Technik der wichtigsten Eingriffe in der Behandlung innerer Krankheiten: Ein Leitfaden für Studierende und Ärzte [2. verm. u. überarb. Aufl. Reprint 2020] 9783111484570, 9783111117843

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Technik der wichtigsten Eingriffe in der Behandlung innerer Krankheiten: Ein Leitfaden für Studierende und Ärzte [2. verm. u. überarb. Aufl. Reprint 2020]
 9783111484570, 9783111117843

Table of contents :
Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur zweiten Auflage
Inhaltsverzeichnis
Abbildungen
Punktionen und Einspritzungen
Örtliche Behandlung der Speiseröhre und des Magens
Darmeingiefiung
Anwendung des Katheters und örtliche Behandlung der Harnblase
Sachverzeichnis

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Technik der wichtigsten Eingriffe in der Behandlung innerer Krankheiten

Technik der wichtigsten Eingriffe in der Behandlung innerer Krankheiten Ein Leitfaden für Studierende und Arzte von

Professor Dr. H. Stursberg Bonn

Zweite, vermehrte und überarbeitete Auflage Mit 49 Abbildungen im Text

Bonn

1923

A . M a r c u s & E. W e b e r s Dr. jur. A l b e r t A h n

Verlag

Nachdruck verboten. Alle Rechte, insbesondere das Übersetzungsrecht in alle Sprachen, vorbehalten. Copyright by A.Marcus & E. Webers Verlag in Bonn 1 9 1 7 .

9

Druck drr Spamerschen Biichdruckerei in Leipzig.

Seinem hochverehrten Lehrer Friedrich Schultze zugeeignet

Vorwort zur ersten Auflage. Zur Ausarbeitung des vorliegenden Leitfadens veranlaßten mich Erfahrungen, die ich im Umgange mit Studierenden und jungen Ärzten, besonders auch bei Vorlesungen über therapeutische Technik und damit verbundenen praktischen Übungen, sammeln konnte. Ich gewann dabei den Eindruck, daß die an und für sich vorzüglichen Werke, welche dieses Gebiet behandeln, für den Lernenden und für denjenigen Arzt, der nur selten in die Lage kommt, gewisse Eingriffe vorzunehmen und dem es darauf ankommt, sich schnell die technischen Einzelheiten ins Gedächtnis zurückzurufen, nicht unbedingt geeignet sind. Sie bringen einerseits zuviel, indem sie zahlreiche, dem gleichen Zwecke dienende Verfahren besprechen und dem Leser die Auswahl auf Grund eigener Kritik mehr oder weniger überlassen. Andererseits gehen sie vielfach vom Standpunkte des erfahrenen und technisch geübten Arztes aus und übergehen infolgedessen manche Einzelheiten, die für den Geübten keiner Erörterung bedürfen, dem weniger Erfahrenen aber fremd sind. Demgegenüber sollen die folgenden Anleitungen nur wenige, ausgewählte Verfahren behandeln, die möglichst einfach, für den gegebenen Zweck aber ausreichend und allgemein anwendbar sind, und gerade auch die kleinen Handgriffe schildern, welche die Ausführung erleichtern. Wenn neben den technischen Darlegungen Hinweise auf das Verhalten des Arztes dem Kranken gegenüber häufig wiederkehren, so hat das seinen Grund darin, daß mir mangelndes Verständnis in dieser Richtung immer wieder entgegengetreten ist. Der Leitfaden sollte September 1914 druckreif sein, die Überarbeitung der damals nahezu fertigen Niederschrift konnte aber erst jetzt erledigt werden. Immerhin hatte diese Verzögerung den Vorteil, daß ich im Kriege gesammelte Erfahrungen noch berücksichtigen konnte. Im Felde, September 1916. H. Stursberg.

Vorwort zur zweiten Auflage. Die günstige Aufnahme, die der vorliegende Leitfaden gefunden hat, gab mir die Berechtigung, in der zweiten Auflage an den bei seiner Ausarbeitung maßgebenden Grundsätzen festzuhalten. Verfahren, die mehr in das Gebiet des Facharztes fallen, habe ich auch jetzt unberücksichtigt gelassen, dagegen hat die Blutübertragung durch Vereinfachung der Technik in den letzten Jahren auch für die allgemeine ärztliche Tätigkeit an Bedeutung gewonnen, so daß ich ihr eine kurze Darstellung widmen mußte. Leider erscheint diese Auflage zu einer Zeit, in der die unsinnige Steigerung der Papierpreise und Druckkosten ihre Wirkung auf die Höhe des Preises in unangenehmer Weise geltend macht. Gleichwohl schien es dem Verlage und mir richtig, die zweite Auflage herauszugeben. Denn mit einer Besserung der Verhältnisse ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen und Arzt und Student werden wegen des unerschwinglichen Preises größerer Werke künftighin mehr und mehr auf kurze Leitfäden angewiesen sein. B o n n , im Dezember 1922. H. Stursberg.

Inhaltsverzeichnis. Vorwort

Seite

Punktionen und Einspritzungen i Allgemeine Regeln i Unterhautgewebe 10 Dränage des Unterhautgewebes 10 Schnittverfahren zur mechanischen Entfernung von Odem 15 Einspritzung in das Unterhautgewebe 16 E i n s p r i t z u n g in Muskeln 26 V e n e n p u n k t i o n u n d E i n s p r i t z u n g i n die B l u t b a h n 28 Venenpunktion 28 Einspritzung in die Blutbahn 32 Aderlaß 36 Blutentziehung durch das Schröpfverfahren 39 Blutübertragung (Transfusion) 40 Autotransfusion 42 P u n k t i o n der großen Leibeshöhlen 42 Punktion des Rippenfellraumes 42 Behandlung eitriger Rippenfellergüsse 63 Herzbeutelpunktion 73 Bauchpunktion . 76 P u n k t i o n e n und E i n s p r i t z u n g e n bei E r k r a n k u n g e n des N e r v e n s y s t e m s 86 Punktion des Wirbelkanals 86 Einspritzung in den Lumbaisack 99 Einspritzung in den Kreuzbeinkanal 100 Einspritzung auf Nervenstämme 104 örtliche Behandlung der Speiseröhre und des Magens 106 S o n d i e r u n g b e i E r k r a n k u n g e n d e r S p e i s e r ö h r e . . 107 A u s h e b e r u n g u n d S p ü l u n g des M a g e n s 117 Darmeingiefiung Hauptarten von Einlaufen Entleerende Einläufe Medikamentöse Einläufe Zur Aufsaugung bestimmte Einläufe

129 134 134 138 141

X

INHALTSVERZEICHNIS. Seite

Anwendung des Katheters und örtliche Behandlung der Harnblase K a t h e t e r e i n f ü h r u n g beim W e i b e K a t h e t e r e i n f ü h r u n g beim Manne Kathetereinführung unter regelwidrigen Bedingungen . . bei starker Vorwölbung des Leibes bei Prostatavergrößerung bei Verengerungen der Harnröhre G e f a h r e n der K a t h e t e r a n w e n d u n g Blasenspülung D r ä n a g e der B l a s e d u r c h V e r w e i l k a t h e t e r Blasenstich

147 151 152 158 158 160 164 165 167 170 171

Abbildungen. Seite

A b b . i. Anfassen der Hohlnadel „ 2. Curschmannsche Kanüle „ 3. Einstich mit Curschmannscher Kanüle. „ 4. Rekordspritze „ 5. Einspritzung unter die Haut „ 6. Infusionsgerät „ 7. Gebläsevorrichtung zur Einspritzung „ 8. Einspritzung in die Gesäßmuskeln „ 9. Hohlnadel für Einspritzungen in die Blutbahn „ 10. Venenpunktion „ 11. Schröpfkopf zur Blutentnahme „ 12. Brustquerschnitt. . . . „ 13. Rippenfelltroikart „ 14. Saugspritze für Rippenfellpunktion „ 15. Dreiwegehahn „ 16. Saugflasche „ 17. Rippenfellpunktion „ 18. Anfassen des Troikarts beim Einstich „ 19. Bülausche Dränage „ 20. Bülausche Dränage „ 21. Bauchtroikart ,, 22. Haltung des Bauchtroikarts beim Einstich ,, 23. Druckverband fiir Bauchpunktion „ 24. Lumbalpunktionsnadel und Steigrohr „ 25. Röntgenbild der unteren Lendenwirbel 26. Einstich bei Lumbalpunktion, schematisch „ 27. Lagerung des Kranken bei Lumbalpunktion „ 28 a, b, c. Verschiedene Kreuzbein formen >, 29. Einstich in den Kreuzbeinkanal, schematisch „ 30. Einführung des Magenschlauches „ 31a, b. Speiseröhrensondierung, schematisch . ,, 32. Gerät zur Magenspülung ,, 33. Haltung des Trichters bei der Magenspülung ,, 34. Mundöffner ,, 35. Gummikeil zum Offenhalten des Mundes „ 36. Beutelspritze „ 37. Glyzerinspritze „ 38. Gerät zum Tropfeinlauf „ 39. Glaskugel zur Tropfeinlaufvorrichtung

4 11 13 17 19 21 22 26 29 31 39 46 48 50 50 51 53 56 68 68 78 82 83 88 89 90 92 102 103 m 113 120 123 127 128 132 •• 136 142 142

ABBILDUNGEN.

XII

Seite

Abb. „ „ „ „ „ „ „ ,, „

40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49.

Schraubenklemme dazu Vorrichtung für Tropleinläufe nach Braun Männlicher und weiblicher Katheter Geknöpfter K a t h e t e r Kathetereinführung I Kathetereinführung I I Kathetereinführung I I I Kathetereinführung I V Prostatahypertrophie, schematisch Prostatakatheter

143 143 149 150 155 156 157 157 159 160

Punktionen und Einspritzungen. Als . . P u n k t i o n " wird jeder Eingriff bezeichnet, bei dem eine Hohlnadel oder ein ähnliches Instrument unter Durchbohrung der Haut in das Innere des Körpers eingeführt wird, um eine Flüssigkeit zu entnehmen oder Arzneimittel usw. zuzuführen. Die weitgehende Ähnlichkeit des Vorgehens in beiden Fällen läßt die gemeinsame Besprechung der einfachen und der mit Einspritzungen verbundenen Punktionen berechtigt erscheinen.

Allgemeine Regeln. Bei Ausführung a l l e r Punktionen und Einspritzungen sind gewisse Grundregeln zu beachten, die übrigens auch für andere operative Eingriffe Gültigkeit haben. Sie sollen deshalb zunächst besprochen werden.

Verhalten dem Kranken gegenüber. Für den nicht bewußtlosen Kranken ist j e d e r Einstich, auch wenn er mit ganz feiner Nadel ausgeführt wird, unangenehm, und es tritt im Gegensatz zu manchen anderen Verfahren keine Gewöhnung an den Eingriff ein. Im Gegenteil schrecken empfindliche Kranke nicht selten vor der Wiederholung eines Einstiches zurück, nachdem er einige Male ausgeführt wurde. Deshalb mache man sich zunächst klar, ob der Eingriff nach Lage des Falles als dringend erforderlich bezeichnet werden muß oder ob man nicht mit anderen Maßnahmen den gleichen Erfolg erzielen kann. Bei Kranken mit widerstandsfähigem Nervensystem wird man sich im ganzen leichter zu einer Punktion usw. entschließen als bei ängstlichen, nervösen Menschen, bei denen jedesmal zu überlegen ist, ob der Nutzen, den der Eingriff bringt, nicht durch die damit verbundene schädliche Erregung aufgehoben wird. S t u r s b e r g , Techcik.

i . Aufl.

I

2

PUNKTIONEN

UND

EINSPRITZUNGEN.

Die Gepflogenheit mancher Ärzte, möglichst viele Arzneimittel, auch solche, die vom Magen aus ebensogut wirken, durch Einspritzung beizubringen, ist nicht zu billigen. Nur dann soll von letzterer Gebrauch gemacht werden, wenn die Zuführung vom Magen aus nicht möglich oder nicht zweckmäßig ist oder wenn die schnellere und stärkere Wirkung der Einspritzung ausgenutzt werden soll.

Erst nach Erwägung der besprochenen Vorfragen macht man dem Kranken Mitteilung von dem beabsichtigten Vorgehen und läßt, wenn es sich nur um eine einmalige Maßregel handelt, der A n k ü n d i g u n g d e n E i n g r i f f m ö g l i c h s t b a l d f o l g e n , weil die Zeit bis zur Ausführung einer auch noch so unbedeutenden „Operation" für ängstliche Menschen oft unangenehmer ist als diese selbst. Die zur Feststellung der Punktionsstelle etwa notwendigen Untersuchungen sollen möglichst schon ausgeführt werden, bevor derKranke weiß, worum es sich handelt. Auch dadurch erspart man ihm manche unangenehme Empfindung. Unmittelbar vor der Ausführung des Eingriffes genügt dann eine kurze Untersuchung, um den Ort des Einstiches endgültig zu bestimmen. Die notwendigen Geräte sind mit größter Sorgfalt auszuwählen und vorzubereiten. D e n n n i c h t s i s t f ü r d e n K r a n ken u n a n g e n e h m e r und a u f r e g e n d e r , als w e n n im l e t z t e n A u g e n b l i c k noch solche h e r b e i g e h o l t oder Änderungen an den v o r h a n d e n e n v o r g e n o m m e n werd e n m ü s s e n . Aus dem gleichen Grunde vermeide man es, das erforderliche Gerät längere Zeit vor Ausführung des Eingriffes in das Krankenzimmer bringen zu lassen oder es gar in Gegenwart des Kranken auf seine Brauchbarkeit zu prüfen. Falls der Kranke zur Ausführung des Eingriffes in eine andere Lage gebracht werden muß, sind etwa erforderliche Kissen usw. bereit zu halten. Für gute Beleuchtung, hinreichenden Raum für Arzt und Hilfspersonen sowie für einen bequem erreichbaren Tisch zum Abstellen des Gerätes ist nach Möglichkeit zu sorgen. Man hüte sich, durch unüberlegte Bemerkungen über den vorzunehmenden Eingriff den Kranken zu ängstigen, und beantworte Fragen nach Schmerzhaftigkeit usw. mit großer Vorsicht. Wieweit man den Kranken darüber sowie über etwaige Gefahren und Nachwirkungen aufklären soll, ist eine Frage des ärztlichen Taktes, die nur von Fall zu Fall beantwortet werden kann. Immerhin wird man gut tun, bei jedem nicht ganz unbedeutenden Eingriff einen verständigen Angehörigen des Kranken über

VORBEREITUNG die G e f a h r e n , die M ö g l i c h k e i t um gegebenenfalls

gedeckt

DES

3

EINGRIFFS.

des M i ß l i n g e n s u s w .

zu

aufzuklären,

sein.

E n d l i c h sei n o c h darauf h i n g e w i e s e n , d a ß der K r a n k e soweit fenden

entkleidet Eingriff

werden

soll,

unerläßlich

wie

ist.

es

für

Eine

nur

den

betref-

unnötige

Entklei-

d u n g wird nicht nur v o n vielen K r a n k e n , besonders von Frauen, sehr p e i n l i c h e m p f u n d e n , sondern k a n n a u c h bei l ä n g e r d a u e r n den E i n g r i f f e n d u r c h s t a r k e A b k ü h l u n g s c h ä d i g e n d

wirken.

Mit der Möglichkeit einer O h n m a c h t s a n w a n d l u n g m u ß man auch bei anscheinend k r ä f t i g e n Menschen schon bei einfachen Punktionen usw. rechnen u n d d u r c h g e e i g n e t e L a g e r u n g , Bereitstellung von Hilfe usw. d a f ü r sorgen, d a ß der K r a n k e in einem solchen Falle keinen Schaden erleidet.

Vorbereitung des Eingriffs. J e d e r die H a u t d u r c h b o h r e n d e E i n s t i c h k a n n bei u n v o r s i c h tigem

Vorgehen

Krankheitskeime

in d e n

Körper

einschleppen.

D i e d a d u r c h b e d i n g t e G e f a h r ist u m so größer, j e e m p f i n d l i c h e r g e g e n e i n d r i n g e n d e K e i m e die K ö r p e r h ö h l e ist, w e l c h e r der E i n stich gilt, aber auch gewebe

kann

zu

strenge Wahrung Eingriffe

ein e i n f a c h e r E i n s t i c h i n d a s

Abszeßbildung

usw.

der A s e p s i s

unbedingt

führen.

auch

bei

dem

ist

kleinsten

notwendig.

D e r D u r c h f ü h r u n g dieser F o r d e r u n g , oft nicht genügend

Unterhaut-

Deswegen

beachtet

die

erfahrungsgemäß

wird, dienen folgende

Maßregeln:

i . Sorgfältige Entkeimung aller Geräte. Sie g e s c h i e h t a m b e s t e n d u r c h A u s k o c h e n in W a s s e r , in d e m z w e c k m ä ß i g eine g e r i n g e M e n g e S o d a , e t w a i % , g e l ö s t w i r d . Sodazusatz

darf

nicht

zu

groß

sein,

weil

die

Geräte

Der

dadurch

s c h l ü p f r i g w e r d e n , f a l l s m a n sie z u m G e b r a u c h u n m i t t e l b a r a u s dem

Kochgefäß

mindestens beim

10

entnimmt. Minuten

Auskochen

Um

für

von

eilige

Die

Kochzeit

betragen.

Spritzen Fälle

vgl.

die

s o g l e i c h g e b r a u c h s f e r t i g zur H a n d sie n a c h

jedem

Gebrauche

gut

schließenden

im

allgemeinen

Vorsichtsmaßregeln

S . 17.)

Geräte,

besonders

Spritzen,

zu h a b e n , e m p f i e h l t es sich,

auszukochen,

oder k e i m f r e i e n T ü c h e r n a b z u t r o c k n e n freien,

soll

(Über

Behältern

mit

und

in

keimfreiem

aufzubewahren.

Kleine

Gegenstände, besonders Hohlnadeln und Spritzen, können in g e e i g n e t e n G e f ä ß e n in r e i n e m

Mull

ebenfalls keim-

Alkohol dauernd

auch

aufbewahrt

werden. 1*

4

PUNKTIONEN

UND

EINSPRITZUNGEN.

Hohlnadeln aus Platin-Iridium sind sehr b e q u e m , weil sie sich schnell und sicher durch Ausglühen keimfrei machen lassen, sie sind aber bei den heutigen Preisen unerschwinglich teuer. S t a h l n a d e l n d ü r f e n n i c h t ausgeglüht werden, weil sie d a d u r c h s t u m p f u n d weich werden. Kleine Hohlnadeln können m i t d e r S p i t z e n a c h o b e n im Reagenzglas ausgekocht werden.

Fehlt es an Zeit oder ist Auskochen des Gerätes aus anderen Gründen nicht möglich (z. B. bei Spritzen mit Hartgummifassung, deren Gebrauch allerdings besser ganz vermieden wird), so kann die Reinigung durch Abreiben oder bei Spritzen durch Einsaugen von Karbollösung, Alkohol oder anderen keimtötenden Mitteln vorgenommen werden. Metallgeräte dürfen nicht mit Sublimatlösung in Berührung kommen, da sie von ihr angegriffen werden. Bei Verwendung von Alkohol beachte man, daß er Lederdichtungen zum Schrumpfen bringt, manchmal auch

Abb. i . R i c h t i g , am Ansatzstück j F a l s c h , an der Nadel selbst angefaßte Hohlnadel. j angefaßte Hohlnadel.

die Befestigungsmittel, welche bei den Spritzen Glas- und Metallteile verbinden, löst und daß ei Eiweiß fällt. Aus letzterem Grunde ist vor dem Einsaugen einer eiweißhaltigen Lösung, z. B. eines Serums, der Alkohol durch Ausspritzen mit einer keimfreien Lösung, gekochtem Wasser, Borlösung usw. gründlich zu entfernen. E s sei a b e r b e s o n d e r s b e t o n t , d a ß die R e i n i g u n g der Geräte ohne A u s k o c h e n n u r als N o t b e h e l f , nicht als Regel gelten darf! Da die Entkeimung der H ä n d e nie m i t solcher Sicherheit möglich ist wie diejenige der Geräte, so gewöhne m a n sich daran, die letzteren n u r m i t e i n e r a u s g e k o c h t e n P i n z e t t e oder a n s o l c h e n S t e l l e n a n z u f a s s e n , die n i c h t m i t d e m K ö r p e r des K r a n k e n oder der e i n z u s p r i t z e n d e n F l ü s s i g k e i t in B e r ü h r u n g k o m m e n . Hohlnadeln z. B. dürfen nur am Ansatzstück (Abb. i), der Kolbenteil einer

VORBEREITUNG

DES

EINGRIFFS.

5

Spritze nur am Griff berührt werden, eine Regel, gegen die besonders von Anfängern sehr oft gefehlt wird. Metallgegenstände werden auch durch wiederholtes Auskochen nur wenig geschädigt, dagegen leiden Gummischläuche, weiche Katheter usw. ziemlich stark. Sie werden weich und schlaff, so daß z. B. ein Schlauch, der vor dem Kochen ein Glasrohr gut umschloß, nachher von ihm abgleitet. Aus diesem Grunde sind Schläuche, die mit Glaszwischenstücken usw. verbunden werden sollen, so eng zu wählen, daß sie vor dem Kochen nur schwer über das Glasrohr überzustreifen sind. Besonders werden Gummischläuchc an solchen Stellen geschädigt, die beim Auskochen an Metall- oder Glasteilen befestigt sind, und es ist deshalb besser, Ansatzstücke usw. erst n a c h dem Kochen mit den Schläuchen zu verbinden. Weich gewordene Gummischläuche klappen bei Erniedrigung des Innendruckes, z. B. beim Ansaugen eines Rippenfellergusses, ventilartig zusammen und sind daher für solche Zwecke nicht mehr brauchbar. 2. Entkeimung der einzuspritzenden Lösungen. A l l e zur E i n s p r i t z u n g b e s t i m m t e n L ö s u n g e n müssen sicher k e i m f r e i sein. Falls die zu verwendenden Arzneimittel durch Hitze nicht zersetzt werden, sind die Lösungen nach der Herstellung zu kochen, anderenfalls ist das Lösungsmittel vor Zusatz der keimfrei aufzubewahrenden Arzneimittel durch Kochen zu entkeimen, ebenso die zur Herstellung der Lösungen benutzten Gefäße usw. Tabletten, die zur Herstellung der Lösungen verwandt werdeil sollen, sind dem Behälter mit keimfreier Pinzette zu entnehmen. Zur Herstellung wässeriger Lösungen, von denen größere Mengen eingespritzt werden sollen, ist nur f r i s c h d e s t i l l i e r t e s Wasser zu verwenden, um den sog. W a s s e r f e h l e r , dessen Bedeutung aber wohl vielfach überschätzt wurde, zu vermeiden. Zur Lösung leicht zersetzlicher Arzneimittel, z. B. Salvarsan, benutzt man mit Vorteil das unmittelbar nach der Destillation in Glasröhren abgefüllte sog. A m p u l l e n w a s s e r (z. B . Marke A m p u w a von Fresenius).

Für viele Fälle ist die Verwendung der in zugeschmolzenen Glasröhren, sog. Ampullen, gebrauchsfertig gelieferten Lösungen trotz des höheren Preises empfehlenswert, vorausgesetzt, daß sie von zuverlässigen Fabriken hergestellt sind. Sera werden stets in gebrauchsfähigem Zustande geliefert. Die Behälter dürfen erst unmittelbar vor der Einspritzung geöffnet werden, Reste

6

PUNKTIONEN

UND

EINSPRITZUNGEN.

sind wegzugießen, da sie dem Wachstum von Bakterien außerordentlich günstige Bedingungen bieten. Bei Herstellung der einzuspritzenden Lösungen in der Apotheke ist auf die Notwendigkeit völliger Keimfreiheit hinzuweisen, gegebenenfalls mit dem Apotheker vorher Rücksprache zu nehmen. 3. E n t k e i m u n g der Einstichstelle und ihrer U m g e b u n g .

Das einfachste Verfahren zur Vorbereitung der Punktionsstelle ist die Bepinselung mit 5proz. J o d t i n k t u r . Man benutzt dazu kleine Wattebäusche, die um Holzstäbchen (im Notfalle genügt ein Streichholz) gewickelt sind, oder einen Pinsel aus gesponnenem Glase, wie er in der sehr bequemen Jodtinkturflasche „Steril" enthalten ist. Ein Nachteil der Jodtinktur besteht darin, daß sie die Haut derber und widerstandsfähiger macht und dadurch den Einstich etwas erschwert. In den meisten Fällen spielt dieser Umstand keine Rolle, nur bei der Venenpunktion wird er oft etwas störend empfunden. Beim Fehlen von Jodtinktur ist die Haut mit warmem Wasser und Seife, dann mit Alkohol oder Sublimatlösung (1:1000) zu behandeln. (Vgl. unter 4.) Abreiben mit Alkohol, Äther oder dem billigeren Benzin (im Not falle auch mit Kölnischem Wasser oder stark alkoholhaltigem Schnaps) genügt bei Vornahme einfacher Einspritzungen in das Unterhautgewebe. In allen anderen Fällen ist eines der ersterwähnten Verfahren vorzuziehen. Bei stärkerem Haarwuchs ist die Haut vor der Entkeimung zu r a sieren. 4. Reinigung der Hände des Arztes.

Die Entkeimung der Hände geschieht am bequemsten durch gründliches Bürsten mit Seifenspiritus, welches 5 — 1 0 Minuten lang fortzusetzen ist. Die Bürste muß keimfrei sein, also vor der Benutzung ausgekocht oder längere Zeit in Sublimatlösung eingelegt werden. Auf sorgfältige Reinigung der Fingernägel ist besonders zu achten. Steht Seifenspiritus nicht zur Verfügung, so bürstet man die Hände mit warmem Wasser und Seife mindestens 5 Minuten lang, dann nochmals ebenso lange mit Alkohol oder Sublimatlösung. Die Verwendung von keimfreien G u m m i h a n d s c h u h e n kommt für die hier zu besprechenden kleinen Eingriffe kaum in Frage, außer etwa bei der Punktion von eitrigen Rippenfellergüssen, wobei sie die Hand des Arztes vor Verunreinigung schützen. Bei ganz kleinen Eingriffen, z. B. Einspritzungen unter die Haut oder in eine Vene, kann man sich, falls Eile geboten ist, darauf beschränken, die Hände zu waschen und nach dem Abtrocknen die Fingerspitzen mit 5proz. Jodtinktur zu bepinseln, da bei richtigem Vorgehen nur diese mit den Geräten und der Haut des Kranken in Berührung kommen. Dieses abgekürzte Verfahren sollte aber nur in Ausnahmefällen benutzt werden!

AUSFÜHRUNG

DES

EINGRIFFS.

7

Ausführung des Eingriffs. Vor Ausführung des Eingriffes h a t man sich in jedem Falle die Frage vorzulegen: W i e l ä ß t s i c h d e r d a m i t v e r b u n d e n e Schmerz v e r r i n g e r n oder ganz v e r m e i d e n ? Ein Einstich mit dünner Nadel ist bei geschickter Ausführung und Beachtung der später zu besprechenden Vorsichtsmaßregeln so wenig schmerzhaft, daß schmerzstillende Mittel im allgemeinen als überflüssig anzusehen sind. Dagegen verursacht das Einstechen dicker Hohlnadeln und besonders der Troikarts o f t stärkere Schmerzen, welche die Anwendung solcher Mittel in vielen Fällen notwendig erscheinen lassen. A l l g e m e i n n a r k o s e oder D ä m m e r s c h l a f kommen f ü r die in Rede stehenden Eingriffe für gewöhnlich n i c h t in Frage. Denn die Gefahren, welche trotz sachgemäßer Ausführung eine Narkose mit sich bringt, stehen in keinem Verhältnis zu dem immerhin nicht übermäßigen Schmerz, den ein geschickt ausgef ü h r t e r Einstich verursacht. Sehr empfehlenswert ist es, bei erregbaren und ängstlichen Kranken vor Beginn der letzten Vorbereitungen eine kleine Gabe Morphium, Narkophin, Eukodal usw. darzureichen oder einzuspritzen oder eine kräftige Gabe Kodein zu geben. Die Kranken werden dadurch beruhigt und man h a t z. B. bei Rippenfellpunktionen gleichzeitig den Vorteil, daß nicht so leicht Hustenreiz entsteht. Wichtig ist es, den Kranken bei Verabfolgung des Mittels suggestiv zu beeinflussen, indem man ihm versichert, d a ß der Eingriff an und für sich k a u m nennenswerten Schmerz verursache u n d d a ß die dargereichte Arznei die Empfindlichkeit noch mehr herabsetze. Die A n w e n d u n g ö r t l i c h e r B e t ä u b u n g durch Gefrierenlassen der H a u t oder durch Einspritzung empfindungslähmender Mittel ist in vielen Fällen anzuraten, aber auch diese Verfahren haben gewisse Nachteile. Die gefrorene Haut bietet dem Einstich erheblich mehr Widerstand als die unveränderte Haut und infolgedessen muß beim Einstechen größere Kraft angewandt werden. Gleichzeitig — und darin liegt für manche Zwecke der wesentlichste Nachteil dieses Verfahrens — wird aber die Abtastung der tieferen Teile im Augenblick des Einstiches erschwert oder unmöglich gemacht und infolgedessen kommt es z. B. bei der Punktion des Rippenfells oder des Lumbaisackes viel leichter vor, daß die Nadel von der beabsichtigten Richtung abweicht und auf Knochen auftrifft. Dadurch werden aber bekanntlich sehr lebhafte Schmerz™ ausgelöst, die erheblich stärker

8

PUNKTIONEN

UND

EINSPRITZUNGEN.

sind als die beim Durchbohren der Haut ohne örtliche Betäubung eintretenden. Deshalb wenden wir das Gefrierverfahren nur noch in einzelnen Fällen, z. B. gelegentlich bei der Bauchpunktion, an. örtliche Betäubung durch Einspritzung setzt immer mindestens einen Einstich voraus. Ihre Verwendung bei kleinen Einstichen wäre daher sinnlos, um so mehr, als sie, wie übrigens auch die Gefvierung, oft einen nicht unbeträchtlichen Nachschmerz hinterläßt. Sie kommt demgemäß nur bei Einstichen mit dicken Troikarts oder Hohlnadeln in Frage, außerdem beim Aderlaß, falls die Kranken nicht benommen sind, und in solchen Fällen, in denen Abwehrbewegungen im Augenblicke des Einstiches unerwünscht sind (z. B. bei der Lumbalpunktion). örtliche Betäubung durch K ä l t e .

A m schnellsten und sichersten arbeitet der C h l o r ä t h y l s p r a y . Das Chloräthyl kommt in dünnwandigen Flaschen in den Handel, die am besten so eingerichtet sind, daß sich der Verschluß durch leichten Druck auf einen Hebel öffnet. Die Austreibung des Chloräthyls erfolgt durch den Druck der unter der Einwirkung der Handwärme gebildeten Dämpfe. Man faßt die Flasche in die volle Faust, drückt mit einem Finger den Hebel nieder und richtet den feinen, aus der kapillaren Öffnung austretenden Strahl aus etwa 30 cm Entfernung auf die Punktionsstelle, bis das plötzliche Weißwerden der H a u t den Eintritt der Gefrierung und damit der Empfindungslosigkeit erkennen läßt. D a der Zustand nur kurze Zeit anhält, muß der Einstich dann sofort erfolgen. Näher als auf den angegebenen Abstand heranzugehen, ist unzweckmäßig, weil die Gefrierung dann schlechter vor sich geht. Falls innerhalb der Flasche, wie das bei manchen Packungen der Fall ist, das Chloräthyl durch eine zur Austrittsöffnung führende Rühre aufsteigt, achte man darauf, daß deren Ende unter dem Flüssigkeitsspiegel bleibt. Da der feine Strahl bei ungünstiger Beleuchtung manchmal schwer sichtbar ist, hüte man sich, ihm eine falsche Richtung zu geben. Besonders die Augen sind sorgfältig vor ihm zu schützen. örtliche Betäubung durch

Einspritzung.

Als empfindungslähmendes Mittel dient für unsere Zwecke am besten eine L ö s u n g v o n N o v o k a i n , der eine geringe Menge Suprareninum synthet. zugesetzt werden kann. Sie läßt sich am bequemsten mit den K o v o k a i n - S u p r a r e n i nt a b l e t t e n A der Höchster Farbwerke herstellen, die 0,125 Novokain und 0,00012 synthetisches Suprarenin enthalten. Eine Tablette in 5 ccm destillierten und abgekochten Wassers gelöst, ergibt eine 2,5proz. Lösung. Zieht man Verwendung fertiger Lösung vor, so ist auf 50 ccm 2proz. Novokainlösung 1 ccm ( = etwa 16 Tropfen) synth. Suprareninlösung (1 :iooo) zuzusetzen.

AUSFÜHRUNG

DES

EINGRIFFS.

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Die Einspritzung geschieht mittels einer der später zu besprechenden Spritzen und feiner Nadel und soll i n , n i c h t u n t e r die Haut gemacht werden. Zu diesem Zwecke wird die Nadel im spitzen Winkel zur Haut nur soweit eingestochen, daß ihre Öffnung gerade unter der Oberfläche verschwindet. Wird dann der Stempel der Spritze ein wenig vorgeschoben, so daß i — 2 Tropfen ausfließen, so entsteht bei richtiger Lage der Nadelspitze sogleich eine gefühllose, blasse Quaddel. Genügt deren Umfang nicht zur Ausführung des beabsichtigten Eingriffes, so zieht man die Nadel heraus, sticht innerhalb des Umfanges der Quaddel, aber nahe ihrem Rande wieder ein und bildet durch erneutes Einspritzen einiger Tropfen eine weitere Quaddel, die sich zum Teil mit der ersten deckt. Auf diese Weise kann man eine größere Fläche unempfindlich machen, ohne mehr als einmal einen schmerzhaften Stich auszuführen. Zur Ausführung einer Punktion genügt meist eine einzelne Quaddel. Muß ein E i n s t i c h o h n e ö r t l i c h e B e t ä u b u n g ausgeführt werden, so ist die Stärke des dabei entstehenden Schmerzes vorwiegend von der Geschicklichkeit des Arztes abhängig. Daß alle Geräte, um ihn möglichst zu verringern, in gutem Zustande sein müssen, daß vor allem nur tadellos scharfe Nadeln usw. benutzt werden sollen, ist selbstverständlich. Es ist aber ratsam, vor dem Auskochen und außerdem unmittelbar vor der Anwendung die Geräte zu prüfen, da z. B. bei feinen Nadeln die Spitzen sehr leicht, schon durch ungeschicktes Hineinwerfen in das Kochgefäß, beschädigt werden können. Alle Einstiche werden, abgesehen v von einzelnen, später zu besprechenden Ausnahmefällen, r a s c h , m i t e i n e m R u c k ausgeführt. Vor allem darf die Nadel nicht, wie man es bei Anfängern manchmal sieht, langsam „eingebohrt" werden, da langsames Einstechen die Schmerzhaftigkeit ganz außerordentlich vermehrt. Während die Nadel in der Haut liegt, vermeide man unnötiges Hin- und Herschieben, weil j e d e Bewegung der Nadel Schmerzen macht. Bei Probepunktionen, bei denen j a ein Verschieben der Nadel manchmal nötig ist, beschränke man jedenfalls die Bewegung auf das unbedingt Notwendige. Wenn eine Nadel nach dem Einstiche längere Zeit liegen bleiben muß_(z. B. bei der Entleerung von Rippenfell- oder Bauchfellergüssen), so h a l t e m a n s i e d a u e r n d mit zwei Fingern der leicht auf den Körper des Kranken aufgestützten Hand

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f e s t , um Anspannung oder Zerrung der Haut durch die Nadel zu vermeiden. Denn wenn die Haut um die Nadel herum ganz gleichmäßig gespannt ist, wird das Liegen der Nadel kaum unangenehm empfunden, dagegen tritt sogleich Schmerz auf, wenn die Haut nur wenig verzogen wird. Endlich soll das H e r a u s z i e h e n d e r N a d e l ohne vorherige Ankündigung ebenfalls mit einem Ruck, nicht langsam erfolgen. Sie ist dann oft schon aus der Haut heraus, bevor der Kranke sich dessen bewußt wird.

Unterhautgewebe. Einstiche in das Unterhautgewebe kommen zu diagnostischen Zwecken nur ausnahmsweise in Betracht. In verhältnismäßig seltenen Fällen werden sie in Form der sog. D r ä n a g e zur mechanischen Entfernung von Flüssigkeitsansammlungen, bei weitem am häufigsten zwecks Ausführung von E i n s p r i t z u n g e n vorgenommen. Da das Verfahren in beiden Fällen erhebliche Verschiedenheiten aufweist, so ist getrennte Besprechung erforderlich.

Dränage des Unterhautgewebes. Anzeigen. Die Entfernung w a s s e r s ü c h t i g e r A n s c h w e l l u n g e n , die als Folge von Herz- oder Nierenerkrankungen entstanden sind, m u ß a u f m e c h a n i s c h e m W e g e v e r s u c h t werden, wenn ihre Beseitigung durch A n w e n d u n g von Herzmitteln, harntreibendenMitteln, schweißtreibend e n A n w e n d u n g e n , M a s s a g e usw. n i c h t g e l i n g t . Die Entscheidung \jber den richtigen Zeitpunkt zur Vornahme der Dränage ist nicht immer leicht. Da sie für den Kranken Unbequemlichkeiten und unter Umständen auch Schmerzen im Gefolge hat, und mit Rücksicht auf die leicht eintretenden Infektionen nicht ganz ungefährlich ist, soll man sie erst ausführen, wenn aller Voraussicht nach mit anderen Mitteln kein Erfolg mehr erzielt werden wird. Andererseits soll man aber mit der Dränage auch nicht bis zur völligen Erschöpfung des Kranken warten, weil sie, rechtzeitig angewandt, manchmal überraschende Besserungen herbeiführt. Man beobachtet nicht selten, daß die vor der mechanischen Entfernung der Flüssigkeit vergeblich angewandten Herzmittel nachher vorzüglich wirksam sind, zum mindesten aber wird die Verringerung der Anschwellungen in Fällen, in denen der Erfolg nicht so

DRÄNAGE DES UNTERHAUTGEWEBES.

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günstig ist, von dem K r a n k e n meist als erhebliche Erleichterung empfunden. Bei A n s c h w e l l u n g e n i n f o l g e ö r t l i c h e r H i n d e r n i s s e in der Blutbahn, Venenthrombosen usw., ist ein wesentlicher Nutzen v o n der Dränage im allgemeinen nicht zu erwarten. Erleichternd wirkt sie aber vielfach auch in solchen Fällen.

Gerät. Den früher verwendeten S o u t h e y s e h e n Troikarts (Röhrchen von i ' / i — 2 m m Durchmesser und 3 — 4 cm L ä n g e ) sind die von C u r s c h m a n n angegebenen Troikarts (Abb. 2), vorzuziehen. Sie bestehen aus einem e t w a 5 — 6 cm langen Röhrchen von flachovalem Querschnitt, dessen oberes Ende einen W u l s t zur Befestigung des Schlauches trägt, während am vorderen Ende eine A n z a h l kleiner seitlicher Öffnungen den Eint r i t t der Gewebsflüssigkeit erleichtern. D a s vordere E n d e ist außerdem an den Schmalseiten geschlitzt und legt sich federnd um das in die K a n ü l e passende Stilett. Dessen lanzenförmige zweischneidige Spitze, hinter der das dünnere Mittelstück beginnt, muß bei richtig gearbeiteten Troikarts das vordere E n d e des Röhrchens ringsum etwas überragen. A l s Handgriff dient der plattenförmige, auf der Fläche etwas ausgehöhlte K n o p f des Stiletts. Der S c h l a u c h , welcher nach A u s f ü h r u n g der P u n k t i o n mit der Kanüle verbunden wird, soll e t w a i l / j m lang und so eng sein, d a ß er nach dem Überschieben über den W u l s t der K a n ü l e luftdicht schließt (vgl. S. 5). W e r d e n 2 Röhrchen gleichzeitig eingelegt, so empfiehlt sich die Verwendung eines T - S t ü c k s aus Glas, mit dem die v o n beiden ausgehenden Schläuche verbunden werden, während nur ein Schlauch die Flüssigkeit weiterführt. Ort des Einstiches. B e i der W a h l der Einstichstelle sind folgende Gesichtspunkte zu beachten: 1. Der Einstich soll in stark ödematöses Gewebe eindringen, weil nur dann guter Abfluß zu erwarten ist. 2. Die Einstichstelle soll möglichst abhängig liegen, es dürfen aber keine Stellen benutzt werden, mit denen der Kranke bei Rückenlage aufliegt. 3. Sie soll nicht über oberflächlichen Knochen liegen, weil anderenfalls die Kanüle nach Abfluß des Odems auf die Knochenhaut drücken und dadurch Schmerzen hervorrufen würde. Daß die Gegend der oberflächlichen Gefäße, der Nervenstämme usw. zu vermeiden ist, versteht sich von selbst. Demnach k o m m e n für die Einstiche nur d i e s e i t l i c h e n T e i l e der U n t e r s c h e n k e l m i t t e , der O b e r s c h e n k e l u n d d e s L e i b e s in Frage.

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Ausnahmsweise kann auch der H o d e n s a c k punktiert werden, falls er besonders stark angeschwollen ist. Im allgemeinen bringt aber reichlicher A b f l u ß an anderen Stellen auch den Hodensack zum Abschwellen, besonders wenn er mittels einer kleinen wattegepolsterten Pappschiene oder eines dick zusammengelegten Tuches hochgelagert wird. Außerdem hat die P u n k t i o n des Hodensackes den Nachteil, daß sich gerade hier die Stichöffnung o f t außerordentlich schlecht schließen läßt und d a ß die Nähe des A f t e r s leicht zu Verunreinigungen der Wunde führt, zumal bei benommenen Kranken.

Verjähren. Die Hautdränage kann sowohl beim liegenden wie beim sitzenden Kranken ausgeführt werden. Im letzteren Falle geht der Abfluß oft besonders gut vor sich. P e i n l i c h s t e W a h r u n g der A s e p s i s ist a u s s p ä t e r z u e r ö r t e r n d e n G r ü n d e n u n b e d i n g t e r f o r d e r l i c h ! Von örtlicher Betäubung ist im allgemeinen abzusehen. Wenn sie verlangt wird, so kommt nur der Chloräthylspray in Frage. Wir pflegen meist 2 Kanülen gleichzeitig einzulegen, je eine am Unterschenkel und am Oberschenkel oder auch beide am Oberschenkel. Der Abfluß ist dann meist reichlich, ohne indessen zu schnell vor sich zu gehen. Bei starker Spannung der Haut genügt auch schon eine Kanüle. Einlegen von zahlreichen Kanülen oder gleichzeitige Punktion an beiden Beinen empfiehlt sich, abgesehen von der Gefahr zu schnellen Abiließens, auch deshalb nicht, weil der Kranke dadurch genötigt wird, dauernd in derselben Lage zu verharren. Besonders der Zwang, die Beine stundenlang fast unbeweglich liegen zu lassen, wird meist sehr unangenehm empfunden. Beim E i n s t i c h wird der Knopf des Troikarts mit der rechten Hand so gefaßt, daß der Daumen auf der Höhlung der Platte aufliegt, während Mittel- und Zeigefinger beiderseits neben der Kanüle liegen (Abb. 3). Die Spitze wird o h n e D r e h u n g des Instrumentes (im Gegensatz zu dem Verfahren bei runden Troikarts!) im spitzen Winkel durch die Haut in das Unterhautgewebe eingestochen, am besten in der Richtung g e g e n den Lymphstrom, also von oben nach unten. D i e b r e i t e S e i t e d e r K a n ü l e soll n a c h dem E i n s t i c h der H a u t o b e r f l ä c h e a n l i e g e n , die Kanüle ist also schon beim Einstich entsprechend zu halten. Die richtige Lage durch Drehen der Kanüle nach dem Einstich herbeizuführen, ist wegen der großen Schmerzhaftigkeit dieses Vorgehens unzulässig. D a s A u f h e b e n e i n e r H a u t f a l t e , wie es bei Einspritzungen in das Unterhautgewebe üblich ist und auch für die Dränage empfohlen wird, ist bei der meist starken Spannung der zu punktierenden H a u t gewöhnlich nicht möglich, außerdem auch n i c h t e r f o r d e r l i c h , weil das

DRÄNAGE DES UNTERHAUTGEWEBES.

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ödematöse Unterhautgewebe eine dicke Schicht darstellt, so d a ß die Gefahr einer Verletzung tieferer Teile bei richtiger Stichführung nicht besteht.

Sollen zwei Kanülen eingelegt werden, so ist es ratsam, zunächst beide einzustechen und sie erst dann mit den ableitenden Schläuchen zu verbinden. Dies geschieht in der Weise, daß die Enden des ausgekochten und schon vor Ausführung des Einstiches mit Borwasser oder ausgekochtem Wasser gefüllten Schlauches (vgl. S. 55) unmittelbar nach Herausziehen des Stiletts über den Wulst der Kanüle gestreift wird. Dabei muß die Kanüle mit der einen Hand g u t f e s t g e h a l t e n werden, weil Verschieben der Kanüle heftige Schmerzen und unter Umständen Blutungen veranlaßt. Erst wenn die Schläuche gut mit den Kanülen verbunden sind, werden die Klemmen gelöst, da bei vorzeitigem Abfluß der in den Schläuchen enthaltenen Flüssigkeit die Heberwirkung verlorengehen würde. Das untere Ende des Schlauches wird mit einem kleinen Gewicht (z. B. dem Glasstöpsel einer Tropfflasche) beschwert und in ein auf dem Boden stehendes Gefäß eingetaucht, welches eine abgemessene Menge A b b . 3. keimfreier Sperrflüssigkeit enthält. Die Stichstellen werden mit Airol bestreut und mit einem kleinen Verband bedeckt, indem man eine etwa handtellergroße keimfreie Gazeplatte (mit ausgekochter Schere!) vom Rande her bis zur Mitte einschneidet und sie so um die Kanüle legt, daß diese sich in dem inneren Winkel des Schnittes befindet. Die Gaze wird mit einigen Heftpflasterstreifen befestigt. U m ein Abrutschen des Schlauches von der Kanüle zu verhindern, umwickelt man die Gegend der Verbindungsstelle mit schmalen Heftpflasterstreifen und bedeckt schließlich das Ganze mit einer lockeren, durch Heftpflaster befestigten Watteschicht, um Kanüle und Schlauch vor Druck zu schützen. Auch bei Anlegung des Verbandes sind aus den oben angegebenen Gründen Bewegungen der Kanüle sorgfältig zu vermeiden. Der ableitende Schlauch wird bei Anlegung der Dränage im B e t t an der Matratze befestigt, indem man ihn durch die Öffnung einer starken Sicherheitsnadel hindurchlegt oder um eine solche

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h e r u m s c h l i n g t . M a n b e a c h t e , d a ß er d a b e i n i c h t a b g e k n i c k t wird u n d d a ß zwischen der K a n ü l e und der Befestigungsstelle ein h i n r e i c h e n d l a n g e s S t ü c k frei b l e i b t , d a m i t d e r K r a n k e sich e t w a s b e w e g e n k a n n , ohne d e n S c h l a u c h a n z u s p a n n e n oder g a r d i e K a n ü l e herauszuziehen. D i e K a n ü l e n sollen i m a l l g e m e i n e n n i c h t l ä n g e r a l s 24 S t u n d e n l i e g e n b l e i b e n , n u r a u s n a h m s w e i s e ist diese Z e i t a u f 36 S t u n d e n z u v e r l ä n g e r n , w e n n d e r A b f l u ß n o c h n i c h t gen ü g t e u n d d e r V e r b a n d n o c h e i n w a n d f r e i ist. Bei der E n t f e r n u n g i s t w i e d e r s t r e n g a s e p t i s c h v o r z u g e h e n , die Stichöffnungen sind sorgfältig zu verbinden. N a c h s i c k e r n n i c h t zu g r o ß e r F l ü s s i g k e i t s m e n g e n s c h a d e t nichts, w e n n n u r ein h i n r e i c h e n d d i c k e r , g u t a u f s a u g e n d e r V e r b a n d a n g e l e g t ist. F l i e ß t v i e l F l ü s s i g k e i t n a c h , so d a ß d e r V e r b a n d s t a r k d u r c h f e u c h t e t wird, oder ist aus anderen Gründen das Nachsickern u n e r w ü n s c h t , z. B . b e i N e i g u n g z u E k z e m e n , so l e g t m a n einen D r u c k v e r b a n d w i e bei d e r B a u c h p u n k t i o n a n (S. 82). W e s e n t lich gefördert wird der Verschluß der W u n d e dadurch, d a ß man u n m i t t e l b a r nach dem Herausziehen der K a n ü l e für e i n i g e M i n u t e n mit d e m F i n g e r e i n e n D r u c k auf die G e g e n d d e s S t i c h k a n a l s ( n i c h t auf die S t i c h ö f f n u n g ) a u s ü b t . V e r l e t z u n g e i n e s B l u t g e f ä ß e s beim Einstich führt meist zu Gerinnung innerhalb der Kanüle, so daß kein Abfluß eintritt. Immerhin ist dies nicht regelmäßig der Fall, und es empfiehlt sich deshalb nicht, beim Ausfließen geringer Blutmengen aus der Kanüle etwa sogleich an anderer Stelle nochmals zu punktieren. Außerdem wird bei Anwendung von 2 Kanülen wohl nur selten in beiden Gerinnung eintreten. Stärkere Blutungen beobachtet man fast nie, sie würden durch Druck zu stillen sein. — D i e w e s e n t l i c h s t e Gefahr d e r D r ä n a g e b e s t e h t in d e r M ö g l i c h k e i t v o n l n f e k t i o n e n , die i n d e m d u r c h d i e F l ü s s i g k e i t s a n s a m m l u n g i n seiner W i d e r s t a n d s f ä h i g k e i t b e e i n t r ä c h t i g t e n G e w e b e sehr leicht haften. Besonders roseartige Zustände sind n i c h t g a n z selten. D i e N o t w e n d i g k e i t s t r e n g s t e r A s e p s i s m u ß deswegen immer wieder betont werden. Langes Liegenbleiben der K a n ü l e n begünstigt den E i n t r i t t v o n I n f e k t i o n e n u n d ist d e s h a l b , w i e s c h o n e r w ä h n t , zu w i d e r r a t e n . D a v o n , d a ß N i e r e n k r a n k e m e h r zu I n f e k t i o n e n n e i g e n a l s H e r z k r a n k e , h a b e n wir uns nicht überzeugen können. B e i sehr s c h n e l l e m A b f l u ß d e r G e w e b s f l ü s s i g k e i t k o m m t es in seltenen Fällen zu T r ü b u n g d e s B e w u ß t s e i n s , v e r b u n d e n m i t E r r e g u n g o d e r s o g a r l e i c h t e n Delirien, E r s c h e i n u n g e n , w i e

DRÄNAGE

DES

UNTERHAUTGEWEBES.

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sie übrigens gelegentlich auch bei schneller Aufsaugung großer Ergüsse und Ausscheidung durch die Nieren beobachtet werden. Eine ernste Bedeutung kommt diesen Störungen im allgemeinen nicht zu, man wird aber trotzdem gut tun, bei ihrem Auftreten den A b f l u ß sofort zu unterbrechen. Außer "der einfachen Dränage sind noch verschiedene andere Verfahren zur mechanischen Entfernung von Flüssigkeitsansammlungen aus dem Unterhautgewebe angegeben worden. Die Mehrzahl von ihnen bedient sich der Anlegung von Schnittwunden, durch wclche die Flüssigkeit aussickert. Sie alle haben den Nachteil, daß die Haut in großer Ausdehnung dauernd von Flüssigkeit befeuchtet ist, wodurch Ekzeme entstehen können, und daß der Verschluß der Wunden fast immer Schwierigkeiten bereitet. Die Infektionsgefahr ist unter diesen Umständen sicher nicht geringer als bei der Punktion, durch das Auftreten von Ekzemen wird sie sogar erheblich vermehrt. Die A r t der empfohlenen Einschnitte ist verschieden. Große, tief in das Gewebe dringende Schnitte werden wohl kaum noch benutzt, weil sie zu schmerzhaft sind. Kleine Einstiche sind nicht schmerzhafter als die Punktion, haben aber ihr gegenüber den Nachteil, daß die Flüssigkeit nicht abgeleitet werden kann. Dagegen sind für einzelne Fälle, besonders für Kranke, die durch Atemnot usw. gezwungen sind, dauernd zu sitzen, o b e r f l ä c h l i c h e R i t z u n g e n d e r H a u t , sog. Skarifikationen, als wenig schmerzhaftes und schnell wirkendes Verfahren brauchbar. Man stellt die Füße des in einem bequemen Lehnstuhl sitzenden Kranken auf eine niedrige hölzerne Fußbank, die in einer mit keimfreien Tüchern bedeckten Wanne (z. B. einer Sitzbadewanne) steht, und ritzt die vorher auf das sorgfältigste in der üblichen Weise vorbereitete Haut der Unterschenkel an mehreren Stellen mit einem bauchigen Messer. Ein besonderes „Skarifikationsmesser" ist überflüssig. Die 5—10 cm langen Schnitte sollen ähnlich wie bei der Impfung nur eben die Oberhaut durchdringen, eine Blutung darf bei richtiger Ausführung nicht eintreten. Stärkerer Druck auf das Messer ist zu vermeiden, da schon leichtes Hingleiten der Schneide über die infolge des Odems gespannte Oberhaut genügt, um sie zu durchtrennen. Die Gewebsflüssigkeit sickert sogleich aus den Schnitten aus und läuft in das untergestellte Gefäß ab. Die Beine des Kranken und die Wanne werden mit einem lose übergehängten keimfreien Tuche bedeckt, darüber zur Vermeidung stärkerer Abkühlung Wolldecken gelegt. Soll der Kranke später zu Bett gebracht werden, so ist unter den üblichen Vorsichtsmaßregeln ein aufsaugender Verband anzulegen.

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Einspritzungen in das Unterhautgewebe. E i n s p r i t z u n g e n „ u n t e r d i e H a u t " oder, richtiger ausgedrückt, ,,in d a s U n t e r h a u t g e w e b e " („subkutane Einspritzungen") werden fast ausschließlich angewandt, um dem Körper A r z n e i m i t t e l oder W a s s e r zuzuführen. Versuche, auf diesem Wege Nahrungsmittel in den Körper zu bringen, haben bisher keine so ermutigenden Erfolge gezeitigt, um sie zur allgemeinen Anwendung empfehlen zu können. (Über Wirkung der Unterhauteinspritzung und Dosierung der dazu geeigneten Arzneimittel vgl. S. 23.)

D a s V e r f a h r e n i s t j e n a c h der e i n z u s p r i t z e n d e n Flüssigkeitsmenge verschieden: Für k l e i n e M e n g e n bis zu 20, ausnahmsweise bis zu etwa 40 ccm wird die S p r i t z e , f ü r g r ö ß e r e M e n g e n , sog. Infusionen, eine T r i c h t e r - o d e r G e b l ä s e v o r r i c h t u n g benutzt. a) Einspritzung kleiner Flüssigkeitsmengen. Gerät. Spritzen mit Leder- oder Gummidichtung sollten nicht mehr verwendet werden, weil sie nicht sicher zu entkeimen sind und leicht undicht werden. A m besten haben sich S p r i t z e n m i t G l a s z y l i n d e r u n d M e t a l l k o l b e n bewährt, wie sie unter dem Namen „Rekordspritzen" in den Handel kommen. Eine kegelförmige Zuspitzung des vorderen Kolbenendes mit entsprechender Aushöhlung des vorderen Zylinderteiles (Monopolspritzen) ist zweckmäßig, weil sie die Entfernung der beim Aufsaugen der Lösung in die Spritze eingedrungenen Luftblasen wesentlich erleichtert (Abb. 4). Auch Glasspritzen mit Glaskolben sind gut brauchbar. Sie haben den Nachteil größerer Zerbrechlichkeit, dagegen den Vorteil, daß die Kolben nicht abschleißen, wie das bei vielgebrauchten Metallkolben manchmal der Fall ist. Die H o h l n a d e l n (vgl. S. 4), von denen mehrere von verschiedener Länge und Stärke erforderlich sind, sollen genau auf das Ansatzstück passen. Je kleiner die einzuspritzende Flüssigkeitsmenge ist, desto kürzer kann die Nadel sein. Bei größeren Mengen verdienen längere Nadeln, die natürlich entsprechend dicker sein müssen, den Vorzug. Für w ä s s e r i g e L ö s u n g e n sind f e i n e H o h l n a d e l n brauchbar, ö l kann n u r d y r c h N a d e l n m i t w e i t e r B o h r u n g eingespritzt werden. Die Nadel soll immer so dünn wie möglich gewählt werden, weil der Schmerz

EINSPRITZUNGEN IN DAS UNTERHAUTGEWEBE.

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beim Einstich um so geringer wird, je dünner die Nadel ist. Andererseits hüte man sich vor Verwendung zu dünner Nadeln, weil dadurch die Einspritzung erschwert wird. Im allgemeinen kommt der Praktiker mit je einer Spritze von i — 2 ccm und von 10 ccm Inhalt aus. Für besondere Zwecke, z. B. Gelatineeinspritzungen, ist noch eine Spritze von 20 ccm Inhalt angenehm. Die Einteilung der Spritzen in ccm oder bei kleinen Spritzen in 1/10 ccm ist oft sehr ungenau. Man tut deshalb gut, sich durch Wägung der mit Wasser gefüllten Spritze von cler Richtigkeit der Einteilung zu überzeugen, besonders wenn die Spritze zur Beibringung stark wirkender Mittel (». B. Tuberkulin, Skopolamin) benutzt werden soll.

Abb. 4. Behandlung der Spritzen und Nadeln. Glasmetallspritzen und Ganzglasspritzen sind vor dem Kochen auseinanderzunehmen, weil der Zylinder beim Erhitzen der zusammengesetzten Spritze infolge der ungleichmäßigen Dehnung des Kolbens und des Zylinders zersprengt werden würde. Solange nach dem Kochen der sehr genau eingeschliffene Kolben noch warm ist, paßt er oft nicht in den Zylinder, man lasse daher vor dem Zusammensetzen die Teile abkühlen. Um zu prüfen, ob eine Spritze „gut zieht", d. h. ob der Kolben sich dem Zylinder so dicht anlegt, daß neben ihm weder Luft noch Flüssigkeit durchdringen kann, verschließt man die Spritzenöffnung mit dem Finger und zieht dann den Kolben an. Kehrt er beim Loslassen sogleich in seine frühere Lage zurück, so ist die Spritze in Ordnung. Man hüte sich, ihn zurücks c h n e l l e n zu lassen, weil die Spritze dadurch zertrümmert werden kann. N a c h B e e n d i g u n g der E i n s p r i t z u n g i s t s o g l e i c h W a s s e r i n die S p r i t z e e i n z u s a u g e n u n d d a n a c h d e r K o l b e n h e r a u s z u n e h m e n . Denn durch das Eintrocknen salzhaltiger Lösungen wird der Kolben so fest an die Innenfläche S t u r s b e r g , Technik.

2. Aufl.

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des Glases angeheftet, d a ß seine Entfernung meist nur schwer, m a n c h m a l gar nicht gelingt. Noch gefährlicher sind in dieser Hinsicht eiweißhaltige Flüssigkeiten, deren Gerinnung zwischen K o l b e n und Zylinder eine Verbindung schafft, die o f t nur unter Zertrümmerung der Spritze gelöst werden kann. Manchmal gelingt die Lockerung des Zylinders durch Einlegen der Spritze in E i s oder in eine Kältemischung, in der sich das K o l b e n m e t a l l schneller u n d stärker zusammenzieht als der Glaszylinder. Auch Einlegen in Antiformin wird empfohlen. In die H o h l n a d e l n soll vor dem Kochen stets ein D r a h t von entsprechender Dicke eingeschoben werden. A u c h sie sind unmittelbar nach dem Gebrauch auszuspritzen. Stahlnadeln müssen n a c h d e m G e b r a u c h g e t r o c k n e t werden. Unterbleibt dies, so rosten die Nadeln von innen her durch und brechen beim Einstich ab, obwohl sie auf der Außenseite unbeschädigt erscheinen. D a s T r o c k n e n k a n n d u r c h längeres E r w ä r m e n auf e i n e m nicht z u heißen O f e n , d u r c h A u s s p r i t z e n mit A l k o h o l u n d Ä t h e r oder D u r c h b l a s e n m i t e i n e m D o p p e l g e b l ä s e geschehen. G a n z unzulässig ist d a s D u r c h b l a s e n m i t d e m M u n d , d a s a u ß e r d e m wegen des F e u c h t i g k e i t s g e h a l t s der A t e m l u f t seinen Z w e c k v e r f e h l t (vgl. a u c h S. 4).

Ort der Einspritzung. Kleine Flüssigkeitsmengen werden meist unter die H a u t der Arme eingespritzt, jede andere Stelle eignet sich aber ebensogut. Die Einspritzung schmerzstillender Mittel wie Morphium usw. am Orte des Schmerzes w i r k t höchstens durch die damit verbundene Suggestion stärker als diejenige a n anderen Stellen. F ü r Einspritzungen, die schmerzhaft sind oder zu örtlichen Reizungen zu führen pflegen (z. B . Tuberkulin), w ä h l t man nach Möglichkeit weniger empfindliche Gegenden, z. B. die R ü c k e n haut, falls es sich nicht u m einen bettlägerigen K r a n k e n handelt, d e m durch Schmerzen a m Rücken das Liegen erschwert werden könnte. Größere Flüssigkeitsmengen, z. B . Kochsalz- oder Gelatinelösungen, lassen sich am besten an Stellen m i t lockerem Unterhautgewebe einspritzen, also an den Oberschenkeln, an den seitlichen Teilen des Bauches oder an der Brust. L e t z t e r e ist aber bei allen Zuständen zu vermeiden, bsi denen die A t m u n g erschwert ist. Verfahren. N a c h Vorbereitung der Einstichstelle (vgl. S. 6) wird die einzuspritzende Lösung in die vorher geprüfte S p r i t z e eingesogen. Ist sie in einer weithalsigen Flasche enthalten, so k a n n m a n die Öffnung der Spritze unmittelbar eintauchen, anderenfalls saugt man durch die aufgesetzte Nadel ein.

EINSPRITZUNGEN

IN

DAS

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Vielfach empfiehlt es sich, besonders auch zur Entnahme von Flüssigkeit aus Ampullen, zugleich mit der zur Einspritzung erforderlichen Hohlnadel eine zweite, weite und lange Nadel auszukochen und diese zum A u f saugen zu benutzen. Die Füllung der Spritze gelingt dann viel schneller und bequemer. (Bei stark reizenden Mitteln ist dieses Verfahren auch aus anderen Gründen notwendig. Vgl. S. 35.) Will man den Inhalt einer Ampulle mit kurzer Nadel ansaugen, so hält man erstere mit der Öffnung nach abwärts und führt die Hohlnadel nur so weit ein, daß sie mit der Spitze in der Flüssigkeit liegt. D a s öffnen der Ampullen gelingt leicht durch Abbrechen des mit einer Feile angeritzten Halsteils. Letzterer kann vorher mit Alkohol oder Athcr abgerieben werden, uin etwa anhaftende Bakterien zu beseitigen.

Ist mit der Flüssigkeit L u f t eingedrungen, so hält man die Spritze senkrecht mit nach aufwärts gerichteter Nadel und schiebt den Kolben so lange vor, bis die L u f t entwichen ist und Flüssigkeit austritt. An der Zylinderwand haftende Luftblasen sind vorher durch leichtes Klopfen mit dem Fingernagel und durch Bewegungen der Spritze loszulösen. Wie bereits erwähnt, wird die Entfernung der L u f t durch Kegelform des Kolbens wesentlich erleichtert. Beim Einstich faßt man die Spritze leicht mit den Fingern der rechten Hand, hebt gleichzeitig mit der linken Hand eine Hautfalte auf und sticht die Nadel so ein, daß sie in der Längsrichtung der Falte parallel zur Oberfläche der umgebenden H a u t eindringt. Bei diesem Vorgehen kann die Nadel nur in das Unterhautgewebe, nicht in tiefere Teile gelangen (Abb. 5). Bevor man einspritzt, überzeugt man sich durch Abnehmen der Nadel oder A b b . 5durch leichtes Ansaugen, daß d i e N a d e l s p i t z e n i c h t in e i n e m B l u t g e f ä ß l i e g t . Erst dann wird der Stempel langsam vorgeschoben, bis die Spritze entleert ist. Will man nicht den ganzen Inhalt der Spritze einführen, so stellt man vor dem Einstich den Rand des Zylinders auf einen Teilstrich ein und schiebt von diesem aus den Kolben vor, bis die gewünschte Menge unter die H a u t eingedrungen ist. In solchen Fällen ist die Spritze schon beim Einstich so zu halten, daß die Einteilung gut erkennbar ist. Ist die Menge der einzuspritzenden Flüssigkeit größer als 2*

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UNTERHAUTGEWEBE.

der Inhalt der Spritze, so läßt man die eingestochene Nadel liegen, nimmt vorsichtig die Spritze ab, füllt sie von neuem, wenn nötig mit Hilfe einer zweiten (ausgekochten!) Nadel und setzt sie gefüllt wieder auf die in der Haut liegende Nadel auf. Flüssigkeitsmengen von mehr als 5 — 1 0 ccm werden nicht an einer umschriebenen Stelle eingespritzt, sondern auf eine etwas größere Fläche verteilt, was bei Benutzung einer langen Hohlnadel leicht gelingt. Man sticht die Nadel zunächst soweit wie möglich ein und kann dann durch allmähliches Zurückziehen und erforderlichenfalls Wiedervorschieben in etwas anderer Richtung die Flüssigkeit verteilen. Bei V o r n a h m e v o n M a s s e n i m p f u n g e n (gegen T y p h u s , Cholera usw.) benutzt man mit Vorteil eine 5 — 1 0 ccm-Spritze mit deutlicher 1 / J ccmTeilung und bereitet außerdem eine große Zahl von Hohlnadeln vor, die nach Verwendung sogleich wieder in einem bereitstehenden G e f ä ß ausgekocht werden. Man kann auf diese Weise eine Reihe von Leuten schnell hintereinander impfen, indem man die Spritze bis zur völligen Entleerung immer wieder m i t einer frisch ausgekochten Nadel für jeden einzelnen I m p f l i n g versieht.

Nach dem Herausziehen der Nadel drückt man für kurze Zeit etwas Verbandzeug fest auf die kleine Wunde, betupft sie mit Jodtinktur und bedeckt sie dann mit einem Heftpflasterstückchen. Bei Benutzung feiner Nadeln ist dieser Verschluß meist entbehrlich. Kleine Mengen von Salzlösungen werden vom Unterhautgewebe schnell aufgesaugt, so daß sich die Wirkung schon nach 5 — 1 0 Minuten bemerklich machen kann. Erheblich langsamer geht die Aufsaugung von eiweißhaltigen Lösungen, von Gelatine und von ö l vor sich. Beschleunigt wird sie durch die soeben geschilderte Verteilung der Einspritzung auf verschiedene Hautstellen oder bei wässerigen Salzlösungen durch leichtes Kneten der betreffenden Gegend. Letzteres Verfahren ist bei Einspritzung von öl, Gelatine und ähnlichen Mitteln zu vermeiden. b) Einspritzung großer Flüssigkeitsmengen (Infusion). Gerät. Der zur Einspritzung notwendige Druck wird, wie bereits erwähnt, nicht vermittels der Spritze, sondern entweder d u r c h die Schwere der F l ü s s i g k e i t selbst oder d u r c h A n w e n d u n g v o n L u f t d r u c k erzielt. Das erstgenannte Verfahren ist als das einfachere im allgemeinen vorzuziehen. Ein Trichter von etwa 300 ccm Inhalt oder besser ein mit entsprechender Teilung (von 10 zu 10 ccm) versehener Glas-

EINSPRITZUNGEN

IN

DAS

UNTERHAUTGEWEBE.

21

zylinder (Bürette) wird durch einen etwa i m langen, in der Mitte von einer Glasröhre unterbrochenen Gummischlauch mit einer kräftigen Hohlnadel von 6—8 cm Länge verbunden. Will man die Einspritzung beschleunigen, so ersetzt man das Glasrohr durch ein T-Stück aus Glas, welches durch Schläuche einen seits mit dem Glasgefäß, andererseits mit zwei Hohlnadeln in Verbindung gebracht wird. An den zu letzteren führenden Schläuchen sind Klemmen anzubringen (Abb. 6). Bei Einführung der Flüssigkeit durch Luftdruck bedient man sicheines i—2 Liter fassenden ziemlich dickwandigen Kochkolbens, der mit einem dreifach durchbohrten Gummistöpsel fest verschlossen wird (Abb. 7). Durch eine der Öffnungen wird ein Thermometer eingeführt, welches bis fast auf den Boden des Kolbens reicht und von außen abgelesen werden kann. D a es mit dem Kolben ausgekocht wird, muß seine — Teilung mindestens bis 100 0 reichen. Die zweite Öffnung nimmt ein Glasrohr auf, welches der Luftzufuhr dient und deshalb nur wenigin den Kolben hineinragt, die dritte endlich ein ebenfalls rechtwinklig abgebogenes Glasrohr, welches bis fast auf den Boden des Kolbens hinabreicht. Dies letztere wird in derselben Weise wie bei dem zuerst besprochenen Verfahren mit einer oder zwei Hohlnadeln

Abb. 6.

verbunden. Das kurze Rohr trägt einen etwas weiteren Ansatz, der, ziemlich fest mit Watte gefüllt, als Bakterienfilter für die durch das Doppelgebläse zugeführte L u f t dient. Die zu den Hohlnadeln führenden Schläuche werden auch bei dieser Anordnung mit Klemmen versehen. Nadeln, Schläuche und Trichter werden in der gewöhnlichen Weise ausgekocht. Auch die Infusionsflasche kann nach Abnahme der getrennt zu kochenden Schläuche mit ihrem In-

22

UNTERHAUTGEWEBE.

h a l t g e k o c h t oder m i t s ä m t l i c h e m Z u b e h ö r im strömenden D a m p f e n t k e i m t werden. D i e bisher besprochenen G e r ä t e h a b e n den Nachteil, d a ß die F l ü s s i g k e i t bis z u m Eindringen unter die H a u t einen schwer a b s c h ä t z b a r e n W ä r m e v e r l u s t erleidet. Diesem Ü b e l s t a n d e sucht das v o r k u r z e m v o n P u s t angegebene w ä r m e h a l t e n d e , r e g u l i e r b a r e I n f u s i o n s g e r ä t abzuhelfen (hergestellt v o n der F i r m a E r i c h K o e l l n e r - J e n a , v g l . D e u t s c h e med. W o c h e n s c h r i f t 1922, Nr. 17). E s besteht aus einer n a c h A r t der b e k a n n t e n T h e r m o s f l a s c h e n geb a u t e n B ü r e t t e u n d zwei ineinandergeschobenen Schläuchen und wird durch einen eingeschalteten H a h n so eingestellt, d a ß die Flüssigkeit bei einer E i n f ü l l w ä r m e v o n 4 5 0 C m i t 3 7 — 3 8 ° W ä r m e ausfließt.

y Abb. 7.

Verfahren. B e i B e n u t z u n g des Trichters oder der B ü r e t t e wird die einzuspritzende L ö s u n g , auf deren Keimfreiheit sorgfältig zu achten ist, d u r c h Einstellen der Fleische in warmes W a s s e r auf e t w a s mehr als

40° e r w ä r m t . S t ä r k e r e m W ä r m e v e r lust v e r s u c h t m a n durch Einhüllen der B ü r e t t e in wollene T ü c h e r u s w . v o r z u b e u g e n . W ä h r e n d des Einfüllens der L ö s u n g in den T r i c h t e r sollen die S c h l a u c h k l e m m e n geschlossen sein. U m die in den Schläuchen e n t h a l t e n e L u f t z u entfernen, wird der v o n einer Hilfsperson z u n ä c h s t tiefgehaltene T r i c h t e r n a c h ö f f n e n der K l e m m e n gehoben, bis alle L u f t ausgetrieben ist u n d F l ü s s i g k e i t aus den N a d e l n ausspritzt. J e t z t werden die K l e m m e n w i e d e r geschlossen und die N a d e l n , die v o r B e r ü h r u n g m i t nicht keimfreien G e g e n s t ä n d e n zu s c h ü t z e n sind, in der oben (S. 19) beschriebenen Weise eingestochen. Nach Ö f f n u n g der K l e m m e n fließt bei h o c h g e h a l t e n e m T r i c h t e r die L ö s u n g ein, u m so schneller, j e größer das Gefälle zwischen T r i c h t e r u n d N a d e l ist. B e v o r der T r i c h t e r sich g a n z entleert h a t , wird v o n der e r w ä r m t e n F l ü s s i g k e i t n a c h g e f ü l l t . D u r c h die eindringende F l ü s s i g k e i t wird die H a u t g e w ö l b t und gespannt. D a bei zunehmender S p a n n u n g E i n s p r i t z u n g erschwert, a u ß e r d e m aber u n t e r U m s t ä n d e n H a u t g e s c h ä d i g t wird, ist es notwendig, durch Verschieben

vordie die der

EINSPRITZUNGEN

IN

DAS

UNTERHAUTGEWEBE.

23

Nadeln (vgl. S. 20) die Flüssigkeit auf verschiedene Hautstellen zu verteilen. Dadurch wird gleichzeitig, wie bereits erwähnt, die Aufsaugung erleichtert. Nach Beendigung der Einspritzung werden die Stichstellen mit Jodtinktur betupft oder mit Airol bestreut und mit einem kleinen Verband aus keimfreiem Mull und Heftpflaster oder mit einem kleinen Streifen des gebrauchsfertigen Vulnoplastverbandes bedeckt. B e i V e r w e n d u n g des G e b l ä s e s wird die Lösung durch Einstellen der Flasche in warmes Wasser oder über einer Flamme erwärmt. Die Luft wird aus den Schläuchen entfernt, indem man bei hochgehaltenen Nadeln und geöffneten Klemmen das Gebläse in Tätigkeit setzt, bis Flüssigkeit aus den Nadeln ausspritzt. Im übrigen verfährt man wie bei Verwendung des Trichters. Es ist besonders darauf tu achten, daß das Gebläse stets an dem richtigen Ciasrohr angebracht ist und daß die Nadeln vor völliger Entleerung der Flasche aus der Haut herausgetogen werden, da man anderenfalls Luft in das Gewebe treibt/

Gefahren sind mit der Einspritzung in das Unterhautgewebe bei richtigem Vorgehen nicht verbunden. I n f e k t i o n e n lassen sich durch sauberes Arbeiten mit Sicherheit vermeiden. Nur nach Einspritzung großer Mengen von öl, z. B. Kampferöl, kommt es gelegentlich zu Eiterbildung trotz sorgfältigsten Vorgehens. Ob es sich dabei jedesmal um eine Infektion handelt oder ob auch eine „aseptische Eiterung" vorliegen kann, muß dahingestellt bleiben. U n b e a b s i c h t i g t e s E i n d r i n g e n öliger oder starkwirkender Lösungen i n V e n e n könnte Schädigungen veranlassen, es kann aber nur dann zustande kommen, wenn die oben (S. 19) erwähnten Vorsichtsmaßregeln, Abnehmen der Spritze oder Ansaugen nach Einstechen der Nadel, nicht beachtet werden. W i r k u n g und D o s i e r u n g v o n A r z n e i m i t t e l n bei E i n s p r i t z u n g unter die Haut. Bei Einspritzung unter die Haut gelangen Arzneimittel unmittelbar und ganz oder fast ganz unverändert in die Blutbahn, während sie bei Darreichung durch den Mund der Einwirkung der Verdauungssäfte unterliegen und nach der Aufsaugung wenigstens teilweise durch die entgiftende Tätigkeit der Leber beeinflußt werden. Die Aufsaugung kleiner Mengen wässeriger Lösungen erfolgt vom Unterhautgewebe schneller als vom Magen aus, infolgedessen wird die Konzentration des Arzneimittels im Blute bei der Einspritzung größer. Bei der Bemessung der Gabe ist dieser Umstand zu berücksichtigen. E i n s p r i t z u n g u n g e e i g n e t e r Mittel u n t e r die H a u t vera n l a ß t h e f t i g e S c h m e r z e n , unter Umständen s c h w e r e E n t z ü n -

24

U N T E RHAUTGE WEBE.

d ü n g e n o d e r s o g a r B r a n d d e r b e t r e f f e n d e n H a u t s t e l l e n . Deswegen dürfen nur solche Mittel eingespritzt werden, deren wässerige oder ölige Lösungen e r f a h r u n g s g e m ä ß keine erheblicheren Reizerscheinungen hervorr u f e n . A u s g e s c h l o s s e n s i n d alle s t a r k s a u e r o d e r s t a r k a l k a l i s c h r e a g i e r e n d e n M i t t e l , s t a r k e S a l z l ö s u n g e n u n d b e s o n d e r s die M i t t e l d e r D i g i t a l i s g r u p p e , d i e a u c h in k l e i n s t e n M e n g e n s t a r k e S c h m e r z e n v e r u r s a c h e n können. Manche zur Einspritzung unter die H a u t ungeeignete Mittel können o h n e S c h a d e n in die M u s k e l n oder in die B l u t b a h n eingespritzt w e r d e n . W i c h t i g e für die Unterhauteinspritzung geeignete Mittel sind f o l g e n d e : 1. S c h m e r z s t i l l e n d e M i t t e l : Morphin, hydrockl. 0 , 0 1 — 0 , 0 3 ( ! ) : Narkophin Eukodal 0 , 0 1 — 0 , 0 2 ; Paramorfan. hydrochl. 0,02.

0 , 0 3 ; Laudanon

0,02;

2. H e r z - u n d Gefäßmittel: Kamp/er i n F o r m d e s Oleum camphor. forte ( 2 0 % ) . M a n k a n n d i e E i n s p r i t z u n g e n v o n i , o — 2 , 0 im Bedarfsfälle sehr oft wiederholen, h a l b s t ü n d l i c h b i s v i e r t e l s t ü n d l i c h . B e s s e r g i b t m a n a b e r in d e r a r t i g e n F ä l l e n g r ö ß e r e G a b e n v o n 5 , 0 — 1 0 , 0 in l ä n g e r e n A b s t ä n d e n . D i e W i r k u n g h ä l t t r o t z d e m an, d a die A u f s a u g u n g l a n g s a m erfolgt. Adrenalin i n F o r m d e s Suprareninum synth. ( H ö c h s t ) , 1 c c m der L ö s u n g 1 : 1000. D i e E i n s p r i t z u n g k a n n o f t w i e d e r h o l t w e r d e n , s t ü n d l i c h b i s h a l b s t ü n d l i c h . M a n c h m a l ist E i n s p r i t z u n g v o n A d r e n a l i n u n d K a m p f e r a b w e c h s e l n d z w e c k m ä ß i g . E s empfiehlt sich, z u n ä c h s t einen V e r s u c h m i t Einspritzung v o n 1 a c c m zu machen, u m festzustellen, ob das Mittel gut vertragen wird. Coffein, natr. salicyl. 0 , 1 — 0 , 2 5 in r c c m W a s s e r . ( Ä t h e r e i n s p r i t z u n g e n sind sehr s c h m e r z h a f t u n d w e n i g e r w i r k s a m als die g e n a n n t e n Mittel und sollten deshalb nicht a n g e w a n d t werden.) 3. B l u t s t i l l e n d e Mittel: Gelatine, 40 c c m e i n e r i o p r o z . L ö s u n g . W i r b e n u t z e n a u s s c h l i e ß l i c h d i e Gelatina alba pro injectione v o n M e r c k , d i e in z u g e s c h m o l z e n e n G l a s r ö h r e n geliefert w i r d u n d n a c h E r w ä r m u n g g e b r a u c h s f e r t i g ist. Gewöhnliche Gelatinesorten sind nicht selten durch Bakterienerzeugnisse verunreinigt und enthalten gelegentlich Tetanussporen! (Kalzine v g l . S . 28.) Bei B l u t u n g e n a u s d e r G e b ä r m u t t e r : Tenosin (Bayer) 1 ccm, a u c h in d e n M u s k e l ; Ergotin ( A m p h i o l e n ) 1 c c m , b e s s e r in d e n M u s k e l ; //} drastinin. hydrochl. (Bayer) 1 ccm der 2 proz. Lösung. 4. Anregungsmittel: Solarson ( A m m o n i u m s a l z der Heptinchlorarsinsäure), jeden zweiten T a g 1 c c m der S t ä r k e 1, i m Verlauf der K u r nötigenfalls auf S t ä r k e 2 steigen. Bei empfindlichen Kranken nur 2 Einspritzungen wöchentlich. Optarson ( M i s c h u n g v o n S o l a r s o n m i t S t r y c h n i n . n i t r . 0,001), j e d e n zweiten T a g 1 ccm. Strychnin. nitr. 0,0005—0,002. Tonophosphan ( ' / t — 1 proz. Lösung), 1 ccm. Astonin (Natr. monomethylarsenicic., Natr. glycerinophosph., Strychnin. nitr.) wie Optarson. 4.

Seltener benutzte

Mittel:

Atropin. sulfur. 0 , 0 0 0 5 — 0 , 0 0 1 (I) o d e r Eumydrin A s t h m a b r o n c h i a l e ; f e m e r b e i dieser E r k r a n k u n g

in g l e i c h e r G a b e bei

EINSPRITZUNGEN

IN

DAS

UNTERHAUTGEWEBE.

25

Asthmolysin, i ccm, oder Hypophysin, i ccm (letzteres besser in den Muskel einspritzen). Pilocarpin, hydrochl. 0,01—0,02 (!) als schweißtreibendes Mittel (Vorsicht !). Apomorphin. hydrochl. 0,003—0,01 als Brechmittel. Vorsicht wegen Kollapsgefahr! M a g e n s p ü l u n g i s t , w e n n a u s f u h r b a r , d e r A n w e n dung des Apomorphins vorzuziehen. Scopolamin. hydrobrom. 0,0003—o,ooos(!) als Beruhigungsmittel bei schweren Erregungszuständen, meist in Verbindung mit Morphium. In dieser Zusammenstellung auch zur Narkose benutzt (Skopolamin-MorphiumDämmerschlaf). Luminalnatrium, 1 — 2 ccm einer 2oproz. Lösung als Schlafmittel, ferner bei Epilepsie und Eklampsie. (Die Lösung m u ß nach besonderer Vorschrift hergestellt werden und hält sich nur etwa 2 Wochen.) Vasotonin l/3 Spritze ( = 0,02) steigend bis 1 Spritze ( = 0,06) als blutdrucksenkendes Mittel bei Arteriosklerose usw. 2 — 3 Einspritzungen wöchentlich. j. Spezifische

Mittel bei

Infektionskrankheiten.

Sera: Diphtherieheilserum. Vorbeugend 300—600 Einheiten, nach Ausbruch der E r k r a n k u n g 3000—6000 und mehr, besonders in schweren Fällen auch Einspritzung in die B l u t b a h n oder in Muskeln. Tetanusantitoxin, vorbeugend 20 I . E . Nach Ausbruch der E r k r a n k u n g besser intravenös und intralumbal. Antistreptokokkenserum Höchst 50 ccm. Pneumokokkenserum nach R ö m e r besser intravenös (vgl. S. 36). Meningokokkenserum besser intralumbal (vgl. S. 100). V o r jeder Serumeinspritzung ist festzustellen, ob der K r a n k e bereits früher eine solche erhalten hat. Zutreffendenfalls kann erneute Einspritzung a n a p h y l a k t i s c h e E r s c h e i n u n g e n auslösen, die lebensgefährlich werden können. Ist in derartigen Fällen die Einspritzung unbedingt nötig, so ist, wenn möglich, Serum einer anderen Tierart zu verwenden, z. B . bei einem früher mit von Pferden gewonnenem Diphtherieserum behandelten K r a n k e n Hammelserum. Steht ein solches nicht zur V e r f ü g u n g , so kann die Gefahr dadurch erheblich vermindert werden, daß man zunächst nur eine kleine Serummenge, 1 — 2 ccm, einspritzt und erst n a c h einer Reihe von Stunden die volle Gabe folgen läßt. Einspritzung in die B l u t b a h n und in die Muskeln ist in solchen Fällen unzulässig! Tuberkuline: Alttuberkulin, mit V1000 —V100 mf> beginnend, langsam steigend. Tuberculin Rosenbach 0,1, langsam steigend bis 0 , 5 — 1 , 0 . Näheres s. Spezialhandbücher. Typhus• und CAoieraschutzimpfung, vgl. Gebrauchsanweisung der verschiedenen Impfstoffe (Merck, Höchst). 6. Die zur unspezifischen R e i z k ö r p e r b e h a n d l u n g benutzten Eiweißstoffe können unter die Haut oder in die Muskeln eingespritzt werden, z. B. Abijon, 1 — 1 0 ccm, Caseosan 0 , 5 — 1 0 ccm. 7. F l ü s s i g k e i t s z u f u h r : Hierzu wird meist noch eine 0,9 proz. Kochsalzlösung in Menge von 500—1000 ccm benutzt. Ihr vorzuziehen ist eine Lösung von Normosal

26

E I N S P R I T Z U N G IN

MUSKELN.

(Sächsische Serumwerke Dresden) oder auch Ringerlösung (Chlomatrium 0,9%, Chlorkalium 0,042%, Chlorkalzium 0,024%, Natriumbikarbonat 0,03%). Diese Einspritzungen werden besonders bei Wasserverarmung des Körpers durch Blutverluste, unstillbares Erbrechen, Durchfälle usw. angewandt, wenn der Tropfeinlauf (S. 141) nicht ausfuhrbar oder schnelle Beibringung einer größeren Flüssigkeitsmenge erwünscht ist.

Einspritzung in Muskeln, Einspritzungen in Muskeln dienen lediglich der Zufuhr von Arzneimitteln und Serum. Größere Flüssigkeitmengen können auf diesem Wege nicht beigebracht werden. Ort der Einspritzung. A m besten eignen sich die Gesäßmuskeln und zwar sowohl der Glutäus maximus als der Glutäus medius. Die Gegend des letzteren zeichnet sich durch besondere Armut an Gefäßen und Nerven aus. Bei bettlägerigen Kranken, deren Zustand ein Herumlegen nicht gestattet, kann man ausnahmsweise auch in die vorderen und seitlichen Teile der Oberschenkelmuskeln einspritzen. Die am häufigsten ausgeführte Einspritzung in den großen Gesäßmuskel wird am bequemsten am stehenden Kranken vorgenommen, ist aber ebensogut bei Bauchlage möglich. Bei dem sogleich zu besprechenden Verfahren kann der Hüftnerv, der etwa in der Mitte zwischen Sitzknorren und großem Rollhügel verläuft, nicht getroffen werden. Abb. 8.

Zur Bestimmung der Einspritzungsstelle am mittleren Gesäßmuskel zieht man v o m äußeren Ende der Gesäßfalte nach aufwärts eine mit der Körperachse gleichlaufende Linie und bestimmt auf dieser den Punkt, der zwei Querfinger breit unterhalb des Darmbeinkammes liegt.

Gerät. Spritzen wie zur Einspritzung unter die Haut (S. 16). Nicht zu schwache Hohlnadeln von 5 — 6 cm Länge.

E I N S P R I T Z U N G IN

Verfahren.

Nach

Festlegung

27

MUSKELN.

der Einstichstelle und

Vor-

bereitung der H a u t wird mit der linken Hand ein möglickst dicker Muskelwulst gefaßt und von beiden Seiten her kräftig zusammengedrückt, so daß sich die Haut über ihm anspannt (Abb. 8).

Mit der rechten Hand faßt man die vorher fertigge-

machte Spritze und sticht die Nadel auf der Höhe des Wulstes senkrecht starkem

z u r H a u t o b e r f l ä c h e etwa 5 cm tief, bei sehr

Fettpolster noch tiefer, ein. Gesäßhaut

erheblichen

Langsamem

leistet

die

testen

wird

maßen

wie einen Pfeil ,,hineinschleudert."

sie durchbohrt,

wenn

Widerstand, man

die

Nadel

Einstechen am

leich-

gewisser-

Durch Abnehmen

der Spritze oder Ansaugen wird festgestellt, daß die Nadel nicht in einem Blutgefäß liegt, und dann erst wird eingespritzt. Bei wiederholten Einspritzungen benutzt man abwechselnd die beiden Gesäßhälften. Bei Einspritzung in die Oberschenkelmuskeln soll der Stich nicht senkrecht, sondern im spitzen Winkel geführt werden, weil anderenfalls die Nadel leicht auf den Knochen auftreffen könnte. Wirkung

und Dosierung

bei E i n s p r i t z u n g

von in

Arzneimitteln

Muskeln.

Die B e d i n g u n g e n f ü r d i e A u f s a u g u n g s i n d i n d e m g e f ä ß r e i c h e n M u s k e l g e w e b e g ü n s t i g e r als im Unterhautgewebe und demgemäß geht sie im ersteren schneller vor sich als im letzteren. Außerdem können m a n c h e M i t t e l , d e r e n E i n s p r i t z u n g u n t e r d i e H a u t s t a r k e örtliche R e i z u n g e n h e r v o r r u f t , ohne S c h a d e n in die Musk u l a t u r e i n g e s p r i t z t w e r d e n . Das gilt besonders von den Mitteln der Digitalisgruppe. Demgemäß können alle Mittel, die sich zur Einspritzung unter die Haut eignen, auch von der Muskulatur aus zugeführt werden, man wird aber, falls es nicht auf schnelle Aufsaugung ankommt, dem ersteren Verfahren als dem für den Kranken bequemeren den Vorzug geben. Ausschließlich wird die Einspritzung in die Muskulatur zur Beibringung u n l ö s l i c h e r Q u e c k s i l b e r s a l z e benutzt, z. B. von Hydrargyrum saltcyl. (1,0 in Schüttelmischung mit 10,0 Paraffin, liquid., davon beim ersten Mal 1/2, später 1 ccm alle 3—4 Tage, im ganzen 5—6 Einspritzungen), von g r a u e m Ol usw. Meist werden diese Einspritzungen gut vertragen, nur bei einzelnen Kranken entwickeln sich danach Infiltrate, die recht schmerzhaft sind und besonders das Sitzen erschweren. Die Ursache dieses Verhaltens ist nicht durchsichtig. Wird es nach den ersten Einspritzungen jedesmal beobachtet, so ist die Behandlung abzubrechen und ein anderer Weg zur Einführung des Quecksilbers zu benutzen (Schmierkur). Von Mitteln der Digitalisgruppe eignen sich dieselben zur Einspritzung in die Muskulatur, die auch in die Blutbahn eingespritzt werden können (vgl. S. 35).

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VENENPUNKTION.

Als zur Einspritzung geeignete harntreibende Mittel sind Euphyllin (3—4 mal täglich 1 ccm der in Glasröhrchen gebrauchsfertig gelieferten Lösung) und Novasurol zu nennen. Letzteres wird zunächst in einer Probegabe von 1 / t ccm, dann in der vollen G a b e von 1 ccm angewandt, auch als Quecksilberpräparat in der Syphilisbehandlung. Von sonstigen Mitteln seien noch e r w ä h n t : Fibrolystn (alle 2 — 3 T a g e 1 Ampulle = 2 ccm) und (vorwiegend als blutstillendes Mittel) Kalzine, bestehend aus Chlorkalzium ( 5 % ) und Gelatine. Die Gebrauchsanweisung ist genau zu beachten! (Vgl. auch S. 25, Sera.)

Venenpunktion und Einspritzung in die Blutbahn. Die zwecks Entleerung größerer Blutmengen vorgenommene Eröffnung einer Vene durch Schnitt, der A d e r l a ß , wird nur selten angewandt, dagegen sind V e n e n p u n k t i o n e n häufig erforderlich. Sie sollen an erster Stelle besprochen werden.

Venenpunktion. Anzeigen. Venenpunktionen werden zunächst zu d i a g n o s t i s c h e n Z w e c k e n , und zwar zur Entnahme kleiner Blutmengen für bakteriologische oder serologische Untersuchungen ( W a s s e r m a n n s c h e und W i d a Ische Reaktion usw.) benutzt. Sie verdienen hierbei den Vorzug vor allen anderen Verfahren, z. B. der Blutgewinnung durch Einstich in die Fingerkuppe, weil sie nicht wesentlich schmerzhafter sind, erheblich größere Blutmengen liefern und bakterielle Verunreinigungen des entnommenen Blutes viel sicherer vermeiden lassen. Bei der B e h a n d l u n g wird die Venenpunktion nur ausnahmsweise an Stelle des Aderlasses zur Entleerung größerer Blutmengen angewandt, viel häufiger zur Einführung von Arzneimitteln oder von Flüssigkeit in die Blutbahn. Auch Nahrungsmittel (z. B. Zuckerlösungen) und Blut können auf diesem Wege in den Körper eingebracht werden. Gerät. Zur B l u t e n t n a h m e ist eine H o h l n a d e l erforderlich, die ziemlich weit sein muß, weil andernfalls der Abfluß zu langsam erfolgt und leicht Gerinnung eintritt, bevor eine hinreichende Blutmenge entleert ist. Auch beachte man, daß die Spitze der Hohlnadel nicht zu lang zugeschliffen ist, weil dadurch die Gefahr des Durchstechens der hinteren Venenwand erhöht wird. Man läßt das Blut entweder unmittelbar aus der

EINSPRITZUNG

IN

DIE

BLUTBAHN.

29

Hohlnadel in ein geeignetes Gefäß (Reagenzglas, Zentrifugenglas, Meßzylinder) abfließen oder saugt es in eine S p r i t z e ein. Zur Entnahme kleinerer Blutmengen geben wir der letzteren den Vorzug. Zur Vornahme von E i n s p r i t z u n g e n in die Venen wird das gleiche Gerät benutzt wie für das Unterhautgewebe, also bei kleineren Flüssigkeitsmengen die S p r i t z e , bei größerer Menge (Infusion) die T r i c h t e r v o r r i c h t u n g . Die Verwendung des Gebläses ist zwar auch statthaft, aber weniger ratsam, da ein Versehen bei seiner Handhabung schwere Luftembolie zur Folge haben kann. Die H o h l n a d e l n sind je nach der Menge der einzuspritzenden Flüssigkeit auszuwählen. Für kleinere Einspritzungen verwenden wir die gleichen Nadeln wie zur Unterhauteinspritzung, und auch die Einspritzung größerer Flüssigr ^ M I J l M keitsmengen gelingt mit einer ~~ gewöhnlichen Hohlnadel gut, Abb. 9. wenn nur für feste Lagerung des Armes gesorgt und die Hohlnadel während der Einspritzung vom Arzte selbst sorgfältig in ihrer Lage festgehalten wird. Manche bevorzugen Kanülen, die besonders für die Verwendung bei der intravenösen Einspritzung hergestellt werden, z. B. die in Abb. 9 dargestellte. Sie besteht aus einer ziemlich starken Hohlnadel mit kurzer Spitze und kräftigem Ansatzstück. Letzteres ist so eingerichtet, daß sich seine untere Fläche beim Einstich flach auf die Haut auflegt, und trägt am hinteren Ende eine Öffnung zur Verbindung mit einem kegelförmigen Ansatz. Außer dem bisher besprochenen Gerät ist eine S t a u u n g s b i n d e erforderlich. Wir benutzen meist eine B i n d e a u s d ü n n e m G u m m i , die mit entsprechender Spannung mehrfach um den Oberarm gelegt und in der Weise befestigt wird, daß man das aufgerollte Ende der Binde unter die letzte Wicklung steckt. Beim Herausziehen der Rolle löst sich die Binde leicht. Eine gute Stauung läßt sich auch durch einen nicht zu dünnen G u m m i s c h l a u c h oder ein etwa 3 cm breites starkes G u m m i b a n d (Gummigurt) erzielen. Beide werden einmal um den Oberarm geschlungen und mit einer Schlagaderklemme befestigt, die man an der Kreuzungsstelle der beiden Enden anlegt. Beim Abnehmen der Klemme wird die Stauung augenblicklich aufgehoben.

30

VENENPUNKTION.

Bequem ist die von M o r i t z für die Venenpunktion angegebene Binde, die sich leicht anlegen und schnell öffnen läßt. Sie besteht aus kräftigem Gummigurt mit leicht zuziehbarer Schnalle und einem zweiten, durch zwei Druckknöpfe gebildeten Verschluß. Nach Umlegen der Binde werden die Knöpfe geschlossen und die gewünschte Spannung unter Benutzung der Schnalle hergestellt, öffnen der Druckknöpfe ermöglicht augenblickliche Lösung der Binde ohne Bewegung des Armes. Hat man einen R i v a - Roccischen Apparat zur Hand, so läßt sich die Stauung auch damit gut ausfuhren. I m Notfalle genügt ein Tuch, welches locker um den Oberarm geknotet und mit einem als Knebel dienenden Holzstäbchen angespannt wird. Das vielfach geübte Verfahren, durch eine Hilfsperson den erforderlichen Druck mit den Händen ausüben zu lassen, empfiehlt sich nur bei guter Entwicklung der Venen, die keine Schwierigkeiten bei der Punktion voraussehen läßt, und setzt gute Einübung der betreffenden Hilfsperson voraus. — F ü r die W a h l d e s O r t e s u n d für g e w i s s e V o r b e r e i t u n g e n g e l t e n bei der e i n f a c h e n P u n k t i o n u n d bei d e r E i n s p r i t z u n g dies e l b e n R e g e l n , die d e s h a l b z u n ä c h s t g e m e i n s a m b e s p r o c h e n w e r d e n sollen. Ort der Punktion. A m besten eignen sich die V e n e n d e r E l l e n b e u g e . D i e P u n k t i o n a n d e r e r V e n e n , z. B . a m H a n d oder F u ß r ü c k e n , ist m e i s t e r h e b l i c h schwieriger u n d k o m m t desh a l b nur in Frage, w e n n d i e e r s t e r e n a u s i r g e n d e i n e m G r u n d e nicht benutzt werden können. Bestimmte Vorschriften darüber, welche von den Venen der Ellenbeuge benutzt werden soll, lassen sich nicht geben, da die einzelnen Zweige des Geflechts bei verschiedenen Menschen ganz ungleichmäßig entwickelt sind. Man sucht diejenige Vene auf, die sich bei Anlegung der Stauung am besten füllt und am deutlichsten hervortritt. Bei geringem Fettpolster ist sie meist unschwer erkennbar, bei reichlicherem Fettpolster tastet man mit dem Finger die einzelnen Venen ab. Man erkennt hierbei die Beschaffenheit der einzelnen Gefäße oft wesentlich besser und findet manchmal noch eine Vene sehr gut verwendbar, die bei der Besichtigung kaum bemerkt wurde. Verfahren. O b die V e n e n p u n k t i o n a m l i e g e n d e n o d e r a m s i t z e n d e n K r a n k e n v o r g e n o m m e n wird, ist a b h ä n g i g v o n d e m Z u s t a n d e des K r a n k e n u n d d e m Z w e c k der P u n k t i o n . E i n f a c h e B l u t e n t n a h m e k a n n i m S i t z e n a u s g e f ü h r t , E i n s p r i t z u n g größerer F l ü s s i g k e i t s m e n g e n soll i m a l l g e m e i n e n i m L i e g e n v o r g e n o m m e n werden. B e i S a l v a r s a n e i n s p r i t z u n g e n gilt l e t z t e r e s a l s G r u n d s a t z . Bei erregbaren Kranken macht man auch eine einfache Blutentnahme besser im Liegen und verhindert, daß sie die Stelle des Eingriffes seheil können. Denn bei solchen Kranken, manchmal aber auch bei kräftigen Menschen, genügt nicht ganz selten der Anblick eines Tropfens eigenen Blutes, um eine Ohnmacht auszulösen. S o r g f ä l t i g e L a g e r u n g d e s A r m e s ist b e s o n d e r s bei E i n s p r i t z u n g e n w i c h t i g (Abb. 10). E r soll bei s c h w a c h e r B e u g u n g i m

EINSPRITZUNG

IN D I E

BLUTBAHN.

31

Ellenbogengelenk mit der Rückseite auf einem festen Kissen oder einem Sandsack liegen. Bei empfindlichen Kranken beschwert man das Handgelenk mit einem Sandsack oder läßt es durch die Hand einer Hilfsperson mit leichtem Druck halten. Handelt es sich nur um eine Blutentnahme, so genügt bei ruhigen Kranken meist eine leichte Unterstützung des frei gehaltenen Armes an Ellenbogen und Hand. V o r b e d i n g u n g für das l e i c h t e G e l i n g e n der P u n k t i o n i s t g u t e S t a u u n g d e r V e n e n . J e stärker sie durch das angestaute Blut gedehnt werden, desto weiter ist der Raum, in den die Nadel eindringen soll, und desto leichter gelingt es,

Abb.

10.

Venenpunktion.

ihn zu treffen. Die Punktion enger Venen ist besonders für den weniger Geübten oft recht schwierig. Um gute Stauung zu erzielen, muß die Binde so fest angelegt werden, daß d i e V e n e n v e r s c h l o s s e n w e r d e n , w ä h r e n d der P u l s in der S p e i c h e n s c h l a g a d e r u n v e r ä n d e r t f ü h l b a r b l e i b t . Treten trotz richtiger Anwendung der Binde die Venen nicht gut hervor, so kann man in vielen Fällen durch kräftiges Abreiben der Haut mit Äther oder Benzin eine Erweiterung veranlassen. Auch kräftige Muskelbewegungen, Faustballen und Fingerstrecken abwechselnd, befördern die Venenfüllung. E r s t wenn eine hinreichende Stauung erzielt und die geeignete Vene ausgesucht ist, wird die vorher abgeseifte Haut

32

VENENPUNKTION.

mit Alkohol oder Äther abgerieben und der E i n s t i c h vorgenommen. Dabei ist folgendes zu beachten: Die gestauten Venen sind besonders bei geringem Fettpolster in dem lockeren Unterhautgewebe sehr verschieblich und weichen daher der Nadel beim Einstich leicht aus. Um dies zu verhindern, legt man die Kuppen von zwei Fingern (Daumen und Zeigefinger oder Mittel- und Zeigefinger der linken Hand) etwas nach aufwärts von der Einstichstelle so auf, daß sich die Vene zwischen ihnen befindet (Abb. 10). Ein Druck a u f das Gefäß darf dabei aber nicht ausgeübt werden, auch nicht durch Anspannung der Haut, weil dadurch das Blut verdrängt und die Punktion erschwert werden würde. Besonders günstig für den Einstich sind Gabelungen der Venen. Wenn man in der Spitze ihres Winkels einsticht, ist ein Ausweichen der Vene nicht möglich. Die Spritze oder Hohlnadel wird in derselben Weise gefaßt wie bei der Einspritzung in das Unterhautgewebe und i n d e r L ä n g s r i c h t u n g der Vene in Richtung des Blutstroms eingestochen. Die Einstichstelle soll genau über der Mitte der Vene liegen. Je dünner die Haut, je schwächer das Fettpolster und je enger die Vene ist, desto flacher muß eingestochen werden, weil andernfalls die hintere Wand der Vene mitdurchbohrt werden könnte. — Das w e i t e r e V o r g e h e n i s t v e r s c h i e d e n , je nachdem es sich u m eine B l u t e n t n a h m e oder um eine E i n s p r i t z u n g handelt. Bei der Blutentnahme l ä ß t m a n d i e S t a u u n g s b i n d c l i e g e n und saugt das Blut a u s d e r g e s t a u t e n V e n e in die Spritze ein oder läßt es, wenn nur mit der Hohlnadel punktiert wurde, aus dieser unmittelbar in ein geeignetes Gefäß abfließen. Nach Entleerung der gewünschten Blutmenge nimmt man die Stauungsbinde ab und zieht erst dann die Nadel heraus. Bei Einspritzungen ist sorgfältig darauf zu achten, daß die S p i t z e der N a d e l g a n z im H o h l r a u m der V e n e l i e g t , weil viele der einzuspritzenden Lösungen schon in kleinsten Mengen im Unterhautgewebe heftige Reizzustände veranlassen. Wird die S p r i t z e benutzt, so zieht man nach Ausführung des Einstiches den Stempel etwas zurück und beobachtet, ob bei diesem leichten Ansaugen Blut in die Spritze eintritt. Ist dies nicht der Fall, so ist anzunehmen, daß die Nadel die Vene

EINSPRITZUNG

IN

DIE

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BLUTBAHN.

verfehlt oder durchbohrt hat, und es muß dann von neuem mit veränderter Richtung eingestochen werden. Tritt beim Ansaugen Blut in die Spritze ein, so darf in der sogleich zu besprechenden Weise die Einspritzung vorgenommen werden. Bei dunklen, undurchsichtigen oder wenig durchsichtigen Lösungen ist der Eintritt des Blutes in die Spritze oft schlecht oder gar nicht erkennbar. Falls man für derartige Fälle nicht eine der besonders für solche Lösungen eingerichteten Spritzen (z. B. die allerdings ziemlich zerbrechliche Venenspritze nach B r a u n - K a t z der Firma Braun in Melsungen) benutzen will, m u ß man nach dem Einstich die Spritze abnehmen oder sogleich die Nadel ohne Spritze einstechen und beobachten, ob Blut aus ihr ausfließt. Erst dann wird die Spritze unter strenger Vermeidung jeder B e w e g u n g der Nadel aufgesetzt und die Einspritzung vorgenommen. Der Geübte kann auch schon daran erkennen, ob die Nadel in der Vene liegt, d a ß das Zurückziehen des Kolbens widerstandslos möglich ist. Liegt die Spitze der Hohlnadel nicht in der Vene, so gelingt das Ansaugen nicht oder nur d a d u r c h , d a ß an der Verbindungsstelle zwischen Nadel und Spritze Luftblasen eindringen, die in der Spritze sichtbar werden.

Bei Benutzung des T r i c h t e r s sticht man zunächst die Nadel ein und verbindet sie erst nach Ausfließen einiger Blutstropfen mit dem Schlauch. Vor A u s f ü h r u n g d e r E i n s p r i t z u n g i s t , gleichgültig, ob Spritze oder Trichter benutzt wird, i n j e d e m F a l l e d i e S t a u u n g s b i n d e a b z u n e h m e n . Wird dies versäumt, so läuft man, besonders bei Einspritzung großer Flüssigkeitsmengen, Gefahr, daß der Druck im Innern der Vene zu hoch wird und infolgedessen Flüssigkeit neben der Nadel in das Unterhautgewebe austritt. Damit die Nadel nicht aus ihrer Lage gebracht wird und aus der Vene hinausgleitet oder die gegenüberliegende Venenwand durchbohrt, muß die Entfernung der Binde s e h r v o r s i c h t i g geschehen. Der Arm darf dabei nicht erschüttert oder verschoben werden. Während der Einspritzung lasse man die Einspritzungsstelle nicht aus den Augen. Sowie sich eine Vorwölbung neben der Vene zeigt, unterbricht man den Zufluß, weil diese Erscheinung immer auf unrichtiges Liegen der Nadel und dadurch bedingtes Eindringen von Flüssigkeit in das Unterhautgewebe hinweist. Ebenso ist der Zufluß zu verlangsamen oder für kurze Zeit zu unterbrechen, wenn sich die Vene ausdehnt, wie das bei zu schneller Einspritzung gelegentlich vorkommt. A l l e E i n s p r i t z u n g e n i n d i e B l u t b a h n , besonders aber solche starkwirkender Arzneimittel, auch wenn sie in kleinen Flüssigkeitsmengen gelöst sind, s o l l e n g a n z l a n g s a m Stursberg,

Technik.

2. A u f l .

3

34

Venenpunktion'.

a u s g e f ü h r t w e r d e n , u m die w i r k s a m e n S t o f f e nicht in zu großer Menge auf einmal d e m Herzen zuzuführen. A n die N o t w e n d i g k e i t , v o r der E i n s p r i t z u n g L u f t b l a s e n aus Spritzen und S c h l ä u c h e n s o r g f ä l t i g zu entfernen, sei nochmals erinnert. N a c h d e m Herausziehen der N a d e l t r i t t meist keine Blut u n g ein, so d a ß ein kleiner V e r b a n d (vgl. S. 23) z u m Verschluß der S t i c h w u n d e genügt. Nur in Ausnahmefällen ist man zur A n l e g u n g eines D r u c k Verbandes genötigt. Bei sehr starkem Fettpolster oder sehr engen Venen, Verhältnissen, wie man sie gerade auch bei kleinen Kindern nicht selten findet, kann die Punktion der Vene schwierig sein, gelingt aber bei einiger Übung in der Mehrzahl der Fälle doch. Sollte dies nicht der Fall sein, so würde nichts anderes übrigbleiben, als die Vene durch Schnitt freizulegen und eine Kanüle in sie einzubinden, vorausgesetzt, daß sich die beabsichtigte Einspritzung nicht durch andere Maßregeln ersetzen läßt. Zur Blutentnahme ist dieses Verfahren nicht anzuwenden, sondern die erforderliche Blutmenge durch einen tiefen Einstich in die Fingerkuppe, durch einen blutigen Schröpfkopf (S. 39) oder, wenn große Blutmengen erforderlich sind, durch einen Aderlaß zu entnehmen.

Gefahren b i e t e t die einfache V e n e n p u n k t i o n nicht, falls n i c h t grobe F e h l e r in der T e c h n i k g e m a c h t werden. A u c h E i n s p r i t z u n g e n sind, rein technisch b e t r a c h t e t , gefahrlos, da sich eine L u f t e m b o l i e m i t Sicherheit vermeiden l ä ß t und Einspritz u n g neben die V e n e bei richtigem V o r g e h e n k a u m v o r k o m m t . G e f ä h r l i c h k a n n dagegen die E i n s p r i t z u n g in die B l u t b a h n werden, w e n n a n u n d f ü r s i c h d a z u g e e i g n e t e S t o f f e i n u n z w e c k m ä ß i g e r G a b e v e r a b f o l g t w e r d e n . Das gilt n i c h t n u r f ü r s t a r k w i r k e n d e Mittel, sondern a u c h f ü r an sich unschädliche S t o f f e , wie physiologische Kochsalzlösung, die, in zu großer M e n g e innerhalb kurzer Zeit eingespritzt, ein bereits g e s c h w ä c h t e s H e r z z u m Versagen bringen k a n n , d a eine A u f f ü l l u n g des G e f ä ß s y s t e m s n a t u r g e m ä ß größere A n f o r d e r u n g e n an die H e r z k r a f t stellt. D e m g e m ä ß i s t b e i a l l e n Z u s t ä n d e n v o n H e r z s c h w ä c h e , g l e i c h g ü l t i g , ob sie s c h o n l ä n g e r b e s t e h t o d e r e r s t k u r z v o r h e r , z. B . durch s t a r k e B l u t verluste, e n t s t a n d e n i s t , g r o ß e V o r s i c h t b e i B e m e s s u n g der A r z n e i m i t t e l g a b e und der e i n z u s p r i t z e n d e n Flüss i g k e i t s m e n g e g e b o t e n . V o r allem sei a u c h nochmals auf die N o t w e n d i g k e i t l a n g s a m e n Einspritzens auch bei kleinen Flüssigkeitsmengen hingewiesen und daran erinnert, d a ß bei E i n s p r i t z u n g reizender Stoffe, z. B . Salvarsan, die N a d e l an ihrer Außenseite u n b e d i n g t frei v o n ihnen sein m u ß , d a ß also die L ö s u n g nie m i t der gleichen N a d e l aus dem G e f ä ß ent-

EINSPRITZUNG

IN

DIE

BLUTBAHN.

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nommen werden darf, mit der eingespritzt wird. U n v o r s i c h t i g k e i t in dieser H i n s i c h t k a n n außerordentlich s c h m e r z h a f t e E n t z ü n d u n g e n w e i t über die E i n s t i c h stellc hinaus zur Folge haben. Wirkung und Dosierung von Arzneimitteln bei E i n s p r i t z u n g in die B l u t b a h n . Arzneimittel, die unmittelbar in die B l u t b a h u gebracht werden, gelangen, chemisch n u r wenig oder gar nicht verändert, sehr schnell u n d in viel stärkerer Lösung zu den Organen und wirken infolgedessen viel kräftiger, als wenn sie langsam vom Unterhautgewebe oder der Muskulatur oder gar vom Magen oder D a r m aus aufgesaugt werden. Die E i n s p r i t z u n g in die B l u t b a h n wird daher besonders angewandt, wenn eine möglichst schnelle und kräftige W i r k u n g erzielt werden soll. Außerdem h a t sich ergeben, d a ß manche Mittel, die bei Einspritzung u n t e r die H a u t s t a r k e Reizerscheinungen hervorrufen, bei Einspritzung in die B l u t b a h n gut vertragen werden (z. B. m a n c h e Digitaliszubereitungen usw.). Selbstverständlich sind alle Mittel ausgeschlossen, die Blutgerinnung herbeiführen k ö n n t e n . Über das zur Lösung zu verwendende Wasser u n d den „ W a s s e r f e h l e r " vgl. S. 5Die wichtigsten zur Einspritzung in die B l u t b a h n geeigneten Mittel sind folgende: 1. H e r z - u n d G e f ä ß m i t t e l : Strophantin (Böhringer), */t— 1 m g = V2— 1 c c m der in zugeschmolzenen Glasröhrchen gelieferten Lösung. Digipuratum, 0,5—1,0 ccm der in zugeschmolzenen Glasröhrchen gelieferten Lösung. (Digalen, 0,5—1,0, bietet keine Vorzüge vor den erstgenannten.) Die zur B e k ä m p f u n g der G e f ä ß l ä h m u n g bei I n f e k t i o n s k r a n k h e i t e n empfohlene Einspritzung von Adrenalinlösung in die B l u t b a h n wird besser vermieden, weil die dadurch hervorgerufene plötzliche und s t a r k e Gefäßzusammeneiehung f ü r ein geschwächtes Herz zu große W i d e r s t ä n d e schaffen u n d dessen Versagen herbeiführen k a n n . Die langsamer wirkende E i n s p r i t z u n g u n t e r die H a u t verdient hier unbedingt den Vorzug. Die neuerdings empfohlene Einspritzung von Kampheröl in d a s Blut (1 ccm sehr langsam eingespritzt) scheint m a n c h m a l gut zu wirken. E r scheinungen von Fettembolie treten d a n a c h nicht auf. 2. B l u t s t i l l e n d e M i t t e l : Kochsalz, 1—5 ccm einer Lösung 1 , 0 : 1 0 , 0 . m e h r f a c h wiederholt werden.

Die E i n s p r i t z u n g

kann

3. S p e z i f i s c h e M i t t e l b e i I n f e k t i o n s k r a n k h e i t e n : Die meisten S e r a können u n m i t t e l b a r in die B l u t b a h n eingespritzt werden. Bei D i p h t h e r i e empfiehlt sich diese A n w e n d u n g s a r t bei schweren Fällen, bei leichteren genügt Einspritzung u n t e r die H a u t oder in die Muskul a t u r . — P n e u m o k o k k e n s e r u m nach R o e m e r ( F i r m a Merck) soll in Menge von 2 Röhren = 400 I . E . stets i n t r a v e n ö s eingeführt werden. — Auch A n t i s t r e p t o k o k k e n s e r u m kann in die Vene eingespritzt werden (20 bis

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VENENPUNKTION

UND E I N S P R I T Z U N G IN D I E

BLUTBAHN.

50 ccm auf einmal). — Bei T e t a n u s ist nach Ausbruch der Erkrankung das Serum in großen Gaben gleichzeitig in die Blutbahn und in den Lumbalsack einzuspritzen. — M e n i n g o k o k k e n s e r u m kann in dieser Weise angewandt werden, jedoch genügt hier die Einspritzung in den Lumbaisack allein (vgl. S. 100). Wenn auch nur die Möglichkeit einer durch frühere Serumanwendung erzeugten Anaphylaxie vorliegt, darf, wie bereits erwähnt, unter keinen Umständen ein Serum in die Blutbahn eingespritzt werden, da plötzlicher Tod die Folge sein kann. Genaue Nachforschungen nach etwaigen früheren Einspritzungen sind deshalb unbedingt erforderlich l — Soitiarsanpräparate werden ausschließlich in die Blutbahn eingespritzt. Bei ihrer Anwendung sind die den Packungen beiliegenden „Richtlinien für die Anwendung der Salvarsanpräparate" und die Gebrauchsanweisungen genau zu beachten. Alle Präparate mit Ausnahme des Altsalvarsans können in 10—20 ccm Wasser (vgl. S. 5) gelöst mit der Rekordspritze eingespritzt werden. Die Einspritzungen sind stets im Liegen vorzunehmen! 4. S o n s t i g e M i t t e l : Natr. bicarbon. oder Natr. carbonic. in 3'/ 2 proz. Lösung, 250 ccm und mehr, und Lävulose in loproz. Lösung, 1000 ccm, bei Coma diabeticum. Vorsicht bei Herzschwäche! (Vgl. S. 34.) Kollargol, 2—10 ccm der 2 proz. Lösung, bei Sepsis. Täglich oder jeden zweiten Tag eine Einspritzung, insgesamt nicht mehr als 6—7. Afenil (Calciumchloridharnstoff), 10 ccm bei Asthma bronchiale usw. 5. Zur F l ü s s i g k e i t s z u f u h r dient o,9proz. Kochsalzlösung oder besser Norntosal- oder Ringerlösung (vgl. S. 26). Um längeres Verbleiben der Flüssigkeit im Gefäßsystem zu erzielen, ist neuerdings ein Zusatz von Gummi arabicum empfohlen worden. — Vorsicht bei Herzschwäche! (Vgl. S. 34-) Aderlaß. Anzeigen. Blutentziehungen durch Aderlaß, die früher in der Behandlung zahlreicher E r k r a n k u n g e n eine wichtige Rolle spielten, waren eine Zeitlang nahezu ganz verlassen' worden. Neuerdings wendet man sie wieder etwas häufiger, manchmal m i t überraschend gutem Erfolge, an, und zwar besonders bei Lungenentzündungen, bei Urämie und bei manchen Vergiftungen. Bei kruppöser L u n g e n e n t z ü n d u n g ist der Aderlaß angezeigt, wenn bei sinkender Herzkraft zunehmende Stauung im kleinen Kreislauf, im rechten Herzen und im venösen System eintritt, ein Zustand, der sich durch zunehmende Blaufärbung der Haut mit starker Füllung der Venen und stark beschleunigtem, kleinem Pulse verrät. In derartigen Fällen läßt sich durch einen Aderlaß, der eine reichliche Menge B l u t schnell entleert, manchmal das drohende Lungenödem verhindern, indem das vorher überdehnte rechte Herz durch Verminderung seiner Füllung entlastet und dadurch instandgesetzt wird, seinen Inhalt wieder vollständig auszutreiben. Übrigens wirkt auch bei Zuständen von schwerer Stauung im rechten Herzen bei anderen Erkrankungen (z. B. Herzklappenfehlern) ein Aderlaß gelegentlich günstig.

ADEKLASS.

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Bei U r ä m i e und bei V e r g i f t u n g e n , z. B. bei Kohlenoxydvergiftung, beseitigt der Aderlaß einen Teil des mit giftigen Stoffen beladenen Blutes aus dem Körper. Außerdem veranlaßt die Verminderung der Blutmenge ein Abströmen von Gewebsflüssigkeit in die Blutbahn, wodurch wahrscheinlich die Gewebe von einem Teil der in ihnen enthaltenen giftig wirkenden Stoffe befreit werden. In derartigen Fällen kann man dem Aderlaß eine Kochsalzinfusion folgen lassen, um die im Körper noch enthaltenen Gifte zu verdünnen; unbedingt erforderlich ist dies aber nicht, da vielfach schon der Aderlaß allein den gewünschten Erfolg hat. Urämische Krämpfe z. B. verschwinden oft unmittelbar nach der Blutentziehung. Vorwiegend wird der Aderlaß bei urämischen Zuständen infolge a k u t e r Nierenentzündungen angewandt, immerhin ist ein Versuch auch dann statthaft, wenn sie bei chronischen Nierenerkrankungen auftreten. Denn auch bei solchen gelingt es gelegentlich, durch die Blutentziehung unmittelbar lebensbedrohende Erscheinungen, Krämpfe und Bewußtlosigkeit, zu beseitigen; es ist aber zu bedenken, daß die Wirkung hier nur vorübergehend sein kann und daß häufigere Wiederholung der Blutentziehung bei den meist blutarmen Kranken nicht zulässig ist. Letzterer Umstand verbietet im allgemeinen auch die Anwendung des Aderlasses zur Bekämpfung leichterer urämischer Erscheinungen bei chronischen Nierenerkrankungen. Bei a k u t e n Nephritiden können unbedenklich 2 — 3 Aderlässe in 2 Tagen ausgeführt werden, wenn es sich darum handelt, 'einen im übrigen kräftigen Kranken über schwere urämische Zustände hinwegzubringen; bei c h r o n i s c h e n Erkrankungen darf man so häufige Blutentziebungen nicht wagen.

Ort des Eingriffs. Für den Aderlaß kommen die gleichen Venen in Betracht wie für die Venenpunktion, es ¿ann also auf das oben (S. 30) Gesagte verwiesen werden. Gerät. Zur Ausführung der Stauung wird eine der oben (S. 29) besprochenen Binden benutzt. Der Einschnitt in die Vene wurde früher meist mit einem kurzen, breiten, zweischneidigen Messerchen, der Aderlaßlanzette, ausgeführt. Sie ist aber entbehrlich, da jedes spitze Messer ebenso brauchbar ist. Am besten eignet sich ein spitzes Sehnenmesser (Tenotom). Verfahren. Die Stauungsbinde wird in der oben beschriebenen Weise angelegt und bleibt wie bei der Blutentnahme durch Venenpunktion bis zur Beendigung des Aderlasses liegen. J e besser die Stauung, desto schneller entleert sich das Blut aus dem eröffneten Gefäß und desto günstiger pflegt der Erfolg zu sein. Auf ihre Ausführung ist deshalb besondere Sorgfalt zu verwenden. Treten die Venen stark hervor, so wird nach der üblichen Vorbereitung der Haut der Einschnitt am besten in folgender Weise vorgenommen: Die linke Hand des Arztes umfaßt von hinten her den Unterarm des Kranken und spannt durch An-

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VENENPUNKTION

UND EINSPRITZUNG

IN D I E

BLUTBAHN.

ziehen mit dem Daumen auf der einen, den übrigen Fingern auf der anderen Seite die H a u t der Ellenbeuge etwas an, jedoch nicht so stark, daß die Venen durch den Druck entleert werden. Das Messer wird mit der rechten Hand so gefaßt, daß seine Schneide vom Körper des Kranken a b g e k e h r t ist. Seine Spitze soll beim Einstich von der Seite her quer in die Vene eindringen und n a c h a u ß e n durchschneiden, so daß die vordere Venenwand und gleichzeitig die Haut v o n i n n e n n a c h a u ß e n durchtrennt werden. Bei richtiger Ausführung der Stauung und des Einschnittes spritzt das Blut sogleich im Strahl heraus oder fließt doch sehr rasch ab. E s wird in einem Meßgefäß aufgefangen, weil die Schätzung der abfließenden Menge zu unsicher ist. Sie kann bei einem kräftigen, „vollblütigen" Manne 250 bis 500 ccm, ausnahmsweise auch noch mehr, betragen, bei schwächlichen Kranken ist sie entsprechend geringer zu bemessen. Sollte der Abfluß stocken, bevor eine hinreichende Menge Blutes entleert ist, so ist zunächst festzustellen, ob sich etwa die H a u t vor die Öffnung in der Venenwand gelegt hat. Leichtes Verziehen derselben macht den A b f l u ß wieder frei. L ä ß t trotz Freiliegens der Venenwunde der A b f l u ß nach, so gelingt es manchmal, ihn wieder zu steigern, wenn man den Kranken, falls er bei Bewußtsein ist, Bewegungen mit der Hand (Faustschließen und -öffnen) ausführen läßt. Will man den Aderlaß abbrechen, so wird die Stauungsbinde gelöst. Die Blutung steht dann nach Anlegung eines kleinen Druckverbandes meist sofort, Naht der Wunde ist nicht erforderlich. Soll dem Aderlaß eine Kochsalzeinspritzung angeschlossen werden, so benutzt man dazu am besten eine Vene des anderen Armes. Weniger zweckmäßig ist es, anstatt des Aderlasses eine Punktion der Vene mit dicker Kanüle auszuführen, die zunächst zur Entnahme des Blutes, dann unmittelbar anschließend zur Ausführung einer Kochsalzinfusion dient. Die" Entleerung des Blutes erfolgt auch durch eine weite Kanüle nie so schnell wie durch die Schnittwunde in der Venenwand, und es geht aus dem oben Gesagten hervor, daß die Schnelligkeit der Entleerung für die Wirkung nicht gleichgültig ist. Wesentliche Gefahren sind mit dein Aderlaß bei richtigem Vorgehen nicht verbunden. Selbstverständlich inuß man sich vor Ausführung des Hingriffes darüber klar werden, wie groß die Blutentzichung für den he-

BLUTENTZIEHUNG

DURCH

DAS

SCHRÖPFVERFAHREN.

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treffenden Fall sein darf, und w ä h r e n d des Abfließens des Blutes den K r a n k e n genau beobachten, u m unterbrechen zu können, wenn irgendeine S t ö r u n g eintritt. Verletzungen der Arteria cubitalis kamen bei B e n u t z u n g der alten Aderlaßlanzette gelegentlich vor, sie sind aber bei dem oben geschilderten Verfahren ausgeschlossen.

Blutentziehung durch das Schröpfverfahren. Anzeigen. In Fällen, in denen die Venen so schlecht entwickelt sind, d a ß die Punktion nicht gelingt, besonders bei Kindern, e n t n i m m t m a n d a s zur Untersuchung, z. B. für die Wassermannsche Reaktion, erforderliche Blut durch „ b l u t i g e n S c h r ö p f k o p f Gerät. Die erforderlichen kleinen Schnittwunden werden m i t d e m S c h n e p p e r angelegt. Er besteht aus einem viereckigen Metallkästchen, in d e m eine Anzahl abgerundeter Messerchen so angebracht ist, d a ß sich die Schnittiefe d u r c h eine Stellschraube regeln l ä ß t . Die Messerchen sind mit einer Feder verbunden, bei deren Spannung sie zurückgezogen werden, u m bei Druck auf einen Knopf, der die H e m m u n g löst, wieder vorzuschnellen. Z u m Ansaugen des Blutes kann m a n sich der alten S c h r ö p f k ö p f e bedienen, bei denen die Saugwirkung durch Abkühlung der in ihnen enthaltenen, vor d e m Aufsetzen mit einer Spiritusflamme erwärmten Luft erzielt wurde, oder bequemer der B i e r s c h e n F o r m , bei der eine Hohlkugel aus festem Gummi z u m Ansaugen dient. F ü r die B l u t e n t n a h m e wird eine besondere Form hergestellt, mit einem seitlichen Ansatz, auf den d a s zur A u f n a h m e des Blutes b e s t i m m t e Röhrchen aufgesetzt wird, so d a ß das Blut u n m i t t e l b a r hineinfließt. (Abb. I i . ) Verfahren. Der Schnepper wird d u r c h Einstellen der u n t e r e n , die Messer tragenden Platte in Alkohol e n t k e i m t , die Glasteile werden ausgekocht. Vorbereitung der H a u t , a m besten am Rücken, wie üblich, jedoch ohne Verwendung von J o d t i n k t u r . Die Messer des Schneppers werden je nach der gewünschten S c h n i t t tiefe eingestellt und durch Spannen der Feder zurückgezogen. D a n n d r ü c k t m a n die Fläche des Schneppers gut auf die H a u t auf u n d läßt die Messer d u r c h Druck auf den Knopf vorschnellen. Uber die d a d u r c h e n t s t a n d e n e n kleinen Schnitte stülpt m a n den Sauger, dessen Gummiball vorher z u s a m m e n gepreßt wurde, drückt den Glasrand m ä ß i g fest an die H a u t an, so d a ß er überall gleichmäßig aufliegt, und saugt n u n durch allmähliches Loslassen des Balles an. Die H a u t wird in d a s Glas hineingesogen und d a s Blut sickert

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VENENPUNKTION

UND E I N S P R I T Z U N G IN DIE

BLUTBAHN.

aus den Wunden aus. Nach Entleerung der gewünschten Blutmenge wirrj der Schröpfkopf durch Zusammendrücken des Gummiballs gelöst und die Haut mit einem kleinen Schutzverband bedeckt. Die Blutung steht meist sogleich. Gefahren bietet die Blutentziehung durch den Schröpfkopf, keimfreies Vorgehen vorausgesetzt, nicht. Anmerkung. Zur S c h m e r z s t i l l u n g sind blutige Schröpfköpfe früher vielfach verwendet worden, z. B . bei Muskelrheumatismus, Rippenfellschmerzen usw. Sie werden jetzt k a u m noch angewandt, dagegen kann man sich der sog. t r o c k e n e n S c h r ö p f k ö p f e in solchen Fällen gelegentlich mit Erfolg bedienen. Man setzt ohne vorherige A n w e n d u n g des Schneppers einen oder mehrere Sauger auf und saugt k r ä f t i g an. Die Sauger bleiben 5 — 1 5 Minuten liegen.

Blutübertragung'). Die Ansichten über die Übertragung (Transfusion) arteigenen Blutes gehen noch weit auseinander und besonders werden ihre Gefahren und ihr Nutzen sehr verschieden eingeschätzt. Immerhin hat das Verfahren manchmal sicher günstige Wirkungen und ist außerdem in seiner Technik jetzt soweit vereinfacht, d a ß eine allgemeinere A n w e n d u n g möglich ist. Auf die theoretischen, zum großen Teil noch nicht genügend geklärten Fragen kann nicht eingegangen werden. Anzeigen. Die Blutübertragung dient 1. dem Ersätze durch Blutung verlorengegangener Blutmengen, 2. zur Beeinflussung schwerer Zustände von Blutarmut, besonders der Biermerschen Anämie. Z u 1. In den meisten derartigen Fällen genügt neben der Autotransfusion (s. u.) die Auffüllung des Gefäßsystems mit Kochsalz-, Normosaloder ähnlichen Lösungen (vgl. S. 36). Bei ganz schweren Fällen, besonders nach wiederholten, bereits mit diesen Mitteln behandelten Blutungen, ist die Blutübertragung berechtigt. Bei Bluterkrankheit (Hämophilie) scheint sie manchmal lebensrettend zu wirken, da sie hier auch gerinnungsfördernd wirkt. Die zu übertragende Blutmenge darf nicht z u klein sein und es kommt nur die Einspritzung in die Blutbahn in Frage. ' Z u 2. Heilung derartiger Zustände durch Blutübertragung ist ausgeschlossen, dagegen gewinnt man nicht selten den Eindruck, daß sie durch Anregung der Blutbildung günstig w i r k t , besonders dann, wenn wiederholt kleine Blutmengen (10—50 ccm) eingespritzt werden. Die Einspritzung kann in die Vene oder in die Muskeln gemacht w e r d e n ; letzteres empfiehlt sich besonders dann, wenn kein naher Blutsverwandter als Spender zur Verfügung steht und die serologische Prüfung des Blutes des Empfängers und Spenders auf Agglutinine usw. nicht möglich ist. Als Blutspender dienen am besten völlig gesunde, nahe Blutsverwandte (Eltern, Kinder, Geschwister) möglichst des gleichen Geschlechts. Muß ein anderer Spender herangezogen werden, so ist theoretisch zwar vorherige Untersuchung auf Wassermannsche Reaktion und serologische Prüfung des Blutes des Empfängers und des Spenders erforderlich, praktisch aber in 1 ) Die Bezeichnung „ B l u t ü b e r p f l a n z u n g " ist weniger zutreffend, weil das übertragene Blut nicht „ e i n h e i l t " wie ein überpflanztes Gewebe, sondern, wenn auch erst nach einiger Zeit, zerstört wird.

BLUTÜBERTRAGUNG.

41

der weitaus größten Zahl der Fälle, besonders wenn es sich um schnelles Eingreifen nach Blutungen handelt, nicht durchführbar. Man muß sich dann darauf beschränken, nach den üblichen klinischen Verfahren die Gesundheit des Spenders zu beurteilen und besonders das Fehlen von Anhaltspunkten für Tuberkulose, Lues und Malaria feststellen. Für den ohne chirurgische Unterstützung arbeitenden inneren Arzt kommt nur das Z i t r a t v e r f a h r e n in Frage, das sich auf die gerinnungshemmende Wirkung des zitronensauren Natriums stützt. Das Vorgehen nach O e h l e c k e r hat z w a r den Vorteil, d a ß unverändertes Blut in genau abzumessender Menge übertragen wird, kann aber nur mit chirurgischer Hilfe durchgeführt werden und eignet sich nicht für den Gebrauch außerhalb des Krankenhauses. Gerät. Spritze oder Trichtergerät (vgl. S. 21). Hohlnadel zur Blutentnahme von etwa 3 mm lichter Weite, außerdem kräftige Hohlnadel für die Einspritzung. Für Infusion weites graduiertes Meßgefäß. Stauungsbinden. Reichliche Menge einer 2,5 proz. keimfreien Lösung von Natrium citricum in dest. Wasser oder eine Lösung von 1,0 Natrium citricum auf 100,0 Ringerlösung (vgl. S. 26). Verfahren. Alle Geräte werden nach dem Auskochen mit einer der genannten Lösungen durchgespült, Spender und Empfänger nach den oben gegebenen Anweisungen (S. 23 t) vorbereitet. Zur Ü b e r t r a g u n g k l e i n e r B l u t m e n g e n saugt man nach Aufsetzen der Hohlnadel in die Spritze etwas körperwarme Natriumzitratlösung auf und zwar mindestens Vio der zu entnehmenden Blutmenge, punktiert mit der so vorbereiteten Spritze eine Vene des Spenders und spritzt das gewonnene Blut, das sich beim Eintritt in die Spritze mit der Zitratlösung mischt, sogleich in die Vene oder in die Muskeln des Empfängers ein. Wenn Empfänger und Spender richtig vorbereitet sind, läßt sich Entnahme und Einspritzung so schnell erledigen, daß eine wesentliche Abkühlung des Blutes in der Spritze nicht eintritt. Zur Ü b e r t r a g u n g g r ö ß e r e r B l u t m e n g e n füllt man in das (keimfreie!) erwärmte Meßgefäß körperwarme Zitratlösung in Menge von mindestens 1 /i 0 der zu entnehmenden Blutmenge, punktiert die Vene des Spenders mit der weiten Hohlnadel und läßt das Blut u n m i t t e l b a r , o h n e es a n d e r W a n d d e s M e ß g e f ä ß e s h e r a b s i c k e r n z u l a s s e n , in die Zitratlösung einfließen. Durch dauerndes leichtes Umschwenken des Glases ist für gleichmäßige Mischung zu sorgen. E s gelingt bei diesem Vorgehen nicht immer, die Gerinnung ganz zu verhindern und es empfiehlt sich deshalb, das Blut vor der Einspritzung durch eine vierfache Gazeschicht durchzuseihen.. Der Trichter wird am besten schon vor der Entkeimung (durch Dampf) hierzu vorbereitet, indem man die Gaze in ihn hineinhängt l u d an den Rändern mit Klemmen befestigt. Alle mit dem Blute beschickten Gefäße müssen in körperwarmes Wasser eingestellt werden. Stärkere Verdünnung des Blutes vermindert die Gerinnungsgefahr und daher ist es in Fällen, in denen die stärkere Verdünnung des Blutes nicht unerwünscht ist, z. B. nach starken Blutverlusten, zweckmäßiger, die ZitratRinger-Lösung zu gleichen Teilen mit dem zu entnehmenden Blut zu verwenden. Zur Einspritzung in die Vene des Empfängers dient eine ebenfalls ziemlich weite Hohlnadel, da in zu enger Nadel leichter Gerinnung des eigenen

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PUNKTION

DER GROSSEN

LEIBESHÖHLEN.

Blutes eintritt. E s ist z w e c k m ä ß i g , für alle Fälle die Freilegung der V e n e vorzubereiten, um das e n t n o m m e n e Blut nicht zu v e r l i e r e n , wenn der E i n stich, der bei B l u t a r m e n und Ausgebluteten wegen der E n g e der V e n e n o f t schwierig ist, nicht gelingen sollte.

Auto transf usi on. Bei Zuständen schwerer Ohnmacht nach B l u t v e r l u s t e n kann m a n , falls die i m vorstehenden besprochenen Verfahren nicht sogleich a n w e n d b a r sind, den lebenswichtigen Organen mehr Blut zuführen, i n d e m man es aus den Gliedmaßen v e r d r ä n g t . Das geschieht dadurch, d a ß man ein oder m e h rere Glieder v o n den E n d e n zum R u m p f fortschreitend m i t elastischen B i n d e n umwickelt und auf diese W e i s e das Blut aus ihnen ausdrückt. Selbstverständlich dürfen die B i n d e n nicht zu lange liegen bleiben, weil anderenfalls B r a n d der Glieder eintreten w ü r d e . Man löst nicht alle B i n d e n gleichzeitig, sondern nacheinander und kann auch so v o r g e h e n , daß man v o r d e m A b n e h m e n d e r Binden v o n e i n e m G l i e d e ein anderes u m w i c k e l t . A n Gliedern, an denen Eiterungen, E n t z ü n d u n g e n o d e r bösartige Neubildungen bestehen, d ü r f e n die Binden nicht angelegt werden, ebensowenig, wenn der Zustand d i e G e f a h r v o n T h r o m b o s e n b e d i n g t . N i c h t zu v e r w e c h s e l n mit der A u t o t r a n s f u s i o n ist das sog. A b b i n d e n d e r G l i e d e r . E s w i r d in der W e i s e v o r g e n o m m e n , d a ß man am oberen E n d e der Glieder Stauungsbinden anlegt und z w a r so fest, daß der R ü c k f l u ß des Blutes behindert, d e r Z u f l u ß dagegen nicht g e h e m m t w i r d . (Zu festes A n l e g e n der Binden ist f e h l e r h a f t , w e i l H e m m u n g des arteriellen Zuflusses Blutdrucksteigerung z u r F o l g e haben, also ungünstig auf eine Blutung wirken w ü r d e . ) Dieses V o r g e h e n , das den B l u t r ü c k f l u ß z u m rechten H e r z e n und dadurch dessen F ü l l u n g v e r m i n d e r t , w i r d besonders bei Lungenblutungen o f t mit N u t z e n a n g e w a n d t . E s scheint auch g e r i n n u n g s f ö r d e m d zu w i r k e n . D i e Binden dürfen nicht gleichzeitig, sondern auch nur nacheinander gelöst werden.

Punktion der großen Leibeshöhlen. Punktionen des Herzbeutels dienen ausschließlich der E n t nahme v o n Flüssigkeiten. Das gleiche gilt f ü r die weitaus größte Mehrzahl der Rippenfell- und Bauchpunktionen, nur die A n legung des künstlichen Pneumothorax und des Pneumoperitoneums macht eine Ausnahme. Diese Verfahren sollen aber hier nicht behandelt werden, da sie unseres Erachtens v o r l ä u f i g nur Sache des Spezialisten ist.

Punktion des Rippenfellraumes. Anzeigen.

Die

Punktion

des Rippenfellraumes

wird

zu

d i a g n o s t i s c h e n und zu B e h a n d l u n g s z w e c k e n vorgenommen. W i r können demnach zwischen den Anzeigen zur „ P r o b e p u n k t i o n " und zur „entleerenden P u n k t i o n " unterscheiden,

Rippenfellpunktion. Die

Probepunktion

wird

43

benutzt:

1. zur Entscheidung darüber, ob eine Dämpfung über der Lunge durch eine Verdichtung des Lungengewebes oder durch einen Erguß bedingt ist, falls sich, wie z. B. häufig bei Kindern, diese Frage auf Grund des physikalischen Befundes nicht sicher entscheiden l ä ß t ; 2. zur Feststellung, welcher Art ein nachgewiesener Erguß ist, insbesondere ob serös oder eitrig, ob durch Entzündung oder durch Stauung bedingt (spezifisches Gewicht), welche Bakterien in ihm enthalten sind usw. 1 ); 3. zur Feststellung des Ortes, an dem eine entleerende Punktion vorzunehmen ist. Die Bedingungen, unter denen eine Probepunktion angezeigt ist, ergeben sich hieraus von selbst. Sie ist ein außerordentlich wichtiger Eingriff und s o l l t e l i e b e r e t w a s z u h ä u f i g als zu selten v o r g e n o m m e n w e r d e n ! Die e n t l e e r e n d e Punktion ohne nachfolgende D r ä n a g e benutzen wir bei der B e h a n d l u n g v o n n i c h t e i t r i g e n (serösen, serofibrinösen) e n t z ü n d l i c h e n E r g ü s s e n sowie von S t a u u n g s e r g ü s s e n . Für ihre Anwendung bei ersteren gelten folgende Regeln: 1. E r g ü s s e , d i e d u r c h i h r e G r ö ß e d a s L e b e n b e drohen, müssen sofort d urch P u n k t i o n entleert werden. Dabei ist zu beachten, daß Lebensgefahr nicht nur bei solchen Ergüssen besteht, die zu heftiger Atemnot, Blaufärbung der Haut usw. Veranlassung geben, sondern daß sie b e i g r o ß e n Flüssigkeitsansammlungen auch dann vorliegt, wenn keine bedrohlichen E r s c h e i n u n g e n dieser Art erkennb a r s i n d , wie das bei langsam wachsenden Ergüssen nicht selten beobachtet wird. Auch in Fällen dieser A r t kann ganz plötzlich, ohne irgendwelche Vorboten, der Tod eintreten. D e m n a c h ist in j e d e m Falle, g a n z u n a b h ä n g i g v o n den zur Z e i t b e s t e h e n d e n E r s c h e i n u n g e n , s o g l e i c h die P u n k t i o n v o r z u n e h m e n , w e n n die D ä m p f u n g s g r e n z e v o r n bis e t w a zur d r i t t e n R i p p e oder noch höher hinauf r e i c h t (sog. Trousseausche Indikation). Zur bakteriologischen Untersuchung verwendet man am besten die durch Probepunktion erhaltene Flüssigkeit, die unmittelbar aus der Spritze in ein keimfreies Röhrchen entleert wird. Zur Bestimmung des spezifischen Gewichtes darf naturlich nur di r reine E r g u ß ohne Zusatz von Sperrflüssigkeit b e n u t z t werden,

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PUNKTION

DER

GROSSEN

LEIBESHÖHLEN.

2. K l e i n e r e E r g ü s s e s i n d z u e n t l e e r e n , w e n n s i e nach etwa drei W o c h e n langem B e s t e h e n keine Neig u n g zur A u f s a u g u n g zeigen. Je länger die Lunge durch einen Erguß zusammengepreßt wird, desto stärker machen sich Schrumpfungsvorgänge in ihr geltend. Wird daher nicht rechtzeitig für eine, wenn auch nur vorübergehende, Entlastung und Wiederausdehnung der Lunge gesorgt, so wird die Schrumpfung so stark, daß später auf eine Wiederausdehnung der Lunge nicht mit Sicherheit gerechnet werden kann. Sammelt sich nach der Entleerung die Flüssigkeit wieder an, so ist in Abständen von 8 — i o Tagen die Punktion zu wiederholen, falls nicht schnelle Zunahme des Ergusses schon früher zur Entleerung zwingt. Gelegentlich sind i o — 2 0 und mehr Punktionen nötig, bevor Heilung eintritt. — Zur B e h a n d l u n g eitriger Ergüsse k o m m t die einfache P u n k t i o n im allgemeinen nicht in Frage, vielmehr ist bei s o l c h e n die B ü l a u s c h e D r ä n a g e o d e r d i e R i p p e n r e s e k t i o n a n g e z e i g t . (Über Ausnahmen vgl. S. 65.) S t a u u n g s e r g ü s s e (Transsudate) sind durch Punktion zu entleeren, wenn anzunehmen ist, daß die bestehende Atemnot wenigstens teilweise durch sie bedingt wird. Dabei ist zu beachten, daß b e i g e s c h w ä c h t e m H e r z e n manchmal schon v e r h ä l t n i s m ä ß i g kleine Ergüsse die Atembeschwerden ganz beträchtlich steigern. Die Entleerung sollte deshalb nicht allzu lange hinausgeschoben werden. Ort der Punktion. Für die A u s w a h l d e r P u n k t i o n s s t e l l e gelten zunächst, gleichgültig, ob eine Probepunktion oder eine Entleerung vorgenommen werden soll, die folgenden 3 Grundregeln: 1. D i e P u n k t i o n s s t e l l e m u ß s o g e w ä h l t w e r d e n , d a ß eine V e r l e t z u n g des H e r z e n s oder a n d e r e r O r g a n e a u s g e s c h l o s s e n ist. 2. S i e m u ß i m B e r e i c h e d e s Rippenfellraumes liegen. 3. A n d e r E i n s t i c h s t e l l e m ü s s e n d i e p h y s i k a l i s c h e n Z e i c h e n e i n e s E r g u s s e s , absolute Dämpfung sowie A b schwächung oder Aufhebung des Atmungsgeräusches und des Stimmschwirrens, b e s t e h e n , (Uber A u s n a h a i e n bei Kindern s. u.!)

RIPPENFELLPUNKTION.

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Die erste Regel ist bei unveränderter Lage der Brustorgane leicht zu befolgen, dagegen kann bekanntlich beim Bestehen von Schrumpfungsvorgängen die Feststellung der Herzlage erhebliche Schwierigkeiten machen. In derartigen Fällen ist die Einstichstelle so zu wählen, daß auch im ungünstigsten Falle eine Verletzung des Herzens nicht zu erwarten ist; man wird z. B. bei einer starken Verziehung des Herzens nach links nicht in den seitlichen Teilen der linken Brusthälfte, sondern etwa in der linken Schulterblattlinie einstechen. Ist man bei abgesackten Ergüssen gezwungen, in unmittelbarer Nähe des Herzens zu punktieren, so sind zur Probepunktion möglichst dünne Nadeln zu verwenden, die keinen wesentlichen Schaden verursachen, selbst wenn sie das Herz treffen sollten. Mit Rücksicht auf die zweite Regel darf die Einstichstelle n i c h t u n t e r h a l b e i n e r ' L i n i e l i e g e n , die u n t e r r e g e l rechten Verhältnissen dem unteren Lungenrande ents p r e c h e n w ü r d e , also in der Schulterblattlinie nicht unterhalb der 9. Rippe, ,, ,, mittleren Achsellinie nicht unterhalb der 7. Rippe, ,, ,, rechten Brustwarzenlinie nicht unterhalb der 6. Rippe. Eine Ausnahme ist bei großen Ergüssen zulässig, weil bei ihnen meist die Komplementärräume ausgefüllt sind. In derartigen Fällen kann auch unterhalb des unteren Lungenrandes, e t w a i m B e r e i c h d e r w a h r e n R i p p e n , punktiert werden. Da aber eine Verwachsung oder Verklebung der Komplementärräume nie mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, so ist besonders vorsichtige Probepunktion geboten, um Schädigungen durch Verletzung der Leber usw. zu vermeiden.

Die dritte Regel bedarf keiner Erläuterung, nur sei besonders daran erinnert, daß b e i K i n d e r n sehr h ä u f i g ü b e r E r g ü s s e n l a u t e s B r o n c h i a l a t m e n g e h ö r t w i r d . Bei ihnen kann also die für die Behandlung so außerordentlich wichtige Frage, ob Erguß oder Verdichtung der Lunge, manchmal n u r d u r c h die P r o b e p u n k t i o n beantwortet werden, und diese ist deshalb in jedem Falle vorzunehmen, wenn die Erkrankung nicht in kurzer Zeit abläuft. Unterlassen der Probepunktion kann in solchen Fällen das Leben des Kindes in Gefahr bringen' (z. B. durch Verkennung eines Empyems). Weiterhin ist die G r ö ß e des E r g u s s e s von wesentlicher Bedeutung für die Wahl der Einstichstelle. Bei kleinen und auch bei manchen mittleren Ergüssen bestimmen Sitz und Ausdehnung den Ort der Punktion, bei großen Ergüssen kann dagegen an verschiedenen Stellen eingestochen werden. Der

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PUNKTION

DER

GROSSEN

LEIBESHÖHLEN.

„ O r t d e r W a h l " ist bei ihnen der f ü n f t e o d e r s e c h s t e Z w i s c h e n r i p p e n r a u m in der vorderen Achsellinie. Die B r u s t w a n d ist in dieser Gegend sehr dünn, und außerdem kann der K r a n k e bei Punktion an dieser Stelle bequem mit leicht erhöhtem Oberkörper liegen, während Punktion a m R ü c k e n ihn zum A u f rechtsitzen zwingt und infolgedessen erheblich mehr anstrengt. Die D i c k e d e r B r u s t w a n d ist f ü r die Punktion deshalb wichtig, weil die Tiefe des Einstiches danach zu bemessen ist und weil die A b t a s t u n g der Zwischenrippenräume an den dünnsten Stellen a m leichtesten gelingt. Denn die Dicke des knöchernen Brustkorbes schwankt bei Erwachsenen nur in engen Grenzen

Abb. 12.

(Unter Benutzung einer Zeichnung von J o e s s e i . ) Lu = Lunge. Le = Leberkuppe.

und ist überall ziemlich gleichmäßig, dagegen ist die D i c k e der auf ihm liegenden F e t t - und Muskelschichten nicht nur bei verschiedenen Menschen, sondern auch an verschiedenen Stellen des Brustkorbes sehr ungleich. Die Gesamtdicke der B r u s t w a n d ist am geringsten in den seitlichen Teilen des Brustkorbes, a m größten hinten in der N ä h e der Wirbelsäule (Abb. 12). Bei mäßigem Fettpolster beträgt sie an der dünnsten Stelle e t w a 2 cm. Angabe genauer Maße für die einzelnen Brustwandgegenden ist wegen der außerordentlich großen, durch die Beschaffenheit des Fettpolsters und der Muskulatur bedingten Verschiedenheiten zwecklos. Gerät. Zur P r o b e p u n k t i o n dienen die gleichen Spritzen wie für Einspritzungen unter die H a u t (s. S. 16). Auf tadel-

47

RIPPENFELLPUNKTION.

loses „ Z i e h e n " der Spritzen ist besonders zu achten, da hiervon das

Gelingen

der

Punktion

wesentlich

abhängt.

Die

nutzenden Hohlnadeln sollen e t w a 5 — 6 cm lang, bei Fettpolster noch länger, und nicht zu dünn sein.

zu

be-

starkem

Besonders bei

Verdacht auf das Vorhandensein von Eiter sind weite Nadeln zu verwenden. Zur

Entleerung

größerer

dem Rippenfellraum sind

Flüssigkeitsmengen

zahlreiche Vorrichtungen

aus

angegeben

worden, die zwar großenteils brauchbar, unserer Ansicht nach aber entbehrlich sind.

Ich führe nur die einfachsten von ihnen

an, die sich aber als für alle Zwecke vollkommen

ausreichend

erwiesen haben. Zu unterscheiden ist zwischen 1. d e m z u r D u r c h b o h r u n g den Gerät 2. d e n z u m

Abfluß

bestimmten Zu 1.

der B r u s t w a n d

dienen-

und (bzw. A b s a u g e n )

des

Ergusses

Vorrichtungen.

Für die große Mehrzahl der Fälle h a t sich uns die

P u n k t i o n mit

der einfachen H o h l n a d e l

am besten bewährt.

N u r bei Ergüssen, die reich an Fibringerinnseln sind oder leicht gerinnen, und manchmal auch in Fällen, in denen die ungünstige Beschaffenheit der R i p p e n

besondere

Schwierigkeiten

P u n k t i o n erwarten läßt, ist ein T r o i k a r t

bei

der

vorzuziehen.

Die F r a g e , o b H o h l n a d e l o d e r T r o i k a r t , ist viel erörtert worden und wird auch jetzt noch verschieden beantwortet. Der Hohlnadel wird vorgeworfen, daß sie besonders gegen Ende der Punktion leicht Verletzungen der Lunge veranlasse, daß sie bei Verstopfung durch Fibringerinnsel nur schwer oder gar nicht wieder freizumachen sei, daß sie sich gelegentlich schon beim Einstich durch ein ausgestanztes Hautstückchen verstopfe und daß sie endlich leichter abbreche als der Troikart. Der erste, schwerwiegendste Vorwurf ist unseres Erachtens nicht berechtigt, weil bei richtigem Vorgehen das Anstreifen der Lunge an die Nadelspitze sogleich bemerkt und eine Schädigung des Lungenfells durch sofortiges Zurückziehen der Nadel vermieden werden kann. Verstopfung durch Hautstückchen ist recht selten und auch durch Fibringerinnsel wird sie nicht allzu häufig hervorgerufen, zumal wenn man nicht gerade über dem abhängigsten Teile der Ergüsse punktiert, w o sich erfahrungsgemäß die meisten Fibringerinnsel ansammeln. Abbrechen der Hohlnadel kann wohl nur vorkommen, wenn die Nadel an irgendeiner Stelle durchgerostet ist, ein Fehler, der sich bei hinreichender Sorgfalt vor der Punktion feststellen läßt. Abbrechen einer unbeschädigten Nadel durch Auftreffen auf eine Rippe setzt recht ungeschicktes und gewaltsames Vorgehen voraus, es sei denn, daß es sich um eine Punktion bei einem sehr ungebärdigen Kranken mit stark verengerten Zwischenrippenräumen handelt, also um ganz ungewöhnliche Umstände.

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PUNKTION

DER GROSSEN

LEIBESHÖHLEN.

Gegenüber diesen Nachteilen fallen aber die großen V o r z ü g e d e r H o h l n a d e l ins Gewicht: Sie ist viel einfacher wie der Troikart, an dem leicht einzelne Teile schadhaft werden, sie ist besser zu reinigen wie dieser, der Einstich mit ihr gelingt leichter und ist weniger schmerzhaft, weil der hemmende Übergang von der Spitze des Stiletts zur Hülse wegfällt, und endlich ist der Luftabschluß besser gewährleistet als beim Troikart, bei dem öfters Undichtigkeiten eintreten. Der T r o i k a r t hat nur den Vorteil aufzuweisen, daß er sich durch Einschieben des Stiletts leicht von etwaigen Gerinnseln reinigen läßt und daß die Gefahr des Abbrechens bei ihm nicht besteht. Aus diesen Gründen verdient er in den oben angeführten seltenen Fällen den Vorzug. Die zu verwendende H o h l n a d e l soll 8—10 cm lang sein und bei 1 1 / t — 2 mm lichter Weite eine kräftige Wandung haben. Zu kurze Nadeln lassen sich beim Einstich schlecht fassen, bei zu dünnen Nadeln geht der Abfluß zu langsam vor sich.

Abb. 13Oben ganzer Troikart mit eingeschobenem Stilett ('/> natürl. Größe). Unten I.ängsdurchschnittt der Stopfbüchse nach Zurückziehen des Stiletts (natürl. Größe). T r o i k a r t s zur Rippenfellpunktion werden in sehr mannigfacher Form hergestellt. Die in Abb. 13 wiedergegebene ist besonders handlich. Der Troikart setzt sich zusammen aus der Kanüle, an welcher ein seitliches Ansatzstück A zur Verbindung mit dem ableitenden Schlauch angebracht ist, und dem Stilett. Letzteres trägt vorne eine kantige Spitze, am entgegengesetzten Ende einen flachen Knopf und verläuft durch eine Stopfbüchse S , welche durch eine kegelförmige Verbindung in das Endstück der Kanüle luftdicht eingepaßt ist. Das Ansatzstück der Kanüle kann durch einen Hahn geschlossen werden, der so angebracht ist, daß die Spitze des Stiletts nach dem Zurückziehen seine

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RIPPENFELLPUNKTION.

Schließung nicht behindert. Die Länge der Troikartkanüle soll mindestens 6 cm betragen, ihr Querschnitt ist größer als derjenige der Hohlnadel. Die Benutzung sehr dicker Troikarts bietet keinen Vorteil, da die Schnelligkeit des Abflusses doch beschränkt werden muß. Bei einem gutgearbeiteten Troikart soll sich das v o r d e r e K a n ü l e n e n d e h i n t e r d e r S t i l e t t s p i t z e f e s t um d a s S t i l e t t a n l e g e n , so daß sein Rand durch die Spitze nach vorne zu gedeckt wird. Ist dies nicht der Fall, so wird dadurch der Einstich beträchtlich erschwert und viel schmerzhafter. Zu 2. Auch über die zweckmäßigste V o r r i c h t u n g z u m A b l a s s e n der Ergüsse sind die Ansichten geteilt. Von vielen Ärzten werden S a u g v o r r i c h t u n g e n mannigfacher Art benutzt, von anderen wird die Anwendung einer H e b e r v o r r i c h t u n g bevorzugt. Wir verwenden im allgemeinen die letztere, welche für die ganz überwiegende Zahl der Fälle ausreicht. Sie hat den Vorzug größter Einfachheit, so daß Mängel kaum übersehen werden können, ist sehr handlich und deswegen besonders auch für die Hauspraxis geeignet, und endlich ist ihre Anwendung ungefährlicher als die mancher Saugvorrichtungen, bei denen zu starkes Ansaugen leicht möglich ist. Nur bei älteren Ergüssen, in denen der Druck negativ, d. h. geringer als der Atmosphärendruck, ist, machen wir gelegentlich von einer Saugvorrichtung Gebrauch. Der Grundgedanke bei der Herstellung aller hier in Betracht kommenden Vorrichtungen ist der, d a s E i n d r i n g e n v o n L u f t in den R i p p e n f e l l r a u m w ä h r e n d der P u n k t i o n zu v e r h i n d e r n , und wir halten es für ratsam, an diesem Grundsatze f e s t z u h a l t e n . Die Forderung des Luftabschlusses war ursprünglich durch die Furcht vor dem Eindringen von Luftkeimen in den Rippenfellraum veranlaßt, man hat sich aber davon überzeugt, daß diese Gefahr jedenfalls nur gering ist. Immerhin ist die Möglichkeit einer derartigen Infektion sicher nicht auszuschließen, besonders dann, wenn man genötigt ist, eine Punktion außerhalb des Krankenhauses in einer gesundheitlich nicht einwandfreien Wohnung vorzunehmen. Aus diesem Grunde möchten wir die Beibehaltung des Luftabschlusses um so mehr empfehlen, als ein wesentlicher Vorteil der Verdrängung des Ergusses durch Luft, einer sog. Ausblasung, gegenüber der einfachen Punktion bisher nicht erwiesen ist. S t u r s b e r g , Technik.

2. A u f l .

4

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PUNKTION

DER

GROSSEN

LEIBESHÖHLEN.

Die H e b e r v o r r i c h t u n g besteht aus einem kräftigen Gummischlauch von 1 1 / t m Länge, der zweckmäßig durch ein kurzes Zwischenstück aus Glas unterbrochen ist. An seinem unteren Ende wird er mit einem kleinen Trichter verbunden, am oberen Ende mit der Punktionsnadel, entweder durch einfaches Uberstreifen oder durch Vermittelung eines kleinen kegelförmigen rm IUI I I I! I Ansatzstückes, welches TUT s e h r g e n a u in den entsprechenden Ansatz A b b . 14. der Hohlnadel oder des Troikarts e i n g e s c h l i f f e n sein muß, da es anderenfalls nicht luftdicht abschließt 1 ). Als S a u g v o r r i c h t u n g kann eine Saugspritze oder eine Saugflasche verwendet werden. Da beide Vorrichtungen von dem die Punktion ausführenden Arzte nicht selbst bedient werden können, so ist eine Hilfsperson vorher eingehend über ihren Gebrauch zu unterrichten. Die S a u g s p r i t z e ist in ihrer ursprünglichen Form von D i e ulaf o y angegeben, später wesentlich vereinfacht worden (Abb. 14). Sie besteht aus einer etwa 100 ccm fassenden A b b . 15. Spritze mit Leder- oder Gummistempel, der Dreiwegehahn im seines leichten Verderbens wegen den schwaDurchschnitt. chen Punkt der Spritze bildet, und trägt ein Ansatzstück, mit sog. Dreiwegehahn (Abb. 15). Je nach der Stellung des Hahnes steht das Innere der Spritze mit dem zum Schlauch der Punktionskanüle führenden Ansatz R oder mit dem nach außen führenden Ansatz A in Verbindung. Erstere Stellung wird beim Ansaugen des Ergusses benutzt, letztere, die in den Abb. 14 u. 15 dargestellt ist, zur Entleerung der angesaugten Flüssigkeit aus der Spritze. Die Einstellung des Dreiwegehahns ist an der Stellung des äußeren Hebels ohne weiteres erkennbar. Saugspritzen mit Leder- oder Gummikolben dürfen nicht ausgekocht werden. Da ihr Inhalt bei richtiger Benutzung nicht in den Körper des l ) Die im Handel befindlichen Ansatzstücke lassen in dieser Hinsicht oft sehr zu wünschen übrig und sind deshalb vor dem Gebrauch z u prüfen.

RIPPENKELI.PUNKTION'. Kranken forderlich,

51

e i n d r i n g e n k a n n , ist eine s o s t r e n g e E n t k e i m u n g a u c h n i c h t ervielmehr genügt Reinigung durch Ausspritzen mit Karbollösung.

D i e S a u g f l a s c h e n , w e l c h e i m G e g e n s a t z z u der z i e m l i c h h a n d l i c h e n S a u g s p r i t z e ihrer G r ö ß e w e g e n f ü r d e n G e b r a u c h in d e r H a u s p r a x i s u n b e q u e m sind, w e r d e n alle n a c h d e m g l e i c h e n Grundsatze hergestellt: Eine Flasche aus starkem Glase von i — i V i l I n h a l t ist m i t e i n e m G u m m i s t o p f e n verschlossen, d e r eine d o p p e l t e Z u l e i t u n g t r ä g t , e n t w e d e r in F o r m v o n z w e i get r e n n t e n M e t a l l r o h r e n m i t H a h n v e r s c h l u ß ( A b b . 16) o d e r in F o r m eines m i t zwei n e b e n e i n a n d e r liegenden B o h r u n g e n v e r s e h e n e n M e t a l l r o h r e s m i t zwei A n s ä t z e n . g? J2__ B e h e l f s m ä ß i g k a n n m a n die V o r r i c h t u n g herstellen, i n d e m m a n a n s t a t t d e r M e t a l l rohre G l a s r o h r e b e n u t z t u n d den H a h n v e r schluß durch K l e m m e n an den zu- und abführenden Gummischläuchen ersetzt. D a s eine A n s a t z s t ü c k R d e r S a u g f l a s c h e w i r d d u r c h einen g e n ü g e n d l a n g e n u n d n i c h t z u weichen G u m m i s c h l a u c h m i t der Punktionsn a d e l v e r b u n d e n u n d soll sich i m I n n e r n d e r F l a s c h e bis n a h e z u m B o d e n f o r t s e t z e n . F a l l s es z u k u r z ist, w i r d es d u r c h ein Schlauchstück entsprechend verlängert. D a s a n d e r e A n s a t z s t ü c k Sp e n d i g t in d e r Flasche dicht unterhalb des Stöpsels und t r ä g t a n seinem äußeren Ende einen S c h l a u c h , der z u m A b s a u g e n d e r L u f t A b b . 16. a u s d e r F l a s c h e dient. D i e s g e s c h i e h t a m s c h o n e n d s t e n d u r c h d e n M u n d ( F ü r b r i n g e r ) oder a b e r d u r c h einen G u m m i b a l l o n o d e r eine S p r i t z e ( P o t a i n ) , w o m i t n a t u r g e m ä ß eine v i e l s t ä r k e r e S a u g w i r k u n g erzielt w e r d e n k a n n . B e i B e n u t z u n g des G u m m i b a l l o n s ist d a r a u f zu a c h t e n , d a ß seine V e n t i l e i n d e r b e a b s i c h t i g t e n R i c h t u n g a r b e i t e n , d a a n d e r e n f a l l s L u f t in d i e F l a s c h e oder s o g a r in d a s R i p p e n f e l l h i n e i n g e p r e ß t w e r d e n w ü r d e . D e r l u f t v e r d ü n n t e R a u m in d e r F l a s c h e ü b t seinerseits eine S a u g w i r k u n g auf d e n E r g u ß aus, u n d z w a r u m so s t ä r k e r , j e weiter die L u f t v e r d ü n n u n g getrieben wurde. Verfahren. N a c h d e m m a n s i c h auf G r u n d d e r V o r u n t e r s u c h u n g e n ü b e r die z w e c k m ä ß i g s t e E i n s t i c h s t e l l e u n d d i e B e schaffenheit der Zwischenrippenräume K l a r h e i t v e r s c h a f f t und d a s erforderliche G e r ä t v o r b e r e i t e t h a t , u n t e r s u c h t m a n d i e 4*

52

PUNKTION

DER

GROSSEN

LEIBESHÖHLEN.

Gegend des Einstiches nochmals, um sich zu vergewissern, daß der örtliche Befund noch den oben erörterten Anforderungen entspricht, und t a s t e t d e n Z w i s c h e n r i p p e n r a u m , in d e n m a n e i n s t e c h e n w i l l , g e n a u ab. U m den gewählten Punkt leicht und sicher wieder auffinden zu können, wird in einiger Entfernung von ihm je eine senkrechte und eine wagerechte Linie so aufgezeichnet, daß ihre Verlängerungen sich an der Einstichstelle schneiden würden (Abb. 17). E r s t dann wird die Haut in der üblichen Weise vorbereitet, wobei darauf zu achten ist, daß die Richtlinien nicht unkenntlich werden, und erforderlichenfalls die örtliche Betäubung ausgeführt. Sehr ängstlichen Kranken reicht man vor Beginn der letzten Vorbereitungen ein Beruhigungsmittel, z. B . eine größere Gabe Kodein oder etwas Morphium oder Narkophin unter suggestivem Hinweis auf die schmerzverhütende Wirkung. Der Kranke wird dadurch beruhigt und gleichzeitig wird der bei Rippenfellpunktionen manchmal eintretende, sehr störende Hustenreiz wirksam bekämpft. Kranke mit schwachem Herzen erhalten zweckmäßig etwas Wein, Kampfer oder Cadechol. In jedem Falle empfiehlt es sich, diese Mittel bereitzuhalten, um im Falle plötzlichen Eintretens von Herzstörungen sogleich eingreifen zu können. Bei Punktion am Rücken ist für g u t e U n t e r s t ü t z u n g d e s K r a n k e n Sorge zu tragen, indem eine vor dem Kranken auf dem Bettrand sitzende oder neben dem B e t t stehende Hilfsperson seine Schultern umfaßt und, wenn nötig, auch seinen Kopf stützt. Der E i n s t i c h gelingt bei nicht allzu ungünstiger Beschaffenheit der Zwischenrippenräume leicht, wenn nur darauf geachtet wird, daß d i e N a d e l d e n Z w i s c h e n r i p p e n r a u m t r i f f t und nicht seitlich a u f die R i p p e n abweicht. Auftreffen auf diese ist für den Kranken äußerst schmerzhaft! Schwierigkeiten bieten für den Einstich die seltenen Fälle, in denen durch Schrumpfungsvorgänge die Rippen einander stark genähert sind oder sogar dachziegelförmig übereinandergreifen. Unter diesen Umständen ist das Auftreffen auf die Rippen nicht immer zu vermeiden, da man den oft sehr schmalen Spalt nicht deutlich abtasten, sondern seine Lage nur ungefähr vermuten kann. Nach Möglichkeit soll die Punktion n a h e d e m o b e r e n R a n d e d e r R i p p e erfolgen, weil am unteren Rande, aller-

RIPPEN FELLFUNKTION.

53

dings d u r c h die R i p p e geschützt, die Interkostalarteric verläuft. E s ist aber klar, d a ß sich diese F o r d e r u n g nur bei einigermaßen weiten Z w i s c h e n r i p p e n r ä u m e n erfüllen l ä ß t , d a bei schmalen A b ständen zwischen den R i p p e n o f t nur gerade R a u m genug bleibt, u m die Nadel eindringen zu lassen. D a ß bei der Auswahl der N a d e l n und besonders der T r o i k a r t s auf die W e i t e der Zwischenrippenräume R ü c k s i c h t zu nehmen ist, versteht sich von selbst. U m den Z w i s c h e n r i p p e n r a u m sicher zu treffen, e m p f i e h l t s i c h f o l g e n d e s V o r g e h e n ( A b b . 17): D e r Zeigefinger der linken H a n d wird der L ä n g e n a c h auf den Zwischcnrippenraum aufgelegt, so d a ß er dessen Verlauf ohne weiteres erkennen l ä ß t . D i e F i n g e r k u p p e liegt dicht an dem z u r P u n k t i o n gewählten Punkte. Wird nun genau v o r ihr senkrecht zur Hautoberfläche eingestochen, so m u ß die N a d e l den Zwischenrippenraum treffen, selbst w e n n er n u r sehr schmal ist. N u r bei dachziegelartiger L a g e der R i p p e n ist dieses Verfahren nicht anwendbar, derartige F ä l l e sind aber glücklicherAbb. 17. weise recht selten. Nach Photographie gezeichnet. B e i A u s f ü h r u n g der Probepunktion f a ß t m a n die Spritze n i c h t m i t der vollen F a u s t , sondern ähnlich w i e eine steil gehaltene Schreibfeder, weil diese H a l t u n g die sicherste F ü h r u n g ermöglicht und gleichzeitig den verschiedenen Widerstand der durchstochenen Gewebe a m besten e r k e n n e n l ä ß t ( A b b . 17). Die N a d e l soll m i t einem R u c k so tief eingestochen werden, d a ß ihre Spitze das R i p p e n f e l l durchbohrt, und es ist deshalb z w e c k m ä ß i g , die T i e f e d e s E i n s t i c h e s schon vorher u n t e r B e r ü c k s i c h t i g u n g der S t ä r k e des F e t t p o l s t e r s und der D i c k e der B r u s t w a n d abzuschätzen. D i e S p r i t z e wird nach d e m E i n s t i c h mit der linken H a n d festgehalten, a m besten in der Weise, d a ß gleichzeitig der vordere Teil der Spritze und das A n s a t z s t ü c k der N a d e l

54

PUNKTION

D E R GROSSEN

LEIBESHÖHI.EN.

gefaßt und auf diese Weise eine Loslösung der Spritze von der Nadel verhindert wird, während die rechte Hand den Kolben der Spritze langsam zurückzieht. Kommt dabei sogleich Flüssigkeit zum Vorschein, so saugt man die Spritze voll und stellt die Tiefe, in der man den Erguß fand, genau fest, indem man vor dem Herausziehen den Nagel des Zeigefingers auf die Nadel dicht an der Haut auflegt und die Länge des in den Körper eingedrungenen Nadelstückes nach dem Herausziehen schätzt oder besser abmißt. Sollte beim Ansaugen nicht sogleich Flüssigkeit in die Spritze eintreten, so schiebt man bei a n g e s a u g t e r S p r i t z e die Nadel etwas weiter vor und zieht sie, wenn auch dies erfolglos bleibt, ebenso wieder zurück. Solche Verschiebungen der Nadel sollen aber, falls keine örtliche Betäubung vorgenommen wurde, möglichst beschränkt werden, weil sie schmerzhaft sind. Erhält man trotz guten Ziehens der Spritze keine Flüssigkeit, so zieht man die Nadel heraus, ü b e r z e u g t s i c h v o n i h r e r D u r c h g ä n g i g k e i t und punktiert, besonders wenn Verdacht auf Eiterbildung besteht, an anderer Stelle nochmals. Es ist zweckmäßig, den Inhalt der Kanüle, falls man keine Flüssigkeit erhalten hat, in ein Glasschälchen auszuspritzen und mikroskopisch zu untersuchen, da z. B. stark eingedickter Eiter gelegentlich wohl bis in die Kanüle, nicht aber bis in die Spritze gelangt. E i n d r i n g e n der Hohlnadel in die L u n g e wird daran erkannt, daß blutige Flüssigkeit, mit Luftblasen durchsetzt, in die Spritze eintritt. Die Nadel ist dann sogleich zurückzuziehen. Im Anschlüsse an eine derartige Lungenverletzung kann gelegentlich etwas blutiger Auswurf entleert werden, eine wesentliche Schädigung hat sie aber nicht zur Folge. Der entleerenden Punktion soll in j e d e m F a l l e e i n e P r o b e p u n k t i o n vorausgehen, da auch ein anscheinend völlig einwandfreier physikalischer Befund nicht mit Bestimmtheit beweist, daß nicht etwa die Lunge oder ein anderes Organ durch Verwachsungen nahe dem Rippenfell festgehalten wird. Der Einstich mit einer dicken Nadel wäre in einem solchen Falle gefährlich, außerdem würde natürlich die Entleerung des Ergusses mißlingen und der Kranke müßte, falls ohne örtliche Betäubung punktiert wurde, den wegen der Stärke der Nadel erheblich schmerzhafteren Stich nochmals aushalten, da man an anderer Stelle die Punktion wiederholen müßte.

RIPPENFELLPUNKTION.

55

Die H e b e r v o r r i c h t u n g muß vor der Punktion mit Flüssigkeit gefüllt werden, damit sogleich nach dem Einstich die Heberwirkung eintritt. Unterbleibt die Füllung, so kann der Erguß nur dann abfließen, wenn er unter Uberdruck steht, was bei frischen Erkrankungen allerdings meist, bei älteren hingegen nicht immer zutrifft. Die Hebervorrichtung, die vorher schon auf ihren ordnungsmäßigen Zustand nachgesehen worden ist, wird in der Weise gefüllt, daß der Arzt das Ansatzstück der Hohlnadel (oder des Troikarts) nach Entfernung des Drahtes (bzw. Herausziehen des Stiletts) mit der einen, den Trichter mit der anderen Hand faßt und zunächst die Nadel hoch und den Trichter tief hält. Eine Hilfsperson füllt den Trichter mit Borwasser oder einer anderen keimfreien Flüssigkeit (abgekochtem Weisser oder physiologischer Kochsalzlösung). Jetzt wird der Trichter langsam gehoben und das andere Schlauchende gesenkt, bis die Flüssigkeit nach Verdrängung der L u f t aus der Nadel ausspritzt. Der Schlauch wird nun mit einer Klemme geschlossen und sein unteres Ende nach Abnahme des Trichters in ein auf dem Boden stehendes, i — 1 1 / t 1 fassendes Gefäß eingesenkt, welches 100—200 ccm keimfreier Sperrflüssigkeit enthält und zweckmäßig mit einer Einteilung von 100 zu 100 ccm versehen ist. Die Schlauchöffnung muß in die Sperrflüssigkeit eintauchen. Nach Erledigung dieser Vorbereitungen wird die Nadel eingestochen und schließlich die Klemme geöffnet. Wird die Punktion in der Wohnung des Kranken gemacht, so ist das Mitnehmen eines großen Meßglases manchmal unbequem. Als Ersatz kann man eine Arzneiflasche von 200 oder 250 ccm Inhalt benutzen, die gleichzeitig zum Mitnehmen der Sperrflüssigkeit dient. Man läßt sie vollaufen, gießt dann den Inhalt bis auf einen kleinen Rest in ein anderes Gefäß aus und erhält auf diese Weise einen hinreichenden Anhalt über die Menge des entleerten Ergusses.

Bei Anwendung der S a u g f l a s c h e empfiehlt es sich, schon vor der Punktion eine mäßige Luftverdünnung in der Flasche zu erzeugen, indem man den zur Nadel führenden Schlauch abklemmt, die Saugspritze in Tätigkeit setzt und danach auch den zu dieser führenden Schlauch abklemmt. Vorher ist in die Saugflasche eine abgemessene Menge keimfreier Sperrflüssigkeit einzufüllen, in die das mit der Nadel verbundene Rohr eintaucht. Der E i n s t i c h mit der Hohlnadel oder dem Troikart soll g e n a u a n d e r S t e l l e d e r P r o b e p u n k t i o n erfolgen. Wenn diese auch ohne weiteres erkennbar ist, so versäume man doch

56

PUNKTION

DER

GROSSEN

LEIBESHÖHLEN.

nicht, den Zwischenrippenraum wieder in der oben beschriebenen Weise genau abzutasten, weil schon eine leichte Verziehung der Haut bei der Probepunktion eine Verschiebung der Einstichstelle auf eine Rippe zur Folge haben kann. Bei A u s f ü h r u n g des E i n s t i c h e s ist folgendes zu beachten : Die H o h l n a d e l wird dabei am besten mit Daumen, Zeigeund Mittelfinger an ihrem Ansatzstück gefaßt, dessen Vorsprünge ein hinreichend festes Halten ermöglichen. Will man die Nadel nur bis zu einer bestimmten Tiefe einstechen, so legt man den Zeigefinger in der gewünschten Entfernung von der Spitze auf und sticht die Nadel so tief ein, daß der Finger die Haut berührt. Beim Einstechen des Troikarts ist zu beachten, daß S p i t z e und K a n ü l e nicht fest verbunden s i n d , sondern daß erstere dem Stilett ;„

e

B = Bauchmuskeln u. Bauchfell. S t =

o

. t,

,

Stichkanal.

Funktion vorzeitig (Unter B e n u t z u n g einer Zeichnung v. Gumprecht.) abgebrochen werden, so ist es manchmal vorteilhaft, durch Weglassen des Druckverbandes ein N a c h s i c k e r n des E r g u s s e s zu ermöglichen. Um das Eindringen von Infektionserregern durch den offenen Wundkanal in die Bauchhöhle zu verhüten, muß die Wunde mit einem großen, gut aufsaugenden keimfreien Verbände bedeckt werden. Häufiger Verbandwechsel ist erforderlich. Länger als 1—2 Tage soll die Entleerung aus der Stichwunde aber nicht unterhalten werden, weil unter dem stets feuchten Verbände bald Veränderungen der Haut, Ekzeme usw., entstehen, die auch durch Einfetten mit Borsalbe usw. nicht völlig verhütet werden können. Der Verschluß der Wunde wird durch Anlegung des oben beschriebenen Druckverbandes auf die vorher gut abgetrocknete Haut herbeigeführt. M e n g e u n d S c h n e l l i g k e i t der E n t l e e r u n g . Eine genaue Angabe über die Menge des abzulassenden Ergusses, wie wir sie bei der Rippenfellpunktion machen konnten,

84

PUNKTION

DER

GROSSEN

LEIBESHÖHLEN.

ist bei der Bauchpunktion nicht angängig. Denn die Bauchhöhle bildet keinen einigermaßen fest begrenzten Raum, sondern ist außerordentlich dehnbar im Gegensatz zu der Brusthöhle, bei der eine Vergrößerung des Rauminhaltes durch Verdrängung des Zwerchfells und des Mittelfellraums nur in beschränktem Maße erfolgen kann. Langsam entstehende Bauchfellergüsse, z. B. bei Leberzirrhose, erreichen manchmal außerordentliche Größe, so daß der Leib 10, 15 und mehr Liter Flüssigkeit enthält. W i r p f l e g e n a u c h bei großen E r g ü s s e n im allgem e i n e n n i c h t w e s e n t l i c h mehr als 5—6 L i t e r auf einm a l z u e n t l e e r e n . Diese Menge ist einerseits groß genug, um den Leib hinreichend zu entlasten und die Aufsaugung anzuregen, anderseits aber in der Mehrzahl der Fälle zu klein, als daß ihre Entleerung die Gefahr schwerer Zufälle hervorrufen könnte. In letzter Linie ist aber für die Frage, o b u n d w i e l a n g e man die E n t l e e r u n g eines B a u c h e r g u s s e s fortsetzen d a r f , l e d i g l i c h das V e r h a l t e n des K r a n k e n e n t s c h e i d e n d . Bleibt der Puls gut und zeigen sich auch sonst keine bedrohlichen Zeichen, so kann die Punktion unbedenklich fortgesetzt werden. Sowie aber der Puls kleiner und weicher wird, der Kranke schlechter aussieht oder über Schwächegefühl, Schwindel, Beklemmungen usw. klagt, ist zunächst der A b f l u ß durch Abklemmen des Schlauches oder durch Zuhalten der Kanülenöffnung mit dem Finger für einige Minuten zu unterbrechen und, falls inzwischen keine Besserung eintritt, die Kanüle herauszuziehen, gleichgültig, wieviel Flüssigkeit vorher entleert wurde. M a n b e g n ü g e s i c h l i e b e r m i t e i n e r E n t l e e r u n g v o n 2—3 L i t e r n , als d a ß m a n d e n K r a n k e n der G e f a h r eines Kollapses aussetzt. B e i b l u t i g e n E r g ü s s e n darf h ö c h s t e n s 1 — 1 V 2 Liter entleert werden. Die S c h n e l l i g k e i t d e s A b f l u s s e s ist je nach der Höhe des in der Bauchhöhle herrschenden Druckes und der Weite der Kanüle verschieden, im allgemeinen aber viel größer als beim Rippenfellerguß. Auch bei ihrer Bemessung ist der Zustand des Kranken entscheidend. Bei elenden, besonders aber bei herzschwachen Kranken ist durch häufige Unterbrechung des A b flusses die Entleerung zu verlangsamen, bei kräftigen Kranken kann sie schneller vorgenommen werden. Aber auch bei solchen darf die Flüssigkeit nicht längere Zeit in ununterbrochenem

85

BAUCHPUNKTION.

Strahl herausspritzen, vielmehr ist von Zeit zu Zeit der A b f l u ß für i — 2 Minuten zu unterbrechen, um den Unterleibsgefäßen allmähliche Anpassung an die auch dann noch immer recht schnell eintretende Drucksenkung zu ermöglichen, die durch den auf den Leib ausgeübten Druck zwar vermindert, aber doch nicht immer völlig vermieden wird. Störungen während der Entleerung. Unterbrechungen d e s A b f l u s s e s d u r c h G e r i n n s e l sind bei dem großen Querschnitt der verwendeten Kanülen selten und durch Eingehen mit der Sonde leicht zu beseitigen. Dagegen entstehen besonders im weiteren Verlauf der Entleerung häufig Störungen durch v e n t i l a r t i g e s V o r l e g e n v o n D a r m s c h l i n g e n o d e r N e t z vor die Kanülenöffnung. Manchmal genügt leichtes Heben oder Senken des äußeren Kanülenendes, um den A b fluß wieder frei zu machen, in anderen Fällen muß durch Eingehen mit einem der obenerwähnten Geräte (Sonde, Katheter) der Darm zurückgeschoben werden. Das Stilett darf zu diesem Z w e c k selbstverständlich n i c h t benutzt werden, weil seine Spitze den Darm verletzen könnte. Legt sich das Hindernis i mmer wieder von neuem vor, wie dies in allerdings nur seltene n Fällen vorkommt, so bleibt nichts anderes übrig, als die den D a r m zurückdrängende Sonde usw. in der Kanüle liegen zu lassen, so daß die Flüssigkeit neben ihr ausströmt. Ableitung durch den Schlauch ist dann natürlich nicht möglich. E r g e b n i s l o s e P u n k t i o n e n können k a u m vorkommen, wenn in richtiger Weise probepunktiert wurde. Fließt aus der genau am Orte der erfolgreichen Probepunktion eingestochenen Kanüle nichts ab, so liegt dies wohl meist daran, daß der Troikart nicht tief genug eingestochen wurde. Ein Vergleich mit der bei der Probepunktion ermittelten Einstichtiefe bringt A u f klärung hierüber. Auf sehr starkes Fettpolster ist bei der Auswahl des Troikarts Rücksicht zu nehmen, da manchmal die im Handel erhältlichen Bauchtroikarts für solche Fälle nicht lang genug sind. Nennenswerte stehen

meist

Blutungen

ohne weiteren

sind selten

und

Eingriff bei seitlichem Z u s a m m e n d r ü c k e n

des

S t i c h k a n a l e s mit den F i n g e r n .

aus der

Stichwunde

Sollte die B l u t u n g dadurch nicht z u m S t e h e n

k o m m e n , ein Ereignis, welches aber wohl nur in g a n z seltenen fällen

beobachtet

umstechen.

An

wird,

so

wäre

die B e d e u t u n g

das

blutende

der richtigen

Ausnahme-

G i f ä O freizulegen

Wahl

und

der E i n s t i c h s t e l l e

V e r m e i d u n g von V e r l e t z u n g e n der A r t . epigastr. sei n o c h m a l s erinnert

S. 79)-

zu zur

(vgl.

8 6

PUNKTIONEN

BEI

ERKRANKUNGEN

DES

NERVENSYSTEMS.

Ein gefahrbringendes A n s t e c h e n d e s D a r m e s kann nur vorkommen, wenn Verwachsungen zwischen einer Darmschlinge und der Bauchwand bestehen und wenn vor der Punktion nicht genau genug untersucht oder nicht mit hinreichender Sorgfalt probepunktiert wurde. Sollte man Grund zu der Annahme einer Darmverletzung durch den Troikart haben, so würde wohl nichts anderes übrigbleiben, als möglichst bald die Bauchhöhle zu eröffnen und die Verletzungsstellen zu übernähen. Infolge zu s c h n e l l e r S e n k u n g d e s D r u c k e s innerhalb des Unterleibes kann es zu einer starken Erweiterung der Gefäße des Splanchnikusgebietes kommen, die bekanntlich einen großen Teil des gesamten Körperblutes aufzunehmen vermögen. Die dadurch hervorgerufene Blutleere des Gehirns usw. veranlaßt in leichten Fällen O h n m a c h t , in schwereren g e f a h r d r o h e n d e K o l l a p s e . Durch Vermeiden zu schneller und zu reichlicher Entleerung bei gleichzeitiger Ausübung eines Druckes auf den Leib von außen her und sorgfältiger Beobachtung des Kranken während der Punktion lassen sich derartige Zufälle mit Sicherheit verhüten. Eine Kampferspritze sollte für alle Fälle zur Hand sein.

Punktionen und Einspritzungen bei Erkrankungen des Nervensystems. Der bei weitem wichtigste der Eingriffe, die bei Erkrankungen des Nervensystems in Betracht kommen, ist die Punktion des Wirbelkanales, von geringerer Bedeutung sind die Einspritzungen in den Kreuzbeinkanal und auf einzelne Nervenstämme. Die Schädelpunktion ist zur Verwendung außerhalb des Krankenhauses nicht geeignet und soll nicht besprochen werden. Punktion des Wirbelkanales. Die Punktion des Wirbelkanales, Lumbal- oder Spinalpunktion, wurde von Q u i n c k e angegeben und zuerst ausgeführt. Anzeigen. Sie ermöglicht die M e s s u n g des im Lumbalsack herrschenden D r u c k e s und d e s s e n H e r a b s e t z u n g d u r c h E n t l e e r u n g von Flüssigkeit, die E n t n a h m e v o n L i q u o r zur Untersuchung auf Eiweiß-, Zellen- und Bakterien-

PUNKTION

DES

WIRBELKANALS.

87

gehalt sowie auf Komplementablenkung und schließlich die E i n spritzung von Arzneimitteln. Zu d i a g n o s t i s c h e n Z w e c k e n kann die Lumbalpunktion bei der großen Mehrzahl der Erkrankungen des Nervensystems vorgenommen werden. Man bedenke aber, daß es sich um einen Eingriff handelt, der die empfindlichsten Gebilde des Körpers unmittelbar in Mitleidenschaft zieht und selbst bei schonendstem Vorgehen gelegentlich recht unangenehme Beschwerden hervorrufen kann. In jedem Falle ist deshalb zu überlegen, ob ihr Nutzen derart ist, daß dem Kranken die möglicherweise folgenden Beschwerden zugemutet werden können. G e f ä h r l i c h ist die Lumbalpunktion b e i G e h i r n g e s c h w ü l s t e n u n d b e i G e hirnblutungen. In solchen Fällen kann die Entleerung selbst ganz geringer Mengen von Liquor nicht nur schwere Störungen hervorrufen, sondern es sind auch, zumal bei Geschwülsten in der hinteren Schädelgrube, eine ganze Jteihe von T o d e s f ä l l e n danach beobachtet worden. Wir pflegen deswegen bei Verdacht auf ein derartiges Leiden ebenso wie bei Neigung zu Gehirnblutungen g r u n d s ä t z l i c h v o n der L u m b a l p u n k t i o n abzusehen. Auch bei Rückenmarksgeschwülsten ist sie anscheinend nicht immer ungefährlich, zumal wenn größere Liquormengen entleert werden. Zur B e h a n d l u n g mittels Lumbalpunktion eignen sich in erster Linie die mit Erhöhung des Spinaldruckes einhergehenden Zustände mit Ausnahme der Gehirngeschwülste, also Hirnhautentzündungen und Hydrozephalien. E i n s p r i t z u n g e n i n d e n L u m b a i s a c k wurden wohl am häufigsten zur Herbeiführung der sog. L u m b a l a n ä s t h e s i e ( B i e r ) ausgeführt. Das Verfahren ist aber nicht frei von Gefahren und wird infolgedessen neuerdings wohl seltener angewandt, zumal es in vielen Fällen durch die ungefährliche epidurale Einspritzung ersetzt werden kann. Bei e p i d e m i s c h e r G e n i c k s t a r r e und bei W u n d s t a r r k r a m p f werden die entsprechenden Sera in den Lumbaisack eingebracht, um sie in unmittelbare Berührung mit dem Zentralnervensystem zu bringen. Endlich sind bei syphilitischen und metasyphilitischen Erkrankungen des Nervensystems Versuche mit Einspritzungen von N e o s a l v a r s a n in die Spinalflüssigkeit gemacht worden, das Verfahren ist aber nicht ungefährlich und löst gelegentlich sehr heftige Beschwerden aus. Es hat deshalb bisher keine allgemeinere Anwendung gefunden.

88

PUNKTIONEN

BEI

ERKRANKUNGEN

DES

NERVENSYSTEMS.

Gerät. Für die einfache Punktion, und für die Einspritzung werden die gleichen N a d e l n verwendet. Sie sollen i — i l / g mm dick sein, für den Gebrauch bei Erwachsenen mindestens 7 bis 9 cm (ohne Griff!), bei Kindern mindestens 5 cm lang und einen kräftigen, die Bohrung genau ausfüllenden S t a h l s t i f t (Mandrin) enthalten. Die Spitze muß sehr gut, aber n i c h t z u l a n g geschliffen sein, also von ähnlicher Beschaffenheit wie bei den für die Venenpunktion bestimmten Kanülen. Die Spitze der Stahlnadel soll genau mit der Spitze der Hohlnadel abschneiden, sie also nicht wie beim Troikart überragen. Dies wird dadurch erreicht, daß das Anschleifen der Spitze bei eingeschobenem Stift vorgenommen wird.

%

JH A b b . 24.

Das hintere Ende der Lumbalpunktionsnadel ist verschieden ausgestaltet worden, ohne daß dadurch die Brauchbarkeit der Nadel wesentlich beeinflußt würde. Immerhin achte man darauf, daß es ziemlich kräftig gebaut ist, wie z. B. bei der von uns gewöhnlich benutzten B i e r s e h e n Form (Abb. 24), da hierdurch das Anfassen der Nadel beim Einstich erleichtert wird. Ein am Kopf des Stahlstiftes angebrachter Zapfen, der in einen Schlitz des Kanülenendes eingreift, läßt auch nach dem Einstich erkennen, ob der Stift richtig in der Kanüle liegt.

A n manchen Kanülen, z. B . an der von K r ö n i g benutzten, ist noch ein H a h n angebracht, um nach Herausziehen des Stiftes den A b f l u ß verhindern zu können. Diese Einrichtung ist entbehrlich, und wir verwenden sie für gewöhnlich nicht, zumal der Hahn sich leicht festsetzt.

Das bei jeder Lumbalpunktion notwendige S t e i g r o h r (Abb. 24) zur Druckmessung soll m i n d e s t e n s eine Länge von 30 cm bei etwa 3—4 mm lichter Weite haben. A m zweckmäßigsten ist ein Glasrohr mit eingeritzter Zentimeterteilung, im Notfalle tut aber jedes beliebige Glasrohr die gleichen Dienste, da man die Druckhöhe hinreichend genau an einem neben das Rohr gehaltenen Zentimetermaß ablesen kann. Das Steigrohr

PUNKTION

DES

WIRBELKANALS.

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ist an seinem unteren Ende rechtwinklig abgebogen. Der 3—4 cm lange Ansatz trägt einen senkrecht nach abwärts gerichteten Stutzen, der mit einem kurzen Gummischlauch und einer Klemme geschlossen wird und zum Ablassen der Flüssigkeit dient. Der wagerechte Teil wird durch ein kurzes enges Schlauchstück und duich einen kegelförmigen Ansatz mit der Nadel verbunden. Da die im Handel befindlichen Ansätze oft nicht genau genug eingeschliffen sind und infolgedessen nicht fest schließen, überzeuge man sich beim Einkauf von dem guten Schließen der Verbindung zwischen Nadel und Ansatzstück. Zu Einspritzungen dient eine R e k o r d s p r i t z e von entsprechendem Inhalt, deren Ansatzstück auf die Öffnung der Lumbalpunktionsnadel gut paßt. Beim Auskochen des Geräts für die Lumbalpunktion wird Sodazusatz besser vermieden. Ort der Punktion. Das Rückenmark reicht mit seinem untersten Ende (Conus terminalis) bei Kindern bis zum zweiten Lendenwirbel nach abwärts, bei Erwachsenen nur etwa bis zur Grenze zwischen erstem und zweitem Lendenwirbel, hingegen setzt sich der Lumbaisack mit den in ihm enthaltenen Nervenwurzeln (Cauda equina) bis in das Kreuzbein Abb. 25. hinein fort. Eine Verletzung des untersten Rückenmarkteiles, die wegen der Anhäufung wichtiger Zentren in ihm sehr schwerwiegende Folgen haben könnte, ist demgemäß bei Einstich unterhalb des dritten Lendenwirbels ausgeschlossen. Da das Abzählen der Wirbeldorne von oben oder von unten her zeitraubend und oft unsicher ist, bedient man sich zur Bestimmung der Punktionsstelle der J a k o b y s c h e n Linie, d. h. der V e r b i n d u n g s l i n i e z w i s c h e n d e n b e i d e n h ö c h s t e n P u n k t e n der D a r m b e i n k ä m m e , welche den v i e r t e » L e n d e n w i r b e l d o r n s c h n e i d e t . Die Linie ist in Abb. 27 eingezeichnet. Der Einstich kann ohne Gefahr für das Rückenmark in dem unmittelbar oberhalb dieses Domes gelegenen oder in einem der tieferen Zwischenbogenräume vorgenommen werden. Meist wird zwischen dem vierten und fünften, seltener zwischen

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PUNKTIONEN BEI ERKRANKUNGEN DES NERVENSYSTEMS.

dem dritten und vierten Lendenwirbel oder zwischen letzten Lendenwirbel und dem Kreuzbein eingestochen.

dem

In A b b . 25, die nach der Pause einer Röntgenaufnahme von der Wirbelsäule eines 14 jährigen Knaben photographisch verkleinert wurde, sind die in Betracht kommenden Zwischenbogenräume gestrichelt dargestellt.

Die Frage, ob man, um den Lumbaisack zu treffen, die Nadel i n d e r M i t t e l l i n i e (Abb. 26, Pfeilrichtung I) einstechen oder e t w a s s e i t l i c h d e r M i t t e l l i n i e mit entsprechend nach der Mitte gerichteter Nadel (Abb. 26, Pfeilrichtung II) eingehen soll, wird verschieden beantwortet. Wir haben stets das e r s t e r e v o r g e z o g e n und bisher keinen Fall gesehen, in dem bei richtigem Vorgehen die Beschaffenheit der Wirbeldorne das Eindringen in der Mittellinie verhindert hätte. D a ß die zwischen den Wirbeldornen ausgespannten, derben Bandmassen den Einstich in der Mittellinie in nennenswertem Maße erschweren, können wir nicht als richtig anerkennen; eine gut geschärfte Nadel durchdringt diese Gewebe mit Leichtigkeit. Gegen den Einstich seitlich der A b b . 26. Querschnitt durch die Mittellinie ist einzuwenden, daß die je Lendenwirbelsäule, schenach der Stärke des Knochenbaues matisch. und des Fettpolsters sehr wechselnde W = Wirbelkörper, Entfernung von der Hautoberfläche bis B = Wirb' lbogen. L = lumbalsack. zum Lumbaisack schwer zu beurteilen H = Hautoberfläche. ist. Wird aber diese Entfernung falsch geschätzt und infolgedessen der Einstichwinkel etwas zu groß oder zu klein gewählt, so wird, wie Abb. 26 ohne weiteres erkennen läßt, der Lumbaisack verfehlt, weil er natürlich nur getroffen werden kann, wenn der Winkel, den die Nadel zur sagittalen Ebene bildet, richtig gewählt wurde. Schon kleine Abweichungen führen zu Mißerfolgen (Abb. 26, Pfeilrichtung l i l a und I I I b ) . Ein Einstich in der Mittellinie hingegen m u ß den Lumbalsack treffen, wenn nur dafür gesorgt wird, daß die Nadel genau in der sagittalen Ebene eindringt. Für die Wahl der Stichrichtung ist besonders beim Eingehen in der Mittellinie ^ioch zu beachten, daß die Lenden-

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w i r b c l d o r n e bei K i n d e r n a n n ä h e r n d w a g e r e c h t s t e h e n , b e i E r w a c h s e n e n d a g e g e n e t w a s v o n v o r n o b e n n a c h h i n t e n u n t e n geneigt, also d a c h z i e g e l a r t i g g e l a g e r t sind. D e m g e m ä ß k a n n b e i Kindern s e n k r e c h t zur Hautoberfläche eingestochen w e r d e n , b e i E r w a c h s e n e n h i n g e g e n soll der E i n s t i c h e t w a s s c h r ä g v o n u n t e n n a c h o b e n v e r l a u f e n . E n d l i c h ist z u b e r ü c k s i c h t i g e n , d a ß s i c h d i e Z w i s c h e n b o g e n r ä u m e bei B e u g u n g d e r W i r b e l s ä u l e n a c h v o r n , d. h. i m S i n n e einer K y p h o s e , erweitern, durch B e u g u n g nach rückwärts verengern. Verfahren. Ö r t l i c h e B e t ä u b u n g d u r c h G e f r i e r e n der H a u t k o m m t f ü r die L u m b a l p u n k t i o n n i c h t in F r a g e , weil d a d u r c h d a s A b t a s t e n der W i r b e l d o r n e u n d ihrer Z w i s c h e n r ä u m e z u sehr e r s c h w e r t w i r d . D a g e g e n ist bei n i c h t b e w u ß t l o s e n K r a n k e n A n w e n d u n g v o n N o v o k a i n r a t s a m , w e i l ein Z u s a m m e n z u c k e n des K r a n k e n i m A u g e n b l i c k e d e s H a u t s t i c h s l e i c h t z u e i n e m A b w e i c h e n der N a d e l v o n d e r b e a b s i c h t i g t e n R i c h t u n g u n d damit z u m Verfehlen des Lumbaisackes führt. Anwendung der allgemeinen Betäubung oder des Dämmerschlafs kommt nur bei Wundstarrkrampf in Frage. In allen anderen Fällen halten wir sie nicht für statthaft, sondern würden lieber auf die Punktion verzichten, wenn sie nicht ohne Narkose ausführbar ist. Denn ihr Nutzen für Diagnose oder Behandlung ist doch meist nicht groß genug, um einen Eingriff von der Bedeutung der Narkose oder des Dämmerschlafes, zumal bei einem gegen Giftwirkungen besonders empfindlichen Nervenkranken, berechtigt erscheinen zu lassen. Übrigens sind wir bisher stets ohne Narkose zum Ziel gekommen. Darreichung eines Beruhigungsmittels vor der Punktion ist dagegen bei nicht benommenen Kranken manchmal zweckmäßig. Die für das G e l i n g e n der L u m b a l p u n k t i o n erford e r l i c h e B e u g u n g d e r W i r b e l s ä u l e l ä ß t sich a m l e i c h t e s t e n d a d u r c h h e r v o r r u f e n , d a ß s i c h d e r q u e r auf e i n e m S t u h l o d e r einem schmalen Operationstisch sitzende K r a n k e stark nach vorn b e u g t . W i r halten aber aus später zu erörternden Gründen die P u n k t i o n i m S i t z e n , g a n z a b g e s e h e n d a v o n , d a ß sie b e i S c h w e r k r a n k e n unmöglich ist, nicht f ü r empfehlenswert, sondern p u n k tieren ausschließlich a m l i e g e n d e n K r a n k e n . D e r K r a n k e wird j e nach Stellung des B e t t e s und unter B e r ü c k s i c h t i g u n g der Lichtverhältnisse in rechte oder linke S e i t e n l a g e g e b r a c h t , u n d z w a r in d e r W e i s e , d a ß sich sein R ü c k e n d i c h t a n d e r B e t t k a n t e b e f i n d e t ( A b b . 27). D i e linke Seitenlage ist im allgemeinen für den punktierenden A r z t b e q u e m e r , m a n w i r d sie also v o r z i e h e n , falls m a n d i e W a h l h a t . D i e O b e r s c h e n k e l w e r d e n so s t a r k w i e m ö g l i c h g e g e n d e n R u m p f ,

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BEI ERKRANKUNGEN

DES

NERVENSYSTEMS.

der Kopf möglichst weit gegen die Brust gebeugt. Seitliche Verbiegung der Wirbelsäule ist, wenn nötig, durch Unterschieben von Kissen usw., zu verhindern, weil sie die Beurteilung der Stichrichtung und infolgedessen das Treffen des Lumbaisackes beträchtlich erschwert. Bei bewußtlosen oder benommenen Kranken muß die gewünschte Lage durch Gegendruck mit den Händen hergestellt und festgehalten werden, aber auch bei erhaltenem Bewußtsein ist eine Unterstützung des Kranken durch Hilfspersonen zweckmäßig, um das Einziehen des Kreuzes im Augenblick des Einstiches zu verhindern.

Abb. 27. Lagerung bei Lumbalpunktion. J a k o b y s c h e Linie angedeutet. — Der Kranke ist nur deshalb ganz entblößt, um die richtige Lage zeigen zu können (vgl. Bemerkungen auf S. 3). Arn besten legt eine Hilfsperson, die dem Arzte gegenüber auf der anderen Seite des Bettes steht, ihre rechte Hand auf den oberen Teil des Rückens oder auf den Nacken des Kranken, während die linke gegen den Leib in entgegengesetzter Richtung drückt. Eine zweite Hilfsperson hält die Oberschenkel in ihrer Lage fest und drückt, wenn nötig, auf das Gesäß in der Richtung von hinten nach vorne. Muß man bei benommenen, unruhigen Kranken, z. B . bei epidemischer Meningitis, ohne ausreichende Hilfe punktieren, so befestigt man bei linker Seitenlage den rechten Arm des Kranken mit einer kräftigen Binde an der gegenüberliegenden Seite des Bettes. Durch dieses Vorgehen wird verhindert, daß der Kranke sich plötzlich herumwirft und dabei die Nadel abbricht.

Ist der Kranke in die richtige Lage gebracht, so bezeichnet man die höchsten Punkte der Darmbeinkämme mit Blaustift oder mit Jodtinktur, zieht die Verbindungslinie ( J a k o b y s c h e Linie, S. 89) zwischen ihnen und tastet den von ihr getroffenen vierten Lendenwirbeldorn ab, falls er nicht wie bei

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dem Kranken der Abb. 27 schon ohne weiteres sichtbar ist. Erst dann wird die Haut in der üblichen Weise vorbereitet. Vor Ausführung der Punktion macht man das mit dem übrigen Gerät ausgekochte Steigrohr gebrauchsfertig, indem man die Gummischläuche daran befestigt, das nach abwärts gerichtete Schlauchstück mit der Klemme schließt und an dem anderen das Ansatzstück zur Verbindung mit der Nadel anbringt. Da der Stift nach dem Kochen gelegentlich fester mit der Kanüle zusammenhaftet, wird er vor dem Einstich durch teilweises Herausziehen beweglich gemacht. Beim E i n s t i c h tastet man mit dem Zeigefinger der linken Hand den zur Punktion gewählten Zwischenbogenraum nochmals ab und sticht genau in der Mittellinie ein, wobei man am besten, ähnlich wie bei der Rippenfellpunktion (S. 53), die Einstichstelle durch den Zeigefinger der linken Hand kennzeichnet. Die Nadel ist so zu führen, daß sie nach keiner Seite von der sagittalen Ebene abweicht. Wie bereits erwähnt, ist bei Kindern senkrecht zur Haut einzustechen, bei Erwachsenen soll die Nadel etwas von unten nach oben gerichtet werden. Den stärksten Widerstand bietet beim Einstich gewöhnlich die Haut, etwas leichter werden schon die zwischen den Dornen ausgespannten Bandmassen durchbohrt. Das Aufhören des Widerstandes beim Eindringen der Nadel in den Wirbelkanal ist meist sehr deutlich zu spüren. Bei etwas zu großer Kraftanwendung fährt manchmal die Nadel sogleich durch ihn hindurch bis auf den Wirbelkörper und muß dann etwas zurückgezogen werden, um die Öffnung der Kanüle wieder in den Lumbalsack zu bringen. Gelegentlich empfindet der Kranke beim Eindringen der Nadel in den Wirbelkanal einen kurzdauernden, ins Gesäß oder in ein Bein ausstrahlenden Schmerz infolge Anstreifens der Nadel an eine Wurzel. Trifft man in geringer Tiefe, bei Erwachsenen bei 2—4 cm, auf festen, „knöchernen" Widerstand, so ist die Stichrichtung falsch. Man suche sich über den begangenen Fehler klar zu werden, ziehe erst dann die Nadel etwas zurück und schiebe sie in veränderter Richtung wieder vor. Die Nadel ganz aus der Haut herauszuziehen, ist nur erforderlich, falls die Einstichstelle unrichtig gewählt wurde. D a s A u f t r e f f e n d e r N a d e l auf K n o c h e n ist für den K r a n k e n i m m e r r e c h t s c h m e r z h a f t und man vermeide deswegen jeden Versuch, den entgegentretenden Widerstand gewaltsam zu überwinden.

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BEI E R K R A N K U N G E N

DES

NERVENSYSTEMS.

zumal ein derartiges Vorgehen doch nicht zum Ziele führen würde. Glaubt man, in den Lumbaisack eingedrungen zu sein, so zieht man den Stift aus der Hohlnadel heraus, hält ihn aber in der H a n d oder legt ihn in das Kochgefäß oder auf eine andere keimfreie Unterlage, um ihn nötigenfalls sogleich wieder benutzen zu können. Ist der Lumbaisack richtig getroffen, so fließt in der großen Mehrzahl der Fälle sogleich Liquor ab. N u r bei sehr geringem Druck dauert es manchmal einige Zeit, bis sich die Kanüle gefüllt h a t und der erste Tropfen zum Vorschein kommt. Sowie Flüssigkeit in dem Ansatzstück sichtbar wird, verbindet man die Nadel mit dem bereitgehaltenen Steigrohr und wartet ab, bis der in letzteres eintretende Liquor nicht mehr weiter ansteigt. Deutliche Schwankungen des Flüssigkeitsspiegels mit der A t m u n g beweisen, d a ß die Nadel frei im Lumbaisack liegt und das auch der Zufluß der Cerebrospinalflüssigkeit von oben her unbehindert ist. Zur M e s s u n g d e r D r u c k h ö h e bringt m a n den Nullp u n k t der Zentimeterteilung des Steigrohrs auf die Höhe der Einstichstelle u n d liest den Stand des Flüssigkeitsspiegels an der Teilung ab. B r a u c h b a r e W e r t e erhält man nur dann, wenn der K r a n k e r u h i g a t m e t u n d n i c h t p r e ß t , da jede Änderung der Atmung, Anspannung der Bauchpresse usw. durch veränderte Füllung der Venen innerhalb des Schädels und des Wirbelkanals den Liquordruck erheblich beeinflußt. S o l l F l ü s s i g k e i t e n t l e e r t w e r d e n , so läßt man d e n I n h a l t d e s S t e i g r o h r s durch ö f f n e n der Klemme an dem unteren Ansatzstück in ein keimfreies Gefäß (Reagenzglas oder Zentrifugenglas) abfließen. Danach schließt man sogleich wieder die Klemme, wartet die Füllung des Steigrohrs ab, stellt die Druckhöhe fest, entleert wieder den Inhalt des Steigrohrs und f ä h r t so fort, bis der Druck hinreichend gesunken ist (s. u.). Z u r B e e n d i g u n g d e r P u n k t i o n zieht m a n die Nadel, ohne das Steigrohr abzunehmen, heraus u n d bedeckt die Stichwunde mit einem Pflaster. Sollte eine stärkere Blutung erfolgen, wie dies besonders nach mehrfachem Auftreffen der Nadel auf den Knochen der Fall ist, so legt man einen Gazebausch auf u n d drückt ihn durch Pflasterstreifen an. . D e r K r a n k e soll sich n a c h der P u n k t i o n völlig r u h i g v e r h a l t e n , vor allem hastiges Aufsetzen oder gar Auf-

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stehen vermeiden. Am besten sorgt man dafür, daß er auf dem Bette, auf dem die Punktion vorgenommen wurde, liegen bleiben kann und daß er in jedem Falle mindestens für mehrere Stunden, nach Entleerung von Liquor bei empfindlichen Kranken mit regelrechten oder nur wenig erhöhten Druckwerten 24—48 Stunden lang, flache Rückenlage ohne Erhöhung des Kopfes einhält. B e u r t e i l u n g der D r u c k h ö h e , M e n g e und S c h n e l l i g k e i t d e r E n t l e e r u ng. Der L i q u o r d r u c k zeigt schon bei Gesunden ziemlich verschiedene Werte. Bei Seitenlage findet man gelegentlich nur 40—60 mm Wasser, meist allerdings höhere Werte, etwa 100 bis 125 mm. Eine Drucksteigerung darf erst als sicher angenommen werden, wenn bei völlig ruhigem Verhalten des Kranken wesentlich mehr als 150 mm Wasser gemessen werden. Bei entzündlichen Erkrankungen der Hirnhäute finden sich sehr erhebliche Steigerungen, bei Seitenlage häufig bis zu 300, ausnahmsweise bis zu 500 und mehr Millimetern Wasser, so daß die Flüssigkeit sogleich aus dem oberen Ende des 30-cm-Steigrohrs herausfließt. Will man in solchen Fällen den Druck genau messen, so muß man sich entweder eines längeren Steigrohres bedienen oder das gewöhnliche Steigrohr durch ein Aufsatzrohr verlängern. Die Verbindung wird durch einen kurzen Gummischlauch hergestellt. Wir ziehen das aus mehreren Teilen zusammengesetzte Steigrohr vor, weil die langen Steigrohre unhandlich sind und sich schwer auskochen lassen.

Die M e n g e d e r z u e n t l e e r e n d e n F l ü s s i g k e i t ist wesentlich abhängig von der Druckhöhe. Ist der Anfangsdruck niedrig, unter 100 mm Wasser, so dürfen n u r g a n z g e r i n g e Mengen Liquor, kaum mehr wie 1 ccm, entleert werden. Handelt es sich um empfindliche Kranke, so begnüge man sich mit der Entnahme der in das Steigrohr eingetretenen Flüssigkeit und verzichte auf weitere Entleerung. G a n z b e s o n d e r s h ü t e m a n s i c h , L i q u o r a b z u l a s s e n , w e n n a u c h n u r die M ö g l i c h k e i t b e s t e h t , daß d i e g e f u n d e n e g e r i n g e D r u c k h ö h e d u r c h eine S t ö r u n g der V e r b i n d u n g z w i s c h e n G e h i r n k a m m e r n u n d S u b a r a c h n o i d e a l r a u m , z. B. infolge einer Kleinhirngeschwulst, b e d i n g t sein k ö n n t e . Würde man in einem derartigen Falle durch Entleerung von Liquor eine Drucksenkung im Wirbelkanal hervorrufen, so könnte dadurch unmittelbar der Tod des Kranken herbeigeführt werden.

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BEI

ERKRANKUNGEN

DES

NERVENSYSTEMS.

Bei einem Anfangsdruck von mehr als 100 bis etwa 150 mm darf so lange Liquor abgelassen werden bis der Druck auf 100 mm abgesunken ist, vorausgesetzt, daß die Gewinnung größerer Liquormengen zur Untersuchung erforderlich ist. War hingegen der Druck stark erhöht, so läßt man ihn nicht unter 150 bis 200 mm sinken. A b l a s s e n v o n C e r e b r o s p i n a l f l ü s s i g k e i t o h n e D r u c k m e s s u n g i s t w e g e n der G e f a h r z u s t a r k e r D r u c k s e n k u n g u n b e d i n g t zu v e r m e i d e n . Die Menge des entleerten Liquors ist demgemäß je nach der Höhe des Anfangsdruckes außerordentlich verschieden. Ist er regelrecht, so muß sie, wie aus dem Gesagten hervorgeht, sehr beschränkt werden, bei stark erhöhtem Druck können manchmal ohne Schaden 30—SO und mehr Kubikzentimeter abgelassen werden.

Bei P u n k t i o n i m S i t z e n ist der Druck beträchtlich höher als im Liegen, etwa 400 mm Wasser, infolgedessen aber auch die durch das Ablassen von Liquor hervorgerufene Druckschwankung im Schädelinnern wesentlich stärker, zumal der Abfluß bei dem höheren Druck viel schneller vor sich geht. Bei empfindlichen Kranken kann es daher bei Punktion im Sitzen viel leichter zu schweren Störungen nach der Entleerung kommen, manchmal treten solche sogar schon während der Punktion auf. Aus diesem Grunde halten wir die Punktion im Sitzen für unzweckmäßig, bei N e r v e n k r a n k e n s o l l t e sie u n t e r k e i n e n U m ständen a n g e w a n d t werden. Zwischenfälle. In einzelnen Fällen e n t l e e r t s i c h nach dem Herausziehen des Stiftes k e i n L i q u o r aus der Hohlnadel, obwohl man beim Einstich deutlich die Empfindung des Eindringens in den Wirbelkanal gehabt hat und obwohl die Nadel genau in der sagittalen Ebene liegt. Die Gründe hierfür können verschiedener Art sein: 1. Die Nadel ist z u t i e f eingestochen, so daß sie den Lumbalsack völlig durchbohrt hat, oder sie ist n i c h t w e i t g e n u g vorgeschoben, so daß sie zwar in den Wirbelkanal hineinragt, durch die Dura aber noch nicht hindurchgedrungen ist. Der erstgenannte Fehler kommt häufiger bei Kindern vor, der letztere bei Erwachsenen, weil man bei ersteren nicht selten den Einstich mit zu großer Kraftanwendung ausführt, bei letzteren die notwendige Einstichtiefe leicht unterschätzt. Bei kräftigem Knochenbau und reichlichem Fettpolster ist die Entfernung von der Hautoberfläche bis ins Innere des Lumbaisackes oft recht erheblich. Vorsichtiges Vorschieben und Zurück-

1'i.nktion dks W i r b e l k a n a l s .

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ziehen der Nadel, bei ruhigen Kranken zweckmäßig nach Herausnahme des Stiftes, bringt in solchen Fällen den Abfluß in Gang. 2. E i n e W u r z e l oder ein a n d e r e s H i n d e r n i s k a n n v o r der K a n ü l e n ö f f n u n g l i e g e n und so den Abfluß unmöglich machen. Meist genügt in solchen Fällen eine Drehung der Kanüle, um die Öffnung von dem Hindernis zu entfernen und den Abfluß freizumachen. 3. V e r k l e b u n g e n zwischen den Wurzeln usw. können das Abfließen von Liquor verhindern. An das Vorliegen solcher Veränderungen muß gedacht werden, wenn nach erfolglosen Versuchen im Sinne von 1 und 2 und bei richtiger Lage der Nadel keine Flüssigkeit zutage tritt. Besonders bei eitrigen Entzündungen der Hirnhäute und nach häufiger wiederholten Punktionen muß man mit dieser Störung rechnen. Manchmal führt in solchen Fällen noch Einstich in einem höheren, seltener in einem tieferen Zwischenbogenraum zum Ziel. — B l u t b e i m e n g u n g e n zum abfließenden Liquor sind nicht selten und lassen sich nicht mit Sicherheit vermeiden, da ja bei der Punktion „im Dunkeln" gearbeitet wird und daher leicht ein Gefäß beschädigt werden kann. Die Stärke des Blutgehaltes wechselt in weiten Grenzen, von mit bloßem Auge kaum erkennbaren Spuren bis zu fast rein blutiger Beschaffenheit. Für manche Untersuchungen des Liquor, z. B. auf Zellvermehrung, ist die Anwesenheit von Blut sehr störend, dagegen bleibt sie für den Kranken wohl immer ohne schädliche Folgen, obwohl gelegentlich Ausbreitung des Blutes von der Stichstelle aus bis zu den obersten Teilen des Rückenmarkes nachgewiesen werden konnte. Wenn Blutbeimengungen nicht als Folge einer Verletzung bei der Punktion anzusehen sind, sondern auch nur Verdacht besteht, daß sie aus einem Krankheitsherde (Geschwulst usw.) herrühren könnten, so ist die Entleerung sogleich abzubrechen, um eine Anregung der Blutung durch die Drucksenkung zu vermeiden.

Beschwerden und Störungen infolge der Punktion. Nach der Punktion klagen die Kranken gelegentlich noch einige Zeit über Schmerzen an der Einstichstelle, besonders in Fällen, in denen der Einstich nicht sogleich gelang und der Knochen mehrfach von der Nadel getroffen wurde. Diese Beschwerden sind aber meist unerheblich und verschwinden bald. D a g e g e n k o m m t es bei sehr v i e l e n K r a n k e n n a c h S t u r s b e r g , Technik. 2. Aufl.

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der E n t l e e r u n g v o n L i q u o r zu E r s c h e i n u n g e n s e i t e n s des Z e n t r a l n e r v e n s y s t e m s , die g e l e g e n t l i c h a u ß e r o r d e n t l i c h h e f t i g s i n d und t a g e l a n g a n h a l t e n : Kopfschmerzen, Nacken- und Rückenschmerzen, Nackensteifigkeit, Übelkeit und Erbrechen, Uberempfindlichkeit der Haut am Unterleib und an den Beinen, also Erscheinungen eines mehr oder weniger erheblichen Reizzustandes im Bereich der Rückenmarkshäute. J e m e h r L i q u o r i m V e r h ä l t n i s z u r D r u c k h ö h e e n t l e e r t w u r d e u n d j e s c h n e l l e r der A b f l u ß v o r sich ging, desto heftiger pflegen derartige Beschwerd e n a u f z u t r e t e n . Deswegen sind die oben gegebenen Anweisungen über Menge und Schnelligkeit der Entleerung streng zu beachten, aber auch sie schützen nicht unbedingt vor unangenehmen Folgen, weil n e r v ö s e , l e i c h t e r r e g b a r e und empfindliche Menschen manchmal schon nach E n t nahme ganz geringer Mengen von L i q u o r über r e c h t e r h e b l i c h e B e s c h w e r d e n k l a g e n . Flache Rückenlage ohne Erhöhung des Oberkörpers und des Kopfes, mit Vermeidung des Aufsitzens oder gar Aufstehens für i — 2 Tage entsprechend den oben gegebenen Vorschriften, trägt wesentlich zur Verhütung und Milderung der besprochenen Beschwerden bei. Außerdem sind zu ihrer Bekämpfung schmerzlindernde Mittel (Pyramidon usw.) zweckmäßig. Noch lebhafter treten gelegentlich derartige Erscheinungen nach Einspritzungen in den Lumbaisack, z. B. nach Lumbalanästhesie, auf. Dies erklärt sich aus der großen Empfindlichkeit der Hirnhäute gegen chemische Reize, und es ist unrichtig, in derartigen Fällen jedesmal eine Infektion anzuschuldigen. Am besten werden im allgemeinen die Einspritzungen von Serum vertragen. Das V o r k o m m e n v o n T o d e s f ä l l e n nach Lumbalpunktion bei Kranken mit Gehirngeschwülsten wurde bereits oben erwähnt. I n f e k t i o n der R ü c k e n m a r k s h ä u t e durch unsauberes Gerät könnte zu eitrigen Entzündungen führen. Sie läßt sich bei genügender Vorsicht in den meisten Fällen mit Sicherheit vermeiden. Nur bei Bestehen von Druckbrandgeschwüren am Kreuzbein usw. ist die Gefahr so groß, daß die Lumbalpunktion besser unterbleibt. Bei Kranken, die Harn und Kot unter sich lassen, ist durch geeigneten Verband für Schutz der Stichwunde gegen nachträgliche Infektion zu sorgen.

EINSPRITZUNG

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LUMBALSACK.

Einspritzung in den Lumbalsack. Sollen größere Flüssigkeitsmengen in den Lumbalsack eingeführt werden, so ist es zweckmäßig, zur Vermeidung einer stärkeren Drucksteigerung zunächst in der früher beschriebenen Weise Liquor zu entleeren. Dabei ist es statthaft, den Druck etwas tiefer sinken zu lassen, wie oben angegeben wurde, da ja durch die einzuspritzende Flüssigkeit die entzogene Liquormenge sogleich wieder ersetzt wird. Wenn der Druck hinreichend erniedrigt ist, wird die vorher mit der a n g e w ä r m t e n Flüssigkeit gefüllte Spritze nach Entfernung des Steigrohres auf die Kanüle aufgesetzt und der Stempel g a n z l a n g s a m vorgeschoben. Der Wechsel zwischen Steigrohr und Spritze muß schnell geschehen, um weiteren Liquorabfluß zu verhindern. Nach Beendigung der Einspritzung und Entfernung der Nadel wird der Kranke mit erhöhtem Oberkörper gelagert, wenn die eingespritzte Flüssigkeit, wie z. B. bei der Lumbalanästhesie, nur auf die Wurzeln der Cauda einwirken soll. Will man dagegen die Flüssigkeit, z. B. Meningokokkenserum, möglichst hoch gehirnwärts vordringen lassen, so empfiehlt sich flache Lagerung, deren Wirkung durch Hochstellen des unteren Bettendes noch vermehrt werden kannBei epidemischer Genickstarre haben wir mit gutem Erfolg ein Verfahren benutzt, welches uns auf Grund experimenteller Untersuchungen brauchbar erschien: Vor der Lumbalpunktion wird eine schmale Stauungsbinde um den Hals des Kranken so fest angelegt, daß eine deutliche venöse Stauung am Kopf eintritt, die sich natürlich auch auf die Sinus und die sehr weiten Venen des Schädelinnern erstreckt. Dadurch wird ein Teil des Liquors aus der Schädelhöhle verdrängt und weicht nach dem Wirbelkanal aus. Nun wird in der gewöhnlichen Weise punktiert und Liquor entleert, bis die gewünschte Druckerniedrigung erreicht ist, und dann das Serum eingespritzt. Nach Schluß der Einspritzung wird der Kranke flach gelagert und a l l m ä h l i c h im Laufe von 1 I 2 — i Stunde die Stauungsbinde gelockert. Dieses Vorgehen bietet den Vorteil, daß der eitrige, meningokokkenhaltige Liquor meist sehr ausgiebig entleert wird, da der Anfangsdruck im Lumbalsack infolge der Verdrängung von Liquor aus der Schädel- nach der Rückenmarkshöhle hin sehr hoch ist. Wird dann nach der Einspritzung die Stauung am Halse allmählich verringert, so entleeren sich die Venen des Schädelinnern und dadurch verteilt sich der Inhalt des Lumbaisackes wieder schädelwärts, wird gewissermaßen dorthin angesaugt. Wir glauben, daß es manchmal auf diese Weise gelingt, das eingespritzte Serum auch mit einem Teil der Gehirnhäute in Berührung zu bringen. 7*

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DES

NERVENSYSTEMS.

D o s i e r u n g v o n A r z n e i m i t t e l n zur E i n s p r i t z u n g in den Lumbaisack. Zur Einspritzung in den Lumbaisack eignen sieb, wie bereits erwähnt, Sera, und zwar: M e n i n g o k o k k e n s e r u m ( K o l l e - W a s s e r m a n n ) in Mengen von 2u ccm und mehr auf einmal; T e t a n u s a n t i t o x i n in Mengen von 20—40 J . E . und mehr für eine Einspritzung. Die Serumeinspritzungen können an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen wiederholt werden. Gleichzeitige Einspritzung auf anderem Wege (Haut, Muskeln, Blutbahn) ist zulässig. Zur L u m b a l a n ä s t h e s i e wird T r o p a k o k a i n in Mengen von 0,05 bis 0,08 (selten mehr) benutzt nach folgender Formel: Tropakokain hydrochloric. Merck 0,25, Natr. chlorat. 0,03, Aqu. dest. 5,0. Ferner kommt in Betracht N o v o k a i n , von dem 0,1 für Operationen am Damm ausreicht, 0 , 1 2 — 0 , 1 5 für Operationen bis zur Gegend des Rippenbogens erforderlich sind. Die Lösung kann gebrauchsfertig in Glasröhren (mit 2 ccm ioproz. Lösung mit Suprareninzusatz) bezogen werden, (t'bei Einspritzung von Salvarsanpräparaten vgl. die Bemerkungen auf S. 87.) „Durchspülung" des Lumbaisackes mit p h y s . K o c h s a l z - oder besser R i n g e r l ö s u n g kann bei starkem Eitergehalt des Liquor bei epid. Hirnhautentzündung versucht werden: Senkung des Drucks bis auf 90—100 mm, Einspritzung von 30—40, gelegentlich auch 60—70 ccm der frischen, keimfreien, erwärmten Lösungen, dann wieder Entleerung; Wiederholung dieses Vorgehens 2—3mal, dann Serumeinspritzung ( G ö t z und H a n f l a n d ) .

Einspritzung in den Kreuzbeinkanal. Die „epidurale Einspritzung" dient nur Behandlungszwecken. Sie kann in Fällen, in denen es nur auf Beeinflussung der im Kreuzbeinkanal verlaufenden Nervenwurzeln ankommt, die Einspritzung in den Lumbaisack ersetzen und hat vor ihr den großen Vorteil, daß sie nur die Nervenwurzcln, nicht aber die empfindlichen weichen Rückenmarkshäute trifft und daß ein Vordringen der eingespritzten Lösung bis zum verlängerten Mark und weiter gehirnwärts nicht vorkommen kann. Andererseits hat sie den Nachteil, daß die innerhalb des Lumbaisackes frei in der Flüssigkeit liegenden Wurzeln nach ihrem Durchtritt durch die Dura in das epidurale Gewebe eingebettet sind, so daß sie nicht mit der gleichen Sicherheit von dem Arzneimittel erreicht werden. Eine gewisse Vorsicht ist bei der Einspritzung in den Kreuzbeinkanal deshalb geboten, weil Novokain dabei erheblich giftiger wirkt als bei Einspritzungen in den Muskel ( L ä w e n und v o n G a z a ) . Diese Erscheinung hat ihren Grund darin, daß besonders bei schneller Einspritzung eine starke

EINSPRITZUNG

IN

DEN

J)rui k s t e i g e r u n g in d e m u l i n a c h g i e b i g e n saugung stark beschleunigt wird.

KREUZBEINKANAL. K a n a l entsteht, w o d u r c h die

1(J1 Auf-

Abgesehen von der Verwendung der epiduralen Einspritzungen zum Zwecke der örtlichen Betäubung bei Operationen an den Beinen, den Geschlechtsteilen usw. ist sie besonders gegen Ischias empfohlen worden. Wir selbst haben uns zwar bisher nicht von einem wesentlichen Nutzen gegenüber dieser Erkrankung überzeugen können, immerhin wird man aber das Verfahren besonders in schweren Fällen, die anderer Behandlung trotzen, versuchen müssen, zumal wenn Erscheinungen bestehen, die auf Wurzelerkrankung („Wurzelischias") hinweisen. Auch bei E n u r e s i s n o c t u r n a soll es, besonders nach Angabe französischer Ärzte, gute Erfolge haben, es muß aber noch unentschieden bleiben, ob es sich hierbei nicht nur um eine Suggestivwirkung handelt. Gerät. Zur Einspritzung dient eine Rekordspritze von 10 oder 20 ccm Inhalt mit einer kräftigen Hohlnadel von 7 — 8 cm Länge. Bei unruhigen oder ungebärdigen Kranken empfiehlt sich die Verwendung einer Lumbalpunktionsnadel, bei der die Gefahr des Abbrechens nicht so groß ist, wie bei einer einfachen Hohlnadel. Ort der Einspritzung. Die Einspritzung soll die Umgebung des unteren Endes des Lumbaisackes treffen, der im Kreuzbeinkanal durchschnittlich etwa bis zum zweiten Kreuzbeinwirbel hinabreicht, manchmal aber auch höher oder tiefer endigt. Als Zugang dient der Hiatus sacralis, der nur durch ein membranöses Band geschlossen ist (Abb. 28a). Zu beiden Seiten der Öffnung, die unterhalb des unteren Endes des Kreuzbeinkammes liegt, erheben sich zwei Knochenhöcker, die Cornua sacralia, die meist deutlich abtastbar sind, falls kein ungewöhnlich starkes Fettpolster sie verdeckt. Die Beschaffenheit der Öffnung des Kreuzbeinkanals wechselt in sehr weiten Grenzen, ein Umstand, der für die Ausführung der Punktion wichtig ist. A m häufigsten findet sich wohl die günstige Form, wie sie Abb. 28a darstellt: Die Öffnung ist regelmäßig begrenzt, etwa 1 cm breit und so weit, daß die Nadel zwischen Vorder- und Rückwand reichlich Spielraum hat. Zwischen dieser Form und der in A b b . 28 b dargestellten, bei der nur noch der Umriß der Öffnung angedeutet, diese selbst aber geschlossen ist, kommen die verschiedensten Übergänge vor. Im allgemeinen läßt die Abtastung erkennen, ob die Öffnung hinreichend entwickelt ist, um den Einstich zu ermöglichen, immer-

1 0 2

PUNKTIONEN

BEI

ERKRANKUNGEN

DES

NERVENSYSTEMS.

hin sind Täuschungen nicht zu vermeiden. Formen des Kreuzbeinendes, wie sie Abb. 28 c wiedergibt, sind deshalb beachtenswert, weil die Nadel beim Einstich zwischen dem unteren Teil der Hörner die eigentliche Öffnung des Kanales leicht verfehlt und statt in den Kanal unter die H a u t gleitet. Auch ist es gerade in solchen Fällen nicht leicht, sich durch Abtasten ein Bild davon zu machen, ob die Beschaffenheit der Öffnung die Punktion zulassen wird.

A b b . 28. Nach Lichtbildern gezeichnet.

Endlich ist die wechselnde Krümmung des Kreuzbeines beachtenswert. Je stärker sie ist, desto eher wird dem Vordringen der Nadel nach aufwärts ein Ziel gesetzt. Verfahren. Das Eindringen in den Kanal gelingt am leichtesten in Knie-Ellenbogenlage oder in Seitenlage mit stark angezogenen Oberschenkeln, wie wir sie auch zur Lumbalpunktion benutzen (Abb. 27, S. 02). Nachdem der Kranke in die zur Ausführung der Punktion gewählte Lage gebracht worden ist, tastet man zunächst den Kreuzbeinkamm in der Richtung von oben nach unten und die Cornua sacralia ab, um sich über Lage und Form der Öffnung zu unterrichten. Erst dann reinigt man Hände und Haut in der üblichen Weise 1 ) und sticht nach ' ) Die Seitenlage kann inzwischen eingehalten werden, die anstrengende und unbequeme Knieellenbogenlage ist dagegen zu unterbrechen und erst unmittelbar vor der Punktion wiederherzustellen.

EINSPRITZUNG IN DEN K R E U Z B E I N K A N A L .

JQ3

nochmaliger Abtastung genau in der Mittellinie, etwas unterhalb des oberen Randes der Öffnung, ein. Der Einstich soll zunächst annähernd senkrecht zur Haut geführt werden, bis die Nadelspitze durch die Membran hindurch gerade in den Kanal eingedrungen ist (Abb. 29, Lage 1). Dann wird das äußere Ende der Nadel so gedreht, daß ihre Spitze nach aufwärts gerichtet ist (Lage 2), und in dieser Richtung möglichst weit vorgeschoben. Je nach der Krümmung des Kreuzbeinkanals stößt sie früher oder später auf Widerstand, meist erst in einer Entfernung von 5—6 cm vom Einstich. Durch den Versuch, seitliche Bewegungen mit der Nadel auszuführen, überzeugt man sich, daß die Nadel richtig in den Kanal eingedrungen ist. Derartige Bewegungen sind dann nicht möglich, wohl dagegen, wenn die Nadel versehentlich unter der Haut vorgeschoben wurde. Nunmehr wird bei Benutzung der Lumbalpunktionsnadel der Stift herausgezogen, bei Benutzung der Hohlnadel die Spritze abgenomA b b . 29. Unter Benutzung men und a b g e w a r t e t , ob B l u t oder L i q u o r einer Zeichnung z u m V o r s c h e i n k o m m t . Austritt von Blut von Cbatelin. würde es wahrscheinlich machen, daß die Nadelspitze in einer Vene liegt, Liquor würde Eindringen in den Lumbaisack beweisen. Bei Knie-Ellenbogenlage ist der Sicherheit halber noch mit der Spritze anzusaugen, da bei dieser Lage der Liquordruck wohl meist nicht genügt, um Flüssigkeit aus der Kanüle austreten zu lassen. Zeigt sich weder Blut noch Liquor, so darf eingespritzt werden, anderenfalls ist die Nadel zurückzuziehen und ihre Lage zu ändern. Die Einspritzung der erwärmten Lösung soll g a n z l a n g s a m , im Laufe von 2 — 3 Minuten, vorgenommen werden. (Vgl. S. 100.) Während der Einspritzung der ersten Kubikzentimeter achte man darauf, ob sich nicht etwa eine Quaddel unter der Haut bildet, wie dies bei Verfehlen des Kanales und Eindringen der Spritze in das Unterhautgewebe der Fall sein würde. Nach Beendigung der Einspritzung wird die Nadel zurückgezogen und die Stichwunde durch einen Pflasterverband geschlossen. Zwischenfälle und Gefahren. Bei sehr enger Kreuzbeinöffnung ist die Punktion schwierig, unter Umständen un-

1 0 4

PUNKTIONEN

BEJ

ERKRANKUNGEN

DES

NERVENSYSTEMS.

möglich. Man hüte sich in solchen Fällen vor jedem gewaltsamen Vorgehen, zumal derartige Versuche für den Kranken sehr schmerzhaft sind, weil die Nadel fast immer auf die empfindliche Knochenhaut auftrifft. Ein Druckgefühl im Kreuzbein, welches besonders bei Einspritzung reichlicher Flüssigkeitsmengen eintritt, verschwindet meist schnell wieder. Kopfschmerzen und Erbrechen werden gelegentlich bei Anwendung von Novocain beobachtet, sind aber meist nicht von langer Dauer. Immerhin sollte wegen der Vergiftungsgefahr die Gabe von 0,4 Novocain nicht überschritten werden. Die Wichtigkeit langsamer Einspritzung sei nochmals betont. Über die Möglichkeit von Infektionen gilt das gleiche wie bei der Lumbalpunktion (s. S. 98). Bei Bestehen von Druckbrand darf auch die epidurale Einspritzung nicht angewandt werden. Die größte, aber mit Sicherheit vermeidbare Gefahr der Einspritzung in den Kreuzbeinkanal würde in dem E i n d r i n g e n s t a r k w i r k e n d e r L ö s u n g e n in den L u m b a i s a c k o d e r in d i e B l u t b a h n bestehen. Die Einwirkung derartiger Lösungen auf das verlängerte Mark, welches bei der beträchtlichen Menge der eingespritzten Flüssigkeit sicher erreicht werden würde, könnte nicht nur schwere Erkrankungen, sondern unmittelbar den Tod herbeiführen. Die oben angegebenen Vorsichtsmaßregeln sind deshalb unbedingt zu beachten! Dosierung von Arzneimitteln zur Einspritzung in den K r e u z b e i n k a n a l . Zur Herbeiführung einer Anästhesie zwecks Ausführung von Operationen werden bis zu 0,4 g Novokain in 2proz. Lösung mit Zusatz von Natrium bicarbonicum und Suprareninlösung eingespritzt: Rp. Novokain o, 6, Natr. bicarb. pro analysi 0,15, Natr. Chlorat. 0,1, A q u . destill. 30,0, Sol. supraren. synth. (1,0 : 1000,0) gtt. I V . Bei Ischias kann die gleiche Lösung verwendet werden, jedoch soll in vielen Fällen schon die Einspritzung von 1 5 — 2 0 ccm keimfreier physiologischer Kochsalzlösung genügen. Bei Enuresis kommt nur die letztere in Betracht.

Einspritzung auf Nervenstämme. Einspritzungen auf Nervenstämme können in der Weise ausgeführt werden, daß die Flüssigkeit in den N e r v e n -

EINSPRITZUNG

AUF

NERVENSTÄMME.

105

s t a m m s e l b s t e i n d r i n g t oder d a ß sie n u r die U m g e b u n g d e s N e r v e n durchtränkt. D a d a s richtige T r e f f e n d e s N e r v e n n i c h t i m m e r l e i c h t ist, so w i r d w o h l sehr o f t n u r l e t z t e r e s d e r F a l l sein, a u c h w e n n die A b s i c h t v o r l a g , i n d e n N e r v e n einzuspritzen. D i e V e r w e n d u n g der Einspritzungen zur örtlichen B e t ä u b u n g soll als c h i r u r g i s c h e M a ß n a h m e hier n i c h t e r ö r t e r t w e r d e n , sondern n u r i h r e B e n u t z u n g z u r B e k ä m p f u n g v o n N e u r a l g i e n . V o n diesen k o m m t i n erster L i n i e die I s c h i a s in B e t r a c h t , d e m n ä c h s t N e u r a l g i e n i m B e r e i c h des T r i g e m i n u s u n d s c h l i e ß l i c h die s e l t e n e n F ä l l e v o n N e u r a l g i e n e i n z e l n e r a n d e r e r Nerven. Gerät. R e k o r d s p r i t z e v o n m i n d e s t e n s 10 c c m I n h a l t . L ä n g e u n d S t ä r k e der H o h l n a d e l r i c h t e t sich n a c h d e r a n a t o m i s c h e n L a g e des betreffenden Nerven. Zur Einspritzung verwenden wir nur noch Lösungen, durch die eine d a u e r n d e S c h ä d i g u n g d e s N e r v e n n i c h t b e d i n g t w i r d , also k e i m f r e i e p h y s i o l o g i s c h e K o c h s a l z l ö s u n g m i t o d e r o h n e Z u s a t z v o n V « % N o v o k a i n oder 0 , 1 % ß - E u k a i n . Mittel, die den Nerven anatomisch schwer schädigen, ihn gewissermaßen ,,unblutig resecieren", wie Alkohol (70 proz.) oder Osmiumsäure, werden wohl nur noch selten benutzt. Sie dürften selbstverständlich n u r bei r e i n e n E m p f i n d u n g s n e r v e n , n i c h t a b e r b e i g e m i s c h t e n N e r v e n a n g e w a n d t w e r d e n und sind nicht zu empfehlen, weil sie außerordentlich heftige Nebenwirkungen auslösen und gelegentlich zu schweren Störungen (z. B. bei Anwendung am 1. Trigcminusast zu Erblindung) Veranlassung gegeben haben. Wenn die ersterwähnten Mittel nicht ausreichen, wird man die Operation diesen gefährlichen und in ihrer Wirkung unberechenbaren Mitteln unbedingt vorziehen. Verfahren. D i e S c h w i e r i g k e i t des V e r f a h r e n s b e s t e h t d a r i n , d e n N e r v e n s t a m m g e n a u zu t r e f f e n . B e i o b e r f l ä c h l i c h g e l e g e n e n N e r v e n , z. B . d e m e r s t e n T r i g e minusast, sticht m a n möglichst nahe der Austrittstelle oder entsprechend einem Druckpunkte mit kurzer dünner Hohlnadel ein u n d i n f i l t r i e r t d u r c h l a n g s a m e s E i n s p r i t z e n v o n e t w a 1 0 b i s 20 c c m F l ü s s i g k e i t 1 ) . D e r N e r v u s p e r o n e u s i s t a m W a d e n b e i n köpfchen leicht zugänglich und deutlich tastbar. B e i I s c h i a s k a n n m a n , falls D r u c k p u n k t e v o r h a n d e n s i n d , auf diese e i n s p r i t z e n , g e w ö h n l i c h p f l e g t m a n a b e r d e n E i n s t i c h 1 ) Einspritzungen auf den Stamm des 3. Trigeminusastes von der Mundhöhle aus sollen hier nicht besprochen werden, weil sie besondere fachärztliche Einübung voraussetzen,

106

Ö R T L I C H E B E H A N D L U N G DER S P E I S E R Ö H R E

UND DES M A G E N S .

auf einen P u n k t nahe der Austrittsstelle, auf der Verbindungslinie zwischen g r o ß e m Rollhügel u n d Sitzknorren, zu richten. D a der N e r v hier ziemlich tief liegt, m u ß die N a d e l 8—10 cm lang u n d dementsprechend nicht zu s c h w a c h sein. D e r K r a n k e liegt m i t leicht gebeugten H ü f t - und Kniegelenken auf der gesunden Seite, a m besten in einer Mittelstellung zwischen Seitenlage und B a u c h l a g e . D e r T r o c h a n t e r m a j o r und der Sitzknorren werden a b g e t a s t e t und m i t B l a u s t i f t bezeichnet. A u f der Verbindungslinie beider P u n k t e liegt e t w a drei querfingerbreit v o n d e m hinteren T r o c h a n t e r r a n d e die Einstichstelle. N a c h sorgfältiger V o r b e r e i t u n g der H a u t erzeugt m a n durcli E i n s p r i t z u n g einiger Tropfen der zu v e r w e n d e n d e n L ö s u n g m i t feiner N a d e l eine unempfindliche H a u t q u a d d e l , ersetzt die ben u t z t e N a d e l durch die oben e r w ä h n t e lange N a d e l u n d sticht diese senkrecht zur H a u t l a n g s a m ein. T r i f f t man, meist in e t w a 7 — 8 cm Tiefe, auf den N e r v e n , so e m p f i n d e t der K r a n k e einen kurzdauernden, ausstrahlenden Schmerz, der o f t m i t einer deutlich sichtbaren Z u c k u n g v e r b u n d e n ist. M a n spritzt d a n n sogleich den I n h a l t der Spritze u n t e r k r ä f t i g e m D r u c k ein, f ü l l t die abgenommene Spritze v o n neuem, w ä h r e n d man die N a d e l möglichst in der gleichen Stellung festhält, spritzt wieder ein usw., bis e t w a 5 0 — 1 0 0 c c m der N o v o k a i n l ö s u n g v e r b r a u c h t sind. N a c h Herausziehen der N a d e l wird die Stichstelle m i t einem kleinen V e r b ä n d e b e d e c k t . Gelingt es nicht, den N e r v e n selbst zu treffen, so b e s c h r ä n k t m a n sich darauf, seine ganze U m g e b u n g m i t der L ö s u n g zu d u r c h t r ä n k e n , indem m a n u n t e r m e h r f a c h e m Zurückziehen der N a d e l und Wiedervorschieben in e t w a s anderer R i c h t u n g e t w a die gleiche Flüssigkeitsmenge u n t e r k r ä f t i g e m D r u c k in das Gew e b e einspritzt. A u c h d a m i t sollen m a n c h m a l günstige E r f o l g e erzielt werden. Besondere Gefahren h a f t e n den E i n s p r i t z u n g e n nicht an, falls k e i m f r e i g e a r b e i t e t und ungeeignete Mittel v e r m i e d e n werden.

Örtliche Behandlung der Speiseröhre und des Magens. Vorbemerkungen. F ü r die E i n f ü h r u n g von Sonden und ähnlichen V o r r i c h t u n g e n in die Speiseröhre und in den Magen sind unter regelrechten a n a t o m i s c h e n Verhältnissen folgende U m stände von Bedeutung:

SONDIERUNG

BEI

ERKRANKUNGEN

DER

SPEISERÖHRE.

1(J7

1. Die Speiseröhre kann praktisch als g e r a d e v e r l a u f e n d e s R o h r gelten, da die unbedeutenden Krümmungen sich bei der Einführung eines Gerätes ausgleichen. Die E n t f e r n u n g v o n d e r Z a h n r e i h e b i s z u m M a g e n c i n g a n g beträgt beim Erwachsenen bei mittlerer Körpergröße etwa 40 cm, wovon 25 cm auf die eigentliche Speiseröhre, 15 cm auf die Strecke von der Zahnreihe bis zum Beginn der Speiseröhre entfallen. Der D u r c h m e s s e r der engsten Stelle der Speiseröhre kann unter Berücksichtigung ihrer Dehnbarkeit praktisch gleich 2 cm gesetzt werden. 2. Das e i n z i g e a n a t o m i s c h e H i n d e r n i s bei Sondierung der gesunden Speiseröhre bildet die R i n g k n o r p e l p l a t t e , welche besonders bei älteren Männern o f t stark nach hinten vorspringt. Ihre Überwindung bereitet im allgemeinen aber keine Schwierigkeiten, da bei Ausführung einer Schluckbewegung die Sonde leicht darüber hinweggleitet und im Notfalle der H ü t e r s c h e Handgriff (S. m ) den Raum zwischen der Ringknorpelplatte und der hinteren Speiseröhrenwand durch Vorziehen des Kehlkopfes hinreichend erweitert. Die starke Krümmung beim Übergang von der Mundhöhle durch den Rachen zur Speiseröhre wird bei richtigem Vorgehen leicht überwunden. A l l e ü b r i g e n H i n d e r n i s s e , die sich manchmal der Sondierung entgegenstellen, s i n d a u f d i e R e i z b a r k e i t d e r R a c h e n o r g a n e o d e r d i e Ä n g s t l i c h k e i t d e s K r a n k e n , nicht selten auch a u f U n g e s c h i c k l i c h k e i t d e s S o n d i e r e n d e n zurückzuführen.

Sondierung bei Erkrankungen der Speiseröhre. Anzeigen. Die Sondierung der Speiseröhre dient zur F e s t s t e l l u n g u n d B e h a n d l u n g v o n V e r e n g e r u n g e n , die durch Neubildungen, Narben, Divertikel oder durch Krampfzustände am Mageneingang bedingt sind, gelegentlich auch zur Behandlung der sog. idiopathischen Speiseröhrenerweiterung (S. 116) und zur Einbringung flüssiger Nahrungsmittel unmittelbar in den Magen. Fiebernde Kranke, ferner solche, die an Atemnot infolge von Herzleiden, Arteriosklerose usw. leiden oder zu Blutungen neigen, dürfen nicht sondiert werden, und ebenso ist bei sehr

1 0 8

ÖRTLICHE

BEHANDLUNG

DER

SPEISERÖHRE

UND DES

MAGENS.

elenden Kranken große Vorsicht am Platze. Unbedingt v e r b o t e n ist A n w e n d u n g der S c h l u n d s o n d e , wenn auch nur e n t f e r n t e r V e r d a c h t auf A o r t e n a n e u r y s m a b e s t e h t , da sie bei dieser Erkrankung Berstung und tödliche Blutung auslösen kann. In allen anderen Fällen kann die d i a g n o s t i s c h e S o n d i e r u n g unbedenklich vorgenommen werden, wenn Klagen über Schluckbeschwerden nach Ausschließung anderer Ursachen (nervöser Störungen usw.) auf eine Erkrankung der Speiseröhre hinweisen. Die S o n d i e r u n g z u B e h a n d l u n g s z w e c k e n ist bei narbigen Verengerungen in jedem Falle zu versuchen und durchzuführen, wenn es überhaupt gelingt, mit einer Sonde in die Verengerung einzudringen. D a g e g e n sei m a n b e i k r e b s i g e n V e r e n g e r u n g e n mit der S o n d i e r u n g zurückhaltend. Denn die Gefahr, weiches Krebsgewebe an irgendeiner Stelle mit der Sonde zu durchbohren, läßt sich auch bei größter Vorsicht nicht mit Sicherheit ausschalten, und ferner kann der Reiz der Sondierung vielleicht das Wachstum der Neubildung beschleunigen, mindestens aber entzündliche Vorgänge in der U m gebung der Geschwulst anregen oder verschlimmern, zumal, besonders bei fortgesetzten Sondierungsversuchen, die Entstehung kleiner Verletzungen unvermeidlich ist. D e s w e g e n s o l l t e b e i S p e i s e r ö h r e n k r e b s regelmäßige S o n d i e r u n g erst eingeleitet werden, wenn trotz A n w e n d u n g anderer M i t t e l ( H 2 O J usw.) d a s S c h l u c k e n f l ü s s i g e r N a h r u n g s m i t t e l u n m ö g l i c h z u w e r d e n b e g i n n t u n d die A n l e g u n g einer M a g e n f i s t e l nicht r a t s a m erscheint oder v e r w e i g e r t w i r d . In solchen Fällen wird täglich sondiert, jedoch setzt man bei Eintritt einer Besserung gelegentlich aus, u m festzustellen, ob nicht inzwischen (etwa infolge Zerfalls von Geschwulstgewebe) die Durchgängigkeit wieder dauernd besser geworden ist. Gerät. Zum Nachweis, ob überhaupt eine Verengerung vorliegt, genügt ein gewöhnlicher M a g e n s c h l a u c h (S. 1 1 9 ) , zur Feststellung ihres Grades und zur Behandlung müssen S p e i s e r ö h r e n s o n d e n verwendet werden. W i r bevorzugen die h a l b s t a r r e n S o n d e n , die aus einem mit L a c k durchtränkten Seidengewebe bestehen, und in den verschiedensten Dicken (von wenigen Millimetern bis zu 1 */a cm Stärke) hergestellt werden. Bei etwa 60—80 cm Länge

SONDIERUNG

BEI

ERKRANKUNGEN

DER

SPEISERÖHRE.

1 0 9

und kreisförmigem Querschnitt haben sie abgerundete oder kegelförmige Spitze und sind meist massiv. Hohlsonden werden nur ausnahmsweise verwendet, um nach gelungener Sondierung Nahrungsmittel in den Magen einzugießen. An ihrem oberen Ende ist zu diesem Zwecke meist eine trichterförmige Erweiterung, nahe der Spitze zwei Öffnungen (Fenster) angebracht. Die halbstarren Sonden sind in der Kälte nur wenig biegsam, können aber durch Einlegen in warmes Wasser beliebig erweicht werden. Bei längerem Gebrauch oder nach Abknickungen bekommt ihr Überzug oft Risse und Rauhigkeiten. Sind diese einigermaßen erheblich, so dürfen die Sonden nicht mehr benutzt werden, weil die rauhe Oberfläche Schleimhautverletzungen hervorrufen kann und die Reinigung erschwert. Die R e i n i g u n g d e r S o n d e n geschieht unmittelbar nach dem Gebrauch durch Abspülen, gründliches Abwaschen mit warmem Wasser und Seife und kräftiges Abreiben mit einem weichen Tuch. Außerdem ist Behandlung m i t Sublimatlösung ( i % o ) statthaft, jedoch leidet der Uberzug der Sonden auf die Dauer darunter. Die O l i v e n s o n d e n nach T r o u s s e a u , Fischbeinstäbe mit aufgeschraubten, auswechselbaren Elfenbeinoliven, sind brauchbar, haben aber keine wesentlichen Vorteile vor den halbstarren Sonden. Die sog. D a u e r k a n ü l e n , welche in die Verengerung eingeführt werden und dort liegen bleiben sollen, sowie die sog. D i l a t a t i o n s s o n d e n , welche die Dehnung einer Verengerung in einer Sitzung ermöglichen, können unberücksichtigt bleiben. Sie kommen höchstens für Ausnahmefälle in Betracht, sind zum großen Teil nicht ungefährlich und von zweifelhaftem Werte. Nur bei den seltenen Fällen von Kardiospasmus scheint die G o t t s t e i n s c h e Dilatationssonde gelegentlich gute Erfolge zu erzielen, ihre Anwendung setzt aber besondere Einübung voraus und soll hier nicht erörtert werden. Ebenso sehen wir von einer Besprechung der Speiseröhrenspiegelung ab, tlie Sache des Facharztes ist.

Verfahren. Jeder Sondierung hat eine eingehende 1' n t e r s u c h u n g a u f Z e i c h e n von Erweiterung der Bv u s t s c h l a g a d e r v o r a u s z u g e h e n . Die besonders bei der ersten Sondierung durchaus verständliche Ä n g s t l i c h k e i t des Kranken wird durch beruhigendes Zuroden bekämpft. Am besten bespricht man v o r der Sondeneinführung alles Notwendige mit dem Kranken, weil dessen Aufmerksamkeit während der Sondierung zu sehr abgelenkt ist. Mit Rücksicht auf die bei den meisten Kranken bestehende Furcht, sie bekämen nach Einführung der Sonde ,,keine Luft", setzt man vor allem auseinander, daß die Sonde die Atmung nicht behindere, weil sie ja nicht

H O

ÖRTLICHE

BEHANDLUNG

DER

SPEISERÖHRE

UND DES

MAGENS.

in die Luftröhre, sondern nur in die Speiseröhre eingeschoben werde. Es sei zwar ein eigentümliches und etwas unangenehmes Gefühl, wenn die Sonde in den Rachen komme, man gewöhne sich aber sehr schnell daran, so daß Kranke, denen häufig der Magenschlauch oder die Sonde eingeführt werden müsse, dies bald selbst lernten und mit Leichtigkeit, manchmal besser als der Arzt ausführten. Es komme nur darauf an, ruhig zu atmen und etwa auftretendem Würgreiz nicht nachzugeben. Die Zunge sei möglichst ruhig zu halten, der Aufforderung des Arztes, zu schlucken, sogleich Folge zu leisten. Endlich bekommt .der Kranke die Anweisung, auf d a s A u f t r e t e n v o n S c h m e r z e n d u r c h E r h e b e n der H a n d a u f m e r k s a m zu m a c h e n und im Munde angesammelten Speichel nicht herunterzuschlucken, sondern auszuspucken oder aus dem Munde herausfließen zu lassen. Die Sonden müssen v o r der Einführung in warmem Wasser so weit erweicht werden, d a ß sie die erforderliche Biegung leicht annehmen, trotzdem aber noch fest genug bleiben, um sich mit der Hand gut leiten zu lassen. Sind sie zu weich geworden, so genügt kurzes A b s p ü l e n mit kaltem Wasser, um sie wieder zu härten. Z w e c k m ä ß i g e K r ü m m u n g erleichtert die E i n f ü h r u n g der Sonde wesentlich. Die Biegung soll nur das vordere E n d e in e t w a 1 5 — 2 0 cm A u s d e h n u n g betreffen und möglichst so bemessen werden, d a ß in dem Augenblick, in dem die Sondenspitze bis zur Höhe des Kehlkopfeinganges vorgedrungen ist, der m i t t lere, von der einführenden H a n d gehaltene Sondenteil wagereclit verläuft. Die Spitze m u ß d e m n a c h e t w a im rechten Winkel zu letzterem stehen (vgl. A b b . 31). Der weniger Geübte überzeugt sich zweckmäßig von der richtigen Biegung der Sonde, indem er sie neben Kopf und Hals des K r a n k e n hält. Der K r a n k e sitzt aufrecht und g u t angelehnt auf einem Stuhl. Künstliche Gebisse sind aus seinem Munde zu entfernen. Die Kleidung wird durch eine Gummischürze und ein u m den Hals gelegtes H a n d t u c h v o r B e s c h m u t z u n g geschützt (Abb. 30). E i n Handtuch allein genügt besonders bei der ersten Sondierung nicht, weil hierbei gelegentlich reichliches Erbrechen oder Herauswürgen von Nahrungsresten und Schleimmassen stattfindet, die sich nicht selten oberhalb einer Verengerung in der gedehnten Speiseröhre ansammeln. Nachdem der A r z t der Sonde die geeignete K r ü m m u n g gegeben und sie gründlich mit Wasser ( n i c h t m i t Ö l , welches E k e l und Erbrechen hervorrufen kann!) angefeuchtet hat, wird der K r a n k e aufgefordert, den Mund zu öffnen, o h n e j e d o c h d e n K o p f n a c h h i n t e n z u b i e g e n , weil dadurch der Eingang zur

SONDIERUNG

BEI

ERKRANKUNGEN

DER

SPEISERÖHRE.

M

Speiseröhre verengert und besonders auch die Schildknorpelplatte gegen die hintere Speiseröhrenwand und die Wirbelsäule angepreßt werden würde. D i e o b e r e Z a h n r e i h e s o l l w ä h r e n d d e r So nde nei nf ü hr u ng w a g e r e c h t s t e h e n , jede Abweichung von dieser Haltung ist fehlerhaft. D e r A r z t s t e h t z u r R e c h t e n des K r a n k e n und sichert durch einen leichten Gegendruck der linken Haad gegen den Hinterkopf die richtige Kopfhaltung, während er mit der rechten Hand die Sonde einführt (Abb. 30). Die S t e l l u n g d e s A r z t e s gegenü b e r d e m K r a n k e n ist unseres Erachtens weniger zweckmäßig, weil dabei die Kleidung des ersteren durch etwa eintretendes Erbrechen usw. leichter beschmutzt wird. Außerdem bietet die Stellung zur Seite des Kranken den Vorteil, daß der Arzt in der eben angegebenen Weise mit der linken Hand auf die Kopfhaltung einwirken kann, ein Umstand, der besonders bei noch nicht an die Sondierung gewöhnten Kranken wichtig ist. Nur wenn es notwendig ist, den sog. H ü t e r s c h e n H a n d g r i f f auszuführen, muß der Arzt dem Kranken gegenüberstehen. Dieser Handgriff besteht darin, daß der Arzt mit dem Zeigefinger oder mit Zeige- und Mittelfinger der linken Hand in den Mund des Kranken eingeht, die Finger möglichst weit über den Zungengrund vorschiebt und diesen stark nach vorn und abwärts drückt. Dadurch wird die Zunge festgehalten und der Speiseröhreneingang erweitert, so daß die Sonde an der Schildknorpelplatte kein HinderAbb. 30. nis findet. Gleichzeitig dient der Finger oder Einführung des Magenbei Einführung von zwei Fingern die Verschlauches. tiefung zwischen beiden zur Leitung der Sondenspitze. Soll der Handgriff bei sehr ungebärdigen Kranken ausgeführt werden, so tut man gut, den eingeführten Finger durch eine gelenkige Schutzhülse vor Bißverletzungen zu schützen. Man kann auch in Ermanglung einer solchen den Kranken dadurch am Zubeißen hindern, daß man die Unterlippe zwischen Finger und Zahnreihe bringt, so daß kräftiges Zubeißen ihm selbst Schmerzen verursachen würde. Nach unseren Erfahrungen i s t d e r H ü t e r s c h e H a n d g r i f f b e i d e r g r o ß e n M e h r z a h l d e r K r a n k e n d u r c h a u s e n t b e h r l i c h . Außerdem ist er f ü r d e n K r a n k e n u n a n g e n e h m u n d e r s c h w e r t m a n c h m a l g e r a d e z u d i e E i n f ü h r u n g d e r S o n d e , weil Einwirkungen auf den Zungengrund besonders leicht Würgbewegungen auslösen und weil die Einführung von zwei oder drei umfangreichen Fremdkörpern — Fingern und Sonde — naturgemäß einen stärkeren Reiz ausüben muß als die Einführung der Sonde allein. W i r p f l e g e n d a h e r d e n H ü t e r s c h e n H a n d g r i f f n u r a n z u -

1 1 2

ÖRTLICHE

BEHANDLUNG

DER

SPEISERÖHRE

UND DES

MAGENS.

w e n d e n , w e n n der K r a n k e t r o t z e i n g e b e n d e r B e l e h r u n g i m m e r w i e d e r d u r c h Z u n g e n b e w e g u n g e n die S o n d e n s p i t z e a b l e n k t u n d d a d u r c h d i e E i n f ü h r u n g u n m ö g l i c h m a c h t o d e r w e n n es a u s n a h m s w e i s e nicht gelingt, den R i n g k n o r p e l w i d e r s t a n d durch A u s f ü h r u n g einer S c h l u c k b e w e g u n g zu Uberwinden. Bei Kranken mit chronischem Rachenkatarrh, besonders bei starken Rauchern und Trinkern, verursacht die Berührung der Rachenschleimhaut gelegentlich so starkes Würgen, daß die Einführung der Sonde dadurch unmöglich wird. In solchen Fällen bleibt nichts anderes übrig, als durch Einpinseln mit 1 0 — 2 0 proz. Kokainlösung die Empfindlichkeit des Rachens abzustumpfen. Man tränkt einen Wattebausch, der an einem Watteträger befestigt oder in Ermanglung eines solchen um ein festes Holzstäbchen gewickelt wird, mit der Lösung und verreibt diese auf den Gaumenbögen und der hinteren Rachenwand. Nach einigen Minuten kann dann die Sondeneinführung von neuem versucht werden. Unmittelbar nach der Pinselung soll der Kranke ausspucken, um Verschlucken von überschüssiger Kokainlösung zu verhindern. D i e S o n d e w i r d wie eine Schreibfeder g e f a ß t und

zunächst

s o g e h a l t e n , d a ß die S p i t z e n a h e z u w a g e r e c h t s t e h t , w ä h r e n d d e r m i t t l e r e u n d h i n t e r e T e i l h e r a b h ä n g t ( A b b . 3 1 a). lung

wird

Zunge, der

die

Spitze

genau

in d e r

a b e r o h n e sie z u b e r ü h r e n ,

Hand

in die M u n d h ö h l e

Rachenwand

berührt.

Beim

Mittellinie

In dieser Steldicht

über

unter allmählicher

eingeschoben,

bis

sie d i e

hintere

Anstoßen a n dieses deutlich

fühl-

b a r e H i n d e r n i s w i r d die e i n f ü h r e n d e H a n d s t ä r k e r gehoben die

Sonde

gleichzeitig

vorsichtig

vorgeschoben.

Ihre

gleitet dabei an der hinteren R a c h e n w a n d a b w ä r t s ( A b b . b i s sie i n v i e l e n F ä l l e n a m

der

Hebung

Ringknorpel auf Widerstand

und

Spitze 31b), stößt.

F ü h l t m a n hier ein H i n d e r n i s , so f o r d e r t m a n d e n K r a n k e n a u f , zu s c h l u c k e n u n d schiebt i m gleichen A u g e n b l i c k die S o n d e leichtem D r u c k vor.

Sie ü b e r w i n d e t auf diese W e i s e den

mit

Ring-

knorpelwiderstand fast i m m e r ohne S c h w i e r i g k e i t und gleitet bei r e g e l r e c h t e r S p e i s e r ö h r e o h n e w e i t e r e H e m m u n g b i s in d e n M a g e n . Bei Kranken, die bei der Einführung der Sonde durch Zungenbewegungen die Spitze zur Seite drängen, kann es vorkommen, daß die Sonde im Sinus pyriformis hängen bleibt, was sich durch einen mit der zulässigen Druckstärke (s. u.) nicht zu überwindenden Widirstand bemerklich macht. Man zieht dann zurück und versucht die Einführung von neuem. Eindringen der Sonde in den Kehlkopf kann wohl nur bei besonders ungeschicktem Vorgehen vorkommen. Es verrät sich durch sofort auftretenden, sehr heftigen Hustenreiz, vorausgesetzt, daß das Empfindungsvermögen des Kehlkopfes regelrecht ist. Ist man im Zweifel, ob die Sonde im Kehlkopf liegt oder nicht, so läßt man den Kranken einen Ton anlauten. Kann er das, so muß der Kehlkopf frei sein. S t ö ß t d i e S o n d e u n t e r h a l b d e s R i n g k n o r p e l s a u f ein H i n d e r n i s , so stellt m a n zunächst seine E n t f e r n u n g v o n der Z a h n r e i h e

S O N D I E R II N C

BEI

F.RKRANKI'NC.FN

DER

SPEISERÖHRE.

U 3

fest, indem man die Sondenstelle, welche in Höhe der Zahnreihe liegt, mit dem Finger bezeichnet und nach dem Herausziehen

Abb.

31.

die Länge des eingeführten Stückes abmißt. Will man das Herausnehmen der Sonde vermeiden, so mißt man die Länge S t u r s b e r g , Technik. 2. Aufl.

8

114

ÖRTLICHE BEHANDLUNG DER SPEISERÖHRE UND DES MAGENS-.

des außerhalb der Zahnreihe befindlichen Stückes und ermittelt den Unterschied gegenüber der gesamten Sondenlänge. (Sonden mit Zentimeterteilung sind bequem, die Bezeichnungen sind aber meist wenig haltbar). Will man nicht nur das Vorhandensein eines Hindernisses feststellen, sondern sich auch über seine Durchgängigkeit unterrichten oder den durchführenden Kanal erweitern, so versucht man das Hindernis zunächst zu überwinden, indem man die Sonde m i t l e i c h t e m D r u c k d a g e g e n a n d r ä n g t . Die hierbei aufzuwendende K r a f t darf n u r s e h r g e r i n g sein, nach einer recht zweckmäßigen Angabe von G u m p r e c h t bei Verwendung einer Sonde mit abgerundeter Spitze nicht stärker, als etwa nötig ist, um durch Druck mit drei Fingern der rechten Hand die Abspreizung des linken kleinen Fingers zu überwinden, bei Anwendung spitzer Sonden noch erheblich geringer. Dringt die Sonde nicht ein, so beugt man den Kopf des Kranken mehr nach hinten, so daß die rechte Hand des Arztes etwa senkrecht über dem Speiseröhreneingang steht, zieht die Sonde etwas zurück, gibt ihr eine leichte Drehung und sucht in der veränderten Stellung von neuem vorzuschieben. Bleibt auch dieser Versuch, der mehrfach mit etwas wechselnden Drehungen wiederholt wird, erfolglos, so zieht man die Sonde heraus, führt eine dünnere ein und verfährt in derselben Weise. Allzulange darf die Sondierung nicht fortgesetzt werden, vielmehr bricht man je nach dem Kräftezustand und der Empfindlichkeit des Kranken nach etwa 1 0 — 1 5 Minuten ab und erneuert die Versuche erst am folgenden Tage. Gelingt die Durchführung einer Sonde durch die Verengerung 1 ), so schiebt man sie bis in den Magen vor und l ä ß t s i e e i n i g e M i n u t e n l i e g e n , um dadurch den Kanal zu erweitern. Der Kranke beugt während dieser Zeit den Kopf etwas nach vorn, damit der Speichel aus dem Munde in ein untergehaltenes Gefäß abfließen kann. Inzwischen bereitet man eine etwas dickere Sonde vor, zieht die ersteingeführte schnell heraus und führt die dickere unmittelbar danach ein. Dies gelingt am leichtesten, w e n n man sich die H a l t u n g , bei der die e r s t e S o n d e in ' ) Die Länge der Verengerung ist nicht mit Bestimmtheit festzustellen. Man hat zwar gelegentlich das Gefühl, als wenn sich die Sonde plötzlich freier vorschieben lasse, kann aber keine sicheren Schlüsse daraus ziehen. Bei Benutzung von Olivensonden gibt vielleicht das Wiederauftreten stärkeren Widerstandes beim Zurückziehen einigen Anhalt.

SONDIERUNG

BEI

ERKRANKUNGEN

DER

SPEISERÖHRE.

H 5

die V e r e n g e r u n g e i n g e d r u n g e n w a r , g e n a u g e m e r k t hat. Die zweite Sonde kann unter günstigen Umständen noch durch eine oder mehrere andere von jedesmal etwas größerem Querschnitt ersetzt werden. Bei heruntergekommenen Kranken ist aber vor zu langer Ausdehnung der immerhin recht angreifenden Behandlung dringend zu warnen! Bei S p e i s e r ö h r e n k r e b s , auf den sich die bisher gegebenen Vorschriften in erster Linie beziehen, ist zu beachten, daß Ausdehnung, Sitz, Festigkeit des Gewebes usw. außerordentlich mannigfaltig sind und durch Wachstum oder Zerfall der Geschwulst von Tag zu Tag Änderungen eintreten können. Der durch die Geschwulst hindurchführende Kanal hat nicht nur in verschiedenen Fällen sehr verschiedene Weite, sondern er kann auch gerade oder mehr oder weniger geknickt oder gewunden verlaufen. Seine obere Öffnung, in welche die Sondenspitze eindringen muß, kann in der Mitte liegen, ein für die Sondierung günstiger Fall, oder an irgendeiner Stelle seitlich, Geschwulstzapfen können sich vorlagern usw. Endlich ist in manchen Fällen, besonders bei langsam wachsenden Geschwülsten, die Speiseröhre oberhalb der Geschwulst stark erweitert, ein Umstand, der das Auffinden der Öffnung sehr erschwert, weil die „Führung" der Sondenspitze durch die Speiseröhrenwand fehlt. Da wir vor der Sondierung keine Anhaltspunkte dafür haben, wie im einzelnen Falle der Bau der Neubildung ist, so bleibt nichts anderes übrig, als das zweckmäßigste Verfahren jedesmal in der beschriebenen Weise auszuproben. Bei n a r b i g e n V e r e n g e r u n g e n der Speiseröhre verfahren wir in gleicher Weise. Sie haben gegenüber den krebsigen Verengerungen den Vorteil, daß sich ihr Bau weniger schnell ändert, daß man also die Sonde immer wieder mit der gleichen Drehung usw. einführen kann, wenn man die Öffnung einmal gefunden hat. Dagegen wird ihre Sondierung oft dadurch erschwert, daß mehrere starke Verengerungen aufeinanderfolgen, daß das Gewebe oft sehr derb und die Öffnungen sehr eng sind. Selbstverständlich dürfen frische Verätzungen oder Verbrennungen der Speiseröhre nicht mit der Sonde behandelt werden. Wenn die Sonde einmal glatt und ohne erkennbaren Widerstand in den Magen hinabgleitet, ein anderes Mal auf einen unüberwindlichen Widerstand stößt, so muß an das Vorliegen eines D i v e r t i k e l s gedacht werden. Auf die früher zur Erkennung s*

116

ARTLINIR

BEHANDLUNG

DER SPEISERÖHRE U N D DES MAGENS

dieser Erkrankung angegebenen Sondierungsverfahren brauchen wir nicht einzugehen, weil die Röntgenuntersuchung ihre Feststellung einfacher, schonender und sicherer ermöglicht. I n seltenen Fällen wird durch die Einführung der Sonde ein Krampf

der

ausgelöst.

Speiseröhrenmuskeln

(Oesophagospasmus)

M a n hat die Empfindung, daß die Sonde plötzlich

schwerer verschieblich oder sogar ganz festgehalten wird, so daß sie weder vorwärts noch rückwärts bewegt werden kann.

In

einem solchen Falle wirken alle Versuche, sie gewaltsam zu entfernen, nur verschlimmernd, und man beschränkt sich deswegen darauf, den durch „das Steckenbleiben" meist sehr erschreckten Kranken zu beruhigen und einige Minuten abzuwarten. Krampf läßt dann nach, und die Sonde

Der

kann leicht entfernt

werden. B e i d e r sog. i d i o p a t h i s c h e n S p e i s e r ö h r e n e r w e i t e r u n g (Oesop h a g u s d i l a t a t i o n ) g e l i n g t es o f t , durch r e g e l m ä ß i g e A u s h e h e r u n g der überdehnten Speiseröhre mit nachfolgender Spülung wesentliche Besserungen h e r b e i z u f ü h r e n und die o f t sehr h e r u n t e r g e k o m m e n e n Kranken auf diese W e i s e zur O p e r a t i o n v o r z u b e r e i t e n . Gerät und V o r g e h e n ist dasselbe w i e bei der M a g e n s p ü l u n g (S. 119), m a n m u ß sich nur hüten, den Schlauch zu w e i t e i n z u f ü h r e n , w e i l er sich in d e m w e i t e n Sack, den die Speiseröhre bildet, leicht u m s c h l ä g t , so d a ß seine Ö f f n u n g e n nicht an d e m tiefsten P u n k t e liegen. D i e b e i der einzelnen F ü l l u n g zu v e r w e n d e n d e Flüssigkeitsmenge darf nicht so g r o ß sein w i e b e i der M a g e n s p ü l u n g , u m w e i t e r e Cberdehnung des Sackes zu v e r m e i d e n und v o r allem, um zu v e r h ü t e n , d a ß der Sack „ ü b e r l ä u f t " und Flüssigkeit in den K e h l k o p f ü b e r f l i e ß t . I m m e r h i n faßt die Speiseröhre in v i e l e n F ä l l e n h o c h g r a d i g e r E r w e i t e r u n g Mengen v o n 1 1 und mehr. N a c h E n t l e e r u n g und Spülung g e l i n g t es m a n c h m a l , eine dünne halbstarre H o h l s o n d e in den Magen e i n z u f ü h r e n und durch sie N a h r u n g s m i t t e l einzugießen.

Die

Gefahren. Sondierung,

bereits erwähnte

die D u r c h b o h r u n g

wesentlichste Gefahr der

weichen

Krebsgewebes

d u r c h d i e S o n d e , läßt sich auch bei schonendstem Vorgehen nicht mit

unbedingter Sicherheit

vermeiden.

Diese Tatsache

mahnt immer wieder zur größten Vorsicht bei Bemessung des zur

Überwindung

eines Hindernisses anzuwendenden

Druckes

und es läßt sich nicht leugnen, daß sie den Eingriff für den sondierenden A r z t immerhin etwas unangenehm macht.

Unter

allen Umständen verbietet sie, die Sondierung bei Speiseröhrenverengerungen

dem Pflegepersonal anzuvertrauen,

auch

die Einführung der Sonde in dem betreffenden Falle

wenn

anschei-

nend keine Schwierigkeiten bietet. Stärkere B l u t u n g e n sind selten, dagegen finden sich besonders

bei

schwierigen

Sondierungen

häufig geringe

Blut-

AUSHEBERUNG

UND S P Ü L U N G

DES

MAGENS.

U 7

s puren an der S o n d e n s p i t z e . Sie lassen sich am besten durch Abwischen mit einem weißen Tuch erkennen. Bei etwas reichlicherer Blutmenge an der Sonde oder blutiger Färbung herausgewürgten Schleimes, soll die Sondierung an dem betreffenden Tage nicht weiter durchgeführt werden. Ebenso ist sie beim Auftreten von Schmerzen sogleich abzubrechen. Wenn nach der Sondierung Schmerzen bestehen bleiben oder Fieber auftritt, so ist die Sondenbehandlung für einige Tage auszusetzen. Der Kranke muß das Bett hüten, bekommt nur flüssige Nahrung und gegen die Schmerzen Orthoform oder Anästhesin als örtlich betäubende Mittel, wenn diese nicht ausreichen, Kodein, Narkophin, Morphium usw. Bei schweren Störungen wird die Nahrungszufuhr vom Munde aus eingestellt und Mastdarmernährung (s. u.) eingeleitet, falls man sich nicht zur Anlegung einer Magenfistel entschließen will. Die Gefahr einer A n s a u g u n g (Aspiration) v o n S p e i s e r ö h r e n i n h a l t (Schleim, Speisereste) i n d e n K e h l k o p f u n d die L u f t r ö h r e n besteht besonders bei starken Erweiterungen der Speiseröhre oberhalb von Verengerungen oder bei idiopathischer Erweiterung. Sie läßt sich aber durch vorsichtiges Vorgehen und genaue Beobachtung des Kranken während der Sondierung mit hinreichender Sicherheit vermeiden. Wird der Kranke zu aufgeregt oder gerät er in zu starkes, nicht zu unterdrückendes Würgen, so unterbricht man besser die Behandlung und setzt sie nach entsprechender Ruhepause oder erst am folgenden Tage fort.

Ausheberung und Spülung des Magens. Anzeigen. Die einfache Ausheberung des Magens dient fast ausschließlich der Untersuchung, die Magenspülung vorwiegend der Behandlung. Während die letztere früher vielfach bei fast allen Magenerkrankungen angewandt und im einzelnen Falle sehr häufig wiederholt wurde, ist man im Laufe der letzten Jahre zurückhaltender geworden auf Grund der Erkenntnis, daß die Spülung bei richtiger Auswahl der Fälle zwar Hervorragendes leistet, daß sie aber nicht als ganz gleichgültiges und unbedingt unschädliches Verfahren anzusehen ist. Besonders atonische Zustände können durch übertriebene Spülungsbehandlung hervorgerufen oder verschlimmert werden.

ÖRTLICHE

BEHANDLUNG

DER

SPEISERÖHRE

U N D DES

MAGENS.

Die M a g e n s p ü l u n g ist angezeigt: 1. Bei einer Reihe von M a g e n e r k r a n k u n g e n , und zwar: a) Bei S t ö r u n g e n d e r M a g e n e n t l e e r u n g infolge von Verengerungen des Magenausganges oder von Schwäche der Magenmuskulatur (Atonie). In derartigen Fällen wird die Spülung täglich vorgenommen, am besten a b e n d s , um den Magen für die Nacht zu entlasten. Meist genügt auch bei starker Zersetzung des Mageninhalts Spülung mit reichlichen Mengen Wassers, nur ausnahmsweise ist Zusatz eines keimtötenden Mittels (Salizylsäure 1,0 : 1000,0, Kalium hypermanganicum 1,0:1000,0—1,0:2000,0) erforderlich. b) Bei Fällen von c h r o n i s c h e m M a g e n k a t a r r h , die sich durch starke S c h l e i m b i l d u n g auszeichnen. Hier ist die Spülung am besten m o r g e n s bei nüchternem Magen vorzunehmen, um den Schleim von der Magenwand zu entfernen und die Tätigkeit der Schleimhaut anzuregen. Zusatz von 1 % Kochsalz oder Karlsbader Salz zum Spülwasser ist in diesen Fällen zweckmäßig. c) Bei Fällen von H y p e r s e k r e t i o n und H y p e r c h l o r h y d r i e , die durch diätetische Behandlung nicht hinreichend beeinflußt werden. Besonders die bei derartigen Kranken oft sehr erheblichen subjektiven Beschwerden lassen sich manchmal durch a b e n d l i c h e S p ü l u n g e n mit Lösungen von A r g e n t u m n i t r i c u m (1,0 : 2000,0 — 1,0 : 1000,0) sehr günstig beeinflussen. Der Magen wird zunächst mit Wasser reingespült, dann wird zweimal hintereinander je etwa 1/2 1 der Höllensteinlösung eingegossen und nach 1/2 Minute wieder entleert. Endlich wird mit einer geringen Menge Wasser (einem Trichtcr voll) nachgespült. Diese Spülungen dürfen nicht täglich vorgenommen werden. O f t genügt schon eine Spülung, um wesentliche Besserung herbeizuführen, wenn nicht, so ist 3—4 malige Wiederholung in Abständen von 3 — 4 Tagen gestattet. 2. Bei V e r g i f t u n g e n , bei denen anzunehmen ist, daß sich n o c h n e n n e n s w e r t e M e n g e n d e s G i f t e s i m M a g e n befinden. D i e S p ü l u n g m u ß in d e r a r t i g e n F ä l l e n u n b e d i n g t a n g e w a n d t w e r d e n , weil sie lebensrettend wirken kann. Sie soll sehr gründlich, mit reichlichen Wassermengen, durchgeführt und besonders dann mit kurzen Pausen mehrfach wiederholt

AUSHEBERUNG

UND

SPÜLUNG

DES M A G E N S .

1 1 9

werden, wenn es sich um Gifte handelt, die, wie Morphium, auf der Magenschleimhaut ausgeschieden werden. V o n der S p ü l b e h a n d l u n g ausgeschlossen sind Verg i f t u n g e n mit Ä t z m i t t e l n , besonders mit L a u g e n oder S ä u r e n , weil bei solchen die Einführung des Schlauches Zerreißung der erweichten Speiseröhren- oder Magenwand hervorrufen kann. 3. Bei D a r m v e r s c h l u ß . Die Magenspülung scheint gelegentlich einen durch Volvulus oder eine ähnliche Ursache bedingten Darmverschluß beseitigen zu können, vielleicht durch Änderung der Druckverhältnisse im Unterleib. Wesentliche Erleichterung bringt sie auch bei anderen Fällen, so daß sie unter allen Umständen versucht werden sollte, besonders auch, um den Kranken bis zur Operation einigermaßen bei Kräften zu erhalten. U n b e d i n g t v e r b o t e n ist die Anwendung des Magenschlauches ebenso wie die Speiseröhrensondierung bei A n e u r y s m a d e r B r u s t s c h l a g a d e r , und ferner m ü s s e n s o w o h l A u s h e b e r u n g wie S p ü l u n g bei B e s t e h e n eines M a g e n g e s c h w ü r s i m a l l g e m e i n e n u n t e r b l e i b e n , weil das mit der Einführung des Schlauches verbundene Würgen usw. eine Blutung auslösen kann. Selbst bei Verdacht auf Magengeschwür sei man mit der Ausheberung sehr vorsichtig und vermeide die Spülung ganz, falls nicht Störungen der Magenentleerung zu ihrer Anwendung zwingen. Endlich sind die gleichen Gegenanzeigen zu beachten, wie sie bei der Speiseröhrensondierung erwähnt wurden (Atemnot, Neigung zu Blutungen usw.). Gerät. Der Magenschlauch besteht aus weichem Patentgummi und hat eine Länge von etwa 70—80 cm und 10—12 mm Dicke bei 6 — 8 mm lichter Weite (Abb. 32). Seine Spitze ist abgerundet und zur Vermeidung eines toten Raumes massiv. Unmittelbar hinter ihr ist ein Fenster von etwa 1 cm Längsdurchmesser und einigen Millimetern Breite angebracht, ein zweites von gleicher Beschaffenheit auf der entgegengesetzten Schlauchseite etwas weiter von der Spitze entfernt. Die Ränder der Fenster sollen abgerundet sein. Schläuche mit nur einem Fenster oder nur einer vorderen Öffnung sind unzweckmäßig, weil die Schleimhaut in das Fenster hineingesaugt und dadurch verletzt werden kann.

1 2 0

ÖRTLICHE

BEHANDLUNG

DER

SPEISERÖHRE

UND DES

MAGENS.

Z u r Ausführung der Spülung wird der Magenschlauch durch ein fingerlanges, weites Glasrohr und einen weiten, dickwandigen Gummischlauch von i — i ' / s m L ä n g e m i t einem Trichter verbunden, der e t w a '/