Tattoos und Tattooentfernung: -alles, was man wissen muss 9783662625590, 9783662625606, 3662625598

Alles was Sie heute zu Tätowierungen wissen sollten. Am besten noch bevor Sie sich Ihre Tätowierung stechen lassen! Von

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Tattoos und Tattooentfernung: -alles, was man wissen muss
 9783662625590, 9783662625606, 3662625598

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Autorenverzeichnis
Über die Autorinnen und Autoren
I: Einführung ins Thema
1: Tätowiert sein ist wie ein Haus bewohnen – Tätowierungen zwischen Status, Schmuck, Schönheit und noch viel mehr
1.1 Tätowierung als neue Haut
1.2 Ornament und Verbrechen
1.3 Eine alte kulturelle Praxis
1.4 Soziale Zeichen
1.5 Gesünder durch Tattoos?
1.6 Der Effekt kommt zurück ins Bewusstsein
1.7 Die Professionalisierung der Tätowierung
1.8 Nach dem Zweiten Weltkrieg
Literatur
2: Epidemiologie von Tätowierung und Tattoo-Entfernung in Deutschland und international
Literatur
3: Psychologie von Tätowierung und Tattoo-Entfernung – Warum einem das Tattoo nur noch auf den Senkel geht: psychologische Aspekte
3.1 Ich versuchte, trotzdem glücklich zu sein: Eine Fallgeschichte
3.2 Körperschmuck: Warum lässt der verwöhnte Zentraleuropäer sich freiwillig wehtun?
3.3 Warum Tattoos durchaus hilfreich und sinnvoll sein können
3.4 Trotz Massentrend lassen die Vorurteile nicht nach
3.5 Woher kommt die Unzufriedenheit mit dem Tattoo?
3.6 Die No-Gos: Laienhaft gestochene und aggressiv wirkende Tattoos
3.7 Der Hauptverdächtige: Aus einer Laune heraus spontan erworbene Tattoos
3.8 Was sagen aktuelle wissenschaftliche Studien?
Literatur
II: „Stechen“ von Tätowierungen
4: Ablauf
4.1 Vorbereitung auf den Tattoo-Termin
4.2 Der Tattoo-Termin
Literatur
5: Techniken und Werkzeuge
5.1 Nadeln und Maschinen
5.2 Heilung und Tattoo-Pflege
5.3 Unerwünschte Nebeneffekte
5.4 Cover-up: Überdeckung von Tätowierungen
5.5 Narben-Cover
Literatur
6: Hygiene
6.1 Korrekte Auswahl und Anwendung von Desinfektionsmitteln
6.2 Dokumentation
6.3 Aufbaubeispiel eines Tattoo-Arbeitsplatzes
6.4 Hygiene und Besonderheiten während des Tätowiervorgangs
6.5 Nachsorge
6.6 Arbeitsplatzabbau
7: Tätowiermittel
7.1 Definition Tätowiermittel
7.2 Unterschiede zwischen Tätowierfarben, Permanent Make-up und Medical Tattooing Inks
7.3 Zusammensetzung einer Tätowierfarbe
7.3.1 Flüssige Komponente – Lösungsmittel und Bindemittel
7.3.2 Feste Komponente
Anorganische Pigmente
Organische Pigmente
Farbruße
7.4 Risiken durch Inhaltsstoffe einer Tätowierfarbe
7.4.1 Pigmenttypische Verunreinigungen
7.4.2 Weitere Verunreinigungen und ihre Quellen
7.5 Konsumentensicherheit durch Gesetze
8: Medical Tattooing
8.1 Die Möglichkeiten einer Brustwarzenrekonstruktion
8.2 Ablauf einer Brustwarzenrekonstruktion
8.3 Herausforderungen von Medical Tattooing
8.4 Professionalisierung von Brustwarzenrekonstruktionen
8.5 Verständnis für die Situation der Patienten und Patientinnen
8.6 Kostenübernahme durch die Krankenkassen
9: Wie erkenne ich ein „gutes“ Tattoo-Studio?
9.1 Suchen Sie nach einem für Sie geeigneten Tattoo-Studio
9.2 Suchen Sie nicht nach dem günstigsten Preisangebot
9.3 Suchen Sie nach der Tattoo-Stilrichtung Ihres Wunschmotivs
9.4 So erkennen Sie einen guten Tätowierer
9.5 So erkennen Sie ein sauberes Tattoo-Studio
9.6 Nachsorgehinweise und weitere Dienstleistungsangebote in einem guten Tattoo-Studio
Weiterführende Links
10: Tätowierung auf mikroskopischer Ebene
Fazit
III: Gesundheitliche Risiken durch Tätowierungen
11: Komplikationen und Gesundheitsrisiken
11.1 Empfehlungen zu Wundbehandlung und Pflege nach dem Stechen eines Tattoos
11.2 Harmlose Begleitreaktion oder tatsächliche Komplikation?
11.3 Was tun bei tatsächlichen akuten Komplikationen?
11.4 Was sind mögliche lokale oder systemische infektiöse Komplikationen?
11.5 Allergien gegen Tattoo-Pigmente
11.6 Entstehung von Tumoren
11.7 Andere Komplikationen
Literatur
12: Allergien
12.1 Einleitung
12.2 Biologische Grundlagen der „Tattoo-Allergie“
12.3 Allergene in Tätowierfarbe
12.3.1 Pigmente
12.3.2 Metalle
12.3.3 Konservierungsmittel
12.3.4 Bindemittel
12.3.5 Lokalanästhetika
12.3.6 Lösungsmittel
12.4 Allergische Tattoo-Reaktionen
12.4.1 Lichenoide Reaktionen („type plaque elevation“)
12.4.2 Hyperkeratosen und Ulzera
12.4.3 Kontaktekzeme
12.4.4 Pseudolymphome („cutaneous lymphoid hyperplasia“)
12.5 Keine Laserentfernung bei allergischen Reaktionen
12.6 Forschungsbedarf
Literatur
13: Gefährliche Stoffe in Tätowiermitteln und Freisetzung unter Lichteinfluss
13.1 Bedenkliche Inhaltsstoffe in Tätowierfarben
13.2 Reaktive Sauerstoffspezies und Tätowiermittelpigmente
13.3 Freisetzung von bedenklichen Stoffen durch Sonnenlicht und Laserbestrahlung
Literatur
IV: Tattoo-Entfernung – Grundlagen
14: Einführung und Techniken
Fazit
Literatur
15: Gesetzliche Grundlagen und Anforderungen
15.1 Handelt es sich bei der Entfernung von Tätowierungen um Heilkunde?
15.2 Weitere Qualifikationsanforderungen auf Basis der Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSV)
15.3 Sanktionen
15.4 Allgemeine Anforderungen an den Betrieb von Lasereinrichtungen
15.5 Anzeige des Betriebs einer Lasereinrichtung
15.6 Entfernung von Tätowierungen und Behandlungsvertrag
15.7 Erweiterte Aufklärungspflichten
15.8 Dokumentation der Anwendung
15.9 Rechtliche Vorgaben zur Delegation der Tattoo-Entfernung
15.10 Allgemeine Fachkunde
Literatur
V: Tattoo-Entfernung mittels Lasertechnologie
16: Wirkprinzip und Grundlagen
Literatur
17: Behandlungsablauf
Literatur
18: Pico-Laser
Zusammenfassung
Weiterführende Literatur
19: Pico- versus Nano-Laser
Literatur
20: Spezielle Techniken und Kombinationsverfahren
20.1 R20- und R0-Methode
20.2 Kombination mit ablativen fraktionalen Lasern
Literatur
21: Risiken der Lasertherapie, Freisetzung von Schadstoffen
21.1 Lichtsensibilisierende Medikamente
21.2 Vorerkrankungen
21.3 Veränderung von Stoffen durch die Laserbehandlung
21.4 Chemische Wechselwirkungen mit der Haut und photochemische Effekte
21.5 Gefahren in Abhängigkeit von Energie und Wellenlänge
22: Komplikationen und Nebenwirkungen der Lasertherapie
22.1 Typische mit der Behandlung verbundene Nebenwirkungen
22.2 Unerwünschte Nebenwirkungen
22.3 Prävention von Nebenwirkungen
23: Wie erkenne ich einen Experten für die Laser-Tattoo-Entfernung?
23.1 Fachkundliches Wissen
23.2 Sachkundewissen für die sichere Anwendung von Lasersystemen
23.3 Beratungsgespräch zur Laser-Tattoo-Entfernung
23.4 Kosten für eine Laser-Tattoo-Entfernung
Weiterführende Literatur und Links
24: Wundversorgung und Nachsorge
24.1 Phase 1
24.2 Phase 2
Literatur
VI: Tattoo-Entfernung mittels anderer Techniken
25: Chirurgische Tattoo-Entfernung
25.1 Häufigste Gründe für eine operative Tattoo-Entfernung
25.1.1 Ausgeprägte Unverträglichkeitsreaktionen
25.1.2 Hautkrebs
25.1.3 Starke Narbenbildung im Tattoo
25.1.4 Keine vollständige Entfernbarkeit mit selektivem Tattoo-Lasersystem
25.1.5 Schwere psychische Beeinträchtigung
25.2 Operative Methoden zur Tattoo-Entfernung
25.2.1 Dermabrasio
25.2.2 Exzision
25.2.3 Shaving
Zusammenfassung
Literatur
26: Sonstige Techniken
Fazit
Literatur
Stichwortverzeichnis

Citation preview

Peter Arne Gerber

Tattoos und Tattooentfernung – alles, was man wissen muss

Tattoos und Tattooentfernung

Prof. Dr. med. Peter Arne Gerber, MBA, DALM Hrsg.

Tattoos und Tattooentfernung -alles, was man wissen muss

Hrsg.

Prof. Dr. med. Peter Arne Gerber, MBA, DALM Dermatologie am Luegplatz und Medizinische Fakultät Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Deutschland

ISBN 978-3-662-62559-0    ISBN 978-3-662-62560-6 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.­d-­nb.­de abrufbar. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Fotonachweis Umschlag: ©Adobe Stock Planung/Lektorat: Diana Kraplow Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

V

Vorwort „Think before you ink“ – so lautet ein Leitspruch, der jedem ans Herz zu legen ist, der eine Tätowierung erwägt. Tatsächlich nimmt die Zahl derjenigen, die mindestens ein Tattoo tragen, stetig zu. Studien beziffern den Anteil der Tätowierten an der deutschen Bevölkerung auf ca. 10  Prozent. In der „Generation Tattoo“ der Jahrgänge zwischen 1975 und 1990 liegt dieser Anteil mit über 20 Prozent noch deutlich höher. Das Thema Tattoo-Kunst ist also im Zentrum der modernen Gesellschaft angekommen und beschäftigt nicht nur Tätowierte und Tattoo-Künstler, sondern auch Ärzte, Psychologen, Historiker, Wissenschaftler und Juristen. Das vorliegende Buch fasst erstmals das Wissen führender nationaler und internationaler Expertinnen und Experten aus all diesen Bereichen zusammen, gibt hilfreiche Tipps und beantwortet die wichtigsten „Frequently Asked Questions“. Ich bedanke mich bei allen Autorinnen und Autoren, die zur Verwirklichung dieses interdisziplinären Ratgebers beigetragen haben. Mein ganz besonderer Dank gilt hierbei Thomas Sembt – ohne sein Netzwerk und sein großes persönliches Engagement wäre dieses Buch in seiner aktuellen Form nicht zu realisieren gewesen! Ich hoffe, Sie haben beim Lesen so viel Spaß wie wir beim Schreiben. In diesem Sinne also „Read before you ink!“ – und zwar dieses Buch! Peter Arne Gerber

Düsseldorf Juni 2021

VII

Inhaltsverzeichnis I

Einführung ins Thema

1

 ätowiert sein ist wie ein Haus bewohnen – Tätowierungen T zwischen Status, Schmuck, Schönheit und noch viel mehr............................... 3 Igor Eberhard

2

 pidemiologie von Tätowierung und Tattoo-­Entfernung in E Deutschland und international............................................................................................ 15 Peter Arne Gerber

3

 sychologie von Tätowierung und Tattoo-­Entfernung – Warum P einem das Tattoo nur noch auf den Senkel geht: psychologische Aspekte............................................................................................................ 19 Annika Wegner, Leila Lambert und Erich Kasten

II

„Stechen“ von Tätowierungen

4

Ablauf.................................................................................................................................................... 35 Stefanie Lamm und Denis Lamm

5

Techniken und Werkzeuge....................................................................................................... 41 Stefanie Lamm und Denis Lamm

6

Hygiene................................................................................................................................................. 53 Daniel Rust

7

Tätowiermittel.................................................................................................................................. 63 Michael Dirks und Katharina Ulz

8

Medical Tattooing.......................................................................................................................... 71 Andy Engel

9

Wie erkenne ich ein „gutes“ Tattoo-Studio?................................................................ 79 Thomas Sembt

10

Tätowierung auf mikroskopischer Ebene...................................................................... 87 Stephan A. Braun

VIII

Inhaltsverzeichnis

III 11

Gesundheitliche Risiken durch Tätowierungen Komplikationen und Gesundheitsrisiken...................................................................... 95 Nicolas Kluger

12

Allergien............................................................................................................................................... 105 Steffen Schubert

13

 efährliche Stoffe in Tätowiermitteln und G Freisetzung unter Lichteinfluss............................................................................................ 117 Ines Schreiver

IV

Tattoo-Entfernung – Grundlagen

14

Einführung und Techniken...................................................................................................... 127 Peter Arne Gerber

15

Gesetzliche Grundlagen und Anforderungen............................................................ 131 Gwendolyn Gemke

V 16

Tattoo-Entfernung mittels Lasertechnologie Wirkprinzip und Grundlagen................................................................................................. 141 Peter Arne Gerber

17

Behandlungsablauf...................................................................................................................... 149 Peter Arne Gerber

18

Pico-Laser............................................................................................................................................ 155 Hans Bayer

19

Pico- versus Nano-Laser............................................................................................................ 159 Hans Bayer

20

Spezielle Techniken und Kombinationsverfahren................................................... 163 Peter Arne Gerber

21

Risiken der Lasertherapie, Freisetzung von Schadstoffen................................. 169 Stefan Hammes und Stephan Große-Büning

22

Komplikationen und Nebenwirkungen der Lasertherapie................................ 175 Stefan Hammes und Stephan Große-Büning

IX Inhaltsverzeichnis

23

Wie erkenne ich einen Experten für die Laser-­Tattoo-­Entfernung?............. 183 Thomas Sembt

24

Wundversorgung und Nachsorge....................................................................................... 191 Jens Malte Baron

VI

Tattoo-Entfernung mittels anderer Techniken

25

Chirurgische Tattoo-­Entfernung.......................................................................................... 197 Hans Bayer

26

Sonstige Techniken....................................................................................................................... 205 Peter Arne Gerber und Uwe Wollina

Serviceteil Stichwortverzeichnis........................................................................................................................... 211

Autorenverzeichnis Prof. Dr. med. Jens  Malte  Baron  Klinik für Dermatologie und Allergologie, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Deutschland [email protected] Dr. med. Dr. med. univ. Hans Bayer  Tattooklinik Achromatique, Freiburg, Deutschland [email protected] [email protected] Dr. med. Stephan  A.  Braun  Klinik für Hautkrankheiten, Universitätsklinikum Münster, Münster, Deutschland [email protected] Dipl. Ing. (FH) Michael Dirks  THE 3 PYLONS GmbH, St. Martin an der Raab, Österreich [email protected] Mag. Dr. Igor  Eberhard  Institut für Kultur- und Sozialanthropologie, Universität Wien, Wien, Österreich [email protected] Andy Engel  Andy Engel Med BWK GmbH&Co. KG, Marktsteft, Deutschland [email protected] [email protected] Dr. jur. Gwendolyn Gemke  Sozietät HGA, Rechtsanwälte, München, Deutschland [email protected] Prof. Dr. med. Peter Arne Gerber, MBA, DALM  Dermatologie am Luegplatz und Medizinische Fakultät, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf, Deutschland [email protected] Dr. med. Stephan Große-Büning  Medicorium Oberusel, Oberursel, Deutschland [email protected] Prof. Dr. med. Stefan Hammes  Universitätsmedizin Greifswald und Laserklinik Karlsruhe, Lasermedizin, Greifswald und Karlsruhe, Deutschland [email protected] Prof. Dr. Erich Kasten  Medical School Hamburg, Hamburg, Deutschland Prof. Dr. Nicolas  Kluger  Department of dermatology, Helsinki University Hospital, Helsinki, Finnland [email protected]

XI Autorenverzeichnis

Leila Lambert  Wedel, Deutschland Denis Lamm  Extend the Scope, Göttingen, Deutschland Stefanie Lamm  Extend the Scope, Göttingen, Deutschland Daniel Rust  QHProtect Schulungszentrum, Rodgau, Deutschland [email protected] Dr. rer. nat. Ines Schreiver  Abteilung Chemikalien- und Produktsicherheit, Bundesinstitut für Risikobewertung, Berlin, Deutschland [email protected] Dr. rer. nat. Steffen  Schubert  Informationsverbund Dermatologischer Kliniken – IVDK, Institut an der Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland [email protected] Thomas Sembt  Doctare Medical Services UG (haftungsbeschränkt), Berlin, Deutschland [email protected] Katharina Ulz  I AM INK e.U., Fehring, Österreich [email protected] Annika Wegner  Ambulanz für Verhaltenstherapie, IVAH gGmbH, Hamburg, ­Deutschland Prof. Dr. med. Uwe Wollina  Klinik für Dermatologie und Allergologie, Städtisches Klinikum Dresden, Dresden, Deutschland [email protected]

XII

Über die Autorinnen und Autoren

Über die Autorinnen und Autoren Prof. Dr. med. Jens Malte Baron

ist stellvertretender Klinikdirektor und leitender Oberarzt der Klinik für Dermatologie und Allergologie und Leiter des Interdisziplinären Zentrums für Lasermedizin an der Uniklinik RWTH Aachen. Er ist apl. Professor für Dermatologie und Venerologie an der RWTH Aachen und Dozent im Weiterbildungsstudiengang für ästhetische Lasermedizin an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Zu seinen medizinischen Auszeichnungen zählt u. a. der Innovationspreis der Deutschen Dermatologischen Lasergesellschaft und der Oscar Gans Förderpreis der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. Er ist aktives Mitglied in zahlreichen nationalen und internationalen Fachgesellschaften und gehört aktuell dem erweiterten Vorstand der Deutschen Dermatologischen Lasergesellschaft an. Wissenschaftlich betreut Prof. Baron eine eigene Arbeitsgruppe an der Uniklinik RWTH und hat über 180 Artikel in Fachjournalen publiziert.

Dr. med. Hans Bayer

ist niedergelassener Dermatologe und Gründer der Tattooklinik Achromatique. In seiner Arbeit strebt er die enge Vernetzung von Ärzten und Tätowierern an. Neben wissenschaftlichen Arbeiten veranstaltet er regelmäßig Fortbildungen zum Thema. Dr. Bayer ist regelmäßig Referent auf nationalen und internationalen Tagungen zum Thema Laser und besonders auch zur Tattoo-Entfernung mittels Laser. Seine wissenschaftlichen und klinischen Schwerpunkte sind die Lasermedizin und die Chirurgie.

Dr. med. Stephan A. Braun

ist Dermatologe und Dermatopathologe und arbeitet als Oberarzt an den Hautkliniken der Universitätskliniken Münster und Düsseldorf. Seine klinischen Schwerpunkte sind die Dermatoonkologie und Dermatohistologie.

Dipl.-Ing. (FH) Michael Dirks

ist diplomierter Chemieingenieur für Farben und Lacke und hat sich als Gründer und Geschäftsführer mit seinem Unternehmen The3Pylons GmbH im österreichischen Burgenland niedergelassen. The3Pylons hat sich auf die Herstellung und den Vertrieb von Tätowier- und Kosmetikmitteln spezialisiert Er ist Autor und Co-­Autor mehrerer Artikel und wissenschaftlicher Publikationen und berät die internationale Tattoo- und Medizinbranche. Ehrenamtlich engagiert sich Dirks seit 2007 als Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Deutschen Organisierten Tätowierer D.O.T. e.V., seit 2011 im ProTattoo e.V. und ist seit Ende 2013 Mitglied des Bundesverbands Tattoo BVT e.V. Darüber hinaus nahm er von 2014 bis 2016 als Experte am Consumer Safety Net-

XIII Über die Autorinnen und Autoren

work in der Gruppe Tattoo und Permanent Make-up (CSN-­STPM), JRC der Europäischen Kommission teil und ist seit 2016 Vorstandsmitglied der internationalen Forschungsgruppe European Society of Tattoo and Pigment Research (ESTP) in Kopenhagen.

Igor Eberhard arbeitet als Kultur- und Sozialanthropologe und als Projektmanager beim Ethnographischen Datenarchiv an der Universität Wien. Seine Forschungsschwerpunkte sind Skin Studies, Tätowierungen, Medical Anthropology, Ethnographisches Sammeln, Anthropologie der Kriminalität und Devianz. Nächste Publikation: „Tätowierte Kuriositäten, Obszönitäten, Krankheitsbilder?“ (Transcript).

Andy Engel ist Experte für Tattoos in 3D. Andy Engel will nicht einfach nur tätowieren, sondern perfektionieren. Bereits 1995 eröffnete er sein eigenes Tattoo-Studio in Kitzingen. Heute ist der Tätowierer auf der ganzen Welt als „der Experte“ für fotorealistische Tattoos in 3D bekannt. 2008 hat er die medbwk by Andy Engel gegründet, die gemeinsam mit durch ihn geschulten Spezialisten und Spezialistinnen Brustwarzenrekonstruktionen realisiert. Um möglichst vielen Frauen zu helfen, hat sich das Franchise bereits auf über 20  Partnerstandorte in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz ausgeweitet. Dabei wird Wert auf standardisierte Abläufe im Hygiene- und Qualitätsmanagement gelegt sowie darauf, zum Wohle der Patientinnen und Patienten zwischen behandelnden Kliniken, Ärzten und Krankenkassen zu vermitteln.

Dr. jur. Gwendolyn Gemke ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht. Sie ist Autorin und Co-­Autorin von Publikationen zu medizinrechtlichen Fragen in medizinischen und juristischen Fachzeitschriften. Im Rahmen ihrer anwaltlichen Tätigkeit ist sie vornehmlich für niedergelassene oder an Kliniken beschäftigte Mediziner beratend tätig.

Prof. Dr. med. Peter Arne Gerber, MBA, DALM ist niedergelassener Dermatologe in Düsseldorf und Mitglied der medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er ist Autor und Co-Autor von mehr als 200 wissenschaftlichen Publikationen und gehört zum Vorstand der Deutschen Dermatologischen Lasergesellschaft (DDL e.V.) und der Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie Deutschland (GÄCD e.V.). Einer seiner wissenschaftlichen und klinischen Schwerpunkte ist die Lasermedizin.

XIV

Über die Autorinnen und Autoren

Dr. med. Stephan Große-Büning praktiziert am Medicorium in Oberursel und betreut außerdem die ­Lasersprechstunde an der Hautklinik der Universitätsmedizin Mainz. Er ist Autor und Co-Autor mehrerer wissenschaftlicher Publikationen und ist in der Aus- und Weiterbildung von Ärzten zur Lasertherapie tätig. Einer seiner wissenschaftlichen und klinischen Schwerpunkte ist die Lasermedizin und speziell die Tattoo-­Entfernung.

Prof. Dr. med. Stefan Hammes ist Mitglied der medizinischen Fakultät der Universitätsmedizin Greifswald und wissenschaftlicher Berater an der Laserklinik Karlsruhe. Er ist Autor und Co-Autor von mehr als 100 wissenschaftlichen Publikationen und Büchern und wissenschaftlicher Leiter des Weiterbildungsstudienganges „Diploma in Aesthetic Laser Medicine (DALM)“ der Universität Greifswald. Einer seiner wissenschaftlichen und klinischen Schwerpunkte ist die Lasermedizin.

Prof. Dr. Erich Kasten wurde in Travemünde (Ostsee) geboren, hat in Kiel studiert und war wissenschaftlich an den Universitätskliniken Lübeck, Magdeburg und Göttingen tätig, außerdem hatte er eine Gastprofessur an der Humboldt Universität in Berlin. Seit 2013 ist er berufener Professor für Neurowissenschaften an der Medical School Hamburg. Er beschäftigt sich seit 2006 mit Body Modifications, hat ein Buch und unzählige Artikel darüber verfasst und ist gern gesehener Gast auf Tattoo Conventions.

Nicolas Kluger ist ein französischer Dermatologe und Professor am Universitätsklinikum Helsinki, Finnland. Einer seiner wissenschaftlichen Schwerpunkte sind mit Tattoos assoziierte gesundheitliche Probleme. Er ist Autor und Co-Autor von über 150 Publikationen zum Themenkomplex Tätowierungen und Body-Art. Von 2013 bis 2019 war er Vize-Präsident der European Society of Tattoo and Pigment Research und ist derzeit Vorsitzender der EADV Task Force Tattoos and Body-Art.

Leila Lambert 1993 in Hamburg geboren, entdeckte durch jahrelange Tätigkeit in der Dienstleistungsbranche (Gastronomie) die Welt der Psychologie für sich. Nach dem Bachelor-­Abschluss an der Medical School Hamburg und dem Master-Abschluss in Klinischer Psychologie an der Medical School Berlin strebt sie als nächstes einen weiteren Master-­Abschluss in Rechtspsychologie mit anschließender Promotion an. Nebenbei ist sie seit Jahren in der Personaldienstleistung tätig und hat in dieser Branche Erfolge in London, Berlin und Hamburg vorweisen können.

XV Über die Autorinnen und Autoren

Denis Lamm ist seit Beginn der 1990er-Jahre Tätowierer und arbeitet gemeinsam mit Stefanie Lamm in seinem seit 2002 bestehenden Studio in Göttingen. Sie tätowieren ­vorwiegend illustrative, meist großformatige Projekte mit dem Schwerpunkt Neo-Asia, die oftmals Cover-Ups enthalten. Denis Lamm ist staatlich geprüfter Grafik-Designer und Stefanie Lamm ist Kunsthistorikerin. Da über die Jahre der Zusammenhang zwischen äußeren und inneren Bildern sowie deren physiologische Auswirkungen während des Tätowierens immer deutlicher wurden, hat Stefanie Lamm die Fortbildung zum med. Hypnosecoach (AMH) absolviert. Die beiden sind Mitglieder im BVT (Bundesverband Tattoo e.V.), in der ESTP (European Society of Tattoo and Pigment Research) und dem BMXnet e.V. Dort und über QS Skin ist Stefanie Lamm als Referentin im Bereich (Selbst-)Hypnose im Tattoo-Kontext tätig.

Daniel Rust ist staatlich geprüfter Desinfektor und Beauftragter für Qualitätsmanagement. Als Vorstandsmitglied im Bundesverband Tattoo e.V. (BVT) setzt er sich für die Interessen und Belange in der Tattoo-Szene ein. Dort ist er zudem der Arbeitsgruppenleiter für den Bereich Qualitätsstandards. Er ist Moderator und Speaker bei Tattoo Conventions, Fortbildungsevents und Leiter sowie einer der Dozenten in seinem eigenen Schulungszentrum für Weiterbildungen im Bereich Hygiene und diversen anderen Bereichen. Daniel Rust ist zudem Tätowierer und Geschäftsführer von zwei Tattoo- und Piercing-Studios im RheinMain-Gebiet. Er hat sich inzwischen in Zusammenarbeit mit medbwk auf den Bereich der medizinischen Brustwarzenrekonstruktion durch fotorealistische Pigmentierung spezialisiert.

Dr. Steffen Schubert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Informationsverbund Dermatologischer Kliniken (IVDK), einem Zusammenschluss von über 50 dermatologischen Zentren in Deutschland, Österreich und Schweiz, der sich seit mehr als 30 Jahren der Epidemiologie und Eindämmung der Kontaktallergie widmet. Schubert ist (Mit-) Autor von über 50 wissenschaftlichen Publikationen und Mitglied der European Society of Tattoo and Pigment research (ESTP), der Deutschen Kontakt-Allergie-Gruppe (DKG) und der Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie (ABD). Ein Forschungsschwerpunkt sind nichtinfektiöse Unverträglichkeitsreaktionen auf Tattoos und Permanent Make-up (7 http://www.­ivdk.­org/de/aktivitäten/tattoo-­studie/).  

XVI

Über die Autorinnen und Autoren

Dr. rer. nat. Ines Schreiver ist Leiterin des Studienzentrums Dermatotoxikologie in der Abteilung Chemikalien- und Produktsicherheit am Bundesinstitut für Risikobewertung. Sie forscht seit 2013 im Bereich der chemischen Analytik und Toxikologie von Tätowiermitteln und hat sich in ihrer Doktorarbeit eingehend mit der Zersetzung von Tätowierpigmenten unter Lasereinfluss beschäftigt. Schreiver hat sich durch eine Vielzahl von Publikationen und Kooperation fest im Bereich der Tätowiermittelforschung etabliert und ist 2. Vorstandsvorsitzende der Europäischen Gesellschaft für Tätowiermittel- und Pigmentforschung (ESTP).

Thomas Sembt betreibt seit 10 Jahren erfolgreich das Ärztenetzwerk Doc-Tattooentfernung.com in der D-A-CH-Region und ein in Berlin ansässiges Unternehmen für den Verkauf von medizinischen Lasersystemen „Made in Germany“. Im Rahmen einer Fortbildung bringt er bereits seit 2014 die Tattoo-Branche mit der Medizin und Wissenschaft in Form einer Tattoo-Tagung zusammen. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass der Wunsch, sich interdisziplinär auszutauschen, fortlaufend wächst und außerordentlich fruchtbar ist. Er ist zudem seit deren Gründung Mitglied und Unterstützer des Bundesverbands Tattoo (BVT e.V.) und der in Kopenhagen (Dänemark) ansässigen Forschungsgemeinschaft European Society of Tattoo and Pigment Research (ESTP).

Katharina Ulz ist Farbenherstellerin und CEO der österreichischen Tätowierfarbenfirma I AM INK GmbH mit Sitz in Fehring, Österreich. Die I AM INK, gegründet 2019, hat sich auf die Herstellung von unbedenklichen Tätowierfarben spezialisiert, die auf Konservierungsmittel, einfache alkoholische Lösungsmittel, hautreizende Tenside, Azopigmente und sonstige Verunreinigungen verzichten. Daher kann die I AM INK Farben herstellen, die frei von aromatischen Aminen, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen und Schwermetallen sind. Ehrenamtlich engagiert sich Katharina Ulz seit Gründung der I AM INK bei der Initiative „Save the Pigments“, die für den Erhalt der wichtigen Farbpigmente Blue 15 und Green 7 eintritt.

Annika Wegner ist Psychologin und gebürtige Hamburgerin. 2018 absolvierte sie den Masterabschluss in klinischer Psychologie und Psychotherapie an der Medical School Hamburg. Im selben Jahr begann sie die Ausbildung zur psychologischen Psychotherapeutin am Institut für Verhaltenstherapie Hamburg, die sie im kommenden Jahr abschließen wird. Aktuell ist sie im ambulanten und teilstationären Bereich tätig und behandelt Patienten mit unterschiedlichen Krankheitsbildern.

XVII Über die Autorinnen und Autoren

Prof. Dr. Uwe Wollina ist Chefarzt der Klinik für Dermatologie und Allergologie, Städtisches Klinikum Dresden. Er ist Mitglied verschiedener nationaler und internationaler Fachgesellschaften und Ehrenmitglied der Czech Society of Dermatology and Venereology, der Jordanian Dermatological and Venereological Society und der Cosmetic Dermatology Society of India. 2014 erhielt er das Certificate of Appreciation der International League of Dermatological Societies. Er ist Editor-in-Chief der Zeitschriften Psoriasis (Auckland) und Kosmetische Medizin – Cosmetic Medicine. Er publizierte mehr als 1000 Artikel in Pubmed und mehr als 160 Buchkapitel.

1

Einführung ins Thema Inhaltsverzeichnis Kapitel 1

 ätowiert sein ist wie ein Haus T bewohnen – Tätowierungen zwischen Status, Schmuck, Schönheit und noch viel mehr – 3 Igor Eberhard

Kapitel 2

 pidemiologie von Tätowierung E und Tattoo-­Entfernung in Deutschland und international – 15 Peter Arne Gerber

Kapitel 3

 sychologie von Tätowierung und P Tattoo-­Entfernung – Warum einem das Tattoo nur noch auf den Senkel geht: psychologische Aspekte – 19 Annika Wegner, Leila Lambert und Erich Kasten

I

3

Tätowiert sein ist wie ein Haus bewohnen – Tätowierungen zwischen Status, Schmuck, Schönheit und noch viel mehr Igor Eberhard Inhaltsverzeichnis 1.1

Tätowierung als neue Haut – 4

1.2

Ornament und Verbrechen – 5

1.3

Eine alte kulturelle Praxis – 6

1.4

Soziale Zeichen – 7

1.5

Gesünder durch Tattoos? – 7

1.6

Der Effekt kommt zurück ins Bewusstsein – 8

1.7

Die Professionalisierung der Tätowierung – 9

1.8

Nach dem Zweiten Weltkrieg – 11 Literatur – 13

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_1

1

4

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I. Eberhard

Tätowierungen sind oft weitaus mehr als man denkt. Im besten Fall machen sie etwas mit uns – und wir nicht nur mit ihnen. Dafür spricht auch ihre lange Teilhaberschaft an der Menschheitsgeschichte, aber auch ihre immer wiederkehrende weite Verbreitung. Das Besondere, Außergewöhnliche der Tätowierung schafft auch die Nähe zu unserem Selbst. Tätowierungen sind ein Grenzphänomen. Jean Améry beschreibt 1966 in seinem Essay „Jenseits von Schuld und Sühne“ ausführlich die Erfahrung der Folter durch die Gestapo, was sie aus ihm und aus seinen Peinigern macht: „Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Die Hautoberfläche schließt mich ab gegen die fremde Welt: auf ihr darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will“ (Améry 2002 [1966], S. 66). Ausführlich schildert er die Folgen der Grenzüberschreitung der „Gegen-Menschen“, die seine Ich-Grenze und seine Identität missbrauchen und zerstören wollen. Er schildet auch, wie seine äußere Hülle, die Haut, als Schutzpanzer aufgebaut werden soll. Ähnlich wie bei Franz Kafkas Gregor Samsa beginnt eine innerliche „Verpanzerung“. Diese Beispiele verdeutlichen, was nur scheinbar offensichtlich ist: Die Haut ist mehr als nur das sichtbarste Organ. Sie umfasst auch die innersten Lebensbereiche. Somit ist sie weitaus mehr als eine bloße Hülle: Sie schützt und hilft, das innere Gleichgewicht zu bewahren (Homöostase), beeinflusst die Abwehrkräfte und den Stoffwechsel. Sie ist unsere Körper/Leib-Grenze und repräsentiert unsere Identität.

1.1

Tätowierung als neue Haut

Abgesehen von ihren biologischen Merkmalen hat die Haut auch symbolische und kommunikative Funktionen. So kann sie Anlass zu Vorurteilen und Wertungen geben. Hautfarbe oder Körperveränderungen durch Tätowierungen, Body Modifications, Narben oder Krankheit können die Triebfeder für entsprechende Bewunderung, Begehren oder auch für Stigmatisierungen sein. Tätowierungen sind kein „Panzer“, auch wenn ihnen in einigen Fällen sogar eine schützende Funktion zugesprochen wird. Sie sind jedoch direkt auf dieser Hautgrenze und damit ein direktes Kommunikationssignal für Andere wie auch für uns selbst. Der Kunsttheoretiker Peter Weibel geht sogar noch weiter:

»» Sich zu Tätowieren ist wie ein Haus zu bewohnen, ein unheimliches Haus, das ein ver-

trautes Haus wird. In der eigenen Haut wie in einem Hause zu wohnen, das du selbst entworfen hast. (…) Das Tattoo ist eine Tapete  – eine zweite Haut. (…) Durch die Tätowierung wird der Körper zu einem Übergangsobjekt zwischen dem Selbst und den Anderen (Weibel 2013, S. 88).

Die Haut ist jedoch viel mehr als das. Sie ist die

»» Grenze zwischen Innen und Außen, zwischen dem System des Selbst und dem System

der Welt, zwischen individual und sozial, zwischen Ich und Gesellschaft. Wer also auf der Grenze der Haut operiert, will die vereinbarten Kontrakte zwischen dem System des Selbst und dem System der Welt stören, weil sie ihn selbst verstören. Die Haut ist

5 Tätowiert sein ist wie ein Haus bewohnen – Tätowierungen zwischen Status,…

jene Grenze, jener Schauplatz, auf dem das Selbst versucht, jene Vereinbarungen und Verträge zwischen den Systemen des Selbst und den Systemen der Welt zu verändern (­Weibel 2013, S. 88 f).1

Die Aussagen von Peter Weibel klingen vielleicht auf den ersten Blick etwas abstrakt. Auf den zweiten wird jedoch klar, welche tiefe Bedeutung Tätowierungen haben können. Sie sind wie ein „Haus“ aus dem Körper heraus, in dem wir uns einrichten, es uns gemütlich machen, den wir schön dekorieren, verändern, gestalten. Es uns schlicht und einfach wohnlich darin machen. Dieses „Haus“ ist nicht nur ein „Wohlfühlort“ für uns, sondern auch ein Zeichen nach außen. Es zeigt Status, Wert, Schönheit, vielleicht auch, zu wem wir gehören (wollen) und zu wem nicht. Es kann zeigen, gegen wen oder was wir uns wehren wollen. Es vermag uns selbst auch nach außen zu einem einzigartigen Kunstwerk zu machen – oder wie einen Tempel und kann eine religiöse oder spirituelle Verbindung ausdrücken, wie es etwa bei vielen traditionellen Tätowierungen oder Pilgertätowierungen der Fall war. Der ausgedrückte Status konnte auch negativ sein: Sklaven, Gefangene, Straftäter oder Außenseiter konnten so stigmatisiert werden. Das von einem selbst gepflegte „Haus“ wurde für Andere sozial negativ sichtbar gemacht. All dies zeigt die tiefe Bedeutung, die Tätowierungen in vielen Zeiten für viele Menschen hatten und haben. Längere Zeit standen Tätowierte auch immer wieder zahlreichen Vorurteilen gegenüber.

1.2

Ornament und Verbrechen

Der Wiener Architekt und Kulturpublizist Adolf Loos fasste 1908 in seiner provokanten Streitschrift „Ornament und Verbrechen“ auch die gängigen Vorurteile über Tätowierte pointiert zusammen:2

»» Der papua tätowiert seine haut, sein boot, seine ruder, kurz alles, was ihm erreichbar

ist. Er ist kein verbrecher. Der moderne mensch, der sich tätowiert, ist ein verbrecher oder ein degenerierter. Es gibt gefängnisse, in denen achtzig prozent der häftlinge tätowierungen aufweisen. Die tätowierten, die nicht in haft sind, sind latente verbrecher oder degenerierte aristokraten. Wenn ein tätowierter in freiheit stirbt, so ist er eben einige jahre, bevor er einen mord verübt hat, gestorben.

Aus heutiger Sicht ist dieses Zitat klischeehaft. Aus damaliger Sicht brachte Loos gängige Vorstellungen überspitzt auf den Punkt. Auch die Wissenschaft blieb nicht immer frei von diesen oder ähnlichen Vorstellungen. „Sehr verdächtig“ konnte man

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Weibels Essay zum Thema Tattoos ist zum Teil recht klischeehaft. So schreibt er an anderer Stelle: „Durch den bemalten Körper – durch das Tattoo – wird der Körper selbst exotisch. Der tätowierte Körper kennt keinen normalen Alltag mehr, es gibt nun mehr einen exotischen und erotischen Alltag“ (Weibel 2013, S.  88). Damit greift er ziemlich tief in die Stereotyplade, die so gar nicht der aktuellen Entwicklung entspricht. Tätowierungen war nur ein Nebenschauplatz seiner kritischen Auseinandersetzung mit Architektur und Kunst.

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im 19.  Jahrhundert schnell werden, wenn man nicht der Norm entsprach. Dafür ­genügte schon zu dieser Zeit der erste äußere Eindruck:

»» Praktisch ist das Vorkommen von Tätt[!]owierungen bei gebildeten unbestraften Män-

nern sehr wichtig, da es fast mit absoluter Sicherheit auf eine latente Kriminalität schliessen lässt, zumal wenn fliehende Stirn, massige Kiefer oder Henkelohren zugleich bestehen (wie bei zwei mir bekannten noch unbestraften, aber sehr verdächtigen Gentlemen).

Das schrieb der Psychiater und Arzt Hans Georg Kurella in seinem 1893 erschienen Werk Naturgeschichte des Verbrechers. Auch wenn Tätowierungen immer wieder Mode waren, galten sie lange als Zeichen für „abnormales“ oder kriminelles Verhalten. Kurella war ein Schüler von Cesare Lombroso, einem der berühmtesten Gründerväter der Kriminologie. Er wollte durch seine Untersuchungen an italienischen Sträflingen und Prostituierten die Gründe für Verbrechen erfassen, ganz ähnlich wie sein Schüler Hans Kurella. Tätowierungen waren für ihn ein deutliches Anzeichen. Seine und ähnliche Thesen waren von Anfang an umstritten. Aber sie wirkten: Lombroso und Co. trugen damit auch dazu bei, Begründungen für die nationalsozialistische „Rassenhygiene“, Zwangsterilisation und für Mord zu liefern.3 Mittlerweile sind viele Klischees über Tätowierte verschwunden oder zumindest stark zurückgegangen. Bei einer Verbreitung von ca. 25 Prozent im deutschsprachigen Raum ist das mehr als begrüßenswert (IMAS 2020). In einigen Fällen gelten Tätowierte in der Wissenschaft und der Gesellschaft noch nicht als „normal“. Die Wenigsten bringen sie jedoch noch mit charakterlichen Eigenschaften wie „psychopathisch“ oder „abnorm“ in Verbindung. Gelegentlich werden Zuschreibungen zu „risikofreudigem Verhalten“ vorgenommen, also zu ungeschütztem Sex, häufig wechselnden Partnern, reichlich Drogen etc.4 In vielen Kulturen und zu vielen Zeiten wurden Tätowierungen eher positiv und gesellschaftlich stabilisierend ­gesehen. Für diese Vorstellungen finden sich schon frühe Belege.

1.3

Eine alte kulturelle Praxis

In sehr vielen Kulturen waren oder sind Tätowierungen verbreitet. Wie weit ihre Wurzeln zurückgehen, ist nicht ganz eindeutig belegbar. Eine der ältesten kulturellen Praktiken der Menschheit dürften sie jedoch sein. Wahrscheinlich sind die ersten parallel mit der Entwicklung der Kunst entstanden. Indizien sprechen für eine Entstehung spätestens beim Sesshaftwerden der Menschheit. Funde und Mumien aus Ägypten, Sibirien, Grönland, Peru und einigen anderen Ländern zeigen, wie verbreitet Tätowierungen gewesen waren (Krutak u. Deter-Wolf 2017). 30.000  Jahre alte Malereien in Grönland sollen bereits tätowierte Menschen zeigen. Derzeit stam-

3 Wie sehr Tätowierte im Nationalsozialismus systematisch diskriminiert und verfolgt wurden, ist umstritten (z. B. Schönfeld 1960; Oettermann 1994; Wittmann 2015; Eberhard 2017). Trotz einzelner Zeitzeugenberichte, Quellen und einiger Hinweise gibt es kaum eindeutige Indizien für eine systematische Verfolgung Tätowierter. 4 Diese Art Studien werden weniger. Beispielhaft und besonders plakativ sei hier Guéguen 2012 und 2013 genannt.

7 Tätowiert sein ist wie ein Haus bewohnen – Tätowierungen zwischen Status,…

men die wahrscheinlich ältesten direkten figurativen Funde aus dem ägyptischen ­Gebelein mit einem Alter von etwa 5350 Jahren. Einer der bekanntesten Funde stammt aus Europa: Die Gletschermumie Ötzi ist mit ihren ebenfalls etwa 5300 Jahren eine der ältesten tätowierten Mumien. Ötzi ist auch in anderer Sicht außergewöhnlich: Ganze 61 Tätowierungen sind auf seinem Körper verteilt. Wie groß die Verbreitung historisch gesehen war, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Von Ägypten, Sibirien, Grönland und einigen anderen Ländern bis zum Amazonas wurden Spuren von Tätowierungen auf Mumien gefunden, die bis ca. 1500 v. Chr. zurückdatieren und davon zeugen, wie weltweit verbreitet Tätowierungen waren. Wie viele Menschen tatsächlich jeweils tätowiert waren, ist bisher nicht feststellbar. Es war wohl ein weit verbreitetes und tiefes Bedürfnis, den eigenen ­Körper zu gestalten und zu verändern.

1.4

Soziale Zeichen

Wie schon zu Anfang dieses Kapitels beschrieben, reicht dieser Wunsch tief in die Geschichte. Er findet sich in vielen Gesellschaften durch die Zeit. Gründe für eine Tätowierung gibt es viele. Sie sind eben nicht nur Ornament – und häufig nicht verbrecherisch. Im Gegenteil: Sie dienten dazu, eine spirituelle Verbindung zu verankern, sozialen Status festzuschreiben oder Normen durchzusetzen. Ganz zentral waren sie als Übergangsritus: Der Schmerz und die zahlreichen begleitenden Riten beim Tätowierprozess sollten bereit machen, einen neuen Lebensabschnitt zu erreichen. Die erste Menstruation oder das erste erlegte Tier, der erste getötete Feind etc. waren Anlässe. Auch heute können Tätowierungen Erinnerungen ausdrücken, Marker für bestimmte Ereignisse wie eine Geburt oder einen Verlust sein. Sie können helfen, Probleme zu bewältigen, oder einen neuen Abschnitt anzeigen. Häufiger sollen sie uns auch nur schöner machen – und auch das kann ein neues Kapitel für uns sein. Die Farbe in der Haut verankerte ein Stück unseres Lebens. Die Kraft des Bildes sollte sich, wie bei einem Amulett oder Ähnlichem, übertragen. Tattoos konnten und können aber noch viel mehr: Tattoos waren und sind auch Medizin und ­Therapie.

1.5

Gesünder durch Tattoos?

Tätowierungen wurden wahrscheinlich schon bei Ötzi therapeutisch eingesetzt. Er litt an Arthrose und anderen Krankheiten. Er war an den entsprechenden Akupunkturpunkten tätowiert. Vermutlich sollten auf diese Weise auch andere Krankheiten bekämpft werden. Die Wirkung ist umstritten – die weltweiten Versuche sind es nicht. Ähnliche Befunde weisen andere Mumien auf. Therapeutische Versuche mit Tätowierungen gibt es noch immer. Bis vor einigen Jahren etwa wurden auf der Sankt-Lorenz-Insel in der Beringsee ähnliche Tattoo-Techniken zur Heilung eingesetzt (Krutak 2013). Gerade laufen erste Forschungen über die therapeutische Wirkung von Tattoos an. Auch in der Medizin sind erste Erfolge sichtbar: Patienten berichten nach schweren Verlusten, großen Verletzungen, Brustkrebs-Operationen

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oder Amputationen etc. von der therapeutischen Erfolgen von Tattoos als Teil der Traumabewältigung (Kasten 2018). Tätowierungen bieten davon abgesehen viele andere Möglichkeiten: Man kann sich besser fühlen oder sein Wohlbefinden steigern. Fühlt man sich schön oder wohl in seinem tätowierten „Haus“, steigt auch der Selbstwert. Fühlt man sich gut, weil man zu einer bestimmten Gruppe gehört oder sich davon abgrenzen kann, weil man Erinnerungen sichtbar macht, weil man persönliche Erinnerungen auf dem Körper verewigt hat, seine Individualität betonen will oder seine Individualität künstlerisch ausdrückt: Wichtig ist der positive Effekt.

1.6

Der Effekt kommt zurück ins Bewusstsein

Der Effekt wurde nicht immer und überall so positiv gesehen. Viele Einschränkungen, Tabuisierungen oder Verbote finden sich in den großen Schriftreligionen. Auch der Einsatz von Tätowierungen als Strafe oder zur Kennzeichnung, wie etwa bei Griechen oder Römern, ist belegt (Schönfeld 1960; Oettermann 1994).5 Sie wurden im euroamerikanischen Raum lange Zeit durch diese Gründe eher an den Rand gedrängt oder waren zumindest nur wenig sichtbar. Es ist jedoch falsch, dass Tätowierungen vergessen waren. Es gibt viele vereinzelte Belege für sie: Bei Pilgern, Adligen, Schaustellern, Reisenden, Menschen in Randgruppen oder Randgebieten etc. Dann begann spätestens im 18. und 19. Jahrhundert ein erster großer Umbruch mit einem Boom der Tätowierungen durch die Kolonisatoren, Entdecker und Seefahrer, die Berichte über diese Kulturtechnik auch aus fernen Ländern mitbrachten. Vorausgegangen waren die Entdeckungsfahrten von James Cook, Louis Antoine de Bougainville oder Adam Johann Baron von Krusenstern und ihren Vorläufern, dadurch drangen Tätowierungen allmählich wieder ins öffentliche Bewusstsein vor. Vor allem Cook hatte einen großen Einfluss auf die Tattoo-Geschichte. Er brachte Omai, einen tatauierten Indigenen von Ra’iatea (einem Teil der heutigen Gesellschaftsinseln), mit der HMS Adventure nach Europa. Dieser wurde schnell zu einer Berühmtheit. Andere wirkten ähnlich: Prince Jeoly, der 1691 von William Dampier nach London gebracht wurde, oder Ahutoru (auch Aotourou oder Aorotu), ein Tahitianer, der 1769 mit Bougainville nach Frankreich gekommen war, begeisterten die Menschen in Europa. Ihre Auftritte in wissenschaftlichen Stuben, adligen Höfen oder auf Jahrmärkten waren Ereignisse und zogen Schaulustige aus allen Schichten in Scharen an. Vorführungen tätowierter Indigener brachten Geld in die Kassen von Geschäftemachern. Schon bald entdeckten etwa gestrandete Matrosen, entflohene Sträflinge oder Deserteure die Tätowierung als Geldquellen. Noch berühmter als viele seiner Kollegen wurde Captain Costentenus (bzw. Captain Georg Constantin bzw. Constantinus, Georgias Constantin, auch genannt „Alexandrinos“ oder der „Tätowierte von Birma“), der auch Wissenschaftler zu Begeisterungsstürmen hinriss, galt er doch zu seiner Zeit als „meisttätowierter Mensch“ der Welt. Anthropologen wie Rudolf Virchow, Ethnologen, Mediziner, Linguisten und viele andere Wissenschaftler er-

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Derzeit werden viele historische Quellen neu untersucht und bewertet (Dinter und Khoo 2020).

9 Tätowiert sein ist wie ein Haus bewohnen – Tätowierungen zwischen Status,…

forschten seine Tätowierungen und sein Leben. Damit wurden Tätowierungen wieder sichtbarer, bekannter – und auch allmählich beliebter. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1920er-Jahre begann schließlich eine Entwicklung, die Teil eines großen gesamtgesellschaftlichen Umbruchs war. Mit der fortschreitenden Industrialisierung schritt auch der Wettbewerb um die Beherrschung der Welt und die Eroberung neuer Kolonien voran. Aber auch Tätowierungen bekamen in diesem Umfeld nach und nach eine neue Rolle zugeschrieben. Die Begeisterung für Tattoos griff von Matrosen, Arbeitern, Soldaten, Schaustellern auf breitere Schichten über. Auch das gehobene Bürgertum und Teile des Adels ließen sich nach und nach begeistern. Das lag nicht zuletzt an der Professionalisierung der Tätowierung.

1.7

Die Professionalisierung der Tätowierung

Thomas Edison ermöglichte nicht nur die Elektrizität in den Städten und in den heimischen Wohnzimmern und brachte die Bilder „zum Laufen“, er war auch verantwortlich für die Erfindung der elektrischen Tätowiermaschine  – auch wenn er wahrscheinlich niemals vermutet hätte, wozu sein elektrischer Stift, der eigentlich zum Gravieren von Gegenständen gedacht war, noch genutzt werden könnte. Seine Erfindung inspirierte schon bald viele US-amerikanische Tätowierer, an Maschinen zu basteln, die das Tätowieren vereinfachen sollten. Erst der New Yorker Tätowierer Samuel O’Reilly ließ sich ein Modell patentieren, das die Grundlage der weiteren Entwicklung darstellen sollte. O’Reilly war geschäftstüchtig: Er entwickelte nicht nur die Tätowiermaschine zum bekannten Produkt, er entdeckte auch eine ganz neue, revolutionäre Werbemöglichkeit: die Tätowierten Schausteller. Tom Sidonia, George Karlavagn, Seidaunia, Madame Ondena, George Mellivan, Lulu Baum und einige andere konnten mit etwas ganz Besonderem werben: „elektrisch tätowiert“ zu sein. O’Reilly schaffte es, daraus häufig ein „Tattooed by O’Reilly“ zu machen. Wie groß die Anzahl der hauptberuflichen Tätowierer gegen Ende des 19. Jahrhunderts war, lässt sich nicht genau feststellen. Wahrscheinlich war sie maximal zweistellig. Aber wie im 20. Jahrhundert die Conventions, so gab es auch zu dieser Zeit zwei Dinge, die die Tattoos für immer veränderten: die Erfindung der elektrischen Tätowiermaschine einerseits und andererseits die tätowierten Schausteller auf den Jahrmärkten. Beide machten schon damals Tattoos mit zu einer Massenerscheinung. Einer, der viel dazu in Deutschland beitrug, war etwa Christian Warlich aus Hamburg-Altona (Eberhard 2015; Wittmann 2019). Er muss beeindruckt gewesen sein von der neuen Technik, den neuen Motiven, der Genauigkeit, aber auch von den Möglichkeiten, Tattoos zu verkaufen. Zu ihm kamen die Kunden reihenweise, er war berühmt. Er selbst nannte sich ganz in Jahrmarktstradition „König der Tätowierer“. Aus damaliger Sicht war dies gar nicht einmal falsch: Von seinen Seereisen hatte der gelernte Kesselschmied das Interesse am Tätowieren mitgebracht  – und eine elektrische Tätowiermaschine. Er war einer der Ersten, der ihre Möglichkeiten erkannt hatte. Christian Warlich war jedoch nicht nur Tattoo-Pionier, wahrscheinlich der erste Berufstätowierer im deutschsprachigen Raum und Künstler. Er war mit seinen elektrischen Tätowiermaschinen war auch der erste Tattoo-Unternehmer und -Kapita-

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..      Abb. 1.1  Tätowierte Dame „Nandl aus Tirol“, ca. 1920, Werbepostkarte, Sammlung Eberhard

list. Er war nicht alleine. Ihm folgten andere. Auch sie sahen die Möglichkeiten der elektrischen Tätowiermaschine, die einen Durchbruch gebracht hatte: Die Tätowierungen konnten genauer und sauberer gestochen werden. Die Farbe konnte gleichmäßig in die Haut eingebracht werden – neue Motive, Stile, Techniken entwickelten sich. Auch der Schmerz wurde weniger. Für eine Tätowierung, die davor viele Tage gedauert hatte, benötigte man nur noch einen oder maximal zwei Tage. Neue Welten öffneten sich (. Abb. 1.1). Dann begann die Begeisterung allmählich zu kippen, und schon ab den späten 1920er- und den 1930er-Jahren hatte sich die Situation schließlich wieder grundlegend geändert: Tätowierungen galten häufig als überholt, suspekt, kriminell, krank oder einfach nur abstoßend. Sittlichkeitsvereine, verschiedene Kriminalfälle, die Zuschreibungen von Tattoos und Kriminalität sowie vor allem der aufkommende Nationalsozialismus und seine Vorläufer hatten diese Auswirkungen. Es gibt jedoch nur wenige direkte Hinweise auf Tätowierte und ihre „Zwangsbehandlung“ oder Ermordung im Nationalsozialis 

11 Tätowiert sein ist wie ein Haus bewohnen – Tätowierungen zwischen Status,…

mus. Einzig der Fall von Erich Wagner, des Jenaer SS-Lagerarztes im KZ Buchenwald, der an 800 tätowierten Häftlingen Untersuchungen für seine Dissertation vornahm, ist bekannt. Er ist wissenschaftsgeschichtlich  – und menschlich  – ein Sonderfall. Seine Dissertation mit dem Titel Ein Beitrag zur Tätowierungsfrage über den Zusammenhang von Tätowierungen und Verbrechen wurde in Wahrheit vom KZ-Häftling Paul Grünewald und nicht von Wagner selbst verfasst (Bode 2007, S. 105 ff.).6 Der eigentliche Autor Grünewald sagte über diese Dissertation und ihre Zielrichtung:

»» Zweifellos lag es im Zug der Zeit, die gestellte Frage so zu beantworten, dass tätowier-

ter Mensch gleich Mensch mit verbrecherischer Grundeinstellung dargestellt werden sollte. Die Diskussion, vor allem auch verschiedene Hinweise, so auf die Tatsache, welch prominente Menschen ebenfalls tätowiert sind oder gewesen sind, führte dazu, dass die Arbeit die Tendenz erhielt, wie sie sich heute im wesentlichen darstellt (Paul Grünewald zit. nach Bode 2007: XXIII).

Allerdings wurde im Nationalsozialismus die alte Tradition der Zwangstätowierungen wieder aufgegriffen. Die bekannten Tätowierungen aus dem KZ Auschwitz dienten nicht nur zur Kennzeichnung und Stigmatisierung nicht gewollter Menschen, sondern auch der bürokratischen Nutzbarmachung. In diesem Fall war eine vollständige Entmenschlichung und Eingliederung in bürokratische Abläufe gewollt (Eberhard 2017). Aber auch hier ist das Bild nicht ganz eindeutig. Die Blutgruppen-Tätowierungen der SS-Soldaten waren nicht nur ein Hilfsmittel für medizinische Behandlungen, sondern auch ein Elitenmarker. Außerdem waren viele Soldaten und Matrosen auch tätowiert, was zumindest geduldet wurde (Schönfeld 1960).

1.8

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Nicht nur der nationalsozialistische, sondern auch der bürgerliche und der wissenschaftliche Blick auf Tätowierungen blieben weiterhin deutlich negativ (Oettermann 1994). Durch das Ende des Zweiten Weltkrieges änderte sich diese Sichtweise nur bedingt. Viele Jahrzehnte voller Vorurteile und Stigmatisierungen wirkten sich aus. Walther Schönfeld schrieb dementsprechend 1963 über das Tätowieren:

»» … gegen Ende des 18.  Jahrhunderts wieder eingeführt, [um] bei Seefahrern, Hafen-

arbeitern, Soldaten und ihnen nahestehenden Volkskreisen, seine neue Blüte als Zugehörigkeitszeichen und primitiver Körperschmuck zu erleben und um im 19. und 20. Jahrhundert diese und andere Schichten bis zum Ende des zweiten Weltkrieges zu durchdringen. Unserer heutigen Welt ist es fremd geworden, nur bestimmte Teenagerkreise in Kalifornien und Schweden haben, wohl als Pubertätserscheinung, den Geschmack daran noch nicht verloren (Schönfeld 1963, S. 89).

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Die bekannten Tattoo-Souvenirs aus Menschenhaut aus dem KZ Buchenwald sind möglicherweise aus diesem Interesse an tätowierter Haut von Wagner entstanden. Diese Sammel-Praxis ist ein Sonderfall des Umgangs mit Tätowierten im „3. Reich“ (Stein 2012).

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..      Abb. 1.2  a,b Moderne Tattoo-Kunst: Extend the Scope, Steffi und Denis Lamm

Zum Glück sollte Walther Schönfeld sich irren. Tätowierungen blieben dennoch bis in die 1970er-Jahre weitgehend negativ besetzt. Erst allmählich konnte sich das Bild wandeln. Der Anblick von Tätowierungen ist mittlerweile allgegenwärtig (. Abb. 1.2). Tätowierungen können mittlerweile wieder Vieles sein – und ihre (möglichen) positiven Effekte wieder entfalten. Sie sind auch ein Mode- und Konsumprodukt mit einer regelrechten Industrie geworden. Mit immer mehr Tattoo-Studios, Tattoo-­ Conventions, zig Tattoo-Shows im Fernsehen kann es auch kaum anders sein. Tätowierungen sind wie die Rebellenattitude, die Hippiekultur oder der Punkrock spätestens seit den 1980er-Jahren allmählich – im besten Sinn – alltäglich geworden. Auch wenn noch lange Zeit Vorurteile bestanden und in Ansätzen noch immer bestehen: Die Entwicklung geht weiter. Die neuen vielfältigen künstlerischen Stile, Techniken, bessere Maschinen und das enorm gestiegene Können vieler Tätowierer verdeutlichen dies immer wieder. Manche Tätowierer wie etwa Paul Booth, Bob Tyrell, Ondrash oder Kenji Alucky, um nur einige zu nennen, schaffen Unikate. Einige Tätowierer haben eigenständige Kunststile entwickelt, die auch in Ausstellungen gezeigt werden. Ihre Tattoos zu tragen, macht die Träger selbst zum Kunstwerk. Tätowierungen können, auch wenn sie mehr und mehr auch zu Modeund ­Konsumprodukt werden, dennoch viele positive Effekte entfalten – wenn es die Träger wollen und ermöglichen. Doch tätowiert zu sein ist wie ein „Haus“ bewohnen. Die Tätowierungen verändern sich, wie sich ihre Bedeutung verändert. Das Haus altert und verliert vielleicht auch irgendwann seinen Glanz. Irgendwann wird es umgestaltet, verändert oder renoviert. Im schlechtesten Fall wird die Fassade rundherum erneuert, oder es wird ganz abgerissen. Doch es bleibt unser Haus. Im besten Fall ist es ein Wohlfühlort und eine Chance für uns.  

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Literatur Améry J (2002 [1966]) Jenseits von Schuld und Sühne. In: Scheit G (Hrsg.) Jean Améry. Werke. Band 2: Jenseits von Schuld und Sühne. Unmeisterliche Wanderjahre. Örtlichkeiten. Klett-Cotta, Stuttgart, S 7–178 Bode C (2007) Zur Geschichte der Gerichtlichen Medizin an der Universität Jena im Zeitraum von 1901 bis 1945. Dissertation, Friedrich-Schiller-Universität Jena Dinter MT, Khoo A (2020) „If Skin Were Parchment ...“. Tattoos in Antiquity. In: Kloß S T (ed.) Tattoo Histories. Transcultural Perspectives on the Narratives, Practices, and Representations of Tattooing. Routledge, New York, S 85–102 Eberhard I (2015) Tätowierte Kuriositäten, Obszönitäten, Krankheitsbilder? Die Heidelberger Sammlung Walther Schönfeld unter besonderer Berücksichtigung von Tätowierungen und ihren tattoo narratives. 2 Bde. Dissertation, Universität Wien Eberhard I (2017) Wie Tätowierte zu Kriminellen gemacht wurden. Der Kriminalisierungsdiskurs von Tätowierungen am Beispiel der Heidelberger Sammlung Schönfeld. Curare. Z Medizinethnol 40(4):308–320 Guéguen N (2012) Tattoos, piercings, and sexual activity. Soc Behav Personal Int J 40(9):1543–1547(5) Guéguen N (2013) Effects of a tattoo on men’s behaviour and attitudes towards women. An experimental field study. Arch Sex Behav 2013(42):1517–1524 IMAS International (2020) Tätowierungen in Österreich. Der Megatrend der Individualisierung, der unter die Haut geht. IMAS International Report (02):1–8 Kasten E (2018) Sinnvolle Tattoos. Möglicher medizinischer und psychologischer Nutzen. Haut (01): 6–8 Krutak L (2013) The power to cure. A brief history of therapeutic tattooing. In: Della Casa P, Witt C (Hrsg) Tattoos and body modification in antiquity. Proceedings of the sessions at the EAA annual meetings in The Hague and Oslo, 2010/11. Chronos, Zürich, S 27–34 Krutak L, Deter-Wolf A (2017) Ancient Ink. The Archaeology of Tattooing. University of Washington Press, Seattle Kurella H (2006 [1893]) Naturgeschichte des Verbrechers. Grundzüge der criminellen Anthropologie und Criminalpsychologie. Für Gerichtsärzte, Psychiater, Juristen und Verwaltungsbeamte. [Reprint]. Adamant Media Corporation, [Boston] Loos A (2012 [1908]) Ornament und Verbrechen. Metroverlag, Wien Oettermann S (1994) Zeichen auf der Haut. Die Geschichte der Tätowierung in Europa. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg Schönfeld W (1960) Körperbemalen, Brandmarken, Tätowieren. Nach griechischen, römischen Schriftstellern, Dichtern, neuzeitlichen Veröffentlichungen und eigenen Erfahrungen, vorzüglich in Europa. Dr. Alfred Hüthig, Heidelberg Schönfeld W (1963) Der Sinn des Brandmarkens und des Tätowierens in der griechischen und römischen Antike. Nova Acta Leopoldina 167(27):81–89 Stein H (2012) Stimmt es, dass die SS im KZ Buchenwald Lampenschirme aus Menschenhaut anfertigen ließ? http://www.buchenwald.de/index.php?p=nachgefragt_lampenschirme. Zugegriffen: 10. Dezember 2012 Weibel P (2013) Tattoo. In: Hoenes-Stiftung, Dathe S (Hrsg) Gestochen Scharf. Tätowierung in der Kunst. Museum Villa Rot, Burgrieden-Rot, S 88–89 Wittmann O (2015) Der menschliche Körper als Bildträger für Tätowierungen. Studien zu den materialspezifischen Charakteristika des Tattoos und seiner Ikonografie unter besonderer Berücksichtigung einer Arbeit von Damien Hirst. 2 Bde. Dissertation, Universität Hamburg Wittmann O (Hrsg.) (2019) Christian Warlich. Tattoo Flash Book. Vorlagealbum des Königs der Tätowierer. Original Designs by the King of Tattooists. Prestel, München

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Epidemiologie von Tätowierung und Tattoo-­Entfernung in Deutschland und international Peter Arne Gerber Inhaltsverzeichnis Literatur – 18

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_2

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Tätowierungen sind seit Jahrhunderten ein fester Bestandteil verschiedenster indigener Kulturen aller Kontinente. Historisch markierte eine Tätowierung die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder einem Stamm (engl. „tribal tattooing“ oder einfach „Tribal“), den Übergang in das Erwachsenenalter oder auch kriegerische Erfolge, um nur einige Bedeutungen zu nennen. In der Mitte des letzten Jahrhunderts noch als antisoziales Statement verschrien, sind Tätowierung heute fester Bestandteil von Mode und Popkultur (. Abb.  2.1). Im Zuge der Entstigmatisierung der Körperkunst und ihrer Popularität unter Prominenten zeigt sich über die letzten Dekaden auch eine stete Zunahme von Tätowierten in der allgemeinen Bevölkerung. Aktuell verfügbare Daten zur Epidemiologie von Tätowierungen und Tattoo-­ Entfernung in Deutschland stammen aus Studien mit Probanden im niedrigen vierstelligen Bereich oder von Marktforschungsinstituten. So führte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in 2018 eine stichprobenhafte Telefonrecherche mit 1009 Teilnehmern durch (BfR-Verbrauchermonitor 2018). 12 Prozent der Befragten gaben an, mindestens eine Tätowierung zu haben oder gehabt zu haben. Hochgerechnet gilt dies somit für ca.  6  Millionen Deutsche. Von den befragten Tätowierten gaben 54 Prozent an, dass sie sich wahrscheinlich in der Zukunft ein weiteres Tattoo stechen lassen würden. Unter den Nichttätowierten lag dieser Anteil bei 7 Prozent. Im Hinblick auf mögliche gesundheitliche Risiken durch Tätowierungen gaben 44 Prozent der Nichttätowierten an, dass sie dieses als sehr hoch oder eher hoch einschätzen würden. Unter den Tätowierten lag dieser Anteil bei lediglich 12  Prozent. Als am relevantesten eingeschätzte gesundheitliche Risiken wurden Entzündungen, allgemeine Schädigungen der Haut, Infektionen und allergische Reaktionen genannt. Im Hinblick auf die Laserentfernung von Tätowierungen hielten diese 48 Prozent der Nichttätowierten und 38 Prozent der Tätowierten für bedenklich.  

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..      Abb. 2.1  a,b Moderne Tattoo-Kunst: photorealistic, black & grey, Dennis Blume, Art Visions Tattoo, Berlin

17 Epidemiologie von Tätowierung und Tattoo-Entfernung in Deutschland und…

In 2014 führte das Marktforschungsunternehmen GfK im Auftrag der Ruhr-­ Universität und diverser Interessenvertreter der Tattoo- und Piercing-Branche in Deutschland an ca. 2000 Befragten die Studie „Tattoos und Piercings in Deutschland“ durch (7 http://www5.­rz.­rub.­de:8609/mam/content/tattoo-­studie.­pdf). 9 Prozent, also zu diesem Zeitpunkt noch 3 Prozent weniger als in 2018, gaben an, tätowiert zu sein. Interessanterweise lag der Anteil der Tätowierten in der Altersgruppe von 25 bis 34  Jahren bei über 22 Prozent. Zwischen 5 und 15  Prozent würden ihr Tattoo bereuen. Ein Zusammenhang zwischen Tattoos und Schulbildung (Haupt-/ Volksschule vs. Mittel-/Real-/Fach-/Handelsschule vs. Hochschulreife/Abitur) zeigte sich in dieser Studie nicht. Zu einem anderen Ergebnis kommt eine Analyse des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD Allensbach) aus demselben Jahr (Allensbacher Archiv): Gab unter den Befragten mit einfacher Schulbildung oder mittlerer Reife ca. ein Drittel an, tätowiert zu sein, waren es unter (Fach-)Abiturienten weniger als halb so viele. Zahlen für Tätowierte in der gesamten Studienpopulation lagen bei 13 Prozent, unter den 16- bis 29-Jährigen bei 24 Prozent. Im Vergleich zu seiner eigenen früheren Studie aus dem Jahr 2003 berichtete das Institut Allensbach einen Anstieg des Anteils der Tätowierten an der Gesamtbevölkerung um ca. 40 Prozent. Interessant sind auch die Ergebnisse zu den Fragen nach weiteren Tattoos oder Tattoo-­Entfernungen: 72 Prozent der Tätowierten würden sich wieder stechen lassen, während etwa jeder Fünfte seine Entscheidung bereute. Diese Zahlen decken sich in etwa mit den Ergebnissen einer aktuellen Analyse des internationalen Meinungsforschungsinstituts YouGov aus dem Jahr 2019 unter 1695 tätowierten Männern und Frauen (YouGov Profiles 2019). Ca. 20 Prozent bereuten ihre Entscheidung, sich ein Tattoo stechen zu lassen, 7  Prozent gaben an, es unbedingt wieder loswerden zu wollen. Mit 22 und 9 Prozent versus 16 und 4 Prozent lagen diese Anteile bei Männern jeweils deutlich höher als bei Frauen. Spannend sind auch die Ergebnisse zur Frage nach der Motivation für ihr Tattoo: Häufigster Grund war der Wunsch nach einem individuellen Statement, gefolgt von der Erinnerung an einen besonderen Menschen und einer modischen Selbstverwirklichung. Internationale Daten beziffern die Zahl der Tätowierten weltweit derzeit auf ca. 540 Millionen (Statista Research Department 2018). In den die USA lag der Anteil im Jahr 2006 von Tätowierten an der Gesamtbevölkerung bei 24 Prozent. Von diesen zogen 17 Prozent eine Tattoo-Entfernung in Betracht (Laumann und Derick 2006). In einer Übersicht aus dem Jahr 2015 beziffert Nicolas Kluger (vgl. auch 7 Kap. 11) die Prävalenzen von Tätowierungen in Industrienationen unter anderen wie folgt (Kluger 2015): USA 21  Prozent (2012), Australien 14,5  Prozent (2004– 2005), Frankreich 17 Prozent (2010), Deutschland 8,5 Prozent (2006) und Finnland 13 Prozent (2009). Der Anteil derer, die ihre Tätowierung bereuten, wurde je nach Quelle mit 14 bis 17 Prozent angegeben. Laut einer Studie von Klügl aus dem Jahr 2010 erwogen 4,9  Prozent in deutschsprachigen Nationen eine Tattoo-Entfernung (Klügl et al. 2010). In der Zusammenschau ergeben sich somit die folgenden Schlüsselaussagen: 55 In westlichen Industrienationen zeigt sich über die letzten Dekaden eine kontinuierliche Zunahme des Anteils Tätowierter an der Gesamtbevölkerung. 55 Weltweit tragen ca. 540 Millionen Menschen eine Tätowierung. 55 Aktuell trägt etwa jeder Zehnte in Deutschland mindestens ein Tattoo; in der Gruppe der 16- bis 34-Jährigen ist der Anteil mit > 20 Prozent derzeit mehr als doppelt so hoch.  



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P. A. Gerber

55 Im europäischen Ausland, Australien und den USA ist der Anteil der Tätowierten an der Gesamtbevölkerung mit bis zu 24  Prozent deutlich höher als in Deutschland. 55 Etwa 15 Prozent bereuen ihr Tattoo; ca. 10 Prozent erwägen eine Entfernung. Die Tattoo-Kunst gewinnt stetig an Popularität und hat ihre soziale Stigmatisierung in der breiten Bevölkerung längst abgelegt. Die aktuelle „Generation Tattoo“ rekrutiert sich großteils aus den Geburtsjahren 1975 und jünger. Auch wenn der Großteil der Tätowierten mit seiner Körperkunst zufrieden ist, gibt es auch viele, die diesen Schritt gerne rückgängig machen würden. Die Entscheidung für ein Tattoo will also wohl überlegt sein!

Literatur Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11024. https://www.­ifd-­allensbach.­de/fileadmin/kurzberichte_dokumentationen/PD_2014_12.­pdf. 09.02.2020 BfR-Verbrauchermonitor (2018) Spezial Tattoos. ISBN 978-3-943963-86-1. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin http://www5.­rz.­rub.­de:8609/mam/content/tattoo-­studie.­pdf Kluger N (2015) In: Serup J, Kluger N, Bäumler W (Hrsg) Tattooed skin and health. Current problems in dermatology, Bd 48. Karger, Basel, S 6–20 Klügl I, Hiller KA, Landthaler M, Bäumler W (2010) Incidence of health problems associated with tattooed skin: a nationwide survey in German-speaking countries. Dermatology 221:43–50 Laumann AE, Derick AJ (2006) Tattoos and body piercings in the United States: a national data set. J Am Acad Dermatol 55(3):413–421. https://doi.org/10.1016/j.jaad.2006.03.026. Epub 2006 Jun 16. PMID: 16908345 Statista Research Department, 10.08.2018, Weltweite Umfrage zum Tragen von Tattoos 2018. https:// de.­statista.­com/themen/5435/aeusseres-­erscheinungsbild/ YouGov Profiles, Stand 01.09.2019. https://yougov.­de/news/2019/10/18/jeder-­funfte-­tatowierte-­mann-­ bereut-­sein-­tattoo/

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Psychologie von Tätowierung und Tattoo-­Entfernung – Warum einem das Tattoo nur noch auf den Senkel geht: psychologische Aspekte Annika Wegner, Leila Lambert und Erich Kasten Inhaltsverzeichnis 3.1

I ch versuchte, trotzdem glücklich zu sein: Eine Fallgeschichte – 20

3.2

 örperschmuck: Warum lässt der verwöhnte K Zentraleuropäer sich freiwillig wehtun? – 21

3.3

 arum Tattoos durchaus hilfreich und sinnvoll W sein können – 22

3.4

Trotz Massentrend lassen die Vorurteile nicht nach – 23

3.5

Woher kommt die Unzufriedenheit mit dem Tattoo? – 24

3.6

 ie No-Gos: Laienhaft gestochene und aggressiv D wirkende Tattoos – 25

3.7

 er Hauptverdächtige: Aus einer Laune heraus D spontan erworbene Tattoos – 27

3.8

Was sagen aktuelle wissenschaftliche Studien? – 28 Literatur – 30

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_3

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A. Wegner et al.

3.1

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Ich versuchte, trotzdem glücklich zu sein: Eine Fallgeschichte

„Seit ich etwa 16 bin wünschte ich mir eine Tätowierung“, berichtet ein junger Mann. „Ich dachte jahrelang über ein Design nach, das ich für die kommenden Jahre lieben würde. Ich entschloss mich schließlich für ein Schwert, das in einem Totenkopf steckte, es erinnerte mich an die Sage um König Arthur und drückte Kraft und Respekt vor dem Tod aus. Perfekt. Ich machte eine Zeichnung und liebte es. Um sicher zu sein, dachte ich noch für weitere zwei Jahre über das Design nach, um sicherzustellen, dass ich für immer und ewig damit zufrieden sein würde. Wahrscheinlich hat es auch ein wenig daran gelegen, dass ich noch gar keine 18 Jahre alt war und meine Eltern keine Tattoos erlaubten. Endlich wurde ich volljährig und war dadurch ich frei, mich endlich tätowieren zu lassen. Dummerweise fiel mir irgendwann auf, dass ich gar nicht genug Geld für eine Tätowierung hatte, aber ich erhielt von meinen Großeltern über 200 Euro zu meinem Geburtstag, und glaubte, dass eine Tätowierung in der Größe von etwa 20 × 15 cm für mich erschwinglich sein sollte. Mein Wunschstudio, das mir einige Bekannte empfohlen hatten, war leider bis Jahresende total ausgebucht. Ich war nicht bereit, derart lange zu warten, durchwühlte Dutzende Internetseiten und fand tatsächlich eines, mit dem ich dann eine Beratung ein paar Tage später vereinbarte. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, bis der Tag endlich anbrach, ich war überglücklich, ging zum Studio, trat ein, zeigte dem Mann meinen Tattoo-Entwurf und er sagte, dass es super wäre, aber es würde etwa 500 Euro kosten. Ich war verwirrt. Er sagte, es könnte billiger werden, wenn ich es verkleinern würde. So marschiere ich zum Copyshop und schrumpfte es ein wenig. Ich ging zurück und er meinte, dass ich diese Tattoo-Größe für 300 Euro bekommen könnte. Ich gestand ihm, ich hätte nur 150 Euro bei mir, er antwortete, ich müsse die Größe neu reduzieren. Ich tat dies drei Mal, bis es nur noch halb so groß war, und er meinte, er könne es jetzt für die 150 Euro tun. Ich war mit der Größe der Tätowierung unzufrieden, beschloss aber nach der ganzen Mühe, es trotzdem machen zu lassen. Der auf dem Tresen liegende Terminkalender sah leer aus, es war auch die ganze Zeit kein anderer Kunde in dem Shop, also fragte ich, ob ich es gleich jetzt bekommen könnte. Er sagte: „Klar, mache wir gleich, im Moment ist irgendwie nicht viel los“, und ich solle ihm in das Hinterzimmer folgen. In dem kleinen Zimmer waren die Bodenfliesen kaputt und hatten eine bräunliche Farbe, obwohl es offensichtlich war, dass sie früher einmal weiß gewesen waren, der Bezug des Stuhls war aufgerissen und es sah schlimmer aus als an einem Busbahnhof. Aber ich setzte mich brav auf den Stuhl. Irgendwie hatte sich meine Vernunft gerade verabschiedet. Er fragte mich, wo ich das Tattoo haben wollte und ich deutete auf meinen rechten Oberarm. Die Transferfolie, die er anfertigte, war schlecht gezeichnet, die Linien waren krumm, aber ich dachte, dass er schon wissen würde, was er tat, und die Tätowierung hinterher schon sauber aussehen würde. Man sollte niemals etwas nur ‚annehmen‘. Er pauste die Transferfolie auf meine Haut und fragte mich, ob ich es leiden mochte. Leider kann man nur schwer einen Blick auf seinen eigenen Oberarm werfen, und ich sah die Tätowierung auf dem Kopf, er hatte auch keinen Handspiegel in dem Raum. Es sah aber ok aus, sodass ich sagte, es sei in Ordnung. Dann desinfizierte er die Stelle mit Alkohol, was mich von seiner Professionalität überzeugte, und be-

21 Psychologie von Tätowierung und Tattoo-Entfernung – Warum einem das…

gann mich zu tätowieren. Der Schmerz war für die ersten Minuten unerträglich, was wohl auch daran lag, dass ich völlig verspannt war. Dann beruhigte ich mich, schloss die Augen, ließ ihn arbeiten und freute mich darauf, endlich das ersehnte Tattoo zu bekommen. Es dauerte nur knapp 20  Minuten, um meine Tätowierung fertigzustellen, das hätte mich skeptisch werden lassen müssen, ich hatte für 150 Euro mit rund zwei Stunden gerechnet. Er verband den Arm, gab mir einen Zettel mit Nachsorgeanweisungen und sagte Tschüs. Ich fuhr nach Hause und ließ den Verband für die Zeit, die er empfohlen hatte, auf dem Arm. Als ich dann mein Tattoo zum ersten Mal im Spiegel betrachtete, war ich total schockiert. Der Totenschädel sah eher aus wie ein Puppenkopf, das Schwert war viel zu klein und wirkte wie ein Brieföffner; am schlimmsten war, dass die ganzen feinen Linien viel zu dick und verschwommen waren. Ich versuchte, trotzdem zufrieden mit der Tätowierung zu sein. Wirklich, ich versuchte es. Eigentlich hatte ich gedacht, dass ich es stolz meinen Freunden vorzeigen würde. Die Wahrheit ist, dass ich es verstecke und mich z. B. im Schwimmbad dafür schäme. Inzwischen habe ich Gefühle von Bedauern, Traurigkeit und Hass auf den Tätowierer. Ich hoffe, dass ich einen Tattoo-Künstler für ein Cover-up finde, der genug gesunden Menschenverstand hat, um auch sein Studio sauber zu halten. Ich werde nie wieder einen Fuß in einen Tattoo-Shop setzen, der weder Kunden im Terminkalender noch im Wartebereich hat. Wenn Du diesen Bericht bis zum Ende gelesen haben solltest, wiederhole nicht meine Fehler. Ich war eigentlich alt genug, um es besser zu wissen, aber jung genug, um es trotzdem zu tun. Ein Tattoo ist fürs Leben, und wenn du irgendeinen Zweifel hast, ob es dich wirklich für immer glücklich macht, dann lass es bleiben.“

3.2

 örperschmuck: Warum lässt der verwöhnte Zentraleuropäer K sich freiwillig wehtun?

Es ist allgemein bekannt, dass Tattoos keine Erscheinung der modernen Gesellschaft sind, vielleicht liegt ihr Reiz gerade darin, dass man damit jahrtausendealten kulturellen Ritualen folgt. Uralte Hautbilder waren unter anderem auf einer rund 4000 Jahre alten, ägyptischen Mumie zu finden. Es liegt in der Natur des direkt auf die Haut aufgebrachten Körperschmucks, dass die historischen Ursprungsländer vor allem in warmen Gebieten lagen, wo Menschen sich weitgehend unbekleidet zeigen konnten. Auf den Pazifikinseln, in Afrika und Südamerika dienten Tätowierungen zur Würdigung wichtiger Meilensteine, etwa dem Töten eines Raubtieres oder dem Besiegen eines Feindes oder um die Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsgruppe anzuzeigen. Tattoos wurden aber auch genutzt, um bestimmte Personengruppen wie z.  B.  Handwerker, aber auch Gefängnisinsassen oder Sklaven zu identifizieren; im Nationalsozialismus wurden Gefangene im Konzentrationslager zur Kennzeichnung tätowiert. Sich Piercings, Schmucknarben oder Tattoos stechen zu lassen wurde in vielen Kulturen als Übergangsritual vom Jugend- ins Erwachsenenalter angesehen, erst durch das Durchstehen der damit verbundenen Schmerzen konnte man zum Krieger oder zur heiratsfähigen Frau aufsteigen. Wahrscheinlich ist es diesen rituellen Ursprüngen zu verdanken, dass Körpermodifikationen in Form von ­Tätowierungen mehr als nur ein rasch vorrübergehender Trend sind.

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Die absichtlichen äußerlichen Veränderungen des menschlichen Körpers durch Piercings, Tätowierungen, Schmucknarben und andere Formen werden heute unter dem Begriff Body Modification (Körpermodifikation) zusammengefasst. Neben dem breiten Modetrend, der inzwischen alle Bevölkerungsschichten erfasst hat, existiert eine Body Modification Community, eine Subgruppe unserer Gesellschaft, die extreme Veränderungen am eigenen Körper vollzieht. Der Erwerb von Körperschmuck tut weh. Was aber motiviert den modernen Zentraleuropäer, sich schmerzhafte Körperverzierungen in die Haut stechen zu lassen? Neben den antiken rituellen und kulturellen Gründen werden heute vor allem ästhetische oder emotionale Motive genannt. In einer aktuellen Studie der Autoren gaben die Teilnehmer interessanterweise an, dass eines der wichtigsten Motive, sich ein Tattoo stechen zu lassen, ist, ein Lebensgefühl bzw. einen Lebensabschnitt zu markieren. Neben diesem Beweggrund wurden unter angegeben: „aus Liebe“ und „aus Rebellion“, von manchen aber auch: „aus Neugier“. In dieser Studie gab nur 1 Prozent der befragten Probanden offen zu, dass sie sich ihr Tattoo hatten stechen lassen, um „dazuzugehören“. Trotz dieser geringen Prozentzahl symbolisieren Tattoos durchaus die Zusammengehörigkeit mit einer Gruppe und schaffen gleichzeitig ein höheres Identitätsgefühl. Vorrangig sollen sie – in einer Massengesellschaft – die Individualität und die persönliche Geschichte einer Person unterstreichen. Die Entscheidung für oder gegen ein Tattoo wird außerdem vom Schönheitsideal sozialer Gruppen und der Gesellschaft geprägt. Tätowierte fühlten sich gemäß den Ergebnissen von Studien der Psychoanalytikerin Ada Borkenhagen nach einer Tätowierung nicht nur attraktiver, sondern auch erotischer, und die gesamte Körperzufriedenheit wurde positiv beeinflusst. Viele Tätowierte werden hierdurch sogar selbstbewusster im Auftreten. Das Hautbild lässt sich auch als Form der nonverbalen Kommunikation deuten. Der Inhalt des Tattoos wird in der Regel ja nicht zufällig gewählt, sondern viele Träger denken vor dem Erwerb oft wochen- oder monatelang darüber nach, welches Bild zu ihnen passen könnte. Damit drückt die Tätowierung auch etwas über seinen Besitzer, seine Persönlichkeit, Erlebnisse und Erfahrungen aus. Die Körperstelle für ein Motiv wird dabei vorrangig nach ästhetischen Gründen gewählt, dabei spielt aber auch der Wunsch nach Sichtbarkeit (oder Verdeckbarkeit) eine Rolle. Nach Daten des Leipziger Medizinpsychologen Elmar Brähler sind die beliebtesten Stellen für ein Tattoo der Arm, gefolgt vom Rücken und den Beinen.

3.3

Warum Tattoos durchaus hilfreich und sinnvoll sein können

Es gibt sogar medizinisch sinnvolle Tätowierungen. In verschiedenen Arbeiten der Autoren dieses Beitrages kommt ein Tattoo besonders häufig für eine realistisch aussehende Brustwarze bei Brustkrebspatientinnen zur Anwendung, wenn die Brust nach der Tumorentfernung wiederaufgebaut wird. Weiterhin können Tattoos als Hinweise auf bestimmte Krankheiten wie z.  B.  Epilepsie, Diabetes oder Allergien dienen; das Tattoo sieht das Rettungspersonal unter Umständen sofort, nach Allergie-­Ausweisen müsste man minutenlang im Portemonnaie suchen. Kann Tattoo auch Therapie sein? Borderline-Patienten mit selbstverletzendem Verhalten lassen oft ihre Schnitte auf dem Arm mit ermutigenden Motiven oder

23 Psychologie von Tätowierung und Tattoo-Entfernung – Warum einem das…

Schriftzügen wie z. B. „Love your Life!“ übertätowieren, was sie darin hindert, sich weiter selbst zu verletzen. Die Hamburger Ärztin Anika Wessel wies im Rahmen ihrer Studie (Wessel und Kasten 2014) über Piercing darauf hin, dass der Erwerb der Körpermodifizierung hier zum Teil wohl auch als Ersatzleistung für die Selbstverletzung genutzt wird, beides tut ja weh und holt den Betroffenen aus seiner düsteren Stimmung heraus, wobei Körperschmuck noch den Vorteil hat, dass er im Gegensatz zu blutigen Schnitten von der Umwelt positiv bewertet wird. Dieselben Befunde fand die in Kiel tätige Psychosomatikerin Aglaja Stirn. Das Tattoo kann eine drogenabhängige Person sogar daran ermahnen, abstinent zu bleiben und ihr Ziel, dauerhaft clean zu bleiben, weiter zu verfolgen. Ein eintätowiertes Semikolon zeigt, dass jemand in einer kritischen Situation sein Leben nicht mit einem Punkt beendet, sondern nur ein Semikolon gesetzt hat und den Satz seines Lebens noch weitergehen lässt. Mit dem Tattoo einer Feuerrose erkennen sich Menschen, die sexuellen Missbrauch überstanden haben. In dem Trend, jung-aktiv-dynamisch wirken zu wollen, sitzen heute vermehrt Über-50-Jährige in den Wartezimmern von Tattoo-Studios. Der Wunsch nach Body Modifications wird nach den im Jahr 2014 publizierten Daten von Hans Trampisch und Katja Brandau zwar in jedem Alter ausgelebt, die Entscheidung für das erste Tattoo wird aber überwiegend in jungen Jahren gefällt und in die Tat umgesetzt. In dieser Lebensspanne sind Ursachen oft noch Schwankungen im Selbstbild und Selbstwert sowie die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper. Zum Teil erfolgt der Erwerb des Körperschmucks hier aber auch sehr impulsiv, aus einer Laune oder einem vorübergehenden Lebensgefühl heraus. Der Erwerb von Tattoos bei Adoleszenten wird deshalb von der Gesellschaft gerne mit dem „Leichtsinn“ spätpubertierender Jugendlicher assoziiert.

3.4

Trotz Massentrend lassen die Vorurteile nicht nach

Obwohl es aus psychologischer Sicht durchaus positive Auswirkungen von Tattoos auf ihre Träger gibt, sind negative Kommentare und Vorurteile längst nicht aus der Welt geschafft. Vermehrt wurden Tattoo-Träger unter anderem mit einer höheren Gewalt- und Kriminalitätsbereitschaft in Verbindung gebracht. Eine 2016 veröffentlichte Hamburger Studie von Nina Zeiler und Erich Kasten konnte dieses Vorurteil jedoch in dieser simplen Form nicht bestätigen. Wichtiger für die Bereitschaft, eine kriminelle Handlung zu begehen, war nicht, ob man ein Tattoo hatte oder nicht, sondern was die Tätowierung zeigte. Aggressive Motive waren hier eher ein Indikator dafür, dass der Träger gewaltbereit ist, nicht aber friedliche Tattoo-Motive. Auch der verbreitete Glaube, tätowierte Gruppen würden mehr Drogen und Alkohol konsumieren, ließ sich nach Ansicht der Sozialwissenschaftler Heino Stöver und Kai Bammann in wissenschaftlichen Studien nicht zweifelsfrei bestätigen. Diese Forschungsdaten rotten leider die Vorurteile des Durchschnittsbürgers nicht aus. Aufgrund der immer noch bestehenden Stigmatisierung in der Gesellschaft besteht unter Tattoo-Trägern die Sorge, dass das Körperbild einen negativen Einfluss z.  B. auf den Bewerbungsprozess im Rahmen der Arbeitssuche haben könnte. Besonders stark tätowierten Personen werden negative Vorurteile entgegengebracht. Arbeitgeber schätzen tätowierte Frauen meist als wenig professionell und vertrauens-

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würdig ein. Die Psychologin Sandra Cebula konnte demgegenüber im Jahr 2015 in ihrer Studie zeigen, dass es keinen Unterschied hinsichtlich der Intelligenz zwischen tätowierten und nicht tätowierten Menschen gab. In Polen konnten Anna Pajor, Grażyna Broniarczyk-Dyła und Julita Świtalska für die Angehörigen der Body Modification Community sogar ein höheres Selbstwertgefühl, weniger Schlafstörungen und weniger Beeinträchtigungen im Sozialleben im Vergleich zur Kontrollgruppe aufzeigen. Die Gründe für den Erwerb von Tätowierungen sind vielfältig und individuell. Genauso individuell ist auch die Motivation, die Körperverzierungen wieder loswerden zu wollen. Trotz der insgesamt positiven Entwicklung der Akzeptanz von Tattoos in der Gesellschaft, scheint die Entfernung des Tattoos derzeit progressiv zuzunehmen. In dem Artikel „A tattoo is forever  – Über die Vergänglichkeit des Ewigen“ wurde von einem der Autoren dieses Kapitels (Kasten 2017a) bereits vor einiger Zeit darauf hingewiesen, dass der für die nächsten Jahrzehnte zu erwartende größte Modetrend der Wunsch nach Auslöschung von missratenen Tattoos sein wird.

3.5

Woher kommt die Unzufriedenheit mit dem Tattoo?

Es existiert zwar eine geradezu astronomische Anzahl von Studien zu den Beweggründen für den Tattoo-Erwerb, Ursachen für den Wunsch der Entfernung sind jedoch bislang wenig untersucht. Häufigstes Motiv dürfte sein, dass das Ergebnis des Tattoos nicht oder nicht mehr der persönlichen Vorstellung entspricht. Immer wieder finden sich Berichte von laienhaft gestochenen Tattoos, die keine Ähnlichkeit mehr mit der ursprünglichen Vorlage haben und – schon alleine aus ästhetischen Gründen – dem Träger von Anfang an nicht wirklich gefallen haben. Leider lassen sich Hinterhof-Tätowierer nicht wirklich ausrotten. Der Tattoo-Massentrend begann etwa Anfang der 1990er-Jahre, was aber heißt, dass viele, die sich in den 1990er-Jahren – als junge Menschen – Körperschmuck zulegten, der damals ihrem Lebensgefühl entsprach, inzwischen das 40. und zum Teil sogar schon das 50.  Lebensjahr überschritten haben. Die lapidare Frage, die viele damals nicht bedacht haben, ist, ob ein Bild auf der Haut, das im Alter von Anfang Zwanzig noch total „in“ war, auch zu einem gereiften Menschen in der Lebensmitte passt. Die Persönlichkeit ändert sich zwangsläufig im Lauf des Lebens, und nicht wenige stellen irgendwann fest, dass ihr Tattoo nur noch albern aussieht. Klassisches Beispiel ist das Steißbein-Tattoo, es gilt als regelrechte Modesünde, seit es im Volksmund spaßhaft als „Arschgeweih“ tituliert wurde. Auch der eintätowierte Stacheldraht um den Bizeps oder das Tribal den ganzen Arm hoch sind so stark zur Massenware geworden, dass man sie in unterschiedlichen Variationen in jeder Muckibude sieht und sie die Individualität des Trägers nicht mehr überzeugend zu unterstreichen vermögen. Es gibt eine Vielzahl von sehr kreativen Motiven für Körperbilder, aber auch bei anerkannten Tattoo-Künstlern lässt sich Unzufriedenheit nie vollkommen ausschließen. Oft haben Kunden schwer umsetzbare Vorstellungen, Tattoo-Farben ­können auf der Haut anders wirken als in einer Zeichnung auf Papier. Wittmann stellte in seiner Veröffentlichung mit dem Titel „Gummihaut ist das Schlimmste, was es gibt“ die Kunst des Tätowierens literarisch Folgendermaßen dar:

25 Psychologie von Tätowierung und Tattoo-Entfernung – Warum einem das…

»» Welche Eigenheiten hat der Bildträger, das Material Haut, im Unterschied zu einem

Blatt Papier oder Leinwand? Stell es dir so vor: Ich lege dir ein Blatt Papier hin und du schreibst einen Brief. Ihn zu schreiben dauert vier Stunden und ich wackle die ganze Zeit am Tisch. Dann mache ich das Papier auch noch nass und rede mit dir (Wittmann und Kes One 3001 2011, S. XX).

Unter diesen Bedingungen sauber zu arbeiten verlangt hohe Professionalität, und da hat sich nicht jeder Kunde wirklich den richtigen Tätowierer ausgesucht. Wichtig ist letztendlich immer die Passung des individuellen Stils des Tattoo-Künstlers mit den Wünschen des Klienten. Dazu gehört eine detaillierte Kommunikation der Vorstellung bezüglich des Motivs und des Ablaufs zwischen beiden Parteien. Außerdem verblasst jedes Tattoo durch Sonneneinstrahlung und UV-Licht über die Zeit auf der Haut und verwäscht sich durch Bewegungen und Regenerationsprozesse. Ein 25  Jahre altes Tattoo unterscheidet sich da vermutlich wenig von der Lackierung eines ebenso alten Autos, das ja auch Wind, Wasser und Wetter ausgesetzt ist. Eine bereits 2008 durchgeführte Studie von Myrna L. Armstrong und ihre Co-­ Autoren an einer texanischen Universität untersuchte die subjektiven Gründe für den Entfernungswunsch. Die untersuchte Stichprobe nannte mit „keine Lust mehr“, „Schamgefühl“, ein „schlechteres Body Image“, sowie der „neue Job“ die wichtigsten Gründe. Für Frauen waren vor allem „Stigmatisierung am Arbeitsplatz“ und „negative Kommentare“ durch ihre Mitmenschen ausschlaggebend für den Entschluss. Psychologen trennen hier intrinsische Motive, die aus einem selbst kommen, von extrinsischen Motiven durch äußere Auslöser wie z.  B. den potenziellen Arbeitgeber oder die soziale Gruppe. So wies Mendez 2016 in einer Untersuchung darauf hin, dass Personen mit sichtbaren Tattoos besonders in Vorstellungsgesprächen oft negativer wahrgenommen werden als andere Bewerber. Gerade Hautbilder mit aggressiv wirkendem Inhalt können bei der Bewerbung für die neue Arbeitsstelle zum Stolperstein werden.

3.6

 ie No-Gos: Laienhaft gestochene und aggressiv wirkende D Tattoos

Allerdings ist es schwierig zu sagen, was ein „aggressiv wirkendes“ Tattoo denn nun genau ist. In der bereits erwähnten Studie der Hamburger Psychologin Nina Zeiler wurde z. B. eine Blumengirlande, die sich an der Körperflanke hochrankt, als friedfertig eingestuft, ein Totenkopf dagegen in die Sparte „aggressiv“ gesteckt. Wir mussten uns damals erklären lassen, dass ein „Skull“ keineswegs Gewaltbereitschaft bedeuten muss, sondern ein Mahner des Todes sein kann, d. h., der Träger soll sein Leben bewusster genießen, denn es ist irgendwann vorbei. Armstrong und seine Mitarbeiter sprachen in ihrer Arbeit hier von einem „Besitzrisiko“, wenn es eine Dissonanz zwischen der Bedeutung des Motivs beim Träger und der Reaktion des sozialen Umfelds auf dieses Bild gibt. Dieses „Besitzrisiko“ entsteht durch Wahrnehmungs- und Interpretationsunterschiede jedes einzelnen Menschen gegenüber dem Motiv. Für den Träger heißt das oft, sein Motiv und seine Bedeutung wiederholt erklären zu müssen und zu akzeptieren, dass häufig Unverständnis oder negative Einstellungen gegenüber dem Tattoo bestehen bleiben. So zermürbt der Körperschmuck über die Jahrzehnte seinen Besitzer.

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Bereits vor mehreren Tausend Jahren kennzeichneten unterschiedliche Bevölkerungsgruppen sich durch verschiedene Arten von Körperschmuck, etwa durch den auftätowierten Schnurrbart der Ainu-Frauen. Auch heute wird die Zugehörigkeit zu bestimmten gesellschaftlichen Subgruppen wie Punks, Hip-Hop-Gangs, Fußball-­Hooligans, Ultras oder Neonazis nicht selten durch Tätowierungen unterstrichen. Der Zusammenhalt der Gruppe vermittelt hier Sicherheit in einer hochgradig unsicheren Welt. Gerade die Erlebnisse von Stigmatisierung durch die Gesellschaft schweißen die Subgruppe zusammen. Die Kohäsion wird stärker und das Inklusionsgefühl größer, wenn eine Gruppe das Gefühl hat, ständigem negativem Feedback von außen ausgesetzt zu sein und sich verteidigen zu müssen. Die Professorin Jolanda Jetten an der Universität Queensland und ihre Mitarbeiter beschrieben diesen Effekt des stärkeren Zusammenhalts und konnten zeigen, dass er für die Body Modification Community ebenfalls zutrifft. Es wurde beobachtet, dass der Gruppenzusammenhalt umso höher war, je mehr Stigmatisierung sich gegen diese Menschen richtete. Durch den engen Zusammenschluss kommt es allerdings auch zu einer Verschiebung der Normen: In einer Gruppe, in der schon fast gewetteifert wird, wer die meisten Tattoos und Piercings, die schönsten Rastazöpfe und außerdem noch Schmucknarben und unter die Haut implantierte Objekte trägt, bewegt sich der Bereich dessen, was üblich ist, in Richtung „Limes gegen Unendlich“. Da alle in dieser Subgruppe sehr viel Körperschmuck haben, verschiebt sich das eigene Verhalten immer weiter ins Extreme. Was aber passiert, wenn eine Person – aus welchem Gründen auch immer – diese Gruppe verlässt, verlassen muss oder sich mit den Zielen und Idealen nicht mehr konform fühlt? Der Austritt aus einer solchen Gemeinschaft bedeutet auch immer ein Stück Aufgabe von etwas, das die eigene Identität mitbestimmt hat, und gibt einen Anstoß zur persönlichen Neuorientierung. Ein neuer Lebensabschnitt kann etwa bedeuten, dass andere Personen und Personengruppen im Leben wichtig werden, ein neuer Status in der Gesellschaft erreicht wird oder berufliche Veränderungen anstehen. In den Ergebnissen der bereits oben erwähnten Studie von Armstrong und Co-Autoren wird deutlich, dass sowohl nahestehende Personen wie etwa ein neuer Lebensabschnittpartner als auch potenzielle Arbeitgeber durchaus ausschlaggebend für den Entschluss sein können, sich ein Tattoo entfernen zu lassen. Ein geradezu typisches Beispiel für solche Veränderungen ist die Entfernung der Initialen oder sogar des ganzen Namens eines vorherigen Lebenspartners, den man sich  – voller sehnsüchtiger Liebe  – unvorsichtigerweise hat in die Haut stanzen lassen, in der heute allzu oft irrigen Annahme, die Beziehung werde ewig dauern. Aglaja Stirn benannte treffend diese „Inkompatibilität mit dem Partner“ als wichtigen Einflussfaktor. Armstrong stellte ein schlechteres Body Image und Schamgefühl als Hauptgründe für eine Tattoo-Entfernung fest. Die zunächst gesteigerte Körperzufriedenheit nach Erwerb der Body Modification ist unter anderem auch abhängig von sozialer Bestätigung durch die Gesellschaft oder  – eher noch  – durch die Peergroup. Wechsel gesellschaftlicher Normen und Modeströmungen wie auch Veränderungen der Zugehörigkeit zu Subgruppen führen unter Umständen dazu, dass der Körperschmuck als „unpassend“ empfunden wird. Die ursprünglich gesteigerte ­Körperzufriedenheit kehrt sich um, es kommt zum Empfinden von Scham, die Tätowierung wird immer häufiger peinlich versteckt.

27 Psychologie von Tätowierung und Tattoo-Entfernung – Warum einem das…

3.7

 er Hauptverdächtige: Aus einer Laune heraus spontan D erworbene Tattoos

Wie bereits erwähnt, überlegen die meisten Personen heute wochen- oder sogar monatelang, ob und welches Tattoo sie sich zulegen. Demgegenüber steht aber eine Gruppe, die ihren Körperschmuck impulsiv, aus einer Laune heraus, erworben hat. Die Professoren Sabine Herpertz und Henning Saß unterteilten das Konstrukt der Impulsivität in zwei Dimensionen: die Antriebs- und die Kontrolldimension. Der impulsive Antrieb zeichnet sich durch eine hohe Reaktivität in Emotionen, Kognitionen und Verhalten aus und ist eng mit dem Temperament verbunden. Die Impulskontrolle bestimmt dann, ob der impulsive Antrieb auch in eine Handlung umgesetzt wird – oder nicht. In einer Studie von Gudrun Pfirrmann und Mitstreitern aus Karlsruhe gab fast ein Drittel der befragten Menschen mit solchen spontan gestochenen Tattoos an, die Entscheidung für den neuen Körperschmuck schon innerhalb des ersten Monats bereut zu haben. Vermutlich sind besonders solche Tattoos später geradezu peinlich, die aus einem Impuls heraus in der späten Pubertät oder im frühen Erwachsenenalter erworben wurden. Besonders diese Lebensphase wird bekanntlich mit wenig zukunftsorientierten Entscheidungen in Verbindung gebracht. In der bereits eingangs zitierten Studie von Armstrong waren 75  Prozent der Personen, die sich eine Tattoo-Entfernung wünschten, weniger als 20 Jahre alt, als sie sich ihr erstes Tattoo hatten stechen lassen. Gerade in der Adoleszenz, einer Lebensphase voller Unsicherheiten und Selbstzweifeln, kann es zu impulsiven Entscheidungen kommen, die allerdings auch durch Vorbilder wie Kino- und Sportstars, durch Modetrends und durch die Gruppe Gleichaltriger stark beeinflusst sind. Jugend ist eng mit Partnersuche verbunden, und in keinem Lebensalter wird das eigene Äußere so kritisch beäugt wie in der Adoleszenz. Und da (fast) niemand perfekt ist, findet man immer Problemzönchen am eigenen Körper. Hierzu fanden James C. Tate und Britton L. Shelton an der Universität in Tennessee in ihrer Studie heraus, dass unter Schülern ein negatives Körperselbstbild mit dem Wunsch nach einem Tattoo korreliert; die Kids versuchen also, einen Makel durch den Körperschmuck auszugleichen. In dieser Lebensphase der Instabilität versuchen Jugendliche nicht selten, durch eine Tätowierung Individualität zu finden und nach außen hin Unabhängigkeit zu demonstrieren. Der Wunsch nach Körperschmuck, oft von der eigenen Angehörigen verteufelt, symbolisiert hier den Separationswunsch von der Familie, und Entwicklungspsychologen vermuten, dass diese Entscheidung später oft bereut wird. Das Tattoo-Motiv drückt in dieser Altersspanne nicht selten Rebellion gegen die Eltern und oft Protest gegen die ganze Gesellschaft aus, und kaum ein Heranwachsender kann sich vorstellen, auch einmal eigene Kinder großzuziehen und in einem spießbürgerlichen Haus mit gepflegtem Vorgarten zu leben. Und doch kommt auch diese ruhige Lebensphase bei den meisten der ehemals jugendlichen Alternativen, Ultras, Rowdys und Rocker. Als Erwachsener fällt es dann zunehmend schwerer, sich mit dem in der Jugend erworbenen Tattoo-Motiv zu identifizieren. Man hört demgemäß oft das Wort „Jugendsünde“, wenn Menschen über ihr inzwischen ungeliebtes Tattoo sprechen. Armstrong fand in Untersuchungen unter der Auflistung von Gründen für die Tattoo-Entfernung einen nicht zu vernachlässigenden Anteil von 66 Prozent der Probanden, die das Erwachsenwerden als wesentlichsten Einflussfaktor auf die Entscheidung zur Tattoo-Entfernung angaben.

3

28

3

A. Wegner et al.

Der Psychologieprofessor Viren Swami und seine Mitarbeiter konnten in mehreren Studien nachweisen, dass sich eine gesteigerte Impulsivität in der Gruppe der Tätowierten gegenüber den Nichttätowierten bestätigen ließ. Auch Ivan Požgain und Co-Autoren aus der Psychiatrischen Klinik in Osijek in Kroatien fanden unter tätowierten Probanden mehr Impulsivität und mehr Risikobereitschaft im Vergleich zur Kontrollgruppe. Požgain et al. postulierten, dass impulsiv erworbene Tattoos mehr bereut werden als die von Leuten, die in Ruhe über Künstler und Motiv nachgedacht haben. Die Größe und Platzierung des Tattoos sowie die Anzahl der Tätowierungen hatten dabei keinen Einfluss auf das Reuegefühl. Schon im Jahr 1971 hatte die Arbeitsgruppe um Howell zeigen können, dass unter tätowierten und nicht tätowierten Gefängnisinsassen diejenigen mit Tattoos signifikant höhere Impulsivitäts- und Sensation-Seeking-Werte hatten. Das psychologische Konstrukt „Sensation Seeking“ bezieht sich auf den Drang, immer neue, „sensationelle“ und zum Teil gefährliche Erfahrungen zu machen. Auch der bereits genannte Professor Viren Swami konnte eine solche Tendenz zum Sensation-Seeking bei Tätowierten feststellen. Zusammenfassend lässt sich vermuten, dass vorrangig das Alter, in dem das Tattoo erworben wurde, die Impulsivität bei der Wahl des Motivs, Nachlässigkeit bei der Suche nach dem richtigen Tätowierer, Veränderungen der Persönlichkeit im Reifungsprozess wie auch die Qualität der Umsetzung sowie persönliche wie auch gesellschaftliche Veränderungen Einfluss auf das Gefühl haben, dass das Tattoo oder zumindest das Motiv einfach nicht mehr passen.

3.8

Was sagen aktuelle wissenschaftliche Studien?

In Studien der Autoren dieses Artikels wurden unter anderem auch Einflussfaktoren für die Entscheidungsfindung zur Tattoo-Entfernung exploriert. Annika Wegner befragte 132 Menschen mit Tätowierungen, hiervon gehörten 32 der Gruppe „Wunsch nach Tattoo-Entfernung“ an und der Rest der Kontrollgruppe, d. h. „kein Bedürfnis nach Tattoo-Entfernung“. Auf einer Skala von −5 (sehr unzufrieden) bis +5 (sehr zufrieden) lag die durchschnittliche Zufriedenheit mit der Umsetzung durch den Künstler bei Teilnehmenden der Kontrollgruppe bei +1.70, in der Entfernungsgruppe lag dieser Wert aber sogar im negativen Bereich bei –0,50. Es zeigt sich ein statistisch bedeutsamer Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Der durchschnittliche Wert auf der Skala „Planung versus Spontanität“ betrug bei den Probanden der Kontrollbedingung +1,06, bei Probanden der Experimentalgruppe lag das Ergebnis auch hier im negativen Bereich bei −0,60. Auch hier fand sich ein statistisch signifikanter Unterschied. Die Daten zeigen also, dass die Teilnehmenden mit Entfernungswunsch sich signifikant impulsiver für ihr erstes Tattoo entschieden hatten (. Abb. 3.1). Die Teilnehmer wurden nach den Ursachen für den Wunsch nach Tattoo-­ Entfernung gefragt. Dabei wurde der Grund „Unzufriedenheit mit der Umsetzung durch den Tattoo-Künstler“ als am wichtigsten bewertet. Für 12,5  Prozent war die Trennung von einem Partner bzw. Beenden einer Freundschaft ein wesentliches Motiv, sich von der Tätowierung zu verabschieden, nur für 3,1 Prozent spielte der Austritt aus einer Gruppe (Verein, Clique) und die danach fehlende Identifikation mit dem Tattoo eine wesentliche Rolle; kein einziger Proband gab medizinische Gründe an. Auf einer Skala der Wichtigkeit von 0 bis 5 wurden folgende Rangplätze vergeben:  

29 Psychologie von Tätowierung und Tattoo-Entfernung – Warum einem das…

..      Abb. 3.1  Die Zufriedenheit mit der Arbeit des Tätowierers und die vorbereitende Planung zum Erwerb des Tattoos waren in der Gruppe mit Wunsch zur Entfernung des Tattoos deutlich geringer als in der Gruppe, die ihr Tattoo behalten wollte (aus der Arbeit von A. Wegner, 2018)

2

Behalten-Gruppe

Entfernungsgruppe

1.5 1 0.5 0 -0.5 -1

1. 2. 3. 4. 5. 6.

Zufriedenheit mit der Arbeit des Tätowierers

Ruhige Planung des Tattoos

Unzufriedenheit mit der Umsetzung (3,44) Keine Identifikation mehr mit dem Inhalt des Tattoos (2,31) Negative Kommentare von nahestehenden Personen (1,75) Erlebnisse von Stigmatisierung (1,28) Druck von außen durch Familie und Freunde) (1,16) Druck von außen durch Arbeitsplatz (1,13)

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Entfernungswunsch überwiegend mit der Unzufriedenheit der Ausführung des Tattoos zusammenhängt. Unter anderem führten Stefan Hammes, Bärbel Greve und Christian Raulin aus der Laserklinik Karlsruhe in ihrem Artikel „Tattoo und Piercing: Heute in und morgen out – und dann?“ hierzu an, dass insbesondere laienhaft gestochene Tattoos ein häufiges Problem darstellen, allerdings können sich gerade die meisten Jugendlichen nichts wirklich Teures leisten (Hammes et al. 2005). Hinzu kommt, dass die Kunst der Tätowierung in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte gemacht hat. Ein in den 1990er-Jahren erworbenes Körperbild hält dem Vergleich z.  B. zu einer der heute modernen 3D-wirkenden oder einer fotorealistischen Tätowierung bei Weitem nicht stand. Entsprechend klein, mickrig oder verhunzt wirkt dann das Körperbild, das man sich von 10, 20 oder 30 Jahren hat stechen lassen. Ein weiterer, bereits erwähnter Punkt ist, dass Tätowierungen im Lauf der Jahrzehnte zunehmend verblassen und im Prinzip irgendwann nachgestochen werden müssen. Auch Mängel der Nachsorge eines frisch gestochenen Tattoos und Entzündungen können die Schönheit des Hautbildes erheblich stören. Gegenwärtig gibt es zwei wesentliche Methoden, ein ungeliebtes Tattoo aus dem Blickfeld zu bekommen: das Lasern und das Cover-up. Letzteres macht aus einem hässlichen ein schönes Tattoo, indem das alte Bild in ein größeres Neues integriert wird. Zum Teil greifen aber beide Methoden ineinander über, d. h., es wird zunächst versucht, so viel von dem ursprünglichen Tattoo wegzulasern wie möglich; unter Implementierung der Reste erstellt der Tätowierer dann ein neues Körperbild. Leila Lambert aus meiner Arbeitsgruppe beschäftigte sich mit der Frage der Zufriedenheit von Personen, die ihr Tattoo auf diese Weise loswurden, und verglich das Weglasern mit den Cover-ups. Sie konnte 70 Personen finden; knapp die Hälfte

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A. Wegner et al.

der Befragten hatte ein kleines Tattoo (unter 5 × 5 cm), gut ein Drittel der Befragten ein mittleres Tattoo (ca. 5  ×  10  cm), jeder zehnte Befragte ein großes Tattoo (ca. 10 × 10 cm) und nur gut 4 Prozent der Umfrageteilnehmer ein sehr großes Tattoo (über 10 × 10 cm). Knapp zwei Drittel der Befragten hat das Tattoo durch Laserbehandlungen entfernen lassen und etwas mehr als ein Drittel der Befragten durch ein Cover-up, keiner der Teilnehmer hatte erst Weglasern und dann Cover-up machen lassen. Die Teilnehmer wurden zunächst nach dem Grund der Entfernung befragt: Am häufigsten wurde auch hier angegeben, dass das Motiv schlecht gestochen war und nicht der Vorstellung entsprach. Weiterhin bezeichneten auch in unserer Studie viele der Befragten das Tattoo als „Jugendsünde“. Diese Einschätzung gab jeweils ein Fünftel der Befragten an. Etwa ein Sechstel der Befragten meinte, dass die Tätowierung nicht mehr der eigenen Persönlichkeit entsprach. Kaum genannt wurde ein neues soziales Umfeld wie z.  B. ein neuer Arbeitsplatz, zu dem das Tattoo nicht passte. Die Zufriedenheit mit dem Ergebnis war in beiden Gruppen interessanterweise gleich groß, es ergab sich kein signifikanter Unterschied. Auch hinsichtlich aufgetretener Nebenwirkungen und Schmerzen gab es in dieser Studie keinen bedeutsamen Differenzen zwischen Lasern in dermatologischen Kliniken und in Tattoo-Studios, allerdings war die Wartezeit in Kliniken deutlich länger und die Kosten waren beträchtlich höher als in den Tattoo-Studios. Insbesondere wenn bunte Tätowierungen sich mit den heutigen Methoden nicht völlig entfernen lassen, stellen Cover-ups eine durchaus erwägenswerte Alternative dar. Angesichts der Befunde, dass es vorrangig schlecht gestochene Tätowierungen sind, sollte man sein Geld dafür aber erst einmal ansparen und dann zu einem Künstler gehen, der wirklich gut ist. Auf Tattoo-Conventions, die in den meisten deutschen Großstädten mindestens einmal im Jahr stattfinden, kann man Vergleiche ziehen und sich anschauen, was der Tätowierer bislang geleistet hat. Wichtiger fast noch ist, ein Motiv zu finden, das auch noch zu einem passt, wenn man mit 98 Jahren im Altersheim sitzt.

Literatur Armstrong ML, Stuppy DJ, Gabriel DC, Anderson RR (1996) Motivation for tattoo removal. Arch Dermatol 132(4):412–416 Armstrong ML, Roberts AE, Koch JR, Saunders JC, Owen DC, Anderson RR (2008a) Motivation for contemporary tattoo removal: a shift in identity. Arch Dermatol 144(7):879–884 Armstrong ML, Stuppy DJ, Gabriel DC, Anderson RR (2008b) Motivation for tattoo removal. Arch Dermatol 132(4):412–416 Bammann K, Stöver H (2006) Tätowierungen im Strafvollzug. Hafterfahrungen, die unter die Haut gehen. BIS, Oldenburg Brähler E, Hofmeister DPD (2009) Verbreitung von Tätowierungen, Piercing und Körperhaarentfernung in Deutschland. Ergebnisse einer Repräsentativerhebung in Deutschland Cebula AS, Kasten E (2015) Differences in intelligence and creativity between tattooed and non-­ tattooed students. Psychol Behav Sci 4(4):165–169 Hammes S, Greve B, Raulin C (2005) Tattoo und Piercing: Heute in, morgen out – und dann? Kinderärztl Prax 1:6–13d Herpertz S, Saß H (1997) Impulsivität und Impulskontrolle. Zur psychologischen und psychopathologischen Konzeptionalisierung. Nervenarzt 68(3):171–183

31 Psychologie von Tätowierung und Tattoo-Entfernung – Warum einem das…

Howell RJ, Payne IR, Roe AV (1971) Differences among behavioral variables, personal characteristics, and personality scores of tattooed and nontattooed prison inmates. J Res Crime Delinq 8(1):32–37 Jetten J, Branscombe NR, Schmitt MT, Spears R (2001) Rebels with a cause: group identification as a response to perceived discrimination from the mainstream. Personal Soc Psychol Bull 27(9): 1204–1213 Kasten E (2006) Body-modification. Reinhardt-Verlag, München Kasten E (2017a) A tattoo is forever – Über die Vergänglichkeit des Ewigen. Haut-Dermatol-Allergol-­ Kosmetol 2:64–68 Kasten E (2017b) Psychologische Aspekte von Tattoo & Co. J Ästhetische Chir 10:1–6 Kasten E, Zeiler N (2017) Machen Tattoos selbstbewusst? PiD-Psychother Dialog 18(2):94–97 Mendez M (2016) Attitudes towards tattoos in the work place. Angelo State Univ Soc Sci Res J 2(2) Požgain I, Barkić J, Filaković P, Koić O (2004) Tattoo and personality traits in Croatian veterans. Yonsei Med J 45(2):300–305 Stirn A (2004) Die Selbstgestaltung des Körpers. PiD-Psychother Dialog 5(3):256–260 Stirn A, Möller J (2013) Psychologische und medizinische Aspekte von Tattoo und Piercing, ein Update. Aktuelle Derm 39(6):228–235 Swami V (2012) Written on the body? Individual differences between British adults who do and do not obtain a first tattoo. Scand J Psychol 53(5):407–412 Swami V, Gaughan H, Tran US, Kuhlmann T, Stieger S, Voracek M (2015) Are tattooed adults really more aggressive and rebellious than those without tattoos? Body Image 15:149–152 Swami V, Tran US, Kuhlmann T, Stieger S, Gaughan H, Voracek M (2016) More similar than different: tattooed adults are only slightly more impulsive and willing to take risks than non-tattooed adults. Personal Individ Differ 88:40–44 Tate JC, Shelton BL (2008) Personality correlates of tattooing and body piercing in a college sample: the kids are alright. Personal Individ Differ 45(4):281–285 Trampisch HJ, Brandau K (2014) Tattoos und Piercings in Deutschland: eine Querschnittstudie: http:// aktuell.­ruhr-­uni-­bochum.­de/mam/content/tattoo-­studie.­pdf. Zugegriffen am 03.03.2016 Wegner A (2018) Heute unter die Nadel - morgen unter dem Laser? Gründe für den Wunsch nach Tattoo-Entfernung. Unveröffentlichte Masterarbeit, Medical School Hamburg Wessel A, Kasten E (2014) Body-piercing and self-mutation: a multifaced relationship. Am J Appl Psychol 3:104–109 Wittmann O, Kes One 3001 (2011) „Gummihaut ist das Schlimmste, was es gibt.“ Das Material Haut in der Tätowierkunst. Querformat. Z Zeitgenössisches Kunst Popkult 4:20–26 Zeiler N, Kasten E (2016) Decisive is what the tattoo shows: differences in criminal behavior between tattooed and non-tattoed people. Soc Sci 5(6):26–20

3

33

„Stechen“ von Tätowierungen Inhaltsverzeichnis Kapitel 4

 blauf – 35 A Stefanie Lamm und Denis Lamm

Kapitel 5

Techniken und Werkzeuge – 41 Stefanie Lamm und Denis Lamm

Kapitel 6

Hygiene – 53 Daniel Rust

Kapitel 7

Tätowiermittel – 63 Michael Dirks und Katharina Ulz

Kapitel 8

 edical Tattooing – 71 M Andy Engel

Kapitel 9

 ie erkenne ich ein „gutes“ Tattoo-Studio? – 79 W Thomas Sembt

Kapitel 10

Tätowierung auf mikroskopischer Ebene – 87 Stephan A. Braun

II

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Ablauf Stefanie Lamm und Denis Lamm Inhaltsverzeichnis 4.1

Vorbereitung auf den Tattoo-Termin – 37

4.2

Der Tattoo-Termin – 38 Literatur – 40

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_4

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S. Lamm und D. Lamm

Im Gegensatz zu allen anderen gestaltbaren Oberflächen ist unsere Haut ein ganz besonderes Medium, denn sie lebt und altert. Die Haut ist nicht nur einfach eine Schutzverpackung und temperaturregulierende Grenze des Körpers, sondern mit Tastsinn und Schmerzempfinden auch sensorischer Empfänger. Zudem verrät sie viel über ihren Träger: Seinen Lebensstil, wie viel Zeit er im Freien verbringt, seine Ernährung und seine Gesundheit. Auch tätowiert bleiben alle ihre Eigenschaften als unser größtes Organ erhalten und funktionieren weiterhin. Diese Besonderheit macht eine umfassende Aufklärung, Beratung und Projektplanung unerlässlich, um in einem gemeinsamen, kooperativen Arbeitsprozess eine Tätowierung zu erschaffen, mit der der Träger auch über Jahrzehnte hinweg fortwährend Freude und Zufriedenheit empfinden kann. So vielfältig die individuellen Tattoo-Wünsche sein können, so unterschiedlich sind die Stile der Tätowierer und so verschieden sind die Konzepte der Tattoo-­ Studios: 55 Es gibt klassische Tattoo-Studios als Street Shops, die zumindest für Beratung während der Öffnungszeiten ohne Voranmeldung betreten werden können. Manchmal werden Walk-Ins veranstaltet, an diesen Tagen kann man sogar ohne Voranmeldung tätowiert werden. 55 Zudem gibt es private Tattoo-Ateliers: Der Begriff „privat“ ist in diesem Kontext irreführend, denn „privat“ ist hier nicht als unprofessionell zu Hause auf dem Sofa zu verstehen, sondern als Studiobetrieb ohne Laufkundschaft, zu dem wie in einer Bestellpraxis ausschließlich nach vorheriger Terminvereinbarung Zutritt erfolgt. Aber auch in solchen Studios kann es Walk-In-Days geben, alle erdenklichen Mischformen sind möglich. 55 Außerdem kann man sich auch bei einer der zahlreichen Messen (Tattoo-­ Conventions) tätowieren lassen oder anderen dabei zuschauen, denn in Studios sind i. d. R. keine Begleitpersonen als Zuschauer mehr gestattet. Es liegt in der Natur der Tätowierung, dass sie grundsätzlich zum Zeitpunkt ihrer Entstehung dafür gedacht ist, fortan bis zum Lebensende den eigenen Körper sichtbar zu verändern. Auch das Permanent Make-up ist technisch gesehen eine Tätowierung; von einem kompetenten Kosmetikinstitut ausgeführt zeichnet sich diese spezielle Form der Gesichtstätowierung dadurch aus, dass sie gerade nicht als solche erkannt wird und ihre Wirkung ganz subtil entfaltet. An der Entstehung einer Tätowierung sind immer zwei Personen beteiligt: die, die sie macht, und die, die sie bekommt. Es ist ein gemeinsamer Weg. Niemals liegt es im Interesse eines Tätowierers, eine schlechte Arbeit abzuliefern, ganz im Gegenteil kann man davon ausgehen, dass verantwortungsbewusste Studios immer die unter den gegebenen Rahmenfaktoren bestmögliche Umsetzung des Tattoo-­Wunsches anstreben. Eine Tätowierung kann immer so gut werden, wie es der Träger gestattet. Limitierende Faktoren sind i. d. R. körperliche bzw. gesundheitliche Faktoren, Zeit, Geld, Mode/Trend.

37 Ablauf

Tipp

Hilfreich dafür, dass das Ziel einer langen Zufriedenheit mit dem Tattoo erreicht wird, sind folgende Aspekte: 55 zum Wunsch passende/r Tätowierer/in, 55 gute Aufklärung, Beratung und die Bereitschaft, Rat auch anzunehmen, 55 gute Vorbereitung, 55 gute Heilung.

4.1

Vorbereitung auf den Tattoo-Termin

Mit einer guten Vorbereitung lassen sich viele Schwierigkeiten von vornherein vermeiden und Risiken minimieren. Der zukünftige Träger hat dabei einen oft unterschätzten Anteil an der erfolgreichen Umsetzung seiner Tattoo-Pläne  – zwar lässt sich nicht alles beeinflussen, aber schon kleine Veränderungen in den Lebensgewohnheiten können einen sehr großen Unterschied machen. Nicht jedes Motiv lässt sich bei jeder Person umsetzen, spielen doch die Beschaffenheit der Haut und auch die Rahmenbedingungen zur Pflege eine große Rolle: Eine Person mit partiell stark sonnengeschädigter Haut sollte vielleicht nicht ausgerechnet diese Körperzonen für eine Tätowierung wählen, und eine Person, die mit Handschuhen arbeitet, sollte sich z. B. nicht die Hände tätowieren lassen, wenn im Anschluss keine zwei Wochen Urlaub möglich sind. Idealerweise findet ein persönliches Vorgespräch statt, in dem die Wünsche an das Tattoo-Motiv und die ganzen technisch-handwerklichen Aspekte geklärt werden können, die dann wiederum Einfluss auf die Gestaltung nehmen. Im Vorgespräch wird das für das Tattoo gewünschte Hautareal in Augenschein genommen: Wie stellt sich das Gewebe dar? Ist es fest, elastisch, opak, glasig, wie ist der Oberflächeneindruck der Epidermis? Gibt es Gewebeschäden, sichtbare Veränderungen oder Abweichungen in Struktur und Farbe, Verteilung und Erscheinung von Malen oder Narben? Üblicherweise wird ein umfassender Gesundheitsfragenkatalog durchgesprochen, denn vielfältige Erkrankungen sowie Medikamente können den erfolgreichen Verlauf einer Tätowierung und ihrer Heilung beeinflussen, in einigen Fällen ist eine ärztliche Abklärung sinnvoll. Auch eine Aufklärung über Risiken und unerwünschte Nebenwirkungen gehört in das Vorgespräch, denn zwar nicht alles, aber vieles lässt sich bereits schon vor dem Tattoo-Termin positiv beeinflussen: Je nach geplanter Stelle des Körpers sollte Rücksicht auf die Arbeitsplanung, Urlaub, Reisen und Sport bzw. Pausen davon genommen werden. Die Haut ist unser größtes Organ, und hier gilt: Du bist, was du isst. Bei jeder Verletzung braucht der Körper Treibstoff und Baustoff, um diese Verletzung zu reparieren. Je nach geplanter Dimension der Tätowierung und bisherigen Ernährungsgewohnheiten kann eine Umstellung auf eine gesündere, frischere Ernährung zu deutlich weniger Exsudation und merklich schnelleren Heilzeiten führen.

4

38

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S. Lamm und D. Lamm

Auch ausreichendes Trinken wirkt sich sehr förderlich auf die Hautbeschaffenheit aus und hat fast einen größeren Effekt als Hautpflege mit Körperlotionen. Trotzdem ist es aber sinnvoll, wenn ein Tattoo an einer eher talgdrüsenarmen, trockenen Region geplant ist (wie an Unterarmen oder Unterschenkeln), dieses Areal schon einige Zeit vor dem Termin mit Körperlotion vorzubereiten und besonders zu pflegen. Sobald die Entscheidung für eine Tätowierung getroffen wurde, packt viele die vorfreudige Ungeduld, und sie möchten so viel tätowierte Haut wie möglich in einem Termin bekommen. Je nach Gewebestruktur und Motiv kann es aber besser sein, dieses Projekt auf zwei oder mehrere kürzere Termine aufzuteilen, um eine Überanstrengung der Haut zu vermeiden. Bei Tattoo-Großprojekten sollten die Termine mit genug zeitlichem Abstand zueinander getaktet werden; bei engerer Taktung sollte ein Plan erstellt werden, wann welche Partie tätowiert wird, sodass ein zuvor tätowiertes Areal immer seine Regenerationszeit bekommt und verheilt ist, bevor diese Stelle erneut tätowiert wird. Zum Tattoo-Termin sollte die Haut ihre natürliche Farbe aufweisen – sei es viel oder wenig Melanin. Von Natur aus dunkle Haut lässt sich genauso gut tätowieren wie hellere. Kürzlich gebräunte helle Haut hingegen wird darauf mit mehr Schmerz, Flüssigkeit, Schwellung und einer längeren Heilphase als nötig reagieren. Tipp

55 Konsultieren Sie vorab einen Arzt, wenn Sie vom Studio dazu aufgefordert werden. 55 Eine Ablehnung Ihres ursprünglichen Wunsches mit Vorschlag einer Alternative liegt nicht automatisch in einer exzentrischen Künstlermentalität des Tätowierers begründet. Wahrscheinlicher ist, dass technisch-handwerkliche Faktoren zugrunde liegen. 55 Bei Ablehnung seien Sie dankbar, dass eher auf Umsatz verzichtet wird, als Ihnen einen Wunsch zu erfüllen, der zu Schwierigkeiten oder Enttäuschung führen wird. 55 Wenn Sie eine große Tätowierung planen, dann üben Sie bereits den Sommer davor, wie Sie im Urlaub und Alltag konsequenten Sonnenschutz zur Gewohnheit werden lassen können. 55 Wenn Sie glauben, Sie trinken genug Wasser: Trinken Sie noch mehr. 55 Beherzigen Sie hinsichtlich Termindauer, Anzahl und Taktung den Rat Ihres ­Tätowierers.

4.2

Der Tattoo-Termin

Der Tag des Tattoo-Termins soll möglichst entspannt mit einem guten Frühstück beginnen. Je nachdem, wie lang die Tattoo-Sitzung dauern wird und welche Körperpartie tätowiert wird, ist es zudem ratsam, dafür geeignete, bequeme Kleidung und Proviant einzupacken. Jeder Tattoo-Termin beginnt mit Formalitäten, zumindest in Form einer Einverständniserklärung. Erst danach wird die zu tätowierende Körperstelle rasiert (sofern das nicht schon zuvor passiert ist), mit einer Waschlösung gereinigt und dann desinfiziert.

39 Ablauf

Dann kann das gewünschte Motiv mittels eines Stencils (Abdruck) auf die Haut übertragen oder direkt frei Hand auf die Haut gemalt werden. Da alle Motive in der Topografie des eigenen Körpers ganz anders wirken als auf einem völlig ebenen Papier, ist dieser Moment der Punkt, an dem der zukünftige Tattoo-Träger die finale Entscheidung für diese Tätowierung trifft. Gebrauch von seinem Vetorecht kann er zu jedem Zeitpunkt des gesamten Vorgangs machen. Beim Tätowieren werden üblicherweise Male und Hautveränderungen ausgelassen, Narben können tätowiert werden. Es werden immer wieder kurze Pausen gemacht, die sind schon alleine wegen der regelmäßigen Handschuhwechsel notwendig, bieten aber auch Gelegenheit für Essen, Trinken und Toilettengänge. Die erforderlichen Hygienemaßnahmen werden in 7 Kap. 6 genauer betrachtet. Die Gesamtsituation ist für viele, die dies zum ersten Mal erleben, sehr ungewohnt: Man ist mehr oder weniger nackt, aber nicht in einem privaten oder medizinischem Kontext, während für geraume Zeit die eigene Haut perforiert wird, man die Berührung, Vibration und auch Schmerz spürt, aber sich eine entziehende Bewegung dem Gelingen der eigenen Tätowierung zuliebe verbietet. Dem Tätowierer ist diese Situation sehr bewusst. Tätowieren erfordert ein großes Maß an Konzentrationsvermögen und feinmotorischer Kontrolle. Die Nadeln gleiten im immer relativ passenden Abstand über und in der Haut, es wird nicht aufgedrückt, sondern das Gewicht der Maschine liegt auf den Fingern der führenden Hand. Der Untergrund ist weich und beweglich. Haut ist an allen Stellen des Körpers gewölbt, selbst vermeintlich ebene Areale wie der Rücken weisen immer eine Topografie auf, und der jeweilige Einstichwinkel muss stimmen.  

»» Stell es dir so vor: Ich lege dir ein Blatt Papier hin und du schreibst einen Brief. Ihn zu schreiben dauert vier Stunden und ich wackle die ganze Zeit am Tisch. Dann mache ich das Papier auch noch nass und rede mit dir (Wittmann und Kes One 3001 2011, S. 21).

Das Schmerzempfinden fällt je nach Stelle, Person und Tagesform sehr unterschiedlich aus. Schmerz als körperlich-sensorische Meldung, als Hinweis darauf, dass da gerade etwas mit der Haut passiert, ist eine sinnvolle Funktion. Leid hingegen ist eine Bewertung dieser körperlichen Meldung auf emotionaler Ebene. Während des Tätowierens werden keine Analgetika eingesetzt, nur Waschlösung, ein Schmiermittel (Vaseline oder pflanzliche Butter und Öle) und Wasser. An Adstringentien kann z. B. Hamamelis als Inhaltsstoff vorkommen (. Abb. 4.1). Mentaltechniken können dabei helfen, den empfundenen Stress und seine physiologische Auswirkung zu mindern, was beim Tätowieren deutlich weniger ­Gewebereaktion in Form von Rötung, Schwellung und Wundflüssigkeit bedeutet. Exsudation an sich ist als unmittelbare Reinigungsfunktion des Körpers auch während des Tätowierens gut, als ideal gelten einige kleine klare Sekret-Perlen innerhalb der ersten zehn Minuten und darauf folgend die rasche Beruhigung des Areals. Nach Fertigstellung der Tätowierung ist die Haut eventuell etwas gerötet, je nach Stelle auch leicht geschwollen, nässt vielleicht noch etwas nach, aber die Oberfläche ist sichtbar unverletzt, Poren und Haarwurzelgänge sind erkennbar. Das Tattoo wird gereinigt, fotografiert und der Träger kann es in Ruhe betrachten. Wenn alles zur Zufriedenheit ist, wird es desinfiziert und entweder mit einem nicht fusselnden Papiervliesverband oder einer Funktionsmembran verpackt.  

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S. Lamm und D. Lamm

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..      Abb. 4.1  Stechen einer mehrfarbigen Tätowierung im professionellen Setting unter Wahrung der hygienischen Vorraussetzungen

Zum Abschluss wird die für diese Arbeit empfohlene Pflegemethode besprochen und idealerweise schriftlich ausgehändigt sowie für die Kundenakte die Termindokumentation mit den bei diesem Termin benutzen Produkten und ihren Chargen erstellt.

Literatur Wittmann O, Kes One 3001 (2011) „Gummihaut ist das Schlimmste, was es gibt.“ Das Material Haut in der Tätowierkunst. Querformat. Z Zeitgenössisches Kunst Popkult 4:20–26

41

Techniken und Werkzeuge Stefanie Lamm und Denis Lamm Inhaltsverzeichnis 5.1

Nadeln und Maschinen – 42

5.2

Heilung und Tattoo-Pflege – 44

5.3

Unerwünschte Nebeneffekte – 47

5.4

Cover-up: Überdeckung von Tätowierungen – 49

5.5

Narben-Cover – 51 Literatur – 52

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_5

5

42

S. Lamm und D. Lamm

5.1

5

Nadeln und Maschinen

Die Tattoo-Farben als wesentliches Arbeitsmaterial werden an anderer Stelle in diesem Buch eingehend behandelt, hier werfen wir einen Blick auf die heute gebräuchlichen mechanischen Tattoo-Werkzeuge: die Nadeln und Maschinen. Die Nadeln sind für Tätowierer das, was für Maler die Pinsel sind. Wie es zum Malen verschiedene Pinsel gibt, bietet sich eine große Auswahl verschiedener Formationen, von einer einzelnen Nadel bis zu über hundert ist alles möglich. Gebräuchlich sind rund angeordnete Bündel mit bis zu 20 Nadeln für Linien oder, in einem etwas anderen Winkel zueinander angeordnet als sogenannte Round Shader, für kleine Flächen und Schattierungen sowie flach angeordnete Formationen in einer oder mehreren Lagen von 5 bis zu über 40 Nadeln für Flächen, Blendungen und Schattierungen. Die einzelnen Edelstahlnadeln haben eine Stärke von 0,25 bis 0,40 mm, kleinere und größere Stärken gibt es heute nur noch sehr selten. Die Stärke bezeichnet dabei den oberen Bereich des größten Durchmessers, der niemals in die Haut gelangt. Die Epidermis durchsticht nur die Nadelspitze, die unterschiedliche Schliff-Formen (Taper) aufweisen kann. So ergibt sich in Kombination der verschiedenen Formen und Größen eine große Auswahl für jeden Einsatzzweck je nach Stil, Motiv und jeweiliger Hautbeschaffenheit. Die Tattoo-Nadeln sind immer ein Einwegprodukt, es gibt sie an Nadelstangen oder als fertige Module (. Abb. 5.1). Für manuelle Techniken (Handpoke, Stick+Poke, Tebori etc.) wird eine Nadelstange in einem Griff befestigt und ganz ohne Maschine, nur mit der Handbewegung tätowiert. Bei allen elektrischen Tattoo-Maschinen wird die Farbe durch den Kapillareffekt in der Hubbewegung an den Nadeln transportiert. Die Spulenmaschine mit ihrem unverkennbaren Surren, fast unverändert seit O’Reilly, arbeitet i. d. R. mit zwei Magnetspulen, die ein Feld erzeugen, das direkt wieder zusammenbricht und somit die Bewegung der Nadel ermöglicht. Sie bietet größtmögliche Individualisierung für alle Einsatzzwecke und lässt sich in allen Parametern ihrer Laufeigenschaften exakt auf die Bedürfnisse des anstehenden Tattoo-­ Projektes (Motiv und Haut) anpassen. So lässt sich z. B. über die Federblättchen in  

a

..      Abb. 5.1  a,b Nahaufnahmen von Nadelköpfen

b

43 Techniken und Werkzeuge

..      Abb. 5.2  Beispiele von Tattoo-Maschinen Oben (von links): Direct-Drive-Rotary, Spulenmaschine von vorne und von hinten. Unten: Rotary mit Hammer, Slide-Rotary (mit Schlitten)

Relation zum Hammer und den Spulen und ihrer Dimensionen und der Materialien zueinander perfekt auf den jeweiligen Hautwiderstand in Kombination mit der hier erforderlichen Nadel eingehen. Die Arbeit mit Spulenmaschinen erfordert allerdings technisches Verständnis und Zeit für Wartung und Justierung. Selbst Ruhezeiten zur Entmagnetisierung der Komponenten sind regelmäßig notwendig, sodass entsprechend viele Maschinen zum Wechseln zur Verfügung stehen müssen. Wie ein Musikinstrument sind Spulenmaschinen sehr sensibel hinsichtlich verschiedener physikalischer Umgebungsfaktoren, was mit ständiger Kontrolle und Reparatur einhergeht (. Abb. 5.2). Rotary-Maschinen mit ihren Elektromotoren hingegen sind deutlich unempfindlicher und weniger wartungsaufwendig. Es gibt eine Vielzahl verschiedener Typen, die auf unterschiedliche Weise die Umsetzung der Drehbewegung des Motors in die Hubbewegung lösen. Abgesehen von Direct-Drive-System sind sie mit verschiedenen Techniken versehen, um den Federeffekt der Spulenmaschinen nachzuahmen. Rotarys sind oft, aber nicht immer leichter als Spulenmaschinen. Sie können, je nach Modell und Griff, sowohl mit Nadeln an Nadelstangen als auch mit Nadelmodulen benutzt werden. Als eine weitere Form der Rotarys haben die in der Kosmetik für Permanent Make-up (PMU) schon sehr lange gebräuchlichen Pens mit Nadelmodulen in den vergangenen Jahren auch wegen ihrer einfachen Handhabung für Begeisterung unter Tätowierer gesorgt. Bei den technischen Gestaltungsmöglichkeiten gilt es beim Tätowieren unbedingt zu beachten, dass allenfalls von hell nach dunkel geschichtet werden kann. Das bedeutet: Hellere Bereiche müssen von vornherein eingeplant und ausgespart werden, wenn sie auch nach der Heilphase weiterhin hell erscheinen sollen. Ein nachträgliches Schichten der Farbe, also wie in der Malerei das Auftragen von hellen Lichtreflexen auf einer dunklen Fläche, ist beim Tätowieren zwar auch möglich, allerdings ist dieser Effekt nur sehr begrenzte Zeit – für wenige Wochen – sichtbar. Nach Ablauf der Hautregeneration sind sowohl die dunklen als auch die hellen Pigmente in derselben Ebene in der Dermis eingelagert, was zu einer Mischung des Farbeindrucks führt. Dies sollte also bei Gestaltung und Arbeitsweise von Anfang an berücksichtigt werden, sofern der Effekt über die Regenerationsphase der Haut hinaus sichtbar sein soll; dies bedeutet aber auch mehr Zeitaufwand für die Tätowierung.  

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Zeit ist in mehrfacher Hinsicht relevant, zum einen während des Vorgangs selbst: Man braucht das richtige Zusammenspiel von Maschine, ihren Einstellungsparametern und der Bewegung der führenden Hand. Tätowieren selbst braucht Zeit. Der Effekt einer nass herabfließenden Farbe z. B., der auf Papier nur Sekunden erfordert, benötigt Stunden, um ihn in der Haut nachzuahmen. Zum anderen muss der Faktor Zeit über die Nutzungsdauer betrachtet werden, in der sich die Haut verändert, weitere Zeichen des Lebens sammelt und altert. Dieser Aspekt findet seine Berücksichtigung in den richtigen Proportionen des Designs im Verhältnis zur Haut und zum Körper des Trägers. Der anatomische Aufbau der Haut ist je nach Person und Körperstelle unterschiedlich, daher sind ebenso unterschiedliche Stichtiefen erforderlich, um genug Pigmente der Tätowierung an den Ort in der Dermis zu befördern, an dem sie permanent eingelagert werden. Erfolgt dies nicht tief genug, befindet sich die Tätowierung nur in der Epidermis und ist nach einem Regenerationszyklus von wenigen Wochen wieder verschwunden (Klotz 2012). Erfolgt dies zu tief, dann verteilen sich die Pigmente unkontrolliert im subkutanen Gewebe, und es entsteht ein Blow-Out, der sich als mehr oder weniger großer Schatten abzeichnet. Beim Tätowieren wird die Hautoberfläche mit unterschiedliche Nadelformationen perforiert und die Tattoo-Farbe in die Haut (genauer: in die Dermis) eingearbeitet. Diese feinen Stichkanäle sind zuerst bis in die Epidermis mit Farbe gefüllt, weswegen ganz frische Tattoos greller erscheinen können, als sie tatsächlich sind. Nach der Heilung mit der Erneuerung der Epidermis ist diese aber wieder frei von Tattoo-Farbe und enthält nur das körpereigene Melanin. Denn Haut hat grundsätzlich immer eine Eigenfarbe. Diese körpereigene Pigmentierung liegt bei einer verheilten Tätowierung anatomisch oberhalb der Tattoo-­ Pigmente (Jablonski 2006) und kann wie ein Farbfilter wirken. Mehr oder weniger transluzent beeinflusst das körpereigene Melanin den Farbeindruck der tiefer eingelagerten Tattoo-Pigmente  – was einer der Gründe ist, warum Weiß als Tattoo-­ Farbe in den seltensten Fällen dauerhaft als Weiß erscheint und daher von einer flächigen Verwendung eher abgesehen wird.

5.2

Heilung und Tattoo-Pflege

Bei nahezu jeder Hautverletzung tritt Wundflüssigkeit aus. Dies ist eine Reinigungsfunktion des Körpers, sodass bei Verletzungen kleine Fremdkörper schnell ausgespült werden. Wenngleich ein Tattoo als eine eher geringfügige, oberflächliche Verletzung zu betrachten ist und die natürliche, körpereigene Hautregeneration ganz wunderbar von selbst für die Reparatur solcher kleinen Verletzungen sorgt, haben sich mehrere Wege der Tattoo-Versorgung und Pflege etabliert. Denn es geht bei Tätowierungen vor allem um die Unterstützung bei der Heilung mit dem Ziel, dass zum einen der Vorgang schnell und komplikationslos verläuft, zum anderen aber die eingebrachten Pigmente der Tattoo-Farbe dort bleiben, wo sie eingebracht wurden. Die Erstversorgung erfolgt noch unter den hygienischen Bedingungen im Studio, die weitere Pflege liegt im Verantwortungsbereich des Tattoo-Trägers allein bei sich zu Hause. Auch dort, im heimischen Badezimmer, sollte unbedingt in den nächsten Tagen größte Sorgfalt auf die Hygiene gelegt werden!

45 Techniken und Werkzeuge

Der in der Tattoo-Pflege wichtigste Punkt ist das erste Abwaschen. Hier entscheidet sich, wie die weitere Heilung verläuft: Beim ersten Waschen werden die Rückstände von der Hautoberfläche entfernt, die nach dem Termin noch ausgetreten sind, sodass sie nicht zu einer harten Schorfschicht eintrocknen, sondern die Oberfläche die gesamte Heilung über flexibel bleibt. Während der Heilung findet dann ein Wechsel der obersten Hautschicht statt. Je nach Körperstelle und Pflegemethode beginnt die Epidermis ab dem 4. bis 8. Tag sich zu schälen. Wie bei einem Sonnenbrand fleddert die Haut in flexiblen, dünnen Schollen für die nächsten 10 bis 14 Tage, je nach Stelle auch kürzer oder länger. Diese abfallenden Schollen sind farbig, denn sie wurden ja mit Tattoo-Farbe durchstochen. Unter der neuen Epidermis zeigt sich die bleibende Tätowierung: Diese neue Zellen der Hautoberfläche enthalten nur das körpereigene Melanin als natürliche Eigenpigmentierung. Die Oberfläche ist zunächst glänzend und wird in dieser Phase Silberhaut genannt, das Tattoo ist nun oberflächlich verheilt. Bis die Epidermis wieder matt wird, kann je nach Person und Körperstelle 4 bis 6 Monate dauern, auch die Einbindungsprozesse der Tattoo-Pigmente in der Dermis dauern noch Wochen an. Erst danach ist das Tattoo vollständig verheilt. Je nach persönlicher Konstitution, Lebenswandel und Körperstelle dauert die Heilung unterschiedlich lange. Grundsätzlich kann man sagen: Je näher am Rumpf, desto schneller die Heilung. Je weiter in Richtung der Enden der Extremitäten, desto länger dauert es. Dabei kann es auch – je nachdem, was und wieviel tätowiert wurde – insbesondere an den unteren Hälften der Extremitäten (Unterarme und Hände, Waden und Füße) in den ersten Tagen nach dem Tattoo-Termin zu Schwellungen kommen. Bei der Pflegemethode wird zwischen trockener und feuchter Heilung unterschieden, wobei die jeweilige Richtung schon am Ende des Tattoo-Termins je nach den individuellen Gegebenheiten (was wurde gemacht, wie groß, an welcher Körperstelle, wie ist die Gewebereaktion während der Sitzung ausgefallen, welche körperlichen Anforderungen stellt der Alltag die folgenden Tage etc.) ausgewählt und die ­Tätowierung entsprechend versorgt wird. In jedem Fall wird bei der Erstversorgung im Studio das Tattoo gereinigt und desinfiziert. Bei der feuchten Heilung war in den vergangenen Jahrzehnten die Verwendung von Frischhaltefolie weit verbreitet. Diese musste über mehrere Tage hinweg mehrfach am Tag gewechselt werden, was einen relativ großen Aufwand und erhöhtes Risiko für Schmierinfektionen (besonders im Arbeitsalltag) darstellt. Dazu musste das Tattoo unter möglichst hygienischen Bedingungen ausgepackt, gewaschen, gecremt und wieder in Folie verpackt werden. Die Frischhaltefolie wurde in den letzten Jahren zunehmend von semipermeablen Funktionsmembranen abgelöst – eine deutlich bequemere und sicherere Alternative. Diese Membran wird im Studio nach Reinigung und Desinfektion des Tattoos sachgerecht angelegt und verbleibt die folgenden Tage an der entsprechenden Stelle. Der Träger zieht die Membran einfach nach einigen Tagen vom Tattoo ab und wäscht die verbliebenen Exsudationsrückstände ab. Danach kann je nach Absprache mit dem Studio mit der Creme-Routine begonnen werden oder auch ein Wechsel zur Trockenheilung erfolgen. Für die trockene Heilung, die insgesamt schnellste Pflegemethode insbesondere bei großflächigen Tätowierungen, wird im Studio nach der Desinfektion ein Verband angelegt, der noch am selben Tag oder spätestens tags darauf wieder entfernt wird.

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..      Abb. 5.3  Unterarm am fünften Tag mit trockener Heilung

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Dann folgt das erste, gründliche Abwaschen, bis die Hautoberfläche sich völlig quietschig-­sauber anfühlt, und daraufhin stellt sich (besonders für Menschen, die die Frischhaltemethode kennen) die große Herausforderung des Nichtstuns: Die frisch tätowierte Haut nässt nicht mehr, und man lässt sie einfach so (. Abb. 5.3). An den nächsten Tagen wird weder gecremt, noch wird das Tattoo extra außerhalb der üblichen Duschroutine gewaschen. Erst mit dem Wechsel der Epidermis wird ggf. die Regeneration mit einer Creme oder Lotion unterstützt. Grundsätzlich sollten frische Tätowierungen niemals eingeweicht werden und immer durch Kleidung vor UV-Strahlung geschützt werden  – auch an bewölkten Tagen und auch auf dem Weg vom oder zum Tattoo-Studio.  

Tipp

55 Achten Sie auf die individuellen Pflegehinweise Ihres Studios, die deutlich ­umfangreicher ausfallen als in dieser Übersicht. 55 Reichen Sie für Tätowierungen an den unteren Hälften der Extremitäten ­gegebenenfalls Urlaub nach dem Tattoo-Termin ein. 55 Das Tattoo in den ersten Tagen nur mit sauberen Händen versorgen! 55 Geeignete Produkte verwenden! 55 Nicht überpflegen! 55 Solange das Tattoo noch nicht oberflächlich verheilt ist: nicht einweichen und konsequent jede UV-Exposition durch Kleidung verhindern!

Im Zweifelsfall gilt immer: Die Heilung der Haut ist wichtiger als der Farberhalt des Tattoos. Denn Farbverlust von Tätowierungen kann später immer noch ausgeglichen werden. Daher sollen im Problemfall die von einem Arzt empfohlenen Vorgehensweisen und Produkte benutzt werden, auch wenn diese zu einem Farbverlust in der Tätowierung führen.

47 Techniken und Werkzeuge

Für den langfristigen Farberhalt einer verheilten Tätowierung sind – so banal es klingt  – eine gesunde Lebensweise, ausgewogene Ernährung und konsequenter Sonnenschutz sehr förderlich. Denn alles, was allgemein gut für die Haut ist, ist auch gut für die in ihr liegenden Tattoos. Bei einer trockenen, rauen Epidermis wirken Tätowierungen matt und viel heller, als sie tatsächlich sind. In gepflegter Haut mit gutem Feuchtigkeitsgehalt zeigt sich erst die wahre Intensität und Schönheit.

5.3

Unerwünschte Nebeneffekte

Es gibt einige unerwünschte Nebeneffekte, die nach einer Tätowierung auftreten können, die  – anders als Wundinfektionen oder allergische Reaktionen  – weniger gesundheitliche als vielmehr kosmetische Phänomene sind. zz Pickel

Je nach Hauttyp, Körperstelle und Pflegemethode können sich während der Cremephase Überfettungspickel einstellen, insbesondere, wenn sowieso schon talgdrüsenreiche Regionen (wie z. B. der Rücken) häufig mit einer Salbe (anstelle einer Creme) versorgt werden. Diese Pickel verschwinden wieder, sobald weniger oder nicht mehr gecremt wird. zz Brennen

Bei der trockenen Heilung kann es bei wirklich extrem trockener Haut beim allerersten Eincremen nach den ersten Tagen zu einem brennenden Gefühl kommen, während die Haut wieder Feuchtigkeit zieht. Dieses Gefühl vergeht nach einigen Minuten. zz Milien

Sehr selten sind für einen Zeitraum von einigen Wochen nach der Tätowierungen bis zu einem Jahr Milien (kleine Talgzysten) zu beobachten, vorwiegend bei Tätowierungen im Bereich des Schultergürtels oder an Unterleib und Hüfte. Auch die Milien verschwinden von selbst wieder. zz Farbverlust (homogen-wolkig)

Wenn unmittelbar nach der Tätowierung unverhältnismäßig lange (und/oder viel) Wundflüssigkeit austritt, kann das mit einem Farbverlust einhergehen, der sich blass-wolkig darstellt. Die Gründe für eine derartig starke Exsudation sollten geklärt werden, danach lässt sich der Farbverlust ausgleichen (. Abb. 5.4).  

zz Blow-outs

Es gibt verschiedene Arten und verschiedene Ursachen für Blow-outs, d. h., das unerwünschte Ausfließen von Tattoo-Farbe in umliegendes Gewebe. So kann es am ungeübten Tätowieren oder am Einsatz ungeeigneter Farbe liegen, aber auch an unwillkürlichen Bewegungen des Körpers während der Tattoo-Sitzung oder an einer Disposition in der Gewebestruktur mit sogenanntem „schwachen Bindegewebe“ und einer gewissen Transparenz und Transluzenz.

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..      Abb. 5.4  Bei dieser frisch tätowierten Wade zeigt sich viel zu viel Exsudat. Es können Farbverlust und Schorflöcher auftreten

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Je tiefer der Blow-out liegt, desto blasser und diffuser erscheint er bei Betrachtung und desto dauerhafter wird er bleiben. Sehr tief liegende Blow-outs lassen sich optisch nicht von Hämatomen unterscheiden, da hilft der Drucktest: Wird die Stelle bei Druckausübung hell, ist es ein blauer Fleck, also ein Hämatom (auch dessen Ursache sollte erkundet werden!). Sehr oberflächliche kapillare Blow-outs zeigen sich schon im Moment der Entstehung: Während eine Linie gezogen wird, kann gleichzeitig beobachtet werden, wie die Farbe nahezu rechtwinklig zum Linienverlauf in kleine Gefäße einschießt, die sich immer weiter winden und verzweigen, ein sehr definiertes feines Krakeleemuster. Für diese Blow-outs, die so nah an der Oberfläche zuerst sehr dunkel wirken, ist die Aussicht gut, dass sie sich selbst abbauen und nach einigen Monaten weniger oder gar nicht mehr sichtbar sind. Für Blow-outs typische Stellen und Risikozonen sind die oberen Innenseiten der Arme und Beine, die Schlüsselbeine, die seitlichen Rippenbereiche und die Gelenkregionen. Sie können aber auch an jeder anderen Körperstelle auftreten, denn starke punktuelle Druckausübung während der frühen Heilphase kann zu kuriosen Blow-­ out-­Schadbildern in den Tätowierungen führen. Diese Blow-outs liegen dann entlang typischer Linien: senkrecht am Bein hinauf, bedingt durch die Nahtzugabe enger Hosen (dabei sind die Gelenke am stärksten betroffen), waagerecht die Hosenbundlinie, senkrecht über das Schlüsselbein durch Träger von Taschen oder Kleidung genauso wie von zu eng sitzenden BHs, die eine markante Blow-out-Verteilung über den gesamten Schulter- und Brustbereich hinterlassen können. Beheben lassen sich Blow-outs entweder, indem das Tattoo vergrößert wird oder indem ausschließlich der Blow-out gelasert wird. Das ist sehr präzise möglich. zz Scabholes

Schorflöcher zeigen sich als mit mehr oder weniger unregelmäßigen Kanten scharf begrenzte farbfreie Areale in der verheilten Tätowierung. Diese Lücken in der Tätowierung entstehen, wenn Wundflüssigkeit auf der Haut eintrocknet und so einen Schorf bildet, der dann – meist versehentlich, manchmal aus Ungeduld – vorzeitig

49 Techniken und Werkzeuge

abgerissen wird, sodass die etwas tiefer liegende Region mit den Tattoo-Pigmenten in Mitleidenschaft gezogen wird. Schorflöcher können nach ausreichend langer Regeneration repariert und wieder mit Farbe gefüllt werden. Wundschorf an sich führt nicht automatisch zu Beschädigungen des Tattoos. Sein Auftreten mag wegen der damit einhergehenden vorsichtigen Bewegungseinschränkung unangenehm sein, das Aushalten dieser Phase von einigen Tagen – mit Achtsamkeit und Selbstbeherrschung bis zum Abfallen des Schorfes ganz von selbst – wird mit einem unversehrten Farbeintrag in der Tätowierung belohnt. Auch wenn das Auftreten einiger Phänomene außerhalb des Wirkungsbereiches sowohl des Tätowierers als auch des Tattoo-Trägers liegen, so lassen sich doch in vielen Fällen die möglichen unerwünschten Nebeneffekte durch gute Kommunikation eindämmen oder von vornherein ganz vermeiden.

5.4

Cover-up: Überdeckung von Tätowierungen

Eine Tätowierung ist immer die Sichtbarmachung eines Gefühls. Sie hat eine Wirkung nach außen und nach innen. Wenn aber eins davon nicht mehr passt, dann soll häufig das Bild in der Haut verändert oder entfernt werden. Über die Jahre hinweg findet, bedingt durch die Zellteilung, ohnehin eine leichte Pigmentmigration statt (Wittmann 2017), das ist ein Merkmal des Lebens. UV-­ Strahlung führt dabei zu einer stärkeren und schnelleren Pigmentmigration. Wenn die Tätowierung aber zu klein oder zu eng angelegt wurde, führt das zu einem verschwommen Eindruck bis hin zu völliger Unlesbarkeit (Wittmann 2017). Eine ungeschützte, ständige Präsentation des Tattoos befördert also im Laufe der Zeit die Zerstörung der Tätowierung. Daher gilt es, für jede Tätowierung das richtiges Verhältnis von Hauttyp, Körperstelle, Größe und Detailgrad des Designs sowie Linien- und Kontrastverteilung zu finden. Je kleiner und engteiliger es ist, je häufiger in der individuellen Lebensführung eine UV-Exposition dieser tätowierten Körperstelle stattfindet, umso größer ist das Risiko des Zusammenschwimmens. Das einstige filigrane Fineline-Feder-Tattoo wird dann zu einem unidentifizierbaren Knödel, dessen Anblick keinerlei Assoziationskette von Fliegen, Luft, Freiheit und Leichtigkeit mehr erzeugen vermag. Genau dieser Effekt führt – neben anderen möglichen Gründen – mit am häufigsten zum Wunsch nach einer Veränderung. An diesem Punkt ergeben sich regelmäßig fünf Optionen für den Tattoo-Träger, die er für sich sorgsam klären und gegeneinander abwägen sollte: ein Touch-up, ein Cover-up, eine Laserentfernung mit dem Ziel einer kompletten Entfernung (dieser Weg wird in Teil IV und V dieses Buchs eingehend beschrieben), eine Laseraufhellung zur Cover-up-Vorbereitung – oder es schließlich doch so lassen, wie es ist. Ein Touch-up ist eine Auffrischung der alten Tätowierung unter Erhalt des ursprünglichen Motivs und ohne Änderung seiner Dimensionen, ähnlich einer ­Restauration. Dieser Weg kommt in Betracht, wenn der Träger grundsätzlich mit seiner ursprünglichen Motivwahl glücklich ist und die Tätowierung handwerklich so angelegt wurde, dass sie nun nach Alterung immer noch genug Raum für die Auffrischung bietet. Raum ist dabei in zweierlei Hinsicht zu verstehen: zum einen, ob

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tatsächlich hinreichend Platz innerhalb noch vorhanden ist (wieviel  – in Millimetern – hängt von Stelle, Motiv, Stil, Detailgrad und der Proportionen der einzelnen Faktoren zueinander ab), zum anderen, ob noch genug Raum im Gewebe vorhanden ist, um überhaupt weitere Farbpigmente dauerhaft aufnehmen zu können. Bei einem Cover-up wird eine alte Tätowierung mit einer neuen verdeckt. Dies erweckt bei vielen fälschlicherweise die Vorstellung, das funktioniere wie Schichten von Tapete an der Wand, wo einfach über ein Muster ein anderes angebracht werden kann. In der Haut wirkt es aber nur ganz frisch, also vor der Heilung, so, weil nur die neuen Pigmente in der perforierten Epidermis sichtbar sind – diese Oberfläche wird sich aber bei der Heilung erneuern. Sobald das Tattoo jedoch verheilt ist, zeigt sich, dass ein Cover-up eine Mischung aus den Pigmenten der alten und denen der neuen Tätowierung ist. Denn anatomisch landen die Tattoo-Pigmente nicht in Schichten übereinander, sondern das, was bleibt, befindet sich alles in derselben Ebene, der Dermis. Deshalb können nach einigen Wochen alte Linien, Strukturen und Farben wieder „durchdrücken“, sichtbar werden. Ein Cover-up ist somit immer tatsächlich ein Mischbild des alten und des neuen Motivs! Die Herausforderung liegt darin, dass möglichst geschickt die alten Pigmentanteile derart ins neue Motiv integriert und quasi recycelt werden, dass sie gestalterisch eine neue Funktion im Kontext übernehmen, die Lesbarkeit und Kontrastverteilung werden neu komponiert, der Blick wird anders gelenkt. Je nach Ausgangslage ist die Motivwahl daher mehr oder weniger stark eingeschränkt, denn das Ziel eines guten Cover-ups ist immer eine Lösung, der man, wenn man es nicht weiß, nicht ansieht, dass es ein Cover-up ist (. Abb. 5.5).  

a

b

..      Abb. 5.5  a,b a Cover-up. a Links das Vorher-Foto aus dem Besprechungstermin, rechts frisch nach dem ersten von zwei Terminen. b Links 10  Wochen später beim zweiten Termin zur Fertigstellung, rechts das Verheilt-Ergebnis 22 Wochen nach dem Zweittermin

51 Techniken und Werkzeuge

Eine andere Herangehensweise bietet ein Blast-over: Dabei wird ein sehr klares, prägnantes Motiv gewählt, in dessen freien Zwischenräumen die alte Tätowierung noch unverändert zu sehen ist. Auch diese Option erfordert großes gestalterisches und handwerkliches Geschick. Genauso wie Blackwork: Wenn die alte Tätowierung unbedingt verschwinden soll, aber Lasern nicht in Frage kommt, glauben Menschen häufig, dass Schwarz als Tattoo immer geht, dass vor allem gleichmäßig flächiges Schwarz einfach und schnell einzubringen ist. Diese weit verbreitete Annahme, dass flächig schwarzes Blackwork in jedem Fall als letzter Ausweg zur Verfügung steht, weil Schwarz als dunkelster Ton vermeintlich alle anderen Farben abdecken kann, ist ein Trugschluss. Es klappt oft, ist aber aufwendiger und langwieriger als erwartet. Außerdem gibt es auch Konstellationen, in denen sich selbst helle Farben nicht mit Schwarz covern lassen: Immer dann, wenn die Haut schon so viel Pigment eingebunden hat, dass sie nicht noch mehr aufnehmen kann. Dabei ist der Helligkeitswert des Farbtons völlig egal, auch bei sehr dicht und gleichmäßig eingebrachtem Gelb kann es passieren, dass ein Durchgang mit Schwarz auf Dauer nichts bringt und das Gelb nach einigen Tagen bis Wochen wieder sichtbar wird! Wenn das ideale Traum-Tattoo-Motiv als Cover-up technisch nicht möglich ist und alle handwerklich funktionierenden Cover-up-Konzepte nicht dem eigenen Geschmack entsprechen, gibt es den Weg einer Laseraufhellung zur Cover-up-­ Vorbereitung. Dabei wird durch Laserbehandlungen zuerst die in der Haut eingelagerte Menge der Pigmente reduziert, damit später die verbleibenden Reste der alten Tätowierung mit dem Wunschmotiv gecovert werden können. Dies ist der längste der möglichen Wege, er erfordert Jahre bis zum fertigen Resultat, denn die Haut sollte sich zwischen den einzelnen Schritten immer ausreichend regenerieren können. Allein zwischen der letzten Lasersitzung und der ersten Tattoo-­ Sitzung für das Cover-up an eben dieser Stelle sollte ein Zeitraum von mindestens 6 Monaten liegen, je nach Körperstelle auch gerne länger, sodass sich die Haut gut erholen kann und keine Blow-Outs durch möglicherweise vorhandene, noch nicht regenerierte Kavitationshohlräume entstehen. Selbst nach dieser Ruhephase wird das gelaserte Areal empfindlicher aufs Tätowieren reagieren, es ist während der Sitzung mit leichter Schwellung, Quaddelbildung und mehr Exsudat als bei nicht gelaserter Haut zu rechnen. Schlussendlich kann man die alte Tätowierung auch einfach so lassen und sich, nach Ausschluss der anderen Optionen, mit ihr und den eigenen vormals getroffenen Entscheidungen arrangieren.

5.5

Narben-Cover

Bisher ging es um Cover-ups von Tattoos  – natürlich können auch Narben-Cover gemacht werden, von Operationsnähten, Schnittverletzungen, Verbrennungen, in einigen Fällen auch von transplantierter Haut (sofern genug Untergewebe vorhanden ist). Voraussetzung für das Tätowieren ist bei Narben immer ihr ausreichendes Alter. Da in Narbengewebe noch sehr lange umfassende Umbauprozesse stattfinden, sollten zwischen dem Zeitpunkt ihrer Entstehung und der Tätowierung deutlich mehr als ein Jahr, besser zwei Jahre oder noch länger liegen. Idealerweise sind die Narben so alt, dass sie sich weiß darstellen.

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Eine Narbe ist immer ein weniger belastbares Ersatzgewebe, die Tattoo-Farbe kann sich hier anders verhalten als in unverletzter Haut mit intaktem Aufbau. Daher muss die individuelle Gewebesituation entsprechend Rücksicht bei der Motivgestaltung und in der Arbeitsweise finden. Wie bei zuvor gelaserter Haut ist auch hier während der Sitzung mit leichter Schwellung, Quaddelbildung und mehr Exsudat als bei intakter Haut zu rechnen. Sowohl für Narben-Cover als auch für Cover-ups vernarbter Tattoos (die sich hypertroph als dauerhaft erhobene Reliefs abzeichnen) gilt: Werden sie tätowiert und haben im Anschluss einen guten Heilverlauf, ist es regelmäßig keine Überraschung, wenn sich das Hautbild später deutlich ebenmäßiger darstellt. Ob und wie stark dieser erfreuliche Nebeneffekt eintritt, lässt sich allerdings nicht voraussagen.

Literatur Jablonski NG (2006) Skin: a natural history. University of California Press, Berkeley Klotz C (2012) „Fraktales Fleisch“? Körpermodifikationen und Modern Primitivism als Ausdrucksformen einer neuen (und alten) Körperlichkeit. Universität Marburg, Diss. https://doi.org/10.17192/ z2012.1051 Wittmann O (2017) Werkalterung und Umrisslinie: Zur Unschärfe von Tattoos. In: Därmann I, Macho T (Hrsg) Unter die Haut. Tätowierungen als Logo und Piktogramme. Wilhelm Fink, München

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Hygiene Daniel Rust Inhaltsverzeichnis 6.1

 orrekte Auswahl und Anwendung K von Desinfektionsmitteln – 54

6.2

Dokumentation – 55

6.3

Aufbaubeispiel eines Tattoo-Arbeitsplatzes – 56

6.4

 ygiene und Besonderheiten während H des Tätowiervorgangs – 57

6.5

Nachsorge – 59

6.6

Arbeitsplatzabbau – 60

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_6

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D. Rust

Im Jahr 2020 hat der Begriff Hygiene im Zuge von Covid-19 erhebliche Aufmerksamkeit erfahren. Doch nicht nur die Menschen vom Fach wissen schon lange, was Handhygiene bedeutet oder warum Flächen desinfiziert werden. Im Gegensatz zu Privathaushalten sind der richtige Umgang mit Hygiene, die passenden und zugelassenen Produkte sowie deren korrekte Anwendung im gewerblichen Bereich seit jeher von hoher Wichtigkeit. Ob in der Arztpraxis, im Krankenhaus, Kosmetikstudio oder natürlich auch im Tattoo-Studio – die Hygiene bedarf einer konsequenten, korrekten Anwendung und Sorgfalt, um die Verbreitung von Krankheitserregern zu unterbinden und sich selbst sowie andere zu schützen.

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6.1

Korrekte Auswahl und Anwendung von Desinfektionsmitteln

Die Auswahl des richtigen Desinfektionsmittels ist von hoher Bedeutung. Dabei geht es zum einen um das richtige Mittel für das entsprechende Einsatzgebiet und zum anderen auch um die Auswahl des richtigen Herstellers sowie der gewünschten Wirksamkeit. Doch woran lässt sich das korrekte Mittel erkennen in einem Markt, der inzwischen eine derart große Menge an verschiedenen Mitteln sowie Herstellern bietet? Es ist so kompliziert und doch so einfach! Denn ein für den gewerblichen Bereich bzw. für ein Tattoo-Studio zugelassenes Produkt muss immer in der „VAH-Liste“ (7 https://vah-­liste.­mhp-­verlag.­de) aufgeführt sein. Der Verbund für Angewandte Hygiene (VAH) ist in Deutschland dafür zuständig, Desinfektionsmittel auf ihre Wirksamkeit und die Richtigkeit der Herstellerangaben zu überprüfen. Auch Desinfektionsmittel, die nicht in der VAH-Liste stehen, können ihre angegebene Wirksamkeit haben. Doch da der validierte Nachweis fehlt, dürfen sie in einem Tattoo-Studio nicht verwendet werden.  

Tipp

Die VAH-Liste gibt es als Druckversion sowie als Online-Version. Um sicherzugehen, dass ein verwendetes Mittel eine Zulassung hat, sollte immer in die aktuelle Ausgabe geschaut werden, und die eigenen verwendeten Desinfektionsmittel sollten regelmäßig nach Listung überprüft werden.

Die VAH-Liste bietet außerdem zu jedem Produkt Gebrauchsinformationen, Anwendungshinweise sowie Erläuterungen zur Prüfmethodik. Doch bevor der passende Hersteller gefunden wird, muss zunächst das Einsatzgebiet bestimmt werden. Die Auswahl des korrekten Mittels für das jeweilige Anwendungsgebiet ist wichtig, da sonst die korrekte Wirksamkeit nicht oder nur zum Teil gegeben ist. Es gibt für folgende Bereiche unterschiedliche Mittel: 55 Hautdesinfektionsmittel 55 Instrumentendesinfektionsmittel 55 Flächendesinfektionsmittel 55 Handdesinfektionsmittel

55 Hygiene

Hautdesinfektionsmittel gibt es in zwei Varianten: Variante  1 ist auf Alkoholbasis zur Desinfektion von Hautoberflächen vor medizinischen Eingriffen oder subkutanen Injektionen, Variante 2 ist auf Basis von Octenidin und Phenoxyethanol für die Desinfektion von Schleimhäuten geeignet. Instrumentendesinfektionsmittel zeichnen sich neben ihrer Wirksamkeit vor allem dadurch aus, dass sie eine Antioxidationswirkung haben und somit das eingelegte Sterilgut vor Oxidation schützen. Flächendesinfektionsmittel gibt es ebenfalls in verschiedenen Varianten. Diese unterscheiden sich zum einen bezüglich der Wirkstoffe  – hier gibt es alkoholische und nicht alkoholische Produkte – sowie in der Form. Erhältlich sind hier fertig getränkte Tücher, selbst anzusetzende Tücher, Sprühdesinfektionen gebrauchsfertig und Desinfektionslösungen, die noch angesetzt werden müssen. Alkoholische Flächendesinfektionsmittel eignen sich vor allem zur Desinfektion kleiner Flächen und Gegenstände. Auf größeren Flächen ist die Anwendung alkoholischer Flächendesinfektionsmittel aus Arbeitsschutzgründen nicht gestattet. Für kleinere Arztpraxen oder auch für Tattoo-Studios empfehlen sich gebrauchsfertige Lösungen bzw. gebrauchsfertige getränkte Tücher, die nach Herstellerangaben anzuwenden sind. Bei einem Handdesinfektionsmittel handelt es sich um ein Desinfektionsmittel auf Alkoholbasis, das aufgrund seines besonderen Einsatzbereichs zusätzlich mit einer Nachfetteigenschaft versehen ist. Somit ist bei Verwendung guter Produkte die desinfizierende Wirkung gegeben, während die Haut bei richtiger Anwendung gleichzeitig vor dem Austrocknen geschützt wird. Bei der Entscheidung für den geeigneten Hersteller hilft die VAH-Liste, in der die Eigenschaften, Wirksamkeiten und Einwirkzeiten der unterschiedlichen Produkte angegeben sind, die dann mit Preis und Verfügbarkeit auf dem Markt abgeglichen werden können. 6.2

Dokumentation

Jeder Inhaber eines Tattoo-Studios muss, wie es auch für medizinische Einrichtungen gilt, seiner Dokumentationspflicht nachkommen. Dazu gehören das Erstellen und Führen eines Hygieneplans, die Bereithaltung aller Sicherheitsdatenblätter sowie die Überwachung der Haltbarkeit der Produkte. Bei der Überwachung der Haltbarkeit geht es einmal darum, das vom Hersteller angegebene Verfallsdatum zu kontrollieren und darauf zu achten, dass dieses nicht überschritten wird. Zum anderen ist aber auch zu beachten, wie lange der Artikel genutzt wird, nachdem er geöffnet wurde. Im Tattoo-Bereich ist bei Desinfektionsmitteln grundsätzlich nur die Benutzung von Einmalgebinden gestattet. Ein Nachfüllen aus großen Gebinden ist nicht zulässig. Wenn also ein neues Produkt aus dem Lager geholt wird, wird zunächst das Verfallsdatum kontrolliert. Wenn dies in Ordnung ist, dann wird das Produkt mit einem Anbruchdatum beschriftet. Hat das Produkt seine maximale Öffnungszeit erreicht, muss es verworfen werden, auch wenn es noch nicht vollständig aufgebraucht ist. Wann dies der Fall ist, hängt vom Produkt selbst, den Herstellerangaben sowie vom entsprechenden Spender ab. In der Regel gilt, dass Produkte ein Jahr nach der Öffnung zu verwerfen sind. Bei einem Handdesinfektionsspender, bei dem die Flasche unverschlossen eingestellt wird, gilt ein Abwurf nach sechs Monaten.

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D. Rust

Für Tattoo-Farben gelten dieselben Regeln. Die Farben müssen mit einem Öffnungsdatum versehen werden und sind nach einem Jahr zu entsorgen. Außerdem sollte eine fortlaufende Farbenliste geführt werden, in der Lieferant, Name, Hersteller der Farbe, Chargennummer und Anbruchdatum dokumentiert sind. Im Anschluss an eine Tätowierung gilt es immer, die verwendeten Farben sowie auch die Nadeln mit all ihren zugehörigen Informationen wie Chargennummer usw. zu dokumentieren. Diese Dokumentation sollte mehrere Jahre aufbewahrt werden, um auch bei eventuell nach längerer Zeit auftretenden Problemen, z. B. bei allergischen Reaktionen, die Inhaltsstoffe der Farbe identifizieren zu können und somit die Behandlung des Hautarztes zu erleichtern.

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6.3

Aufbaubeispiel eines Tattoo-Arbeitsplatzes

Bevor der Tattoo-Arbeitsplatz aufgebaut wird, muss mit dem in der Nähe des Arbeitsplatzes zur Verfügung stehenden Mittel eine Händedesinfektion durchgeführt werden. Zur Arbeitssicherheit werden im Anschluss Einmalhandschuhe angezogen. Nun gilt es, den Arbeitsplatz zu desinfizieren. Dazu wird der Platz zunächst mit einer feuchtigkeitsaufsaugenden und undurchlässigen Einmalunterlage ausgelegt, die mit Kreppband fixiert wird, um ein späteres Herumrutschen und ggf. Herunterfallen zu vermeiden. Je nachdem, welche Art Netzteil zum Einsatz kommen soll, wird dieses z. B. mit einer kleinen Tüte überzogen und am Rand des Arbeitsplatzes abgestellt oder mit einem Halter seitlich befestigt. Auch das Kabel, das vom Netzteil zur Tattoo-­ Maschine führt, wird mit einem dafür geeigneten Beutel überzogen. Im Anschluss wird dann die Maschine komplett mit einem Beutel überzogen. Für Rotarys und Spulenmaschinen eignet sich ein dafür vorgesehener Machine Bag, ein Pen kann direkt mit dem Kabelbeutel mitüberzogen werden. Als Griffstück wird ein Einweg-­ Griffstück verwendet, das für alle verschiedenen Tattoo-Maschinen und Nadelmöglichkeiten verfügbar ist. In das Griffstück wird dann ein Einwegnadelmodul mit Membran eingespannt. Die Membran sorgt dafür, dass keine Flüssigkeit in die Maschine laufen kann. Bei Stillstand der Maschine zieht die Membran die Nadel immer wieder zurück, um eine Nadelstichverletzung zu verhindern. Für die Farben werden Einwegfarbkappen verwendet. Diese gibt es in verschiedenen Ausführungen. Gemäß DIN 17169 dürfen nur steril verpackte Farbkappen zum Einsatz kommen, die mit Vaseline oder doppelseitigem Klebeband auf dem Arbeitsplatz befestigt werden können. Farbkappen dürfen nicht wieder nachgefüllt werden. Auf dem Arbeitsplatz sollten so viele Einmalwischtücher vorrätig gehalten werden wie für den Tattoo-Vorgang benötigt. Nicht verbrauchte Tücher sind mit dem Rest des Verpackungsmaterials zu entsorgen. Auf dem Arbeitsplatz dürfen nur die Gegenstände stehen, die unmittelbar für das Tätowieren benötigt werden. Wenn z. B. eine Flasche mit Greensoap-Gemisch genutzt wird, ist auch diese Flasche in einem Beutel zu verpacken. Farbflaschen, Desinfektionsmittel usw. dürfen während des Tattoo-Vorgangs nicht auf dem Arbeitsplatz verbleiben, um eine Kreuzkontamination zu verhindern. Die Liege erhält je nach Stelle der Tätowierung entweder einen kompletten Einwegüberzug oder wird

57 Hygiene

..      Abb. 6.1 Tattoo-Arbeitsplatz

mit Einweg-Ärztekrepp belegt. Sollte für den Kunden eine Armlehne verwendet werden, so wird auch diese mit Folie eingewickelt. Dasselbe gilt für eine Stehlampe, die eventuell für den Tattoo-Vorgang benutzt werden soll. Nun ist der Platz aufgebaut, um ein sauberes Arbeiten zu gewährleisten (. Abb. 6.1).  

6.4

Hygiene und Besonderheiten während des Tätowiervorgangs

Beim Tätowieren geht es neben dem Handwerk und der Kunst natürlich auch darum, darauf zu achten, dass durch Einhaltung der vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen eine Übertragung von Krankheiten verhindert wird. Folglich sollte von Anfang bis Ende ein stimmiges Hygienekonzept eingehalten werden. Dieses beginnt mit der Vorbereitung der Haut auf den Tätowiervorgang. Dazu wird zunächst die Haut des betroffenen Bereichs genauestens betrachtet. Dabei ist darauf zu achten, dass die Haut keine Infektionen, Allergien, Wunden oder sonstige Veränderungen aufweist. Bei jeglichen Veränderungen der Haut wie auch bei „merkwürdig“ aussehenden Leberflecken sollte der Kunde zu einem Hautarzt geschickt werden und seinen Tattoo-Termin erst nach einem Befund bzw. nach einer Behandlung wahrnehmen. Wenn mit dem Hautbereich in Ordnung ist, wird zunächst die Haut gereinigt. Dazu eignet sich z.  B. ein fertig gemischter Tattoo-Reinigungsschaum. Nach dem Reinigen wird die Hautstelle mit einem Einwegrasierer vorsichtig rasiert. Im Anschluss wird mit einem alkoholischen Hautdesinfektionsmittel die Haut gemäß Herstellerangabe desinfiziert und für den Stencil (Schablone) vorbereitet (. Abb. 6.2). Nach Aufbringen des Stencils lässt man diesen trocknen und beginnt mit dem Tätowiervorgang. Beim Tätowieren selbst sollte ständig auf die Sauberkeit geachtet werden. Mit kontaminierten Handschuhen dürfen keine Gegenstände angefasst werden, die nicht vorher extra dafür präpariert wurden. Ein Einwegnadelmodul wird mit einer viertel  

6

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D. Rust

6

..      Abb. 6.2  Stencil aufbringen

Drehbewegung in die Tattoo-Maschine sicher eingesetzt, und der Tätowiervorgang kann starten. Aus Arbeitsschutzgründen sind die Module so konzipiert, dass beim Stoppen der Maschine die Nadel immer in das Modul eingezogen wird, um die Stichverletzungsgefahr zu minimieren. Während des Tätowiervorgangs wird die Haut regelmäßig abgewaschen und gereinigt, entweder mit sterilem Wasser oder mit einer fertigen Mischung aus Wasser und spezieller Seife. Dabei ist es wichtig, den Kunden und seinen Zustand genau im Auge zu behalten. Neben eventuell auftretenden Schmerzen muss sichergestellt werden, dass der Kunde keinen Kreislaufzusammenbruch erleidet. Außerdem ist auf Warnzeichen der Haut zu achten, um die Haut nicht überzustrapazieren. Sollte dies der Fall sein, muss eine Tattoo-Sitzung durch eine Pause unterbrochen werden bzw. auf einen neuen Termin verschoben werden, um der Haut und dem Körper Zeit zur Regeneration zu geben.

59 Hygiene

6.5

Nachsorge

Wenn der Tätowiervorgang abgeschlossen ist, muss die Wunde in einem sauberen Umfeld ordentlich versorgt und verbunden werden, um eine bestmögliche Heilung zu gewährleisten. Dazu sollte zunächst die komplette Körperstelle mit einem Tattoo-­ Reinigungsschaum gereinigt werden. Damit werden sämtliche Verunreinigungen, Farbrückstände und gegebenenfalls getrocknetes Blut abgewaschen. Im Anschluss kann das Tattoo mit einem Tattoo-Finish besprüht werden. Das Tattoo-Finish bewirkt ein Verschließen der Poren, damit die Wunde weniger stark blutet. Ein „Ausschwimmen“ der Farbe wird verhindert, und das Pflaster füllt sich weniger mit Wundflüssigkeit. Dem Tattoo wird nun mindestens 10  Minuten Zeit gegeben, sich zu beruhigen und ggf. noch ein bisschen nachzubluten. Danach wird die Körperstelle noch ein weiteres Mal desinfiziert und mit Folienpflaster abgedeckt (. Abb.  6.3). Dabei ist darauf zu achten, dass keine Kontamination der Wunde stattfinden kann.  

..      Abb. 6.3  Folienpflaster anbringen

6

60

D. Rust

6.6

6

Arbeitsplatzabbau

Beim Arbeitsplatzabbau geht es vor allem darum, in der richtigen Reihenfolge vorzugehen, um eine Kreuzkontamination zu vermeiden. Im ersten Schritt werden alle Nadelmodule aus der Maschine und vom Arbeitsplatz entfernt und in einem Nadelabwurfbehälter geworfen. Im Anschluss wird das Schutzmaterial entsorgt. Dazu sind Einmalhandschuhe zu tragen. Alle Folien und Überzüge werden von den Maschinen und vom Arbeitsplatz abgezogen und im Müll entsorgt. Flüssigkeiten können vorab mit einem Pulver gebunden und eingedickt werden; nach der angegebenen Einwirkzeit kann die gelförmige Konsistenz dann ebenfalls im Abfallbehälter entsorgt werden. Sind alle Einwegprodukte wie Folien, Überzüge, Einweg Griffstück usw. entsorgt, werden die Handschuhe ausgezogen, und die Hände werden desinfiziert. Danach wird mit einer geeigneten Flächendesinfektion die Fläche abgewischt. Dabei ist darauf zu achten, dass nicht kontaminierte bzw. bereits desinfizierte Gegenstände nur auf bereits aufbereiteten Flächen abgelegt werden. Aus diesem Grund bietet es sich an, immer nach demselben Schema zu arbeiten. So kann man beispielsweise damit beginnen, die Liege und danach alle einzelnen kleinen Geräte, Flaschen usw. zu desinfizieren und diese dann auf der gereinigten Liege abzustellen. Im Anschluss wird der Arbeitsplatz desinfiziert und zudem alles, was Kontakt mit dem Behandler, dem Kunden oder Flüssigkeiten hatte. Nach jedem Kunden muss der Müllbeutel gewechselt und der Abfallbehälter desinfiziert werden. Der kontaminierte Müll muss in einem verschlossenen Beutel im Restmüll entsorgt werden. Da eine staubfreie Lagerung sinnvoll ist, sollte das Arbeits- und Verbrauchsmaterial in Schubladen aufbewahrt werden. Um das Material vor Stößen zu schützen und somit zu schonen, bietet es sich an, in den Schubladen ein entsprechendes Ordnungssystem einzurichten (. Abb. 6.4). Zusammenfassend gilt: Ein gut ausgearbeitetes Hygienekonzept, ein immer gleicher Ablauf bei Reinigungs- und Hygienemaßnahmen, Ordnung im Arbeitsbereich sowie eine konsequente Dokumentation schützen Kunde sowie Tätowierer vor der Verbreitung von Krankheitserregern. Abschließend lässt sich sagen, dass das optimale Ergebnis eines Tattoos nicht nur vom künstlerischen und handwerklichen Aspekt abhängt, sondern auch von der Nachsorge und Hygiene.  

61 Hygiene

..      Abb. 6.4  Schubladen mit Ordnungssystem

6

63

Tätowiermittel Michael Dirks und Katharina Ulz Inhaltsverzeichnis 7.1

Definition Tätowiermittel – 64

7.2

 nterschiede zwischen Tätowierfarben, Permanent U Make-up und Medical Tattooing Inks – 64

7.3

Zusammensetzung einer Tätowierfarbe – 65

7.3.1 7.3.2

F lüssige Komponente – Lösungsmittel und Bindemittel – 66 Feste Komponente – 66

7.4

Risiken durch Inhaltsstoffe einer Tätowierfarbe – 68

7.4.1 7.4.2

 igmenttypische Verunreinigungen – 68 P Weitere Verunreinigungen und ihre Quellen – 68

7.5

Konsumentensicherheit durch Gesetze – 69

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_7

7

64

M. Dirks und K. Ulz

7.1

Definition Tätowiermittel

Als Tätowiermittel werden Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen bezeichnet, die als Mittel zur permanenten Zeichnung in bzw. unter der Haut platziert werden und dafür bestimmt sind, das Aussehen zu beeinflussen. Demnach fallen Tätowierfarben für die konventionelle Tätowierung, aber auch Permanent Make-up und Farben für medizinische Anwendungen – vor allem in der plastischen, ästhetischen und rekonstruktiven Chirurgie  – in die Kategorie der Tätowiermittel.

7.2

7

 nterschiede zwischen Tätowierfarben, Permanent Make-up U und Medical Tattooing Inks

Tätowiermittel jeglicher Art sind in der Regel identisch aufgebaut und bestehen aus einer flüssigen und einer festen Komponente. Die flüssige Komponente ist meist eine Mischung aus diversen Lösungsmitteln und Bindemitteln, während der feste Anteil aus den farbgebenden Pigmenten besteht. . Abb. 7.1 zeigt, dass der Unterschied der oben genannten Tätowiermittel nicht zwangsläufig in der Zusammensetzung der Farben, sondern hauptsächlich im Umfang der angebotenen Farbtonpalette liegt. Im Bereich des Permanent Make-ups geht es um die Hervorhebung vorteilhafter Gesichtskonturen und die Verbesserung und Korrektur kleiner optischer Makel. Im Gegensatz dazu ist das Hauptziel des Medical Tattooings die Rekonstruktion von Brustwarten und die Narbenkorrektur. Das Hauptaugenmerk bei der Pigmentauswahl zur Herstellung von Permanent Make-up und medizinischen Tätowierfarben liegt dadurch verstärkt im Bereich der anorganischen Pigmente, denn charakteris 

..      Abb. 7.1  Einteilung der Tätowiermittel und deren Farbspektren

65 Tätowiermittel

tisch für diese Pigmente ist deren natürliche Trübheit und fehlende Brillanz. Aus anorganischen Pigmenten gefertigte Tätowiermittel erzielen natürlich wirkende Ergebnisse, decken dadurch den Bereich des Permanent Make-up und von Tattoos im medizinischen Bereich ab und werden für diese Anwendungen z. B. für Augenbrauen oder Mamillen genutzt. Diese Pigmentklasse allein bietet allerdings wenig Spielraum für das Mischen von verschiedenen Farbtönen. Im Gegensatz dazu stehen die organischen Pigmente. Aus diesen Pigmenten hergestellte Tätowiermittel zeigen brillante, dadurch aber meist eher unnatürlich wirkende Farbtöne. Organische Pigmente werden zwar auch im Permanent Make-up eingesetzt, man beschränkt sich aufgrund der beschriebenen Eigenschaften aber auf den Einsatz von Magenta, Rot und Orange. Im Gegensatz dazu nutzt man für konventionelles Tätowieren beide Pigmentklassen, wodurch eine große und umfangreiche Farbpalette ausgeschöpft werden kann.

7.3

Zusammensetzung einer Tätowierfarbe

Eine Tätowierfarbe  – egal ob Permanent Make-up, Medical oder konventionelle Tätowierfarbe  – besteht immer aus einer flüssigen und einer festen Komponente sowie aus Additiven (. Abb.  7.2). Wie bereits einleitend beschrieben, besteht die flüssige Komponente aus verschiedenen Lösungs- und Bindemitteln. Da Additive der Tätowierfarben nur in geringen Mengen beigemengt werden, wird in diesem Kapitel nicht näher darauf eingegangen.  

..      Abb. 7.2  Zusammensetzung eines Tätowiermittels

7

66

M. Dirks und K. Ulz

7.3.1

Flüssige Komponente – Lösungsmittel und Bindemittel

Die flüssige Komponente einer Tätowierfarbe dient als Vehikel für die Pigmente und kann aus verschiedenen Lösungsmitteln zusammengesetzt sein. Als typische Lösungsmittel in Tätowierfarben werden vor allem Wasser, aber auch einfache und mehrwertige Alkohole oder Pflanzenhydrolate verwendet. Außerdem kann die flüssige Phase auch Bindemittel enthalten. Diese Bindemittel sind  – je nach Molekülmasse – entweder flüssig oder fest und müssen dann im Lösungsmittel aufgelöst werden. Makromoleküle unterschiedlichster Molmassen wie Polyethylenglykole oder auch im Lösungsmittel gelöste filmbildende Bindemittel (wie z. B. Schellack) werden verwendet, um die flüssige Phase mit der festen Phase der Pigmente zu binden. Obwohl das Bindemittel eigentlich zu den Feststoffen zählt, ist es aufgrund seines gelösten Zustands den Flüssigkeiten zuzuschreiben.

7

7.3.2

Feste Komponente

Die in einer Tätowierfarbe eingesetzten Pigmente zählen zur festen Komponente und lassen sich in anorganische Pigmente, organische Pigmente und Farbruße unterteilen. Da Pigmente im Gegensatz zu Farbstoffen in ihrem Anwendungsmedium als unlöslich gelten, werden auch nur diese Farbmittel zur Herstellung von Tätowiermitteln verwendet. Ihre Unlöslichkeit ist letztlich verantwortlich für die Haltbarkeit der Farbe in der Haut. Farbstoffe lösen sich im Anwendungsmedium auf, somit würde eine Tätowierfarbe aus Farbstoffen bereits während der Tätowierung vom Körper abgebaut. Daher sind Farbstoffe für Tätowierfarben ungeeignet. Nach dem Tätowieren bleiben die Pigmente als Festkörper in der Haut zurück, sie sind verantwortlich für die Farbigkeit einer Tätowierung.

Anorganische Pigmente Anorganische Pigmente können durch Vermahlung von Mineralien natürlich oder als Syntheseprodukt aus verschiedenen Herstellungsverfahren gewonnen werden. Obwohl es viele verschiedene Vertreter dieser Gruppe von Pigmenten gibt, werden hauptsächlich drei verschiedene Metalloxide für das Tätowieren verwendet: ­Titandioxide, Eisenoxide und Chromoxide. zz Titandioxide

Weiß ist nicht gleich Weiß. Das wichtigste Weißpigment und überhaupt eines der wichtigsten Pigmente in allen Tätowierfarben, gleich ob für Permanent Make-up, Medical Tattooing oder klassische Tätowierung, ist das Titandioxid. Es weist unter den weißen Pigmenten den größten Brechungsindex auf und hat somit die höchste Deckkraft und Reflexion aller weißen Pigmente. Ohne weißes Pigment ist eine Unterteilung von Buntpigmenten in Dunkel, Mittel, Hell und Pastell unmöglich. Ebenso beeinflusst der Einsatz von Titandioxid die Deckkraft einer Farbe. Ohne Weiß würden die meisten Buntfarben lasierend und dadurch matt erscheinen. Das Titandioxid kommt in drei verschiedenen Kristallmodifikationen vor, wovon zwei von technischer Bedeutung sind: Anatas und Rutil. In der Vergangenheit wurde

67 Tätowiermittel

hauptsächlich das Anatas verwendet. Gegenwärtig verwendet man vermehrt die rutile Titandioxidtype, da diese im Vergleich zu Anatas mit Sonnenlicht weniger zur Bildung von freien Radikalen neigt und dadurch das umgebene Gewebe weniger belastet. zz Eisenoxide

Eine weitere wichtige Pigmentgruppe der anorganischen Pigmente ist die der Eisenoxide. Sie kommen hauptsächlich vor als Eisenoxidrot, Eisenoxidgelb (Ocker), Eisenoxidschwarz und als Mischung der drei Eisenoxide in Braun. Diese Pigmente lassen sich sehr leicht verarbeiten und sind verantwortlich für natürlich aussehende Ergebnisse. Aufgrund künftiger Reglementierungen und der Tatsache, dass nur das Eisenoxidrot stabil ist, verschwindet das Eisenoxid als wichtige Pigmentklasse zunehmend aus dem Sortiment. Wie bereits erwähnt, neigen die Eisenoxidpigmente über Zeit und Temperatur hinweg dazu, in Richtung Rot umzuschlagen, da das rote Eisenoxid die thermodynamisch stabilste Variante darstellt. Eisenoxidgelb hingegen hat neben dem Rotumschlag eine weitere Besonderheit: Aufgrund seiner nadelartigen Struktur kann das Pigment bei Zerstörung durch feines Mahlen, aber auch durch Anwendung von Laserbehandlungen ins Grünliche umschlagen. zz Chromoxide

Die Pigmentgruppe der Chromoxide wird der Vollständigkeit halber genannt. Sie deckt den Bereich der Grüntöne ab. Um genau zu sein, gibt es ein Chromoxidgrün und ein Chromoxidhydratgrün. Diese Pigmente finden  – wenn überhaupt noch  – Einsatz im Permanent Make-up als sogenannte Red Stopper, d.  h. grünliche Korrekturtöne für rötliche Augenbrauen.

Organische Pigmente Bei organischen Pigmenten handelt es sich um künstlich hergestellte Farbmittel. Während anorganischen Pigmente eher trüb und natürlich wirken und ein begrenztes Farbspektrum abdecken, ergänzen die organischen Vertreter durch ihre Vielfalt und Brillanz das Farbspektrum um den kompletten sichtbaren Bereich. Diese Kategorie der Pigmente lässt sich grob in Azopigmente und polyzyklische Pigmente unterteilen. Während Azopigmente die Azogruppierung N=N als ­charakteristische farbgebende Gruppe haben und zu ihrer Herstellung aromatische Amine, Phenole und Naphtole verwendet werden, sind polyzyklische Pigmente deutlich komplexer im Aufbau und können – je nach Pigment – auf problematische aromatische Amine in der Synthese verzichten. Des Weiteren sind polyzyklische Pigmente aufgrund ihrer Größe und Struktur im Vergleich zu Azopigmenten stabiler und lichtechter.

Farbruße Farbruße sind die stärksten und wichtigsten Schwarzpigmente in Permanent Make-­up (PMU)- und Tätowierfarben. Je nach Herstellungsverfahren erhält man unterschiedliche Teilchengrößen und erreicht somit rötlich-bräunliche bis hin zu bläulich-grünlichen Schwarztönen. Farbruß wird durch die unvollständige Verbrennung von Gasen und Ölen gewonnen und besteht somit aus Kohlenstoff.

7

68

M. Dirks und K. Ulz

7.4

Risiken durch Inhaltsstoffe einer Tätowierfarbe

Tätowierfarben und die darin enthaltenen Bestandteile können allergische Reaktionen verursachen. Da hauptsächlich das Pigment in der Haut zurückbleibt, werden hier auch nur die Pigment-typischen Verunreinigungen aufgeführt (. Abb. 7.3).  

7.4.1

7

Pigmenttypische Verunreinigungen

Jede Pigmentklasse hat ihr eigenes charakteristisches Profil an Verunreinigungen. So enthalten anorganische Pigmente als Verunreinigungen generell im Vergleich zu ihren organischen Vertretern mehr Schwermetalle. Während organische Verunreinigungen wie polyzyklische Kohlenwasserstoffe, kurz: PAKs, oder aromatische Amine in den anorganischen Pigmenten eher als unwahrscheinlich gelten, so kommen im Ruß aufgrund der unvollständigen Verbrennung durchaus PAKs vor. Ebenso kommen aromatische Amine synthesebedingt eher in organischen Pigmenten vor. 7.4.2

Weitere Verunreinigungen und ihre Quellen

Gesundheitsschädigende Phtalate werden bei bestimmten Kunststoffarten als weichmachende Zutat zugegeben. Diese Weichmacher lösen sich aus den Kunststoffen und gelangen so in die Tätowierfarben. Weichmacher können in Tätowierfarben vermieden werden, indem man bei der Auswahl der Primärverpackung auf PVC-haltige Verpackungen verzichtet. Pigmente Bindemittel Anorganisch

Schwermetalle Lösungsmittel Additive

Farbruße

Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe

Aromatische Amine

Verunreinigungen

Nitrosamine Organisch

Monomere Phtalate

Organische Pigmente Formulierung

Bindemittel Kunststoffverpackung Viren

Microben

Organische Pigmente

Bakterien Pilze

..      Abb. 7.3  Schematische Darstellung der Verunreinigungen

Azopigmente

69 Tätowiermittel

Ebenso können Monomere als technisch unvermeidbare Stoffe aus der Herstellung der polymeren Bindemittel als Verunreinigungen in Farben enthalten sein. Hierzu empfiehlt es sich, als Farbenhersteller die Spezifikationen des jeweiligen Polymers auf den Restmonomerengehalt zu prüfen. In der Regel übersteigt der Gehalt an übriggebliebenen Monomeren nicht 50 ppm. Der Vollständigkeit halber werden Nitrosamine als mögliche weitere organische Verunreinigung erwähnt. Diese entstehen bei ungünstigen Formulierungen von Tätowierfarben und können daher vernachlässigt werden.

7.5

Konsumentensicherheit durch Gesetze

In Deutschland sind Tätowierfarben und Permanent Make-up durch die Tätowiermittel-­Verordnung reguliert. Diese schreibt vor, was in Tätowierfarben enthalten sein darf und wie der Informationsgehalt bezüglich konsumentenrelevanter Inhalte und Daten auf der Etikettierung auszusehen hat. Die deutsche Tätowiermittel-­ Verordnung basiert auf den europäischen Resolutionen ResAp 2003_2 und ResAp 2008_1. Aufgrund des Harmonisierungsbedarfs innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums, um den innergemeinschaftlichen freien Warenverkehr gewährleisten zu können, entsteht derzeit eine Europäische Verordnung. Diese reguliert zukünftig einheitlich über 4000 verschiedene Stoffe in Tätowiermitteln und soll dadurch größtmögliche Sicherheit für den Konsumenten bieten. Nichtsdestotrotz sollte sich jeder Konsument darüber im Klaren sein, dass Tätowierfarben und darin enthaltene Bestandteile allergische Reaktionen verursachen können und somit eine Tätowierung nie zu 100 Prozent frei von Risiken sein wird.

7

71

Medical Tattooing Andy Engel Inhaltsverzeichnis 8.1

 ie Möglichkeiten einer D Brustwarzenrekonstruktion – 72

8.2

Ablauf einer Brustwarzenrekonstruktion – 73

8.3

Herausforderungen von Medical Tattooing – 74

8.4

Professionalisierung von Brustwarzenrekonstruktionen – 74

8.5

 erständnis für die Situation der V Patienten und Patientinnen – 76

8.6

Kostenübernahme durch die Krankenkassen – 76

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_8

8

72

A. Engel

Tattoos sind aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken, das steht außer Frage. Aber auch die Medizin gewinnt immer mehr Verständnis für die Vorteile von Tätowierungen, vor allem in der Verbrennungsmedizin und Brustchirurgie. Mithilfe von Tattoos lassen sich beispielsweise Brustwarzen (Mamillen) von Krebspatienten und -patientinnen rekonstruieren, Narben korrigieren oder Farbangleichungen nach Geschlechtsangleichungen am Penoiden vornehmen. In der Regel greifen Frauen und zum Teil auch Männer auf eine Brustwarzenrekonstruktion zurück, denen nach einer Brust-OP eine oder beide Brustwarzen fehlen. In diesen Fällen können Brustwarzen tätowiert werden, die täuschend echt aussehen. Im Anschluss ist kein bis kaum ein Unterschied zu echten Brustwarzen erkennbar. Eine Brustwarze weist immer Fältchen und kleine Warzen auf, deren Struktur dreidimensional in die Tätowierung nachgestellt und eingearbeitet wird (. Abb. 8.1). Damit schenken die Tätowierungen Menschen nach einer Krankheit ein neues Körpergefühl. Die Rekonstruktion der Brustwarzen hat dabei einen wichtigen Stellenwert im Leben der ehemaligen Patienten und der Patientinnen. Es geht um mehr als eine neue Brustwarze. Es geht um ein Stück Normalität im Alltag, mehr Selbstbewusstsein und Zufriedenheit sowie die Lust, aktiv am Leben teilzunehmen. Insbesondere nach einer schweren Krankheit hat dies große Bedeutung.  

8

8.1

Die Möglichkeiten einer Brustwarzenrekonstruktion

Es gibt zwei Möglichkeiten einer Brustwarzenrekonstruktion, die sich je nach Ausgangslage anwenden lassen. Entweder können der Brustwarzenvorhof (Areola), also der runde, stärker pigmentiere Hautbereich, der die Brustwarze umgibt, und die

..      Abb. 8.1  Brustwarzenrekonstruktion beidseitig ohne Aufbau

73 Medical Tattooing

..      Abb. 8.2  Brustwarzenrekonstruktion einseitig mit Nippelaufbau

Brustwarze selbst mithilfe von Schatten-Licht-Techniken tätowiert werden. Damit entsteht der fotorealistische Eindruck einer dreidimensionalen Brustwarze, die auf eine glatte Oberfläche tätowiert wurde. Die zweite Möglichkeit ist eine tatsächliche plastische Rekonstruierung im Vorfeld, um später nur den Brustwarzenhof und die Brustwarze einzufärben (. Abb. 8.2). Diese Möglichkeit eignet sich jedoch nur für Menschen, die einverstanden sind, dass die Brustwarzen die ganze Zeit unter der Kleidung zu sehen sind. Sollte eine Brustwarze auf der Gegenseite vorhanden sein, orientiert man sich an ihrem Aussehen. Das Retuschieren des Brustbereichs durch ein Tattoo-Bild ist natürlich immer möglich.  

8.2

Ablauf einer Brustwarzenrekonstruktion

Nachdem die Brust nach einer Krankheit erfolgreich aufgebaut wurde, kann die fotorealistische Brustwarzenrekonstruktion folgen. Vor jeder Behandlung findet ein beratendes Gespräch statt, je nach Wunsch persönlich, telefonisch oder per E-Mail. Der Eingriff selbst erfolgt selbstverständlich vor Ort, jedoch ambulant und ohne Narkose oder lokale Betäubung. Dies ist erfahrungsgemäß nicht nötig. Die ­Behandlungsdauer liegt bei ca. 3 Stunden. Auch eine Narbenretusche ist möglich. Die Narbe sollte jedoch mindestens ein, besser aber zwei Jahre alt sein. So wird sichergestellt, dass die Wundheilung vollends abgeschlossen ist. Die Farbanpassung eines Penoids nach einer Geschlechtsangleichung kann nach ca. einem Jahr erfolgen.

8

74

A. Engel

8.3

Herausforderungen von Medical Tattooing

Bei einer Brustwarzenrekonstruktion kann der meist kleine senkrechte oder waagerechte Schnitt recht gut in das Tattoo integriert werden und stört in vielen Fällen nicht weiter. Wenn der Brustwarzenvorhof plastisch rekonstruiert wurde, findet man eine kreisrunde Narbe vor, die Tattoo-Farben oft nicht einwandfrei aufnimmt. Dieses Problem stellt sich vor allem dann, wenn der Brustwarzenvorhof aus Gewebe des Augenlids oder des Schambereich des Patienten oder der Patientin erstellt wurde. Zwar kommt die dünne Haut der Haut des Brustwarzenvorhofs am nächsten, aber sie schwillt beim Tätowieren schnell an und ist daher schwieriger zu bearbeiten. Hier wird deutlich, wie wichtig die Zusammenarbeit und die Aufklärungsarbeit in Kliniken ist. Zuletzt gibt es leider auch OP- oder Unfallnarben, die nicht tätowiert bzw. nicht der eigenen Hautfarbe angeglichen werden können.

8

8.4

Professionalisierung von Brustwarzenrekonstruktionen

Speziell für Brustwarzenrekonstruktionen ist in enger Zusammenarbeit und Kooperation mit Kliniken und Geschäftspartnern die eigenständige ANDY ENGEL BWK® GmbH & CO KG entstanden. Es konnten bereits 20 Tätowierer und Tätowiererinnen für die DACH-Länder ausbildet werden, um die speziellen Techniken an weitere Kunden und Kundinnen weiterzugeben (Stand: 2021). Für die Arbeit der Tätowierer und Tätowiererinnen wurden in aufwendigen Verfahren spezielle Produkte und 24 Farben entwickelt, die dem Farbspektrum der Brustwarze entsprechen und das Ergebnis damit so realistisch wie möglich erscheinen lassen (. Abb. 8.3).  

..      Abb. 8.3  24 sterile Single Caps Med BWK by Andy Engel Farben

75 Medical Tattooing

..      Abb. 8.4  Inhalt eines Med BWK by Andy Engel Package

..      Abb. 8.5  Med BWK by Andy Engel Package

Ein speziell entwickeltes Behandlungspaket enthält alles, was für die Tätowierung nötig ist, und wird für jeden Kunden und jede Kundin neu zusammengestellt (. Abb. 8.4 und 8.5). Dieser Schritt und eine zukünftig folgende ISO-Zertifizierung sorgen dafür, dass übliche Standards angehoben werden und damit die größtmögliche Qualität gesichert werden kann. Auch im Bereich der Hygiene und Materialeinheit geht man damit einen Schritt weiter als bei üblichen Tätowierungen. Damit werden Frauen und Männer abgeholt, die zuvor nichts mit Tattoos und Tattoo-Studios zu tun hatten. Diese sollen sich sicher und professionell behandelt fühlen.  

8

76

A. Engel

8.5

8

Verständnis für die Situation der Patienten und Patientinnen

Man darf nicht vergessen, dass es sich um eine völlig andere Situation des Tatöwierens handelt als bei herkömmlichen Tattoos. Das betrifft sowohl die Gründe für das Tattoo als auch die Bedingungen, unter die eine Tätowierung entsteht. Diese unterscheiden sich beispielsweise durch das Narbengewebe, eine bestrahlte Haut und Personen mit Medikation deutlich. Diese Faktoren gilt es für eine gelungene Brustwarzenrekonstruierung zu beachten. In Vorträgen von erfahrenen Ärzten wie Dr. med. Andreas Cramer, Oberarzt am Missionsärztlichen Klinikum Würzburg, oder Dr. med. Jens Kauczok, Facharzt für Plastische Chirurgie in Würzburg, lernen die Tätowierer und Tätowiererinnen, was die Diagnose Krebs für die Patienten und Patientinnen bedeutet, aber auch, wie Operation, Behandlung sowie der Wiederaufbau der Brust ablaufen. So erhalten sie fundiertes Wissen über den Wiederaufbau einer Brust. Das zeigt sich z. B. im Wissen darüber, ob ein Implantat über oder unter einem Muskel liegt, und über die damit verbundene Dicke der Haut, die wiederum einen Einfluss auf die Stecktiefe der Nadel hat. Im medizinischen Umfeld haben der Datenschutz und die Dokumentation der Arbeit einen besonders hohen Stellenwert. Die Dokumentation erfolgt durch Fotos und schriftlich, um die Arbeitsschritte nachvollziehbar zu machen. Das ist für die Tätowierer und Tätowiererinnen, aber auch für eine transparente Behandlung seitens der Patienten und Patientinnen sowie der Kliniken und Krankenkassen wichtig und für eine professionelle Zusammenarbeit notwendig. Um für ein qualitativ hochwertiges Ergebnis zu sorgen, erfolgt ein Kontrolltermin im Abstand von 12 Wochen, auch wenn das Ergebnis bereits nach dem ersten Termin sehr gut ist. Damit alle Wünsche des Patienten oder der Patientin erfüllt werden, wird die Brustwarzenrekonstruktion so oft wie nötig nachgearbeitet und zusätzlich mit einer dreijährigen Garantie versehen.

8.6

Kostenübernahme durch die Krankenkassen

Die Frage nach der Kostenübernahme durch Krankenkassen ist ein wichtiger Aspekt für viele Patienten und Patientinnen. Weil die Narbenkorrektur oder Brustwarzenrekonstruktion zu einem gestärkten Selbstwertgefühl und mehr Lebensqualität sorgt, übernehmen viele Krankenkassen die Kosten bzw. Teilkosten. Rund die Hälfte aller Betroffenen erhält eine vollständige Kostenübernahme, ein Viertel erhält eine anteilige Unterstützung. Auch hier ist Aufklärungsarbeit seitens der Tätowierer und Tätowiererinnen für Krankenkassen nötig, die unter anderem eine genaue Erklärung des Preises und der relevanten Gründe für eine Brustwarzenrekonstruktion beinhaltet. Hierunter fallen beispielsweise der psychologische Stellenwert, aber auch die medizinischen Hintergründe.

77

77

Medical Tattooing

Medical Tattooing ist ein Fachgebiet, das spezielle Kenntnisse erfordert, um größtmögliche Sicherheit für alle Parteien zu gewährleisten. Die ANDY ENGEL BWK® GmbH & CO KG hat sich auf dieses Wissen spezialisiert und setzt sich aktiv für mehr Aufklärungsarbeit ein. Besonders wichtig sind der Austausch und die Aufklärungsarbeit seitens der Tätowierer und Tätowiererinnen für Patienten und Patientinnen, Kliniken und Krankenkassen. Diese Aufgabe ist komplex, dafür aber besonders lohnenswert, behält man doch so die persönlichen Gründe der Patienten und Patientinnen für eine Brustwarzenrekonstruktion und die Möglichkeiten von Tätowierungen und deren Nutzen im Blick.

88

79

Wie erkenne ich ein „gutes“ Tattoo-Studio? Thomas Sembt Inhaltsverzeichnis 9.1

 uchen Sie nach einem für Sie geeigneten S Tattoo-Studio – 80

9.2

 uchen Sie nicht nach dem günstigsten S Preisangebot – 80

9.3

 uchen Sie nach der Tattoo-Stilrichtung S Ihres Wunschmotivs – 81

9.4

So erkennen Sie einen guten Tätowierer – 82

9.5

So erkennen Sie ein sauberes Tattoo-Studio – 83

9.6

 achsorgehinweise und weitere N Dienstleistungsangebote in einem guten Tattoo-Studio – 86 Weiterführende Links – 86

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_9

9

80

T. Sembt

Haben Sie sich für die Idee eines permanenten Motivwunschs oder einer Verzierung Ihrer Haut entschieden, dann gilt es bei der Suche nach einem geeigneten Tattoo-­ Studio und Ihrem persönlichen Tätowierer einiges zu beachten. Die folgenden 6 + 1 wichtigen Tipps und Hilfestellungen sollten Sie vor dem Stechen Ihrer Wunsch-Tätowierung bei Ihrer Suche nach einem „guten“ Tattoo-Studio berücksichtigen.

9.1

9

Suchen Sie nach einem für Sie geeigneten Tattoo-Studio

Vor Beginn des Internetzeitalters musste man sich als neuer Tattoo-Kunde weitestgehend auf Empfehlungen aus dem bereits tätowierten Freundes- oder erweiterten Bekanntenkreis verlassen. Hatte man danach erst einmal all seinen Mut zusammengefasst und ein Tattoo-Studio halbblind auf fremden Ratschlag hin betreten, verließ man es nur selten ohne Tätowierung, egal wie das Resultat im Nachhinein aussah. Die persönliche Vorbereitung auf einen Tattoo-Termin wird heute durch unterschiedliche Internet-Dienstleister deutlich vereinfacht und transparenter gestaltet. Spezielle Online-Portale identifizieren deutschlandweit und darüber hinaus geeignete Tattoo-Studios, ebenso wie dort arbeitende sogenannte Resident Artists (dauerhaft ortsansässige Tattoo-Künstler) oder auch Guest Spots für Tätowierer, die für gebuchte Zeitspannen ins jeweilige Studio kommen. In der Regel wird nach Örtlichkeiten, Tätowierern und Tattoo-Stilen sortiert und mit Fotodokumentationen Unterstützungsarbeit für die individuelle Motivsuche geleistet. Soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram, Pinterest und Co. bieten zusätzlich viel Inspiration bei der Suche nach Tattoo-Motiven und helfen ebenfalls, potenzielle Tattoo-Künstler und Studios ausfindig zu machen. Allerdings sollte man sich bei der Suche nicht unbedingt durch die Anzahl an Followern, Likes oder Kommentaren auf den Social-Media-Profilen leiten lassen. Unter Umständen können diese gekauft worden sein, engste Freunde könnten die besten Bewertungen abgegeben haben, oder es könnte sogar Werbung mit Fotos von fremden Arbeiten gemacht worden sein. Ein Tattoo-Artist mit wenigen Likes und Followern liefert also nicht unbedingt schlechtere Arbeiten als jemand, dessen Profil mit seinen Abonnenten fast überläuft. Einen großen Vorteil hat die Internetrecherche jedenfalls: Sie können sich ausgiebig Zeit nehmen, für sich das richtige Motiv, die passende Körperstelle und das geeignete Tattoo-Studio nebst Künstler auszusuchen und dabei den branchenüblichen Slogan „Think before you ink!“ (Denke nach, bevor du dich tätowieren lässt!) beherzigen.

9.2

Suchen Sie nicht nach dem günstigsten Preisangebot

Qualität kostet! Genauso wie das Know-how und die Kunstfertigkeit Ihres Tattoo-­ Artists für die Erstellung einer Tätowierung. Dabei sollte das günstigste Angebot nicht den Ausschlag geben. Der Preis für eine Tätowierung wächst mit seiner Größe, Farbgebung und dem damit verbundenen Aufwand. Die finanzielle Spanne reicht hierbei von günstigen, sogenannten Wanna-Dos bis hin zu mehreren Tausend Euro teuren und sehr individuellen Kunstwerken nach Ihren persönlichen Vorstellungen. Wanna-Dos sind vom Tattoo-Künstler bereits vorgefertigte kleinere Tattoo-Motive,

81 Wie erkenne ich ein „gutes“ Tattoo-Studio?

die aus einem Katalog oder einer Skizzenvorlage zum Festpreis ausgewählt werden können. Kosten für Material, Studioausstattung und Zeit für ein ausführliches Beratungsgespräch, die Entwurfszeichnung Ihres persönlichen Tattoo-Motivs und mögliche Korrekturen oder Nacharbeitungen fließen dabei stetig in das Tattoo-­ Budget mit ein, bevor der eigentliche Tattoo-Termin startet.

9.3

Suchen Sie nach der Tattoo-Stilrichtung Ihres Wunschmotivs

Jedes Tattoo-Motiv hat seine eigene individuelle Note, auch wenn es sich um eine Standardtätowierung handelt, die bereits tausendfach von verschiedensten Tattoo-­ Künstlern weltweit gestochen wurde. So unterscheiden sich nicht nur die Techniken und eingesetzten Tätowiermittel, sondern vor allen Dingen die künstlerische Begabung, Übung und Routine beim Stechen des Wunschmotivs. Dies gilt sowohl für einfache Bilder wie Unendlichkeitszeichen oder eine Pusteblume als auch für einen Löwenkopf oder aufwendige Tattoo-Sleeves (komplette Tattoo-Kompositionen auf dem Arm) oder Full-Body-Tattoo-Suits (Ganzkörpertätowierungen). Je aufwendiger das Tattoo-Motiv ist, desto gewissenhafter sollten Sie bei der Suche nach einem Tattoo-­Studio und Tattoo-Künstler vorgehen. Ein gutes Tattoo-Studio lobt nicht nur seine dort arbeitenden Tätowierer aus, sondern auch ihre umgesetzten Tattoo-Stilrichtungen und Tattoo-Techniken. Man findet im Internet zahllose Fotodokumentationen anhand derer man für sich bereits eine Vorauswahl treffen kann. Bei Tattoo-Stilen und -Techniken unterscheidet man grob zwischen folgenden Kategorien: 55 Abstract 55 Asia Style 55 Aquarell/Watercolor 55 Bio-Mechanic 55 Blackwork 55 Black & Grey 55 Celtic 55 Comic 55 Cover-up 55 Cross-Stitch 55 Darkart/Horror 55 Dotwork/Stippling 55 Fantasy 55 Fineline 55 Flora & Fauna 55 Freehand 55 Geometric 55 Grey Wash 55 Haida 55 Hand-poked/Stick & Poke 55 Ignorant Style 55 Illustrative 55 Japanese Traditional/Irezumi

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55 Kawaii Tattoo 55 Lettering & Ambigrams 55 Maori/Tribals/Tahitian 55 Mandala 55 Memorial 55 Modern Traditional 55 Neo-Traditional 55 New School 55 Old School/Traditional 55 Oriental 55 Ornamental 55 Patch Tattoo/Embroidery 55 Polygon 55 Portrait 55 Realistic 55 Religious 55 Singleline 55 Sketch Style 55 Surrealistic 55 Tiny Tattoo 55 Trash 55 Trash Polka 55 White Tattoo Dabei gilt es zu erwähnen, dass sich ein professioneller Tätowierer meist auf ein oder zwei Stilrichtungen spezialisiert hat und nicht nur die handwerkliche Umsetzung beherrscht, sondern sich auch mit der kunst- und kulturgeschichtlichen Gestaltung der Motive auskennt. Jüngere Tattoo-Artists bieten hingegen oftmals viel zu viele Stilrichtungen gleichzeitig an. Neben der Internetrecherche helfen auch bekannte Tätowier-Magazine aus dem Zeitschriftenhandel und Bücher mit Bildern und Begleitartikeln bei der Suche. Noch besser und frei von digitaler Nachbearbeitung des Bildmaterials ist der Besuch einer Tattoo-Convention. Auf diesen eigens für die Tattoo- und Piercing-Szene ausgerichteten Messen erlebt man nicht nur hautnah mit, wie die Tattoo-Artists ihr Handwerk direkt am Kunden ausüben, sondern man kann im persönlichen Gespräch auch einen ersten Eindruck vom Künstler selbst erhalten. Vielleicht bekommen Sie vor Ort sogar schon eine Empfehlung vom Tätowierer zur Umsetzbarkeit Ihres Motivwunschs an ausgewählter Körperstelle, erste Kosteneinschätzungen oder auch Verbesserungsvorschläge, die Sie bis zum Beratungsgespräch im Studio in Ruhe überdenken können.

9.4

So erkennen Sie einen guten Tätowierer

Egal wo und über welche Medien Sie recherchieren: Der Tätowierer sollte Ihren individuellen Wünschen entsprechen. Wenn Ihnen nach Ihren Suchkriterien ein Tattoo-­ Künstler ins Auge fällt, dann schauen Sie sich als erstes seine Referenzen an und

83 Wie erkenne ich ein „gutes“ Tattoo-Studio?

vergleichen Sie diese Arbeiten mit alternativen Suchergebnissen. Stetig zu bedenken ist bei Bildmaterial, dass Ihnen vornehmlich nur wirklich gut gelungene Werke gezeigt werden, da niemand Werbung mit eher missratenen Ergebnissen macht. Zudem müssen Sie wissen, dass diese Fotos meist von frischen Tätowierungen direkt nach dem Stechen angefertigt werden und der Heilungsprozess erst noch bevorsteht. Sie zeigen sich also in voller Strahlkraft und Farbintensität oder werden gar digital noch etwas für die Internetpräsentation aufgearbeitet. Ehrliche Fotos von gänzlich abgeheilten Tätowierungen sind recht rar, zeugen aber von maximaler Professionalität des Tätowierers, wenn er sie zeigt. Zwar auch digital, aber authentischer sind Video-Tutorials oder unbearbeitete Filme, die den Tattoo-Künstler bei seiner Arbeit zeigen. Ein Beispiel: Die Linien trennen bei Tätowierungen den Profi oft vom Laien. An in die Haut gestochenen Tattoo-Lines oder Outlines (Linien und Konturen) erkennt man sehr häufig, wer sein Handwerk versteht und auch Begabung hat. Im Selbstversuch einen vertikalen und einen horizontalen geraden Bleistiftstrich auf ein Blatt Papier zu bringen zeigt schnell, wo Talent steckt oder nicht. Ein Tattoo-Künstler hat zudem noch die Schwierigkeit, sobald er die Tätowiermaschine und seine Nadeln aus der Haut zieht, an der gleichen Stelle wieder ansetzen zu müssen, und das nur bis zu einer bestimmten Hauttiefe. Wird Ihr Wunsch-Tätowierer Ihren Recherchen gerecht, vereinbaren Sie einen Beratungstermin vor Ort im Studio und stellen Sie Ihr Tattoo-Projekt vor. Dabei ist es ratsam, einen Tattoo-Künstler auszuwählen, der Ihren gewünschten Tattoo-Stil auch vertritt. Jemand, der sich mit seinen Arbeiten auf Asia-Style spezialisiert hat, wird sicherlich Schwierigkeiten mit Motiven aus dem Bereich Porträt oder Realistic haben. Es empfiehlt sich also immer zu einem Spezialisten des jeweiligen Tattoo-Stils zu gehen. Ein guter Tätowierer wird Sie im Erstgespräch umfassend über den Tätowiervorgang beraten und über mögliche Risiken und Nebenwirkungen aufklären., Im besten Fall sowohl mündlich als auch schriftlich. Oftmals gehören zu diesem Gespräch auch kritische Fragen. Gerade bei Tattoo-Neulingen und wenn es um Motive an besonders gut sichtbaren Körperstellen geht. Wundern Sie sich nicht, wenn Ihnen der Tätowierer von Tattoos an Hals, Hand oder Gesicht abrät oder Sie gar gänzlich von Ihrem Motivwunsch abbringen will. Er weiß oftmals um die Nachteile, die im persönlichen Umfeld oder im Job des Tattoo-Trägers entstehen können. Merken Sie im Gespräch selbst, dass einige Aspekte von Ihnen noch nicht komplett durchdacht wurden, lassen Sie Ihr Tattoo-Projekt ruhen und reifen. Ein guter Tätowierer wird Sie im Studio nicht unter Druck setzen und keinen Kaufzwang auf Sie ausüben (. Abb. 9.1).  

9.5

So erkennen Sie ein sauberes Tattoo-Studio

Ein gutes Tattoo-Studio ist nicht nur sauber, sondern rein. Für die Identifizierung reicht der Blick auf Website-Bilder in der Regel leider nicht aus, da kaum jemand Fotos von einem unaufgeräumten Studio präsentiert. Hier helfen nur Ihr direkter Besuch und Ihre eigene Spürnase. Ein sauberes Tattoo-Studio ist hell, gut durchlüftet und der Geruch nach frischer Desinfektion steigt Ihnen sofort in die Nase – ähnlich einer Arztpraxis. Staub hat im Arbeitsbereich nichts zu suchen.

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..      Abb. 9.1  Studiobilder Dark Grey Tattoo-Studio Essen NRW, Inh. Dennis Boden (© Tony Kreutz)

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..      Abb. 9.2  Tattoo-Arbeitsplatz: Dark Grey Tattoo-Studio Essen, NRW, Inh. Dennis Boden (© Tony Kreutz)

Die Ausstattung eines guten Tattoo-Studios beinhaltet leicht abwaschbare Oberflächen und Böden, mit einem Deckel verschlossene Abfallbehälter, Desinfektionsmittelspender und Halter für Einwegtücher an leicht zu erreichenden Waschbecken. Professionelle Tattoo-Studios verfügen zudem über einen separaten Behandlungsraum, der vom Empfang und vom Beratungs- bzw. Wartebereich abgetrennt ist. Behandlungsliegen oder -stühle werden mit Einwegbezügen oder -folien geschützt und nach jedem Kunden desinfiziert und gewechselt. Alle notwendigen Utensilien wie Tätowiernadeln oder Einweghandstücke sollten noch in der ungeöffneten originalen und sterilen Verpackung am Tattoo-Arbeitsplatz vor Ihnen liegen, genau wie mit Schutzfolien eingepackte Tätowiermaschinen, Flaschen und Clipcords (Kabel). Frische Einweghandschuhe, Mund-Nasen-Schutz und Rasierer, kleine Einwegbehälter für Tätowierfarben und Tätowiermittelflaschen inklusive der notwendigen Etikettierung stehen ebenfalls bereit. Oftmals wird der Arbeitsplatz direkt vor Ihren Augen aufgebaut, damit Sie sich von der sicheren Arbeitsweise des Tätowierers überzeugen können (. Abb. 9.2).  

85 Wie erkenne ich ein „gutes“ Tattoo-Studio?

Auch der Tätowierer selbst hat auf größtmögliche Hygiene zu achten: Er sollte einen gepflegten Eindruck machen, saubere (Arbeits-)Kleidung tragen, sich gegebenenfalls die Haare aus dem Gesicht binden und eine sehr gute Händehygiene vorweisen. Vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn sollte der Tätowierer sich die Hände sowie die Unterarme desinfizieren, ggf. eine Einwegschürze und -armschoner umlegen, Mund-Nasen-Schutz und bei Bedarf auch eine Schutzbrille und natürlich auch Einweghandschuhe tragen. Während des Tätowiervorgangs werden nur Gegenstände, die direkt zum Tätowieren genutzt werden, berührt. Wurde eine kurze Pause eingelegt, so hat der Tätowierer sich danach die Hände wie auch den Unterarm zu desinfizieren und neue Handschuhe anzuziehen. In einem sauberen Tattoo-Studio finden Sie weder Essen, Jacken, Taschen noch Zigaretten, Alkohol oder gar Tiere im Tätowierer-Bereich. Da es bisher keinen einheitlichen Standard zur Sicherheit und Hygiene beim Tätowieren gab, haben professionelle Tätowierer gemeinsam und auf EU-Ebene mit der CEN und ihren Tattoo-Verbänden die Norm DIN (Deutsche Institut für Normung) EN 17169 „Tätowieren – Sichere und hygienische Praxis“ erarbeitet und veröffentlicht. Fragen Sie bei Ihrem ersten Studiobesuch gerne nach solchen Kriterien und Details. Ein gutes Tattoo-Studio wird Ihnen alles zeigen und erklären. Bei Ihrer Tattoo-Studio Auswahl sollten Sie und/oder Ihr Tätowierer folgende Fragen unbedingt mit „Ja“ beantworten können: 55 Hat das Tattoo-Studio einen Gewerbeschein? Angemeldete Tattoo-Studios werden an örtliche Gesundheitsämter gemeldet und kontrolliert. 55 Fühlen Sie sich vollumfänglich vom Tätowierer über den Tätowiervorgang beraten und aufgeklärt? 55 Haben Sie zum Beratungsgespräch einen Anamnesebogen (Gesundheitsfragebogen) ausgefüllt? 55 Wurden Sie nach möglichen Allergien, Krankheiten oder Unverträglichkeiten befragt? Das gilt für mögliche Körperreaktionen auf Tätowiermittelinhaltsstoffe sowie auch auf Tätowierwerkzeug wie Nadeln und Ausrüstung und auf Latex-­Einmalhandschuhe oder Desinfektionsmittel. 55 Werden Sie in einem separaten, hellen und sauberen Arbeitsbereich des Studios tätowiert? 55 Wurden Sie über die zu verwendenden Tätowiermittel aufgeklärt und entsprechen diese der seit 2022 europaweit geltenden EU-REACH Verordnung (Tattoo-­ REACH)? 55 Wurde Ihnen zur Vertragsunterschrift eine Einwilligungserklärung vorgelegt und wurden deren rechtliche sowie datenschutzrechtliche Hintergründe erläutert? 55 Sind Sie mit der vom Tätowierer vorgefertigten Entwurfszeichnung Ihres Motivs zufrieden? Dies gilt bis hin zu dem Moment vor dem eigentlichen Tätowiervorgang, wenn Ihr gewünschtes Tattoo-Motiv als Stencil-Vorlage auf Ihre Haut aufgebracht wurde. 55 Wurden Tätowiermaschine, Kabel und Desinfektionsflaschen in Schutzfolie verpackt?

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55 Ist der Tattoo-Arbeitsbereich sauber und finden Sie Einmalbehälter (sogenannte Farbkappen) für Ihre Tätowiermittel und steril verpackte Nadeln oder Module? 55 Trägt Ihr Tätowierer Einmalhandschuhe, Arbeitskleidung und vielleicht sogar eine Arbeitsschürze, Unterarmstulpen und Mundschutz? 55 Die wichtigste Frage an Sie lautet: Fühlen Sie sich wohl und gut beraten? 9.6

 achsorgehinweise und weitere Dienstleistungsangebote N in einem guten Tattoo-Studio

Ein gutes Tattoo-Studio lässt Sie nach Ihrer Tätowierung nicht alleine. Zu jeder frisch gestochenen Tätowierung gehören eine gewissenhafte Nachsorge und ein strikt einzuhaltendes Wundmanagement. Über dieses klärt Sie Ihr Tätowierer vor dem Eingriff ausführlich auf, händigt Ihnen im besten Fall schriftliche Tipps und Hinweise aus und steht Ihnen bei späteren Rückfragen umgehend zur Verfügung. Zudem erhalten Sie im Tattoo-Studio geeignete Tattoo-Aftercare-Produkte zur Pflege Ihres frischen Tattoo-Motivs in den folgenden Tagen, und es wird ein Folgetermin zur Nachkontrolle Ihrer Tätowierung mit Ihnen vereinbart.

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>>Und der letzte Tipp (6 + 1): Hören Sie auf Ihr Baugefühl!

Fühlen Sie sich nach dem Beratungsgespräch mit Ihrem Tätowierer unwohl mit der Entscheidung sich tätowieren zu lassen, oder haben Sie noch offene Fragen, die es vielleicht auch außerhalb des Tattoo-Studios zu klären gilt, dann üben Sie sich in Geduld und verlassen Sie das Studio. Ein „gutes“ Tattoo-Studio wird Ihre Entscheidung jeder Zeit verstehen und respektieren!

Weiterführende Links DIN (Deutsche Institut für Normung) EN 17169:2020–05 Tätowieren – Sichere und hygienische Praxis. https://www.­din.­de/de/din-­und-­seine-­partner/presse/mitteilungen/qualitaetssicherung-­fuer-­tattoo-­ fans-­713562. Zugriffs-Datum 16. Februar 2022 Tattoo-REACH Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe betreffend Stoffe in Tätowierfarben oder Permanent-Make-up. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32020R2081&qid=1654686 075286&from=DE

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Tätowierung auf mikroskopischer Ebene Stephan A. Braun

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_10

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S. A. Braun

Tätowierungen werden bei mikroskopischen Untersuchungen der Haut immer häufiger angetroffen. Meistens findet man sie als Zufallsbefund in Gewebeproben, die beispielsweise zur Beurteilung von Hautkrebs entnommen wurden, oder in Lymphknoten (. Abb. 10.1). Lymphknoten sind Filterstationen der Lymphflüssigkeit, in denen das Pigment hängen bleibt, welches über die Lymphbahnen aus der tätowierten Haut abtransportiert wird. Untersucht man mikroskopisch tätowierte Haut, so findet sich überwiegend frei im Gewebe liegendes Pigment in der Lederhaut (Dermis) (. Abb. 10.1a). Die eingesetzte Farbe kann unter dem Mikroskop klar identifiziert werden. Die Menge und Verteilung des Pigments ist insbesondere vom Tätowierer selbst, der eingesetzten Technik und dem Alter des Tattoos abhängig. In älteren Tattoos liegt das Pigment vermehrt innerhalb von Makrophagen („Fresszellen“ unseres Immunsystems) vor, welche sich typischerweise um die Gefäße anordnen (. Abb. 10.1b). Treten Komplikationen wie beispielsweise Entzündungen in Tattoos auf, so können Ärzte Hautproben entnehmen, um über eine mikroskopische Untersuchung nähere Informationen zur Ursache der Entzündung zu erhalten. Entzündungen in Tattoos entstehen häufig als allergische Reaktion auf die eingebrachten Pigmente, können aber auch durch Infektionen mit Bakterien oder Viren ausgelöst werden.  





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..      Abb. 10.1  a,b Nachweis von Tätowierfarbstoff als Zufallsbefund a in einem Basalzellkarzinom (­weißer Hautkrebs) und b in einem Lymphknoten

89 Tätowierung auf mikroskopischer Ebene

Zudem können bereits bestehende Erkrankungen wie beispielsweise eine Schuppenflechte oder Sarkoidose durch die Tätowierung in der Haut aktiviert werden. Man spricht in diesen Fällen auch von Köbnerisierung. Um die Ursache der Entzündung näher einzugrenzen, untersucht die/der Patholog*in die Hauptprobe auf das vorliegende Entzündungsmuster. Viele verschiedene Entzündungsmuster innerhalb und um Tattoos wurden bereits in der Literatur beschrieben. Häufig zeigt sich in Tattoos ein sogenanntes lichenoides Entzündungsmuster, das typischerweise mit starkem Juckreiz einhergeht und überwiegend bei allergischen Reaktionen auf das Pigment auftritt. Unter dem Mikroskop finden sich dichte, bandförmige Entzündungszellinfiltrate in der Dermis, die häufig eine unregelmäßige Verbreiterung (Hyperplasie) der Oberhaut (Epidermis) hervorrufen. Ist diese Hyperplasie sehr ausgeprägt, so kann eine gutartige Entzündung in einem Tattoo auch mit weißem Hautkrebs verwechselt werden (. Abb. 10.2a,b). Bei der lichenoiden Entzündungsreaktion greifen die Entzündungszellen häufig auch die Oberhaut an, und es kommt zum Absterben von Hautzellen, was sich mikroskopisch durch den Nachweis von Dyskeratosen zeigt und auch als Interface-Dermatitis bezeichnet wird (. Abb. 10.2c).  



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..      Abb. 10.2  a–d Lichenoides Entzündungsmuster auf rotes Tattoo-Pigment. a Makroskopisch zeigt sich eine gerötete, schuppende Plaque in dem Bereich des Tattoos, in dem der rote Farbstoff angewendet wurde. Mikroskopisch finden sich b dichte entzündliche Infiltrate in der Lederhaut mit unregelmäßiger Verbreiterung der Oberhaut. c Die Infiltrate greifen auf die Oberhaut über mit Nachweis von Dyskeratosen (Pfeile). Zusätzlich zeigen sich d pseudolymphomartige Ansammlungen aus Entzündungszellen

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S. A. Braun

Insbesondere bei ausgeprägten und länger anhaltenden Entzündungen können sich zudem Entzündungszellen dicht zusammenlagern und ungewöhnlich groß werden, sodass sie mit bösartigen Lymphomen (Blutkrebs) verwechselt werden können (. Abb. 10.2d). Die jedoch gutartigen Entzündungszellinfiltrate werden häufig auch als Pseudolymphom bezeichnet. Um in solchen Fällen die Fehldiagnose eines Lymphoms zu vermeiden, ist es besonders wichtig, die/den Patholog*in auf dem Einsendeschein über die Existenz des Tattoos zu informieren, da bei ausgeprägter Entzündungsreaktion der Nachweis des Pigments schwierig sein kann. Dies gilt insbesondere für rote Farbstoffe in kleinen Gewebeproben. Ein weiteres Muster, das häufiger in Tattoos auftritt, ist die granulomatöse Entzündung. Diese Entzündungsreaktion kann auch noch Jahre nach dem Stechen auftreten und manifestiert sich meistens als kleine Papeln innerhalb des Tattoos, die typischerweise nur leicht jucken (. Abb.  10.3a). In der mikroskopischen Untersuchung finden sich in der Lederhaut Ansammlungen von zahlreichen Makrophagen (Granulome), die teilweise das Pigment aufgenommen haben und von kleineren Lymphozyten umgeben werden (. Abb. 10.3b). Beim Nachweis von granulomatösen Reaktionen innerhalb eines Tattoos sollte neben einer Sarkoidose der Lunge stets auch ein infektiöses Geschehen weiter abgeklärt werden. Granulomatöse Reaktionen infektiöser Ursache werden meistens durch atypische Mykobakterien hervorgerufen, die beim Stechen unter unhygienischen Bedingungen in die Haut gelangen. Insbesondere wenn das Tattoo im Ausland gestochen wurde, muss abhängig vom Land auch an eine Lepra, Tuberkulose oder eine seltene Pilzinfektion gedacht werden. . Abb. 10.4a zeigt das klinische Bild einer bakteriellen Infektion mit Mycobacterium chelonae. Die kleinen Papeln sind 4 Monate nach dem Stechen des Tattoos aufgetreten. In der Gewebeuntersuchung finden sich in der Lederhaut Ansammlungen aus mehrkernigen Makrophagen, gemischt mit Lymphozyten und vereinzelten neutrophilen Granulozyten (. Abb. 10.4b). Der Nachweis von M. chelonae erfolgte durch die kulturelle Anzucht des Erregers aus einer zusätzlich entnommenen Hautprobe, die in physiologischer Kochsalzlösung direkt in die Mikrobiologie versendet wurde.  





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..      Abb. 10.3  a,b Granulomatöses (sarkoidales) Entzündungsmuster in einem Tattoo unklarer Ursache. a Innerhalb des Tattoos haben sich 6 Jahre nach dem Stechen kleine Papeln entwickelt. b Mikroskopisch finden sich sarkoidale Granulome. Das schwarze Pigment wurde teilweise von den Makrophagen aufgenommen. In den weiteren Untersuchungen zeigte sich keine Sarkoidose der Lunge. Die Papeln heilten im Verlauf ohne Therapie wieder ab

91 Tätowierung auf mikroskopischer Ebene

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..      Abb. 10.4  a,b Granulomatöses Entzündungsmuster in einem Tattoo bei nachgewiesener atypischer Mykobakteriose. a Innerhalb des Tattoos haben sich 4 Monate nach dem Stechen kleine Papeln entwickelt. b Mikroskopisch finden sich in der Lederhaut mehrkernige Makrophagen, Lymphozyten und vereinzelte neutrophile Granulozyten. Der Erreger Mycobacterium chelonae wurde kulturell nachgewiesen. Die Papeln heilten unter antibiotischer Therapie ab

Fazit Das mikroskopische Bild von Tattoos zeigt ein breites Spektrum an histologischen Reaktionen. Am häufigsten erfolgt der Nachweis von Tätowierfarbe als Zufallsbefund in Gewebeproben, die aus anderen Gründen entfernt wurden. Die/der Patholog*in sollte auf dem Einsendeschein jedoch stets über die Existenz eines Tattoos informiert werden, da es sonst zu Fehldiagnosen von Hautkrebs und Lymphomen kommen kann. Die mikroskopische Untersuchung von Hautproben aus entzündeten Tattoo kann wertvolle Informationen zur Ursache liefern. Entzündungen sind wahrscheinlich in den meisten Fällen Ausdruck einer allergischen Reaktion auf die Farbstoffe und zeigen häufig ein lichenoides Entzündungsmuster, können aber auch granulomatös oder pseudolymphomartig sein. Insbesondere bei granulomatösen Entzündungsreaktionen sollten jedoch immer auch Systemerkrankungen wie eine Sarkoidose und infektiöse Ursachen ausgeschlossen werden. In diesen Fällen empfiehlt sich auch die zusätzliche Entnahme einer zweiten Hautprobe für mikrobiologische Untersuchungen.

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Gesundheitliche Risiken durch Tätowierungen Inhaltsverzeichnis Kapitel 11

Komplikationen und Gesundheitsrisiken – 95 Nicolas Kluger

Kapitel 12

Allergien – 105 Steffen Schubert

Kapitel 13 Gefährliche Stoffe in Tätowiermitteln und Freisetzung unter Lichteinfluss – 117 Ines Schreiver

III

95

Komplikationen und Gesundheitsrisiken Nicolas Kluger Inhaltsverzeichnis 11.1

Empfehlungen zu Wundbehandlung und Pflege nach dem Stechen eines Tattoos – 96

11.2

 armlose Begleitreaktion oder tatsächliche H Komplikation? – 96

11.3

 as tun bei tatsächlichen akuten W Komplikationen? – 96

11.4

 as sind mögliche lokale oder W systemische infektiöse Komplikationen? – 97

11.5

Allergien gegen Tattoo-Pigmente – 98

11.6

Entstehung von Tumoren – 99

11.7

Andere Komplikationen – 101 Literatur – 103

Aus dem Englischen übersetzt von Peter Arne Gerber

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_11

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N. Kluger

11.1

 mpfehlungen zu Wundbehandlung und Pflege E nach dem Stechen eines Tattoos

Tipps für die Wundbehandlung und Pflege einer frisch gestochenen Tätowierung können von Tattoo-Künstler zu Tattoo-Künstler variieren. Die folgenden grundlegenden Empfehlung gelten aber für jede Tätowierung: Das tätowierte Hautareal sollte unmittelbar nach dem Stechen zunächst gründlich gereinigt und desinfiziert werden; im Anschluss wird dann Vaseline aufgetragen und ein Verband aus Suprasorb®/Tegaderm® oder gewöhnlicher Klarsichtfolie angelegt und dieser für einen oder mehrere Tage belassen. Für die weitere Nachbehandlung empfiehlt es sich, das Tattoo-­Areal zweimal täglich mit klarem Wasser oder Seife zu reinigen und dann eine dicke Schicht einer z. B. Dexpanthenol-haltigen Pflegecreme aufzutragen. Weitere Maßnahmen umfassen das Vermeiden von Verletzungen oder Reibung, von Kontakt mit chlorhaltigem oder salzigem Wasser sowie von Sonnenexposition während der 2- bis 3-wöchigen Heilungsphase. Als weitere Orientierung mag ein im Februar 2020 veröffentlichter europäischer Standard für die hygienischen Anforderungen während und nach dem Stechen einer Tätowierung dienen (DIN EN 17169), welcher die Abläufe für den optimalen Schutz von Tattoo-Künstlern, ihren Kunden und allen anderen am Prozess des Tätowierens Beteiligten definiert.

11.2

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Harmlose Begleitreaktion oder tatsächliche Komplikation?

Im Zuge der Wundheilung nach dem Stechen einer Tätowierung kommt zu unvermeidlichen, harmlosen, aber mitunter störenden Begleitreaktionen. Diese umfassen eine lokale, teils schmerzhafte Entzündungsreaktion mit Überwärmung und Schwellung, welche über Stunden bis zu einigen Tagen andauern kann. Auch regionale Schwellungen werden beobachtet (also z.  B. eine Schwellung des gesamten Fußes nach Tätowierungen des Fußrückens oder eine Schwellung des Knöchels nach Tätowierung der Wade). Diese zeigen sich insbesondere nach langen und intensiven Sitzungen. Entsprechende Schwellungen bilden sich in der Regel spontan zurück und sollten auf keinen Fall unkritisch einer antibiotischen Therapie zugeführt werden, sofern sich nicht der Verdacht auf eine Infektion erhärtet. Leichte Blutungen sind nicht ungewöhnlich. Seltener werden Hämatome („blaue Flecken“) beobachtet. Auch vorübergehende tastbare Schwellungen der regionalen Lymphknoten können auftreten. Ausgeprägter Wundschorf schließlich kann darauf hindeuten, dass der Künstler zu aggressiv tätowiert hat. Dies zeigt sich eher beim Einbringen von blassen Farben, die sich beim Stechen schwieriger „in der Haut halten“.

11.3

Was tun bei tatsächlichen akuten Komplikationen?

Unabhängig von den vorher beschriebenen Begleitreaktionen können auch tatsächliche akute Komplikationen auftreten. Dies sind in erster Linie bakterielle Hautinfektionen (siehe 7 Abschn.  11.4) und irritativ-toxische oder kontaktallergische Reaktionen gegen aufgetragene Pflegeprodukte. Entsprechende Kontaktreaktionen  

97 Komplikationen und Gesundheitsrisiken

..      Abb. 11.1  Kontaktallergie gegen eine Pflegecreme

äußern sich durch scharf begrenzte, juckende, teils blasige Ekzeme, welche sich über das Tattoo selbst auf den Bereich ausdehnen, auf den das Produkt aufgetragen wurde (. Abb. 11.1). Ein „Auslaufen“ der Farbe auf der Ebenen der Unterhaut zeigt sich insbesondere in Körperregionen mit heller und dünner Haut (also z.  B. an den Innenseiten der Arme oder der Fußrücken). Dieser „Tattoo Blow-out“ zeigt sich als unschöner bläulicher oder schwärzlicher Schatten um das Tattoo herum. Häufig zunächst als Hämatom (blauer Fleck) verkannt, zeigt sich im Verlauf, dass der „Blow-out“ nicht verschwindet. Eine Behandlung erfolgt in der Regel mittels Lasertechnologie (Kluger 2016a).  

11.4

 as sind mögliche lokale oder systemische infektiöse W Komplikationen?

Infektionen entstehen durch das Eindringen gesundheitsschädlicher Erreger in den Organismus. Oberflächliche bakterielle Infektionen äußern sich durch umschriebene Entzündungen mit Eiter, Schorf und Schmerzen. Tiefreichende Infektionen wie Wundrose (Erysipel), Gangrän oder Blutvergiftung wurden nur extrem selten beobachtet. Mögliche Ursachen sind eine zugrundeliegende Immunsuppression (medikamentöse oder anderweitige Schwächung des Immunsystems) in Kombination mit mangelnder Hygiene und/oder dem Auftreten seltener Erreger. So wurden nach dem Gebrauch von gewöhnlichem Leitungswasser zum Auflösen von Tattoo-Tinte oder unmittelbaren Verunreinigungen der Tinte selbst Fälle von Mykobakteriosen (M. chelonae, M. fortinum u.a.) beschrieben. Diese manifestieren sich als gleichmäßige papulopustulöse Eruptionen in den Bereichen der verunreinigten Farben. Im weiteren Verlauf verbleiben dann gräuliche Schatten. Diese können sich bei verschiedenen Kunden zeigen, die mit der entsprechenden Tinte tätowiert wurden. Seltener finden sich Berichte über die Entstehung von vulgären Warzen (Verruca vulgaris) oder Dellwarzen (Mollusca contagiosa) infolge einer Tätowie-

11

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N. Kluger

rung. Denkbar sind eine Übertragung von Viruspartikeln über verunreinigte Tattoo-­Instrumente, eine pigmentinduzierte Unterdrückung der lokalen Immunabwehr oder auch eine Provokation und Verteilung vorbestehender, ggf. zum Zeitpunkt des Tätowiervorgangs subklinischer, also noch nicht sichtbarer Läsionen. Unter bestimmten Umständen (etwa Knasttätowierungen mit untereinander geteilten Nadeln) wird das Tätowieren ausdrücklich als Risikofaktor für die Übertragung von schwerwiegenden Infektionskrankheiten wie Hepatitis oder HIV gewertet. Als Risikofaktor unter aktuell geltenden Hygienestandards ausdrücklich ausgenommen ist das Tätowieren heute für die Übertragung des Hepatitis-C-Virus. Schließlich finden sich anekdotische Berichte über das Auftreten einer akuten Endokarditis nach dem Tätowieren von Patienten mit dem Risikofaktor einer vorbestehenden Herzerkrankung (Kluger 2016a).

11.5

Allergien gegen Tattoo-Pigmente

Sensibilisierungen gegen Tattoo-Farben („Tattoo-Allergie“) sind die häufigste Ursache für eine Vorstellung bei einem Dermatologen. Allergien zeigen sich nach unterschiedlichsten Zeiträumen, von einem Auftreten praktisch unmittelbar nach bis hin zu Wochen, Monaten oder sogar Jahren nach dem Stechen. Tattoo-Allergien äußern sich häufig in juckenden, manchmal schmerzhaften, mitunter entzündeten Papeln und Knötchen im Bereich der ursächlichen Farbe (. Abb. 11.2 und 11.3). Gelegentlich zeigt sich eine Verschlechterung der Symptomatik nach Sonnenexposition. Mit Abstand am häufigsten werden Allergien gegen die Farben Rot, Pink und Lila beobachtet. Da sich in Epikutantests uneinheitliche Ergebnisse zeigen, ist die diagnostische Abklärung von Tattoo-Allergien über klinische Testverfahren zumeist schwierig. Histologisch zeigen sich lichenoide, ekzematöse, granulomatöse, sarkoidale oder pseudolymphomatöse Muster (vgl. auch 7 Kap. 10). Sarkoidale Muster sollten Anlass zum Ausschluss einer systemischen Sarkoidose geben. Lichenoide  

11



..      Abb. 11.2  Chronische Tattoo-Reaktion gegen das Rot einer tätowierten Rose

99 Komplikationen und Gesundheitsrisiken

..      Abb. 11.3  Hypertrophe Reaktion gegen das Rot eines zweifarbigen Tattoos

Muster könnten einen Hinweis auf das Vorliegen eines kutanen oder mukosalen Lichen geben. Allergische Reaktionen auf Tattoo-Pigmente können über Monate bis Jahre persistieren. Auch wenn die Reaktion sich spontan wieder zurückbilden kann, so ist es nicht vorherzusagen, wann dies geschieht. Die Therapie von Tattoo-Allergien ist zumeist schwierig. Zunächst kommen starke Cortisoncremes oder eskalierend die Unterspritzung mit Cortisonlösungen zur Anwendung. Alternativ können außerhalb der Zulassung (off-label) Cortisonersatzpräparate wie Tacrolimus oder Pimecrolimus aufgetragen werden. Ist dies erfolglos, bleiben als Ultima Ratio die chirurgische Exzision der Tätowierung (vgl. auch 7 Kap.  25) oder die Zerstörung der auslösenden Pigmente mittels ablativer Laser (CO2-Laser) oder gütegeschalteter (QS) Laser (z. B. Nd:YAG-Laser) (. Abb. 11.4) (Kluger 2016b).  



11.6

Entstehung von Tumoren

Derzeit gibt es nur eine Tumorentität, die im Zusammenhang mit Tätowierungen aufzutreten scheint bzw. möglicherweise durch diese induziert wird. Das Keratoakanthom ist ein in der Regel schnell wachsender Tumor, der zwar grundsätzlich als

11

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N. Kluger

CS, systemisch Hydroxychloroquin, Allopurinol, Zykline Chirurgie: Exzision, Shaveoder Dermatom Laser (QS, CO2) Corticosteroid (CS) - Unterspritzungen Häufigkeit entsprechend Gewohnheiten, Ansprechenund Nebenwirkungen Lokales Tacrolimus oder Pimecrolimus 0.1 %, ein-biszweimalpro Tag, über3 Monate Lokale Corticosteroide (CS) Sehr starke oder starke CS unter Okklusion (Folie), ein- bis zweimal pro Tag, langsam ausschleichend

..      Abb. 11.4  „Therapiepyramide“ für das Management von Tattoo-Komplikationen

11

gutartig gilt, der aber Parallelen zum invasiven Plattenepithelkarzinom (Spinaliom) aufweist und von manchen Experten als wenig aggressive Variante desselben gewertet wird. Wenn ein Keratoakanthom in einem Tattoo entsteht, so zeigt sich dieses zumeist relativ zeitnah nach dem Stechen. Die Tumoren treten dann einzeln oder auch in größerer Zahl auf. Auch wenn beschrieben wird, dass Keratoakanthome unter Abstoßung eines zentralen Hornpfropfes im Verlauf spontan anheilen, so wird vor dem Hintergrund der möglichen Differenzialdiagnose des Plattenepithelkarzinoms dennoch eine komplette, schnittrandkontrollierte Exzision empfohlen. Ein kausaler Zusammenhang zwischen Tätowierungen und der Entstehung anderer Tumoren auf oder in Tätowierungen ist nicht bekannt und wird als Zufall erachtet (Kluger und Koljonen 2012). So gilt etwa das Auftreten des Melanoms („schwarzer Hautkrebs“) in Tätowierungen als spontan bzw. de novo. Nichtsdestotrotz kann die Entstehung eines Melanoms in einem Tattoo aber sehr wohl natürlich dazu führen, dass dieses erst verspätet (oder zu spät) entdeckt wird. Dies kann für den Betroffenen dramatische Konsequenzen bedeuten. Auch die Beurteilung von Muttermalen in Tätowierungen ist für den Hautarzt oft nicht sicher möglich. Aus diesem Grund sind Tattoo-Künstler gehalten, Muttermale auf keinen Fall zu „überstechen“. Ferner besteht natürlich auch noch das Risiko, dass (ggf. bereits verdächtige) Muttermale durch den Tattoo-Künstler versehentlich überstochen werden. Schließlich ist bekannt, dass Tattoo-Pigmente aus der Haut in die regionalen Lymphknoten abwandern und diese verfärben. Dies kann dann dazu führen, dass schwarze Pigmente im schlimmsten Fall als Metastasen eines Melanoms fehldiagnostiziert werden. Sollte also, aus welchem Grund auch immer, eine Lymphknotenbiopsie geplant sein, so sollte der Pathologe unbedingt über das Vorhandensein eines Tattoos im entsprechenden Lymphabflussgebiet informiert werden.

101 Komplikationen und Gesundheitsrisiken

11.7

Andere Komplikationen

Das Spektrum möglicher Hautkomplikationen durch Tätowierungen ist groß. So können Hautkrankheiten wie eine Schuppenflechte (Psoriasis) oder Knötchenflechte (Lichen ruber) im Sinne einer Köbnerisierung provoziert werden (Kluger 2016a). Auch bei bildgebenden Verfahren können Probleme auftreten: Metallanteile in Tattoo-­Farben können bei Magnetresonanztomografie (MRT) zu Bildstörungen, Artefakten oder in seltenen Fällen sogar zu einem Kribbeln bis hin zu Verbrennungen der Haut führen. Für die Positronenemissionstomografie (PET) wurde über falsch positive Befunde verdächtiger Lymphknoten berichtet, die sich in den folgenden Biopsien dann als harmlose Anreicherungen von Tattoo-Pigmenten herausstellten. Schließlich sei noch angemerkt, dass Tätowierungen das Risiko für Verbrennungen bei der Laser-Haarentfernung dramatisch erhöhen. Folglich sollten Tattoos bei der Laserepilation ausgespart oder z. B. mit einer lichtundurchlässigen Zinkpaste abgedeckt werden. Die folgende Übersicht fasst die im Zusammenhang mit Tätowierungen berichteten Komplikationen noch einmal zusammen.

Komplikationen im Zusammenhang mit Tätowierungen Infektionen der Haut 55 Eitererreger –– Follikulitis (Haarwurzelentzündung), Furunkulose, Erysipel (Wundrose), nekrotisierende Fasziitis, Gangrän 55 Atypische Erreger –– Atypische Mykobakteriose, kutane Tuberkulose, Lepra, Syphilis (historisch) –– Tetanus, Ulcus molle (weicher Schanker), Diphterie 55 Virusinfektionen –– Viruswarzen, Mollusca contagiosum, Herpes simplex 55 Pilz- und parasitäre Infektionen –– Tinea, Leishmaniasis, Aspergillose, Sporotrichose, Mukormykose, Myzetom Systemische Infektionen 55 Hepatitis C 55 HIV 55 Seltene Erreger in Folge einer Immunsuppression (z.  B. gramnegative Erreger, Vibrionen…) 55 Endokarditis 55 Sepsis Tattoo-Allergien 55 Ekzematöse, lymphohistiozytäre oder lichenoide Reaktionen, Fremdkörpergranulome, Pseudolymphome

11

102

N. Kluger

Tumoren 55 Bösartige Tumoren 55 Melanom, Basalzellkarzinom (Basaliom), Plattenepithelkarzinom (Spinaliom) 55 Reaktive Tumoren 55 Isolierte oder multiple (eruptive) Keratoakanthome, pseudoepitheliomatöse Hyperplasie 55 Anekdotische Tumoren 55 Kutanes Lymphom, Dermatofibrosarkoma protuberans, Leiomyosarkom, Hautmetastasen 55 Gutartige Tumoren 55 Seborrhoische Keratosen (Alterswarzen), Dermatofibrom (Histiozytom), Milien, epidermale Zysten, Hämangiome, Osteoma cutis Klassische Hautkrankheiten (Koebnerphänomen) 55 Psoriasis (Schuppenflechte), Lichen planus (Knötchenflechte), Vitiligo (Weißfleckenkrankheit), Lupus u.a.

11

Probleme mit medizinischen Geräten und Diagnostik 55 Probleme bei der Untersuchung von Hautveränderungen und Muttermalen (einschließlich der Dermatoskopie/Auflichtmikroskopie) 55 Verbrennungen und Narben nach Laserbehandlungen (z. B. Laserepilation) 55 Kribbeln und Verbrennungsgefühl bei MRT-Untersuchungen 55 Falsch positive Lymphknoten-Signale bei PET-Untersuchungen 55 Falsch positive Ergebnisse bei Lymphknotenbiopsien 55 Verkalkungen der axillären Lymphknoten mit Problemen bei der Mammografie 55 Störungen von Smart-Watches (Pulsmessung o.ä.) Lymphknoten 55 Lymphknotenvergrößerungen (unmittelbar nach dem Stechen aber auch chronisch) 55 Geschwärzte Lymphknoten Unzufriedenheit, Bedauern 55 Überstürzte Entscheidung, sich ein Tattoo stechen zu lassen 55 Ungewollte Tätowierungen 55 Unschöne Ergebnisse

Fazit „Klassische“ Komplikationen im Zusammenhang mit Tätowierungen sollten heute jedem Hautarzt bekannt sein. Im Falle von chronischen Reaktionen sollte stets eine Probenentnahme mit anschließender histologischer Sicherung erfolgen. Bei V ­ erdacht auf eine Infektion sollten Cortisonpräparate erst nach Ausheilung derselben empfohlen werden.

103 Komplikationen und Gesundheitsrisiken

Literatur Kluger N (2016a) Cutaneous and systemic complications associated with tattooing. Presse Med 45: 567–576 Kluger N (2016b) Réactions dites „allergiques“ aux tatouages: prise en charge et algorithme thérapeutique. Ann Dermatol Venereol 143:436–445 Kluger N, Koljonen V (2012) Tattoos, inks, and cancer. Lancet Oncol 13:e161–e168

11

105

Allergien Steffen Schubert Inhaltsverzeichnis 12.1

Einleitung – 106

12.2

Biologische Grundlagen der „Tattoo-Allergie“ – 106

12.3

Allergene in Tätowierfarbe – 107

12.3.1 12.3.2 12.3.3 12.3.4 12.3.5 12.3.6

 igmente – 109 P Metalle – 110 Konservierungsmittel – 110 Bindemittel – 111 Lokalanästhetika – 111 Lösungsmittel – 111

12.4

Allergische Tattoo-Reaktionen – 111

12.4.1 12.4.2 12.4.3 12.4.4

L ichenoide Reaktionen („type plaque elevation“) – 111 Hyperkeratosen und Ulzera – 113 Kontaktekzeme – 113 Pseudolymphome („cutaneous lymphoid hyperplasia“) – 114

12.5

 eine Laserentfernung bei allergischen K Reaktionen – 114

12.6

Forschungsbedarf – 114 Literatur – 115

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_12

12

106

S. Schubert

12.1

Einleitung

Im Gegensatz zu klassischen allergischen Kontaktekzemen, die üblicherweise durch Hautkontakt zu Allergenen – also allergieauslösenden Stoffen – in der Umgebung hervorgerufen werden, werden beim Tätowieren oder beim Anfertigen eines Permanent Make-ups vermeintliche Allergene direkt in die Haut gestochen. Im Fall der unlöslichen, farbgebenden Bestandteile (Pigmente) verbleiben diese Substanzen langfristig in der Lederhaut. In Mausstudien konnte für das weltweit häufigste Kontaktallergen Nickel gezeigt werden, dass eine Entzündungsreaktion der Haut, die beim Stechen einer Tätowierung stets vorhanden ist, für eine Sensibilisierung förderlich ist (Martin 2016). Insofern ist es nicht überraschend, dass 90 von 1967 (4,6 %) tätowierten Patienten bei einer Umfrage im Informationsverbund Dermatologischer Kliniken (IVDK) bestätigten, in der Vergangenheit Unverträglichkeitsreaktionen auf Tätowiermittel gehabt zu haben (Schubert et  al. 2020). Diese Befragung umfasste Kontaktekzeme und andere nichtinfektiöse Komplikationen. Mehr als ein Drittel dieser Komplikationen treten verzögert auf und sind farbspezifisch. Diese beiden Indikatoren lassen eine Überempfindlichkeit bzw. eine Allergie gegenüber einem oder mehreren Inhaltsstoffen der Tätowierfarbe vermuten (Serup 2017b). >>Tattoo-Empfänger mit Komplikationen wurden entweder bereits vor der Anfertigung der Tätowierung durch andere Kontakte sensibilisiert oder können durch die Tätowierfarbe sensibilisiert („zum Allergiker“) werden. iiDie Anfertigung einer Probetätowierung vor dem eigentlichen Tattoo schützt in keinem Fall vor einer Tattoo-Allergie.

12

Bei einer Probetätowierung ist zum einen ist nicht garantiert, dass bei Allergikern die Allergendosis zur Provokation der Reaktion ausreicht oder bei der Begutachtung genügend Zeit bis zur Ausbildung der Reaktion verstrichen ist. Zum anderen können Tätowierer nicht augenscheinlich zwischen allergischen und nicht allergischen Reaktionen unterscheiden. Die Möglichkeit, dass sich Tattoo-Empfänger später durch das eigentliche Tattoo sensibilisieren, kann jedoch in keinem Fall durch ein Probe-Tattoo ausgeschlossen werden.

12.2

Biologische Grundlagen der „Tattoo-Allergie“

Allergische Reaktionen werden in vier Typen eingeteilt: Die Typ-I-Allergie (Soforttyp-­ Allergie) bezeichnet Formen der Allergie gegenüber Gräsern, Pollen („Heuschnupfen“), Insektengift, Nahrungsmitteln (z.  B.  Erdnüsse), Tierhaaren, Milben usw. und spielt z. B. eine Rolle bei Nesselsucht (Urtikaria) und allergischem Asthma bronchiale. Sie wird durch Immunglobulin  E vermittelt und kann mit Histamin-­ Rezeptorantagonisten oder durch Hyposensibilisierungen („Allergieimpfung“) behandelt werden. Die Typ-II- (zytotoxischer Reaktionstyp, z.  B.  Blutunverträglichkeit) und die Typ-III-Allergie (Immunkomplextyp, z.  B.  Vaskulitis und Arthritis) werden hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Die Typ-IV-Allergie bezeichnet kontaktallergische Reaktionen vom Spättyp und schließt auch die meisten a­ llergischen

107 Allergien

Reaktionen auf Tätowiermittel ein. Diese Reaktionen werden durch spezifische T-Zellen des Immunsystems (T-Lymphozyten) vermittelt und können nicht mit Antihistaminika oder Hyposensibilisierungen behandelt werden. Wenn auf der Haut a) die einmalige Dosis eines hochpotenten Kontaktallergens groß genug ist oder b) kleine Dosen eines potenten Kontaktallergens wiederholt verabreicht werden, kann jeder Mensch, unabhängig von der individuellen Neigung, Allergien zu entwickeln, sensibilisiert werden. Kontaktallergische Reaktionen laufen in zwei Phasen ab (Rustemeyer et al. 2006). In der ersten, der Sensibilisierungsphase, werden Allergene, meist in oxidierter oder metabolisierter Form, an Membranproteine von dendritischen Zellen der Haut (z. B. epidermale Langerhans-Zellen) gebunden und zu den nächstgelegenen Lymphknoten transportiert. Die membranständigen Allergene, sogenannte Antigene, werden im Lymphgewebe von Zellen des Immunsystems erkannt. Infolge dessen werden antigenspezifische T-Lymphozyten angereichert und expandieren in den Rest des Körpers. An der Stelle des Hautkontaktes entsteht eine allergische Reaktion mit zeitlicher Verzögerung von ca. 3 bis 4  Wochen. Die zweite Phase der Kontaktallergie (Elizitationsphase) wird durch erneuten Kontakt mit dem Kontaktallergen ausgelöst. Die antigenspezifischen T-Lymphozyten sind bereits Teil des Immunsystems und erkennen Antigene viel schneller, die Reaktion läuft nun innerhalb weniger Tage ab. Im Fall einer Pigmentallergie ist das Allergenreservoir fest in der Lederhaut verankert, und die Reaktion ist meist nur noch durch die operative Entfernung der Tätowierung zu stoppen. Der Epikutantest ist der Goldstandard zur Diagnose einer Kontaktallergie und zur Identifizierung der allergieauslösenden Substanzen. Dabei werden Testallergene auf die Rückenhaut der Patienten aufgebracht, und in der Regel nach 72 Stunden enthüllen allergische Reaktionen auf eine oder mehrere Substanzen, welche Kontaktallergen in Zukunft von den Patienten gemieden werden müssen. >>Die Meidung der identifizierten Kontaktallergene – und unter Umständen auch von chemisch ähnlichen Stoffen  – ist die einzige Möglichkeit für Kontaktallergiepatienten, symptomfrei zu bleiben.

Allerding ist speziell im Tattoo-Bereich die Allergenidentifizierung erschwert, da nicht alle wichtigen Substanzen als Testallergene zur Verfügung stehen, Verunreinigung oft nicht in den Inhaltsstofflisten auftauchten und Pigmente in Tätowierfarben häufig falsch deklariert wurden (Niederer et al. 2017; Schubert und Aberer 2018; Serup und Hutton Carlsen 2014). Allergologen sind dazu aufgerufen im Falle von Epikutantestungen mit Pigmenten oder Tätowierfarbe Spätablesungen nach 7 bis 10 Tagen durchzuführen.

12.3

Allergene in Tätowierfarbe

Tattoo-Farben enthalten potenziell viele Kontaktallergene, die auch in anderen Bereichen des Lebens und im Beruf vorkommen (Dirks 2015). Als Farbmittel werden keine schwermetallhaltigen Pigmente wie Zinnober oder Cadmium-Selenid mehr eingesetzt, sondern andere organische und anorganische Pigmente (Schubert 2018) (siehe auch 7 Kap. 7). Am häufigsten wird Schwarz tätowiert, dafür werden fast aus 

12

108

S. Schubert

schließlich Carbon-Black-Pigmente verwendet. Bunte Farbtöne entstehen meist durch Pigmentmischungen von beispielsweise Phthalocyaninen (Grün, Blau), Eisenoxid-­Pigmenten (Schwarz, Rot, Braun), Azopigmenten (Rot, Orange, Gelb) und Titandioxid (Weiß). Außerdem können Bindemittel, Verunreinigungen und Additive allergologisch relevant sein, Lösungsmittel spielen wahrscheinlich eher eine untergeordnete Rolle (. Tab.  12.1). Bisher gibt es allerdings nur wenige Untersuchungen, in denen tatsächlich relevante Allergene in Tätowierfarbe identifiziert wurden, auch weil bisher nicht alle potenziellen Allergene systematisch getestet wurden (Schubert et al. 2020).  

..      Tab. 12.1  Wichtige Allergene in Tätowierfarbe Allergengruppe

Mögliche Allergene

Deklaration

Andere Allergenquellen

Mögliche immunologische Kreuzreaktionen

Organische Pigmente

Pigment Red 22

C.I. 12315, oft undeklariert

(Haar-)Farben, Lacke

Pigment Red 210

C.I. 12477, oft undeklariert

Pigment Red 170

C.I. 12475, oft undeklariert

Primäre aromatische Amine (z. B. p-­ Phenylendiamin, Benzocain)

Pigment Orange 13

C.I. 21110, oft undeklariert

Pigment Yellow 74

C.I. 11741, oft undeklariert

Nickel

Indirekt, verschiedene Eisenoxid-­ Pigmente

Modeschmuck, Münzen, Metall(-legierungen), Implantate, Werkzeug, Knöpfe, Reißverschlüsse

Palladium

Chrom



Metall(-legierungen), gegerbtes Leder, Zement, Schweißrauch, Implantate, Modeschmuck

Kobalt



Modeschmuck, Metall(-legierungen), Implantate, Werkzeug

Aluminium

Indirekt, als Coating von C.I. 77891 (TiO2)

Impfstoffe, Kosmetika, Implantate

12 Metalle

109 Allergien

..      Tab. 12.1 (Fortsetzung) Allergengruppe

Mögliche Allergene

Deklaration

Andere Allergenquellen

Bindemittel

Schellack

Shellac

Lacke, Polituren, Kosmetika (Mascara, Lippenstift, Haarspray), Überzugsmittel von Nahrungsmitteln (E904)

(Meth-) Acrylate

(Ammonium Acrylates) Co-/ Blockpolymer

Kleber, Dentalmaterialien

Teilweise untereinander

Abietinsäure

Rosin, Kolophonium

Klebstoffe, Kühlschmierstoffe

Kolophonium

Polyethylenglykol

PEG

Kosmetika, Arzneimittel

Isothiazolinone

z.B. Benzisothiazolinon, BIT

Cremes, Waschlotionen, industr. Anwendungen

Andere Isothiazolinone (selten)

Formaldehyd(-Abspalter)

(DMDM) Hydantoin

industrielle Anwendungen, Reinigungsmittel

Formaldehyd (teilweise)

Andere

Trivialname der Substanz

Kosmetika, Reinigungsund Desinfektionsmittel, industrielle Anwendungen

Benzocain



Prilocain



Schmerzpräparate (Arzneimittel), Salben („numbing creams“)

Lidocain



Propylenglycol

Propylenglycol

Konser­ vierungsmittel

Lokalanästhetika

Lösungsmittel

Mögliche immunologische Kreuzreaktionen

Teilweise untereinander, primäre aromatische Amine

Kosmetika, technische Anwendungen

C.I. = Colour Index

12.3.1

Pigmente

Synthetische Azopigmente wurden häufig in operativ entfernter Haut dänischer Patienten mit schweren Tattoo-Komplikationen identifiziert (Serup et  al. 2020). Die meisten Azopigmente zerfallen nach Bestrahlung mit UV- oder Laser-Licht oder durch den Stoffwechsel der Haut in 2-Naphtol-Derivate und primäre aromatische Amine (PAA) (Cui et al. 2005; Hauri und Hohl 2015). PAAs sind bekannte Allergene in schwarzen Henna-Tattoos und Haarfarben (Schubert et  al. 2018). Die gleichen

12

110

S. Schubert

PAAs, die nach der Spaltung entstehen, werden allerdings auch zur Synthese der Pigmente eingesetzt und können bereits als Verunreinigung in der Tätowierfarbe enthalten sein. Bis auf den Kuppler Naphtol-AS stehen zur Diagnose der Pigmentallergie aktuell keine geeigneten Testallergene (z. B. Pigment-Spaltprodukte) zur Verfügung. Nichtdestotrotz werden ­Gewebeproben aus schweren Tattoo-Komplikationen meist im Labor untersucht und dabei fast immer Histiozyten und T-Lymphozyten nachgewiesen, Indikatoren für eine Typ-IV-­Sensibilisierung gegenüber unlöslichen Bestandteilen der Tätowierfarbe (van der Bent et al. 2020). 12.3.2

Metalle

Nickel, Kobalt und Chrom sind vor allem als Verunreinigung in anorganischen Eisenoxid-Pigmenten beschrieben (Dirks 2015). Diese drei Metalle sind generell sehr weit verbreitet und treten in erster Linie in anderen Bereichen des Körperschmucks als Allergene in Erscheinung, allen voran Nickel in Ohrloch-Piercings (siehe . Tab. 12.1) (Schubert und Aberer 2018). In Einzelfällen konnte die Relevanz von löslichem Nickel in Tätowierfarben für Tattoo-Komplikationen bereits nachgewiesen werden (Serup 2017a). In größeren Patientenkollektiven, speziell bei stark verzögerten Tattooreaktionen, bleibt jedoch meist unklar, ob Nickel- oder Kobalt-Sensibilisierungen tatsächlich auf Tätowierfarbe zurückzuführen und klinisch relevant sind (Schubert und Aberer 2018). Ebenso sind die Bioverfügbarkeit und die allergologische Potenz des Metallabriebs von Tattoo-Nadeln schwer nachweisbar und müssen erst noch genauer erforscht werden (Schreiver et al. 2019). Chromat findet man zwar auch in Metalllegierungen unterschiedlichster Art, es tritt jedoch vorrangig als Kontaktallergen in Zement oder Leder in Erscheinung. Aluminium wurde als Auslöser granulomatöser Entzündungen und Kontaktallergien nach Impfungen beschrieben (Bergfors et al. 2019) und wird zur Beschichtung von Titandioxid-Pigmenten eingesetzt. Titandioxid könnte im Einzelfall auch ein gewisses Sensibilisierungspotential haben (De Cuyper et al. 2017).  

12

>>Metalle spielen vor allem als (undeklarierte) Verunreinigungen eine Rolle in Tätowierfarben.

12.3.3

Konservierungsmittel

Benzisothiazolinon und Formaldehyd(-Abspalter) wurden am häufigsten in Tattoo-­ Farben nachgewiesen (Hauri 2011), eine allergologische Relevanz dieser Substanzen konnte bisher allerdings nicht gezeigt werden (Schubert et  al. 2020). Andere Konservierungsmittel wie (Chlor-)Methylisothiazolinon wurden eher selten in Tätowierfarben nachgewiesen, prinzipiell können jedoch unterschiedlichste Biozide in teilweise beträchtlichen Konzentrationen in Tätowierfarbe enthalten sein (Hauri 2011; Laux et  al. 2016; Piccinini et  al. 2015). Deshalb wird von der Deutschen Kontaktallergie-­Gruppe (DKG) zur Diagnose einer vermeintlich allergischen Reaktion auf lösliche Bestandteile der Tätowierfarbe eine breit gefächerte Epikutantestung von ­Konservierungsmitteln und industriellen Bioziden empfohlen.

111 Allergien

12.3.4

Bindemittel

Schellack wird in Tätowierfarben eingesetzt und wurde bereits bei mehreren Tattoo-­ Patienten positiv getestet (Gonzalez-Villanueva et al. 2016; Schubert et al. 2020). Andere Expositionsquellen sind in der Literatur bisher selten als Auslöser der Schellack-Allergie in Erscheinung getreten. (Meth-)Acrylate wurden bisher nicht systematisch getestet, obwohl sie als potente Allergene in künstlichen Nägeln, Klebern und Pflastern oder als Berufsallergene bei Zahntechnikern beschrieben sind. Der tatsächliche Gehalt von allergologisch relevanten (Meth-) Acrylat-­Monomeren in Tätowierfarben ist allerdings unbekannt. Ob Edukte der Bindemittelsynthese, z.  B.  Ammoniumpersulfat oder Triethanolamin, als Verunreinigung in Tätowierfarbe eine Rolle als Allergene spielen, wurde bisher nicht systematisch untersucht. 12.3.5

Lokalanästhetika

Lokalanästhetika wie Benzocain, Lidocain oder Tetracain können in schmerzstillenden Cremes („numbing creams“) und in Tätowierfarben selbst enthalten sein (Manna et al. 2019). Patienten mit allergischen Reaktionen können entweder direkt auf diese Schmerzpräparate oder durch immunologische Kreuzreaktionen nach einer Sensibilisierung gegenüber PAAs (z. B. p-Phenylendiamin in schwarzen Henna-Tattoos oder Haarfarben) reagieren (Schubert et al. 2018). 12.3.6

Lösungsmittel

Einfache und mehrwertige Alkohole, Glycerin oder Propylenglykol werden in Tätowierfarben als Lösungsmittel eingesetzt (Dirks 2015). Diese Stoffe sind sehr weit verbreitet und haben neben ihrer geringen Sensibilisierungspotenz vor allem irritative Eigenschaften. Es ist wahrscheinlich, dass diese Stoffe eine untergeordnete Rolle bei der „Tattoo-Allergie“ spielen.

12.4

Allergische Tattoo-Reaktionen

Durch histologische Untersuchungen konnten die folgenden Krankheitsbilder als allergische Überempfindlichkeitsreaktionen identifiziert werden (Körner et al. 2013; van der Bent et al. 2020). 12.4.1

Lichenoide Reaktionen („type plaque elevation“)

. Abb.  12.1 zeigt den Prototypen einer allergischen Tattoo-Reaktion, ausgelöst durch unlösliche Bestandteile (Pigmente) der Tätowierfarbe (Schubert und Aberer 2018). Diese erhabenen (verdickten) Reaktionen treten häufig in roten Tattoos auf (auch Rot-Nuancen und Orange) und sind klar von andersfarbigen, asymptomatischen Bereichen abgegrenzt. Sie entwickeln sich stark verzögert (Wochen, Mo 

12

112

S. Schubert

a

b

..      Abb. 12.1  Allergische Reaktion („type plaque elevation“) auf ausschließlich rote Farbanteile von mehrfarbigen Tätowierungen: a rote Zunge und rote Krallen eines Drachen, b roter Stachel und rote Schweren eines Skorpions (Schubert und Aberer 2018)

12

nate oder sogar Jahre) und können auch durch erneutes Tätowieren (Farbauffrischung) ausgelöst werden. Bei Patienten mit mehreren Tattoos kann sich die unbehandelte lichenoide Reaktion auf andere, bis dahin unauffällige Tattoos ausbreiten. Diese Tattoos wurden meist mit ähnlichen Farbmitteln angefertigt oder mit einer Tätowierfarbe, die Substanzen der gleichen Pigmentklasse enthält (z. B. Azopigmente). Tipp

In der Regel sind Behandlungserfolge z. B. mit Corticosteroiden nicht zu erzielen, die operative Entfernung des gesamten Pigments in der erkrankten Haut wird empfohlen. Bei mehreren betroffenen Tattoos reicht es in der Regel aus, genau das Tattoo zu entfernen, welches die erste Reaktion ausgelöst hat. iiVon der Verwendung von Q-switched Nd:YAG- oder CO2-Lasern zur Entfernung lichenoider Reaktionen wird strengstens abgeraten (7 Abschn. 12.5).  

113 Allergien

..      Abb. 12.2 Hyperkeratotische Reaktion auf rotes Pigment (Schubert 2018)

12.4.2

Hyperkeratosen und Ulzera

Wenn lichenoide Reaktionen im (rot) pigmentierten Bereich nicht rechtzeitig behandelt, also die Farbmittel nicht vollständig entfernt werden, können sich Hyperkeratosen (. Abb. 12.2) und – in seltenen Fällen – Ulzera und Nekrosen aus lichenoiden Reaktionen entwickeln. In Folge dessen sind sogar Amputationen von Gliedmaßen denkbar.  

Tipp

Die rechtzeitige operative Entfernung des erkrankten Gewebes wird deshalb dringend empfohlen und wird in diesem Stadium durch den hohen Leidensdruck von den vielen Patienten auch gewünscht.

Bei tiefen nekrotischen Infiltraten wird die operative Entfernung nicht empfohlen, die Anwendung hoch dosierter Immunsuppressiva kann wirksam sein (Serup 2017a). 12.4.3

Kontaktekzeme

Ein Kontaktekzem ist die klinische Manifestation einer kontaktallergischen Reaktion gegenüber einem löslichen Bestandteil der Tätowierfarbe und wird i. d. R. als Hautausschlag wahrgenommen. Die Reaktionen sind nicht farbspezifisch und treten bei bereits bestehender Sensibilisierung gegenüber einem Inhaltsstoff der Tätowierfarbe innerhalb weniger Tage auf. Bei einer Sensibilisierung durch ein Tattoo oder Permanent Make-up dauert es in der Regel 3–4 Wochen, bis die Reaktion erstmalig auftritt. Mitunter kommt es zu Rötungen, Schuppungen, Juckreiz und Bläschen an tätowierter Stelle oder auch verteilt über mehrere Körperteile (sog. „generalisierte Ekzeme“). iiKontaktekzeme werden eventuell nicht als allergische Reaktion erkannt, sondern vielmehr als „Wundheilungsstörung“ oder „Infektion“ eingestuft, vom Tätowierer „behandelt“ oder von den Patienten bis zur Abheilung ertragen.

12

114

S. Schubert

Zu beachten ist, dass allergische Ekzemreaktionen auch als erythematöse oder Urtikaria-ähnliche Reaktionen gegenüber anderen Tätowiermitteln (Übertragungsflüssigkeiten, „numbing creams“, After-Care-Produkte, Handschuhe des Tätowierers etc.) auftreten können (Schubert und Aberer 2018). Tipp

Um allergieauslösende Produkte und darin enthaltene Allergene zu identifizieren, wird nachdrücklich empfohlen, einen Allergologen (Dermatologen) zu konsultieren und sich an den aktuellen Testempfehlungen der DKG zu orientieren.

12.4.4

Pseudolymphome („cutaneous lymphoid hyperplasia“)

Das Erscheinungsbild der Pseudolymphome entspricht prinzipiell lichenoiden Reaktionen (7 Abschn.  12.4.1, . Abb.  12.1); sie treten ebenso stark verzögert auf, kommen aber etwas seltener vor (Schubert und Aberer 2018). Rote Tattoos sind oft betroffen, aber auch andersfarbige Pigmente können als Auslöser in Erscheinung treten. Pseudolymphome können B- oder T-Zell-vermittelt sein, oft kommen beide Zelltypen des Immunsystems gleichzeitig vor, der überwiegende Teil der Reaktionen zeigt allerdings eine T-Zell Dominanz. Die Beteiligung von T-Lymphozyten, die durch eine Gewebeuntersuchung im Labor nachgewiesen werden muss, spricht immer für eine allergische Komponente der Reaktion; Pseudolymphome können aber auch nichtallergisch sein. Über spontane Rückbildungen solcher Reaktionen wurden ebenso berichtet wie über bösartige Transformation.  

12

12.5



Keine Laserentfernung bei allergischen Reaktionen

Die Entfernungstechnik kann zur Freisetzung und zur systemischen Verteilung der Pigmentallergene (PAAs) führen. Die Folgen sind generalisierter Hautausschlag und Juckreiz über Wochen. Insbesondere Q-switched Nd:YAG- und CO2-Laser sind bei Überempfindlichkeitsreaktionen nicht zu empfehlen, da die Hitze in der Haut (bis zu 1000  °C) die Spaltung von Pigmenten verursacht und somit die Allergenfreisetzung beschleunigt (Bäumler et al. 2000; Meesters et al. 2016; Zemtsov und Wilson 1997). So können Reaktionen auch in bisher asymptomatischen Tätowierungen (anderer Körperstellen) und generalisierte Ekzeme ausgelöst werden (Schubert und Aberer 2018). iiReaktionen wie die in den beiden Abbildungen gezeigten sollten niemals mit Lasern entfernt werden!

12.6

Forschungsbedarf

Die Regelung von Tätowierfarben ist leider nicht adäquat, es fehlt eine Positivliste von Stoffen, die bedenkenlos eingesetzt werden können. Bisher waren Tätowierfarben durch Falschdeklarationen charakterisiert, was die Arbeit von Allergologen

115 Allergien

deutlich erschwerte, da sie sich auf Inhaltsstoffangaben verlassen müssen. Welche Substanzen tatsächlich Tattoo-Allergien auslösen, bleibt jedoch nicht nur deshalb größtenteils unklar. Auf der einen Seite fehlen geeignete Testsubstanzen, auf der anderen Seite müssen epidemiologische Studien durchgeführt werden, die alle allergologisch relevanten Stoffgruppen einschließen und mögliche Störgrößen im Bereich der Body-Art (Piercings, künstliche Nägel, temporäre Tattoos, Haarefärben etc.) miteinbeziehen. Im Informationsverbund Dermatologischer Kliniken (IVDK) läuft zurzeit eine große epidemiologische Studie (7 www.­ivdk.­org/de/aktivitäten/tattoo-­studie/). Mithilfe eines Patientenfragebogens (erweiterte Körperschmuckanamnese) und durch die chemische Analyse von Metallen und Pigmenten in Hautproben von nichtinfektiösen Tattoo-Reaktionen sollen in Zukunft kritische Inhaltsstoffe in Tätowierfarbe identifiziert werden.  

Tipp

Die Ergebnisse der IVDK-Studie sollen helfen, Tätowierfarben in Zukunft sicherer zu machen.

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S. Schubert

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Gefährliche Stoffe in Tätowiermitteln und Freisetzung unter Lichteinfluss Ines Schreiver Inhaltsverzeichnis 13.1

Bedenkliche Inhaltsstoffe in Tätowierfarben – 118

13.2

 eaktive Sauerstoffspezies und R Tätowiermittelpigmente – 120

13.3

 reisetzung von bedenklichen Stoffen durch F Sonnenlicht und Laserbestrahlung – 120 Literatur – 121

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_13

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I. Schreiver

13.1

Bedenkliche Inhaltsstoffe in Tätowierfarben

Tätowierfarben sind Mischungen aus einer Vielzahl an Stoffen. Wie bei allen Chemikalien gibt es auch für die Rohstoffe, die in den Farben zum Einsatz kommen, unterschiedliche Reinheitsgrade. Die Qualität und Sicherheit einer Farbe ist also nicht nur von der Auswahl der Stoffe, sondern auch von ihrer Reinheit und Abwesenheit von bedenklichen Stoffen abhängig. Die Vielfalt an Inhaltsstoffen in Tätowierfarben ist genauso wie in anderen Bereichen der Farbindustrie fast unbegrenzt. Im Folgenden sind die Hauptkomponenten von Tätowierfarben und ihre möglichen gesundheitlichen Risiken aufgeführt. Alle Inhaltsstoffe, die nicht löslich und somit nicht mit der Wundheilung aus der Haut verschwinden, können Einfluss auf die Reaktion von Tätowierungen unter Lichteinfluss nehmen. >>Die Qualität und Sicherheit einer Farbe ist nicht nur von der Auswahl der Stoffe, sondern auch von deren Reinheit sowie der Abwesenheit bedenklicher Stoffen abhängig.

Die farbigen Pigmentpartikel sind in der Tätowierfarbe in einer Flüssigkeit vermischt. Diese besteht aus dem Lösungsmittel, verschiedenen Bindemitteln, Füllstoffen, Konservierungsstoffen und manchmal weiterer Zusätze (siehe auch 7 Kap. 7). Die Lösungsmittel sind meist Wasser, Alkohole und Polyalkohole (Dirks 2015). Manche Polyalkohole wie Ethylenglycol und Diethylenglycol können in großen Mengen zu Vergiftungen führen. Bindemittel sorgen dafür, dass die Pigmente nicht auf den Boden der Flasche absinken. Es sind meist Polymere, also lange Molekülketten, die aus einem oder mehreren Bausteinen bestehen. Viele dieser Bausteine oder die Cross-Linker der Polymerherstellung sind krebserzeugend und allergieauslösend und können als Verunreinigung im Produkt vorliegen. Manche dieser Polymere wie Acrylate, Silicone und Polyvinylpyrrolidone (PVP) wurden früher auch zum Ausfüllen von Falten in der Kosmetik eingesetzt. Diese führten jedoch zu Nebenwirkungen wie Granulomen, also kleinen Knötchen unter der Haut (Christensen et  al. 2005; Fischer et  al. 2007). Polymere können nur bis zu einer bestimmten Größe aus der Haut abtransportiert werden (Chi et al. 2006). Natürliche Bindemittel wie Schellack und Kolophonium sind ebenfalls häufig in Tätowierfarben zu finden. Letzteres ist besonders umstritten, da der Hauptbestandteil von Kolophonium, die Abietinsäure, als Allergen bekannt ist. Wie lange Bindemittel in der Haut von Tätowierten bleiben, wurde bisher nicht untersucht und ist aufgrund ihrer geringen Konzentration in der Haut analytisch schwer festzustellen. Neben den Bindemitteln werden auch häufig Tenside in Tätowiermitteln eingesetzt. Wie bei Seife sorgen diese für eine bessere Mischung der Pigmente im Lösungsmittel. TMDD (2,4,7,9-Tetramethyl-5-decin-4,7-diol) wird häufig in handelsüblichen Farben gefunden, kann jedoch Allergien auslösen. Um Schaumbildung in der Farbe zu unterdrücken, werden sogenannte Entschäumer hinzugesetzt. Dies können Fettsäuren, Silikonöle oder sogar das krebserzeugende Tributylphosphat sein (unpublizierte Daten).  

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119 Gefährliche Stoffe in Tätowiermitteln und Freisetzung unter Lichteinfluss

Sowohl Polymere als auch Tenside werden nicht nur bei der Produktion der Farbe beigemischt, sondern können schon bei der Synthese von Pigmenten zum Einsatz kommen (Uemura et al. 1997). Da die genauen Beistoffe bei der Synthese Betriebsgeheimnisse der Pigmenthersteller sind und die Hersteller von Tätowierfarben selbst keine Pigmente synthetisieren, sind ihnen die Zusatzstoffe nicht bekannt. Zusätzlich kann die Oberfläche der Pigmente noch durch anorganische oder organische Moleküle verändert werden, um die Mischung in bestimmten Lösungsmitteln zu erleichtern. Pigmente selbst können entweder anorganische oder organische Moleküle sein. Letzteres bedeutet, dass sie auf Kohlenwasserstoffverbindungen basieren. Beispiele für anorganische Stoffe sind das Schwarzpigment Carbon Black, das weiße Titandioxid oder farbige Eisenoxide. Organische Pigmente erzeugen die heute modernen, farbbrillanten Tätowierungen. Da sie oft aus giftigen Bausteinen hergestellt werden, können krebserzeugende oder allergieauslösende Verunreinigungen in der Farbe vorhanden sein. Bei allen Farbtönen sind Schwermetallverunreinigungen möglich (Battistini et  al. 2020; Forte et  al. 2009). Nickel, Chrom und Kobalt können ebenfalls Allergien auslösen. Durch die Verbrennungsprozesse beim Herstellen von Carbon Black sind diese meist mit krebserzeugenden polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) verunreinigt (Lehner et al. 2014). Wie in kosmetischen Produkten kommen auch bei Tätowiermitteln verschiedene Konservierungsstoffe zum Einsatz, die Allergien auslösen können (Hauri 2011, 2018). Konservierungsstoffe wie Formaldehyd und Phenol können zudem Mutationen des Erbguts hervorrufen oder sind sogar bestätigte Krebsauslöser. Gerade bei Farbherstellern, die Pigmente nicht als Pulver, sondern als bereits vorgemischte Flüssigkeiten beziehen, sind Konservierungsstoffe meist bereits enthalten. Formaldehyd kann aber auch durch die Verwendung formaldehydhaltiger Harze, Glykole oder durch die Verwendung von Formaldehyd als Cross-Linker in der Polymerherstellung in die Farbe gelangen. Die Liste der durch chemische Analysen bereits entdeckten Inhaltsstoffe und Verunreinigungen ist lang. Funde von Weichmachern, den Phthalaten (Lehner et  al. 2011), lassen Fragen offen, ob diese absichtlich in die Farbe gegeben wurden oder von den Plastikfläschchen in die Farbe migrieren. Sie sind durch ihre hormonaktive Wirkung als besonders besorgniserregend eingestuft (ECHA). Weitere Zusätze wie Duftstoffe und Zaubernuss („witch hazel“) sind für die Herstellung einer guten Farbe nicht notwendig und können allergieauslösende Substanzen enthalten. Da Zaubernuss als Heilpflanze für Hautverletzungen eingesetzt wird, ist sie mittlerweile auf vielen Inhaltsangaben von Tätowiermitteln zu finden. Ob dies wirklich einen Nutzen hat oder die Verkaufsattraktivität gesteigert werden soll, bleibt jedoch offen. Ähnliches gilt für den Trend der „veganen“ Farben. Da Veganismus oft mit einem gesunden Lebensstil assoziiert wird, gibt es seit den letzten Jahren ein breites veganes Farbsortiment. Da bis auf den Verzicht von Schellack und Glyzerin aus tierischen Quellen alle anderen Inhaltsstoffe identisch sind, enthalten vegane Farben nicht per se weniger bedenkliche Stoffe.

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120

I. Schreiver

13.2

Reaktive Sauerstoffspezies und Tätowiermittelpigmente

Reaktive Sauerstoffspezies können unter Lichteinfluss von verschiedenen Pigmenten gebildet werden. Diese können das oxidative Gleichgewicht der Zellen stören, Zellbestandteile oxidieren und so in höheren Konzentrationen zum Zelltod oder DNA-­ Schäden führen. Die in schwarzen Farben enthaltenen PAK können im Zusammenspiel mit UVA-­ Bestrahlung reaktive Sauerstoffspezies bilden (Regensburger et al. 2010). Besonders für Titandioxid in der Anatas-Kristallstruktur ist diese Wirkung bekannt. Eine Oberflächenbehandlung von Titandioxid mit z. B. Aluminiumhydroxid kann die Bildung von reaktiver Sauerstoffspezies unter UV-Licht reduzieren (Kobayashi und Kalriess 1997). Aber auch farbige Pigmente bergen das Risiko, reaktive Sauerstoffspezies freizusetzen. Als Photosensibilisierer bei der photodynamischen Therapie kommen auch verschiedene Farbstoffe, u. a. modifizierte Phthalocyanine, zum Einsatz. Der Wirkmechanismus basiert ebenfalls auf der Generierung von reaktiver Sauerstoffspezies, um z.  B.  Tumorzellen zu schädigen (Huang et  al. 2001). Ob die Produktion von reaktiver Sauerstoffspezies durch Laserentfernung von Tätowierungen durch tätowiermittelrelevante Pigmente verstärkt wird, ist bisher nicht erforscht. 13.3

13

 reisetzung von bedenklichen Stoffen durch Sonnenlicht F und Laserbestrahlung

Bei den organischen Pigmenten spielt die Spaltung in zum Teil giftige, krebserzeugende und allergieauslösende Stoffe durch Sonnenbaden und Laserentfernung eine große Rolle. Besonders labil sind dabei sogenannte Azopigmente (mit einer Stickstoff-­Stickstoff-­Doppelbindung, N=N). Diese können durch UV-Licht, sichtbares Licht und Laserbestrahlung gespalten werden. Die Spaltung in krebserzeugende Stoffe nach Laserbestrahlung ist für verschiedene Pigmente belegt (P.R.112, P.R.170, P.R.22, P.R.254, P.R.9, P.Y.83, P.Y.97, P.Y.138, P.O.13, P.O.34, P.V.19, P.B.15) (Hauri und Hohl 2015; Hering et  al. 2018; Schreiver 2018; Vasold et  al. 2004). Auch im Mausmodell konnten krebserzeugende Stoffe nach der Laserbehandlung nachgewiesen werden (Engel et al. 2010). Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sich alle organischen Pigmente auch chemisch durch Laserlicht spalten lassen und potenziell auch das krebserzeugende Benzol freisetzen (Schreiver 2018). Die Konzentrationen an toxischen und krebserzeugenden Stoffen variiert dabei gravierend, wobei Azopigmente die Liste anführen. Genauso wie zum Zeitpunkt der Tätowierung könnten sich eventuell in den Pigmenten vorhandene gefährliche Stoffe zusammen mit den Pigmenttrümmern oder Zersetzungsprodukten nach dem Lasern im Körper verteilen. Hierzu zählen z. B. auch Schwermetalle. >>Es kann davon ausgegangen werden, dass sich alle organischen Pigmente auch chemisch durch Laserlicht spalten lassen.

Für die genannten Untersuchungen wurden jeweils verschiedenste gütegeschaltete Laser (Q-switched) mit Pulsdauer im Nanosekundenbereich verwendet. Die Entfernung beruht auf selektiver Photothermolyse, welche zur Entstehung von p ­ hotoakustischen Wellen durch die thermische Expansion führt (Bäumler und Weiss 2019).

121 Gefährliche Stoffe in Tätowiermitteln und Freisetzung unter Lichteinfluss

Die Entfernung beruht also zum Teil auf der Zerstörung des Chromophors (Spaltung, chemische Veränderung der Pigmente) und der Zersprengung und Freisetzung der Pigmentpartikel aus den Zellen der Dermis. Die freigesetzten Partikel oder chemischen Spaltprodukte werden dann aus dem Körper ausgeschieden oder, im Fall der Partikel wahrscheinlicher, in die nächst-gelegenen Lymphknoten transportiert. Da auch die obere Hautschicht, die Epidermis, durch den Laser teilweise aufgebrochen werden kann (Blasenbildung, Blutung), ist auch ein Verlust der Pigmente über die Epidermis möglich. Vor allem für Carbon Black wird vermutet, dass der Effekt der strukturellen und chemischen Veränderung der Pigmente die Hauptursache des Verblassens dieser schwarzen Pigmente durch Laserbehandlung darstellt und auch den Abtransport der Partikel aus der Haut überwiegt (Ross et al. 1998). Die chemische Umwandlung von Carbon Black beruht wahrscheinlich auf der sogenannten „steam carbon reaction“, bei der es bei genügender Erhitzung zur Reaktion mit Wasser und daraufhin zur Freisetzung von Wasserstoff und Kohlenmonoxid kommt (Chen und Diebold 1995). Es wird diskutiert, dass bei Verwendung von Picosekunden-Lasern der photoakustische Effekt dem thermalen überwiegt (Bäumler und Weiss 2019). Andererseits kann die berechnete Höchsttemperatur in den Pigmenten durch Picosekunden-Laser wesentlich höher als bei Nanosekunden-Lasern liegen und somit auch den gegenteiligen Effekt haben (Ross et al. 1998). Ob die Verwendung von Picosekunden-Lasern mit einer geringeren oder höheren Spaltung der organischen Pigmente einhergeht, wurde bisher nicht gezeigt (siehe auch 7 Kap. 18 und 19). Die Zersetzung von Pigmenten unter UV- oder sichtbarem Licht ist für die Pigmente P.Y.74, P.R.22, P.R.202, P.O.34, P.O.13, P.O.73, P.R.112, P.R.170 gezeigt worden (Cui et al. 2004; Engel et al. 2007; Hauri und Hohl 2015). In der Mischung mit Titandioxid kann diese Spaltung sogar beschleunigt werden, was bereits für zwei Diazopigmente im Labor gezeigt wurde (Hohl 2017). Die Entstehung weiterer Spaltprodukte und neu generierter Substanzen ist sowohl für die UV-Bestrahlung als auch die Laserbehandlung nicht auszuschließen. Epidemiologisch belastbare Daten, ob die Spaltung der Pigmente oder die Produktion von reaktiver Sauerstoffspezies in der Haut von Tätowierten einen messbaren Einfluss auf die Entstehung von Krebs hat (lokal in der Haut oder in anderen Organen), gibt es bisher nicht. Das Auftreten von phototoxischen Reaktionen bei ca. 20 Prozent aller Tätowierten zeigt in jedem Fall einen akuten Einfluss der Pigmente auf die Haut durch Sonnenbestrahlung (Hutton Carlsen und Serup 2013). Berichte von Allergien nach UV-Exposition und Laserbehandlung spricht ebenfalls für gesundheitliche Folgen durch Lichteinfluss (Bernstein 2007; Gaudron et al. 2015; van der Bent et al. 2019). Solche Fallberichte sind in der Literatur jedoch rar.  

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13

125

Tattoo-Entfernung – Grundlagen Inhaltsverzeichnis Kapitel 14

 inführung und Techniken – 127 E Peter Arne Gerber

Kapitel 15 Gesetzliche Grundlagen und Anforderungen – 131 Gwendolyn Gemke

IV

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Einführung und Techniken Peter Arne Gerber Inhaltsverzeichnis Literatur – 129

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_14

14

128

P. A. Gerber

Geschätzt jeder zehnte Tätowierte möchte sich im Laufe seines Lebens ein gestochenes Tattoo wieder entfernen oder überstechen lassen (vgl. 7 Kap. 2) (YouGov Profiles 2019; 7 http://www5.­rz.­rub.­de:8609/mam/content/tattoo-­studie.­pdf; Klügl et  al. 2010; Laumann und Derick 2006). Unangefochtener Goldstandard für die narbenfreie Entfernung von Tätowierungen ist die Behandlung mittels gütegeschalteter („quality switched“; QS) Lasersysteme (vgl. 7 Kap. 16 „Laser“) (Raulin und Karsai 2013; Anderson und Parrish 1983; Kautz 2018). Ein solcher Laser ist unter anderem dadurch definiert, dass er hochenergetisches Licht einer einzigen Wellenlänge (also einer einzigen Farbe) emittiert. Lasersysteme lassen sich also anhand ihrer Wellenlänge unterscheiden. Ein weiteres Charakteristikum ist die Dauer der emittierten Laserimpulse. In der Medizin sprechen wir von lang- und kurzgepulsten Lasersystemen. Für die Zerstörung von Farbpigmenten werden ultrakurze Laserimpulse im Nano- oder Picosekunden-Bereich benötigt, welche nur durch Laser mit Güteschaltung, sogenannte Quality-Switched (QS)-Laser, und/oder Modenkopplung generiert werden können. Diese „Pigment“- oder „Tattoo-Laser“ können Tätowierungen entweder komplett entfernen oder zumindest soweit abblassen, dass sich ein anderes Motiv deckend überstechen lässt. Das biophysikalische Wirkprinzip der Tattoo-Laser bedingt, dass für verschiedene Tattoo-Farben unterschiedliche Wellenlängen und folglich unterschiedliche Lasersysteme benötigt werden (Raulin und Karsai 2013; Anderson und Parrish 1983; Kautz 2018). Manche – insbesondere helle – Farben lassen sich Stand der aktuellen Technik nur sehr schlecht oder gar nicht entfernen. Jedem sollte zudem bewusst sein, dass die narbenfreie Entfernung einer Tätowierung mit dem Laser Zeit benötigt. Je nach Menge des eingestochenen Pigments müssen in der Regel zehn und mehr Lasersitzungen kalkuliert werden. Berücksichtigt man, dass Behandlungen nur alle 4–6  Wochen erfolgen sollten, so dauert die komplette Entfernung einer Profitätowierung schnell ein Jahr und länger. Auch eine Tattoo-Entfernung, bei der man am Ende „gar nichts mehr sieht“, ist in der Regel nicht möglich. Also: „Think before you ink!“. Im Vergleich zu QS-Lasern ist jegliche alternative Technik zur Entfernung von Tätowierungen unterlegen oder sogar gesundheitsgefährdend. So können Tätowierungen z.  B. chirurgisch mit abtragenden Lasern „herausgebrannt“ oder mit dem Skalpell herausgeschnitten werden (vgl. auch 7 Kap. 25). Auch die Dermabrasio – also das Herausschleifen der Pigmente mit einer Diamantfräse – wird den chirurgischen Tattoo-Entfernungstechniken zugerechnet. Vorteil dieser invasiven Techniken ist, dass die Entfernung einer Tätowierung häufig in einer oder einigen wenigen Sitzungen möglich ist. Nachteil ist jedoch, dass diese Techniken immer mit einer Narbenbildung einhergehen und deshalb nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen sollten. Fälle, in denen eine chirurgisch-invasive Entfernung einer Tätowierung empfohlen werden kann, sind etwa chronisch-allergische Reaktionen gegen Tattoo-­Pigmente, die sich mit anderen Therapien nicht kontrollieren lassen, oder andere Hintergründe, bei denen eine rasche Tattoo-Entfernung zwingend erforderlich sein kann (z. B. Einstellungskriterium, verfassungswidrige Motive als Hindernis der sozialen Wiedereingliederung u. ä.). Weitere alternative Methoden zur Tattoo-Entfernung sind in der Regel äußerst kritisch zu werten, da diese unter Umständen zu Wundkomplikationen und entstellenden Vernarbungen führen können. An erster Stelle sei hier die Injektion von Milchsäure genannt, die mitunter fälschlich und irreführend als „schonende und  





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129 Einführung und Techniken

schmerzfreie Alternative“ zur Entfernung mit dem Laser beworben wird. Tatsächlich finden sich jedoch zahlreiche Fälle schwerwiegender Komplikationen, bei denen die eingespritzte Säure tiefe Löcher in die behandelten Hautareale gefressen hat – entstellende Narbenbildung inklusive (vgl. auch 7 Kap. 26).  

Fazit In Zusammenschau sollte man sich bei der Tattoo-Entfernung auf etablierte Techniken aus Expertenhand verlassen oder, wie es das BfR formuliert: „Nach Meinung des BfR sollte die Entfernung von Tattoos nur mittels medizinisch anerkannter und unbedenklicher Verfahren und von entsprechend geschulten Personen vorgenommen werden. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten zusätzlich über alle Risiken einer Tattoo-Entfernung umfassend aufgeklärt werden“ (Tattoo-Entfernung 2011). Verlässliche Informationen zu anerkannten Verfahren der Tattoo-Entfernung sowie Hinweise für die Auswahl Ihres Experten finden Sie unter anderem in diesem Buch.

Literatur Anderson RR, Parrish JA (1983) Selective photothermolysis: precise microsurgery by selective absorption of pulsed radiation. Science 220(4596):524–527. https://doi.org/10.1126/science.6836297. PMID: 6836297 http://www5.­rz.­rub.­de:8609/mam/content/tattoo-­studie.­pdf Kautz G (Hrsg) (2018) Energie für die Haut  – Wirkungen und Nebenwirkungen von Lasern, Blitzlampen und weiteren Energieträgern, Springer. Berlin/Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-­3-­ 662-­56436-­3 Klügl I, Hiller KA, Landthaler M, Bäumler W (2010) Incidence of health problems associated with tattooed skin: a nationwide survey in German-speaking countries. Dermatology 221:43–50 Laumann AE, Derick AJ (2006) Tattoos and body piercings in the United States: a national data set. J Am Acad Dermatol 55(3):413–421. https://doi.org/10.1016/j.jaad.2006.03.026. Epub 2006 Jun 16. PMID: 16908345 Raulin C, Karsai S (Hrsg) (2013) Lasertherapie der Haut, Springer. Berlin/Heidelberg. https://doi. org/10.1007/978-­3-­642-­29910-­0 „Tattoo-Entfernung: Einsatz wässriger Milchsäure ist mit gesundheitlichen Risiken verbunden“, Stellungnahme Nr. 033/2011 des BfR vom 1. August 2011 YouGov Profiles, Stand 01.09.2019. https://yougov.­de/news/2019/10/18/jeder-­funfte-­tatowierte-­mann-­ bereut-­sein-­tattoo/

14

131

Gesetzliche Grundlagen und Anforderungen Gwendolyn Gemke Inhaltsverzeichnis 15.1

 andelt es sich bei der Entfernung von Tätowierungen H um Heilkunde? – 132

15.2

 eitere Qualifikationsanforderungen auf Basis der W Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSV) – 133

15.3

Sanktionen – 134

15.4

 llgemeine Anforderungen an den Betrieb A von Lasereinrichtungen – 134

15.5

Anzeige des Betriebs einer Lasereinrichtung – 135

15.6

Entfernung von Tätowierungen und Behandlungsvertrag – 135

15.7

Erweiterte Aufklärungspflichten – 136

15.8

Dokumentation der Anwendung – 137

15.9

 echtliche Vorgaben zur Delegation R der Tattoo-Entfernung – 137

15.10 Allgemeine Fachkunde – 138 Literatur – 138

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_15

15

132

G. Gemke

Das Anfertigen von Tätowierungen ist eine Kunst. Aber auch ihre Entfernung setzt ein erhebliches Maß an Fachwissen und Erfahrung voraus. Im Rahmen einer Erhebung des Bundesinstituts für Risikobewertung, veröffentlicht im Jahre 2018, haben 12 Prozent der Bevölkerung in Deutschland angegeben, dass sie sich bereits ein Tattoo haben stechen lassen (Bundesinstitut für Risikobewertung, BfR-Verbrauchermonitor 2018/Spezialtattoos, S. 5). Aber die Einstellung gegenüber der eigenen Tätowierung ändert sich, und es kann der Wunsch entstehen, dass die Tätowierung gänzlich entfernt werden soll. Um die durch das Tätowieren dauerhaft in die Haut eingebrachten Farbpartikel zu entfernen, ist in der Regel der Einsatz von Lasergeräten das Mittel der Wahl. Dabei bestehen eine Reihe von Risiken für den Anwender wie für den Kunden. Diese reichen von der Gefahr von Verbrennungen bis zur Verkennung von schwarzem Hautkrebs mit der Folge, dass eine Hautkrebsdiagnose erschwert oder unmöglich gemacht wird, was beim Betroffenen zu erheblichen gesundheitlichen Schäden führen kann. In der Vergangenheit war umstritten, ob diese Gefährdungslage dazu führt, dass die Entfernung von Tätowierungen als heilkundliche Tätigkeit einzustufen ist, und damit nur von approbierten Ärzten und gegebenenfalls Heilpraktikern durchgeführt werden kann. Der Bundesgesetzgeber hat nunmehr reagiert und auf Grundlage des Gesetzes zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSG) eine konkretisierende Verordnung erlassen, die Verordnung zum Schutz bei der Anwendung nichtionisierender Strahlungen am Menschen (NiSV). Das Recht rund um die Entfernung von Tätowierungen wurde damit neu gestaltet.

15.1

15

 andelt es sich bei der Entfernung von Tätowierungen um H Heilkunde?

Relevant ist diese Frage insbesondere deshalb, weil nach § 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (HPG) die Heilkunde nur durch Ärzte oder Heilpraktiker ausgeübt werden darf, nicht dagegen durch sogenannte Laienanwender. Zwar ist nach § 1 Abs. 2 HPG die Ausübung der Heilkunde jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden beim Menschen. Auf den ersten Blick scheint die Entfernung von Tätowierungen also nicht unter den Heilkundebegriff zu fallen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes fallen jedoch unabhängig von der medizinischen Indikation alle Behandlungen unter den Begriff der Heilkunde, die nach allgemeiner Auffassung ärztliche Fachkenntnisse erfordern und gesundheitliche Schäden verursachen können (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.10.1998, Az. BVerwG I C 25.56; ständige Rechtsprechung). Ärztliche Fachkenntnisse können insbesondere im Hinblick auf das Ziel, die Art oder die Methode der Tätigkeit oder auch schon im Hinblick auf die Feststellung, ob im Einzelfall mit der Behandlung begonnen werden darf, ohne dass der Patient durch die Verrichtung selbst unmittelbar Schaden nimmt, erforderlich sein. Insbesondere dann, wenn durch die Behandlung ein frühzeitiges Erkennen ernster Leiden verzögert wird, wie bei Verkennung von schwarzem Hautkrebs vor der Anwendung von Laserbehandlungen, ist die Leistung der Heilkunde zuzurechnen (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.09.1965, Az. BVerwG I C 105.63).

133 Gesetzliche Grundlagen und Anforderungen

Vor allem die Behandlung pigmentierter Hautveränderungen mit dem Laser (z. B. Altersflecken oder Muttermale) ist für den Patienten risikobehaftet, wenn diese ohne vorherige fachärztliche Begutachtung mit dem Laser durchgeführt wird, denn dadurch kann die Diagnose und Therapie einer vorliegenden Hautkrebserkrankung verzögert oder gar verhindert werden. Es ist gar nicht selten, dass Tätowierungen gerade über derartige pigmentierte Hautveränderungen gesetzt werden. Daher ist davon auszugehen, dass der Einsatz von Lasern zur Tattoo-Entfernung eine fachärztliche Anamnese, Diagnose und Indikationsstellung voraussetzt. Die Entfernung von Tätowierungen mittels Laser ist damit nach dem deutschen Recht der Heilkunde zuzuordnen. Bereits aus diesem Grunde bedarf die durchführende Person der Approbation als Arzt.

15.2

 eitere Qualifikationsanforderungen auf Basis der W Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSV)

Mit Wirkung ab dem 31.12.2020 tritt § 5 Abs. 2 NiSV in Kraft. Nach dieser Regelung dürfen bestimmte Laseranwendungen, insbesondere ablative Laseranwendungen und solche, bei denen die Integrität der Epidermis als Schutzbarriere verletzt wird, nur von approbierten Ärztinnen und Ärzten mit entsprechender ärztlicher Weiterbildung oder Fortbildung durchgeführt werden. Damit werden die Anforderungen an die Qualifikation des Behandlers gegenüber den Regelungen des HPG verschärft. Die Heilpraktikererlaubnis genügt nicht, um diese Behandlung durchzuführen. Neben den bereits genannten Erwägungen betreffend die mit dem Einsatz von Lasern zur Entfernung von Tätowierungen verbundenen Risiken für den Patienten sieht der Gesetzgeber die Notwendigkeit der ärztlichen Entscheidung nicht nur für Indikationsstellung und Diagnose. Vielmehr wird auch für die Auswahl des Lasers oder einer intensiven Lichtquelle sowie zur Bestimmung relevanter Parameter wie Wellenlänge, Energiedichte, Pulsdauer, Pulsfrequenz und Spotgröße bei den genannten Anwendungen fachärztliche Expertise gefordert. Die Approbation als Arzt alleine genügt nach § 5 Abs. 2 NiSV nicht, vielmehr muss der behandelnde Arzt darüber hinausgehende Qualifikation vorweisen, nämlich eine anwendungsbezogene ärztliche Fort- oder Weiterbildung spezifisch für den Einsatz von Lasern am Menschen. Soweit bereits die Weiterbildung zum jeweiligen Facharzt spezifische auf den Einsatz von Lasern bezogene Weiterbildungsinhalte enthält, wie dies insbesondere beim Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten sowie dem Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie der Fall ist, ist eine darüber hinausgehende Fort- oder Weiterbildung nach derzeitigem Stand nicht erforderlich. Ärzte ohne Facharztbezeichnung oder mit Facharztbezeichnung in Gebieten, in denen keine laserbezogenen Weiterbildungsinhalte vermittelt werden, müssen dagegen eine weitere ärztliche Fortbildung absolvieren. Bislang gibt es keine konkreten gesetzlichen oder untergesetzlichen Vorgaben zu Inhalt und Dauer dieser speziellen Fortbildung. Die Kompetenz zur Regelung der ärztlichen Fortbildung liegt im Zuständigkeitsbereich der Ärzteschaft selbst, n ­ ämlich bei den Landesärztekammern. Eine Fortentwicklung der Weiterbildungsordnungen

15

134

G. Gemke

der Landesärztekammer unter Entwicklung einer speziellen Fortbildung betreffend die Anwendung von Lasereinrichtungen und intensiven Lichtquellen im Sinne der NiSV liegen bislang nicht vor. Dessen ungeachtet ist das Absolvieren einer entsprechenden ärztlichen Fortbildung für Ärzte Voraussetzung dafür, die in § 5 Abs. 2 NiSV genannten Laseranwendungen durchzuführen. Auch wenn also Dauer und Inhalt dieser Fortbildung nicht geklärt sind, ist diese verpflichtend. Die vom Gesetzgeber im Rahmen der Anlage 3 zur NiSV genannten Lerninhalte betreffend die allgemeine Fachkunde nach § 4 NiSV in Verbindung mit den in der Fachkunderichtlinie NiSV aufgestellten Rahmenlehrpläne definieren ein Minimum an Kenntnissen, die auch der ärztliche Anwender beherrschen muss.

15.3

Sanktionen

Die NiSV in Verbindung mit dem NiSG sieht empfindliche Sanktionen für die Durchführung von Tattoo-Entfernung ohne Approbation und ohne geeignete ärztliche Weiterbildung oder Fortbildung vor. So stellt dies eine Ordnungswidrigkeit im Sinne von § 12 Nr. 8 NiSV dar und kann in Verbindung mit § 8 Abs. 2 NiSG mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Die Vorgaben an die Qualifikation zur Durchführung der Tattoo-Entfernung mittels Laser sind also durchaus ernst zu nehmen.

15.4

15

 llgemeine Anforderungen an den Betrieb von A Lasereinrichtungen

Der Betreiber einer Lasereinrichtung im Anwendungsbereich der NiSV zur Entfernung von Tätowierungen hat – über die Qualifikation hinaus – eine ganze Reihe von Vorgaben zu erfüllen, die § 3 NiSV näher definiert. So muss der Betreiber einer Anlage sicherstellen, dass die Anlage gemäß Herstellerangaben ordnungsgemäß am Betriebsort installiert wurde, die anwendende Person in die sachgerechte Handhabung der Anlage eingewiesen wurde und dass die anwendende Person vor jeder Anwendung prüft, ob die Anlage für die jeweilige Anwendung geeignet ist. Ferner ist die Anlage für jede Anwendung auf ihre Funktionsfähigkeit und ihren ordnungsgemäßen Zustand zu überprüfen. Der Betreiber muss dafür sorgen, dass die Anlage durch Personal, das über die erforderlichen gerätetechnischen Kenntnisse verfügt, insbesondere durch Inspektion und Wartung unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers sowie durch Einhaltung der gerätespezifischen Normen so instand gehalten wird, dass der sichere und ordnungsgemäße Betrieb fortwährend gewährleistet ist. Zu seinen Pflichten gehört ferner die Führung einer anlagebezogenen Dokumentation im Sinne von § 3 Abs. 2, NiSV, die im Betrieb vorzuhalten ist und nach der letzten Nutzung der Anlage 3  Jahre aufzubewahren ist. §  3 Abs.  2 NiSV definiert Mindestinhalte an diese Dokumentation, wie etwa Angaben zur eindeutigen Identifikation der Anlage, einen Beleg darüber, dass die ordnungsgemäße Installation der Anlage geprüft worden ist, sowie einen Beleg darüber, dass die anwendende Person in die sachgerechte Handhabung der Anlage eingewiesen worden ist. Ferner sind in

135 Gesetzliche Grundlagen und Anforderungen

der Dokumentation das Datum, an dem eine Kontrolle im Rahmen einer Inspektion und Wartung durchgeführt worden ist, einschließlich des Ergebnisses dieser Kontrolle zu verzeichnen, ebenso das Datum, an dem eine Instandhaltungsmaßnahme durchgeführt worden ist, dies einschließlich der verantwortlichen Person oder Firma, die diese Maßnahme durchgeführt hat. Auch Funktionsstörungen der Lasereinrichtung sind unter Angabe des Datums, der Art und der Folgen der Funktionsstörung oder des Bedienungsfehlers in der anlagenbezogenen Dokumentation festzuhalten.

15.5

Anzeige des Betriebs einer Lasereinrichtung

Der Betreiber einer Lasereinrichtung hat der für seinen Standort zuständigen Behörde den Betrieb der Anlage spätestens 2 Wochen vor Inbetriebnahme anzuzeigen. Je nach Bundesland sind unterschiedliche Behörden für den Vollzug der NiSV zuständig. Dies soll der Behörde die Möglichkeit zur Überprüfung der Einhaltung der Voraussetzungen nach der NiSV ermöglichen. Der Anzeige ist ferner ein Nachweis beizufügen, dass die Personen, die die Anlage anwenden, über die erforderliche Fachkunde verfügen. Die Pflicht zur Anzeige von Lasereinrichtungen tritt bereits am 31.12.2020  in Kraft. Wird eine Anlage am 31.12.2020 bereits betrieben, hat die Anzeige bis zum Ablauf des 31.03.2021 zu erfolgen. Die Vollzugsbehörde hat auf Grundlage der NiSV weiterreichende Prüfungsrechte. So hat etwa der Betreiber einer Anlage der zuständigen Behörde auf Verlangen nachzuweisen, dass die Anforderungen an den Betrieb der Anlage und die Anforderung an die Dokumentation der Anwendungen und der Aufklärungsgespräche erfüllt sind.

15.6

Entfernung von Tätowierungen und Behandlungsvertrag

Der zwischen dem Betreiber einer Anlage zu Entfernung von Tätowierungen mittels Laser und den betroffenen Patienten abgeschlossene Behandlungsvertrag ist ein Behandlungsvertrag im Sinne des § 630a BGB. Eine besondere Form ist für den Abschluss eines Behandlungsvertrages nicht vorgeschrieben, dieser kann mündlich oder schriftlich abgeschlossen werden. Um den Honoraranspruch des Behandlers zu sichern, ist jedoch zu empfehlen, den Behandlungsvertrag schriftlich abzuschließen. Bei der Entfernung von Tätowierungen handelt es sich in der Regel um eine nicht medizinisch indizierte Leistung, sodass der Arzt hierfür ein Honorar nur berechnen darf, wenn die Leistung auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht worden ist. Im Übrigen ist der ärztliche Behandler bei der Abrechnung an die Gebührenordnung für Ärzte gebunden, was sich aus dem Zusammenspiel von §  12 Abs.  1 der Berufsordnungen für Ärzte und §  1 Abs. 1 der Gebührenordnung für Ärzte ergibt. Honorarvereinbarungen betreffend die Höhe des Honorars sind nur eingeschränkt möglich. Nach § 2 Abs. 1 der Gebührenordnung für Ärzte kann durch eine Honorarvereinbarung weder ein Pauschalhonorar noch eine abweichende ­Leistungsziffer festgelegt werden. Lediglich die Vereinbarung einer von der GOÄ abweichenden Gebührenhöhe ist rechtlich möglich.

15

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G. Gemke

Voraussetzung dafür ist, dass die Honorarvereinbarung nach persönlicher Absprache im Einzelfall zwischen Arzt und Zahlungspflichtigem vor Erbringung der Leistung des Arztes in einem Schriftstück getroffen wird. Diese Honorarvereinbarung betreffend den Gebührensatz muss neben der Nummer und der Bezeichnung der Leistung, dem Steigerungssatz und dem vereinbarten Betrag auch die Feststellung enthalten, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist. Weitere Erklärungen darf die Honorarvereinbarung nicht enthalten, diese würden zu ihrer Unwirksamkeit führen. Die Kosten der Tattoo-Entfernung werden in den wenigsten Fällen von einer Krankenversicherung oder einem anderen Kostenträger erstattet. Daher besteht nach § 12 Abs. 4 die Verpflichtung, den Patienten vor der Durchführung schriftlich über die Höhe des nach der GOÄ zu berechnenden voraussichtlichen Honorars sowie darüber zu informieren, dass ein Anspruch auf Übernahme der Kosten durch eine Krankenversicherung oder einen anderen Kostenträger nicht gegeben und nicht sicher ist. Handelt es sich um einen gesetzlich versicherten Patienten, sind ferner die Vorgaben des Bundesmantelvertrages für Ärzte einzuhalten, jedenfalls dann, wenn der Behandler zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist. Erforderlich ist in diesem Falle eine Abdingungs- oder IGeL-Vereinbarung nach § 18 Bundesmantelvertrag, in deren Rahmen der Patient darauf hingewiesen wurde, dass die Tattoo-­ Entfernung nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung ist, der Patient schriftlich zustimmt und er auf die Pflicht zur Übernahme der Kosten hingewiesen wurde.

15.7

15

Erweiterte Aufklärungspflichten

Nach §§ 630c und 630e BGB ist der Behandelnde verpflichtet, dem Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen. Diese sogenannte Risikoaufklärung umfasst Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Die Aufklärung muss mündlich durch den Behandler oder eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt. Die Delegation der Aufklärung an nicht ärztliche Mitarbeiter verbietet sich daher. Lediglich ergänzend kann auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält. Diese dürfen das ärztliche Aufklärungsgespräch jedoch nicht ersetzen Diese allgemeinen Aufklärungspflichten, die aus dem Behandlungsverhältnis resultieren, werden durch die NiSV noch erweitert. Nach § 3 Abs. 2 NiSV muss der Betreiber einer Lasereinrichtung zur Entfernung von Tätowierungen sicherstellen, dass die Person, an der nichtionisierende Strahlung angewendet wird, von der anwendenden Person vor der Anwendung umfassend beraten und aufgeklärt wird. Zu den Beratungs- und Aufklärungsinhalten gehört ins-

137 Gesetzliche Grundlagen und Anforderungen

besondere die Anwendung und ihre Wirkung, gesundheitliche Risiken und Nebenwirkungen, die mit dem Einsatz des Lasers verbunden sind, dies einschließlich möglicher Alternativen und deren Risiken und Nebenwirkungen. Auch die individuelle Situation des Patienten, die zur Festlegung der relevanten Anwendungsparameter führt, gehört zum verpflichtenden Inhalt der Beratung und Aufklärung, ebenso die mögliche Notwendigkeit einer vorherigen fachärztlichen Abklärung, so diese nicht bereits durch den die Tattoo-Entfernung durchführenden Arzt gewährleistet ist. Diese Beratung und Aufklärung muss nach den Regelungen der NiSV nicht nur durchgeführt, sondern auch dokumentiert werden.

15.8

Dokumentation der Anwendung

Eine Verpflichtung zur Dokumentation der Laseranwendung ergibt sich bereits aus § 630f BGB, da es sich um eine Behandlung im Sinne der §§ 630a ff. BGB handelt. Auch zur Dokumentation enthält die NiSV jedoch ergänzende Regelungen. Nach der Anlage 2 zur NiSV sind neben der Art der Anwendung auch die verwendete Anlage sowie die für die konkrete Anwendung individuell eingestellten technischen Parameter zu dokumentieren, z. B. die Wellenlänge, Frequenz, Prüfung, Expositionsdauer, Art und Ausmaß der Exposition sowie die Laserklasse. Zu dokumentieren ist der individuelle Behandlungsplan, insbesondere also, mit welchen Einstellungen und in welchem zeitlichen Abstand die Anwendung wiederholt wird. Soweit erforderlich, ist eine Fotodokumentation vorgeschrieben. Selbstverständlich bezieht sich die Pflicht zur Dokumentation auch auf auftretende Nebenwirkungen, wobei neben der Nebenwirkung und den Schäden auch die Ursachen oder Fehleranalyse zu dokumentieren sind, ebenso ergriffene Maßnahmen zur Beseitigung der Fehlerquelle. Sofern eine Meldung von Endgerätedefekten, Funktionsstörungen, Nebenwirkungen oder Schäden an Hersteller und Behörden erfolgt ist, ist auch dies zu dokumentieren. Nicht zuletzt ist die Einwilligung des Patienten in die Tattoo-Entfernung mittels des Lasers in der Dokumentation festzuhalten.

15.9

Rechtliche Vorgaben zur Delegation der Tattoo-Entfernung

Wie bereits dargestellt, setzt die Durchführung der Tattoo-Entfernung mittels Laser die Approbation als Arzt sowie eine anwendungsspezifische ärztliche Weiterbildung oder Fortbildung voraus. Dies schließt die Delegation einzelner Teilschritte jedoch nicht aus. Die Tattoo-Entfernung mittels eines Lasers ist in der Regel sehr zeitaufwendig, dies jedenfalls dann, wenn es sich um die Entfernung großflächiger Tätowierungen handelt. §  5 Abs.  2 NiSV konstituiert keine Verpflichtung des Arztes, die Laserbehandlung in allen Teilschritten höchstpersönlich durchzuführen. Zu den höchstpersönlich zu erbringenden Leistungsanteilen gehören die ärztliche Anamnese, die Diagnose und Indikationsstellung, insbesondere der Ausschluss von Kontraindikationen, vor allem bei pigmentierten Hautveränderungen. Aufgabe des Arztes ist ferner die A ­ uswahl des Lasers oder der intensiven Lichtquelle sowie die Bestimmung der relevanten Parameter wie Wellenlänge, Energiedichte, Pulsdauer, Puls-

15

138

G. Gemke

frequenz und Spotgröße und die Erstellung eines Behandlungsplans (Referentenentwurf zur NiSV, Begründung zu § 5 Abs. 2, S. 433). Die Anwendung des Lasers selbst kann nach Anordnung durch den Arzt und unter seiner Aufsicht an geeignete nichtärztliche Mitarbeiter delegiert werden. Zwar enthält die NiSV entgegen einem ursprünglichen Entwurf der Norm keine explizite Regelung zur Delegation. Dem lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass die Delegation von Teilschritten bei der Tattoo-Entfernung ausgeschlossen ist. Es gilt auch hier der Grundsatz, dass der Arzt Teilschritte heilkundlicher Leistungen auch an nichtärztliche Mitarbeiter delegieren darf, die diese Leistungen unter seiner Verantwortung durchführen. Hierbei handelt es sich um eine ärztliche Entscheidung, die im Einzelfall zu treffen ist (BMUV 2021). Wie auch sonst bei der Delegation ärztlicher Leistungen ist Voraussetzung für die Delegation, dass die Person, an die die Leistung delegiert wird, hierfür qualifiziert ist, worüber der durchführende Arzt sich zu vergewissern hat. Aufgrund der Regelungssystematik der NiSV wird man fordern müssen, dass diejenige Person, die einen Laser mit dem Ziel der Tattoo-Entfernung anwendet, auch dann, wenn dies im Wege der Delegation unter der Aufsicht und Verantwortung eines Arztes erfolgt, über die nach §  4 NiSV vorausgesetzte Fachkunde verfügen muss (BMUV 2021). Eine explizite Regelung dieser Fragestellung lässt die NiSV jedoch vermissen. Ein Ungleichgewicht ergibt sich dadurch, dass die Fachkunde dazu befähigen soll, bestimmte Laserleistungen auch ohne ärztliche Aufsicht zu erbringen, während bei den im Wege der Delegation erbrachten Leistungen die Verantwortung für die Durchführung der Leistung beim anordnenden und beaufsichtigenden Arzt liegt.

15.10

15

Allgemeine Fachkunde

Die erforderliche Fachkunde zur Anwendung von Lasereinrichtungen wird durch die erfolgreiche Teilnahme an einer Schulung nebst erfolgreicher Prüfung erworben. § 5 Abs. 1 fordert die Teilnahme an einer Schulung „Grundlagen der Haut und deren Anhangsgebilde“ im Umfang von immerhin 80  Lerneinheiten sowie „Optische Strahler“ mit 120 Lerneinheiten. Einzelheiten der Schulung und Prüfung finden sich in der Anlage 3 zur NiSV, die weiter durch die gemeinsame Richtlinie des Bundes und der Länder, mit Ausnahme des Landes Sachsen-Anhalt, zur Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierende Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSV) konkretisiert werden. Zum Erhalt der Fachkunde muss mindestens alle 5  Jahre eine Aktualisierung durch Teilnahme an Fortbildungen vorgenommen werden.

Literatur Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMU) (2021) Grundsätzlich vorne weg  – Warum die NiSV? FAQ. https://www.­bmu.­de/themen/ atomenergie-­strahlenschutz/strahlenschutz/warum-­die-­nisv/. Zugegriffen am 16.10.2020

139

Tattoo-Entfernung mittels Lasertechnologie Inhaltsverzeichnis Kapitel 16

Wirkprinzip und Grundlagen – 141 Peter Arne Gerber

Kapitel 17 Behandlungsablauf – 149 Peter Arne Gerber Kapitel 18

Pico-Laser – 155 Hans Bayer

Kapitel 19

Pico- versus Nano-Laser – 159 Hans Bayer

Kapitel 20 Spezielle Techniken und Kombinationsverfahren – 163 Peter Arne Gerber Kapitel 21

 isiken der Lasertherapie, Freisetzung R von Schadstoffen – 169 Stefan Hammes und Stephan Große-Büning

Kapitel 22 Komplikationen und Nebenwirkungen der  Lasertherapie – 175 Stefan Hammes und Stephan Große-Büning Kapitel 23 Wie erkenne ich einen Experten für die Laser-­Tattoo-­Entfernung? – 183 Thomas Sembt Kapitel 24

Wundversorgung und Nachsorge – 191 Jens Malte Baron

V

141

Wirkprinzip und Grundlagen Peter Arne Gerber Inhaltsverzeichnis Literatur – 148

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_16

16

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P. A. Gerber

Der Begriff Laser ist ein Akronyom und steht für „Light Amplification by Specific Emission of Radiation,“ Lichtverstärkung durch die spezifische Emission von Strahlung. Wie eine gewöhnliche Glühlampe emittiert ein Laser elektromagnetische Strahlung in Form von Licht. Im Gegensatz zum polychromatischen (vielfarbigen) Licht der Glühlampe ist das Licht des Lasers aber streng monochromatisch, also einfarbig. Es handelt sich also um elektromagnetische Strahlung einer einzigen Wellenlänge. Darüber hinaus sind Laserstrahlen stark gebündelt und hochenergetisch (Raulin und Karsai 2013). Heute finden Laser in verschiedensten Bereichen unseres Lebens Anwendung, vom einfachen Laserpointer und Lasermessgeräten über CD-, DVD- und BlueRay-­ Player bis hin zu industriellen Schneide- und Schweißmaschinen. Auch in der Medizin und Ästhetik spielt Lasertechnik heute eine bedeutende Rolle. Biophysikalisches Wirkprinzip der medizinisch-ästhetischen Lasertherapie ist die selektive Photothermolyse, die erstmals im Jahr 1983 durch Rox R. Anderson und John A. Parrish von der Harvard Medical School im renommierten Wissenschaftsjournal Science beschrieben wurde (Anderson und Parrish 1983). Das Wirkprinzip der selektiven Photothermolyse besagt, dass Laserlicht einer solchen Wellenlänge (also Farbe) ausgewählt werden muss, welche effektiv und spezifisch durch ein gewünschtes Zielchromophor absorbiert wird. Der Begriff Chromophor (aus dem Griechischen χρῶμα, chroma, „Farbe“, und φορός, phoros‚ „tragend“) kann als die Gesamtheit der chemischen Verbindungen definiert werden, die einem Objekt seine Farbe verleihen. Chromophoren nehmen die Energie optischer Strahlung auf und geben diese in Form von Wärme an ihre Umgebung ab. Zielchromophore der medizinisch-­ ästhetischen Lasertherapie mit ihrer entsprechenden Indikation sind die Folgenden: I. der rote Blutfarbstoff Hämoglobin für die Behandlung von Gefäßläsionen; II. das Pigment Melanin in Haut oder Haar für die Entfernung von Pigmentmalen oder die Laserepilation; III.  Wasser für chirurgische Laser zum Schneiden oder Abtragen; sowie IV. unterschiedliche exogene Farbpigmente bei der Laser-Tattoo-Entfernung (Kautz 2018; Kardorff 2015). Anhand der Absorbtionsspektren der jeweiligen Zielchromophore lässt sich somit bestimmen, welche Wellenlängen für die entsprechende Behandlung geeignet sind (. Abb.  16.1). Zudem wird vor dem Hintergrund des Wirkprinzips ersichtlich, weshalb man für jede Indikation, bzw. bei Tätowierungen teils für unterschiedliche Farben, jeweils einen eigenen Laser oder eine Plattform mit verschiedenen Wellenlängen benötigt. Die für die Laser-Tattoo-Entfernung wichtigsten genutzten Wellenlängen bzw. Lasertypen und die Farben, die sich mit diesen in der Regel effektiv entfernen lassen, sind die folgenden: 55 1064 nm Nd:YAG-Laser (blau, schwarz, braun) 55 532 nm frequenzverdoppelter Nd:YAG-Laser (rot, orange) 55 755 nm Alexandrit-Laser (grün, blau, schwarz) 55 694 nm Rubin-Laser (grün, blau, schwarz)  

16

Neben der Wellenlänge und der selektiven Photothermolyse spielt für die Auswahl des richtigen Lasersystems auch die Pulsdauer eine entscheidende Rolle. So besagt ein weiteres Grundprinzip der medizinisch-ästhetischen Lasertherapie, dass die Dauer eines Laserpulses der thermischen Relaxationszeit des Zielobjektes entsprechen sollte. Die thermische Relaxationszeit ist definiert als die Zeit, die ein Objekt benötigt, um ca. 50 Prozent der von ihm aufgenommenen Energie an die Umgebung abzugeben bzw. um auf 50 Prozent der erreichten Maximaltemperatur wieder abzukühlen (Landthaler und Hohenleutner 2006). Größere Objekte brauchen länger,

143 Wirkprinzip und Grundlagen

..      Abb. 16.1  Absorptionsspektren der Zielchromophore Melanin (entspr. auch Pigmente), Blutfarbstoff Hämoglobin und Wasser sowie Eindringtiefe von Strahlung entsprechend der Wellenlänge in die Haut (modifiziert nach (Kautz 2018))

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um Hitzeenergie aufzunehmen, geben diese aber auch deutlich langsamer wieder ab. Man kann sich dieses Prinzip anhand eines großen und eines kleinen mit Wasser gefüllten Topfes auf einer Herdplatte verdeutlichen: Während das Wasser im großen Topf deutlich langsamer kocht, bleibt es aber dann auch deutlich länger heiß als das Wasser in einem kleinen Topf. Auch für die Erhitzung und Zerstörung größerer Zielchromophore werden folglich längere Laserpulsdauern benötigt als für die Zerstörung kleinerer. Während eine zu kurze Pulsdauer also dazu führen kann, dass sich ein gewünschter Therapieerfolg nicht einstellt, kann eine zu lange Pulsdauer dazu führen, dass das Zielchromophor zu viel Hitzeenergie an seine Umgebung abgibt und sich somit das Risiko für Komplikationen signifikant erhöht. Ein Vergleich der Größen der klassischen medizinisch-ästhetischen Zielchromophore verdeutlicht, dass für die Zerstörung der mikroskopisch kleinen Pigmente einer Tattoo-Tinte extrem kurze Laserimpulse im Nano- und Picosekunden-Bereich benötigt werden, wohingegen mit bloßem Auge noch sichtbare Äderchen im Gesicht oder Besenreiser der Beine mit Impulsen im Millisekunden-Bereich verödet werden (. Abb. 16.2). Neben der richtigen Wellenlänge muss somit auch die richtige Auswahl der Pulsdauer und damit der Emissionsmodus des Lasers berücksichtigt werden. Es werden Dauerstrichlaser („continuous wave“, cw) von lang- und (ultra-) kurzgepulsten Lasern unterschieden (. Abb.  16.3) (Kautz 2018; Kardorff 2015). Lediglich Lasersysteme mit Güteschaltung („quality switched“- oder QS-Laser) sind in der Lage, die (ultra-) kurzgepulsten, hochenergetischen Laserimpulse zu generie 



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16 ..      Abb. 16.2  a,b Bedeutung der thermischen Relaxationszeit (tR) für die Energieaufnahme und -abgabe durch eine Zielstruktur. a Bei zu kurzen Impulsdauern wird die Zielstruktur nicht ausreichend erhitzt – die Therapie ist unter Umständen nicht effektiv. Zu lange Impulsdauern führen zu einer Hitzeabgabe an die umgebenden Strukturen – das Risiko für Nebenwirkungen steigt. Entspricht die Pulsdauer der tR ist die Therapie wahrscheinlich effektiv und sicher. b tR hängt hierbei von der Größe der Zielstruktur ab: Ein Blutgefäß mit einem Durchmesser von 1,5 mm hat eine tR im Bereich von Millisekunden (ms), ein Tattoo-Pigment mit einem Durchmesser von wenigen Hundert Nanometern im Bereich von Nanosekunden (ns) (modifiziert nach (Kautz 2018))

145 Wirkprinzip und Grundlagen

..      Abb. 16.3  Emissionsarten von Lasersystemen. Gütegeschaltete Laser (Q-switched, QS; rot) mit hochenergetischen Impulsen im Nano- (ns) und Picosekunden-Bereich (ps), gepulste Laser (blau) mit Impulsen im Mikro- (μs) bis Millisekunden-Bereich (ms) sowie Dauerstrichlaser (cw; gelb) mit kontinuierlichen Impulsen (modifiziert nach (Kautz 2018))

ren, die benötigt werden, um Tattoo-Pigmente zu zerstören. Vor diesem Hintergrund gelten QS-Laser heute als unangefochtener Goldstandard der Tattoo-Entfernung. Im Zuge der Tattoo-Entfernung wird der Impuls des QS-Lasers gemäß dem Prinzip der selektiven Photothermolyse spezifisch durch das Tattoo-Pigment absorbiert. Dieses erhitzt sich innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde und wird durch den extremen Temperaturgradienten und den sogenannten photoakustischen Effekt in Mikrofragmente zersprengt bzw. aus seinen zellulären Mikroverkapselungen freigesetzt (. Abb. 16.4). Die freigesetzten Pigmentpartikel werden in der Folge durch Fresszellen des Immunsystems in die regionalen Lymphknoten abtransportiert oder über die Haut und Krusten nach außen ausgeschleust. Die unmittelbare und extreme Hitzeentwicklung im Bereich der Tattoo-Pigmente führt darüber hinaus zu einem plötzlichen Verdampfen von Gewebswasser mit der Ausbildung von Dampfbläschen („micro bubbles“). Klinisch äußert sich dies in einer plötzlichen weißlichen ­Verfärbung der Haut, die auch als Popcorn- oder Puderzuckerphänomen, engl. „Blanching“, bezeichnet und durch ein knackendes Geräusch (das Zerspringen des Pigments?) begleitet wird. Dieses Blanching zeigt dem Behandler an, dass eine ausreichend hohe Energiedichte gewählt wurde (. Abb.  16.5). Kommt es hingegen schon während der Laserbehandlung zu einem Einbluten der Tätowierung, wurden ggf. zu aggressive Behandlungsparameter gewählt. Bei der fälschlichen Behandlung einer Tätowierung mit Lasern ohne Güteschaltung (nicht-QS) oder gar Blitzlampen (IPL) nimmt das Tattoo-Pigment zwar die Energie des Lichtimpulses auf, diese reicht aber nicht aus, um das Pigment zu zerstören. Die Tattoo-Pigmente geben die entstehende Hitze an ihre Umgebung ab, und es kommt zu Verbrennungen und Vernarbungen (. Abb. 16.6). Da der QS-Laser pro Behandlung immer nur einen Bruchteil des in die Haut eingebrachten Pigments zerstören kann, werden für die komplette Entfernung einer pro 





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..      Abb. 16.4  a–c Schematische Darstellung der selektiven Photothermolyse als Wirkprinzip von Pigmentlasern. a Tattoo-Pigment in der Lederhaut (Dermis). b Der Laserimpuls (rot) erhitzt die Pigmentpartikel über die selektive Photothermolyse und zersprengt diese über den sogenannten photoakustischen Effekt. c Zersprengte Pigmentfragmente werden zum einen durch Fresszellen des Immunsystems (Makrophagen) aufgenommen und über die Lymphwege abtransportiert sowie zum anderen im Zuge der Wundheilung direkt aus der Haut ausgeschleust (modifiziert nach (Kardorff 2015))

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..      Abb. 16.5  a–c Erfolgreiche Therapie einer Laientätowierung mit einem QS-Rubinlaser. a Ausgangsbefund. b Blanching-Phänomen mit weißlicher Verfärbung unmittelbar nach Laserbehandlung. c Abschlusskontrolle nach zwei Behandlungen. Es zeigt sich lediglich eine mildes Reströtung, welches im weiteren Verlauf verblassen wird (Kautz 2018)

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fessionell gestochenen Tätowierung mindestens 10, eher aber 15 Sitzungen oder mehr benötigt. Bei Laien-, Schmutztätowierungen oder Permanent Make-up (PMU), die in der Regel viel weniger Pigment enthalten, kann eine Entfernung häufig auch schon in 3 bis 10 Sitzungen erreicht werden. Distal, also z. B. an Händen oder Füßen lokalisierte Tätowierungen lassen sich zumeist schwieriger entfernen (Kautz 2018; Kardorff 2015). Nach der Laserbehandlung ist die Haut gerötet, geschwollen und schmerzhaft. Auch kleinere Bläschen und Krusten sind nicht ungewöhnlich. Die Haut benötigt

147 Wirkprinzip und Grundlagen

..      Abb. 16.6 Großflächige Vernarbung nach Fehlbehandlung einer schwarzen Profitätowierung, „Geflügeltes Pferd“, mit Blitzlampe (IPL) und langgepulstem Nd:YAG-Laser. Der Patient berichtete, dass er sich zur Entfernung seiner Tätowierung in einem Institut vorgestellt hatte. Hier sei dann in einer ersten Sitzung zunächst ein erfolgloser Therapieversuch mittels Blitzlampe (IPL) erfolgt. Im nächsten Schritt sei dann eine Behandlung mittels langgepulstem (!) Nd:YAG­ Gefäßlaser durchgeführt worden, in deren Folge sich ein Verlauf mit großflächiger Blasenbildung, tiefen Wunden und Vernarbung ereignet habe. Eine Probe-Laserung eines repräsentativen kleinen Anteils der Tätowierung sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt (Kautz 2018)

nun ca. 4 bis 6 Wochen, um sich vollständig zu erholen und um den größten Teil der zertrümmerten Pigmente abzutransportieren. Anschließend kann die nächste Sitzung erfolgen. Im Idealfall blasst die Tätowierung über diesen Zeitraum deutlich ab. Mit zunehmender Dauer der Tattoo-Entfernung kann man allerdings häufig beobachten, dass bereits abgeblasste Tätowierungen immer weniger bzw. langsamer abblassen. In diesen Fällen können die Behandlungsintervalle auf bis zu 3 Monate oder länger gestreckt werden. Die Notwendigkeit multipler Sitzungen und die mehrwöchigen Behandlungsintervalle erklären, warum die vollständige Entfernung einer Profitätowierung mitunter Jahre in Anspruch nehmen kann. Wirkungsvoller als mit einem klassischen Nanosekunden-QS-Laser mag die Entfernung mit einem modernen ­Picosekunden-­QS-­Laser möglich sein (vgl. auch 7 Kap.  18). Die Unterschiede der beiden Lasertypen sind aber laut aktueller Studien wahrscheinlich nicht so groß, wie von entsprechenden Anbietern häufig versprochen wird (Kono et al. 2020; Zhang et al. 2018; Lorgeou et al. 2018; Pinto et al. 2017). Die Therapieeffektivität lässt sich auch durch spezielle Behandlungsmethoden oder Kombinationen verschiedener Lasertechnologien steigern, und/oder Begleitreaktionen lassen sich minimieren (vgl. auch 7 Kap. 20). . Abb. 16.7 zeigt das unterschiedliche Ansprechen von sogenannten Laien- und Profitätowierungen sowie den häufig zu beobachtenden Farbumschlag von Rot nach Schwarz, wie er häufig bei der Laserbehandlung von Permanent Makeup (PMU) beobachtet wird.  





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..      Abb. 16.7  a–f Entfernung von Tätowierungen mit dem Laser. a, b Schwarze Laientätowierungen an beiden Ober­und Unteramen und eine schwarzgrüne Profitätowierung am rechten Oberarm, a mit Ausgangsbefund und Befund nach b vier (Laientätowierungen) bzw. zehn Behandlungen (Profitätowierungen). Trotz der mehr als doppelt so hohen Anzahl an Behandlungen ist die Profitätowierung immer noch nicht vollständig entfernt. c–f Rotes Permanent Make­up der Unterlippe mit Ausgangsbefund c und d Befund nach Probelaserung, e nach einer und f nach fünf Sitzungen. Probelaserung und erste Behandlung zeigen einen Farbumschlag von Rot nach Schwarz durch eine hitzebedingte Oxidation des Pigments. Das nun schwarze Pigment spricht gut auf die weitere Behandlung an (Kautz 2018)

Literatur

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Anderson RR, Parrish JA (1983) Selective photothermolysis: precise microsurgery by selective absorption of pulsed radiation. Science 220(4596):524–527. https://doi.org/10.1126/science.6836297 Kardorff B (2015) Selbstzahlerleistungen in der Dermatologie und der ästhetischen Medizin, 2. Aufl. Springer, Berlin, Heidelberg Gerd Kautz (Hrsg) (2018) Energie für die Haut – Wirkungen und Nebenwirkungen von Lasern, Blitzlampen und weiteren Energieträgern. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-­ 3-­662-­56436-­3 Kono T, Chan HHL, Groff WF, Imagawa K, Hanai U, Akamatsu T (2020) Prospective comparison study of 532/1064 nm picosecond laser vs 532/1064 nm nanosecond laser in the treatment of professional tattoos in Asians. Laser Ther 29(1):47–52. https://doi.org/10.5978/islsm.20-­OR-­07. PMID: 32903983; PMCID: PMC7447827 Landthaler M, Hohenleutner U (2006) Lasertherapie in der Dermatologie. Atlas und Lehrbuch. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Springer, Berlin, Heidelberg Lorgeou A, Perrillat Y, Gral N, Lagrange S, Lacour JP, Passeron T (2018) Comparison of two picosecond lasers to a nanosecond laser for treating tattoos: a prospective randomized study on 49 patients. J Eur Acad Dermatol Venereol 32(2):265–270. https://doi.org/10.1111/jdv.14492. Epub 2017 Aug 21 Pinto F, Große-Büning S, Karsai S, Weiß C, Bäumler W, Hammes S, Felcht M, Raulin C (2017) Neodymium-­doped yttrium aluminum garnet (Nd:YAG) 1064-nm picosecond laser vs. Nd:YAG 1064-nm nanosecond laser in tattoo removal: a randomized controlled single-blind clinical trial. Br J Dermatol 176(2):457–464. https://doi.org/10.1111/bjd.14962. Epub 2017 Jan 29 Christian Raulin, Syrus Karsai (Hrsg) (2013) Lasertherapie der Haut. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-­3-­642-­29910-­0 Zhang M, Huang Y, Lin T, Wu Q (2018) Comparison of treatment with an Alexandrite picosecond laser and Nd:YAG nanosecond laser for removing blue-black Chinese eyeliner tattoos. J Cosmet Laser Ther 20(7–8):415–418. https://doi.org/10.1080/14764172.2018.1444773. Epub 2018 Feb 28

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Behandlungsablauf Peter Arne Gerber Inhaltsverzeichnis Literatur – 154

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_17

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Sofern man sich entschieden hat, sich seine Tätowierung entfernen zu lassen, sieht man sich zunächst mit der Herausforderung konfrontiert, den geeigneten Experten für diese Aufgabe zu finden. Gemäß der Novellierung des Deutschen Strahlenschutzgesetzes bzw. der Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSV) dürfen seit dem 01.01.2021 Laser-Tattoo-Entfernungen nur noch durch Ärzte durchgeführt werden, die durch eine qualifizierte Fort- oder Weiterbildung die notwendige Fachkunde erworben haben (https://www.gesetze-im-internet.de/nisv/ n.d.; https://www.bmu.de/ themen/atomenergie-strahlenschutz/strahlenschutz/nichtionisierende-strahlung/ kosmetische-­anwendung-nichtionisierender-strahlung/ n.d.; Hillienhof 2018) (siehe auch 7 Kap. 15). Laser-Tattoo-Entfernungen durch Nicht-Ärzte wie Heilpraktiker, Tätowierer, Kosmetikerinnen und andere sind also ausdrücklich verboten und strafbar! Hat man seinen Arzt für die Tattoo-Entfernung gefunden, erfolgt bei der Erstvorstellung zunächst die Begutachtung des zu entfernenden Tattoos. Folgende Aspekte sind für Möglichkeit, Sicherheit, Aufwand und Kosten der Entfernung relevant und sollten vor Beginn der Behandlung untersucht, abgefragt, ausgemessen und/oder besprochen werden: 55 Farbe der Tätowierung? Mehrfarbigkeit? Mitunter lassen sich bestimmte Farben durch die vorhandenen Lasersysteme nur schlecht oder auch gar nicht entfernen. 55 Handelt es sich um eine Profi-, Schmutz- oder Laientätowierung? 55 Größe der Tätowierung? 55 Farbintensität? (Ggf. auch Alter der Tätowierung?) 55 Wurde die Tätowierung bereits gelasert? 55 Soll die Tätowierung komplett entfernt oder ggf. nur abgeblasst und anschließend wieder überstochen werden (sogenanntes Cover-Up)? Diese Faktoren beeinflussen die Zahl der notwendigen Lasersitzungen und somit unmittelbar den (zeitlichen) Aufwand und die Kosten. 55 Ist die Tätowierung über dem Hautniveau tastbar? Ist eine Tätowierung sehr intensiv gestochen oder über dem Hautniveau tastbar, so ist es sehr wahrscheinlich, dass es durch den Tätowiervorgang zu strukturellen Veränderungen der Haut (Vernarbungen) gekommen ist. Diese “Narben” werden dann durch die Entfernung des Tattoo-Pigments mit dem Laser demaskiert, also sichtbar – eine narbenfreie Tattoo-Entfernung ist in diesen Fällen in der Regel nicht möglich (. Abb. 17.1)  



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17 ..      Abb. 17.1  a–c Intensiv gestochene Profitätowierung, Motiv „Tribal“, oberhalb des Gesäßes a vor der ersten Laserbehandlung sowie nach b drei und c 36 (!) Sitzungen. c Der Vorgang des Tätowierens hat zu strukturellen Veränderungen der Haut geführt. Diese „Vernarbungen“ werden mit dem Verblassen des Tattoo-Pigments nun sichtbar (modifiziert nach (Kautz 2018))

151 Behandlungsablauf

55 Kam es nach dem Stechen der Tätowierung zu einer Unverträglichkeit (Allergie)? In diesem Fall sollte eine Laser-Tattoo-Behandlung kritisch überdacht werden, da eine bereits “abgeklungene” Allergie gegen Tattoo-Pigmente durch den Laser mitunter stärker “reaktiviert” werden könnte. Bei nicht mehr kontrollierbaren allergischen Lokalreaktionen droht die operative Tattoo-Entfernung mit entsprechendem Narbenrisiko. 55 Kann der Arzt besondere Qualifikationen vorweisen (technisch, z.  B.: unterschiedliche Laser/Wellenlängen? Moderne Systeme? Picosekunden-Laser?; persönlich: abgeschlossener DALM-Studiengang? Mitgliedschaft in DDL, DGLM, o.ä.? Ärzteempfehlungslisten, wie FOCUS o.ä.?) 55 Vorher-Nachher-Fotos von selbst erfolgreich durchgeführten Behandlungen? 55 Wie viele Tattoo-Behandlungen führt der Arzt durch (pro Monat? pro Jahr?)? 55 Wieviel Zeit/wie viele Sitzungen werden in der Regel für die Entfernung einer vergleichbaren Tätowierung benötigt? 55 Wie viele Sitzungen werden voraussichtlich benötigt? 55 Antizipierter Zeitraum bis zum erwünschten Therapieziel (komplette Entfernung, Abblassung)? 55 Kosten pro Sitzung? Antizipierte Gesamtkosten? 55 Wie verhält es sich mit den Kosten, falls mehr Sitzungen benötigt werden als ursprünglich besprochen? Weitere behandlungsrelevante Aspekte werden zudem in den standardisierten ärztlichen Aufklärungsbögen zur Laser-Tattoo-Entfernung abgefragt, welche vor Beginn jeglicher Behandlung durch den Arzt ausgehändigt werden. Diese werden besprochen und nach Klärung aller offenen Fragen vor der ersten Sitzung durch Arzt und Patienten/Kunden unterzeichnet. Da es sich bei der Laserentfernung von Tätowierungen um eine Selbstzahlerleistung handelt (sogenannte Individuelle Gesundheitsleistung, „IGeL“), ist der Patient ebenfalls vor der Behandlung über die anfallenden Kosten aufzuklären. Hierzu wird der Arzt dem Patienten eine sogenannte Honorarvereinbarung vorlegen. Da es sich um eine ärztliche Leistung handelt, muss die Abrechnung der Behandlung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) erfolgen. Vor der ersten Behandlung sollte die Tätowierung fotodokumentiert werden. Die Anfertigung dieses Vorher-Fotos empfiehlt sich sowohl für den Arzt als auch für den Patienten. So lässt sich der Therapieerfolg, am besten von Sitzung zu Sitzung, über den Verlauf der Behandlung kontrolliert nachverfolgen. Im Falle von Nebenwirkungen und Komplikationen lässt sich ferner schnell nachweisen, ob z.  B. eine Narbe schon vor der Laserbehandlung vorhanden war oder nicht. Auch wenn dauerhafte Nebenwirkungen in Folge einer Laser-Tattoo-Behandlung aus erfahrener Hand selten sind, so gibt es dennoch ein breites Spektrum unerwünschter Reaktionen (vgl. auch 7 Kap. 22). Wird etwa die Laserenergie zu hoch oder der falsche Laser gewählt, kann es zu Verbrennungen und möglicherweise Narben kommen. Da die individuelle Reaktion der Haut auf eine Laser-­ Tattoo-­ Behandlung nicht immer vollständig vorhergesagt werden kann, empfiehlt sich zunächst eine sogenannte Probebehandlung. Hierzu wird ein kleiner repräsentativer Teil der Tätowierung mit wenigen Laserimpulsen und Standardbehandlungsparametern behandelt. Der Behandlungserfolg wird dann nach 2–4 Wochen kontrolliert. Zeigt sich ein Ansprechen ohne Hinweis auf Komplikationen, kann in der Folgebehandlung die komplette Tätowierung mit den entsprechenden Parametern sicher  

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behandelt werden. Zeigen sich wider Erwarten Komplikationen, wie etwa eine Verbrennung oder ein unerwarteter Farbumschlag, so bleiben diese auf das Probeareal beschränkt. Gegebenenfalls zu aggressive Behandlungsparameter können dann angepasst werden. Auch das Ergebnis der Probebehandlung ist fotografisch zu dokumentieren. Vor der eigentlichen Behandlung wird das Tattoo-Areal zunächst gereinigt und desinfiziert. Die Tattoo-Entfernung mit dem Laser ist schmerzhaft, laut Aussage der meisten Behandelten durchaus schmerzhafter als das Stechen der Tätowierung selbst. Zur Schmerzreduktion können ca. 30  Minuten vorher spezielle Cremes zur Oberflächenbetäubung aufgetragen werden. Bei besonderer Schmerzempfindlichkeit kann eine Infiltrationsanästhesie mittels Betäubungsspritzen durchgeführt werden. Eine Oberflächenkühlung, z. B. mittels Kaltluft oder Kühlspray, reduziert Schmerzen zusätzlich und erhöht die Behandlungssicherheit. Da Laser zur Tattoo-Entfernung das Augenlicht schädigen können, müssen Patient und Arzt entsprechende Schutzvorkehrungen treffen. Der Arzt trägt eine laserspezifische, der Patient in der Regel eine komplett undurchsichtige Laserschutzbrille. Moderne Lasersysteme arbeiten so schnell, dass selbst großflächige Tätowierungen in der Regel innerhalb wenigen Minuten behandelt werden können. Als therapeutischer Endpunkt gilt das sogenannte Blanching- oder Popcorn-Phänomen (7 Abb. 17.5) (Kautz 2018): Die Tätowierung färbt sich bei jedem Laserimpuls mit einem knackenden Geräusch, vergleichbar dem Knacken von Popcorn-Mais, unmittelbar weißlich. Ursächlich hierfür ist das plötzliche Verdampfen von Gewebswasser in der Haut durch die laser-induzierte Hitze mit der Ausbildung von Wasserdampfgasbläschen („micro bubbles“) (vgl. auch 7 Kap.  16, 7 20). Das Blanching verschwindet innerhalb von ca. 20  Minuten. Zeigt sich kein Blanching, sollte die Laserenergie gegebenenfalls gesteigert werden. Blutet die Tätowierung hingegen unter der Laserbehandlung ein, sind Behandlungsparameter gegebenenfalls zu aggressiv gewählt. Durch bestimmte Kombinationsbehandlungen können mitunter die Therapieeffizienz gesteigert und/oder Nebenwirkungen gemindert werden (vgl. auch 7 Kap. 20). Nach Abschluss der Lasertherapie wird das Behandlungsareal für mindestens 10 Minuten mittels Cool-Packs nachgekühlt. Schließend kann als erster Schritt der Nachsorge ein Salbenverband mit einer pflegenden (z.B. Dexpanthenol-haltigen) Wundcreme oder -salbe aufgebracht werden (vgl. auch 7 Kap.  24). In der Folge kann die behandelte Tätowierung für einige Tage gerötet und geschwollen sein und schmerzen. . Abb.  17.2 zeigt den typischen Verlauf über die ersten zwei Wochen nach Lasertherapie einer vorbehandelten Tätowierung. Auch kleine Bläschen und Krusten können auftreten. Bei größeren Blasen besteht die Gefahr der Narbenbildung. Diese kann durch eine adäquate Wundversorgung vermieden werden (. Abb. 17.3). Tattoo-Laserbehandlungen erfolgen in der Regel mit Abständen von 4–6  Wochen, im späteren Verlauf der Therapie mit bis zu 12 Wochen. Begleitend zur Therapie sollte eine intensive Sonnenexposition vermieden werden.  













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..      Abb. 17.2  a–i Typischer Verlauf nach Behandlung einer schwarzen Profitätowierung mit dem QS-­ Laser. Befund vor der ersten Lasersitzung a sowie b unmittelbar vor der elften Sitzung. c bis e Befund unter und unmittelbar nach der Lasertherapie. f–i Befund an den Tagen 1, 5, 9 und 18 nach Therapie

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..      Abb. 17.3  a–d Behandlung einer schwarzen Profitätowierung mit dem QS-Laser. Befund vor der ersten Lasersitzung a sowie b Befund am Folgetag nach der vierten Behandlung. Obwohl die Behandlungsparameter von der dritten zur vierten Behandlung nicht gesteigert wurden, zeigte der Patient dennoch erstmals stärkere Einblutungen und Blasen. Der Patient berichtete, dass er sich unmittelbar nach der Behandlung nicht wie empfohlen und gewohnt geschont, sondern dass er sich über mehrere Stunden schweißtreibend betätigt hatte. Blasen wurden steril punktiert und anschließend eine Wundsalbe aufgetragen. Weitere 6  Wochen später zeigte sich c dann ein reizloser Befund ohne Anzeichen einer Vernarbung. d Befund nach acht Sitzungen mit blassem Restpigment und charakteristischer Hypopigmentierung der Haut (Kautz 2018)

Literatur Hillienhof A (2018) Laser und Co: Unter Arztvorbehalt. Dtsch Arztebl 115(44):A-1994/B-1667/C-1653 https://www.­bmu.­de/themen/atomenergie-­strahlenschutz/strahlenschutz/nichtionisierende-­strahlung/ kosmetische-­anwendung-­nichtionisierender-­strahlung/ https://www.­gesetze-­im-­internet.­de/nisv/ Gerd Kautz (Hrsg) (2018) Energie für die Haut – Wirkungen und Nebenwirkungen von Lasern, Blitzlampen und weiteren Energieträgern. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg. https://doi. org/10.1007/978-­3-­662-­56436-­3

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Pico-Laser Hans Bayer Inhaltsverzeichnis Weiterführende Literatur – 158

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_18

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Die letzte große Neuerung in der Tattoo-Entfernung mittels Laser – wenn man der Laserindustrie Glauben schenken mag, dann war es ein wahrer Quantensprung – erfolgte 2010 mit der Vorstellung eines Lasersystems, das im Picosekunden-Bereich arbeitet, durch Richard Rox Anderson (Izikson et al. 2010). Zum besseren Verständnis: Wir sprechen hier bei den modernsten Picosekunden-Lasern von Impulsen mit einer Dauer von 3 × 10–10 Sekunden. Interessanterweise war es auch Rox Anderson (Anderson und Parish 1983), der mit der Erstbeschreibung der selektiven Photothermolyse in den frühen 1980er-Jahren die Tattoo-Entfernung revolutioniert hat. Um zu verstehen, wie der Picosekunden-Laser funktioniert und dass er eine logische Weiterentwicklung der Nanosekunden-Systeme darstellt, müssen wir uns kurz mit dem Wirkprinzip eben dieser selektiven Photothermolyse auseinandersetzen. Einfach gesagt wird bei der selektiven Photothermolyse Licht einer ganz bestimmten Wellenlänge ganz selektiv von der Zielstruktur, dem Tattoo Pigment, absorbiert. Das Pigment wird dabei so stark erhitzt, dass es dabei in kleinste Teile zersprengt wird. Ich vergleiche das immer gerne mit einem schwarzen und einem weißen Auto, die beide längere Zeit in der blanken Sommersonne stehen. Das schwarze Auto absorbiert die Sonnenstrahlung und wird richtig heiß. Das weiße Auto reflektiert die Sonnenstrahlung und bleibt dadurch kühler. Eine Grundvoraussetzung dafür, dass die selektive Photothermolyse funktioniert, besteht darin, dass die Laserpulsdauer gleich oder im besten Fall unterhalb der sogenannten „thermalen Relaxationszeit (TRT)“ des Pigments liegt. Unter TRT versteht man die Zeit, in der sich eine erhitzte Struktur um 50 Prozent abkühlt. Die TRT ist unter anderem abhängig von der Größe des Pigments. Jetzt kommt der Clou: Tattoo-Pigmente haben eine Größe von 40–300 nm, die TRT der Pigmente liegt daher fast immer im Picosekunden-Bereich (Ho et al. 2002). Ein gutes Beispiel hierfür sind die TRTs von Kohlepigmenten. Je nach Durchmesser liegt die TRT der Kohlepigmente von 40, 200 oder 300 nm Durchmesser bei 19,12, 478 oder 1060 Picosekunden. Dadurch sollten Picosekunden-Laser diese kleinen Pigmente deutlich besser zertrümmern als die Nanosekunden-Systeme. Neben diesem wichtigen und interessanten Punkt wird einem weiteren physikalischen Phänomen, dem sogenannten photoakustischen Effekt, eine entscheidende Rolle bei der Tattoo-Entfernung mittels Picosekunden-Laser, insbesondere bei den Systemen der zweiten Generation, zugeschrieben. Während die ersten Systeme auf dem Markt mehr im „Subnano“-Bereich arbeiteten, sind Pulsdauern von 300 Picosekunden mit den modernsten Systemen möglich. Was hat es mit diesem photoakustischen Effekt nun auf sich? Nun, das Prinzip ist alt und wurde bereits im Jahr 1800 von Alexander Graham Bell, dem Erfinder des Telefons, beschrieben. Tatsächlich wollte Bell ursprünglich ein photoakustisches Telefon bauen, die Arbeit mit Schallwellen war dann vermutlich einfacher umsetzbar (Sigrist 2017). Das Prinzip des photoakustischen Effekts beruht darauf, dass ultrakurze Lichtimpulse Teilchen wie z. B. Tattoo Pigmente in Schwingung versetzen. Diese Schwingung gibt ein akustisches Signal ab. Überschreitet diese Schwingung oder eben der auslösende Lichtimpuls einen gewissen Schwellenwert, dann wird die Zielstruktur durch den „akustischen Stress“ zerstört (. Abb. 18.1).  

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..      Abb. 18.1  a–d Entfernung eines Taurus-Tattoos mit dem Pico-Laser. a Untere Hälfte bereits gelasert, obere Hälfte original, b vor vierter Sitzung, untere Hälfte nach Verletzung vernarbt, c nach sechs Sitzungen, d nach sieben Sitzungen. 4–5 mm Spotgröße, 0,7–2 j/cm2 Fluence

Die Picosekunden-Technologie steht im Unterschied zu den Nano-­Lasersystemen für folgende Wellenlängen zur Verfügung: 55 532 nm – frequenzgedoppelter Nd:YAG 55 1064 nm – Nd:YAG 55 755 nm – Alexandrit-Laser Der erste Picosekunden-Laser basierte auf einem 755 nm-System. Während der Alexandrit-Laser die beste Absorption in Blautönen erreicht, ist bei diesem Lasersystem auch die Gefahr von Pigmentstörungen an der Haut nach Lasertherapie deutlich erhöht, da er so stark von Pigmenten, also auch körpereigenem Melanin, absorbiert wird. Bei den Nd:YAG-Systemen hat man immer den Vorteil, dass man mit zwei verschiedenen Wellenlängen sehr gut Schwarz- und Rottöne abdeckt. Neueste Forschungen zeigen auch einen sehr guten Effekt der Picosekunden-­Nd:YAG-Laser auf verschiedene Farben wie Gelb, Grün und Blau (Choi et al. 2018). Während die Frage danach, ob die Picosekunden-Systeme den Nanosekunden-­ Lasersystemen tatsächlich so weit überlegen sind, heftig diskutiert wird, gehen Erstere nachweislich mit geringeren Behandlungsschmerzen und reduzierten unerwünschten Nebenwirkungen einher (Pinto et  al. 2017). Die ursprünglichen Behauptungen von der Komplettentfernung eines professionellen Tattoos mit 2–5 Sitzungen ließen sich allerdings nicht halten. Tipp

Die Picosekunden-Laser der zweiten Generation erreichen tatsächlich relevante Picosekunden-Impulsdauern.

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H. Bayer

>>Obwohl die modernen Picosekunden-Laser mit weniger Schmerzen und Nebenwirkungen assoziiert sind, ist eine Tattoo-Entfernung deshalb nicht in 2–5 Sitzungen möglich.

Zusammenfassung Picosekunden-Laser sind als Weiterentwicklung der verbreiteten Nanosekunden-­Laser zu sehen. Es stehen drei verschiedene Wellenlängen zur Verfügung. Insbesondere die Nd:YAG-Systeme sind laut Studien bei farbigen Tattoos effektiver.

Weiterführende Literatur Anderson RR, Parrish JA (1983) (1983). Selective photothermolysis: precise microsurgery by selective absorption of pulsed radiation. Science 220(4596):524–527. https://doi.org/10.1126/science.6836297 Choi MS, Seo HS, Kim JG, Choe SJ, Park BC, Kim MH, Hong SP (2018) Effects of picosecond laser on the multi-colored tattoo removal using Hartley guinea pig: a preliminary study. PLoS One 13(9):e0203370. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0203370. PMID: 30188934; PMCID: PMC6126847 Ho DD, London R, Zimmerman GB, Young DA (2002) Laser-tattoo removal – a study of the mechanism and the optimal treatment strategy via computer simulations. Lasers Surg Med 30(5):389–397. https://doi.org/10.1002/lsm.10065 Izikson L, Farinelli W, Sakamoto F, Tannous Z, Anderson RR (2010) Safety and effectiveness of black tattoo clearance in a pig model after a single treatment with a novel 758 nm 500 picosecond laser: a pilot study. Lasers Surg Med 42(7):640–646. https://doi.org/10.1002/lsm.20942 Pinto F, Große-Büning S, Karsai S, Weiß C, Bäumler W, Hammes S, Felcht M, Raulin C (2017) Neodymium-­doped yttrium aluminium garnet (Nd:YAG) 1064-nm picosecond laser vs. Nd:YAG 1064-nm nanosecond laser in tattoo removal: a randomized controlled single-blind clinical trial. Br J Dermatol 176(2):457–464. https://doi.org/10.1111/bjd.14962. Epub 2017 Jan 29 Sigrist MW (2017) Photoacoustic spectroscopy, applications. In: Lindon JC, Tranter GE, Koppenaal DW (Hrsg) Encyclopedia of spectroscopy and spectrometry, 3. Aufl. Academic Press, Oxford, S 589–597

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Pico- versus Nano-Laser Hans Bayer Inhaltsverzeichnis Literatur – 162

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_19

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H. Bayer

Handelt es sich bei den Picosekunden-Lasern „nur“ um eine konsequente Weiterentwicklung der etablierten gütegeschalteten, im Nanosekunden-Bereich arbeitenden Laser oder ist es das Nonplusultra der Tattoo-Laserentfernung, wie gerne und häufig von der Industrie behauptet wird? Dies ist eine Frage, die auch im Expertenkreis viel und leidenschaftlich diskutiert wird. Aber wie meistens, wenn solch unterschiedliche Meinungen existieren, liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Eines vorausgeschickt: Lassen Sie sich nicht blenden – es wird niemals der Laser allein sein, der über den Erfolg einer Tattoo-Entfernung entscheidet. Die Zusammensetzung bzw. die Basis der Pigmente, der Ort der Einbringung, ganz wichtig der Lymphabfluss, die Pigmentmenge, die Professionalität des Tätowierers, das Alter des Tattoos... Dies sind alles Faktoren, die vielleicht nicht einzeln, aber zusammen mindestens eine ebenso große Rolle spielen wie das verwendete Lasersystem. Des Weiteren gilt es festzuhalten, dass die ursprünglichen Behauptungen, dass mit den neuen Picosekunden-Lasersystemen professionell gestochene Tattoos in 2–5 Sitzungen entfernt werden können, nicht der Wahrheit entsprechen. Konsequenterweise führten diese Aussagen bereits 2015 zu ersten Klagen in den USA und 2018 auch in Australien (7 https://cookcountyrecord.­com/stories/510625065-­dermatologist-­ claims-­l aser-­t attoo-­removal-­t ool-­i s-­f raud-­b rings-­c lass-­a ction-­v s-­m ass-­b ased-­ maker). Andererseits zeigen die Picosekunden-Laser in allen durchgeführten medizinischen Studien deutlich geringere Behandlungsschmerzen, und dies ist für den Patienten natürlich ein erhebliches Argument. Zudem kommt neben der photothermischen die photoakustische Wirkkomponente bei den Picos noch mehr zum Tragen, sodass wir aktuell durchaus von einer effektiveren Tattoo-Entfernung ausgehen. Insbesondere dann, wenn mit Nano-Lasersystemen kaum mehr Pigment entfernt werden kann, schafft der Pico noch gute Ergebnisse. Die Pico-Technologie ist entsprechend kompliziert in der Herstellung. Während die ersten Geräte für 300.000 Euro und mehr gehandelt wurden, muss man heute zwar weniger tief in die Tasche greifen, aber sechsstellige Preise sind immer noch Usus. Dies macht die Lasertherapie dann wieder kostspieliger für den Patienten. Aber wie sieht denn nun die Studienlage tatsächlich aus, was wissen wir zum Vergleich zwischen Pico und Nano? Quantensprung oder geniales Marketing? Generell muss man sagen, dass die Studienlage hier relativ dünn ist. Die meisten Studien zeigen eben „nur“ die Effektivität des jeweils untersuchten Systems. So zeigten z. B. Izikson und Anderson 2010 wohl, dass der Alexandrit-basierte Pico-Laser mit 755 nm Tattoos effektiv entfernen kann, verglichen diesen aber nicht mit anderen Lasersystemen. In der Literatur finden sich insgesamt nur zwei vergleichende Studien am Menschen: Bereits die erste Studie, in der ein Picosekunden-System am Menschen erprobt wurde – auch hier hatte Rox Anderson federführend die Hände im Spiel – war eine sogenannte komparative Studie (Ross et al 2008). Komparativ heißt, dass im Rahmen dieser Untersuchung 16 Tattoos jeweils halbseitig gelasert wurden. Die eine Seite wurde dabei mit einem neuartigen experimentellen Nd:YAG-Picosekunden-­ System behandelt, das mit einer Impulsdauer von 32 (!) Picosekunden arbeitet (der aktuell schnellste kommerziell erhältliche Picosekunden-Laser schafft gerade einmal 300  Picosekunden). Die andere Seite wurde hingegen mit einem herkömmlichen Nanosekunden-Laser, Impulsdauer 10 Nanosekunden (dies ist wieder relativ langsam; 2–3 Nanosekunden sind durchaus nicht ungewöhnlich), behandelt. Die Patien 

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161 Pico- versus Nano-Laser

ten erhielten jeweils vier Behandlungen, und in 12 von 16 Tattoos konnte der Picosekunden-Laser eine signifikante, sprich eine merkbar deutliche Aufhellung des Tattoos erzielen im Vergleich zu dem Nanonsekunden-Laser. Das bemerkenswerte ist hier, dass der verwendete Picosekunden-Laser um den Faktor 10 schneller war als die heute kommerziell erhältlichen Pico-Lasersysteme. Eine weitere komparative Studie wurde dann 2017 von Pinto et  al. publiziert. Hier wurden insgesamt 30 schwarze Tattoos im 6-wöchigen Abstand zweimal behandelt. Nach zwei Sitzungen zeigte sich in der Nano Gruppe eine Besserung von 36 Prozent und in der Pico Gruppe von 37 Prozent. Der Unterschied war also nicht signifikant. Allerdings zeigte sich ein deutlicher Unterschied in der Schmerzhaftigkeit der Tattoo-Behandlung zugunsten der Pico-Lasersysteme. Kritiker bemängeln natürlich, dass in dieser Studie nur zwei Behandlungen erfolgten. Ein weiteres interessantes Feld, das sich in der letzten Zeit zeigte, ist der Einsatz von Picosekunden-Systemen in der Behandlung von Narben oder auch zur Hautverjüngung, und dies besonders bei dunklen Hauttypen wie z. B. Asiaten, welche deutlich häufiger zu Nebenwirkungen neigen als Kaukasier mit ihrem generell helleren Hauttyp (Yang et al. 2020). Dieses Thema alleine könnte aber schon wieder ein ganzes Buch füllen. Zusammenfassend würde ich sagen, dass sich die Frage „Pico oder Nano“ nicht abschließend beantworten lässt. Wenn sich ein Arzt oder Lasertherapeut ein Pico-­ Lasersystem leistet, ist davon auszugehen, dass er es mit dem Lasern von Tattoos ernst meint, da dies einfach eine große Anschaffung ist. Andererseits kann ein erfahrener Lasertherapeut mit einem guten Nanonsekunden-System sicher bessere Ergebnisse erreichen als ein Laie mit einem Picosekunden-Laser (. Abb. 19.1). Wohin geht die Reise? Die aktuellen Picosekunden-Laser bringen bei einer Impulsdauer von bis zu 300  Picosekunden ordentliche Energiemengen. Im Vergleich zum experimentellen Picosekunden-Laser mit 32 Picosekunden aus der Publikation von Ross und Anderson arbeiten sie aber noch deutlich langsamer. Das heißt, wir werden eines Tages über Lasersysteme verfügen, welche mit ultrakurzen, echten Picosekunden hochenergetisch genug und mit ausreichend großen Laserspots arbeiten. Nicht vergessen dürfen wir aber die eingangs erwähnten weiteren Aspekte, welche die Tattoo-Entfernung entscheidend mitbeeinflussen.  

>>Neben dem gewählten Lasersystem ist eine Menge weiterer Faktoren für den Erfolg der Behandlung wichtig.

Eventuell müssen wir uns allerdings damit abfinden, dass es sich bei Tattoos um exogen eingebrachte, teils unterschiedlich zusammengemischte Pigmente handelt, welche eigentlich dafür konzipiert sind, in der Haut zu verbleiben. Es ist gar nicht so einfach sich ein Bild zu machen, welches Lasersystem denn nun besser ist, Pico oder Nano? Insbesondere von der Industrie wird massiv Werbung für die Pico-Systeme betrieben – die Studienlage ist mehr als nur dürftig. Die Wahrheit liegt also irgendwo dazwischen. iiEntscheiden Sie nicht nur nach dem Lasersystem. Schauen Sie auch, was für eine Ausbildung der Lasertherapeut hat, in welchen Gesellschaften er Mitglied ist und wie er sich aktiv mit dem Thema auseinandersetzt (und damit meine ich nicht Instagram).

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..      Abb. 19.1  a–e a Vor Beginn der Lasertherapie, b Verbandswechsel nach zweiter Sitzung, links mit Pico-System, rechts mit Nano-Lasersystem, c nach sechs Sitzungen und zweijähriger Pause; Restbefund auf Nano-Seite (rechts), d unmittelbar nach siebter Sitzung; komplettes Tattoo mit Pico (deutliche Reaktion rechts; bisher Nano), e Close-up 12 Monate nach siebter Sitzung

Literatur Yang CS, Huang YL, Cheng CY, Hu S, Chang SL, Lee MC (2020) A Prospective Study of Fractionated Dual-Wavelength Picosecond Laser in Treating Acne Scar. Lasers Surg Med 52(8):735–742. https:// doi.org/10.1002/lsm.23218. Epub 2020 Jan 21. PMID: 31960996

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Spezielle Techniken und Kombinationsverfahren Peter Arne Gerber Inhaltsverzeichnis 20.1

R20- und R0-Methode – 164

20.2

Kombination mit ablativen fraktionalen Lasern – 166 Literatur – 168

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_20

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Die Entfernung einer Tätowierung braucht Zeit. So sollten für das komplette Abblassen einer Profitätowierung mindestens 10–15, für die Entfernung eines Permanent Make-up oder einer Laientätowierung mindestens 3–5 Sitzungen veranschlagt werden. Da Laserbehandlungen nur alle 4–6  Wochen, im Verlauf gegebenenfalls aber auch nur alle 12 Wochen erfolgen, kann durchaus bis zu ein Jahr und länger vergehen, bis das störende Tattoo letztlich ganz verschwunden ist. Diese lange Dauer begründet sich daraus, dass pro Sitzung jeweils nur ein kleiner Anteil der in die Haut eingebrachten Pigmente zertrümmert und dann abtransportiert werden kann. Die Entfernung einer Tätowierung ist also mitunter ein zeit- und kostenintensives Unterfangen. Eines der wichtigsten Bestreben für die Weiterentwicklung der Tattoo-­ Entfernung ist somit die Steigerung der Behandlungseffektivität, um die notwendige Anzahl der Lasersitzungen zu reduzieren. In diesem Kontext ist die Evolution der Picosekunden- oder kurz Pico-Laser sicherlich eine der spannendsten Entwicklungen der letzten Jahre. Durch die Verkürzung des Laserimpulses sollen Tattoo-­Pigmente effektiver zertrümmert werden – die Anzahl notwendiger Lasersitzungen sinkt. Unabhängig von der Anschaffung kostenintensiver Picosekunden-Lasersysteme, deren Überlegenheit gegenüber den klassischen Nanosekunden-Tattoo-Lasern aktuell noch kontrovers diskutiert wird (siehe 7 Kap.  19), wurden spezielle Techniken entwickelt, um die Effektivität jeder einzelnen Tattoo-Lasersitzung zu verbessern. Diese schließen auch die Kombination verschiedener Lasersysteme oder Technologien ein.  

20.1

R20- und R0-Methode

Im Jahr 2012 wurde durch eine Arbeitsgruppe um Rox R. Anderson die sogenannte R20-Methode publiziert (Kossida et al. 2012). Diese besagt, dass durch das mehrfache Lasern einer Tätowierung in einer einzigen Sitzung die Effektivität pro Sitzung deutlich erhöht werden kann. Allerdings müssen zwischen den einzelnen Laserdurchgängen jeweils mindestens 20 Minuten liegen (also R20 für „repeat after 20 minutes“, Wiederholung nach 20  Minuten). In einer eigenen Publikation konnten wir 2014 nachweisen, dass diese R20-Methode tatsächlich funktioniert (. Abb. 20.1) (Bunert et al. 2014).  

a

b

c

..      Abb. 20.1  a–c Vergleichende Darstellung der R20-Methode. Grün-schwarze Profitätowierung des Oberarms a vor, b nach einer sowie c nach drei Lasersitzungen. Das linke Drittel der Tätowierung wurde jeweils mit einem, das mittlere Drittel mit zwei und das rechte Drittel mit drei Durchgängen behandelt. Man erkennt, dass das Tattoo schneller verblasst, wenn mehrere Laserdurchgänge in einer Sitzung durchgeführt werden (modifiziert nach (Bunert et al. 2014))

165 Spezielle Techniken und Kombinationsverfahren

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..      Abb. 20.2  a–e Wirkprinzip der R20-Methode. a Das Tattoo-Pigment findet sich im Bereich der Lederhaut (Dermis). b Der Laserimpuls erhitzt durch das Prinzip der selektiven Photothermolyse das Tattoo-Pigment und zersprengt dieses durch den sog. photoakustischen Effekt. Durch die extreme Hitze wird Gewebswasser in Sekundenbruchteilen unter der Ausbildung von Gasbläschen („micro bubbles“) verdampft, welche einstrahlendes Licht stark brechen – die Haut verfärbt sich weiß. Auch Laserimpulse können tiefere Pigmentschichten nun nicht erreichen. c Über einen Zeitraum von 20 Minuten bilden sich die Dampfbläschen jedoch zurück. Nun kann d durch einen zusätzlichen Laserdurchgang weiteres Pigment zersprengt werden – die Effektivität pro Lasersitzung steigt signifikant. Die R20-Methode geht aber auch mit einem höheren Risiko für Nebenwirkungen einher (modifiziert nach (Kautz 2018))

Das Wirkprinzip der R20-Methode erklärt sich aus dem Grundprinzip der selektiven Photothermolyse und dem Phänomen des Blanching (. Abb. 20.2) (Kautz 2018): Trifft der Impuls des gütegeschalteten Lasers („quality switched“, QS) auf das in der Lederhaut lokalisierte Tattoo-Pigment, so wird dieses in Bruchteilen von Sekunden ultrastark erhitzt und in Mikrofragmente zersprengt. Dies betrifft aber jeweils nur die obersten Pigmentschichten. Die extreme Hitzeentwicklung führt dazu, dass Gewebswasser verdampft, welches in Form von Dampfbläschen („micro bubbles“) in der Haut gebunden wird, die das einstrahlende Licht stark brechen. Analog zum Schaum auf einem Bier verfärbt die Haut sich weiß. Genauso wie das einstrahlende sichtbare Licht würden auch folgende Impulse des Tattoo-Lasers durch die Dampfbläschen gebrochen, sodass diese tiefer gelegene Pigmentschichten nicht  

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erreichen können. Über einen Zeitraum von 20 Minuten bilden sich die Dampfbläschen jedoch zurück, sodass dann ein weiterer Laserdurchgang erfolgen kann, der nun die nächst tiefer gelegene Pigmentschicht zerstört. Durch die Anwendung der R20-Methode kann die Zahl der notwendigen Lasersitzungen wahrscheinlich um ca. ein Drittel reduziert werden. Das Verfahren geht allerdings auch mit einem erhöhten Zeitaufwand pro Sitzung und potenziell stärkeren Nebenwirkungen einher. Aus unserer Erfahrung sollten daher nicht mehr als drei Durchgänge pro Sitzung erfolgen. 2013 publizierte eine Autorengruppe um Reddy und Brauer sowie 2015 eine Gruppe um Biesman die Hypothese, dass sich das Abblassen des Blanching durch das Auftragen des Wirkstoffs Perfluorodecalin (PFD) signifikant auf unter eine Minute verkürzen ließe (Reddy et al. 2013; Biesman et al. 2015). Durch das Aufbringen einer entsprechenden gelartigen PFD-Folie soll somit die Zeit bis zum nächsten Laserdurchgang auf unter eine Minute reduziert werden. Das Konzept, auch als R0-Methode bekannt, wird bezüglich seiner Wirksamkeit aber kontrovers diskutiert.

20.2

Kombination mit ablativen fraktionalen Lasern

Eine andere Möglichkeit, die Menge des pro Lasersitzung ausgeschleusten Pigments zu erhöhen, ist die Kombination von QS-Tattoo-Lasern mit ablativen fraktionalen (AFXL-)Lasern (Weiss und Geronemus 2011). Chirurgische sogenannte ablative Laser wie der CO2- oder Erbium:YAG-Laser werden genutzt, um Gewebe zu verbrennen oder abzutragen. Durch ein fraktionales Handstück wird der Laserimpuls auf ein Raster aus Mikroimpulsen mit mikroskopisch kleinen Durchmessern aufgeteilt. Diese generieren in der Haut eine Vielzahl von „Einschusskanälen“, sogenannte mikroskopische Ablationszonen (MAZ) (. Abb.  20.3) (Kautz 2018). Die Kombination von AFXL-Lasern und QS-Lasern soll die Effektivität der Tattoo-Entfernung wie folgt verbessern: Zum einen kann der Laserimpuls des QS-Lasers durch die MAZ tiefer und effektiver in die Haut eindringen – das Tattoo-Pigment wird unmittelbarer erreicht. Zum anderen wird die Ausschleusung von Pigmentfragmenten aus der Haut nach außen (sog. „epidermal shuttling“) durch die MAZ erleichtert. . Abb.  20.4 zeigt den charakteristischen Ablauf einer solchen Kombinationsbehandlung. Weitere Hypothesen zur Kombination verschiedener Technologien finden sich in der wissenschaftlichen Literatur.  



167 Spezielle Techniken und Kombinationsverfahren

a

b ..      Abb. 20.3  Wirkprinzip von ablativer fraktionaler Lasertherapie (AFXL). Die Aufspaltung (Fraktionierung) des Laserimpulses in multiple Mikroimpulse ermöglicht die Generierung eines Rasters von Mikrokanälen (auch Mikroablationszonen; MAZ). Im Zuge der Tattoo-Entfernung können zum einen Impulse des Pigmentlasers durch die MAZ tiefer und effektiver in die Haut eindringen sowie zum anderen Pigmenttrümmer leichter aus der Haut nach außen getrieben werden („epidermal shuttling“) (modifiziert nach (Kautz 2018))

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..      Abb. 20.4  a–f Kombination aus AFXL-CO2- und QS-Tattoo-Laser. a Ausgangsbefund einer Profitätowierung am linken Oberarm vor Therapie mittels 1064 nm QS-Nd:YAG-Laser, b Befund nach der sechsten und unmittelbar vor der siebten Lasersitzung, c Vorbehandlung mittels AFXL-CO2-Laser, d Befund unmittelbar nach Vorbehandlung mittels AFXL-CO2-Laser, e Befund unmittelbar nach Behandlung mittels 1064 nmQS-Nd:YAG-Laser, f Befund sechs Wochen nach der siebten Lasersitzung

Literatur Biesman BS, O'Neil MP, Costner C (2015) Rapid, high-fluence multi-pass q-switched laser treatment of  tattoos  with a transparent  perfluorodecalin-infused patch: a pilot study. Lasers Surg Med 47(8):613–618. https://doi.org/10.1002/lsm.22399. Epub 2015 Aug 12. PMID: 26266835 Bunert N, Homey B, Gerber PA (2014) Successful treatment of a professional tattoo with the R20 method. Hautarzt 65(10):853–855. https://doi.org/10.1007/s00105-­014-­3510-­z. PMID:25231592 ­German Gerd Kautz (Hrsg) (2018) Energie für die Haut  – Wirkungen und Nebenwirkungen von Lasern, Blitzlampen und weiteren Energieträgern. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg. https://doi. org/10.1007/978-­3-­662-­56436-­3 Kossida T, Rigopoulos D, Katsambas A, Anderson RR (2012) Optimal tattoo removal in a single laser session based on the method of repeated exposures. J Am Acad Dermatol 66(2):271–277. https:// doi.org/10.1016/j.jaad.2011.07.024. Epub 2011 Oct 27.PMID: 22036610 Reddy KK, Brauer JA, Anolik R, Bernstein L, Brightman L, Hale E, Karen J, Weiss E, Geronemus RG (2013) Topical perfluorodecalin resolves immediate whitening reactions and allows rapid effective multiple pass treatment of tattoos. Lasers Surg Med 45(2):76–80. https://doi.org/10.1002/lsm.22106. Epub 2012 Dec 19. PMID: 23255145 Weiss ET, Geronemus RG (2011) Combining  fractional  resurfacing and Q-switched ruby laser for  tattoo  removal. Dermatol Surg 37(1):97–99. https://doi.org/10.1111/j.1524-­4725.2010.01821.x. Epub 2010 Nov 12. PMID: 21073602

169

Risiken der Lasertherapie, Freisetzung von Schadstoffen Stefan Hammes und Stephan Große-Büning Inhaltsverzeichnis 21.1

Lichtsensibilisierende Medikamente – 170

21.2

Vorerkrankungen – 170

21.3

 eränderung von Stoffen durch die V Laserbehandlung – 172

21.4

 hemische Wechselwirkungen mit der C Haut und photochemische Effekte – 172

21.5

 efahren in Abhängigkeit von Energie G und Wellenlänge – 173

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_21

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S. Hammes und S. Große-Büning

Die Lasertherapie ist die effektivste und schonendste Methode zur Entfernung von Tätowierungen. Dennoch ist sie nicht risikolos und ohne Nebenwirkungen anwendbar. Im Folgenden werden die systemimmanenten Risiken der Lasertherapie dargestellt. Diese sind unabhängig von der Durchführung und somit auch bei vollständig korrekter Durchführung der Behandlung existent. Sie sind prinzipiell nicht vermeidbar. Die behandlerabhängigen Komplikationen und Nebenwirkungen werden in 7 Kap.  22 beschrieben. Diese sind bei korrekter Durchführung der Behandlung in den meisten Fällen vermeidbar.  

21.1

Lichtsensibilisierende Medikamente

Bei jeder Lasertherapie wird optische Strahlung angewendet, für die Tattoo-­ Entfernung meist solche im sichtbaren Frequenzbereich, d.  h. von 532 (grün) bis 1064 (Infrarot) nm. Bei paralleler Behandlung mit lichtsensibilisierenden Medikamenten können damit verbundene Effekte durch die Lasertherapie nicht sicher ausgeschlossen werden. Normalerweise treten diese eher bei ultravioletter Bestrahlung auf. Aufgrund der hohen Lichtintensität einer Laserbehandlung sind solche allerdings prinzipiell ebenfalls möglich. Daher sollte in der Anamnese unbedingt nach solchen Medikamenten gefragt werden und bei einer Einnahme eher von einer Lasertherapie Abstand genommen werden. Eine Alternative hierzu wäre die Durchführung einer Probebehandlung an einer nicht tätowierten Hautstelle, z. B. im Ellenbeugenbereich, zur Beobachtung eventueller Hautreaktionen. Wenn nach 48–72  Stunden keine Reaktion auftritt, ist die Behandlung der Tätowierung denkbar, empfehlenswerterweise zunächst mit reduzierter Energie und idealerweise in einem Testareal. Wenn dort eine Reaktion erkennbar ist, sollte keine Laserbehandlung der Tätowierung durchgeführt werden. Ansonsten ist die Behandlung mit großer Wahrscheinlichkeit problemlos möglich.

21.2

Vorerkrankungen

Einige dermatologische Erkrankungen haben eine Abhängigkeit von Lichteinstrahlung oder Hautreizung. Dies sollte bei der Planung einer Laserbehandlung berücksichtigt und unbedingt in der Anamnese erfragt werden. Falls eine dieser Erkrankungen vorliegt, sollte – wie oben beschrieben – zunächst eine Probebehandlung in einem kleinen Areal durchgeführt werden und 48–72 Stunden danach die Hautreaktion beurteilt werden. Nur falls dann keine problematischen Reaktionen auftreten, kann eine Lasertherapie der Tätowierung empfohlen werden. Eine wichtige, von externen Faktoren abhängige Erkrankung ist die Schuppenflechte (Psoriasis). UV-Bestrahlung wirkt sich aufgrund ihrer immunsuppressiven Wirkung günstig auf die Psoriasis aus. Diese Wellenlänge wird jedoch in der Tattoo-­ Behandlung nicht angewendet. Ein wichtigerer Effekt ist das Köbner-Phänomen: Durch Reizung in gesunden Hautbereichen kann ein Ausbruch der Psoriasis ausgelöst werden. Dies geschieht normalerweise durch Kratzen oder Reiben. Aber

171 Risiken der Lasertherapie, Freisetzung von Schadstoffen

auch eine Laserbehandlung kann einen solchen Reiz darstellen und möglicherweise eine Verschlimmerung der Psoriasis auslösen. Daher ist in solchen Fällen  – vor allem, wenn über bereits aufgetretene Köbner-Phänomene berichtet wird  – unbedingt eine Probebehandlung in einem nicht tätowierten Areal gesunder Haut empfehlenswert. Der Lupus erythematodes (LE) stellt ebenfalls eine verbreitete lichtabhängige Hautkrankheit dar. Im Allgemeinen reagiert der LE vor allem auf UV-Bestrahlung. Die Patienten berichten über Verschlimmerungen in den Sommermonaten. Doch auch die hochintensive Laserbestrahlung mit sichtbarem Licht kann in manchen Fällen einen Schub auslösen. Hier ist ebenfalls eine Probebehandlung obligat, verbunden mit einer Wartezeit von 48–72 Stunden. Wenn hier keine Hautreaktion im Sinne eines LE-Schubes auftritt, kann in der Regel eine Tätowierung ebenfalls ohne problematische Risiken behandelt werden. Eine vorliegende Allergie gegen bestimmte Stoffe muss keine Kontraindikation für eine Tätowierungsbehandlung mittels Laser sein. Falls jedoch bereits eine Allergie gegen die Tätowierungsfarben vorliegt, ist eine Lasertherapie absolut kontraindiziert. Durch die Zersprengung der Farbpartikel könnte eine Verteilung im ganzen Körper stattfinden mit der Folge einer systemischen Allergie, die den ganzen Körper betreffen könnte. Das wäre die Maximalform einer möglichen Nebenwirkung bzw. eines Risikos einer Lasertherapie. Weitere Allergieprobleme werden 7 Kap. 21.3 behandelt. Falls infektiöse Hautkrankheiten oder systemische Infektionskrankheiten vorliegen (Hepatitis B, HIV u. a.), kann eine Lasertherapie problematisch sein. Durch die Laseranwendung gelangen immer kleine Haut- oder Rauchpartikel als Aerosole in die Luft im Behandlungszimmer. Dadurch kann für den Behandler eine Gefährdung gegeben sein, da beispielsweise Viruspartikel nicht sicher durch die Erhitzung im Rahmen der Lasertherapie abgetötet werden. Wichtig ist daher die Erfragung solcher Erkrankungen im Rahmen der Anamnese. Falls eine solche Erkrankung vorliegt, muss der Behandler entscheiden, ob er die Behandlung ablehnt oder besondere Sicherheitsvorkehrungen, z.  B. besonders leistungsfähige Absaugungseinrichtungen o. Ä., anwendet. Durch eine Lasertherapie entstehen auch mit Schutzbrille starke Lichtblitze. Patienten mit einer Neigung zur Epilepsie könnten dadurch einen epileptischen Anfall bekommen. Die Epilepsieneigung sollte daher in der Anamnese erfragt werden, und bei Vorliegen einer solchen Neigung sollte entweder die Behandlung abgelehnt werden, oder die Augen sollten mit einer nicht transparenten Brille komplett abgedunkelt werden. Dies reicht bei Therapien am Körper im Allgemeinen aus. Falls jedoch Tätowierungen am Kopf behandelt werden, könnte durch die Weiterleitung des Lichtes im Gewebe trotzdem eine Einwirkung auf das Auge stattfinden mit nachfolgender Krampfauslösung. Falls ein erhöhtes Schmerzempfinden vorliegt, kann eine Lasertherapie zwar prinzipiell durchgeführt werden, man sollte jedoch extern anzuwendende Lokalanästhetika verwenden, um die Schmerzproblematik zu verringern. Injektionsanästhetika sollten unbedingt vermieden werden. Hierzu verweisen wir auf die Ausführungen in 7 Kap. 22 zu den Komplikationen der Lasertherapie.  



21

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S. Hammes und S. Große-Büning

21.3

21

Veränderung von Stoffen durch die Laserbehandlung

Die Tätowierungsfarbstoffe werden durch die Laserbehandlung zum Teil sehr stark erhitzt. Hierbei laufen chemische Reaktionen ab wie beispielsweise die Oxidation oder die Reduktion. Auch chemische oder physikalische Spaltungen sind möglich. Durch die Kavitationswellen können zudem rein mechanische Veränderungen an den Farbstoffpigmenten stattfinden. Was genau passiert, hängt in hohem Maße von der Zusammensetzung der Farbpigmente ab. In Europa eingebrachte Tätowierungen unterliegen einer strengen Regulierung der Inhaltsstoffe. Problematisch sind vor allem die im außereuropäischen Ausland gestochenen Tätowierungen. Diese können potenziell gefährliche Farbpimente enthalten, die durch die Lasertherapie weiter alteriert werden, mit der Gefahr der Entstehung völlig unklarer Reaktionsprodukte. Es gibt Publikationen, die die Entstehung kanzerogener Stoffe nach Lasertherapie von gelben Tätowierungen beschreiben, ebenso die Bildung von Blausäure nach Behandlung von blauen Tätowierungen mit dem Rubinlaser. Im Allgemeinen kann nicht vorhergesagt werden, welche Stoffe mit welchem Gesundheitsrisiko entstehen. Das hängt auch von der Intensität der Laserbehandlung und der damit einhergehenden Erhitzung der Stoffe ab. Generell ist festzustellen, dass durch die Lasertherapie prinzipiell gefährliche Stoffe entstehen können, deren Wirkung auf den Körper bisher nur wenig untersucht ist.

21.4

 hemische Wechselwirkungen mit der C Haut und photochemische Effekte

Wenn Licht auf biologisches Gewebe (so z. B. auf die Haut) trifft, dann kommt es zu folgenden Wechselwirkungen: 1. Thermisch (= physikalische Veränderung von Molekülen durch Temperatureinfluss; dies ist der wohl vorherrschende Mechanismus in der laserinduzierten Zerstörung von Tattoo-Pigmenten.) 2. Photochemisch (= durch Licht ausgelöste chemische Reaktionen. Dies bedeutet eine Umwandlung von chemischen Verbindungen durch die Energie der Lichtquanten.) 3. Nichtlinear (= Veränderung optischer Parameter in Abhängigkeit von der Lichtintensität) Photochemische Effekte sind die photoinduzierte Synthese, Isomerisierung und Dissoziation sowie die Biostimulation: 55 Photoinduzierte Synthese: Das wohl bekannteste Beispiel eines photochemischen Effekts ist die Bräunung der Haut, bei der es unter UV-Einstrahlung zur Melaninsynthese kommt. Es gibt bisher keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass dieser Effekt bei der Tattoo-Entfernung zum Tragen kommt.

173 Risiken der Lasertherapie, Freisetzung von Schadstoffen

55 Photoinduzierte Isomerisierung: Hierbei kommt es zu einer räumlichen Änderung des Moleküls. So kann z. B. beim Neugeborenen das Bilirubin durch UVoder Blaulicht über den Urin ausscheidbar gemacht werden. Für die Wechselwirkung des Laserlichts an Tätowierungen gibt es nur unzureichende Informationen. 55 Photoinduzierte Dissoziation: Diese stellt Spaltungsprozesse dar, bei denen mindestens zwei Moleküle oder Atome entstehen. Darüber ist bezüglich der Lasertherapie von Tätowierungen wenig bekannt. So kann z.  B. bei der Laserbestrahlung des Farbstoffs Blue 15 (Kupferphthalocyanin) Blausäure entstehen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung geht von einem Schädigungspotenzial aus. Es gibt allerdings bisher keine Fallberichte, dass Patienten zu Schaden gekommen seien. Es wurde keine Fragmentierung von Blue 15 bei Bestrahlung mit ultraviolettem oder sichtbarem Tageslicht festgestellt. Die sogenannten Azofarbstoffe (Rottöne) können in potenziell toxische aromatische Amine dissoziieren. Dies wurde bisher allerdings nur unter Einwirkung von UV-Strahlung nachgewiesen. Da im menschlichen Körper multiple Entgiftungsmechanismen existieren, die teils in Bruchteilen von Sekunden aktiviert werden, sind hierzu nur schwer wissenschaftliche Daten zu generieren. 55 Biostimulation: Dieser Prozess beschreibt eine positive Wirkung von Laserlicht auf Wundheilungs- und Zellteilungsprozesse. Er ist in seiner Wirkung umstritten und nach derzeitigem Kenntnisstand nicht auf die Tattoo-Entfernung anwendbar.

21.5

Gefahren in Abhängigkeit von Energie und Wellenlänge

Die Einwirkung der Laserenergie stellt immer eine Belastung für das Gewebe dar. Je höher die Energie, desto höher die potenziellen Gewebeschäden. Man muss einen Mittelweg finden zwischen guter Wirkung und geringer Gewebeschädigung. Aufgrund des Wirkprinzips der selektiven Photothermolyse ist im Allgemeinen die Schädigung des umgebenden Gewebes gering. Da die Tattoo-Pigmente jedoch sehr hoch erhitzt werden, ist das Nebenwirkungsprofil bei der Tattoo-Behandlung in der Regel breiter als beispielsweise bei der Gefäßbehandlung. Genauer wird hierauf in 7 Kap. 22 bei den Nebenwirkungen eingegangen. Gefahren bezüglich der Wellenlänge bestehen im Allgemeinen nicht. Nur Wellenlängen unterhalb von 400 nm könnten prinzipiell DNA-Schäden verursachen. Diese werden aber bei der Tattoo-Entfernung nicht verwendet. Normalerweise ist die kürzeste Wellenlänge zur Tattoo-Behandlung 532  nm (grün). Hiervon gehen keine DNA-Schäden aus. Andere Nebenwirkungen aufgrund zu hoher Energiedichte sind selbstverständlich auch bei den Tattoo-Wellenlängen möglich. Diese werden ebenfalls in 7 Kap. 22 behandelt.  



21

175

Komplikationen und Nebenwirkungen der Lasertherapie Stefan Hammes und Stephan Große-Büning Inhaltsverzeichnis 22.1

 ypische mit der Behandlung verbundene T Nebenwirkungen – 176

22.2

Unerwünschte Nebenwirkungen – 178

22.3

Prävention von Nebenwirkungen – 181

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_22

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S. Hammes und S. Große-Büning

Jede Art von Therapie ist mit Begleiterscheinungen und Nebenwirkungen verbunden, so auch die der Lasertherapie. Im Folgenden werden die obligat auftretenden und meist vorübergehenden Nebenwirkungen und Begleiterscheinungen der Tattoo-­ Entfernung beschrieben und Hinweise zu deren Vermeidung gegeben.

22

22.1

Typische mit der Behandlung verbundene Nebenwirkungen

Die Einwirkung von hochenergetischer Laserenergie auf die Haut führt immer zu bestimmten Begleiterscheinungen. Die meisten davon klingen rasch ab und führen zu keinen dauerhaften Schäden. Das sogenannte Whitening ist eine Hellverfärbung der behandelten Stelle unmittelbar nach Applikation des Laserimpulses (. Abb.  22.1). Dieser Effekt ist erwünscht und zeigt die korrekte Wirkung des Laserimpulses an. Er entsteht durch die Bildung mikroskopisch kleiner Dampfbläschen durch die starke Erhitzung der Tattoo-­Pigmente. Letztendlich wird Gewebswasser und Wasser in den Zellen so stark erhitzt, dass sich diese kleinen Bläschen bilden. Eine weitere Theorie besagt, dass durch die Entstehung der Kavitationswellen durch die ultrakurzen Impulse die Bläschenbildung begünstigt wird. Diese Bläschen und damit auch das Whitening verblassen nach 10–30 Minuten, wenn wieder Gewebswasser in die Bläschen eindringt. Das Pinpoint Bleeding beschreibt punktförmige Blutungen (. Abb.  22.1, . 22.2), die sehr bald nach Applikation des Laserimpulses auftreten. Die Blutung entsteht aus den Papillenspitzen der Dermis (Lederhaut) und stellt an sich keinen Behandlungsfehler dar. Sie tritt allerdings meist nur nach der Applikation von hohen Energiedichten im späteren Verlauf der Behandlung auf. Wenn sie gleich zu Beginn der Behandlung sichtbar ist, wurden möglicherweise zu hohe initiale Energiedichten verwendet. Die Blutungen heilen folgenlos ab, ein Pflaster oder ein Kompressenverband zur Versorgung für 1–2 Tage reicht in der Regel aus. Eine Rötung und Schwellung durch eine traumatische Histaminausschüttung treten bei jeder Laserbehandlung auf (. Abb. 22.1, . 22.2). Sie zeigen sogar die Wirksamkeit oder den ausreichenden Effekt der eingesetzten Energiedichte an. Diese Nebenwirkung klingt immer innerhalb einiger Stunden bis zu einem Tag ab. Eine deutliche Beschleunigung des Abklingens kann durch ausreichende Kühlung unmittelbar nach der Behandlung und auch in den nächsten Stunden erreicht werden.  







..      Abb. 22.1  Direkt nach der Behandlung mit einem gütegeschalteten 1064 nm Nd:YAG-Laser. Es sind das sog. Whitening und die Punktblutungen (Pinpoint Bleeding) entstanden. Beides sind sehr häufige Nebenwirkungen, die keinen Grund zur Sorge geben. (Dr. med. Stephan Große-Büning, Tattoo-­Sprechstunde, Hautklinik Mainz, mit freundlicher Genehmigung)



177 Komplikationen und Nebenwirkungen der Lasertherapie

..      Abb. 22.2  Nach einer Sitzung mit dem Picosekunden-Laser Picosure® (Alexandrit-Laser 755 nm). Die Nebenwirkungen wie Rötung und Schwellung im behandelten Areal sind transient, heilen folgenlos ab und sind unproblematisch für die Hautgesundheit. (Medicorium Oberursel, mit freundlicher Genehmigung)

Eine Tattoo-Behandlung tut weh. Schmerzen sind also eine ganz normale Begleiterscheinung. Die meisten Patienten sagen, dass die Schmerzen eher etwas stärker sind als beim Stechen der Tätowierung. Es gibt viele Methoden zur Schmerzreduktion. Sehr effektiv ist die Anwendung einer Betäubungscreme (Emla®) 1–2  Stunden vor der Behandlung. Auch die Kaltluftkühlung während der Behandlung wird von vielen als angenehm empfunden. Besonders wichtig ist die Kühlung mit Coolpacks nach der Behandlung. Alternativen wie beispielsweise gekühlte Gelpacks während der Behandlung, durch die hindurchgelasert wird, haben sich nicht durchsetzen können. Bei hohen Energiedichten, ungeeignetem Hauttyp oder falscher Laserwellenlänge können auch Bläschen und/oder Krusten auftreten (. Abb. 22.3a). Sie heilen im Allgemeinen folgenlos ab (. Abb. 22.3b). Vor allem beim Auftreten von Krusten muss eine bakterielle Superinfektion vermieden werden. Ansonsten könnten aus den Krusten auch Narben entstehen. Empfehlenswert ist die Verwendung einer Wundsalbe auf den Krusten (Bepanthen® oder eine andere Wundsalbe vom Hautarzt). Eine konsequente Kühlung kann in vielen Fällen das Auftreten von Bläschen und Krusten vermeiden.  



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S. Hammes und S. Große-Büning

a

b

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..      Abb. 22.3  a,b a Ein Tag nach der Lasertherapie mit einem gütegeschalteten Laser kam es hier zu einer starken Blasenbildung, die folgenlos abheilte. b Vollständige und folgenlose Abheilung nach vorangegangener Blasenbildung. (Medicorium Oberursel, mit freundlicher Genehmigung)

22.2

Unerwünschte Nebenwirkungen

Unerwünschte Nebenwirkungen können auf einen Behandlungsfehler oder zumindest auf eine suboptimal durchgeführte Behandlung hindeuten. Man unterscheidet hier vorübergehende (transiente) Nebenwirkungen, die eher unproblematisch sind, und dauerhafte Nebenwirkungen. Eine der häufigsten Nebenwirkungen ist die Hypopigmentierung (Aufhellung der Haut, . Abb. 22.4). Diese ist die Folge eines Verlustes von Pigmenten oder – schlimmer noch – von Pigmentzellen der Haut. Sie tritt vor allem beim kurzwelligen Lasern auf (532 nm KTP-Nd:YAG, 694 nm Rubin), da diese besonders gut im Melanin absorbiert werden. Ein häufiger Fall ist die Behandlung von zu dunklen Hauttypen oder gebräunter Haut mit den erwähnten Lasersystemen. Auch bei korrekter Durchführung kann es bei extrem häufigen Laserbehandlungen zu Hypopigmentierungen kommen. Ein Beispiel ist die 20-malige Tattoo-­Behandlung mit einem Rubin- oder Nd:YAG Laser, die bei Profitätowierungen keine Seltenheit ist. Hier ergibt sich oft ein „Negativbild“ der Tätowierung als Aufhellung. Dies ist kein Behandlungsfehler, es muss aber über diese Möglichkeit vor der Behandlung aufgeklärt werden. Ein experimentelles Verfahren zur Behebung dieser Problematik ist die Repigmentierung mittels Excimer-Laser. Dies führen allerdings nur sehr spezialisierte Zentren durch. Erfreulicherweise sind Hypopigmentierungen aber in vielen Fällen nur transient und verschwinden nach 6–12 Monaten ohne Therapie. Etwas seltener entsteht Hyperpigmentierung (vermehrte Pigmentierung) nach der Behandlung. Diese kommt vor allem bei dunkleren Hauttypen und/oder unzureichendem UV-Schutz vor. Auch bei seltenen Gaben bestimmter Medikamente kann sie gehäuft auftreten (z.  B.  Chrysiasis durch Gabe von Goldsalzen). Vermeidungsstrategien sind hier die Reduktion der Behandlungsenergiedichte, die Wahl einer eher längeren Wellenlänge (755  nm oder 1064  nm) und vor allem ein konsequenter Sonnenschutz über viele Wochen. In den meisten Fällen klingt die Hyperpigmentierung wieder ab, man kann diesen Vorgang beschleunigen durch Bleichcremes mit Hydrochinon oder durch eine vorsichtige Therapie mittels Rubin- oder Alexandrit-­Lasers.  

179 Komplikationen und Nebenwirkungen der Lasertherapie

..      Abb. 22.4  Ca. 5 Jahre nach mehrmaliger Behandlung mit dem gütegeschalteten Rubinlaser (694 nm) sind Narben und Hypopigmentierungen verblieben. Diese sind nach Rubinlaserbehandlung möglich, sind jedoch unerwünschte und zu vermeidende Nebenwirkungen. (Dr. med. Stephan Große-­Büning, Tattoo-Sprechstunde, Hautklinik Mainz, mit freundlicher Genehmigung)

Vor allem bei Permanent Make-up entsteht oft ein Farbumschlag. Häufig sind Umschläge Rot zu Grün, Rot zu Schwarz und Weiß/Gelb zu Grün. Der Mechanismus ist meist eine Reaktion von Eisenoxid oder Titanoxid durch die starke Erhitzung. Das ist an sich kein Behandlungsfehler, wenn darüber vorher aufgeklärt wurde. A priori kann nicht sicher gesagt werden, ob ein Farbumschlag entsteht. „Good clinical practice“ ist hier die Durchführung eines einzelnen Laserimpulses an einer möglichst wenig sichtbaren Stelle der Tätowierung, das Abwarten von ca. 1–2 Stunden mit anschließender Evaluation zusammen mit dem Patienten, ob ein Farbumschlag entstanden ist und ob er toleriert werden kann. Wenn dies so ist, muss besprochen werden, dass die neu entstandene Farbe entsprechend einem Tattoo mit dieser Farbe weiterbehandelt werden kann/muss. Ob die neu entstandene Farbe komplett entfernt werden kann, ist nicht sicher vorhersagbar.

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S. Hammes und S. Große-Büning

..      Abb. 22.5  Ulzerationen (also tiefgehender Substanzdefekt der Haut) bei Zustand nach ein- und erstmaliger Lasertherapie (wenige Tage vor dem Foto) in einem Tattoo-Studio (2019). Hier kam es zu tiefergehenden Verbrennungen im behandelten Areal. Weitere Behandlungsparameter sind nicht bekannt. (Dr. med. Stephan Große-Büning, Tattoo-Sprechstunde, Hautklinik Mainz, mit freundlicher Genehmigung)

Narben sollten bei der Tattoo-Entfernung nicht auftreten (. Abb. 22.4, . 22.5). Sie zählen zu den selteneren permanenten Nebenwirkungen und entstehen zumeist durch zu hohe Behandlungsenergiedichten. Hier gilt die Empfehlung, eher größere Strahldurchmesser und niedrigere Energiedichten zu verwenden als kleine Strahldurchmesser und hohe Energiedichten. Vor allem bei farbintensiven Tattoos sollte bei den ersten Behandlungen die Energiedichte zurückhaltend gewählt werden, da es durch die hohe Absorption leicht zu Überhitzungen mit möglichen Ulzerationen und daraus folgender Narbenbildung kommen kann (. Abb. 22.6). Falls durch die Tätowierung bereits Mikronarben in Form einer Texturstörung entstanden sind, können diese nach Entfernung der Farbe eventuell auffälliger sein. In manchen Fällen gelingt nur eine inkomplette Entfernung der Tätowierung (. Abb.  22.4). Besonders bei überstochenen, farbintensiven und/oder vernarbten Tätowierungen kann dies der Fall sein. Darüber muss vor der Behandlung aufgeklärt werden. Strategien zur Behandlung solcher Problemfälle sind möglichst große Strahldurchmesser, Einsatz von Picosekunden-Lasern, von fraktionierten Lasern, R20-­ Methode (2–4 Behandlungen im Abstand von 20–30 Minuten, ggf. mit verschiedenen Lasern, z. B. zunächst Rubin-Laser, anschließend Nd:YAG-Laser, siehe 7 Kap. 20). Ein großes Problem stellt eine Allergie gegen Tattoo-Farbstoffe oder deren Reaktionsprodukte nach Lasertherapie dar. Falls schon eine Allergie gegen den Tattoo-­ Farbstoff vorliegt, ist eine Lasertherapie absolut kontraindiziert. Da die Farbpigmente durch Lymphe und/oder Blut abtransportiert werden, kann möglicherweise eine Aussaat der Allergie mit Allergiesymptomen am ganzen Körper und sogar an den Organen stattfinden. Auch ein anaphylaktischer Schock ist möglich. Falls eine  









181 Komplikationen und Nebenwirkungen der Lasertherapie

..      Abb. 22.6 Dieselbe Tätowierung wie in . Abb. 22.5, ca. 1 Jahr nach der Erstbehandlung. Es ist eindeutig die Narbenbildung in den zuvor ulzerierten Arealen erkennbar. (Dr. med. Stephan Große-­ Büning, Tattoo-Sprechstunde, Hautklinik Mainz, mit freundlicher Genehmigung)  

Allergie gegen Tattoo-Farben vorliegt, ist zunächst eine hochdosierte externe Cortisonbehandlung sinnvoll. Wenn dies nicht hilft und die Tätowierung klein ist, kann eine Exzision erwogen werden. Bei größerflächigen Tätowierungen ist der Hydrojet eine mögliche Therapieoption (Hochdruckwasserstrahl, wie ein kleiner „Kärcher“). Tumoren sind nicht direkt als Nebenwirkung oder Folge einer Lasertherapie beschrieben, allerdings gibt es mindestens 34  Publikationen, die die Melanomentstehung in Tattoos beschreiben. Zum Teil waren die Tumoren durch die Farben des Tattoos nicht diagnostizierbar, gänzlich ausgeschlossen werden können die zellverändernden Eigenschaften der hochenergetischen Laserstrahlung jedoch nicht. Des Weiteren gibt es zahlreiche Fälle von weißem Hautkrebs in Tattoos. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Laserenergie hierbei ursächlich beteiligt wäre, in den meisten Fällen lag vorher eher eine Maskierung durch die Farben vor. 22.3

Prävention von Nebenwirkungen

Das wichtigste Ziel beim Thema Nebenwirkungen ist deren Vermeidung. Das kann vor allem durch sorgfältiges Arbeiten und eine gute Ausbildung gewährleistet werden. Für Ärzte gibt es einige professionelle Weiterbildungen in Laserbereich (Deutsche Dermatologische Lasergesellschaft, DDL, 7 https://www.­ddl.­de/, Deutsche Dermatologische Akademie, DDA, 7 https://akademie-­dda.­de/, Diploma in Aesthetic Laser Medicine, DALM, 7 https://laserstudium.­com/ als universitärer Weiterbildungsstudiengang der Universität Greifswald). Bisher konnten in einer rechtlichen Grauzone auch Nicht-Ärzte Tätowierungsbehandlungen mittels Laser anbieten und durchführen. Seit dem Jahr 2020 und verschärft ab Ende 2021 gibt es eine Novelle der NiSV (Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen, siehe auch 7 https://www.­gesetze-­im-­internet.­de/nisv/ und 7 Kap. 15).  









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22

S. Hammes und S. Große-Büning

Hierin wird eindeutig festgelegt, dass nur Ärzte und diese auch nur mit einer zertifizierten Ausbildung Tattoo-Entfernungen mittels Lasers durchführen dürfen. Wenn Sie also ein Zentrum für eine geplante Tätowierungsbehandlung kontaktieren, sollten Sie unbedingt darauf achten, dass nur Ärzte die Behandlungen durchführen. Sinnvoll ist es, hierbei auch die Zertifizierung einzusehen. Wenn man das vernachlässigt, begeht der Behandler zumindest eine Ordnungswidrigkeit, und bei Verletzungen/Behandlungsfehlern gibt es sicherlich juristische Probleme mit der Haftung, Versicherungen werden wahrscheinlich nicht zahlen.

183

Wie erkenne ich einen Experten für die Laser-­Tattoo-­Entfernung? Thomas Sembt Inhaltsverzeichnis 23.1

Fachkundliches Wissen – 185

23.2

 achkundewissen für die sichere Anwendung von S Lasersystemen – 186

23.3

Beratungsgespräch zur Laser-Tattoo-Entfernung – 187

23.4

Kosten für eine Laser-Tattoo-Entfernung – 187 Weiterführende Literatur und Links – 189

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_23

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T. Sembt

>>Wichtig

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Im Allgemeinen gilt, dass ein Experte für die Laser-Tattoo-Entfernung über detailliertes Sach- und Fachkundewissen verfügen und umfangreiche Erfahrung zu diesem Spezialgebiet haben muss. Bei der Laser-Tattoo-Entfernung beschränkt sich dieses Wissen nicht auf die Dermatologie, sondern bezieht sich auch auf die Sachkunde über Lasertechniken, Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung und zugehörige Sicherheitsmaßnahmen im Umgang mit dieser Technik. Die Fachkunde zu Lasersystemen, Tätowierungen, Pigmenten vom Stechen bis zur Entfernung oder gar deren psychologische oder historische Bedeutung ist nicht Teil der Facharztausbildung. Experten haben sich ihr Wissen und Know-how über Jahre in separaten Fort- und Weiterbildungen mühsam selbst angeeignet oder forschen in diesem Metier. Eine Identifizierung genau dieser medizinischen Tattoo- und Pigmentprofis ist recht simpel, da nicht nur ihre Studienergebnisse und Arbeiten über einschlägige Fach-­ Websites veröffentlicht werden, sondern Kongresse, Symposien und die Fachliteratur sich gerne damit beschäftigen.

Vor einer Laserbehandlung zur Entfernung einer Tätowierung oder auch eines Permanent Make-ups sollten Sie neben dem Behandlungsablauf, der eingesetzten Lasertechnik und möglichen Risiken und Nebenwirkungen so umfangreich wie möglich über alle relevanten Aspekte aufgeklärt sein und sich Ihre Entscheidung zur Lasertherapie nicht zu einfach machen. Bitte bedenken Sie, dass die Laser-Tattoo-­ Entfernung noch unwiderruflicher ist als Ihre damals vermeintlich für die Ewigkeit gestochene Tätowierung selbst. Was weg ist, ist weg! Dabei ist ein Lasersystem jedoch auch kein Radiergummi, sondern Medizintechnik, die ihre Spuren hinterlassen kann. Wichtig ist es, einen qualifizierten Laserexperten zu finden (. Abb. 23.1).  

..      Abb. 23.1 Laser-Tattoo-Entfernung (© Dermatologie am Luegplatz)

185 Wie erkenne ich einen Experten für die Laser-Tattoo-Entfernung?

23.1

Fachkundliches Wissen

Für Sie als zukünftigen Laserkunden ist es wichtig zu wissen, dass die Laseranwendung zur Tattoo- und Permanent-Make-up-Entfernung aktuell weder Bestandteil des Medizinstudiums noch der darauf aufbauenden Facharztausbildung ist. Das Wissen darüber muss sich der Mediziner separat aneignen, beispielsweise in einem gesonderten privaten und staatlich anerkannten internationalen Weiterbildungsstudiengang, der an der Universität Greifswald mit einem Diploma in Aesthetic Laser Medicine (DALM) abgeschlossen werden kann. Das gesonderte Fachkundewissen bezieht sich für den Experten außerhalb des DALM bei der Laserbehandlung auf spezifische Verfahren der Tattoo-Entfernung, Materialien und Arbeitsmittel, seine Fertigkeiten und Kenntnisse und vor allen Dingen seine Erfahrungen. Aber wo erlangen Laserexperten ihr Know-how? Gemäß dem amerikanischen Sprichwort “Monkey see, monkey do“ (um 1920, genauer Ursprung unbekannt) wird Fachwissen unter Medizinern und Laser-­ Kollegen gerne über Fachsymposien, Kongresse, fachärztlichen Weiterbildungen und/oder über Studien- und Untersuchungsergebnisse weitergegeben und geteilt. Neu für alle ärztlichen Laseranwender unter Berücksichtigung der Novellierung des Deutschen Strahlenschutzgesetzes ist, dass die Laserbehandlung zur Tattoo- und Permanent-Make-up-Entfernung mit einem Arztvorbehalt versehen wurde. Nach der Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSV) fallen darunter Behandlungen mit Hochleistungslasern und hochenergetischen Lichtquellen insbesondere zur Entfernung von Tätowierungen, Haaren und Pigmentstörungen ebenso wie bei Gefäßveränderungen und bei weiteren Indikationen zu kosmetischen und sonstigen nichtmedizinischen Zwecken. Seit 1. Januar 2021 dürfen die Behandlungsprozedur zur Laser-Tattoo-Entfernung somit nur approbierte Mediziner durchführen, die durch eine qualifizierte Fort- oder Weiterbildung die notwendige Fachkunde erworben haben. Wie diese für Ärzte, Fachärzte sowie Hautärzte und weitere Facharztgruppen und ihr Hilfspersonal für die Zukunft genau aussehen soll, wird aktuell evaluiert. Gesetzliche Grundvoraussetzung dafür, hochenergetische Laser sicher für die Tattoo-Entfernung und darüber hinaus einsetzen zu dürfen, ist die Absolvierung eines Laserschutzkurses. In jeder Laserpraxis oder -klinik muss jeweils ein Laserschutzbeauftragter (LSB) benannt sein, der nach § 5 OStrV (Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch künstliche optische Strahlung), den „Technischen Regeln zur Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung (TROS Laserstrahlung)“ und dem Grundsatz 303–005 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) qualifizierte Fachbildungskurse abgeschlossen hat. Diese Fortbildung muss alle 5 Jahre erneuert werden. Genaue zeitliche Angaben findet man dazu in der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV). Der LSB ist dann dazu angehalten, seine Kolleginnen und Kollegen am Praxisoder Klinikstandort über die Sicherheit und Gefahren im Umgang mit den verorteten Lasersystemen zu unterweisen, sollten diese nicht selbst Laserschutzkurse absolviert haben.

23

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T. Sembt

Tipp

Fragen Sie bei Ihren Laserexperten im persönlichen Beratungsgespräch gerne nach Fort- oder Weiterbildungsnachweisen oder Teilnahmezertifikaten. In einigen Laserpraxen und -kliniken hängen diese zur Ansicht aus.

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23.2

 achkundewissen für die sichere Anwendung S von Lasersystemen

Die sichere Anwendung von medizinischen Laserprodukten erfordert nicht nur eine fundierte technische Kenntnis beim Laser-Experten, sondern auch ausgereifte Erfahrung im Umgang damit. Die Einweisung in und Schulung an Lasersystemen für die Anwendung zur Tattoo- und Permanent-Make-up-Entfernung und darüber hinaus ist gesetzlich verpflichtend für den Laserhersteller wie auch für den Betreiber dieser Anlagen – und das noch bevor die Geräte am Kunden und Patienten zum Einsatz kommen (Medizinprodukte-Gesetz, MPG und Medizinprodukte-­ Betreiberverordnung, MPBetreibV). Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass erforderliche Geräteeinweisungen bisweilen überhaupt nicht bzw. teilweise nur mit mangelnder Sorgfalt durchgeführt wurden (Bohnet-Joschko et al. 2015). Hinzu kommt, dass diese Einweisungen und Anwenderschulungen einem Vergessensprozess unterliegen, wenn solche Lasersysteme nicht regelmäßig im Praxisalltag genutzt werden. Personalknappheit, Kosteneffizienz- und Zeitdruck verschärfen zudem das Problem in den Praxen und vor allem in den Kliniken, sodass sich mancher Anwender zwischen Patientenversorgung und Anwenderschulung entscheiden muss. Das kann auch dazu führen, dass Laserbehandlungen an unerfahrenes medizinisches Hilfspersonal mit mangelhafter Geräteeinweisung delegiert werden. Fragen Sie Ihren Laser-Experten gerne danach, wer und wie am Lasersystem geschult wurde und ob diese Person im sogenannten Medizinprodukte-Buch, das jedem medizinischen Lasersystem zur Tattoo-Entfernung beiliegen muss, geführt wird. Im Zuge der NiSV und insbesondere der Neuerungen der seit Mai 2021 europaweit geltenden Medical Device Regulation (MDR), die die deutsche Medizinprodukte-­ Verordnung ersetzt und maßgeblich verschärft, wird die Einhaltung der Richtlinien und Gesetze rund um die Herstellung, Verkauf und den Betrieb von Lasersystemen nicht nur umfangreicher, sondern auch besser kontrolliert. Ihr Laser-Experte für die Tattoo-Entfernung muss sich mit der MDR, der NiSV sowie diesbezüglich mit seinem Laserhersteller und -lieferanten auseinandersetzen. Nichteinhaltung oder Regelverstöße können künftig mit empfindlichen Ordnungswidrigkeitstrafen geahndet werden. Fragen Sie Ihren Laser-Experten gerne nach solchen Kriterien, noch bevor Sie die Laserbehandlung beginnen (. Abb. 23.2).  

187 Wie erkenne ich einen Experten für die Laser-Tattoo-Entfernung?

..      Abb. 23.2 Beratungsgespräch zur Laser-Tattoo-Entfernung, Dr. med. Anna Maria Gerber (© Dermatologie am Luegplatz)

23.3

Beratungsgespräch zur Laser-Tattoo-Entfernung

Haben Sie sich für einen Laser-Experten entschieden, dann vereinbaren Sie einen persönlichen Beratungstermin zu Ihrer Tattoo-Entfernung. Der Laser-Experte nimmt sich hierfür ausgiebig Zeit, um Ihre betroffene Tätowierung oder auch Ihr Permanent Make-up zu begutachten und Sie über die anstehende Lasertherapie bis hin zu Risiken, möglichen Nebenwirkungen und Nachsorgehinweisen aufzuklären. Oftmals werden Ihnen zum Gespräch Infobroschüren mit aufklärendem Inhalt ausgehändigt, in denen anhand von Illustrationen und Bildmaterial die Laserbehandlung, deren Ablauf und mögliche Behandlungsergebnisse veranschaulicht und weitere generelle Fragen beantwortet werden. Bedenken Sie beim Bildmaterial bitte immer, dass Ihnen in der Regel nur Top-Ergebnisse präsentiert werden, dass doch jede Tattoo-Entfernung sehr individuell verläuft und vom gezeigten Behandlungsergebnis deutlich abweichen kann. Ferner muss Ihnen alles zu Ihrem gesundheitlichen Schutz während der Lasertherapie erklärt und gezeigt werden, wie beispielsweise eine geeignete und entsprechend genormte Laserschutzbrille, die Sie und alle im Laserraum befindlichen Personen während der Behandlung tragen müssen. Auch zur Nachsorge und Wundpflege klärt Sie ein Laser-Experte auf und empfiehlt zudem spezielle Produkte und Vorgehensweisen in der Wundversorgung und Nachsorge. Ein Laser-Experte ist zudem in der Lage, mögliche Risiken und Nebenwirkungen adäquat abzuschätzen, Ihnen unter bestimmten Voraussetzungen gegebenenfalls von einer Lasertherapie abzuraten und alternative Behandlungsmethoden zu empfehlen.

23.4

Kosten für eine Laser-Tattoo-Entfernung

Es kann nicht verschwiegen werden, dass eine Laser-Tattoo-Entfernung eine monetäre Belastung über einen längeren Zeitraum darstellt. Die Kosten ergeben sich grundsätzlich aus verschiedenen Faktoren wie der Größe Ihrer Tätowierung, der Farbintensität und dem Alter des gestochenen Motivs. Aber auch die Auswahl des Lasersystems spielt eine wesentliche Rolle: Behandlungen mit hochmodernen Piko-

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T. Sembt

sekunden-Lasersystemen sind aufgrund der hohen Anschaffungs- und Unterhaltskosten teurer als mit den älteren Nanosekunden-Varianten. Laser-Experten sind hierzu meist auf dem neuesten Stand der Technik. Sie können oder sollten hier Preisvergleiche anstellen. Lassen Sie sich Kostenvoranschläge berechnen und mitgeben. Bedenken Sie dabei aber bitte, dass nicht der Preis erstes Auswahlkriterium für Ihren Laser-Experten sein sollte, sondern vielmehr die kompetente Beratung und ob Sie sich wohl und verstanden fühlen! So könnte ein sehr niedriger Preis auf die Verwendung eines eher günstigen, leistungsschwachen Lasers, auf mangelnde Investitionen in Aus- und Weiterbildungen des Laseranwenders und/oder auf eine mangelhafte Ausstattung des Laserraums zurückzuführen sein. Ein Laser-Experte verfügt oft über eine Reihe unterschiedlicher Lasersysteme und Lichtwellenlängen, um für jede Indikation und Behandlungsvariante die passende Technik zur Hand zu haben. Das ist mitunter hilfreich gerade bei bunten Tätowierungen. Zudem wird Ihnen der Laser-Experte einen sinnvollen Behandlungsplan erstellen, die Behandlungsdauer nach einer Probebehandlung prognostizieren und Sie vor allem darüber aufklären, was Sie selbst zum gewünschten Behandlungsergebnis in der Nachsorge beitragen können. Aber er wird Sie nie zu einer schnellen Entscheidung drängen. 14 Tipps für die Auswahl Ihres Laser-Experten

  1. Fragen Sie Ihren Laser-Experten nach seinen Aus- und Weiterbildungen. Umfangreiche Erfahrungen mit Tätowierung, Pigment und Laser sind unabdingbar.  2. Vertrauen Sie nicht nur auf Verkaufs- und Marketingargumente wie: “Wir haben den modernsten Laser im Einsatz!“  3. Fragen Sie, ob das verwendete Lasersystem entsprechend den a­ ktuellen Anforderungen zertifiziert und für den europäischen Markt zugelassen ist.   4. Lassen Sie sich das Lasersystem zeigen und erklären. Ein Laser-Experte wird sich Zeit dafür nehmen, um die wichtigsten Merkmale des Lasers zu erläutern.  5. Ein Laser-Experte wird Sie umfassend über Behandlung, Lasertechnik und alternative Methoden zur Tattoo-Entfernung aufklären. Stellen Sie all Ihre Fragen, mögen sie Ihnen noch so unsinnig erscheinen.   6. Eine genaue Anamnese und Diagnose Ihrer aktuellen Gesundheit, mögliche Allergien und die Untersuchung des zu behandelnden Hautareals sind nicht nur für ein optimales Behandlungsergebnis entscheidend, sondern vor allem für Ihre Gesundheit.  7. Achten Sie darauf, dass das Behandlungsumfeld hell, hygienisch sauber und professionell ausgestattet ist.   8. Werden Sie bei Versprechen, die Ihnen gegeben werden, hellhörig! Eine hundertprozentige Tattoo-Entfernung kann nie garantiert werden! Lassen Sie sich zudem niemals von zu günstigen Preisangeboten locken.  9. Vorsicht vor Angeboten für besonders schnelle Behandlungen. Eine LaserTattoo-Entfernung erfordert immer Geduld und dauert in der Regel Monate. 10. Vorsicht bei Vorher-nachher-Beispielbildern von abgeschlossenen Laserbehandlungen zur Tattoo-Entfernung. Man wird Ihnen in der Regel nur die besten Ergebnisse zeigen. Ein Laser-Experte weist Sie darauf hin, dass Top-­Ergebnisse nicht der Regelfall sind und jede Tätowierung so individuell ist wie ihr Träger.

189 Wie erkenne ich einen Experten für die Laser-Tattoo-Entfernung?

11. Auf den Schutz Ihrer Gesundheit muss Rücksicht genommen werden, z. B. indem reflektierende Gegenstände aus dem Laserraum entfernt und Sie vor den Strahlen und möglichen Laserreflexionen durch eine adäquate Laserschutzbrille geschützt werden. 12. Ein Laser-Experte macht einen kompetenten und sicheren Eindruck im Umgang mit seinem Lasersystemen und hat Know-how über Tätowierungen und die Tattoo-Entfernung. 13. Stellen Sie sich nach dem Beratungsgespräch selbst die Frage, ob Sie sich vollumfänglich aufgeklärt, verstanden und in der Laserpraxis gut aufgehoben fühlen. 14. Ein Laser-Experte wird eine Behandlungsabsage Ihrerseits trotz eines vollumfänglichen Beratungsgesprächs verstehen und akzeptieren.

Weiterführende Literatur und Links ärzte.de MediService GmbH & Co. KG https://www.­aerzte.­de/ Berufsverband Deutscher Dermatologen BVDD e.V. https://www.­bvdd.­de/ Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) e.V. https://derma.­de/ Deutsche Dermatologische Lasergesellschaft (DDL) e.V. https://www.­ddl.­de/ DGUV – Deutsche gesetzliche Unfallversicherung, Grundsatz 303–005 (Ausbildung und Fortbildung von Laserschutzbeauftragten sowie Fortbildung von fachkundigen Personen zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach OStrV bei Laseranwendungen), https://publikationen.­dguv.­de/regelwerk/publikationen-­n ach-­f achbereich/energie-­t extil-­e lektro-­m edienerzeugnisse-­e tem/ nichtionisierende-­strahlung/3507/ausbildung-­und-­fortbildung-­von-­laserschutzbeauftragten-­sowie-­ fortbildung-­von-­fachkundigen-­personen-­z Diploma in Aesthetic Laser Medicine (DALM) https://laserstudium.­com/ DocInsider GmbH https://www.­docinsider.­de/ Doc-Tattooentfernung.com, Doctare Medical Services UG(haftungsbeschränkt) https://doc-tattooentfernung.com/ Jameda GmbH https://www.­jameda.­de/ MDR – Medical Device Regulation, Europäische Verordnung für Medizinprodukte, Verordnung (EU) 2017/745, Amtsblatt der Europäischen Union. https://eur-­lex.­europa.­eu/legal-­content/DE/TXT/ PDF/?uri=CELEX:32017R0745&from=DE MPBetreibV  – Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten, Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, BMJV. https://www.­gesetze-­im-­internet.­de/ mpbetreibv/ MPG – Gesetz über Medizinprodukte. Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, BMJV. https://www.­gesetze-­im-­internet.­de/mpg/ OStrV §  5 (Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch künstliche optische Strahlung) https://www.­gesetze-­im-­internet.­de/ostrv/BJNR096010010.­html Sabine B-J et al (2015) Prävention Medizintechnik-assoziierter Risiken im Krankenhaus: Spezifizierung der APS-Empfehlungen für Anwender und Betreiber von Anästhesiegeräten. Zeitschrift für Evidenz Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen 109(9-10):725–735. https://doi.org/10.1016/j. zefq.2015.06.001 StlSchV – Strahlenschutzverordnung, § 48 Aktualisierung der Fachkunde, Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz. https://www.­gesetze-­im-­internet.­de/strlschv_2018/__48.­html TROS  – Laserstrahlung (Technischen Regeln zur Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung) Ausgabe: Juli 2018 GMBl. 2018 S. 962 [Nr. 50–53] (21.11.2018), Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). https://www.­baua.­de/DE/Angebote/Rechtstexte-­und-­ Technische-­Regeln/Regelwerk/TROS/TROS-­Laser-­Allgemeines.­html

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Wundversorgung und Nachsorge Jens Malte Baron Inhaltsverzeichnis 24.1

Phase 1 – 192

24.2

Phase 2 – 193 Literatur – 194

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_24

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J. M. Baron

24.1

24

Phase 1

Tätowierung mit mechanischen Tattoo-Maschinen, aber auch die Laserentfernung von Tätowierungen führt zu einer Schädigung der oberflächlichen Hautschichten. Um eine schnellere Abheilung zu erzielen, profitieren oberflächliche Wunden von einer geeigneten Nachsorge. Ziel ist es dabei, nach den Eingriffen die Integrität der Haut so wiederherzustellen, dass die Schädigung im besten Fall nicht mehr erkennbar ist. Insbesondere eine beschleunigte Re-Epithelisierung und Wiederherstellung der Funktion der Hautbarriere wird als Schlüssel für eine komplikationslose Heilung angesehen. Diese Strategie sollte daher nach aktuellen Erkenntnissen folgende Schritte beinhalten (Baron et al. 2020): 55 Schutz vor Infektionen 55 Schutz vor freien Radikalen 55 Modulation der Entzündung 55 Unterstützung der Zellproliferation und Beschleunigung der Migration Eine lokale antiseptische Behandlung sollte nur dann durchgeführt werden, wenn ein erhöhtes Risiko für eine Wundinfektion besteht (z. B. bei Schürfwunden), da viele antiseptische Substanzen einen verzögernden Einfluss auf die Wundheilung besitzen. Nach der Laserbehandlung von Tätowierungen ist oft keine antiseptische Behandlung notwendig. Die Verwendung eines milden Antiseptikums in der richtigen Konzentration in Verbindung mit Präparaten, die Wirkstoffe wie z. B. Dexpanthenol enthalten, die die epidermale Keratinozytenproliferation fördern, kann dazu beitragen, diese Effekte auszugleichen und gesundes Gewebe zu schützen (Baron et al. 2020). Zunächst gelten während des Heilungsprozesses (etwa 1–3 Wochen nach Fertigstellung der Tätowierung) folgende aktuelle Empfehlungen (Gonzalez et al. 2020): 55 Kein topischer Sonnenschutz, bis die Tätowierung vollständig verheilt ist. 55 Halten Sie die Tätowierung stets von der Sonne fern. 55 Tragen Sie Schutzkleidung, wenn sich die Tätowierung an einem sonnenexponierten Ort befindet. Des Weiteren zeigten aktuelle In-vitro-Untersuchungen in einem Tattoo-­ 3D-­ Hautmodell, welches mit einem QS-Laser im Picosekunden-Bereich behandelt wurde (Manuskript in Vorbereitung), dass die Nachbehandlung nach der Laserentfernung von Tätowierungen mit dexpanthenolhaltigen Salben die regenerativen Prozesse wie Gefäßneubildung, Zellwanderung und Entwicklung von anatomischen Strukturen in der Haut fördern kann. Zur Nachbehandlung von laserbehandelten Tätowierungen sind bisher wenige standardisierte In-vivo-Studien durchgeführt worden. Eine Studie zur Bewertung der Wirksamkeit der topischen Anwendung einer Kombinationsformulierung von Vitamin C, Vitamin E und Ferulasäure als Adjuvans zur Behandlung mit gütegeschalteten Nd:YAG -Lasern bei Personen mit Lentigines und Melasma zeigte jedoch auf der

193 Wundversorgung und Nachsorge

laserbehandelten Gesichtsseite eine signifikant stärkere Abnahme des Melaninindexes. Es konnte allerdings kein signifikanter Unterschied in der Erythembildung nach der Behandlung dokumentiert werden (Kim 2020). Von Untersuchungen zur Nachbehandlung nach ablativen Lasertherapien wissen wir aus klinischen Studien, dass die Nachbehandlung mit dexpanthenolhaltigen Salben zu einem signifikant schnelleren Wundverschluss, insbesondere in der frühen Phase der Wundheilung (Tag 1–5) führt. Darüber hinaus zeigte die Bewertung des kosmetischen Ergebnisses eine positive Wirkung der dexpanthenolhaltigen Salbe in der postoperativen Wundversorgung nach der ablativen Laserbehandlung im Vergleich zu einer Behandlung mit Vaseline (Heise et al. 2019).

24.2

Phase 2

Nach Abheilung der Tätowierung sollte das Areal der Tätowierung, aber auch die gesamte Haut vor schädlichen ultravioletten Strahlen geschützt werden. Diese Maßnahmen verhindern zum einen das Ausbleichen der Tätowierung, zum anderen verringern sie aber auch das Risiko einer vorzeitigen Hautalterung und das Entstehen von Sonnenflecken und Hautkrebs (Gonzalez et  al. 2020). Ähnliches gilt auch für Patienten, bei denen eine bestehende Tätowierung mittels QS-Laser im Nano- oder Picosekunden-Bereich behandelt wurde, hier besteht das Risiko für das Auftreten einer postinflammatorischen Hyperpigmentierung im Behandlungsareal, insbesondere nach anschließender UV-Exposition. Dieses Risiko kann durch konsequenten Lichtschutz, der mindestens 4 Wochen vor Beginn der Laserbehandlung beginnen und bis zu 4 Wochen nach der letzten Lasertherapie weitergeführt werden sollte, vermindert werden. Für einen effektiven Lichtschutz der Haut wurden von Gonzalez et al. (2020) folgenden Maßnahmen beschrieben (Gonzalez et al. 2020): 55 Tragen Sie auf alle exponierten Hautpartien einen Breitband-Sonnenschutz (Ultraviolett A und B) mit Lichtschutzfaktor 30 oder höher auf. 55 Alle zwei Stunden erneut anwenden, wenn Sie sich in der Sonne aufhalten, bzw. nach dem Schwimmen oder Schwitzen. 55 Tragen Sie 30 Minuten vor dem Verlassen des Hauses Sonnenschutz auf. 55 Suchen Sie Schatten von der Sonne, besonders zur Mittagszeit. 55 Tragen Sie ggf. einen breitkrempigen Hut, der Augen, Gesicht, Nase und Ohren schattiert. 55 Bedecken Sie sich mit einem leichten langärmeligen Hemd und einer langen Hose. 55 Bedecken Sie beim Fahren eine Armtätowierung mit einem Ärmel. 55 Tragen Sie eine Sonnenbrille, die 100 Prozent des ultravioletten A- und B-Lichts blockiert. 55 Sonnenbänke vermeiden. 55 Achten Sie auf neue Muttermale und andere Hautflecken insbesondere in den Arealen der Tätowierung. 55 Melden Sie Ihrem Arzt jeden ungewöhnlichen Hautbefund.

24

194

J. M. Baron

Literatur Baron JM, Glatz M, Proksch E (2020) Optimal support of wound healing: new insights. Dermatology 2020;236(6):593–600 Gonzalez CD, Walkosz BJ, Dellavalle RP (2020) Aftercare instructions in the tattoo community: an opportunity to educate on sun protection and increase skin cancer awareness. J Clin Aesthet Dermatol 13(6):22–23 Heise R, Schmitt L, Huth L, Krings L, Kluwig D, Katsoulari KV, Steiner T, Hölzle F, Baron JM, Huth S (2019) Accelerated wound healing with a dexpanthenol-containing ointment after fractional ablative CO2 laser resurfacing of photo-damaged skin in a randomized prospective clinical trial. Cutan Ocul Toxicol 38(3):274–278 Kim J (2020) Effect of topical antioxidant serum containing vitamin C, vitamin E, and ferulic acid after Q-Switched 1064-nm Nd:YAG laser for treatment of environment-induced skin pigmentation. J Cosmet Dermatol 2020 Oct;19(10):2576–2582

24

195

Tattoo-Entfernung mittels anderer Techniken Inhaltsverzeichnis Kapitel 25

Chirurgische Tattoo-­Entfernung – 197 Hans Bayer

Kapitel 26

Sonstige Techniken – 205 Peter Arne Gerber und Uwe Wollina

VI

197

Chirurgische Tattoo-­Entfernung Hans Bayer Inhaltsverzeichnis 25.1

 äufigste Gründe für eine operative H Tattoo-Entfernung – 198

25.1.1 25.1.2 25.1.3 25.1.4 25.1.5

 usgeprägte Unverträglichkeitsreaktionen – 198 A Hautkrebs – 198 Starke Narbenbildung im Tattoo – 199 Keine vollständige Entfernbarkeit mit selektivem Tattoo-Lasersystem – 199 Schwere psychische Beeinträchtigung – 199

25.2

Operative Methoden zur Tattoo-Entfernung – 199

25.2.1 25.2.2 25.2.3

 ermabrasio – 200 D Exzision – 200 Shaving – 201

Literatur – 203

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_25

25

198

H. Bayer

Der Wunsch, ein Tattoo wieder zu entfernen, ist wahrscheinlich so alt wie die Tätowierkunst selbst. So gibt es z.  B. aus dem alten Ägypten detaillierte Aufzeichnungen darüber, wie bei einer Entfernung eines Tattoos vorzugehen sei. Hier standen im Unterschied zu heute weniger ästhetische Ansprüche im Vordergrund. Im Gegenteil zum Tattoo als Lifestyle-Symbol hatten Tattoos den Zweck, militärische Ehren, andere Auszeichnungen und Rangordnung zu symbolisieren. Natürlich gab es dann auch Betrüger, die sich solche Ehren-Tattoos unverdienterweise anfertigen ließen, oder arme Sünder, die bei den Herrschenden in Ungnade fielen. Um diese Tattoos dann wieder zu entfernen, wurde – wie auch bis weit ins 20. Jahrhundert – mit Säuren und Messern gearbeitet (Risch 2020). Tatsächlich waren chirurgische und chemische Methoden bis zur Etablierung der ablativen Lasersysteme (CO2- und mehr noch Erbium:YAG) in den 1980er-Jahren (Kaufmann und Hibst 1990) und dann der selektiven Lasersysteme (Anderson und Parrish 1983) in den frühen 2000er-Jahren die einzigen Möglichkeiten, ein ungeliebtes Tattoo wieder zu entfernen. Man könnte glauben, dass durch die Etablierung der modernen Lasersysteme, welche eine narbenfreie Tattoo-Entfernung ermöglichen, die chirurgische Entfernung von Tattoos ausgedient habe. Zum größten Teil trifft dies auch zu. Es gibt jedoch noch eine Gruppe von Indikationen, in welcher die operative Entfernung eine interessante Therapieoption sein kann oder sogar angewandt werden muss.

25.1

Häufigste Gründe für eine operative Tattoo-Entfernung

Die häufigsten Gründe, mit dem Messer an ein Tattoo heranzugehen, werden im Folgenden erläutert. 25.1.1

Ausgeprägte Unverträglichkeitsreaktionen

Ausgeprägte Unverträglichkeitsreaktionen gehen teilweise mit knotigen Hautwucherungen, sogenannten Granulomen, einher. So kommt es immer wieder vor, dass beispielsweise eine allergische Reaktion auf rote Tattoo-Farbe so heftig ist, dass einem keine andere Wahl bleibt, als das Tattoo zu entfernen. Der Patient ist übrigens meist schnell beschwerdefrei.

25

25.1.2

Hautkrebs

Eine seltene, aber doch mögliche Komplikation des Tätowierens ist, dass sich in der tätowierten Haut ein Hautkrebs ausbildet – entweder in der Form, dass die Vorstufe der Veränderung schon vorhanden war, oder es gibt eine Sonderform des weißen Hautkrebses, das sogenannte Keratoakanthom, die sich innerhalb weniger Wochen ausbildet und durch eine Tätowierung ausgelöst werden kann. Erfreulicherweise lässt sich der weiße Hautkrebs hervorragend operativ behandeln. Wichtig ist, dass kein schwarzer Hautkrebs in einem Tattoo entsteht und hier möglichweise länger nicht entdeckt wird, da dieser frühzeitig zu Absiedelungen, sogenannten Metastasen,

199 Chirurgische Tattoo-Entfernung

führt. Ein Hautcheck, bevor man sich tätowieren lässt, und eine bessere Kooperation von Hautärzten und Tätowierern wären wünschenswert. 25.1.3

Starke Narbenbildung im Tattoo

Es gibt Menschen mit einer Neigung zur Ausbildung von wuchernden Narben, sogenannten Keloiden. Diese können nach kleinsten Hautverletzungen oder aber sogar spontan auftreten. Klassischerweise sehen wir Keloide an Schultern, Brustbein und auch im Hals/Gesichtsbereich. Die Narben verursachen stärksten Juckreiz, Schmerz und können auch zu Bewegungseinschränkungen führen. Ausgeprägte Narbenbildung kann aber auch als Folge eines Infekts im Tattoo auftreten. Hier ist es mit dem alleinigen Entfernen des wuchernden Anteils des Tattoos nicht getan, sondern eine regelmäßige längere Nachbetreuung ist entscheidend, da das Keloid sonst zurückkommen kann. 25.1.4

 eine vollständige Entfernbarkeit mit selektivem TattooK Lasersystem

Ein ungeliebtes Thema unter Laser-Anwendern: In bestimmten Fällen gelingt mit dem selektiven Tattoo-Lasersystem keine vollständige Entfernung, der Wunsch nach kompletter Entfernung besteht aber weiterhin. Vielfarbige Tattoos und auch schwarze Tattoos, die auf Eisenverbindungen beruhen, können manchmal nicht komplett entfernt werden. Die chirurgische Entfernung bietet hier eine Lösung, welche allerdings immer mit einer zumindest sichtbaren Hautveränderung (Aufhellung) oder Narbenbildung einhergeht. Daher ist es besonders wichtig, die Patient*innen ausführlich über mögliche unerwünschte Nebenwirkungen aufzuklären. 25.1.5

Schwere psychische Beeinträchtigung

Last but not least gibt es immer wieder Patient*innen, die unter dem fehlgeratenen oder fehlplatzierten Tattoo psychisch so stark leiden, dass Sie die Tattoo-Entfernung mittels Laser nicht abwarten können oder wollen, sondern lieber die oben erwähnten Hautveränderungen in Kauf nehmen.

25.2

Operative Methoden zur Tattoo-Entfernung

Die operative Tattoo-Entfernung sollte in jedem Fall nur von einem hautchirurgisch versierten Arzt vorgenommen werden. Das Wissen um die Tiefe der Pigmente in der Haut, die Handhabung der verschiedenen Spezialinstrumente und die Besonderheiten der einzelnen Körperregionen benötigen viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Nicht zuletzt ist auch die Auswahl der richtigen Methode entscheidend. Häufig ist zu lesen, dass diese Eingriffe immer in Vollnarkose erfolgen müssen. Dies kann bei sehr großen Tattoos der Fall sein, mit den modernen Methoden der Lokal-

25

200

H. Bayer

anästhesie und der sog. Tumeszenzlokalanästhesie können aber auch größere Areale problemlos in örtlicher Betäubung und ambulant operiert werden (Petres und Rompel 2007). Der Operateur wird je nach Indikation und Lokalisation eine der drei folgenden Methoden wählen. 25.2.1

Dermabrasio

Die wohl am häufigsten verwendete Methode ist die Hautabschleifung, die sogenannte Dermabrasio. Durch Anwendung hochtourig arbeitender „Diamant-­ Fräsen“ werden oberflächliche Hautschichten gleichmäßig abgetragen. Die dadurch entstehenden Erosionswunden heilen narbenlos ab, wenn das sogenannte Stratum papillare, die oberflächliche Lederhaut, nicht überschritten wird. Das Tattoo-­ Pigment liegt aber häufig tiefer in der Lederhaut, dem Stratum reticulare, oder aber auch im Unterhautfettgewebe, der Subcutis. Da die Fräsköpfe in unterschiedlichsten Größen (0,8–2,5 cm) und Form vorliegen, kann mit dieser Methode eine punktuelle, tiefere Abtragung erfolgen, die allerdings immer mit einer Narbenbildung einhergeht. Die genaue punktuelle Abtragung mittels Erbium:YAG-Laser hat hier sicherlich das punktuelle Fräsen obsolet werden lassen, einfach weil der Laser z.  B. mit einem nur 2 mm messenden Spot sehr genau arbeitet und damit auch die Narbenbildung deutlich unauffälliger wird. Eine weitere klassische Nebenwirkung der Dermabrasio ist, auch wenn das Stratum papillare nicht überschritten wird, die Ausbildung von Pigmentstörungen, sprich: Die behandelte Haut bleibt meist sehr hell, selten kann sie auch dunkler werden. Besonders wichtig ist die entsprechende Wundtherapie im Rahmen der Wundheilung. Die verwendeten Wundauflagen dürfen auf keinen Fall mit der Wundfläche verkleben, da dies die nachwachsende Haut immer wieder verletzt, weshalb es dann auch zu Narben kommen kann. Eine ausgewählte Gruppe von dermatologischen Krankheitsbildern wird aber auch heute noch standartmäßig mittels Dermabrasio behandelt. Eine Kombinationsbehandlung, die spannend ist und vom Autor schon einige Male angewandt wurde, besteht darin, mittels Dermabrasio und Shaving (7 Abschn.  25.2.3) zunächst die oberflächliche Epidermis abzuschleifen und die Haut nach Abheilung frühzeitig mit einem Pico- oder Nanosekunden-Lasersystem zu behandeln. Die Pigmentabtragung erfolgt dann extrem schnell (. Abb. 25.1).  



25

25.2.2

Exzision

Wenn nun tatsächlich das Skalpell angelegt wird, dann erfolgt dies meist im Rahmen einer „seriellen“, also wiederholten Exzision. Prinzip dieser Technik ist, dass Hautveränderungen, bei denen aufgrund ihrer Größe die komplette Entfernung mit unmittelbarem Wundverschluss nicht in einer Sitzung möglich ist, durch dieses Vorgehen in mehreren Sitzungen komplett entfernt werden. Da die serielle Exzision bei Tattoos in jedem Fall mit einer Narbenbildung einhergeht, ist besonders darauf zu achten, dass die abschließende Operation unter möglichst geringen Spannungsverhältnissen erfolgt und somit eine möglichst ästhetische, z. B. eine intrakutane, Naht möglich wird.

201 Chirurgische Tattoo-Entfernung

a

b

d

c

..      Abb. 25.1  a–d a Vor kombinierter Dermabrasio und Shaving, b unmittelbar postoperativ, c 4 Wochen postoperativ, Wundfläche abgeheilt, d nach 2 Jahren und 4 Monaten sowie 3-maliger Narben-­Lasertherapie

Neben der obligaten Narbenbildung stehen hier die allgemein chirurgischen Risiken wie Wundinfektion, Nahtdehiszenz (Auseinanderweichen der Naht) und Nahtverfärbung im Vordergrund. Eine lästige Nebenwirkung ist auch die Ausbildung von sogenannten hypertrophen (verdickten) Narben an Stellen mit hoher Wundspannung. Anders als die erwähnten Keloide treten hypertrophe Narben meist in den ersten 6 Monaten nach OP auf, haben aber eine gute Rückbildungstendenz (. Abb. 25.2).  

25.2.3

Shaving

Beim Shaving („Rasieren“) werden mit einem speziellen Instrument, dem sogenannten Akku-Dermatom, oberflächliche Hautschichten in einer Dicke von ganz

25

202

H. Bayer

a

c

b

d

e

25 ..      Abb. 25.2  a–e a Vor Laser und konsekutiver OP, b nach 3 Sitzungen mit Vernarbung, c vor erster OP, vordere Hälfte wird entfernt, d 1  Monat postoperativ, e 6  Monate nach Erst-OP, vor Komplettexzision, hypertrophe Narbe

exakt 0,1–0,9 mm abgetragen. Eine rasiermesserscharfe Klinge wird durch den akkubetriebenen Motor in sehr schnelle Schwingungen versetzt, und damit wird ein gleichmäßiger Streifen Haut entnommen. Der Vorteil der Methode liegt in der absolut gleichmäßigen Abtragung von Haut (und Lederhaut). Im Rahmen der Tattoo-­ Entfernung kann man mit dem Akku-Dermatom gleichmäßig die dermalen Anteile des Tattoos darstellen. In unserer täglichen Praxis erfolgt der Einsatz des Derma-

203 Chirurgische Tattoo-Entfernung

toms, also das Shaving, eigentlich immer in Kombination mit Dermabrasio oder auch dem ablativen Erb:YAG.  Insbesondere bei großflächiger Abtragung ist die Heilungsdauer deutlich verlängert und das Vernarbungsrisiko erheblich. Früher wurden Tattoos auch mit dem Dermatom abgetragen, und dieser Bereich wurde dann mit gesunder Haut, die an einer anderen Stelle entnommen wurde, im Sinne einer echten Transplantation abgedeckt. Diese Methode gilt ebenso wie die Kombination von Salzeinreibung und Dermabrasio (die sogenannte Salabrasio) heute als obsolet. Wie bei der Tattoo-Entfernung mittels Laser handelt es sich auch bei der operativen Entfernung um eine Selbstzahlerleistung. Aufgrund der vielen möglichen unerwünschten Nebenwirkungen sowie der unvermeidbaren Narbenbildung sollte die operative Tattoo-Entfernung heute als letzte Option dienen. Zusammenfassung Bis weit ins 20.  Jahrhundert gab es zu den chirurgischen Methoden der Tattoo-­ Entfernung keine Alternative. Die Belege für die operative Entfernung von Tätowierungen reichen bis ins alte Ägypten zurück. Neben der Entfernung mittels Hautabschleifung, der sogenannten Dermabrasio, können Tattoos auch klassisch operativ mit dem Skalpell entfernt werden (Exzision). Eine weitere Methode, das sogenannte Shaving, wird häufig mit der Dermabrasio kombiniert. Erst mit dem Aufkommen der ersten kommerziell erhältlichen Lasersysteme und im weiteren Verlauf der selektiven Pigment-Lasersysteme, die nach dem Prinzip der selektiven Photothermolyse arbeiten, traten die chirurgischen Methoden in den Hintergrund. Es gibt aber auch heute noch Gründe, ein Tattoo chirurgisch entfernen zu lassen. An erster Stelle sind hier starke Unverträglichkeitsreaktionen und überschießende Narbenbildung zu nennen oder wenn ein Tattoo mit den modernen Behandlungsmethoden nicht vollständig entfernt werden kann. Da die chirurgischen Methoden alle mit einer Narbenbildung und weiteren Risiken einhergehen, sollten sie heute ausschließlich in den genannten Ausnahmesituationen Anwendung finden.

Literatur Anderson RR, Parrish JA (1983) Selective photothermolysis: precise microsurgery by selective absorption of pulsed radiation. Science 220(4596):524–527. https://doi.org/10.1126/science.6836297. PMID: 6836297 Kaufmann R, Hibst R (1990 Sep) Pulsed 2.94-microns erbium-YAG laser skin ablation – experimental results and first clinical application. Clin Exp Dermatol 15(5):389–393. https://doi. org/10.1111/j.1365-­2230.1990.tb02125.x. PMID: 2225547 Petres J, Rompel R (2007) Operative Dermatologie: Lehrbuch und Atlas. Springer, Heidelberg Risch P (2020) Die Anfänge der Tattooentfernung. ästhet dermatol kosmetol 12, 6. https://doi.org/10. 1007/s12634-020-1069-5

25

205

Sonstige Techniken Peter Arne Gerber und Uwe Wollina Inhaltsverzeichnis Literatur – 207

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6_26

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P. A. Gerber und U. Wollina

Unangefochtener Goldstandard für die narbenfreie Entfernung von Tätowierungen ist die Behandlung mittels gütegeschalteter ("quality switched", QS) Lasersysteme (Raulin und Karsai 2013; Anderson und Parrish 1983; Kautz 2018; Wollina und De Cuyper 2011). Die früher genutzten chirurgischen Verfahren sind klar in den Hintergrund getreten (Wollina und Köstler 2007). Im Vergleich zu QS-Lasern ist jegliche alternative Technik zur Entfernung von Tätowierungen unterlegen oder sogar gesundheitsgefährdend. An erster Stelle sei hier die Injektion von Milchsäure genannt, die mitunter fälschlich und irreführend als „schonende und schmerzfreie Alternative“ zur Entfernung mit dem Laser beworben wird. Andere Inhaltsstoffe sogenannter chemischer Tattoo-Entferner reichen von Salizylsäure über Trichloressigsäure (TCA) und diverse Alkohole bis hin zu Benzoesäure (Wollina 2015). Tatsächlich finden sich jedoch zahlreiche Fälle von schwerwiegenden Komplikationen, bei denen die eingespritzte Säure tiefe Löcher in die behandelten Hautareale gefressen hat – entstellende Narbenbildung inklusive (. Abb. 26.1) (Wollina und De Cuyper 2011). Als Begleitreaktionen werden ferner Juckreiz, Brennen und Schmerzen beschrieben. Man kann sich nur wundern, dass Studios bzw. Franchise-­ Unternehmen, die Tattoo-Entfernungen mittels Milchsäureinjektionen durchführen, ihre Leistungen im Internet immer noch so aktiv bewerben dürfen. Während eben diese Anbieter das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Bezug auf die Risiken der Tattoo-Entfernung mit dem Laser zitieren, verschweigen sie ironischerweise die folgende ausdrückliche Warnung des BfR vor Milchsäurebehandlungen: „Dem Institut liegen Fälle von Gesundheitsstörungen nach der Anwendung von flüssigen Tattoo- bzw. Permanent Make-up-Entfernern vor (Vergiftungsmeldungen nach § 16e Chemikaliengesetz). Nachdem die Substanzen unter die Haut gespritzt wurden, traten schwere Entzündungsreaktionen der Haut mit anschließender Narbenbildung auf. Es ist aufgrund des klinischen Bildes und des zeitlichen Zusammenhangs wahrscheinlich, dass die Entzündungsreaktion durch die Applikation des flüssigen Tattoo-­ Entferners ausgelöst wurde“ (Stellungnahme Nr. 033/2011 des BfR vom 1. August 2011), (Wollina und Köstler 2007).  

..      Abb. 26.1  Zustand nach Milchsäurebehandlung einer Tätowierung durch eine Kosmetikerin (zwei Sitzungen) mit multiplen hypertrophen und hypopigmentierten Narben (Wollina und De Cuyper 2011)

207 Sonstige Techniken

Auch die sogenannte “Salabrasio” wird unter anderem zur Technik der Selbstentfernung von Tätowierungen angepriesen. Nach mechanischer Abrasion, also dem aggressiven “Herausreiben” der Tattoo-Pigmente (z.  B. mittels Bürste, Sandpapier oder Salzkristallen) soll eine Salzlache auf die offene Wunden appliziert werden, um die Tattoo-Pigmente entlang dem entstehenden osmotischen Gradienten aus der Haut zu ziehen. Aufgrund potenzieller Nebenwirkungen und eines erheblichen Narbenrisikos sollte aber von dieser Methode abgesehen werden. Ähnlich verhält es sich mit der Entfernung von Tätowierungen mittels Plasmatechnologie (sog. Plasma-Pens o.ä.). Auch hierbei wird nach der Verletzung der Hautoberfläche eine Salzpaste aufgebracht. Im weiteren Sinne kann die Plasma-Pen-­ Methode also als Variante der Salabrasio interpretiert werden – mit vergleichbaren Risiken und Nebenwirkungen. Ebenfalls dringend abzuraten ist von Cremes zur Tattoo-Entfernung mit fraglichen Inhaltsstoffen, die Tätowierungen quasi aus der Haut “ätzen”. Auch diese können mitunter leicht über das Internet bezogen werden. Abschließend sei ein Start-up genannt, der ein Pflaster mit Hohlnadeln entwickelt hat, über das zunächst Milchsäure in die Haut eingebracht wird und anschließend aufgelöste Pigmente aus der Haut gesaugt werden sollen. Das Produkt ist nach Wissen des Autors derzeit noch nicht verfügbar, sodass eine abschließende Beurteilung nicht möglich ist. In Anbetracht der Anwendung von Milchsäure sollte die Anwendung aber insbesondere im Hinblick auf die Entstehung von Narben bis zum Vorliegen belastbarer Studienergebnisse kritisch betrachtet werden. Fazit Goldstandard der Tattoo-Entfernung ist die Behandlung mittels Laser durch einen Experten. Jegliche andere Technik birgt ein nicht kalkulierbares Risiko für erhebliche Nebenwirkungen bis hin zu Vernarbungen.

Literatur Anderson RR, Parrish JA (1983) Selective photothermolysis: precise microsurgery by selective absorption of pulsed radiation. Science 220(4596):524–527. https://doi.org/10.1126/science.6836297 Gerd Kautz (Hrsg) (2018) Energie für die Haut – Wirkungen und Nebenwirkungen von Lasern, Blitzlampen und weiteren Energieträgern. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. https://doi. org/10.1007/978-­3-­662-­56436-­3 Raulin C, Karsai S (Hrsg) (2013) Lasertherapie der Haut. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg. https:// doi.org/10.1007/978-­3-­642-­29910-­0 Tattoo-Entfernung: Einsatz wässriger Milchsäure ist mit gesundheitlichen Risiken verbunden. Stellungnahme Nr. 033/2011 des BfR vom 1. August 2011. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) MaxDohrn-Str. 8-10. 10589 Berlin Wollina U (2015) Depigmentation and hypertrophic scars after application of a fluid lactic acid tattoo eraser. Wien Med Wochenschr 165:195–198. https://doi.org/10.1007/s10354-­015-­0353-­x Wollina U, De Cuyper C (2011) Evidence-based medicine in laser-assisted tattoo removal. In: Maibach HI, Gorouhi F (Hrsg) Evidence-based dermatology, 2. Aufl. PMPH-USA, Shelton, CT, S 557–570 Wollina U, Köstler E (2007) Tattoos: surgical removal. Clin Dermatol 25(4):393–397. https://doi. org/10.1016/j.clindermatol.2007.05.016

26

209

Serviceteil Stichwortverzeichnis – 211

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2022 P. A. Gerber (Hrsg.), Tattoos und Tattooentfernung, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62560-6

211

Stichwortverzeichnis A ablative fraktionale Lasertherapie (AFXL)  166 Adoleszenz 27 Ainu 26 Alexandrit 142 Alkohol 23 Allergen 106 Allergie  118, 151, 171, 180 Antiseptikum 194 Arbeitsplatzabbau 60 Areola 72 Arschgeweih 24 Aufklärung  36, 37 Ausschwimmen 59 Australien 17 Azopigment 120

B Begleitreaktion 96 Behandlungsraum 84 Beratungsgespräch  86, 187 Besitzrisiko 25 Bindemittel  108, 111 Blackwork 51 Blanching  144, 152, 165 Blast-over 51 Blow-out  44, 47, 97 Body Modification  4, 22, 23 Borderline 22 Brennen 47 Brustkrebs 22 Brustwarzenrekonstruktion  72, 76

C Chargennummer 56 Christian Warlich  9 Chromophor 142 Chromoxid 67 Cover-up  29, 50

D Dermabrasio  128, 200, 203 Dermatom 202 Desinfektion 83 Desinfektionsmittel 54 Deutsche Dermatologische Akademie  181 Deutsche Dermatologische Lasergesellschaft 181 Dexpanthenol  96, 194

DIN  17169 56, 85, 96 Diploma in Aesthetic Laser Medicine (DALM)  181, 185 Drogen 23

E Effekt –– photoakustischer  144, 156 –– photochemischer 172 Einverständniserklärung 38 Eisenoxid 67 Entfernungswunsch 29 Entscheidungsfindung 28 Entzündung 88 Entzündungsmodulation 194 Entzündungsmuster 89 Epidemiologie 16 Epikutantest  98, 107 Epilepsie 171 Erstversorgung 45 Exzision  200, 203

F Farbangleichung 72 Farberhalt 47 Farbkappen 56 Farbruß 67 Farbverlust 47 Flächendesinfektionsmittel 55

G Generation Tattoo  18 Gewerbeschein 85 GOÄ 151 Granulom  90, 118, 198 Grenzphänomen 4 Güteschaltung 144

H Haftung 182 Handdesinfektionsmittel 55 Handpoke 42 Hautdesinfektionsmittel 55 Hautinfektion 96 Hautkomplikation 101 Hautkrebs  91, 132, 198 Heilpraktiker 132 Heilung 45

A–H

212

Stichwortverzeichnis

Hepatitis 98 HIV 98 Hooligans 26 Hygiene  44, 54, 85 Hygienekonzept  57, 60 Hygienemaßnahmen 60 Hyperkeratose 113 Hyperpigmentierung 178

I Identitätsgefühl 22 IGeL 151 Immunsuppression 97 Impuls 27 Impulsivität 27 Impulskontrolle 27 Industrienationen, westliche  17 Infektion  97, 102 Infektionskrankheit 171 Instrumentendesinfektionsmittel 55

J James Cook  8 Jugendsünde 30

K Keloid  199, 201 Keratoakanthom 198 Klischee 6 Köbnerisierung 89 Kombinationsbehandlung 200 Kommunikation, nonverbale  22 Komplikation  88, 102 Kontaktallergen 107 Kontaktallergie 107 –– Elizitationsphase 107 –– Sensibilisierungsphase 107 Kontaktekzem  106, 113 Konzentrationslager –– Auschwitz 11 –– Buchenwald 10 Körperschmuck 22 Körperverzierung 24 Krebs 119 Kriminalität  10, 23 Kunstwert 5

L Laser  29, 120, 128, 142 Laserschutzkurs 185 Lasertherapie 170 Lebensgefühl 24

Lösungsmittel  66, 111 Lupus erythematodes  171 Lymphknoten 100 Lymphom  90, 91

M Makrophagen 88 MDR 186 Medical Tattooing  64, 74 Medikament, lichtsensibilisierendes  170 Metall 110 micro bubbles  144, 152, 165 Migrationsbeschleunigung 194 Milchsäure  128, 206, 207 –– Komplikationen 206 –– Narbenbildung 206 Milien 47 Monomere 69 MRT 101 Mumie 6 Mykobakteriose 97

N Nachsorge  59, 86 Nadeln 42 Narbe 52 Narbenkorrektur 76 Narbenretusche 73 Nationalsozialismus 10 Nazis 26 Nd:YAG  142, 157 NiSV  132, 150, 181, 185, 186 –– Aufklärungspflicht 136 –– Betriebsanforderungen 134 –– Dokumentation 134 –– Dokumentationspflicht 137 –– Prüfungsrechte 135 –– Sanktionen 134

O Ötzi 7

P Perfluorodecalin 166 Permanent Make-up  36, 64, 179 PET 101 Pflege 96 Photothermolyse 156 –– selektive 142 Pickel 47 Pico-Laser  147, 160, 164 Picosekunden  156, 160

213 Stichwortverzeichnis

Piercing 17 Pigmente  106, 109 –– anorganische 66 –– organische  66, 67 Pigmentklasse 65 Pinpoint Bleeding  176 Plasma 207 Probebehandlung 151 Probetätowierung 106 Pseudolymphom  90, 114 Pubertät 27 Punks 26

Q quality switched  128, 206

R R0 166 R20 164 Radikale, freie  194 Rassenhygiene 6 Reaktion –– allergische 99 –– chemische 172 –– kontaktallergische 106 –– lichenoide 111 Relaxationszeit, thermische  142 Risiko, gesundheitliches  16, 132 Rotary-Maschine 43 Rubin 142

S Salabrasio  203, 207 Sarkoidose 90 Scabholes 48 Schmerz 39 Schulbildung 17 Schuppenflechte 170 Schutzstaffel (SS)  11 Selbstbild 23 Selbstwert 23 Sensation Seeking  28 Shaving  201, 203 Soforttyp-Allergie 106 Sonnenbank 195 Sonnenlicht 120 Sonnenschutz 47 Spulenmaschinen 43 Stencil  39, 57 Stick+Poke 42 Stigmatisierung 25 Stilrichtung 81

T Tabuisierung 8 Tätowierer 36 Tätowierfarbe  64, 65, 91 Tätowiermaschine 9 Tätowierung 4. Siehe auch Tattoo Tätowiervorgang 83 Tattoo  4, 16, 17, 21 –– fotorealistisches 29 –– Klischees 6 –– Kosten 80 –– Motiv 25 –– Risiken 132 –– Vorurteile 5 Tattoo-Allergie 98 Tattoo-Arbeitsplatz 56 Tattoo-Convention  36, 82 Tattoo-Entfernung  150, 207 –– Allergie 180 –– Ausbildung 181 –– Behandlungseffektivität 164 –– Behandlungsvertrag 135 –– Bläschen 177 –– chirurgische 198 –– Experte 184 –– Fachkunde  138, 184 –– fachliche Anforderungen  133 –– Farbumschlag 179 –– Gewebeschaden 173 –– Honoraranspruch 135 –– Hyperpigmentierung  178, 195 –– Kosten 187 –– Kostenübernahme 136 –– Krusten 177 –– Laserschutzbrille 187 –– mit Milchsäure  206 –– mit Plasma-Pen  207 –– mit Salabrasio  207 –– Nachbehandlung 194 –– Nahtdehiszenz 201 –– Nahtverfärbung 201 –– Narben  180, 200 –– Narbenbildung 152 –– Pigmentstörung 200 –– Pinpoint Bleeding  176 –– Rötung 176 –– Schmerzen 177 –– Schmerzhaftigkeit 161 –– Schmerzreduktion 152 –– Schwellung 176 –– Sonnenexposition 152 –– Tumor 181 –– Wellenlänge 173 –– Whitening 176 –– Wundinfektion 201 –– Wundverschluss 195 –– Wundversorgung 195

H–T

214

Stichwortverzeichnis

Tattoo-Farben  42, 56 Tattoo-Kunst 18 Tattoo-Künstler 80 Tattoo-Laser 128 Tattoo-Motiv  37, 81 Tattoo-Stile 81 Tattoo-Studio  36, 80 Tebori 42 Titandioxid 66 Touch-up 49 Traumabewältigung 7 Tumor 99

U Übergangsritus 7 Ulcus 113 Unzufriedenheit 29 USA 17 UV-Strahlung 46

V VAH-Liste 54

Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen 133. Siehe auch NiSV Versicherungen 182 Verunreinigungen 68 Vorgespräch 37 Vorurteil 5

W Weiterbildung, ärztliche  133 Whitening 176 Wundbehandlung 96 Wundinfektion 194 Wundmanagement 86

Z Zellproliferation 194 Zwangstätowierung 11