Technik der wichtigsten Eingriffe in der Behandlung innerer Krankheiten: Ein Leitfaden für Studierende und Ärzte [6. Aufl., Reprint 2022] 9783112662144, 9783112662137

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Technik der wichtigsten Eingriffe in der Behandlung innerer Krankheiten: Ein Leitfaden für Studierende und Ärzte [6. Aufl., Reprint 2022]
 9783112662144, 9783112662137

Table of contents :
Inhalt
Punktionen und Einspritzungen
örtliche Behandlung der Speiseröhre und des Magens
örtliche Behandlung des Darms
Anwendung des Katheters und örtliche Behandlung der Harnblase
Sachverzeichnis

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Technik der wichtigsten Eingriffe in der Behandlung innerer Krankheiten Ein L e i t f a d e n f ü r S t u d i e r e n d e und Ärzte

Von

Prof. Dr. H. S T U R S B E R G Leitender Arzt der inneren Abteilung des St. Johanneshospitals in Bonn

Sechste, vermehrte und überarbeitete Auflage Mit 63 Abbildungen im Text

B E R L I N

A.

M A R C U S

&

E.

1949

W E B E R ' S

V E R L A G

Alle Rechte vorbehalten Copyright 1949 by A. Marcus & E. Webei's Verlag, Berlin W 35 Printed in Germany Druck: Thormann u. Goetsch, Berlin SW 61

D e m Gedächtnis seines h o c h v e r e h r t e n Lehrers u n d F r e u n d e s

F R I E D R I C H SCHÜLTZE

Vorwort zur ersten Auflage Zur Ausarbeitung des vorliegenden Leitfadens veranlaßten mich Erfahrungen, die ich im Umgange mit Studierenden und jungen Ärzten, besonders auch bei Vorlesungen über therapeutische Technik und damit verbundenen praktischen Übungen, sammeln konnte. Ich gewann dabei den Eindruck, daß die an und für sich vorzüglichen Werke, welche dieses Gebiet behandeln, für den Lernenden und für denjenigen Arzt, der nur selten in die Lage kommt, gewisse Eingriffe vorzunehmen und dem es darauf ankommt, sich schnell die technischen Einzelheiten ins Gedächtnis zurückzurufen, nicht unbedingt geeignet sind. Sie bringen einerseits zuviel, indem sie zahlreiche, dem gleichen Zwecke dienende Verfahren besprechen und dem Leser die Auswahl auf Grund eigener Kritik mehr oder weniger überlassen. Andererseits gehen sie vielfach vom Standpunkte des erfahrenen und technisch geübten Arztes aus und übergehen infolgedessen manche Einzelheiten, die für den Geübten keiner Erörterung bedürfen, dem weniger Erfahrenen aber fremd sind. Demgegenüber sollen die folgenden Anleitungen nur wenige, ausgewählte Verfahren behandeln, die möglichst einfach, für den gegebenen Zweck aber ausreichend und allgemein anwendbar sind, und gerade auch die kleinen Handgriffe schildern, welche die Ausführung erleichtern. Wenn neben den technischen Darlegungen Hinweise auf das Verhalten des Arztes dem Kranken gegenüber häufig wiederkehren, so hat das seinen Grund darin, daß mir mangelndes Verständnis in dieser Richtung immer wieder entgegentreten ist. Der Leitfaden sollte September 1914 druckreif sein, die Überarbeitung der damals nahezu fertigen Niederschrift konnte aber erst jetzt erledigt werden. Immerhin hatte diese Verzögerung den Vorteil, daß ich im Kriege gesammelte Erfahrungen noch berücksichtigen konnte. Im Felde, September 1916.

Vorwort zur zweiten Auflage Die günstige Aufnahme, die der vorliegende Leitfaden gefunden hat, gab mir die Berechtigung, in der zweiten Auflage an den bei seiner Ausarbeitung maßgebenden Grundsätzen festzuhalten. Verfahren, die mehr in das Gebiet des Facharztes fallen, habe ich auch jetzt unberücksichtigt gelassen, dagegen hat die Blutübertragung durch Vereinfachung der Technik in den letzten Jahren auch für die allgemeine ärztliche Tätigkeit an Bedeutung gewonnen, so daß ich ihr eine kurze Darstellung widmen mußte. B o n n , im Dezember 1922.

VI

Vorwort zur dritten Auflage Der Anregung des Verlages, die dritte Auflage dieses Leitfadens zu bearbeiten, bin ich um so lieber gefolgt, als die Neuordnung der ärztlichen Ausbildung Bücher notwendig macht, die das Wesentliche in gedrängter Form bringen. Auch jetzt habe ich nur solche Verfahren besprochen, die sich für den Allgemeinpraktiker eignen. Eine Reihe von Abbildungen konnte wesentlich verbessert werden. B o n n , im Dezember 1939.

Vorwort zur vierten Auflage Der Inhalt wurde durch Abschnitte über die unmittelbare Blutübertragung und über die Okzipitalpunktion erweitert, im übrigen überarbeitet. B o n n , im Oktober 1942.

Vorwort zur fünften Auflage Der Leitfaden wurde überarbeitet, ohne daß sich wesentliche Änderungen als notwendig erwiesen. Wenn er im Kampfe für die schwerbedrohte Gesundheit unseres Volkes von Nutzen sein könnte, so wäre sein Zweck erfüllt! B o n n , im Oktober 1946.

Vorwort zur sechsten Auflage Neuere Erfahrungen wurden bei der Überarbeitung berücksichtigt, ohne daß größere Änderungen nötig waren. Die Beschaffung einiger Geräte, z. B. der Jejunalsonde, war in der Nachkriegszeit nicht immer möglich, und auch in anderer Hinsicht bot die Durchführung mancher Verfahren Schwierigkeiten. Wir dürfen aber hoffen, daß diese Hemmungen in absehbarer Zeit überwunden -werden, und ich habe deshalb die bisherige Darstellung beibehalten. B o n n , im August 1948.

H. S t u r s b e r g

Inhalt Seite

P u n k t i o n e n und E i n s p r i t z u n g e n

Allgemeine Regeln Unterhautgewebe Dränage des Unterhautgewebes Einspritzung in das Unterhautgewebe Einspritzung in Muskeln Venenpunktion und Einspritzung in die Blutbahn Venenpunktion Einspritzung in die Blutbahn Aderlaß . Blutentziehung durch das Schröpfverfahren Blutübertragung (Transfusion) Autotransfusion Punktion des Brustbeins . Punktion der großen Leibeshöhlen Punktion des Rippenfellraumes Behandlung eitriger Rippenfellergüsse Herzbeutelpunktion Bauchpunktion . Punktionen und Einspritzungen bei Erkrankungen des Nervensystems Punktion des Wirbelkanals Einspritzung in den Lumbaisack Einspritzung in den Kreuzbeinkanal Einspritzung auf Nervenstämme Okzipitalpunktion

örtliche

Behandlung

1

1 9 9 14 22 26 26 30 34 36 37 46 47 48 48 66 74 77 . 86 86 97 98 101 103

der S p e i s e r ö h r e und des Magens 109

Sondierung bei Erkrankungen der Speiseröhre Ausheberung und Spülung des Magens

: . .

ö r t l i c h e B e h a n d l u n g des D a r m s Sondierung des Zwölffingerdarms Behandlung mit der Jejunalsonde Behandlung des Dickdarms Hauptarten von Einlaufen Entleerende Einlaufe Medikamentöse Einlaufe Zur Aufsaugung bestimmte Einlaufe

109 118

129

129 130 137 141 141 146 . 146.

Anwendung des K a t h e t e r s und ö r t l i c h e B e h a n d l u n g der Harnblase . . . 162 Kathetereinführung beim Weibe . . Kathetereinführung beim Manne. Kathetereinführung unter regelwidrigen Bedingungen bei starker Vorwölbung des Leibes bei Prostatavergrößerung bei Verengerungen der Harnröhre Gefahren der Katheteranwendung Blasenspülung Dränage der Blase durch Verweilkatheter Blasenstich

Sachverzeichnis

166 166 161 161 162 166 167 168 170 172

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Abbildungen Abb. 1. Anfassen der Hohlnadel 2. Curschmannsches Röhr„ chen ,, 3. Einstich mit Curschmannschem Röhrchen . ,, 4. Rekordspritze mit Hohlnadel ,, 6. Einspritzungunt.d.Haut ,, 6. Infusionsgerät . . . . ,, ' 7 . Gebläsevorrichtung zur Einspritzung ,, 8. Einspritzungsstelle am mittleren Gesäßmuskel . ,, 9. Einspritzung in den großen Gesäßmuskel . . . ,, 10. Venüle ,, 11. Hohlnadel für Einspritzungen in die Blutbahn . ,, 12. Venenpunktion . . . . ,, 13. Schröpf köpf zur Blutentnahme ,, 14. Brauns Bluttransfusionsapparat „ 16. Dreiwegehahn dieses Apparats ,, 16. Brustquerschnitt . . . „ 17. Rippenfelltroikart . . ,, 18. Saugspritze für Rippenfellpunktion ,, 19. Dreiwegehahn . . . . ,, 20. Rorandaspritze . . . . ,, 21. Saugflasche ,, 22. Rippenfellpunktion . . ,, 23. Haltung des Rippenfelltroikarts beim Einstich . ,, 24. Bülausche Dränage I . ,, 25. • Bülausche Dränage I I . ,, 26. Bauchtroikart . . . . ,, 27. Ortsbestimmung für seitliche Bauchpunktion (Richter-Monroesche Linie) ,, 28. Haltung des Bauchtroikarts beim Einstich . . ,, 29. Druckverband f. Bauchpunktion ,, 30. Lumbalpunktionsnadel und Steigrohr „ 31. Röntgenbild der unteren Lendenwirbel . . . .

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Abb. 32. Einstich bei Lumbalpunktion, schematisch . ,, 33. Lagerung des Kranken 10 bei Lumbalpunktion . . ,, 34. Verschiedene Kreuzbein11 formen ,, 36. Einstich in den Kreuz16 beinkanal, schematisch . 18 ,, 36. Cisterna cerebello-me20 dullaris ,, 37. Sagittalschnitt durch das 20 Hinterhaupt ,, 38. Horizontalschnitt durch 23 die Cisterna cerebellomedullaris 24 ,, 39. Einführung des Magen26 schlauches ,, 40. Speiseröhrensondierung, 27 schematisch 29 ,, 41. Gerät zur Magenspülung ,, 42. Haltung des Trichters 37 bei der Magenspülung . „ 43. Mundöffner 41 ,, 44. Gummikeil zum Offenhalten des Mundes . . . 42 ,, 45. Jejunalsonde nach Rhe51 der 53 „ 46. Röntgenbild nach Einführung d. Jejunalsonde 54 „ 47. Beutelspritze 56 ,, 48. Glyzerinspritze . . . . 55 ,, 49. Gerät zum Tropfeinlauf 56 ,, 50. Glaskugel zur Tropf57 einlaufvorrichtung . . ,, 61. Schraubenklemme dazu 60 ,, 52. Vorrichtung für Tropfeinläufe nach Braun . . 69 ,, 63. Thermosflasche für 70 78 Tropfeinlauf ,, 64. Männlicher und weiblicher Katheter . . . . ,, 56. Geknöpfter Katheter . „ 56. Tropfglas für Gleitmittel 79 ,, 67. Kathetereinführung I . ,, 68. Kathetereinführung I I . 82 „ 69. Kathetereinführung I I I ,, 60. Kathetereinführung IV 83 ,, 61. Prostatahypertrophie, schematisch 87 ,, 62. Prostatakatheter . . . 88 „ 63. Tiemannkatheter . . , 4

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UND

PUNKTIONEN EINSPRITZUNGEN

Als „Punktion" wird jeder Eingriff bezeichnet, bei dem eine Hohlnadel oder ein ähnliches Gerät unter Durchbohrung der Haut in das Innere des Körpers eingeführt wird, um eine Flüssigkeit zu entnehmen oder Arzneimittel usw. zuzuführen. Die weitgehende Ähnlichkeit des Vorgehens in beiden Fällen rechtfertigt die gemeinsame Besprechung der einfachen und der mit Einspritzungen verbundenen Punktionen.

Allgemeine Regeln Bei allen operativen Eingriffen, zu denen aueh die Punktionen und Einspritzungen gehören, sind gewisse Grundregeln zu beachten. Sie sollen deshalb zunächst besprochen werden. Verhalten dem Kranken gegenüber Für den nicht bewußtlosen Kranken ist j e d e r Einstich, auch wenn er mit ganz feiner Nadel ausgeführt wird, unangenehm, und es tritt im Gegensatz zu manchen anderen Verfahren keine Gewöhnung an den Eingriff ein. Im Gegenteil schrecken empfindliche Kranke nicht selten vor der Wiederholung eines Einstiches zurück, nachdem er einige Male ausgeführt wurde. Deshalb mache man sich zunächst klar, ob der Eingriff nach Lage des Falles als dringend erforderlich bezeichnet werden muß oder ob man nicht mit anderen Maßnahmen den gleichen Erfolg erzielen kann. Bei Kranken mit widerstandsfähigem Nervensystem wird man sich im ganzen leichter zu einer Punktion usw. entschließen als bei ängstlichen, nervösen Menschen, bei denen jedesmal zu überlegen ist, ob der Nutzen, den der Eingriff bringt, nicht durch die damit verbundene schädliche Erregung aufgehoben wird. Es ist vielfach üblich geworden, möglichst viele Arzneimittel einzuspritzen, auch solche, die bei Zuführung vom Magen oder Mastdarm aus ebensogut wirken und gut vertragen werden. Diese Gepflogenheit ist nicht zu billigen. Nur d a n n s o l l von der E i n s p r i t z u n g G e b r a u c h g e m a c h t w e r d e n , wenn die B e i b r i n g u n g auf a n d e r e m W e g e , also b e s o n d e r s vom Magen oder Mastdarm aus, n i c h t m ö g l i c h o d e r n i c h t z w e c k m ä ß i g i s t o d e r wenn d i e s c h n e l l e r e u n d s t ä r k e r e W i r k u n g der E i n s p r i t z u n g a u s g e n u t z t w e r d e n soll. Erst nach Erwägung der besprochenen Vorfragen macht man dem Kranken Mitteilung von dem beabsichtigten Vorgehen und läßt, wenn es sich nur um eine einmalige Maßregel handelt, der A n k ü n d i g u n g den E i n g r i f f möglichst bald folgen, weil die Zeit bis zur Ausführung einer auch noch so unbedeutenden „Operation" für ängstliche Menschen oft unangenehmer ist als diese selbst. 1

S t u r s b e r g , T e c h n i k . 6. Aufl.

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Punktionen und Einspritzungen

Die zur Feststellung einer Punktionsstelle etwa notwendigen U n t e r s u c h u n g e n sollen möglichst schon ausgeführt werden, bevor der Kranke weiß, worum es sich handelt. Besonders gilt das auch für die Feststellung, ob und welche Blutadern des Kranken für eine beabsichtigte intravenöse Einspritzung geeignet sind. Man erspart dem Kranken dadurch manche unangenehme Empfindung. Unmittelbar vor der Ausführung des Eingriffes genügt dann eine kurze Untersuchung, um den Ort des Einstiches endgültig zu bestimmen, falls es nicht möglich war, die Einstichstelle bereits vorher mit dem Hautstift oder mit Jodtinktur zu bezeichnen (vgl. S. 56). Die notwendigen G e r ä t e sind mit größter Sorgfalt auszuwählen und vorzubereiten. N i c h t s i s t f ü r d e n K r a n k e n u n a n g e n e h m e r u n d a u f r e g e n d e r , a l s w e n n im l e t z t e n A u g e n b l i c k noc-h s o l c h e herbeigeholt oder Änderungen an den v o r h a n d e n e n vorgen o m m e n w e r d e n m ü s s e n ! Aus dem gleichen Grunde vermeide man es, das erforderliche Gerät längere Zeit vor Ausführung des Eingriffes in das Krankenzimmer bringen zu lassen oder es gar in Gegenwart des Kranken auf seine Brauchbarkeit zu prüfen. Falls der Kranke zur Ausführung des Eingriffes in eine andere L a g e gebracht werden muß, sind etwa erforderliche Kissen usw. bereitzuhalten. Für gute Beleuchtung, hinreichenden Raum für Arzt und Hilfspersonen sowie für einen bequem erreichbaren Tisch zum Abstellen des Gerätes ist nach Möglichkeit zu sorgen. Man hüte sich, durch unüberlegte B e m e r k u n g e n ü b e r d e n v o r z u n e h m e n d e n E i n g r i f f den Kranken zu ängstigen, und beantworte Fragen nach Schmerzhaftigkeit usw. mit großer Vorsicht. Wieweit man den Kranken darüber sowie über etwaige Gefahren und Nachwirkungen aufklären soll, ist eine Frage des ärztlichen Taktes, die nur von Fall zu Fall beantwortet werden kann. Man wird aber gut tun, bei jedem nicht ganz unbedeutenden Eingriff einen verständigen Angehörigen des Kranken über Gefahren und Möglichkeit des Mißlingens, z. B. einer Punktion, aufzuklären, um gegebenenfalls gedeckt zu sein. Dieser R a t gilt besonders auch bei intravenöser Anwendung von Strophantin oder, anderer Mittel bei Herzkranken. Mit plötzlichen Todesfällen muß bei Herzmuskelerkrankungen immer gerechnet werden und sie werden, wenn sie unmittelbar oder doch bald nach einer Einspritzung eintreten, v o m Laien fast immer dem Arzt zur Last gelegt, falls dieser die Angehörigen nicht vorher auf die Gefahr plötzlicher, nicht mit der Einspritzung im Zusammenhang stehender Zufälle hingewiesen hat. Gegenüber H a f t p f l i c h t a n s p r ü c h e n , die in solchen oder ähnlichen Fällen nicht ganz selten gegen den Arzt erhoben werden, ist dessen Stellung in juristischer Hinsicht wesentlich günstiger, wenn er nachweisen kann, daß er vorher die Angehörigen oder, wenn solche nicht erreichbar waren, den Kranken selbst, soweit ärztlich zulässig und zweckmäßig, über die Möglichkeit von Störungen und Gefahren aufgeklärt hat.

Endlich sei noch darauf hingewiesen, daß der Kranke n u r s o w e i t e n t k l e i d e t w e r d e n soll, wie es f ü r d e n b e t r e f f e n d e n E i n g r i f f u n e r l ä ß l i c h i s t . Eine unnötige Entblößung wird nicht nur von

Allgemeine Regeln

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vielen Kranken, besonders von Frauen, sehr peinlich empfunden, sondern kann auch bei länger dauernden Eingriffen durch starke Abkühlung schädigend wirken. Mit der Möglichkeit einer Ohnmachtsanwandlung muß man auch bei anscheinend kräftigen Menschen schon bei einfachen Punktionen rechnen und durch geeignete Lagerung und Bereitstellung von Hilfe dafür sorgen, daß der Kranke in einem solchen Falle keinen Schaden erleidet. Bei schwächlichen Kranken und beim Vorliegen von Herzstörungen sind auch Anregungsmittel, z. B. Cardiazol, und Spritze bereitzustellen. Vorbereitung des Eingriffs Jeder die Haut durchbohrende, Einstich kann bei unvorsichtigem Vorgehen Krankheitskeime in den Körper einschleppen. Die dadurch bedingte Gefahr ist um so größer, je empfindlicher gegen eindringende Keime die Körperhöhle ist, welcher der Einstich gilt, aber auch ein einfacher Einstich in das Unterhautgewebe kann zu Entzündung und Eiterung führen. D e s w e g e n i s t s t r e n g e W a h r u n g d e r A s e p s i s auch bei dem k l e i n s t e n E i n g r i f f e u n b e d i n g t notwendig. Der Durchführung dieser Forderung, die erfahrungsgemäß oft nicht genügend beachtet wird, dienen folgende Maßregeln: i . Sorgfältige Entkeimung aller Geräte

Unbedingt sichere Entkeimung wird nur durch Behandlung mit Dampf bei 120° und bei einer Atmosphäre Überdruck in besonderen Sterilisierapparaten erzielt. In Ermangelung eines solchen geschieht sie am besten und für die Zwecke der Allgemeinpraxis völlig ausreichend durch Auskochen in Wasser, in dem zweckmäßig eine geringe Menge Soda, etwa 1%, gelöst wird. Der Sodazusatz darf nicht zu groß sein, weil die Geräte dadurch schlüpfrig werden, falls man sie zum Gebrauch unmittelbar aus dem Kochgefäß entnimmt. Die Kochzeit soll im allgemeinen mindestens 10 Minuten betragen. (Über Vorsichtsmaßregeln beim Auskochen von Spritzen vgl. S. 16.) Zum Auskochen kann jedes beliebige Gefäß von geeigneter Form benutzt werden, besondere „ I n s t r u m e n t e n k o c h e r " mit Siebeinsatz sind aber handlicher und deshalb vorzuziehen. Umfangreichere Geräte, z. B. Infusionsflaschen (S. 20), sind im Sterilisationsapparat mit gespanntem Dampf zu entkeimen. Hierbei ist zu beachten, daß Schläuche und sonstige Gummiteile nicht untereinander oder mit Metallteilen in Berührung kommen dürfen, sondern einzeln in Gaze einzuwickeln sind. Kanülen oder sonstige Geräte, die bei h o c h i n f e k t i ö s e n Z u s t ä n d e n , z . B . bei Gasbrand, benutzt wurden, sind, wenn es die äußeren Umstände irgend zulassen, i m g e s p a n n t e n D a m p f zu e n t k e i m e n , weil hier das Auskochen keine genügende Sicherheit bietet,



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Punktionen und Einspritzungen

Um für eilige Fälle die Geräte, besonders Spritzen, sogleich gebrauchsfertig zur Hand zu haben, empfiehlt es sich, sie nach jedem Gebrauche auszukochen, mit keimfreiem Mull oder keimfreien Tüchern abzutrocknen und in ebenfalls keimfreien, gut schließenden Behältern aufzubewahren. Gegen die Aufbewahrung entkeimter Gegenstände in reinem Alkohol, wie sie vielfach noch für Kanülen, Spritzen usw. üblich ist, wird eingewandt, daß Alkohol oft nicht keimfrei ist, im besonderen ist auch.zu beachten, daß Alkohol Eiweiß fällt. Er ist deshalb vor dem Aufsaugen einer eiweißhaltigen Flüssigkeit, z. B. von Serum oder Insulin, durch gründliches Ausspritzen von Spritze und Hohlnadel mit äbgekochtem Wasser sorgfältig zu entfernen. Hohlnadeln aus Platin-Iridum lassen sich durch Ausglühen entkeimen, kommen aber für die Praxis ihres hohen Preises wegen kaum in Frage. S t a h l n a d e l n dürfen n i c h t ausgeglüht werden, weil sie dadurch stumpf und weich werden. Kleine Hohlnadeln können mit der Spitze nach oben im Reagenzglas ausgekocht werden. Spritzen mit Lederdichtungen, z . B . die alte „ P r a v a z s p r i t z e " , vertragen das Auskochen nicht und sind deshalb nicht mehr zu benutzen.

Die Reinigung des Geräts durch Abreiben und Ausspritzen mit Alkohol oder anderen keimtötenden Mitteln, wie sie in der Praxis noch vielfach üblich ist, b i e t e t k e i n e G e w ä h r f ü r h i n r e i c h e n d e E n t k e i m u n g , versagt im besonderen Sporen gegenüber. Sie ist also g r u n d s ä t z l i c h zu v e r m e i d e n und dürfte nur in besonderen Notfällen benutzt werden, wenn bei der Notwendigkeit sofortigen Eingreifens ausgekochtes Gerät nicht rasch genug zu beschaffen ist. Zu beachten ist, daß Metallgeräte nicht mit Sublimatlösung in Berührung kommen dürfen, weil sie von ihr angegriffen werden.

Da die Entkeimung der Hände nie mit solcher Sicherheit möglich ist wie'diejenige der Geräte, so gewöhne man sich daran, die letzteren n u r mit einer ausgekochten P i n z e t t e oder K o r n z a n g e o d e r an solchen S t e l l e n anz u f a s s e n , die n i c h t m i t dem K ö r p e r d e s K r a n k e n oder d e r einzuspritzenden F l ü s s i g k e i t in B e Fa lsch Richtig Abb. 1 rührung kommen. Hohlnadeln z . B . dürfen nur am Ansatzstück (Abb. 1), der Kolbenteil einer Spritze nur am Griff berührt werden, eine Regel, gegen die besonders von Anfängern sehr oft gefehlt wird. Metallgegenstände werden auch durch wiederholtes Auskochen nur wenig geschädigt, dagegen leiden Gummischläuche, weiche Katheter usw. ziemlich stark. Sie werden weich und schlaff, so daß z. B . ein Schlauch, der vor dem Kochen ein Glasrohr gut umschloß, nachher von

Allgemeine Regeln

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ihm abgleitet. Aus diesem Grunde sind Schläuche, die mit Glaszwischenstücken oder Metallansätzen verbunden werden sollen, so eng zu wählen, daß sie vor dem Kochen nur schwer überzustreifen sind. Gummischläuche werden beim Kochen besonders an solchen Stellen geschä'digt, die an Metall- oder Glasteilen befestigt sind, und es ist deshalb besser, Ansatzstücke usw. erst n a c h dem Kochen mit den Schläuchen zu verbinden. Weich gewordene Gummischläuche klappen bei Erniedrigung des Innendruckes, z. B. beim Ansaugen eines Rippenfellergusses, ventilartig zusammen und sind daher für solche Zwecke nicht mehr brauchbar. 2. Entkeimung der einzuspritzenden Lösungen

Alle z u r E i n s p r i t z u n g b e s t i m m t e n L ö s u n g e n m ü s s e n sicher k e i m f r e i sein. Falls die zu verwendenden Arzneimittel durch Hitze nicht zersetzt werden, sind die Lösungen nach der Herstellung zu kochen, anderenfalls ist das Lösungsmittel vor Zusatz der keimfrei aufzubewahrenden Arzneimittel durch Kochen zu entkeimen, ebenso alle benutzten Gefäße. Tabletten, die zur Herstellung von Lösungen verwandt werden sollen, sind dem Behälter mit keimfreier Pinzette zu entnehmen. Wässerige Lösungen, von denen größere Mengen eingespritzt werden sollen, sind nur mit f r i s c h d e s t i l l i e r t e m Wasser herzustellen. Zur Lösung leicht zersetzlicher Arzneimittel, z. B. Salvarsan, benutzt man a m besten unmittelbar nach der Destillation keimfrei in Glasröhren abgefülltes A m p u l l e n w a s s e r einer zuverlässigen Fabrik.

Für alle Fälle ist die Verwendung der in zugeschmolzenen Glasröhren, A m p u l l e n oder A m p h i o l e n , gebrauchsfertig gelieferten Lösungen trotz des höheren Preises empfehlenswert, besonders für die Außenpraxis. Sera werden stets in gebrauchsfertigem Zustande geliefert. Die Behälter dürfen erst unmittelbar vor der Einspritzung geöffnet werden, Reste sind wegzugießen, da sie dem Wachstum von Bakterien außerordentlich günstige Bedingungen bieten. Bei der Herstellung der einzuspritzenden Lösungen in der Apotheke ist auf die Notwendigkeit völliger Keimfreiheit hinzuweisen, gegebenenfalls mit dem Apotheker vorher Rücksprache zu nehmen.

Beim Öffnen der Ampullen ist Eindringen von Bakterien vom Ampullenhals aus nicht ganz ausgeschlossen. Er soll deshalb vor dem Anfeilen mit Alkohol abgerieben werden. Zum Verschluß von Behältern, deren Inhalt, z. B. Insulin, nicht auf einmal gebraucht werden soll, werden vielfach G u m m i k a p p e n benutzt, die zur Entnahme des Inhaltes mit der Hohlnadel durchstochen werden. Sie müssen vor jedem Einstich sorgfältig mit Alkohol abgerieben werden. In derartigen Flaschen würde beim einfachen Ansaugen ein Unterdruck entstehen, der die Entnahme behindert. Man saugt deshalb soviel Luft in die Spritze ein, als man Flüssigkeit entnehmen will, durchsticht erst dann die Kappe, spritzt die Luft in die Flasche ein und kann jetzt ohne Schwierigkeit die gewünschte Menge des Inhalts absaugen.

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Punktionen und Einspritzungen 3. Entkeimung der Einstichstelle und ihrer Umgebung

Das einfachste Verfahren zur Vorbereitung der Punktionsstelle ist das Bepinseln mit 5proz. Jodtinktur oder einem ihrer Ersatzmittel, wie sie mit Rücksicht auf den Jodmangel während des Krieges in großer Zahl hergestellt worden sind. Man benutzt dazu kleine Wattebäusche, die um Holzstäbchen (im Notfalle genügt ein Streichholz) gewickelt sind. Ein Nachteil der Jodtinktur besteht darin, daß sie die Haut derber und widerstandsfähiger macht und dadurch den Einstich etwas erschwert. In den meisten Fällen spielt dieser Umstand keine Rolle, nur bei Venenpunktionen kann er gelegentlich etwas stören. Die erwähnten E r s a t z m i t t e l sollen in ihrer Wirkung der Jodtinktur gleichkommen und haben den Vorteil, daß sie auch bei jodüberempfindlichen Kranken angewandt werden können, dagegen den Nachteil, daß sie meist langsamer trocknen und die Haut zunächst etwas schlüpfrig machen. Als brauchbar seien die V a l v a n o l - T i n k t u r (Asid) und die S e p s o T i n k t u r genannt. Für die Außenpraxis ist die unter dem Namen „ J o d o m u c " , neuerdings auch als „ Jodomuc-jodfrei" in den Handel gebrachte Packung oder die Sepso-Tupfpackung sehr bequem. Beim Fehlen von Jodtinktur oder eines Ersatzmittels ist die Haut mit warmem Wasser und Seife, dann mit Alkohol, Sublimatlösung (1:1000) oder Zephirol (0,5°/0) zu behandeln (vgl. unter 4). Abreiben mit Alkohol, Äther oder dem billigeren Benzin (im Notfall auch mit Kölnischem Wasser oder stark alkoholhaltigem Schnaps) genügt bei Vornahme einfacher Einspritzungen. In allen anderen Fällen ist eines der ersterwähnten Verfahren anzuwenden. Bei stärkerem Haarwuchs ist die Haut vor der Entkeimung zu rasieren. 4. Reinigung der Hände des Arztes

Die Hände werden zur Entkeimung fünf Minuten lang mit warmem Wasser und Seife, dann ebensolange mit Alkohol (70%), Sublimatlösung (1:1000) oder Zephirol (0,5%) gründlich gebürstet. Die Bürste muß keimjfrei sein, also vor der Benutzung ausgekocht oder längere Zeit in Sublimatlösung eingelegt werden. Auf sorgfältige Reinigung der Fingernägel ist besonders zu achten. Auch Verwendung von Seifenspiritus, m i t dem die Hände 6 — 1 0 Minuten lang gebürstet werden, kann empfohlen werden.

Die Benutzung von keimfreien G u m m i h a n d s c h u h e n kommt für die hier zu besprechenden kleinen Eingriffe kaum in Frage, außer etwa bei der Punktion von eitrigen Rippenfellergüssen, wobei sie die Hand des Arztes vor Verunreinigung schützen. Bei ganz kleinen Eingriffen, z. B . Einspritzungen unter die Haut oder in eine Vene, kann man sich darauf beschränken, die Hände zu waschen und nach dem Abtrocknen die Fingerspitzen mit 5proz. Jodtinktur

Allgemeine Regeln

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(oder einem Ersatzmittel) zu bepinseln, da bei richtigem Vorgehen nur diese mit den Geräten und der Haut des Kranken in Berührung kommen. Dieses abgekürzte Verfahren sollte aber nur in Ausnahmefällen benutzt werden! Ausführung des Eingriffs Vor Ausführung jedes Eingriffes hat man sich die Frage vorzulegen: Wie l ä ß t sich der d a m i t v e r b u n d e n e S c h m e r z v e r r i n g e r n oder ganz vermeiden ? Ein Einstich mit dünner und richtig geschliffener Nadel ist bei geschickter Ausführung und Beachtung der später zu besprechenden Vorsichtsmaßregeln so wenig schmerzhaft, daß schmerzlindernde Anwendungen überflüssig sind. Dagegen .verursacht das Einstechen von Troikarts und dickeren Hohlnadeln, zumal wenn diese bei Probepunktionen langsam eingestochen und mehrfach verschoben werden müssen, stärkere Schmerzen, denen auch bei weniger empfindlichen Kranken vorgebeugt werden mrrß.' A l l g e m e i n n a r k o s e oder D ä m m e r s c h l a f kommen für die in Rede stehenden Eingriffe für gewöhnlich n i c h t in Frage. Denn die Gefahren, welche trotz sachgemäßer Ausführung jede Narkose mit sich bringt, stehen in keinem Verhältnis zu dem immerhin nicht übermäßigen Schmerz, den ein geschickt ausgeführter Einstich verursacht. Sehr empfehlenswert ist es, bei erregbaren und ängstlichen Kranken vor Beginn der letzten Vorbereitungen eine kleine Gabe Pantopon, Morphium, Eukodal oder ein ähnliches Mittel darzureichen oder einzuspritzen oder eine kräftige Gabe Kodein zu geben. Die Kranken werden dadurch beruhigt, und man hat bei Rippenfellpunktionen gleichzeitig den Vorteil, daß nicht so leicht Hustenreiz entsteht. Bei Verabfolgung des Mittels suche man den Kranken außerdem suggestiv zu beeinflussen, indem man ihm versichert, daß der Eingriff an und für sich kaum nennenswerten Schmerz verursache, und daß die dargereichte Arznei die Empfindlichkeit noch mehr herabsetze. In den meisten Fällen ist örtliche Betäubung dringend anzuraten. Sie ist auch insofern von Nutzen, als sie Abwehrbewegungen vermeiden läßt, die durch den Schmerz des Einstiches oft ausgelöst werden und manchmal, z. B. bei der Lumbalpunktion, sehr störend wirken können. Von den zur Verfügung stehenden Verfahren verdient die E i n s p r i t z u n g e m p f i n d u n g s l ä h m e n d e r M i t t e l u n b e d i n g t d e n V o r z u g vor dem G e f r i e r v e r f a h r e n . Ein gewisser Nachschmerz kann bei beiden Verfahren auftreten, ist aber meist nicht sehr erheblich. Die gefrorene Haut bietet dem Einstich erheblich - mehr Widerstand als die unveränderte Haut und infolgedessen muß beim Einstechen größere Kraft angewandt werden. Gleichzeitig — und darin liegt für manche Zwecke der wesentlichste Nachteil dieses Verfahrens — wird aber die Abtastung der tieferen Teile im Augenblick des Einstiches erschwert oder unmöglich gemacht, und infolgedessen kommt es z. B. bei der Punktion des Rippenfells oder des Lumbaisackes

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Punktionen und Einspritzungen

viel leichter vor, daß die Nadel von der beabsichtigten Richtung abweicht und auf Knochen auftrifft. Dadurch werden aber bekanntlich sehr lebhafte Schmerzen ausgelöst, die erheblich stärker sind als die beim Durchbohren der Haut ohne örtliche Betäubung eintretenden. Deshalb wenden wir das Gefrierverfahren nur noch selten, z. B. gelegentlich bei der Dränage des Unterhautgewebes oder bei der Bauchpunktion, an.

örtliche Betäubung durch Einspritzung Als empfindungslähmendes Mittel dient für unsere Zwecke eine 2proz. L ö s u n g von N o v o k a i n m i t S u p r a r e n i n z u s a t z , wie sie in Ampullen zu 1 und 2 ccm im Handel ist, z. B. als N o v o k a i n - S u p r a r e n i n A m p u l l e n „ B " , „Höchst" oder „Bayer". Die Einspritzung geschieht mittels einer der später zu besprechenden Spritzen und feiner Nadel und soll in, n i c h t u n t e r die Haut gemacht werden. Zu diesem Zwecke wird die Nadel im spitzen Winkel zur Haut nur soweit eingestochen, daß ihre Öffnung gerade unter der Oberfläche verschwindet .Wird dann der Stempel der Spritze ein wenig vorgeschoben, so daß 1—2 Tropfen ausfließen, so entsteht bei richtiger Lage der Nadelspitze sogleich eine gefühllose, blasse Quaddel. Genügt deren Umfang nicht zur Ausführung des beabsichtigten Eingriffes, so zieht man die Nadel heraus, sticht innerhalb des Umfanges der Quaddel, aber nahe ihrem Rande wieder ein und bildet durch erneutes Einspritzen einiger Tropfen eine weitere Quaddel, die sich zum Teil mit der ersten deckt. Auf diese Weise kann man eine größere Fläche unempfindlich machen, ohne mehr als einmal einen schmerzhaften Stich auszuführen. Zur Ausführung einer Punktion genügt meist eine einzelne Quaddel. örtliche Betäubung durch Kälte Am schnellsten und sichersten arbeitet der C h l o r ä t h y l s p r a y . Das Chloräthyl kommt in dünnwandigen Flaschen in den Handel, die am besten so eingerichtet sind, daß sich der Verschluß durch leichten Druck auf einen Hebel öffnet. Die Austreibung des Chloräthyls erfolgt durch den Druck der unter der Einwirkung der Handwärme gebildeten Dämpfe. Man faßt die Flasche in die volle Faust, drückt mit einem Finger den Hebel" nieder und richtet den feinen, aus der kapillaren Öffnung austretenden Strahl aus etwas 30 cm Entfernung auf die Punktionsstelle, bis das plötzliche Weißwerden der Haut den Eintritt der Gefrierung und damit der Empfindungslosigkeit erkennen läßt. Da der Zustand nur kurze Zeit anhält, muß der Einstich dann sofort erfolgen. Näher als auf den angegebenen Abstand heranzugehen, ist unzweckmäßig, weil die Gefrierung dann schlechter vor sich geht. Falls innerhalb der Flasche, wie das bei manchen Packungen der Fall ist, das Chloräthyl durch eine zur Austrittsöffnung führende Röhre aufsteigt, achte man darauf, daß deren Ende unter dem Flüssigkeitsspiegel bleibt. Da der feine Strahl bei ungünstiger Beleuchtung manchmal schwer sichtbar ist, hüte man sich, ihm eine falsche Richtung zu geben. Besonders die Augen sind sorgfältig vor ihm zu schützen.

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Muß ein E i n s t i c h o h n e ö r t l i c h e B e t ä u b u n g ausgeführt werden, so ist die Stärke des dabei entstehenden Schmerzes vorwiegend von der Geschicklichkeit des Arztes abhängig. Daß alle Geräte, um ihn möglichst zu verringern, in gutem Zustande sein müssen, daß vor allem nur tadellos scharfe Nadeln usw. benutzt werden sollen, ist selbstverständlich. Es ist daher ratsam, vor dem Auskochen und außerdem unmittelbar vor der Anwendung die Geräte zu prüfen, da z. B . bei feinen Nadeln die Spitzen sehr leicht, schon, durch ungeschicktes Hineinwerfen in das Kochgefäß, beschädigt werden können. Alle Einstiche werden, abgesehen von einzelnen, später zu besprechenden Ausnahmefällen m i t e i n e m R u c k ausgeführt. Vor allem darf die Nadel nicht, wie man es bei Anfängern manchmal sieht, langsam „eingebohrt" werden, da langsames Einstechen die Schmerzhaftigkeit ganz außerordentlich vermehrt. Während die Nadel in der Haut liegt, vermeide man unnötiges Hin- und Herschieben, weil j e d e Bewegung der Nadel Schmerzen macht. Bei Probepunktionen, bei denen ja ein Verschieben der Nadel manchmal nötig ist, beschränke man jedenfalls die Bewegung auf das unbedingt Notwendige. Wenn eine Nadel nach dem Einstiche längere Zeit liegenbleiben muß (z. B . bei der Entleerung von Rippenfell- oder Bauchfellergüssen), so h a l t e m a n sie d a u e r n d mit zwei Fingern der leicht auf den Körper des Kranken aufgestützten Hand f e s t , um Anspannung oder Zerrung der Haut durch die Nadel zu vermeiden. Denn wenn die Haut um die Nadel herum ganz gleichmäßig gespannt ist, wird das Liegen der Nadel kaum unangenehm empfunden, dagegen tritt sogleich Schmerz auf, wenn die Haut auch nur wenig verzogen wird. Endlich soll das H e r a u s z i e h e n der N a d e l ohne vorherige Ankündigung ebenfalls mit einem Ruck, nicht langsam erfolgen. Sie ist dann oft schon aus der Haut heraus, bövor der Kranke sich dessen bewußt wird.

Unterhautgewebe Einstiche in das Unterhautgewebe kommen zu diagnostischen Zwecken nur ausnahmsweise in Betracht. In verhältnismäßig seltenen Fällen werden sie in Form der sog. D r ä n a g e zur mechanischen Entfernung von Flüssigkeitsansammlungen, bei weitem am häufigsten zum Zwecke von E i n s p r i t z u n g e n vorgenommen. Da das Verfahren in beiden Fällen erhebliche Verschiedenheiten aufweist, ist getrennte Besprechung erforderlich.

Dränage des Unterhautgewebes Anzeigen. Die Entfernung w a s s e r s ü c h t i g e r A n s c h w e l l u n g e n , die als Folge von Herz- oder Nierenerkrankungen entstanden sind, m u ß a u f m e c h a n i s c h e m W e g e v e r s u c h t . w e r d e n , wenn i h r e B e seitigung durch Anwendung von H e r z m i t t e l n , h a r n t r e i b e n den M i t t e l n , s c h w e i ß t r e i b e n d e n Anwendungen, Massage usw. n i c h t g e l i n g t .

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Punktionen und Einspritzungen

Die Entscheidung über den richtigen Z e i t p u n k t z u r V o r n a h m e d e r D r ä n a g e ist nicht immer leicht. Der Eingriff ist für den Kranken mit Unbequemlichkeiten und unter Umständen auch Schmerzen verbunden und mit Rücksicht auf Infektionen, für die das in seiner Widerstandsfähigkeit durch das Ödem geschwächte Gewebe besonders empfänglich ist, nicht ungefährlich. Deshalb soll man sie erst anwenden, wenn aller Voraussicht nach mit anderen Mitteln kein Erfolg mehr erzielt werden kann. Andererseits soll man aber mit der Dränage auch nicht bis zur völligen Erschöpfung des Kranken warten, weil sie, rechtzeitig angewandt, manchmal überraschende Besserungen herbeiführt. Man beobachtet nicht selten, daß die vor der mechanischen Entfernung der Flüssigkeit vergeblich angewandten Herzmittel nachher wirksam sind, zum mindesten aber wird die Verringerung der Anschwellungen in Fällen, in denen der Erfolg nicht so günstig ist, von dem Kranken meist als erhebliche Erleichterung empfunden. Bei A n s c h w e l l u n g e n i n f o l g e ö r t l i c h e r H i n d e r n i s s e in der Blutbahn, Venenthrombosen usw., ist ein wesentlicher Nutzen von der Dränage im allgemeinen nicht zu erwarten. Erleichternd wirkt sie aber vielfach auch in solchen Fällen.

Gerät. Den früher verwendeten Southeyschen Troikarts (Röhrchen von iy2—2 mm Durchmesser und 3—4 cm Länge) sind die von C u r s c h m a n n angegebenen Troikarts (Abb. 2) vorzuziehen. Sie bestehen aus einem etwa 5—6 cm langen Röhrchen von flachovalem Querschnitt, dessen obères Ende einen Wulst zur Befestigung des Schlauches trägt, während am vorderen Ende eine Anzahl kleiner seitlicher Öffnungen den Eintritt der Gewebsflüssigkeit erleichtert. Das vordere Ende ist außerdem an den Schmalseiten geschlitzt und legt sich federnd um das in die Kanüle Abb. 2 passende Stilett. Dessen lanzenförmige zweischneidige Spitze, hinter der das dünnere Mittelstück beginnt, muß bei richtig gearbeiteten Troikarts das vordere Ende des Röhrchens ringsum etwas überragen. Als Handgriff dient der plattenförmige, auf der Fläche etwas ausgehöhlte Knopf des Stiletts. Dèr S c h l a u c h , welcher nach Ausführung der Punktion mit der Kanüle verbunden wird, soll etwa 1 x/2 m l a n g und so eng sein, daß er nach dem Überschieben über den Wulst der Kanüle luftdicht schließt (vgl. S. 4). Werden 2 Röhrchen gleichzeitig eingelegt, so empfiehlt sich die Verwendung eines T-Stücks aus Glas, mit dem die von beiden ausgehenden Schläuche verbunden werden, während nur ein Schlauch die Flüssigkeit weiterführt. Ort des Einstiches. Bei der Wahl der Einstichstelle sind folgende Gesichtspunkte zu beachten: 1. Der Einstich soll in stark ödematöses Gewebe eindringen, weil nur dann ein guter Abfluß zu erwarten ist.

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2. Die Einstichstelle soll möglichst abhängig liegen, es dürfen aber keine Stellen benutzt werden, mit denen der Kranke bei Rückenlage aufliegt. 3. Sie soll nicht über oberflächlichen Knochen liegen, weil anderenfalls die Kanüle nach Abfluß des Ödems auf die Knochenhaut drücken und dadurch Schmerzen hervorrufen würde. Daß die Gegend der oberflächlichen Gefäße und der Nervenstämme zu vermeiden ist, versteht sich von selbst. Demnach kommen für die Einstiche nur die s e i t l i c h e n T e i l e der U n t e r s c h e n k e l m i t t e , der O b e r s c h e n k e l und des- L e i b e s in Frage.

Ausnahmsweise kann auch der H o d e n s a c k punktiert werden, falls er besonders stark angeschwollen ist. Im allgemeinen bringt aber reichlicher Abfluß a n anderen Stellen auch den Hodensack zum Abschwellen, besonders wenn er mittels einer kleinen wattegepolsterten Pappschiene oder eines dick zusammengelegten Tuches hochgelagert wird. Außerdem hat die Punktion des Hodensackes den Nachteil, daß sich gerade hier die Stichöffnung oft außeiordentlich schlecht schließen läßt, und daß die Nähe des Afters leicht zu Verunreinigungen der Wunde führt, zumal bei benommenen Kranken.

Verfahren. Die Hautdränage kann am liegenden oder am sitzenden Kranken ausgeführt werden. Im letzteren Falle geht der Abfluß oft besonders gut vor sich. P e i n l i c h s t e W a h r u n g d e r A s e p s i s i s t aus s p ä t e r zu e r ö r t e r n d e n G r ü n d e n u n b e d i n g t e r f o r d e r l i c h ! Von örtlicher Be-

Abb. 3

täubung ist im allgemeinen abzusehen. Wenn sie verlangt wird, so kommt nur der Chloräthylspray in Frage. Wir pflegen meist 2 Kanülen gleichzeitig einzulegen, je eine am Unterschenkel und am Oberschenkel oder auch beide am Oberschenkel. Der

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Abfluß ist dann meist reichlich, ohne indessen zu schnell vor sich zu gehen. Bei starker Spannung der Haut genügt auch schon eine Kanüle. Einlegen von zahlreichen Kanülen oder gleichzeitige Punktion an beiden Beinen empfiehlt sich, abgesehen von der Gefahr zu schnellen Abfließens, auch deshalb nicht, weil der Kranke dadurch genötigt wird, dauernd in derselben Lage zu verharren. Besonders der Zwang, die Beine stundenlang fast unbeweglich liegen zu lassen, wird meist unangenehm empfunden. Beim E i n s t i c h wird der Knopf des Troikarts mit der rechten Hand so gefaßt, daß der Daumen auf der Höhlung der Platte aufliegt, während Mittel- und Zeigefinger beiderseits neben der Kanüle liegen (Abb. 3). Die Spitze wird im Gegensatz zu dem Verfahren bei runden Troikarts o h n e D r e h u n g im spitzen Winkel durch die Haut in das Unterhautgewebe eingestochen, am besten in der Richtung gegen den Lymphstrom, also von oben nach unten. D i e b r e i t e S e i t e der K a n ü l e s o l l n a c h d e m E i n s t i c h der H a u t o b e r f l ä c h e a n l i e g e n , die Kanüle ist also schon beim Einstich entsprechend zu halten. Die richtige Lage durch Drehen der Kanüle nach dem Einstich herbeizuführen, ist wegen der großen Schmerzhaftigkeit dieses Vorgehens unzulässig.' Das A u f h e b e n e i n e r H a u t f a l t e , wie es bei Einspritzungen in das Unterhautgewebe üblich ist und auch für die Dränage empfohlen wird, ist bei der meist starken Spannung der zu punktierenden Haut gewöhnlich nicht möglich, außerdem auch n i c h t e r f o r d e r l i c h , weil das ödematöse Unterhautgewebe eine dicke Schicht darstellt, so daß die Gefahr einer Verletzung tieferer Teile bei richtiger Stichführung nicht besteht.

Sollen zwei Kanülen eingelegt werden, so ist es ratsam, zunächst beide einzustechen und sie erst dann mit den ableitenden Schläuchen zu verbinden. Dies geschieht in der Weise, daß das Ende des ausgekochten Schlauches unmittelbar nach Herausziehen des Stiletts über den Wulst der Kanüle gestreift wird. Dabei muß die Kanüle mit der einen Hand g u t f e s t g e h a l t e n werden, weil Verschieben der Kanüle heftige Schmerzen und unter Umständen Blutungen veranlaßt. Das untere Ende des Schlauches wird mit einem kleinen Gewicht (z. B . dem Glasstöpsel einer Tropfflasche) beschwert und in ein auf dem Boden stehendes Gefäß eingelegt. Der Schlauch füllt sich besonders bei starker Gewebsspannung meist rasch mit Ödemflüssigkeit, so daß eine Heberwirkung eintritt. Bei alten, bereits sehr derb gewordenen Ödemen kann es zweckmäßig sein, diese Wirkung von vornherein anzustreben, indem man den Schlauch mit ausgekochtem Wasser oder Borwasser füllt und abklemmt. Die Klemmen werden erst nach tiberstreifen des Schlauches über die Kanüle gelöst.

Die Stichstellen werden mit Airol, Dermatol oder Marfanil-Prontosilpuder (MP-Puder) bestreut und mit einem kleinen V e r b a n d bedeckt, indem man eine etwa handtellergroße keimfreie Gazeplatte (mit ausgekochter Schere!) vom Rande her bis zur Mitte einschneidet und sie so um die Kanüle legt, daß diese sich in dem inneren Winkel des Schnittes befindet. Die Gaze wird mit einigen Heftpflasterstreifen be-

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festigt. Um ein Abrutschen des Schlauches von der Kanüle zu verhindern, umwickelt man die Gegend der Verbindungsstelle mit schmalen Heftpflasterstreifen und bedeckt schließlich das Ganze mit einer lockeren, durch Heftpflaster befestigten Watteschicht, um Kanüle und Schlauch vor Druck zu schützen. Auch bei Anlegung des Verbandes sind aus den oben angegebenen Gründen Bewegungen der Kanüle sorgfältig zu vermeiden. Ist mit einer gewissen Unruhe des Kranken nach Anlegen der Dränage zu rechnen, so umwickeln wir den Schlauch unmittelbar über dem Verband mit je einem Ende zweier langer, schmaler Heftpflasterstreifen, deren andere Enden über den Veiband weg auf der Haut angeklebt werden. Ein durch Bewegungen des Beines hervorgerufener Zug wirkt dann nicht sogleich auf die Kanüle, sondern zuerst auf diese Pflasterstreifen.

Der ableitende Schlauch wird bei Anlegung der Dränage im Bett an der Matratze befestigt, indem man ihn durch die Öffnung einer starken Sicherheitsnadel hindurchlegt oder lose um eine solche herumschlingt. Man beachte, daß er dabei nicht abgeknickt wird, und daß zwischen der Kanüle und der Befestigungsstelle ein hinreichend langes Stück freibleibt, damit der Kranke sich etwas bewegen kann, ohne den Schlauch anzuspannen oder gar die Kanüle herauszuziehen. Die Kanülen sollen im allgemeinen n i c h t l ä n g e r a l s 24 S t u n d e n l i e g e n b l e i b e n , nur ausnahmsweise ist diese Zeit auf 36 Stunden zu verlängern, wenn der Abfluß noch nicht genügte und der Verband noch einwandfrei ist. Bei der E n t f e r n u n g i s t w i e d e r s t r e n g a s e p t i s c h v o r z u g e h e n , die Stichöffnungen sind sorgfältig zu verbinden. N a c h s i c k e r n nicht zu großer Flüssigkeitsmengen schadet nichts, wenn nur ein hinreichend dicker, gut aufsaugender Verband angelegt ist. Fließt viel Flüssigkeit nach, so daß der Verband stark durchfeuchtet wird, oder ist aus anderen Gründen das Nachsickern unerwünscht, z. B . bei Neigung zu Ekzemen, so legt man einen Druckverband wie bei der Bauchpunktion an (S. 82). Wesentlich gefördert wird der Verschluß der Wunde dadurch, daß man u n m i t t e l b a r n a c h dem H e r a u s z i e h e n der K a n ü l e f ü r e i n i g e M i n u t e n m i t dem F i n g e r einen D r u c k a u f •die G e g e n d des S t i c h k a n a l s (nicht auf die Stichöffnung) a u s ü b t .

V e r l e t z u n g e i n e s B l u t g e f ä ß e s beim Einstich führt meist zu Gerinnung innerhalb der Kanüle, so daß kein Abfluß eintritt. Immerhin ist dies nicht regelmäßig der Fall, und es empfiehlt sich deshalb nicht, beim Ausfließen geringer Blutmengen aus der Kanüle etwa sogleich an anderer Stelle nochmals einzustechen. Außerdem wird bei Anwendung von zwei Kanülen wohl nur selten in beiden Gerinnung eintreten. Stärkere Blutungen beobachtet man fast nie, sie würden •durch Druck zu stillen sein. —

Die wesentlichste Gefahr der D r ä n a g e besteht in der Möglichkeit von I n f e k t i o n e n , die in dem durch die Flüssigkeitsansammlung in seiner Widerstandsfähigkeit beeinträchtigten Gewebe sehr leicht haften. Besonders roseartige Zustände sind nicht selten. D i e N o t w e n d i g k e i t rstrengster Asepsis muß deswegen immer wieder b e t o n t werden. Langes Liegenbleiben der Kanülen begünstigt den Eintritt

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Punktionen und Einspritzungeil

von Infektionen und ist deshalb, wie schon erwähnt, zu widerraten. Davon, daß Nierenkranke mehr zu Infektionen neigen als Herzkranke, haben wir uns nicht überzeugen können. Bei sehr schnellem Abfluß der Gewebsflüssigkeit kommt es in seltenen Fällen zu T r ü b u n g des B e w u ß t s e i n s , verbunden mit Erregung oder sogar leichten Delirien, Erscheinungen, wie sie gelegentlich auch bei schneller Aufsaugung großer Ergüsse und Ausscheidung durch die Nieren beobachtet werden. Eine ernste Bedeutung kommt diesen Störungen im allgemeinen nicht zu, man wird aber trotzdem gut tun, bei ihrem Auftreten den Abfluß sofort zu unterbrechen. Außer der einfachen Dränage sind noch verschiedene andere Verfahren zur mechanischen Entfernung von Flüssigkeitsansammlungen aus dem Unterhautgewebe angegeben worden. Die Mehrzahl von ihnen bedient sich der Anlegung von Schnittwunden, durch welche die Flüssigkeit aussickert. Sie alle haben den Nachteil, daß die Haut in großer Ausdehnung dauernd von Flüssigkeit befeuchtet wird, wodurch Ekzeme entstehen können, und daß der Verschluß der Wunden fast immer Schwierigkeiten bereitet. Die Infektionsgefahr ist unter diesen Umständen sicher nicht geringer als bei der Punktion, durch das Auftreten von Ekzemen wird sie sogar erheblich vermehrt. Die Art der empfohlenen Einschnitte ist verschieden. Große, tief in das Gewebe eindringende Schnitte werden wohl kaum noch benutzt, weil sie zu schmerzhaft sind. Kleine Einstiche sind nicht schmerzhafter als die Punktion, haben aber ihr gegenüber den Nachteil, daß die Flüssigkeit nicht abgeleitet werden kann. Dagegen sind für einzelne Fälle, besonders für Kranke, die durch Atemnot usw. gezwungen sind, dauernd zu sitzen, o b e r f l ä c h l i c h e R i t z u n g e n der H a u t , sog. Skarifikationen, als wenig schmerzhaftes und schnell wirkendes Verfahren brauchbar. Man stellt die Füße des in einem bequemen Lehnstuhl sitzenden Kranken auf eine niedrige hölzerne Fußbank, die in einer mit keimfreien Tüchern bedeckten Wanne (z. B. einer Sitzbadewanne) steht, und ritzt die vorher auf das sorgfältigste in der üblichen Weise vorbereitete Haut der Unterschenkel an mehreren Stellen mit einem bauchigen Messer. Ein besonderes „Skarifikationsmesser" ist überflüssig. Die 6—10 cm langen Schnitte sollen ähnlich wie bei der Impfung nur eben die Oberhaut durchdringen, eine Blutung darf bei richtiger Ausführung nicht eintreten. Stärkerer Druck auf das Messer ist zu vermeiden, da schon leichtes Hingleiten der Schneide über die infolge des Ödems gespannte Oberhaut genügt, um sie zu durchtrennen. Die Gewebsflüssigkeit sickert sogleich aus den Schnitten aus und läuft in das untergestellte Gefäß ab. Die Beine des Kranken und die Wanne werden mit einem lose übergehängten keimfreien Tuche bedeckt, darüber zur Vermeidung stärkerer Abkühlung Wolldecken gelegt. Soll der Kranke später zu Bett gebracht werden, so ist unter den üblichen Vorsichtsmaßregeln ein aufsaugender Verband anzulegen. A u c h bei d i e s e m V e r f a h r e n i s t s t r e n g s t e A s e p s i s unbedingt erforderlich!

Einspritzungen in das Unterhautgewebe E i n s p r i t z u n g e n „ u n t e r die H a u t " oder, richtiger ausgedrückt, „in das U n t e r h a u t g e w e b e " („subkutane Einspritzungen") werden

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fast ausschließlich angewandt, um dem Körper A r z n e i m i t t e l oder Wasser zuzuführen. Versuche, auf diesem Wege Nahrungsmittel in den Körper zu bringen, haben bisher keine ermutigenden Erfolge gezeitigt.

Bei Einspritzung unter die Haut gelangen Arzneimittel unmittelbar und ganz oder fast ganz unverändert in die Blutbahn, während sie bei Darreichung durch den Mund der Einwirkung der Verdauungssäfte unterliegen und nach der Aufsaugung wenigstens teilweise durch die entgiftende Tätigkeit der Leber beeinflußt werden. Die Aufsaugung kleiner Mengen wässriger Lösungen erfolgt vom Unterhautgewebe schneller als vom Magen aus, infolgedessen wird die Konzentration des Arzneimittels im Blute bei der Einspritzung größer. Bei der Bemessung der Gabe ist dieser Umstand zu berücksichtigen. Kleine Mengen von Salzlösungen werden vom Unterhautgewebe aus rascb aufgesaugt, so daß sich die Wirkung schon nach 6—10 Minuten bemerklich machen kann. Erheblich langsamer geht die Aufsaugung von eiweißhaltigen Lösungen, von Gelatine und von Öl vor sich. E i n s p r i t z u n g u n g e e i g n e t e r M i t t e l u n t e r die H a u t v e r a n l a ß t heft i g e S c h m e r z e n , unter Umständen s c h w e r e E n t z ü n d u n g e n o d e r s o g a r B r a n d d e r b e t r e f f e n d e n H a u t s t e l l e n . Deswegen dürfen nur solche Mittel eingespritzt werden, deren wässerige oder ölige Lösungen erfahrungsgemäß keine erheblichen Reizerscheinungen hervorrufen. A u s g e s c h l o s s e n sind alle stark sauer oder stark alkalisch reagierenden Mittel, starke Salzlösungen und besonders die M i t t e 1 d e r D i g i t a l i s g r u p p e (Strophantin!), die auch in kleinsten Mengen starke Schmerzen verursachen können. Manche zur Einspritzung unter die Haut ungeeignete Mittel können ohne Schaden in die Muskeln oder in die Blutbahn eingespritzt werden.

Das Verfahren ist je nach der einzuspritzenden Flüssigkeitsmenge verschieden: Für kleine Mengen bis zu 20, ausnahmsweise bis zu etwa 40ccm wird die Spritze, für größere Mengen, sog. Infusionen, eine T r i c h t e r - oder G e b l ä s e v o r r i c h t u n g benutzt. a) Einspritzung kleiner Flüssigkeitsmengen

, Gerät. Spritzen mit Leder- oder Gummidichtung sind nicht sicher zu ent-

keimen, werden leicht undicht uqd sind aus diesen Gründen unbrauchbar.

Am besten haben sich Spritzen mit Glaszylinder und Metallkolben bewährt („Rekordspritzen"). Eine kegelförmige Zuspitzung des vorderen Kolbenendes mit entsprechender Aushöhlung des vorderen Zylinderteiles ist zweckmäßig, weil sie die Entfernung der beim Aufsaugen der Lösung in die Spritze eingedrungenen Luftblasen wesentlich erleichtert (Abb. 4).

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Auch Glasspritzen mit Glaskolben sind gut brauchbar. Sie haben den Nachteil größerer Zerbrechlichkeit, dagegen den Vorteil, daß die Kolben nicht abschleißen, wie das bei vielgebrauchten Metallkolben manchmal vorkommt.

Die H o h l n a d e l n sollen ausschließlich a u s n i c h t r o s t e n d e m S t a h l hergestellt werden, weil solche aus gewöhnlichem Stahl leicht unbemerkt von innen heraus durchrosten und dann beim Einstich abbrechen, und je nach dem Zweck verschiedene Länge und Stärke haben. Man vermeide für die gewöhnlichen Einspritzungen die Benutzung ailzu langer dünner Nadeln, wie sie für besondere Zwecke, z. B. örtliche Betäubung tiefer liegender Gewebe, hergestellt werden, weil ihre Führung unsicherer ist und weil sie sich beim Durchstechen der Haut leichter verbiegen. J e kleiner die einzuspritzende Flüssigkeitsmenge ist, desto kürzer kann die Nadel sein. Bei größeren Mengen verdienen längere Nadeln, die entsprechend dicker sein müssen, den Vorzug. Für w ä s s e r i g e L ö s u n g e n sind f e i n e H o h l n a d e l n brauchbar. Öl kann n u r d u r c h N a d e l n m i t w e i t e r B o h r u n g eingespritzt werden. Die Nadeln sind immer so dünn wie möglich zu wählen, weil der Schmerz beim Einstich um so geringer wird, je dünner die Nadel ist. Andererseits hüte man sich vor Verwendung zu dünner Nadeln, weil dadurch die Einspritzung erschwert wird. Die A n s a t z s t ü c k e der Hohlnadeln müssen genau auf den Kegel (Konus) der Spritze passen. Die allgemeine Durchführung der Normung (Din 13090; beseitigt die früher in dieser Hinsicht bestehenden Schwierigkeiten. Bei Benutzung älterer Spritzen oder Hohlnadeln ist jedesmal zu prüfen, ob die Teile zusammen benutzbar sind. Im allgemeinen kommt der Praktiker mit je einer Spritze von 1 bis 2 ccm und von 10 ccm Inhalt aus. Für besondere Zwecke, z. B. Gelatineeinspritzungen, ist noch eine Spritze von 20 ccm Inhalt angenehm. Die Einteilung nicht geeichter Spritzen in Kubikzentimeter oder bei kleinen Spritzen in */io c c m i s t ungenau. Man tut deshalb gut, sich durch Wägung der mit Wasser gefüllten Spritze von der Richtigkeit der Einteilung zu überzeugen, besonders wenn die Spritze zur Beibringung stark wirkender Mittel (z. B. Tuberkulin, Skopolamin) benutzt werden soll. Für I n s u l i n e i n s p r i t z u n g e n werden besondere Spritzen hergestellt, die neben der Teilung in Kubikzentimeter eine solche nach Insulineinheiten haben. Sie sind vor allem dann zu empfehlen, wenn der Kranke selbst oder weniger geübte Pflegepersonen die Einspritzungen ausführen sollen. (Über „ S e r ü l e n " vgl. S. 19.)

Behandlung der Spritzen und Nadeln. Glasmetallspritzen Und Ganzglasspritzen sind vor dem Kochen auseinanderzunehmen, weil der Zylinder beim Erhitzen der zusammengesetzten Spritze infolge der ungleichmäßigen Dehnung des Kolbens und des Zylinders zersprengt werden würde. Solange nach dem Kochen der sehr genau eingeschliffene Kolben noch warm ist, paßt er oft nicht in den Zylinder, man lasse daher vor dem Zusammensetzen die Teile abkühlen. Um zu prüfen, ob eine Spritze „gut zieht", d. h. ob der Kolben sich dem Zylinder so dicht anlegt, daß neben ihm weder Luft noch Flüssigkeit durchdringen kann, verschließt man die Spritzenöffnung mit dem Finger

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und zieht dann den Kolben an. Kehrt er beim Loslassen sogleich in seine frühere Lage zurück, so ist die Spritze in Ordnung. Man hüte sich, ihn z u r ü c k s c h n e l l e n zu lassen, weil die Spritze dadurch zertrümmert werden kann. Nach B e e n d i g u n g der E i n s p r i t z u n g ist sogleich Wasser in d i e S p r i t z e e i n z u s a u g e n u n d d a n a c h d e r K o l b e n h e r a u s z u n e h m e n . Denn durch Eintrocknen salzhaltiger oder Gerinnung eiweißhaltiger Lösungen wird der Kolben so fest an die Innenfläche des Zylinders angeheftet, daß seine Entfernung nur sehr schwer, manchmal überhaupt nicht gelingt. Man kann versuchen, den Kolben durch Einlegen der Spritze in Eis oder in eine Kältemischung zu lockern, in der sich das Kolbenmetall schneller und stärker zusammenzieht als der Glaszylinder. Auch Einlegen in Antiformin wird empfohlen. In die H o h l n a d e l n soll vor dem Kochen stets ein Draht von entsprechender Dicke eingeschoben werden. Auch sie sind unmittelbar nach dem Gebrauch auszuspritzen und zu trocknen. Ort, der Einspritzung. Kleine Flüssigkeitsmengen können an beliebigen Hautstellen eingespritzt werden, zu bevorzugen sind aber wegen des lockeren Unterhautgewebes der Unterarm und der Oberschenkel. Am Oberarm, den man im allgemeinen vermeiden sollte, kommt nur die Rückseite in Betracht, weil auf der Innenseite die Nerven und Gefäße, auf der Außenseite der N. radialis bedroht werden könnten. Die Einspritzung schmerzstillender Mittel wie Morphium usw. am Orte des Schmerzes wirkt höchstens durch die damit verbundene Suggestion stärker als diejenige an anderen Stellen. Einspritzungen in ödematöses Gewebe sind zwecklos, weil Aufsaugung von hier aus überhaupt nicht oder doch nur sehr langsam erfolgt. Für Einspritzungen, die schmerzhaft sind oder zu örtlichen Reizungen zu führen pflegen (z. B. Tuberkulin), wählt man nach Möglichkeit weniger empfindliche Gegenden, z. B. die Rückenhaut, falls es sich nicht um einen bettlägerigen Kranken handelt, dem durch Schmerzen am Rücken das Liegen erschwert werden könnte. Größere Flüssigkeitsmengen, z. B. Kochsalz- oder Gelatinelösungen, lassen sich am besten an Stellen mit besonders lockerem Unterhautgewebe einspritzen, also an den Oberschenkeln, an den seitlichen Teilen des Bauches oder an der Brust. Letztere ist aber bei allen Zuständen zu vermeiden, bei denen die Atmung erschwert ist. Sind für lange Zeit regelmäßige Einspritzungen erforderlich, z. B. von Insulin, so ist es zweckmäßig, eine bestimmte R e g e l f ü r d i e V e r t e i l u n g d e r E i n s t i c h s t e l l e n einzuhalten, um zu starke Belastung einzelner Hautstellen zu verhüten. Man macht die erste Einspritzung etwa an der Außenseite des rechten Oberschenkels oben, die zweite an der gleichen Stelle links, die dritte wieder rechts, aber einige Fingerbreiten tiefer, die folgende entsprechend links usw. und wechselt auch mit den seitlichen und vorderen Hautflächen ab. Auf diese Weise wird 2 S t u r s b e r g , Technik. 6. Aufl.

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die gleiche Hautstelle erst nach längerer Zeit wieder benutzt, und dadurch eine stärkere Reizung vermieden. Verfahren. Nach Vorbereitung der Einstichstelle (vgl. S. 6) wird die einzuspritzende Lösung in die vorher geprüfte Spritze eingesogen. Ist sie in einer weithalsigen Flasche enthalten, so kann man die Öffnung der Spritze unmittelbar eintauchen, andernfalls saugt man durch die aufgesetzte Nadel ein. Will man den Inhalt einer Ampulle mit kurzer Nadel ansaugen, so hält man erstere mit der Öffnung nach abwärts und führt die Hohlnadel nur so weit ein, daß sie mit der Spitze in der Flüssigkeit liegt.

Abb. 5 Vielfach empfiehlt es sich, besonders auch zur Entnahme von Flüssigkeit aus Ampullen, zugleich mit der zur Einspritzung erforderlichen Hohlnadel eine zweite, weite und lange Nadel auszukochen und diese zum Aufsaugen zu benutzen. Die Füllung der Spritze gelingt dann viel schneller und bequemer. (Bei stark reizenden Mitteln ist dieses Verfahren auch aus anderen Gründen notwendig. Vgl. S. 33.)

Ist mit der Flüssigkeit Luft in den Zylinder eingedrungen, so hält man die Spritze senkrecht mit nach aufwärts gerichteter Nadel und schiebt den Kolben so lange vor, bis die Luft entwichen ist und Flüssigkeit austritt. An der Zylinderwand haftende Luftblasen sind vorher durch leichtes Klopfen mit dem Fingernagel und durch Bewegungen der Spritze loszulösen. Wie bereits erwähnt, wird die Entfernung der Luft durch Kegelform des Kolbens wesentlich erleichtert. B e i m Einstich faßt man die Spritze leicht mit den Fingern der rechten Hand, hebt gleichzeitig mit der linken Hand eine Hautfalte auf und sticht die Nadel so ein, daß sie in der Längsrichtung der Falte parallel zur Oberfläche der umgebenden Haut eindringt. Bei diesem

Unterhautgewebe

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Vorgehen kann die Nadel nur in das Unterhautgewebe, nicht in tiefere Teile gelangen (Abb. 5). Bevor man einspritzt, überzeugt man sich durch Abnehmen der Nadel oder durch leichtes Ansaugen, daß die N a d e l s p i t z e nicht in einem B l u t g e f ä ß liegt. Tritt hierbei Blut aus, so ist die Nadel zurückzuziehen und an anderer Stelle wieder einzustechen. Liegt sie richtig, so wird der Stempel langsam vorgeschoben, bis die Spritze entleert ist. Will man nicht den ganzen Inhalt einspritzen, so stellt man vor dem Einstich den Rand des Zylinders auf einen Teilstrich ein und schiebt von diesem den Kolben vor, bis die gewünschte Menge erreicht ist. In solchen Fällen ist die Spritze schon beim Einstich so zu halten, daß die Einteilung gut erkennbar ist.' Ist die Menge der einzuspritzenden Flüssigkeit größer als der Inhalt der Spritze, so kann man die eingestochene Nadel liegen lassen, die Spritze vorsichtig abnehmen, mit Hilfe einer zweiten (ausgekochten!) Nadel wieder füllen und auf die in der Haut liegende Nadel aufsetzen. Flüssigkeitsmengen von mehr als 5—10 ccm werden nicht an einer umschriebenen Stelle eingespritzt, sondern besser mit Hilfe einer langen Nadel auf eine größere Fläche verteilt. Man sticht die Nadel zunächst soweit wie möglich ein und kann dann durch allmähliches Zurückziehen und erforderlichenfalls Wiedervorschieben in etwas anderer Richtung die Flüssigkeit verteilen. Bei V o r n a h m e v o n M a s s e n i m p f u n g e n (gegen Typhus, Cholera usw.) benutzt man mit Vorteil eine 5—10 ccm-Spritze mit deutlicher % ccm-Teilung und bereitet außerdem eine große Zahl von Hohlnadeln vor, die nach Verwendung sogleich wieder in einem bereitstehenden Geiäß ausgekocht werden. Man kann auf diese Weise eine Reihe von Leuten schnell hintereinander impfen, indem man die Spritze bis zur völligen Entleerung immer wieder mit einer frisch ausgekochten Nadel für jeden einzelnen Impfling versieht. Eine Anzahl von Sera werden von den Behringwerken gebrauchsfertig in sog. S e r ü l e n geliefert. Sie sind ebenso gebaut wie die Venülen (S. 26), enthalten aber neben dem Serum Preßluft, die bei Öffnung des Ventils und entsprechender Haltung des Glasgefäßes das Serum austreibt. Eine Spritze ist also entbehrlich, und aus diesem Grunde sind die Serülen für die Hauspraxis zu empfehlen. Sie dürfen nur für Einspritzungen unter die Haut und in Muskeln benutzt werden.

Nach dem Herausziehen der Nadel drückt man für kurze Zeit etwas Verbandzeug fest auf die kleine Wunde, betupft sie mit Jodtinktur und bedeckt sie dann mit einem Stückchen Heftpflasterschnellverband (z.B. Vulnoplast, Hansaplast o. ä.). Bei Benutzung feiner Nadeln ist dies meist entbehrlich. Durch leichtes Kneten und Reiben der Einspritzungsstelle und ihrer Umgebung kann man bei wässerigen Lösungen die Aufsaugung beschleunigen. Bei ö l , Gelatine und ähnlichen Mitteln ist dieses Vorgehen zu vermeiden. b) Einspritzung großer Flüssigkeitsmengen (Infusion)

Gerät. Der zur Einspritzung notwendige Druck wird, wie bereits erwähnt, nicht vermittels der Spritze, sondern entweder durch die Schwere der F l ü s s i g k e i t selbst oder durch A n w e n d u n g von 2«

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Punktionen und Einspritzungefi

L u f t d r u c k erzielt. Das erstgenannte Verfahren ist als das einfachere im allgemeinen vorzuziehen. Ein mit entsprechender Teilung (von 10 zu 10 ccm) versehener G l a s z y l i n d e r ( B ü r e t t e ) , an dessen Stelle notfalls auch ein Trichter von entsprechender Größe benutzt werden kann, wird durch einen etwa 1 m langen, in der Mitte von einer Glasröhre unterbrochenen Gummischlauch mit einer kräftigen Hohlnadel von 6—8 cm Länge verbunden. Will man die Einspritzung beschleunigen, so ersetzt man das Glasrohr durch ein T-Stück aus Glas, welches durch Schläuche einerseits mit dem Glasgefäß, andererseits mit zwei Hohlnadeln in Verbindung gebracht wird. An den zu letzteren führenden Schläuchen sind Klemmen anzubringen (Abb. 6).

Abb. 6

Abb. 7

Bei Einführung der Flüssigkeit durch Luftdruck bedient man sich eines 1—21 fassenden ziemlich dickwandigen Kochkolbens, der mit dreifach durchbohrtem Gummistöpsel fest verschlossen wird (Abb. 7). Durch eine der Öffnungen wird ein Thermometer eingeführt, welches bis fast auf den Boden des Kolbens reicht und von außen abgelesen werden kann. Wenn es mit dem Kolben ausgekocht wird, muß seine Teilung mindestens bis 100° reichen, bei Entkeimung durch gespannten Dampf sind besondere Thermometer erforderlich, die Wärmegrade über 100° aushalten. Die zweite Öffnung nimmt ein Glasrohr auf, welches der Luftzufuhr dient und deshalb nur wenig in den Kolben hineinragt, die dritte endlich ein ebenfalls rechtwinklig abgebogenes Glasrohr, welches bis fast auf den Boden des Kolbens hinabreicht. Dieses wird

Unterhautgewebe

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in derselben Weise wie bei dem zuerst besprochenen Verfahren mit einer oder zwei Hohlnadeln verbunden. Das kurze Rohr trägt einen etwas weiteren Ansatz, der, ziemlich fest mit Watte gefüllt, als Bakterienfilter für die durch das Doppelgebläse zugeführte Luft dient. Die zu den Hohlnadeln führenden Schläuche werden auch bei dieser Anordnung mit Klemmen versehen. Nadeln, Schläuche und Trichter werden in der gewöhnlichen Weise ausgekocht. Auch die Infusionsflasche kann nach Abnahme der getrennt zu kochenden Schläuche mit ihrem Inhalt gekocht oder mit sämtlichem Zubehör im strömenden Dampf entkeimt werden (vgl. S. 3). Die beschriebenen Geräte haben den Nachteil, daß die Flüssigkeit bis zum Eindringen unter die Haut einen gewissen Wärmeverlust erleidet. Aus diesem Grunde sind wärmehaltende, regulierbare Infusionsgeräte angegeben worden, die aber entbehrlich sind, wenn nur dafür gesorgt wird, daß der Inhalt der Bürette oder der Druckflasche hinreichend warm ist.

Verfahren. Bei B e n u t z u n g d e r B ü r e t t e (oder d e s T r i c h t e r s ) wird die einzuspritzende Lösung, auf deren Keimfreiheit sorgfältig zu achten ist, durch Einstellen der Flasche in warmes Wasser auf etwas mehr als 40° erwärmt. Stärkerem Wärmeverlust versucht man durch Einhüllen der Bürette in wollene Tücher vorzubeugen. Während des Einfüllens der Lösung sollen die Schlauchklemmen geschlossen sein. Um die in den Schläuchen enthaltene Luft zu entfernen, wird der von einer Hilfsperson zunächst tiefgehaltene Trichter nach öffnen der Klemmen gehoben, bis alle Luft ausgetrieben ist und Flüssigkeit aus den Nadeln ausspritzt. Jetzt werden die Klemmen wieder geschlossen und die Nadeln, die vor Berührung mit nicht keimfreien Gegenständen zu schützen sind, in der oben (S. 18) beschriebenen Weise eingestochen. Nach Öffnung der Klemmen fließt bei hochgehaltenem Trichter die Lösung ein, um so schneller, je größer das Gefälle zwischen Trichter und Nadel ist. Bevor der Trichter sich ganz entleert hat, wird von der erwärmten Flüssigkeit nachgefüllt. Durch die eindringende Flüssigkeit wird die Haut vorgewölbt und gespannt. Da bei zunehmender Spannung die Einspritzung erschwert, außerdem aber unter Umständen die Haut geschädigt wird, ist es notwendig, durch Verschieben der Nadeln (vgl. S. 19) die Flüssigkeit auf verschiedene Hautstellen zu verteilen. Dadurch wird gleichzeitig, wie bereits erwähnt, die Aufsaugung erleichtert. Nach Beendigung der Einspritzung werden die Stichstellen mit Jodtinktur betupft und mit einem kleinen Verband aus keimfreiem Mull und Heftpflaster oder mit einem kleinen Streifen gebrauchsfertigen Verbandes bedeckt. Bei V e r w e n d u n g d e s G e b l ä s e s wird die Lösung durch Einstellen ' der Flasche in warmes Wasser oder über einer Flamme erwärmt. Die Luft wird aus den Schläuchen entfernt, indem man bei hochgehaltenen

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Punktionen und Einspritzungen

Nadeln und geöffneten Klemmen das Gebläse in Tätigkeit setzt, bis Flüssigkeit aus den Nadeln ausspritzt. Im übrigen verfährt man wie bei Verwendung des Trichters. Es ist besonders darauf zu achten, daß das Gebläse stets an dem richtigen Glasrohr angebracht ist, und daß die Nadeln vor völliger Entleerung der Flasche aus der Haut herausgezogen werden, da man anderenfalls Luft in das Gewebe treibt! Gefahren sind mit der Einspritzung in das Unterhautgewebe bei richtigem Vorgehen nicht verbunden. I n f e k t i o n e n lassen sich durch sauberes Arbeiten mit hinreichender Sicherheit vermeiden. Nur nach Einspritzung großer Mengen von Öl, z. B . Kampferöl, kommt es gelegentlich zu Eiterbildung trotz sorgfältigsten Vorgehens. Ob es sich dabei jedesmal um eine Infektion handelt oder ob auch eine „aseptische Eiterung" vorliegen kann, muß dahingestellt bleiben. U n b e a b s i c h t i g t e s E i n d r i n g e n öliger oder starkwirkender Lösungen in V e n e n könnte Schädigungen veranlassen, es kann aber nur dann vorkommen, wenn die oben (S. 19) erwähnten Vorsichtsmaßregeln, Abnehmen der Spritze oder Ansaugen nach Einstechen der Nadel, nicht beachtet werden.

Einspritzung in Muskeln Einspritzungen in Muskeln sollen nur bei Kranken mit einigermaßen kräftiger Muskulatur gemacht werden. Sie dienen lediglich der Zufuhr von Arzneimitteln und Seren. Größere Flüssigkeitsmengen können auf diesem Wege nicht beigebracht werden. Die B e d i n g u n g e n für die A u f s a u g u n g sind in d e m g e f ä ß r e i c h e n M u s k e l g e w e b e g ü n s t i g e r als im Unterhautgewebe, und demgemäß geht sie schneller vor sich. Außerdem können m a n c h e M i t t e l , d e r e n E i n s p r i t z u n g u n t e r die H a u t s t a r k e ö r t l i c h e R e i z u n g e n h e r v o r r u f t , o h n e S c h a d e n in die M u s k u l a t u r e i n g e s p r i t z t w e r d e n . Das gilt besonders von den Mitteln der Digitalisgruppe, mit Ausnahme von Strophantin, das auch in der Form d : s Myokombins nicht immer reizlos vertragen wird. Demgemäß können alle Mittel, die sich zur Einspritzung unter die Haut eignen, auch in die Muskulatur eingespritzt werden, man wird aber, falls es nicht auf schnelle Aufsaugung ankommt, dem ersteren Verfahren als dem für den Kranken bequemeren den Vorzug geben. S c h w e r l ö s l i c h e S a l z e , z. B. von Quecksilber und Wismuth, können nur durch Einspritzung in den Muskel zugeführt werden.

Ort der Einspritzung. Für die Einspritzung kommen nur große und vor allem hinreichend dicke Muskeln in Frage. Demnach s c h e i d e n die M u s k e l n der O b e r - u n d U n t e r a r m e u n b e d i n g t aus. Dagegen können gelegentlich die s e i t l i c h e n T e i l e d e r O b e r s c h e n k e l m u s k e l n , falls sie einigermaßen kräftig entwickelt sind, benutzt werden, ferner die l a n g e n R ü c k e n m u s k e l n . Bei bettlägerigen Kranken

Einspritzung in Muskeln

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ist dies aber zu vermeiden, weil ein Reizzustand nach der Einspritzung, der sich nie mit Sicherheit vermeiden läßt, das Liegen erschweren kann. Weder die Oberschenkel- noch die Rückenmuskeln dürfen zur Einspritzung schwerlöslicher Salze benutzt werden. Bei weitem am besten eignen sich die G e s ä ß m u s k e l n , und zwar in erster Linie der m i t t l e r e G e s ä ß m u s k e l , der sich durch Armut an Nerven und größeren Gefäßen auszeichnet. Auch der g r o ß e G e s ä ß m u s k e l ist brauchbar, hier ist aber wegen der Nähe des Hüftnerven besondere Vorsicht geboten. Um die E i n s t i c h s t e l l e f ü r den m i t t l e r e n G e s ä ß m u s k e l zu finden, tastet man den Hüftbeinkamm ab und bestimmt außerdem die Lage der mittleren Achsellinie, welche die seitlichen Gesäßteile etwa halbiert. Aufzeichnen dieser Linien mit dem Hautstift kann besonders bei fettleibigen Kranken zweckmäßig sein. Etwa zwei Querfinger breit unterhalb des Hüftbeinkammes in der mittleren AcbseÜinie oder etwas nach vorne oder nach hinten von ihr, also etwa auf der Linie zwischen den beiden Punkten auf Abb. 8, liegen die günstigsten Einstichstellen. . Uber die E i n s t i c h s t e l l e für d e n g r o ß e n G e s ä ß m u s k e l vgl. unten.

Gerät. Man verwendet die gleichen Spritzen wie zur Einspritzung unter die Haut (S. 15). Bei der Wahl der Hohlnadeln ist zu beachten, daß feine Nadeln ungeeignet sind, weil sie die derbe Gesäßhaut schwer durchbohren und weil sie bei unwillkürlicher 'Zusammenziehung kräftiger Muskeln abbrechen können. Deshalb sind starke Hohlnadeln von ausreichender Länge zu wählen. Diese soll im allgemeinen 6—-7 cm betragen, bei reichlichem, Fettpolster sind manchmal noch längere Nadeln erforderlich. Besonders s o r g f ä l t i g e P r ü f u n g der N a d e l n auf ihre Festigkeit ist notwendig, weil eine beschädigte Nadel in der Muskulatur leicht abbricht, ein für den Kranken und für den Arzt sehr unangenehmer Zwischenfall!

Verfahren. Beim Einstich an der vorher festgelegten und wie bei der Unterhauteinspritzung vorbereiteteten Stelle ist darauf Rücksicht zu nehmen, daß die derbe Gesäßhaut stärkeren Widerstand entgegensetzt als etwa die Haut der Arme. Er wird am besten dadurch überwunden, daß-man die Hohlnadel sehr rasch einsticht, gewissermaßen wie einen Pfeil „ h i n e i n s c h l e u d e r t " . Bei E i n s p r i t z u n g in den m i t t l e r e n G e s ä ß m u s k e l kann dabei

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Punktionen und Einspritzungen

die Spitze auf das Hüftbein auftreffen, ein Vorkommnis, das sich durch das Gefühl knöchernen Widerstandes bemerkbar macht. Man muß in diesem Falle die Nadel etwas zurückziehen, um nicht "etwa auf die Knochenhaut statt in den Muskel einzuspritzen. Die E i n s p r i t z u n g in d e n g r o ß e n G e s ä ß m u s k e l wird am stehenden Kranken vorgenommen. Mit der linken Hand wird ein möglichst dicker Muskelwulst gefaßt und von beiden Seiten her kräftig zusammengedrückt, so daß sich die Haut über ihm anspannt (Abb. 9).

Abb. 9

Mit der rechten Hand faßt man die vorher fertiggemachte Spritze und sticht die Nadel auf der Höhe des Wulstes s e n k r e c h t z u r H a u t o b e r f l ä c h e etwa 5 cm tief, bei sehr starkem Fettpolster noch tiefer ein. Auf die Möglichkeit einer unter Umständen sehr schwerwiegenden Schädigung des N. ischiadicus bei nichtsachgemäßer Einpritzung in den großen Gesäßmuskel sei nochmals hingewiesen. Der Arzt wird diese Einspritzung am besten selbst vornehmen und nicht dem Pflegepersonal überlassen, da man von diesem die genaue Kenntnis des Hüftnervenverlaufs nicht erwarten kann. Einspritzungen in den mittleren Gesäßmuskel oder in die seitlichen Oberschenkelmuskeln kann man dagegen einer erfahrenen Pflegeperson anvertrauen, falls nicht besonders schwierige Verhältnisse, z. B. starkes Fettpolster, vorliegen. D i e E i n s p r i t z u n g in d i e O b e r s c h e n k e l m u s k e l n Rollte nur dann vorgenommen werden, wenn aus irgendwelchen Gründen, z. B. bei bettlägerigen Schwerkranken, die Gesäßmuskeln schlecht zugänglich sind oder wenn Decubitus und damit erhöhte Infektionsgefahr für die Gesäß-

Einspritzung in Muskeln

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gegend besteht. Der Stich soll nicht senkrecht zur Haut, sondern in einem spitzen Winkel geführt werden, weil anderenfalls die Nadel leicht auf den Knochen auftreffen könnte. Außerdem ist besonders sorgfältig darauf zu achten, daß die Nadelspitze hinreichend tief in der Muskulatur liegt und nicht etwa im Bereich der Fascia lata, eine Forderung, die besonders bei reichlicher Fettschicht nicht ganz leicht zu erfüllen ist. Bei wiederholten Einspritzungen wechselt man jedesmal die Seite. Abnehmen der Spritze oder Ansaugen zur Feststellung, ob die Nadel nicht in einem Blutgefäß liegt, darf auch bei der Einspritzung in einen Muskel nie versäumt werden! (vgl. S. 19). Gefahren bietet die Einspritzung in den Muskel bei richtigem Vorgehen im allgemeinen nicht. A b b r e c h e n e i n e r hinreichend kräftigen H o h l n a d e l kann nur dann vorkommen, wenn diese beschädigt ist, vielleicht auch, wenn der Kranke im Augenblick des Einstiches eine unerwartet heftige Abwehrbewegung macht. Da die Nadel am leichtesten an der Verbindungsstelle mit dem Ansatzstück abbricht, ist es ratsam, sie nicht ganz bis zu dieser Stelle einzustechen, damit bei etwaigem Abbrechen ein Stückchen der Nadel außerhalb der Haut bleibt, das man fassen kann. Gelingt dies nicht, so ist sie möglichst bald auf chirurgischem Wege zu entfernen. Um Wandern der Nadel möglichst zu verhüten, ist bis zur Operation für Stillegung des Beines durch Schienung zu sorgen.

Wird beim Einstich der M u s k e l n i c h t e r r e i c h t , — ein Zufall, der besonders bei sehr starkem Fettpolster und zu kurzer Nadel vorkommen könnte, — und gelangt infolgedessen die eingespritzte Lösung in das Unterhautgewebe, so können schwere Reizzustände, gelegentlich auch Eiterungen und Nekrosen entstehen. Bei w a s s e r s ü c h t i g e n A n s c h w e l l u n g e n der G e s ä ß g e g e n d kann die Einspritzung z. B . von Salyrgan ausgedehnte Nekrosen hervorrufen. Ob eine stärkere Empfindlichkeit des ödematösen Muskels oder Verfehlen des Muskels infolge falscher Tiefeneinschätzung oder beides die Ursache ist, muß offenbleiben. Jedenfalls ist in solchen Fällen die E i n s p r i t z u n g in die G e f ä ß g e g e n d u n b e d i n g t zu v e r m e i d e n und die Einspritzung in die Vene vorzuziehen. S c h ä d i g u n g e n des N. i s c h i a d i c u s durch Einspritzungen in die Gesäßgegend sind nicht ganz selten beobachtet. Sie können bei Benutzung des mittleren Gesäßmuskels und genauer Beachtung der oben gegebenen Anweisungen über den Ort des Einstiches nicht vorkommen, wohl dagegen bei Einspritzung in den großen Gesäßmuskel. (Vgl. oben.) Nach E i n s p r i t z u n g v o n s c h w e r l ö s l i c h e n S a l z e n ( Q u e c k s i l b e r , W i s m u t h) treten manchmal in der Muskulatur Infiltrate auf, die schmerzhaft sein können. Selbstverständlich dürfen spätere Einspritzungen nicht an solchen Stellen gemacht werden. Ist die Neigung zu Infiltratbildungen groß, so wird man besser auf weitere Einspritzungen verzichten. An die Möglichkeit des Auftretens- von Reizzuständen in der Haut und im Unterhautgewebe infolge Befeuchtung der Außenseite der Nadel mit reizenden Mitteln sei erinnert! (Vgl. S. 33.)

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Punktionen und Einspritzungen

Venenpunktion und Einspritzung in die Blutbahn Venenpunktion Anzeigen. Venenpunktionen werden zunächst zu d i a g n o s t i s c h e n Z w e c k e n , und zwar zur Entnahme kleiner Blutmengen für bakteriologische oder serologische Untersuchungen (Wassermannsehe und Widalsche Reaktion usw.) benutzt. Sie verdienen hierbei den Vorzug vor allen anderen Verfahren, z. B . der Blutgewinnung durch Einstich in die Fingerkuppe, weil sie nicht wesentlich schmerzhafter sind, erheblich größere Blutmengen liefern und bakterielle Verunreinigungen des entnommenen Blutes sicherer vermeiden lassen. Bei der B e h a n d l u n g dient die Venenpunktion in erster Linie der Einführung von Arzneimitteln und Flüssigkeiten in die Blutbahn. Außerdem wird sie unter Verwendung einer weiten Kanüle an Stelle des Aderlasses angewandt (S. 35). Gerät. Zur B l u t e n t n a h m e ist eine H o h l n a d e l erforderlich, die ziemlich weit sein muß, weil andernfalls der Abfluß zu langsam erfolgt und leicht Gerinnung eintritt, bevor eine hinreichende Blutmenge entleert ist. Die Spitze der Hohlnadel soll kurz zugeschliffen sein ( „ V e n e n n a d e l " ) , weil dadurch die Gefahr des Durchstechens der hinteren Venenwand verringert wird. Zum Auffangen des Blutes ist ein geeignetes Gefäß (Reagenzglas, Zentrifugenglas, Meßzylinder) bereitzuhalten, zur Entnahme kleiner Blutmengen ist aber im allgemeinen das Ansaugen mit einer S p r i t z e (S. 15) vorzuziehen. Spritzen mit seitlich angebrachtem Ansatz sind für die Venenpunktion bequem, aber nicht notwendig. Besonders auch für die Außenpraxis sind die „Venülen" der BehringWerke geeignet, die keimfrei und gebrauchsfertig geliefert werden und lange lagern können (Abb. 10).

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Abb. 10 Ein ziemlich starkwandiges, evakuiertes Glaßgefäß ist durch einen festen Gummistopfen verschlossen, durch den ein winklig abgebogenes Glasrohr geführt ist. Am vorderen Ende ist es mit einer Hohlnadel fest verbunden, die ihrerseits wieder durch eine Schutzhülle aus Glas gesichert ist. Gummipropfen und Glasrohr bilden ein Ventil, das im Ruhezustand fest schließt (vgl. S. 30). Die gewöhnliche Venüle hat einen Inhalt von etwa 8 ccm, größere Formen zur Entnahme von Rekonvaleszentenblut bis zu 100 ccm. Für bakteriologische Untersuchungen werden sog. S p e z i a l v e n ü l e n hergestellt. Sie enthalten je nach dem Verwendungszweck Traubenzuckerbouillon, Rindergalle usw. Eine besondere Form dient der Blutentnahme zur A l k o h o l b e s t i m m u n g n a c h W i d m a r t (betr. Einzelheiten vgl. die den Packungen beiliegenden Anweisungen).

Venenpunktion und Einspritzung in die Blutbahn

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S e r ü l e n (vgl. S. 19) sind wegen der Gefahr der Luftembolie für Einspritzungen in die Blutbahn nicht zu empfehlen.

Zu E i n s p r i t z u n g e n in die Venen wird das gleiche Gerät benutzt wie für das Unterhautgewebe, also bei kleineren Flüssigkeitsmengen die S p r i t z e , bei größerer Menge (Infusion) die T r i c h t e r v o r r i c h t u n g . c T ^ p m n i c ^ Die Verwendung des Gebläses ist zwar auch statthaft, aber weniger Abb ratsam, da ein Versehen bei seiner Handhabung schwere Luftembolie zur Folge haben kann. Die H o h l n a d e l n sollen, wie bereits erwähnt, kurz abgeschliffene Spitzen haben und sind je nach der Menge der einzuspritzenden Flüssigkeit auszuwählen. Für kleinere Einspritzungen verwenden wir Nadeln der gleichen Stärke wie zur Unterhauteinspritzung, und auch die Einspritzung größerer Flüssigkeitsmengen gelingt mit einer gewöhnlichen, etwas stärkeren Hohlnadel gut, wenn nur für feste Lagerung des Armes gesorgt und die Hohlnadel während der Einspritzung vom Arzte selbst sorgfältig in ihrer Lage festgehalten wird. Manche bevorzugen Kanülen, die besonders für die Verwendung bei der intravenösen Einspritzung hergestellt werden, z. B. die in Abb. 11 dargestellte. Sie besteht aus einer ziemlich starken Hohlnadel mit kurzer Spitze und kräftigem Ansatzstück. Letzteres ist so eingerichtet, daß sich seine untere Fläche beim Einstich flach auf die Haut auflegt, und trägt am hinteren Ende eine Öffnung zur Verbindung mit einem kegelförmigen Ansatz. Auch die in Abb. 14 (S. 41) dargestellte Form („Flügelkanüle") ist zweckmäßig. Außer dem bisher besprochenen Gerät ist eine S t a u u n g s b i n d e erforderlich. Steht eine geübte Hilfsperson zur Verfügung, so genügt ein auf etwa drei Querfingerbreite zusammengefaltetes T u c h , das um den Oberarm gelegt und dessen Enden gekreuzt werden. Durch Drehen der Enden kann der gewünschte Stauungsgrad erreicht, durch Loslassen die Stauung sofort aufgehoben werden. Muß man ohne Hilfe arbeiten, so kann man eine d ü n n e G u m m i b i n d e mit entsprechender Spannung um den Oberarm legen und sie in der Weise befestigen, daß man das aufgerollte Ende der Binde unter die letzte Wicklung steckt. Beim Herausziehen der Rolle löst sich die Binde leicht. Eine gute Stauung läßt sich auch durch einen nicht zu dünnen G u m m i s c h l a u c h oder ein etwa 3 cm breites starkes G u m m i b a n d (Gummigurt) erzielen. Beide werden einmal um den Oberarm geschlungen und mit einer Schlagaderklemme befestigt, die man an der Kreuzungsstelle der beiden Enden anlegt. Beim Abnehmen der Klemme wird die Stauung augenblicklich aufgehoben.

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Punktionen und Einspritzungen

Bequem ist die von M o r i t z für die Venenpunktion angegebene Binde, die sich leicht anlegen und schnell öffnen läßt. Sie besteht aus kräftigem Gummigurt mit leicht zuziehbarer Schnalle und einem zweiten, durch zwei Druckknöpfe gebildeten Verschluß. Beim Umlegen der Binde werden die Knöpfe geschlossen und die gewünschte Spannung unter Benutzung der Schnalle hergestellt. Öffnen der Druckknöpfe ermöglicht augenblickliche Lösung der Binde ohne Bewegung des Armes.

Auch mit dem Riva-Roccischen Apparat läßt sich die Stauung gut und ohne besondere Hilfe ausführen. Man legt die Manschette um den Oberarm und bläst etwa bis zur Höhe des Minimaldrucks auf. Durch Öffnen des Ventils läßt sich die Stauung sofort unterbrechen. (Vgl. auch S. 44.) Für die W a h l des O r t e s und für gewisse V o r b e r e i t u n g e n gelten bei der einfachen Punktion und bei der Einspritzung dieselben Regeln, die deshalb zunächst gemeinsam besprochen werden sollen. Ort der Punktion. Am besten eignen sich die Venen der E l l e n beuge. Die Punktion anderer Venen, z. B. am Hand- oder Fußrücken, ist meist schwieriger, weil sie enger und durch das umgebende Gewebe weniger gut fixiert sind und infolgedessen beim Einstich leichter ausweichen. Sie kommt deshalb nur in Frage, wenn die Kubitalvenen aus irgendeinem Grunde nicht benutzt werden können. Bestimmte Vorschriften darüber, welche von den Venen der Ellenbeuge benutzt werden soll, lassen sich nicht geben, da die einzelnen Zweige des Geflechts bei verschiedenen Menschen ganz ungleichmäßig entwickelt sind. Man sucht diejenige Vene auf, die sich bei Anlegung der Stauung am besten füllt und am deutlichsten hervortritt. Bei geringem Fettpolster ist sie meist unschwer erkennbar, bei reichlicherem Fettpolster tastet man mit dem Finger die einzelnen Venen ab. Man erkennt hierbei ihre Beschaffenheit oft wesentlich besser und findet manchmal noch eine Vene sehr gut verwendbar, die bei der Besichtigung kaum bemerkt wurde. Ausnahmsweise kann die V e n a j u g u l a r i s s u p e r f i c i a l i s (V. j u g u l a r i s e x t e r n a ) oder bei Säuglingen der S i n u s s a g i t t a l i s s u p e r i o r punktiert werden. Krampfadern dürfen mit Rücksicht auf die ungünstigen Kreislauf Verhältnisse in ihnen und die stets vorhandenen, Thrombenbildung begünstigenden Wandveränderungen nicht für Einspritzungen benutzt werden.

Verfahren. Ob die Venenpunktion am liegenden oder am sitzenden Kranken vorgenommen wird, ist abhängig von dem Zustande des Kranken und dem Zweck der Punktion. Einfache Blutentnahme kann im" Sitzen ausgeführt, Einspritzung größerer Flüssigkeitsmengen soll im allgemeinen im Liegen vorgenommen werden. Bei Salvarsaneinspritzungen gilt letzteres als Grundsatz. Bei erregbaren Kranken macht man auch eine einfache Blutentnahme besser i m Liegen und verhindert, daß sie die Stelle des Eingriffes sehen können. Denn bei solchen Kranken, manchmal aber auch bei kräftigen Menschen, genügt nicht ganz selten der Anblick eines Tropfens eigenen Blutes, um eine Ohnmacht auszulösen.

Venenpunktion und Einspritzung in die Blutbahn

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Sorgfältige L a g e r u n g des A r m e s ist besonders bei Einspritzungen wichtig (Abb. 12). E r soll bei schwacher Beugung im Ellenbogengelenk mit der Rückseite auf einem festen Kissen oder einem Sandsack liegen. B e i empfindlichen Kranken beschwert man das Handgelenk mit einem 'Sandsack oder läßt es durch die Hand einer Hilfsperson mit leichtem Druck halten. Handelt es sich nur um eine Blutentnahme, so genügt bei ruhigen Kranken meist eine leichte Unterstützung des frei gehaltenen Armes an Ellenbogen und Hand. V o r b e d i n g u n g für d a s l e i c h t e G e l i n g e n der P u n k t i o n i s t g u t e S t a u u n g der V e n e n . J e stärker sie durch das angestaute Blut gedehnt werden, desto weiter ist der Raum, in den die Nadel eindringen

Abb. 12

soll, und desto leichter gelingt es, ihn zu treffen. Die Punktion enger Venen ist besonders für den weniger Geübten oft schwierig. Um gute Stauung zu erzielen, muß die Binde so fest angelegt werden, d a ß die V e n e n v e r s c h l o s s e n w e r d e n , w ä h r e n d der P u l s in der S p e i c h e n s c h l a g a d e r u n v e r ä n d e r t f ü h l b a r b l e i b t . Treten trotz richtiger Anwendung der Binde die Venen nicht gut hervor, so kann man in vielen Fällen durch kräftiges Abreiben der Haut mit Äther öder Benzin, durch Auflegen eines Heizkissens auf den Unterarm oder ein vorhergehendes heißes Armbad die Erweiterung fördern. Kräftige Muskelbewegungen, Faustballen und Fingerstrecken abwechselnd, befördern die Venenfüllung. Erst wenn eine hinreichende Stauung erzielt und die geeignete Vene ausgesucht ist, wird die vorher abgeseifte Haut mit Alkohol oder Äther abgerieben und der Einstich vorgenommen. |Soll die Blutprobe zur Untersuchung auf A l k o h o l g e h a l t benutzt werden, so darf die Haut n u r m i t S u b l i m a t l ö s u n g , unter keinen Umständen mit Alkohol, Äther, Benzin, Jod usw. behandelt werden! Die Spezialvenülen (S. 26) sind deshalb :mit einem Behälter versehen, der einen feuchten Sublimattupfer einschließt.

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Punktionen und Einspritzungen

Beim Einstich ist folgendes zu beachten: Die gestauten Venen sind besonders bei geringem Fettpolster in dem lockeren Unterhautgewebe sehr verschieblich und weichen daher der Nadel beim Einstich leicht aus. Um dies zu verhindern, legt man die Kuppen von zwei Fingern (Daumen und Zeigefinger oder Mittel- und Zeigefinger der linken Hand) etwas nach aufwärts von der Einstichstelle so auf, daß sich die Vene zwischen ihnen befindet (Abb. 12). Ein Druck auf das Gefäß darf hierbei nicht ausgeübt werden, auch nicht durch Anspannung der Haut, weil dadurch das Blut verdrängt und die Punktion erschwert werden würde. Besonders günstig für den Einstich sind Gabelungen der Venen. Wenn man in der Spitzer ihres Winkels einsticht, ist ein Ausweichen der Vene nicht möglich. Die Spritze oder Hohlnadel wird in derselben Weise gefaßt wie bei der Einspritzung in das Unterhautgewebte und in der L ä n g s r i c h t u n g der Vene in Richtung des Blutstroms eingestochen. Die EinstichsteJle soll genau über der Mitte der Vene liegen. Je dünner die Haut, je schwächer das Fettpolster und je enger die Vene ist, desto flacher muß eingestochen werden, weil andernfalls die hintere Wand der Vene mitdurchbohrt werden könnte. — Das w e i t e r e Vorgehen ist verschieden, je nachdem es sich um B l u t e n t n a h m e oder um E i n s p r i t z u n g handelt. Bei der Blutentnahme l ä ß t man die S t a u u n g s b i n d e l i e g e n und saugt das Blut aus der g e s t a u t e n Vene in die Spritze ein oder läßt es, wenn nur mit der Hohlnadel punktiert wurde, aus dieser unmittelbar in ein geeignetes Gefäß abfließen. Nach Entleerung der gewünschten Blutmenge nimmt man die Stauungsbinde ab und zieht erst dann die Nadel heraus. Bei Benutzung der V e n t i l e wird die Schutzhülle der Hohlnadel an der verdünnten Stelle (Abb. 10) leicht angefeilt und vorsichtig abgebrochen, ohne die Nadel zu berühren. Dann wird diese in der beschriebenen Weise eingestochen, in ihrer Lage festgehalten und nun das Glasgefäß in der Pfeilrichtung abgebogen. Dadurch, öffnet sich das Ventil und das Blut wird in den luftverdünnten Raum eingesaugt. Bewegen des Ventils vor dem Einstich ist selbstverständlich zu vermeiden 1

Bei Einspritzungen ist sorgfältig darauf zu achten, daß die S p i t z e der N a d e l ganz im H o h l r a u m der Vene l i e g t , weil viele der einzuspritzenden Lösungen schon in kleinsten Mengen im Unterhautgewebe heftige Reizzustände veranlassen. Wird die Spritze benutzt, so zieht man nach Ausführung des Einstiches den Stempel etwas zurück und beobachtet, ob bei diesem leichten. Ansaugen Blut in die Spritze eintritt. Ist dies nicht der Fall, so hat die Nadel die Vene verfehlt oder durchbohrt, und es muß dann von neuem, mit veränderter Richtung eingestochen werden. Tritt beim Ansaugen • Blut in die Spritze ein, so darf nach Lösung der Stauungsbinde (s. u.) in der sogleich zu besprechenden Weise die Einspritzung vorgenommen werden. Bei dunklen, undurchsichtigen oder wenig durchsichtigen Lösungen ist der Eintritt des Blutes in die Spritze oft schlecht oder gar nicht erkennbar. Falls man.

Venenpunktion und Einspritzung in die Blutbahn

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für derartige Fälle nicht eine der besonders für solche Lösungen eingerichteten Spritzen (z. B. die allerdings ziemlich zerbrechliche Venenspritze nach Braun-Katz der Firma Braun in Melsungen) benutzen will, muß man nach dem Einstich die Spritze abnehmen oder zunächst die Nadel ohne Spritze einstechen und beobachten, ob Blut aus ihr ausfließt. Erst dann wird die Spritze unter strenger Vermeidung jeder Bewegung der Nadel aufgesetzt und die Einspritzung vorgenommen. Ob die Nadel in der Vene liegt, kann der Geübte auch schon daran erkennen, daß das Zurückziehen des Kolbens widerstandslos möglich ist. Liegt die Spitze der Hohlnadel nicht in der Vene, so gelingt das Ansaugen nicht oder nur dadurch, daß an der Verbindungsstelle zwischen Nadel und Spritze Luftblasen eindringen, die in der Spritze sichtbar werden.

Bei Benutzung des Infusionsgerätes sticht man die Nadel ein und verbindet sie erst nach Ausfließen einiger Blutstropfen mit dem Schlauch. Vor A u s f ü h r u n g der E i n s p r i t z u n g ist» gleichgültig, ob Spritze oder Trichter benutzt wird, in j e d e m F a l l e die S t a u u n g b i n d e abzunehmen. Wird dies versäumt, so steigt, besonders bei Einspritzung großer Flüssigkeitsmengen, der Druck im Innern der Vene zu hoch an und infolgedessen tritt Flüssigkeit neben der Nadel in das Unterhautgewebe aus. Damit die Nadel nicht aus ihrer Lage gebracht wird und aus der Vene hinausgleitet oder die gegenüberliegende Venenwand durchbohrt, muß die Entfernung der Binde sehr v o r s i c h t i g geschehen. Der Arm darf dabei nicht erschüttert oder verschoben werden. Man achte schon bei Anlegung der Stauungsbinde darauf, daß oberhalb von ihr keine Kleidungsstücke, z. B. aufgekrempelte Hemdärmel, einschnüren, weil dadurch auch nach Lösen der Binde die Stauung unterhalten werden kann.

Während der Einspritzung lasse man die Einspritzungsstelle nicht aus den Augen. Sowie sich eine Vorwölbung neben der Vene zeigt, unterbricht man den Zufluß, weil diese Erscheinung immer auf unrichtiges Liegen der Nadel und dadurch bedingtes Eindringen von Flüssigkeit in das Unterhautgewebe hinweist. Ebenso ist der Zufluß zu verlangsamen oder für kurze Zeit zu unterbrechen, wenn sich die Vene ausdehnt, wie das bei zu schneller Einspritzung gelegentlich vorkommt. Alle E i n s p r i t z u n g e n in die Blutb'ahn, besonders aber solche starkwirkender Arzneimittel, zumal wenn sie in kleinen Flüssigkeitsmengen gelöst sind, sollen ganz l a n g s a m a u s g e f ü h r t werden, vor allem, um die wirksamen Stoffe nicht in zu großer Menge auf einmal dem Herzen zuzuführen. Außerdem werden auf diese Weise die eingespritzten Lösungen durch das nachströmende Blut rasch und ausgiebig verdünnt und dadurch die Venenwand vor Schädigung durch zu starke Konzentration der Mittel bewahrt. An die Notwendigkeit, vor der Einspritzung Luftblasen aus Spritzen und Schläuchen zu entfernen, sei nochmals erinnert (Gefahr der Luftembolie!). Nach dem Herausziehen der Nadel tritt meist keine Blutung ein, so* daß ein kleiner Verband (vgl. S. 19) zum Verschluß der Stichwunde genügt. Nur in'Ausnahmefällen ist Anlegung eines Druckverbandes nötig. Bei sehr starkem Fettpolster oder sehr engen oder schlecht ausgebildeten. Venen, Verhältnissen, wie man sie auch bei kleinen Kindern nicht selten findet.

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Punktionen und Einspritzungen

kann die Punktion der Vene schwierig sein, gelingt aber bei einiger Übung in der Mehrzahl der Fälle doch. Sollte dies nicht der Fall sein, so würde nichts anderes übrigbleiben, als die Vene durch Schnitt freizulegen und eine Kanüle in sie einzubinden, vorausgesetzt, daß sich die beabsichtigte Einspritzung nicht durch andere Maßregeln ersetzen läßt. Zur Blutentnahme ist dieses Verfahren nicht anzuwenden, sondern die erforderliche Blutmenge durch einen tiefen Einstich in die Fingerkuppe oder das Ohrläppchen, durch einen blutigen Schröpfkopf (S. 36) oder, wenn große Blutmengen erforderlich sind, durch Aderlaß zu entnehmen. (Vgl. auch Sternalpunktion S . 47.) Ü b e r W i r k u n g und D o s i e r u n g von A r z n e i m i t t e l n bei E i n s p r i t zung i n d i e B l u t b a h n sei kurz folgendes bemerkt: Arzneimittel, die unmittelbar in die Blutbahn gebracht werden, gelangen, chemisch nur wenig oder gar nicht verändert, sehr schnell und in viel stärkerer Lösung zu den Organen und wirken infolgedessen viel kräftiger, als wenn sie langsam vom Unterhautgewebe oder der Muskulatur oder gar vom Magen oder Darm aus aufgesaugt werden. Die Einspritzung in die Blutbahn wird daher besonders angewandt, wenn eine möglichst schnelle und kräftige Wirkung erzielt werden soll. Außerdem hat sich ergeben, daß manche Mittel, die bei Einspritzung unter die Haut starke Reizerscheinungen hervorrufen, bei Einspritzung in die Blutbahn gut vertragen werden (z. B . manche Digitaliszubereitungen, Strophantin, Salvarsan usw.). Selbstverständlich sind alle Mittel ausgeschlossen, die Blutgerinnung herbeiführen könnten. Besondere Vorsicht ist bei E i n s p r i t z u n g e n v o n S e r u m geboten: Wenn auch nur die M ö g l i c h k e i t e i n e r d u r c h f r ü h e r e S e r u m a n w e n d u n g erz e u g t e n A n a p h y l a x i e vorliegt, d a r f u n t e r k e i n e n U m s t ä n d e n ein S e r u m i n d i e B l u t b a h n e i n g e s p r i t z t w e r d e n , da plötzlicher Tod die Folge sein kann. Genaue Nachforschungen nach etwaigen früheren Einspritzungen sind deshalb unbedingt erforderlich! I m Zweifelsfalle ziehe man die E i n spritzung in den Muskel oder unter die Haut vor. Die i n t r a v e n ö s e D a u e r t r o p f i n f u s i o n setzt geübtes Pflegepersonal voraus und eignet sich nur zur Verwendung im gut eingerichteten Krankenhaus. Als Gerät dient die Büretteneinrichtung unter Einschaltung einer Tropfkugel und einer Klemme wie beim Tropfeinlauf (S. 147). Die Bürette kann durch Umwickeln mit Wolltüchern vor Abkühlung geschützt werden, eine wärmehaltende Flasche ist aber vorzuziehen (S. 148). Die Entfernung der Luft aus dem Schlauch ist sehr sorgfältig vorzunehmen, dauernde Überwachung durch eine genau unterrichtete und geübte Pflegeperson unerläßlich. Der Arm des Kranken ist vor der Punktion der Vene auf einer Schiene festzulegen, die Nadel nach dem Einstich mit Heftpflasterstreifen in ihrer Lage zu befestigen.

Gefahren bietet die einfache Venenpunktion nicht, falls nicht grobe Fehler gemacht werden. Auch Einspritzungen sind, rein technisch betrachtet, gefahrlos, da sich eine Luftembolie mit Sicherheit vermeiden läßt und Einspritzung neben die Vene bei richtigem Vorgehen kalim vorkommt. Man halte sich aber gegenwärtig, daß die E i n s p r i t z u n g in d i e B l u t b a h n k e i n g l e i c h g ü l t i g e r E i n g r i f f ist, und beschränke ihre Anwendung auf solche Fälle, bei denen die Zuführung der Arzneimittel usw. auf anderem Wege nicht möglich ist oder bei denen eine besonders rasche Wirkung angestrebt werden muß. Die immer mehr hervortretende Vorliebe mancher Ärzte für die intravenöse Einspritzung führt zu einem M i ß b r a u c h des bei richtiger Anzeigenstellung wertvollen und unersetzlichen Verfahrens, der auf das entschiedenste abgelehnt werden muß. Dem Pflegepersonal diese Einspritzungen zu überlassen, halten wir nicht für zulässig.

Venenpunktion und Einspritzung in die Blutbahn

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G e f ä h r l i c h kann die Einspritzung in die Blutbahn werden, wenn an und für s i c h d a z u g e e i g n e t e S t o f f e in u n z w e c k m ä ß i g e r Gabe v e r a b f o l g t werden. Das gilt nicht nur für stark wirkende Mittel, sondern auch für an sich unschädliche Stoffe, wie physiologische Kochsalzlösung, die, in zu großer Menge innerhalb kurzer Zeit eingespritzt, ein bereits geschwächtes Herz zum Versagen bringen kann, da eine rasche Auffüllung des Gefäßsystems naturgemäß größere Anforderungen an die Herzkraft stellt. D e m g e m ä ß ist bei a l l e n Zus t ä n d e n v o n H e r z s c h w ä c h e , g l e i c h g ü l t i g , o b s i e s c h o n länger b e s t e h t oder erst kurz v o r h e r , z . B . durch starke Blutverluste, e n t s t a n d e n i s t , g r o ß e V o r s i c h t bei B e m e s s u n g der A r z n e i m i t t e l g a b e und der e i n z u s p r i t z e n d e n F l ü s s i g k e i t s ' m e n g e geboten. Vor allem sei nochmals auf die unter Umständen drohende Gefahr a n a p h y l a k t i s c h e n S c h o c k s bei S e r u m e i n s p r i t z u n g e n (S. 32) und auf die Notwendigkeit l a n g s a m e n E i n s p r i t z e n s auch bei kleinen Flüssigkeitsmengen hingewiesen und daran erinnert, daß bei Einspritzung reizender Stoffe, z. B. Salvarsan oder Strophantin, die Nadel an ihrer Außenseite unbedingt frei von ihnen sein muß, daß also die Lösung nie mit der gleichen Nadel aus dem Gefäß entnommen werden darf, mit der eingespritzt wird. U n v o r s i c h t i g k e i t in d i e s e r Hinsicht kann außerordentlich schmerzhafte Entzündungen a u der E i n s t i c h s t e l l e zur F o l g e haben. Sollte doch einmal durch einen Fehler oder durch einen unglücklichen Zufall, etwa eine unerwartete Bewegung des Kranken, reizende Flüssigkeit (z. B. Strophantin oder Salvarsan) in die Umgebung der Vene gelangen, so tritt meist sofort ein heftiger Schmerz ein. Selbstverständlich bricht man dann die Einspritzung sofort ab. In vielen Fällen kann man der sehr rasch eintretenden Entzündung, vor allem aber den starken Schmerzen vorbeugen, wenn man sofort das Unterhautgewebe in der Umgebung der Einstichstelle in größerer Ausdehnung mit reichlichen Mengen einer y 3 proz. Novokainlösung oder mit physiol. Kochsalzlösung unter strenger Wahrung der Asepsis infiltriert. Anschließend legt man einen großen, mindestens den halben Unter- und Oberarm umfassenden feuchten Verband an und lagert den Arm hoch. Oft wird auch die Darreichung antineuralgischer oder narkotischer Mittel nötig sein. Bei häufig wiederholten Einspritzungen in die gleiche Vene lassen sich Schädigungen der Intima und dadurch hervorgerufene Thrombosierungen nicht immer vermeiden. Es ist deshalb ratsam, wenn irgendmöglich, die benutzte Vene zu wechseln. Sehr langsame Einspritzung bietet* einen gewissen Schutz gegen diese Schädigungen, wie bereits oben gesagt wurde (S. 31). Häufige Anwendung stark reizender, besonders hypertonischer Lösungen verursacnt besonders leicht Wandveränderungen. Aus diesem Grunde halten wir die jetzt sehr viel geübte Ein-" spritzung von Strophantin in hochkonzentrierten Traubenzuckerlösungen für verfehlt und ziehen es vor, bei Strophantinkuren das Mittel unverdünnt sehr langsam einzuspritzen. Die Möglichkeit, daß s t a t t e i n e r V e n e die manchmal sehr oberflächlich verlaufende A r t e r i a b r a c h i a l i s punktiert und infolgedessen eine Einspritzung versehentlich in diese gemacht wird, ist auf Grund verschiedener Beobachtungen nicht abzulehnen. Vorsichtiges Vorgehen und einwandfreie Technik schützen aber mit hinreichender Sicherheit vor diesem Fehler. 3

S t u r s b e r g , Technik. 6. Aufl.

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Punktionen und Einspritzungen

Aderlaß Anzeigen. Blutentziehungen durch Aderlaß, die früher in der Behandlung zahlreicher Erkrankungen eine wichtige Rolle spielten, waren eine Zeitlang nahezu ganz verlassen worden. Neuerdings wendet man sie wieder häufig, manchmal mit überraschend gutem Erfolge an. Bei k r u p p ö s e r L u n g e n e n t z ü n d u n g ist der A d e r l a ß angezeigt, w e n n bei sink e n d e r H e r z k r a f t z u n e h m e n d e S t a u u n g im kleinen Kreislauf, im r e c h t e n H e r z e n u n d im venösen S y s t e m e i n t r i t t , ein Z u s t a n d , der sich d u r c h E r w e i t e r u n g des r e c h t e n Herzens, z u n e h m e n d e B l a u f ä r b u n g der H a u t m i t s t a r k e r F ü l l u n g der Venen u n d s t a r k beschleunigtem, kleinem Pulse v e r r ä t . I n d e r a r t i g e n F ä l l e n l ä ß t sich d u r c h einen Aderlaß, der eine r e i c h l i c h e M e n g e B l u t s c h n e l l e n t l e e r t , m a n c h m a l d a s d r o h e n d e L u n g e n ö d e m v e r h i n d e r n , i n d e m das v o r h e r ü b e r d e h n t e r e c h t e H e r z d u r c h V e r m i n d e r u n g seiner F ü l l u n g e n t l a s t e t u n d d a d u r c h i n s t a n d gesetzt wird, seinen I n h a l t wieder vollständig a u s z u t r e i b e n . Übrigens w i r k t a u c h bei Z u s t ä n d e n von schwerer S t a u u n g im r e c h t e n H e r z e n bei a n d e r e n E r k r a n k u n g e n (z. B. H e r z k l a p p e n f e h l e r n ) ein A d e r l a ß gelegentlich günstig. Bei U r ä m i e u n d bei V e r g i f t u n g e n , besonders bei K o h l e n o x y d v e r g i f t u n g , beseitigt der Aderlaß einen Teil des m i t giftigen S t o f f e n b e l a d e n e n B l u t e s a u s d e m K ö r p e r . A u ß e r d e m v e r a n l a ß t die V e r m i n d e r u n g der B l u t m e n g e ein A b s t r ö m e n v o n Gewebsflüssigkeit in die B l u t b a h n , w o d u r c h wahrscheinlich die Gewebe v o n e i n e m Teil der in ihnen e n t h a l t e n e n giftig wirkenden Stoffe b e f r e i t werden. I n dera r t i g e n F ä l l e n k a n n m a n d e m Aderlaß eine Kochsalzinfusion folgen lassen, u m die im K ö r p e r noch e n t h a l t e n e n Gifte zu v e r d ü n n e n ; u n b e d i n g t erforderlich ist dies a b e r nicht, d a meist schon der A d e r l a ß allein d e n g e w ü n s c h t e n E r f o l g h a t . U r ä m i s c h e K r ä m p f e z. B. verschwinden o f t u n m i t t e l b a r n a c h der B l u t e n t ziehung. Vorwiegend wird der A d e r l a ß bei u r ä m i s c h e n Z u s t ä n d e n infolge a k u t e r Nierene n t z ü n d u n g e n a n g e w a n d t , i m m e r h i n ist ein Versuch a u c h d a n n s t a t t h a f t , w e n n sie bei chronischen N i e r e n e r k r a n k u n g e n a u f t r e t e n . Auch bei solchen gelingt es gelegentlich, d u r c h die B l u t e n t z i e h u n g u n m i t t e l b a r lebensbedrohende Erscheinungen, K r ä m p f e u n d Bewußtlosigkeit, zu beseitigen; es ist a b e r zu b e d e n k e n , d a ß die W i r k u n g hier n u r v o r ü b e r g e h e n d sein k a n n , u n d d a ß h ä u f i g e r e W i e d e r h o l u n g der B l u t e n t z i e h u n g bei d e n meist b l u t a r m e n K r a n k e n n i c h t zulässig ist. L e t z t e r e r U m s t a n d v e r b i e t e t i m allgemeinen a u c h die A n w e n d u n g des Aderlasses zur Bek ä m p f u n g leichterer u r ä m i s c h e r E r s c h e i n u n g e n bei chronischen N i e r e n e r k r a n k u n gen. Bei a k u t e n N e p h r i t i d e n k ö n n e n u n b e d e n k l i c h 2—3 Aderlässe in 2 T a g e n a u s g e f ü h r t werden, w e n n es sich d a r u m h a n d e l t , einen im ü b r i g e n k r ä f t i g e n K r a n k e n über schwere u r ä m i s c h e Z u s t ä n d e h i n w e g z u b r i n g e n ; bei c h r o n i s c h e n E r k r a n k u n g e n darf m a n so h ä u f i g e B l u t e n t z i e h u n g e n nicht wagen. G e s t e i g e r t e r B l u t d r u c k k a n n d u r c h eine s t ä r k e r e B l u t e n t z i e h u n g gesenkt werden, diese W i r k u n g ist a b e r im allgemeinen n u r flüchtig. M a n sollte d e s h a l b den A d e r l a ß in solchen F ä l l e n g r u n d s ä t z l i c h n u r d a n n a n w e n d e n , w e n n b e d r o h liche E r s c h e i n u n g e n a u f t r e t e n , die e t w a eine H i r n b l u t u n g b e f ü r c h t e n lassen. Die j e t z t vielfach übliche häufige W i e d e r h o l u n g der B l u t e n t z i e h u n g bei solchen K r a n k e n belastet die b l u t b i l d e n d e n Organe erheblich, ohne eine d a u e r n d e S e n k u n g des Blutdrucks herbeizuführen. Bei frischen G e h i r n b l u t u n g e n w i r k t ein A d e r l a ß o f t günstig. Man w e n d e ihn aber n u r d a n n a n , w e n n eine Embolie oder T h r o m b o s e der Gehirngefäße m i t hinreichender Sicherheit auszuschließen ist, weil eine B l u t d r u c k s e n k u n g h i e r b e i ungünstig wirken kann.

Bei gut entwickelten Venen wird der Aderlaß am besten durch Venenpunktion, bei schlechten Venen oder Unmöglichkeit guter Stauung durch Schnitt ausgeführt.

Aderlaß

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Ort des Eingriffs. Für den Aderlaß kommen die. gleichen Venen in Betracht wie für die Venenpunktion, es kann also auf das oben (S. 28) Gesagte verwiesen werden. Gerät. Zur Ausführung der "Stauung wird eine der oben (S. 27) besprochenen Vorrichtungen benutzt. a) Zum Aderlaß durch V e n e n p u n k t i o n benutzt man eine etwa 2—3 mm starke, 4 cm lange K a n ü l e mit ganz kurz abgeschliffener, sehr scharfer Spitze. b) Aderlaß durch V e n e n s c h n i t t wurde früher meist mit einem kurzen, breiten, zweischneidigen Messerchen, der Aderlaßlanzette, ausgeführt. Sie ist entbehrlich, da jedes spitze Messer ebenso brauchbar ist. Am besten eignet sich ein spitzes Sehnenmesser (Tenotom). Verfahren. Die Stauungsbinde wird in der oben beschriebenen Weise angelegt und bleibt bis zur Beendigung des Aderlasses liegen. J e besser dje Stauung, desto schneller entleert sich das Blut aus dem ereröffneten Gefäß und desto günstiger pflegt der Erfolg zu sein. Auf ihre Ausführung ist deshalb besondere Sorgfalt zu verwenden. Die Richtung, die beim Venenschnitt der Blutstrahl nimmt, ist nicht sicher vorauszusehen. A b d e c k u n g d e s B e t t e s und seiner Umgebung mit einem großen Gummituch ist deshalb ratsam.

a) Bei Verwendung der Kanüle wird diese am Ansatzstück gefaßt und entsprechend den oben (S. SO) gegebenen Anweisungen in die Vene eingestochen. Die Dicke der Kanüle und die Kürze der Spitze macht die Anwendung etwas größerer Kraft nötig. Wenn die Lage der Vene Einstich in Richtung gegen den Blutstrom gestattet, so kann man diese wählen, aber auch bei Richtung herzwärts fließt das Blut bei guter Stauung meist im Strahl aus. b) Beim Aderlaß durch Schnitt umfaßt, nach entsprechender Vorbereitung der Haut der Schnittstelle, die linke Hand des Arztes von hinten her den Unterarm des Kranken und spannt durch Anziehen mit dem Daumen auf der einen, den übrigen Fingern auf der anderen Seite die Haut der Ellenbeuge etwas an, jedoch nicht so stark, daß die Venen durch den Druck entleert werden. Das Messer wird mit der rechten Hand so gefaßt, daß seine Schneide vom Körper des Kranken a b g e k e h r t ist. Seine Spitze soll beim Einstich von der Seite her quer in die Vene eindringen und n a c h a u ß e n durchschneiden, so daß die vordere Venenwand und gleichzeitig die Haut v o n i n n e n n a c h a u ß e n durchtrennt werden. Bei richtiger Ausführung der Stauung und des Einschnittes spritzt das Blut bei beiden Verfahren sogleich im Strahl heraus oder fließt doch sehr rasch ab. Es wird in einem Meßgefäß aufgefangen, weil die Schätzung der abfließenden Menge zu unsicher ist. Sie kann bei einem kräftigen, „vollblütigen" Manne 250—500 ccm betragen, bei schwächlichen Kranken ist sie entsprechend geringer zu bemessen. Als Anhalts3*

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Punktionen und Einspritzungen

punkt für die zu entleerende. Blutmenge kann man bei mittlerem Ernährungszustand 5 ccm je kg Körpergewicht rechnen. Sollte der Abfluß stocken, bevor eine hinreichende Menge Blutes entleert ist, so ist zunächst festzustellen, -ob sich die Kanüle verschoben oder bei Schnitt die Haut vor die Öffnung in der Venenwand gelegt hat. Leichtes Verziehen derselben macht den Abfluß wieder frei. Läßt trotz guter Lage der Kanüle bzw. Freiliegens der Venenwunde der Abfluß nach, so gelingt es manchmal, ihn wieder zu steigern, wenn man den Kranken, falls er bei Bewußtsein ist, Bewegungen mit der Hand (Faustschließen und -öffnen) ausführen läßt. Bei Beendigung des Aderlasses wird die Stauungsbinde gelöst, die Kanüle entfernt. Ein kleiner D r u c k v e r b a n d verhindert Nachblutung. Naht ist im allgemeinen auch bei Anwendung des Schnittverfahrens nicht, erforderlich. Soll d e m A d e r l a ß e i n e E i n g i e ß u n g m i t p h y s i o l . K o c h s a l z l ö s u n g o d e r e i n e r a n d e r e n L ö s u n g , z. B. R i n g e r , N o t m o s a l , T u t o f u s i n , S t e r o f u n d i n zur Auffüllung des Gefäßsystems a n g e s c h l o s s e n werden, so wird man diese .zweckmäßigerweise an einer Vene des anderen Armes vornehmen. Bei Verwendung der Kanüle darf diese nur dann auch zur Infusion benutzt werden, wenn man sicher ist, daß sich in ihr keine Gerinnsel gebildet haben, weil anderenfalls Emboliegefahr bestände. Wesentliche Gefahren sind mit dem Aderlaß bei richtigem Vorgehen nicht verbunden. Selbstverständlich muß man sich vor Ausführung des Eingriffes darüber klar -werden, wie groß die Blutentziehung für den betreffenden Fall sein darf, und während des Abfließens des Blutes den Kranken genau beobachten, um unterbrechen zu können, wenn irgendeine Störung eintritt. Verletzungen der Arteria brachialis kamen bei Benutzung der alten Aderlaßlanzette gelegentlich vor, sie sind aber bei dem oben geschilderten Verfahren so gut wie ausgeschlossen. Blutentziehung durch das Schröpfverfahren Anzeigen. I n vielen Fällen, in denen die Venen so schlecht entwickelt sind, daß die Punktion nicht gelingt, besonders bei Kindern, kann m a n das zur Untersuchung, z. B. für die Wassermannsche Reaktion, erforderliche Blut durch „ b l u t i g e n S c h r ö p f k ö p f " entnehmen. Gerät. Die erforderlichen kleinen Schnittwunden werden mit dem S c h n e p p e r angelegt. Er besteht aus einem viereckigen Metallkästchen, in dem eine Anzahl abgerundeter Messerchen so angebracht ist, daß sich die Schnittiefe durch eine Stellschraube regeln läßt. Die Messerchen sind mit einer Feder verbunden, bei deren Spannung sie zurückgezogen werden, um bei Druck auf einen Knopf, der die Hemmung löst, wieder vorzuschnellen. Zum Ansaugen des Blutes kann man sich der alten S c h r ö p f k ö p f e bedienen, bei denen die Saugwirkung durch Abkühlung der in ihnen enthaltenen, vor dem Aufsetzen mit einer Spiritusflamme erwärmten L u f t erzielt wurde, oder bequemer der B l e r i c h e n Form, bei der eine Hohlkugel aus festem Gummi zum Ansaugen dient. Für die Blutentnahme wird eine besondere Form hergestellt, mit einem seitlichen Ansatz, auf den das zur Auf-

Blutübertragung

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nähme des Blutes bestimmte Röhrchen aufgesetzt wird, so daß das Blut unmittelbar hineinfließt (Abb. 13). Verfahren. Der Schnepper wird durch Einstellen der unteren, die Messer tragenden Platte in Alkohol entkeimt, die Glasteile werden ausgekocht. Vorbereitung der Haut, am besten am Rücken, wie üblich, jedoch ohne Verwendung von Jodtinktur. Die Messer des Schneppers, der nicht mehr mit Alkohol befeuchtet sein darf, werden je nach der gewünschten Schnittiefe eingestellt und durch Spannen der Feder zurückgezogen. Dann drückt man die Fläche des Schneppers flach auf die Haut und läßt die Messer durch Druck auf den Knopf vorschnellen. Über die dadurch entstandenen kleinen Schnitte stülpt man den Sauger, dessen Gummiball vorher zusammengepreßt wurde, drückt den Glasrand mäßig fest an die Haut an, so daß er überall gleichmäßigaufliegt, und saugt nun durch allmähliches Loslassen des fealles an. Die Haut wird in das Glas hineingesogen und das Blut sickert aus den Wunden aus. Nach Entnahme der gewünschten Blutmenge wird der Schröpfkropf durch Zusammendrücken des Gummiballs gelöst und die Haut mit einem kleinen .Schutzverband bedeckt. Die Blutung steht meist sogleich. Gefahren bietet die Blutentziehung durch den Schröpfkopf, keimfreies Vorgehen vorausgesetzt, nicht. A n m e r k u n g . Zur S c h m e r z s t i l l u n g sind blutige Schröpfköpfe früher vielfach verwendet worden, z. B . bei Muskelrheumatismus, Rippenfellschmerzen usw. Sie werden jetzt kaum noch angewandt, dagegen kann man sich der sog. t r o c k e n e n S c h r ö p f k ö p f e in solchen Fällen gelegentlich mit Erfolg bedienen. Man setzt ohne vorherige Anwendung des Schneppers einen oder mehrere Sauger auf und saugt kräftig an. Die Sauger bleiben 5—15 Minuten liegen.

Blutübertragung Die Einspritzung arteigenen Blutes in Muskeln war schon lange als ungefährlich bekannt. Im Gegensatz dazu mußte die Einspritzung in die Blutbahn als unsichere und gefährliche Maßnahme gelten, bis die Feststellung der Blutgruppen und ihres Verhältnisses zueinander und die Vereinfachung ihres Nachweises die wesentlichste Gefahrenquelle beseitigte. Dementsprechend ist neuerdings die Zahl der Anzeigen erheblich vergrößert und die Blutübertragung bei vielen Krankheitszuständen angewandt worden. Die zunehmende Bedeutung der Blutübertragung als Heilmittel hat eine staatliche Regelung des B l u t s p e n d e r w e s e n s veranlaßt 1 ). B l u t ') Durch den Zusammenbruch ist diese Organisation wohl in den meisten Gegenden unwirksam geworden. Ihr Wiederaufbau ist aber dringend erwünscht und deshalb ist die Schilderung beibehalten worden. Zur Zeit wird man häufiger auf n k h t durch eine Zentrale kontrollierte Spender angewiesen sein. — Den Blutspendern werden zusätzlich Lebensmittel bewilligt, die vom Arzt unter Angabe der gespendeten Btutmenge zu beantragten sind.

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Punktionen und Einspritzungen

s p e n d e r z e n t r a l e n sorgen für die Bereitstellung einer hinreichenden Anzahl von Spendern und übernehmen die Feststellung ihrer Blutgruppen und die regelmäßige Überwachung ihres Gesundheitszustandes. Jeder Spender bekommt einen „ B l u t s p e n d e r a u s w e i s " , in dem seine Blutgruppe, Angaben über Nachuntersuchungen und über Zeit und Menge der einzelnen Blutentnahmen eingetragen werden. Der Spender muß sich verpflichten, jederzeit für den zuständigen Blutspendernachweis erreichbar zu sein, und darf nur durch dessen Vermittelung zur Blutabgabe herangezogen werden. Der Arzt, der Blutübertragungen vornehmen will, braucht sich also nur über die für seinen Praxisort zuständige Blutspenderzentrale zu unterrichten, um jederzeit einwandfreie Spender der gewünschten Blutgruppe zur Verfügung zu haben. I m allgemeinen soll ein Spender nicht mehr als einmal monatlich herangezogen werden, die Blutentnahme soll nicht mehr als 500 ccm betragen. Tag und Menge der Entnahme ist v o m Arzt sogleich in den Blutspenderausweis einzutragen.

Verwendung von Blutspendern, die nicht durch eine Zentrale vermittelt werden, kann nur in Ausnahmefällen in Frage kommen, z. B. dann, wenn ein Kranker der Übertragung nur zustimmen will, wenn ein naher Verwandter das Blut spendet. Der Arzt, der diesem Verlangen zustimmt, übernimmt damit die Verantwortung für die Geeignetheit des Spenders und für die richtige Bestimmung seiner Blutgruppe. Dabei ist die für jede Blutübertragung gültige G r u n d r e g e l zu beachten, daß a l s S p e n d e r n u r v ö l l i g g e s u n d e M e n s c h e n gewählt werden dürfen. J e d e r V e r d a c h t auf S y p h i l i s , T u b e r k u l o s e u n d M a l a r i a m u ß u n b e d i n g t a u s g e s c h l o s s e n sein. Menschet), die sich in Malariagegenden aufgehalten haben (Kriegsteilnehmer !), sind im allgemeinen abzulehnen, auch wenn sie selbst nicht nachweistar erkrankt gewesen sind. Die serologische Prüfung auf Syphilis ist unbedingt durchzuführen, nur in Notfällen und bei nächsten Verwandten des Kranken dürfte man sich darauf beschränken, nach den üblichen klinischen Verfahren und auf Grund sehr genauer Fragen über die Vorgeschichte die Gesundheit des Spenders zu beurteilen. Man wird den Spender außerdem aber ausdrücklich darauf hinweisen, daß das Verschweigen einer früheren Erkrankung, besonders einer Geschlechtskrankheit oder einer Malaria, für den' Kranken die schwersten Folgen haben könne. Jedenfalls dürfen als Spender nur unbedingt zuverlässige Personen zugelassen werden, am besten solche, die ortsansässig und dem Arzt, dem Kranken oder dem Pflegepersonal bekannt sind oder für die eine zuverlässige Persönlichkeit die Bürgschaft übernimmt. Anzeigen. An erster Stelle dient die Blutübertragung dem E r s a t z durch innere oder äußere B l u t u n g verlorengegangener B l u t m e n g e n . Wenn auch in manchen derartigen Fällen die Auffüllung des Gefäßsystems mit Periston oder in Ermangelung dieses Präparates auch mit physiologischer Kochsalzlösung, Normosal, Tutofusin usw. ge-

Blutübertragung

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nügt, so ist doch die Übertragung von Blut durch Einspritzung in die Vene als wirksamstes Verfahren vorzuziehen. Bei Z u s t ä n d e n s c h w e r e r B l u t a r m u t , besonders bei der Biermerschen Anämie, werden Blutübertragungen angewandt, um Kranke bis i u m Wirksamwerden der Leberbehandlung über bedrohliche Zustände hinwegzubringen. Auch hier ist Einspritzung in die Blutbahn erforderlich, ebenso wie bei B l u t e r n (Hämophilen), bei denen wohl auch die gerinnungsfordernde Wirkung des Fremdblutes wichtig ist. Wiederholte Einspritzung kleiner Blutmengen (10—50 ccm) in Muskeln scheint manchmal, z. B. bei sekundärer Blutarmut, die Blutbildung anzuregen. Bei zahlreichen anderen Zuständen sind Blutübertragungen und Eigenbluteinspritzungen empfohlen worden, viele dieser Anzeigen halten aber der Kritik nicht stand. Erörterung im einzelnen würde zu weit führen, erwähnt sei nur, daß Blutübertragung bei s e p t i s c h e n Z u s t ä n d e n , A g r a n u l o z y t o s e n und g e s c h w ü r i g e n D i c k d a r m e r k r a n k u n g e n manchmal von guter Wirkung zu sein scheinen. Eine Sonderstellung nehmen die Übertragungen von Malaria- oder Rekurrensblut ein, die aber für die Allgemeinpraxis nicht in Frage kommen.

Vorbemerkungen. Soll das Blut nur in Muskeln eingespritzt werden, so genügt die Feststellung völliger Gesundheit des Spenders, im besonderen seines Freiseins von Syphilis, Tuberkulose, Malaria und sonstigen Infektionen. Bei Einspritzung in die Blutbahn ist außerdem vorherige Feststellung der Blutgruppe beim Empfänger und, falls das Blut eines nicht von einer Zentrale zugewiesenen Spenders benutzt werden soll, auch bei diesem unbedingt erforderlich. U n t e r l a s s u n g e n o d e r F e h l e r in d i e s e r H i n s i c h t g e f ä h r d e n das Leben des K r a n k e n ! Zur Bestimmung der Blutgruppen dienen T e s t s e r e n , z. B. Serotest (Hamburgisches Serumwerk), Testserum „Asid" (Anhaltisches Seruminstitut). Die Testseren werden staatlich geprüft. Sie sind kühl und dunkel aufzubewahren und dürfen n i c h t ä l t e r a l s 6 M o n a t e sein, weil nach längerer Aufbewahrung die Ergebnisse nicht immer einwandfrei sind. Genaue G e b r a u c h s a n w e i s u n g e n liegen den Packungen bei, so daß auf diese verwiesen werden kann.

Ü b e r t r a g u n g des B l u t e s darf n u r bei gleichen B l u t g r u p pen des Spenders und E m p f ä n g e r s v o r g e n o m m e n werden. Die Blutgruppe 0 galt als Universalspender, diese Annahme ist aber neuerdings erschüttert worden. Bei der oben besprochenen Regelung des Blutspenderwesens wird die Beschaffung gruppengleicher Spender wohl nur selten Schwierigkeiten machen. Im Notfall könnte man immerhin auf die Blutgruppe 0 zurückgreifen. Außer der Blutgrupp"nbestimmung wären thcor tisch noch weitere Untersuchungen erforderlich, um dii Eignung des Spenderblutes für d n Empfänger

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einwandfrei klarzustellen, z. B. auf den „ R h - F a k t o r " . Ihre Durchführung ist aber zeitraubend und nur in einem gut eingerichteten Laboratorium möglich, käme also nur für die verhältnismäßig seltenen Fälle in Betracht, bei denen die Übertragung nicht dringend ist. Praktisch genügt die Blutgruppenbestimmung in Verbindung mit der sogleich zu besprechenden „biologischen Vorprobe" ( ö h l e c k e r )

Trotz richtiger Auswahl des Spenders ist die sog. „biologische Vorprobe" n i e zu u n t e r l a s s e n , weil die Blutgruppenbestimmung, z . B . bei schweren Fällen von Biermerscher Blutarmut, nicht immer unbedingt sicher zu sein scheint und auch ein Fehler unterlaufen sein könnte. Sie wird in der Weise vorgenommen, daß man nicht sofort die ganze beabsichtigte Blutmenge, sondern z u n ä c h s t n u r l O c c m B l u t e i n s p r i t z t , d a n n u n t e r b r i c h t u n d 3 M i n u t e n (nach der Uhr!) oder noch etwas länger a b w a r t e t . Erst wenn während dieser Zeit keinerlei Störungen bei dem Kranken auftreten, wird die gesamte Blutmenge eingespritzt. Wird dagegen der ¿ r a n k e unruhig, treten Beklemmungen, Verschlechterung des Pulses usw. auf, so ist die Übertragung sofort abzubrechen! F o r t s e t z u n g d e r B l u t z u f u h r k ö n n t e d e n T o d d e s K r a n k e n h e r b e i f ü h r e n ! Besondere Vorsicht ist bei der (seltenen) Blutgruppe B geboten. Verfahren I. Bluteinspritzung in Muskeln

Gerät und Verfahren sind die gleichen wie bei der Blutentnahme durch Venenpunktion (S. 28) und bei der Einspritzung in Muskeln (S. 22). Bestimmung der Blutgruppen ist nicht erforderlich" Gerinnung des aus der Vene entnommenen Blutes in der Spritze kann eintreten, wenn nicht sehr schnell gearbeitet wird. Sie läßt sich dadurch verhindern, daß man vor dem Einstich in die Vene 2,5%ige keimfreie Lösung von Natrium citricum in die Spritze einsaugt und so viel von ihr darin läßt, daß die Menge etwa einem Zehntel der zu entnehmenden Blutmenge entspricht. 2. Blutübertragung durch Einspritzung in die Blutbahn

Hierbei ist zu unterscheiden zwischen dem „ d i r e k t e n V e r f a h r e n " , bei dem unverändertes Blut des Spenders unmittelbar in die Vene des Empfängers eingespritzt wird, und dem „ i n d i r e k t e n V e r f a h r e n " , bei dem das Blut bei der Entnahme mit einer gerinnungshemmenden Lösung versetzt und in dieser Mischung dem Empfänger zugeführt wird. Das erstgenannte Verfahren ist, wenn das erforderliche Gerät zur Verfügung steht, unbedingt vorzuziehen, aber auch das letztere gibt in Form des sog. Z i t r a t v e r f a h r e n s , das sich auf die gerinnungshemm e n d e Wirkung des zitronensauren Natriums stützt, gute Ergebnisse. Beide Verfahren sind getrennt zu besprechen.

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a) Unmittelbare Blutübertragung Unter den hierfür angegebenen Geräten zeichnet sich „ B r a u n s B l u t t r a n s f u s i o n s a p p a r a t " 1 ) durch Einfachheit des Baus und der Handhabung aus. Abb. 14 zeigt den gebrauchsfertig aufgestellten Apparat, dessen Teile sich in einer Metalldose von geringem Umfang unterbringen und keim-

Abb. 14

frei aufbewahren lassen. Der umgekehrte Deckel dient zur Aufstellung des Gerätes und trägt auf der Innenseite zu diesem Zweck einen Zapfen, *) Firma B. Braun, Melsungen. Die nachfolgend gegebenen Anweisungen für den Gebrauch des Gerätes weichen in einigen Einzelheiten von der beigefügten Gebrauchsanweisung ab.

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der eine kurze Metallsäule aufnimmt. Auf ihr oberes Ende wird der wichtigste Teil, der Dreiwegehahn, aufgesetzt, an dem einerseits durch eine Verschraubung eine iO ccm-Spritze befestigt wird, andererseits drei Ansätze für Schläuche angebracht sind. Die Bohrungen des Dreiwegehahns zeigt Abb. 15 und zwar in der Stellung, welche die Verbindung der Spritze mit dem Spenderschlauch herstellt. Wird die Spritze in der Richtung des Pfeiles bis zum entgegengesetzten Anschlag herumgeschwenkt, so wird sip mit dem Empfängerschlauch verbunden, bei Mittelstellung mit einem durch einen kleinen Hahn abschließbaren, zu

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Abb. 15

einem Gefäß mit Spülflüssigkeit führenden Schlauch. Die Einrichtung ist so getroffen, daß dieser mit einer Sterofundinampulle verbunden werden kann, wie die Abbildung zeigt, ebensogut kann man aber ein Gefäß mit keimfreier physiologischer Kochsalzlösung benutzen, in das man das Ende des Schlauches eintaucht. Der Kolben der Spritze ist hinten mit einer Aushöhlung versehen, in die eine kleine Menge Paraffinöl eingegossen wird, so daß das Innere der Spritze dauernd mit einer feinen Ölschicht benetzt bleibt. Ihr Ansatz zur Verbindung mit dem Dreiwegehahn ist seitlich angebracht (vgl. unten). Zu dem Gerät gehören endlich zwei Hohlnadeln zur Venenpunktion mit zu den Schläuchen passenden Ansatzstücken. Außer dem beschriebenen Gerät sind erforderlich: 3 Meßgefäße von etwa 100 ccm Inhalt, eine Stauungsbinde zur Herstellung der Stauung beim Empfänger und ein Blutdruckapparat zur Stauung beim Spender.

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Vorbereitung des Geräts. Das ganze Gerät einschließlich des Behälters wird am besten im Autoklaven bei 120° und 1 Atü Druck 20 Minuten lang entkeimt, ebenso die Meßgefäße. Wird die Entkeimung durch Auskochen vorgenommen, so achte man darauf, daß in den Schläuchen kein Wasser zurückbleibt, weil es das Haften des Paraffins verhindern könnte. Auch das Paraffinöl (Paraffinum liquidum) und die Kochsalzlösung sind in der üblichen Weise zu entkeimen. Der Dreiwegehahn ist ebenso wie die Spritze vor dem Sterilisieren auseinanderzunehmen, ersterer vor dem Wiederzusammensetzen mit einer Spur keimfreien Paraffinöls einzufetten. Bevor die Spritze an den Dreiwegehahn angeschraubt wird, gießt man in die Aushöhlung des Kolbens am hinteren Ende etwas Paraffinöl und verschließt dann den Zylinder mit der Verschraubung. Die Spritze soll zunächst so befestigt werden, daß die Teilung nach abwärts, das Ansatzstück nach oben kommt. Der Hahn der Ampullenleitung wird geschlossen, einer der beiden Schläuche 1 ) in ein Meßglas mit etwa 20 ccm Paraffinöl eingelegt und mit der Spritze bei entsprechender Stellung einige Kubikzentimeter Paraffin angesaugt. Nach Herumschwenken der Spritze wird es durch den anderen Schlauch in ein leeres Meßgefäß entleert und dieses Verfahren einige Male wiederholt. Das ganze System ist dann im Innern gründlich mit Paraffin angefeuchtet. Man wechselt nun das mit Paraffin beschickte Meßgefäß gegen ein mit physiol. Kochsalzlösung gefülltes aus und spritzt mit dieser in der gleichen Weise die Schläuche einige Male durch, um die Paraffinreste zu beseitigen. Endlich öffnet man bei Mittelstellung der Spritze den Hahn, der Ampullenleitung, saugt die Spritze voll und entleert sie durch einen der Schläuche. Dadurch wird etwaige Luft aus der Ampullenleitung entfernt. Das ganze System ist jetzt mit Flüssigkeit gefüllt und nach Schließen des Hahnes der Ampullenleitung gebrauchsfertig. Die Spritze wird jetzt so gedreht, daß die Einteilung nach oben, der Ansatz nach unten kommt. Auf diese Weise sammeln sich Luftbläschen, die vielleicht doch noch irgendwo haften geblieben sind, an der oberen Wand der Spritze an und werden nicht miteingespritzt. Lagerung von Spender und Empfänger. Die beiden Lagerstellen (Betten, Fahrtragen) müssen gleiche Höhe haben und werden so aufgestellt, daß sich die Kopfenden berühren und die Innenseiten einen spitzen Winkel zueinander bilden. Der Zwischenraum ist so zu bemessen, daß ein entsprechend hohes Tischchen zum Aufstellen des Geräts und zum Auflegen der Unterarme von Spender und Empfänger genügend Raum hat. Zu beachten ist, daß die Entfernung zwischen dem Gerät und den zu punktierenden Venen der Länge der Schläuche entspricht. Der Arzt sitzt an dem Tischchen, also zwischen den unteren Enden der Lagerstellen. *) Will man die Hohlnadeln auch paraffinieren, so verbindet man sie mit den Schläuchen und verfährt im übrigen in der gleichen Weise.

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Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn ein kräftiger Spender während der Blutentnahme sitzt, wir ziehen aber die Entnahme im Liegen vor.

Ausführung der Übertragung. Um den Oberarm des Empfängers wird eine Stauungsbinde gelegt, um den des Spenders die Manschette des Blutdruckapparates. Die Stauung bei beiden wird in der üblichen Weise hergestellt (S. 29). Man punktiert grundsätzlich zuerst die Vene des Empfängers, weil hier in erster Linie Schwierigkeiten möglich sind. Gelingt sie nicht, so bleibt nur Freilegung der Vene auf operativem Wege übrig. Ist die Punktion beim Empfänger gelungen, so löst man bei ihm die Stauung, verbindet das Ansatzstück der Hohlnadel mit dem Schlauch, saugt bei Mittelstellung der Spritze nach Öffnen des Hahns der Ampullenleitung Flüssigkeit an und spritzt sie in Richtung zum Empfänger ein 1 ). Dadurch werden Schlauch und Hohlnadel mit indifferenter Flüssigkeit gefüllt. Inzwischen hat eine vorher genau zu unterrichtende Hilfsperson die Manschette des Blutdruckapparates beim. Spender entsprechend aufgeblasen, so daß die Venenpunktion hier sogleich vorgenommen werden kann. Ist sie gelungen, so verbindet man auch hier Hohlnadel und Schlauch, schwenkt die Spritze in die entsprechende Stellung, saugt die zur Vornahme der biologischen Vorprobe erforderliche Blutmenge von 10 ccm an, schwenkt die Spritze in die entgegengesetzte Endstellung und spritzt das Blut langsam in Richtung zum Empfänger ein. Um Gerinnung im System w ä h r e n d d e r n u n f o l g e n d e n W a r t e z e i t v o n 3 M i n u t e n zu verhüten, entnimmt man wieder bei Mittelstellung der Spritze und nach Öffnen des Hahnes Ampullenflüssigkeit, spritzt sie in der Richtung zum Empfänger ein und wiederholt das gleiche in Richtung zum Spender, nachdem v o r h e r d i e S t a u u n g b e i d i e s e m d u r c h A b l a s s e n d e r L u f t a u f g e h o b e n wurde. Auf diese Weise ist das ganze System mit indifferenter Flüssigkeit gefüllt, und man kann jetzt die vorgeschriebene Zeit von 3 Minuten abwarten, ohne Gerinnung befürchten zu müssen. Treten beim Empfänger keine Störungen auf, so wird die Stauung beim Spender wiederhergestellt und die Blutübertragung eingeleitet, indem man bei entsprechender Stellung der Spritze Blut ansaugt, die Spritze in die entgegengesetzte Endstellung schwenkt und langsam in die Vene des Empfängers entleert, wieder auf die Spenderseite zurückgeschwenkt usw. Die Zahl der Spritzen ist genau zu zählen. Ist die gewünschte Blutmenge übertragen, so löst man die Stauung beim Spender und entfernt die beiden Hohlnadeln. (Vgl. S. 31.) Das Gerät ist sogleich, am bequemsten unter Verwendung der Ampullenflüssigkeit auszuspritzen, damit keine Blutreste zurückbleiben, ') Einführung des Mandrins in die Hohlnadel nach der Punktion halten wir tür weniger zweckmäßig.

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auseinanderzunehmen, mit Wasser von Salzresten zu säubern und für erneuten Gebrauch zu sterilisieren. Will man nicht die ganze Blutmenge von einem Spender entnehmen, was allerdings wohl nur bei sehr großen Übertragungen von 400—600 ccm und mehr nötig sein wird, so läßt man die Hohlnadel in der Vene des Empfängers liegen, entfernt sie bei dem ersten Spender, spritzt in der oben beschriebenen Weise erst in der Richtung zum Empfänger mit ein oder zwei Spritzen durch und entfernt dann in gleicher Weise die Blutreste aus dem Spenderschlauch, dessen Ende man in ein leeres Gefäß einhängt (S. 43). Inzwischen ist der zweite Spender vorbereitet worden und die Übertragung kann in derselben Weise wie beim ersten Spender vor sich gehen. B i o l o g i s c h e V o r p r o b e n i c h t v e r g e s s e n !

b) Mittelbare Blutübertragung (Zitratverfahren) Gerät. Z w e i S t a u u n g s b i n d e n (S. 27). H o h l n a d e l von 2—3 mm lichter Weite z u r B l u t e n t n a h m e , kräfttige H o h l n a d e l z u r E i n s p r i t z u n g in die Vene des Empfängers. Weites graduiertes M e ß g e f ä ß von 400 bis 500 ccm Inhalt zum Auffangen des Blutes. Infusionsgerät wie S. 19. Die Druckflasche S. 20 kann zwar auch benutzt werden, erfordert aber besondere Vorsicht wegen der Gefahr der Luftembolie. Reichliche Menge einer 2,5proz. k e i m f r e i e n L ö s u n g v o n N a t r i u m c i t r i c u m in destilliertem Wasser oder Lösung von 1,0 Natrium citricum in 100 ccm RingerLösung (Chlornatrium 0,9%,Chlorkalium 0,042%, Chlorkalzium 0,024%, Natriumbicarbonat 0,03%). Verfahren. S e l b s t v e r s t ä n d l i c h g e l t e n a u c h b e i d e r m i t t e l b a r e n Ü b e r t r a g u n g die gleichen Regeln ü b e r B e s t i m m u n g d e r B l u t g r u p p e n , b i o l o g i s c h e V o r p r o b e u s w . (vgl. S. 39). Man füllt in das (keimfreie!) erwärmte Meßgefäß körperwarme Zitratlösung in Menge von mindestens 10 % der zu entnehmenden Blutmenge, punktiert die Vene des Spenders mit der weiten Hohlnadel und läßt das Blut u n m i t t e l b a r , o h n e es a n d e r W a n d d e s M e ß g e f ä ß e s h e r a b s i c k e r n zu l a s s e n , in die Zitratlösung einfließen. Durch dauerndes leichtes Umschwenken des Glases ist für gleichmäßige Mischung zu sorgen. Es gelingt bei diesem Vorgehen nicht immer, die Gerinnung ganz zu verhindern, und es empfiehlt sich deshalb, das Blut vor der Einspritzung durch eine v i e r f a c h e S c h i c h t k e i m f r e i e r G a z e d u r c h z u s e i h e n . •Bei Benutzung der Bürette wird die Gaze trichterförmig in diese hineingehängt und an den Rändern mit Klemmen befestigt. Bei Benutzung der Druckflasche ist ein Trichter mit auszukochen und in diesem die Gaze zu befestigen. Alle mit dem Blute beschickten Gefäße müssen in körperwarmes Wasser eingestellt werden. S t ä r k e r e V e r d ü n n u n g des B l u t e s v e r m i n d e r t die Gerinn u n g s g e f a h r , und daher ist es in Fällen, in denen eine stärkere Verdünnung nicht unerwünscht ist, z. B. nach starken Blutverlusten,

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zweckmäßiger, die Zitratlösung in größerer Menge, bis zu gleichen Teilen mit dem zu entnehmenden Blute, zu verwenden. Das Infusionsgerät wird mit dem Zitratblut gefüllt und die Infusion nach den S. 19 und S. 31 gegebenen Regeln durchgeführt, indem man zunächst zur Ausführung der b i o l o g i s c h e n Vorprobe eine 10 ccm Blut entsprechende Menge und nach 3 Minuten bei Ausbleiben von Störungen die ganze Menge einfließen läßt. „ B l u t k o n s e r v e n " können nach dem gleichen Verfahren zugeführt werden, sie kommen aber für die Friedenspraxis kaum in Frage.

Wesentliche Gefahren bietet die Blutübertragung bei genauer Beachtung der Regeln nicht, immerhin sind Zwischenfälle nicht ganz ausgeschlossen. Man muß sich darüber klar sein, daß sie keinen gleichgültigen Eingriff darstellt, und es ist deshalb vor ihrer allzu häufigen Anwendung, wie sie jetzt hier und da üblich zu werden scheint, zu warnen und strenge Indikationsstellung zu verlangen. Schwierigkeiten können dadurch entstehen, daß bei blutarmen oder ausgebluteten Kranken die Venen sich nicht genügend anstauen lassen, so daß die Punktion mißlingt. In solchen Fällen bleibt nur die operative Freilegung übrig, und es ist empfehlenswert, sie schon vor der Blutentnahme vorzubereiten, wenn die Beschaffenheit der Venen an der Möglichkeit der einfachen Punktion zweifeln läßt. Trotz einwandfreien Vorgehens und richtiger Blutgruppenwahl kommen gelegentlich einige Stunden nach der Übertragung Schüttelfröste vor. Eine wesentliche Bedeutung kommt dieser Störung aber nicht zu. Bei späterem Auftreten unklarer Fieberzuständ? wäre an die Möglichk it ein'r Malariaübertragung zu denken und entsprechend zu behandeln.

Autotransfusion Bei Zuständen schwerer Ohnmacht nach Blutverlusten kann man, falls die im vorstehenden besprochenen Verfahren nicht sogleich anwendbar sind, den lebenswichtigen Organen mehr Blut zuführen, indem man es aus den Gliedmaßen verdrängt. Das geschieht dadurch, daß man ein oder mehrere Glieder von den Enden zum Rumpf fortschreitend mit elastischen Binden umwickelt und auf diese Weise das Blut aus ihnen ausdrückt. Selbstverständlich dürfen die Binden nicht zu lange liegen bleiben, weil anderenfalls Brand der Glieder eintreten würde. Man löst nicht alle Binden gleichzeitig, sondern nacheinander und kann auch so vorgehen. daß man vor dem Abnehmen der Binden von einem Gliede ein anderes umwickelt. An Gliedern, an denen Eiterungen, Entzündungen oder bösartige Neubildungenbestehen, dürfen die Binden nicht angelegt werden, ebensowenig, wenn der Zustand die Gefahr von Thrombosen bedingt. Nicht zu verwechseln mit der Autotransfusion ist das sog. A b b i n d e n d e r G l i e d e r . Es wird in der Weise vorgenommen, daß man am oberen Ende der Glieder Stauungsbinden anlegt, und zwar so fest, daß der Rückfluß des Blutes behindert, der Zufluß dagegen nicht gehemmt wird. (Zu festes Anlegen der Binden ist fehlerhaft, weil Hemmung des arteriellen Zuflusses Blutdrucksteigerung zur Folge haben, also ungünstig auf eine Blutung wirken würde.) Dieses Vorgehen, das den Blutrückfluß zum rechten Herzen und dadurch dessen Füllung vermindert, wird besonders bei Lungenblutungen oft mit Nutzen angewandt. Es scheint auch

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gerinnungsfördernd zu wirken. Die Binden dürfen nicht gleichzeitig, sondern auch nur nacheinander gelöst werden. Zu festes Anlegen der Binden ist fehlerhaft, weil Hemmung des arteriellen Zuflusses Blutdrucksteigerung zur Folg? hat, also ungünstig auf eine Blutung wirken würde.

Punktion des Brustbeins Anzeigen. D i e Punktion des Brustbeins diente bisher nur zur Gewinnung von K n o c h e n m a r k zu diagnostischen Zwecken. Die Untersuchungen von H e n n i n g h a b e n aber den Beweis erbracht, daß zwischen den Markhöhlen des Brustbeins und dem venösen S y s t e m offene Verbindungen bestehen und daß die Sternalpunktion infolgedessen in allen Fällen zur Einspritzung in die B l u t b a h n benutzt werden kann, bei denen intravenöse Einspritzung nicht möglich ist. Auch B l u t übertragung ist auf diesem W e g e (unter Beachtung der gleichen Vorsichtsmaßregeln, vgl. S. 39!) möglich. Gerät. E t w a 4 cm lange, 2 mm dicke Nadel mit kurzer, gut geschliffener, geschlossener Spitze und Seitlicheröffnung ( K o r t h & H e n n i n g ) , oder Hohlnadel von gleicher Länge und Dicke m i t Stahlmandrin. Millimetereinteilung ist angenehm, aber nicht unbedingt erforderlich, eine Vorrichtung zur Begrenzung der Einstichtiefe wird von manchen Ärzten empfohlen. Rekordspritze öder Infusionsgerät. Gerät zur örtlichen Betäubung. Ort der Punktion. Zwischen den Rippenansätzen findet sich im jugendlichen, manchmal aber auch noch im späteren Alter eine Knorpelzone, die die Markhöhle des Brustbeins in mehrere K a m m e r n teilt. Diese Stellen sind also zu vermeiden. D i e besten Einstichstellen liegen in Höhe des 2., 3. oder 4. Zwischenrippenraums genau in der Mittellinie. Die Einstichtiefe ist in erster Linie von der D i c k e des Fettpolsters abhängig, die D i c k e der zu durchbohrenden L a m i n a e x t e r n a beträgt 0,5—1 mm, die Tiefe der Markhöhle beim Erwachsenen 5 — 15 m m . Verfahren. D i e große Schmerzempfindlichkeit der Knochenhaut macht sorgfältige örtliche B e t ä u b u n g bei nicht bewußtlosen K r a n k e n unbedingt erforderlich. Kälteanästhesie kommt nicht in Frage. Man bildet nach J o d a n s t r i c h zunächst eine unempfindliche Quaddel durch Einspritzung in die H a u t (S. 8), geht von hier aus langsam mit der Nadelspitze tiefer und spritzt, in die Knochenhaut m i t etwas verschiedener R i c h t u n g ein. • Die Nadel nach K o r t & Henning wird auf eine Rekordspritze aufgesetzt, man h a t also m i t ihr eine gute Führung, bei der Nadel m i t Mandrin ist dies nicht möglich. Das Durchtrennen der H a u t kann durch einen E i n s t i c h mit einem spitzen Skalpell oder der Franckeschen Nadel erleichtert werden. Man sticht senkrecht zur Oberfläche oder auch schräg ein, bei Kindern ist letzteres vorzuziehen. Nach Auftreffen auf den Knochen sucht man mit vorsichtigem Druck unter drehenden Bewegungen die L a m i n a externa zu durchbohren, am Nachlassen des Widerstandes und manchmal einem leisen krachenden Geräusch erkennt man das Eindringen in den Markraum. B e i der diagnostischen Punktion erhält man durch vorsichtiges Ansaugen die erforderliche geringe Markmenge, dabei empfindet der K r a n k e einen leichten Schmerz. Diese Erscheinung kann man vor Einspritzungen benutzen, um die richtige Lage der Nadel in der Markhöhle zu kontrollieren, sicherer ist es aber, eine kleine Menge Mark anzusaugen. U m der Gefahr vorzubeugen, daß es in der Hohlnadel gerinnt und diese verstopft, empfiehlt Henning, vor der Punktion etwas Natriumzitratlösung (S. 45) in die Spritze einzusaugen. Die Einspritzung soll so langsam geschehen, daß kein Schmerz dabei auftritt. B e i Benutzung des Infusionsgeräts genügt ein Gefälle von 0,5—1 m Höhe. D i e Einflußgeschwindigkeit ist geringer als bei der Einspritzung in die Vene. Mißlingen der Einspritzung kann durch Gerinnung von Mark in der Kanüle bedingt sein und k o m m t außerdem bei Krankheiten vor, die zu Verödung der Markräume führen, z. B . bei Karzinose.

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Die wesentlichste G e f a h r besteht bei der Sternalpunktion in dem Durchbohren der Lamina interna, bei der Verletzungen der großen Gefäße und des Herzens entstehen können. Sie läßt sich durch vorsichtiges Vorgehen beim Durchbohren der Lamina externa vermeiden, weniger sicher durch die Arretierungsvorrichtung. S o l l t e d i e L a m i n a i n t e r n a d u r c h s t o ß e n w o r d e n s e i n , s o darf u n t e r k e i n e n U m s t ä n d e n e i n e E i n s p r i t z u n g g e m a c h t w e r d e n , weil die eingespritzte Lösung in das Mediastinum eindringen und schwerste, unter Umständen tötliche Veränderungen hervorrufen kann. Auch von einer anderen Stelle des Brustbeins aus darf nicht am gleichen Tage eingespritzt werden, weil zwischen den einzelnen Teilen Verbindungen bestehen und infolgedessen die eingespritzte Lösung die Verletzungsstelle der Lamina interna erreichen kann.

Punktion der großen Leibeshöhlen Punktionen des Herzbeutels dienen ausschließlich der Entnahme von Flüssigkeiten. Das gleiche gilt für die weitaus größte Mehrzahl der Rippenfell- und Bauchpunktionen, nur die Anlegung des künstlichen Pneumothorax und des Pneumoperitoneums macht eine Ausnahme. Diese Verfahren sollen aber hier nicht behandelt werden, da sie unseres Erachtens nur Sache des Facharztes sind. Punktion des Rippenfellraumes Anzeigen. Die Punktion des Rippenfellraumes dient der D i a g n o s e und der B e h a n d l u n g . Wir können demnach zwischen den Anzeigen zur „Probepunktion" und zur „entleerenden Punktion" unterscheiden. Die Probepunktion wird benutzt: 1. zur Entscheidung darüber, ob eine Dämpfung über der Lunge durch eine Verdichtung des Lungengewebes oder durch einen Erguß bedingt ist, falls sich, wie z. B. häufig bei Kindern, diese Frage auf Grund des physikalischen Befundes nicht sicher entscheiden läßt; 2. zur Feststellung, welcher Art ein nachgewiesener Erguß ist, insbesondere ob serös oder eitrig, ob durch Entzündung oder durch Stauung bedingt (spezifisches Gewicht, Rivaltasche Reaktion), welche Bakterien in ihm enthalten sind usw. 1 ); 3. zur Feststellung des Ortes, an dem eine entleerende Punktion vorzunehmen ist. Die Bedingungen, unter denen eine Probepunktion angezeigt ist, ergeben sich hieraus von selbst. Sie ist ein außerordentlich wichtiger Eingriff und s o l l t e l i e b e r zu h ä u f i g als zu s e l t e n v o r g e n o m m e n werden! Die entleerende Punktion o h n e n a c h f o l g e n d e D r ä n a g e benutzen wir bei der B e h a n d l u n g v o n n i c h t e i t r i g e n (serösen, serofibrinösen) e n t z ü n d l i c h e n E r g ü s s e n sowie von S t a u u n g s e r g ü s s e n . Zur bakteriologischen Untersuchung verwendet man am besten die durch Probepunktion erhaltene Flüssigkeit, die unmittelbar aus der Spritze in ein keimfreies Röhrchen entleert wird. Zur Bestimmung des spezifischen Gewichtes darf nur der reine Erguß ohne Zusatz von Sperrflüssigkeit benutzt werden.

Rippenfellpunktion

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Für die Anwendung bei e n t z ü n d l i c h e n E r g ü s s e n gelten folgende Regeln: 1. E r g ü s s e , d i e d u r c h i h r e G r ö ß e d a s L e b e n b e d r o h e n , müssen sofort durch Punktion entleert werden. Dabei ist zu beachten, daß Lebensgefahr nicht nur bei solchen Ergüssen besteht, die heftige Atemnot, Blaufärbung der Haut usw. veranlassen, sondern daß sie b e i g r o ß e n F l ü s s i g k e i t s a n s a m m l u n g e n auch dann vorliegt, wenn keine bedrohlichen Erscheinungen d i e s e r A r t e r k e n n b a r s i n d , wie das bei langsam wachsenden Ergüssen nicht selten beobachtet wird. Auch in Fällen dieser Art kann ganz plötzlich, ohne irgendwelche Vorboten, der Tod eintreten. D e m n a c h i s t in j e d e m F a l l e , g a n z u n a b h ä n g i g v o n d e n z u r Z e i t b e s t e h e n d e n E r s c h e i n u n g e n , sogleich die P u n k t i o n vorzun e h m e n , wenn die D ä m p f u n g s g r e n z e vorn bis e t w a zur d r i t t e n R i p p e o d e r n o c h h ö h e r h i n a u f r e i c h t (sog. Trousseausche Indikation). 2. K l e i n e r e E r g ü s s e s i n d zu e n t l e e r e n , w e n n sie n a c h etwa drei Wochen langem Bestehen keine Neigung zur Aufs a u g u n g zeigen. Je länger die Lunge durch einen Erguß zusammengepreßt wird, desto stärker machen sich Schrumpfungsvorgänge geltend. Wird daher nicht rechtzeitig für eine, wenn auch nur vorübergehende, Entlastung und Wiederausdehnung der Lunge gesorgt, so wird die Schrumpfung so stark, daß später auf eine Wiederausdehnung der Lunge nicht mehr mit Sicherheit gerechnet werden kann.

Sammelt sich nach der Entleerung die Flüssigkeit wieder an, so ist nach 8—10 Tagen die Punktion zu wiederholen, falls nicht schnelle Zunahme des Ergusses schon früher zur Entleerung zwingt. Gelegentlich sind 10—20 und mehr Punktionen nötig, bevor Heilung eintritt. — Zur B e h a n d l u n g e i t r i g e r E r g ü s s e k o m m t die e i n f a c h e P u n k t i o n im a l l g e m e i n e n n i c h t in F r a g e , v i e l m e h r i s t b e i solchen die B ü l a u s c h e D r ä n a g e oder die R i p p e n r e s e k t i o n a n g e z e i g t . (Über Ausnahmen vgl. S. 67.) S t a u u n g s e r g ü s s e (Transsudate) sind durch Punktion zu entleeren, wenn anzunehmen ist, daß die bestehende Atemnot wenigstens teilweise durch sie bedingt wird. Dabei ist zu beachten, daß b e i g e schwächtem Herzen manchmal schon verhältnismäßig kleine Ergüsse die A t e m b e s c h w e r d e n b e t r ä c h t l i c h steigern. Die Entleerung sollte deshalb nicht zu lange hinausgeschoben werden. Man kann gelegentlich beobachten, daß das Herz auf Mittel, die vorher wirkungslos zu sein schienen, nach Entleerung eines Ergusses gut anspricht. Ort der Punktion. Für die W a h l d e r P u n k t i o n s s t e l l e gelten zunächst, gleichgültig, ob eine Probepunktion oder eine Entleerung vorgenommen werden soll, die folgenden drei Grundregeln: 4

S t u r s b e r g , Technik. 6. Aufl.

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Punktionen und Einspritzungen

1. D i e P u n k t i o n s s t e l l e m u ß so g e w ä h l t w e r d e n , d a ß e i n e V e r l e t z u n g des H e r z e n s oder a n d e r e r Organe ausgeschlossen i s t . 2. Sie m u ß im B e r e i c h e d e s R i p p e n f e l l r a u m e s l i e g e n . 3. A n d e r E i n s t i c h s t e l l e m ü s s e n , d i e p h y s i k a l i s c h e n Z e i c h e n e i n e s E r g u s s e s , absolute Dämpfung sowie Abschwächung oder Aufhebung des Atemgeräusches und des Stimmschwirrens, b e s t e h e n . (Über A u s n a h m e n bei Kindern s. u.!) Bei kleinen, abgekapselten Ergüssen gibt die in der gewöhnlichen Weise mit der aufgelegten Hand vorgenommene Prüfung des Stimmschwirrens manchmal kein sicheres Ergebnis. In derartigen Fällen kann man die Untersuchung dadurch wesentlich genauer gestalten, daß man das Hörrohr mit der Hand leicht auf die Haut aufdrückt und auf diese Weise das Stimmschwirren nur an ganz umschriebener Stelle prüft. Wenn man in dieser Weise die in Betracht kommende Gegend gewissermaßen , .punktförmig" absucht, so findet man oft eine ganz umschriebene Stelle aufgehobenen oder stark herabgesetzten Stimmschwirrens. Hier wird man fast immer mit Erfolg punktieren.

Die erste Regel ist bei unveränderter Lage der Brustorgane leicht zu befolgen, dagegen kann beim Bestehen von Schrumpfungsvorgängen die Feststellung der Herzlage erhebliche Schwierigkeiten machen. In derartigen Fällen ist die Einstichstelle so zu wählen, daß auch im ungünstigsten Falle eine Verletzung des Herzens nicht zu erwarten ist; man wird z. B. bei einer starken Verziehung des Herzens nach links nicht in den seitlichen Teilen der linken Brusthälfte, sondern etwa in der linken Schulterblattlinie einstechen. Ist man bei abgesackten Ergüssen gezwungen, in unmittelbarer Nähe des Herzens zu punktieren, so sind zur Probepunktion möglichst dünne Nadeln zu verwenden, die keinen wesentlichen Schaden verursachen, selbst wenn sie das Herz treffen sollten. Mit Rücksicht auf die zweite Regel darf die Einstichstelle n i c h t u n t e r h a l b einer Linie liegen, die u n t e r r e g e l r e c h t e n Verhältnissen dem unteren Lungenrande entsprechen würde, also in der Schulterblattlinie nicht unterhalb der 9. Rippe; in der mittleren Achsellinie nicht unterhalb der 7. Rippe, . in der rechten Brustwarzenlinie nicht unterhalb der 6. Rippe. . Eine Ausnahme ist bei großen Ergüssen zulässig, weil bei ihnen meist die Komplementärräume ausgefüllt sind. In derartigen Fällen kann auch unterhalb des unteren Lungenrandes, e t w a im B e r e i c h d e r w a h r e n R i p p e n , punktiert werden. Da aber eine Verwachsung oder Verklebung der Komplementärräume nie mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, so ist besonders vorsichtige Probepunktion geboten, um Schädigungen durch Verletzung der Leber usw. zu vermeiden. Die dritte Regel bedarf keiner Erläuterung, nur sei besonders daran erinnert, daß b e i K i n d e r n s e h r h ä u f i g ü b e r E r g ü s s e n l a u t e s B r o n c h i a l a t m e n g e h ö r t w i r d . Bei ihnen kann also die für die

Rippenfellpunktion

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Behandlung so außerordentlich wichtige Frage, ob Erguß oder Verdichtung der Lunge, manchmal nur d u r c h die P r o b e p u n k t i o n beantwortet werden, und diese ist deshalb in jedem Falle vorzunehmen, wenn die Erkrankung nicht in kurzer Zeit abläuft. Unterlassen d e r Probepunktion kann in solchen Fällen das Leben des Kindes durch Verkennung eines Empyems in Gefahr bringen. Weiterhin ist die G r ö ß e des E r g u s s e s von wesentlicher Bedeutung für die Wahl der Einstichstelle. Bei kleinen und auch bei manchen mittleren Ergüssen bestimmen Sitz und Ausdehnung den Ort der Punktion, bei großen Ergüssen kann dagegen an verschiedenen Stellen eingestochen werden. Der „Ort der W a h l " ist bei ihnen der f ü n f t e oder s e c h s t e Z w i s c h e n r i p p e n r a u m in der v o r d e r e n A c h s e l l i n i e . Die Brustwand ist in dieser Gegend dünn, und außerdem kann der Kranke bei Punktion an dieser Stelle bequem mit leicht erhöhtem Oberkörper liegen, während Punktion am Rücken ihn zum Aufrechtsitzen zwingt und infolgedessen erheblich mehr anstrengt. Die D i c k e der B r u s t w a n d ist für die Punktion deshalb wichtig, weil die Tiefe des Einstiches danach zu bemessen ist und weil die Abtastung der Zwischenrippenräume an den dünnsten Stellen am leichtesten gelingt. Denn die Dicke des knöchernen Brustkorbes schwankt bei Erwachsenen nur in engen Grenzen und ist überall ziemlich gleichmäßig, dagegen ist die Dicke der aufliegenden Fett- und Muskelschichten nicht nur bei verschiedenen Menschen, sondern auch an verschiedenen Stellen des Brustkorbes sehr ungleich. Die Gesamtdicke der Brustwand ist am g e r i n g s t e n in d e n

seit-

Abb. 16, (Unter Benutzung einer Zeichnung von

liehen Teilen des BrustJoessel.). Lu=Lunge. Le=Leberkuppe korbes, am größten hinten in der Nähe der Wirbelsäule (Abb. 16). Bei mäßigem Fettpolster beträgt sie an der dünnsten Stelle etwa 2 cm. Angabe genauer Maße für die einzelnen Brustwandgegenden ist wegen der außerordentlich großen, durch die Beschaffenheit des Fettpolsters und der Muskulatur bedingten Verschiedenheiten zwecklos. Gerät. Zur Probepunktion dienen die gleichen Spritzen wie für Einspritzungen unter die Haut (s. S. 15). Auf tadelloses „Ziehen" der 4•

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Punktionen und Einspritzungen

Spritzen ist besonders zu achten, da hiervon das Gelingen der Punktion wesentlich abhängt. Die zu benutzenden Hohlnadeln sollen etwa 6 bis 8 cm lang, bei starkem Fettpolster noch länger, und nicht zu dünn sein. Besonders bei Verdacht auf das Vorhandensein von Eiter sind weite Nadeln zu verwenden. Zur Entleerung größerer Flüssigkeitsmengen aus dem Rippenfellraum sind zahlreiche Vorrichtungen angegeben worden, die zwar großenteils brauchbar, aber entbehrlich sind. Ich führe nur die einfachsten von ihnen an, die aber für alle Zwecke ausreichen. Zu unterscheiden ist zwischen 1. d e m zur D u r c h b o h r u n g der B r u s t w a n d d i e n e n d e n Ger ä t und 2. den z u m A b f l u ß o d e r A b s a u g e n d e s E r g u s s e s b e s t i m m ten V o r r i c h t u n g e n . Zu 1. Für die große Mehrzahl der Fälle hat sich uns die Punktion mit der einfachen H o h l n a d e l am besten bewährt. Nur bei Ergüssen, die reich an Fibringerinnseln sind oder leicht gerinnen, und manchmal auch in Fällen, in denen die ungünstige Beschaffenheit der Rippen besondere Schwierigkeiten bei der Punktion erwarten läßt, ist ein T r o i k a r t vorzuziehen. Die F r a g e , o b H o h l n a d e l o d e r T r o i k a r t , ist viel erörtert worden. Der Hohlnadel wird vorgeworfen, daß sie besonders gegen Ende der Punktion leicht Verletzungen der Lunge veranlasse, daß sie bei Verstopfung durch Fibringerinnsel nur schwer oder gar nicht wieder freizumachen sei, daß sie sich gelegentlich schon, beim Einstich durch ein ausgestanztes Hautstückchen verstopfe, und daß sie endlich leichter abbreche als der Troikart. Der erste, schwerwiegendste Vorwurf ist unseres Erachtens nicht berechtigt, weil bei richtigem Vorgehen das Anstreifen der Lunge an die Nadelspitze sogleich bemerkt und eine Schädigung des Lungenfells durch sofortiges Zurückziehen der Nadel vermieden werden kann. Verstopfung durch Hautstückchen ist selten und auch durch Fibringerinnsel wird sie nicht allzu häufig hervorgerufen, zumal wenn man nicht gerade über den abhängigsten Teilen der Ergüsse punktiert, wo sich erfahrungsgemäß die meisten Fibringerinnsel ansammeln. Abbrechen der Hohlnadel kann wohl nur vorkommen, wenn die Nadel beschädigt ist, ein Fehler, der sich bei hinreichender Sorgfalt vor der Punktion feststellen und durch Verwendung von Hohlnadeln aus nichtrostendem Stahl vermeiden läßt (vgl. S. 16). Abbrechen einer unbeschädigten Nadel durch Auftreffen auf eine Rippe setzt recht ungeschicktes und gewaltsames Vorgehen voraus, es sei denn, daß es sich um eine Punktion bei einem sehr ungebärdigen Kranken mit stafk verengerten Zwischenrippenräumen handelt, also um ganz ungewöhnliche Umstände. Gegenüber diesen Nachteilen fallen aber die großen V o r z ü g e d e r H o h l n a d e l ins Gewicht: Sie ist viel einfacher als der Troikart, an dem leicht einzelne Teile schadhaft werden, sie ist besser zu reinigen als dieser, der Einstich mit ihr gelingt leichter und ist weniger schmerzhaft, weil der hemmende Übergang von der Spitze des Stiletts zur Hülse wegfällt, und endlich ist der Luftabschluß besser gewährleistet als beim Troikart, bei dem öfters Undichtigkeiten eintreten. Der T r o i k a r t hat nur den Vorteil, daß er sich durch Einschieben des Stiletts leicht von etwaigen Gerinnseln reinigen läßt und daß die Gefahr des Abbrechens bei ihm nicht besteht. Aus diesen Gründen verdient er in den oben angeführten seltenen Fällen den Vorzug.

Rippenfellpunktion

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Die zu verwendende Hohlnadel ^oll 8—10 cm lang sein und bei l l / 2 bis 2 mm lichter Weite eine kräftige Wandung haben. Zu kurze Nadeln lassen sich beim Einstich schlecht fassen, bei zu dünnen Nadeln geht der Abfluß zu langsam vor sich. Der Schlauch kann durch Überstreifen über das Ansatzstück mit der Hohlnadel verbunden werden, besser verwendet man aber ein gut eingeschliffenes, winklig abgebogenes Zwischenstück. Troikarts zur Rippenfellpunktion werden in sehr mannigfacher Form hergestellt. Die in Abb. 17 wiedergegebene ist besonders handlich.

Der Troikart setzt sich zusammen aus der Kanüle, an welcher ein seitliches Ansatzstück A zur Verbindung mit dem ableitenden Schlauch angebracht ist, und dem Stilett. Letzteres trägt vorne eine kantige Spitze, am entgegengesetzten Ende einen flachen Knopf .und verläuft durch eine Stopfbüchse S, welche durch eine kegelförmige Verbindung in das Endstück der Kanüle luftdicht eingepaßt ist. Das Ansatzstück der Kanüle kann durch einen Hahn geschlossen werden, der so angebracht ist, daß die Spitze des Stiletts nach dem Zurückziehen seine Schließung nicht behindert. Die Länge der Troikartkanüle soll mindestens 6 cm betragen, ihr Querschnitt ist größer als derjenige der Hohlnadel. Die Benutzung sehr dicker Troikarts bietet keinen Vorteil, da die Schnelligkeit des Abflusses doch beschränkt werden muß. Bei einem gutgearbeiteten Troikart soll sich das v o r d e r e K a n ü l e n e n d e h i n t e r d e r S t i l e t t s p i t z e f e s t um d a s S t i l e t t a n l e g e n , so daß sein Rand durch die Spitze nach vorne zugedeckt wird. Ist dies nicht der Fall, so wird dadurch der Einstich beträchtlich erschwert und viel schmerzhafter. Der Hahn setzt sich gelegentlich beim Auskochen fest. E s ist deshalb notwendig, vor der Punktion das Stilett herauszunehmen und den Hahn einige Male zu drehen, um ihn geschmeidig zu machen.

Zu 2. Auch über die zweckmäßigsten Vorrichtungen zum Ablassen der Ergüsse sind die Ansichten geteilt. Von vielen Ärzten werden S a u g v o r r i c h t u n g e n mannigfacher Art benutzt, von anderen wird die Anwendung der H e b e r v o r r i c h t u n g bevorzugt. Wir verwenden im allgemeinen die letztere, welche für die ganz überwiegende Zahl der Fälle ausreicht. Sie hat den Vorzug größter Einfachheit, so daß Mängel kaum übersehen werden können, ist sehr handlich und deswegen besonders auch für die Hauspraxis geeignet, und endlich ist ihre Anwendung ungefährlicher als die mancher Saugvorrichtungen, bei denen zu starkes Ansaugen leicht möglich ist. Nur bei älteren Ergüssen, in denen der Druck negativ, d. h. geringer als der Atmosphärendruck, ist, benutzen wir eine Saugvorrichtung.

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Punktionen und Einspritzungen

Der Grundgedanke bei der Herstellung aller hier in Betracht kommenden Vorrichtungen ist der, das E i n d r i n g e n von L u f t in den R i p p e n f e l l r a u m w ä h r e n d der P u n k t i o n z u • v e r h i n d e r n , und wir halten es für ratsam, an diesem Grundsatze f e s t z u h a l t e n . Die Forderung des Luftabschlusses war ursprünglich durch die Furcht vor dem Eindringen von Luftkeimen in den Rippenfellraum veranlaßt, man hat sich aber davon überzeugt, daß diese Gefahr jedenfalls nur gering ist. Immerhin ist die Möglichkeit einer derartigen Infektion nicht auszuschließen, besonders dann, wenn man genötigt ist, eine Punktion außerhalb des Krankenhauses in einer gesundheitlich nicht einwandfreien Wohnung vorzunehmen. Aus diesem Grunde möchten wir die Beibehältung des Luftabschlusses um so mehr empfehlen, als ein wesentlicher Vorteil der Verdrängung des Ergusses durch Luft, einer sog. Ausblasung, gegenüber der einfachen Punktion bisher nicht erwiesen ist. Im besonderen können wir nicht anerkennen, daß sie geeignet sei, die Entstehung von Verwachsungen zu verhüten. Bei der Entleerung von Stauungsergüssen wäre es geradezu ein Fehler, wenn man die,Flüssigkeit durch Luft ersetzen würde, weil dadurch die Kompression der Lunge, die wir in derartigen Fällen beseitigen wollen, erhalten bliebe. Vorrichtungen zur D r u c k m e s s u n g ternden Hegeln entbehrlich.

sind bei Beachtung der später zu erör-

Die Hebervorrichtung besteht aus einem kräftigen Gummischlauch von 1 y2 m Länge, der durch ein kurzes Zwischenstück aus Glas unterbrochen ist. An seinem unteren Ende wird er mit einem kleinen Trichter verbunden, am oberen Ende mit der Punktionsnadel, entweder durch einfaches Überstreifen oder durch Vermittlung eines kegelförmigen Ansatzstückes, welches s e h r g e n a u in den entsprechenden Ansatz der Hohlnadel oder des Troikarts e i n g e s c h l i f f e n sein muß, da es anderenfalls nicht luftdicht abschließt. Die im Handel befindlichen Ansatzstücke lassen in dieser Hinsicht oft zu wünschen übrig und sind deshalb Vor dem Gebrauch zu prüfen.

Saugvorrichtungen kann der punktierende Arzt nicht selbst bedienen, er muß deshalb vorher eine Hilfsperson über ihren Gebrauch unterrichten. Die Saugspritzen zeichnen sich vor den Saugflaschen durch größere Handlichkeit aus und verdienen den Vorzug, zumal letztere ihrer Größe wegen für die Hauspraxis unbequem sind. An Stelle der ursprünglich von D i e u l a f o y angegebenen Saugspritze mit Lederkolben verwenden wir nur noch Glasspritzen mit Metallkolben.

Rippenfellpunktion

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(oder auch Duritkcilben, die aber weniger haltbar sind,) von 100 oder mehr Kubikzentimetern Inhalt. Ein Ansatzstück mit Bajonettverschluß und Dreiwegehahn vermittelt die Verbindung mit dem zur Punktionsnadel führenden Schlauch (Abb. 18).

Die Einrichtung des D r e i w e g e h a h n s zeigt Abb. 19. J e nach Drehung des Verschlusses verbindet er den am Ansatz angebrachten, zum Rippenfell führenden Schlauch oder den nach außen führenden Ansatz A mit dem Inneren der Spritze. Die erstere Stellung, die in der Abbildung wiedergegeben ist, wird beim Ansaugen benutzt, die letztere zum Ausspritzen der angesaugten Flüssigkeit. Die Stellung des äußeren Hebels oder ein mit ihm verbundener Zeiger lassen die bestehende Verbindung leicht erkennen.

Besonders empfehlenswert sind auch die sog. Rotandaspritzen (Abb. 20). Ihre Verschlußkappe trägt zwei Konusansätze und ist so eingerichtet, daß eine Drehung des Zylinders bei festgehaltener Kappe den Kolbenraum abwechselnd mit den beiden Ansätzen verbindet. Der eine von diesen wird durch Verbindungsstücke und einen dickwändigen Schlauch mit der Punktionsnadel verbunden, der andere, der ebenfalls einen Schlauch trägt, dient zum Ausspritzen der angesaugten Flüssigkeit. Marken auf der Verschlußkappe und dem Zylinder kennzeichnen die jeweilige Einstellung. — Die Saugflaschen sind unhandlicher als die Saugspritzen und werden deshalb nur noch wenig benutzt.

Eine Flasche aus starkem Glase von 1 — l 1 ^ 1 Inhalt ist mit einem Gummistopfen verschlossen, der eine doppelte Zuleitung trägt, entweder in Form von zwei getrennten Metallrohren mit Hahnverschluß (Abb. 21) oder in Form eines mit zwei nebeneinanderliegenden Bohrungen versehenen Metallrohres mit zwei Ansätzen. Behelfsmäßig kann man die Vorrichtung herstellen, indem man anstatt der Metallrohre Abb. 20 Glasrohre benutzt und den Hahnverschluß durch Klemmen an den zu- und abführenden Gummischläuchen ersetzt. Das eine Ansatzstück R der Saugflasche wird durch einen genügend langen und nicht zu weichen Gummischlauch mit der Punktionsnadel verbunden und soll sich im Innern der Flasche bis nahe zum Boden fortsetzen. Falls es zu kurz ist, wird es durch ein Schlauchstück entsprechend verlängert. Das andere Ansatzstück S endigt in der Flasche dicht unterhalb des Stöpsels und trägt an seinem äußeren Ende einen Schlauch, der zum Absaugen der Luft aus der Flasche dient. Dies geschieht am schonendsten durch den Mund ( F ü r b r i n g e r ) oder durch einen .Gummiballon oder eine Spritze ( P o t a i n ) , womit naturgemäß eine viel stärkere Saugwirkung erzielt werden kann. Bei Benutzung des Gummiballons ist darauf zu achten, daß seine Ventile in der beabsichtigten

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Punktionen und Einspritzungen Richtung arbeiten, da anderenfalls Luft in die Flasche oder sogar in das Rippenfell hineingepreßt werden würde. Der luftverdünnte Raum in der Flasche übt seinerseits eine Saugwirkung auf den Erguß aus und zwar um so stärker, je weiter die Luftverdünnung getrieben wurde.

Verfahren. Die zweckmäßigste Einstichstelle und die Beschaffenheit der Zwischenrippenräume wird durch gönaue Untersuchung geklärt und das Gerät vorbereitet (vgl. S. 2). Unmittelbar vor der Punktion untersucht man die Gegend des Einstiches nochmals, um sich zu vergewissern, daß der örtliche Befund noch den oben erörterten Anforderungen entspricht, und t a s t e t d e n Z w i s c h e n r i p p e n r a u m , in d e n m a n e i n s t e c h e n w i l l , g e n a u ab. Um den gewählten Punkt leicht und sicher wieder auffinden zu können, wird in einiger Entfernung von ihm je eine senkrechte und eine waagerechte Linie (mit Jodtinktur oder Hautstift) so aufgezeichnet, daß ihre Verlängerungen sich an der Einstichstelle schneiden würden (Abb. 22). Erst dann wird die Haut in der üblichen Weise vorbereitet, ohne die Richtlinien zu verwischen, und die örtliche Betäubung (vgl. S. 8) ausgeführt. Sehr ängstlichen Kranken reicht man vor Beginn der letzten Vorbereitungen ein Beruhigungsmittel, z. B. eine größere Gabe Kodein oder etwas Pantopon oder Morphium, unter suggestivem Hinweis auf die schmerzverhütende Wirkung. Der Kranke wird dadurch beruhigt und gleichzeitig wird dem bei Rippenfellpunktionen manchmal eintretenden, störenden Hustenreiz entgegengewirkt. Kranke mit schwachem Herzen erhalten zweckmäßig. etwas Wein, Kampfer, Cadechol oder ein ähnliches Anregungsmittel. In jedem Falle empfiehlt es sich, diese Mittel bereitzuhalten, um im Falle plötzlichen Eintretens von Herzstörungen oder Ohnmachtsanwandlungen sogleich eingreifen zu können. Muß die Punktion am Rücken vorgenommen werden (vgl. S. 51), so ist für g u t e U n t e r s t ü t z u n g d e s K r a n k e n Sorge zu tragen, indem eine vor dem Kranken auf dem Bettrand sitzende oder neben dem Bett stehende Hilfsperson seine Schultern umfaßt und, wenn nötig, auch seinen Kopf stützt. Der Oberkörper soll nicht weiter als unbedingt nötig entblößt werden (vgl. S. 2). Der Einstich gelingt bei nicht allzu ungünstiger Beschaffenheit der Zwischenrippenräume leicht, wenn nur darauf geachtet wird, daß d i e H o h l n a d e l den Z w i s c h e n r i p p e n r a u m t r i f f t und nicht seitl i c h auf die R i p p e n a b w e i c h t . Auftreffen auf diese ist für den Kranken äußerst schmerzhaft! Schwierigkeiten bieten für den Einstich die seltenen Fällen in denen durch Schrumpfungsvorgänge die Rippen

Rippeniellpunktion

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einander stark genähert sind oder sogar dachziegelförmig übereinandergreifen. Unter diesen Umständen ist das Auftreffen auf die Rippen nicht immer zu vermeiden, da man den oft sehr schmalen Spalt nicht deutlich abtasten, sondern seine Lage nur ungefähr vermuten kann. Nach Möglichkeit soll die Punktion n a h e dem o b e r e n R a n d e der R i p p e erfolgen, weil am unteren Rande, allerdings durch die Rippe geschützt, die Interkostalärterie verläuft. Diese Forderung läßt sich aber nur bei einigermaßen weiten Zwischenräumen erfüllen, da bei schmalen Abständen zwischen den Rippen oft nur gerade Raum genug bleibt, um die Nadel eindringen zu lassen. Daß bei der Auswahl der Hohlnadeln und besonders der Troikarts auf die Weite der Zwischenräume Rücksicht zu nehmen ist, versteht sich von selbst. Um den Z w i s c h e n r i p p e n r a u m s i c h e r zu t r e f f e n , e m p f i e h l t sich f o l g e n d e s V o r g e h e n (Abb. 22): Ein Finger der linken Hand

Abb. 22

wird der Länge nach auf den Zwischenrippenraum aufgelegt, so'daß er dessen Verlauf ohne weiteres erkennen läßt. Die Fingerkuppe liegt dicht an dem für die Punktion gewählten Punkte. Wird nun genau vor ihr senkrecht zur Hautoberfläche eingestochen, so muß die Nadel den Zwischenrippenraum treffen, selbst wefm er nur sehr schmal ist. Nur bei dachziegelartiger Lage der Rippen ist dieses Verfahren nicht anwendbar, derartige Fälle sind aber glücklicherweise recht selten. Bei Ausführung der Probepunktion faßt man die Spritze nicht mit der vollen Faust, sondern ähnlich wie eine steilgehaltene Schreibfeder, weil diese Haltung die sicherste Füh-

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Punktionen und Einspritzungen

rung ermöglicht und gleichzeitig den verschiedenen Widerstand der durchstochenen Gewebe am besten erkennen läßt (Abb. 22). Die Nadel soll mit einem Ruck so tief eingestochen werden, daß ihre Spitze das Rippenfell durchbohrt, und es ist deshalb zweckmäßig, die Tiefe des Einstiches schon vorher unter Berücksichtigung der Stärke des Fettpolsters und der Dicke der Brustwand abzuschätzen. Die Spritze wird nach dem Einstich mit der linken Hand festgehalten, am besten in der Weise, daß der vordere Teil der Spritze und das Ansatzstück der Nadel gefaßt und auf diese Weise ein Loslösen der Spritze von der Nadel verhindert wird. Gleichzeitig zieht die rechte Hand den Kolben der Spritze langsam zurück. Kommt dabei sogleich Flüssigkeit zum Vorschein, so saugt man die Spritze voll und stellt die Tiefe, in der man den Erguß fand, genau fest, indem man vor dem Herausziehen den Nagel des Zeigefingers auf die Hohlnadel dicht an der Haut auflegt und die Länge des in den Körper eingedrungenen Nadelstückes nach dem Herausziehen schätzt oder besser mißt. Sollte beim Ansaugen nicht sogleich Flüssigkeit in die Spritze eintreten, so schiebt man bei a n g e s a u g t e r S p r i t z e die Nadel etwas weiter vor und zieht sie, wenn auch dies erfolglos bleibt, ebenso wieder zurück. Solche Verschiebungen der Nadel sollen aber, auch wenn örtliche Betäubung vorgenommen wurde, möglichst beschränkt werden, weil sie schmerzhaft sind. Erhält man trotz guten Ziehens der Spritze keine Flüssigkeit, so zieht man die Nadel heraus, ü b e r z e u g t s i c h v o n i h r e r D u r c h g ä n g i g k e i t und punktiert, besonders wenn Verdacht auf Eiterbildung besteht, an anderer Stelle nochmals. E s ist zweckmäßig, den Inhalt der Kanüle, falls man keine Flüssigkeit erhalten hat, in ein Glasschälchen auszuspritzen und mikroskopisch zu untersuchen, da z. B. stark eingedickter Eiter gelegentlich wohl bis in die Kanüle, nicht aber bis in die Spritze gelangt. E i n d r i n g e n der Hohlnadel in die L u n g e wird daran erkannt, daß blutige Flüssigkeit, mit Luftblasen durchsetzt, in die Spritze eintritt. Die Nadel ist dann sogleich zurückzuziehen. Im Anschlüsse an eine derartige Lungenverletzung kann gelegentlich etwas blutiger Auswurf entleert werden, eine wesentliche Schädigung hat sie aber nicht zur Folge. Der entleerenden Punktion soll in j e d e m F a l l e eine P r o b e p u n k t i o n vorausgehen, da auch ein anscheinend völlig einwandfreier physikalischer Befund nicht mit Bestimmtheit beweist, daß nicht etwa die Lunge oder ein anderes Organ durch Verwachsungen nahe dem Rippenfell festgehalten wird. Der Einstich mit einer dicken Nadel wäre in einem solchen Falle gefährlich, außerdem würde die Entleerung des Ergusses mißlingen. Die H e b e r v o r r i c h t u n g muß vor der Punktion mit Flüssigkeit gefüllt werden, damit sogleich nach dem Einstich die Heberwirkung ein-

Rippenfellpunktion

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tritt. Unterbleibt die Füllung, so kann der Erguß nur dann abfließen, wenn er unter Überdruck steht, was bei frischen Erkrankungen allerdings meist, bei älteren nicht immer zutrifft. Die Hebervorrichtung, die vorher schon auf ihren ordnungsmäßigen Zustand nachgesehen worden ist, wird in der Weise gefüllt, daß der Arzt das Ansatzstück der Hohlnadel (oder des Troikarts) nach Entfernung des Drahtes (bzw. Herausziehen des Stiletts) mit der einen, den Trichter mit der anderen Hand faßt und zunächst die Nadel hoch und den Trichter tief hält. Eine Hilfsperson füllt den Trichter mit Borwasser oder einer anderen keimfreien Flüssigkeit (abgekochtem Wasser oder physiologischer Kochsalzlösung). Jetzt wird der Trichter langsam gehoben und das andere Schlauchende gesenkt, bis die Flüssigkeit nach Verdrängung der Luft aus der Nadel ausspritzt. Der Schlauch wird nun mit einer Klemme geschlossen und sein unteres Ende nach Abnahme des Trichters in ein auf dem Boden stehendes, 1—1 y2 1 fassendes Gefäß eingesenkt, welches 100—200 cm keimfreier Sperrflüssigkeit enthält und zweckmäßig mit einer Einteilung von 100 zu 100 ccm versehen ist. Die Schlauchöffnung muß in die Sperrflüssigkeit eintauchen. Nach Erledigung dieser Vorbereitungen wird die Nadel eingestochen und schließlich die Klemme geöffnet. Wird die Punktion in der Wohnung des Kranken gemacht, so ist das Mitnehmen eines großen Meßglases manchmal unbequem. Als Ersatz kann man eine Arzneiflasche von 200 oder 250 ccm Inhalt benutzen, die gleichzeitig zum Mitnehmen der Sperrflüssigkeit dient. Man läßt sie vollaufen, gießt dann den Inhalt bis auf einen kleinen'Rest in ein anderes Gefäß aus und erhält auf diese Weise einen hinreichenden Anhalt über die Menge des entleerten Ergusses. Bei Anwendung der S a u g f l a s c h e empfiehlt es sich, schon vor der Punktion eine mäßige Luftverdünnung in der Flasche zu erzeugen, indem man den zur Nadel führenden Schlauch abklemmt, die Saugspritze in Tätigkeit setzt und danach auch den zu dieser führenden Schlauch abklemmt. Vorher ist in die Saugflasche eine abgemessene Menge keimfreier Sperrflüssigkeit einzufüllen, in die das mit der Nadel verbundene Rohr eintaucht.

Der E i n s t i c h mit der Hohlnadel oder dem Troikart soll g e n a u a n d e r S t e l l e d e r P r o b e p u n k t i o n erfolgen. Wenn diese auch ohne weiteres erkennbar ist, so taste man doch den Zwischenrippenraum wieder in der oben beschriebenen Weise genau ab, weil schon eine leichte Verziehung der Haut bei der Probepunktion die Einstichstelle auf eine Rippe verschieben kann. Bei A u s f ü h r u n g des Einstiches ist folgendes zu beachten: Die H o h l n a d e l wird dabei am besten mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger an ihrem Ansatzstück gefaßt, dessen Vorsprünge ein hinreichend festes Halten ermöglichen. Will man die Nadel nur bis zu einer bestimmten Tiefe einstechen, so legt man den Zeigefinger in der gewünschten Entfernung von der Spitze auf und sticht die Nadel so tief ein, daß der Finger die Haut berührt. • Beim Einstechen des Troikarts ist zu beachten, daß S p i t z e u n d K a n ü l e n i c h t f e s t v e r b u n d e n s i n d , sondern daß erstere dem

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Punktionen und Einspritzungen

Stilett angehört. Würde man den Troikart einzustechen versuchen, ohne gleichzeitig einen kräftigen Druck gegen den Knopf des Stiletts auszuüben, so würde die Spitze zurückweichen und der weitere Druck nur den Rand der Kanüle gegen die Haut pressen. Dieser Fehler ist für den Kranken sehr schmerzhaft! Man nimmt deshalb den Troikart in der Weise in die Hand, daß der Knopf des Stiletts etwa in der Gegend des ersten Zwischenknochenraumes oder noch mehr nach der Mitte der Hohlhand zu fest aufliegt, und läßt den zum Einstechen notwendigen Druck n u r auf d e n K n o p f einwirken, während die Finger dem Instrument die Richtung geben (Abb. 23). Der Einstich gelingt leichter, wenn man dem Troikart im

Abb. 23

Augenblicke des Einstechens eine leichte Drehung (etwa um Vt gibt). Nach dem Einstich wird das Stilett zurückgezogen und der Hahn geschlossen. Wird nach dem Einstich die Klemme der Hebervorrichtung oder der Verschluß der Saugflasche geöffnet, so sieht man die durch ihre Färbung meist deutlich erkennbare Rippenfellflüssigkeit in das Glasrohr eintreten, welches in den Schlauch eingeschaltet ist. Nach kurzer Zeit erscheint sie dann in dem am Boden stehenden Gefäß oder in der Saugflasche. Wird eine Saugspritze benutzt, so kann natürlich erst Flüssigkeit austreten, wenn der Kolben der Spritze zurückgezogen wird. Die Schnelligkeit des Abflusses läßt sich manchmal schon an der Bewegung der Flüssigkeit in dem erwähnten Schaltstück erkennen, sicher aber nur durch .Beobachtung des Flüssigkeitsspiegels in dem zu. ihrer Aufnahme dienenden Gefäß (s. u.).

Rippenfellpunjstion

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Es empfiehlt sich, besonders bei Verwendung von Saugvorrichtungen, das Schaltstück dauernd im Auge zu halten, um sofort den Schlauch abklemmen zu können, falls durch unrichtiges Arbeiten der Ventile, falsche Bedienung der Spritze usw. Luft in der Richtung zum Rippenfell eindringt.

W ä h r e n d der E r g u ß abfließt, hält der Arzt d a u e r n d mit d e r l e i c h t auf d e n K ö r p e r d e s K r a n k e n a u f g e s t ü t z t e n H a n d d i e H o h l n a d e l o d e r d i e T r o i k a r t k a n ü l e f e s t . Auf diese Weise läßt sich die für den Kranken schmerzhafte Anspannung der Haut, die durch den Zug der Schläuche an der Nadel entstehen kann, verhindern, und gleichzeitig fühlt man ein sehr deutliches „Anstreifen", wenn etwa bei fortschreitender Entleerung die Lunge an die Spitze des Gerätes anstößt. Sowie dies eintritt, zieht man Nadel oder Kanüle ein wenig zurück und kann dann weiter entleeren, ohne eine Lüngenverletzung befürchten zu müssen. Wiederholt sich trotz des Zurückziehens das Anstreifen, so muß die Punktion abgebrochen werden. Schnelligkeit und Menge der Entleerung Die Schnelligkeit des Abflusses stellt man, wie bereits erwähnt, in der Weise fest, daß man an der Teilung des Meßgefäßes alle paar Minuten den Stand des Flüssigkeitsspiegels abliest. Erweist sich der Abfluß als zu schnell, so daß die Geschwindigkeit von 1 1 in 20 Minuten (s.u.) überschritten, werden würde, so wird der Schlauch abgeklemmt und erst nach einiger Zeit wieder freigegeben. Bei sehr langsamem Abfluß, wie er besonders bei älteren Ergüssen vorkommt, kann es manchmal zweifelhaft sein, ob überhaupt noch eine Entleerung stattfindet. Vorsichtiges Herausheben des Schlauchendes aus der Flüssigkeit gibt in solchen Fällen Aufschluß. Dabei ist in der oben beschriebenen Weise das Schaltstück zu beobachten, um Eindringen von Luft in die Rippenfellhöhle, etwa infolge eines unvermuteten tiefen Atemzuges, rechtzeitig zu verhindern. Manchmal fließt gegen Ende der Punktion der Erguß nur noch tropfenweise, in anderen Fällen nur bei der Ausatmung ab, während bei der Einatmung nichts mehr entleert wird. Bei Bemessung der Schnelligkeit des Abflusses und der in einer Sitzung zu entleerenden Menge des Ergusses ist zu beachten, d a ß zu s c h n e l l e u n d zu r e i c h l i c h e E n t l e e r u n g v o n R i p p e n f e l l e r g ü s s e n f ü r den K r a n k e n g e f ä h r l i c h ist. J e e l e n d e r der K r a n k e , desto größer ist die durch u n v o r s i c h t i g e s . Vorgehen bedingte Gefahr. Hieraus ergeben sich folgende Regeln: 1. D i e E n t l e e r u n g s o l l s t e t s l a n g s a m v o r g e n o m m e n w e r d e n , u n d z w a r so, d a ß in 20 M i n u t e n n i c h t w e s e n t l i c h m e h r a l s 1 L i t e r des E r g u s s e s a b f l i e ß t . Schnellere Entleerung ist zu vermeiden, langsameres Vorgehen bringt, abgesehen von der etwas größeren Unbequemlichkeit für den Kranken, keinen Schaden.

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Punktionen und Einspritzungen

Mit Rücksicht auf die Notwendigkeit, die Abflußgeschwindigkeit zu beschränken, ist die Verwendung sehr weiter Nadeln oder Troikarts zwecklos, da bei ihrer Benutzung der Abfluß doch häufig durch Abklemmen des Schlauches unterbrochen werden muß, um zu schnelle Entleerung zu vermeiden. Auch bei Verwendung der Saugvorrichtungen besteht die Gefahr zu schnellen Abflusses, während bei Benutzung der Hebervorrichtung mit nicht zu weiter Nadel ein Überschreiten der zulässigen Abflußgeschwindigkeit nicht leicht eintritt, außer etwa in Fällen, in denen der Erguß unter sehr hohem Druck steht. Druckmessung bei der Entleerung, die früher gelegentlich empfohlen wurde, ist, wie bereits erwähnt, unnötig.

2. D i e M e n g e d e r e n t l e e r t e n F l ü s s i g k e i t soll b e i e i n e r P u n k t i o n n i c h t m e h r a l s löOOccm b e t r a g e n . I n v i e l e n F ä l l e n g e n ü g t die E n t n a h m e g e r i n g e r e r M e n g e n (500—1000 ccm). Bei b l u t i g e n E r g ü s s e n ist g r u n d s ä t z l i c h die Menge von 500 c c m n i c h t zu ü b e r s c h r e i t e n . Besonders bei Bestehen von Herzschwäche sind ausgiebige Entleerungen unbedingt zu vermeiden, gleichgültig, ob es sich um entzündliche oder um Stauungsergüsse handelt. Man wird sich in dieser Hinsicht um so eher zu großer Zurückhaltung entschließen können, als meist schon die Entleerung von */> 1 Flüssigkeit erhebliche Erleichterung bringt. Die vorstehend angegebenen Werte gelten für Erwachsene von Durchschnittsgröße, sind also bei sehr kleinen, schwächlichen Kranken niedriger anzusetzen. Für Kinder lassen sich bestimmte Zahlen nicht angeben.

Die früher vielfach geübte möglichst vollständige Entleerung entzündlicher Ergüsse ist gefährlich und bringt keinen wesentlichen Nutzen, weil sich der Erguß meist doch schnell wieder ansammelt. Um die Aufsaugung anzuregen, genügen aber kleinere Entnahmen vollständig, gelegentlich wird sogar schon nach einfachen Probepunktionen ein schneller Rückgang des Ergusses beobachtet. Ob dabei die durch den Reiz des Einstiches hervorgerufene stärkere Blutfülle des Rippenfells eine Rolle spielt, kann dahingestellt bleiben. Von der Wirksamkeit der sog. A u t o t r a n s f u s i o n entzündlicher Ergüsse, die als Mittel zur, Beschleunigung der Aufsaugung empfohlen wurde, haben wir uns nicht überzeugen können. Das Verfahren besteht in der Einspritzung von etwa 10 ccm des durch Punktion entnommenen Ergusses unter die Haut des Kranken. Ergebnislose Punktionen und Störungen des Abflusses nach gelungener Punktion In seltenen Fällen kommt es vor, daß trotz erfolgreicher Probepunktion die Entleerung des Ergusses mit der Hohlnadel oder dem Troikart. mißlingt. Als Ursachen hierfür kommen in Betracht S t ö r u n g e n a n d e n a b l e i t e n d e n S c h l ä u c h e n oder an der Saugvorrichtung und u n r i c h t i g e L a g e oder V e r s t o p f u n g d e r K a n ü l e . Es empfiehlt sich, die Untersuchung auf das Vorliegen dieser Fehler der Reihe nach vorzunehmen, um unnötige und für den Kranken schmerzhafte Maßregeln zu vermeiden.

Rippenfellpunktion

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Man überzeugt sich zunächst, daß alle S c h l a u c h k l e m m e n g e ö f f n e t sind und daß k e i n e A b k n i c k u n g e n des Schlauches bestehen. Letztere kommen am leichtesten an dem Schlauchteil unmittelbar hinter dem Kanülenansatz zustande und sind hier leicht zu beseitigen, wenn man den Schlauch nicht frei herabhängen läßt, sondern über die Hand führt, mit der die Kanüle gehalten wird. J e weicher infolge häufigen Auskochens die Schläuche werden, desto leichter entstehen Abknickungen. Ist der Schlauch und die etwa benutzte Saugvorrichtung einwandfrei, so ist festzustellen, o b . die K a n ü l e n s p i t z e in der d u r c h d i e P r o b e p u n k t i o n e r m i t t e l t e n T i e f e l i e g t . Ein Vergleich des außerhalb der Brustwand liegenden Kanülenteiles gibt bei bekannter Gesamtlänge der Nadel und unter Berücksichtigung der bei der Probepunktion festgestellten Tiefe darüber hinreichenden Aufschluß. Glaubt man hier einen Fehler zu finden, so ändert man durch Vorschieben oder Zurückziehen (wie bei der Probepunktion) die Lage der Nadel, indem man gleichzeitig, am besten an dem aus der Sperrflüssigkeit herausgehobenen Schlauch, beobachtet, ob der Abfluß in Gang kommt. Hat man bei Benutzung des Troikarts Grund zu der Annahme, daß die Kanüle nicht weit genug eingedrungen sei, so muß zunächst das Stilett wieder eingeschoben werden, weil anderenfalls die Kanüle die noch zwischen ihr und dem Erguß gelegenen Gewebe, z. B. das Rippenfell, nicht durchbohren kann, sondern nach innen vordrängt. Ist anzunehmen, daß sich die Kanülenspitze in der richtigen Tiefe befindet, oder kommt auch nach Änderung der Emstichstiefe der Abfluß nicht in Gang, so h e b e m a n v o r s i c h t i g das ä u ß e r e E n d e der H o h l n a d e l oder der Kanüle, um auf diese Weise die innerhalb des Rippenfells gelegene Spitze zu senken. Dadurch wird die Kanüle gelegentlich zum Eintauchen in den etwas tiefer liegenden Spiegel des Ergusses gebracht, und es gelingt wohl auch, auf diese Weise Fibrinflocken, die sich ventilartig vor die Öffnung legen, zu verschieben und dadurch den Abfluß freizumachen. Bleibt auch dieser Versuch erfolglos, so kann eine V e r s t o p f u n g der K a n ü l e vorliegen. Sie wird bei Benutzung des Troikarts durch Vorschieben des Stiletts leicht beseitigt. Bei Anwendung der Hohlnadel gelingt dies manchmal durch knetendes Zusammendrücken des Schlauches in Richtung zum Rippenfell, wodurch die im Schlauche enthaltene Flüssigkeit in die Kanüle hineingepreßt wird. Auch stärkeres Ansaugen vermittels einer mit dem unteren Schlauchende verbundenen gewöhnlichen 10- oder 20 ccm-Spritze oder einer Saugspritze entfernt manchmal das Hindernis. Gelingt es nicht, den Abfluß in Gang zu bringen, so muß die Nadel herausgezogen und außerhalb des Körpers geprüft werden. Erweist sie sich als d u r c h g ä n g i g , so muß daraus geschlossen werden, daß die P u n k t i o n s s t e l l e u n g e e i g n e t war. Ist sie v e r s t o p f t , so ist e r n e u t e P u n k t i o n an der g l e i c h e n S t e l l e zulässig, jedoch ist, falls sich

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Punktionen und Einspritzungen

Fibringerinnsel in der Nadel finden, bei der Wiederholung der Punktion ein weiter Troikart der Hohlnadel oder einem vorher benutzten engen Troikart vorzuziehen. In ähnlicher Weise geht man vor, wenn d e r z u n ä c h s t g u t e A b f l u ß p l ö t z l i c h a u s s e t z t , bevor der Erguß. ausreichend entleert ist. In diesem Falle empfiehlt es sich aber, die Senkung der Kanülenöffnung durch Heben des äußeren Teiles der Nadel zuerst zu versuchen, weil bei fortschreitender Entleerung des Ergusses naturgemäß schließlich die Kanüle nicht mehr in die Flüssigkeit eintaucht, zumal auch das äußere Kanülenende sehr leicht durch eine unwillkürliche Bewegung der haltenden Hand etwas gesenkt wird. Ohne Unterbrechung der Punktion kann man durch mit der rechten Hand ausgeführte Tastperkussion den Stand der Dämpfung kontrollieren, während die linke Hand die Hohlnadel festhält.

Zwischenfälle und Gefahren. Beimengungen von B l u t werden im abfließenden Erguß nicht selten beobachtet und sind nicht von Bedeutung, falls sie nur gering sind. Meist handelt es sich um Verletzung eines kleinen Rippenfellgefäßes, jedoch kann bei Verwendung einer Saugvorrichtung auch zu starkes Ansaugen die Schuld tragen. Deshalb ist beim Auftreten von Blut in der entleerten Flüssigkeit die Saugwirkung sogleich zu verringern. Bei Entleerurig b l u t i g e r E r g ü s s e ist, wie bereits erwähnt, besondere Vorsicht geboten, A n s a u g e n ist bei solchen durchaus u n s t a t t h a f t . Blutungen durch V e r l e t z u n g e n e i n e r Zw i s c h e n r i p p e n s c h l a g a d e r sind äußerst selten und würden chirurgisches Eingreifen erforderlich machen (Unterbindung). Ausnahmsweise beobachtet man, besonders bei Punktion an einer muskelreichen Stelle des Brustkorbes, eine stärkere Blutung aus einem Muskelgefäß. Sie steht gewöhnlich auf Druck ziemlich schnell.

H u s t e n r e i z tritt während der Entleerung von Ergüssen nicht selten ein. Darreichung von Kodein, Pantopon usw. (S. 56) vor der Punktion vermindert ihn zwar, verhindert ihn aber nicht vollständig. Gelegentlich wird er durch Anstoßen der Kanüle an das Lungenfell ausgelöst und hört dann sogleich auf, wenn die Nadel etwas zurückgezogen wird. In anderen Fällen ist die Ursache nicht sicher, erkennbar, man wird aber an Zerrung von Verwachsungen infolge der Entleerung, vielfach auch an ein Zufälliges Zusammentreffen denken müssen, da ja bei sehr vielen Punktierten gleichzeitig Lungenerkrankungen bestehen. Bei geringem Hustenreiz klemmt man mit der linken Hand den Schlauch ab, während die etwas stärker auf die Brustwand aufgestützte rechte Hand mit besonderer Sorgfalt die Nadel in ihrer Stellung festhält, damit sie sich bei der Erschütterung des Brustkorbes nicht verschiebt. Nach Aufhören des Hustens kann die Entleerung fortgesetzt werden. Bei anhaltendem Husten muß die Punktion abgebrochen werden, wozu man sich um so leichter entschließen wird, je mehr Flüssigkeit bereits entleert ist.

Rippenfellpuilktion

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S c h m e r z e n in der Brust sind- bei Entleerung frischer Ergüsse selten und kaum jemals erheblich, dagegen wird bei älteren Ergüssen, in deren Umgebung starke Verwachsungen, Schrumpfungen usw. bestehen, manchmal lebhaft über schmerzhaftes Zusammenschnüren, Zerren, Druckgefühl usw. geklagt, besonders dann, wenn stark angesaugt wurde, um den in solchen Fällen nicht selten negativen Druck zu überwinden. Bei geringen Beschwerden genügt manchmal kurzdauerndes Abklemmen des Schlauches, um sie wieder verschwinden zu lassen. Stärkere Schmerzen zwingen meist zum Abbrechen der Punktion, die dann, wenn nötig, nach einigen Tagen erneut su versuchen ist. Starkes Ansaugen ist in solchen Fällen ganz zu vermeiden. O h n m a c h t s a n w a n d l u n g e n und O h n m ä c h t e n treten besonders leicht auf, wenn elende Kranke bei Punktion im Rücken lange Zeit in sitzender Stellung aushalten müssen. Genaue Beobachtung des Pulses durch eine Hilfsperson ist in solchen Fällen ratsam, da zunehmende Beschleunigung auf die Gefahr eines Kollapses hinweist. Verabfolgung von Cardiazol, Kampfer, Cadechol usw. vor der Punktion (S. 56) trägt wesentlich dazu bei, sie zu verhindern, außerdem tut etwas Wein, schluckweise während der Punktion gereicht, oft gute Dienste. Fühlt sich der Kranke nicht gut oder wird der Puls schlechter, so ist der Abfluß durch Abklemmen des Schlauches zu unterbrechen oder stark zu verlangsamen, da immerhin an die Möglichkeit zu denken ist, daß trotz vorsichtigen Vorgehens die Entleerung für den betreffenden Kranken doch zu schnell erfolgt sein könnte. Unter keinen Umständen lasse man sich in solchen Fällen etwa durch den Wunsch, die Punktion schneller zu beendigen, dazu verleiten, den Abfluß zu beschleunigen, weil die Kollapsgefahr dadurch erheblich gesteigert werden würde. Bessert sich der Zustand nicht oder tritt gar Ohnmacht ein, so ist selbstverständlich die Punktion sofort abzubrechen, der Kranke tief zu lagern, und Cardiazol oder Koffein usw. einzuspritzen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß während oder nach der Punktion auch ein epileptischer oder hysterischer Anfall vorkommen kann. Die Annahme eines „Pleurareflexes" als Ursache derartiger Zufälle ist nicht hinreichend begründet.

Das A u f t r e t e n s c h w e r e r H e r z s c h w ä c h e sowie der sog. albuminösen Expektoration, d. h. eines Zustandes, der sich, entsprechend dem Bilde eines Lungenödems, durch Herzschwäche, heftige Atemnot, Blaufärbung der Haut und Entleerung reichlichen blutigserösen, schaumigen Auswurfes kennzeichnet und oft zum Tode führt, ist in der großen Mehrzahl der Fälle Folge unrichtigen Vorgehens bei der Punktion. Derartige Zufälle treten besonders ein, wenn die Entleerung in schematischer Weise, ohne R ü c k s i c h t a u f den a l l g e m e i n e n K r ä f t e z u s t a n d und die H e r z k r a f t des K r a n k e n vorgenommen wird, wenn man also z . B . bei einem elenden, herzschwachen Menschen 1 y 2 l des Ergusses oder sogar noch mehr entleert, anstatt sich mit % 1 zu begnügen und lieber nach einigen Tagen die Punktion zu wiederholen. S o r g f ä l 5

S t u r s b e r g , Technik. 6. Aufl.

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Punktionen tind Einspritzungen

tige R ü c k s i c h t n a h m e auf den K r ä f t e z u s t a n d , g e n a u e B e o b a c h t u n g des K r a n k e n bei der P u n k t i o n und r e c h t z e i t i g e s A b b r e c h e n derselben beim A u f t r e t e n v e r d ä c h t i g e r E r s c h e i nungen bilden den b e s t e n S c h u t z gegen d e r a r t i g e s c h w e r e Zufälle. Kommen sie trotzdem zustande so müssen Herzreizmittel in großen Gaben, Strophantin oder Digipurat intravenös usw., angewandt werden. Ganz vereinzelt sind T o d e s f ä l l e bei der Punktion oder unmittelbar nachher beschrieben worden. Da solche auch ohne jede erkennbare Ursache bei Rippenfellentzündungen gelegentlich vorkommen, so isf ¿in zufälliges Zusammentreffen mit der Punktion wohl nie ganz auszuschließen. In anderen Fällen ist allerdings wohl doch ein Fehler bei der Punktion, besonders zu reichliche und zu schnelle Entleerung, zu beschuldigen. Behandlung eitriger Rippenfellergüsse Grundsätzlich ist daran festzuhalten, daß e i t r i g e E r g ü s s e n i c h t mit e i n f a c h e r P u n k t i o n behandelt werden dürfen, sondern einen E i n g r i f f v e r l a n g e n , der d a u e r n d e E n t l e e r u n g des E i t e r s e r m ö g l i c h t (Ausnahmen vgl. S. 67). Von den beiden in Wettbewerb tretenden Verfahren, dem Einschnitt mit oder ohne Rippenresektion und der B ü l a u s c h e n D r ä n a g e , soll nur die letztere hier besprochen werden, da erstere in das Gebiet der Chirurgie fällt. Über den Wert beider Verfahren ist folgendes zu sagen: Das Schnittverfahren hat, zumal bei Anwendung der Rippenresektion, den Vorzug, daß es eine weitere Öffnung schafft und dadurch mit größerer Sicherheit den freien Abfluß gewährleistet, es stellt aber andererseits einen wesentlich schwereren Eingriff dar als die B ü l a u s c h e Dränage. Denn der plötzliche Abfluß einer großen Eitermenge im Augenblick des Einschnittes kann bei geringer Widerstandskraft des Herzens gefährlich werden, und ganz besonders ist bei Kindern, die oft in sehr verelendetem Zustande zur Operation kommen, die Notwendigkeit einer Allgemeinnarkose bedenklich. Ausführung der Operation mit örtlicher B e täubung allein verbietet sich bei Kindern nicht nur wegen der durch die lebhafte Unruhe hervorgerufenen technischen Schwierigkeit, sondern vor allem wegen der unvermeidlichen hochgradigen Erregung, die für ein geschwächtes Herz gefährlich werden kann. Demgegenüber ist die Bülausche Dränage ein kleiner Eingriff, der ohne Narkose möglich ist, Verstümmelung einör Rippe vermeidet und nach der Abheilung keine nennenswerte Narbe hinterläßt. Sie ermöglicht einen allmählichen Abfluß des E i t e r s und verringert daher die Schockwirkung. Dauernde Saugwirkung läßt sich bei ihr mit einfacheren Mitteln erzielen als bei der Resektion. Sie hat allerdings den Nachteil weniger „chirurgischen Vorgehens", da sie nur eine kleine Abflußöffnung schafft, und bietet während der Nachbehandlung bei dickem oder flockenhaltigent Eiter oft Schwierigkeiten durch Verstopfung des Katheters.

Daraus ergeben sich folgende Anzeigen für die Verwendung der beiden Verfahren: Die B ü l a u s c h e D r ä n a g e ist zunächst bei kleinen Kindern (etwa bis zu 5 Jahren) anzuraten, ganz besonders dann, wenn der Allgemeinzustand durch die Erkrankung bereits stark beeinträchtigt wurde.

Behandlung eitriger Rippenfellergüsse

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ferner bei größeren Kindern und bei Erwachsenen, bei denen schlechtes Allgemeinbefinden oder Herzschwäche einen schwereren Eingriff verbieten. In derartigen Fällen führt die Dränage oft zu schneller Hebung des Allgemeinzustandes und kann daher sehr wohl auch als vorbereitende Operation ausgeführt werden, der man später die Rippenresektion folgen läßt, falls z. B. die Beschaffenheit des Eiters Schwierigkeiten bereitet. Bei einigermaßen kräftigen Erwachgenen und bei älteren Kindern pflegen wir dagegen sogleich chirurgische Behandlung anzuraten, wenn es sich nicht um frische Eiterungen nach Lungenentzündungen handelt, die unter der Dränage oft schnell ausheilen. Auch Rippenfelleiterungen nach Grippe werden mit gutem Erfolg mit der Bülauschen Dränage behandelt. J a u c h i g e E r g ü s s e sind grundsätzlich s o g l e i c h d u r c h R e s e k t i o n zu e n t l e e r e n . A b g e s a c k t e E r g ü s s e eignen sich nur dann zur Behandlung nach B ü l a u , wenn sie die seitlichen oder vorderen Brustgegenden einnehmen. A u s n a h m s w e i s e ist es statthaft, eitrige Ergüsse mit einfacher Punktion zu behandeln, jedoch gilt dies a u s s c h l i e ß l i c h für tuberkulöse Empyeme besonders bei fortgeschrittener Lungenerkrankung sowie für ganz frische durch Pneumokokken verursachte Eiterungen, die gelegentlich nach einfacher Punktion zur Heilung kommen. Bleibt im letzteren Falle nach 2—3 Punktionen der Erfolg aus, so ist die B ü l a u s c h e Dränage oder die Resektion ohne längeres Zuwarten auszuführen. In Fällen, in denen die Größe eines eitrigen Ergusses Lebensgefahr bedingt (vgl. S. 49), aus äußeren Gründen aber nicht sogleich die Heberdränage oder die Resektion vorgenommen werden kann, ist Entleerung durch einfache Punktion geboten, der aber möglichst bald die Dränage oder Operation anzuschließen ist. Gerät für die Bülausche Dränage. Probepunktionsspritze wie bei der einfachen Rippenfellpunktion mit w e i t e r Nadel. Zur Ausführung des Einstiches wird ein B a u c h t r o i k a r t (S. 78) benutzt, dessen Querschnitt so groß sein soll, wie es die Weite des zur Punktion gewählten Zwischenrippenraumes eben noch zuläßt. Je dicker der Troikart, desto günstiger sind die Aussichten für eine gute Dränage. Der durch die Troikarthülse in den Rippenfellraum einzuführende w e i c h e K a t h e t e r soll genau in die Kanüle passen, d. h. er soll sich leicht einschieben lassen, gleichzeitig aber der Kanülenwand dicht anliegen. Um Schwierigkeiten bei der Ausführung der Dränage zu vermeiden, darf er nicht nur nach dem Augenmaß ausgesucht, sondern muß genau eingepaßt werden. 'Da das an seiner Spitze angebrachte Fenster keinen hinreichenden Abfluß gewährleistet, werden in den vorderen Teil noch einige längsgestellte Öffnungen mit der Schere eingeschnitten. Dabei ist aber zu beachten, daß die Wand nicht zu sehr geschwächt werden darf, weil anderenfalls der Katheter beim Herausziehen abbrechen könnte. 5»

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Punktionen und Einspritzungen

Zur Ableitung des Eiters dient ein Gummischlauch von 1 y2 m Länge, der durch ein T-Stück aus Glas unterbrochen ist. Am freien Arm des letzteren wird ein kurzer, durch Klemme verschließbarer Schlauch angebracht. Die Verbindung zwischen Katheter und Schlauch vermittelt ein kurzes, an dem einen Ende zugespitztes Glasrohr. Sein weites Ende wird mit dem Schlauch verbunden, die Spitze in den Katheter eingeschoben. Endlich ist hinreichendes Verbandzeug, Heftpflaster, Sicherheitsnadeln, ein kleiner Trichter und ein graduierter Meßzylinder yon etwa 200—300 ccm Inhalt erforderlich. Ort des Einstiches. Für die Wahl der Punktionsstelle gelten die gleichen Grundregeln wie für die einfache Rippenfellpunktion, mit der Einschränkung, daß Anlegung der Heberdränage am Rücken n i c h t zulässig ist, weil bei Rückenlage der Schlauch abgeknickt werden würde. •Abgesackte Empyeme am Rücken sind deshalb, wie bereits erwähnt, von der Dränagebehandlung auszuschließen. Am besten eignen sich zur Ausführung der Heberdränage die seitlichen Teile der Brust, besonders der s e c h s t e Z w i s c h e n r a u m z w i schen mittlerer und vorderer Achsellinie. Verfahren. Örtliche Betäubung mit Novokain (S. 8) ist notwendig, Verwendung von Chloräthyl unzweckmäßig, weil die Abtastung der Zwischenrippenräume dadurch erschwert wird. Das Bett muß mit Gummituch und darüber gelegtem keimfreien Tuch geschützt werden. Dem Arzt ist die Benutzung von Gummihandschuhen anzuraten. Die Probepunktion wird in gleicher Weise wie bsi der einfachen Rippenfellpunktion ausgeführt. Sie ist in j e d e m F a l l e u n m i t t e l b a r v o r A n l a g e d e r D r ä n a g e vorzunehmen, auch dann, wenn etwa am Tage vorher bereits probepunktiert wurde. Die Einstichtiefe, die in der für die Heberdränage geeigneten Gegend nur sehr gering ist, muß besonders genau bestimmt werden, da Eindringen des dicken Troikarts in Lunge, Zwerchfell usw. schwere Schädigungen nach sich ziehen könnte. Für das Gelingen des Einstiches mit dem Troikart ist genaues Treffen des Zwischenrippenraumes von entscheidender Bedeutung, die oben gegebenen- Anweisungen (S. 57) sind demnach sorgfältig zu beachten. Der'Troikart wird in die volle Faust gefaßt und genau an der Stelle der Probepunktion mit einem Ruck und unter leichter Drehung bis zu der durch den aufgelegten Zeigefinger (Abb. 28, S. 82) angegebenen Tiefe eingestochen. Nach dem Einstich hält man mit Daumen und Mittelfinger der linken, leicht auf den Brustkorb des Kranken aufgestützten Hand die Kanüle fest und zieht das Stilett zurück. Der Eiter, der besonders bei frischen Empyemen unter hohem Druck zu stehen pflegt, spritzt in diesem Augenblick meist im Strahle heraus, man verhindert aber den Abfluß durch Verschluß der Öffnung mit dem linken Zeigefinger, faßt den

Behandlung eitriger Rippenfellergüsse

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selbstverständlich wie alle anderen Geräte ausgekochten, am äußeren Ende abgeklemmten Katheter mit der rechten Hand und schiebt ihn unmittelbar nach Abheben des verschließenden Fingers in die Kanüle ein (Abb. 24). Ist er richtig gewählt, so gleitet er ohne Schwierigkeiten hinein, füllt aber gleichzeitig die Kanüle derartig aus, daß der Eiter höchstens tropfenweise neben ihm heraussickern kann. J e nach der Größe des Kranken soll der Katheter etwa 6—15 cm tief, in den Brustkorb vorgeschoben werden. Ist er tief genug eingedrungen, so wird die Kanüle aus der Brustwand entfernt, indem man sie vorsich-

Abb. 24

tig über den mit der anderen Hand gut festgehaltenen Katheter, wenn nötig unter leicht drehenden Bewegungen, zurückstreift. Nur der Katheter bleibt in der Brustwand liegen (Abb. 25) und wird durch einen Verband in folgender Weise befestigt: Nach Bestreuen der Einstichstelle mit Airol, Dermatol oder MP-Puder wird eine etwa 1 6 X 6 cm große Gazeplatte, die von einer Seite her bis zur Mitte eingeschnitten ist, so mit zwei Heftpflasterstreifen auf der Haut angeheftet, daß der Katheter in ihrer Mitte liegt. Dieser selbst wird, um sein Herausgleiten zu verhindern, mit mehreren 20—30 cm langen, 1—iy 2 cm breiten Heftpflasterstreifen in der Weise befestigt, daß das eine Ende der Streifen um den nötigenfalls vorher abgetrockneten Katheter gelegt, das andere an der Haut angeklebt wird. Über die Pflasterstreifen usw. kommt ein lockerer Watteverband, bei unruhigen Kindern außerdem noch einige Bindenwicklungen.

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Punktionen und Einspritzungen

Abb. 26

Bsi Anlsgja des Verbandes ist A b k n i c k u n g d e s K a t h e t e r s s o r g f ä l t i g zu v e r m e i d e n . Dies gelingt am besten, wenn man ihn im Bogen nach abwärts leitet und dafür sorgt, daß die Binden usw. an ihm vorbeigeführt werden, ohne auf ihn zu drücken. Die beschriebene Heftpflasterbefestigung genügt vollständig, um den Katheter in seiner Lage festzuhalten. Von der Benutzung einer durch die Wand des Katheters gestochenen Sicherheitsnadel, wie sie gelegentlich empfohlen wird, ist abzuraten, weil sie fast immer zu Undichtigkeiten und infolgedessen zur Aufhebung der Heberwirkung führt. Nach Fertigstellung des Verbandes wird der vorher mit keimfreier Flüssigkeit (vgl. S. 59) gefüllte Schlauch mit dem Katheter verbunden und am Bett befestigt, indem man ihn durch die Öffnung von ein oder zwei an der Matratze festgesteckten Sicherheitsnadeln hindurchlegt. Das Schlauchstück zwischen den Nadeln und dem Kranken soll lang genug sein, um diesem einige Bewegungen, besonders das Aufsitzen, zu gestatten. Die Verbindung zwischen Schlauch und Katheter wird durch Umwickeln mit Heftpflaster gesichert: Das untere Schlauchende hängt mit einem kleinen Gewicht, z. B. einem Glasstöpsel, beschwert, in den auf dem Boden stehenden Meßzylinder herab, der eine abgemessene Menge (50 ccm) Sperrflüssigkeit enthält. Werden jetzt die Klemmen geöffnet, so fließt bei richtiger Ausführung der Dränage der Eiter meist zunächst schnell ab, so daß sich im Laufe von einigen Stunden 1—iy 2 1 entleeren können. Erst wenn die H a u p t masse beseitigt und der Druck im Rippenfell infolgedessen abgesunken

Behandlung eitriger Rippenfellergüsse

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ist, verringert sich der Abfluß, wenn ihn nicht etwa schon vorher eine der später zu erörternden Störungen unterbricht. Im weiteren Verlauf wird die in 24 Stunden entleerte Eitermenge immer geringer, bis der Abfluß endlich ganz versiegt. Das F i e b e r fällt nach der Anlegung der Dränage meist sofort ab. D i e B e o b a c h t u n g d e r K ö r p e r w ä r m e i s t a b e r a u c h w e i t e r h i n s o r g f ä l t i g f o r t z u f ü h r e n , weil sie für die Beurteilung des richtigen Arbeitens der Dränage entscheidend ist. Wiederansteigen der K ö r p e r w ä r m e läßt mit größter W a h r s c h e i n l i c h k e i t auf S t ö r u n g d e s A b f l u s s e s s c h l i e ß e n und muß daher eine genaue Prüfung der Schläuche usw. veranlassen (s.u.). Die erste Anlegung der Heberdränage bietet bei Beachtung der bisher gegebenen Vorschriften keine wesentlich größeren technischen Schwierigkeiten als etwa die einfache Rippenfellpunktion. Dagegen ist die Nachbehandlung' nicht immer ganz leicht. Wenn das Fehlen von Temperatursteigerungen und eine hinreichende tägliche Abflußmenge freien Abfluß des Eiters erkennen lassen, so genügt in den ersten Tagen regelmäßige Reinigung des Meßzylinders und des Schlauches, der nach Abklemmung des oberen Teiles von dem T-Stück aus mit Borwasser durchgespült wird. Katheter und Verband bleiben während der ersten zwei Tage am besten unberührt. Etwa am dritten Tage wird nach Abklemmung des Katheters und Abnahme des Schlauches der Verband vorsichtig entfernt, das Heftpflaster mit Äther oder Benzin von dem Katheter abgelöst, dieser um etwa 1—2 cm zurückgezogen (ohne ihn ganz herauszunehmen!) und in der oben besprochenen Weise neu befestigt. Bei schnellem Nachlaß der Eiterung ist späterhin dieses Verfahren mindestens an jedem zweiten Tage zu wiederholen, falls der 'Katheter nicht gewechselt werden muß. Bei Fortdauer reichlichen Eiterabflusses sind etwas größere Pausen einzuhalten. U n t e r b l e i b e n d e r a l l m ä h l i c h e n K ü r z u n g k a n n z u r Bildung sehr schlecht heilender Fistelgänge f ü h r e n ! Etwa im Laufe von 4—6 Tagen nach der Anlegung der Dränage wird der Stichkanal meist so weit, daß der Katheter ihn nicht mehr völlig ausfüllt. Da unter diesen Umständen neben dem Katheter Luft eindringen und infolgedessen die Heberwirkung beeinträchtigt werden kann, so ist die E i n f ü h r u n g e i n e s d i c k e r e n K a t h e t e r s notwendig. Die Auswechselung soll nicht zu lange verzögert werden, zumal sie insofern von wesentlichem Nutzen ist, als mit zunehmendem Querschnitt des Katheters die Bedingungen für den Abfluß des Eiters immer besser werden. Andererseits darf sie aber auch nicht übereilt werden, und jedenfalls v e r m e i d e m a n , außer im Falle völliger, durch andere Maßnahmen nicht zu beseitigender Verstopfung (s. u.), einen W e c h s e l i n n e r h a l b d e r e r s t e n T a g e nach Anlegung der Dränage. Denn erst nach Ablauf mehrerer Tage sind die Wände des Stichkanals starr genug geworden, um nicht beim Herausziehen des Katheters sogleich zusammenzufallen. E i n f ü h r u n g e i n e s a n d e r e n K a t h e t e r s in e i n e n

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Punktionen und Einspritzungen

f r i s c h e n S t i c h k a n a l m i ß l i n g t f a s t i m m e r , und es bleibt dann nichts anderes übrig, als einen neuen Einstich zu versuchen oder, wenn dies nicht möglich ist, die Rippenresektiori vorzunehmen. Die Auswechselung geschieht in folgender Weise: Der neu einzuführende Katheter, der je nach der Beschaffenheit des Stichkanals 1—2 mm dicker sein soll als der vorher benutzte, wird ausgekocht, an seinem hinteren Ende mit einer Klemme geschlossen und bereit gelegt. Der Verband wird abgenommen und der in der Rippenfellhöhle liegende Katheter herausgezogen. U n m i t t e l b a r d a n a c h schiebt man den neuen Katheter ein, jedoch nicht ganz so tief wie den entfernten. Für das Gelingen des Wechsels ist möglichst schnelles Arbeiten wichtig, weil der Stichkanal sich nach dem Herausziehen des Katheters sehr schnell verändert und infolgedessen unter Umständen schon nach wenigen Minuten die Neueinführung mißlingt. Ausnahmsweise kann es vorkommen, daß der Katheter den Wundkanal nicht mehr völlig ausfüllt, die Einführung eines dickeren, aber nicht mehr möglich ist, weil die Entfernung der beiden Rippen sie nicht zuläßt. In derartigen Fällen kann die zur Erhaltung der Saugwirkung nötige Abdichtung durch eine Platte dünnen Gummistoffes vorgenommen werden. Man durchsticht ein etwa handtellergroßes Stück des durch Einlegen in Sublimatlösung oder im strömenden Dampf entkeimten Stoffes in der Mitte mit einer Scherenspitze, streift es über den Katheter und befestigt es ringsum durch Pflasterstreifen. Sollte der Gummi den Katheter nicht fest genug umspannen, so kann der Abschluß durch Umwickeln mit einem Faden verbessert werden. Besondere Saugverfahren, wie z . B . das P e r t h e s s c h e , sind nicht erforderlich, weil wir die Bülausche Dränage nicht bei alten Empyemen anwenden, dagegen sind, auch bei älteren Kindern, „Aufblasübungen" zweckmäßig und leicht durchzuführen.

Die Dränage kann endgültig e n t f e r n t werden, wenn sich nur noch ganz geringe Mengen Flüssigkeit (etwa 1—3 ccm in 24 Stunden) entleeren, wenn diese nicht mehr rein eitrig, sondern mehr seröseitrig wird und wenn endlich anzunehmen ist, daß der immer mehr verkürzte Katheter nur noch in einem kurzen, ganz oder fast ganz in der Brustwand verlaufenden Fistelgang liegt. Ganz leicht ist die Entscheidung über den richtigen Zeitpunkt für die Entleerung nicht immer, man wird aber gut tun, den Katheter lieber etwas zu lange liegenzulassen, als ihn zu früh zu entfernen. Die im letzteren Falle bestimmt zu erwartende Wiederansammlung von Eiter ist deshalb sehr unangenehm, weil es sich oft um eine kleine, schwer auffindbare und ohne chirurgisches Vorgehen kaum zu entleerende Höhle handelt. Die bisherigen Angaben bezogen sich auf regelrecht verlaufende Fälle. Gelegentlich treten aber Schwierigkeiten und Störungen auf, welche die Nachbehandlung bei der Heberdränage erschweren.

Behandlung eitriger Rippenfellergüsse

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Zunächst kann der Erfolg dadurch in Frage gestellt werden, daß ein u n r u h i g e r K r a n k e r den Katheter herausreißt, meist durch plötzliche Bewegungen des Oberkörpers, seltener durch Zufassen mit der Hand. Besonders bei Kindern von etwa 4—6 Jahren ist diese Gefahr groß, jedoch ist auch bei kleineren Kindern und in Ausnahmefällen bei Erwachsenen damit zu rechnen, besonders wenn bei großer Schwäche zeitweise Benommenheit besteht. Um ruhige Lage zu erzwingen, bekleidet man kleine Kinder mit einem Hemdchen oder Jäckchen aus festem Stoff und befestigt dieses mit Sicherheitsnadeln so an der Matratze, daß Herumwerfen und Anfassen des Schlauches nicht möglich ist. Auch Umwickeln der Hände, wodurch Anfassen des Schlauches verhindert 'wird, ist manchmal ratsam. Bei älteren Kindern ist dauernde Überwachung erforderlich, die solange fortzusetzen ist, bis die Kranken sich an den Schlauch gewöhnt haben und bis eine anfangs etwa bestehende Benommenheit mit fortschreitender Besserung geschwunden ist. Eine unangenehme, besonders in den ersten Tagen häufige Störung ist die Verstopfung des Schlauches. Sie kann durch Abknickungen des Schlauches bedingt sein, die leicht zu erkennen und zu beseitigen sind, ferner dadurch, daß der Eiter sehr dickflüssig und zäh ist und infolgedessen nur schwer durch den engen Katheter abfließt. Endlich können Gerinnsel den Schlauch verlegen, die entweder schon im Eiter vorhanden sind oder sich erst im Schlauch bilden. Ungenügender Abfluß dicken Eiters würde am besten durch möglichst baldige Einführung eines dickeren Katheters bekämpft werden, wir haben aber bereits erörtert, daß ein Wechsel in den ersten Tagen nach Ausführung der Dränage nicht wohl möglich ist. Der Versuch, durch kräftiges, 2—3mal täglich wiederholtes Ansaugen mit einer auf den Katheter aufgesetzten Spritze (10- oder 20 ccm-Rekordspritze) hinreichende Mengen Eiters zu entleeren, bis die Beschaffenheit des Wundkanales die Einführung eines dickeren Katheters zuläßt, sollte in jedem Falle gemacht werden. Mißlingt dies oder wird der Abfluß auch nach Einführung eines weiteren Katheters nicht besser, so ist der Fall als zur Heberdränage ungeeignet dem Chirurgen zu überweisen. Übrigens wird man bei gutem Allgemeinzustand schon vorn vornherein die Rippenresektion der Heberdränage vorziehen, wenn die Probepunktion auffallend zähen, dickflüssigen Eiter ergibt. Hat man Grund zur Annahme einer V e r s t o p f u n g des Schlauches durch Gerinnsel, z. B. in Fällen, in denen der anfangs gute Abfluß plötzlich versiegt und gleichzeitig die Körperwärme ansteigt, so ist zunächst bei abgeklemmtem Katheter der Schlauch abzunehmen, gründlich durchzuspülen und nach Füllung mit keimfreier Flüssigkeit wieder mit dem Katheter zu verbinden. Kommt der Abfluß danach nicht in Gang, was man am Klarbleiben der Sperrflüssigkeit im T-Stück und im Meßglas bald erkennt, so ist der Katheter verstopft. Gerinnsel, welche in seinem außerhalb der Brusthöhle gelegenen Teile sitzen, lassen sich oft

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Punktionen und Einspritzungen

durch kräftiges Kneten mit den Fingern zerdrücken und beseitigen. Mißlingt dieser Versuch, so verbindet man nach Abnahme des Schlauches den Katheter mit einer Spritze und saugt kräftig an. Erhält man auch dann keinen Eiter, so füllt man die Spritze mit einigen Kubikzentimetern abgekochter physiologischer Kochsalzlösung und spritzt diese unter starkem Druck in den Katheter ein. Dadurch gelingt es manchmal, Gerinnsel in die Brusthöhle zurückzuschleudern und den Weg freizumachen. Bleibt auch dieses Mittel erfolglos, so muß der Katheter gewechselt oder, falls sich die Verstopfungen immer wiederholen oder nach der Beschaffenheit des Eiters die Wiederholung zu erwarten ist, die Resektion ausgeführt werden. Punktion des Herzbeutels Anzeigen. Die Punktion des Herzbeutels ist nur bei großen Herzbeutelergüssen ohne Gefahr möglich. Sie dient der Diagnose, besonders der Feststellung, ob ein Erguß eitrig ist, und der Behandlung, d. h. der Entleerung nichteitriger Ergüsse. Eitrige Ergüsse sind chirurgisch (durch Rippenresektion) anzugreifen. Bei nichteitrigen Ergüssen ist die Punktion angezeigt, wenn die Flüssigkeitsansammlung durch ihren Druck die Arbeit des Herzens in lebensbedrohender Weise erschwert. Die Entleerung hat in solchen Fällen manchmal sehr guten Erfolg, indem die Atemnot sogleich nachläßt. Bei Wiederansammlung des Ergusses ist die Punktion zu wiederholen. Bestehen Ergüsse im Rippenfell neben einem solchen im Herzbeutel, so wird man den Herzbeutel nur dann angreifen, wenn die zunächst vorzunehmenden Rippenfellpunktionen keine Besserung des Zustandes herbeiführen. Bevor man sich zur Herzbeutelpunktion entschließt, ist mit größter Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein Erguß im Herzbeutel vorhanden ist oder ob nicht etwa eine starke Herzvergrößerung ihn vortäuscht. Wenn irgend möglich, ist zur Entscheidung dieser Frage die Röntgenuntersuchung heranzuziehen. Gerät. Probepunktionsspritze und hinreichend lange Nadel mit k u r z e r Spitze wie für die Venenpunktion (S. 27). Zum Ablassen des Ergusses dient ein dünner Troikart, der mit einem Heberschlauch oder einer der bei der Rippenfellpunktion erwähnten Saugvorrichtungen verbunden wird. Die Spitze des Troikarts soll kurz, aber sehr scharf geschliffen sein. Die Benutzung einer einfachen Hohlnadel ist wegen der Gefahr für das Herz ausgeschlossen. Ort der Punktion. Etwa fingerbreit beiderseits vom Brustbeinrande entfernt verläuft zwischen Brustwand und Herzbeutel die Arteria thoracica (mammariä) interna. Diese Gegend kommt daher für den Einstich nicht in Betracht. Ferner schiebt sich von beiden Seiten her das Rippenfell vor den Herzbeutel, so daß nur ein kleiner Teil desselben

Punktion des Herzbeutels

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freibleibt (vgl. Abb. 16). Große Ergüsse im Herzbeutel drängen zwar die Lungenränder zurück, haben aber auf den Verlauf der Rippenfellgrenze nur unbedeutenden Einfluß. Infolgedessen lassen sich Verletzungen der Rippenfellblätter bei der Herzbeutelpunktion nicht mit Sicherheit vermeiden, sie sind aber im allgemeinen ungefährlich. Die am häufigsten benutzten Punktionsstellen liegen rechterseits im vierten oder fünften Zwischenrippenraum, mindestens 3 cm vom rechten Brustbeinrand entfernt, und linkerseits im fünften oder sechsten Zwischenrippenraum etwas nach außen von der Brustwarzenlinie. Weniger häufig wird dicht am Brustbeinrand, also zwischen ihm und der Arterie, rechts im vierten, links im fünften oder sechsten Zwischenrippenraum eingestochen. Die Dicke der Brustwand beträgt im Bereiche der genannten Punktionsstellen bei mäßigem Fettpolster etwa 2 cm. An d e r E i n s t i c h s t e l l e soll a b s o l u t e D ä m p f u n g bestehen und außerdem ist i h r e g a n z e U m g e b u n g g e n a u auf R e i b e n u n d auf P u l s i e r e n zu u n t e r s u c h e n . F i n d e t sich a u c h n u r e i n e A n d e u t u n g d e r l e t z t g e n a n n t e n E r s c h e i n u n g e n , so i s t A n l i e g e n d e r H e r z e n s an d e r B r u s t w a n d e r w i e s e n . I n d e r b e t r e f f e n den Gegend darf u n t e r keinen U m s t ä n d e n p u n k t i e r t werden ! Verfahren. Der Kranke liegt mit stark erhöhtem Oberkörper, fast sitzend mit gut unterstütztem Kopfe im Bett. Die Zwischenrippenräume werden genau abgetastet und wie bei der Rippenfellpunktion (vgl. S. 56) bezeichnet. Die Vorbereitung der Haut geschieht in der üblichen Weise. P r o b e p u n k t i o n d a r f n i e u n t e r b l e i b e n , weil selbst bei anscheinend einwandfreiem physikalischem Befunde doch eine Verwachsung des Herzbeutels vorliegen könnte. Anstechen des Herzens mit einer dünnen Probepunktionsnadel bringt keinen wesentlichen Schaden, dagegen wäre Verletzung durch einen Troikart lebensgefährlich. S c h n e l l e s E i n s t e c h e n , wie es bei anderen Punktionen geboten ist, m u ß bei der H e r z b e u t e l p u n k t i o n u n b e d i n g t v e r m i e d e n w e r d e n , weil die über dem Herzen liegende Flüssigkeitsschicht oft nur dünn ist und eine schnell eingestochene Nadel unmittelbar ins Herz eindringen könnte. Ö r t l i c h e B e t ä u b u n g durch Einspritzung von Novokain ist wegen der Schmerzhaftigkeit des langsamen Einstechens n o t w e n d i g , Vereisung dagegen unzweckmäßig. Bei der Probepunktion sticht man die Nadel zunächst etwa %—1 cm tief ein, zieht dann den Kolben der Spritze etwas zurück und schiebt bei derartig „angesaugter" Spritze die Nadel ganz langsam vor. Bei diesem Vorgehen dringt Flüssigkeit in die Spritze ein, sowie die Öffnung der Nadel in den Erguß eintaucht, bei regelrechter Beschaffenheit der Brustwand also in etwa 2—S'/icm Tiefe. Erhält man reines Blut, so ist das Herz getroffen und die Nadel muß sogleich zurückgezogen

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Punktionen und Einspritzungen

Der Einstich soll n u r b e i P u n k t i o n e n d i c h t n e b e n d e m B r u s t b e i n r a n d s e n k r e c h t zur Hautoberfläche geführt werden. Bei Benutzung der a n d e r e n P u n k t i o n s s t e l l e n ist R i c h t u n g auf d i e K ö r p e r a c h s e einzuhalten, außerdem soll bei-Punktion im fünften oder sechsten Zwischenrippenraum linkerseits die Nadel etwas von unten nach oben gerichtet werden. Der T r o i k a r t , der vorher mit dem Schlauche verbunden wurde, wird ebenfalls nicht schnell eingestoßen, sondern l a n g s a m v o r g e s c h o b e n . Bei derber Haut wird der Einstich dadurch erleichtert, daß man die Haut mit dem Messer durchtrennt und von dem kleinen Schnitt aus dem Troikart einsticht. D i e d u r c h d i e P r o b e p u n k t i o n e r m i t t e l t e E i n s t i c h s t e l l e i s t g e n a u zu b e a c h t e n , außerdem spürt man beim Eindringen der Spitze in den Herzbeutel deutlich ein Nachlassen des Widerstandes. Das Stilett ist dann sogleich zurückzuziehen, um Verletzungen des Herzens durch Anstreifen an der Spitze zu vermeiden. Das weitere Vorgehen entspricht dem bei der Entleerung von Rippenfellergüssen, eine Beschränkung der a b z u l a s s e n d e n F l ü s s i g k e i t s m e n g e ist aber nicht erforderlich. Man nimmt die Entleerung so ausgiebig wie möglich vor, bricht aber die Punktion sofort ab, wenn man ein Anstreifen des Herzens an der dauernd mit der Hand gehaltenen Kanüle spürt (vgl. das S. 61 Gesagte). Bei großen Ergüssen werden meist 300—500 ccm, ausnahmsweise bis zu 1500 ccm, entleert. Der Abfluß soll ebenso wie bei der Rippenfellpunktion langsam erfolgen, so daß die Entleerung 20—30 Minuten dauert. Schnellerer Abfluß kann Herzschwäche herbeiführen. Unter den Gefahren der Herzbeutelpunktion steht die Möglichkeit der Herzverletzung beim Einstich an erster Stelle, es wurde aber bereits erwähnt, daß das Eindringen der dünnen Probepunktionsnadel in das Herz meist ohne schädlichen Folgen bleibt. Verletzungen durch den Troikart können wohl nur vorkommen, wenn, entgegen der Vorschrift, nicht probepunktiert oder der Troikart nicht genau an der Stelle der Probepunktion oder zu hastig und zu tief eingestochen wird. A n s t r e i f e n d e s H e r z e n s a n d i e K a n ü l e kann keinen wesentlichen Schaden anrichten, wenn nach den oben gegebenen Vorschriften verfahren wird. Eine Ü b e r t r a g u n g v o n I n f e k t i o n s s t o f f in d e n R i p p e n f e l l r a u m könnte bei der Punktion eitriger Herzbeutelergüsse vorkommen, da sich, wie bereits erwähnt, ein Durchstechen des Rippenfells nicht mit Sicherheit vermeiden läßt. Wie aber die Erfahrung lehrt, ist die dadurch bedingte Gefahr nicht erheblich, vorausgesetzt, daß nur eine Probepunktion gemacht wird. Die Entleerung eines eitrigen Ergusses durch den Troikart wird allerdings besser vermieden, weil durch die größere Stichöffnung Eiter in den Rippenfellraum eindringen könnte. Sie wäre nur dann zulässig, wenn die Größe des Ergusses unmittelbare

Bauchpunktion

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Lebensgefahr bedingt und nicht sogleich chirurgisch eingegriffen werden kann. E i n d r i n g e n v o n L u f t in d e n H e r z b e u t e l kann bei richtiger Anwendung der Hebervorrichtung nicht vorkommen, es würde wohl auch keinen Schaden bringen. P l ö t z l i c h e T o d e s f ä l l e sind vereinzelt nach Herzbeutelpunktionen beobachtet worden. Es läßt sich aber nie mit Bestimmtheit entscheiden, ob sie als Folge der Punktion anzusehen oder dem schweren Grundleiden zur Last zu legen sind. Bauchpunktion Anzeigen. Punktionen des D a r m e s , der L e b e r und der Milz können zu Infektionen des Bauchfells oder zu schweren Blutungen führen und sind daher außerordentlich gefährlich. Sie kommen für den Praktiker nicht in Frage. Dasselbe gilt für z y s t i s c h e G e s c h w ü l s t e , bei denen Austritt von Zysteninhalt in die Bauchhöhle gefährlich werden kann. Auf die Möglichkeit der Verwechselung großer Eierstockszysten mit Bauchfellergüssen sei besonders hingewiesen. U m s c h r i e b e n e E i t e r a n s a m m l u n g e n , z. B. nach Perityphlitis, dürfen ebenfalls nicht durch die Bauchdecken hindurch punktiert werden, es sei denn, daß mit Bestimmtheit feste Verklebungen oder Verwachsungen zwischen ihnen und der Bauchwand anzunehmen sind. Eine Ausnahme machen p a r a n e p h r i t i s c h e E i t e r u n g e n , die von hinten her ohne Gefährdung des Bauchfells angreifbar sind. Es bleiben demnach (abgesehen von der später zu besprechenden Punktion der überdehnten Harnblase, die ohne Eröffnung des Bauchfellraumes möglich ist,) als f ü r die P u n k t i o n g e e i g n e t nur die Erg ü s s e im B a u c h f e l l r a u m übrig. Die d i a g n o s t i s c h e P u n k t i o n wird bei ihnen zu den gleichen Zwecken vorgenommen wie bei .Rippenfellergüssen (vgl. S. 48 unter Ziffer 2 und 3). Für die Entleerung von Bauchfellergüssen gelten folgende Grundsätze: S e h r g r o ß e E r g ü s s e , die durch Hochdrängung des Zwerchfells bedrohliche Erscheinungen, hochgradige Atemnot usw., veranlassen, sind möglichst bald zu punktieren, gleichgültig, auf welche Ursache sie zurückzuführensind. Bei k l e i n e n E r g ü s s e n jeder Art wird man hingegen in der Mehrzahl der Fälle von einer Entleerung absehen. Bei E r g ü s s e n v o n m i t t l e r e r G r ö ß e ist das Vorgehen je nach ihrer Ursache verschieden. S t a u u n g s e r g ü s s e infolge E r k r a n k u n g des H e r z e n s oder d e r N i e r e n werden zunächst mit inneren Mitteln (Strophantin, Digitalis, harntreibenden Mitteln) bekämpft und nur dann durch Punktion entleert, wenn diese versagen und wenn anzunehmen ist, daß die

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Punktionen und Einspritzungen

bestehende Atemnot mindestens teilweise durch den Bauchfellerguß (Hochdrängung des Zwerchfells!) verursacht wird. Nach dessen Beseitigung oder Verringerung wirken übrigens in manchen Fällen, ähnlich wie nach Entleerung von Unterhautödemen, die vorher erfolglos angewandten Herzmittel wesentlich besser. Besteht Verdacht auf sekundäre zirrhotische Veränderungen in der Leber (auffallende Größe des Ergusses im Vergleich zu den sonstigen Erscheinungen und geringe Beeinflußbarkeit durch die im übrigen gut wirkenden Herzmittel), so sind häufigere Punktionen zweckmäßig. S t a u u n g s e r g ü s s e i n f o l g e v o n L e b e r e r k r a n k u n g e n , besonders von Leberzirrhose, werden erfahrungsgemäß durch harntreibende Mittel oft nur sehr wenig beeinflußt und sammeln sich auch nach der Entleerung durch Punktion sehr bald wieder an. Es ist nicht ratsam, sie ohne zwingenden Grund (Atemnot infolge Hochdrängung des Zwerchfells, sonstige Beschwerden erheblicher Art) zu punktieren, zumal bei ihrer Entleerung eine beträchtliche Menge von Eiweiß verloren geht, die bei der schnell erfolgenden Erneuerung des Ergusses vom Körper neu geliefert werden muß. Da.ß wiederholte Entleerung von Transsudaten bei Zirrhose die Bildung von Kollateralbahnen erleichtere, ist nicht hinreichend erwiesen. Durch Aussaat bösartiger Geschwülste bedingte Ergüsse werden ebenfalls nur entleert, wenn erhebliche Beschwerden dazu zwingen. Eine Sonderstellung nehmen die E r g ü s s e b e i B a u c h f e l l t u b e r k u l o s e ein, da bei ihr, ähnlich wie durch die operative Eröffnung der Bauchhöhle, durch die einfache Entleerung mittels Punktion eine Besserung angebahnt werden kann. Diese Erfahrung berechtigt dazu, tuberkulöse Ergüsse unabhängig von ihrer Größe durch Punktion anzugreifen, wenn die Allgemeinbehandlung und die Anwendung innerer Mittel erfolglos blieb. Gerät. Zur P r o b e p u n k t i o n werden die gewöhnlichen Spritzen benutzt mit ziemlich dünnen Nadeln, deren Länge je nach der Dicke der Bauchdecken, besonders des Fettpolsters, auszuwählen ist. Zur E n t l e e r u n g dienen T r o i k a r t s von 4—6 mm Dicke. In seiner althergebrachten Form besteht der Bauchtroikart (Abb. 26) aus einem Stilett mit kräftigem Handgriff und aus einer kurzen Kanüle,

welche am hinteren Ende ein rundes Schild trägt, um ein Hineingleiten in die Bauchhöhle zu verhindern. Manche Kanülen sind mit einem An-

Bauchp unktion

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satz zum Überstreifen eines Schlauches versehen, andere tragen zu dem gleichen Zweck einen seitlichen Ansatz, außerdem einen Hahn zum Verschluß der Kanüle nach Herausziehen des Stiletts. Die letzteren nähern sich also der Form der Rippenfelltroikarts. Die einfachste Form des Bauchtroikarts ist deshalb nicht besonders zweckmäßig, weil man genötigt ist, mit den zum Auffangen der Flüssigkeit dienenden, nicht immer völlig keimfreien Gefäßen dicht an die Einstichstelle heranzugehen, und weil sehr leicht durch herausspritzende oder neben das Gefäß laufende Flüssigkeit das Bett beschmutzt wird. Überstreifen eines Schlauches über den Ansatzstutzen nach dem Einstechen gelingt nicht immer leicht, und die dabei kaum zu vermeidenden Bewegungen sind für den Kranken schmerzhaft. Deswegen ist ein Troikart mit seitlichem Ansatz oder ein s t a r k e r R i p p e n f e l l t r o i k a r t vorzuziehen (Abb. 17, S. 53). Zur Ableitung der Flüssigkeit genügt ein 40—50 cm langer weicher Schlauch. Eine Hebervorrichtung ist überflüssig. Zum Zurückschieben von Darmschlingen von der Kanülenöffnung dient eine lange K n o p f s o n d e oder, in Ermangelung einer solchen, eine dicke stumpfe Stricknadel oder auch ein dünner Katheter. Es ist zweckmäßig, diese Geräte zugleich mit dem Troikart auszukochen, um sie nötigenfalls zur Hand zu haben. Bei Verwendung des Rippenfelltroikarts ist die Stopfbüchse mit dem Stilett abzunehmen, um die Einführung der Sonde zu ermöglichen. Ort der Punktion. Die Punktion ist am abhängigen Teile des Leibes vorzunehmen, an einer Stelle, von der aus weder die A r t e r i a epig a s t r i c a c a u d a l i s (inferior) n o c h ein l e b e n s w i c h t i g e s B a u c h organ g e t r o f f e n werden k a n n . Die A r t e r i e verläuft am Außenrande des geraden Bauchmuskels und wird mit ihm seitlich verschoben, wenn infolge starker Ausdehnung des Leibes ein Auseinanderweichen (Diastase) der geraden Bauchmuskeln eintritt. Die Einstichstelle ist demnach so zu wählen, daß die Gegend des äußeren Randes dieses Muskels auch unter diesen Umständen vermieden wird. Dementsprechend kommen zwei Gegenden in Frage: die M i t t e l l i n i e zwischen N a b e l und S c h a m b e i n fuge und die ä u ß e r e H ä l f t e e i n e r vom N a b e l zum l i n k e n v o r d e r e n oberen D a r m b e i n s t a c h e l gezogenen L i n i e (Richter-Monroesche L i n i e , Abb. 27). Einstich in dei Abb. 27

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Punktionen und Einspritzungen

entsprechenden Gegend der r e c h t e n Körperseite ist nicht statthaft, weil die Abgrenzung der vergrößerten Leber gegen einen Erguß nicht immer möglich ist und demnach die Gefahr einer Leberverletzung bestehen würde. Die Milz reicht bei den für die Punktion in Betracht kommenden Zuständen wohl nur in den seltensten Ausnahmefällen so weit nach abwärts, daß sie durch einen Einstich in der bezeichneten Linie gefährdet werden könnte. Bei E i n s t i c h in der M i t t e l l i n i e ( L i n e a a l b a ) ist diese sehr genau einzuhalten, da unmittelbar rechts und links neben ihr nicht selten größere Äste der Arteria epigastrica verlaufen. Bei Punktion nahe der Schambeinfuge besteht die G e f a h r e i n e r V e r l e t z u n g der r e g e l w i d r i g g e f ü l l t e n B l a s e , und es ist demgemäß vor dem Einstich für Entleerung des Harns, wenn nötig durch den Katheter, zu sorgen. Die W a h l der E i n s t i c h s t e l l e , ob Mittellinie oder linke Seite, machen wir im allgemeinen davon abhängig, ob die Punktion am sitzenden oder am liegenden Kranken vorgenommen werden soll. Im ersteren Falle pflegen wir die Mittellinie, im letzteren die linke Seite vorzuziehen. Vorwiegend sind hierfür Gründe der Bequemlichkeit maßgebend, da im übrigen beide Einstichstellen etwa gleichwertig sind. Gegen die Punktion in der Mittellinie wäre nur anzuführen, daß die Bauchwand hier bei starker Auftreibung des Leibes oft außerordentlich dünn, der Stichkanal daher nur sehr kurz ist, und daß es infolgedessen oft schwer wird, ihn zum Verschluß zu bringen. An der P u n k t i o n s s t e l l e m u ß a b s o l u t e D ä m p f u n g h e r r s c h e n , die s i c h b e i Lage\#echsel a u f h e l l t . Das B e s t e h e n v o n F l u k t u a t i o n beweist, einwandfreie Untersuchungstechnik vorausgesetzt, mit noch größerer Sicherheit die Anwesenheit von Flüssigkeit an der Einstichstelle, sie ist aber bekanntlich trotz Vorhandenseins von Flüssigkeit nicht immer deutlich auszulösen. B e i F ä l l e n , in d e n e n die V e r s c h i e b l i c h k e i t der D ä m p f u n g b e i L a g e w e c h s e l f e h l t , wie z. B . manchmal bei tuberkulöser Bauchfellentzündung mit Neigung zu Verwachsungen, sei m a n m i t der P u n k t i o n s e h r z u r ü c k h a l t e n d , da immer mit der Möglichkeit einer Verwachsung zwischen Darm und Bauchwand zu rechnen ist. Jedenfalls darf bei ihnen erst punktiert werden, wenn häufig wiederholte Untersuchungen keine An-, zeichen ergeben haben, aus denen auf die Nähe einer Darmschlinge geschlossen werden müßte. Große Vorsicht (Probepunktion mit-feiner Nadel) ist aber auch dann noch ratsam. Bei s t a r k e m Ö d e m der Bauchdecken ist die Punktion schwierig, weil sich die Dicke der Bauchwand kaum genau genug abschätzen läßt. Es empfiehlt sich im allgemeinen, bei Versagen der Arzneibehandlung in solchen Fällen zunächst durch Punktion des Unterhautgewebes mit C u r s c h m a n n s c h e n Troikarts (S. 10) das Bauchdeckenödem zu beseitigen und erst dann die Bauchpunktion folgen zu lassen, falls der Erguß noch bestehen bleibt.

Verfahren. Bei Punktion im Liegen muß das Bett des Kranken so stehen, daß es von beiden Seiten bequem zugänglich ist. Der Kranke

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wird, mit leicht erhöhtem Oberkörper nahe dem linken Bettrande gelagert. Bei Punktion im Sitzen benutzt man am besten einen Lehnsessel mit seitlichen Armstützen, in dem der Kranke gut angelehnt sitzen kann. Der Kopf ist durch eine Nackenrolle oder ein Kissen zu stützen. Ist der Kranke in die für die Punktion gewählte Lage gebracht, so wird die Einstichstelle nochmals genau bestimmt und wie bei der Rippenfellpunktion durch zwei Striche festgelegt. Die Haut wird in der üblichen Weise mit Jodtinktur behandelt, die Umgebung mit keimfreien Tüchern abgedeckt. Darreichung eines Beruhigungsmittels und bei schwachem Herzen eines Herzreizmittels ist ebenso wie bei der Rippenfellpunktion zu empfehlen. Bei Punktion in der Mittellinie darf die Entleerung der Blase nicht vergessen werden! Probepunktion i s t u n b e d i n g t n o t w e n d i g , um Verletzungen des Darmes durch den Troikart zu vermeiden. Sie wird in gleicher Weise wie bei der Rippenfellpunktion ausgeführt. Während der Entleerung des Ergusses ist aus später zu erörternden Gründen dafür zu sorgen, daß der Druck innerhalb des Leibes nicht zu schnell und zu stark sinkt. Es wird deshalb vor Beginn der Punktion quer über den oberen Teil des Leibes ein langes Tuch (mehrfach zusammengefaltetes Bettuch) gelegt, welches bei der Punktion im Liegen auf der linken Seite des Kranken mit Sicherheitsnadeln an der Matratze befestigt, an der anderen Seite von einer Hilfsperson gehalten wird; bei Punktion im Sitzen steht die Hilfsperson hinter dem Sessel und faßt je ein Ende des Tuches mit einer Hand. Während der Erguß abfließt, wird das Tuch auf Anordnung des Arztes entsprechend der Abnahme des Bauchinhalts allmählich stärker a n g e s p a n n t . Dadurch läßt sich der Druck innerhalb des Leibes trotz reichlichen Abflusses auf annähernd gleicher Höhe halten. Wegen der Schmerzhaftigkeit des Einstiches mit dem starken Troikart ist örtliche Betäubung notwendig (vgl. S. 7). Der Bauch troikart wird in die volle Faust gefaßt (Abb. 28) und genau an der Stelle der Probepunktion mit einem Ruck unter gleichzeitiger leichter Drehung bis zu der durch den aufgelegten Zeigefinger angegebenen, durch die Probepunktion ermittelten Tiefe eingestoßen. Bei Verwendung eines Rippenfelltroikarts beachte man die früher (S. 60) gegebenen Anweisungen. Zur Durchbohrung der Bauchwand bedarf es im allgemeinen größerer Kräftanwendung als beim Bruststich, weil die Bauchhaut infolge Fehlens der knöchernen Unterlage stärker nachgibt, gewissermaßen federt. J e schneller und kräftiger der Stich ausgeführt wird, desto leichter dringt der Troikart ein. Die Drehung beim Einstich wirkt bohrerartig und erleichtert das Eindringen durch die Haut, die den stärksten Widerstand bietet. Mit Rücksicht auf die Gefahr zu tiefen Einstechens, die natürlich um so größer ist, je schneller der Einstich erfolgt, ist die S t i c h t i e f e 6 S t u r s b e r g . Technik. 6. Aufl.

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Punktionen und Einspritzungen

d u r c h d a s A u f l e g e n d e s Z e i g e f i n g e r s auf d i e K a n ü l e zu begrenzen. Um den Widerstand der Haut auszuschalten und dadurch den Einstich zu erleichtern, wird empfohlen, zunächst mit einem Skalpell die Haut zu durchtrennen und von dieser kleinen Wunde aus einzustechen. Wir halten dieses Vorgehen, richtige Technik des Einstiches vorausgesetzt, für entbehrlich.

Nach Herausziehen des Stiletts stürzt bei einigermaßen großem Erguß die Flüssigkeit in kräftigem Strahle heraus. Sie wird am besten in einem Meßgefäß aus Glas, welches von einer Hilfsperson gehalten wird, aufgefangen und nach dessen Füllung in einen bereitstehenden Eimer

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Abb. 28

entleert, während der Arzt den Gummischlauch abklemmt oder (bei Benutzung des einfachen Bauchtroikarts) die Öffnung mit dem Finget verschließt. Zur B e e n d i g u n g d e r P u n k t i o n faßt man die Haut beiderseits neben dem Einstich zwischen die Finger der linken Hand, zieht mit der rechten die Kanüle schnell heraus und drückt sogleich den Stichkanal für einige Minuten fest zusammen. Die Stiehwunde wird mit Jodtinktur betupft und mit einem Druckverband verschlossen, da ein einfaches Pflaster in den meisten Fällen nicht genügt, um das Nachsickern von Flüssigkeit zu verhindern. Am besten hat sich uns ein Druckverband in der von G u m p r e c h t empfohlenen Form (Abb. 29) bewährt: Ein fest zusammengerollter keimfreier Gazebausch G von etwas mehr als Daumenlänge und -dicke wird auf die Wunde gelegt und fest gegen sie gepreßt, indem man die Haut H von beiden Seiten heranzieht und durch querüber geklebte,

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etwa 30 cm lange Heftpflasterstreifen P in dieser Lage festhält. Erst nach Anlegung des Verbandes wird das auf den Leib drückende Tuch entfernt und durch sogleich vorzunehmende U m w i c k l u n g d e s L e i b e s mit breiten, ziemlich fest angezogenen Binden (aus Leinen oder ähnlichem festem Stoff) ersetzt. Der Druckverband ist nach 24, spätestens 48 Stunden abzunehmen und zu erneuern, wenn die Wunde noch nicht geschlossen ist. Längeres Liegenlassen kann zu Druckbrand der Haut führen, besonders wenn bei festangelegtem Verband die Spannung des Leibes durch Wiederansammlung des Ergusses schnell zunimmt. Verschluß der Wunde durch Naht (Tabaksbeutelnaht) oder Wundklammern kommt nur in Frage, wenn auf andere Weise der Verschluß

Abb. 29 G: Gazebausch. St: Stichkanal. B: Bauchwand. H : Haut und Unterhautgewebe. P : Pflaster.

nicht gelingt. Wir haben sie kaum anzuwenden brauchen, weil sich das Nachsickern von Flüssigkeit durch den beschriebenen Verband fast immer verhindern ließ. Muß aus irgendeinem Grunde die Punktion vorzeitig abgebrochen werden, so ist es manchmal vorteilhaft, durch Weglassen des Druckverbandes ein N a c h s i c k e r n d e s E r g u s s e s zu ermöglichen. Um das Eindringen von Infektionserregern durch den offenen Wundkanal in die Bauchhöhle zu verhüten, muß die Wunde mit einem großen, gut aufsaugenden keimfreien Verbände bedeckt werden. Häufiger Verbandwechsel ist erforderlich. Länger als 1—2 Tage soll die Entleerung aus der Stichwunde aber nicht unterhalten werden, weil unter dem stets feuchten Verbände bald Veränderungen der Haut, Ekzeme usw., entstehen. Sie können zwar durch Bedecken der Haut mit Zinkpaste oder durch Einfetten mit Borsalbe aufgehalten, aber nicht völlig verhütet werden. Der Verschluß der Wunde wird durch Anlegung des oben beschriebenen Druckverbandes auf die vorher gut abgetrocknete Haut herbeigeführt. Gelegentlich schließt sich die äußere Stichwunde, während die Bauchfelldurchtrennung noch offen bleibt. Der Erguß kann dann in die Gewebe der Bauchwand aussickern, so daß ein örtliches Ödem entsteht. Diese Erscheinung ist belanglos und verschwindet nach einigen Tagen.



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Punktionen und Einspritzungen

Menge und Schnelligkeit der Entleerung Eine genaue Angabe über die Menge des abzulassenden Ergusses, wie wir sie bei der Rippenfellpunktion machen konnten, ist bei der Bauchpunktion nicht angängig. Denn die Bauchhöhle bildet keinen einigermaßen fest begrenzten Raum, sondern ist außerordentlich dehnbar im Gegensatz zu der Brusthöhle, bei der eine Vergrößerung des Rauminhaltes durch Verdrängung des Zwerchfells und des Mittelfellraums nur in beschränktem Maße erfolgen kann. Langsam entstehende Bauchfellergüsse, z.B.. bei Leberzirrhose", erreichen manchmal außerordentliche Größe, so daß der Leib 10, 15 und mehr Liter Flüssigkeit enthält. W i r p f l e g e n a u c h b e i g r o ß e n E r g ü s s e n im a l l g e m e i n e n n i c h t w e s e n t l i c h m e h r a l s 5—6 L i t e r auf e i n m a l zu e n t l e e r e n . Diese Menge ist einerseits groß genug, um den Leib hinreichend zu entlasten und die Aufsaugung anzuregen, anderseits aber in der Mehrzahl der Fälle zu klein, als daß ihre Entleerung die Gefahr schwerer Zufälle hervorrufen könnte. In letzter Linie ist aber für die Frage, ob u n d wie l a n g e m a n d i e E n t l e e r u n g eines Bauchergusses f o r t s e t z e n darf, lediglich d a s V e r h a l t e n d e s K r a n k e n e n t s c h e i d e n d . Bleibt der Puls gut und zeigen sich auch sonst keine bedrohlichen Zeichen, so kann die Punktion unbedenklich fortgesetzt werden. Sowie aber der Puls kleiner und weicher wird, der Kranke schlechter aussieht oder über Schwächegefühl, Schwindel oder Beklemmungen klagt, ist zunächst der Abfluß durch Abklemmen des Schlauches oder durch Zuhalten der Kanülenöffnung mit dem Finger für einige Minuten zu unterbrechen und, falls keine Besserung eintritt, die Kanüle herauszuziehen, gleichgültig, wieviel Flüssigkeit vorher entleert wurde. Man b e g n ü g e sich l i e b e r m i t e i n e r E n t l e e r u n g v o n 2—3 L i t e r n , a l s d a ß m a n d e n K r a n k e n der Gefahr eines Kollapses aussetzt. Bei b l u t i g e n E r g ü s s e n d a r f h ö c h s t e n s 1—1 % Liter entleert werden. Die S c h n e l l i g k e i t d e s A b f l u s s e s ist je nach der Höhe des in der Bauchhöhle herrschenden Druckes und der Weite der Kanüle verschieden, im allgemeinen aber viel größer als beim Rippenfellerguß. Auch bei ihrer Bemessung ist der Zustand des Kranken entscheidend. Bei elenden, besonders aber bei herzschwachen Kranken ist durch häufige Unterbrechung des Abflusses die Entleerung zu verlangsamen, bei kräftigen Kranken kann sie schneller vorgenommen werden. Aber auch bei solchen darf die Flüssigkeit nicht dauernd in ununterbrochenem Strahl herausspritzen. Vielmehr ist von Zeit zu Zeit der Abfluß für 1—2 Minuten zu unterbrechen, um den Unterleibsgefäßen allmähliche Anpassung an die auch dann noch immer recht schnell eintretende Drucksenkung zu ermöglichen, die durch den auf den Leib ausgeübten Druck zwar vermindert, aber nicht völlig vermieden wird.

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Störungen während der Entleerung. U n t e r b r e c h u n g e n d e s A b f l u s s e s d u r c h G e r i n n s e l sind bei dem großen Querschnitt der ver-, wendeten Kanülen selten und durch Eingehen mit der Sonde leicht zu beseitigen. Dagegen entstehen besonders im weiteren Verlauf der Entleerung häufig Störungen durch v e n t i l a r t i g e s V o r l e g e n v o n D a r m s c h l i n g e n o d e r N e t z vor die Kanülenöffnung. Manchmal genügt leichtes Heben oder Senken des äußeren Kanülenendes, um den Abfluß wieder frei zu machen, in anderen Fällen muß durch Eingehen mit einem der obenerwähnten Geräte (Sonde, Katheter) der Darm zurückgeschoben werden. Das Stilett darf zu diesem ,Zweck n i c h t benutzt werden, weil seine Spitze den Darm verletzen könnte. Legt sich das Hindernis immer wieder von neuem vor, was allerdings nur selten vorkommt, so bleibt nichts anderes übrig, als die den Darm zurückdrängende Sonde usw. in der Kanüle liegenzulassen, so daß die Flüssigkeit neben ihr ausströmt. Ableitung durch den Schlauch ist dann allerdings nicht mehr möglich. Ergebnislose Punktionen können kaum vorkommen, wenn in richtiger Weise probepunktiert wurde. Fließt aus der genau am Orte der erfolgreichen Probepunktion eingestochenen Kanüle nichts ab, so liegt dies wohl meist daran, daß der Troikart nicht tief genug eingestochen wurde. Ein Vergleich mit der bei der Probepunktion ermittelten Einstichtiefe bringt Aufklärung hierüber. Man führt dann das Stilett wieder in die Kanüle ein und schiebt den Troikart vorsichtig etwas weiter vor. Beim Durchbohren des Bauchfells fühlt man meist ein Nachlassen des Widerstandes. Versuche, die Kanüle ohne Stilett vorzuschieben, sind schmerzhaft und außerdem zwecklos, weil sie das Bauchfell nicht durchdringen kann. Auf sehr starkes Fettpolster ist bei der Auswahl der Troikarts Rücksicht zu nehmen, da manchmal die im Handel erhältlichen Bauchtroikarts für solche Fälle nicht lang genug sind. Nennenswerte B l u t u n g e n a u s der S t i c h w u n d e sind selten und stehen meist ohne weiteren Eingriff bei seitlichem Zusammendrücken des Stichkanales mit den Fingern. Sollte die Blutung dadurch nicht zum Stehen kommen, ein sicher seltenes Ereignis, so wäre das blutende Gefäß freizulegen und zu umstechen. An •die Bedeutung der richtigen Wahl der Einstichstelle zur Vermeidung von Verletzungen der Art. epigastr. caudalis sei nochmals erinnert (vgl. S. 79).

Ein gefahrbringendes A n s t e c h e n d e s D a r m e s kann nur vorkommen, wenn Verwachsungen zwischen einer Darmschlinge und der Bauchwand bestehen und wenn vor der Punktion nicht genau genug -untersucht oder nicht mit hinreichender Sorgfalt probepunktiert wurde. Sollte man Grund zu der Annahme einer Darmverletzung durch den Troikart haben, so würde wohl nichts anderes übrigbleiben, äls möglichst bald die Bauchhöhle zu eröffnen und die Verletzungsstellen zu "übernähen. Infolge z u s c h n e l l e r S e n k u n g d e s D r u c k e s innerhalb des Unterleibes kann es zu starker Erweiterung der Gefäße des Splanchnikus

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gebietes kommen, die bekanntlich eiiien großen Teil des gesamten Körperblutes aufzunehmen vermögen. Die dadurch hervorgerufene Blutleere des Gehirns veranlaßt in leichten Fällen O h n m a c h t , in schwereren g e f a h r d r o h e n d e K o l l a p s e . Durch Vermeiden zu schneller und zu reichlicher Entleerung, bei gleichzeitiger Ausübung eines Druckes auf den Leib von außen her und sorgfältiger Beobachtung des Kranken während der Punktion lassen sich derartige Zufälle mit Sicherheit verhüten. Kardiazol, Koffein oder ähnliche Mittel und'Spritze sind gleichwohl bei jeder Bauchpunktion bereitzuhalten.

Punktionen und Einspritzungen bei Erkrankungen des Nervensystems Der bei weitem wichtigste der Eingriffe, die für den Praktiker bei E r krankungen des Nervensystems in Betracht kommen, ist die Punktion des Wirbelkanals, die L u m b a l p u n k t i o n . Mit ihr tritt die O k z i p i t a l p u n k t i o n neuerdings mehr und mehr in Wettbewerb. Von geringerer Bedeutung sind die E i n s p r i t z u n g e n in den K r e u z b e i n k a n a l und auf e i n z e l n e N e r v e n s t ä m m e . Punktion des Wirbelkanales Der Lendenstich, die Lumbal- oder Spinalpunktion, wurde von Q u i n c k e angegeben und zuerst ausgeführt. Anzeigen. Sie ermöglicht die M e s s u n g des im Lumbaisack herrschenden D r u c k s und dessen H e r a b s e t z u n g d u r c h E n t l e e r u n g von Flüssigkeit, die E n t n a h m e von L i q u o r zur Untersuchung auf Eiweiß-, Zellen- und Bakteriengehalt sowie auf Komplementablenkung und schließlich die E i n s p r i t z u n g von S e r u m und A r z n e i m i t t e l n . Zu d i a g n o s t i s c h e n Z w e c k e n kann die Lumbalpunktion bei der großen Mehrzahl der Erkrankungen des Nervensystems vorgenommen werden. Man bedenke aber, daß es sich um einen Eingriff handelt, der die empfindlichsten Gebilde des Körpers unmittelbar in Mitleidenschaft zieht und selbst bei schonendstem Vorgehen gelegentlich unangenehme Beschwerden hervorrufen kann. In jedem Falle ist deshalb zu überlegen, ob ihr Nutzen derart ist, daß dem Kranken die möglicherweise folgenden Beschwerden zugemutet werden können. G e f ä h r l i c h ist die Lumbalpunktion b e i G e h i r n g e s c h w ü l s t e n u n d b e i G e h i r n b l u t u n g e n . In solchen Fällen kann die Entleerung selbst ganz geringer Mengen von Liquor nicht nur schwere Störungen hervorrufen, sondern es sind auch, zumal bei Geschwülsten in der hinteren Schädelgrube, eine ganze Reihe von T o d e s f ä l l e n danach beobachtet worden. Wir pflegen deswegen schon bei Verdacht auf ein derartiges Leiden ebenso wie bei Neigung zu.

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Gehirnblutungen g r u n d s ä t z l i c h v o n der L u m b a l p u n k t i o n a b z u s e h e n . Auch bei Rückenmarkgeschwülsten, besonders solchen am Halsmark, ist sie anscheinend nicht ungefährlich, zumal wenn größere Liquormengen entleert werden. Zur B e h a n d l u n g mittels Lumbalpunktion eignen sich in erster Linie die mit Erhöhung des Spinaldruckes einhergehenden Zustände mit Ausnahme der Gehirngeschwülste, also Hirnhautentzündungen und Hydrozephalien. E i n s p r i t z u n g e n von A r z n e i m i t t e l n in den L u m b a i s a c k werden wohl am häufigsten zur L u m b a l a n ä s t h e s i e (Bier) ausgeführt. Bei e p i d e m i s c h e r G e n i c k s t a r r e und bei W u n d s t a r r k r a m p f werden die entsprechenden S e r a in den Lumbaisack eingebracht, um sie in unmittelbare Berührung mit dem Zentralnervensystem zu bringen.. Versuche, Neosalvarsan und Sulfonamide^n den Lumbaisack einzuspritzen, sind gemacht, der großen Gefahr und der heftigen Nebenwirkungen wegt n aber wieder aufgegeben worden.

Gerät. Für die einfache Punktion und für die Einspritzungen werden die gleichen N a d e l n verwendet. Sie sollen 1 — i y 2 m m dick sein, für den Gebrauch bei Erwachsenen mindestens 7—9 cm (ohne Griff!), bei Kindern mindestens 5 cm lang, und fm= einen kräftigen, die Bohrung genau ausfüllenden S t a h l s t i f t (Mandrin) enthalten. Die Spitze muß sehr gut, aber n i c h t zu l a n g geschliffen sein, also von ähnlicher Beschaffenheit wie bei den für die Venenpunktiort bestimmten Kanülen. Die Spitze der Stahlnadel soll genau mit der Spitze der Hohlnadel abschneiden, sie also nicht wie beim Troikart überragen. Dies wird dadurch erreicht, daß das Anschleifen de Spitze bei eingeschobenem Stift vorgenommen wird. Das hintere Ende der Lumbalpunktionsnadel ist verschieden ausgestaltet worden, ohne daß dadurch die Brauchbarkeit der Nadel wesentlich beeinflußt würde. Immerhin achte man darauf, daß es ziemlich kräftig ist, wie z. B. bei der von uns gewöhnlich benutzten B i e r sehen Form (Abb. 30 a), da hierdurch das Anfassen der Nadel beim Einstich a b erleichtert wird. Ein am Kopf des 2 / nat. Größe V5 nat. Größe 3 Stahlstifts angebrachter Zapfen, der Abb. 30

i 1

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in einen Schlitz des Kanülenendes eingreift, läßt auch nach dem Einstich erkennen, ob der Stift richtig in der Kanüle liegt.

An manchen Kanülen, z. B. an der von K r ö n i g benutzten, ist noch ein Hahn angebracht, um nach Herausziehen des Stiftes den Abfluß verhindern zu können. Diese Einrichtung ist entbehrlich.

Das bei jeder Lumbalpunktion notwendige S t e i g r o h r (Abb..30b) ?ur Druckmessung soll m i n d e s t e n s eine Länge von 30 cm, etwa 3 bis 4 mm lichte Weite und eingeritzte Zentimeterteilung haben.

Besonders für den Gebrauch in der Hauspraxis sind Steigrohre zweckmäßig, •die aus mehreren zusammensteckbaren Teilstücken bestehen. Konischer Schliff der Enden sichert eine wasserdichte Verbindung (Abb. 30 b).

Das Steigrohr ist an seinem unteren Ende rechtwinklig abgebogen. Des 3—4 cm lange Ansatz trägt einen senkrecht nach abwärts gerichteten Stutzen, der mit einem kurzen Gummischlauch und einer Klemme geschlossen wird und zum Ablassen der Flüssigkeit dient. Der Schlauch darf nicht zu dickwandig und zu fest sein, damit die Klemme ihn hinreichend zusammendrücken kann. Der waagerechte Teil wird durch ein kurzes enges Schlauchstück und durch einen kegelförmigen Ansatz mit •der Nadel verbunden. Man überzeuge sich beim Einkauf von dem guten Schließen der Verbinduung zwischen Nadel und Ansatzstück. Zu Einspritzungen dient eine R e k o r d s p r i t z e von entsprechendem Inhält, deren Ansatzstück auf die Öffnung der Lumbalpunktionsnadel gut paßt.

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Beim Auskochen des Geräts für die Lumbalpunktion wird Sodazusatz besser vermieden. Ort der Punktion. Das Rückenmark reicht mit seinem untersten Ende (Conus medullaris) bei Kindern bis zum zweiten Lendenwirbel nach abwärts, bei Erwachsenen nur etwa bis zur Grenze zwischen erstem und zweitem Lendenwirbel, hingegen setzt sich der Lumbaisack mit den in ihm enthaltenen Nervenwurzeln (Cauda equina) bis in das- Kreuzbein hinein fort. Eine Verletzung des untersten Rückenmarkteiles, die wegen der Anhäufung wichtiger Zentren in ihm sehr schwerwiegende Folgen haben könnte, ist demgemäß bei Einstich unterhalb des dritten Lendenwirbels ausgeschlossen. Da das Abzählen der Wirbeldorne von oben oder von unten her zeitraubend und oft unsicher ist, bedient man sich zur Bestimmung der Punktionsstelle der J a k o b y s c h e n Linie, d. h. der V e r b i n d u n g s l i n i e zwischen den beiden h ö c h s t e n P u n k t e n der D a r m b e i n k ä m m e , d i e d e n v i e r t e n L e n d e n w i r b e l d o r n s c h n e i d e t . Die Linie ist in Abb. 33 eingezeichnet. Der Einstich kann ohne Gefahr für das Rückenmark in dem unmittelbar oberhalb dieses Domes gelegenen oder in einem der tieferen Zwischenbogenräume vorgenommen werden. Meist wird zwischen dem vierten und fünften, seltener zwischen dem dritten und vierten Lendenwirbel oder zwischen dem letzten- Lendenwirbel und dem Kreuzbein eingestochen. In Abb. 31, die nach der Pause einer Röntgenaufnahme von der Wirbelsäule eines 14jährigen Knaben verkleinert wurde, sind die in Betracht kommenden Zwischenbogenräume gestrichelt dargestellt.

Die Frage, ob man die Nadel in d e r M i t t e l l i n i e (Abb. 32, Pfeilrichtung I) einstechen oder e t w a s s e i t l i c h d e r M i t t e l l i n i e mit entsprechend nach der Mitte gerichteter Nadel (Abb. 32, Pfeilrichtung II) eingehen soll, wird verschieden beantwortet. Wir ziehen das erstere vor und haben keinen Fall gesehen, in dem bei richtigem Vorgehen die Beschaffenheit der Wirbeldorne das Eindringen in der Mittellinie verhindert hätte. Daß die zwischen den Wirbeldornen ausgespannten derben Bandmassen den Einstich in der Mittellinie in nennenswertem Maße erschweren, können wir nicht als richtig anerkennen. Eine gut geschärfte Nadel

Abb. 32 W=Wirbelkörper. L=Lumbalsack B=Wirbelbog. H=Hautober fläche

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durchdringt diese Gewebe mit Leichtigkeit. Gegen den Einstich seitlich der Mittellinie ist einzuwenden, daß die je nach der Stärke des Knochenbaues und des Fettpolsters sehr wechselnde Entfernung von der Hautoberfläche bis zum Lumbaisack schwer zu beurteilen ist. Wird aber diese Entfernung falsch geschätzt und infolgedessen der Einstichwinkel etwas zu groß oder zu klein gewählt, so wird, wie Abb. 32 ohne weiteres erkennen läßt, der Lumbaisack verfehlt, weil er nur getroffen werden kann, wenn der Winkel, den die Nadel zur sagittalen Ebene bildet, richtig gewählt wurde. Schon kleine Abweichungen führen zu Mißerfolgen (Abb. 32, Pfeilrichtung l i l a und Illb). Ein Einstich in der Mittellinie hingegen m u ß den Lumbaisack treffen, wenn nur dafür gesorgt wird, daß die Nadel genau in der sagittalen Ebene eindringt. Für die Wahl der Stichrichtung ist besonders beim Eingehen in der Mittellinie noch zu beachten, daß die Lendenwirbeldorne bei Kindern annähernd waagerecht stehen, bei Erwachsenen dagegen etwas von vorn nach hinten geneigt, also dachziegelartig gelagert sind. Demgemäß kann bei Kindern s e n k r e c h t z u r H a u t o b e r f l ä c h e eingestochen werden, b e i E r w a c h s e n e n hingegen soll der Einstich e t w a s s c h r ä g v o n u n t e n n a c h o b e n verlaufen. Endlich ist zu berücksichtigen, daß sich die Zwischenbogenräume bei Beugung der Wirbelsäule nach vorn, d. h. im Sinne einer Kyphose, erweitern, durch Beugung nach rückwärts verengern. Verfahren. Anwendung von Chloräthyl kommt für die Lumbalpunktion nicht in Frage, weil durch das Gefrieren der Haut das Abtasten der Wirbeldorne und ihrer Zwischenräume zu sehr erschwert wird. Dagegen ist bei nicht bewußtlosen Kranken Anwendung örtlicher Betäubung mit Novokain erforderlich, weil Zusammenzucken des Kranken im Augenblicke des Hautstichs leicht zu einem Abweichen der Nadel von der beabsichtigten Richtung und damit zum Verfehlen des Lumbaisackes führt. A n w e n d u n g der a l l g e m e i n e n B e t ä u b u n g o d e r d e s D ä m m e r s c h l a f s kommt nur bei Wundstarrkrampf in Frage. In allen anderen Fällen halten wir sie nicht für statthaft, sondern würden lieber auf die Punktion verzichten, wenn sie nicht ohne Narkose ausführbar ist. Denn ihr Nutzen für Diagnose oder Behandlung ist doch meist nicht groß genug, um einen Eingriff von der Bedeutung der Narkose- oder des Dämmerschlafes, zumal bei einem gegen Giftwirkungen besonders empfindlichen Nervenkranken, berechtigt erscheinen zu lassen. Darreichung eines Beruhigungsmittels vor der Punktion ist dagegen bei nicht benommenen Kranken manchmal zweckmäßig.

Die f ü r das Gelingen der L u m b a l p u n k t i o n erforderliche Beugung der Wirbelsäule läßt sich am leichtesten dadurch hervorrufen, daß sich der quer auf einem Stuhl oder einem schmalen Operationstisch sitzende Kranke stark nach vorn beugt. Wir halten aber aus später zu erörternden Gründen die Punktion im Sitzen, ganz abgesehen davon, daß sie bei Schwerkranken unmöglich ist, nicht für empfehlenswert, sondern bevorzugen die Punktion am l i e g e n d e n Kranken.

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Der Kranke wird je nach Stellung des Bettes und unter Berücksichtigung der Lichtverhältnisse in rechte oder linke S e i t e n l a g e gebracht, und zwar in der Weise, daß sich sein R ü c k e n d i c h t an der B e t t k a n t e befindet (Abb. 33). Die linke Seitenlage ist im allgemeinen für den punktierenden Arzt bequemer, man wird sie also vorziehen, falls man die Wahl hat. Die Oberschenkel werden so stark wie möglich gegen den Rumpf, der Kopf möglichst weit gegen die Brust gebeugt. Seitliche Verbiegung der Wirbelsäule ist, wenn nötig, durch Unterschieben von Kissen usw., zu verhindern, weil sie die Beurteilung der Stichrichtung und infolgedessen das Treffen des Lumbaisackes beträchtlich erschwert. Bei bewußtlosen oder benommenen Kranken muß die gewünschte Lage durch Gegendruck mit den Händen hergestellt und festgehalten

Abb. 33 Lagerung bei Lumbalpunktion, J a k o b y sehe Linie angedeutet. — Der Kranke ist nur deshalb ganz entblößt, um die richtige Lage zeigen zu können (vgl. Bemerkungen auf S. 2).

werden, aber auch bei erhaltenem Bewußtsein ist eine Unterstützung des Kranken durch Hilfspersonen zweckmäßig, um das Einziehen des Kreuzes im Augenblick des Einstiches zu verhindern. Am besten legt eine Hilfsperson, die dem Arzte gegenüber auf der anderen Seite des Bettes steht, ihre rechte Hand auf den oberen Teil des Rückens oder auf den Nacken des Kranken, während die linke gegen den Leib in entgegengesetzter Richtung drückt. Eine zweite Hilfsperson hält die Oberschenkel in ihrer Lage fest und drückt, wenn nötig, auf das Gesäß in der Richtung von hinten nach vorne. Muß man bei benommenen, unruhigen Kranken, z. B. bei epidemischer Meningitis, ohne ausreichende Hilfe punktieren, so befestigt man bei linker Seitenlage den rechten Arm des Kranken mit einer kräftigen Binde an der gegenüberliegenden Seite des Bettes. Durch dieses Vorgehen wird verhindert, daß der Kranke sich plötzlich herumwirft und dadurch die Nadel abbricht.

Ist der Kranke in die richtige Lage gebracht, so bezeichnet man die höchsten Punkte der Darmbeinkämme mit Blaustift oder mit Jodtinktur, zieht die Verbindungslinie ( J a k o b y s c h e Linie, S. 89) zwischen ihnen und tastet den von ihr getroffenen vierten Lendenwirbeldorn ab,

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falls er nicht wie bei dem Kranken der Abb. 33 schon ohne weiteres sichtbar ist. Erst dann wird die Haut in der üblichen Weise vorbereitet. Vor Ausführung der Punktion macht man das mit dem übrigen Gerät ausgekochte Steigrohr gebrauchsfertig, indem man die Gummischläuche daran befestigt, das nach abwärts gerichtete Schlauchstück mit der Klemme schließt und an dem anderen das Ansatzstück zur Verbindung mit der Nadel anbringt. Da der Stift nach dem Kochen gelegentlich fester mit der Kanüle zusammenhaftet, wird er vor dem Einstich durch teilweises Herausziehen und Wiedereinschieben beweglich gemacht. Beim Einstich tastet man mit dem Zeigefinger der linken Hand den • zur Punktion gewählten Zwischenbogenraum nochmals ab und sticht genau in der Mittellinie ein, wobei man am besten, ähnlich wie bei der Rippenfellpunktion (S. 57), die Einstichstelle durch den Zeigefinger der linken Hand kennzeichnet. Die Nadel ist so zu führen, daß sie nach keiner Seite von der sagittalen Ebene abweicht. Wie bereits erwähnt, ist bei Kindern senkrecht zur Haut einzustechen, bei Erwachsenen soll die Nadel etwas schräg aufwärts gerichtet werden. Den stärksten Widerstand bietet beim Einstich gewöhnlich die Haut, etwas leichter werden schon die zwischen den Dornen ausgespannten Bandmassen durchbohrt. Das Aufhören des Widerstandes beim Eindringen der Nadel in den Wirbelkanal ist meist sehr deutlich zu spüren. Bei etwas zu großer Kraftanwendung fährt, besonders bei Kindern, manchmal die Nadel sogleich durch ihn hindurch bis auf den Wirbelkörper und muß dann etwas zurückgezogen werden, um die Öffnung der Kanüle wieder in den Lumbaisack zu bringen. Gelegentlich empfindet der Kranke beim Eindringen der Nadel in den Wirbelkanal einen kurzdauernden, ins Gesäß oder in ein Bein ausstrahlenden Schmerz infolge Anstreifens der Nadel an eine Wurzel. Trifft man in geringer Tiefe, bei Erwachsenen bei 2—4 cm, auf festen, „knöchernen" Widerstand, so ist die Stichrichtung falsch. Man suche sich über den begangenen Fehler klar zu werden, ziehe erst dann die Nadel etwas zurück und schiebe sie in veränderter Richtung wieder vor. Die Nadel ganz aus der Haut herauszuziehen, ist nur erforderlich, falls die Einstichstelle unrichtig gewählt wurde. D a s A u f t r e f f e n d e r N ä d e l auf K n o c h e n i s t f ü r d e n K r a n k e n i m m e r s c h m e r z h a f t , und man vermeide deswegen jeden Versuch, den entgegentretenden Widerstand gewaltsam zu überwinden, zumal er doch nicht zum Ziele führen würde. Glaubt man, in den Lumbaisack eingedrungen zu sein, so zieht man den Stift aus der Hohlnadel heraus, hält ihn aber in der Hand oder legt ihn in das Kochgefäß oder auf eine andere keimfreie Unterlage, um ihn nötigenfalls sogleich wieder benutzen zu können. Ist der Lumbaisack richtig getroffen, so fließt in der großen Mehrzahl der Fälle sogleich Liquor ab. Nur bei sehr geringem Druck dauert es

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manchmal einige Zeit, bis sich die Kanüle gefüllt hat und der erste Tropfen zum Vorschein kommt. Sowie Flüssigkeit in dem Ansatzstück sichtbar wird, verbindet man die Nadel mit dem bereitgehaltenen Steigrohr und wartet ab, bis der in letzteres eintretende Liquor nicht mehr weiter ansteigt. Deutliche Schwankungen des Flüssigkeitsspiegels mit der Atmung beweisen, daß die Nadel frei im Lumbaisack liegt und das auch der Zufluß derCerebrospinalflüssigkeit von oben her unbehindert ist. Zur Messung der Druckhöhe bringt man den Nullpunkt der Zentimeterteilung des Steigrohrs auf die Höhe der Einstichstelle und liest den Stand des Flüssigkeitsspiegels an der Teilung ab. B r a u c h b a r e W e r t e erhält man nur dann, wenn .der Kranke r u h i g a t m e t Und n i c h t p r e ß t , da jede Änderung der Atmung, Anspannung der Bauchpresse usw. durch veränderte Füllung der Venen innerhalb des Schädels und des Wirbelkanals den Liquordruck erheblich beeinflußt. Soll Flüssigkeit entleert w e r d e n , so läßt man d e n I n h a l t d e s S t e i g r o h r s durch öffnen der Klemme an dem unteren Ansatzstück in ein keimfreies Gefäß (Reagenzglas oder Zentrifugenglas) abfließen. Danach schließt man sogleich wieder die Klemme, wartet die Füllung des Steigrohrs ab, stellt die Druckhöhe fest, entleert wieder den Inhalt des Steigrohrs und fährt so fort, bis der Druck hinreichend gesunken ist (s. u.). Zur Beendigung der Punktion zieht man die Nadel, ohne das Steigrohr abzunehmen, heraus. Wenn man hierbei den Verbindungsschlauch mit den Fingern abklemmt, kann man den Inhalt des Steigrohres noch zur Untersuchung gewinnen. Die Stichwunde bedeckt man mit einem Pflaster oder einem Stückchen Schnellverband. Sollte eine stärkere Blutung erfolgen, wie dies besonders nach mehrfachem Auftreffen der Nadel auf den Knochen vorkommt, so legt man einen Gazebausch auf u n d drückt ihn durch Pflasterstreifen an. Der K r a n k e soll sich n a c h d e r P u n k t i o n völlig r u h i g v e r h a l t e n , vor allem hastiges Aufsetzen oder gar Aufstehen vermeiden. Am besten sorgt man dafür, daß er auf dem Bette, auf dem die Punktion vorgenommen wurde, liegen bleiben kann und daß er in jedem Falle mindestens für mehrere Stunden, nach Entleerung von Liquor bei empfindlichen Kranken mit regelrechten oder nur wenig erhöhten Druckwerten 24—48 Stunden lang, flache Rückenlage ohne Erhöhung des Kopfes einhält (vgl. S. 96). Beurteilung der Druckhöhe, Menge und Schnelligkeit der Entleerung Der L i q u o r d r u c k zeigt schon bei Gesunden ziemlich verschiedene Werte. Bei Seitenlage findet man gelegentlich nur 40—-60 mm Wasser, meist allerdings höhere Werte, etwa 100—125 mm. Eine Drucksteigerung darf erst als sicher angenommen werden, wenn bei völlig ruhigem Ver-

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halten des Kranken wesentlich mehr als 150 mm Wasser gemessen, werden. Bei entzündlichen Erkrankungen der Hirnhäute finden sich sehr erhebliche Steigerungen, bei Seitenlage häufig bis zu 300, ausnahmsweise bis zu 500 und mehr Millimetern Wasser, so daß die Flüssigkeit sogleich aus dem oberen Ende des 30 cm-Steigrohrs herausfließt.

Will man in solchen Fällen den Druck genau messen, so muß man sich entweder eines längeren Steigrohres bedienen oder das gewöhnliche Steigrohr durch ein Aufsatzrohr verlängern. Die Verbindung kann durch einen kurzen Gummischlauch hergestellt werden. Wir ziehen das aus mehreren Teilen zusammengesetzte Steigrohr (Abb. 30b) vor, weil die langen Steigrohre unhandlich sind und sich schwer auskochen lassen.

Die Menge des zu e n t l e e r e n d e n L i q u o r s ist wesentlich abhängig von der Druckhöhe. Ist der Anfangsdruck niedrig, unter 100 mm Wasser, so dürfen n u r g a n z g e r i n g e Mengen Liquor, kaum mehr als 1 ccm, entleert werden. Handelt es sich um empfindliche Kranke, so begnüge man sich mit der Entnahme der in das Steigrohr eingetretenen Flüssigkeit und verzichte auf weitere Entleerung. G a n z b e s o n d e r s h ü t e m a n s i c h , L i q u o r a b z u l a s s e n , wenn a u c h n u r dieM ö g l i c h k e i t b e s t e h t , d a ß die g e f u n d e n e g e r i n g e D r u c k h ö h e d u r c h e i n e S t ö r u n g der V e r b i n d u n g z w i s c h e n G e h i r n k a m m e r n und S u b a r a c h n o i d e a l r a u m , z. B . infolge einer Kleinhirngeschwulst, b e d i n g t sein k ö n n t e . Würde man in einem derartigen Falle durch Entleerung von Liquor eine Drucksenkung im Wirbelkanal hervorrufen, so könnte dadurch unmittelbar der Tod des Kranken herbeigeführt werden. Bei einem Anfangsdruck von mehr als 100 bis etwa 150 mm darf so lange Liquor abgelassen werden, bis der Druck auf 100 mm abgesunken ist, vorausgesetzt, daß die Gewinnung größerer Liquormengen zur Untersuchung erforderlich ist. War hingegen der Druck stark erhöht, so läßt man ihn nicht unter 150—200 mm sinken. A b l a s s e n v o n C e r e b r o s p i n a l f l ü s s i g k e i t o h n e D r u c k m e s s u n g i s t wegen der G e f a h r zu s t ä r k e r D r u c k s e n k u n g u n b e d i n g t zu v e r m e i d e n .

Die Menge des entleerten Liquors ist demgemäß je nach der Höhe des Anfangsdruckes außerordentlich verschieden. Ist er regelrecht, so muß sie, wie aus dem Gesagten hervorgeht, sehr beschränkt werden, bei stark erhöhtem Druck können manchmal ohne Schaden 30—50 und mehr Kubikzentimer abgelassen werden.

Bei P u n k t i o n im S i t z e n ist der Druck beträchtlich höher als im Liegen, etwa 400 mm Wasser, infolgedessen aber auch die durch das. Ablassen von Liquor hervorgerufene Druckschwankung im Schädelinnern wesentlich stärker, zumal der Abfluß bei dem höheren Druck viel schneller vor sich geht. Bei empfindlichen Kranken kann es daher bei Punktion im Sitzen viel leichter zu schweren Störungen nach der Entleerung kommen, manchmal treten solche schon während der Punktion auf. Aus diesem Grunde halten wir die Punktion im Sitzen für unzweckmäßig, bei N e r v e n k r a n k e n , abgesehen etwa von Paralytikern^, die wenig empfindlich sind, s o l l t e sie u n t e r k e i n e n U m s t ä n d e n a n g e w a n d t werden.

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Zwischenfälle. E n t l e e r t . s i c h nach dem Herausziehen des Stiftes k e i n L i q u o r aus der Hohlnadel, obwohl man beim Einstich deutlich die Empfindung des Eindringens in den Wirbelkanal gehabt h a t und obwohl die Nadel "genau in der sagittalen Ebene liegt, so können die Gründe hierfür verschiedener Art sein: 1. Die Nadel ist z u t i e f eingestochen, so daß sie den Lumbaisack völlig durchbohrt hat, oder sie ist n i c h t w e i t g e n u g vorgeschoben, so daß sie zwar in den Wirbelkanal hineinragt, durch die Dura aber noch nicht hindurchgedrungen ist. Der erstgenannte Fehler kommt häufiger bei Kindern vor, der letztere bei Erwachsenen, weil man bei ersteren nicht selten den Einstich mit zu großer Kraftanwendung ausführt, bei letzteren die notwendige Einstichtiefe leicht unterschätzt. Bei kräftigem Knochenbau und reichlichem Fettpolster ist die Entfernung von der Hautoberfläche bis ins Innere des Lumbaisackes oft recht erheblich. Vorsichtiges Vorschieben und Zurückziehen der Nadel, bei ruhigen Kranken zweckmäßig nach Herausnahme des Stiftes, bringt in solchen Fällen den Abfluß in Gang. 2. E i n e W u r z e l o d e r e i n a n d e r e s H i n d e r n i s k a n n v o r d e r K a n ü l e n ö f f n u n g l i e g e n und so den- Abfluß unmöglich machen. Meist genügt in solchen Fällen eine Drehung der Kanüle, um die Öffnung von dem Hindernis zu entfernen. 3. V e r k l e b u n g e n zwischen den Wurzeln usw. können das Abfließen von Liquor verhindern. An das Vorliegen solcher Veränderungen muß gedacht werden, wenn nach erfolglosen Versuchen im Sinne von 1 und 2 und bei richtiger Lage der Nadel keine Flüssigkeit zutage tritt. Besonders bei eitrigen Entzündungen der Hirnhäute und nach häufiger wiederholten Punktionen muß man mit dieser Störung rechnen. Manchmal führt in solchen Fällen noch Einstich in einem höheren, seltener in. einem tieferen Zwischenbogenraum zum Ziel. — B l u t b e i m e n g u n g e n zum abfließenden Liquor sind nicht selten und lassen sich nicht mit Sicherheit vermeiden, da ja bei der Punktion „im Dunkeln" gearbeitet wird und daher leicht ein Gefäß angestochen werden kann. Die Stärke des Blutgehaltes wechselt in weiten Grenzen, von mit bloßem Auge kaum erkennbaren Spuren bis zu fast blutiger Beschaffenheit. Für manche Untersuchungen des Liquors, z. B. auf Zellvermehrung, ist Blutbeimengung störend, dagegen bleibt sie für den Kranken wohl immer ohne schädlichen Folgen, obwohl gelegentlich Ausbreitung des Blutes von der Stichstelle aus bis zu den obersten Teilen des Rückenmarkes nachgewiesen werden konnte. Wenn Blutbeimengungen nicht als Folge einer Verletzung bei der Punktion anzusehen sind, sondern auch nur Verdacht besteht, daß sie aus einem Krankheitsherde (Geschwulst Usw.) herrühren könnten, so ist die Entleerung sogleich abzubrechen, um die Blutung durch die Drucksenkung nicht anzuregen.

Beschwerden und Störungen infolge der Punktion. Nach der Punktion klagen die Kranken gelegentlich noch einige Zeit über Schmerzen.

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an der Einstichstelle, besonders in Fällen, in denen der Einstich nicht sogleich gelang und der Knochen mehrfach von der Nadel getroffen wurde. Diese Beschwerden sind aber meist unerheblich und verschwinden bald. D a g e g e n k o m m t es bei v i e l e n K r a n k e n n a c h der E n t l e e r u n g von L i q u o r zu E r s c h e i n u n g e n s e i t e n s des Z e n t r a l n e r v e n s y s t e m s , die g e l e g e n t l i c h a u ß e r o r d e n t l i c h heftig s i n d und t a g e l a n g a n h a l t e n : Kopfschmerzen, Nacken- und Rückenschmerzen, Nackensteifigkeit, Übelkeit und Erbrechen, Überempfindlichkeit der Haut am Unterleib und an den Beinen, also Erscheinungen eines mehr oder weniger erheblichen Reizzustandes im Bereich der Rückenmarkshäute. J e m e h r L i q u o r im V e r h ä l t n i s z u r D r u c k h ö h e e n t l e e r t wurde und j e s c h n e l l e r der A b f l u ß v o r sich g i n g , d e s t o h e f t i g e r p f l e g e n d e r a r t i g e B e s c h w e r d e n a u f z u t r e t e n . Deswegen sind die oben gegebenen Anweisungen über Menge und Schnelligkeit der Entleerung streng zu beachten, aber auch sie schützen nicht unbedingt vor unangenehmen Folgen, weil n e r v ö s e , leicht e r r e g b a r e und empfindliche Menschen m a n c h m a l s c h o n n a c h E n t n a h m e g a n z g e r i n g e r M e n g e n von L i q u o r ü b e r r e c h t e r h e b l i c h e B e s c h w e r d e n k l a g e n . Ob die Annahme zutrifft, daß Nachsickern von Liquor aus der Stichwunde der Dura in das umgebende Gewebe hierbei ursächlich mitwirkt (,, Stichlochdränage"), kann unentschieden bleiben. Jedenfalls trägt flache Rückenlage ohne Erhöhung des Oberkörpers und des Kopfes, wobei der Druck im Lumbalsack am niedrigsten ist, mit Vermeidung des Aufsitzens oder gar Aufstehens für 1—2 Tage entsprechend den oben gegebenen Vorschriften, wesentlich zur Verhütung und Milderung der besprochenen Beschwerden bei. Außerdem sind zu ihrer Bekämpfung schmerzlindernde Mittel (Pyramidon usw.) zweckmäßig. Neuerdings wurde im Gegensatz zu den vorstehenden Darlegungen empfohlen, den Kranken nach der Lumbalpunktion aufstehen und herumgehen zu lassen, weil sich gerade hierdurch unangenehme Folgeerscheinungen vermeiden ließen. Bei manchen Nervengesunden mag dies zutreffen, bei Nervenkranken halten wir derartige Versuche, auch wenn der Zustand sie zulassen sollte, nicht für ratsam. Bei ängstlichen, nervösen Kranken wirkt die Vorstellung einer „Operation am Rückenmark", als die sie oft die Lumbalpunktion ansehen, beunruhigend und diese seelische Einwirkung darf beim Zustandekommen der Nachbeschwerden nicht übersehen werden. Entsprechende Aufklärung und Belehrung schon vor dem Eingriff ist deshalb bei solchen Kranken besonders wichtig.

Noch lebhafter treten gelegentlich derartige Erscheinungen nach Einspritzungen in den Lumbaisack, z. B. nach Lumbalanästhesie, auf. Dies erklärt sich aus der großen Empfindlichkeit der Hirnhäute gegen chemische Reize, und es ist unrichtig, in derartigen Fällen jedesmal eine Infektion anzuschuldigen. Am besten werden im allgemeinen die Einspritzungen von Serum vertragen. Das V o r k o m m e n von T o d e s f ä l l e n nach Lumbalpunktion bei Kranken mit Gehirngeschwülsten wurde bereits oben erwähnt.

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I n f e k t i o n d e r R ü c k e n m a r k s h ä u t e durch unsauberes Gerät könnte zu eitrigen Entzündungen führen. Sie läßt sich bei genügender Vorsicht in den meisten Fällen mit Sicherheit vermeiden. Nur bei Bestehen von Druckbrandgeschwüren am Kreuzbein usw. ist die Gefahr so groß, daß die Lumbalpunktion besser unterbleibt. Bei Kranken, die Harn und Kot unter sich lassen, ist durch geeigneten Verband für Schutz der Stichwunde gegen nachträgliche Infektion zu sorgen. Einspritzung in den Lumbaisack Sollen größere Flüssigkeitsmengen in den Lumbaisack eingeführt werden, so ist zur Vermeidung einer stärkeren Drucksteigerung zunächst Liquor zu entleeren. Dabei ist es statthaft, den Druck etwas tiefer sinken zu lassen, als oben angegeben wurde, da durch die einzuspritzende Flüssigkeit die entzogene Liquormenge sogleich wieder ersetzt wird. Wenn der Druck hinreichend erniedrigt ist, wird die vorher mit der a n g e w ä r m t e n Flüssigkeit gefüllte Spritze nach Entfernung des Steigrohres auf die Kanüle aufgesetzt und der Stempel g a n z l a n g s a m vorgeschoben. Der Wechsel zwischen Steigrohr und Spritze muß schnell geschehen, um weiteren Liquorabfluß zu verhindern. Nach Beendigung der Einspritzung und Entfernung der Nadel wird der Kranke mit erhöhtem Oberkörper gelagert, wenn die eingespritzte Flüssigkeit, wie z. B. bei der Lumbalanästhesie, nur auf die Wurzeln der Cauda einwirken soll. Will man dagegen die Flüssigkeit, z. B. Meningokokkenserum, möglichst hoch gehirnwärts vordringen lassen, so empfiehlt sich flache Lagerung, deren Wirkung durch Hochstellen des unteren Bettendes noch vermehrt werden kann. Bei epidemischer Genickstarre haben wir mit gutem Erfolg ein Verfahren benutzt, welches uns auf Grund experimenteller Untersuchungen brauchbar erschien: Vor der Lumbalpunktion wird eine schmale S t a u u n g s b i n d e u m d e n Hals des Kranken so fest angelegt, daß eine deutliche venöse Stauung am Kopf eintritt, die sich natürlich auch auf die Sinus und die sehr weiten. Venen des Schädelinnern erstreckt. Dadurch wird ein Teil des Liquors aus der Schädelhöhle verdrängt und weicht nach dem Wirbelkanal aus. Nun wird in der gewöhnlichen Weise punktiert und Liquor entleert, bis die gewünschte Druckerniedrigung erreicht ist, und dann das Serum eingespritzt. Nach Schluß der Einspritzung wird der Kranke flach gelagert und a l l m ä h l i c h im Laufe von % —1 Stunde die Stauungsbinde gelockert. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, daß der eitrige, meningokokkenhaltige Liquor meist sehr ausgiebig entleert wird, da der Anfangsdruck im Lumbaisack infolge der Verdrängung von Liquor aus der Schädel- nach der Rückenmarkshöhle hin sehr hoch ist. Wird dann nach der Einspritzung die Stauung am Halse allmählich verringert, so entleeren sich die Venen des Schädelinnern und dadurch verteilt sich der Inhalt des Lumbaisackes wieder schädelwärts, wird gewissermaßen dorthin angesaugt. Wir glauben, daß es manchmal auf diese Weise gelingt, das eingespritzte Serum auch mit einem Teil der Gehirnhäute in Berührung zu bringen. Deshalb kann dieses Vorgehen auch bei der intralumbalen Einspritzung von T e t a n u s s e r u m empfohlen werden. 7

S t u r s b e r g , Technik. 6. Aufl.

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, , D u r c h s p ü l u n g " des Lumbaisackes mit p h y s . K o c h s a l z - oder besser R i n g e r l ö s u n g kann bei,starkem Eitergehalt des Liquor bei eitriger Hirnhautentzündung versucht werden: Senkung des Drucks bis auf 90—100mm, Einspritzung von 30—40, gelegentlich auch 60—70ccm der frischen, keimfreien, erwärmten Lösungen, dann wieder Entleerung; Wiederholung dieses Vorgehens 2—3mal, dann bei epidemischer Hirnhautentzündung Serumeinspritzung (Götz und H a n f l a n d ) . S p ü l u n g e n durch gleichzeitige O k z i p i t a l - und L u m b a l p u n k t i o n kommen für die Allgemeinpraxis nicht in Frage und sind auch noch nicht genügend erprobt.

Einspritzung in den Kreuzbeinkanal Die „epidurale Einspritzung" dient der Behandlung. Sie kann in Fällen, in denen es nur auf Beeinflussung der im Kreuzbeinkanal verlaufenden Nerven wurzeln ankommt, die Einspritzung in den Lumbalsack ersetzen und hat vor ihr den großen Vorteil, daß sie nur die Nervenwurzeln, nicht aber die empfindlichen weichen Rückenmarkshäute trifft, und daß ein Vordringen der eingespritzten Lösung bis zum verlängerten Mark und weiter gehirnwärts nicht vorkommen kann. Andererseits hat sie den Nachteil, daß die innerhalb des Lumbaisackes frei in der Flüssigkeit liegenden Wurzeln nach ihrem Durchtritt durch die Dura in das epidurale Gewebe eingebettet sind, so daß sie nicht mit der gleichen Sicherheit von dem Arzneimittel erreicht werden. Eine gewisse Vorsicht ist bei der Einspritzung in den Kreuzbeinkanal deshalb geboten, weil Novokain dabei erheblich giftiger wirkt als bei Einspritzungen in den Muskel ( L ä w e n und v o n Gaza). Diese Erscheinung hat ihren Grund darin, daß besonders bei schneller Einspritzung eine beträchtliche Drucksteigerung in dem unnachgiebigen Kanal entsteht, wodurch die Aufsaugung stark beschleunigt wird.

Abgesehen von der Verwendung der epiduralen Einspritzungen zum Zwecke der örtlichen Betäubung bei Operationen an den Beinen, den Geschlechtsteilen usw. ist sie besonders gegen Ischias empfohlen worden. Wir selbst haben uns zwar nicht von einem wesentlichen Nutzen gegenüber dieser Erkrankung überzeugen können, immerhin wird man aber das Verfahren besonders in schweren Fällen, die anderer Behandlung trotzen, versuchen können, zumal wenn Erscheinungen bestehen, die auf Wurzelerkrankung („Wurzelischias") hinweisen. Auch bei E n u r e s i s n o c t u r n a soll es, besonders nach Angabe französischer Ärzte, gute Erfolge haben, es muß aber noch unentschieden bleiben, ob es sich hierbei nicht nur um eine Suggestivwirkung handelt. Gerät. Zur Einspritzung dient eine Rekordspritze von 10 oder 20ccm Inhalt mit einer kräftigen Hohlnadel von 7—8 cm Länge. Bei unruhigen oder ungebärdigen Kranken empfiehlt sich die Verwendung einer Lumbalpunktionsnadel, bei der die Gefahr des Abbrechens nicht so groß ist wie bei einer einfachen Hohlnadel. ; Ort der Einspritzung. Die Einspritzung soll die Umgebung des unteren Endes des Lumbaisackes treffen, der im Kreuzbeinkanal durch-

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schnittlich etwa bis zum zweiten Kreuzbeinwirbel hinabreicht, manchmal aber auch höher oder tiefer endigt. Als Zugang dient der Hiatus canalis sacralis, der nur durch ein membranöses Band geschlossen ist (Abb. 34a). Zu beiden Seiten der Öffnung, die unterhalb des unteren Endes des Kreuzbeinkammes liegt, erheben sich zwei Knochenhöcker, die Cornua ossis sacri, die meist deutlich abtastbar sind, falls kein ungewöhnlich starkes Fettpolster sie verdeckt. Die Beschaffenheit der Öffnung des Kreuzbeinkanals wechselt in sehr weiten Grenzen, ein Umstand, der für die Ausführung der Punktion wichtig ist. Am häufigsten findet sich wohl die günstige Form, wie sie Abb. 34a darstellt: Die Öffnung ist regelmäßig begrenzt, etwa 1 c m

Abb. 34

breit und so weit, daß die Nadel zwischen Vorder- und Rückwand reichlich Spielraum hat. Zwischen dieser Form und der in Abb. 34b dargestellten, bei der nur noch dei Umriß der Öffnung angedeutet, diese selbst aber geschlossen ist, kommen die verschiedensten Übergänge vor. Im allgemeinen läßt die Abtastung erkennen, ob die Öffnung hinreichend entwickelt ist, um den Einstich zu ermöglichen, immerhin sind Täuschungen nicht zu vermeiden. Formen des Kreuzbeinendes, wie sie Abb. 34 c wiedergibt, sind deshalb beachtenswert, v/eil die Nadel beim Einstich zwischen dem unteren Teil der Hörner die eigentliche Öffnung des Kanals leicht verfehlt und statt in den Kanal unter die Haut gleitet. Auch ist es gerade in solchen Fällen nicht leicht, sich durch Abtasten ein Bild davon zu machen, ob die Beschaffenheit der Öffnung die Punktion zulassen wird. Endlich ist die wechselnde Krümmung des Kreuzbeins beachtenswert. J e stärker sie ist, desto eher wird dem Vordringen der Nadel nach aufwärts ein Ziel gesetzt.

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Verfahren. Das Eindringen in den Kanal gelingt am leichtesten in Knie-Ellenbogen-Lage oder in Seitenlage mit stark angezogenen Oberschenkeln, wie wir sie auch zur Lumbalpunktion benutzen'(Abb. 33, S. 91). Nachdem der Kranke in die gewählte Lage gebracht worden ist, tastet man zunächst den Kreuzbeinkamm in der Richtung von oben nach unten und die Cornua ossis sacri ab, um sich über Lage und Form der Öffnung zu unterrichten. Erst dann reinigt man Hände und Haut in der üblichen Weise1) und sticht nach Anästhesierung der EinsticHstelle mit Novokain und nochmaliger Abtastung genau in der Mittellinie, etwas unterhalb des oberen Randes der Öffnung, ein. Der Einstich soll zunächst annähernd senkrecht zur Haut geführt werden, bis die Nadelspitze durch die Membran hindurch gerade in den Kanal eingedrungen ist (Abb. 35, Lage 1). Dann wird das äußere Ende der Nadel so gedreht, daß ihre Spitze nach aufwärts gerichtet ist (Lage 2), und in dieser Richtung möglichst weit vorgeschoben. J e nach der Krümmung des Kreuzbeinkanals stößt sie früher oder später auf Widerstand, meist erst in einer Entfernung von 5—6 cm vom Einstich. Durch den Versuch, seitliche Bewegungen mit der Nadel auszuführen, überzeugt man sich, daß die Nadel richtig in den Kanal eingedrungen ist. Derartige Bewegungen sind dann nicht möglich, wohl dagegen, wenn die Nadel versehentlich unter der Haut vorgeschoben wurde. Nunmehr wird bei Benutzung der Lumbalpunktionsnadel der Stift herausgezogen, bei Benutzung der Hohlnadel die Spritze abgenommen und a b g e w a r t e t , ob B l u t oder Liquor zum Vorschein kommen. Austritt von Blut würde es wahrscheinlich machen, daß die Nadelspitze in einer Vene liegt, Liquor würde Eindringen in den Lumbaisack beweisen. Bei Knie-Ellenbogen-Lage ist der Sicherheit halber noch mit der Spritze anzusaugen, da bei dieser Lage der Liquordruck wohl meist nicht genügt, um Flüssigkeit aus der Kanüle austreten zu lassen. Zeigen sich weder Blut noch Liquor, so darf eingespritzt werden, anderenfalls ist die Nadel zurückzuziehen und ihre Lage zu ändern. Die Einspritzung der erwärmten Lösung soll ganz langsam, im Laufe von 2—3 Minuten, vorgenommen werden (vgl. S. 98). ') Die Seitenlage kann inzwischen eingehalten werden, die anstrengende und unbequeme Knie-Ellenbogen-Lage ist dagegen zu unterbrechen und erst unmittelbar vor der Punktion wiederherzustellen.

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Während der Einspritzung der ersten Kubikzentimeter achte man darauf, ob sich nicht etwa eine Quaddel unter der Haut bildet, wie dies bei Verfehlen des Kanales und Eindringen der Nadel in das Unterhautgewebe der Fall sein würde. Nach Beendigung der Einspritzung wird die Nadel zurückgezogen und die Stichwunde durch einen Pflasterverband geschlossen. Zwischenfälle und Gefahren. Bei sehr enger Kreuzbeinöffnung ist die Punktion schwierig, unter Umständen unmöglich. Man hüte sich in solchen Fällen vor jedem gewaltsamen Vorgehen, zumal derartige Versuche für den Kranken sehr schmerzhaft sind, weil die Nadel fast immer auf die empfindliche Knochenhaut auftrifft. Ein Druckgefühl im Kreuzbein, welches besonders bei Einspritzung reichlicher Flüssigkeitsmengen eintritt, verschwindet meist schnell wieder. Kopfschmerzen und Erbrechen werden gelegentlich bei Anwendung von Novokain 1 ) beobachtet, sind aber meist nicht von langer Dauer. Immerhin sollte wegen der Vergiftungsgefahr die Gabe von 0,4 Novokain nicht überschritten werden. Die Wichtigkeit langsamer Einspritzung sei nochmals betont. Über die M ö g l i c h k e i t v o n I n f e k t i o n e n gilt das gleiche wie bei der Lumbalpunktion (s. S. 97). Bei Bestehen von Druckbrand darf auch die epidurale Einspritzung nicht angewandt werden. Die größte, aber mit Sicherheit vermeidbare Gefahr der Einspritzung in den Kreuzbeinkanal würde in dem E i n d r i n g e n s t a r k w i r k e n d e r L ö s u n g e n in d e n L u m b a i s a c k o d e r in d i e B l u t b a h n bestehen. Die Einwirkung derartiger Lösungen auf das verlängerte Mark, welches bei der beträchtlichen Menge der eingespritzten Flüssigkeit sicher erreicht werden würde, könnte nicht nur schwere Erkrankungen, sondern unmittelbar durch Lähmung des Atmungszentrums den Tod herbeiführen. Die oben angegebenen Vorsichtsmaßregeln sind deshalb unbedingt zu beachten! Einspritzung auf Nervenstämme Einspritzungen auf Nervenstämme können in der Weise ausgeführt werden, daß die Flüssigkeit in d e n N e r v e n s t a m m s e l b s t eindringt oder daß sie nur die U m g e b u n g d e s N e r v e n durchtränkt. Da das richtige Treffen des Nerven nicht immer leicht ist, so wird wohl sehr oft nur letzteres der Fall sein, auch wenn die Absicht vorlag, in den N e r v e n einzuspritzen. x

) 2proz. Lösung nach folgendem Rezept: Rp. Novokain 0,6, Nartr. bicarb. pro analysi 0,15, Natr. Chlorat. 0,1, Aqu. destill. 30,0, Sol. supraren. synth. (1,0:1000,0) gtt. IV.

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Die Verwendung dieser Einspritzungen zur örtlichen Betäubung soll als chirurgische Maßnahme hier nicht erörtert werden, sondern nur ihre Benutzung zur Bekämpfung von N e u r a l g i e n , besonders solcher im Bereiche des T r i g e m i n u s . Empfohlen werden sie auch bei I s c h i a s und schließlich bei den seltenen Fällen von Neuralgien einzelner a n d e r e r Nerven. Gerät. Rekordspritze von mindestens 10 ccm Inhalt. Länge und Stärke der Hohlnadel richtet sich nach der anatomischen Lage des betreffenden Nerven. Zur Einspritzung verwenden wir nur noch Lösungen, durch die eine dauernde Schädigung des Nerven n i c h t bedingt wird, also keimfreie physiologische Kochsalzlösung mit oder ohne Zusatz von % % Novokain. Mittel, die den Nerv anatomisch schwer schädigen, ihn gewissermaßen „unb l u t i g r e s e c i e r e n " , wie Alkohol oder Osmiumsäure, seilten nicht mehr benutzt werden. Sie können außerordentlich heftige Nebenwirkungen auslösen und gelegentlich schwere Störungen (z. B. bei Anwendung am 1. Trigeminusast Erblindung) zur Folge haben. Daß sie an gemischten Nerven nicht angewandt werden dürfen, ist selbstverständlich. Wenn die ersterwähnten Mittel nicht ausreichen, wird man die Operation diesen gefährlichen und in ihrer Wirkung unberechenbaren Mitteln vorziehen.

Verfahren. Die Schwierigkeit des Verfahrens besteht darin, den Nervenstamm genau zu treffen. Bei oberflächlich gelegenen Nerven, z. B . dem ersten Trigeminusast, sticht man möglichst nahe der Austrittsstelle oder entsprechend einem Druckpunkte mit kurzer dünner Hohlnadel ein und infiltriert durch langsames Einspritzen von etwa 10—20 ccm Flüssigkeit 1 ). Der Nervus peroneus ist am Wadenbeinköpfchen leicht zugänglich und deutlich tastbar. Bei I s c h i a s kann man, falls Druckpunkte vorhanden sind, auf diese einspritzen, gewöhnlich pflegt man aber den Einstich auf einen Punkt nahe der Austrittsstelle, auf der Verbindungslinie zwischen großem Rollhügel und Sitzknorren, zu richten. Da der Nerv hier ziemlich tief liegt, muß die Nadel 8—10 cm lang und dementsprechend nicht zu schwach sein. Der Kranke liegt mit leicht gebeugten Hüft- und Kniegelenken auf der gesunden Seite, am besten in einer Mittelstellung zwischen Seitenlagö und Bauchlage. Der Trochanter major und der Sitzknorren werden abgetastet und mit Hautstift bezeichnet. Auf der Verbindungslinie beider Punkte liegt etwa drei Querfinger breit von dem hinteren Trochanterrande entfernt die Einstichstelle. Nach sorgfältiger Vorbereitung der Haut erzeugt man durch Einspritzung einiger Tropfen der zu verwendenden Lösung mit feiner Nadel eine unempfindliche Hautquaddel, 1 ) Einspritzungen auf den Stamm des 3. Trigeminusastes von der Mundhöhle aus sollen hier nicht besprochen werden, weil sie besondere fachärztliche Einübung voraussetzen.

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ersetzt die benutzte Nadel durch die oben erwähnte lange Nadel und sticht diese senkrecht zur Haut langsam ein. Trifft man, meist in etwa 7—8 cm Tiefe, auf den Nerv, so empfindet der Kranke einen kurzdauernden, ausstrahlenden Schmerz, der oft mit einer deutlich sichtbaren Zuckung verbunden ist. Man spritzt dann sogleich den Inhalt der Spritze unter kräftigem Druck ein, füllt die abgenommene Spritze von neuem, während man die Nadel möglichst in der gleichen Stellung festhält, spritzt wieder ein usw., bis etwa 50—100 ccm der Lösung verbraucht sind. Nach Herausziehen der Nadel wird die Stichstelle mit einem kleinen Verbände bedeckt. Gelingt es nicht, den Nerv selbst zu treffen, so beschränkt man sich darauf, seine ganze Umgebung mit der Lösung zu durchtränken, indem man unter mehrfachem Zurückziehen der Nadel und Wiedervorschieben in etwas anderer Richtung etwa die gleiche Flüssigkeitsmenge unter kräftigem Druck in das Gewebe einspritzt. Auch damit sollen manchmal günstige Erfolge erzielt werden. Besondere Gefahren haften den Einspritzungen nicht an, falls keimfrei g earbeitet und ungeeignete Mittel vermieden werden.

Okzipitalpunktion Die O k z i p i t a l p u n k t i o n , auch als Z i s t e r n e n p u n k t i o n oder N a c k e n s t i c h bezeichnet, dient in gleicher Weise wie die Lumbalpunktion der Entnahme von Liquor und der Messung des Liquordrucks. Ihre weitere Verwendung zur Einführung von Kontrastmitteln (Myelog r a p h i e ) oder zum Einblasen von Luft ( E n z e p h a l o g r a p h i e ) kommt für die Allgemeinpraxis nicht in Betracht. Die Frage, ob für die Liquorgewinnung die Lumbalpunktion oder die Okzipitalpunktion vorzuziehen sei, ist noch stark umstritten. Manche Ärzte sprechen sich unbedingt für die letztere aus, andere wollen sie nur für Ausnahmefälle zulassen. Zuzugeben ist, daß die Okzipitalpunktion im allgemeinen besser vertragen wird, daß im besonderen die bei der Lumbalpunktion nicht selten auftretenden unangennehmen Nachwirkungen (S. 96) meist fehlen. Infolgedessen kann sie auch unbedenklich ambulant vorgenommen werden, und der Widerstand der Kranken gegen wiederholte Liquorentnahme auf diesem Wege ist häufig geringer, ein Umstand, der besonders für die Behandlung der Syphilis und der metasyphilitischen Krankheiten bedeutungsvoll ist. Demgegenüber läßt sich aber nicht bestreiten, daß die Okzipitalpunktion gefährlicher ist als der Lendenstich, weil ihr auch bei Beachtung der Gegenanzeigen (s. u.) gewisse Gefahren anhaften, die durch einwandfreie Technik zwar vermindert, aber nicht ausgeschaltet werden können (S. 108). Eine gewisse Abneigung mancher Ärzte gegen das „Arbeiten im Dunklen" in nächster Nähe lebenswichtiger Gebilde ist durchaus verständlich. J e d e n f a l l s soll n u r d e r A r z t d i e O k z i p i t a l p u n k t i o n a u s f ü h r e n , d e r die T e c h n i k s o r g f ä l t i g

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Punktionen und Einspritzungen

eingeübt hat und beherrscht. V o r ü b u n g e n an der Leiche m ü s s e n u n b e d i n g t d e r A u s f ü h r u n g am L e b e n d e n v o r h e r g e h e n , u n d d i e s e ist z u n ä c h s t n u r u n t e r A u f s i c h t e i n e s E r fahrenen zulässig. Als wichtigste Gegenanzeigen gelten für die Okzipitalpunktion ebenso wie für die Lumbalpunktion G e h i r n g e s c h w ü l s t e und G e h i r n b l u t u n g e n (S. 86). Außerdem ist sie bei Verdacht auf S k l e r o s e der G e h i r n g e f ä ß e zu vermeiden, weil hierbei infolge Verlagerung und Rigidität von Arterien Anstechen einer solchen mit anschließender lebensbedrohender Blutung möglich ist. Bei Kranken über 65 Jahren sehe man von der Okzipitalpunktion ab. Gerät. Zur Okzipitalpunktion kann jede L u m b a l p u n k t i o n s n a d e l von 1—1 Vi mm lichter Weite benutzt werden (S. 87). Manche bevorzugen Nadeln, bei denen die Einstichtiefe leichter beurteilt werden kann, z. B. die sog. B o n n e r N a d e l , die in verschiedenen Größen angefertigt wird. Zur Druckmessung bei Punktion im Liegen dient das gleiche Gerät wie bei der Lumbalpunktion. Messung des negativen Drucks bei Punktion im Sitzen ist für praktische Zwecke entbehrlich. Ort der Punktion. Die Cisterna cerebello-medullaris, die bei der Okzipitalpunktion getroffen werden soll, stellt eine Erweiterung des Subarachnoidalraumes dar und steht nach oben durch das Foramen Magendii mit dem vierten Ventrikel, nach abwärts mit dem Rückenmarkskanal in Verbindung. Begrenzt wird sie nach oben vom Kleinhirn, nach vorne von der Medulla oblongata, nach hinten von der Membrana atlanto-occipitalis. Diese ist zwischen Hinterhauptsbein und Atlasbogen ausgespannt, auf ihrer Innenseite mit Dura und Arachnoides überzogen und fest verbunden. Der Einstich muß also diese Membran durchbohren, um in die Zisterne einzudringen. Die Abbildungen zeigen die Lage der Zisterne und ihre Umgebung unter Weglassung der für die Punktion nebensächlichen Einzelheiten. In Abb. 36 ist die Zisterne von hinten eröffnet. Als ihre Vorderwand erscheint das verlängerte Mark in dem durch die Kleinhirnhälften gebildeten Ausschnitt. Der Sagittalschnitt der Hinterhauptsgegend, Abb. 37, läßt die Lagebeziehungen der Zisterne zum Hinterhauptsbein und «um Atlasbogen erkennen, der in Abb. 36 entfernt ist. Der Horizontalschnitt Abb. 38 zeigt die Zisterne in ihrer größten Ausdehnung. Er trifft dis Spitze des Epistropheuszahnes, den vorderen Bogen und andere Teile des Atlas. Die Größenmaße der Zisterne schwanken bei verschiedenen Menschen sehr erheblich. Als Tiefendurchmesser wird man im allgemeinen I b i s 1 y2 cm annehmen dürfen, ohne aber geringere Maße ausschließen zu können. Auch die Entfernung von der Haut zur Zisterne schwankt in sehr weiten Grenzen, etwa zwischen 3 und 8 cm, und gibt demgemäß keinen Anhalt für die Tiefe des Einstiches im einzelnen Falle.

Punktionen und Einspritzungen bei Erkrankungen des Nervensystems

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Verfahren. Die Okzipitalpunktion kann am sitzenden oder am liegenden Kranken vorgenommen werden. Wenn auch die Punktion im Sitzen einige technische Vorteile bietet, im besonderen das genaue Einhalten der Sagittalebene beim Einstich erleichtert, so ist für die Liquorentnahme doch die Ausführung im Liegen vorzuziehen, weil der Liquor hierbei unter positivem Druck steht und nicht wie oft bei Punktion im Sitzen angesaugt zu werden braucht. Der Einstich kann nach zwei Verfahren vorgenommen werden und zwar nach dem „ d i r e k t e n " Verfahren (Ayer) oder dem „ i n d i r e k t e n "

Abb. 36 (Unter Benutzung einer Zeichnung von Rieder & Heinrich)

(Eskuchen). Bei ersterem wird der Stich unmittelbar in der Richturg auf die Membrana atlanto-occipitalis geführt, bei letzterem trifft die Nadel zunächst auf das Hinterhauptsbein und sucht, durch dieses geleitet, den Rand des Hinterhauptsloches. Das „indirekte" Verfahren kann als das ungefährlichere gelten und ist deshalb für den weniger Geübten unbedingt vorzuziehen. Es soll im folgenden ausschließlich besprochen werden. A u s f ü h r u n g . Der Kranke wird zur Punktion im Liegen auf die rechte Seite gelagert, sein Kopf durch ein festes Kissen so gestützt,