here 4–7). 24  Trafton, “Commentary on Genesis A (4Q252 = 4QCommGenA = 4QPBless,” 204, 216–217; Wise, Abegg, and Cook, The Dead Sea Scrolls, 355; DCH, s.v. ‫ ְּכנֶ ֶסת‬. 25   D  CH, s.v. ‫ א ֶֹהל‬I. 26   L SJ, s.v. οἶκος.

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Gen 24:67 MT: ‫ויבאה יצחק האהלה שרה אמו ויקח את רבקה ותהי לו לאשה ויאהבה וינחם‬ ‫יצחק אחרי אמו‬

NRSV: Then Isaac brought her into his mother Sarah’s tent. He took Rebekah, and she became his wife; and he loved her. So Isaac was comforted after his mother’s death. LXX: εἰσῆλθεν δὲ Ἰσαὰκ εἰς τὸν οἶκον τῆς μητρὸς αὐτοῦ καὶ ἔλαβεν τὴν Ῥεβέκκαν, καὶ ἐγένετο αὐτοῦ γυνή, καὶ ἠγάπησεν αὐτήν· καὶ παρεκλήθη Ἰσαὰκ περὶ Σάρρας τῆς μητρὸς αὐτοῦ. NETS: Then Isaak entered into his mother’s house and took Rebekka, and she became his wife, and he loved her. And Isaak was comforted concerning his mother Sarra. Gen 31:33 MT: ‫ויבא לבן באהל יעקב ובאהל לאה ובאהל שתי האמהת ולא מצא ויצא מאהל‬

‫לאה ויבא באהל רחל‬

NRSV: So Laban went into Jacob’s tent, and into Leah’s tent, and into the tent of the two maids, but he did not find them. And he went out of Leah’s tent, and entered Rachel’s. LXX: εἰσελθὼν δὲ Λαβὰν ἠρεύνησεν εἰς τὸν οἶκον Λείας, καὶ οὐχ εὗρεν· καὶ ἐξελθὼν ἐκ τοῦ οἴκου Λείας καὶ ἠρεύνησεν εἰς τὸν οἶκον Ἰακὼβ καὶ ἐν τῷ οἴκῳ τῶν δύο παιδισκῶν, καὶ οὐχ εὗρεν. εἰσῆλθεν δὲ καὶ εἰς τὸν οἶκον Ῥαχήλ. NETS: And Laban, when he had gone in, searched in Leia’s house and found nothing. And he went out of Leia’s house and searched in Iakob’s house and in the house of the two maids and found nothing. Then he also entered into Rachel’s house. Gen 31:34 MT: ‫וימשש לבן את כל האהל ולא מצא‬ NRSV: … Laban felt all about in the tent, but did not find them. LXX: ––– NETS: ––– Gen 31:35 MT: ‫ויחפש ולא מצא את התרפים‬ NRSV: So he searched, but did not find the household gods. LXX: ἠρεύνησεν δὲ Λαβὰν ἐν ὅλῳ τῷ οἴκῳ, καὶ οὐχ εὗρεν τὰ εἴδωλα. NETS: And Laban searched in the whole house and did not find the idols.

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In one passage in Genesis, οἰκία building, house, dwelling, household 27 is the Greek counterpart to ‫אהל‬: Gen 25:27 MT: ‫ויגדלו הנערים ויהי עשו איש ידע ציד איש שדה ויעקב איש תם ישב אהלים‬ NRSV: When the boys grew up, Esau was a skillful hunter, a man of the field, while Jacob was a quiet man, living in tents. LXX: Ηὐξήθησαν δὲ οἱ νεανίσκοι· καὶ ἦν Ἠσαὺ ἄνθρωπος εἰδὼς κυνηγεῖν ἄγροικος, Ἰακὼβ δὲ ἄνθρωπος ἄπλαστος οἰκῶν οἰκίαν. NETS: So the boys grew up, and Esau was a man who knew how to hunt, a rustic, while Iakob was a simple man, living at home. There are, however, thirteen instances in Genesis in which ‫ אהל‬is rendered by the term σκήνη tent.28 The first case has to do with the notice concerning Lamech’s son Jabal, of whom it is said: ‫“ הוא היה אבי ישב אהל ומקנה‬he was the ancestor of those who live in tents and have livestock” / οὗτος ἦν ὁ πατὴρ οἰκούντων ἐν σκηναῖς κτηνοτρόφων “he was the ancestor of cattle-raisers living in tents” (Gen 4:20). Evidently this pertains to peripatetic herders of livestock. In Gen 12:8, Abram is described after his arrival in the Promised Land as moving to a location east of Bethel where he pitches ‫ נטה‬/ sets up ἵστημι his tent. Gen 13:3 tells of his return from Egypt to the same place where his tent had been, while v. 5 mentions that Lot, who has been travelling with him, also has livestock and tents. In Gen 18:1, the setting is ‫“ אלני ממרא‬the oaks of Mamre” / ἡ δρῦς ἡ Μαμβρή “the oak of Mambre” at Hebron (13:18) to which Abram has moved and where the tent in which he and Sarah reside is now located (18:1, 2, 6, 9, 10). In Gen 26, the protagonist is Isaac who, because of the hostility of the Philistines in the region of Gerar, must be on the move and finally ends up in ‫באר שבע‬ “Beer-sheba” / τὸ φρέαρ τοῦ ὅρκου “the well of the oath” (v. 23) where he pitches ‫נטה‬/πήγνυμι his tent (v. 25). In Gen 31 it is Jacob who has pitched ‫תקע‬/πήγνυμι his tent in the hill country of Gilead (v. 25) after having taken his leave from his father-in-law Laban in ‫“ פדן ארם‬Paddan-aram” / Μεσοποταμία “Mesopotamia” and has arrived back in the land of Canaan (vv. 17–23). In Gen 33 the reader learns that Jacob has moved on to the environs of Shechem (v. 18) where he has pitched ‫ נטה‬/ set up ἵστημι his tent (v. 19). Finally, in Gen 35:21(16) it is said that Jacob pitches ‫נטה‬/πήγνυμι his tent beyond the tower of ‫“ עדר‬Eder” / Γάδερ “Gader” following his departure from Bethel. 27   L SJ, s.v. οἰκία. 28   L SJ, s.v. σκήνη.

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The immediately preceding passages imply mobility and the transient existence of those who are described setting up their tents, whereas the prior passages in which οἶκος and οἰκία occur convey the sense of a more settled existence of the sort that a resident of Alexandria would enjoy.29 This is the case even in a pericope in which both σκήνη and οἶκος appear as counterparts to ‫אהל‬. Thus although in Gen 31:25 the dwelling of Jacob following his recent return to his homeland is termed a σκήνη, in vv. 33–35 each of the domiciles of Jacob and the other members of his household that Laban searches for the gods that Rachel has purloined is termed an οἶκος, perhaps to indicate that this region is Jacob’s home turf and that Laban is an interloper. In the final analysis, an οἶκος rather than a σκήνη is what a resident of Alexandria would have associated with home. Cox has observed the same kind of phenomenon in Septuagint Job: Job 5:24a MT: ‫וידעת כי שלום אהלך‬ NRSV: You shall know that your tent is safe LXX: εἶτα γνώσῃ ὅτι εἰρηνεύσει σου ὁ οἶκος NETS: Next, you shall know that your household will be at peace Cox comments: “The Job of the source text lives in a tent, in the fashion of bedouins, but Greek Iob lives in a house, suggesting that he is an urbanite.”30 2.3 Dust/Sand The Hebrew noun ‫ עפר‬dust, earth, soil31 occurs nine times in the book of Genesis. Once the Greek equivalent is χοῦς soil, dust32 in the context of describing the forming of the first human being ‫“ עפר מן האדמה‬from the dust of the ground” / χοῦν ἀπὸ τῆς γῆς “dust from the earth” (Gen 2:7). In five other contexts the Greek counterpart is γῆ earth, land.33 In three of these cases, this is the term used for the physical matter of which humans are said to be made (3:19[2x]; 18:27), which, as noted above, is identified in 2:7 as χοῦς. In another context, γῆ is what is allotted to the accursed serpent to eat (3:14), while in a final instance it is the material with which the Philistines have filled up the 29  As Wevers says in regard to Gen 9:21: “The ‘tent’ culture of MT becomes οἴκῳ in Gen, somewhat more appropriate to the Alexandria of the third century B.C.E. as a dwelling than a tent would be” (Greek Text of Genesis, 123). 30  Cox, “Biography of a Translator.” 31   D  CH, s.v. ‫ ָע ָפר‬I. 32   L SJ, s.v. χοῦς (B). 33   L SJ, s.v. γῆ.

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wells that Abraham’s servants had dug (26:15). All six of these translations can be regarded as acceptable renderings of the Hebrew source text. In three other cases, however, the Greek translator departs from what would be regarded to be an expected counterpart to the Hebrew term ‫עפר‬. Gen 13:16 MT: ‫ושמתי את זרעך כעפר הארץ אשר אם יוכל איש למנות את עפר הארץ גם‬ ‫זרעך ימנה‬

NRSV: I will make your offspring like the dust of the earth; so that if one can count the dust of the earth, your offspring also can be counted. LXX: καὶ ποιήσω τὸ σπέρμα σου ὡς τὴν ἄμμον τῆς γῆς· εἰ δύναταί τις ἐξαριθμῆσαι τὴν ἄμμον τῆς γῆς, καὶ τὸ σπέρμα σου ἐξαριθμηθήσεται. NETS: And I will make your offspring like the sand of the earth; if anyone can count the sand of the earth, your offspring also shall be counted. Gen 28:14 MT: ‫והיה זרעך כעפר הארץ ופרצת ימה וקדמה וצפנה ונגבה ונברכו בך כל משפחת‬ ‫האדמה ובזרעך‬

NRSV: and your offspring shall be like the dust of the earth, and you shall spread abroad to the west and to the east and to the north and to the south; and all the families of the earth shall be blessed in you and in your offspring. LXX: καὶ ἔσται τὸ σπέρμα σου ὡς ἡ ἄμμος τῆς γῆς, καὶ πλατυνθήσεται ἐπὶ θάλασσαν καὶ ἐπὶ λίβα καὶ ἐπὶ βορρᾶν καὶ ἐπ᾿ ἀνατολάς, καὶ ἐνευλογηθήσονται ἐν σοὶ πᾶσαι αἱ φυλαὶ τῆς γῆς καὶ ἐν τῷ σπέρματί σου. NETS: And your offspring shall be like the sand of the earth, and it shall widen out to the sea and to the southwest and to the north and to the east, and all the tribes of the earth shall be blessed in you and in your offspring. The choice of ἄμμος sand34 to render ‫ עפר‬in conveying God’s promise to Abram and Jacob of innumerable offspring seems to be a more appropriate point of comparison than are dust or earth when one considers the prospect of distinguishable objects to count.35 The phrase ἡ ἄμμος τῆς γῆς “the sand of the earth” might suggest that the translator had desert dunes in mind. Elsewhere in Genesis where the innumerable offspring promise is made to Abraham and 34   L SJ, s.v. ἄμμος. 35  “The word ‘sand’ is a somewhat more credible count noun than ‫‘ עפר‬dust’” (Wevers, Greek Text of Genesis, 183).

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to Jacob, the = sand 36 ‫ חול‬ἄμμος equivalence occurs, and perhaps it was the beach of Alexandria that was on the translator’s mind: ‫“‏כחול אשר על שפת הים‬as the sand that is on the seashore” / ὡς τὴν ἄμμον τὴν παρὰ τὸ χεῖλος τῆς θαλάσσης “as the sand that is by the seashore” (Gen 22:17); ‫“‏כחול הים‬as the sand of the sea” / ὡς τὴν ἄμμον τῆς θαλάσσης “as the sand of the sea” (Gen 32:13[12]). In Gen 41:49 the same ‫‏כחול הים‬/ ὡς τὴν ἄμμον τῆς θαλάσσης comparison is employed to describe the abundance of grain that Joseph accumulates during the years of plenty that precede the years of famine. Needless to say, a resident of Egypt would certainly have had plenty of opportunities to contemplate the abundance of sand particles in the deserts that bordered the Nile Valley and Delta or on the Mediterranean coast. 2.4 Hills/Dunes Further evidence of the Greek translator’s familiarity with the desert may be found in his rendering of ‫ גבעה‬hill 37 as θίς heap, sand-bank, beach, shore.38 Gen 49:26a MT: ‫ברכת אביך גברו על ברכת הורי עד תאות גבעת עולם‬ NRSV: The blessings of your father are stronger than the blessings of the eternal mountains, the bounties of the everlasting hills … LXX: εὐλογίας πατρός σου καὶ μητρός σου· ὑπερίσχυσεν ἐπ᾿ εὐλογίαις ὀρέων μονίμων, καὶ ἐπ᾿ εὐλογίαις θινῶν ἀενάων NETS: … a blessing of your father and of your mother; it has prevailed, in blessings, over stable mountains, and, in blessings, over everlasting dunes … This passage is part of the prophecy that Jacob pronounces concerning his son Joseph. The ‫ גבעה‬/ θίς linkage occurs in one other place in the Pentateuch, creating another odd juxtaposition: Deut 12:2 MT: ‫אבד תאבדון את כל המקמות אשר עבדו שם הגוים אשר אתם ירשים אתם את‬ ‫אלהיהם על ההרים הרמים ועל הגבעות ותחת כל עץ רענן‬

36  D CH, s.v. ‫ חֹול‬I. 37   D CH, s.v. ‫ ּגִ ְב ָעה‬I. 38   L SJ, s.v. θίς.

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NRSV: You must demolish completely all the places where the nations whom you are about to dispossess served their gods, on the mountain heights, on the hills, and under every leafy tree. LXX: ἀπωλείᾳ ἀπολεῖτε πάντας τοὺς τόπους, ἐν οἷς ἐλάτρευσαν ἐκεῖ τὰ ἔθνη τοῖς θεοῖς αὐτῶν, οὓς ὑμεῖς κληρονομεῖτε αὐτούς, ἐπὶ τῶν ὀρέων τῶν ὑψηλῶν καὶ ἐπὶ τῶν θινῶν καὶ ὑποκάτω δένδρου δασέος· NETS: You shall with destruction destroy all the places, there where the nations whom you are about to dispossess serve their gods on the high mountains and on the dunes and beneath every leafy tree. The term θίς is used by the fifth century bce historian Herodotus of Hali­ carnassus (whose travels included a visit to Egypt) for the heaps of sand (θῖνας τῆς ψάμμου) that he says buried a Persian expeditionary force of Cambyses II during a violent wind storm in the desert west of Thebes.39 The third century bce scholar and librarian at the famed Library of Alexandria, Apollonius of Rhodes, likewise uses this term in his reference to the desert dunes of Libya (Λιβύης … θῖνας ἐρήμους).40 Cox points out that the only other place in the Septuagint where there is a corresponding Hebrew source text and where θίς appears is in Job: Job 15:7 MT: ‫הראישון אדם תולד ולפני גבעות חוללת‬ NRSV: Are you the firstborn of the human race? Were you brought forth before the hills? LXX: τί γάρ; μὴ πρῶτος ἀνθρώπων ἐγενήθης; ἢ πρὸ θινῶν ἐπάγης; NETS: What? Were you the first of the human race to be born? Or were you established before the dunes? Cox goes on to say, “Lower Egypt has no ‘hills.’ Pyramids, yes…. G interprets the ‘hills’ of the source text in 15.7 as ‘dunes’ for a local audience.”41 2.5 Wind Winds do factor into the Genesis narrative, not specifically with respect to the sculpting of dunes but in regard to the second dream of Pharaoh described in chapter 41. Joseph’s interpretation of the dream is that the seven thin ears 39  Herodotus, Hist. 3.26. 40  Apollonius, Argon. 4.1384. 41  Cox, “Biography of a Translator.”

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of grain that have been ‫“ שדופת קדים‬blighted by the east wind” (Gen 41:6; cf. 41:23, 27) represent seven years of famine that will follow seven years of plenty. The Greek translator’s rendering of that Hebrew phrase is ἀνεμόφθοροι “windblasted,” with no reference to the easterly direction. This would appear to be due to the fact that, in Egypt, the kind of wind that would be expected to bring the sort of dry conditions that would shrivel grain crops would be the khamsin, which blows in from the Sahara Desert to the south. In the Negev Desert, which would have been part of ancient Israelite territory, however, the khamsin does typically come from the east.42 In the book of Exodus, the difference of wind direction in the Hebrew and Greek texts is made explicit. In the description of the eighth plague in Egypt, the source text says that Yahweh used ‫“ רוח קדים‬an east wind” to bring locusts into Egypt, but in the Septuagint it was ἄνεμος νότος “a south wind” (Exod 10:13). Umberto Cassuto comments that “the wind is an important factor in the migrations of the swarms of locusts; but it was not actually the east wind that brought the plague, for the locusts do not come to Egypt from the east, but from the south, from the Sudan; east wind thus denotes here a fierce wind in general.”43 John Wevers makes a similar observation: “To an Alexandrian an east wind producing locusts would not make much sense and so instead of ‫רוח‬ ‫ קדים‬Exod has ἄνεμον νότον ‘a south wind.’”44 Likewise, the wind that divided the waters of the sea so that the Israelites could pass through on dry ground to escape Pharaoh’s troops was ‫“ רוח קדים עזה‬a strong east wind” in the Hebrew text but ἄνεμος νότος βίαιος “a strong south wind” in the Greek text (Exod 14:21). Cox observes a similar shift in wind direction in these versions of Job: Job 38:24 MT: ‫אי זה הדרך יחלק אור יפץ קדים עלי ארץ‬ NRSV: What is the way to the place where the light is distributed, or where the east wind is scattered upon the earth? LXX: πόθεν δὲ ἐκπορεύεται πάχνη ἢ διασκεδάννυται νότος εἰς τὴν ὑπ᾿ οὐρανόν; 42  Wenham, Genesis 16–50, 391; Kronholm, s.v. ‫ ָק ִדים‬, TDOT 12: 501–505; Drinkard, “East,” AYBD 2: 248; Frick, “Palestine, Climate of,” AYBD 5: 119–126; Sarna, Exploring Exodus, 70, 72–73; WeatherOnline, https://www.weatheronline.co.uk/reports/wind/The-Khamsin. htm. 43  Cassuto, Book of Exodus, 127. Cf. Kitchen, Reliability of the Old Testament, 251. As recently as February 2019, the following report appeared in Egyptian media: “A locust outbreak in Sudan and Eritrea is spreading rapidly along both sides of the Red Sea to Saudi Arabia and Egypt” (Kandil, “As danger looms,” 18 February 2019). 44  Wevers, Greek Text of Exodus, 152.

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NETS: And from where does the hoarfrost come, or from where is the south wind dispersed to what is under heaven? Cox remarks: “G changes the east wind to south wind for the sake of an Egyptian audience…. The hot, oppressive wind that blows from the south in Egypt in the spring is the khamsin. This is the wind that Alexandrians knew.”45 2.6 Gate/City In biblical times, as well as in much of the history of human settlement, the most secure forms of community habitation were typically fortified living spaces. The most vulnerable point of a walled settlement would be its entrance, which would typically include some sort of gated structure that was designed both to facilitate access and to provide security. It is evident from reading the Hebrew Bible that in Israelite towns the city gate area was also where business was transacted and legal matters were handled (e.g., Deut 21:18–21; Ruth 4:1–12). Thus, in Hebrew parlance, to be in possession of a city gate was tantamount to saying that one was in control of the city as a whole. The fact that a city gate was not regarded to have the same kind of significance in Hellenistic Egypt seems to be indicated in a number of contexts in Septuagint Genesis where a gate is mentioned in the Hebrew text. Gen 22:17 MT: ‫וירש זרעך את שער איביו‬ NRSV: And your offspring shall possess the gate of their enemies … LXX: καὶ κληρονομήσει τὸ σπέρμα σου τὰς πόλεις τῶν ὑπεναντίων NETS: … and your offspring shall possess the cities of their adversaries … Gen 23:10 MT: ‫באזני בני חת לכל באי שער עירו‬ NRSV: … in the hearing of the Hittites, of all who went in at the gate of his city … LXX: ἀκουόντων τῶν υἱῶν Χὲτ καὶ πάντων τῶν εἰσπορευομένων εἰς τὴν πόλιν NETS: … as the sons of Chet and all who were going into the city were listening …

45  Cox, “Biography of a Translator.”

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Gen 23:18 MT: ‫לעיני בני חת בכל באי שער עירו‬ NRSV: … in the presence of the Hittites, in the presence of all who went in at the gate of his city. LXX: ἐναντίον τῶν υἱῶν Χὲτ καὶ πάντων τῶν εἰσπορευομένων εἰς τὴν πόλιν. NETS: … before the sons of Chet and all who were going into the city. Gen 24:60 MT: ‫ויירש זרעך את שער שנאיו‬ NRSV: … may your offspring gain possession of the gates of their foes. LXX: καὶ κληρονομησάτω τὸ σπέρμα σου τὰς πόλεις τῶν ὑπεναντίων. NETS: … and let your offspring gain possession of the cities of their adversaries. The two passages in Gen 23 are part of a pericope that describes the transaction that took place when Abraham purchased from Ephron a field with the cave in it near Mamre (namely Hebron) where he then buried his wife Sarah. The reader observes that the business is described in the Hebrew text as being transacted specifically at the city gate, but that in the Septuagint text the gate is not mentioned. Cox points out that the same kind of omission occurs twice in Septuagint Job: Job 29:7a MT: ‫בצאתי שער עלי קרת‬ NRSV: When I went out to the gate of the city … LXX: ὅτε ἐξεπορευόμην ὄρθριος ἐν πόλει NETS: … when I would go out early in the city … Job 31:21b MT: ‫כי אראה בשער עזרתי‬ NRSV: … because I saw I had supporters at the gate … LXX: ὅτι πολλή μοι βοήθεια περίεστιν NETS: … confident that I have much help at my disposal … Cox concludes: “In Job’s environment, legal issues are arbitrated at the city gate. That is not true in the environs of the translator.”46 46  Cox, “Biography of a Translator.”

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2.7 Place Names Another kind of indicator as to the context of the translator has to do with the phenomenon of Greek place names that were chosen as replacements for the ones in the Hebrew source text. Representative examples occur in the MT and Septuagint texts of Genesis listed below. The Septuagint translator in these cases opted for names that would undoubtedly have been more familiar than the Hebrew ones to Egyptian Greeks – names that were attested in works as early as those produced by the Archaic and Classical authors mentioned in the accompanying footnotes. Αἴγυπτος47 Egypt / ‫ מצרים‬miṣrayim (Egypt) (Gen 12:10 + 75x). Αἰθιοπία48 Ethiopia / ‫ כוש‬kûš (Cush) (Gen 2:13). Βαβυλών49 Babylon / ‫ בבל‬bāḇel (Babel) (Gen 10:10). Εὐφράτης50 Euphrates / ‫ פרת‬perāṯ (Euphrates) (Gen 2:14; 15:18). Ἡλίου πόλις / Ἡλιούπολις51 Heliopolis / ‫’ און‬ôn (On) (Gen 41:45, 50; 46:20). Μεσοποταμία52 Mesopotamia / ‫’ ארם נהרים‬aram naharayim (Aramnaharaim) (Gen 24:10). Μεσοποταμία Mesopotamia / ‫ פדן ארם‬paddan ’arām (Paddan-aram) (Gen 25:20; 28:2, 5, 7; 31:18). Μεσοποταμία (τῆς) Συρίας Mesopotamia of Syria / ‫ פדן ארם‬paddan ’arām (Paddan-aram) (Gen 28:6; 33:18; 35:9, 26; 46:15). Μεσοποταμία τῆς Συρίας Mesopotamia of Syria / ‫ פדן‬paddān (Paddan) (Gen 48:7). Τίγρις53 Tigris / ‫ חדקל‬ḥiddeqel (Tigris) (Gen 2:14).

47  E.g., Homer, Od. 3.300 (viii BCE) and Thales, Epistulae 1.9 (vi BCE). 48  E.g., Aeschylus, Tetralogy 32.B.323.2 (vi–v BCE) and Anaxagoras, Testimonia 91.2 (vi–v BCE). 49  E.g., Aeschylus, Pers. 52 (vi–v BCE) and Herodotus, Hist. 1.153.16 (v BCE). 50  E.g., Xenophon, Anab. 1.3.20.4 (v–iv BCE) and Aristotle, Mir. ausc. 845b.10 (iv BCE). 51   E.g., Hecataeus of Abdera, Fragmenta 3a.264.F.25.679 (iv–iii BCE) and Manetho, Fragmenta 8.6 (iii BCE). Note that, in the Septuagint text of Exod 1:11, it is said that the Israelites built a third city for the Egyptian ruler, besides the cities of Pithom and Rameses: Ὤν, ἥ ἐστιν Ἡλίου πόλις / “On, which is Heliopolis.” 52  E.g., Aristotle, Mir. ausc. 845b.8 (iv BCE) and Megasthenes, Fragmenta 40.15 (iv–iii BCE). 53  E.g., Aristotle, Mir. ausc. 846a.31 (iv BCE) and Berossus, Fragmenta 1a.15 (iv–iii BCE).

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3. Conclusion This brief investigation of certain aspects of the work of the translator of Septuagint Genesis has yielded clues as to his physical and social location. Those clues are consistent with the general scholarly consensus that the translation was executed by an urban resident of Lower Egypt, likely the city of Alexandria, which, in the third century BCE when this work was undertaken, was home to a sizable Jewish population. Although the place of prayer and study in this translator’s day may have been referred to as a προσευχή rather than a συναγωγή, he and his compatriots who would have gathered in such a space probably referred to themselves as a συναγωγή. Returning home from prayer he would have entered not a tent but his οἶκος, an abode that may have been steps away from the beach sands that rimmed the Jewish quarter on the northeastern part of the city. In spring or early summer he would have experienced periodic episodes of discomfort when the hot, dry, dusty winds of a khamsin blew in from the Sahara Desert to the south and darkened the sky during the daylight hours. These and other realities of normal life in Ptolemaic Egypt left their mark on his work of rendering the Hebrew Scriptures into Greek. Bibliography Abegg Jr., Martin G. and Casey A. Toews, transcription and grammatical tagging, “Ben Sira (Canonical order),” OakTree Software, version 3.1, 2007, 2009. Anchor Yale Bible Dictionary (AYBD), 6 vols., ed. David Noel Freedman et al., New Haven: Yale University Press, 2008. A New English Translation of the Septuagint (NETS), ed. Albert Pietersma and Benjamin G. Wright, New York / Oxford: Oxford University Press, 2007. Aristotle, Aristotle in Twenty-Three Volumes, vol. 19, trans. Harris Rackham, LCL, Cambridge: Harvard University Press, London: William Heinemann, 1934. Berlin, Andrea M., “Manifest Identity: From Ioudaios to Jew. Household Judaism as AntiHellenization in the Late Hasmonean Era,” in Between Cooperation and Hostility: Multiple Identities in Ancient Judaism and the Interaction with Foreign Powers, ed. Rainer Albertz and Jakob Wöhrle (Journal of Ancient Judaism Supplements 11), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2013, 151–175. Biblia Hebraica Stuttgartensia (BHS), 5th ed., ed. K. Elliger and W. Rudolph et al., Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 1997. Cassuto, Umberto, A Commentary on the Book of Exodus, trans. Israel Abrahams, Jerusalem: Magnes Press, 1967.

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Teil 3 Die antike Synagoge

Human Activities Attributed to God in Deuteronomy mt and lxx Hans Ausloos 1. Introduction As it becomes clear in several articles of mine, the Italian adage “Traduttore, traditore” – a translator is a traitor – is one of my favourite expressions to characterise – in a few words – the process of translating a text1. Although, in general, a translator is not acting in bad faith, every translation reveals some traces of the translator’s own interpretation of the source text he was rendering. All the more, this is true for the Greek translators of the Septuagint (lxx), who, for the first time, rendered the Hebrew Bible into a foreign language. This process of translating has been complicated by the fact that Hebrew and Greek belong to completely different languages systems, the first one being part of Semitic languages, the second one belonging to the Indo-European family of languages. This fact has challenged the translator. For example, when Hebrew language only has two genders (masculine and feminine), Greek nouns can be neuter as well. Or, whereas in Hebrew case inflection does not exist, a Greek translator has to choose between five cases (nominative, accusative, genitive, dative, vocative) in rendering a Hebrew noun. Moreover, also on a lexical level, the Greek translator has often been confronted to Hebrew terminology he either did not understand – which can be the case for so-called hapax legomena, words that occur only once within the entire corpus of Hebrew literature – or that do not have an equivalent in Greek culture, as for example the Hebrew noun ‫( שבת‬shabbât), a term he mostly opted to transliterate as σάββατον (sabbaton). However, despite several morphological, grammatical, and lexical issues to which the Greek translator of the Hebrew Bible was confronted, and which forced him to look for (creative) solutions, a comparison of the Hebrew text of the Old Testament with its lxx version often reveals variant readings that hardly can be attributed to the problematic linguistic complexity of the Hebrew Vorlage – even if one can never exclude that these variant readings are due to a Vorlage we no longer know. Frequently, however, these variants seem to demonstrate a shift in ideological or theological perspectives in the 1  Most recently in Ausloos, Transmission History, esp. 57.

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‘original’ Hebrew text and their equivalents in the Greek translation. In particular, anthropomorphic presentations of God – and these are not uncommon within the Old Testament – may have upset earlier and later readers of the Bible. Specific cases of anthropomorphic presentations of God can be found in the book of Deuteronomy. Even if the book of Deuteronomy prohibits it to make graven idols “in the form of any figure – the likeness of male or female” (Deut 4,16), the author(s) of this book did not fail to attribute several physical human characteristics to God. God is spoken about as having a ‘mouth’ (Deut 8,3), giving ‘ear’ to the Israelites (Deut 1,45), and keeping Israel as a pupil of his ‘eye’ (Deut 32,10). Moreover, one reads about the Israelites who burn incense before God’s ‘nose’ (Deut 33,10). Equally, the author(s) of Deuteronomy do(es) not seem to find it problematic to deal with God’s ‘arms’ (Deut 4,34), ‘hands’ (Deut 3,24), ‘fingers’ (Deut 9,33), and even ‘feet’ (Deut 33,3)2. Closely related to this question of an anthropomorphic presentation of God – and its ‘reception’ within the lxx as its most ancient translation – is the issue whether or not God can actively participate in the affairs of the world, just as humans do. Here, the question arises if and to what extent typical human activities have been offending the lxx translator when his presumed Hebrew Vorlage uses them with God as their subject. In the present contribution, which I warmheartedly dedicate to professor Wolfgang Kraus at the occasion of his 65. birthday, I will focus on this particular aspect of an anthropomorphic presentation of God within the book of Deuteronomy3. Together with his colleagues Martin Karrer and Siegfried Kreuzer, professor Kraus’ request to act as co-editor of a volume on the so-called theology of the lxx within the framework of the Handbuch zur Septuaginta lies at the origin of my particular interest in this complex issue of the so-called ‘theology’ or ‘ideology’ of the lxx4. May this contribution be a modest sign of my appreciation for the incentive he has given to my research of the last years, and, in extensu, for his stimulating enthusiasm in promoting the study of the lxx worldwide.

2  See, in this respect, Ausloos, “You Saw No Form when yhwh Spoke to You at Horeb” (forthcoming). 3  For the mt of Deuteronomy, the edition of McCarthy, Deuteronomy has been used. For the lxx, we rely on the eclectic edition by Wevers – Quast, Deuteronomium. 4  See Ausloos – Lemmelijn (eds), Theology of the Septuagint. See also Hans Ausloos, Sept défis posés, 228–250.

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2.

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Anthropomorphic Readings and the lxx?

Although, already in the middle of the 19th century, scholars like Zechariah Frankel have paid attention to the issue of the lxx translator’s reaction toward the anthropomorphisms in the Hebrew Bible5, one had to wait until the middle of the 20th century when Charles Fritsch analysed the topic in a more or less systematic way. In his PhD dissertation at Princeton University, that has been published in a revised form in 1943, he focused on the so-called anti-anthropomorphisms of the Greek Pentateuch. Although his conclusions were rather nuanced, his analysis has been strongly criticised, in particular by Thorne Wittstruck6. In his thesis, Fritsch argues that the anti-anthropomorphic tendency of the lxx translators of the Pentateuch becomes, among others, evident through some grammatical changes. By these changes, according to Fritsch, the “Seventy tried to remove the idea that God participates in the affairs of this world”, thus trying “to attain a more spiritual conception of the deity”7. Within this category of grammatical changes, Fritsch distinguishes three main groups. Besides Hebrew active verbs with God as subject, that are rendered by a passive verb in Greek, the lxx translator sometimes renders Hebrew active verbs with God as subject by an impersonal construction. Finally, in some instances, the person of the verb in Greek is different to the mt, in order to avoid that God would be subject of a sentence. In what follows, we will focus on Fritsch’s examples related to the book of Deuteronomy, all connected with the first and the third category8. 3.

An Overactive God?

As to the Hebrew active verbs rendered by a passive Greek verse, Fritsch refers to Deut 2,30 and 4,36.

5  Frankel, Historisch-kritische Studien, 174–179; Idem, Über den Einfluss der palästinischen Exegese, 30. 6  Wittstruck, The So-Called Anti-Anthropomorphisms, 29–34. 7  Fritsch, The Anti-Anthropomorphisms, 49. 8  To a certain extent, there is at least one passage in the book of Deuteronomy – Deut 9,24 – that is related to the second group as well. See, in this respect, Ausloos, Transmission History, 57–70.

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3.1 Deut 2,30 In Deut 2,30, Moses is mentioning the reason why Sihon, the king of Heshbon, was not willing to let pass the Israelites. It was because God “had hardened his spirit, made his heart obstinate, in order to deliver him” into Sihon’s hand. In the mt, God’s last mentioned action is formulated by an infinitive construct of the verb ‫( נָ ַתן‬nâtan) (‫ – ְל ַמ ַען ִּתּתֹו ְביָ ְדָך‬lema‘an titô beyâdkâ). In the lxx, however, the active Hebrew form has a passive Greek form as its equivalent (ἵνα παραδοθῇ εἰς τὰς χεῖράς σου – hina paradothèy eis tas cheiras sou: “in order that he might be delivered into your hands”), which results in a minus for the 3rd person singular personal suffix ‫ו‬- (w). It is, however, questionable, whether this passive form has been deliberately chosen by the Greek translator because of anti-anthropomorphic reasons. Reacting against Fritsch’s accentuation of the anti-anthropomorphic tendency of the lxx translator of Deuteronomy, Wittstruck argues that “the infinitive can best be rendered idiomatically by the passive; the other alternative would be to add an object pronoun”. However, it should be mentioned that, in the case of Deut 2,30, the lxx translator did not have to ‘add’ an object pronoun. If the text of the mt was identical to the translator’s Vorlage, the object pronoun 3rd singular was already present (‫ – ִּתּתֹו‬titô). Secondly, as Wittstruck correctly notes, the other verbs of the verse, also having yhwh as subject, do not seem to have embarrassed the lxx translator. Indeed, as in the mt, they have a Greek equivalent in the active form: God “hardened his spirit” (ἐσκλήρυνεν κύριος ὁ θεὸς ἡμῶν τὸ πνεῦμα αὐτοῦ – esklêrunen kurios ho theos hêmôn to pneuma autou), and “made his heart obstinate” (καὶ κατίσχυσεν τὴν καρδίαν αὐτοῦ – kai katischusen tên kardian autou)9. Thirdly, – and this has not been noted by Wittstruck – in other instances in Deuteronomy in which the mt uses ‫( ְל ַמ ַען‬lema‘an) + infinitive construct + object pronoun, having yhwh as subject, the lxx translator of Deuteronomy does not seem to have problems with the active form. This is, for example, the case in Deut 6,23: “He brought us out from there, in order to bring us in …” (‫[ ְל ַמ ַען ָה ִביא א ָֹתנּו‬lema‘an hâbî’ ‘otânoû] – ἵνα εἰσαγάγῃ ἡμᾶς [hina eisagagêy hêmas]). Also in Deut 8,2.16, the construction (again with yhwh as subject) is rendered by an active Greek form (‫[ ְל ַמ ַען ַעּנ ְֹתָך‬lema‘an ‘annotekâ]: in order to humiliate you”; ὅπως ἂν/ἵνα κακώσῃ σε [hopôs an/hina kakôsêy se]: “so that he might distress you”). The same is true in Deut 8,3, in which the formula ‫הֹוד ֲעָך‬ ִ ‫( ְל ַמ ַען‬lema‘an hôdi‘akâ: “in order to make you know”) has an active Greek verb (ἵνα ἀναγγείλῃ σοι [hina anaggeilêy soi]: “in order to announce to you”) as its equivalent. On the basis of these cases, it is rather difficult to argue that the 9  Wittstruck, The So-Called Anti-Anthropomorphisms, 33.

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use of the passive form in Deut 2,30 in the lxx has been motivated by a general anti-anthropomorphic tendency of the lxx translator. 3.2 Deut 4,36 The second text to which Fritsch refers is Deut 4,36. As in Deut 2,30, here too, the mt reads an active form. In his speech, Moses argues that yhwh “made you [the Israelites] hear his voice” (‫ – ִה ְשׁ ִ ֽמ ֲיעָך֥ ֶאת־ק ֹ֖לֹו‬hishmî‘akâ èt qolô) (Hifil). The lxx, however, has an equivalent with a passive form: ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἀκουστὴ ἐγένετο ἡ φωνὴ αὐτοῦ (ek tou ouranou akoustê egeneto hê fônê autou), rendering the Hebrew Hifil by an adjective (ἀκουστός – akoustos), which is followed by the finite verb ἐγένετο (egeneto: “his voice became audible”). However, even Fritsch notes that “this change from the active voice of the verb in Hebrew to the passive voice in the Greek is not limited to verbs whose actions are connected with God. (…) There are cases even of Hebrew passive verbs rendered by the active voice in Greek”. Therefore, Fritsch concludes that “it is questionable whether the examples of the change from the active to the passive (…) are due entirely to an anti-anthropomorphic tendency”10. 4.

God or Humans as Subject

In addition to the difference between the Hebrew text, reading an active verbal form, and its Greek counterpart, reading a passive form, the book of Deuteronomy also confronts the reader to some grammatical variants with regard to God as subject of the verb. According to Fritsch, those cases in which the person of the verb has been changed, are “obviously” avoiding having God as the subject of the sentence11. Fritsch refers to Deut 4,10; 6,24; 32,13; 34,6. Deut 4,10 4.1 According to Deut 4,10, in the mt, God addresses Moses with the following words: “Assemble me the people, and I will make them hear (‫– וְ ַא ְׁש ִמ ֵעם‬ we’ashmi‘ém) my words”. In the lxx, however, the 1st person singular Hifil has been rendered by a 3rd person imperative plural aorist as its equivalent: καὶ ἀκουσάτωσαν τὰ ῥήματά μου (kai akousatôsan ta rêmata mou), thus having the Israelites as subject of the verb (nets: “Assemble the people to me, and let them hear my words …”). However, it is questionable whether this change between first person and third person really has been inspired by an 10  Fritsch, Anti-Anthropomorphisms, 50–51 n. 2. 11  Fritsch, Anti-Anthropomorphisms, 51.

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anti-anthropomorphic tendency. As Wevers rightly notes12, the plural 3rd person form rather seems to be the result of a harmonising tendency. As such, it is consistent with the plural forms in the following sentence: “so that they may learn (μάθωσιν – mathôsin) to fear me all the days as long as they live (ζῶσιν – zôsin) on earth and may teach (διδάξωσιν – didaxôsin) their sons”. 4.2 Deut 6,24 In Deut 6,24, Moses argues that God has ordered the Israelites to observe the commandments and to fear God, in order “that he [yhwh] might preserve us alive, as at this day”. The mt uses a Piel infinitive construct (‫ – ְל ַחּי ֵֹתנּו‬lehayoténoû)”. In the lxx, the syntax of this sentence is quite different, undoubtedly because of the switch from a Semitic into a Indo-European language13: the Piel infinitive constructus (‫ – ְל ַחּי ֵֹתנּו‬lehayoténoû) has a 1st person active verbal form (ἵνα ζῶμεν – hina zômen) as equivalent; moreover, the formula ‫ְכּ ַהיּ֥ ֹום ַה ֶזּֽה‬ (kehayyôm hazèh), which is an hapax legomenon in Deuteronomy, has been rendered as καὶ σήμερον (kai sêmeron). nets translates this phrase as “so that we may live, as it is today”. In my view, it is rather questionable whether this variant is due to an anti-anthropomorphic inclination of the lxx translator. It is not sure whether the Masoretic vocalisation as a Piel reflects the intention of the author. Making abstraction of the vocalisation, the form ‫( לחיתנו‬lhytnw) can equally be read as an infinitive construct Qal (‫ – ִל ְחי ֵֹתנּו‬lihyoténoû). Especially in the light of three other instances within the book of Deuteronomy, in which the wish is expressed that Israel may live in the land (see Deut 5,33; 8,1; 30,6), using the construction ‫( ְל ַמ ַען‬lema‘an), followed by a finite form of the Hebrew verb ‫( ָחיָ ה‬hâyâh – to live), this seems to be a plausible explanation. Fritsch’s thesis that the lxx of Deut 6,24 witnesses of an anti-anthropomorphic tendency therefore does not seem to be legitimate. 4.3 Deut 32,13 According to Fritsch, also the lxx version of Deut 32,13 would be illustrative of the translator’s reaction against a too anthropomorphic presentation of God by the Hebrew author14. Here, indeed, God functions as subject of the verb ‫( יָ נַ ק‬yânaq – ‘to suck’). As such, in the mt, Moses evokes how God “made him [Israel] to suck honey from the rock”15. In the lxx of Deut 32,13, the Israelites 12  John William Wevers, Notes on the Greek Text of Deuteronomy, 72. 13  Read, in this respect, about the lxx translators’ challenges in Wevers, Notes, vii–xiv. 14  Fritsch, Anti-Anthropomorphisms, 52. 15  The term occurs once more in Deut 33,19, where the Israelites are subject of the verb: “They shall suck (‫ – יִ ינָ קּו‬yiynâqoû) the abundance of the sea”. The lxx reads here πλοῦτος θαλάσσης θηλάσει σε (ploutos thalassès thèlasei se): “The wealth of the sea shall suckle you”.

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are subject of the verb θηλάζω (thêlazô), thus reading: “they sucked (ἐθήλασαν – ethèlasan) honey from the rock”. However, it is not easy to determine whether this variant reading is due to an anti-anthropomorphic tendency on the side of the lxx. If this would have been the case, it is at least remarkable that this change has not been made with regard to the rest of the verse, according to which God, in the lxx, “made them ascend onto the strength of the land” and “fed them with produce of the fields” (nets). 4.4 Deut 34,6 A final example, testifying of a shift with regard to the person, according to Fritzsch, can be found in Deut 34,6. Here, following the mt, it was yhwh himself who buried Moses. In v. 5, one reads how “Moses, the servant of yhwh died in the land of Moab, according to the word of yhwh”. In v. 6, the Hebrew text continues in saying that “he buried him in the valley in the land of Moab”. Even if the subject of the verb is not expressed explicitly, the 3rd person singular form ‫( וַ ּיִ ְקּבֹר‬wayyiqbôr – “and he buried”) can hardly refer to someone else than yhwh himself, although, theoretically, an impersonal interpretation (“one buried him”) is possible. Instead of a 3rd person singular, the lxx, however, reads a 3rd person plural ἔθαψαν (ethapsan – “they buried”), thus apparently considering the Israelites as subject of the verb. It would be too easy to argue that this shift from singular to plural is due to the lxx translator of Deut 34,6, and that it therefore testifies to the anti-anthropomorphic bias of the translator. Indeed, besides the lxx, the plural form is also found in the Hebrew text of 4QDeutl16, which makes it probable that the lxx translator has read the plural form in his Vorlage17. Moreover, whether this plural reading was secondary, and that, as a result, the singular form would be more original, is difficult to prove. 5.

A Carrying or Nursing God

In Deut 1,31, Moses compares God with a man who is carrying a child. In the desert, Moses argues, Israel has seen “how yhwh your God carried you, just as a man carries a child”. In the mt, the verb ‫( נָ ַׂשא‬nâsa’ ) is used, both for God and for the human. The usage of this verb in mt is not unusual. In Exod 19,4, God remembers Israel how he “bare (‫ – וָ ֶא ָּׂשא‬wâ’èss’â) them on eagles’ wings”. Equally in Deut 32,11, Moses compares God’s care for Israel to an eagle’s behaviour: “As 16  As to 4QDeutl, see Eugene Ulrich et al., Qumran Cave 4. vii., 36–37 17  Cf. Fritsch, Anti-Anthropomorphisms, 53 n. 5: “The lxx, by making the verb plural, avoids all doubt as to whether the form was impersonal or had Jehovah as subject”.

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an eagle stirs up its nest, and hovers over its young; as it spreads its wings, takes them up, and bears them (‫ – יִ ָּׂש ֵאהּו‬yiss’éhoû) aloft on its pinions, yhwh alone guided him”. However, contrary to these two verses, Deut 1,31 does not compare God to an eagle that bears his young, but to a man who carries a child. Even if the sense of the text remains identical – indicating God’s care for his people –, the word choice of the lxx translator in Deut 1,31 is remarkable. In both instances in Deut 1,31, the verb ‫( נָ ַׂשא‬nâsa’ ) is rendered as τροφοφορέω (trofoforeô), which means ‘to nurse’. So, the lxx of Deut 1,31 reads: “In the wilderness (…) you saw how the Lord your God nursed you, as some person would nurse his son” (nets). Within the lxx, this verb τροφοφορέω (trofoforeô) only occurs in Deut 1,31 (bis), as well as one more time in Macc 7,27, where it is applied to a mother who nurses her child. As far as it is known, the Greek Bible offers the first attestation of the verb within Greek literature – whether it should be characterised as a neologism is another question. According to Fränkel, the verb used by the lxx (‘to nurse’) would be “more decent” than the Hebrew ‘to carry’18. Following him, Fritsch argues that the lxx “tones down” the mt19. However, in my view, and in light of the preceding verses, another reason seems to be more plausible. In Deut 1,9, it is Moses who applies the verb ‫( נָ ַׂשא‬nâsa’ ) to himself, remembering Israel to his words – pronounced in Num 11,14 – that he alone cannot carry (‫ – נָ ַׂשא‬nâsa’) the people, because it is too heavy for him. The same is done some verses later, in Deut 1,12, in which Moses confronts Israel with the question “How can I alone bear your heavy burden? In Deut 1,9.12, where the human Moses is subject, the verb ‫נָ ַׂשא‬ (nâsa’) has the logical Greek verb φέρω as equivalent20. The fact that in Deut 1,31, in which God is the subject, another translation equivalent has been chosen (τροφοφορέω – trofoforeô) should undoubtedly be seen against this background. Therefore, in my view, it is not at all sure that the translator has chosen this Greek equivalent because of an anti-anthropomorphic concern, but rather in order to distinguish between Moses and God21.

18  Frankel, Über den Einfluss, 216. 19  Fritsch, The Anti-Anthropomorphisms, 38 20  In Num 11:12, where Moses reproaches God to consider him as a nursing-father, the verb ‫( נָ ַׂשא‬nâsa’) is rendered as λαμβάνω (lambanò). 21  Wittstruck, The So-Called Anti-Anthropomorphisms, does not refer to Deut 1,31.

Human Activities Attributed to God in Deuteronomy mt and lxx

6.

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A Fearing God?

In Deut 32,27, the following words are put in God’s mouth: “Were it not that I feared (‫’ – ָאגּור‬âgoûr) the provocation of the enemy”. Being attested three times in Deuteronomy (Deut 1,17; 18,22), it is only in Deut 32,27 that the verb is used with yhwh as subject (1st person singular Qal from ‫ – גּור‬goûr). According to Fritsch, the lxx’s reading manifests a clear case of anti-anthropomorphism, reading εἰ μὴ δι᾿ ὀργὴν ἐχθρῶν (ei mê di orgên echthrôn). Fritsch translates as follows: “Had it not been for the wrath of enemies”22. Since the noun ὀργή seems to render the Hebrew ‫( ַּכ ַעס‬ka‘as), the lxx does not have an equivalent for the verb ‫( גּור‬goûr), and therefore lacks the notion of God’s have fear. Wittstruck does not agree with Fritsch’s conclusion. In his view, ‫( גּור‬goûr) can also mean ‘to sojourn’. So, Fritsch considers μακροχρονίζω (makrochronizô) – a hapax legomenon in the lxx – as the translation equivalent of ‫גּור‬: “Since the translation ‘not to last long’ means the same as ‘to sojourn,’ the choice of this meaning of gwr is simply a matter of lexicography and not theological Tendenz”23. Dogniez and Harl, from their side, do not seem to accept Wittstruck’s thesis. They argue that μακροχρονίσωσιν (makrochronisôsin) follows on ἵνα μὴ (hina mè) which is considered to be the equivalent of Hebrew ‫( ֶּפן‬pèn). Therefore, in their view, the Greek verbal form μακροχρονίσωσιν (makrochronisôsin) is the equivalent of ‫( יְ נַ ְּכרּו‬yenâkroû), which is a Piel of the verb ‫( נָ ַכר‬nâkar). This would mean that there is indeed a minus in the lxx with regard to God’s fear (‫ – גּור‬goûr)24. 7.

Dwelling God

Deut 12,5.11; 14,23; 16,2.6.11; 26,2 refer to “the place which yhwh shall choose, to cause his name to dwell (‫ – ְל ַׁש ֵּכן‬leshakén) there”. In the lxx, the Piel infinitive construct always has a passive infinitive aorist ἐπικληθῆναι (epklèthênai) – meaning ‘to call on’ – as equivalent (“in the place that the Lord your God may choose for his name to be called there …”). According to Fritsch, already in the Hebrew text, the “expression itself (…) is anti-anthropomorphic in that the ‘name’ is substituted for Jehovah 22  Fritsch, Anti-Anthropomorphisms, 20. 23  Wittstruck, The So-Called Anti-Anthropomorphisms, 32. 24   Dogniez – Harl, Le Deutéronome, 333: “Le traducteur n’a pas de verbe correspondant à l’hébreu “craindre” (gur) et il rend ka’aç par “la colère” ”.

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himself”. In using the verb ἐπικαλέω (epikaleô), “the lxx simply carries the anti-anthropomorphism one step further by changing the verb”25. For Wittstruck, however, the Greek translator’s choice to render ‫ָׁש ֵּכן‬ (shakén) Piel as ἐπικληθῆναι (epklèthênai) has nothing to do with an antianthropomorphic tendency. In his view, it has rather been influenced by later theology, as it is present in Jer 7,10.11.14.30; 32(39),34; 34(41),15. In these passages, the Hebrew text does not read ‫( ָׁש ֵּכן‬shakén), but ‫( נִ ְק ָרא‬niqrâ) (Nifal from ‫[ ָק ָרא‬qârâ] – “to call”). In all these verses in Jeremiah, the verb has ἐπικαλέω (epikaleô) as a translation equivalent, similarly as in Deuteronomy. According to Wittstruck, “it is therefore entirely possible that the Hebrew phrase [in Jeremiah – H.A.] rather than any anti-anthropomorphic tendency influenced the translation in Deuteronomy”26. This could also imply that the Vorlage of Deuteronomy lxx already had been modified into that direction, although no single extant textual witness of Deuteronomy has this variant. Equally for Léo Laberge, the lxx translator’s choice does not seem to be inspired by an anti-anthropomorphic bias. In his view, in choosing this Greek verb within the context of texts dealing with the centralisation of the cult, the lxx translator of Deuteronomy has given a very specific interpretation of the Hebrew text. In accentuating that God ‘dwells’ in the temple, the author of Hebrew Deuteronomy wanted to accentuate that humans can approach God. The Greek translator wanted even to accentuate this theological idea of God’s accessibility in choosing ἐπικαλέω (epikaleô) as a translation equivalent: “II se peut (…) que la lxx traduise par adaptation, en explicitant ce que veut dire, pour les fidèles, que Dieu demeure dans le Temple: on peut l’y invoquer, avoir recours à luí. Faute de témoins assurés, on ne peut pas dire que la lxx lisait un passif du verbe qr’: ‘être invoqué’. (…) Si Dieu demeure en son Temple, c’est qu’il est accessible à qui veut s’adresser à lui, à qui veut l’invoquer”27. Besides its use in the Deuteronomic formula, the verb ‫( ָש ַכן‬shâkan), having God as subject, also occurs in Deut 33,16. Here, the mt reads that “God dwells in the bush”. In the lxx, Deut 33,16 reads a passive form of ὁράω (horaô): ὀφθέντι (ofthenti). Thus, instead of referring to God’s active dwelling, the Greek translation refers to “to him who appeared in the bush”. So, Fritsch argues that the “idea of God’s dwelling in some place is quite consistently avoided in the lxx”28.

25  Fritsch, Anti-Anthropomorphisms, 34. 26  Wittstruck, The So-Called Anti-Anthropomorphisms, 33. 27  Laberge, Le lieu, esp. 234. 28  Fritsch, Anti-Anthropomorphisms, p. 32.

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Wittstruck, however, counters this thesis, by arguing that “if one ‘appears’ in a bush, then one most certainly is ‘dwelling’ in it”29. According to Wevers, the variant in the lxx is not the result of an antianthropomorphic tendency, but rather of a sort of theological harmonisation with the Exodus narrative. Indeed, Exod 3,2 also uses the passive form of ὁράω (horaô): ὤφθη δὲ αὐτῷ ἄγγελος κυρίου (ôfthê de autôy aggelos kuriou: “Now an angel of the Lord appeared to him”). Wevers concludes that the lxx “was not satisfied with the notion that the Lord dwelt in a bush. God is omnipresent; he dwells in heaven. But what Exod 3 describes is the Lord who reveals himself. The episode was a moment of revelation, not a description of God’s dwelling place, and lxx interpreted ‫ שכני‬as τῷ ὀφθέντι ‘to the one who appeared (in the bush)’”. 8. Conclusion Similar to the results of my analysis of the Greek equivalents of human physical characteristics attributed to God30, the present study necessitates to conclude that a simplistic treatment of the question whether the lxx of Deuteronomy is (more) anti-anthropomorphic than the mt or not, should be avoided31. A univocal presentation is simply not possible32. Only a nuanced answer to the question is allowed. Not only has one to take into account that an apparent anti-anthropomorphic tendency in the translation could have been caused by the translator’s will to render his parent text in an idiomatic way, rather than following it ‘slavishly’. But moreover, and as such, the search for anti-anthropomorphic tendencies within the Greek Deuteronomy should be part of a more encompassing analysis of its translation technique. Anyway, the analysis of some variants between the mt and the lxx of Deuteronomy as presented above, which at first sight might be considered as testifying an anti-anthropomorphic tendency of the translator, once more illustrates the complexity of the topic.

29  Wittstruck, The So-Called Anti-Anthropomorphisms, p. 32. 30  Ausloos, “You Saw No Form when yhwh Spoke to You at Horeb” (forthcoming). 31  Contrary to, for example, Lundbom, Deuteronomy, 3: “The lxx appears not to manifest any anti-anthropomorphic bias in its translation, as might be expected”. 32  Cf. Jobes – Silva, Invitation, 100: “As scholars continue to explore this issue in the biblical corpus as a whole, most of them conclude that no consistent anti-anthropomorphic pattern is found throughout the Greek Bible”.

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Bibliography Ausloos, Hans, Sept défis posés à une théologie de la Septante, in: Congress Volume Stellenbosch 2016, ed. Louis C. Jonker / Gideon R. Kotzé / Christl M. Maier (VTSup 177), Leiden / Boston: Brill, 2017, 228–250. –, Transmission History and Biblical Translation. The Case of Deut 9:24, Acta Theologica Supplementum 26 (2018) 57–70. –, “You Saw No Form when yhwh Spoke to You at Horeb” (Deut 4,15). AntiAnthropomorphisms in the Greek Deuteronomy, in: Towards the Formulation of a Theology of the Septuagint – Proceedings of the Septuagint Congress Held at Stellenbosch University 17–19 of August 2018 ed. Martin Rösel / Johann Cook, (SCSt), Atlanta, GA: SBL (forthcoming). Ausloos, Hans and Lemmelijn, Bénédicte (eds), Theology of the Septuagint (Handbuch zur Septuaginta), Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2020. Cécile Dogniez and Marguerite Harl, Le Deutéronome (BdA 5), Paris: Cerf, 2007. Frankel, Zacharias, Historisch-kritische Studien der Septuaginta nebst Beiträgen zu den Targumim. Erster Band. Erste Abteilung: Vorstudien zu der Septuaginta, Leipzig: Vogel, 1841, 174–179. –, Über den Einfluss der palästinischen Exegese auf die alexandrinische Hermeneutik, Leipzig: Barth, 1851. Fritsch, Charles T., The Anti-Anthropomorphisms of the Greek Pentateuch, Princeton: Princeton University Press, 1943. Jobes, Karen H. and Silva, Moisés, Invitation to the Septuagint. Second Edition, Grand Rapids, MI: Baker Academic, 2015. Laberge, Léo, Le lieu que yhwh a choisi pour y mettre son Nom. tm, lxx, Vg et Targums. Contribution à la critique textuelle d’une formule deutéronomiste, Estudios Biblicos 43 (1985) 209–236. Lundbom, Jack R., Deuteronomy: A Commentary, Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2013. McCarthy, Carmel, Deuteronomy (Biblia Hebraica Quinta, 5), Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 2007. Ulrich, Eugene et al., Qumran Cave 4. vii. Genesis to Numbers (DJD 12), Oxford: Clarendon Press, 1994. Wevers, John William, Notes on the Greek Text of Deuteronomy (SCSt 39), Atlanta, GA: Scholars Press, 1995. Wevers, John William – Quast, Udo, Deuteronomium (Septuaginta Vetus Testamentum Graecum Auctoritate Academiae Scientiarum Gottingensis editum 3/2), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1977; 22006. Wittstruck, Thorne, The So-Called Anti-Anthropomorphisms in the Greek Text of Deuteronomy, CBQ 38 (1976) 29–34.

Die Kapitelle der Säulen Jachin und Boas: Gestalt und Funktion

Eine textgeschichtliche Untersuchung von 1 Kön 7:16–22 und 3 Kgt 7:4–9 Adrian Schenker 1.

Das Problem

Diese Studie ist dem verehrten Kollegen Wolfgang Kraus gewidmet. Ihm und Martin Karrer verdanken die Studien über die altgriechische Bibel, die Septuaginta, einen großen Aufschwung. Dem Tempel und den Synagogen galt ein wissenschaftliches Hauptinteresse von Professor Kraus. Dementsprechend behandelt mein Beitrag zu seinen Ehren einen berühmten Bestandteil des salomonischen Tempels, die Säulen Jachin und Boas. Der masoretische Text (M) und die Septuaginta (G) entwerfen nicht dasselbe Bild von ihnen. Woher kommen die Unterschiede? In beiden Fassungen ist der überlieferte Text schwierig. Es bedarf daher der textkritischen Untersuchung der Perikope Jachin und Boas in M und in G1. Es geht hier insbesondere um die Kapitelle der beiden Säulen2. Ziel der Untersuchung ist es, aus dem Fallbeispiel dieses Unterschiedes zwischen M und G allgemein Einsicht in das Verhältnis von M und G in den Büchern Samuel und Könige zu gewinnen. Ebenso möchte der Beitrag die große Bedeutung verstehen, welche die Kapitelle der zwei Säulen für die antiken Verfasser, Tradenten und Leser besaßen. Ihre Kapitelle erscheinen in der Bibel sowohl in M als auch in G fünfmal, nämlich in 1 Kön 7:16–22; 7:41–42; 2 Kön 25:17; Jer 52:22–23 und 2 Chr 4:12–13 mit den Parallelen in G. Allein schon das fünffache Vorkommen zeigt, wie wichtig die Bekrönung von Jachin und Boas war.

1  Neben den Kommentaren zu 1 Könige 7 und den Parallelen in 2 Chr 4 und Jer 52 vgl. v.a. Dubovsky, Peter, The Building of the First Temple. A Study in Redactional, Text-Critical and Historical Perspective (FAT 103), Tübingen: Mohr Siebeck, 2015. Ich hatte auch den Vorzug, mit Herrn Daniel Prokop, der bei Prof. Peter Dubovsky am Päpstlichen Bibelinstitut in Rom über die Perikope 1 Kön 7 promoviert und seine Diss. im Frühjahr 2019 abschließt, die hier behandelten Fragen zu erörtern. Die Interpretation von Einzelheiten bleibt naturgemäß verschieden. 2  In einem andern Beitrag, für eine Festschrift, die 2020 erscheinen soll, ist die Frage des Standortes der zwei Säulen untersucht. Die beiden Untersuchungen ergänzen sich, sind aber in sich vollständig.

© Ve

194 2.

Adrian Schenker

Textkritk von 1 Kön 7:16, bzw. 3 Kgt 7:4

Es ist am zweckmäßigsten, M 1 Kön 7:16–22, bzw. die Parallele in G, 3 Kgt 7:4–9, Vers um Vers zu analysieren3. Sie bieten die Beschreibung der Säulenkapitelle. M und G sprechen in V. 15, bzw. V. 3, von den Säulen und ihren Dimensionen4. Erst die folgenden Verse schildern die Kapitelle. In V. 16, bzw. V. 4, bringen M und G in fast wörtlicher Übereinstimmung Zahl, Platz, Machart, Material5 und Dimension der Kapitelle: sie bekrönen das obere Ende, „Haupt“ genannt, der zwei Säulen, sie sind gegossen, aus Erz und fünf Ellen hoch (ca 2,50 m). Nach 2 Kön 25:17 M und G war die Höhe drei Ellen (Diese beiden Stellen dürfen nicht harmonisiert werden). In V. 16, bzw. V. 4 am Versende hat M ein Plus, das in G fehlt: „und fünf Ellen das Kapitell der zweiten Säule“. M bietet die symmetrische Formulierung: „… fünf Ellen die Höhe des einen Kapitells und fünf Ellen die Höhe des zweiten Kapitells“, G in 7:4 die asymmetrische „fünf Ellen die Höhe des einen Kapitells“6. Die asymmetrische Lesart ist höchstwahrscheinlich die ursprünglichere Formulierung. Barthélemy hat den von der Bibel in vielen Beispielen bevorzugten asymmetrischen Stil ausführlich

3  Verf. bittet um Nachsicht, dass der Wortlaut hier nicht geboten wird wegen des knappen Raums. M und G können bequem verglichen werden in Vannutelli, Primus, Libri synoptici Veteris Testamenti seu librorum Regum et Chronicorum loci paralleli, t. 1, Romae: Pontificium Institutum Biblicum, 1931, 244–247 (neben M und G auch mit dem Text der Vulgata und von Iosephus Flavius, Antiquitates Iudaicae VIII 77–80). 4  M und G sind die beiden ältesten Textzeugen, die im Kern mindestens ins 3. Jh. v.Chr. hinaufreichen. Daher beschränkt sich die Textkritik hier im Wesentlichen auf sie. Vulgata, Targum, Peshitta, die hexaplarischen Revisoren oder Übersetzer Aquila, Symmachus, Theodotion beruhen im Wesentlichen auf einem Text, der dem Konsonantentext von M mit seiner Lesetradition (Vokale, Satztrennungen) entspricht. Der kritische Text von G muss aus der vollständigen Ausgabe erhoben werden: Brooke, Alan England/McLean, Norman/Thackeray, Henry St John, The Old Testament in Greek, Vol. II Part I and II. I and II Kings. Cambridge: University Press, 1930, 228–229. 5  Nur das Material, „aus Bronze“, fehlt in G. Die weniger vollständige Beschreibung ist höchstwahrscheinlich ursprünglicher, die vollständigere Aufzählung sekundär. Schreiber tendieren in listenartigen Texten eher zu Vervollständigung als zu Streichung von Elementen. Das Material ist in der Machart: „gegossen“, impliziert. M expliziert. Rahlfs, Alfred, Septuaginta id est Vetus Testamentum Graece iuxta LXX interpretes. Ed. altera quam recognovit et emendavit Robert Hanhart, Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 2006, z. St., liest allerdings „aus Bronze“. Diese textkritische Option von Rahlfs geht auf die 1. Aufl. zurück. Sie ist weniger wahrscheinlich, vgl. Anm. 8. 6  Rahlfs, Septuaginta, z. St., liest mit Alexandrinus, A, und Sinaiticus, S, gegen Vaticanus, B, und Minuskel a2 (= 509). Sie ist aus dem oben genannten Grund weniger wahrscheinlich. Zudem ist sie identisch mit M; solche mit M zusammenfallende Lesarten können in der Textüberlieferung von G sekundär an M angeglichen worden sein.

Die Kapitelle der Säulen Jachin und Boas: Gestalt und Funktion

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erklärt und so in V. 15 die asymmetrische Lesart von M als ursprünglich nachgewiesen7. In V. 4 ist es G, welche die asymmetrische Lesart bewahrt hat. G spiegelt hier ihre hebräische Vorlage, die demgemäß der ursprünglichen Lesart der hebräischen Bibel entspricht8. 3.

Textkritik von 1 Kön 7: 17a M, bzw. 3 Kgt 7:5 G

G beginnt einen neuen Verbalsatz: „und er (der Bronzegießer Hiram) machte“, während M asyndetisch fortfährt: sebakîm. Dieses Wort im Plural bedeutet: „Geflochtenes, Gitter, Netze“9, hier eine Struktur aus Bronze in Form von gegossenen Gittern oder Maschennetzen. sebakîm ist hier Nominalsatz: „es gab Gitterwerke“, und gleich darauf erklärt M durch den Ausdruck ma‘aseh sebakah die Form der gegossenen Gitter aus Bronze in drei asyndetisch aufgereihten Appositionen oder Nominalsätzen: „ein Gebilde von Geflochtenem, von gedilîm, ein Gebilde von sharsherôt für die Kapitelle, die auf dem Haupt der Säulen waren“. „Gebilde“ oder „Machart von Geflochtenem“ bededeutet ein Flechtwerk aus Maschen, also ein Netz. gedilîm ist nach Deut 22:12 Name für Quasten, Troddeln, Zottel, Zipfel. Es sind Anhänger an oder in diesem Netz. sharsherôt sind Ketten oder Girlanden, z.B. Ex 28:14,22, gedrehte, geschmiedete oder zopfartig geflochtene metallene Ketten. Das Wort bezeichnet in 2 Chr 3:16 ebenfalls einen Teil des Kapitells der beiden Säulen, in 2 Chr 3:5, 16 ein Ornament im Tempelinnern. Nachdem M in V. 16 die zwei Kapitelle beschrieben hat, spricht er in V. 17a von den Maschennetzen, die zu ihnen gehören. Die wiederholte

7  Barthélemy, Dominique, Critique textuelle de l’Ancien Testament, t. 1 (CTAT I), Josué-Esther (Fribourg: Éditions universitaires/Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1982) 345–346. Er bespricht V. 16 nicht. Es ist bekannt, dass Barthélemy in der Regel M für ursprünglicher hält als G und als dessen hebräische Vorlage. Deshalb stützt der Vorzug, den er für die asymmetrische Lesart von M in V. 15 begründet, die Bevorzugung der asymmetrischen Lesart von G in V. 16 zusätzlich! 8  Rahlfs, Septuaginta, z. St., stützt seine textkritische Entscheidung auf die Lesarten von Sinaiticus, S, und Alexandrinus, A, gegen jene des Vaticanus, B. Aus zwei Gründen ist diese Entscheidung fragwürdig: 1. A und S sind identisch mit M, B unterscheidet sich von M. Den von M verschiedenen Lesarten ist in G grundsätzlich der Vorzug zu geben; 2. Die asymmetrische Lesart B kann nicht als Homoioteleuton erklärt werden, und sie ist eine sehr schwierige Lesart. Septuaginta deutsch. Das griechische Alte Testament in deutscher Übersetzung, hrsg. Wolfgang Kraus/Martin Karrer, Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 2009, z.St., folgt für beide Varianten Rahlfs. 9  Die Wiedergabe ergibt sich aus 2 Kön 1:2; Gen 22:14; Nah 1:10, siehe unten Abschnitt 5.

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Standortbezeichnung: „auf dem Haupt/zuoberst auf den Säulen“ rahmt die Schilderung der Kapitelle und der Netze ein und hebt sie hervor. Nach den Kapitellen in V. 4 bespricht G seinerseits in V. 5 die Netzgeflechte: „und er machte zwei Netze, um das Kapitell der Säulen zu bedecken, und ein Netz für das eine Kapitell, und ein Netz für das andere Kapitell“. Der Verbalsatz fügt – analog dem Nominalsatz in M – ein neues Element in der Herstellung der Kapitelle hinzu. Nachdem Hiram die Kapitelle gegossen hatte, machte er zwei Netze oder Gitter, eines für jedes der beiden Kapitelle. Das Netz bedeckt das Kapitell. Der Vers ist schlank und klar, ohne die gehäuften Beschreibungen von M in V. 17a. 4.

Textkritk von 1 Kön 7:17b M

M erwähnt die Zahl „sieben“. Oft wird diese Zahl auf die Netz- oder Gitterstruktur von V. 17a bezogen10. Doch mit dieser Interpretation verwickelt man sich in unlösbare textkritische Probleme. Die Satzkonstruktion bezieht die Zahl „sieben“ vielmehr auf ma‘aseh sharsherôt, „Kettengebilde“, denn das ist das unmittelbar vorausgehende Antecedens für die zweimal genannte „sieben“: „Gebilde von Ketten für das Kapitell, das zuoberst auf den Säulen ist“, wobei V. 17b präzisiert, dass jedes der beiden Kapitelle sieben solche Ketten hatte. Nach Ex 28:14,22 hing der Brustschild des Hohenpriesters an solchen sharsherôt. Die Bedeutung wird somit klar: die Netze hingen an sieben Ketten, die oben an den Kapitellen festgemacht waren. 5.

Griechische Wiedergabe von 3 Kgt 7:5–6

Die Wiedergabe von sebakîm mit „δίκτυα, Netze“ macht keine Schwierigkeit, wie 2 Kön 1:2; Nah 1:10; Gen 22:13; 2 Sam 18:9 nahelegen. G verbindet die hebräische Wortfamilie s-b-k mit (hrabhängendem) Busch-, Blatt-, Laub- und Flechtwerk. Das Partizip δεδικτυόμενοι in V. 6 mag einem hebräischen Relativsatz entsprechen. Denn G gibt Relativsätze oft mit Partizip oder Verbaladjektiv wieder, z.B. in Ex 3:14; 1 Kön 7:41b, bzw. 3 Kgt 7:27b; 13:12,21; 1 Kön 8:5 (Verbaladjektiv) usw.

10  Siehe die ausführliche Darlegung der Schwierigkeiten bei Barthélemy, CTAT I, 346.

Die Kapitelle der Säulen Jachin und Boas: Gestalt und Funktion

6.

197

Textkritik von 1 Kön 7:18, bzw. 3 Kgt 7: 6

In M lautet V. 18 so: „und er machte die Säulen und die zwei Reihen/Lagen/ Schichten rundum über dem einen Netzwerk, um die Kapitelle zu bedecken, die zuoberst über den Granatäpfeln , und so machte er es für das zweite Kapitell“. Barthélemy hielt diesen Vers für so heillos verderbt, dass es ihm unmöglich schien, ihn mit Hilfe der Textzeugen in seiner ursprünglichen Form wiederherzustellen11. Der Verbalsatz markiert einen neuen Einsatz, denn er kommt nochmals auf den Anfang, die Herstellung der Säulen von V. 15, bzw. V. 3 in G zurück. Neu kommen jetzt aber „zwei Reihen oder Lagen oder Schichten“ (tûrîm, στίχοι) hinzu. Sie sind rundum über das eine Maschennetz gelegt, und dieses verhüllt das Kapitell, das die „Granatäpfel“ überragt. Was das für „Reihen oder Lagen“ waren, wird nicht erklärt. Nur ihre runde Form ist erwähnt. „Die“ Granatäpfel überraschen. Sie sind ja vorher nicht genannt worden. Aber V. 17 hatte gedîlîm, Troddeln, Zipfel, in der Beschreibung des Netzes erwähnt. Das waren am Netz festgemachte Aufhänger. Leser können nicht anders als die Granatäpfel mit diesen am verhüllenden Netz hängenden Zipfel zu verbinden. Beide gehören zum Maschennetz, an dem sie als Aufhänger angebracht sind. Wie V. 17b unterstreicht V. 18b die vollkommene Symmetrie der beiden Kapitelle und Netze. G lautet in V. 6: „zwei Reihen von Granatäpfeln aus Bronze am (oder im) Maschennetz, einem herabhängenden Gebilde, Reihe über Reihe, und so machte er es am zweiten Kapitell“. G führt hier das neue Element der Granatäpfel in verständlicher Weise ein. Die Natur der Reihen ist klar definiert. Ihr Platz ist das herabhängende Netz; in den zwei übereinander liegenden Reihen am Netz hängen die Granatäpfel. M und G enthalten die gleichen Elemente, aber in verschiedener Anordnung. Das beweist, dass es sich ursprünglich um einen Text handelt, der literarisch oder redaktionell umgestaltet worden ist, entweder auf Seiten von G, bzw. in dessen hebräischer Vorlage oder auf Seiten von M. M weist Überschüsse auf. G ist klar aufgebaut: Säulen, Kapitelle, Netze, Granatäpfel in zwei Reihen an den Netzen, während M unregelmäßiger strukturiert ist: Säulen, Kapitelle, Netze, Zipfel, Ketten, Säulen, Netze, Reihen ohne Funktionsangabe, Granatäpfel.

11  Barthélemy, CTAT I, 347.

198 7.

Adrian Schenker

Textkritik von 1 Kön 7:19, bzw. 3 Kgt 7: 7–8

V. 19 schließt sich in M ohne Unterbrechung an V. 18 an. Er fährt mit den Kapitellen fort. Es sind stets die Kapitelle der zwei Säulen vor dem Tempel. In G folgt auf V. 4–6, welche die Kapitelle der Säulen vor dem Tempel geschildert haben, der Bericht, wie Hiram diese Säulen aufrichtet und mit Namen versieht. In V. 7a könnte man den Ausdruck τοὺς στύλους τοῦ αἰλὰμ τοῦ ναοῦ als andere Säulen verstehen, die zum Ulam oder in den Ulam gehören. Aber V. 7b–8 machen klar, dass es die Säulen vor der Tempelvorhalle sind. Sie gehören zur Vorhalle, weil sie vor ihr aufgepflanzt sind. Erst der abschließende V. 9 geht weiter zu zwei andern Säulen, die im Ulam stehen und Balken tragen. M erwähnt nur die zwei Säulen vor der Vorhalle und berichtet ihre Auufrichtung und Benennung im abschließenden V. 21. M und G enthalten offensichtlich gleiche Elemente, aber in verschiedener Anordnung und mit verschiedener Bedeutung, ein Hinweis auf redaktionelle Überarbeitung. V. 19 lautet in M: „das Kapitell zuoberst auf den Säulen war das Gebilde einer Lotusblüte im Ulam, vier Ellen“. Die wichtige Frage ist, wie die Umstandsbestimmung „in der Tempelvorhalle (im Ulam)“ zu verstehen ist. In der Vorhalle des Tempels gibt es lotusförmige Kapitelle. Ihnen gleichen die Kapitelle der beiden Säulen von V. 15–18, die vor dem Tempel stehen. Diese Aussage hat M durch nichts vorbereitet. Denn in 1 Kön 6–7:18 hat M keine solchen Säulen im Ulam erwähnt. In G ist in V. 9 das Lotuskapitell nicht durch den Ort, sondern durch Art und Weise bestimmt: κατὰ τὸ αἰλὰμ, „entsprechend dem Ulam“. Vielleicht geschah eine Verwechslung zwischen den Präpositionen be und ke. Die Präposition ke kann überdies die Präposition be enthalten, sodass sie bedeutet: „wie in“, z.B. in Jes 28:21; Ps 95:8 usw.12 Wenn man die Vorlage von G in dieser Weise interpretiert, kommt der Sinn noch deutlicher zum Vorschein: ein Lotuskapitell wie das Lotuskapitell im Ulam. Kaf und Beth sind namentlich in der aramäischen Quadratschrift graphisch ähnlich und daher leicht verwechselbar. Da der Ulam ein Ort ist, lag eine räumliche Präposition natürlicherweise nahe, sodass ein Schreiber von ke zu be gleiten konnte. So ist ke wohl ursprünglicher als be-. Aber anders als M hat G den Ulam in V. 3 im Zusammenhang mit den zwei Säulen außen vor der Vorhalle eingeführt13.

12  Joüon, S.J., Paul/Muraoka, Takamitsu, Grammar of Biblical Hebrew, Part Three. Syntax, § 133h. (Subsidia biblica 14/II, Roma: Ed. Pontificio Istituto Biblico, 1991, 491. 13  Zur Textkritik dieser schwierigen Stelle sei auf den in Anm. 2 genannten Artikel verwiesen.

Die Kapitelle der Säulen Jachin und Boas: Gestalt und Funktion

199

M und G berichten demgemäß übereinstimmend, dass die Kapitelle die Form von Lotusblüten hatten. Das widerspricht der Beschreibung der Kapitelle in V. 16–19 M und V. 4–6 nicht, denn dort sind die Gitterwerke geschildert, die von den Kapitellen niederhängen und mit Granatäpfeln besetzt sind. Die Lotusform bezieht sich offenbar auf das eigentliche Kapitell, den Kapitellkörper. Solche Kapitelle gab es im Ulam. Es sind somit auf beiden Seiten, in M und G, Säulen im Ulam impliziert, die nirgends sonst erwähnt werden. Damit ist die Beschreibung der Kapitelle der zwei Säulen vor dem Tempel abgerundet. Es ist klar, dass die zwei frei stehenden Säulen vor dem Tempel kein Gebälk tragen konnten. Dieses gehörte zur Architektur der Vorhalle. G kennt somit die zwei Säulen vor dem Tempel, V. 4–6, und ferner zwei Säulen im Ulam. Auf ihnen ruht Gebälk, V. 8–9. Sonst wird ihre Lotusform erwähnt, da diese den Kapitellen der zwei Säulen vor dem Tempel gleicht. G spricht somit von vier Säulen. Desgeleichen impliziert auch M Säulen im Ulam, deren Kapitelle lotusförmig sind, ohne sie jedoch näher zu behandlen. Über ihre Zahl und Funktion verlautet nichts. M beschränkt sich auf die zwei Säulen draußen vor dem Tempel, während G eine Angabe zur Funktion von zwei Säulen im Ulam hinzufügt: sie tragen dort Gebälk. G widmet V. 4–8 den beiden Säulen draußen vor dem Tempel und V. 9 den zwei Säulen drinnen. Säulen im Ulam gehören gemäß G zur Tempelarchitektur und sind aus Bronze. Salomo hat den Bronzegießer Hiram erst nach dem Tempelbau beauftragt, 1 Kön 7:11–12, bzw. 3 Kgt 7:1–2. Hiram konnte also keine Säulen aus Bronze für die Tempelvorhalle gegossen haben. Er hätte sie mehrere Jahre vor dem Auftrag Salomos gegossen und aufgestellt haben müssen, dreizehn nach M, 1 Kön 7:1, etwas weniger nach G. Hiram konnte die Säulen des Ulam nach M 7:21, bzw. 3 Kgt 7:9, gar nicht aufgestellt haben. Es begegnet hier eine inhaltliche und chronologische Unmöglichkeit in G. M ist frei von ihr, weil 1 Kön 7:15–22 nur von Jachin und Boas spricht, die nicht zur Architektur der Tempelvorhalle gehören, wie sich aus Abschnitt 8–9 ergeben wird. Aber M impliziert Säulen in der Tempelvorhalle. 8.

Textkritik von 1 Kön 7:20, bzw. 3 Kgt 7:9

Die beiden Verse sind in M und G ganz verschieden. Neben der verschiedenen Platzierung ist der Hauptunterschied der Balken auf den Säulenkapitellen in G. Dieser fehlt in M: καὶ μέλαθρον ἐπ’ ἀμφοτέρων τῶν στύλων καὶ ἐπάνωθεν τῶν πλευρῶν ἐπίθεμα τὸ μέλαθρον. Der griechische Vers besteht aus zwei

200

Adrian Schenker

Nominalsätzen, denen zwei hebräische Sätze zugrunde liegen können. Die Abtrennung der Sätze ist nicht sofort klar14. Die präpositionale Wendung „und auf“ setzt den Anfang des ersten Satzes im zweiten fort: „er (der Balken) liegt auf den beiden Säulen und auf den Seiten“. Der Balken hat demgemäß sowohl die Säulen als auch die Seiten als Träger. Das folgende Wort, ἐπίθεμα, Kapitell, hat keinen Artikel und ist daher kein neues Subjekt, sondern Apposition: „der Balken liegt als Auflage auf Säulen und Seiten“. Darauf folgt in einem neuen Nominalsatz die Maßangabe, wie dies in dieser Perikope üblich ist: „der Balken von einer Elle “, weil alle Maßangaben bei den Kapitellen immer deren Höhe betreffen: V. 16, bzw. V. 4; V. 19, bzw. V. 8. So lautet die wahrscheinliche syntaktische Analyse und Überstzung von V. 9 G: „und ein Balken auf beiden Säulen und auf den Seiten als Kapitell. Der Balken eine Elle“15. Was bedeutet diese Aussage? Die präpositionale Wendung ἐπάνωθεν entspricht gam mimma‘al von M V. 20. Sie ist das einzige gemeinsame Element zwischen V. 20 M und V. 9 G. In G finden sich Dativ und Artikel im Maß einer Elle: τῷ πήχει ebenfalls in Jer 52:22, einer Parallelstelle von 1 Kön 7:15–22, bzw. 3 Kgt 7:3–9, für die Jer M keine hebräische Vorlage bietet. Was ist mit „Seiten“ gemeint? Am einfachsten ist es, Seiten links und rechts der zwei Säulen anzunehmen. Das Gebälk reichte von Seite zu Seite und ruhte dazwischen auf den Säulenkapitellen. Die Tempelvorhalle hatte demgemäß zwei Säulen mit einem von Seite zu Seite reichenden Gebälk16. Zusammengefasst tragen nach M die Kapitelle in V. 19–20 zwei Schichten, je eine Elle hoch, von denen das Netzwerk mit den Granatäpfeln herabhängt. Die Säulen stehen nicht im Ulam, sondern davor. Nach G liegt im Ulam auf zwei Säulen Gebälk, eine Elle hoch, das von Seite zu Seite der Vorhalle des Tempels reicht. Die Säulen sind Teil der Architektur der Vorhalle. In M ist von Säulen im Ulam keine Rede, aber V. 19 impliziert sie! Die Interpretation dieses Verses 20 ist schwierig17. Der Atnach legt zwei Nominalsätze 14  Brooke/McLean/Thackeray, The Old Testament in Greek, 229, und Rahlfs, Septuaginta, 648, trennen den Satz in Anlehnung an V. 20 in M. Jobst Bösenecker in Kraus/Karrer, Septuaginta deutsch, z. St., 395, liest einen Nominalsatz mit der Wendung am Ende: ἐν πάχει. Das ist Korrektur eines Schreibers in der Hs B für ursprüngliches τῷ πήχει. 15  Dubovsky, Building of the First Temple, 154–155, analyiert die Stelle im Licht der Forschungsgeschichte anders. 16  Da die Vorhalle ein Querrechteck war, 6:3, kann man sich eine Säule links (nördlich) und die andere rechts (südlich) stehend vorstellen, während der Balken jeweils von der Westzur Ostwand reichte. 17  Eingehendste neuere Diskussion: Mulder, Martin J., 1 Kings vol 1 1 Kings 1–11. (Historical Comm. O.T. ), Leuven: Peeters, 1998, 314–317.

Die Kapitelle der Säulen Jachin und Boas: Gestalt und Funktion

201

nahe. Subjekt des ersten Satzes ist: „die Kapitelle auf den zwei Säulen“. „Kapitelle“ steht zwar ohne Artikel, aber sie sind durch den präpositionalen Ausdruck „auf den zwei Säulen“ determiniert. Prädikat ist: „ragen sogar über die Wölbung (des Kapitells) empor, die auf der Höhe des Maschennnetzes ist (wörtlich: gegenüber dem Maschennetz/ihm zugekehrt)“. Die präpositionale Wendung le‘ummat heißt „bei“; hier ist sie mit der Präposition mîn verbunden18, die oft komparativischen Sinn hat. Zusammen mit dem unmittelbar vorhergehenden Adverb mimma‘al bedeutet die Wendung mille‘ummat: „höher oben als bei“. Gemeint ist anscheinend die größere Höhe der Kapitelle, die über das Niveau der Netze hinaus nach oben ragen. Der zweite Satz hat als Subjekt: „und die Granatäpfel“, als Prädikat „zweihundert, in Reihen, rundum“. Daran fügt sich ein neues Satzglied, das allein aus einem Umstand des Ortes besteht: „auf dem zweiten Kapitell“. Das ist eine für die Perikope typische Ausdrucksweise: was für zwei gleiche Elemente gilt, braucht nur für eines – das erste oder das zweite – gesagt zu werden, weil das andere impliziert ist, so in V. 15, bzw. V.319. M bedeutet nach alledem: „Die Kapitelle auf den zwei Säulen sind auch oben höher als der Kapitellwölbung, die den Maschennetzen entspricht. Die Granatäpfel sind zweihundert, in Reihen, rundum auf dem zweiten Kapitell“. Gemeint ist ein oberster Teil des Kapitells, der die Gitter- oder Netzwerke überragt, die an den beiden Kapitellen niederhängen. Ergebnis: G setzt zwei Säulen in der Tempelvorhalle voraus, in M kommen sie nicht vor, sind aber impliziert (V. 19 und 22). M bescchreibt in V. 20 die Kapitelle von Jachin und Boas, während G im parallelen V. 9 von den zwei Säulen im Ulam handelt, nachdem V.3–8 die beiden Säulen Jachin und Boas und ihre Kapitelle beschrieben hatten. In G klafft ein Widerspruch zwischen 7:1.2 und 7:9: Hiram ist der Bronzegießer nach Fertigstellung der Tempelarchitektur, aber nach 7:9 wurden zwei Säulen im Ulam aufgepflanzt, lange vor Hirams Bronzearbeiten20. Dieser Unterschied erklärt sich besser mit der Annahme, M, bzw. ein Vorläufer von M, habe diese Unmöglichkeit aus der Welt schaffen und nur von den zwei Säulen Jachin und Boas handeln wollen, als mit der umgekehrten, die hebräische Vorlage von G habe nachträglich zwei Säulen im Innern der Tempelvorhalle erfunden. Das Motiv der in M bewahrten Redaktion zeigt sich 18  Die präpositionale Wendung le’ummat kommt nur an dieser Stelle vor. 19  Siehe oben Abschnitt 2 mit dem Verweis auf Barthélemy, CTAT I, 345–346. 20  Es heißt in G 7:9 nicht, dass diese Säulen aus Bronze gegossen waren. Doch der ganze Kontext 7:1–9 legt es nahe.

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an zwei Stellen: zuerst in V. 7:19: die Säulen im Ulam sind in M impliziert, aber nicht näher erklärt; dann in V. 21a, wo M (anders als G 7:7) ebenfalls die zwei Säulen auf Jachin und Boas bezieht. Denn hier verwendet M den Dativ: „Hiram richtete die Säulen für die Vorhalle auf“, le-’ulam. Dieser Dativ erlaubt es, auch diese Säulen auf Jachin und Boas zu beziehen. Sie gehörten dadurch zur Vorhalle, dass sie vor der Vorhalle standen. V. 21a und 21b müssen nicht kumulativ verstanden werden. Sie leuchten auch in explikativem Sinn ein: „er richtete die Säulen für den Ulam auf, nämlich die Säule Jachin und die Säule Boas“. Es ist so nur von zwei Säulen die Rede, die frei vor der Tempelvorhalle aufgepflanzt sind wie Obelisken. Wenn diese Erklärung wahrscheinlich ist, dann sind auch die andern Unterschiede zwischen M und G als Resultat einer Redaktion in M zu werten, welche die Säulen Jachin und Boas in die Mitte rücken und den Säulen in der Vorhalle keine Bedeutung geben wollte. 9.

Funktion der Netze an den Kapitellen

Sowohl Netze als auch Granatäpfel an den Kapitellen sind aus Bronze. So klingeln Granatäpfel und bewegliches Netzwerk wie Schellen oder Glöckchen im Wind21. Das ist wohl der Sinn dieses Säulenschmucks, wie G in 2 Par 4:13 ausdrücklich erklärt. Diese klingende Zier entspricht dem Mantelsaum des Hohenpriesters nach Ex 28:33–35. Das Klingeln ist beim schreitenden Priester und an den Säulen akustisches Signal für die hochheilige Gegenwart Jhwh’s im Heiligtum. 10. Ergebnisse Erstens, es handelt sich in der Perikope V. 15–22 M = V. 3–9 G um denselben Text in zwei Rezensionen. Aufbau und Inhalt sind dieselben: Herstellung, Material und Dimension der Säulen; Material, Beschreibung und Dimension der Kapitelle mitsamt Netz- oder Gitterwerk; Aufrichtung und Namengebung

21  Auf den Wind, der die erzenen Granatapfel-Glöckchen oder -Schellen im bronzenen Netzwerk zum Klingen bringt, spielt vielleicht der rätselhafte Ausdruck in der Parallele Jer 52:23 an: ruha (ohne Entsprechung in G). Er könnte bedeuten „windwärts“, zum Wind hin gerichtet (acc. directionis). Dies würde den freien Stand von Jachin und Boas erklären, den M überall voraussetzt und so auch hier in Jer 52:23.

Die Kapitelle der Säulen Jachin und Boas: Gestalt und Funktion

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entsprechen sich; Erzählzusammenhang und Protagonisten (Salomo, Hiram) sind dieselben. Zweitens, der Wortlaut von M unterscheidet sich oft von jenem in G. Es sind im Wesentlichen Unterschiede zwischen M und der hebräischen Vorlage von G. Es handelt sich um den Vergleich von zwei hebräischen Rezensionen. Drittens, die Unterschiede zwischen M und G sind in den meisten Fällen redaktioneller Art. Es sind keine Schreibfehler, sondern bewusst und gewollt vorgenommene Unterschiede, die zwei Rezensionen ergeben. Für die Textkritik folgt daraus das Gebot, die zwei Rezensionen auseinander zu halten. Sie dürfen nicht vermischt werden. Viertens, der Wortlaut von M ist oft äußerst schwierig und gewunden, sodass die Forschung gerne von unheilbaren Verderbnissen des Textes spricht. G drückt sich klarer und einfacher aus. Diese Beobachtung legt die Vermutung nahe, dass der Text auf Seiten von M oder von dessen Vorläufer umformuliert worden ist. Fünftens, für G gibt es neben den zwei frei stehenden Säulen vor dem Tempel, zwei andere, Teil der Architektur der Tempelvorhalle. 2 Chr 3:15,17 in M und G kennt sie nicht. Ebenso handeln die Parallelen 2 Kön 25:9, 13, 16–17 = Jer 52:13, 17, 21–22 nur von den zwei Säulen draußen vor dem Ulam. Denn diese berichten in getrennten Schritten zuerst die Zerstörung des Tempels und dann den Abtransport der bronzenen Ausstattung des Tempels, darunter nur die zwei Bronzesäulen, die Jachin und Boas entsprechen. Ebenso zählen die Parallelen 1 Kön 7:41–42 = 3 Kgt 7:27–28 und 2 Chr 4:12–13, die beiden Säulen zu allen anderen bronzenen Gegenständen, die Hiram gemacht hatte. Das Bild von zwei Säulen im Ulam in G steht somit isoliert unter den insgesamt sechs Stellen, die nur zwei Säulen erwähnen. Sechstens, das Bild der zwei Säulen in der Tempelvorhalle als Teil der Tempelarchitektur erklärt wahrscheinlich die Rezension in M. Der ursprünglichere Bericht, den die hebräische Vorlage von G enthielt, sollte den Parallelstellen, insbesondere jener in 2 Chr 3, angepasst werden, zumal auch nach G in 2 Par 3:15, 17 = 2 Chr 3:15, 17 nur die zwei frei vor dem Ulam aufgepflanzten Säulen eine Rolle spielen. Die Rezension in M entspringt dem Wunsch, alles auf das Bild dieser zwei Säulen zu konzentrieren. Siebtens, die Rezension von G ist ihrerseits nicht überall ursprünglich. Ein Beispiel ist 3 Kgt 7:3 = 1 Kön 7:15, wo G einen Textüberschuss aufweist: τὸ πάχος τοῦ στύλου τεσσάρων δακτύλων τὰ κοιλώματα. Dieser fehlt in M. Hier hat augenscheinlich die hebräische Vorlage von G mit dem hebräischen Wortlaut von Jer 52:21 (Ende des Verses) harmonisiert. Denn die beiden griechischen Parallelen von G in 3 Kgt und Jer entsprechen sich nicht genau. Deshalb ist es der zugrunde liegende hebräische Text in 3 Kgt, der an Jer M angeglichen wurde.

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Adrian Schenker

Achtens, möglicherweise entspricht die ältere Fassung der Rezension von G einer älteren historischen Wirklichkeit, in der Architektur und Säulen im Tempel anders gestaltet waren, als 2 Chr und die anderen Parallelen darstellen oder implizieren. Neuntens, der Zweck der beiden Säulen vor dem Tempel ergibt sich aus ihren Kapitellen. Diese sind wichtig wegen ihres beweglichen, 2,5 Meter lang niederhängenden Netz- oder Gitterwerkes mit den Granatäpfeln darin. Da alles aus Erz gemacht ist, klingeln Netze und Granatäpfel im Wind, wie die Granatäpfel am Mantelsaum des dahin schreitenden Hohenpriesters, wenn er das Heiligtum betritt und verlässt. Dies sind akustisch Zeichen für die heilige Nähe Jhwh’s. So erklären sich Gestalt und Bedeutung der Kapitelle.

The Accusation of Incest in Psalms of Solomon 8:9. Apologetics, Halakha, and Exegesis Jan Joosten

University of Oxford



Introduction: The Original Language of the Psalms of Solomon

Until very recently, specialists nearly unanimously accepted that the Psalms of Solomon were originally written in Hebrew.1 This consensus formed at the end of the nineteenth century and rests on several considerations. A first argument is one of general likelihood. The Psalms almost certainly originated in Jerusalem over a rather short period following Pompey’s conquest in 63 BCE. In this time and locale, Jews are known to write religious literature in Hebrew (or sometimes Aramaic) – think of the Dead Sea Scrolls – rather than Greek. “Ort und Zweck entscheiden für hebräisches Original” writes Julius Wellhausen in his well-known authoritative style.2 A second argument is taken from the style of the Greek text. The Greek version of the Psalms of Solomon is full of curious phenomena otherwise limited mostly to translation Greek. On inspection, this argument turns out to be weak. The Hebraisms of the Psalms may with more justification be called “Septuagintisms”. Almost all of them find precise parallels in the Septuagint of books that were certainly translated from Hebrew. Thus, Ἐβόησα πρὸς κύριον ἐν τῷ θλίβεσθαί με, “I cried to the Lord when I was distressed,” (Ps. Sol. 1:1), could be a literal translation of ‫ אקרא ליהוה בצר לי‬or something similar.3 But it could equally well be a Greek creation loosely based on passages such as ἐν τῷ θλίβεσθαί με ἐπεκαλεσάμην τὸν κύριον, Ps 18[17]:7LXX. A further argument is taken from a small number of difficult passages that are held to reflect a translation error.4 Suggestions of mistranslation are always precarious when the source text is no longer available. In the case of the *  In gratitude I offer this paper to Wolfgang Kraus whose friendship, dynamism, commitment and scholarship I cherish. 1  See, e.g., Delcor, Psaumes de Salomon, Dictionnaire de la Bible Supplément IX, col. 214–245, in particular 221–222 and 224–225; Trafton, “Solomon, Psalms of,” ABD 6, 115–117; Wright, The Psalms of Solomon, 11–13. 2  Wellhausen, Die Pharisäer und die Sadducäer, 131. 3  Frankenberg, Die Datierung der Psalmen Salomo’s, 66. 4  See e.g. Wellhausen, Die Pharisäer, 132–135.

© Ve

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Jan Joosten

Psalms of Solomon they are particularly fragile. The Psalms are a text unique in its genre. Moreover, they are known only from late manuscripts. There is no time presently to go through all suggested mistranslations. Suffice it to say that no single case is entirely convincing in regard to both the solution of the problem in Greek, and the reconstructed text in Hebrew. Finally, an argument has been drawn from the Syriac version of the Psalms of Solomon. Trafton, hesitatingly, and Ward more confidently, have tried to show that the Syriac version was not made on the basis of the Greek but independently goes back to a Hebrew text. If this were true, the Hebrew origin of the text would be established. Trafton’s arguments were rather tentative, however, as he himself admitted.5 As to Ward, his dissertation presents grave methodological deficiencies, making it hard to accept his claims.6 On balance, the evidence favouring the view that the Syriac is based on a Greek text close to that of the Greek manuscripts is much more convincing.7 Many Syriac renderings in fact indicate dependence on the Greek.8 None of these arguments is conclusive. Over the last few years scholars have made a renewed argument for a Greek origin of the Psalms of Solomon.9 At a conference held in Strasbourg in June 2013, both Eberhard Bons and I argued that the Psalms were written in Greek. The proceedings of this conference were published in 2015.10 In my contribution I pointed out that the basis of scriptural allusions in the Psalms of Solomon, of which there are many, almost invariably reflects the text of the Septuagint. This happens even in allusions to verses whose Hebrew form could not serve the logic of the Psalm. For example, in Ps. Sol. 4:19, an allusion to Ps 52:6 is established through the use of the striking word ἀνθρωπαρέσκοι “men pleasers.” This allusion fits the theme of Ps. Sol. 4, God’s rejection of 5  Trafton, The Syriac Version of the Psalms of Solomon (1985). 6  Grant Ward, The Psalms of Solomon. A Philological Analysis of the Greek and the Syriac Texts, unpublished dissertation, Temple University, 1996. 7  See Begrich, Der Text der Psalmen Salomos, 134–135. 8  Many of these were already pointed out by Rendel Harris in his edition of the Syriac text, see J. Rendel Harris, Alphonse Mingana, The Odes and Psalms of Solomon (1916). 9  Earlier scholars who championed a Greek origin of the Psalms are Adolph Hilgenfeld in the nineteenth century and, more recently Joshua Ephron (Efron), see his “The Psalms of Solomon, the Hasmonean Decline and Christianity,” Zion 30 (1965), 1–46, and Studies on the Hasmonean period (1987). Ephron’s postulate that the Psalms were written in Greek is a consequence of his thesis that they are Christian texts. It is not argued on philological grounds. Heerak Kim has also set out from the idea that the Psalms of Solomon were originally written in Greek, but he has not provided any arguments for this approach. See Heerak Kim, Psalms of Solomon, viii. 10  Jan Joosten, Reflections on the Original Language of the Psalms of Solomon (2015).

Psalms of Solomon 8:9

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hypocrites, perfectly. The Hebrew text of Ps 53 does not speak of hypocrites and the author of Ps. Sol. 4 would hardly have selected this Psalm as an intertext if he were writing in Hebrew. I brought several examples illustrating this textual dynamic. An additional argument was made from the syntax of the Psalms of Solomon. Some of this syntax is typical of Greek but impossible in Hebrew and therefore more or less unattested in translation Greek. Notable examples include: successive nouns governing a single genitive (Ps. Sol. 14:5 ἡ μερὶς καὶ κληρονομία τοῦ θεοῦ, “the portion and the inheritance of God”), and discontinuous nominal phrases (Ps. Sol. 13:3 θηρία ἐπεδράμοσαν αὐτοῖς πονηρά, “Evil wild animals rushed upon them”). Both the use of the Septuagint in scriptural allusions and the typically Greek syntax point to composition in Greek. Eberhard Bons independently came to a similar conclusion on the basis of an in-depth study of some of the philosophical vocabulary of the Psalms.11 Notably the terms ἐκλογή and ἐξουσία as used in Ps. Sol. 9:4 in reference to free will are at once well-attested in compositional Greek and hard to translate into Hebrew: τὰ ἔργα ἡμῶν ἐν ἐκλογῇ καὶ ἐξουσίᾳ τῆς ψυχῆς ἡμῶν τοῦ ποιῆσαι δικαιοσύνην καὶ ἀδικίαν ἐν ἔργοις χειρῶν ἡμῶν Our works are in the election and power of our soul, to do righteousness or injustice in the works of our hands Bringing striking parallels from Stoic authors and Flavius Josephus, and showing that there is no Septuagintal background to the use of these two words, Bons concludes that the Psalms, though imitating Hebrew style and diction, may reflect composition, or perhaps free re-writing of a translated text, in Greek. 2.

The Accusation of Incest in Ps. Sol. 8:9

The recent argument for a Greek origin of the Psalms of Solomon potentially has interesting implications for a number of outstanding exegetical problems in this corpus. In what follows, I will explore a single passage that has to my mind not been fully understood in the exegetical literature on the Psalms of Solomon. 11  Bons, “Philosophical Vocabulary in the Psalms of Solomon: The Case of Ps. Sol. 9:4,” in The Psalms of Solomon: Language, History, Theology, 49–58.

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2.1 Ps. Sol. 8:9 In a poetic evocation of the recent conquest of Jerusalem, the Psalmist establishes that everything happened because of God’s righteous judgment: the enemy’s arrival, his peaceful entry into the city and his murderous behavior afterwards, the utter humiliation of the population of Jerusalem. In verses 9–13, he enumerates some of the sins of the Jerusalemite elite that justify God’s judgment: sexual impropriety, plunder of sanctuary, soiling of the altar, and ends with the flourish: “They left no sin, which they did not do more than the nations.” The first among the sins of sexual impropriety is incest: Ps. Sol. 8:9 ἐν καταγαίοις κρυφίοις αἱ παρανομίαι αὐτῶν ἐν παροργισμῷ· υἱὸς μετὰ μητρὸς καὶ πατὴρ μετὰ θυγατρὸς συνεφύροντο. In secret places under the earth were their transgressions of the law in provocation; they committed incest, son with mother and father with daughter. In spite of the poetic diction, the nature of the acts is sufficiently clear. The verb συμφύρω means “to knead together,” “to mix, to mingle,” and is used in sexual contexts in both the Septuagint and Greek literature.12 The translation as “to commit incest” is a free one, but it captures the global meaning of the verse. The author of the Psalms of Solomon affirms that incestuous relations recurrently happened in the holy city, and among leading groups of the Jewish people.13 Incest in Jewish Rhetoric of the Hellenistic Period 2.2 Before inquiring into the possible background of this accusation I would like to underscore how surprising it is. In Jewish literature of the Hellenistic age it is often stated that incest, however normal it may be among other nations, is foreign to Jews. According to the Letter of Aristeas, Eleazar the High Priest mentions the following point while explaining the deeper significance of the Jewish law:

12  In the Septuagint, note particularly Hos 4:14, μετὰ τῶν πορνῶν συνεφύροντο, they “were associating with whores” (NETS). Note also Jer 3:2, where the cognate ἐκφύρω is used to render Hebrew ‫“ שגל‬to rape, to violate.” 13  Although the identity of the actors is not explicitly stated, the context makes clear that leading groups, most likely priests connected to the temple, are meant.

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Arist 152 οἱ γὰρ πλείονες τῶν λοιπῶν ἀνθρώπων ἑαυτοὺς μολύνουσιν ἐπιμισγόμενοι, συντελοῦντες μεγάλην ἀδικίαν, καὶ χῶραι καὶ πόλεις ὅλαι σεμνύνονται ἐπὶ τούτοις. οὐ μόνον γὰρ προάγουσι τοὺς ἄρσενας, ἀλλὰ καὶ τεκούσας ἔτι δὲ θυγατέρας μολύνουσιν. ἡμεῖς δὲ ἀπὸ τούτων διεστάλμεθα. For most other men defile themselves by promiscuous intercourse, thereby working great iniquity, and whole countries and cities pride themselves upon such vices. For they not only have intercourse with men but they defile their own mothers and even their daughters. But we have been kept separate from such sins. Benjamin Wright in his commentary on the Letter of Aristeas defends the view that the text refers to sexual relationships with a woman and her daughter, but this is surely wrong. The Greek text clearly indicates that incestuous relation with one’s mother or one’s daughter are in view.14 The law text Eleazar alludes to is without a doubt the catalogue of forbidden relationships in Lev 18, with its parallel in Lev 20.15 The claim that Jews, unlike other nations, do not engage in incestuous relations is widespread in the Hellenistic period. Philo develops it at length in the Special Laws (3.12ff),16 and passing references are found in Flavius Josephus.17 The idea that incest is foreign to Israel also underlies exegetical writings of this period where they relate to such cases as Judah’s impregnating his daughter in law, Reuben’s lying with Bilhah, or Amnon’s rape of his sister Tamar. There is a consistent tendency to whitewash the biblical heroes. In comparison to these texts, Ps. Sol. 8:9 stands out.18 What explains this surprising claim, and what brought the author of the Psalm to make it?

14  See Wright, The Letter of Aristeas, 290. 15  The law on incest in Lev 18 and 20 does not in point of fact contain a clause forbidding intercourse with one’s daughter. But the interpretive tradition is unanimous in finding a prohibition of both daughters and mothers in these laws. 16  Loader, Philo, Josephus, 193–195. 17  Loader, Philo, Josephus, 348. 18  Loader compares Ps. Sol. 8:9 to Syb 5:390–91: “For in you mother had intercourse with child unlawfully, and daughter was joined to her begetter as bride.” The parallel is indeed striking, but the Sybilline speaks of Rome, not Judaism. See William Loader, “Not as the Gentiles”: Sexual Issues at the Interface between Judaism and Its Greco-Roman World, ” Religions 2018, 9(9), 258; https://doi.org/10.3390/rel9090258.

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2.3 Qumran and Halakha William Loader, who has written extensively on sexuality in the New Testament and its Umwelt, has argued that the literary motif in Ps. Sol. 8:9 finds close parallels in the Qumran Scrolls.19 If this were true, the motif would perhaps still need an explanation, but it would of course become less peculiar. Also, the explanation in that case should not be specific to our passage. However, the evidence from the Dead Sea Scrolls is not conclusive. It is true that two passages clearly allude to incestuous relations: 4Q387 fA:2

‫ [בערותם לקרוב איש אל שאר בשרו‬-- ]

… in their nakedness, a man approaching his blood relative … 4Q477 2 ii 8

‫וגם אוהב את שיר בשרו‬

and he also loves his blood relative (lit. the flesh of his flesh) Unfortunately, however, both passages are in fragmented contexts and it is difficult to know to what degree of incest they refer. The Damascus Document notoriously polemicizes against the practice of marrying one’s niece, a custom recommended in some Rabbinic sources. The argument in CD 5:8–11 is based on Lev 18 and the niece is held to be (indirectly) defined as ‫“ שאר‬a blood relative” in this biblical law. If 4Q477 and 4Q387 emanate from the same group as CD, or a group with similar ideas, the accusations of incest may reflect this polemic. The two passages would simply illustrate the debate around the question whether one can marry one’s niece. In that case, the Qumran data can do little to illuminate our passage in the Psalms of Solomon. While the accusation of sexual impropriety is common to the Qumran texts and Ps. Sol. 8, the specific accusation of intercourse with mothers and daughters still stands isolated in the latter. 2.4 Events Another possible approach to Ps. Sol. 8:9 is to suppose that it reflects contemporary events. This is certainly possible. Incest, unfortunately, happens. It must have happened in Israel too, as the very existence of laws against it suggests. Although nothing relevant seems to be reported from the putative 19  Loader, The Dead Sea Scrolls on Sexuality, 354–356.

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time of the Ps. Sol., the early Roman period, incestuous relations among highranking Jewish families are reported from later periods: Josephus alleges that Herod Agrippa II lived in an incestuous relationship with his sister, Berenice.20 Similar rumors of illegitimate liaisons within ruling families may have circulated around the middle of the first century BCE, and perhaps some of them were true. It seems doubtful, however, that events can explain the writing of Ps. Sol. 8:9. If events were at the root of the accusation, one would have expected more specific information: “they committed incest, son with mother and father with daughter” is about as generic an accusation as one could imagine. Note should be taken also of the use of the imperfect συνεφύροντο: it seems the author has in mind habitual processes, the leaders are “continually committing incest” with their mothers and daughters. This is hardly an accusation that reflects actual events in the time when the Psalms were composed. Nadav Sharon has argued that the crimes enumerated in Ps. Sol. 8:9–13 are subject to “religious hindsight”: the author learnt of the crimes only when God brought them to light.21 The passage says little about the mechanism by which God “exposed their sins before the sun,” but perhaps what is meant is simply that when the punishment came – Pompey’s conquest – it demonstrated the existence of sin. If this is a correct view, the nature of the sins would not necessarily be known to the Psalmist from his knowledge of contemporary affairs. 2.5 Exegesis If the accusation of first degree incest was not a current motif in the first century BCE, and if it does not reflect contemporary events, we are led to explore a different factor. I would like to suggest that the shocking phrase in Ps. Sol. 8:9 was generated literarily on the basis of an earlier text. The accusation of incest does not reflect apologetic concerns, nor halakhic disputes, but exegesis. In Ezekiel 22, the prophet directs a long tirade against Jerusalem, “the city of blood.” In this context he criticizes the leaders of Israel in the following terms: Ezek 22:6

‫ְך־דּם‬ ָ ‫יאי יִ ְשׂ ָר ֵאל ִאישׁ ִלזְ ר ֹעֹו ָהיוּ ָבְך ְל ַמ ַען ְשׁ ָפ‬ ֵ ‫ִהנֵּ ה נְ ִשׂ‬

The princes of Israel in you, everyone according to his power, have been bent on shedding blood.

20  See Loader, Philo, Josephus, 348. 21  Sharon, Judea under Roman domination, 229.

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This Hebrew text hardly suggests the idea of incest. Nevertheless the Septua­ gint translation understands the text in that way: ἰδοὺ οἱ ἀφηγούμενοι οἴκου Ισραηλ ἕκαστος πρὸς τοὺς συγγενεῖς αὐτοῦ συνανεφύροντο ἐν σοί, ὅπως ἐκχέωσιν αἷμα Behold, the leaders of the house of Israel, each with his kindred mixed in you so that they shed blood. Instead of “to his arm” the Greek has “to his kindred” and instead of the bland “they were in you” it has the highly expressive “they mingled in you.” The first variant is probably due to a different reading of the consonantal text which also underlies the MT. Instead of MT’s lizro‘o “to his arm,” the Greek translation reflects the vocalization lezar‘o “to his seed.” The “seed” was interpreted in a broad way as “family members.” The equivalence ‫ – זרע‬συγγενής is not attested elsewhere, but the closely related γένος “family” renders ‫ זרע‬in Lev 21:17; DanLXX 1:3; Esth 6:13; and four times in Jeremiah. The second variant appears to reflect interpretation on the part of the translator: the leaders’ “being” with their family members was interpreted in sexual terms. As was already hinted at above, derivations of the verb φύρω are used elsewhere in the Septuagint with sexual connotations. “To mingle” with one’s family members is to have intercourse with them. Ps. Sol. 8:9 echoes Ezek 22:6 in its Greek translation. The tell-tale sign of intertextual connection is the verb συμφύρω “to mingle.” In their editions of Ezekiel, both Ziegler and Rahlfs print the reading of the Codex Alexandrinus, συνανεφύροντο from the rare verb συναναφύρω. However, the reading συμφύροντο, derived from the verb we find in Ps. Sol., is well attested for Ezek 22:6, being found in Pap. 967, the codex Vaticanus, and many minuscules in the O and L groups. In light of this attestation, συμφύροντο may well be the older reading. But even if it is not, it may be the form of the text the author of the Ps. Sol. knew. While the verse in Ezek 22:6 only evokes “family members,” Ps. Sol 8:9 specifies that the intercourse was between “sons and mothers, fathers and daughters.” This may be simply a free variation. The author of the Ps. Sol. hardly ever quotes his intertexts verbatim. He picks up rare words or expressions in order to evoke passages from scripture, but then goes on to elaborate the motifs he has borrowed in new ways. Nevertheless, in the present case another verse in Ezek 22 may have given our author a hint. Ezek 22:10 states: αἰσχύνην πατρὸς

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ἀπεκάλυψαν ἐν σοί “the shame of a father they have uncovered in you,” a tolerably faithful rendering of the Hebrew. The expression usually refers to intercourse with a father’s wife, whether a mother or a stepmother; this may have suggested the first specification in Ps. Sol. 8:6, “sons and mothers.” The second specification, “fathers and daughters,” may have been developed to mirror the first. But it is also possible that it gives an alternative interpretation of the same expression. If the “shame of the father” is taken literally, the one who did the uncovering would naturally be the daughter. “Uncovering the shame” is something men do in the Bible, but in the Damascus Document we find it applied to a woman: “if the brother’s daughter uncovers the nakedness of the brother of her father, she is considered ‘flesh’” (CD 5:10–11). The author of the Ps. Sol. may well have approached the expression in the same way. The motif of recurrent first degree incest and the vocabulary used to express it indicate that the author of the Psalms of Solomon is drawing immediately on the older prophetic text. This could only have happened, however, if the Psalms of Solomon were composed in Greek, in conscious allusion to the Septuagint and without reference to the Hebrew source text. Such reference to the Septuagint in complete disregard of the Hebrew is indeed a constant feature of the Psalms of Solomon. 3. Conclusion How did the author of Ps. Sol. 8 come to accuse the leading classes in Jerusalem of incest? It was not because this was a talking point in his time – the official line was rather that Jews did not engage in such things. Nor was it because it was a pressing issue. In fact the author may only have learnt of the crime from the punishment with which it had been sanctioned, according to his understanding of recent events. Instead, as it seems, he found the motif in scripture. Drawing up a list of sins sufficiently heinous to explain the recent occupation of Jerusalem and the desecration of its holy temple, he found a suitable model in Ezek 22:1–17, the prophecy on the “City of Blood.” He may have taken some of the other crimes in his list from the same chapter, which mentions the profanation of holy things, theft, and adultery among other things. If so, he did not imitate the precise vocabulary of his intertext, however. Only the crime of incest is expressed partly with the same striking verb, thus establishing the intertextual connection.

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Teil 4 Das Lehrhaus des Ben Sira

„Ein Gesetz, das Mose uns geboten hat“ – eine synagogale Lesung als Hintergrund für eine Übersetzung des griechischen Buches Jesus Sirach? Frank Ueberschaer Seit dem 3. Jh. v.Chr. sind Synagogen in Ägypten als Ort des Gebets bezeugt, wie ihre Bezeichnung als προσευχή nahelegt (vgl. JIGRE 22; 117). Doch schon hier erscheint es schwer vorstellbar, dass es sich ausschließlich um einen Ort des Gebets gehandelt haben sollte, ohne dass es zur Weitergabe der religiösen Überlieferungen gekommen wäre, und so ist es sicherlich nicht nur dem Abstand von Ort und Zeit geschuldet, dass die in Jerusalem gefundene Inschrift des Theodotos aus dem 1. Jh. n.Chr. mehrere Zweckbestimmungen einer Synagoge nennt: die Verlesung der Tora (εις αναγνωσιν νομου), den Unterricht in den Geboten (εις διδαχην εντολων), die Beherbergung von Gästen (τον ξενωνα και τα δωματα) und die Zurverfügungstellung von Wasser für Waschungen (τα χρηστηρια των υδατων).1 Dabei spricht die lange Generationenfolge, auf die Theodotos für sich verweist, dafür, dass Synagogen auch in Jerusalem im 1. Jh. n.Chr. bereits eine längere Tradition gehabt haben. Vor allem aber ist an dieser Stelle wichtig, dass es sich ganz offensichtlich um einen Ort handelt, an dem Fremde zu Gast waren, denn das wiederum legt nahe, dass sich Theodotos bei seinen Zweckbestimmungen an deren Gebräuchen und Bedürfnissen orientiert hat, sodass sie möglicherweise weniger das widerspiegeln, was die Jerusalemer Einwohnerschaft von einer Synagoge erwartet hat, sondern wahrscheinlich sogar eher das, was Menschen aus der Fremde mit einer Synagoge verbunden haben. Doch auch wenn man die Zweckbestimmung der Unterkunft den spezifisch jerusalemischen Gegebenheiten als Pilgerziel zuschreiben möchte, dann heißt dies immer noch, dass Lesung und Lehre zu den zentralen Aufgaben einer Synagoge gehörten, die Menschen aus der Diaspora in ihr erwarteten. Es ist die Lehre und die Weitergabe der religiösen Tradition, die das Buch Ben Sira prägt. Verfasst zu Beginn des 2. Jh. v.Chr., wurde es aller Wahrscheinlichkeit nach noch im letzten Drittel desselben Jahrhunderts durch den Enkel des Verfassers in Ägypten ins Griechische übersetzt. Die Diasporasituation, aber auch 1  In der Inschrift bleibt zwar offen, ob das Wasser zu religiösen oder hygienischen Zwecken dient, doch liegt ersteres angesichts der Bedeutung, die die Mikwe für eine Synagoge hatte, sehr nahe. Zur Inschrift siehe auch Küchler, Jerusalem, 79f.

© Ve

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die Lebensumstände in einer Stadt, von der in der Regel angenommen wird, dass es sich dabei um Alexandria handelt, prägen erkennbar die Übersetzung (vgl. Sir 3,9). In diesem Beitrag wird eine Idee zur Diskussion gestellt, nach der es nicht nur das städtische Leben war, das die Übersetzung oder vielleicht wenigstens ihre spätere Textüberlieferung beeinflusst hat, sondern auch das Leben in einer Gemeinschaft, die von der Lesung der Tora geprägt war – und zwar von einer Lesung in griechischer Sprache. Die Idee ist angeregt worden durch die Textbeobachtungen und die intensiven Gespräche im Rahmen der Erstellung einer Textsynopse zum Buch Ben Sira, die Wolfgang Kraus mit initiiert hat und seitdem erfolgreich leitet. Dafür und für vieles andere, das die Bücher dieser Welt nicht fassen würden, sei ihm herzlich gedankt. Das Buch Jesus Sirach hat seinen deutlich erkennbaren Mittelpunkt in Kapitel 24. Das gesamte Kapitel hat seinen eigenen Duktus und folgt einem eigenen Gedankengang, der sich so konzentriert an kaum einer anderen Stelle im Buch wiederfindet und der es zudem deutlich von seinem Kontext abhebt. Es beginnt mit dem Selbstlob der Weisheit, in dem sie von ihrer Werdung über ihre Wanderung in der Welt bis hin zu ihrer Wohnungsnahme im Tempel in Jerusalem berichtet. In ausladender und umfangreicher Metaphorik preist sie sich und lädt schließlich dazu ein, sich auf sie einzulassen (V. 19.20–22). In V. 23 bricht die Rede der Weisheit plötzlich ab. Der Standpunkt wird gewechselt und eine Metaperspektive eingenommen, in der den voranstehenden VV. 1–22 gewissermaßen eine Schlussfolgerung angehängt wird. Stilistisch betrachtet, äußert sich der Verfasser des Gesamtwerkes nun unmittelbar, indem er sich durch sein auctoriales Ich zu erkennen gibt. Man ist geneigt, hier Ben Sira selber sprechen zu hören, und das allein macht die VV. 23–34 zu einem spannenden Abschnitt in diesem Buch. Doch hat Ben Wright nicht zu Unrecht vor voreiligen Identifikationen gewarnt,2 denn selbstverständlich stellt diese Ich-Perspektive für sich genommen auch ein Stilmittel dar, mit dem den Aussagen dieser Schlusspassage in Sir 24 ein besonderes Gewicht gegeben wird. Ben Wrights Warnung hat für Sir 24 aber noch über ihre allgemeine Gültigkeit hinaus insofern besonderes Gewicht, als für den gesamten Abschnitt kein hebräischer Text erhalten ist. Da dies auch für etwa ein Drittel des weiteren Textbestandes des Buches gilt, muss dies nicht weiter erstaunen, und doch ist es im Blick zu behalten, handelt es sich bei Sir 24 doch eben gerade nicht um ein reguläres Kapitel weisheitlicher Lehre, sondern um ein hohes Stück weisheitlicher Theologie, das zudem eine breite Rezeptionsgeschichte entfaltet

2  Wright, Sage as Exemplar; ders., Conflicted Boundaries, 236.

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hat, die im Neuen Testament beginnt und sich durch die Kirchengeschichte fortgesetzt hat.3 Die Beschäftigung mit Sir 24 kann sich also nur auf Übersetzungen stützen. Gleichzeitig gibt gerade das Fehlen des hebräischen Textes den Blick dafür frei, die Übersetzungen nicht nur als Übersetzungen zu verstehen, sondern auch als Texte, die ihre eigene Prägung haben und ihre eigenen Akzente setzen. Die griechische Textüberlieferung zu Sir 24,23–27 bietet: 23 Ταῦτα πάντα βίβλος διαθήκης θεοῦ ὑψίστου, νόμον ὃν ἐνετείλατο ἡμῖν Μωυσῆς κληρονομίαν συναγωγαῖς Ιακωβ, | 244 μὴ ἐκλύεσθε ἰσχύειν ἐν κυρίῳ, | κολλᾶσθε δὲ πρὸς αὐτόν, ἵνα κραταιώσῃ ὑμᾶς. | κύριος παντοκράτωρ θεὸς μόνος ἐστίν, | καὶ οὐκ ἔστιν ἔτι πλὴν αὐτοῦ σωτήρ. 25 ὁ πιμπλῶν ὡς Φισων σοφίαν καὶ ὡς Τίγρις ἐν ἡμέραις νέων, 26 ὁ ἀναπληρῶν ὡς Εὐφράτης σύνεσιν καὶ ὡς Ιορδάνης ἐν ἡμέραις θερισμοῦ, 27 ὁ ἐκφαίνων ὡς φῶς παιδείαν, ὡς Γηων ἐν ἡμέραις τρυγήτου. Ins Deutsche lässt sich V. 23 so übersetzen: Dies alles ist das Buch des Bundes des höchsten Gottes, das Gesetz, das uns geboten hat Mose, das Erbe der Gemeinde Jakob. Dabei überdeckt die Übersetzung ins Deutsche (aber auch ins Englische, wie sich an der New English Translation of the Septuagint zur Stelle sehen lässt5) eine grammatikalische Problematik, die sich allerdings in den jeweiligen Zielsprachen auch nicht anders ausdrücken lässt. Denn sowohl im Deutschen als auch im Englischen lesen sich der zweite und der dritte Stichos des Verses in Parallelstellung zum ersten, sodass „das Gesetz“ und „das Erbe“ genauso wie 3  Vgl. dazu Ueberschaer, Jesus Sirach, LXX.H 6. 4  V. 24 ist lediglich in der Lukianischen Rezension erhalten und damit dem erweiterten Texttypus Gr II zuzurechnen. 5  All these things are the book of the covenant of the Most High God, a law that Moyses commanded us, an inheritance for the gatherings of Iakob. (Sir 24,23 NETS).

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„das Buch“ als Nominative erscheinen. Doch im Unterschied zu βίβλος sind sie es nicht; vielmehr handelt es sich um Akkusative, die in dieser Übersetzung auch deshalb beinahe zwangsläufig als Nominativ gelesen werden, weil sich ein Akkusativ syntaktisch kaum anschließen lässt.6 Die Frage, wie es zu der Verwendung des Akkusativs kam, lässt sich leicht beantworten, denn bei Sir 24,23bc handelt es sich um ein wörtliches Zitat von Dtn 33,4 LXX: 2 καὶ εἶπεν Κύριος ἐκ Σινα ἥκει καὶ ἐπέφανεν ἐκ Σηιρ ἡμῖν καὶ κατέσπευσεν ἐξ ὄρους Φαραν σὺν μυριάσιν Καδης, ἐκ δεξιῶν αὐτοῦ ἄγγελοι μετ᾿ αὐτοῦ. 3 καὶ ἐφείσατο τοῦ λαοῦ αὐτοῦ, καὶ πάντες οἱ ἡγιασμένοι ὑπὸ τὰς χεῖράς σου· καὶ οὗτοι ὑπὸ σέ εἰσιν, καὶ ἐδέξατο ἀπὸ τῶν λόγων αὐτοῦ 4 νόμον, ὃν ἐνετείλατο ἡμῖν Μωυσῆς, κληρονομίαν συναγωγαῖς Ιακωβ. Deutlich erkennbar haben die Akkusative im Text von Dtn 33,4 LXX ihre angemessene syntaktische Funktion – im Unterschied zu Sir 24,23. Damit stellen sich für Sir 24 mehrere Fragen: Wie kommt es, dass in Sir 24,23 der Text aus Dtn 33,4 wörtlich zitiert wird? Warum wird er nicht an die Satzstruktur in Sir 24 angeglichen? Die Übernahme von Dtn 33,4 wäre schließlich auch ohne die Beibehaltung des Kasus erkennbar gewesen. Die einfachste Erklärung wäre, dass bereits der hebräische Text von Sir 24,23 dem in Dtn 33,4 wortgleich entsprochen hat. Davon gehen beispielsweise Patrick W. Skehan und ihm fast diskussionslos folgend Benjamin Wright

6  Rickenbacher, Weisheitsperikopen, 126f, möchte mit Verweis auf Peters, Jesus Sirach, 201–203, βίβλος διαθήκης θεοῦ ὑψίστου als Zitat aus Bar 4,1 aus dem Text entfernen und stützt sich dazu auf den lateinischen Text. Siehe dazu weiter unten. Eine Erklärung, wie es in diesem Zuge zu den Akkusativen kommt, bleibt er schuldig. Johannes Marböck schließt sich Rickenbacher in seinen Beiträgen „Gesetz und Weisheit. Zum Verständnis des Gesetzes bei Jesus Ben Sira“ (1976) und „Gottes Weisheit unter uns. Sir 24 als Beitrag zur biblischen Theologie“ (1984) diskussionslos an (ders., Gottes Weisheit, 58f.75) und ändert damit seine Position, die er noch in „Weisheit im Wandel “ vertreten hat (a.a.O., 77).

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aus.7 Ähnlichen Überlegungen folgt Markus Witte in seinem Beitrag zum „Kanon“ im Buch Ben Sira8, in dem er jedoch vorsichtiger von „Aufnahme“ spricht, auch wenn er dann ebenfalls den griechischen Text zugrunde legt und diesen auf „Ben Sira“ bezieht.9 Umfangreicher äußert er sich in seinem Beitrag zum Mosebild im Sirachbuch, in dem er jedoch die textlichen Differenzen durch „freie Wiedergabe“ oder als Akkusativ der Beziehung erklärt.10 Doch all dies lässt sich nicht verifizieren.11 Bemerkenswerterweise spielt dabei nicht nur das Fehlen des hebräischen Textes des Buches Ben Sira zur Stelle eine Rolle, sondern auch die textliche Differenz zwischen dem hebräischen Text von Dtn und seiner Septuagintaüberlieferung. Im masoretischen Text heißt es in Dtn 33,2–5: ‫אמר‬ ַ ֹ ‫וַ יּ‬ ‫יְ הוָ ה ִמ ִסּינַ י ָבּא‬ ‫וְ זָ ַרח ִמ ֵשּׂ ִעיר ָלמֹו‬ ‫ארן‬ ָ ‫הֹופ ַיע ֵמ ַהר ָפּ‬ ִ ‫אָתה ֵמ ִר ְבבֹת ק ֶֹדשׁ‬ ָ ְ‫ו‬ ִ ‫ִמ‬ )qere: ‫ימינֹו ֵא ְשׁ ָדּת ָלמֹו׃ ( ֵאשׁ ָדּת‬ ‫אַף ח ֵֹבב ַע ִמּים‬ ‫ל־קד ָֹשׁיו ְבּיָ ֶדָך‬ ְ ‫ָכּ‬ ‫וְ ֵהם ֻתּכּוּ ְל ַרגְ ֶלָך‬ ‫יִ ָשּׂא ִמ ַדּ ְבּר ֶֹתיָך׃‬ ‫ה־לנוּ מ ֶֹשׁה‬ ָ ָ‫תֹּורה ִצוּ‬ ָ ‫מֹור ָשׁה ְק ִה ַלּת יַ ֲעקֹב׃‬ ָ ‫ישׁרוּן ֶמ ֶלְך‬ ֻ ‫וַ יְ ִהי ִב‬ ‫אשׁי ָעם‬ ֵ ‫אַסּף ָר‬ ֵ ‫ְבּ ִה ְת‬ ‫יַ ַחד ִשׁ ְב ֵטי יִ ְשׂ ָר ֵאל׃‬

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7  Skehan, Structures, 374.379; Wright, Difference, 243. 8  Witte, Kanon, 49. 9  Sheppard, Wisdom, 167ff, ist vorsichtiger und spricht neutral von „the writer“. 10  Witte, Mosebild, 142f. 11  Ebensowenig die Vorschläge, den Text überhaupt zu kürzen, weil es im Buch Ben Sira keine dreistichigen Einheiten gebe (so bereits Peters, Jesus Sirach, 203, dem dann viele weitere folgen). Dabei hat Witte, Mosebild, 142, überzeugend darauf aufmerksam gemacht, dass eine solche, im Buch singuläre Struktur auch als besondere Betonung zu verstehen sein kann.

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Der Text ist nur schwer zu verstehen und damit auch nur unzureichend zu übersetzen.12 Im Vergleich zur Septuaginta13 ist für V. 4 bedeutsam, dass es sich bei V. 4a um einen Verbalsatz handelt, der keinen Anlass gibt, ihn als Fortsetzung von V. 3 zu verstehen, wie es im Griechischen durch den Akkusativ von νόμος mit anschließendem Relativsatz der Fall ist. Auch für einen solchen Relativsatz gibt es keinen Anhaltspunkt. Stattdessen erscheint V. 4 eher selbstständig und unabhängig vom Kontext. Dies spiegelt sich auch in Ausdrucksweise und Inhalt wider. So wird unvermittelt Mose eingeführt, nachdem bislang anscheinend von Gott die Rede war, der das Recht gebracht hat (V. 2). Des Weiteren ist auch die Rechtsterminologie in V. 4 von V. 2 unterschieden (‫תֹּורה‬ ָ und ‫) ָדּת‬. Zudem wird ein Sprecherplural eingeführt, der sonst nicht erscheint. Auch zum unmittelbar voranstehenden V. 3 gibt es keine wirklichen Berührungspunkte, denn dieser besteht zu großen Teilen und insbesondere am Ende aus einer Anrede eines Adressaten, wobei als Angesprochener nur Gott selber in Frage kommt, dem der Inhalt von V. 4 aber kaum gesagt werden muss. Schwieriger zu klären ist das Verhältnis zu V. 5. Der Narrativ weist V. 5 als Fortführung eines Gedankengangs aus – die Frage ist nur, ob dieser aus V. 2–3 oder aus V. 4 stammt. Beides ist möglich und hat jeweils weit reichende Konsequenzen. So schließt V. 5 unmittelbar und passend an VV. 2–3 an, gerade wenn man diese gesamthaft als Herrschaftsproklamation Gottes versteht,14 während V. 4 demgegenüber eher als Störfaktor wirkt, der eine Referenz einfügt, die sonst im Text keine Bedeutung hat. Andererseits kann V. 5 auch als Fortsetzung von V. 4 verstanden werden, durch die hier Mose in königlicher Funktion in Israel dargestellt wird, wobei es sich im Verhältnis zu VV. 2–3 entweder um eine nachträgliche Korrektur oder um eine weiterführende Konkretisierung handelt, agieren schließlich auch die Recht setzenden Könige des Alten Orients im Auftrag ihrer Götter. 12  Es gibt viele Gliederungsversuche und eine ebenso große Zahl an Vorschlägen, den Text redaktionsgeschichtlich zu erklären (vgl. dazu knapp zusammengefasst Otto, Deuteronomium, 2225–2229. Eckard Otto selber hat den Text in einer konzentrischen Struktur zu verstehen versucht. Im Zentrum sieht er V. 3, der die Herrschaft Gottes und die Selbstunterwerfung der Heiligen zum Ausdruck bringe. Darum lege sich der erste Ring aus V. 2b.4. V. 2b sage, Gott habe sein Gesetz an seiner Seite, und V. 4 enthalte die Verpflichtung der Adressaten auf die Tora durch Mose, die nun in deren Besitz als Versammlung übergehe. Der zweite Ring bestehe aus V. 2a und V. 5, von denen V. 2a die Theophanie darstelle und V. 5 die Königsherrschaft Gottes zum Ausdruck bringe (Otto, Deuteronomium, 2221f). 13  Es gibt keine Textbezeugung in Qumran und die Abweichungen zum samaritanischen Pentateuch haben für die vorliegende Frage keine Bedeutung, sodass mit der masoretischen Version als hebräischer Textfassung weitergearbeitet wird. 14  Vgl. Otto, Deuteronomium, 2221.

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Innerhalb von V. 4 kommt hinzu, dass seine zweite Vershälfte Schwierigkeiten aufwirft. Für den hebräischen Text ist dabei deutlich, dass es sich bei V. 4b um einen Nominalsatz handelt, in dem sich zwei Glieder auf gleicher Ebene gegenüber stehen. Dabei weist der seltene Ausdruck ‫קהלה‬, der neben Dtn 33,4 nur noch in Neh 5,7 und Sir 7,7 erscheint, auf einen späten Sprachkontext hin. Dieser Hinweis ist insofern wichtig, als er die Bedeutung des Wortes ‫מֹור ָשׁה‬ ָ erklären kann. Denn ‫מֹור ָשׁה‬ ָ bezeichnet im Hebräisch der kanonischen Schriften des Alten Testaments den Besitz und das Besitztum,15 in späteren Zeiten jedoch das Erbe, dem auch ein verpflichtender Charakter inhärent sein kann, wie die Debatte in bSanh 59a zur Tora als Verpflichtung für Jüdinnen und Juden gerade unter Verweis auf Dtn 33,4 MT zeigt. V. 4 weist damit alle Anzeichen eines späten Zusatzes auf und würde demnach lauten: Die Tora hat uns Mose geboten, ein (verpflichtendes) Erbe ist die Versammlung Jakobs. Dabei würde die Verpflichtung nach Dtn 33,4 MT im Unterschied zur rabbinischen Diskussion in bSanh 59a weniger in der Tora selber bestehen, sondern vielmehr in der Zugehörigkeit zur „Versammlung Jakobs“. Jede alternative Deutung setzt, wie die Kommentarliteratur zeigt, einen Eingriff in den Text voraus: In der Regel wird ein ‫ ל‬ergänzt, wie es auch die Septuagintaübersetzung vorauszusetzen scheint;16 allenfalls könnte ‫מֹור ָשׁה‬ ָ in einen status constructus verändert werden.17 In jedem Fall jedoch erweist sich V. 4 als kaum zum ursprünglichen Textbestand von Dtn 33 gehörig, sondern vielmehr als ein später, kommentierender Zusatz, der an dieser Stelle die Tora als das Gesetz einführt, das letztlich in Gottes Hand gewesen sei (V. 2).18 Für die Septuagintaübersetzer hat all dies kaum eine Rolle gespielt. Es sensibilisiert aber für die sprachlichen und literarischen Probleme, vor denen sie standen, denn es ist kaum anzunehmen, dass sie eine andere Textüberlieferung vor Augen hatten. So haben sie sich dafür entschieden, in den Text einzugreifen und ihm einen Sinn zu verleihen, der ihnen angemessen erschien. Im Ergebnis haben sie V. 4 vollständig in den Text integriert, indem sie ihm eine neue syntaktische Struktur gegeben haben. 15  Gesenius18, 648, mit Verweis auf Ex 6,8; Ez 11,15; 25,4.10; 33,24, aber auch auf Dtn 33,4. 16  Vgl. bspw. Otto, Deuteronomium, 2212.2215, und für Sir 24,23 Schreiner, Jesus Sirach, 132, worauf er auch seine Interpretation stützt. 17  Rose, 5.Mose, 575.578, setzt thetisch einen anderen Text voraus und übersetzt diesen. 18  Zu einer ähnlichen Überlegung kommt auch Nielsen, Deuteronomium, 294.299, der daraus jedoch eine Textumstellung von V. 4b in V. 5 hinein ableitet und V. 4a ausscheidet.

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Sollte Ben Sira aber nun in Sir 24,23 ebenfalls ein Zitat aus Dtn 33,4 aufgenommen haben? Dazu müsste sich an den Einleitungssatz, der möglicherweise ‫ כל אלה ספר ברית אל עליון‬gelautet haben könnte, der Text von Dtn 33,4 unmittelbar sinnvoll anschließen. Auch wenn dies aus inhaltlichen Gründen möglich erscheint,19 würde Dtn 33,4 jedoch die innere Textstruktur von Sir 24,23 erheblich stören. So erscheint es kaum plausibel, dass sich ein Verbalsatz unverbunden an V. 23a anschließen sollte, zumal es sich bei V. 23c wieder um einen Nominalsatz handelt.20 Dennoch scheint ein Text in der Art von Dtn 33,4 fester Bestandteil der Überlieferung von Kap. 24 gewesen zu sein. Dafür spricht die PeschittaÜberlieferung, in der V. 23 lautet:

̈ ‫ܟܬܝܒܢ ܂‬ ‫ܗܠܝܢ ܟܠܗܝܢ ܒܣܦܪܐ ܕܩܝܡܗ ܕܡܪܝܐ‬ ‫ܢܡܘܣܐ ܕܦܩܕܢ ܡܘܫܐ ܂‬ ‫ܝܘܪܬܢܐ ܗܘ ܠܟܢܘܫܬܗ ܕܝܥܩܘܒ ܂‬ Diese (Dinge) alle sind im Buch des Bundes des Herrn geschrieben. Das Gesetz, das uns Mose geboten hat: ein Erbe ist es für die Gemeinde Jakob. Bereits auf den ersten Blick ist zu erkennen, dass die Peschitta fast den gleichen Text wie die Septuaginta bietet. Bemerkenswert ist jedoch der Unterschied, dass sie im ersten Stichos „all diese (Dinge)“ nicht auf die Tora an sich bezieht, sondern auf deren Inhalt, der geschrieben ist im Buch der Tora. Der Tora wird auf diese Weise die fast hypostasenartige Natur genommen, die sie durch die Gleichsetzung mit der Weisheit und ihrer Rede im griechischen Text erhält, und bleibt damit ein Buch. Im weiteren Verlauf entspricht dann der Peschittatext dem Septuagintatext weitestgehend. Dieses Wechselspiel von Nähe und Distanz spricht zum einen dafür, dass die Peschittatradition als von der Septuagintatradition unabhängig zu verstehen ist. Andererseits macht ihre Bezeugung der Stichen b und c nicht nur deren Existenz auch im hebräischen Text von Sir plausibel, sondern legt auch nahe, dass dieser Text tatsächlich eine Grundstruktur hatte, wie ihn der syrische und 19  Rickenbachers Hinweis, dass Ben Sira sonst nicht von einem „Bundesbuch“ spricht (ders., Weisheitsperikopen, 127), ist zutreffend, doch findet sich im Buch auch nichts Vergleichbares mit der Komposition Sir 24. 20  Die Behauptung Sheppards, dass Sir 24,23 H den Text aus Dtn 33,4 MT (!) wörtlich zitiere (ders., Hermeneutical Construct, 101), ist demgegenüber auch nach seiner Analyse (a.a.O., 63–66) nicht nachvollziehbar.

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der griechische Text übereinstimmend bezeugen, was letztlich gegen die Annahme einer „masoretischen“ Lesart im hebräischen Text von Sir 24 spricht. Dabei lässt sich für die Peschitta eine Übernahme aus Dtn 33,4 ausschließen, denn es gibt keine Übereinstimmung in der Übersetzung von Sir 24,23bc P mit dem Text von Dtn 33,4 P. Letztere lautet:

‫ܢܡܘܣܐ ܐܫܠܡ ܠܢ ܡܘܫܐ‬ ‫ܘܝܗܒܗ ܝܘܪܬܢܐ ܠܟܢܘܫܬܗ ܕܝܥܩܘܒ‬ Ein Gesetz übergab uns Mose, und er gab es als Erbe der Versammlung Jakobs. Dabei entspricht Dtn 33,4a P wörtlich dem masoretischen Text, während in V. 4b zum einen das Verb ‫ ܘܝܗܒܗ‬ad sensum ergänzt wird und zum anderen eine Satzstruktur geschaffen wird, die nicht an den masoretischen Text, sondern eher an die Septuaginta erinnert. Dennoch ist die Peschitta in Dtn 33 als von der Septuaginta unabhängige Übersetzung zu sehen. Darauf weist gerade die Ergänzung des Verbs in V. 4b hin, mit dem sie sich von der Septuaginta markant unterscheidet. Es handelt sich also eher um zwei Übersetzungen, die unabhängig voneinander versuchten, dem schwierigen Text von Dtn 33 einen Sinn zu geben. Für die syrische Version von Sir 24,23 ist jedenfalls festzuhalten, dass deren Übersetzer Dtn 33 nicht im Blick hatten, weil sie jeden Anklang daran vermissen lassen. So wird ‫ ܦܩܕ‬statt ‫ ܐܫܠܡ‬verwendet und die 1. Person Plural mit einem Suffix statt mit ‫ ܠܢ‬wiedergegeben. Diese Eigenständigkeit ist deshalb bedeutsam, weil damit eine ähnliche grammatikalische Auffälligkeit wie in der griechischen Version von Sir 24,23 ausgeschlossen werden kann, auch wenn sich im Syrischen der Kasus nicht unmittelbar aus der Nominalform erheben lässt. Im Textzusammenhang der Peschitta von Sir 24 erscheint V. 23b stattdessen eher als Nachsatz zu V. 23a, während es sich bei V. 23c durch ‫ ܗܘ‬um einen eigenständigen Satz handelt. Einen ganz eigenen Weg geht die lateinische Version von Sir 24,23: 32 haec omnia liber vitae testamentum Altissimi et agnitio veritatis 33 legem mandavit Moses in praeceptis iustitiarum et hereditatem domui Iacob et Israhel promissionis 32 Dies alles ist das Buch des Lebens, der Bund des Höchsten und die Erkenntnis der Wahrheit.

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33 Ein Gesetz hat Mose geboten in den Vorschriften für die Taten der Gerechtigkeiten, sowohl ein Erbe für das Haus Jakob als auch für das Israel der Verheißung. Die Ergänzung „Israhel promissionis“ gibt die christliche Hand des Übersetzers zu erkennen. Damit stellt sich dann allerdings auch die Frage, inwieweit den weiteren Differenzen zu den anderen Überlieferungen textkritischer Wert im Blick auf die Frage nach einem hebräischen Text von Sir 24,23 zukommt. So sind wohl auch die Wendungen „et agnitio veritatis“ und „in praeceptis iustitiarum“, mit der die lateinische Überlieferung allein den anderen gegenüber steht, als bewusste Überarbeitung und Akzentsetzung zu verstehen. Deutlich ist in der lateinischen Tradition allerdings auch, dass kein Anklang an Dtn 33,4 besteht, der zwar in der Vetus Latina und in der Vulgata unterschiedlich, aber in beiden Fällen auch anders als in Sir 24,32f L bezeugt ist: VL: et accepit de verbis ipsius legem, quam mandavit nobis Moyses, haereditatem congregationibus Jacob. Vg: legem praecepit nobis Moses hereditatem multitudinis Iacob Bereits auf den ersten Blick erkennbar spiegelt sich in den beiden lateinischen Versionen von Dtn 33,4 die Differenz zwischen dem masoretischen Text und der Septuaginta wider. Für Sir 24,23 ist aber vor allem bemerkenswert, dass die lateinische Tradition dieses Verses – bei allen Unterschieden zu den anderen Versionen – in ihrer Satzstruktur dem Text von Dtn 33,4 MT nahe steht, auch wenn es sich ganz offensichtlich nicht um eine Übernahme aus dessen lateinischen Übersetzungen handelt.21 Wenn sie jedoch nicht von diesen, aber eben auch nicht von Sir 24,23 G (und P) stammt, stellt sich jedoch die Frage, wie es zu diesem Satzbau kommt. Sollte er in seiner Grundstruktur den hebräischen Text von Sir 24,23 bewahrt haben und damit darauf hinweisen, dass dieser eben doch mit Dtn 33,4 übereinstimmt? 21  Die Auslassung von ‫ ָלנּו‬bzw. ἡμῖν lässt sich wohl am besten damit erklären, dass es durch die umfangreichen Überarbeitungen weggefallen ist. Der Grund dafür dürfte nur auf den ersten Blick banal sein, denn es ist wohl zu vermuten, dass dahinter letztlich die Einsicht stand, dass die Tora aus christlicher Perspektive eben gerade nicht „uns“ gegeben ist. So beweist der Übersetzer gerade in seiner Vereinnahmung des Textes eine hohe Sensibilität dafür, dass die nicht-neutestamentlichen Schriften jüdische Schriften sind.

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Es ist allerdings die lateinische Texttradition selber, die gegen diese Annahme spricht. Sie bietet nach V. 33 einen weiteren Vers, der in keiner der weiteren Überlieferungen enthalten ist, nicht einmal in der Gr II-Texttradition: 34 posuit David puero suo excitare regem ex ipso fortissimum in throno honoris sedentem in sempiternum Er setzte für seinen Knecht David fest, dass er aus ihm den stärksten König aufrichte, der auf dem Thron der Ehre auf immer sitze. Das logische Subjekt in V. 34 kann dem Zusammenhang nach nur Mose sein (V. 33), was sofort die Frage aufwirft, an welche konkrete Textstelle innerhalb der Tora der Verfasser gedacht haben mag. Doch steckt man den Rahmen weiter und setzt beim lateinischen Übersetzer ein gesamtbiblisch-kanonisches Verständnis voraus – und berücksichtigt zudem seine christliche Prägung –, dann lässt sich zum einen auch an biblische Texte außerhalb der Tora denken (bspw. 2Sam 7) und zum zweiten an einen anderen als rex fortissimus Verheißenen als Salomo: Jesus Christus. Die Sequenz von VV. 32–34 wäre dann nichts anderes als eine gesamtbiblische Theologie in nuce, nach der es sich bei der Heiligen Schrift um das „Buch des Lebens“ handelt, in dem sich die Weisheit ausspricht – die in der christlichen Tradition ohnehin auf Jesus Christus hin interpretiert worden ist22 –, aus dem heraus ethische Maßgaben hervorgehen, aber eben auch die Verheißung, ja geradezu die Festsetzung der Existenz eines alles überragenden Königs. Dieser wird nun nach V. 35ff L die Weisheit und den Verstand erfüllen sowie seine Lehre senden, hat er sie doch als erster erkannt (V. 38 L). Die lateinische Texttradition erweist sich damit eher als theologische Interpretation denn als Zeugin eines Ben Sira-Textes.23 Gleichzeitig bietet sie ein Verständnis für die nachfolgenden Verse, die im Griechischen ein unlösbares Problem darstellen. Denn in der griechischen Version setzt der Text in Sir 24,25–27 mit einer Reihe von Partizipien fort: 25 ὁ πιμπλῶν ὡς Φισων σοφίαν καὶ ὡς Τίγρις ἐν ἡμέραις νέων, 22  Ueberschaer, Jesus Sirach, LXX.H 6. 23  Peters und Rickenbachers Überlegungen zur Abhängigkeit der Peschitta vom griechischen Text von Sir 24,23 sind damit widerlegt (vgl. Rickenbacher, Weisheitsperikopen, 127, der zudem auf Peters, Jesus Sirach, 202f, verweist, der dies jedoch nicht so explizit sagt).

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26 ὁ ἀναπληρῶν ὡς Εὐφράτης σύνεσιν καὶ ὡς Ιορδάνης ἐν ἡμέραις θερισμοῦ, 27 ὁ ἐκφαίνων ὡς φῶς παιδείαν, ὡς Γηων ἐν ἡμέραις τρυγήτου. Die Partizipien stehen im Nominativ Singular Maskulinum, was die Frage aufwirft, auf wen oder was sie sich beziehen. Denn auf das Buch – βίβλος – können sie sich nicht beziehen, da dieses im Griechischen feminin ist.24 V. 23 bietet nun drei Möglichkeiten der Anbindung: 1. der höchste Gott (θεός ὑψίστος), 2. die Tora (ὁ νόμος) und 3. Mose. Letzterer erscheint unwahrscheinlich, ist aber insofern in Betracht zu ziehen, als er nach seiner prominenten Einführung hier nun mit seiner Botschaft gleichsam verschmolzen sein könnte. Dann aber wäre der Unterschied zwischen Mose und der Tora wiederum marginal, sodass sich die Frage stellt, wer hier nun erfüllt, anfüllt und leuchten lässt: Gott oder die Tora? Ein Seitenblick in die Peschitta weitet den Horizont sogar noch aus. Auch sie formuliert diese Sätze mit Partizipien im Maskulinum. Als Anschlussmöglichkeiten bietet sie neben Gott, Mose und der Tora auch das Erbe und vor allem das Buch des Bundes an, denn ‫ ܣܦܪܐ‬ist maskulin. Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass die VV. 25–27 mit einem ‫ ܕ‬eingeleitet werden. Ein solches ‫ ܕ‬kann viele Funktionen erfüllen; hier liegt es nahe, es als Doppelpunkt zu verstehen. Dann jedoch können sich die VV. 25–27 auch auf den gesamten V. 23 beziehen, der seine Gesamtaussage und theologische Einsicht erfüllt, anfüllt und leuchten lässt. Zugleich ist zu sehen, dass die VV. 26–27 P Partizipien im Femininum bieten; vor dem Hintergrund des Gesamtkapitels und der darin enthaltenen Rede der Weisheit deutet dies an, dass der Bogen noch über V. 23 hinaus nach vorne zu ziehen ist und führt auch die Weisheit als Akteurin ein. Der Text wird schillernd und scheint bewusst mit den Bezugspunkten zu spielen bzw. lässt sie verschwimmen, sodass alle genannten Möglichkeiten in eins fallen und ineinander aufgehen, weil sie letztlich alle dasselbe repräsentieren. Dabei handelt es sich jedoch um eine syrische Akzentsetzung, denn dies hat keinen Widerhall in den anderen Sprachtraditionen. So bleibt die Frage: Gott oder die Tora? Beide spielen in Ben Siras Denken eine zentrale Rolle: Die Tora hat eine bedeutende Funktion in seinem Erziehungsdenken, wie beispielsweise Sir 1,26; 33,2; 39,1 zeigen. Aber auch Gott 24  Dieser Aspekt wird wohl angesichts der Endung von βίβλος oft übersehen; vgl. stellvertretend Skehan / Di Lella, Ben Sira, 329, die Tora hier sogar als Geist verstehen möchten (a.a.O., 336); Sauer, Jesus Sirach / Ben Sira, 178, der den Bezug in der Übersetzung sogar explizit herstellt, auch wenn er im Kommentar allgemein von „Gesetz“ spricht (a.a.O., 184).

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hat seine Rolle in Ben Siras Vorstellung eines Bildungsprozesses, wie in Sir 1,9f. programmatisch am Buchbeginn zum Ausdruck gebracht wird (vgl. darüber hinaus Sir 18,14; 39,6; 1,26). Dabei ist Rickenbachers Beobachtung bedenkenswert, dass die Tora niemals aktiv erscheint,25 sodass wohl auch hier von Gott als dem Handelnden gesprochen würde. Gleichzeitig ist die Vielschichtigkeit des Denkens Ben Siras zu beachten sowie der Umstand, dass es sich bei den VV. 25–27 G um eine Übersetzung handelt.26 So ist auch zu bedenken, dass die Frage unter Umständen gar nicht beantwortet werden soll, sondern das Schillern und Changieren zwischen Gott, der Tora und der Weisheit, die die Peschitta durchaus im Sinne des Textes ebenfalls als Akteurin explizit macht, ineinanderfließen, um schließlich auf Ben Siras eigene Lehre zuzuführen, denn darin besteht trotz der exponierten Position, die V. 23 einnimmt, letztlich der Fluchtpunkt des Gesamtkapitels, wie die VV. 30–33 sehr deutlich zum Ausdruck bringen. Abschließend noch einmal zum griechischen Text von Sir 24,23bc. Der synoptische Vergleich der verschiedenen Versionen dieses Verses hat wahrscheinlich gemacht, dass der hebräische Text von Sir 24,23 in seinem Satzbau ähnlich strukturiert war wie die Überlieferungen der Peschitta und der griechischen Version. Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass außer der griechischen keine weitere Texttradition einen Anschluss an Dtn 33,4 sucht. Im Blick auf das Lebensthema des Jubilars regt diese Besonderheit des griechischen Textes zu einer These an, die sich ebensowenig entscheiden bzw. belegen lässt wie die eben genannte Frage nach dem handelnden Subjekt in VV. 25–27: Vielleicht lässt sich die exakte Übereinstimmung von Sir 24,23bc G mit Dtn 33,4 LXX damit erklären, dass der Übersetzer während seines Übersetzungsprozesses von Sir 24 (oder auch ein Kopist beim Abschreiben des Kapitels) den Text von Dtn 33 im Ohr hatte, sei es, dass er ihn im Gottesdienst als Toralesung gehört oder als Studientext bearbeitet hat. In die religionsgeschichtliche Landschaft Ägyptens würde es jedenfalls gut passen, denn genau dafür ist die Tora ja ins Griechische übersetzt worden; und dass sie als Wörterbuch gedient hat, ist ebenfalls belegt. Sollte dies stimmen, dann wäre das griechische Buch Jesus Sirach mit der Synagoge mindestens ebenso eng zusammengehörig, wie sich der Verfasser des hebräischen Buches Ben Sira mit dem Tempel verbunden gefühlt hat.

25  Rickenbacher, Weisheitsperikopen, 128. 26  Diesen Aspekt vernachlässigt Rickenbacher in seinen Überlegungen.

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Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Bildungsideal des Jesus Sirach in der griechischen und syrischen Fassung von Sir 39,1–11 Burkard M. Zapff Jeder, der einen Text aus dem Buch Jesus Sirach interpretieren will, steht vor der grundsätzlichen Frage, auf welcher Textgrundlage er dies tun will1. Zwar haben die Funde verschiedener mittelalterlicher hebräischer Textfragmente des Sirach aus der Geniza in Kairo, welche durch antike Textfragmente aus Qumran und Masada ergänzt wurden, die Situation scheinbar vereinfacht, doch zeigen auch die hebräischen Textfragmente an den Stellen, wo zu einem Kapitel zwei oder drei Fragmente vorliegen, z.T. nicht unerhebliche Abweichungen, welche auf nachträgliche Ergänzungen und Fortschreibungen hinweisen2. D.h. auch die hebräischen Textfragmente sind nicht unbedingt Garant einer älteren oder gar der ursprünglichen Lesart des Jesus Sirach. Das Problem verschärft sich noch für das Drittel des Textbestandes, von dem lediglich eine griechische und syrische Textfassung erhalten ist. Hier davon auszugehen, dass die griechische Textfassung etwa gegenüber der syrischen Version die authentischere, i.S. einer der hebräischen Urfassung näherstehenden Fassung ist, und daher als Textgrundlage für die Interpretation heranzuziehen ist, bleibt ein gewagtes Unterfangen. Dass die griechische Fassung eine ursprünglichere hebräische Version widerspiegelt, ist allenfalls in den Fällen anzunehmen, in welchen die syrische Fassung mit der griechischen Fassung gegen die hebräischen Textfragmente übereinstimmt. Aber auch dieses gelegentlich anzutreffende Phänomen, lässt sich auf zweifache Weise erklären; entweder als gemeinsame Abhängigkeit der griechischen und syrischen Version von einer (älteren) hebräischen Textvorlage, die sich von den heute 1  Die Mehrzahl der bisherigen Kommentare zum Buch Jesus Sirach interpretieren dies meistens auf der Basis eines hypothetisch hergestellten „Urtextes“, so z.B. Skehan, / di Lella, Wisdom oder Zapff, Sirach auf Grundlage des Textes der Einheitsübersetzung von 1980, während etwa Marböck seinen Kommentar auf der Basis des griechischen Textes verfasst hat, da dieser den ältesten vollständigen Text des Sirachbuches bietet, welcher in der (katholischen) Kirche kanonischen Rang gewonnen hat, vgl. Marböck, Jesus Sirach, 24–26. 2  Ein Beispiel findet sich etwa in Sir 32,12–33,8, wo der hebräische Text von drei mittelalterlichen Fragmenten bezeugt wird (Ms B, Ms E und Ms F) und dabei gerade Ms B immer wieder Varianten und Abweichungen aufweist; vgl. die synoptische Zusammenstellung bei Beentjes, Book.

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vorliegenden hebräischen Manuskripten unterschied, oder als eine Abhängigkeit der syrischen von der griechischen Fassung. Diese, hier in aller Kürze skizzierten, sehr komplexen Textverhältnisse, sucht die sich derzeit in Erarbeitung befindliche Synopse der syrischen, hebräischen und griechischen Versionen des Sirachbuches, verbunden mit einer deutschen Übersetzung, abzubilden3. Deren Erstellung hat ja der mit dieser Festschrift zu ehrende Jubilar maßgeblich initiiert. Dabei lässt der direkte Vergleich der verschiedenen Fassungen des Sirachbuches nicht nur verschiedene Hypothesen zu möglichen Abhängigkeiten und damit der Genese der verschiedenen Sprachfassungen zu. Sondern es wird, was mindestens ebenso wichtig ist, aufgrund des direkten Vergleichs auch zu Rückschlüssen bezüglich der Aussagegestalt und der damit verbundenen Hermeneutik der einzelnen Sprachversionen des Sirachbuches angeleitet. Denn offensichtlich intendierten die Übersetzungen des Sirachbuches nicht lediglich eine möglichst getreue Wiedergabe eines, in welcher Form auch immer vorliegenden Urtextes – ein Vorhaben, wie dies bei modernen Übersetzungen üblich ist –, sondern legten eigene Schwerpunkte und Akzentuierungen4. Diese führen zu der m.E. unausweichlichen Schlussfolgerung, dass eine künftige Kommentierung des Sirachbuches sich weniger in Spekulationen über Gestalt und Aussage eines möglichen hebräischen Urtextes verlieren, als vielmehr die einzelne Sprachversion als solche im Vergleich mit den anderen Sprachversionen würdigen sollte. Zu vermeiden ist in jedem Fall der in der älteren Forschung betriebene Versuch, einen Urtext herzustellen, der meistens eine Art Mischtext ist, bei dem im Fall der fehlenden hebräischen Fragmente zunächst eine Rückübersetzung des griechischen Textes vorgenommen und bei Bedarf – z.B. wenn die Semantik zu stark griechisches Denken offenbart – die syrische Fassung als genuin semitische Version herangezogen wurde5. Ein solches Vorgehen6, also die Würdigung und Interpretation der jeweiligen Sprachfassung, soll in diesem Aufsatz anhand von Sir 38,34–39,11 verfolgt werden, einem Text, der sich mit dem Bildungsideal Sirachs beschäftigt und der deshalb besonders geeignet erscheint, sich in das Thema der vorliegenden Festschrift einzufügen. Sir 38,34–39,11 ist dabei nur in 3  Informationen zum Projekt: www.sirach-synopse.uni-saarland.de 4  Insofern ist das Verdikt bei Smend, Weisheit, CXXXVII, zu relativieren, wenn er schreibt: „Die Uebersetzung des Sirach ist wohl das schlechteste Uebersetzungswerk der syrischen Bibel. […] Es steht trotzdem fest, dass der Uebersetzer vielfach nachlässig und leichtfertig gearbeitet hat.“. 5  Dies mindert freilich nicht das Verdienst, das sich etwa Segal durch den Versuch seiner hebräischen Rückübersetzung erworben hat, vgl. Segal, ‫סירא‬, 1953/19974. 6  In ähnlicher Weise habe ich dieses Vorgehen bereits in einer jüngst erschienenen Publikation erprobt; vgl. Zapff, Akzentuierungen, 423–440.

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griechischer, syrischer und lateinischer Sprache überliefert, wobei das Augenmerk vor allem auf den beiden zuerst genannten Sprachfassungen liegen soll. In folgenden drei Schritten soll der Text interpretiert werden. Nach einer Übersetzung beider Textfassungen und verschiedenen textkritischen Anmerkungen wird versucht, beide Texte zu gliedern, um ihrem je eigenen Aussageduktus zu folgen. Dabei wird das Augenmerk vor allem auf Stichwortbeziehungen und inhaltliche Akzentuierungen gelegt. In einem dritten Schritt schließlich soll ein direkter Vergleich beider Textfassungen erfolgen, um gerade im Gegenüber beider Textfassungen die spezifische Aussagegestalt zu erheben und möglicherweise Rückschlüsse bezüglich des sich hier niederschlagenden, unterschiedlichen Bildungsideals zu treffen, das sich u.U. der Intention des jeweiligen Übersetzers verdankt. 1.

Der Text Sir 39,1–11

38,34b.c πλὴν τοῦ ἐπιδιδόντος τὴν ψυχὴν αὐτοῦ καὶ διανοουμένου ἐν νόμῳ ὑψίστου, σοφίαν πάντων ἀρχαίωνa ἐκζητήσει καὶ ἐν προφητείαις ἀσχοληθήσεται, 1G  Anders der, der seine Seele hingibt und über das Gesetz des Höchsten nachsinnt, die Weisheit aller Alten erforscht er, und mit Prophezeiungen beschäftigt er sich, ̈ ̈ ‫ܘܠܡܣܬܟܠܘ ܢܡܘܣܐ‬: ‫ܒܪܡ ܗܘ ܕܝܗܒ ܢܦܫܗ ܠܡܕܚܠ ܠܐܠܗܐ‬ 1S .‫ܕܚܝܐ‬.

̈ ̈ ‫ܢܒܝܐ ܩܕܡ ̈ܝܐ‬ ‫ܘܠܘܬ‬. ‫ܩܕܡܝܐ ܢܒܥܐ‬ ‫ܐܝܟ ܚܟܡܬܐ ܕܟܠܗܘܢ‬ .‫ܢܬܦܢܐ‬

Jedoch der, der seine Seele hingibt, um Gott zu fürchten und das Gesetz des Lebens zu verstehen.  Ebenso erforscht er die Weisheit aller Früheren und den früheren Propheten wendet er sich zu. 2G διήγησιν ἀνδρῶν ὀνομαστῶν συντηρήσει καὶ ἐν στροφαῖς παραβολῶν συνεισελεύσεται, Die Erzählung namhafter Männer bewahrt er und in die Wendungen (Strophen) von Gleichnissen tritt er ein. ̈ ̈ 2S ‫ܘܕܥܡܝܩܢ ܢܬܚܫܒ‬ .‫ܘܫܘܥܝܬܐ ܕܟܠ ܐܢܫܐ ܕܥܠܡܐ ܢܐܠܦ‬ Und die Erzählungen aller Menschen der Welt lernt er. Und das, was tief ista, erwägt er. 3G ἀπόκρυφα παροιμιῶν ἐκζητήσει καὶ ἐν αἰνίγμασι παραβολῶν ἀναστραφήσεται. Verborgenes von Sprichworten erforscht er und mit Rätseln von Gleichnissen beschäftigt er sich.

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̈

̈ ‫ܚܟܡܬܐ‬ 3S .‫ ܘܒܟܠ ܣܬܝܖܬܐ ܢܣܬܟܠ‬. ‫ܕܡܬܠܐ ܢܐܠܦ‬ Die Weisheit von Sprichworten lernt er. Und in allem Verborgenem ist er verständig. 4G ἀνὰ μέσον μεγιστάνων ὑπηρετήσει καὶ ἔναντι ἡγουμένων ὀφθήσεται ˙ ἐν γῇ ἀλλοτρίων ἐθνῶν διελεύσεται, ἀγαθὰ γὰρ καὶ κακὰ ἐν ἀνθρώποις ἐπείρασεν. Inmitten von Großen dient er, und vor Fürsten erscheint er, das Land fremder Völker durchzieht er, denn Gutes und Schlechtes hat er bei Menschen erprobt. ̈ ‫ ܘܒܝܢܬ ̈ܡܠܟܐ‬.‫ܫܠܝܛܢܐ ܢܗܠܟ‬ ̈ ̈ ‫ܘܒܝܢܬ‬ 4S  ‫ܒܡܕܝܢܬܐ‬ .‫ܘܖܘܪܒܢܐ ܢܫܡܫ‬ .‫ ܛܒ ܘܒܝܫ ܒܐܢܫܐ ܢܟܣܐ‬.‫ܕܥܠܡܐ ܢܗܠܟ‬

Und inmitten von Herrschern geht er einher, und inmitten von Königen und Großen dient er; in den Städten der Welt geht er einher, Gutes und Böses bedeckta er bei Menschenb. 5G τὴν καρδίαν αὐτοῦ ἐπιδώσει ὀρθρίσαι πρὸς κύριον τὸν ποιήσαντα αὐτὸν καὶ ἔναντι ὑψίστου δεηθήσεται˙ καὶ ἀνοίξει στόμα αὐτοῦ ἐν προσευχῇ καὶ περὶ τῶν ἁμαρτιῶν αὐτοῦ δεηθήσεται.  Sein Herz gibt er hin früh aufzustehen, hin zum Herrn seinen Schöpfer und vor dem Höchsten bittet er, und öffnet seinen Mund im Gebet und wegen seiner Sünden bittet er. ̈ 5S ‫ ܘܢܦܬܚ‬. ‫ ܘܡܢ ܩܕܡ ܐܠܗܐ ܢܒܥܐ ܖܚܡܐ‬. ‫ܘܒܠܒܗ ܢܣܝܡ ܠܡܨܠܝܘ‬

̈ .‫ܚܛܗܘܗܝ ܢܒܥܐ ܛܒܬܐ‬ ‫ ܘܥܠ‬. ‫ܦܘܡܗ ܒܨܠܘܬܗ‬

Und sein Herz legt er darauf zu beten und von Gott erfleht er Barmher­ zigkeit unda er öffnet seinen Mund im Gebet und wegen seiner Sünden erfleht er Wohlwollen. 6G ἐὰν κύριος ὁ μέγας θελήσῃ, πνεύματι συνέσεως ἐμπλησθήσεται · αὐτὸς ἀνομβρήσει ῥήματα σοφίας αὐτοῦ καὶ ἐν προσευχῇ ἐξομολογήσεται κυρίῳ · Wenn der Herr, der Große es will, wird er mit dem Geist der Einsicht erfüllta, er selbst wird aufsprudeln lassen Sprichworte seiner Weisheit und in seinem Gebet wird er den Herrnb bekennen. ̈ ̈ ‫ ܘܗܘ ܢܦܩ‬. ‫ܘܒܪܘܚܐ ܕܣܟܘܠܬܢܘܬܐ ܢܬܚܟܡ‬ 6S ‫ ܘܢܘܕܘܢ‬. ‫ܡܬܠܐ ܚܕ ܬܖܝܢ‬

.‫ܠܗ ܒܬ̈ܪܥܝܬܗ‬

Und im Geist der Einsicht wird er sich als weise erweisen, undc er selbst bringt Sprichworte hervor: doppelt, und sie werden ihn wegen seines Verstandes preisen.

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7G αὐτὸς κατευθυνεῖ βουλὴν αὐτοῦ καὶ ἐπιστήμην καὶ ἐν τοῖς ἀποκρύφοις αὐτοῦ διανοηθήσεται · Er selbst richtet gerade seinena Rat und Kenntnis und über seine verborgenen Dinge sinnt er nach. ̈ ̈ ‫ܗܘ ܢܣܬܟܠ‬ ̈ 7S .‫ܘܒܣܬܝܖܬܐ ܢܣܬܟܠ‬ . ‫ܕܚܟܝܡܐ‬ ‫ܒܡܬܠܐ‬ Er selbst versteht sich auf Sprichworte der Weisen und wird in Verborgenem verständig sein. 8G αὐτὸς ἐκφανεῖ παιδείαν διδασκαλίας αὐτοῦ καὶ ἐν νόμῳ διαθήκης κυρίου καυχήσεται. Er selbst bringt Bildung seiner Lehre zum Vorschein und im Gesetz des Bundes des Herrn rühmt er sich. ̈ ‫ܘܒܢܡܘܣܐ‬. ‫ܗܘ ܢܦܩ ܝܘܠܦܢܐ ܕܚܟܡܬܐ‬ 8S ‫ܕܚܝܐ ܢܫܬܒܚ܁‬ Er selbst bringt Lehre der Weisheit hervor und im Gesetz des Lebens rühmt er sich. 9G αἰνέσουσιν τὴν σύνεσιν αὐτοῦ πολλοί, καὶ ἕως τοῦ αἰῶνος οὐκ ἐξαλειφθήσεται · οὐκ ἀποστήσεται τὸ μνημόσυνον αὐτοῦ, καὶ τὸ ὄνομα αὐτοῦ ζήσεται εἰς γενεὰς γενεῶν · Viele preisen sein Verständnis und bis in Ewigkeit wird er nicht ausgetilgt, sein Andenken wird nicht wegfallen und sein Name wird lebena von Geschlecht zu Geschlecht, ̈ 9S .‫ܣܓܝܐܐ ܡܢ ܚܟܡܬܗ ܂ ܘܒܥܠܡܐ ܠܐ ܢܬܛܥܐ ܫܡܗ‬ ‫ܘܢܐܠܦܘܢ‬

‫ܘܠܐ ܢܒܛܠ ܕܘܟܪܢܗ ܥܕܡܐ ܠܥܠܡ܂ܘܫܡܗ ܠܐ ܢܢܬܛܥܐ ܡܢ ܕܪ ܠܕܪ܂‬

Und viele werden von seiner Weisheit lernen und in Ewigkeit wird sein Name nicht vergessen und bis in Ewigkeit wird sein Andenken an kein Ende kommen und sein Name wird nicht vergessen von Geschlecht zu Geschlecht. 10G  τὴν σοφίαν αὐτοῦ διηγήσονται ἔθνη, καὶ τὸν ἔπαινον αὐτοῦ ἐξαγγελεῖ ἐκκλησία · seine Weisheit werden die Völkera erzählenb und seinen Lobpreis verkündet die Gemeinde, ̈ ̈ 10S .‫ܘܬܫܒܚܬܗ ܢܐܡܪܥܡܐ‬ . ‫ܟܢܘܫܬܐ‬ ‫ܚܟܡܬܗ ̈ܢܬܢܝܢ‬ Seine Weisheit werden die Gemeinden erzählen und seine Lobpreisun­ gen wird das Volk sprechen. 11G ἐὰν ἐμμείνῃ, ὄνομα καταλείψει ἢ χίλιοι, καὶ ἐὰν ἀναπαύσηται ἐκποιεῖ αὐτῷ. Wenn er bleibt, wird er einen Namen hinterlassen (mehr) als tausende und wenn er ruhen wird, vollendet er ihn. 11S ‫ܐܢ ܢܨܒܐ ܒܐܠܦ ܢܫܬܒܚ܂ ܘܐܢ ܢܫܬܘܩ ܒܥܡܐ ܙܥܘܪܐ ܀‬ Wenn er will, wird er unter Tausenden gepriesen, und wenn er still bleibt bei einem kleinen Volk.

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2. Textanmerkungen 1  a Anstelle von ἀρχαίων „der Alten“ liest Codex Sinaiticus αρχοντων „der Ersten“. ̈ ̈ 2  a 7h3 liest anstelle von ‫ܘܕܥܡܝܩܢ‬ „und das, was tief ist“ ein ‫ܘܒܕܥܡܝܩܢ‬ „und in dem, was tief ist“. a 7h3 liest ‫„ ܢܢܣܐ‬erprobt er“, die Version von 7a1 dürfte Verschreibung 4  von ‫ ܢ‬nach ‫ ܟ‬sein; b‫ ܒܐܢܫܐ‬ist trotz fehlender Syame wohl pluralisch i.S. eines Kollektivums zu verstehen, vgl. V 2. 5 a „und“ fehlt in 7h3. a „wird er erfüllt“; Codex Alexandrinus und Codex Sinaiticus lesen „wird 6  er ihn erfüllen“ εμπλησ(ε)ι αυτον7; b fehlt in der ursprünglichen Handschrift von Codex Sinaiticus; c „und“ fehlt in 7h3. ̈ ̈ : „(er versteht) Spricha fehlt in Codex Sinaiticus8; b 7h3: ‫ܡܬܠܐ ܕܚܟܝܡܐ‬ 7  worte der Weisen“. 9 a Codex Alexandrinus liest ζητησεται „wird gesucht werden“. 10  a Die ursprünglichen Handschriften von Codex Vaticanus und Sinaiticus lesen jeweils εθνει „Volk“, b dementsprechend διηγησεται „erzählt“. 3.

Struktur und inhaltlicher Duktus der griechischen Fassung von Sir 39,1–11

Die griechische Fassung lässt in etwa folgenden Duktus erkennen9, der z.T. durch Stichwortverbindungen unterstrichen wird. An der Spitze steht in V 1 die Hingabe des eigenen Selbst an das Nachsinnen über das „Gesetz des Höchsten“. Inhaltlich erinnert dies an die Seligpreisung von Ps 1,210. Dem entspricht das sich „im Gesetz des Bundes des Herrn“ Rühmen in V 8. Tatsächlich schließt diese nochmalige Erwähnung der Beziehung des Schriftgelehrten zum Gesetz den Abschnitt der aktiven Handlungen des Schriftgelehrten ab. Vv 9–11 schildern demgegenüber die Rezeptionen des Schriftgelehrten seitens verschiedener Subjekte, die sich jeweils mit der Dauerhaftigkeit seines Andenkens 7  Ausführlich Palmisano, background, 280. 8  Ausführlich Palmisano, background, 280f. 9  Palimsano, background, 278 gliedert den Text in vier Abschnitte: 38,34c–39,3; 39,4–5; 39,6–8; 39,9–11. Dagegen gehört V 4 inhaltlich eher zu Vv 1–3, entweder im Sinne einer Folgerung des zuvor Gesagten oder einer weiteren Ausführung der „profanen“ Aktivitäten des Schriftgelehrten, während V 5 zur religiösen Dimension der Schriftgelehrsamkeit zu rechnen ist. 10  So bereits Sauer, Jesus Sirach, 270.

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verbinden11. Der Schriftgelehrte hat also eine große Breitenwirkung und zugleich eine Wirkung in die Tiefe der Zeit hinein12, die wiederum die Unvergänglichkeit seines Namens garantiert. V 10 konkretisiert dabei das Stichwort „viele“ πολλοί aus V 9a, insofern Völker ἔθνη seine Weisheit erzählen, er damit universale Bedeutung gewinnt und auch in der Gemeinde ἐκκλησία sein Lobpreis erklingt, er also sowohl Bedeutung für Israel wie darüber hinaus besitzt. Die Formulierung findet sich fast wörtlich noch einmal in Sir 44,1513, wo sie sich auf die ehrwürdigen Männer bezieht, deren Verdienste Sirach im Lob der Väter entfaltet. Damit aber eröffnet sich dem Schriftgelehrten die Möglichkeit, ebenso wie diese Männer ein dauerhaftes Andenken zu gewinnen, was sich entsprechend der traditionellen Vorstellungen in der Bewahrung des Namens niederschlägt. In ähnlicher Weise hat dies Sirach bereits in Sir 37,26 formuliert. Die gegenüber dem in Sir 44,15 erhaltenen hebräischen Text pluralische Formulierung ἔθνη „Völker“ (in Sir 44,15 λαοί gegenüber ‫„ עדה‬Gemeinde“ in Ms B) gibt dem Schriftgelehrten universale Bedeutung, die über den begrenzten Bereich seines Volkes hinausreicht und ihn in die Nähe von Salomo rückt (vgl. 1 Kön 10,6). Der nicht ganz einfach zu verstehende V 11 schließlich expliziert und steigert die Aussage von V 9b–d, insofern hier das Stichwort „Namen“ ὄνομα aufgegriffen wird. Der Name bleibt nicht nur, er übertrifft auch tausende und ist dabei nicht einfach nur eine statische Größe, sondern vollendet sich14, was wohl dahingehend zu verstehen ist, als dass der Nachruhm des Schriftgelehrten noch zunimmt. Somit bilden die Vv 1–8 einen eigenen Abschnitt, der sich nochmals unterteilen lässt. Vv 1–3 geben den Inhalt der Studien des Schriftgelehrten an. An der Spitze steht, wie bereits gesagt, die Totalhingabe seiner Person an das Gesetz, was grammatikalisch nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck kommt, dass hier beide Male partizipial formuliert wird, so dass die Tätigkeiten als eine Wesenseigenschaft des Handelnden erscheinen; dies stellt einen deutlichen Unterschied zu den folgenden beiden Verbformen dar, die sich gleichzeitig auf andere Objekte, nämlich „Weisheit aller Alten“ und „Prophezeiungen“ beziehen. Ausgangspunkt ist also die Beschäftigung mit dem Gesetz des 11  Ego, hellenistische Bildung, 218, will die Verstetigung des Namens des Schriftgelehrten in der Weise verstehen, dass das dazugehörende Medium neben der Erinnerung die Verschriftlichung seiner Äußerungen ist. 12  Sauer, Jesus Sirach, 270: „Nicht nur in zeitlicher Ausdehnung ist die Wirkung seiner Rede unbegrenzt, sondern auch in räumlicher.“. 13  σοφίαν αὐτῶν διηγήσονται λαοί καὶ τὸν ἔπαινον ἐξαγγέλλει ἐκκλησία. 14  Segal, ‫אריס‬, ‫רנב‬, will hier ein ursprüngliches ֗‫„ יַ ְסּפיק לו‬genügt ihm (sein Name)“ entsprechend Sir 42,17 ‫ יספוק שמו‬lesen, eine Annahme, die bereits auf Smend, Weisheit, 356 zurückgeht.

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Höchsten (zu dieser geprägten Formulierung vgl. Sir 41,8; 42,2; 49,4). „Weisheit der Alten“ könnte sich auf weitere Teile des werdenden Kanons beziehen15, „Prophezeiungen“ erscheint zusammen mit dem „Gesetz“ nochmals in Sir 1,24. Zumindest dort scheint es, als würden mit den beiden Begriffen die gerade entstehenden, ersten beiden Kanonteile der hebräischen Bibel bezeichnet. Beschreibt V 1 vor allem die inhaltliche Ebene, so geht es in Vv 2–3 offensichtlich mehr um formale Größen, die sich in den zuvor genannten inhaltlichen Bereichen finden: „Erzählungen namhafter Männer“ (zur Formulierung vgl. Sir 44,3 ἄνδρες ὀνομαστοὶ) finden sich z.B. in den Königsbüchern, Gleichnisse und Sprichworte in der älteren Weisheit, wobei es offenbar zur besonderen Herausforderung des Weisen gehört, deren unter der Oberfläche verborgenen Sinn zu heben (vgl. Sir 14,21; Ri 14,12–18; 1 Kön 10,1–3). Auch hier liegt möglicherweise ein Bezug zu Salomo, dem Inbegriff des Weisen, vor (vgl. Sir 47,15). „Erzählungen namhafter Männer“ (διήγησιν ἀνδρῶν ὀνομαστῶν) bildet dabei offensichtlich einen bewussten Gegensatz zur Unterhaltung des Viehhirten mit jungen Stieren (ἡ διήγησις αὐτοῦ ἐν υἱοῖς ταύρων Sir 38,25). V 4 beschreibt die Folgen jener Beschäftigung, nämlich eine breite Reputation, die sich vor allem in der Anerkennung seitens der Großen und Fürsten niederschlägt16. Auch dies sieht Sirach mehrfach als Ideal des Weisen (Sir 11,1; 20,27). Ein konkretes Beispiel bringt Sirach bereits in Sir 38,3, wo es um das Wirken des Arztes geht, dem aufgrund seines Wissens die Bewunderung seitens der Fürsten zu Teil wird (ἔναντι μεγιστάνων θαυμασθήσεται). Das Bereisen des Landes fremder Völker (vgl. vgl. Sir 34,9–1217) entspricht einem griechischen Bildungsideal wie es sich insbesondere in den Historien Herodots niedergeschlagen hat. Die hier anklingende Weltläufigkeit und Internationalität des Schriftgelehrten finden dann ein Echo in seinem Lob durch die Völker in V 10. Den nächsten Abschnitt bilden die Vv 5–8. Während Vv 1–4 schwerpunktmäßig die profanen Dimensionen schriftgelehrten Tuns in den Blick nehmen, wenden sich die folgenden Verse der religiösen Dimension zu. Der Schriftgelehrte kommt als betender Mensch in den Blick (V 5). Die beiden folgenden Verse beschreiben die sich daraus ergebenden Folgen: V 6a.b Gottes

15  Skehan / di Lella, Wisdom, 452, weist daraufhin, dass die hier vorliegende Ordnung Gesetz, Weisheit und Propheten dieselbe ist, wie man sie in LXX und der lateinischen Bibel findet; vgl. auch Schrade, Beruf, 131. 16  Vgl. Zapff, Sirach, 265: „Das […] (hier) entfaltete Bild scheint sich insbesondere an dem weisen Daniel und seinen Gefährten, die am Hof Nebukadnezzars Dienst tun und dort ‚Schrift und Sprache der Chaldäer‘ lernen (Dan 14), zu orientieren.“ 17  ἀνὴρ πεπλανημένος ἔγνω πολλά … πολλὰ ἑώρακα ἐν τῇ ἀποπλανήσει μου.

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Handeln – V 6c.d die Antwort des Schriftgelehrten – V 7.8 das Handeln des geisterfüllten Schriftgelehrten. V 5 Die Formulierung „sein Herz gibt er hin“ τὴν καρδίαν αὐτοῦ ἐπιδώσει erinnert an V 1 „der seine Seele hingibt“ τοῦ ἐπιδιδόντος τὴν ψυχὴν αὐτου. Setzt man voraus, dass in der hebräischen Fassung für τὴν καρδίαν αὐτοῦ ein ‫ לבו‬anzunehmen ist18, dann geht es hier gegenüber V 1 eher um ein intentionales und rationales Tun19 in einer bestimmten Situation, während in V 1 eine grundsätzliche Haltung im Blick ist20, so i.S. „der sich darauf verlegt“. Gleichzeitig wird hier eine Formulierung aus Sir 38,26.27.28 aufgenommen21. Wie der dort beschriebene Handwerker seine Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Tun richtet, so hier der Schriftgelehrte auf seinen Gebetsvollzug22. Durch die Verwendung des Kompositums ἐπιδίδωμι könnte dabei noch eine Verstärkung dieses Tuns angedeutet sein. Hinter dem „Frühaufstehen zum Herrn hin“ ὀρθρίσαι πρὸς κύριον scheint eine Anspielung auf Ps 62,2LXX zu stehen23, wo sich die Formulierung entsprechend der Psalmüberschrift im Mund Davids findet: „Zu Dir hin will ich mich am Morgen erheben“ πρὸς σὲ ὀρθρίζω. Dafür spricht nicht zuletzt, dass sich auch die Formulierung „zu seinem Schöpfer“ πρὸς… τὸν ποιήσαντα αὐτὸν nur noch einmal in Sirach findet und zwar im Zusammenhang mit dem Lobgebet Davids: „und er liebte seinen Schöpfer“ καὶ ἠγάπησεν τὸν ποιήσαντα αὐτόν (Sir 47,8). Die offensichtlich angezielte Parallelisierung des betenden Schriftgelehrten mit David scheint sich auch in 18  Vgl. Segal, ‫אריס‬, ‫רנב‬. 19  Bekanntlich bezeichnet ‫ לב‬auch den Sitz der Ratio und intentionalen Entscheidung, vgl. Wolff, Anthropologie, 84–96, bes. S.88: „Weiter vollzieht sich im Herzen das Denken, das Durchdenken, Nachdenken und Überlegen. śîm ʾæt-leb le heißt: seine Aufmerksamkeit auf etwas oder jemanden richten (1 Sam 9,20; 25,25; Hag 1,5). 20  Zapff, Sirach, S. 264: „… damit (wird) der Beruf des Schriftgeehrten als eine die ganze Existenz des Menschen in Anspruch nehmende Tätigkeit charakterisiert“. 21  καρδίαν αὐτοῦ δώσει. 22  Ego, Hellenistische Bildung, S. 209, weist darauf hin, dass sich in dieser Gegenüberstellung ein „deutlicher Einfluss der griechischen Vorstellungswelt (zeigt), in der sich seit dem 5.Jh. – belegt durch Aristoteles. Xenophon, Aristophanes oder Isokrates – eindeutig eine Gegenüberstellung von Gebildeten und den Handwerksbanausen beobachten lässt“; andere sehen eher einen Bezug zu Motiven der ägyptischen Literatur, vgl. Rollston, Egyptian Satire, 131–139; gegenüber einer verbreiteten Ansicht, Sirach setze sich mit seiner Gegenüberstellung von Handwerkern und Schriftgelehrten von satirischer ägyptischer Literatur ab, kommt Rollston zur Schlussfolgerung: „Just as the Egypts texts vaunting the scribal profession functioned as pedagogical devices to increase recruitment, retention, and motivation in the scribal training program, so Ben Sira 38:24–39:11 also may have functioned in a similar way.“ 23  Auf „die intensive Anlehnung Sirachs an den Psalter“ hat in jüngerer Zeit Spieckermann, 118 noch einmal ausdrücklich hingewiesen.

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der Erwähnung eines Gebetes für seine Sünden niederzuschlagen. Man fühlt sich sofort an den Bußpsalm Ps 50LXX erinnert, der von seiner Überschrift her ebenfalls David in den Mund gelegt wird24. Von der daraus resultierenden Vergebung der Sünden, die ja auch für den betenden Schriftgelehrten vorausgesetzt wird, spricht im Hinblick auf David ja ausdrücklich auch Sir 47,11: κύριος ἀφεῖλεν τὰς ἁμαρτίας αὐτου. Auffällig dabei ist, dass als erster Inhalt des Gebetes die Bitte um Vergebung der Sünden genannt wird, insofern durch die Stichwortverbindung „er betet“ δεηθήσεται in V 5c und e jenes in V 5c nur formal genannte Gebet vor dem Höchsten ἔναντι ὑψίστου δεηθήσετα in V 5e inhaltlich als Gebet für die Sünden gefüllt wird. D.h. Voraussetzung der im Folgenden beschriebenen Erfüllung mit dem Geist der Einsicht ist demnach die vorherige Vergebung der Sünden. Dabei scheint sich auch die Geistgabe an Ps 50LXX zu orientieren25, ist doch dort in V 14 von der Ausstattung durch einen „führenden Geist“ πνεύματι ἡγεμονικῷ die Rede. Für diesen Zusammenhang spricht im Kontext einer Charakterisierung des Schriftgelehrten als eine Art David nicht zuletzt, dass ansonsten nirgendwo im Sirachbuch von einer Geisterfüllung die Rede ist. Auch die sich daraus ergebenden Folgerungen scheinen sich an der Abfolge in Ps 50LXX zu orientieren, wenn auch mit eigener Akzentuierung. So lässt der geisterfüllte Schriftgelehrte Worte seiner Weisheit „aufsprudeln“ und gibt damit anderen Orientierung (vgl. Ps 50,15LXX διδάξω ἀνόμους τὰς ὁδούς σου)26. Das sich mit ἀνομβρήσει „er lässt aufsprudeln“ verbindende Bild einer frischen Quelle findet sich bereits im Idealbild des Weisheitslehrers in Sir 18,29 und natürlich als Beschreibung des schriftgelehrten Sirach selbst in Sir 50,27, dessen Ideal hier offensichtlich entfaltet wird: Ἰησοῦς υἱὸς Σιραχ Ελεαζαρ ὁ Ιεροσολυμίτης ὃς ἀνώμβρησεν σοφίαν ἀπὸ καρδίας αὐτοῦ. Das abschließende Lob des 24  Auf diesen Bezugszusammenhang weist bereits Skehan / di Lella, Wisdom, 452, hin. 25  Als weiteren schriftgelehrten Hintergrund könnte auch an Jes 11,3LXX zu denken sein, wo davon die Rede ist, dass Gott den künftigen König mit dem Geist der Gottesfurcht erfüllt: ἐμπλήσει αὐτὸν πνεῦμα φόβου θεου; Palmisano, Il background, 283, sieht einen Bezug zu Dtn 34,9bLXX, wo im Zusammenhang mit der Präsentation des Josua als Nachfolger des Mose ausdrücklich davon die Rede ist, dass dieser mit dem Geist der Einsicht erfüllt wurde: καὶ Ἰησοῦς υἱὸς Ναυη ἐνεπλήσθη πνεύματος συνέσεως; dies bilde, so Palmisano, ein Bindeglied zwischen der Beschreibung des idealen Weisen und der Figur des Mose. 26  Auch hier sieht Palmisano, background, 287, in den Spuren Johannes Marböcks eine Anspielung auf das Moselied in Dtn 32,3 und kommt zu dem Schluss: „La figura di Mosè sembra agire quindi non solo come sfondo nell’elaborazione di un modello astratto di sapiente, ma anche come punto di referimento nell’esperienza pedagogica concreta del sapiente.“ Ähnliches gilt, so Palmisano, background, 290, auch für V 7f.; vgl. dazu Dtn 32,28LXX. Dabei müssen sich diese Beobachtungen nicht mit der m.E. ebenfalls vorliegenden Bezugnahme auf David widersprechen. Tatsächlich wird auch anderorts im Sirachbuch Mose als Paradigma weisheitlichen Handelns verstanden. Dies ist etwa im Falle des Arztes so, vgl. z.B. Sir 38,5.14. vgl. Zapff, Sirach, 361.365.

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Herrn, das dem geisterfüllten Schriftgelehrten zugeschrieben wird, verbindet diesen wiederum mit Ps 50,17LXX (κύριε τὰ χείλη μου ἀνοίξεις καὶ τὸ στόμα μου ἀναγγελεῖ τὴν αἴνεσίν σου), vor allem aber wiederum mit David, insofern auch von diesem in Sir 47,8 das Lob Gottes berichtet wird: ἔδωκεν ἐξομολόγησιν. Der Konditionalsatz in V 6 macht allerdings deutlich, dass es sich hier um einen Sonderfall handelt27, eben den des geisterfüllten Schriftgelehrten28. Dies wird insbesondere in den folgenden Versen deutlich. So fällt in den Vv 6c, 7 und 8 die mehrfache Verwendung des Personalpronomens αὐτὸς bzw. αὐτοῦ auf, mit der die Objekte der Tätigkeiten des geisterfüllten Schriftgelehrten als die seinigen gekennzeichnet werden: „er selbst“ αὐτὸς, „Sprichworte seiner Weisheit“ ῥήματα σοφίας αὐτοῦ, „seinen Rat“ βουλὴν αὐτου, „in seinem Verborgenen“ ἐν τοῖς ἀποκρύφοις αὐτου und „Bildung seiner Lehre“ παιδείαν διδασκαλίας αὐτου. In zwei Fällen werden dabei Stichworte aufgegriffen, die bereits bei der rezeptiven Tätigkeit des Schriftgelehrten in den Vv 1c und 3a eine Rolle spielten: „Weisheit aller Alten“ σοφίαν πάντων ἀρχαίων und „Verborgenes aus Sprichworten“ ἀπόκρυφα παροιμιῶν. Damit wiederum wandelt sich der geisterfüllte Schriftgelehrte vom Rezipierenden zum aktiv Gebenden und tritt somit in eine Reihe mit jenen Alten, die Weisheit verkündeten und Verborgenes in Sprüchen niederlegten. Theologisch ist diese Sicht nicht nur bezüglich des Selbstverständnisses Sirachs, sondern auch des sogenannten Abschlusses des Kanons von Bedeutung. Offensichtlich schlägt sich hier ein Verständnis nieder, welches Kanon nicht, wie in späteren Zeiten lediglich als zu rezipierende Größe versteht, sondern diesen auch weiterdenken kann, wie man es in den vielfältigen Schriften des nachmaligen Kanonteils Ketubim beobachten kann. Dass dies jedoch nicht beliebig ist, scheint der Schlusssatz jener Reihung in V 8b zum Ausdruck bringen zu wollen, in dem wiederum vom Gesetz (des Bundes des Herrn) die Rede ist29. Auch das aktive, über eine reine 27  Auf die Tatsache, dass es sich hier um einen Sonderfall handelt, hat aufgrund des „konditionale(n) Vorbehalt(es)“ bereits Stadelmann, Ben Sira, 233, hingewiesen. Die dadurch bedingte Abgrenzung gegenüber dem Vorausgehenden nimmt Ego, hellenistische Bildung, zu wenig wahr, wenn sie auf S. 207 schreibt: „Die Aneignung der Tradition scheint darüber hinaus aber auch mit einem inspiratorischen Moment verbunden worden zu sein […]. Die Aneignung der Tradition erfolgt nicht aus eigener Kraft, sondern stellt gleichsam einen Akt der göttlichen Belehrung dar“. Hier wird m.E. nicht erkannt, dass es sich beim inspirierten Schriftgelehrten um jemanden handelt, der auf dem Niveau der Alten Neues produziert. 28  Schrade, Beruf, 132, interpretiert die Inspiration in der Weise, „daß [sic!] der ‫ סופר‬von der Weisheit, die Eigentum Gottes und nicht des Menschen ist (1,1.8), einen Anteil erhält, der über die übliche, mit der Schöpfung mitgegebene Ausstattung, hinausgeht […].“. 29  Schrade, Beruf, weist daraufhin, dass das Rühmen des Schriftgelehrten im Gesetz des Bundes des Höchsten offenbar in bewusstem Gegensatz zum Rühmen des Landarbeiters

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Rezeption hinausreichende Handeln des geisterfüllten Schriftgelehrten steht im Einklang30 mit dem Kern der Offenbarung Gottes, dem Gesetz31. 4.

Die syrische Fassung von Sir 39,1–11 – ihre Struktur und ihr inhaltlicher Duktus im Vergleich mit der griechischen Fassung

Hinsichtlich der Struktur des syrischen Textes teilt dieser mit der griechischen Fassung die Gemeinsamkeit, dass auch hier die Vv 9–11 der Rezeption und Nachwirkung des Andenkens des Schriftgelehrten gewidmet sind. Ähnlich wie in der griechischen Fassung wird dabei der Abschnitt Vv 1–8 durch ein Sticḧ ‫ ܢܡܘܣܐ‬gerahmt und von Vv 9–11 abgesetzt. wort „Gesetz des Lebens“ ‫ܕܚܝܐ‬ Die Formulierung selbst scheint dabei gegenüber der griechischen (und möglicherweise auch hebräischen) Fassung eine Vereinheitlichung anzuzielen. Die Formulierung selbst ist nur noch in Sir 45,5 belegt, wobei sie sich auch in der hebräischen und griechischen Version findet (‫ ;תורת חיים‬νόμον ζωῆς). Im Unterschied zur griechischen Fassung ist jedoch bereits in V 6 von einem Lobpreis des Schriftgelehrten seitens einer ungenannten Größe die Rede. Während in V 11 der griechischen Fassung nochmals der Nachruhm des Schriftgelehrten und zwar hinsichtlich seiner ständigen Vermehrung formuliert wird, geht es in der syrischen Fassung von V 11 um eine grundsätzliche Alternative, vor welcher der Schriftgelehrte steht32: Entweder aufgrund seiner Weisheit unter Tausenden gepriesen zu werden, oder aber – offenbar aus falscher Scham – lediglich nur von wenigen, sprich von einem kleinen Volk. Auf diese inhaltlichen Unterschiede in einzelnen Versen wird noch ausführlicher einzugehen sein. Ein grundlegender Unterschied zwischen der griechischen und syrischen Fassung, der auch die Gesamtaussage des Abschnittes bestimmt, findet sich in mit dem Treiberstecken (καυχώμενος ἐν δόρατι κέντρου) in Sir 38,25 steht als „eine krasse Konfrontation des Erhabenen mit dem Niedrigen und Gewöhnlichen“. 30  Das hier zum Ausdruck kommende starke Selbstbewusstsein verortet Marböck in eine Entwicklung, in der der Stand der Schriftgelehrten „Aufgaben und Funktionen priesterlicher Kreise (vgl. 38,32c–33; 45,17; 37,23) zu übernehmen begann“ und Sirach aufgrund der Kenntnis der Tora und der Treue zu ihr, diesen Stand auch in seinem Selbstbewusstsein zu bestärken suchte, Marböck, Hand und Herz, 54. 31  Ego, hellenistische Bildung, 218, schlägt vor, in dieser Nähe der Lehre des Sirachs zur Tora bereits einen Anklang an das spätere jüdische Traditionsprinzip der mündlichen und schriftlichen Tora zu sehen. 32  Die Übersetzung des Syrers hier schlicht als „sinnlos“ zu bezeichnen, so Smend, Weisheit, 355, wird der hier entfalteten Alternative nicht gerecht.

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der Wiedergabe von V 6 in der syrischen Fassung. Von einem eigenen Handeln Gottes, der in Antwort auf das vorausgehende Gebet des Schriftgelehrten, diesen mit Geist erfüllt, ist mit keinem Wort die Rede. Die Vv 5–8 in der syrischen Fassung beziehen sich ausschließlich auf Äußerungen des Schriftgelehrten: sein Gebet (V 5) und seine Äußerungen in „Sprichworten“ (V 6), die in V 7 als „Sprichworte der Weisen“ charakterisiert werden, welche wiederum in V 8 als „Lehre der Weisheit“ erscheinen. Damit setzt sich die Reihe der Beschreibungen des Schriftgelehrten in Vv 1–4 fort. Es ist jeweils derselbe, der aus dreifacher Perspektive heraus geschildert wird: 1. Sein Studium in der Schrift (V 1); 2. Seine Weltläufigkeit (Vv 2–4) und 3. Seine Religiosität, die ihren Niederschlag in Äußerungen seiner Weisheit findet (Vv 5–8). Ein Unterschied zwischen dem gewöhnlichen und dem Sonderfall des geisterfüllten Schriftgelehrten, dessen Ausstattung durch Gott selbst verfügt ist, trifft die syrische Version nicht. So fällt auch die in der griechischen Fassung betont herausgestellte Fähigkeit des geisterfüllten Schriftgelehrten, „über sein Verborgenes nachzusinnen“ und sich damit auf die Stufe der in Vv 1–3 genannten Größen zu stellen, weg. In der syrischen Fassung von V 7b wird lediglich die Formulierung von V 3 wiederholt: „in (allem) Verborgenem wird er verständig sein“ ̈ ̈ ‫ܣܬܝܖܬܐ ܢܣܬܟܠ‬ ‫ ܘܒܟܠ‬/ ‫ܘܒܣܬܝܖܬܐ ܢܣܬܟܠ‬ . Die in der griechischen Fassung anklingende Frage nach möglicherweise gleichwertigen Äußerungen des geisterfüllten Schriftgelehrten mit „kanonischen“ Äußerungen ist in der syrischen Fassung somit nicht im Blick. Nun aber soll noch ein Blick auf die einzelnen Verse der syrischen Fassung und ihrer Unterschiede zu denen der griechischen Fassung geworfen werden. Die Ergänzung in V 1 „um Gott zu fürchten“ dürfte in erster Linie formale Gründe haben. Durch sie ergeben sich zwei zweigliedrige Aussagen mit jeweils zwei Verbformen („fürchten“/ „verstehen“ bzw. „erforschen“/ „zuwenden“) und zwei Objekten („Gott“/ „Gesetz des Lebens“ bzw. „Weisheit aller Früheren“/ „früheren Propheten“). Durch die Entsprechung des „Gesetzes des Lebens“, das von Sir 45,5 her eindeutig mit Mose in Zusammenhang gebracht wird, und die gegenüber der griechischen Fassung konkretere Rede von den „früheren Propheten“ scheint hier außerdem stärker die traditionelle Dreiteiligkeit des Kanons in „Gesetz“, „Propheten“ und „Weisheit“, wenn auch in umgekehrter Reihenfolge, anzuklingen. Durch die Ergänzung „Gott zu fürchten“ wird zudem der religiöse Aspekt hervorgehoben, der sich nicht im kognitiven Erkennen der heiligen Schriften erschöpft. Die Abweichungen in der syrischen Fassung von V 2 dürften zum einen Verständnisproblemen, zum anderen dem Bemühen, Vv 2 und 3 einander anzugleichen, geschuldet sein. So ersetzt S das nur schwer verständliche ἐν ̈ στροφαῖς παραβολῶν durch „und das, was tief ist“ ‫ܘܕܥܡܝܩܢ‬ , i.S. „was verborgen,

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schwierig ist“33 und bereitet dadurch bereits das Thema von V 3b vor. Eine Angleichung beider Verse geschieht bereits in V 2a, insofern hier nicht nur dieselbe Verbform „lernt er“ ‫ ܢܐܠܦ‬verwendet wird, sondern jeweils auch ein ̈ pluralisches Objekt erscheint, das eine bestimmte Form der sprachlichen ̈ ‫ ܫܘ‬und „Sprichworte“ ‫ ̈ܡܬܠܐ‬. Äußerung umschreibt: „Erzählungen“ ‫ܥܝܬܐ‬ Auch die Abweichungen in V 4, der inhaltlich weitgehend der griechischen Fassung entspricht, dürften formalen Gründen geschuldet sein. So sind die V 4a und 4c durch das Stichwort „geht er einher“ ‫ ܢܗܠܟ‬miteinander verbunden, wobei dieses Einhergehen jeweils mit einer pluralischen Ortsbestimmung ver̈ ‫ ܒܝܢܬ‬und „in den Städten der knüpft ist: „Inmitten von Herrschern“ ‫ܫܠܝܛܢܐ‬ ̈ in ̈ Welt“ ‫ܒܡܕܝܢܬܐ ܕܥܠܡܐ‬. Das Paar „Könige und Große“ ‫ܡܠܟܐ ܘ̈ܪܘܪܒܢܐ‬ V 4b findet seine Entsprechung in „Gutes und Böses“ ‫ ܛܒ ܘܒܝܫ‬in V 4c und somit entsteht auch hier ein von der Struktur her harmonischer Vers, ohne deshalb inhaltliche Einbußen zu erleiden. Ähnliches geschieht auch in V 5. Auch hier sind die Änderungen formalen Intentionen geschuldet, verwischen damit allerdings den anhand der griechischen Fassung aufgewiesenen Bezugszusammenhang mit David. Wiederum wird der Vers in eine mehr oder weniger parallele Struktur umgestaltet. So nimmt V 5d das Stichwort „erflehen“ ‫ܢܒܥܐ‬ aus V 5b auf (vergleichbar der griechischen Fassung) und fügt dem, ähnlich wie in V 5b ein Objekt hinzu: „Wohlwollen“ ‫ ܛܒܬܐ‬entsprechend „Barmherzigkeit“ ‫̈ܪܚܡܐ‬. Im Unterschied zur griechischen Fassung hat somit das Gebet in V 5b wie in V 5d jeweils einen Inhalt, während dieser in der griechischen Fassung erst durch V 5b expliziert wird. V 5a gleicht die syrische Fassung V 5c insofern an, als sie das „frühaufzustehen“ ὀρθρίσαι der griechischen Fassung durch „zu beten“ ‫ ܠܡܨܠܝܘ‬ersetzt und „seinen Schöpfer“ ersatzlos streicht. Damit wiederum erreicht sie eine Entsprechung zu V 5c, wo ebenfalls vom Gebetsvorgang gesprochen wird (‫)ܒܨܠܘܬܗ‬. Wie bereits gesagt, ist die inhaltliche Abweichung in der syrischen Fassung von V 6 am deutlichsten. Von einem direkten Handeln Gottes ist nun nicht mehr die Rede. Subjekt der beiden ersten Versteile ist ausschließlich der ̈ Schriftgelehrte, wobei auch hier durch das Stichwort „Sprichworte“ ‫ܡܬܠܐ‬ ein Zusammenhang mit dem folgenden V 8 und durch das Stichwort „sich als weise erweisen“ ‫ ܢܬܚܟܡ‬ein enger Zusammenhang mit Vv 7–10 hergestellt 33  Payne-Smith, Dictionary, 418; Smend, Weisheit, 358, zitiert die Auffassung von Edersheim, wonach es sich um eine Verwechslung von ‫„ ܥܡܩ‬tief sein“ und ‫„ ܥܩܡ‬verdrehen“ handle, womit das griechische στρωφάω „verkehren“ wiedergegeben werde. Aufgrund des inhaltlichen Zusammenhanges mit dem Folgenden, dürfte dies aber eher als absichtliche Änderung durch Metathesis zu verstehen sein, wie sie gelegentlich auch in LXX zu beobachten ist, um dem Text einen, den Vorstellungen des syrischen Übersetzers entsprechenden Sinn zu geben.

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wird („Weisen“ ‫ ܚܟܝܡܐ‬bzw. „Weisheit“ ‫)ܚܟܡܬܐ‬, der so in der griechischen Fassung nicht erkennbar wird. Die syrische Fassung betont somit die weisheitliche Dimension mehr als die religiöse des idealen Schriftgelehrten34. Auffällig ist, dass das Lob Gottes, durch das der Schriftgelehrte sich in der griechischen Fassung David ähnlich erweist, hier durch das Lob des Schriftgelehrten ersetzt wird. Möglicherweise hängt diese Änderung mit V 9 zusammen, wo die syrische Fassung den Lobpreis der vielen in der griechischen Fassung (αἰνέσουσιν entsprechend des in der hebräischen Fassung durch Segal rekonstruierten ‫)יהללו‬ durch „sie werden (von seiner Weisheit) lernen“ ‫ ܢܐܠܦܘܢ‬ersetzt und damit ein wichtiges Verb aufgreift, das bereits in V 2 und 3 eine Rolle spielt35, insofern dort der Schriftgelehrte der Lernende ist. Von dessen Lernbereitschaft profitieren also viele. Gegenüber der griechischen Fassung wird also hier eher der Schwerpunkt auf die menschliche Leistung gelegt. V 9 in der syrischen Version entspricht abgesehen von der erwähnten Änderung des Verbs weitgehend der griechischen Fassung. Die Doppelung der Aussage, dass der Name des Schriftgelehrten nicht vergessen wird „in Ewigkeit“ ‫ ܥܕܡܐ ܠܥܠܡ‬bzw. „von Geschlecht zu Geschlecht“ ‫ ܡܢ ܕܪ ܠܕܪ‬ist wohl wiederum formalen Gründen geschuldet, um zu einer jeweils paarweisen Aussage zu kommen, an deren Ende nahezu dieselbe Formulierung steht36. Auffällig ist die Abweichung der syrischen Fassung in V 10. Hier weist die syrische Version zunächst die umgekehrte Reihenfolge der Subjekte wie in der ̈ griechischen Fassung auf: „Gemeinden“ ‫ܟܢܘܫܬܐ‬ gegenüber „Völker“ ἔθνη in V 10a und „Volk“ ‫ ܥܡܐ‬gegenüber „Gemeinde“ ἐκκλησία in V 10b. Während der Ruhm des Schriftgelehrten in der griechischen Fassung internationalen Charakter annimmt, bleibt er in der syrischen Version auf den Bereich der Gemeinden und des Volkes begrenzt. Da keine hebräische Fassung vorliegt, kann man über die Gründe nur spekulieren. Wenn man mit Segal annimmt, dass die hebräische Version von einem lediglich innergemeindlichen Horizont ausgeht (er übersetzt in beiden Versteilen entsprechend Sir 44,15 singularisch mit ‫„ עדה‬Gemeinde“ und ‫„ קהל‬Versammlung“), dann stellt die griechische Fassung eine Ausweitung dar, die vielleicht vor dem Hintergrund von Sympathisanten

34  Palmisano, background, 281: „La S(P), invece, sembra sottolineare la dimensione sapien­ ziale più che religiosa des sapiete ideale“. 35  Gegen Smend, Weisheit, 355, der hier die syrische Übersetzung als „willkürlich“ abwertet. 36  Vgl. auch van Peursen, Syriac, 63: „The most prominent poetic features in Syr are parallelism and repetition. Repetition of words or phrases often occurs in places where Heb has different words. In earlier literature such repetitions were often described as scribal errors and ‚influence of adjacent lines‘. However, it is equally possible that the repetitions were established on purpose.“.

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des jüdischen Bekenntnisses im paganen Umfeld genährt ist, wie er sich auch anderweitig in der LXX feststellen lässt. Umgekehrt könnte die syrische Fassung hier christliche Einflüsse aufweisen, insofern hier zwischen den einzelnen Ortskirchen und dem ganzen Volk Gottes unterschieden würde37. Interessant ist schließlich auch die syrische Deutung von V 11, wo die griechische Version des zweiten Versteils inhaltliche Schwierigkeiten bereitet, wenn sie von einem „Vollenden“ im transitiven Sinn spricht38. Offensichtlich hat hier bereits der Syrer Verständnisprobleme, der ausgehend von der Erwähnung der „Tausenden“ und dem „Ruhen“ hier eine Alternative konstruiert39. Demnach liegt es in der Hand des Schriftgelehrten aufgrund seiner Lehre entweder von Tausenden gepriesen zu werden, oder im Falle seines Schweigens lediglich bei einem kleinen Volk Lob zu empfangen. Dabei scheinen die Stichworte „loben“ und „Volk“ vom Vordersatz V 10 aufgenommen und das dortige Gegenüber von einer pluralischen (Gemeinden) und einer einzelnen Größe (Volk) widerzuspiegeln. Beim Durchgang durch die syrische Version zeigt sich also sehr eindrücklich deren Eigenständigkeit, die sowohl formalen wie inhaltlichen Akzentuierungen geschuldet ist. 5. Ergebnis Kurz zusammengefasst lässt sich also folgendes über das in den beiden Sprachfassungen entfaltete Ideal des Schriftgelehrten sagen. Die griechische Fassung unterscheidet deutlich zwischen einem rezeptiven Tun des Schriftgelehrten und einem besonders begabten Schriftgelehrten, der aufgrund göttlicher Entscheidung in aktiver Weise an der Prägung weisheitlicher Sentenzen beteiligt ist. Voraussetzung ist ein zuvor geschildertes religiöses Handeln, welches das reine Studium der Tora übertrifft und insbesondere das Wissen um die eigene Sündhaftigkeit einschließt. Durch verschiedene schriftgelehrte Bezüge zu David steht damit der Schriftgelehrte in dessen Fußspuren. Das hier entfaltete Ideal setzt offensichtlich eine Zeit voraus, in der es zwar bereits so etwas wie einen Kanonisierungsprozess wesentlicher Schriften des Alten Testamentes 37  So bereits Smend, Weisheit, 355; vgl. auch Peursen, Syriac Text, 90. 38  Zur Rekonstruktion der hebräischen Vorlage, vgl. Anm.14. 39  Entsprechend Peters, Jesus Sirach, 326, hat der Syrer hier anstelle des in der hebräischen Fassung für καταλείψει „wird er […] hinterlassen” vorauszusetzende ‫ יַ ְׁש ִאר‬ein ‫„ יְ ֻא ַּׁשר‬wird […] gepriesen“ gelesen; es würde also auch hier mittels Metathesis eine Interpretation vorgenommen, die sich zwar am Konsonantenbestand orientiert, diesen aber dem eigenen exegetischen Anliegen entsprechend kreativ zu gestalten weiß.

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gab, diese jedoch nur Leitlinie, nicht aber Ausschließlichkeitscharakter hatten. Bezüglich der Bedeutsamkeit des geisterfüllten Schriftgelehrten scheint die griechische Fassung gegenüber der hypothetischen hebräischen Vorlage den Horizont auszuweiten, insofern auch von einer Rezeption weisheitlichen Denkens über den innergemeindlichen Bereich hinaus die Rede ist. Jüdische Weisheit und jüdisches Denken finden auch international Beachtung. Die syrische Fassung hingegen zeichnet sich durch eine Reihe formaler Glättungen aus, die den Text gefälliger erscheinen lassen. Von einer Unterscheidung zwischen „profanem“ und geisterfülltem, weil religiösem, Schriftgelehrten ist nicht die Rede. Es handelt sich um ein und dieselbe Person. Die Rezeption des Schriftgelehrten beschränkt sich auf den innergemeindlichen Raum, wobei offensichtlich die konkreten Gemeinden und das ganze Volk im Blick sind. Der Abschnitt endet mit einer impliziten Mahnung, Erkenntnis und Weisheit nicht zu verschweigen. Dieses Beispiel zeigt also recht anschaulich, dass die Übersetzer der hebräischen Vorlage des Ben Sira beim Übersetzungsvorgang nicht lediglich die Übertragung von einer Sprache in die andere vor Augen hatten, sondern bei ihrem Tun durchaus auch interpretative Momente eine Rolle spielten. Letzteres wiederum ist bei einer künftigen Kommentierung des Sirach unbedingt zu berücksichtigen. Bibliographie Beentjes, Pancratius C., The Book of Ben Sira in Hebrew (SVT 68), Atlanta: Society of Biblical Literature, 2006. Ego, Beate, Im Schatten hellenistischer Bildung. Ben Siras Lern- und Lehrkonzeption zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, in: Die Textualisierung der Religion, hg. v. Joachim Schaper (FAT 62), Tübingen: Mohr Siebeck, 2009, 203–221. Marböck, Johannes, Jesus Sirach 1–23 (HThKAT), Freiburg i.Brsg.: Herder, 2018. –, Mit Hand und Herz, Der schriftgelehrte Weise und das Handwerk in Sir 38,24–34, BN NF 139 (2008) 39–60. Palmisano, Maria Carmela, Il background veterotestamentario nella descrizione del sapiente ideale in Sir 39,6–8, RivB LVI (2008) 277–298. Payne-Smith, R., A Compendious Syriac Dictionary, Winona Lake, Indiana: Eisenbrauns 1998. Peters, Norbert, Das Buch Jesus Sirach oder Ecclesiasticus, Münster: Aschendorff 1913. van Peursen, Wido Th., Language and Interpretation in the Syriac Text of Ben Sira. A Comparative Linguistic and Literary Study (Monographs of the Peshitta Institute Leiden 16) Leiden/Boston: Brill, 2007.

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Rahlfs, Alfred (Hrsg.), Septuaginta, Editio minor, Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 1935. Rollston, Chris A., „Egyptian Satire of the Trades“: A Reconsideration, JBL 120 (2001) 131–139. Sauer, Georg, Jesus Sirach/Ben Sira (ATD Apokryphen Band 1), Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2000. Schrade, Lutz, Beruf, Arbeit und Muße als Sinnerfüllung bei Jesus Sirach, in: Der Einzelne und seine Gemeinschaft bei Ben Sira, hg. v. Renate Egger-Wenzel und Ingrid Krammer (BZAW 270), Berlin u.a.: Walter de Gruyter, 1998, 117–149. Segal, Moshe Zvi, ‫רפס ןב אריס םלשה‬, ‫דסומ קילאיב‬, Jerusalem: Bialik Institute 1953/19974. Skehan, Patrick W./ di Lella, Alexander, The Wisdom of Ben Sira, New York: Doubleday 1987. Smend, Rudolf, Die Weisheit des Jesus Sirach, Berlin: Reimer, 1906. Spieckermann, Hermann, Lebenskunst und Gotteslob in Israel (FAT 91), Tübingen: Mohr Siebeck, 2014. Stadelmann, Helge, Ben Sira als Schriftgelehrter: Eine Untersuchung zum Berufsbild des vormakkabäischen Sofer unter Berücksichtigung seines Verhältnisses zu Priester-, Propheten- und Weisheitslehrertum (WUNT 2/6), Tübingen: Mohr Siebeck, 1980. Wolff, Hans Walter, Anthropologie des Alten Testamentes, Gütersloh: Mohn, 1973/2010. Zapff, Burkard M., Jesus Sirach 25–51 (NEB), Würzburg: Echter, 2010. –, Sir 38,1–15 als Beispiel der Verknüpfung von Tradition und Innovation bei Jesus Sirach, Biblica 92 (2011), 347–367. –, Verschiedene Akzentuierungen für das „Benehmen bei Tisch“ (Sir 31,12–24). Ein synoptischer Vergleich der hebräischen, griechischen und syrischen Version, in: Ästhetik, sinnlicher Genuß und gute Manieren. Ein biblisches Menu in 25 Gängen. Festschrift für Hans-Winfried Jüngling, hg. v. Peetz, Melanie/ Huebenthal, Sandra, Berlin: Peter Lang Verlag, 2018, 423–440.

„Was zu groß für dich ist, versuche nicht zu erforschen“ (Sir 3,21; GenR VIII,2[10a])

Haben die rabbinischen Sirach-Zitate einen textkritischen Wert? Heinz-Josef Fabry In dem hier folgenden Werkstattbericht soll der Frage nachgegangen werden, ob und welchen textkritischen Wert die rabbinischen Sirach-Zitate haben.1 Die Urteile in der Sekundärliteratur darüber reichen von „absolut wertlos“ bis hin zu „brauchbar“. Deshalb ist es im Kontext der Vorarbeiten für die „Polyglotte Sirach-Synopse“ notwendig, die ca. 100 Zitate zu sichten und auf ihre textkritische Valenz hin neu zu analysieren. 1.

Die Rezeption des Sirach-Buches in Judentum und Christentum2

Das Buch Jesus Sirach zählt – weil es in Griechisch geschrieben ist – zu den deuterokanonischen/apokryphen Büchern und hat deshalb niemals einen Platz im Kanon der heiligen Schriften des Judentums gefunden. Diese Zuordnung wird jedoch immer fraglicher, da die Fragmente aus Qumran und Masada bezeugen, dass dieses Buch vom 1. Jh. v. Chr. bis im 1. Jh. n. Chr. und möglicherweise weit darüber hinaus als eine hebräische Schrift bekannt war. Möglicherweise ist diese hebräische Textfassung aus welchen Gründen auch immer in Vergessenheit geraten und nur die griechische Septuaginta-Fassung weiter tradiert worden. Dem wiederum stehen die sechs fragmentarischen Sirach-Handschriften entgegen, die in den Jahren 1896/97 aus der Geniza der Ben-Esra-Synagoge in Altkairo (Fustat) von Solomon Schechter und Charles Taylor erworben wurden. Sie stammen zwar aus dem frühen Mittelalter, tragen aber alle Anzeichen an sich, alte hebräische Sirach-Texte zu sein. Die bis heute fortdauernden Editionsarbeiten an den Geniza-Texten förderten

1   Die zahlreichen Verweise in die rabbinische Literatur bedürfen natürlich der fachmännischen Prüfung. Entsprechend hatte ich meinen langjährigen Freund, den Judaisten Johann Maier gebeten, wenigsten die ärgsten Ungenauigkeiten zu monieren. Der Briefwechsel ist leider nicht mehr zum Abschluss gekommen, denn Johann Maier ist am 16. März 2019 überraschend verstorben. RiP. Alle Ungenauigkeiten und Fehler gehen also ausschließlich zu meinen Lasten. 2  Vgl. dazu recht ausführlich Peters, Jesus Sirach, LIII–LXII.

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zwischenzeitlich noch mehrere Einzelblätter zutage, die sich als Sirach-Texte3 herausstellten, so dass inzwischen mehr als 70 % des hebräischen Textes wiederhergestellt werden konnten. Das sehr merkwürdige „Alphabet des Ben Sira“ scheint von einem unbekannten Autor aus dem 8.–10. Jh. verfasst zu sein, wobei die Anfänge dieser Schrift wegen ihrer deutlichen Parallelen zu bSanh 100b möglicherweise bis ins 4. Jh. zurückreichen. Und schließlich finden sich um die Jahrtausendwende bei Ibn Gabirol und im späten Mittelalter beim venezianischen R. Abarbanel noch Hinweise darauf, dass die Rabbinen einen solchen Text kannten und aus ihm zitierten.4 Da sich schließlich das griechische Sirach-Buch im Prolog selbst als eine Übersetzung ausweist, es demnach tatsächlich auch ein hebräisches Original gegeben hat und da schließlich das Buch sich hervorragend in die kanonische Weisheitsliteratur des Judentums einfügt, liegt die Frage auf der Hand, warum dieses Buch im Judentum nicht kanonisch geworden ist. Schon wegen des letztgenannten Arguments wäre es sehr verwunderlich, wenn ein solch kostbares Buch wie das des Ben Sirach von den jüdischen Weisen nicht entdeckt und für ihre schulischen Zwecke nicht verwendet worden wäre. Jenny R. Labendz5 hat dargestellt, dass die Rabbinen sich offensichtlich lange mit diesem Buch schwergetan haben, denn erst allmählich begannen sie, die Sprüche dieses Buches in ihre Diskussionen einzubeziehen. Haben sie anfänglich noch Sirach-Zitate ohne Herkunftsangabe aufgenommen oder sie einem berühmten Rabbi in den Mund gelegt, so tauchen ab dem 4. Jahrhundert explizite Zitate mit Herkunftsangabe auf und schließlich begegnen vereinzelte Sentenzen, die dem Sirach zugesprochen werden, aber in seinem Buch nicht verifizierbar sind.

3  Reif, Discovery, passim; Shulamit Elizur, ‫קטע חדש מהנוסח העברי של ספר בן סירא‬, passim; Egger-Wenzel, Sira-Fragment des MS C, passim; Rey, bifeuillet du manuscrit C, passim; Palmisano, Sulla recente scoperta di due nuovi fogli ebraici del ms C del libro del Siracide, passim; Elizur, Two New Leaves, passim; dies., – Michael Rand, A New Fragment of the Book of Ben Sira, T-S AS 118.78; dies., A New Fragment of the Book of Ben Sira, DSD 18, 2011, 200–205; dies., More Ben Sira Uncovered, Newsletter of the Taylor-Schechter Genizah Research Unit, April 2011; Rey, nouveau feuillet du Manuscrit D de Ben Sira, passim. 4  Ich stütze mich hier auf Smend, Weisheit, XLVI, der Azaria de Rossi, Me’or ‛Enajim, Mantua 1574, 29ab nennt. Es folgten Buxtorf, Florilegium Hebraicum, Basel, 1648; Löw ben Seeb, ‫חכמת יהושע בן סירא‬, Breslau, 1798; Dukes, Rabbinische Blumenlese, 67–84 (https://reader. digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10239669_00067.html) (Zugriff: 07.07. 2019); Dukes führt 64 Sirach-Zitate auf, von denen jedoch nur 24 im Buch verifizierbar sind; Schechter, Quotations, passim. 5  Jenny R. Labendz, The Book of Ben Sira in Rabbinic Literature, AJS Review 30/2, 2006, 347–392.

„Was zu gros für dich ist, versuche nicht zu erforschen “

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Das Verdikt des Rabbi Akiba6, das Buch des Ben Sirach gehöre zu den

‫„ ספרים החצונים‬außerhalb stehenden Büchern“, deren Leser keinen Anteil an

der kommenden Welt haben, konstatierte, dass dieses Buch zu Beginn des 2. Jh. n. Chr aus dem Korpus der heiligen Schriften ausgeschlossen war. Dem wiederum könnten eine relativ textnahe Zitation von Sir 36(33),7F in bSanh 65b und eine etwas freie Ausgestaltung von Sir 37,8B.D in bSanh 76b widersprechen, die beide mit R. Akiba in Verbindung gebracht werden.7 Ein gutes Jahrhundert später bestätigt der einzige Hinweis auf Sirach in den tanaitischen Quellen im Tosephta-Traktat Jadajim8, dass das Sirach-Buch nicht zu den Büchern zählt, die „die Hände nicht verunreinigen“. Die Erklärungen, warum das so ist, sind vielfältiger Art. Obwohl das Buch sich als griechische Übersetzung eines ursprünglich hebräischen Buches zu erkennen gibt, ist es für das Judentum ein Fremdkörper wie auch die anderen in Griechisch verfassten Schriften. Zudem ist es außerhalb der von Josephus Flavius genannten Periode von Moses bis Artaxerxes entstanden und fällt damit aus dem Zeitraum der Inspiration heraus. Nirgends wird es in den Schriften vor Esra aufgeführt. Als inhaltliche Gründe für die Ablehnung v.a. durch die Pharisäer werden der fehlende Auferstehungsglaube und die positive Wertung der Zadokiden genannt, was dem Buch ein sadduzäisches Kolorit verleihe. Und schließlich mag auch die Zahl 24 der biblischen Bücher schon als sakrosankt gegolten haben, die ein zusätzliches Buch per se ausschließt.9 Die Disputation zwischen R. Joseph und seinem Schüler R. Abaje im Babylon des 4. Jh. läuft darauf hinaus, dass zwar keine zwingenden Gründe für eine Ablehnung des Buches zu erkennen sind, aber aus Achtung vor der Tradition nur die „brauchbaren Sprüche“ (‫ )מילי מעלייתא‬des Sirach für die Diskussion herangezogen werden sollen. Labendz hat nachgewiesen10, dass in dieser Zeit manche Sirachzitate sekundär in den Talmudtext eingeschoben, wie umgekehrt andere Sirach-Zitate weisen Rabbinen in den Mund gelegt worden sind. Während R. Abaje versucht, mit eher belanglosen Zitaten Sirach als unbedeutend herauszustellen, werden ihm in der Tradition Sirach-Zitate entgegengesetzt, die genau das Gegenteil erreichen wollen. Dass es in dieser Kontroverse letztlich nicht immer auf den genauen Wortlaut des Zitierens 6  Sanh 10,1 (28a). 7  Vgl. R. Smend, Weisheit, LII, Anm. 1 mit Verweis auf Grätz. 8  tJadajim II 13. 9  Johann Maier (briefl.) denkt auch an ganz unspektakuläre Gründe: Das Sirachbuch konnte von den palästinischen Rabbinen als aus der westlichen Diaspora stammend abgelehnt worden sein; vielleicht war die Rolle nicht vorschriftsmäßig angefertigt oder war vielleicht schon als Kodex gebunden. 10  Labendz, Book, 346–366.

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ankam, versteht sich von selbst. Ob solche textlichen Verwerfungen aber Rückwirkungen auf den Sirach-Text selbst hatten, wie Segal11 meint, ist kaum noch sicher zu sagen. Eine bleibende unterschiedliche Wertung der SirachTradition zeigt sich schließlich in den unterschiedlichen Zitatformeln: die palästinischen Rabbinen lehnen – aus antichristlichen Motiven – die Existenz eines Sirachbuches ab und leiten die Zitate ein mit „Sirach hat gesagt“, anders die babylonischen Rabbinen: „wie es im Buch des Ben Sira geschrieben steht“. Eine besonders dichte und texttreue Rezeption findet sich dann beim Gaon Saadja im 10. Jh., der in der Regel wortwörtlich zitiert. Für das frühe Christentum war allein schon die Kontextualisierung des Sirach-Buches mit den Schriften Salomos Grund genug, auch diesem Buch Dignität zuzusprechen und es als kanonische Schrift der Septuaginta zu rezipieren. Allerdings haben die neutestamentlichen Schriften wenig Notiz von diesem Buch genommen. Die Auflistung der Zitate und Anspielungen bei Nestlé-Aland12, bes. die hier genannten Belege im Jakobusbrief halten einer Überprüfung nicht stand. Die Datenbank des Instituts für Septuaginta- und biblische Textforschung der Kirchlichen Hochschule Wuppertal13 nennt folgende zwei „explizite Zitate“: Mk 10,19 ist sicher kein explizites Zitat von Sir 4,1; aber beide haben die Wendung μὴ ἀποστερήσης „du sollst nicht rauben“ gemeinsam. Der Evangelist Markus bietet in diesem Vers eine Kurzzusammenstellung der Dekalog-Regeln. Heißt es dort jedoch οὐ κλέψεις „du wirst nicht stehlen“ (Ex 20,14; Dtn 5,19), intensiviert Markus die Aussage durch die Wahl des Verbs ἀποστερεῖν „rauben, betrügen, übervorteilen“, das nur in Ex 21,10; Dtn 24,14 und Mal 3,5, aber dann gleich 5mal in Sir 4,1; 29,6.7; 31,25.27 begegnet, wo es um den Raub lebenswichtiger Dinge geht, deren Verlust für die Beraubten besonders fatale Folgen hat. Ähnlich ist 2 Tim 2,19 als „explizites“ Zitat von Sir 17,26 zu prüfen: Hier sind ἀπόστρεφε ἀπὸ ἀδικίας (Sir: „wende dich ab vom Unrecht“) und ἀποστήτω ἀπὸ ἀδικίας (2 Tim: „meide das Unrecht“) ähnlich, aber keineswegs deckungsgleich. Schließlich nennen Nestlé-Aland (873) noch Mt 16,27 als Zitat von Sir 35,22LXX. Der Evangelist spricht vom Menschensohn, der nach seiner Herabkunft „jedem nach seinen Taten vergelten wird“ (καὶ τότε ἀποδώσει ἑκάστῳ κατὰ τὴν πρᾶξιν αὐτοῦ). Dem entspricht in etwa die Aussage in Sir 32(35),23aG Ö = 35,20bRA: „und an den Völkern wird er Vergeltung üben (καὶ 11  Segal, Evolution, bes. 123. 12  Nestlé-Aland, Novum Testamentum Graece, Stuttgart: Evangelische Verlagsanstalt 282012, 872f. 13  https://projekte.isbtf.de/easyview_v20/ (Zugriff: 07.03.2019).

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τοῖς ἔθνεσιν ἀνταποδώσει ἐκδίκησιν …), bis er entfernt hat die Menge der Frevler und zerbrochen hat die Zepter der Ungerechten“. Nun ist das Motiv der Vergeltung so intensiv im Alten Testament verbreitet, dass eine Festlegung auf Sirach willkürlich erscheint, zumal die verwendeten Verben zwar vom selben Etymon stammen, aber doch unterschiedlich sind. Zu bedenken wäre, ob Mt 16,27 nicht eher auf Sir 12,6 zurückgegriffen hat, wo es heißt: „Denn auch der Höchste hasst die Sünder und den Gottlosen wird er Strafe vergelten“ (καὶ τοῖς ἀσέβεσιν ἀποδώσει ἐκδίκησιν). Es muss also letztlich unsicher bleiben, ob die neutestamentlichen Autoren auf das Sirach-Buch zurückgegriffen haben. Hier mag es auch von Seiten des frühen Christentums eine gewisse Vorsicht gegenüber diesem Buch gegeben haben. Schließlich äußerte auch Hieronymus deutliche Zweifel an der Kano­ nizität14 des Buches, folgte aber im Blick auf den Umfang der Heiligen Schrift der griechischen Tradition und übernahm das Buch aus der Vetus Latina. 2.

Die rabbinischen Sirach-Zitate – eine kurze Forschungsgeschichte

Die jüdische Tradition wusste sehr wohl um die weisheitliche Kompetenz dieses Buches, aber rang offensichtlich mehrere Jahrhunderte lang um die Freigabe zur Lektüre und um die Übernahme des Buches für die Diskussion der Weisen. Dieser Weg spiegelt sich in den rabbinischen Zitaten aus Jesus Sirach. Im Laufe der Forschungsgeschichte wurden nun in den rabbinischen Schriften immer mehr Zitate und Anspielungen identifiziert und aufgelistet. Diese Arbeit wird aber erheblich erschwert durch die deutliche Differenz vieler Handschriften derselben Traktate, die reichlich für Verwirrung bei der Identifikation der Zitate und Anspielungen beiträgt. Die möglicherweise erste Zusammenstellung der rabbinischen Zitate hat Salomon Schechter15 vorgelegt. Die darauf basierende Zusammenstellung bei Cowley & Neubauer16 darf als die wichtigste Auflistung der Zitate und Anspielungen angesehen werden, die dann von Rudolf Smend17 aufgenommen wurde. Während sich nun die meisten Sirach-Kommentare auf die Nennung nur weniger Zitate und Anspielungen beschränken, hat Jenny R. Labendz18 eine sehr gründliche Studie vorgelegt, die eine Schneise in den Wirrwarr geschlagen hat. Ihre Leistung 14  Hieronymus, Praefatio in libros Salomonis, MPL XXVIII, 1305–1308, bes. 1307. 15  Schechter, Quotations, passim. 16  Cowley / Neubauer, Quotations, IXX–XXX. 17  Smend, Weisheit, XLVI–LVI. 18  Labendz, Book, 347–392.

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besteht darin, dass sie mit großer Sorgfalt die Handschriften der rabbinischen Traktate gewichtet und eine historische Abfolge der Sirach-Zitationen sichtbar gemacht hat.19 Damit hat sie ein Standardwerk vorgelegt, das leider in einem ziemlich abgelegenen Medium erschienen ist. Die hier vorgelegte Untersuchung möchte deshalb die Ergebnisse von Labendz für die rezente Sirach-Forschung v.a. im deutschsprachigen Bereich aufbereiten und weiterführend der Frage nachgehen, ob aus den rabbinischen Sirach-Zitaten Rückschlüsse auf den hebräischen Sirach-Text möglich sind. Die m.W. jüngste Untersuchung zu diesem Thema stammt von Haim Dihi20, der die textlichen Differenzen bei ausgewählten Zitaten analysiert hat: sie gehen zurück auf den Austausch des biblischen Vokabulars durch mischnisches Vokabular oder auf rabbinische Disputationsfreude oder letztlich auch auf eine andere hebräische Textvorlage. Gerade diese letzte Möglichkeit lässt die Zitate erneut interessant werden. Diesem Interesse soll im Folgenden nachgegangen werden. 3.

Einige statistische Beobachtungen

Die Zahl der in der Sekundärliteratur identifizierten Zitate und Anspielungen tendiert gegen 100. Hinzukommen acht Zitate – bes. ein Zitat in Ms.Heb.d. 47,15 (fol. 39b) aus der Kairoer Geniza, auch belegt im Alphabet des Ben Sira21 –, die zwar explizit als Sirach-Zitate ausgewiesen werden, sich aber im Buch selbst nicht identifizieren lassen. Unabhängig davon und ungemein schwierig zu beurteilen sind die vielen Sentenzen, die im Alphabet des Sirach dem Ben Sira in den Mund gelegt werden. Mit einiger Sicherheit lassen sich davon 9 als echte Zitate ausweisen. Die nun folgende Einteilung der Belege hat einen summarischen Charakter, da die einzelnen Belege ausführlich an anderer Stelle vorgestellt werden sollen. Auf (3.1) unechte Zitate – vage Anspielungen folgen (3.2) echte Zitate ohne Zitatformel, die zu differenzieren sind in (3.2.1) sinngemäße Zitate ohne Zitatformel, (3.2.2) teilwörtliche Zitate ohne Zitatformel und (3.2.3) wörtliche Zitate ohne Zitatformel. Es folgen (4) die echten Zitate mit Zitatformel, die einem rabbinischen Weisen zugeschrieben werden, differenziert in (4.1) relativ 19  Hier ist aber auch gegenüber den Datierungen von Labendz Vorsicht geboten, denn die von ihr untersuchten babylonischen und palästinischen Zitate liegen zeitlich doch sehr nahe beieinander. 20  Dihi, Quotations, 261–271. 21  vgl. Börner-Klein, Alphabet, 214f.

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textnahe und (4.2) recht textnahe Zitate. Den Abschluss bilden (5) Zitate, die Sirach zugesprochen werden, differenziert in (5.1) recht textnahe und (5.2) wörtliche Zitate. Der nächste Abschnitt (6) sichtet die relevanten Zitate im Alphabet des Ben Sira und (7) führt die nicht verifizierbaren Zitate an. Der Schlussabschnitt (8) beinhaltet einige Versuche, die Sirach-Zitate, die sich in den Handschriften der Geniza nicht verifizieren lassen, für die Rekonstruktion der Sirach-Vorlage nutzbar zu machen. 3.1 unechte Zitate – vage Anspielungen Da es im Folgenden wirklich nur um Zitate und weniger um Anspielungen gehen soll, ist die Messlatte konsequent anzulegen. Dabei sind als erste die Belege auszuscheiden, die als vage Anspielungen gelten müssen und zudem nicht explizit als Sirach-Zitat ausgewiesen sind: Sir 4,30A par. Sir 4,30C par. bGittin 6b; Sir 5,7A par. bSchabb 153a; Sir 5,15A par. Abot IV 6; Sir 8,8A.D par. bSukkah 21b par. bAboda zara 19b; Sir 8,18A.D par. bPesaḥim 49b; Sir 11,9A par. Sir 11,9B: par. Tanḥ 73a; Sir 13,2A par. Abot ii 3; Sir 18,16LXX par. bBB 9b; Sir 20,9LXX par. jBerakot IX 3; Sir 20,15LXX par. jBerakot IV 2; Sir 21,11LXX par. bKiddushin 30b; Sir 21,20LXX par. bErubin 65b par. Abot N, p. 86a; Sir 30(33),33(25)E par. bBM 65a; Sir 34(31),28LXX par. bJoma 76b; Sir 36(33),26B par. bKetubot 75a; Sir 38,24B par. Abot N cap. 35, p. 73b; Sir 40,25B.LXX par. bPesaḥim 119a. Die hier vorliegenden Anspielungen reichen kaum aus, in den rabbinischen Belegen Sirachzitate zu erkennen. 3.2 Echte Zitate ohne Zitatformel 3.2.1 Sinngemäße Zitate ohne Zitatformel Folgende Belege in den rabbinischen Texten gehen mit großer Wahrscheinlichkeit auf einen Sirach-Text zurück. Dabei ist aber aufgrund einer differenten Textnähe nicht notwendig mit einer literarischen Zitation zu rechnen. Viele

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sinngemäße Entsprechungen erklären sich aus der Annahme, dass der Autor des rabbinischen Textes entweder die Stelle aus dem Kopf zitierte oder lediglich nur den Sinn eines Sirach-Textes mit anderen Worten wiedergeben wollte. Sir 5,4A.C par. bḤagiga 16a; Sir 8,5A.D par. bBM IV 10; Sir 11,8A.B par. Abot V 10; Sir 19,19LXX par. Ibn Gabirol 318; Sir 20,18LXX par. Ibn Gabirol 357; Sir 20,30C par. Ibn Gabirol 38; Sir 26,28LXX par. Ibn Gabirol 66–67; Sir 35(32),4LXX par. Sir 35(32),4Pesh par. bTaanit 5b;22 Sir 36(33),30B.C.D par. bSchabb 152a par. bYebamot 62b; Sir 39,25B par. Sefer Jezira p. 102, n. 1; Sir 40,19B.Mas par. bBerakot 57b. 3.2.2

Teilwörtliche Zitate ohne Zitatformel Sir 9,3A par. bSanh 100b par. Alphabet ‫;ד‬ Sir 9,9A par. bSanh 100b (identischer Suffix-Fehler gegen Gr/ Syr/VL); Sir 13,11A par. Saadja 178,15; Sir 14,5A par. Peah 8,9;23 Sir 23,11C par. Dibbur Schelischi im Midrasch Aseret Haddibrot; Sir 30,16B par. Ibn Gabirol 457; Sir 32(35),21B par. Sir 32(35),21LXX: par. Zohar, Levit (3, p.62); Sir 38,4.7.8B par. GenR 10b zu Gen 2,1 par. Yalkut, Job § 501;24 Sir 40,28LXX par. Ibn Gabirol 564; Sir 40,29B.Mas par. bBetsah 32b.

22  Für den syr. Text wird vereinfachend das Kürzel Pesh verwendet, obwohl die Peshitta zu Sirach noch nicht ediert ist. Die Verweise beziehen sich auf die syrische Textgrundlage, die auch für die „Polyglotte Sirach-Synopse“ Verwendung findet. Sie stützt sich auf den Codex Ambrosianus (7a1) und auf die Londoner Polyglotta unter Beiziehung des ältesten Textzeugen 7h3 in der British Library. 23  So nach https://ia600608.us.archive.org/34/items/JerusalemTalmudPeahWithCriticalAp paratus/peah.pdf; und nach https://www.sefaria.org/Mishnah_Peah.8.9?lang=bi&with= all&lang2=en (Zugriff: 05.03.2019) lautet der Text: „And all who need to take, yet do not take, will not die from old age until he will [be enabled to] provide for others from his portion“. 24  Labendz, Book, 373 betont, dass die hier zu beobachtenden Zitat-Splittings bei den Rabbinen durchaus üblich sind.

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3.2.3

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Wörtliche Zitate ohne Zitatformel Sir 5,5A.C par. Saadja 176,19; Sir 5,6A.C par. Saadja 176,19; Sir 6,7A.C par. Saadja 179,3; Sir 6,8A.C par. Saadja 178,3; Sir 6,13A.C par. Saadja 178,8; Sir 10,22A.B par. bSanh 100b; Sir 11,28A par. Saadja 178,6; Sir 16,17A par. Saadja 179,12; Sir 25,2LXX par. bPesaḥim 113b;25 Sir 25,3LXX par. Abot 24 (S. 73); Sir 42,9B.Mas par. bSanh. 100b; par. Alphabet ‫( ת‬S. 28) par. Alphabet ‫( כ‬S. 30).

4.

Echte Zitate mit Zitatformel – einem rabbinischen Weisen zugeschrieben

4.1

relativ textnah Sir 7,10A par. bErubin 65a; Sir 7,17A.C par. Abot 4,7 (4a);26 Sir 31(34),26f.LXX par. Tanḥ 12b par. bBM 112a.

4.2

recht textnah Sir 13,15A  par. Sir 13,16A par. bBK 92b (R. bar Mari stellt Sir 13,15b mit Sir 27,9b zusammen); Sir 14,11A par. bErubin 54a; Sir 14,12A par. bErubin 54a; Sir 14,16A par. bErubin 54a; Sir 14,18A par. bErubin 54a; Sir 25,13C par: bSchabb 11a;

25  Der von Labendz, Book, 378 behauptete Vergleichstext bNiddah 16b ist völlig anders gelagert. 26  Labendz, Book, 348f. erkennt aus der Ersetzung des biblischen Vokabulars durch rabbinische Ausdrücke, dass das Zitat als ein rabbinisches Zitat verstanden wurde, das sich vom Sirach-Text verselbständigt hatte.

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Sir 27,9LXX Sir 36(33)7F Sir 36(33)8F Sir 37,8B.D

par. bBK 92b; par. bSanh 65b par. Tanḥ, Exodus ‫( ג תרומה‬p. 109b); par. bSanh 65b par. Tanḥ, Exodus ‫( ג תרומה‬p. 109b); par. bSanh 76b.

5.

dem Sirach zugeschriebene Zitate

5.1

recht textnah par. Sir 3,21C par. bḤagiga 13a par. jḤagiga 77e (nahezu Sir 3,21A  wortgleich mit GenR VIII); Sir 6,6A.C par. Saadja 178,1 par. Alphabet ‫( ג‬ähnlich bSanh 100b; in bYebamot 63b als Sirach-Zitat ausgewiesen und mit Mi 7,5 komponiert); Sir 7,1A.C  par. Tanḥ ‫ § חקת‬1: (vgl. GenR 44a; QohR 97b u.ö.; wird in der rabbin. Literatur nicht durchgängig dem Sirach zugeschrieben); Sir 9,8A par. bSanh 100b (in Yebamot 63b als Sirach-Zitat ausgewiesen); Alphabet (S. 22)27 (nahe an bSanh.); Sir 11,1A.B  par. jBerakot VII 2 (48a); Ms. Leiden: 11b;28 Sir 18,23LXX par. Tanḥ wajjišlaḥ § 8; Sir 21,22C par. bNiddah 16b29 par. ‫‏‬Pirke debarenu haqqodesch‎‎, 14a; Sir 30,23B par. bYebamot 63b par. Alphabet ‫;א‬ Sir 38,1B.D par. ExR c. xxi par. Tanḥ Gen ‫מקץ‬. § 10 par. Alphabet ‫א‬ (202).

5.2

wörtliche Sirach-Zitate30 Sir 3,22A.C wörtlich mit C und als Sirach-Zitat ausgewiesen: jḤagigah II (77e) par. bḤagigah 13a par. GenR VIII,2 par. p.Aseret

27  Die Seitenzahl hier und in den folgenden Alphabet-Zitaten beziehen sich auf BörnerKlein, Alphabet. Die Seitenzahl wird dort angegeben, wo sich das Zitat keinem Buchstaben des hebräischen Alphabetes zuordnen lässt. 28  Labendz, Book, 371f. spricht von dramatischen Differenzen in den rabbinischen Handschriften. Durch die Verbindung mit Spr 4,8 waren die Rabbinen genötigt, das Zitat von der 3. Sg. in die 2. Sg. zu transferieren. Auch die Zitatformel ist für den palästinischen Talmud ungewöhnlich, da hier von einem Sirach-Buch ausgegangen wird. 29  Labendz, Book, 378 weist auf eine gewisse Ähnlichkeit zum Spruch Sir 25,2 hin. 30  Die Aussage von Lehmann, Ben Sira, bes. 336, es gebe kein einziges Zitat im Talmud, das wörtlich mit den Texten der Genizah übereinstimme, ist zu revidieren.

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Haddibrot; nicht als Sirach-Zitat ausgewiesen bei Saadja; m.Könen; Sir 9,3A par. bSanh 100b par. bYebamot 63b; Sir 11,29A par. bYebamot 63b; Sir 11,29A par. bSanh 100b par. bYebamot 63b (als Sirach-Zitat ausgewiesen); Sir 11,30A par. bSanh 100b, Stichos viii par. bYebamot 63b (als Sirach-Zitat ausgewiesen); Sir 11,32A par. bSanh 100b, Stichos viii; Sir 13,25A par. GenR 64b; Sir 26,2C par. bSanh 100b par. bYebamot 53b; Sir 26,3C par. bSanh 100b par. bYebamot 63b; Erste Zwischenbilanz 5.3 Erstaunlich ist die große Anzahl von Texten in der rabbinischen Literatur, die dem Text des Sirach-Buches mehr oder weniger nahestehen. Da sie durchgehend weisheitlichen Charakter haben, ist die Rückführung auf Ausgangstexte im Sirach-Buch keineswegs zwingend, selbst dort nicht, wo mittels einer expliziten Zitatformel auf Sirach verwiesen ist. Hier gab es in der Entwicklung der rabbinischen Literatur ganz sicher positive wie negative Ästimationen sirachischen Gedankengutes, die etwas mit der Kanonfrage zu tun hatten. Die Übersicht hat nun mehrere Ergebnisse gezeitigt: (1) Das Buch Jesus Sirach war sicher in einer hebräischen Fassung den Rabbinen bekannt und das wahrscheinlich in einem höheren Maße, als es uns die Anspielungen und Zitate ausweisen. (2) Das Buch wurde von den Rabbinen beachtet und geachtet und als eine wichtige Quelle für die rabbinische Disputation genutzt. (3) Da einige Zitate aber mit R. Akiba in Verbindung gebracht werden, ist möglicherweise gar mit einer recht frühen rabbinischen Rezeption des Buches zu rechnen. (4) Es hat den Anschein, als habe die Sirach-Tradition im Laufe der Rezeptionsgeschichte expandiert, insofern auch Zitate mit Sirach in Verbindung gebracht werden, die nicht im Buch zu verifizieren sind. 6.

Kurze Sichtung der relevanten Zitate im Alphabet des Ben Sira

Cowley & Neubauer31 führen 22 Belege an, die nach dem Alphabet geordnet sind. Es ist schwierig zu beurteilen, wie diese Zitate zu werten sind, zumal auch 31  Cowley / Neubauer, Original, xxviii–xxix.

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Cowley & Neubauer keine Verifizierung vornehmen. Die hier nun markierten Zitate aus dem Alphabet stützen sich auf die Auflistung bei D. Börner-Klein: Sir 6,6(5)A.C: ‫]אנשי שלומך יהיו רבים ובעל סודך אחד מאלף‬ Die Männer deines Friedens sollen viele sein, aber dein Vertrauter sei einer von Tausend. bYebamot 63b par. bSanh 100b, Stichos xi par. Saadja 178 I i:

‫רבים יהיו אנשי שלומיך גלה סודך לאחד מני אלף‬

Zahlreich sollen sein die Männer deines Friedens, offenbare dein Geheimnis (nur) einem von Tausend. Alphabet ‫( ג‬24): ‫גלה סודך לאחד מאלף אם רבו דורשי שלומך‬ Gib dein Geheimnis (nur) einem von Tausend preis, wenn es viele sein sollen, die den Frieden suchen. Es ist schwer zu entscheiden, ob das Alphabet-Zitat direkt aus einer Sirach-Vorlage genommen ist. Sicher steht der Text – trotz Umstellung der Versteile dem rabbinischen Text näher. Möglicherweise hat das Alphabet ‫ אנשי שלומך‬in ‫דורשי‬ ‫ שלומך‬verlesen, da beides sich graphisch kaum unterscheidet. Sir 9,3A:‫ן־ת ָל ֵכד‬ ִ֜ ‫־ת ְס ַת ָייֿ֑ד ֶפ‬ ִ ‫[ע]ם־זֹונֿ֥ה ַﭏ‬ ָ ‫יה׃‬ ָ ‫ן־ת ֗ ְפֹול ִב ְמצֹו ד ֹ ֶת‬ ִ֜ ‫ ֶפ‬/ ‫־א ָ ּׁ֣שֿה זָ ָ ֑ר ֿﬣ‬ ִ ‫ ַﭏ ִ ֭ת ְק ַרֿב ֶﭏ‬32 ‫יה‬ ָ ‫קו ֶ ֿת‬ ֹ ְ‫ִבל‬

Nähere dich nicht einer fremden Frau, damit du nicht in ihre Netze fällst. Mit einer Hure berate dich nicht vertraulich, damit du nicht von ihren Schmeicheleien gefangen wirst. bSanh 100b par. bYebamot 63b: ‫העלם עינך מאשת חן פן תילכד מבצודתה‬ Verschließe dein Auge vor einer anmutigen Frau, damit du nicht gefangen wirst in ihrem Netz. Alphabet ‫ד‬:>‫בשרך מאשת חן ‫אוקיר לאסיא