System und Norm in der Diachronie des deutschen Konjunktivs: der Modus in althochdeutschen und mittelhochdeutschen Inhaltssätzen (Otfrid von Weißenburg - Konrad von Würzburg) 3484301317, 9783484301313

Die Buchreihe Linguistische Arbeiten hat mit über 500 Bänden zur linguistischen Theoriebildung der letzten Jahrzehnte in

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System und Norm in der Diachronie des deutschen Konjunktivs: der Modus in althochdeutschen und mittelhochdeutschen Inhaltssätzen (Otfrid von Weißenburg - Konrad von Würzburg)
 3484301317, 9783484301313

Table of contents :
0. Einleitung
1. Modelle und Methoden
1.1. Die Sprachwissenschaft zwischen Empirie und Pragmatik
1.2. Modelle für die Diachronie
1.3. Die strukturalistische Definition des Konjunktivs
1.4. Die Modustheorie WUNDERLIs
2. Die sprachlichen Axiome
2.1. Das Satzaxiom
2.2. D/W-Partikeln und Vollständigkeitsaxiom
2.3. Die Diachronie der modalen Ausdrucksformen
3. Modus und Satzgefüge im Deutschen
3.1. Semantem und Modussetzung
3.2. Die nicht-faktiven Verben
3.3. Das Kriterium der Valenzwertigkeit
3.4. Inzidenz, Präsupposition und Satzgefüge
3.5. Parataxe, Hypotaxe und Diachronie
3.6. Dependenzbezeichnung und Verbstellung
4. Kontrastive Beschreibung des Modus in Inhaltssätzen
4.1. Probleme der Korpusanalyse
4.2. Implikative Verben
4.3. Negativ-implikative Verben
4.4. Wenn-Verben
4.5. Negative nur-wenn-Verben
4.6. Faktive Verben
4.7. Nonfaktive Verben
5. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Abkürzungen der Zeitschriften und Buchreihen

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Linguistische Arbeiten

131

Herausgegeben von Hans Altmann, Herbert E, Brekle, Hans Jürgen Heringer, Christian Rohrer, Heinz Vater und Otmar Werner

Richard Sdirodt

System und Norm in der Diachronie des deutschen Konjunktivs Der Modus in althochdeutschen und mittelhochdeutschen Inhaltssätzen (Otfrid von Weißenburg Konrad von Würzburg)

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1983

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Scbrodt, Richard: System und Norm in der Diachronie des deutschen Konjunktivs : d. Modus in althochdt. u. mitlelhochdt. Inhaltssätzen (Otfried von Weis sen bürg Konrad von Würzburg) / Richard Schrodt. - Tübingen : Niemeyer, 1983. (Linguistische Arbeiten ; 131} NE: GT ISBN 3-484-30131-7

ISSN 0344-6727

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1983 Alle Rechte vorbehalten. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus photomechanisch zu verviel faltigen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt.

Inhaltsverzeichnis:

0. 1.

Einleitung Modelle und Methoden 1.1. Die Sprachwissenschaft zwischen Empirie und Pragmatik 1.2, Modelle für die Diachronie 1.3· Die strukturalistische Definition des Konjunktivs . . 1.1». Die Modustheorie WUNDERLIs 2. Die sprachlichen Axiome 2.1. Das Satzaxiom , 2.2. D/W-Partikeln und Vollständigkeitsaxiom 2.3. Die Diachronie der modalen Ausdrucksformen 3. Modus und Satzgefüge im Deutschen 3.1. Semantem und Modussetzung 3.2. Die nicnt-faktiven Verben 3.3, Das Kriterium der Valenzwertigkeit 3.4, Inzidenz, Präsupposition und Satzgefüge 3-5. Parataxe, Hypotaxe und Diachronie 3.6. Dependenzbezeichnung und Verbstellung . . 4. Kontrastive Beschreibung des Modus in Inhaltssätzen . . 4 . 1 « Probleme der Korpusanalyse 4.2. Implikative Verben 4.3. Negativ-implikative Verben 4.4. Wenn-Verben 4 , 5 - Negative nur-wenn-Verben 4.6. Paktive Verben 4.7. Nonfaktive Verben 4.7.1. Verba dicendi 4.7.2. Schwören . . 4.7.3. Fragen , 4 . 7 . 4 . Denken 4.7.5« Vermutung und Erwartung 4.7.6. Streben, Sich Bemühen . . 4.7.7. Wollen 4.7.8. Befehlen 4.7.9. Verbieten, Verwehren 4.7.10. Bitten 4.7.11. Raten 4.7.12. Erlauben 4.7.13. Geziemen 5. Zusammenfassung Literaturverzeichnis , , Abkürzungen der Zeitschriften und Buchreihen

. .

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1 3 . . 3 . 10 . 18 3l 45 45 51 54 64 64 72 82 91 . 96 111 . 133 133 140 158 160 197 198 216 217 256 257 259 278 . 284 292 296 300 301 . 304 ,308 309 312 . 315 344

Thema dieser Arbeit ist die Diachronie des Modus im Deutschen, ausgehend von einem systemlinguistischen Standpunkt. Zunächst wurde der Konjunktiv im Althochdeutschen und Mittelhochdeutschen behandelt; es ist geplant, mit der gleichen Methode auch die folgenden Sprachstufen zu untersuchen. Weiters beschränkt sich dieser Teil auf die Untersuchung der Inhaltssätze. Die Relativsätze habe ich für Otfrid bereits vollständig ausgewertet; allerdings war für den mittelhochdeutschen Text kein Computerprogramra zu finden, mit dem ein Index der Relativkonjunktionen ausgedruckt werden konnte. Die Diachronie des Modus in Relativsätzen wird daher ohne Index untersucht werden müssen, so daß dieser Teil der Arbeit zunächst aufgeschoben wurde. Ein besonderes Problem ist die Modussetzung in Verhältnissätzen (Adverbialsätzen). Für diesen Teil sind for die Frage der Kontinuität der logisch-semantischen Teilsatzklassen unter bedeutungsminimalistischetD Gesichtspunkt keine Vorarbeiten vorhanden, so daß das Wortfeld der Verhältniskonjunktionen ausführlicher untersucht werden mußte. Zudem liegt es nahe, in diesem Teil auch die folgenden Sprachstufen zu berücksichtigen, da hier mit einem Computerindex die einzelnen Teilsatzklassen leichter zusammengestellt werden können. Ich habe daher auch die Untersuchung der Verhältnissätze, die zu einem größeren Teil für den Vergleich Althochdeutsch - Mittelhochdeutsch bereits abgeschlossen ist, zunächst aufgeschoben ich hoffe aber, diesen Teil in absehbarer Zeit fertigstellen zu können. Die hier angewendete Methode ist den europäischen Richtungen des Strukturalismus verpflichtet. Arbeiten aus anderen Richtungen wurden aber ebenfalls berücksichtigt, soweit sie in diesem Rahmen auf wichtige Zusammenhinge aufmerksam machen. Das diachronische Modell beruht im wesentlichen auf der Sprachtheorie Eugenio COSERIUs, das Modusmodell selbst gründet sich auf eine logisch-semantische Interpretation der Moduskonzeption von Peter WUNDERLI. Die dreiwertige Logik, nach der die Verbalklassen eingeteilt wurden, ist von Ulrich BLAU übernommen; ich halte sie für eine bessere Alternative zur Semantik der "möglichen Welten", wobei ich mich der Argumentation von SEU8EN (1977, bes. 187ff) anschließe. Für die einzelnen Themengruppen habe ich versucht, die relevante Literatur möglichst vollständig heranzuziehen. Manche Publikationen waren freilich trotz langer Bemühungen nicht erreichbar, besonders Aufsätze in amerikanischen Arbeitsberichten oder in ähnlichen Publikationsformen. Hier hatte auch gelegentlich das Anschreiben der Autoren keinen Erfolg. Grundsätzlich nicht berücksichtigt habe ich in Manuskriptform umlaufende Publikationen, da ich annehme, daß es nicht im Interesse der Autoren liegen kann, aus noch unfertigen Arbeiten zu zitieren und zu diskutieren. Das gleiche gilt für Arbeiten unterhalb des Dissertationsniveaus (Seminar- und Examensarbeiten), auch wenn sie gelegentlich zitiert werden. Wegen der schwierigen Bibliotheksverhältnisse war es nicht immer möglich, die neuesten Auflagen heranzuziehen; manche Werke konnte ich erst nach Abschluß des Manuskripts benützen. Da die ersten drei Kapitel teilweise schon 1978 fertiggestellt wurden, mag die Diskussionsgrundlage

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zu manchen Punkten ungleichmäßig ausgefallen sein. Ich habe mich jedenfalls bemüht, die erreichbare Literatur bis 1981 (gelegentlich bis 1982) zu berücksichtigen. Bei der Umarbeitung der Fassung als Wiener Habilitationsschrift 1982 wurden einige Abschnitte aus den ersten Kapiteln gekürzt, einige wenige Punkte wurden geringfügig erweitert. Dadurch war es manchmal notwendig, auf eine Vorstudie (SCHRODT 1980) zu verweisen, mit der ich sonst nicht mehr in allen Teilen einverstanden bin. Bin Verweis mußte auch zu Themen aus Kap. 1.2. (SCHRODT 1981) und 4.3. (SCHRODT 1982} genügen. Die einzelnen Themen der methodischen Teile habe ich möglichst knapp diskutiert; nur die für meine Methode wichtigsten Teile wurden ausführlicher behandelt. Besonders kurz habe ich den Forschungsstand zusammengefaßt. Prinzipiell habe ich überall dort, wo schon ausreichende Zusammenfassungen und Überblicksdarstellungen vorhanden sind, auf diese Arbeiten nur verwiesen und die wichtigsten Ergebnisse punktweise zusammengefaßt. Zitiert habe ich nur dort, wo die betreffende Arbeit das Thema unmittelbar berührt und wo die entsprechende Sachlage am klarsten dargestellt ist. In diesem Fall habe ich keine Rücksicht auf das Publikationsdatum genommen; auf die anderen Arbeiten wurde nur verwiesen. Auch dort, wo nach der gegenwärtigen Forschungslage keine neuen Gesichtspunkte aufscheinen (wie z.B. zur Zeitenfolge, vgl. BEHAGHEL 1 99) und wo auch nach einer ausführlichen Diskussion keine fundierten Resultate erwartet werden konnten, habe ich mich mit kurzen Bemerkungen begnügt. Gelegentlich konnte ich meine Ansicht nur durch Literaturhinweise dokumentieren. Auf diese Weise konnten die methodischen Teile in einem erträglichen Umfang gehalten werden. Formalisierungen habe ich soweit wie möglich vermieden, weil sie eher deskriptiven als explanativen Wert haben. In manchen Fragen ist das letzte Wort noch nicht gesprochen; viele Probleme mußten noch offen gelassen werden. Die Terminologie folgt weitgehend den bereits vorhandenen Arbeiten. Die Bezeichnungen der Satzgefügetypen sind BOETTCHER/SITTA {1972} entnommen. Elementgemeinsanie Bezüge, Inhaltsbezüge und Verhältnisbezüge entsprechen weitgehend den Satzgefügen mit Relativsätzen, Subjekts- und Objektssätzen und Adverbialsätzen in der traditionellen Terminologie; die entsprechenden Hauptsätze sind Referenzsatz, Trägersatz und Bezugssatz. Außer dem Relativsatz gibt es noch andere Nebensätze mit elementgemeinsamen Bezug, doch haben BOETTCHER/ SITTA keinen eigenen Terminus für die gesamte Klasse eingeführt. Als gemeinsame Termini für die beiden Teilsatzarten verwende ich auch oft die traditionellen Bezeichnungen "Hauptsatz" und "Nebensatz" oder "Ober-" und "Untersatz", ohne daß damit irgendeine inhaltliche Beziehung verbunden ist. Synonym mit "Inhaltssatz" ist "Komplement" und "Ergänzungssatz". Wo keine Gefahr eines Mißverständnisses zu befürchten war, steht auch gelegentlich der Ausdruck für eine grammatische Kategorie als Bezeichnung für die entsprechende Handlungsrolle, z.B. "Subjekt" für den Träger der Handlung, Dieser Versuch einer Diachronie auf logischer Basis wäre ohne Anteilnahme anderer nicht zustande gekommen. Ich habe vielen zu danken, zunächst Helmut Birkhan, durch dessen Vertrauen und Freizügigkeit diese Arbeit ohne räumliche

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und zeitliche Beschränkungen entstehen konnte. Ein Forschungsstipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung im Studienjahr 1977/78 erlaubte mir das Einarbeiten in die Formen der logischen Sprachtheorie und die konzentrierte A r b e i t an den methodischen Grundlagen meiner Untersuchung. Diesem Forschungsstipendium verdanke ich auch die Bekanntschaft mit Marga Reis; mit ihr konnte ich viele Teile der Arbeit diskutieren, und ihre wohlwollende K r i t i k hat m i c h vor manchen Irrtümern und Unklarheiten bewahrt. Im Juli 1981 war ein Gespräch über einige besonders kritische Probleme entscheidend für den Fortgang der A r b e i t . Zuletzt konnte ich noch im März 1983 einige Punkte b r i e f l i c h erörtern. Da w i r , wie es in einem wissenschaftlichen Diskurs oft der Fall ist, in manchen Fällen verschiedener Ansicht sind, gehen alle verbleibenden Fehler, Irrtümer und Inkonsequenzen ausschließlich zu meinen Lasten. Für weitere Auskünfte über dialektologische Fragen danke ich Peter Wiesinger; ein stets geduldiger Gesprächspartner war auch Peter Krämer, Albrecht Greule hat mir freundlicherweise eine Kopie seiner Habilitationsschrift gesandt; Werner Abraham beschaffte einige für mich nicht erreichbare Literatur, in einem Fall unter Benützung seiner Privatbibliothek. Seiner Lehrtätigkeit in Wien, zuletzt als Gastprofessor, verdanke ich viele Anregungen. Ich habe auch Melitta Weiß und besonders Ingrid Strasser dafür zu danken, daß sie mir in der Zeit der Fertigstellung viele Institutsarbeiten abgenommen haben. Willibald Kraml hat für mich die Computerprogramme ausgearbeitet; meine Frau Heidemarie hat trotz häuslicher Belastungen die Druckvorlage korrigiert. Schließlich hat Elisabeth Werner die vielfältigen Tücken das TextverarbeitungsgerMtes geradezu virtuos gemeistert, mit Geduld Korrekturen und Ergänzungen auch noch in letzter Minute durchgeführt und nebenbei noch einige kleinere Unstimmigkeiten entdeckt. Ihnen allen sage ich herzlichen Dank! Die Lehre und die Persönlichkeit Otto Höflers haben mein Interesse auf die Sprachgeschichte gelenkt. Sein fortwährendes Bestehen auf der Frage nach den Ursachen des Sprachwandels war für mich ein entscheidender Anstoß; zu dieser Frage habe ich auf anderem, eigenen Weg, aber, wie ich hoffe, in seinem Sinn, eine Antwort gesucht.

Abkürzungen und abgekürzt zitierte Literatur ASt dR ESt Ha HS iR K

Anfangsstellung direkte Rede Endstellung Handschrift Hauptsatz indirekte Rede Konjunktiv ( K 1 : 1. S t f . , K2: 2. Stf.)

MSt NS Vf VSt WSt WW WWF

Mittelstellung Nebensatz finites Verb Verbstellung Wortstellung Wahrheitswert Wahrheitswert-Fest legung

BMZ

G. R. BENECKE - W. MÜLLER - F, ZARNCKE, Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Leipzig 1854-1866, (3 Bde.)

EA

(Erdmann, Anmerkungen). Otfrids Evangelienbuch, herausgegeben und erklärt von Oskar ERDMANN. Halle/Saale 1882. (Germanistische Handbibliothek 5)

ES

(Erdmann, Syntax). 0. ERDMANN, Untersuchungen über die Syntax der Sprache Otfrids. 1. Teil. Halle 1874,

IEW

J . POKORNY, Indogermanisches etymologisches Wörterbuch. 1. Band. Bern München 1959.

K1W

(Kluge, Wörterbuch). F. KLUGE, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Berlin 196? (20. A u f l . , bearb, v, W. MITZKA),



(Kelle, Übersetzung). Christi Leben und Lehre, besungen von O t f r i d « Aus dem Althochdeutschen übersetzt von Johann KELLE. Prag 1870.

KW

(Kelle, W ö r t e r b u c h ) . J. KELLE, Glossar der Sprache Otfrids. Regensburg 188t. (=ds., Otfrids von Weißenburg Evangelienbuch Bd. 3)

P

(Piper, Anmerkungen). Otfrids Evangelienbuch. Mit Einleitung, erklärenden Anmerkungen und ausfuhrlichem Glossar herausgegeben von Dr. Paul PIPER. 1. Teil. Paderborn 1878.

PaW

(Paul, Wörterbuch). H. PAUL, Deutsches Wörterbuch, Tübingen 1966 (6. A u f l . , bearb. v. W. SETZ).

Pi)

(Piper, Übersetzung). Die älteste deutsche Litteratur bis um das Jahr 1050. Bearbeitet von Prof. Dr. Paul PIPER. Berlin - Stuttgart o.J. (Die deutsche National-Litteratur 1). Interlinearübersetzung folgender Teile aus Otfrid: L; S; I 1, 4-7, 11-14, 17-21; II, 1, 8, 9; IV 19,20; H.

XI

PW

(Piper, Wörterbuch). Otfrids Evangelienbuch. Mit Einleitung, erklärenden Anmerkungen, ausführlichem Glossar und einem Abriß der Grammatik herausgegeben von Paul PIPER. 2. Teil: Glossar und Abrifi der Grammatik. Freiburg i. B. - Tübingen 1884.

SchW

R, SCHÜTZEICHEL, Althochdeutsches Wörterbuch. Tübingen 1969.

SW

T. STAHCK - J. C. WELLS, Althochdeutsches Glossenwörterbuch. Heidelberg 1972ff. (bisher 5 Lieferungen)

Hit dem Autornamen abgekürzt: BARTSCH

K, BARTSCH, Anmerkungen zu Konrads Trojanerkrieg. Stuttgart 1877 (Bibl. d. Stuttg. Lit, Ver. 133)

BEHAGHEL

0. BEHAGHEL, Deutsche Syntax. Bd. 3: Die Satzgebilde. Heidelberg 1928, (Germanische Bibliothek 1/1/10,3) Die anderen Bände von BEHAGHELs Syntax werden mit dem Erscheinungsjahr zitiert.

LEXER

M. LEXER, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Leipzig 18?2-18?8 (3 Bde.)

SCHRÖBLER

I. SCHRÖBLER, Syntax. In: H. PAUL, Mittelhochdeutsche Grammatik. Tübingen 1975: 283-504. (21. A u f l . )

WUNDER

D. WUNDER, Der Nebensatz bei Otfrid. Heidelberg 1965.

WUNDERL1

P. WUNDERLI, Die Teilaktualisierung des Verbalgeschehens (Subjonctlf) im Mittelfranzösischen. Tübingen 1970. (Beihefte zur Zeitschrift für Romanische Philologie 123)

Zitiert wird nach den Jahreszahlen der von mir benützten Ausgaben; bei Nachdrucken, Neuauflagen und Übersetzungen wird das Jahr der Originalausgabe in der Bibliographie vermerkt (um Mißverständnisse zu vermeiden, wurde es in einigen Fällen eigens angegeben). Die Hervorhebungen stammen, wenn nicht anders angegeben, aus dem Original, Rückgängig gemachte Hervorhebungen werden mit i. O . ( t w . ) h . (= im Original (teilweise) hervorgehoben) bezeichnet. Zitate ohne Jahreszahl entstammen dem unmittelbar vorangehend zitierten Werk desselben Autors. Steht s.^jiben oder a. unten ohne Kapitelverweis, so ist immer das unmittelbar vorangehende oder das unmittelbar folgende Kapitel gemeint. Durch das beschränkte Zeicheninventar des Computer-Druckers war es nicht möglich, eckige Klammern zu setzen. Anstelle dieser Klammern wurden bei Einfügungen usw. runde Klammern mit Ring ( * , " > gesetzt. Bei den Zitaten aus Otfrid

XII

wurden die Großschreibungen am Versanfang und im Telestichon sowie die Akzente nicht berücksichtigt. In den mittelhochdeutschen Zitaten konnte die Ligatur oe nicht geschrieben werden; alle oe sind daher als Ligaturen zu verstehen. Die Interpunktion in den Zitaten richtet sich nach den Ausgaben; Ausnahmen werden in Klammern C , 0 ) gesetzt. Innerhalb von Zitaten kennzeichnen ... Auslassungen.

0.

Einleitung

0.1. In der deutschen Grammatik gelten die Regeln, die den Modusbereich betreffen, als besonders schwierig und unklar. Ähnlich verhält es sich in der Diachronie des Deutschen: Viel mehr, als daß der K in manchen Bereichen allmählich vom Ind. verdrängt wurde, in anderen Bereichen sich aber auf Kosten des Ind. ausgedehnt hat, weis man eigentlich nicht. So macht zwar BEHAGHEL ( 5 7 I f f ) den Versuch, die Änderungen im Modusgebrauch nach der Art der Nebensätze und des Vf im Trägersatz zu beschreiben, er kommt aber im wesentlichen über eine ausführliche Materialsaminlung nicht hinaus. 0.2. In der vorliegenden Studie wird versucht, die Bedingungen für die Veränderungen im Modusbereich des Deutschen genauer zu beschreiben, d.h. unter Berücksichtigung aller für die Modussetzung relevanten syntaktischen Merkmale. Dieser Versuch gründet sich auf das Modell des sprachwissenschaftlichen Strukturalismus, und hier v.a. auf seine europäischen Ausprägungen. Die wissenschaftstheoretischen Gründe für die Wahl dieser Richtung sowie das zugrundeliegende Modell der Sprachveränderungstheorie und seine Leistungsfähigkeit werden in Kapitel 1 diskutiert. Kapitel 2 enthält den axiomatischen Aufbau des verwendetetn Grammatikmodells, soweit er für die Bestimmung der Funktionen des Modus notwendig ist. Im Kapitel 3 wird die syntagmatische Funktion des K in Abhängigkeit zu den relevanten syntaktischen Gegebenheiten untersucht, Kapitel U enthält das Belegmaterial der ahd, und mh.d Inhaltssätze und die Diskussion der Einordnungsprinzipien und der bei jedem Verb belegten Modusfunktionen. Im einleitenden Abschnitt i j , 1 , werden die Probleme der Korpusuntersuchung erläutert. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse folgt als Kapitel 5. 0.3- Zum folgenden Abschnitt Ober Modelle und Methoden sei noch bemerkt, dafi die darin diskutierten wissenschaftstheoretischen Überlegungen keinen Selbstzweck haben; sie sollen einige für die Diachronie notwendige Begriffe klären, ao daß Mißverständnisse nach Möglichkeit vermieden werden können. Ich halte eine wenn auch nur rudimentäre Methodologiediskussion für notwendig, weil gerade in diesem Bereich, v.a. was Begriffe wie 'Erklärung 1 , 'Beschreibung* oder 'Verstehen' b e t r i f f t , sehr unterschiedliche Meinungen bestehen.

0.4. Schon hier möchte ich darauf hinweisen, daß der in dieser Untersuchung vertretene Standpunkt d e m Konzept d e r S y a t e m l i n g u i s t i k angehört. Die Ansätze, eine Sprachtheorie zur Gänze auf der Grundlage der Pragmatik aufzubauen Cz.B, SCHNEIDER 1975), betrachte ich jedenfalls für eine diachrone Untersuchung als nicht zielföhrend. Ich halte daher an der BÜHLERschen Ansicht der kategoriellen Oberordnung der Darstellungsfunktion der Sprache gegenüber Appell und Kundgabe fest, sei es auch nur als (notwendige) Reduktion des linguistischen Modells. Weiters vertrete ich den Standpunkt, daß das deduktiv- nomo logische Erklärungsraodell nach HEMPEL/OPPENHEIN (im folgenden als 'DN-Erklärung' abgekürzt) auf die Sprachwissenschaft angewendet werden kann. Der dadurch implizierte methodologische Monismus wird nicht nur von manchen Wissenschaftstheoretikern bestritten, sondern auch von Sprachwissenschaftlern w i e COSERIU. Während v o m Standpunkt d e r W i s s e n s c h a f t s t h e o r i e die Argumente f ü r den methodologischen Monismus zu sprechen acheinen, ist die entsprechende Diskussion In der S p r a c h w i s s e n s c h a f t noch unentschieden. So hat man v.a, am Beispiel der Generativen Grammatik zeigen wollen, daß es keine empirische Basis für die Grammatik geben könne. Ich werde einige Diskussionspunkte in 1.1. referieren, bin mir aber bewußt, daß auch vom Standpunkt der Systemlinguistik aus nicht a l l e Adaquatheitsbedingurigen fr die DN-Erklärung erfüllt werden können, und zwar nicht, weil dies p r i n z i p i e l l unmöglich wäre, sondern weil die Materialbasis für diachrone Untersuchungen dazu nicht ausreicht. Das gilt umso mehr, je älter die verglichenen Sprachstufen sind; es handelt sich hier also nicht um eine Unzulänglichkeit der Methode, sondern um eine Unzulänglichkeit des untersuchten Objektbereiches, Die Gründe dafür werden in 1.2. erläutert. Eine DN-Erklärung des gesamten Bereiches von Sprachveränderungen wird daher kaum möglich sein, ebensowenig wie Erklärungen im Bereich des historischen Problems des Sprachwandels möglich sind (s, unten 1.2.3-1.). Aus diesem Grund ist es notwendig, den Untersuchtingsbereich soweit einzugrenzen, daß die für die in diesem Bereich beobachtbaren Veränderungen relevanten Antezedenabedingungen angegeben werden können. Die Struktur des Modalsystems erfüllt diese Bedingungen. 0.5. Die vorliegende Untersuchung versteht sich daher nicht nur als Darstellung der Diachronie des Modusgebrauches in einem Teilbereich der deutschen Sprachgeschichte, sondern sie will zugleich zeigen, daß mit deduktiven Forschungsprinzipien auch Sprachveränderungen erklärt werden können und daß diese Erklärung in einem in sich konsistenten SprachmodeLl auf Zusammenhänge von sprachanalytischer Relevanz weist.

1.

Modelle und Methoden

1.1,

Die Sprachwissenschaft zwischen Empirie und Pragmatik

1.1.1. Die Diskussion wissenschaftstheoretischer Grundfragen der Linguistik könnte zunächst hoffnungslos erscheinen. In letzter Zeit wurde so ziemlich alles in Zweifel gezogen, was jemals auf diesem Gebiet behauptet wurde: Begriffe wie Empirie, Beschreibung, Erklärung, Verstehen, Voraussage sowie ihre Verwendung in der Sprachwissenschaft, CHOMSKYs Ansichten von Beschreibungs- und Erklärungsadäquatheit t das Konzept der Tiefenstrukturen, der Kompetenzbegriff, in der Diachronie die finalistischen und kausalistischen "Erklärungen" usw. Es handelt sich hier um eine im Prinzip offene Liste; kein "Ergebnis", auf welcher Grundlage auch immer es erarbeitet wurde, ist davor bewahrt, in den Sog des Zweifels zu geraten. 1.1.2. Nun ist Zweifel und Kritik berechtigt, sofern sie unbegründete (und unbegründbare) Annahmen und ad-hoc-"Erklärungen" bloßstellen und damit den Weg zu einer fundierten Arbeitsweise frei machen. Zweifel und Kritik kann aber nicht nur als Zeichen wissenschaftlicher Evolution verstanden werden, sondern auch als Symptom eines Paradigmenwechsela, der wesentlich mit irrationalen Prozessen verbunden ist. Wenn das so ist, darf es erlaubt sein, den kritisierten Standpunkt einzunehmen, sofern es sich herausstellt, daß in der Diskussion keine rationalen Argumente gebraucht wurderr. Als Paradigmenwechsel betrachte ich eine Entwicklung, die 'man Schlagwortartig als "Pragmalinguistik anstelle von Systemlinguistik" charakterisieren kann. Dieser Entwicklung halte die drei Thesen entgegen: 1. Für die Erklärung diachroner Vorgänge kann ein systemlinguistischer Ansatz zu Grunde gelegt werden. 2. Ein vollständiges Erklärungsmodell diachroner Vorgänge muß eine systematische und eine pragmatische Komponente in einem i n t e g r i e r e n den M o d e l l enthalten. 3. Selbst wenn der historische Anlaß für eine Sprachveränderung nicht bekannt ist (bzw. nicht rekonstruiert werden kann), können die allgemeinen Veränderungsmöglichkeiten allein durch einen systemlinguistischen Ansatz bestimmt werden.

In den folgenden Bemerkungen sollen diese Thesen erläutert werden. Daß es sich bei der genannten Entwicklung um einen Paradigmenwechsel und nicht etwa um eine Erweiterung bzw. einen Ersatz einer bestehenden Theorie aus inneren Gründen handelt, zeigen sowohl die allgemeinen Bemerkungen von SCHLIEßEN-LANGE (1975 a: 62) als auch die konkreten Ansätze der Konjunktivuntersuchung BAUSCHs (1979). 1.1.3. BAUSCH ( 1 5 f ) stellt ein "um pragmatische und soziologische Kategorie erweiterte("s") Konzept" einer "grammatischen Theorie allein" gegenüber, um die soziostilistischen Varianten des K-Gebrauchs (vollständig) beschreiben zu können. Problematisch ist der Bezug auf pragmatische Kategorien: Sofern darunter z.B. auch deiktische Ausdrücke und performative Verba verstanden werden, so können diese Kategorien durchaus systemlinguistisch beschrieben werden. Zudem nehmen heute Semantik und v.a. Textlinguistik Fragestellungen auf, die als pragmatisch angesehen werden können, ohne auf einen systemlinguistischen Ansatz zu verzichten. Auch eine Linguistik der parole, wie sie der Pragmatikbegriff von MORRIS nahelegt, ist nicht schlechthin mit einer langue-Linguistik unverträglich. Ein Erweiterungsmodell, wie es BAUSCH vorschwebt und was ja auch die pragmatischen und soziolinguistischen Methoden voraussetzen (andernfalls würde jede begriffliche Beschreibungsgrundlage fehlen), ist ohne das Fundament einer grammatischen Theorie als systematisches Beschreibungsmodell unbrauchbar. Wenn unter bestimmten Bedingungen von pragmatischen und soziostilistischen Faktoren abgesehen wird, so ist dieses Verfahren nichts anderes als eine notwendige Reduktion, um FunktionszusammenhSnge auf e i n e r E b e n e beschreiben zu können. Diese Reduktion (sie ist auch in anderen Wissenschaften, wie z.B. im psychologischen Experiment, üblich) ist unproblematisch, solange eine Beschreibung der komplexen Zusammenhänge das übergreifende Ziel bleibt und solange sie ausreichend begründet werden kann. Es muß dabei gesichert sein, daß die nicht berücksichtigten Faktoren das Ergebnis der Untersuchung prinzipiell nicht beeinträchtigen können, d . h . das Untersuchungsergebnis muß so formuliert werden, daß es über den Funktionszusammenhang dieser Faktoren nichts aussagt. 1.1.4. Die Kritik des semasiologischen Ansatzes (BAUSCH) ist grundsätzlich berechtigt, wenn dadurch das Funktionsfeld der untersuchten Formen nicht vollständig erfaßt wäre; aber auch hier muß es dem Ermessen des Linguisten überlassen bleiben, die Untersuchungsobjekte und das intendierte Untersuchungsziel· einzuschränken - d.h. auch eine semasiologische Fragestellung behält ihren Wert, solange die Reduktion im Untersuchungsergebnis festgehalten wird. - Daß systemlinguistische Untersuchungen präskriptive Merkmale erhalten können, muß zugegeben werden; der "Fehler" liegt aber wiederum nicht in der Systemlinguistik, sondern in den Instanzen, die grammatische Untersuchungen zu normativen Zwecken verwenden. Grundsätzlich kann jede Art von Grammatik präskriptiv angewendet werden, mag das nun sinnvoll sein oder nicht. Daß Unterschiede in der Aktualisierung von Systemteilen bestehen, widerspricht nicht

dem systematischen Ansatz als solchem. Eine "theoriebedingte Sprachnonnierung" gibt es nicht. Weiters meint BAUSCH, daß in einer formalisierten Beschreibung einer Sprache als einem homogenen und autonomen System Varianten und unterschiedliche Aktualisierungsmöglichkeiten nicht angemessen berücksichtigt werden kSnnen - das stimmt einfach nicht, wie die Arbeit von KLEIN (1974) und die Modelle von KANNGIESSER (s. unten 1 . 1 . 6 . 7 . ) zeigen. Die bei BAUSCH (1979: 66ff) angeführten "Widersprüche" (Verhältnis des Konditionals als "Ersatzform" zum synthetischen K) sind Darstellungsschwächen in den einzelnen Grammatikarbeiten und nicht Probleme der grammatischen Beschreibung selbst; außerdem werden sie nicht differenzierten Darstellungen wie z.B. GLINZ (1971: 102ff, bes. 125ff) gerecht. Zum Problem der Funktionalität und der Geschlossenheit von Systemen (BAUSCH: 17) s. unten 1.2. 1.1.5. Diese Erörterungen mögen genügen, um zu zeigen, daß es sich hier um einen Paradigmenwechsel handelt und nicht etwa um einen Neuansatz wegen der Unzulänglichkeit einer Theorie, Deswegen mag es erlaubt sein, am systemlinguistischen Standpunkt festzuhalten und die von BAUSCH erörterten Probleme in einem Modell der Sprachveränderung unterzubringen. Nur die vollständige Untersuchung kann zeigen, ob dieser Versuch gelungen ist. 1.1.6.1. Die Systemlinguistik zeichnet sich unter anderem dadurch aus, daß sie über ein ausführliches Konzept ihrer methodologischen Grundsätze verfügt. Das t r i f f t v.a. auf Begriffe wie "Beschreibung", "Erklärung" und "Voraussage" zu. In ihnen zeigt sich noch das Erbe der klaren wissenschaftstheoretischen Position des Logischen Positivismus. Während allgemein angenommen wird, daß eine adäquate Beschreibung einer Sprache oder wenigstens eines Teilbereichs einer Sprache möglich ist, bleibt die Fähigkeit einer Sprachtheorie zur E rk l i r u n g sprachlicher Fakten umstritten. Dieses Problem wurde v.a. in Bezug auf die Erklärungsadäquatheit der Generativen Grammatik diskutiert; da aber öfters auch von einer Erklärung eines bestimmten Falles von Sprachveränderung bzw. von der Erklärung des Sprachwandels überhaupt gesprochen wird, sind die genannten Begriffe auch in einem diachronen Konzept zu erläutern. 1.1.6.2. Die Systemlinguistik versteht sich als empirische Wissenschaft und übernimmt damit die wissenschaftstheoretische Position des Kritischen Realismus. Dieser Position entspricht der Erklärungsbegriff hypothetisch-deduktiver Systeme, der nach HEMPEL/OPPENHEIM folgendermaßen aufgebaut ist (das Schema und die Erläuterungen nach STEGMÜLLER 1974: 7 2 f f ) :

Sätze, welche die Antezedensbedingungen beschreiben Explanans—

allgemeine Gesetze logische Deduktion Explanandum

Beschreibung des zu erklärenden Ereignisses

Das Explanandum ist der Satz, mit welchem das zu erklärende Ereignis beschrieben wird (nicht das Ereignis selbst); das Explanans enthält einerseits Aussagen, die Bedingungen angeben, welche vorher oder gleichzeitig realisiert waren, andrerseits allgemeine Gesetze z.B. in der Art von Naturgesetzen. Ein ähnliches Erklärungsschema findet sich schon bei Moritz SCHLICK (vgl. KAULBACH 1971: 8l»3f). HEMPEL/OPPENHEIM haben hingegen erstmals versucht, genaue Bedingungen für Erklärungen zu formulieren: Bf Das Argument, welches vom Explanans zum Explanandum f ü h r t , muß korrekt sein, 62 Das Explanans muß mindestens ein allgemeines Gesetz enthalten (oder einen Satz, aus dem ein allgemeines Gesetz logisch folgt), B^ Das Explanans muß einen empirischen Gehalt besitzen, BH Die Sätze, aus denen das Explanans folgt, müssen wahr sein. Zur Diskussion dieser Bedingungen s. STEGMÜLLER (1974: 8 6 f f ) . Die DM-Erklärung unterscheidet sich von der Beschreibung dadurch, daß sie auf eine warum-Frage antwortet. Die Beschreibung führt zur Kenntnis der Einzeltatsachen und antwortet auf Fragen wie "was ist/war der Fall?", die Erklärung ermöglicht die Kenntnis der gesetzmäßigen Zusammenhänge zwischen diesen Einzeltatsachen ( 7 6 f ) . Sie unterscheidet sich darin von anderen umgangssprachlichen Gebrauchsweisen von erklaren, wie z.B. Fragen nach der Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks, nach der Funktion und Arbeitsweise eines Systems usw. Auch die praktische Erläuterung eines Sachverhaltes, die Interpretation von Texten, eine umfassende Beschreibung werden umgangssprachlich als Erklärung bezeichnet ( 7 2 f f , vgl. auch LENK 1972: 693). Es ist daher auch nicht erstaunlich, daß dieser Begriff auch in der neueren Sprachwissenschaft in einer Vielfalt von Bedeutungen verwendet wird, die man im Vergleich zur DN-Erklärung eher als Annahmen oder Vermutungen verstehen muß (vgl, die 20 von WELTE 1978: 28f zitierten Stellen). 1.1.6.3· Die Diskussion um die Erklärungsfähigkeit linguistischer Theorien hat sich bisher fast ausschließlich auf die Generative Grammatik bezogen, wohl weil CHOMSKY als erster ausdrücklich Beschreibung und Erklärung in der Sprach-

Wissenschaft unterschied. Da diese Diskussion auch für diachrone Fragen relevant ist, wird sie hier in den Grundzügen dargestellt. CHOMSKY ( 1 9 6 9 : 39ff) führt beide Begriffe folgendermaßen ein: "Eine Grammatik kann als Theorie der Sprache angesehen werden; s i e i s t d e s k r i p t i v a d ä q u a t (des c r i p t i v e l y a d e q u a t e ) i n d e m Maße, w i e s i e d i e Kompetenz d e s idealisierten Sprechers ( n a t i v e s p e a k e r ) korrekt b e schreibt. ( " . . . ° ) Eine linguistische Theorie muß eine Definition von "Grammatik" enthalten, d . h . eine Spezifikation der Klasse der potentiellen Grammatiken, W i r können dementsprechend sagen, d a ß eine l i n g u i s t i s c h e T h e o r i e d e s k r i p t i v a d ä q u a t ist, wenn s i e für jede natürliche Sprache eine deskriptiv adäquate Grammatik liefert. ( * . . . " * ) Eine linguistische Theorie e r f ü l l t , so können wir sagen, in dem Maße d i e Bedingungen d e r E r k l ä r u n g s a d ä q u a t h e i t ( e x p l a n a t o r y a d e q u a c y ) , w i e e s i h r gelingt, eine deskriptiv adäquate Grammatik auf der Basis der empirischen sprachlichen Daten auszuwählen." Wichtig ist hier, daß CHOMSKY Grammatik und linguistische Theorie streng unterscheidet: Eine G r a m m a t i k a l s Theorie d e r Sprache kann (bestenfalls) n u r deskriptiv adäquat sein. Eine l i n g u i s t i s c h e Theor i e muß dagegen, wenn sie deskriptiv adäquat ist, mit Hilfe von Bewertungsmaßstäben in einer Bewertungsprozedur aus den möglichen Grammatiken die beste auswählen; sie ist dann erklärungsadäquat. Der Objektbereich der Grammatik ist die Sprache, der Objektbereich der linguistischen Theorie ist die Grammatik - das wird oft übersehen. Der Begriff der Erklärungsadäquatheit bezieht sich daher auf die linguistische Theorie, nicht auf eine bestimmte Grammatik. Daraus folgt, daß ein objektaprachlicher Satz oder ein bestimmter Fall einer Sprachveränderung nicht e r k l ä r t , sondern n u r b e s c h r l e b e n werden kann. Die Generative Theorie des Sprachwandels (Regelverlust, Regelhinzufügung, Umordnung von Regeln) kann daher nicht beanspruchen, eine Sprachveränderung zu erklären, sondern sie kann nur eine adäquate Beschreibung dieses Vorganges sein. Die Fähigkeit der Erklärung ist auf die Sprachtheorie beschränkt, die die verschiedenen Grammatiken bewertet. 1.1.6,4. Die Kritik an der Erklärungsfähigkeit einer linguistischen Theorie und besonders der Generativen Grammatik richtete sich daher einerseits auf die Bewertungskriterien (WEYDT 1975: 6 5 f f r BENSE 1978: 7 9 f f ) , andrerseits wurde die Unmöglichkeit einer strikten Subjekt-Objekt-Spaltung hervorgehoben, die aus der entscheidenden Rolle der Sprecherintuition als Bewertungsmaß für die Grammatizität von Sätzen resultiert (ANDRESEN 1974: 31, 152 , 162). Ich sehe keinen Anlaß, diese Kriterien wie WELTE (1978: 55) als terminologisches Problem abzutun. Sollte es sich herausstellen, daß die Sprecherintuition für j ed e linguistische Theorie die zentrale heuristische Instanz bleibt, so steht damit eben fest, daß es in der Linguistik (bzw. in den fraglichen Theorien) keine DN-Erklärung geben kann. ANDRESENs K r i t i k halte ich in dieser Beziehung durchaus f ü r berechtigt. E i n anderer Fall i s t d i e E r k l ä r u n g eines k o n k r e t e n s p r a c h l i c h e n D a t u m s , d i e WUNDERLICH (1974: 110) nach dem DM-Schema so darstellt:

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Erklärung eines einzelnen sprachlichen Datums A j , das in D' noch nicht enthalten ist: sprachliche Daten D ! = \ A-J, ..., A m J ; im allgemeinen D 1 e D Explanans — generative Grammatik

Ex lanandura

CHOMSKYs Erklärungsbegriff sieht aber den Fall, daß ein konkretes sprachliches Datum erklärt wird, nicht vor; er findet sich allerdings bei KATZ (1969: 15), vgl. ANDRESEN (1974: 137). Auch wenn man mit HUNDERLICH darunter die A n w e n d u n g einer generativen Grammatik versteht, Sndert sich daran nichts. WEYDT (1975: 64) hat daher auch allen Grund, dieses Schema zurückzuweisen. Auch aus wissenschaftstheoretischer Sicht ist die DN-Erklärung von Tatsachen problematisch, während die DN-Erklärung von Theorien als approximative Erklärung durchaus sinnvoll ist (s. zuletzt STEGMÖLLER 1979: 4 3 f > . Ob HEYDTs Zurückweisung der beiden anderen Schemata (Erklärung des Sprachlernprozesses, der zum Erwerb einer Grammatik G^ f ü h r t , und Auswahl einer erklärungsadäquaten generativen Grammatik) berechtigt ist, darüber bin ich mir nicht sicher. Eine DN-Erklärung von sprachlichen Fakten scheint daher aus mehreren Gründen nicht möglich. Vgl. auch ähnliche kritische Bemerkungen bei ITKONEN (1976: 72f, mit weiteren Literaturangaben), WELTE (1978: 59) entschließt sich daher für die Anwendung eines intentionalistischen Erklärungsbegriffes, wie ihn das von WRIGHT (197 1 *) dem DN-Schema entgegengestellte induktlv-probabilistische Erklärungsmodell enthält. Dieses Modell, das sich an die aristotelische Tradition und somit an die Hermeneutik anschließt, ist allerdings selbst problematisch, wie STEGMÜLLER (1975: 103ff) klar herausgestellt hat. Auch dieser Erklärungsbegriff scheint also keine Lösung des Problems zu sein. 1.1.6.5. Problematisch ist auch der Begriff der Voraussage, den CHOMSKY jedenfalls in einem früheren Modell mit dem der Erklärung weitgehend synonym gebraucht (SENSE 1978: 39ff). Tatsächlich ist die logische Struktur der Voraussage mit dem DN-Schema gleich (s. die Diskussion bei STEGMÖLLER 1974: 153ff); für die linguistische Theorie ist allerdings doch der Umstand problematisch, daß es keine Möglichkeit gibt festzustellen, ob ein Gesetz als Prämisse im Explanans die Vollständigkeitsbedingung erfüllt. Dazu kommt noch, daß es fast unmöglich ist, alle Antezedensbedingungen anzugeben, was jedenfalls eine konkrete Voraussage erschwert; genaueres dazu unten 1.2.3·4.

1.1.6.6. Selbst wenn man also den Begriff der Erklärung nicht auf ein konkretes sprachliches Datum anwendet, bleibt die Sprecherintuition als Bewertungsmaßstab ein kritischer Punkt. "Die Sprecherintuition als Erklärungsgegenstand der Generativen Theorie geht also zugleich in die Bedingungen der Möglichkeit linguistischer Theoriebildung ein." (ANDRESEN 1973: 153) Naoh ANDRESEN sind die linguistischen Regeln als Regeln einer sozialwissenschaftlichen Disziplin aufzufassen, die wie alle Regeln des sozialen Zusammenlebens stets normativen Charakter haben. Sie übernimmt hier im wesentlichen Gedanken APELs (1973: 284f), der betont, daß die Linguistik keine bloß explanative Theorie sein kann, weil "die I n t u i t i o n des k o m p e t e n t e n S p r e c h e r s eine letzte, nicht z u hintergehende Entscheidungsinstanz bei der empirischen Überprüfung der "Beschreibungsadäquatheit" der Sprachwissenschaft darstellt." (286) APEL betrachtet den Kompetenzbegriff nach HABERMAS als einen möglichen Ergänzungsansatz zu CHOMSKYS Kompetenzbegriff ( 2 9 3 f f ) , Auf weitere Kritik zur Generativen Grammatik, wie z.B. zur Hypothese der universellen Tiefenstruktur (COSERIU 1975b: 72f, PETERS/RITCHIE 1969, PETERS 1970) und zur Problematik der Paraphrasenbeziehungen (COSERIU 1975b: 73, 12?f; UNGEHEUER 1972i SCHIEN 1975; SHWAYDER 1972; QUINE 197^ gegen HARMAN 1970) kann ich nur verweisen. Vgl. zu allgemeinen Problemen der Generativen Theorie noch UHLENBECK (o.J., 1963), GRUNIG (1965/66), DIK ( 1 9 6 7 ) , HERDAN (1968), HOCKETT ( 1 9 6 8 ) , COLLINDER (1970), DANIELSEN (1972), SPITZBARDT (1971), van de VELDE (197*0, WEYDT (1976), VOGEL (1976, zur Generativen Semantik); weiters die Referate bei COHEN/WIRTH (1975), besonders das von RINGEN. 1.1.6.7. Aus der Übersicht über die kritischen Stellungnahmen zur Erklärungsadäquatheit der Generativen Theorie geht hervor, daß das DM-Schema für den Erklärungsbegriff in der Linguistik nur unter zwei Bedingungen herangezogen werden kann: 1, Das Explanandum darf kein objektsprachlicher Satz sein, sondern es muß dafür ein metasprachliches Element eingesetzt werden, etwa allgemein in Form einer Regel. 2. Es muß vermieden werden, die Sprecherintuition in irgendeiner Form im Explanans zu repräsentieren. Beide Bedingungen schließen den Ansatz verschiedener sprachlicher Schichten wie Oberflächenstruktur - Tiefenstruktur nicht aus, so daß die Generative Grammatik als heuristisches Prinzip durchaus ihren Wert behält (BOTHA/WINCKLER 1973; vgl. auch HERMANNS 1971, 1973). Wichtig ist nur, daß die Sprecherintuition als Bewertungskriterium filr die Grammatizität von Sätzen nicht mehr zur Verfügung steht. Die einfachste Möglichkeit, diese Bedingung zu erfüllen, ist die Korpusanalyse. Das untersuchte Korpus wird dabei entweder als aus durchwegs grammatischen (korrekten) Elementen bestehend angesehen oder die Grammatizität dieser Elemente wird nicht hinterfragt. Für lebende Sprachen bedeutet dieses Verfahren eine schwerwiegende Reduktion des Beschreibungsanspruchs der Grammatik, denn 1. kann man nun nicht mehr die Korpusgrammatik mit der Grammatik der repräsentierten Sprache in eins setzen, und 2. ist es nicht

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mehr möglich, den Erzeugungsprozeß einer sprachlichen Äußerung in der Grammatik modellhaft abzubilden. Für den diachronischen Vergleich zweier Sprachstufen ist diese Methode jedoch unproblematisch, da in jedem Fall mindestens ein Korpus Vergleichspartner i s t , Der Vergleich kann sich daher auch nur auf Strukturen beziehen, die im Korpus vertreten sind, selbst wenn der andere Vergleichspartner eine Sprachstufe sein sollte, die dem Linguisten als kompetenten Sprecher zugänglich sein sollte. Die Grammatizitat des Korpus wird auch von der "traditionellen" vergleichend-historischen Grammatik nicht in Frage gestellt; gegebenenfalls werden bestimmte Zusätzannahmen gemacht ( z , B , Einfluß von Reim und Metrum, Dialektmischung, verschiedene Stilebenen usw.3. Ein von KANNGIESSER (1976b: 121) auf der Grundlage von KASHER (1972) vorgeschlagenes Erklärungsmodell für die Synchronie scheint ebenfalls ein Korpus (die von £ erzeugten Sätze _s) als Zwischenstufe vorauszusetzen, so daß in diesem Fall Erklärung und Beschreibung identische Begriffe sind (a. dazu auch KOLDE 1973: 19).

1.2.

Modelle für die Diachronie

Die strukturalistische Sprachveränderungstheorie hat nicht nur entscheidende neue Einsichten über den Sprachwandel gebracht, sondern auch weitverbreitete Mißverständnisse ermöglicht. Im folgenden fasse ich die wichtigsten Probleme kurz zusammen (s. dazu ausführlich SCHROD1 1981; K r i t i k von LIEB 1982, dazu SCHRODT im D r u c k ) . 1.2.1.

Ich gehe von folgenden Prämissen aus: 1. Der strukturalistische Begriff der "Sprache" (langue) setzt ein stabiles Sprachstadium voraus, d . h . die Veränderungen betreffen nicht die Sprache (langue) selbst, sondern nur ihr Aussehen (Saussure: physionomie). Ein Sprachstadium ist durch ein bestimmtes, in sich unveränderbares System definiert, 2. Der Begriff des Sprachwandels ist in strukturalistischer Sicht ein Widerspruch. Die Sprache (langue) als System kann sich nicht ändern, es kann nur ein System von einem anderen System (und damit eine Sprache von einer anderen Sprache) abgelöst werden. Man darf daher eigentlich nicht von "Sprachwandel", sondern nur von "Sprachwechsel" oder "Sprachablösung" sprechen. Da sich der Terminus "Sprachwandel" aber auch in der strukturalistischen Sprachwissenschaft eingebürgert hat, behalte ich ihn in seinem geläufigen Sinn bei wobei hier unter "Sprache" eine historische Einzelsprache zu verstehen ist. 3. Jedes System ist grundsätzlich autonom. Daraus folgt a ) , daß alle Diasysteme eines Systems autonom sind, d . h . die Systeme der sprachlichen Ebenen (Phonem-, Morphem-, Lexem-, Syntaxebene) sind voneinander unabhängig. Das erweist auch die Diachronie. Allgemein gilt: Je höher die sprachliche Ebene, desto weniger verschiedene Systeme im Laufe der Sprachgeschichte. Daher ist auch die Periodengliederung einer Sprache nach strukturell verschiedenen Sprachstufen problematisch, wenn man die Gliederung in einer Ebene auf das

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Gesamtsystem verallgemeinert. Welters folgt daraus b), daß diatopische, diastratische und diaphasische unterschiede auf verschiedene Systeme zurückgehen und daher strukturell verschiedene Sprachen sind. Schließlich folgt daraus c), daß die historische Kontinuität einer Sprache nicht rein strukturalistisch begründet werden kann. Zwischen zwei Systemen kann keine Nachfolgebeziehung definiert werden Cs. auch SCHLIEßEN/LANGE 1973: 72). Wenn man z.B. im Falle Ahd. - Mhd. - Nhd. von einer gleichen historischen Sprache spricht, so kann die Kohärenz in der historischen Dimension nicht strukturell erfaßt werden, sondern sie muß außersyatematisch begründet werden (Anzahl der konstanten Oppositionen, Ausdruckskonstanten u s w . J . Auch aus diesem Grund ist der Ausdruck "Sprachstadium" nicht angebracht. Ich verwende daher anstatt dessen den Begriff "Sprachstufe", um strulcturalistische Assoziationen möglichst zu vermeiden. Die Autonomie der Systeme gilt ebenso fOr die von e i n e m Sprecher aktualisierbaren Sprachen. Selbst die einzelnen Grammatiken einer Grammatikfamilie in KANNGIESSERs (1973: 23ff) Koexistenzmode11 müssen so gesehen werden. Zur strukturalistischen Theorie des Sprachwandels verweise ich auf COSERIU (197*1, bes. 5 6 f f ) , der entscheidende Argumente gegen teleologische Auffassungen (z.B. JAKOBSON 1975) vorbringt; weitera lehne ich die Gleichgewichtstheorie und somit die Auffassung der Identität von Symmetrie und Gleichgewicht des Systems ab (genauer dazu SCHRODT 1981). Die teleologische Auffassung des Sprachwandels wurde schon bald nach Erscheinen des Aufsatzes JAKOBSONs (1931) kritisiert (vgl. die Literaturangaben bei LERCHNER 1971: 29^f/ Anm. 157) - erstaunlicherweise mit sehr geringem Erfolg. Ich hebe nur einige Punkte heraus: 1, Die Tendenz zur Harmonie der Systeme müßte zu einer endgültigen Ordnung führen, die möglicherweise sogar für alle Sprachen gleich aussehen müßte. Danach wäre eine weitere Entwicklung unmöglich, ähnlich dem physikalischen Wärmetod, 2, Man müßte erwarten, daß eine Kausalkette von Veränderungen ein stabiles System auf dem direkten Weg erreicht. In der Mehrzahl der Fälle werden aber unerklärbare Umwege gemacht. 3, Es bestehen fast immer mehrere Möglichkeiten, ein instabiles System ins Gleichgewicht zu bringen. Auf rein strukturalistischer Grundlage ist es in den wenigsten Fällen möglich, diese Varianten nach ihrem Aufwand zu bewerten. Betrachtet man als Kriterium die Anzahl der veränderten Phoneme und Oppositionen, so zeigt sich oft, daß nicht die einfachste Stabilisierungsmöglichkeit gewählt wurde. 4, Auch Natursprachen, in denen keine normsetzende Instanz das Sprachverhalten regelt, haben oft asymmetrische und daher instabile Phonemsysteme. In anderen Fällen wird auch dann nicht eine "Lücke" ausgefüllt, wenn auf Grund des Systemaufbaues ein deutlicher Systemdruck erwartet werden kann, wie im Fall der /zV-Lücke im deutschen Phonemsystem (vgl. dazu PHILIPP 1971!: 73). 5, Die Gleichgewichtsthese ist nur auf der Phonemebene sinnvoll. So ist es etwa im Bereich von Morphologie und Syntax unsinnig zu fragen, ob ein System mit vier Kasus symmetrischer sei als eines mit fünf oder ob das System Singular - Plural symmetrischer sei als Singular - Dual - Plural.

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Aus dieser Auffassung folgt, daß nicht nur die systembedingte Kausalität des Prager Strukturalismus zurückgewiesen werden muß, sondern auch alle anderen »Tendenzen zur Systemhaftigkeit", wie sie z.B. von GUCHMAfJN (1975: 133) erwähnt werden. Tatsächlich sind die kausal-teleologisehen Erklärungsversuche den finalist!sehen Theorien ziemlich nahe, wie COSERIU (1974: 193ff) bemerkt. Die Nähe ergibt sich daraus, daß der "Zweck" des Sprachwandels doch wieder darin gesehen wird, ein stabiles bzw. ausgewogenes System (wieder) herzustellen, was die Existenz von inhärenten systemerhaltenden Mechanismen voraussetzt. Schon der Ausdruck "Tendenz zur Systemhaftigkeit" ist ungenau: Die Sprache kann nur "systemhaftig" sein, eben weil sie ein System kommunikativ relevanter Oppositionen enthalten muS, um ihre Funktion erfüllen zu können (vgl. das Ausdrückbarkeitsprinzip von KANNGIESSER 1976a: 389ff). 1.2.2.1, Das Prinzip des Sprachwandels liegt also nicht in einer "Tendenz zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts in einem System", schon deshalb, weil eine solche Tendenz für sprachliche Ebenen ab der Ebene der Phoneme nicht begründet werden kann. Vielmehr muß dieses Prinzip in der Interaktion der Faktoren von Rede und Sprache, d.h. in der Interaktion von System und Realisierung des Systems, gesucht werden. Ein solches Prinzip hat COSERIU (1974; 175) formuliert: "In der Sprache hat das Unterscheidende zu unterscheiden und das Bedeutende sich zu unterscheiden und zu bedeuten ( " i . O . h . " ) . Wenn das Unterscheidende (Phoneme) nicht zur Unterscheidung taugt (sich als unnütz erweist), wird die Unterscheidung aufgegeben; wenn es zwar nützlich ist, aber nicht zur Unterscheidung ausreicht, wird es abgewandelt." Man kann dieses Prinzip ein "Gesetz zur Erhaltung der Funktionalität" nennen und es einfach formulieren: "Alle Oppositionen eines Systems müssen entsprechende Ausdrucksformen haben." Dieses Gesetz ist eine Variante des oben erwähnten Ausdrückbarkeitsprinzips. Es wurde hier synchron formuliert, läßt sich aber auch in diachronischer Fassung aufstellen: "Veränderungen auf der Ausdrucksseite der Sprache dienen dazu, die Bezeichnungsfunktion der sprachlichen Formen mit ihrem sprachlichen Wert (valeur) aufrechtzuerhalten," Die Finalität liegt hier nicht in der Aufrechterhaltung eines mehr oder weniger mystischen Gleichgewichts in einem System, sondern in der Aufrechterhaltung der primären Funktionsfä'higkeit der Sprache als Mittel der Kommunikation. Aus dem Prinzip der Arbiträrität des sprachlichen Zeichens ergibt sich ein Zusammenspiel von Funktionskonstante und Bezeichnungsvariable. Wenn sich der sprachliche Wert eines Ausdrucks für eine kommunikativ relevante Funktion ändert, tritt ein anderer Ausdruck an seine Stelle. Ich nenne dieses Prinzip "Isofunktionalitätsprinzip". 1.2.2.2. Ein Beispiel für die Auswirkung des Isofunktionalitätsprinzips in der Morphologie ist der Ersatz von synthetischen durch analytische Bildungen in mehreren i dg. Sprachen. Der Vorgang ist hier ganz ähnlich: Analytische Bildungen sind zunächst ausdrucksstärker und können daher vom Sprecher zur deutlicheren Bezeichnung der entsprechenden Funktion verwendet werden. Je häufiger die analytische Bildung allerdings gebraucht wird, desto mehr verliert sie an

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Ausdrucksstarke, so daß sie schließlich bereit ist, die alte synthetische Bildung zu ersetzen, welche entweder ganz verschwinden oder eine neue Bedeutung bzw. Funktion erhalten kann. Da analytische Bildungen wieder zu synthetischen werden können, kann sich auch hier dieser Vorgang wiederholen. SANDMANN (1968: 541) lehnt ausdrücklich eine sprach!mmanent-teleologisehe Erklärung des Entstehens der analytischen Formen ab: "Wichtig scheint es mir darauf hinzuweisen, daß unsere analytischen Zwittergebilde jedenfalls nicht ins Leben gerufen worden sind, um für den analytischen Verstand adäquate Ausdrucksmittel zur Verfügung zu stellen. Ganz im Gegenteil, diese Ausdrucksmittel· waren ursprünglich vulgär-expressive Stilisierungen. In diesem Sinne schreibt MEILLET (1926: 146): "Ce n'est pas pour analyser qu'on emploie des formes composees; c'est en vue de l'expression." Die Zunahme der Gebrauchshäufigkeit ist die Bedingung für die Grammatikalisierung von analytischen Formen; vgl. dazu DIETRICH (1973: 56ff), weiters IHÜMMEL (1966: &2ff). Die Gebrauchshäufigkeit kann daher als movens für die Grammatikalisierung angesehen werden, deren Kriterien in der Regelmäßigkeit und in der weitgehenden Unabhängigkeit von der jeweiligen Redesituation bestehen (DIETRICH 1973: 58). Analog sind die funktionalistischen Erklärungen des Phonerowandels nach MARTINET (1962: 135f, 149 ; 135 ausdrücklicher Bezug auf die Monemebene. S. weiters MARTINET 1975: 15f). 1.2.2.3· Diese hier in den Grundzügen zusammengefaßte stilistiseh-semantische Theorie des Sprachwandels enthält auch wesentliche Momente der Kompensationstheorie, ohne deren Problematik zu übernehmen. Der* häufigste kritische Einwand besteht darin, daß man fragen muß, warum "Reparaturen™ stattfinden, bevor der "Schaden" eintritt (s. dazu RONNEBERGER-SIBOLD 1980: 105). Die stilistisch-semantische Theorie betrachtet die "Reparaturen" hingegen als Voraussetzung für den "Schaden". Der wichtigste Unterschied zur Kompensationstheorie liegt in der verschiedenen Ebene der Kompensationswirkung: die "traditionelle" Kompensationstheorie ( A . W . von SCHLEGEL 1818, s. das Zitat bei RONNEBERGERSIBOLD 104) verlegt die Kompensationswirkung in die Ebene der Ausdrucksformen, während die stilistisch-semantische Theorie auf der Wechselwirkung von Inhalts- und Ausdrucksform gründet. Auch nicht lautlich motivierte Veränderungen und Kompensationsmöglichkeiten auf synthetischer Grundlage sind damit keine Gegenargumente. Die Annahme einer nicht rational begründbaren analytischen Tendenz in den idg. Sprachen (TAULI 1958: 2 0 f f , zuletzt LAKOFF 1972) ist daher nicht notwendig, 1.2.2.4. Der weitere Rahmen der semantisch-stilistischen Theorie ist bei ULLMANN (1967: 180ff unter Bezugnahme auf SPERBERs Arbeiten) und LEECH (1976: 2 2 6 f f ) beschrieben; vgl, dazu auch STRASSER (1976: 15 Bit Literaturangaben) und RONNEBERGER-SIBOLD (1900; 113ff). Auch SPITZERs {1961: 517) Ansicht von der Grammatik als "gefrorene Stilistik" gehört in diesen Rahmen. Weitere Beispiele stellt HAVERS (1931: 156ff) zusammen.

1.2.2.5. Ich habe zu zeigen versucht, daß die Problematik der systemimmanenten Erklärungsversuche letztlich darauf zurückzuführen ist, daß man die Prinzipien dea Phonemwandels auf die anderen sprachlichen Ebenen verallgemeinerte. Darin liegt wohl ein Erbe der junggrammatisohen Theorie (s. dazu SCHNEIDER 1973: 158ff, 1 8 0 f f ) . 1.2.3.1. Ich vertrete in dieser Arbeit die Hypothese, daß bestimmte Fälle von Sprachveränderungen mit dem Isofunktionalitätsprinzip und einem Sprachmodell auf konsequent strukturalistischer Grundlage als allgemeine Gesetze im Explanans deduktiv-nomologisch erklärt werden können. Alle Fragen, die mit dem h i s t o r i s c h e n Problem des Sprachwandels zusammenhängen, können natürlich n i c h t auf diese Weise erklärt werden. Man kann also nicht deduktiv-nomologisch erklären, warum eine bestimmte Veränderung zu einer bestimmten Zeit eingetreten ist und warum sie eine bestimmte Verbreitung gefunden hat. Diese Fragen können wie alle Fragen nach den Ursachen historischer Ereignisse nicht exakt ( d . h . im Rahmen des positivistischen Wissenschaftaprogrammes) beantwortet werden (es sei denn unter der sehr unwahrscheinlichen Annahme eines streng deterministischen Geschichtsbildes). Die DN-Erklärung einer Sprachveränderung kann n u r d i e B e d i n g u n g e n f ü r d a s Eintreten einer Sprachveränderung freilegen, nicht aber d e n konkreten A n l a ß für diesen Wandel. Das begünstigt vielleicht den Verdacht, daß durch diese Reduktion des Erklärungszieles die DN-Erklärung einer Sprachveränderung inhaltsleer wird. Ich würde einen solchen Verdacht für unberechtigt halten. Um ein bekanntes Beispiel für die DN-Erklärung (POPPER 1976: 31 f, STEGMtJLLER 1974: 79) aufzugreifen: Ein bestimmter Faden mit einer bestimmten Zerreißfestigkeit ist zerrissen. Eine DN-Erklärung dieses Ereignisses sieht nun so aus: Im Explanans bestimmen die allgemeinen Gesetze, daß C a ) jeder Faden einer bestimmten Struktur eine bestimmte Zerreißfestigkeit hat, und daß (b) jeder Faden der Struktur, wie sie der zerrissene Faden aufweist, eine Zerreißfestigkeit von 1kg hat. Die Antezedensbedingungen bestehen darin, daß (c) der zerrissene Faden die Struktur hat, für die eine Zerreißfestigkeit von 1kg charakteristisch ist, und daß (d) an diesen Faden ein 2kg-Gewicht gehängt wurde. Aus diesen Prämissen kann der Satz, der das zu erklärende Ereignis beschreibt, erschlossen werden: "Dieser Faden ist zerrissen." Es wird also deduktiv-nomologisch erklärt, warum in diesem konkreten Fall eine Auswirkung der allgemeinen Gesetze stattfand, n i c h t a b e r , w a r u m j e m a n d e i n 2 kg- G e w i c h t a n d i e s e n F a d e n g e h ä n g t h a t . Ebenso verhält es sich bei der DN-Erklärung des Sprachwandels. Deduktiv-nomologisch kann nur erklärt werden, warum ein bestimmter Fall einer Sprachveränderung eintreten konnte (etwa dadurch, daß die betreffende Form durch eine Funktionsverschiebung nicht mehr funktional adäquat war), nicht aber, warum diese Funktionsverschiebung im konkreten Fall eingetreten ist. Man kann also die DN-Erklärung nur im Bereich des generellen Problems dea Sprachwandels anwenden, nicht im historischen Bereich.

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1.2.3.2. Ich halte es daher für einen Irrtum, wenn man meint, daß Sprachveränderungen grundsätzlich nicht deduktiv-nomologisch erklärt werden können, wie zuletzt von LASS (1980) behauptet wurde. Ich kann hier nicht auf LASS' anregende und in weiten Bereichen zutreffende Argumentation genauer eingehen. LASS* Grundirrtum läßt sich m.H. nach darauf zurückführen, daß er den Unterschied zwischen allgemeinem und historischem Problem des Sprachwandels nicht gesehen hat (wie aus seinem Literaturverzeichnis zu ersehen ist, kennt LASS auch COSERIUs Arbeiten nicht). Seine Einwände gegen das N a t ü r l i c h k e i t s p r i n z i p , gegen die Teleologie und gegen die Gleichgewichtstheorie als Erklärungsprinzip ( 1 5 f f , 6 4 f f , ß8ff) sind weitgehend richtig, wenngleich in Einzelfällen die Argumentationstiefe nicht ausreicht, vgl. zu LASS 35f z.B. DIETH 1968: 197f; die Gegenbeispiele zu kontrasterhaltenden Lautbewahrungen (s-Futur und s-Aorist im Griechischen, LASS 1980: 6 l ) müßten differenzierter gesehen werden (der Zusammenfall von Kasusformen ist weniger folgenschwer als der Verlust von verbalen Flexionsmorphemen, weil mehr Ausdrucksmöglichkeiten für die Kasusfunktionen vorhanden sind). Das alles betrifft aber nicht die Möglichkeit, die B e d i n g u n g e n v o n Sprachveränderungen z u erklären. E i n Beispiel dafür: LASS betrachtet als Gegenargument gegen das Erklärungsprinzip der "Natürlichen Phonologie", daß die Anwendung dieses Gesetzes (Assimilationsuniversale) in einem b e s t i m m t e n F a l l Schwierigkeiten macht ( 1 9 ) - Dieser "bestimmte Fall" ist aber ein historisches Faktum und kann daher nach dem DN-Schema nicht erklärt werden. Außerdem ist es falsch, als Antezedensdatum "a sequence ( ° n b ° ) f l einzusetzen (18, 30), sondern es müßten noch zusätzlich die phonetischen Bedingungen dafür angegeben werden, unter denen diese Sequenz assimiliert wird (wie etwa Artikulationsstärke, Sprechtempo, usw.). Das größte Problem bei der DN-Erklärung in der Linguistik besteht tatsächlich darin, daß es sehr schwierig sein kann, die Antezedensbedingungen vollständig anzugeben; daraus folgt aber nicht, daß das DN-Schema g e n e r e l l nicht angewendet werden kann. 1.2.3.3. Damit hängt auch das Problem der Voraussage zusammen, LASS (92) kritisiert an der MARTINETsehen Sprachveränderungstheorie (Bezug auf die funktioneile Belastung) richtig, daß durch dieses Prinzip keine DM-Voraussage möglich ist. Das hier angeschnittene Problem ist aber ein spezielles Problem der Phonologie. Es ist sehr schwierig zu entscheiden, welche Arten und welcher Grad von Asymmetrien Veränderungen auslösen können, weil bestimmte Arten und Grade keine Auswirkungen auf die distinktive Funktion des Phonemsystems haben. Die Prinzipien des MARTINETschen Funktionalismus behalten ihre Gültigkeit, auch wenn die "Auslöseschwelle" nicht genau bestimmt werden kann. Ebenso ist das Problem, daß funktionell bedingte Veränderungen von a l l e n Mitgliedern einer Kommunikationsgemeinschaft übernommen werden, ein historisches und kein generelles Problem (öbernahmebedingungen). 1.2.3.4. Man muß hier allerdings fragen, ob es überhaupt sinnvoll ist, von einer Sprachwandeltheorie zu verlangen, Voraussagen über künftige Sprachverän-

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derungen zu machen. Schon aus wissenschaftstheoretischer Sicht ist die strukturelle Gleichheitsthese von Erklärung und Voraussage problematisch, wie STEGMÜLLER (197^: 179ff) überzeugend dargelegt hat, Das Problem liegt darin, daß für eine wissenschaftliche Voraussage Erkenntnis- und Vernunftgründe genügen, während wissenschaftliche Erklärungen stets Ursachen (Realgründe, SeinsgrQnde) angeben müssen (198). Hier ist also die logische Form der Basia für das Explanans problematisch, In der praktischen linguistischen Forschung sind Voraussagen wegen der Schwierigkeit, die Antezedensbedlngungen vollständig anzugeben, überhaupt problematisch. Erst wenn eine bestimmte Veränderung bereits stattgefunden hat, können meist auch die relevanten Antezedensbedingungen rekonstruiert werden. Dazu kommt noch, daß der A n l a ß für eine Veränderung im Bereich des historischen Problems des Sprachwandels liegt, ein Bereich also, in dem Voraussagen auch sonst nicht möglich sind. Voraussagen sind nur wieder über die B e d i n g u n g e n von Veränderungen möglich. Allgemein kann z.B. das Schwinden von peripheren Oppositionen bzw. Oppositionen mit geringer funktioneller Belastung vorausgesagt werden, vorausgesetzt, "man läßt die Sprache allein" (vgl. die weitgehenden Flexionsvereinfachungen im Africaans). Das historische Faktum des tatsächlichen Schwundes zu einem bestimmten Ort/ Zeit/Raurapunkt sowie mögliche Einflüsse sprachlenkender Organisationen können natürlich nicht vorausgesagt werden. 1.2.3.5. In diesem Sinne ist es m.M. nach unberechtigt, die Linguistik zur G ä n z e i n d i e Humanwissenschaften einzureihen, w i e dies LASS (1900) sowie COSERIU (197 und ihm folgend RONNEBERGER-SIBQLD (1980) beabsichtigt. Es ist gewiß richtig, allen Arten von "strukturellen Tendenzen" oder "Zielen" (targets) mit größter Reserve gegenüberzustehen, wie zuletzt RONNEBERGER-SIBOLD (64ff) ausführlich und überzeugend dargelegt hat (vgl. dazu noch TAULI 1958 und die Obersicht bei BORETZKY 1977: 66ff, I 8 l f f , 227ff und die Diskussion der "Erklärungs"prinzipien VENNEMANNs in der Wortstellungstypologie unten 3.6.2.5.). Einen ähnlichen kritischen Standpunkt hat auch JEFFERS (1974) eingenommen (vgl. auch JEFFERS/LEHISTE 1979: 88ff). Bedauerlicherweise hat auch die generative Sprachveranderungstheorie die teleologische Theorie des Prager Strukturalismus ziemlich unreflektiert übernommen (KING 1971: a ^ f f ) , so daß der wissenschaftliche Fortschritt dieser Richtung auf diesem Gebiet denkbar gering ist (s. LASS 1975 und SCHNEIDER 1973: 2 6 4 f f ) , obwohl Ansätze zu einem integrierenden Standpunkt bei CHOMSKY/HALLE und POSTAL In Bezug auf die Lautgesetzfrage immerhin vorhanden sind. Auch LIGHTFOOT (1979) hat sich gegen die Annahme von diachronen Universauen im Bereich syntaktischer Veränderungen ausgesprochen. Andrerseits sind viele Fälle des therapeutischen Wandels unbestritten, was auch LIGHTFOOT (121 f f ) als Anlaß für Veränderungen akzeptiert. Da der therapeutische Wandel und die Kompensationstheorie (oben 1.2.2.3· beide auf dem Isofunktionalitätsprinzip beruhen, läßt sich daraus ein Argument f ü r dieses Prinzip ableiten. Wenn auch COSERIU im Gefolge der Idealistischen Sprachwissenschaft den Sprachwandel als grundsätzlich nicht voraussagbar betrachtet und als seine Ursache die freie Wahl der AusdrucksmSglichkeiten

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durch den Sprecher annimmt, so läßt sich doch zeigen, daß das hier vorgetragene Konzept durchaus im Einklang mit seinen Ansichten steht. COSERIU (1974: 23) stellt fest, daß die Gesetze des Sprachwandels keine Kausalgesetze sind, "da die Sprachveränderungen keine "Ursachen" im naturwissenschaftlichen Sinn haben, Denn im Fall der Sprache sind die einzigen notwendigen Gesetze diejenigen, die eine rationale Notwendigkeit zum Ausdruck bringen." Als Beispiel für solche Gesetze nennt er nun gerade das dem Isofunktionalitätsprinzip zugrunde liegende Ausdrückbarkeitsprinzip {s. oben 1.2.2.1.): "Jede Sprache ist "ausreichend" in bezug auf die Kulturwelt, der sie entspricht.™ Das Ausdrückbarkeitsprinzip als rationale Notwendigkeit der Sprache sichert somit auch die aus ihr folgenden Gesetzlichkeiten der Diachronie. 1.2.4. Ein großer Teil der hier besprochenen Probleme ist auf unberechtigte Ontologisierungen von strukturalistisehen Begriffen zurückzuführen. Vom funktionalistischen Standpunkt aus ist die Struktur selbst ein apriorischer Kalkül über die logisch notwendigen Funktionen (DIDERICHSEN 1976: 90) und nicht etwas, das eine sprachliche Existenz irgendeiner Art hat (s. auch zum formalontologisehen Status der strukturalistischen Theorie KÜNG 19&3). Besonders klar hat MARTINET (1962: 4) diesen Standpunkt ausgesprochen: "A structuralist is not one who discovers structures, but one who makes them." Man darf dabei freilich nicht übersehen, daß dieser Standpunkt eine Folge des operativen Verfahrens ist, das vom SAUSSUREschen Programm gefordert wird. Wenn man nicht von vorher bestehenden Elementen ausgeht, so ergeben sich im Laufe der Entdeckungsprozedur Elemente als Zwischenformen, die als solche nur operativen Wert haben und daher nicht ontologisiert werden dürfen. Als letztes Ziel bleibt die Aufdeckung derjenigen Strukturen, die als wesentliche funktionale Wirkungszusammenhänge diesen Zwischenformen zu Grunde liegen, und diese "letzten" oder "tiefsten" Strukturen haben einen "geistigen Kern", wie OTTO (1965: 62ff, bes. 67, 93) formuliert {dort ausführliche Hinweise auf den sprachphilosophischen Hintergrund dieser Anschauungen). Die Ontologisierung dieser Hilfsbegriffe würde zur Veraelbständigung von beliebigen Analysestufen führen. Die hocus-poous-Linguistik kann somit gewissermaßen als notwendige Vorstufe der God's-truth-Auffassung angesehen werden, und insofern schließen beide Standpunkte einander nicht aus. S, dazu auch BARTSCH/VENNEMANN (1980: 60b). 1.2.5. Wie unten ( 1 . 4 . ) zu zeigen sein wird, ist die Unterscheidung von Begriffsbedeutung und Beziehungsbedeutung auch in der Diachronie des deutschen Modalsystems erforderlich. Erst durch diese Unterscheidung ist es möglich, das Isofunktionalitätsprinzip und damit das Erklärungsschema in die Methodik der Diachronie des Modus einzuführen. Zuvor soll aber erst noch in einem kurzen Abriß die Geschichte der Modusdefinitionen in der deutschen Grammatik zusammengefaßt werden.

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1.3.

Die strukturalistische Definition des Konjunktivs

1.3.1. Die Geschichte der Konjunktiv-Definitionen zeigt, wie die anderer grammatischer Kategorien, eine zunehmende Fortentwicklung von den Anschauungen der antiken Grammatiker, Der Begriff des Modus geht, wie viele andere grammatische Begriffe, auf die griechische Stoa zurück, obwohl hier der Modus nicht in unserem Sinne als verbale Kategorie, sondern als eine bestimmte Satzform betrachtet wurde. Dionysios Thrax unterscheidet unter den Modi (enlcliseis) folgende Arten (mit der lat. Übersetzung nach Priscian): 1. horistike indicativus sive definitivus 2. prostaktike imperativus 3. euktike optatlvus 4. hypotaktike subjunktivus 5. aparemphatos infinitivus Die Modi werden bei Dionysios Thrax nicht definiert, und ihre Stellung bleibt auch sonst unklar. Apollonios Dyskolos bezeichnet sie als diatheseis (abwechselnd zu enkliseis), daraus entwickelte sich die Auffassung einer diathesis psyches oder psychike. Apollonios ist aber ebenfalls noch weit entfernt von einer Definition, er benützt den Ausdruck "Diathese" ziemlich unsystematisch als Bezeichnung bestimmter Verbalhandlungen (Verhalten einer Person zu etwas; vgl. APOLLONIOS 1877, bes. 170/ Anra.1, 1 8, 2 0 3 f f ) . Später wird der Begriff des Modus auf die Ansicht oder Absicht des Sprechers eingeschränkt. Weiteres zur antiken und mittelalterlichen Terminologie bei STEINTHAL (1891: 2 7 1 f f ) , ROBINS (1951: 3^), HAHN (1953: I f f ) und PINBORG (1975: 90f). 1.3.2. Der folgende Abriß der vor-strukturalistischen Modusdefinitionen ist eine chronologische Zusammenstellung aus den wichtigsten Arbeiten zur deutschen Grammatik und indogermanischen Sprachwissenschaft, also unter Ausschluß von Schulgrammatiken. Da diese Literaturübersicht für strukturalistische Untersuchungen nur sehr marginalen Wert hat, beschränke ich mich auf kurze Hinweise, v.a. zur K-Deflnition. Die Grammatiker vor ADELUNG sind nicht berücksichtigt, da für diesen Zeitraum bereits Darstellungen von JELLINEK (1913» 1914) und CHERUBIM (1975: 151ff) vorliegen. Vorbild war damals die römische Grammatik mit der Unterscheidung von Indikativ, Imperativ, Optativ, Subjunktiv oder Konjunktiv und Indikativ, Der deutsche K1 wurde lange nicht erkannt, weil lat, cum ·+· K mit dem Ind. wiedergegeben werden mußte. Der Optativ wurde mit Fügungen wie wolt Gott und ach daß ausgedrückt; erst bei Becherer (1596), Ritter (1616) und Kromeyer (1618} erscheint die Ansicht, daB das Deutsche keinen Optativ kennt. Die späteren Grammatiker vertreten mit wenigen Ausnahmen ein Viermodussystem (s. JELLINEK 1911»: 398ff). 1.3'2.1, Im folgenden sind die Grammatiker nach dem Jahr ihrer ersten Auflage gereiht (Ausnahmen werden vermerkt und begründet), In manchen Fällen war mir nur eine spätere Auflage zugänglich. Die Bemerkungen beziehen sich meist auf das Verhältnis von K1 zu K2 und das Problem der Zeitenfolge, sie enthalten gelegentlich aber auch für den Autor charakteristische Zitate.

19 1. J. Chr. Adelung, Deutsche Sprachlehre, Berlin 1781 Ind.: Wahrheit oder Gewißheit (269f, HU6f) K/Opt.: nicht völlige Gewißheit, Prädikat ist ungewiß und zweifelhaft Bemerkungen: "Das Imperfect des Conjunctiva bedeutet nichts vergangenes, sondern etwas Ungewisses theils gegenwärtiges theils zukünftiges, daher es in dem erstem Falle oft für das Präsens des Conjunctiva stehet ( " . . . " ) . Das Perfectum des Conjunctiva bezeichnet eine geschehene Sache als ungewiß ( " . . . " ) . " (449) 2. ds., Umständliches Lehrgebäude der Deutschen Sprache, 2 Bde., 1782 Ind.: ähnlich wie 1781 K/Opt.i ähnlich wie 1781 Bemerkungen: In manchen Inhaltssätzen (z.B. nach sich erinnern) kann K oder Ind. gebraucht werden (390). "Wenn der Modus unkenntlich ist, so gebraucht man für das Perfect gern das Plusquamperfect. So sagt man ohne Dunkelheit im Singular: man versicherte, er habe ihn hinrichten lassen, aber im Plural lieber, sie hätten ihn hinrichten lassen." (392) 3. J. Chr. A. Heyse, Theoretisch-praktische Grammatik oder Lehrbuch zum reinen und richtigen Sprechen, Hannover 3-|822 ( 1 1814) Ind.: Gewißheit (tOSf, 462 ) K/Opt.: Ungewißheit Bemerkungen: Kein modaler Unterschied zwischen K1 und K2 4. -, Neuauflage ( 2 9 . ) , bearb, von W. Scheel nach 0. Lyon, 1923 Ind.: ähnlich K/Opt.: ähnlich Bemerkungen: " ( " , , . " ) die Präsensformen des Konjunktivs ('gebraucht man") im allgemeinen da ( ° . . . " 5 , wo man die Abhängigkeit schlechthin bezeichnen will, die Präteritalform in der Hegel aber da, wo hervorgehoben werden soll, daß das Gesagte nicht wirklich ist, sowie zuweilen zur Bezeichnung des bloßen Abhängigkeit sver hält nisaes for den Kon J unkt. Präs, da, wo die Formen des Konjunktiv Präs, mit den Formen des Indikativs zusammenfallen." (368; i.O. tw. h . ) . 5. K. F. Becker, Organism der Sprache als Einleitung zur deutschen Grammatik, Frankfurt/H, 1827 Ind.: wirklich K/Opt.: vorgestellt Bemerkungen: "Durch den Indikativ wird zwar ebenfalls ein vorgestelltes Prädikat ausgedrückt; allein Vorgestelltes und Wirkliches werden alsdann nicht unterschieden." (332) "Die Modi des Vorgestellten (Konjunktiv, Optativ und Imperativ) haben das ge-

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mein, daß sie das Prädikat auf einen Akt des Vorstellens beziehen: sie sind unterschieden durch die Art, wie der Akt des Vorstellens dargestellt wird." (33 Der K ist eine Verstärkung der absoluten, der Opt. der historischen Zeitformen (verstärktes Pra't.). Der Opt. in Sätzen wie ion hoffte, daß er käme drückt daher kein Zeitverhältnis als solches aus (338). 6. da., Ausführliche deutsche Grammatik als Kommentar der Schulgrammatik, Frankfurt/M. 1836/39 (3 Bde.) Ind.: Wirklichkeit K/Opt.: Nichtwirklichkeit Bemerkungen: Eigenes Konditional (=K2) als Ausdruck eines "angenommenen Urteiles" {Bd. 1, 183)r das nicht zum Imperfekt, sondern zum Präsens gestellt wird (184). 7.

H. Bauer, Vollständige Grammatik der neuhochdeutschen Sprache, Berlin 1 27/33 (5 Bde.) Ind.: Behauptung K/Opt.: Vorstellung / Wunsch Bemerkungen: Das Moduskapitel (Bd. 4, 433ff) ist unselbständig und gibt im wesentlichen die Ansichten Beckers wieder.

8. «J, Grimm, Deutsche Grammatik (herausgegeben von W. Scherer, G. Roethe, E.

Schröder), Berlin-Gütersloh 1878/98 (Erstausgabe 1837) Ind.: "alles, was geradezu, ohne zweifei und Unsicherheit gemeldet und als ein wirkliches bezeichnet werden soll." (78) K/Opt.: bei Grimm nicht ausgeführt; der griech. Opt./K bezeichnet die subjektive/objektive Möglichkeit ( 7 7 ) . Gebrauchsweisen: optativ, jussiv, konzessiv, interrogativ (80) Bemerkungen: "von der Wahrnehmung ausgehend, daß in unserer spräche die einzige, für beide modalitäten dienende form ursprünglich optativisch gewesen sei, habe ich geglaubt, auch der Optativen bedeutung mehr einräumen zu müssen." (87) 9. J. Kehrein, Grammatik der neuhochdeutschen Sprache, nach Jacob Grimms deutscher Grammatik bearbeitet, Leipzig 1852 (3 Bde.) Ind.: wie Grimm K/Opt.: wie Grimm Bemerkungen: "Der Konditionalis hat mit dem Indikativ gemein, daß er ein wirkliches Urteil des Sprechenden ausdrückt; er unterscheidet sich vom Indikativ dadurch, daß er immer als Prädikat in dem Verhältniß einer von dem Sprechenden angenommenen Wirklichkeit steht," (58) In seiner "eigentlichen Bedeutung" wird der Konditionalis nur In Konditionalsätzen gebraucht (48); i. 0. tw. h.

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10. Th. Vernaleken, Deutsche Syntax, Wien 1861/63 (2 Bde.) Ind.: Wirklichkeit K / O p t . : Möglichkeit, Unbestimmtheit Bemerkungen: "Unbestimmtheit der aussage und die abhängigkeit derselben von etwas anderem charakterisieren den konjunktiv Überhaupt," (Bd. 2, 286) Der K2 wird rein temporal erklärt (Bd. 2, 294). 11. A. Engelien, Grammatik der neuhochdeutschen Sprache, Berlin 51902 (unter Mitwirkung von H, Jantzen; " ) Ind.: Wirklichkeit K/Opt.: Möglichkeit Bemerkungen: Gebrauchswerte des K: Subjunktiv {objektive Möglichkeit, abhängig von einer anderen Aussage), Optativ (subjektive Möglichkeit, bloß gedacht), Konzessiv, Konditional (112). Der Unterschied von Kl/2 bezeichnet modale Verhältnisse. "Eine sogenannte consecutio temporum gibt es nicht." (482) 12. 0, Erdmann, Grundzüge der deutschen Sytax nach ihrer geschichtlichen Entwicklung, Stuttgart 1886/98 (2 Bde., Bd. 2 nach Erdoanns Vorarbeiten von 0. Mensing) Ind.: "einfache Form der Aussage, die Oberall dann gebraucht wird, wenn kein besonderer Grund einen anderen Modus erfordert." (113) K/Opt,: Wunsch, Inhalt ist als möglich vorgestellt (121) Bemerkungen: Der Ind. ist nur insofern ein Modus der Wirklichkeit, als er keinen formalen Ausdruck für Zweifel und Ungewißheit hat; "durch hinzugefügte Partikeln kann ein solcher ausgedrückt werden, ohne dass der Modus des Satzes sich ändert: er ist (war) etwa, vielleicht nicht," (113) 13. F. Blatz, Neuhochdeutsche Grammatik mit Berücksichtigung der historischen Entwicklung der deutschen Sprache, Karlsruhe 1895/96 (2 Bde., 3,Aufl.; die ersten beiden Auflagen waren für die "Bedürfnisse des Volksschullehrers" bestimmt). Ind.: wie Vernaleieen K/Opt.: wie Vernaleken Bemerkungen: Tempusverschiedenheiten des K haben modale Bedeutung; Blatz schließt sich darin Engelien an. 1H. H. Wunderlich, Der deutsche Satzbau, Stuttgart 1901 (2 Bde.) ( " 2 . , "vollständig umgearbeitete Auflage"; die 1. Aufl. (1892) "war ein kleinformatiges Büchlein von 252 Seiten, geschrieben als Abwehr eines Wissenschafters gegen den gewalttätigen und oft unbegründeten Sprachreinigungseifer von Wustmann," (GLINZ 1965: 2 6 ) ' ) Ind.: frei von jeder Beeinflussung durch Willenstätigkeit oder Reflexion

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K/Opt.: Gebrauchstypen: Jussiv, Konzessiv, Optativ, Potentielle Bemerkungen: K2 hat im HS keine präteritale Bedeutung, weil im Präsens Gegenwart und Zukunft "die Willensthätigkeit mehr zielbestimmend an E "regt") als die Vergangenheit, an die sich viel eher Empfindungen anknüpfen," (2. Bd., 2?i|; s. auch 30?f). 3. Aufl. von H. Reis, Stuttgart-Berlin Bemerkungen: "Der Unterschied ("des Optativs*) vom Indikativ lag vielleicht darin, daß letzterer in ganz entschiedener Art die Aussage brachte, während der Optativ nur in bescheidener Weise aussagte. Es liegt also (",,,*) im wesentlichen ein Unterschied der GemÜtsstimmung des Redenden vor; dies war vorwiegend für die Wahl der Modi ausschlaggebend, nicht eine klar umrissene Grundbedeutung ( " . . , " ) . " (318) 15. G. 0. Curme, A Grammar of the German Language, New York ^1922 (^1905) Ind.: "represents something as a fact or as in close relations to reality" (216) K/Opt. : K2: "the idea of rain (°aus einem der Beispielsätze") seems far off and quite unreal, so that we are not reckoning with it at all." (216) Bemerkungen: Der vermehrte Ind. -Gebrauch im Nhd. "doesn't indicate carelessness but rather a change in our way of thinking. To-day we decidedly prefer to look at many things not as mere conceptions but as things near to us, as actual problems with which we must deal." (216) 16. W. Wilmanns, Deutsche Grammatik, Dritte Abteilung: Flexion. 1. Hälfte: V er bum, Straßburg 1906 ("erste und zweite Auflage") Ind.: "im Indikativ abstrahiert der Redende von der Einmischung Jedes subjektiven Momentes; er hat, als Modus angesehen, eigentlich nur negative Bedeutung." (217) Aussage schlechthin (217f), Vorstellung bei Zukunftsbezug (218) K/Opt.: subjektiver Modus; Gebrauchstypen: K1: Dubltatlvus, Deliberativus, Potentialis; K2; Irrealis Bemerkungen: 235 ff eine Übersicht Ober den Modusgebrauch im NS. Der Modusunterschied in Inhaltssätzen naoh and. quedan und sagen ist "durch die Vorstellung bedingt, die der Redende ausdrükken will." (2t2) - s, dazu unten 4.7.1. 17. L. Sütterlin, Die deutsche Sprache der Gegenwart, Leipzig ^1910 (1.-2. Aufl. 190?) Ind.; Wirklichkeitsform (230f) K/Opt.; Möglichkeits- und Wunschform (231), Befehlsform (232) Bemerkungen: In der indirekten Rede steht der K als Möglichkeitsform

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(232). "Bemerkenswert ist, daß bei dieser Aussageweise die Formen der Gegenwart und die der Vergangenheit keinen Zeitunterschied mehr angeben, sondern zeitlos gebraucht werden," (231; i.O. tw. h.) 1,3.2.2. Aus der Übersicht über die wichtigsten Grammatiken des Neuhochdeutschen mit Einschluß der historisch-vergleichenden Syntax bis ca. 1910 seien folgenden Punkte hervorgehoben: 1. Der Ind. wird meist als Wirklichkeitsform definiert; er bezeichnet somit ein Geschehen, das der Sprecher für gewiß hält. Nur die Arbeiten von ERDMANN, WUNDERLICH und WILMANNS nehmen einen Standpunkt ein, der der strukturalistischen Auffassung des Ind. als neutrale Modusform ähnlich ist. 2. Die sprachliche Leistung des K wird entweder im Verhältnis ZUM Ind. negativ definiert (Ungewißheit usw.) oder sie wird als Summe der Gebrauchstypen angegeben. 3. Der modale Unterschied von K l / 2 wird gelegentlich von Versuchen überdeckt, eine dem Lat. vergleichbare Zeitenfolge im Nhd. nachzuweisen. 4. Schon früh sind Ansätze zur Annahme von Mischparadigmen ( K l im Sg., K2 im P L , Wechsel mit dem Konditional) vorhanden, 5. Der Zusammenhang von Nebensatzart und Art des Tragersatzverbs mit dem Modus im NS wird bald erkannt (besonders hervorgehoben von WILMANNS, doch ansatzweise auch früher). 6. Für den Ersatz des K durch den Ind. in der Geschichte der deutschen Sprache werden meist psychologisierende Erklärungen gegeben. 1.3.2.3* Die Übersicht zeigt auch einen zunehmenden Einfluß der Indogermanistik. In diesem Bereich haben die Ansichten Berthold DELBRÜCKs besonderes Gewicht erhalten. Er wendet sich gegen ältere Ansichten, wie die des Kantianers G. HERMANN, der zwischen Möglichkeit (subjektiv: Opt., objektiv: K ) , Wirlclichlceit ( I n d . ) und Notwendigkeit (Imp.) unterscheidet, aber auch gegen Begriffe wie "Modus der Vorstellung", "Modus des rein Gedachten" usw. DELBRÖCK hatte seine Vorstellungen schon 18?1 formuliert; bekannt wurden sie aber erst durch seine Ausführung in BRUGMANNs "Grundriß" (DELBRÖCK 1897: S^off). Er unterscheidet absolute Grundbegriffe (aus der Etymologie zu erschließen) und relative Grundbegriffe. Die relativen Grundbegriffe werden in Anlehnung an HERBARTs Psychologie definiert; für den K ist demnach der Wille, für den Opt. der Wunsch des Sprechers maßgeblich. Gegen die Kritik WHITNEYS verteidigt DELBRÜCK die Ansicht, daß die relativen Grundbegriffe unabhängig vom Ursprung der beiden Kategorien formuliert werden können. Wichtig ist in diesem Zusammenhang seine Unterscheidung zwischen Grundbegriff und Gebrauchstyp (351): "Gegeben sind eine Anzahl von Gebrauchstypen, der Konjunktiv der Willenserklärung, der Aufforderung, der futurischen Aussage, der Optativ des Wunsches, der gemilderten Behauptung u . s . w . , welche durch kein anderes unmittelbares Band als durch die Form zusammengehalten sind. Aus der Übereinstimmung der Sprachen ergiebt sich mit Wahrscheinlichkeit der Schluss, dass diese Typen im wesent-

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liehen schon in der Ursprache vorhanden gewesen sind. Damit ist ein Punkt erreicht, bei dem nan sich beruhigen kann. Aber wer mag es thun? Wenn gewisse Gebrauchstypen vorhanden sind, strebt man unwillkürlich danach, die einigende Formel zu finden." Das Problem der "einigenden Formel" wird zum Hauptanliegen der vorstrukturalistisehen Grammatik (s. unten 1.3.4.1.). DELBRÜCKs Unterscheidung zwischen K und Opt, als Ausdruck von «ilie und Wunsch hat sich in den indogermanistischen Arbeiten weitgehend durchgesetzt ( z . B . KRÄHE 1963: 50). 1.3.2.4. Gegen DELBRÜCKs Ansicht hat sich v.a. GOODWIN in seiner zuerst 1875 erschienen Syntax des griechischen Verbs ausgesprochen (GOODWIN 1965). Er geht davon aus, daß der K ursprünglich eine Form war, um das Futur auszudrükken; der Opt. war demnach ein schwächerer K. Diese Ansicht hat auch noch HIHT (1931»: 271ff, 1939: 106ff) vertreten. Er betrachtet den K als "Indikativ einer Verbalform mit punktueller Bedeutung." In einer Sprachstufe» in der das Futurum noch nicht ausgebildet war, bezeichnet der K ein zukünftiges Geschehen. Als ein eigenes Futurum entstand, änderte der K seine Bedeutung, "indem die Sprache das Willensmäßige stärker betonte, aber daneben behält er noch immer seine Futurbedeutung. Außerdem setzte sich der Konjunktiv in gewissen Stellungen und Bedeutungen fest {"volitiv, deliberativ"). Vor allem aber steht er in gewissen Nebensatzgebilden," (HIRT 1934: 2?6f) Auch der Optativ hat ursprünglich Futurbedeutung; er ist die ältere Form, die allen idg. Sprachen angehört, und steht ursprünglich nach den Tempora der Vergangenheit. Eine ähnliche Ansicht wird in neuerer Zeit von HAHN (1953) vertreten. Sie setzt den Opt. als "remote futurity" gegen den K als "vivid futurity" ab, 1.3-2.5. Von einem anderen Standpunkt aus kritisiert SLOTTY (1915) DELBRÜCKs Ansatz. Er ist der Ansicht, daß man überhaupt nicht von bestimmten Grundbegriffen ausgehen darf. Als Hauptgebrauchsweisen nimmt er für den K voluntativen und prospektiven, für den Opt. voluntativen und potentialen Gebrauch an und betont damit die Nähe der beiden Modi: "zwischen Konjunctiv und Optativ ('sind 0 } die Grenzen fliessend ( ' . . . " ) : beide Modi erscheinen als Ausdruck des Willens, des Wunsches, des konzessiven und des deliberativen Sinnes." ( 1 1 4 ) 1,3-2.6. Damit sind die wesentlichen Standpunkte abgesteckt. DELBRÖCKs Modustheorie hat sich im Gegensatz zu anderen Ansichten weitgehend durchgesetzt; sie findet sich in der populären Darstellung SOMMERs (1971 (* 3 1931*): 79ff) und auch bei WACKERNAGEL (1920: 2 1 0 f f ) . WACKERNAGEL bringt allerdings ein Problem zur Sprache, das unten ( 1 , 3 . 4 . 1 . ) noch ausführlicher behandelt wird: "der Unterschied der Modusformen bezieht sich auf das Verhältnis der Tätigkeit zur Wirklichkeit; der grössere oder geringere Grad der Wirklichkeit wird zum Ausdruck gebracht, woraus eigentlich folgt, dass unbestimmt viele Modi denkbar sind. Die Beschränkung auf drei oder vier Modi, die wir t r e f f e n , ist, wenn man will, zufällig und willkürlich." (loc. c i t . ) Die Frage nach einer Grundbedeutung wirft WACKERNAGEL nicht a u f .

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1.3-3.1.

Manche neueren Arbeiten kehren zu Auffassungen zurück, die vor

DELBRÜCK gebräuchlich waren (dazu s, HAHN 1953: 1 4 f ) ; ein Beispiel dafür ist MEILLET (193?: 2 2 5 f ) . Die ausführlichste Arbeit über die i d g , Modi stammt von GONDA ( 1 9 5 6 ) , Er bezieht eine strikte Gegenposition zu HAHN (1953) und betont ausdrücklich die Kontext- und Situationsabhängigkeit der verschiedenen Gebrauchsweisen der Modi. GONDA bezieht sich auf das "primitive" oder "verwissenschaftliche" Denken der Naturvölker: "So, if a prehistoric or protohistoric Indo-European, whether he addressed men or the unseen, expressed himself by means of an indicative, the process referred to was to his mind actual, even i f , from an abjective point of view it was not ( " , . , " ) . The subjunctive ( ° . . . * ) seemed him ("dem Priester in der zitierten Stelle aus dem Atharvaveda") to what may broadly speaking be called visualization. The optative, it would appear to me, enables the speaker to introduce the elements of visualization and contingency, the latter being, in my opinion, the main character of this mocd. In using this form the ancient Indo-European took, with regard to the process referred to and which existed in his mind, the possibility of non-occurrence into account; ( " , . . * ) " (51) Das Hauptziel von GONDAs Arbeit besteht darin, die Gebrauchsweisen der Modi v , a . an agriech, und aind. Satsen herauszuarbeiten. Die "Suche nach dem Grundwert der idg. Modi" ist bei ihm ebensowenig erfolgreich verlaufen wie bei seinen Vorgängern, Die Verbindung von Modusgebrauch und vorwissenschaftlichem oder primitivem Denken erinnert an die äußerst zweifelhaften evolutionistischen Theorien JESPERSENs. Die Frage, ob die Indogermanen ein primitives Volk waren und die Frage nach den näheren Umständen des Aufkommens des wissenschaftlichen Denkens bei den idg. Völkern lasse ich offen. - Besser begründet und auch methodisch überlegen ist der Beitrag von SCHERER (1973). Sr geht davon aus ( 1 0 0 ) , daß der K formal eher zum Injunktiv als zum fernerliegender} Opt. im Gegensatz steht. SCHERER setzt als alte Grundbedeutung des K die Funktion der Folgerung an; der K bezeichnet danach "einen Sachverhalt ( " . . . * ) , d e r n a c h den U m s t ä n d e n als tatsächlich angenommen werden kann ( * . . . * ) , während der Indikativ berichtet, was der Sprecher als Tatsache w e i ß (bzw. zu wissen glaubt) oder als Tatsache hinstellt, und der Optativ den Sachverhalt als bloß gedacht hinstellt." ( 1 0 1 ) 1.3·3·2. Die bisher besprochenen Arbeiten sowie die indogermanistischen Modusauffassungen haben auf ein Problem gewiesen, das als charakteristisch Für die vor-strukturalistische Modustheorie gelten kann, nämlich auf das Problem der Grundbedeutung der Modi. Man war bisher nur imstande, eine Anzahl von Gebrauchstypen anzugeben, und auch hier gab es oft Überschneidungen zwischen den Bereichen des idg. K und Opt, Die übergreifenden Inhalte "Wille" und "Wunsch" waren zu ungenau, um die Regularitäten im Modusgebrauch zu beschreiben. Zudem zeigte sich immer wieder, daß das Verhältnis zu Formen mit ähnlicher Funktion nach Auftreten und Leistung nicht genau beschrieben werden konnte. Schließlich war auch die Modusfunktion in abhängigen Sätzen unklar, weil in manchen Nebensätzen auch der Ind. ohne auffällige Bedeutungsänderung stehen kann.

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1.3.^.1. Das Problem der Grundbedeutung der Modi hat am eindringlichsten JESPERSEN (1958: 3 1 9 f f ) f o r m u l i e r t . JESPEREEN setzt die Anzahl der Modi mit der Zahl der Gebrauchstypen gleich und kommt dadurch auf eine sehr große Zahl von Modi. Modi mit einem Willenselement sind nach JESPERSEN Jussiv, Kompulsiv, Obligativ, "Advisory", Prekativ, H o r t a t i v , Perraissiv, Promissiv, Optativ (realisierbar), Desiderativ (nicht realisierbar} und Intentional. Modi ohne Willenselement sind A p o d i k t i v , Necessitativ, Assertiv, Presumptiv, D u b i t a t i v , P o t e n t i a l , Konditional, Hypothetikal und Konzessional, Jedem Modus ist ein englisches Beispiel beigefügt. Dazu bemerkt JESPERSEN ( 3 2 1 ) : "Each of these can be expressed by a variety of means besides those mentioned. There are many "moods" if one leaves the safe ground of verbal forms actually found in a language." JESPERSEN v e r t r i t t in seiner Polemik gegen SONNENSCHEIN die Auffassung, daß ein sprachlicher Inhalt auch einen bestimmten sprachlichen Ausdruck haben muß ( 3 1 3 f f ) · Eine gute Zusammenfassung dieser Positionen findet sich bei KANTOR (1936: 2 ? 8 f f ) . Zuletzt hat STOLLE ( o . J , ("19^7")) noch eine ähnliche Anzahl von Modi unterschieden; sie kommt immerhin auf 27 Modi, einget e i l t in 3 Gruppen zu insgesamt 7 Abteilungen. Bemerkenswert ist, daß sie ihr Schema als "rein logisch" ( 1 ) bezeichnet, die einzelnen Modi aber "nach psychologischen Gesichtspunkten" (4) einordnet. Folgerichtig stellt STOLLE (6) fest, daß "die Grundbedeutung beider Modi ("idg. K und O p t . * ) wohl nie eindeutig e r m i t t e l t werden können ( ° w i r d ° ) . "

1.3.4.2.

In strukturalistischer Sicht entspricht der Grundbedeutung einer

grammatischen Kategorie ihre Funktion in der langue, d.h. ihr grundlegender relationeller Wert. Die Funktion einer grammatischen Kategorie kann, wie bei jedem sprachlichen Zeichen, nur im Relationssystem der Sprache angegeben werden. Der strukturelle Wert muß daher notwendigerweise auf einer sehr abstrakten Ebene definiert werden; die Gebrauchstypen sind dagegen Realisationsbedingungen auf der Ebene der Rede. Das "Suchen nach der Grundbedeutung" wird daher von der strukturellen Grammatik als Bestimmung des Wertes auf der langue-Ebene wieder aufgenommen. 1.3.^.3. In der deutschen Grammatik konnten sich erst sehr spät strukturalistische Methoden durchsetzen, und das auch nur teilweise. Arbeiten auf konsequent strukturalistischer Grundlage beschränken sich auf Syntaxdarstellungen mit valenztheoretischer oder generativer Methodik. Ansätze im Bereich des taxonomischen Strukturalismus sind auf syntaktische Teilbereiche beschränkt. Der größte Teil dieser Arbeiten enthält keine strukturelle Analyse des deutschen Modalsystems; Ansätze einer solchen Analyse werden unten (1.3-5.) besprochen. Aus dieser Forschungslage ergibt sich, daß auch neuere Grammatiken, die das gesamte Gebiet der deutschen Sprache beschreiben, nur in Teilbereichen auf struktureller Methode aufbauen, so daß sich bisher an der grundsätzlichen Art der Beschreibung des deutschen K nicht viel geändert hat. (fach wie vor wird versucht, die einzelnen Gebrauchatypen möglichst umfassend anzugeben und sie in einige übergreifende Typen einzuordnen. Damit ist aber noch kein

27

abstrakter struktureller Wert erreicht, der eine strukturalistische Untersuchung der Diachronie des deutschen Modalsystems erst ermöglicht. 1.3.1.1· In diesem Rahmen ist es daher nicht notwendig, die einzelnen Grammatiken und Modusarbeiten genauer zu besprechen. Das ist auch deshalb überflüssig, weil MAGNUSSON O976) die entsprechenden Arbeiten ziemlich vollständig zusammengestellt und im großen und ganzen zutreffend charakterisiert hat. Diese Arbeiten werden daher nur bei der Diskussion von Einzelfragen berücksichtigt. In der folgenden Übersicht bespreche ich daher nur die Werke, welche sich einer strukturellen Beschreibung des Modalsystems zumindest annähern, und Arbeiten, die nach MAGNÜSSOfis Untersuchung erschienen sind. 1.3.1.5. Bis ca. 1950 herrschen in der deutschen Grammatik die historisierenden und psychologisierenden Richtungen vor. Nur in der inhaltsbezogenen Grammatik sind Ansätze strukturalistischer Methodik vorhanden, und zwar insofern, als Begriffe wie "sprachliche Zwischenwelt" und "Homosphäre" (GLINZ 1970: 15f: "feste geltende Inhaltsstrukturen und Einzelinhalte") prinzipiell auf strukturalistischer Basis interpretiert werden können (s. dazu aber die Kritik von CHERUBIM T 973: 3 0 6 f f ) . Sie entsprechen dann etwa dem, was mit HJELMSLEV als Inhaltsform bezeichnet werden kann; tatsächlich entspricht der bekannte Baum-Holz-Wald-Vergleich bei HJELMSLEV (197^: 57f) den WEISGERBERschen Ansichten vom "Wortinhalt" als Repräsentant eines "geistigen Gegenstandes" in einer "geistigen Zwischenwelt" (s. dazu HELBIG 1970: 1 2 1 f f ) . HUMBOLDTS Begriff der "inneren Sprachform" kann durchaus gtrukturalistisch interpretiert werden. Ein funktionalistisches Modell berücksichtigt auch den von der inhaltsbezogenen Sprachwissenschaft hervorgehobenen dynamischen Aspekt der Sprache. Der hauptsächliche Unterschied zwischen inhaltsbezogener Sprachwissenschaft und anderen Richtungen auf strukturalistischer Basis liegt wohl v.a. in der teilweise mythologisierenden Interpretation der sprachlichen Inhalte. 1.3.1.6.1. Am Beginn des Weges zu einer strukturalistischen Modusbeschreibung stehen die Arbeiten von Hans GLINZ. Das folgende Schema aus GLINZ (1973 {'1952'): I Q l f f ) ist im wesentlichen in GLINZ (1971: I 0 2 f f ) beibehalten worden; es wurde auf Grund von Ersatzproben ermittelt, Indikativ

ohne Bedenken gegeben, als allgemein oder als vergangen

Kl ( K 2 , wenn K1 formgleich mit dem Ind.)

nur nach Angabe eines ändern oder nach Vermutung angeführt; ohne Gewähr für die Richtigkeit; nur erfordert: postuliert; "anzunehmen"

K2

nur denkmSglich, wahrscheinlich nicht eintretend (oder denkmöglich gewesen, nun nicht e i n g e t r e t e n ) ; meist als Bedingung oder von Bedingung abhängig, "nur zu denken"

28

Wichtig ist der ausdrückliche Hinweis darauf, daß K 1/2 keine unterschiedlichen t empöre llen Werte haben (GLINZ 1973: 105; er bezieht sich in Anra. 3 auf BEHAGHEL 1924: 219) - das ist im wesentlichen die Auffassung aller neueren Grammatiken -, und die Geltung des Ind. als "unmarkierte Form" {GLINZ 1971: 115), die v. a. in Inhaltssätzen an der Stelle des K gebraucht werden kann. Die Zusammenhange von Nebensatzart und Modussetzung werden von GLINZ nicht herausgearbeitet. 1,3.4,6.2. GLINZs Bestimmung der sprachlichen Leistungen des K ist insofern ein bedeutender Fortschritt, als die Vielzahl der Gebrauchstypen auf einige wenige reduziert wird, wodurch ein vhm. einfaches Schema angegeben werden kann. Das führt allerdings zu einer unscharfe, die es schwer macht, feste Gebrauchsregeln anzugeben; außerdem wird dieses Schema dem Modusgebrauch in abhängigen Sätzen nicht gerecht, wie MAGNUSSON (1967: 27) richtig bemerkt. 1.3.4.7. Die Grammatiken von ERBEN, J0RGENSEN, JUNG und GBEBE übernehmen weitgehend die traditionelle Einteilung der sprachlichen Inhalte des K durch die einzelnen Gebrauchstypen. Unterschiede bestehen nur in der Abgrenzung der sprachlichen Leistung von K1 und K2 in bestimmten NS-Arten, auf die in diesem Zusammenhang nicht weiter eingegangen werden muß (s. dazu MAGNUSSON 51 f f ) . Die hauptsächlichen Inhaltsbereiche für den Kl sind Wunsch, Befehl, Gebot, Verbot, Aufforderung, Bitte und Einräumung, für den K2 (nicht als Ersatzform zum K l ) irreale Bedingung, irrealer Wunsch und Eventualität. 1.3.4.8, Auch bei REGULA (1968) sind strukturelle Gesichtspunkte ansatzweise vorhanden. REGULA bestimmt den K als Modus der vorstellungsmäßigen Erfassung oder Gedachtheit, der die Gegenstände der Begehrung, der expliziten Annahme und des mit herabgesetztem Gültigkeitsgrad gefällten Urteils kennzeichnet ( 4 5 ) . Wichtig ist die Bemerkung REGEJLAs, daß die Gebrauchstypen des K im unabhängigen Satz "nur aus dem Slnnzusamtnenhang und der Tonalität (Tonfarbe, -beseelung) erkennbar sind.* 1 (45; i. 0. tw. h . ) . Ein weiterer wichtiger Hinweis ist in REGULAs Besprechung des K2 in Relativsätzen bei negiertem HS enthalten, der mit dem Ind. wechseln kann r "Dieser Indikativ erklärt sich wohl nicht aus einer geistigen Mutation oder "veränderter Sehweise" ( * , . . ' ) , sondern a u s seiner durch S p r a c h ö k o n o m i e bewirkten Neutralisierung, durch d i e das Hangsatz C"=NS*}prIdikat n u r N e n n w e r t erhält."

1.3. t. 9. HELBIG/BUSCHA (1972: l 63) betonen, daß auch mit dem Ind. unterschiedliche Stellungnahmen zur Geltung einer Äußerung (Wirklichkeit, Annahme, Zweifel usw.) ausgedrückt werden können, wenn entsprechende lexikalische Mittel eingesetzt werden. 1.3-4.10. FLÄM1G (1970: 852ff) erreicht durch die Unterscheidung von grammatischer Funktion und Kontextfunktion erstmals eine Modusbeschreibung, die

29

strukturalistischen Prinzipien schon sehr nahe kommt. Die grammatische Funktion des Ind. ist "allgemein gültig, modal i n d i f f e r e n t , nicht eingeschränkt"; als Kontextfunktion kann der Ind. auch Aufgaben des K oder Imp. übernehmen. Die grammatische Funktion des Kl ist die Bezeichnung der mittelbaren Wiedergabe fremder oder früherer eigener Aussage, die des K2 die Bezeichnung eines vorgestellten, nur gedachten Geschehens, abgesehen von seiner Ersatzfunktion zum K1 (855). Alle anderen Gebrauchstypen sind KontextfunktIonen ( 8 5 6 f f ) , Die Unterscheidung von grammatischer Funktion und Kontextfunktion 1st ein wesentlicher Fortschritt zu FLÄMIGs Monographie über den K (FLÄMIG 1964). In FLÄMIG ( 1 9 8 1 ) wird diese Unterscheidung in der Terminologie "paradigmatische/syntagmatische" bzw. "potentielle/aktuelle" Modusbedeutungen weitergeführt (522ff, 5 2 7 f f ) . Ein weiterer Schritt zu einer strukturellen Analyse ist die Darstellung der Modusoppositionen und ihre Aufhebungsbedingungen (526f). Der I n d . als modal unmarkiertes Glied erhält die "Basiabedeutung" der "allgemeinen kommunikativen Geltung", der K hat die Funktion einer Einschränkung der Allgemeingültigkeit einer Äußerung, wobei eine unterschiedliche Art der Distanzierung von K1 und K2 geleistet wird. Der Kl als "erstes modal markiertes Glied" hat das zusätzliche Merkmal "nicht ursprünglich gesetzt, vermittelt", der K2 als "zweites modal markiertes Glied" das zusätzliche Merkmal "nicht auf einen Sachverhalt der objektiven Realität bezogen, vorgestellt". Folgende Aufhebungen bzw. Einschränkungen der Modusoppositionen stellt FLÄMIG fest: 1. K l / 2 bei Homonymie K1 - Ind. 2. I n d . / K 2 beim Konditional im Präteritum (Ersatz durch mußte/konnte), wie im Satz: Di ese_Angelegenhei t _w_ar noch nicht erledlgt, bald würde/könnte/ mußte es Schwierigkeiten geben. 3. Ind./K1 in indirekter Rede bei nicht ersatzfestem K1 (a. dazu unten 4.7.1.O.7.). 4. Ind./K2 in hypothetischen Äußerungen mit nicht expliziter Bedingung oder Voraussetzung, z,B, in Das wäre/ist geschafft. 1.3.^.11. GRAF (1977) untersucht den K-Gebrauch in der gesprochenen Sprache in den Gebieten Baden-Württemberg, Bayrisch-Schwaben, Vorarlberg und Liechtenstein, Seine Untersuchung enthält aber auch einen theoretischen Teil (17-271), der zwar die neueste Forschung berücksichtigt, aber wegen seiner Unübersichtlichkeit und wegen seiner emotionellen Stellungnahmen die Geduld des Benutzers auf eine harte Probe stellt. Ich beschränke mich auf die wichtigsten Punkte. GRAF bestimmt den I n d . als merkmallose Form; seine Funktion besteht darin, etwas als "wirklich" zu bezeichnen (unabhängig davon, ob das Bezeichnete tatsächlich wirklich ist), "indem e r n i c h t etwas a l s "nicht-wirklich" darstellt." (135) Demgegenüber ist der K die merkmalhafte Form, die die Äußerung als "gültig in einer anderen Welt" kennzeichnet ( U O f f ; GRAF bezieht sich darin auf MORGAN 19&9). GRAF betrachtet "dies in der Tat für die e i n e (Kjv. I u n d K j v . I I g e m e i n s a m e ) Funktion des Modus K j v . i n seiner Opposition zum Modus Ind." ( 1 4 1 ) Die Kennzeichnung der "anderen Welt" kann auch durch andere sprachliche Formen geleistet werden i lexikalische Mittel,

30

Tempora, Tempus- und ModalpartikeLn) t so daß der K v.a, dort eingesetzt wird, wo diese Kennzeichnung nicht ausreicht oder mißverständlich ist ( i R j 148f). GRAF hat damit die strukturelle Punktion des K im wesentlichen richtig bestimmt (3. dazu genauer unten 1.4.) und auch die Wirkung des Ökonomiefaktors zutreffend beschrieben, ohne allerdings die genauen Zusammenhänge von Heltindizierung und sprachlichen Formen deutlich herauszustellen. Auch sonst sind seine ausführlichen theoretischen Erörterungen für den Aufbau der anschließenden empirischen Untersuchung weitgehend folgenlos geblieben. 1.3.4.12. In der Untersuchung von ZÜST (1977) über den Modusgebrauch in Briefen wird keine eigene Moduatheorie aufgebaut. ZÜST übernimmt die Beschreibungen des Modusgebrauchs von GLINZ und FLÄMIG, wie seine Bestimmung der Grundfunktion des K1 als "ohne Gewähr für die Realisierung des ausgedrückten Geschehens" (35) zeigt. Bemerkenswert ist die Zusammenstellung von sprachlichen Eigenschaften regierender Sätze, die die Modussetzung in abhängigen Sätzen beeinflussen ( 4 0 f f ) . Diese Abhängigkeiten erlauben ZÜST die Unterscheidung zwischen möglicher und nicht-möglicher K-Setzung im NS. Problematisch ist hingegen die Beschränkung auf den K1; für den K2 werden andere sprachliche Bedingungen angegeben ( 2 0 3 f f ) . 1.3.4.13. Die Arbeit von WICHTER (1978) wird bei der Erörterung der hypothetischen Konditionalsätze genauer besprochen ( B d . 2). Sie enthält eine überzeugende strukturelle Analyse des "irrealen" K2, die dort näher erläutert wird. Der K1 wird nicht mit gleicher methodischer Strenge untersucht, in diesem Bereich ergeben sich keine wesentlichen neuen Erkenntnisse. 1.3.4.14. BAUSCH (1979) behandelt die unterschiede im Modusgebrauch zwischen geschriebener und gesprochener Sprache, ohne ein eigenes Modussystem aufzubauen. Er versteht seine Arbeit als Plädoyer für einen semantisch-pragmatischen Beschreibungsansatz in der Modusuntersuchung und gegen die präskriptive Tendenz der traditionellen und systemlinguistisch ausgerichteten Grammatiken. Seine Arbeit enthält eine Reihe von überzeugenden Einzelanalysen, auf die bei den betreffenden Stellen verwiesen wird. 1.3.5. Die im folgenden Abschnitt zusammengestellten Arbeiten beruhen auf generativer Methode, teilweise auf der Methode der Generativen Semantik. Ich referiere hier auch Untersuchungen, die sich nicht auf das Deutsche beziehen, weil durch das hier angewendete Modell eine übereinzelsprachliche Beschreibungsmethode angestrebt wird. Dadurch war es allerdings notwendig, Arbeiten aus dem Bereich von nicht-deutschen Sprachen nur in beschränkter Auswahl aufzunehmen. Ich bespreche daher nur solche Arbeiten, deren Methode weitere Verbreitung erlangt hat oder die als Vorbild für andere Untersuchungen aufgefaßt werden können, 1.3.5.1,

Das Modell aus CHOMSKYs "Syntactic Structures" wird in BIERWISCHs

3l

(1963) Untersuchung der deutschen Verbalsyntax verwendet. Nach BIERWISCH haben Tempus und Modus keine selbständige Bedeutung, der K ist daher immer von anderen sprachlichen Elementen abhängig. Für den (in traditioneller Sicht) "freien" K erweist sich die Auffassung der Abhängigkeit von einem elliptisch ausgelassenen Teilsatz. Für Sätze mit auffordernder Bedeutung im K l postuliert er semantisch-grammatische Verwandtschaft zu Imperativsätzen (vgl, auch WINDFUHH 1967), für den K2 in irrealen Wunschsätzen Eliminierung des Matrixsatzes; er gibt aber selbst zu, "daß eine grammatische Charakterisierung der als Bedingung für M2 C= K2°) möglichen Elemente vorläufig nicht möglich erscheint", da auch andere Strukturen die Funktion der Bedingung haben können. "Dieser Teil der Theorie des Konjunktivs ist also noch völlig offen." (159) Vgl. zur Kritik SCHWARTZ (1973= 53D1.3.5.2. Die Arbeiten von LAKOFF (1968) und RUZICKA (1972) postulieren in Übereinstimmung mit der Methode der Generativen Semantik die Abhängigkeit der freien K-Setzung von abstrakten performativen Verben; dadurch kann zwar eine einheitliche Beschreibung der Satztypen erreicht werden, da es aber für diese Verben keine vom Oberflächenmodus unabhängige Evidenz gibt, können weder konkrete Regeln für den Modusgebrauch angegeben werden, noch kann mit diesem Modell die K-Setzung auf irgendeine Weise "erklärt" werden - die Methode der abstrakten Verben hat damit nur die Funktion einer Beschreibungsvereinfachung, Während bei RUJlCKA die Zahl der abstrakten Prädikate beschränkt ist (IMPER, HORT, POSSIBILE, H O N ) , haben sie bei LAKOFF eine auffällige Ähnlichkeit mit den traditionellen Gebrauchstypen der Modi. 1.3.5.3. Ulrike SCHWARTZ (1973) übernimmt in ihrer Untersuchung die Standardtheorie (das "Aspects"-ModelD. Charakteristisch für ihre Modustheorie ist die strikte Trennung von K1 und K2; Ind., Imp. und K2 werden entweder als Kategorien oder als Merkmale in der Basis repräsentiert; der K 1 wird davon ausgenommen, weil er von SCHWARTZ als morphologische Variante zum Ind. betrachtet wird. SCHWARTZ zufolge bleiben "die morphologischen Charakteristika der Verbalmorpheme ( " . . , * ) bei deren Basis-Repräsentation weitgehend unberücksichtigt." (89) Imp. und K1 werden demnach alternativ abgeleitet. Es steht aber außer Frage, daß K1 und Imp. ganz verschiedene sprachliche Funktionen haben, so da£ eine gemeinsame Ableitung nur für einen Teilbereich der Gebrauchsmöglichkeiten als plausible Hypothese gelten könnte. Der Bereich der verschiedenen Funktionen ist jedenfalls weitaus größer als der von gemeinsamen Leistungen, wie aus jeder ausführlicheren Grammatik hervorgeht. Solange keine explizite Regel dafür angegeben wird, welche Form nun tatsächlich auf der Oberfläche erscheint, sind derartige Hypothesen wertlos. Diese Problematik zeigt sich besonders deutlich in der iR. Zum Verhältnis von K1/2 (11 f f ) diskutiert SCHWARTZ zwar auch die GLINZsche Unterscheidung "nur anzunehmen - nur denkmöglich'1 (1 ), sie meint aber, daß diese Differenzen "allenfalls erst aus den jeweiligen Kontexten entnommen werden können." Das widerspricht aber auch den Ergebnissen der Untersuchung JÄGERS (1971: 265f), die sie sonst kritiklos

32

übernimiat. Auch der Modus in Antezedens von Konditionalsätzen wird transformationell eingeführt; die Entscheidung zwischen Ind. und K2 ist von Oberflächenbedingungen abhängig, weil hier eine Austauschbarkeit ohne Bedeutungsänderung möglich sein soll ( 1 0 1 ) , Das ist aber zweifellos nicht richtig (s. Bd, 2 ) . Ebenso 1st die syntaktische Abhängigkeit von K2 und modalen Adverbialien keine Lösung, denn diese Adverbialien können fehlen, ohne daß die entsprechenden Sätze ungrammatisch werden, 1.3.5.**. SEILER (1977) analysiert das altgriechische Modalsystem am Beispiel von Konditionalsätzen, L1GHTFOOT (1975: 23) bezweifelt mit guten Gründen einige Elemente aus SEILERs Tiefenstruktur, auf die ich hier nicht näher eingehe. Das grundsätzliche Problem scheint mir aber die Disjunktion in S-j zu sein, wodurch zwei "Weltzustände" suggeriert werden: Entweder $2 oder 83. Das 1st aber nicht das, was man mit derartigen Sätzen ausdrücken w i l l , sondern die Negation des Antezedens-Geschehens steht für den Sprecher fest, und es ergibt sich daher auch gar keine Alternative. Zu den abstrakten Verben wurde bereits alles Notwendige gesagt; es bleibt nur noch zu fragen, warum ausschließlich ein CLAIM-PrMdikat stehen muß. In Konditionalsätzen wird schließlich nicht immer etwas gefordert, sondern es kann ja auch etwas nur ausgesagt oder behauptet werden. Wenn aber der Ansatz der disjunktiven Struktur nicht aufrecht erhalten werden kann, so fällt auch damit die Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Opt. und K, weil auf diese Weise auch das für den K charakteristische Merkmal ("dissoziativ") ausfällt. Eine Eliminierung des CLAIM-Prädikats würde zwar die Differenz zum K wieder herstellen, verhindert aber dann eine Unterscheidung zwischen O p t . , Ind. und Präteritum. LEHMANN (1973) übernimmt das SEILERsche Modell der disjunktiven Struktur, faßt sie aber konsequenterweise als Präsupposition, ohne damit an der grundsätzlichen Problematik etwas zu ändern. 1-3.5.5. Ebenfalls problematisch ist die Arbeit von LIGHTFOOT (1975), in der das Modalsystem des Altgriechischen dargestellt wird. K und Opt. werden nicht wie bei LAKOFF aus Komplementen abgeleitet, sondern sie bezeichnen das Futurum und stehen in Sätzen ohne Existenzpräsupposition. Nach diesem Ansatz wird allerdings nicht nur die Ableitung der verschiedenen Gebrauchsweisen von K und Opt. problematisch, sondern auch ihre Abgrenzung zum Ind. (der ja auch oft ohne Existenzpräsupposition verwendet wird) und zum morphologischen Futurum. Wenngleich LIGHTFOOTs Arbeit den sprachlichen Fakten nicht gerecht wird, so enthält sie doch viele treffende Bemerkungen zu neueren linguistischen Theorien. 1.3.5.6, Die letzte zu besprechende Arbeit ist GERSTENKORNS (1976) Untersuchung des deutschen Modalsystems. GERSTENKORK übernimmt ebenfalls die Theorie der Generativen Semantik, erweitert sie aber durch den Einbezug von Elementen der Sprechakttheorie. Ich halte sein System trotz teilweise berechtigter Kritik noch immer für die beste und vollständigste Beschreibung des Mo-

33 dus auf generativer Basis. Gerade wegen seiner Vollständigkeit sind seine Tiefenstrukturen allerdings überaus kompliziert - das ist aber an sich kein Gegenargument, wenn man etwa an die noch komplizierteren Strukturen bei ROSS (1969} denkt. Wenn auch sein System "ein kolossales, aber schlecht fundiertes und schlecht zementiertes Gebäude" (VATER 1977: 455) ist, so ist es das hauptsächlich wegen der Baufälligkeit der generativen Theorie selbst. Tatsächlich lassen sich, sieht man von Problemen im Bereich der hypothetischen Konditionalsätze ab, praktisch alle Sätze der deutschen Sprache in diesem Modell beschreiben - ein "gewaltiger Mechanismus" für eine tatsächlich gewaltige Leistung, welche die anderen referierten Arbeiten weit ü b e r t r i f f t . Außerdem scheinen mir GERSTENKORNS semantische Merkmale psychologisch besser fundiert als jene der KATZ-FODOR-Semantik (s. daau HÖRMANN 1976). - Wegen seiner Kompliziertheit kann ich hier allerdings GERSTENKORNS Modell auch nicht ansatzweise darstellen. Ich beschränke mich auf die Ableitung der K-Formen. GERSTENKORN setzt zwei "Tiefenmodi" an, MOD/IST und MOD/SEI, wobei MOD/IST für den Akt des Behauptens im weiteren Sinn, MOD/SEI für den Akt des Heisehens im weitesten Sinn steht ( 2 6 7 ) . Diese Unterteilung ist der von GLINZ ähnlich, sie bezieht sich allerdings nicht auf Formalklaasen, sondern auf Inhaltsklassen als Klassen von Sprechakten. Daher kommen bei beiden "Tiefenmodi" a l l e Modusformen vor (mit Ausnahme von Imp. bei MOD/IST). Der Oberflachemoodus wird durch zusätzliche semantische Merkmale in der Tiefenstruktur und durch satzgefügetypische Verkettungen bestimmt, GERSTENKORN gibt allerdings keine expliziten Regeln an, so da£ ein genaueres Referat hier nicht notwendig ist. Ausführlicher ist die Tiefenstruktur der iR ausgearbeitet ( I 6 4 f f ) ; GERSTENKORN betrachtet hier offensichtlich die Modi als Ausdruck für die Stellungnahme des Sprechers. Originell ist die Herleitung des Ind. als Verkettung von MOD(MAT) des Inhaltssatzes mit dem METAMOD des Sprechers, woraus sich als tiefensemantisches Merkmal + AKZEPTIERT " ) ergibt. 1.3*5.7. Aus der Zusammenstellung der generativistischen Arbeiten geht hervor, daß sie keinen eigenen Beitrag zur Modustheorie leisten. Folgende Probleme sind dafür charakteristisch: 1. Die Definition des K nach Gebrauchstypen wird von der "traditionellen" Grammatik übernommen. 2a. Die Modusformen werden aus tiefensemantisehen Prädikaten abgeleitet, für deren Vorhandensein keine Regeln angegeben werden, und die selbst nicht weiter begründet werden können, bzw. 2b, die Modusformen werden von einem (oder mehreren) abstrakten Verb(en) abgeleitet, dessen (deren) Existenz ebenfalls nur durch die Modusformen selbst erschlossen werden kann. 3. Mehrere Oberfllchenformen werden aus wenigen tiefensemantischen Elementen abgeleitet, so daß die Differenzierung der einzelnen Modalformen auf der Oberfläche (Modalpartikeln und -verben, K 1 , K2, Opt., Imp., teilweise auch Tempusformen) schwierig bis unmöglich wird. 4. Der Unterschied zwischen Begriffsbedeutung und Beziehungsbedeutung kann im Rahmen der Generativen Semantik nicht dargestellt werden.

34 1.4.

Die Modustheorie WUNDERLIs

1.4.0. Im größten Teil der bisher besprochenen Arbeiten wurde keine strukturelle, sondern eine f u n k t i o n e i l e Definition der Modusformen gegeben. Eine funktioneile Definition beruht auf dem sprachlichen Inhalt (bzw. der sprachlichen Leistung) der entsprechenden Formen; eine allgemeine Definition für den gesamten Modalbereich ist etwa die Formulierung "Stellungnahme des Sprechers gegenüber dem Aussageinhalt". Diese D e f i n i t i o n umfaßt sowohl den Unterschied zwischen den einzelnen Satzarten (Aussage, Frage, Befehl) als auch die Stellungnahme gegenüber der Gültigkeit des Aussageinhaltes, In diesem Sinn sind Definitionen wie "eingeschränkte Gültigkeit" oder "Nicht-Übernahme der Gewähr für die Richtigkeit des Geschehens" usw. zu verstehen, und auch die herkömmlichen Definitionen nach den Gebrauchstypen behalt e n a l s funktioneile Definitionen ihren Wert. Eine s t r u k t u r e l l e Definition des K kann aber weder eine bestimmte Grundbedeutung noch einen Coder mehrere) Gebrauch3typ(en) wiedergeben. Sie muß die Funktion der sprachlichen Formen im R e l a t i o n s g e f ü g e d e r Sprache (langue) b e stimmen u n d wird daher notwendigerweise a b s t r a k t sein; weiters m u ß eine strukturelle Definition n e g a t i v formuliert werden, gemäß d e m Prinzip SAUSSUREs, daß es "in der Sprache ('...'} nur Verschiedenheiten o hne p o s i t i v e E i n z e l g l i e d e r" gibt (SAUSSURE 1967: 143). Eine strukturelle Definition des K muß also sagen, was der K n i c h t ist. 1.4.1. Diese geforderten Eigenschaften hat die Modustheorie Peter VfUNDERLIs, die hier deshalb kurz referiert werden soll (nach WUNDERLIs - abgekürzt zitierter - K-Untersuchung und WÜNDERLI 1976: 1 - 27). Auf den Hintergrund seiner Modustheorie, die "chronogenese" GUILLAüMEs, kann ich hier nicht eingehen; vgl. dazu WUNDEHLI ( 1 9 f f , bes. 20/Änm. 4 ? ) . WUNDERLI (1976: 4/ Anm. 15-17), VALIN (1955) und besonders WILMET (1972). Zur wissenschaftsgeschichtlichen Einordnung GUILLAUMEs s. MARTIN (1975: 30ff, 7 7 f f , 8 5 f f ) , WUNDERLI (1973) und dazu HEWSON (1976: 325ff). Zu WUNDERLIs Modustheorie s. zuletzt OESTERREICHER (1981: 257 - 274). Das folgende Referat beruht auf WUNDERLI (1976; 1- 2 7 ) . 1.4.2. WUNDERLI geht davon aus, daß die Funktion eines Morphems in der langue nur sehr allgemeine Werte ergeben kann, weil der semantische Gehalt bei weitem Anwendungsbereich nur sehr gering und vage ist ( 4 ) , Der formale Aufbau der grammatischen Kategorien eines Verbs bildet die Grundlage für eine Hierarchie der Verbformen, geordnet nach der Vollständigkeit der Informationen über das bezeichnete Geschehen. Diese Hierarchie bezeichnet WUNDERLI als "Aktualisierung" und versteht darunter "die Klassifikation der Verbformen nach dem Vorhandensein einer kleinen oder größeren Zahl von für die vollständige sprachliche Fixierung des Verbinhalts notwendigen Zügen" ( 1 0 ) :

35 Form

Inhalt

Aktualisierung

Infinitiv

Semantem ·»- Angabe 'Verb'

Nullaktualisierung

Partizip

Semantem +· Angabe 'Verb' -i- Scheidung accompli/ accomplissement

Minimalaktualisierung

Konjunktiv

Semantem + Angabe 'Verb' -*· Scheidung accompli/ accomplissement + Personalgliederung

Teilaktualisierung

Indikativ

Semantem ·*· Angabe ' V e r b ' + Scheidung accompli/ accomplissement + Personalgliederung + Tempusgliederung

Vollaktualisierung

In WUNDERLIs älterer Arbeit (1970) steht anstelle von "Semantem" in diesem Schema "Prozeß". Von der Virtualität (Nullaktualisierung) bis zur Aktualität (Vollaktualisierung} ergeben sich also vier Aktualisierungsstufen. Jeder höhere Rang in dieser Hierarchie gibt immer ein zusätzliches Merkmal an. Die Leistung der nicht-vollaktualisierten Formen besteht darin, daß sie dort eingesetzt werden, "wo eine Fixierung hinsichtlich der auf der (den) nachfolgenden Hierarchiestufe(n) zusätzlich vorhandenen Merkmalen nicht möglich oder nicht wünschenswert erscheint." (11) Die K-Setzung ist daher eine Aktualisierungsraöglichkeit, deren Einsatz im wesentlichen von sprachökonomisehen Faktoren bedingt ist. Die Einsparung liegt "im Verzicht auf die temporale Gliederung bzw. den sprachlichen Ausdruck der temporaldeiktisehen Beziehung zur Sprecherorigo im betreffenden V e r b . ™ ( 1 1 ) Diese Ansicht setzt voraus, daß K1 und K2 keinen Tempusunterschied ausdrücken, was im N f r z . durchaus wahrscheinlich ist, aber für ältere Sprachstufen sicher nicht z u t r i f f t . WUNDERLI erklärt den K2 im N f r z . teilweise als Konkordanzphänomen (Zeitenfolge), teilweise als Eventualitätsausdruck durch eine Tempusmetapher (nach HEINRICH). Seine Argumentation ist in diesem Punkt nicht ganz geschlossen (1970: 5 ^ ) , v.a. deswegen, weil im Hfrz. und auch vereinzelt im tifrz, der K2 noch gelegentlich temporalen Wert haben kann, "Man kann hier an eigentliche Reste der alten Funktion denken, man kann aber auch annehmen, durch seine Positionsvariante nach Vergangenheitstempora werde dem Subjonctif II der Tempusausdruck irrtümlicherweise wieder neu zugeschrieben. Die zweite Möglichkeit scheint mir hier wahrscheinlicher zu sein." (5t) Da sich dieser Tempusunterschied jedenfalls nicht auf das Futur erstreckt und überhaupt nur sehr beschränkt angewendet werden kann, spricht WUNDERLI (1976: 13) hier von einer "minimalen Tempusgliede-

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rung". Unten ( 2 . 1 . 6 . ) wird zu zeigen sein, daß auch die Teilnahme an der Tempusopposition innerhalb WUNDERLIs Aktualisierungsschema dargestellt werden kann. 1.4.3. Wenn nun auf diese Weise der (abstrakte) Wert des K in der langue definiert wurde, so ist damit noch nichts Ober seine Verwendung im discours gesagt. Der generelle G r u n d w e r t ist eben nur die Grundlage für die Verwendungsarten dieser grammatischen Kategorie in der parole; diese Verwendungsarten können natürlich auch klassifiziert werden und sind dann N u t z w e r t e , die in der sprachlichen Norm festgelegt sind. Das» was die traditionelle Grammatik bisher auf Gebrauchstypen erforscht hat, sind eben diese Nutzwerte, und auf dieser Ebene sind Ausdrücke wie volitiver, optativer, dubitativer usw. K berechtigt (21f). Der Sprecher verwendet den Grundwert des K, um mit ihm einen bestimmten Nutzwert zu erreichen und einen angestrebten Sinneffekt zu erzielen. Diese Nutzwerte sind es, welche außersprachlichen psychologischen Faktoren unterliegen und natürlich auch soziolinguistisch und stilistisch klassifizierbare Sprachmerkmale ausmachen. Man muß hier also streng unterscheiden zwischen abstraktem Grundwert in der langue und konkretem Nutzwert i n d e r parole: e i n Grundwert h a t m e h r e r e Nutzwerte. Damit ist auch die Einheitlichkeit der grammatischen Kategorie auf der Ebene der langue gewahrt, 1.4.4. Wenn nun der K als teilaktualisierte Form die temporaldeiktische Relation zur Sprecherorigo nicht markiert, so ist er dadurch nicht in der Lage, einen autonomen Verbalausdruck zu bilden. Darin scheint ein Widerspruch zu liegen, da er ja aus dem System abgewählt und in der Rede aktiviert werden kann. "Um diesen Widerspruch aufzulösen, gilt es einmal zu scheiden zwischen faktischer Abhängigkeit von der Sprecherorigo und sprachlichem Ausdruck dieser Beziehungen: die Sprache braucht nicht immer alle möglichen Relationen zum Ausdruck bringen, sie kann - ja muß - oft auf die Fixierung bzw. Explizierung einer oder mehrerer Komponenten verzichten (u.a. aus ökonomischen Gründen!)." (15) Der Inhalt der Rede muß in temporaler Hinsicht fixiert werden, "aber diese Fixierung braucht nicht unbedingt bei jeder Gelegenheit ( d . h . jedesmal, wenn ein Verb auftritt) wiederholt zu werden. Wir sprechen ja nicht in isolierten Verben, sondern in Sätzen und Texten: der Text ist die Komounikations-, der Satz die Aktivierungseinheit. Es scheint nun so zu sein, daß innerhalb eines Satzes die Beziehung zur Sprecherorigo mehr oder weniger zwingend nur einmal markiert werden muß, sofern diese Beziehung für den ganzen Satz bzw. seinen Aussageinhalt die gleiche ist," (15f) Der K ist also in dieser Hinsicht immer abhängig und bezeichnet eine nicht abgeschlossene Handlung; er kann nur gesetzt werden, wenn er sich auf ein vollaktualisiertes Element bezieht. Diese Beziehung nennt WÖNDERLI "Inzidenz" und definiert sie als "Abhängigkeit einer nicht vollaktualisierten Form in der Bede von einem vollaktualisierten Element zur Ergänzung der fehlenden Komponente(n)." (16) Bei abhängigen Sätzen (Inhaltssätzen) richtet sich die Inzidenz auf das vollaktuali-

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sierte Verb im HS. Aber auch in unabhängigen Sätzen liegt Inzidenz bei der KSetzung vor, und zwar nicht zu einem sprachlichen Element, sondern direkt zur Origo des Sprechers. Das ist auch bei abhängigen Strukturen möglich, wenn in einer "sekundären Modalisierung" eine direkte Verbindung zur Sprecherorigo vorliegt. "Diese inzidierte Sprecherorigo ist in der Segel situationeil gegeben, sie kann aber auch kontextuell fixiert sein," ( 1 7 ) Vgl. folgende Beispiele von Inzidenz:

11 veut

tu le fasses

que

K: f J Zeitstufe

uns lettre, Partizip: Zeitstufe Person

le faire Infinitiv:

Aktionsstand

I n drei Situationellen Grundtypen k a n n d e r K stehen: 1. Der häufigste Fall Ist die Wiedergabe eines Prozesses, der nicht der Realität angehört und nur in der Vorstellung der ihn denkenden Personen existiert. 2. Der Sprecher nimmt zum Beurteilungsgegenstand kritisch Stellung und betrachtet ihn im Gegensatz zum Protagonisten nicht als Realität, sondern als Vorstellung des Protagonisten. 3. Der Prozeß bildet nur den Hintergrund für einen besonders herauszustellenden Hauptprozeß ("reliefgeberischer" Gebrauch).

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1.4.5. Der Unterscheidung der Inzidenzverhältnisse in abhängige und unabhängige Sätze entsprechen zwei verschiedene Arten von Modussetzung. Die autonome Setzung ist dann vorhanden, wenn der Sprecher das bezeichnete Geschehen als erwünscht, erhofft, nur vorgestellt usw. darstellt. Daneben ist nun auch eine dependents Setzung möglich, und zwar dann, wenn ein bestimmtes Element im Satz die Aktualität dea Verbalinhaltes in irgendeiner Weise festlegt. Im Prinzip können ganz verschiedene Elemente eine solche Festlegung bewirken. Im obigen Schema war es z.B. ein Vf im Träger sät z, dessen Semantem einen nicht-aktuellen Objektsatzprozeß voraussetzt. Aber auch nicht-verbale Elemente können eine Festlegung des modalen Standes bewirken; dazu gehören z.B. die Abtönungspartikeln, deren Funktionieren auf der Intentionsebene der Sprache bestimmte Gebrauchsrestriktionen von Modus und Modalpartikeln impliziert (pragmatische Faktoren müssen untereinander kompatibel sein; vgl. dazu WEYDT 1969). Die Wechselwirkung zwischen Modus und Modalwörtern hat SPRANGER (1969: 213ff) besonders genau beschrieben. Voraussetzung dafür ist allerdings das Funktionieren innerhalb eines Satzes. So bemerkt SPRANGER (2l 1 *), daß "der Bezug des Modalworts der Potentialität auf ein außerprädikatives Syntagma ( " . . . " } keine Wechselwirkung mit der Kategorie des Modus z u ( " l ä ß t e ) , da in diesem Falle beide Mittel der Modalität verschiedenen Stufen der syntaktischen Hierarchie angehören." Dazu gehören aber auch Wörter, die die Funktion des Satzes in bezug auf einen anderen Satz bezeichnen bzw. das inhaltliche Verhältnis zweier Prädikationen angeben, wie bestimmte Adverbien und Konjunktionen. In allen diesen Fällen steht es dem Sprecher nicht mehr frei, seine Einschätzung der Aktualität des Geschehens wie in der autonomen Modussetzung darzustellen, sondern er ist bereits durch die Wahl eines dieser Elemente in einer bestimmten Weise festgelegt. Diese Zusammenhänge können auf logisoh-semantischer Ebene beschrieben werden {s. unten 3.2.). 1.4,6.1. Im Fall der dependenten Modusaetzung, also bei kontextueller Fixierung der Inzidenz, muß allerdings noch ein besonderes Problem kurz besprochen werden. Als Beispiel sei das im obigen Schema zitierte Inhaltssatzgefuge noch einmal angeführt: II veut que tu le fasses. Inhaltssätze fUllen eine Objekts- oder Subjektsposition aus und stehen somit an der Stelle einer obligatorischen Valenzposition, In diesem Fall liegt also Inzidenz zu einem vollaktualisierten Verb im HS vor. Nun kann aber die Teilaktualisierung im NS grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten interpretiert werden. Die erste Möglichkeit entspricht etwa dem Ansatz der traditionellen Grammatik: im HS ist ein volitives Verb vorhanden. Der Objektsprozeß ist erwünscht oder erwartet, so daß man die Teilaktualisierung im Inhaltssatz als K mit zielgerichtetem Nutzwert verstehen könnte, ERDMANN z.B. würde einen solchen Satz als Finalsatz klassifizieren. Auf logisch-aemantischer Ebene sind derartige Sätze natürlich keine Finalsätze, weil sie keine obligatorische Valenz ausfüllen, sondern als freie Angabe bei jedem Satz stehen können. Abgesehen von der logischen Relation ist aber die sprachliche Leistung durchaus vergleichbar. Die zweite Möglichkeit läßt sich mit WUNDERLI als Reliefgebung beschreiben. Die Reliefgebung

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ist aber ein Ergebnis der sprachlichen Ökonomie, der K steht hier als "Sparform" (WUNDERLI beruft sich mit dieser Ansicht auf KALEPKY und WEINRICH). Die Reliefgebung liegt dann vor, wenn der Sprecher an der Realität des betreffenden Geschehens nicht zweifelt, aber den Satzinhalt im Vergleich zum Inhalt des anderen Teilsatzes als weniger wichtig betrachtet. Der Sprecher will damit das Hauptgewicht der Aussage, die kommunikative Dynamik, auf den vollaktualisierten Teilsatz konzentrieren. Damit gerät man aber in ein Interpretationsdilemma, Wenn z.B. ein teilaktualisierter Inhaltssatz von einem HS abhingt, dessen Vf-Semantem einen vollaktualisierten NS erlauben würde {wie etwa wissen als faktives Verb, s, unten 4 , 6 . ) , so kann die K-Setzung sowohl als autonome Modussetzung als auch als Reliefgebung interpretiert werden. Die autonome Modussetzung als direkte Stellungnahme des modalen Subjekts könnte z.B. das Objektsatzgeschehen als erwünscht oder als nur angenommen ausweisen, während die Reliefgebung keine solche Interpretation gestattet, sondern eine ausschließlich ökonomisch bedingte Teilaktualisierung bewirkt. Man wird erwarten können, daß in der größten Zahl der Fllle Paktoren auf dem Kontext bzw. der Konsituation eine Entscheidung zwischen Reliefgebung und autonomer Modussetzung ermöglichen. Diese Faktoren sind aber in der Untersuchung von Korpussprachen doch ein beträchtliches ünsicherheitaelement. 1.1.6.2. Die Frage der Teilaktualisierung als Relief ist tatsächlich schwierig und vielleicht nicht eindeutig zu lösen, WUNDERLI (*!5f) rechnet in diesem Zusammenhang mit "eineCr*) KapriziositSt, die allerdings meist in einer gewissen geistigen Grundhaltung der betreffenden Epochen begründet liegt: man mißt einzelnen Aspekten eines Geschehens das eine Mal eine andere Bedeutung zu als das andere, man schiebt einen anderen Aspekt in den Vordergrund und wählt dementsprechend auch andere sprachliche Ausdruckendttel." Ein Beispiel für diese Unsicherheit ist seine Interpretation des K in Inhaltssätzen nach Verben der Beurteilung (388): "Der Konjunktiv im nachgestellten Objektsatz (nach affirmativem Obersatz) kann sich hier daraus erklären, daß der Prozeß eine Annahme des modalen Subjekts darstellt ("sekundäre Modalisierung*); die Teilaktualisierung kann jedoch auch aus reliefgeberischen Gründen erfolgt sein. In den beiden folgenden Beispielen ist nicht klar, ob der Konjunktiv auf den ersten dieser beiden Faktoren zurückgeht, oder ob sie zu den anderen Prolepsisfillen zu stellen sind: "('es folgen Sätze mit estre droit und jugier*?. Solche Interpretationen sind freilich unbefriedigend, da daraus folgen würde, daß in bestimmten Fällen keine begründete Deutung der Modussetzung gegeben werden kann. 1.1.6.3. Eine kurze Diskussion der Stellen, die WUNDERLI als Reliefgebung versteht, kann hier vielleicht einige Klarheit schaffen. Es zeigt sich nämlich, daß für die meisten Stellen andere, m.M. nach wahrscheinlichere, Interpretationsmöglichkeiten vorhanden sind. So kann der K in den Inhaltsaätzen nach prouver und monstrer 'beweisen' auch Ausdruck der Verpflichtung, also zielgerichteter Modalität, sein, wie es v.a. die Sätze mit prouver (210) nahe

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legen. Die Teilaktualisierung im Komplement nach sembler (276, 282ff) resultiert wohl doch aus dem Semantem des Vf; selbst wenn der Obersatzprozeß eindeutig der Realität angehört, kann doch von diesem Realitätsbezug dadurch abgesehen werden, daß der Sprecher selbst nicht in Erscheinung t r i t t und das Geschehen aus dem Hintergrund berichtet. Eine solche Interpretation ist den von WUNDERLI (283) zitierten Stellen durchaus angemessen. Auch die Fälle von Teilaktualisierung bei Prolepsis des Objektsatzes scheinen mir eine bestimmte Regelhaftigkeit aufzuweisen, so daß auch hier eine feste Interpretationsgrundlage möglich ist. Die Prolepsis (386f) begünstigt wohl dadurch die Teilaktualisierung, daß bei Umstellung der Normalfolge der Teilsätze ein größeres Bedürfnis nach Bezeichnung der syntaktischen Zusammengehörigkeit des Satzgefüges vorhanden ist. Die K-Setzungen bei vorangestellten, mit comme eingeleiteten Kausalsätzen (595ff) sind vielleicht die eindeutigsten Fälle von reliefgebender Teilaktualisierung. Immerhin stehen sie in Themaposition und bezeichnen einen schon bekannten Grund; das Aussagegewicht liegt am folgenden Bezugssatz, Es ist also zumindest sehr wahrscheinlich, daß die Teilaktualisierung bei Prolepsis syntaktisch motiviert ist. Zur rhematischen Funktion der ahd, Prolepsis s, ERMAN (1913). 1.4.6.4. Wie schwierig die Reliefgebung oft zu interpretieren ist, zeigt die Teilaktualisierung in Temporalsätzen mit apres que. GL2TTLI (bei WUNDEHLI 499) betrachtet sie als "absurd"; für WUNDERLI ist "der vorzeitige Prozeß nur Dekor" ( e b d . ) . Im M f r z , steht nur ca. in einem Drittel der Fälle der K. For das N f r z . wird der K nach a_pre_s__ que von den Grammatikern getadelt (ROBERT 1976: 80}, z.B. von MAUGER (1968: 253), der nur den K bei Eventualität gelten läßt und die Zunahme des K-Gebrauchs bei apres que aus analogischem Einfluß nach avant_que herleitet; s. dazu auch GREVISSE (1975: I l 6 0 f f ) . Die Teilaktualisierung in Exzeptivsätzen (WUNDERLI 653) betrachte ich nicht als R e l i e f , da das Exzeptivsatzgeschehen für den HS-Prozeß nicht aktuell 1st. 1.4.6.5, Es gibt daher wohl weniger sichere Fälle von Teilaktualisierung als Reliefgebung im M f r z . , als WUNDERLI annimmt. Dennoch kann das Vorkommen solcher Fälle nicht ganz ausgeschlossen werden, besonders im N f r z . Der Grund dafür dürfte wohl darin liegen, daß der frz, K einen besonderen stilistischen Wert hat und damit das Merkmal einer hochsprachlichen Form erhält. Er kann daher hyperkorrekt gebraucht werden, ähnlich wie das nhd. Präteritum anstelle des Perfekts stehen kann ("A'sthetenpräteritum", TRIER 1968, GREBE 1973: s. auch LATZEL 1977: 4 5 f ) . Der K erhält dadurch einen besonderen emotionellen bzw. expressiven Wert, daß er in Sprechakten mit emotionell-expressiver Färbung gebraucht wird (Wunsch, Befehl u s w . ) . Wenn der K der grammatischen Funktion nach ein Merkmal weniger hat (Temporalgliederung) als der Ind., so hat er bezüglich der expressiv-emotionellen Funktion ein Merkmal mehr:

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Merkmalhaftigkeit der Verbalforra granmat. Funktion Teilaktualisierung

-

Vollaktualisierung

+

express!v-emotioneile Funktion +

Die emotionell-expressive Markierung stimmt mit dem geläufigen Markierungsschema im Modusbereich überein (s. oben 1 . 3 * 4 . 1 0 . ) . Es gibt also zweierlei Ersatzmöglichkeiten im Neutralisierungsfall, eine grammatische und eine funktionale, oder anders ausgedrückt eine syntagmatisehe und eine paradigmatisohe Neutralisierung. Die psychologisch bedingte expressive K-Setzung kommt in nfrz. Inhaltssätzen nach il faut que, vouloir que, avoir peur que vor. In diesen Sätzen steht der K nicht in Opposition zum I n d . , weil er obligatorisch vorhanden ist (s, unten 1 , 4 . 8 . ) . Durch die obligatorische K-Setzung ergibt sich eine Funktionsschwäche im emotiv-expressiven Bereich, so daß als Ersatz "gelegentlich inkorrekte, aber deutlich gekennzeichnete Konjunktivformen des abhängigen Verbs a u f ( " t r e t e n ' ) : aye ( ° e j ° ) , soye ( " s w a j " ) , VOYE C v w a j " ) , croye C ° k r w a j e } . " {RICKARD 1977: 166, phonetische Umschreibungen vom A u t o r ) . Diese Ersatzformen setzen aber voraus, daß keine Inzidenz zum Semantem des HS-Verbs mehr besteht, sondern daß der K voa Sprecher als autonomer Ausdruck der Zielgerichtetheit gesetzt wird. Der Ersatz weist also auf ein Stadium, in dem ein K nach diesen volitiven Verben als Nullmodus in syntagmatischer Neutralisierung stand. Solche Fälle können in der Korpusanalyse problematisch sein, da ein K nach diesen Verben auf beide Arten interpretiert werden könnte. Tatsächlich erleichtert aber der Bezug auf weitere syntaktische Merkmale eine Entscheidung; außerdem wird die Berücksichtigung von Kontext- und Konsituationsfaktoren (wie in diesem Beispiel der volitive Charakter der HS-Verben) in den meisten Fällen genügend Anhaltspunkte für die Interpretation der Modussetzung geben. 1.4.7. Ich halte die Motive für die expressiv-stilistische K-Setzung auch ftlr Korpussprachen rekonstruierbar. Auch diese Vorgänge entsprechen dem Isofunktionalitätsprinzip, hier als Gleichhaltung der emotioneilen Funktion. Ähnlich dürfte der Ersatz des K1 durch den K2 bei Modal- und Hilfsverben als Zitierzeichen im Deutschen bei Sprechern mit restringiertem Kode zu verstehen sein (s. WICHTER 197D. 1.4.8. Die strukturelle Definition des K als Teilaktualisierung erlaubt es aber nicht nur, sämtliche Gebrauchsvarianten auf einen gemeinsamen strukturellen Wert zurückzuführen, sondern es ist damit auch möglich, die Entwicklungen des Modusgebrauches in dependenten Setzungen genauer zu beschreiben und die Bedingungen für Veränderungen im Bereich der modalen Ausdrücke anzugeben.

42

Damit kann das erreicht werden, was oben ( 1 . 2 . 3 . T . ) als Anforderungen für eine Erklärung von Spraelwerä'nderungen betrieben wurde. Die Beschränkung auf dependente Setzungen ist deshalb notwendig, weil bei autonomer Modussetzung die einzelnen Modusformen nur beschrieben und in ihrem Nutzwert interpretiert werden können, während bei dependenten Setzungen die Möglichkeit besteht, syntaktische Abhängigkeiten regelhaft zu erfassen. Die Untersuchung von syntagmatischen Beziehungen auf logisch-semantischer Basis erlaubt eg, die Bedingungen für den Gebrauch von nicht-vollaktuaiisierten Prädikationen festzulegen, weil der Sprecher in diesen Fällen bezüglich der Modussetzung in bestimmter Weise eingeschränkt ist. Man kann also durch Bezug auf das Vf im Trägersatz bzw. auf das Semantem einer Konjunktion im Verhältnissatz eine s t r u k t u r e l le L e e r s t e l l e postulieren. Diese Leerstelle nenne i c h d e n (modalen) E r w a r t u n g s w e r t . Wenn e i n gesetzmäßiger Zusammenhang zwischen dem Element, das die Festlegung des modalen Standes bewirkt, und dem Aktualisierungsstand der dependenten Prädikation besteht, so bedeutet das, daß in einem solchen Fall der K seine Funktion verliert, weil zwischen Ind. und K keine Opposition, sondern eine obligatorische Kombination vorhanden ist Cvgl. dazu KOSCHMIEDER 19&5: 204ff und COSERIU 1975b: 105). MARTINET (1975: 87) bemerkt ausdrücklich: "prenne in il faut que je prenne looks like a subjunctive, but since it was not freely chosen by the speaker, but imposed by the context, it is functionally nil." 1.4.9. Der K verliert hier aber nur seine paradigmatische Funktion, oder, um es mit einem Begriff von OTTO (1965: I 6 f f ) auszudrücken, seine B egri f f s b e d e u t u n g (autosemantische Funktion nach MARTY}. Hingeg e n bleibt d i e B e z i e h u n g s b e d e u t u n g d e s K erhalten, d . h . die Funktion des K ist auf seine sytagmatisehe (nach MARTY: synsemantische) Funktion beschränkt. S. zu den strukturalistischen Entsprechungen dieser Begriffe (z.B. bei FRIES und BLOOMFIELD) OTTO (ebd.) und BRINKER (1977: 4 6 f f ) ; eine ähnliche Unterscheidung hat auch schon STERN (1931: 7 5 f f ) durchgeführt. HERMODSSQN (1952: 18) besteht im Gegensatz zu OTTO mit Recht darauf, daß "die begriffliche Bedeutung ( ' , , . " ) bestimmte syntaktische Beziehungen zur Folge ( 5 h a t ° ) . " ( i . D . h , ) Aus der strukturellen Definition des K als Teilaktualisierung geht nun hervor, daß Prädikationen im K immer u n v o l l s t ä n d i g sind, sei es, daß eine Verbindung zu einem vollaktualisierten Element innerhalb des Satzes besteht, sei es, daß eine Beziehung zur Sprecherorigo vorhanden ist. Diese Unvollständigkeit und Unabgeschlossenheit ist die Grundlage für die Beziehungsbedeutung des K, während die Begriffsbedeutung als funktioneile Leistung die Stellungnahme des modalen Subjekts gegenüber dem Aussageinhalt bezeichnet. Die Beziehungsfunktion des K besteht also darin, daß die betreffende Prädikation dem Element, mit dem sie in Inzidenzbeziehung steht, untergeordnet wird. Im Neutralisierungsfall bezeichnet der K nur mehr die Unterordnung. 1.4.10,

Zusammen mit dem allgemeinen sprachlichen Ökonomieprinzip ergibt

das Isofunktionalitätsprinzip folgende These: Wenn die Bezeichnung der syntagmatischen Abhängigkeit bereits durch eine andere Ausdrucksform gegeben ist, so verliert der K auch seine Funktion als Beziehungsbedeutung, Dadurch kann nun der Ind. an die Stelle des K treten, so daß die T e i l a k t u a l i s i e r u n g wieder ihre autonome (paradigmatische) Funktion als Bezeichnung einer modalen Stellungnahme des Sprechers zurückerhält. Dieses Erklärungsprinzip setzt freilich voraus, daß die Konkurrenzformen für die Beziehungsbedeutung des K systematisch bestimmt werden können. Das ist tatsächlich das schwierigste Problem für eine Korpusanalyse, wie unten ( 3 · 6 · ) bei der Erörterung der Wortstellungstheorien gezeigt wird. 1.4.11.1. Die Bestimmung des modalen Erwartungswertes ermöglicht auf diese Weise Voraussagen über Verschiebungen auf der Ebene der Ausdrucksformen, Eine weitere Einschränkung ist hier allerdings notwendig. Wenn zur Bezeichnung der syntagoatischen Abhängigkeit mehrere Ausdrucksformen zur Verfügung stehen, so könnte m a n prinzipiell annehmen, daß e i n e dieser Ausdrucksformen g e nügt. Dem widerspricht aber die sprachliche Redundanz. So könnte man z.B. erwarten, daß in Inhaltssätzen, die eine obligatorische Valenzposition ausfüllen, grundsätzlich keine Bezeichnung der syntagmatischen Abhängigkeit notwendig ist, da diese Beziehung ohnedies durch die Valenabindung bezeichnet wird. Wenn nun in solchen Fällen der K gebraucht wird, ohne daß eine Interpretation wahrscheinlich ist, so muß die K-Setzung hier redundant sein. Man muß also eine Hypothese über ein bestimmtes Redundanzniveau, möglicherweise nach syntaktischen Kriterien d i f f e r e n z i e r t , haben; diese Hypothese könnte etwa auf typologischer Basis aufgebaut sein. 1.4.11.2, Dieses Problem scheint mir aber nicht sonderlich schwerwiegend, Aus der empirischen Untersuchung ergibt sich meistens dieses Niveau von selbst dadurch, daß die Anzahl der Bestimmungsmögliohkeiten berücksichtigt wird. Das kann am Beispiel des synchronen Wirkens des Ökonomiefaktors gezeigt werden. Schon FLÄMIG (1962: 45) hat anschließend an die Aufzählung der Bezeichnungsmittel für die Abhängigkeit der Aussage bemerkt: "Wo einzelne Elemente stärker betont werden, können andere zurücktreten," Ich führe zwei seiner Beispiele an:

(1) (2)

... man könnte beinahe sagen, daß er ein Epikuräer war. Denkst du aber, Pöbelei ist gesünder denn saubere Sitte, so bist du ein Blödian,

Nach FLÄMIG ist in ( 1 ) die einleitende Konjunktion, in (2) Stimmführung, grammatischer und inhaltlicher Zusammenhang für die Bezeichnung der Abhängigkeit ausreichend. FLÄMIG erklärt dazu: "In allen diesen Fällen steht der Indikativ als Modus der durch den Sprecher nicht beurteilten Aussage, d.h. als Normalmodus der objektiven Wiedergabe von Tatsachen, wenn eine zusätzliche Bezeichnung

der Abhängigkeit oder der unmittelbaren Wiedergabe für nicht notwendig erachtet wird." ( e b d . ) Die "objektive Wiedergabe von Tatsachen" darf dabei nicht so verstanden werden, als ob sich der Sprecher auf die "Tatsächlichkeit" des vom NS bezeichneten Geschehens festlegen würde (dagegen NEUHOFF 1959: 83f). Er tut dies insofern nicht, als er ein verbum dicendi im Trägersatz gebraucht. Ein K hätte hier die Funktion einer autonomen Modalität mit dem Nutzwert "Aussagekennzeichnung" (vgl. z.B. LANG 1961; 37). 1.^.11.3. Etwas genauer ist dieser Ökonomiefaktor von JÄGER (1971a: 75ff) beschrieben worden. Er unterscheidet zwischen Dreifach-, Zweifach- und Einfachbestimmung. Ich gebe seine Einteilung in Tabellenform wieder:

Bestimmung x-fach

Merkmal(e)

Beispiel

3

Trägersatz, Konjunktion, K1 im Komplement

Er sagte, daß er es getan habe.

2

a) Konjunktion, K1 b) Trägersatz, Kl

Daß er es getan habe. Ob er es getan habe, Er sagte, er habe es getan.

Kl

Er habe es getan.

1

Diese Unterscheidung hätte die Grundlage für die Erforschung der Beziehungen zwischen Redundanz und K-Setzung ausmachen können. Es mußte gelten: Je mehr Redundanz (je mehr Bestimmungen), desto seltener syntagmatische K-Setzung. Doch JÄGER hat sich diese Möglichkeit verbaut. Typus 2a und 1 sind für diese Frage nicht relevant, nur 3 und 2b wären vergleichbar, hätte JÄGER auch ihre indikativischen Gegenstücke in die Untersuchung aufgenommen - doch das hätte seinem Kriterium für die iR widersprochen. In den Ersatzproben mit dem Ind. zeigt sich allerdings das erwartete Ergebnis: Bei Typus 3 ist der Ersatz durch den Ind. fast immer möglich, bei Typus 2b deutlich seltener.

45

2,

Die sprachlichen Axiome

2.1.

Das Satzaxiom

2.1.1. Als Ausgangspunkt für eine strukturelle Definition des Satzes wird gewöhnlich die Satzdefinition BLOOMFIELDs herangezogen. BLOOMFIELD (1970: 170) definiert den Satz als eine unabhängige sprachliche Form, die nicht durch die grammatische Konstruktion in einer größeren sprachlichen Form enthalten ist. Eine ganz ähnliche Definition findet sich auch bei AGRICOLA (1968: 10): "Als 'Satz' wird dasjenige Makrosyntagma bezeichnet, das von keiner anderen Struktureinheit abhängig ist und die Kategorie Modalität enthält; ' M o d a l i t ä t ' ist die Fähigkeit einer sprachlichen Äußerung, beim Perzipienten eine Stellungnahme bzw. die Möglichkeit zur Stellungnahme auszulösen," Der Satz als größte Einheit der grammatischen Beschreibung enthält Bestandteile, die distributioneilen Beschränkungen und Abhängigkeiten unterliegen, auf ihn selbst kann aber der Begriff der Distribution nicht angewendet werden. Vgl, zur strukturalistischen Satzdefinition weiters HEGER (1976: 2 7 5 f f ) , zur Problematik der Satzdefinition allgemein NEHRING (1963: 1l3ff mit weiterer Literatur). Die Diskussion innerhalb der deutschen Grammatik faßt SCHMIDT (1973: 246ff) zusammen. Auf die bekannten "Gegenbeispiele" (Einwortsätze, deiktische Elemente, Redewendungen) gehe Ich hier nicht weiter ein Cs. dazu z.B. PFLEIDERER 1940: 41 f f , HOCKETT 1958: 199ff und LYONS 1971: 175ff, weiters die kurze Diskussion bei VERMEER 1971: 56ff). Die Einwortaätze sind Fälle von Superorientierung nach CUSERIU (1980: 156f); COSERIU beschreibt sie als "Möglichkeit, daß Einheiten, die konstitutionell zu einer niederen Schicht gehören, auf einer höheren Schicht "vertretungsweise" funktionieren können, { * . . . " ) . " (ebd.) 2.1.2. BLOOMFIELDs Satzdefinition ist die Grundlage für zwei Axiome, die für die Analyse der logisch-semantischen Relationen innerhalb eines Satzes herangezogen werden. Das eine ist das Satzaxiom von RAIBLE (1972: 5 5 f f ) : Axiom 1

Sätze sind dadurch charakterisiert, daß ihre funktionellen Teile mit Hilfe des finlten Verbs und entsprechender Leerstellen (Fragewörter) zu erfragen sind.

1*6

Das finite Verb ist das konstituierende Element eines Satzes, Der Unterschied zwischen den free und bound forms bei BLOOMFIELD geht letztlich ebenfalls auf ein K r i t e r i u m der Erfragbarkeit zurück, da Lexeme und Syntagmata nur dann selbständige sprachliche Aussagen sind, wenn sie als Antwort auf entsprechende Fragen gebraucht «erden (RA1BLE 7). Wenn man die Ebene, von der aus gefragt w i r d , in die Untersuchung einbezieht, so zeigt sich, daß durch Fragen auf der Textebene die S a t z t e i l e , bei der· Satzfrage auch ganze Sätze erfragt werden können, niemals aber mehr. Wenn man den Sonderfall der Satzfrage (bei der ja nach Bestätigung oder Verneinung gefragt w i r d ) ausschließt, so ist der HS nicht auf der Textebene, sondern nur auf einer Abstraktionsebene (Fragesätze mit t u n , machen, usw.) erfragbar. Damit verläuft die Grenze der Erfragbarkeit einerseits zwischen Lexem und Morphem, andrerseits zwischen Syntagma und Satz. 2.1.3· Hit dein Erfragbarkeitskriterium können weiters noch HS und MS (auf Textebene erfragbar) sowie restriktiver und nicht-restriktiver Relativsatz (Frage mit nominalem Lexem oder Syntagma/Frage mit Konjunktion) unterschieden werden, vgl. dazu ausführlich RAIBLE ( I 6 f f ) . Wichtig ist zunächst die Satzfrage, auf die mit den Satzvertretern ja/nein geantwortet werden kann. Diese A l t e r n a t i v e weist auf die Auffassung des Satzes als logisches Urteil (schon bei ARISTOTELES de i n t e r p r . *J.17a1; weiters z.B. SAPIR 1961: 4 0 ) . Damit ist auch die Grundlage für die Untersuchung der logisch-semantischen Relationen innerhalb eines Satzes gegeben, Vgl. folgende Beispiele:

(1) (2) (3) (4) (5)

Er geht jeden Donnerstag in die Sauna. Geht er jeden Donnerstag in die Sauna? Er soll/muß jeden Donnerstag in die Sauna gehen. Er geht vielleicht jeden Donnerstag in die Sauna. Er gehe jeden Donnerstag in die Sauna./!

Nur (1) ist hier ein logisches U r t e i l , das die WW w oder f haben kann. (2-5) sind keine logischen Urteile und werden auch von der klassischen Aussagenlogik n i c h t berücksichtigt - diese Sätze haben keinen WW. Ich schlage vor, diese Sätze im Rahmen der dreiwertigen Logik BLAUs (1978) den WW u zuzumessen, obwohl sie BLAU nicht berücksichtigt. Die Gründe dafür sehe ich analog den Erörterungen BLAUs, BLAU ( 2 1 f f ) führt zwei Gründe für den WW u an: Vage Begriffe und nicht-referentielle Bezeichnungen, Dafür je ein Beispiel (bei BLAU 4, 556):

(6) (7)

Die Antarktis ist unbewohnt. Der Jupitermond ist größer als der Merkur.

(6) hat deswegen den WW u, weil das empirische Prädikat bewohnt potentiell vage ist: "Was wäre beispielsweise, wenn sich in der Antarktis nur eine auto-

matische Wetterstation befindet? Öder eine, die gelegentlich besucht wird? Oder eine, die mit wechselndem Personal halb- oder ganzjährig besetzt ist, oder mit Dauerpersonal, oder ganzen Familien? Wo beginnt das Wohnen?" (BLAU 23). (7) hat eine nicht-referentielle Bezeichnung, weil der Jupiter 12 Monde hat - solange nicht feststeht, von welchem Jupitermond die Rede ist, b l e i b t ( 7 ) unbestimmt. E i n K r i t e r i u m f ü r d e n WW u i s t d i e A b l e h n u n g der e n t s p r e c h e n d e n F r a g e n : (6 1 ) Ist die Antarktis unbewohnt? (7 1 ) Ist der Jupitermond größer als der Merkur?

Der Befragte wird, wenn er informiert ist ( d . h . wenn ihm die Vagheitsgründe zu 61 und die Unbestimmtheit bei 71 bewußt sind), diese Fragen weder verneinen noch bejahen, sondern (als falsch gestellt) zurückweisen (BLAU 29, 46). Bei geringerem Informationsgrad können natürlich auch (6) und (7) als w oder f beurteilt werden. Es gibt also Sätze, die unter bestimmten Umständen den WW u haben; man darf wohl voraussetzen, daß dieser Fall unter normalen Umständen selten eintreffen wird (außer in fiktionalen T e x t e n ) . Mach meiner A u f f a s s u n g gibt es aber auch Sätze, die unter allen Umständen den WW u haben, und zwar sind es Sätze wie (3-5); wenn man ihre gemeinsame Proposition (8) Er geht jeden Donnerstag in die Sauna? (8 1 ) Geht er jeden Donnerstag in die Sauna?

erfragt, so muß diese Frage entweder zurückgewiesen werden oder mit der entsprechenden Modalität (er soll/muß es, vielleicht, das ist ihm befahlen) beantwortet werden ( f ü r (2) ist nur die Zurückweisung s i n n v o l l ) . Satz (3) ist als Antwort auf die Frage (3 1 ) Soll/muß er jeden Donnerstag in die Sauna gehen?

möglich, also w oder f (objektive Modalität). (3) kann aber auch einen Wunsch oder einen Befehl ausdrücken und erhält dann u (subjektive M o d a l i t ä t ) , s. dazu BENESOVA (1972: 1 9 1 f ) , CALBEHT (1975: 1 3 f f ) , REINWEIN (1977: 2 9 f f ) und LYONS (1977: 787ff). Der gleiche Unterschied besteht bei ( 4 ) : (li 1 ) Es ist vielleicht so, daß er jeden Donnerstag in die Sauna geht. (4 1 1 ) Es ist so, daß er vielleicht jeden Donnerstag in die Sauna geht.

us (14*) hat subjektive Modalität und den WW u, (i* 11 ) objektive Modalität und den WW w oder f. (5) kann zunächst nur als Aufforderung oder Wunsch verstanden werden (obwohl dieser Satz heute als etwas antiquiert erscheinen mag) und erhält daher den WW u. Es gibt somit sprachliche Formen, die mit dem WW u korrelieren: Fragesatzformen, Befehlsform, modale Ausdrücke, K. Diese gemeinsame Korrelation zeigt sich auch darin, daß diese Formen unter bestimmten Bedingungen untereinander austauschbar sind, 2.1.4. Die Satzfrage ermöglicht somit eine weitere Einteilung nach Sätzen mit dem WW w oder f und Sätzen ohne WW bzw. mit dem WW u. Für diese letzte Gruppe besteht die Möglichkeit der Umformung zu explizit performativen Sätzen. LEWIS (197*1: 180ff) vertritt die Ansicht, daß sich dabei Basisstruktur, Bedeutung (meaning), Intension und WW nicht ändern ( 1 8 2 ) , KASHEF (197t: 15ff) beatreitet das, aber mit unzureichenden Argumenten. Nimmt man (3) und (4) in der objektiven Lesart, so ändert sich am WW nichts. Das gilt aber nicht für ( 2 ) , vgl.

(2 1 ) Ich frage dich, ob er jeden Donnerstag in die Sauna geht.

Wenn die Paraphrase in dieser Form durchgeführt wird, so handelt es sich nicht mehr um eine Frage, sondern um die Aussage einer Frage, die wie jede Aussage w oder f sein kann (s. auch HEIM 1977). Solche Sätze sind natürlich seltsam, denn in normalen Sprechsituationen wird man an der Wahrheit der Frage kaum zweifeln können (pragmatische Selbstverifizierung, vgl. GALE 1970, SAMPSON 1 9 7 1 ) » Aufrichtigkeit usw. vorausgesetzt. Das gilt auch für die subjektive Lesart von ( 3 ) :

(3 11 ) Ich befehle d i r , daß du jeden Donnerstag in die Sauna gehst!

ist bei geglücktem Sprechakt immer wahr (s. auch LEWIS 197*t: 185). KASHER (1974: 18) schließt daraus, daß diese Sätze kontingent wahr sind, weil ihr kontradiktorisches Gegenstück ebenfalls immer wahr sein muß. Ein Beispiel ist (3111) Ich befehle dir nicht, daß du jeden Donnerstag in die Sauna gehst.

Satz C3111) ist, sobald er geäußert wird, natürlich wahr. KASHER stößt sich daran, daß dann (3*·*) und (S^ 1 ) gleichzeitig gesprochen/geschrieben wer-

49

den können, was keinen Sinn ergäbe. Schizophrenie des Sprechers ist aber kein Argument gegen die M ö g l i c h k e i t solcher Paraphrasen, wenn man gegen LEWIS nicht an der Beibehaltung des WW festhält. Das geht auch aus KASHERs Beispielen (25-26) hervor, vgl. aus (1) angewendet:

Ich sage dir, daß er jeden Donnerstag in die Sauna geht.

(1*) ist immer w, sobald der Sprecher diesen Satz äußert. Die Wahrheitsbedingungen haben sich aber gegenüber ( 1 ) geändert, denn (1) kann w, a b e r a u c h f sein, während das Satzradikal {= der in ( 1 * ) , daß ^r jeden Donnerstag in die Sauna geht) immer u sein muß, d . h . der Sprecher darf die Wahrheit der Proposition nicht als selbstverständlich voraussetzen (das wäre ein Behauptungs-Fehlschluß, s. dazu SEARLE 1971: 213ff, bes. 225; ähnlich auch schon AMMANN 1967: 147), Zur Methode der Satzradikale vgl. STENIUS (1967, 19&9: 1969: 206ff) und F0LLESDAL (1967). 2,1.5. Meine Ansicht unterscheidet sich von AUSTIN (1972), der mehrfach betont, daß performative Äußerungen nicht w oder f, sondern geglückt oder mißglückt sind. Eine performative Äußerung ist aber, sobald sie gemacht wird, immer w, unabhängig davon, ob sie geglückt ist oder nicht (GALE 1970) - selbst wenn es auch schwierig sein mag, die genaueren Bedingungen für derartige Äußerungen zu formulieren (s. z.B. LEMMOfJ 1962, O'HAIR 1967), Den Standpunkt AUSTINS hat zuletzt GREWENDORF (1979b, 1979c) vertreten, allerdings mit nicht zureichenden Argumenten (SCHRODT 19 , Nachtrag), Gegenüber GREWENDORF (1979c) bestehe ich darauf, daß auch explizit performative Äußerungen Feststellungen sein können, obwohl das vielleicht nicht der "Normalfall" ist. Ein Satz wie

(7)

Ich fordere Sie auf, mir Ihre Versicherung anzugeben)

ist in der von GREWENDORF (207) beschriebenen Situation eine Aufforderung, aber als Antwort auf die Frage "Was' wollen Sie damit sagen?" eine Feststellung, Im letzteren Fall kann man gegenüber (7) genauso reagieren wie gegenüber anderen Feststellungen, a.B, mit "Das glaube ich nicht (Sie wollen mich doch nur zum Narren halten}" oder "Das stimmt nicht, Sie wollen mich doch nur beleidigen!" Der Protest richtet sich also nicht gegen die Feststellung als solche, sondern gegen den Inhalt der Feststellung. Ich halte daher mit den angedeuteten Korrekturen am LEWISschen Standpunkt fest und formuliere folgende Regeln: 1. Die WW-Festlegung in explizit performativen Sätzen richtet sich nach dem Sprechakt, diese Sätze sind daher immer w.

50

2. Werden einfache Sätze (1-5) in explizit performative Sätze (11^ii f j i ü ) umgeformt, so wird der WW der einfachen Sätze in ihrer Funktion als Satzradikal immer u. Es ist offensichtlich, daß Sätze wie (1*) nicht in normalen Situationen geäußert werden, sondern sie können vom Sprecher verwendet werden, um sich aus irgendeinem Grund vom Inhalt seiner Aussage zu distanzieren. Man kann sich dazu leicht Situationen ausdenken. Wenn ein Autolenker seinen Beifahrer fragt, welches Licht die Ampel gerade zeigt (weil er die Ampel selbst nicht sehen kann), und der Beifahrer antwortet mit

(8)

Ich sage dir, daß die Ampel auf "grün" steht,

so ist als Rückfrage denkbar:

(9)

Sagst du das nur (so) oder ist es wirklich so?

KASHER hat daher gegenüber LEWIS recht, wenn er behauptet, daß Paraphrasen als explizit performative Sätze in WW und WW-Bedingungen vom ursprünglichen Satz abweichen. Er· hat hingegen nicht recht, wenn er leugnet, daß jedem Satz ein explizit performativer Satz entspricht. 2.1.6.

Ich formuliere daher ein zweites Axiom:

Axiom 2

Sätze sind dadurch charakterisiert, daß sie entweder einen bestimmten WW (w oder f) haben oder in einen explizit performativen Satz mit bestimmtem WW umgeformt werden können.

Nach dem zweiten Axiom können zwei Arten von Sätzen unterschieden werden: Sätze mit bestimmtem WW und Sätze mit unbestimmtem WW, die durch eine explizit performative Paraphrase in Sätze mit bestimmtem WW umgeformt werden können. Dadurch genügen auch die Sätze (2-5) mit (3-5) in subjektiver Lesart dem Satzkriterium als logischem Urteil. Die explizit performative Paraphrase ist damit nichts anderes als eine explizite Formulierung der Inzidenz als Verbindung zur Spreoherorigo, wobei bei Sätzen wie (5) der genaue Sprechakttypus nicht angezeigt wird, d . h , es wird nur festgelegt, daß dieser Satz nicht als Behauptung zu verstehen ist. Der Zusammenhang zwischen dem WW u und der Teilaktualisierung besteht also darin, daß teilaktualisierte Prädikationen bzw. Sätze mit dem W W u u n v o l l s t ä n d i g sind. D i e explizit performative Paraphrase ergänzt die unvollständige Prädikation zu einem vollständigen sprachlichen Ausdruck und erfüllt damit das Satzkriterium. Sätze mit dem WW u sind keine logischen Urteile; d i e f u n k t i o n e i l e D e f i n i t i o n

5l des K auf einer Ebene mit gleichem Abstraktionsgrad wie WUNDERLIs strukturelle Definition als Teilaktualisierung besteht also darin, daß die Verbalform im K ein U r t e i l z u r ü c k h ä l t , w i e sohon v o n LANG (1961: 39/ Anm. 23) anläßlich der Polemik gegen FLÄMIG (1962: 53ff") mit einem sehr geglückten Ausdruck formuliert wurde; eine ähnliche Ansicht scheint auch SANDMANN (1979, bes. 123) zu vertreten. Die gemeinsame Basis von struktureller und funktioneller D e f i n i t i o n des K ist die Unvollständigkeit (Synsemantie nach MARTY) eines sprachlichen Zeichens.

2,2.

D/W-Partikeln und Vollständigkeitsaxiom

2.2.1. Der Zusammenhang von WW und Vollständigkeit einer Äußerung wurde schon von FREGE (1975) in einem zuerst 1892 erschienenen Aufsatz genau beschrieben. Seine Ergebnisse sind auch für die logische Analyse von Satzgefügen wichtig (s. z.B. HALL-PARTEE 1973, DAVIDSON 1975). Wegen seiner expliziten Formulierungen scheint mir hier ein genaues Referat angebracht, - Nach FFEGE besteht darin die Bedeutung eines Satzes in seinem WW ("Bedeutung" wird bei FREGE immer als Referenz verstanden, während bei ihm der Begriff "Sinn" gewöhnlich als Bedeutung aufgefaßt w i r d ) . Sätze mit gleichem WW haben die gleiche Bedeutung. "Wir sehen daraus, daß in der Bedeutung des Satzes alles einzelne verwischt ist. Es kann uns also niemals auf die Bedeutung eines Satzes allein ankommen; aber auch der bloße Gedanke gibt keine Erkenntnis, sondern erst der Gedanke zusammen mit seiner Bedeutung, d.h. seinem Wahrheitswerte." (50) Der Sinn konstituiert sich somit auf dem Unterscheiden von Teilen innerhalb des Wahrheitswertes, was FHEGE "Urteilen" nennt. Jedem Sinn entspricht eine eigene Weise der Zerlegung. Wenn man daher den Ausdruck eines Satzes durch einen gleichbedeutenden ersetzt, so ändert sich der WW nicht. Das gilt auch dann, wenn der Ausdruck selbst ein Satz ist. 2.2.2, Es gibt nun aber Fälle, wo der WW nicht unverändert bleibt. FREGE nennt als Beispiel die iR (bei ihm "ungerade Rede"). Hier haben die Wörter keine "gewöhnliche" Bedeutung, sondern sie bedeuten das, was gewöhnlich ihr Sinn ist, d.h. einen Gedanken. "Die ungerade Bedeutung eines Wortes ist also sein gewöhnlicher Sinn," (43) Doch "der Gedanke ist hier nicht selbständig. FREGE bemerkt dazu: "Zu den mit "daß" eingeleiteten abstrakten Nennsätzen ("Inhaltssätzen 0 ) gehört auch die ungerade Rede, von der wir gesagt haben, daß in ihr die Wörter ihre ungerade Bedeutung haben, welche mit dem übereinstimmt, was gewöhnlich ihr Sinn ist. In diesem Falle hat also der Hebensatz als Bedeutung einen Gedanken, keinen Wahrheitswert; als Sinn keinen Gedanken, sondern den Sinn der Worte "der Gedanke, daß .,.", welcher nur Teil des Gedankens des ganzen Satzgefüges ist. Dies kommt vor nach "sagen", "hören", "meinen", "überzeugt sein", "schließen" und ähnlichen Wörtern." (51) Für die Wahrheit des ganzen Satzes ist es belanglos, ob der Gedanke wahr oder falsch ist, "Wenn man sagt "es scheint, daß ...", so meint man "es scheint mir, daß ,·.", oder "ich

52

meine, daß ,..". Wir haben also wieder den Fall. Ähnlich liegt die Sache bei Ausdrucken wie "sich freuen", "bedauern", "billigen", "tadeln", "hoffen", "fürchten"." (52) "Der Nebensatz mit "daß" nach "befehlen", "bitten", "verbieten" würde in gerader Rede als Imperativ erscheinen. Ein solcher hat keine Bedeutung, sondern nur einen Sinn. Ein Befehl, eine Bitte sind zwar nicht Gedanken, aber sie stehen doch mit Gedanken auf derselben Stufe. {*..."} Die Bedeutung eines solchen Satzes ist also nicht ein Wahrheitawert, sondern ein Befehl, eine Bitte u. dgl." (53) 2.2.3. Aber auch Adverbialsätze haben als Bedeutung keinen WW, weil sie nur den Teil eines Sinnes ausmachen. Der ist unvollständig und drückt erst zusammen mit dem HS einen Gedanken aus. Der Sinn eines NS kann aber auch ein vollständiger Gedanke sein, "und dann kann er unbeschadet der Wahrheit des Ganzen durch einen anderen von demselben Wahrheitswerte ersetzt werden, soweit nicht grammatische Hindernisse vorliegen." ( 6 l ) Als Beispiel nennt FREGE einen nicht-restriktiven Relativsatz. Als Zeichen des "ungeraden Sinnes" erwähnt FREGE auch den K (53). 2.2.1!, Für die logische Satzanalyse behalten FREGEs Beobachtungen Ihren Wert, selbst wenn er nicht genau angibt, was die Vollständigkeit eines Gedankens ausmacht, in welchen Fällen ein wesentlicher Bestandteil eines HS fehlt und was unter "wesentlich" zu verstehen ist. Doch auch in diesen Fragen ist FREGE auf dem richtigen Weg. Bei den Konditionalsätzen nimmt FREGE ein Merkmal der Unbestimmtheit an, wodurch "der Sinn die Allgemeinheit ( ' e r h ä l t ' ) , welche man von einem Gesetze erwartet." (58) Auch in Lokal- und Temporalsätzen fehlt ein "wesentlicher Bestandteil, nämlich die Orts- und Zeitbestimmung, ( * , . . " } die durch ein Relativpronomen oder ein Fügewort nur angedeutet ist." (57) Nach FREGE fehlt also ein Merkmal der "Bestimmtheit", dessen Vorhandensein erst einen vollständigen Gedanken und damit einen definlten WW ausmachen würde. 2.2.5. Ausdruck wie

(10)

FREGEs Ansicht soll an einigen Beispielen erläutert werden. Ein

+

Weil'ich leidenschaftlich unruhig bin.

mag zwar durch die Interpunktion abgeschlossen sein, inhaltlich ist er aber unvollständig, weil der Ausdruck fehlt, wozu (10) den Grund angibt, hier

(11)

Sie werden es nicht leicht haben mit mir.

Erst (10) und (11) zusammen sind eine abgeschlossene Einheit mit bestimmten WW (das Beispiel nach BOETTCHEF/SITTA 1972; 17), Ausdrücke wie (10) sind weder

53

nach dem ersten noch nach dem zweiten Satzaxiom Sätze. Zunächst entsprechen sie nicht dem ersten Satzaxiom, denn sie sind auf Textebene erfragbar. Weiters kann (10) nicht ohne Änderungen in einen Satz mit definitem WW umgeformt werden. Die Änderung müßte etwa so aussehen:

(10*) Der Grund dafür ist, daß ich leidenschaftlich unruhig bin.

Ähnliche Umformungsmöglichkeiten gibt es auch für andere Verhältnissätze: (12) (12 1 )

-»Damit ich nicht einschlafe. Das Ziel dieser Handlung ist, daß ich nicht einschlafe.

(13) 1 (13 )

+So daß ich fest einschlief. Die Folge davon war, daß ich fest einschlief.

(14)1 (14 )

-«"Während ich geschlafen habe, Während dieser Zeit habe ich geschlafen.

(10, 12-14) sind elliptisch und können in dieser Gestalt nur als Antworten auf die Frage nach Grund, Zweck, Folge und ZeitVerhältnis einer bereits vom Fragenden vorgegebenen Handlung verwendet werden (Warum hast du das getan? Wozu hast du das getan? Zu welchem Zweck hast du das getan? Was war die Folge deiner Handlung? Wann ist das geschehen?) Die expliziten Paraphrasen (10*14 1 ) sind vollständig und haben einen bestimmten WW. Sie enthalten je ein zusätzliches deiktisches Element in anaphoriseher Funktion (dafür, diese, davon), das den Kontextbezug herstellt und so auf den Bezugssatz verweist. Eben dieses deiktische Element macht das Merkmal der Bestimmtheit aus, welches FREGE als konstitutiv für die Vollständigkeit eines Gedankens betrachtet. Es fungiert in diesen Sätzen als Platzhalter für den Bezugssatz, so daß man (1Qi-l4i) als Satzgefüge mit inkorporiertem Bezugssatz und daher als vollständige Sätze ansehen kann. Wenn in der Konjunktion bereits ein deiktisches Element vorhanden ist, ist der Satz vollständig und hat daher auch einen bestimmten WW:

Denn ich bin leidenschaftlich unruhig.

Zu diesen Wörtern gehören die Konjunktionaladverbien wie deshalb, deswegen, daher, trotzdem usw. und ein Teil der Pronominaladverbien wie dadurch, dafür, darum. Sie haben Satzgliedfunktion und daher Zweitstellung des Vf. Fehlt das deiktische Element (Ersatz durch eine mit w anlautende Partikel), so ist der

51 damit gebildete Ausdruck nicht mehr abgeschlossen:

(15) (15*)

Deswegen ist er gekommen. "'"Weswegen ist er gekommen.

(15) ist nur als Fragesatz akzeptabel und hat daher jedenfalls den WW u. Die mit ä_ anlautenden bzw. ein a_ enthaltenden Partikeln weisen durch ihre Etymologie auf eine ursprünglich gemeinsame Funktion als Platzhalter für Bekanntes; die morphologische Eindeutigkeit ist im find, allerdings nicht mehr vorhanden (FLEISCHMAHN 1973: 1 1 9 f f ) . Die sätzverknüpfenden Adverbien und das koordinierende je_nri enthalten also ein gemeinsames seraantisches Merkmal der Bestimmtheit, wodurch die entsprechenden Sätze dem Sinn nach abgeschlossen sind und damit einen definiten WW erhalten. 2.2.6. Das semantische Kriterium der Nicht-Abgeschlossenheit und das logische K r i t e r i u m des nicht vollzogenen Urteils sind die Entsprechungen der Teilaktualisierung auf logisch-semantlscher Basis. Das bedeutet aber, daß die Teilaktualisierung nur eine der Ausdrucksmöglichkeiten ist, die diesem logisch-semantischen Kriterium entspricht. Sie steht damit in einem Paradigma von Ausdruckaforrnen, unter denen die wichtigsten Wortstellung und Nominalisierung sind. Die Äquivalenz von Wortstellung und K wurde oft bemerkt, z.B. von WEINRICH (1971: 154 ) , der darauf hinweist, daß die K-Form von der Entstellung des Vf dispensieren kann (er glaubt, daß er singen kann - er jglaubt, er könne singen). Auf die logische Funktion der deutschen Wortstellungsvarianten haben auch kurz FOURQUET (1969: 363) und FREUNDLICH (1970: 80 - die Inversion übernimmt die Rolle des fehlenden Relators) hingewiesen. Partizip und Infinitiv können daher unter bestimmten Bedingungen die gleiche syntagraatische Funktion wie das teilaktualisierte Vf haben (so schon BALLY 1950: 4 5 ) . Aber auch OTTO ( 1 9 ^ 3 ! 15) hat diese Zusammenhänge erkannt, indem er neben der Beugung auch Wortstellung, Stimmführung und Wortarten (Abstrakta) als Bezienungsraittel (Ausdrucksformen in Beziehungsbedeutung) a n f ü h r t .

2.3·

Die Diachronie der modalen Ausdrucksformen

2.3.1. Ich schließe hier eine Skizze der Diachronie der Ausdrucksformen für die logisch-semantische Funktion der Teilaktualisierung als Dependenzbezeichnung an, wobei ich mich auf den Bereich der Komplementfunktion beschränke. Die vergleichende Rekonstruktion zeigt, daß im Idg. die Skala der Ausdrucksformen für Satzinhalte vom K über I n f i n i t i v b i l d u n g e n bia zu den Abstrakta geht, die schon PORZIG (1942, bes. 4 5 f f ) parallel zum NS und zum Inf i n i t i v als Bezeichnung von Satzinhalten herausgestellt hat. RIX (1973) hat noch einige weitere Bildungsmöglichkeiten für das Idg. rekonstruiert (wichtig

55

v.a. der Genitiv als Kasus der adnominalen Dependenz). In den ältesten rekonstruierbaren Sprachstufen waren es also nominale Formen, die als nicht-vollaktualisierte Kategorien die syntagmati sehe Abhängigkeit vom übergeordneten Element bezeichneten. Diese Bildungen erfüllen die syntaktische Funktion von entsprechenden dependenten Strukturen im heutigen Deutsch. 2.3.2. Man muß also annehmen, daß im Laufe der Sprachentwicklung zum Deutschen nominale Konstruktionen durch teilaktualisierte verbale Ausdrucksformen ersetzt wurden. Es ist an diesem Punkt vielleicht interessant, die Bedingungen für diesen Ersatz zu suchen. Jeder Vergleich mit einer anderen i dg. Sprache, die gegenüber dem Deutschen ein "Vorstadium" repräsentieren muß, kann nichts anderes als hypothetisch sein. Für die Erkenntnis einiger Entwicklungslinien mag vielleicht aber auch ein hypothetischer Vergleich trotz der unsicheren Interpretationslage ausreichen, 2.3-3· Als ein solches "Vorstadium" soll hier das Lateinische herange2ogen werden - v.a. deswegen, weil durch die Arbeiten BOLKESTEINs (1976, 1967/ 77) eine gute Vergleichsgrundlage zur Verfügung steht. Jedenfalls repräsentiert das Lat. durch seine gegenüber dem Deutschen weitaus häufigeren Acl-Konstruktionen typologisch eine ältere Sprachstufe, und ein solcher typologischer Vergleich hat wohl auch einen gewissen Erkenntniswert. 2.3.4.1, BOLKESTEIN (1976: 158ff) unterscheidet im Lat. drei Klassen von verba dlcendi: 1. Verben, die immer einen Ad in Öbjektsposition haben, also nie mit ut -*· K vorkommen. Diese Verben werden durch das Merkmal (* + declarative*) charakterisiert (= 3. Klasse). 2. Verben, die sowohl mit Acl als auch mit ut + K stehen können, wobei der Acl eine Behauptung, ut + K einen Befehl bezeichnet. Diese Verben enthalten kein Merkmal, das eine bestimmte Gestalt des Objekts erfordern würde. BOLKESTEIN bezeichnet sie daher als "neutral" ( = 1. Klasse). 3. Verben, deren Semantem ein Merkmal ( ° ·+· imperative*} hat. Sie können wie die Verben der 1. Klasse sowohl mit Acl- als auch mit _ut+K- Konstruktionen stehen, allerdings ohne semantisehen Unterschied. Den Wechsel dieser beiden Konstruktionen führt BOLKESTEIN (290) darauf zurück, daß diese Verben entweder dreiwertig mit einer Adressaten-Konstituente oder zweiwertig ohne AdressatenKonstituente gebraucht werden können. "When an Addressee is explicitly expressed, we have no choice and must have the SD ("subordinating device') ut ·«· subj. (replaceabe, of course, by an i n f i n i t i v e , under the right conditions). The SD a.c.i. along with an explicitly expressed Addressee-constituent is unacceptable ( " . . . " ) . When no explicit Addressee-constituent is present, there does not seem to be a requirement for the clause to have the form a.c.i.: both SD's seem to be equally well-formed in that case," ( e b d . ) (= 2, Klasse). 2.3.4.2. Dazu einige Beispiele {nach BOLKESTEIN 164, unter dem Strich Beispiele für verba s e n t i e n d i ) :

56

1. Klasse dicere ait inqult respondere seribere clamare r eonclaraare, ex-clamare

2, Klasse imperare

iubere hortari , adhortari dehortari , cohortari mandare praescribere postulare

decernere censere? statuere, constituere cogitare sibi proponere

3- Klasse negare af fir mare fateri , confiteri mentiri , ementiri

testari polliceri promittere

putare

arbiträr! reri existimare

Die strukturelle Funktion der Aktualisierungsunterschiede geht aus dieser Verbliste deutlich hervor. Der Ael bei den Verben der 3· Klasse bezeichnet ein Geschehen, das mit einem bestimmten WW vorausgesetzt oder impliziert ist {genauer s. unten 3 . 2 . ) . Die Einordnung von pollicere scheint mir problematisch, weil dieses Verb nach Ausweis der Wörterbücher auch mit ut ·+· K gebraucht werden kann; möglicherweise gehört es doch in die 1. Klasse (s. aber die Diskussion bei BOLKESTEIN 2 9 6 f ) . Promittere ist ein Sonderfall, weil es gewöhnlich den I n d . fut. act. verlangt. Das in BOLKESTEINs Liste der 3. Verbklasse folgende minari hat ebenso den Inf. fut wie u_b + K und wird daher vielleicht ebenfalls nicht in diese Klasse gehören. Alle anderen Verben stimmen nach ihrem Semantem zu einem Komplement mit definitem WW. 2.3.5. Die Verteilung der beiden Konstruktionen zeigt, daß nur in der 1» Klasse eine Opposition zwischen _trt + K und Acl besteht. In der 2. Klasse hängt die Art der Konstruktion von der Ausfüllung der Adressaten-Position ab: Bei vorhandenem Adressaten wird nur ut + K gebraucht, bei fehlendem Adressaten stehen ut + K und Acl ohne Bedeutungsunterschied und sind daher freie Varianten. In der 3· Klasse ist der Acl obligatorisch, also besteht auch hier keine Opposition. Der Konstruktionsunterschied zwischen 2. und 3· Klasse gehört daher der Normebene an. Es liegt somit eine inklusive Opposition mit dem Acl als unmarkiertem Glied vor:

57

Acl

Die syntagmatische Funktion der Dependenzbezeicnnung wird sowohl durch Minimal- als auch durch Teilaktualisierung geleistet. Entscheidend ist nicht der absolute Aktualisierungsgrad, sondern nur die Nicht-Vollaktualisierung. Die Konstruktion _ut_ + K hat ein zusätzliches volitives Merkmal, das bei den Verben der 2, Klasse semantemgebunden neutralisiert ist. 2.3.6. In weiterer Folge wird der Acl durch Konstruktionen mit JJUQC! und quia ersetzt, zunächst bei den Verben der Empfindung und der inneren Anteilnahme, das sind die Bedeutungsgruppen von 'sich freuen', 'klagen', 'bedauern', 'fürchten' usw., also bei den faktiven Verben (mit Präsupposition bzw. Implikation eines definiten WW). Die ursprünglich faktive Bedeutung von quod wird von den Grammatikern allgemein angenommen (eine genaue Erläuterung bei TAYLOR 1951), Später wird auch das Komplement der Verben der Wahrnehmung und der Willensäußerung mit quod eingeleitet (MEYER-LÜBKE 1899: 620ff, VSSNÄNEN 1963: 173f), quod verdrängt an diesen Stellen ut. Der Acl bleibt nur bei Verben erhalten, deren Bedeutung den deutschen Modalverben entspricht; er ist damit auf eine Restklasse von Verben beschränkt, die im Inhaltssatz und im Trägersatz referenzidentisches Subjekt haben. Diese Restklasse mit Acl ist in verschiedenen Sprachen erhalten (s. URELAND 1973). 2.3.7. Leider ist die Frage der Modussetzung nach quod und quia kontrovers. KÜHNER /STEGMANN (1976: 274f) sprechen sich für ursprünglichen K aus, der später durch den Ind. verdrängt wurde. Aus den vorsichtigen Bemerkungen bei HOFMANN/SZANTiR (1965: 577 f ) geht hervor, daß die beiden Autoren geneigt sind, im späten Lat, eine autonome Modussetzung anzunehmen. Bei quia und quo n i am wird zunächst der Ind. gebraucht, der K ist hier sekundäre (autonome) Modalisierung. "Verworrener ist das Bild in den quod-Sätzen; i * . . . * } . 1 * (ebd.) Bei mehreren Schriftstellern steht jedenfalls naoh quod fast immer der K, bei anderen ist der K immerhin mit dem Ind. gleichberechtigt, während nach quia und durchwegs der Ind. steht. Das deutet wohl doch auf ein ursprüngliches uod + K als Ersatz für den Acl.

2.3.8. Diese Veränderungen könnten etwa folgendermaßen gedeutet werden: Der Acl konnte dort nicht verwendet werden, wo die Empfindungsverben eine geistige Wahrnehmung bezeichnen, weil nunmehr die Notwendigkeit bestand, ein eigenes Subjekt im eingebetteten Satz zu setzen. In der Form quod + K steht

quod als Platzhalter für etwas Bekanntes, der K als Zeichen der syntagmatischen Abhängigkeit. Sei quia und ojjo_ni_ain war die Teilaktualisierung nicht notwendig, weil beide Konjunktionen als Platzhalter für etwas Unbekanntes dem eingebetteten Teilsatz einen unbestimmten WW zuweisen (etymologisch geht quia auf eine Interrogativpartikel, quoniam auf eine Temporalpartikel zurück). Strukturell entsprechen diese Sätze den deutschen Beispielen (10, 12-11). Es bestand daher hier keine Notwendigkeit zu syritagtnatischer Teilaktualisierung, daher steht der Ind. als neutrale Modusform. Die ursprüngliche Opposition besteht weiter, nur wird sie anders realisiert:

quod-t-K

Diese Realisierungsform der Opposition kann im Spätlat, bestanden haben, wo ut noch bei volitiven Verben gebraucht wurde. In der weiteren Entwicklung wird quod zur Universalkonjunktion und ist daher allein imstande, den Teilsatz als dependent auszuweisen. Der K wird durch den Neutralmodus Ind. ersetzt, oder er steht als Zeichen einer autonomen modalen Stellungnahme, Die Opposition sieht nun so aus:

quod -t- Ind.

Quod erhält die gleiche Funktion wie quia und quoniam. Der nächste Schritt ist der Ersatz von \it_ durch quod. Nach Ausweis der Etymologie war ut^ Platzhalter für etwas unbekanntes, wodurch der entsprechende Teilsatz den WW u erhält. Die Teilaktualisierung war daher ein zusätzlicher modaler Ausdruck mit volitivem Nutzwert, vergleichbar den frz. Ausdrücken oben 1.1.6.1. Der Ersatz durch quod bewirkte hier eine Funktionsänderung des K: während vorher durch seine Begriffsbedeutung ein zusätzlicher modaler Wert eingebracht wurde, ist die Teilaktualisierung nunmehr auf ihre Beziehungsbedeutung als Dependenzbezeichnung

59

eingeschränkt. Die Opposition bei den Verben der 1. Klasse wird nun allein durch die Aktualisierungsunterschiede wiedergegeben. Alle diese Veränderungen betreffen den Bereich der Ausdrucksformen, am System selbst hat sich nichts geändert. Die Stadien der Ausdrucksformen sind in der folgenden Tabelle zusammengefaßt;

1, Stadium

2. Stadium

3. Stadium

Acl : ut+K

quod+K : ut+K

quod+Ind. : quod

2. Klasse volitive Verben

ut+K / Acl

ut+K / quod+K

quod+K

3. Klasse faktive Verben

Acl

quod+K

quod+Ind,

1. Klasse nonfaktive Verben (s, unten 4 . 7 . )

Das Oppositionsschema sieht nunmehr so aus:

Die "Restrukturierung" der Ausdrucksformen hat einige Konsequenzen. Die nicht-funktionelle Normvariation in der 2. Verbalklasse ist zu Gunsten einer einheitlichen Form beseitigt, das Verhältnis von Form und Funktion ist nun eindeutiger. Die Konstruktionen im 1. Stadium waren vom Semantem der Verben weitgehend unabhSngig, wie BOLKENSTEIN mit Recht bemerkt; lediglich die 1. Verbalklasse war auf den Acl festgelegt. Im 3. Stadium besteht ein durchgängiger Zusammenhang von Semantem und ModusSetzung: Teilaktualisierung tritt dann ein, wenn das Semantem des Vf im Tragersatz dem vom Inhaltssatz bezeichneten Geschehen den HW u zuweist (2. Klasse) oder wenn eine autonome Stellungnahme des modalen Subjekts vorliegt (1. Klasse). Dieser Zusammenhang setzt voraus, daß syntagmatische Abhängigkeit des Inhaltssatzes bereits bezeichnet ist, d . h . das 2. Stadium muß bereits vorausgegangen sein. In einem solchen Stadium 1st die syntagmatische Modussetzung in Abhängigkeit zum übergeordneten Vf-Semantem

60

v o r a u s s a g b a r ; e i n K als autonome Stellungnahme i s t prinzipiell überall möglich, so daß hier natürlich keine Voraussage gemacht werden kann. 2.3.9. Die Entwicklung der Ausdrucksformen für Satzeinbettungen im Lat. zeigt einige grundsätzliche Züge, die auch für die Analyse des deutschen Modusgebrauches und seiner Veränderungen wichtig sind. Ich fasse daher im folgenden Abschnitt die wichtigsten Punkte noch einmal zusammen. 2.3.10· Aus logisch-semantischer Sicht können zunächst zwei Gruppen von Verben unterschieden werden: Verben, die ein Komplement mit bestimmtem WW (w oder f) voraussetzen oder implizieren und Verben mit dem Komplement-WW u. Diese letzte Gruppe wird unten (3.2.) genauer besprochen; vorläufig genügt eine Unterscheidung dieser beiden Gruppen, ab nun faktive und nicht-faktive Verben genannt. Das Komplement der nicht-faktiven Verben kann semantemgebunden teilaktualisiert sein. In einem solchen Fall, wenn also regelmäßig der K steht, igt die Funktion des K auf seine Beziehungsbedeutung als Dependenzmarkierung reduziert. Die faktiven Verben haben keine semantemgebundene Teilaktualisierung, obwohl auch hier der K dieselbe Beziehungsbedeutung haben kann. In diesem Fall kann allerdings die Funktion der Teilaktualisierung nicht vom Semantem des Vf abgeleitet werden, sondern sie muß analogisch von den nichtfaktiven Verben übernommen worden sein. Die nicht-faktiven Verben sind also eine ständige Quelle für die Beschränkung der K-Bedeutung auf seine syntagmatische Zeichenfunktion. Eine analogische Übernahme der syntagmatischen Teilaktualisierung kann dann erwartet werden, wenn kein anderes Beziehungsmittel vorhanden ist, das zur Dependenzbezeichnung eingesetzt werden kann. Das ist immer dann der Fall, wenn das Komplement als vollständiger und abgeschlossener Ausdruck interpretiert werden kann, etwa, weil die Inhaltsvalenz im Trägersatz bereits ausgefüllt ist und das Komplement sonst keine Dependenzmarkierung aufweist (durch Wortstellung, Konjunktion usw.). Auch die Prolepsis des Objektsatzes begünstigt die syntagmatische Teilaktualisierung, weil diese Teilsätze vom Hörer leicht als unabhängige Sätze mißverstanden werden könnten. Gegebenenfalls muß mit (ev. typologisch) bestimmten fledundanzebenen gerechnet werden. 2.3.11. Die Untersuchung des Modusgebrauches in seiner Abhängigkeit vom Semantem des übergeordneten Vf ermöglicht es, einige syntaktische Zusammenhänge zu erkennen, wodurch mögliche Veränderungen vorausgesagt werden können. Zunächst kann darüber entschieden werden, ob semantemgebundene Modussetzung vorliegt oder nicht. Grundlage für diese Entscheidung ist die Ausnahmslosigkeit bzw. Regelmäßigkeit der K-Setzung nach bestimmten Verben. 1. Nicht-semantemgebundener Modusgebrauch Zwei mögliche Fälle können hier unterschieden werden: a) Die Opposition Ind, : K ist überall erhalten, d.h. der K hat durchwegs autonome Funktion. Dieser Fall setzt voraus, daß der syntagmatische Statur des Komplements bezeichnet ist.

61 b) Die Opposition Ind. : K ist nicht erhalten, es steht überall der K in syntagmatischer Funktion. Der Komplementstatus ist daher bereits bezeichnet, weitere Bezeichnungsformen sind r e d u n d a n t , 2. Semantemgebunderter Modusgebrauch: Die Opposition Ind, : K ist nur bei den faktiven Verben vorhanden. Die syntagmatische Teilaktualisierung bei den nicht-faktiven Verben erlaubt die Voraussage, daß ein Ersatz durch den Ind. dann möglich ist, wenn der Komplementstatus bezeichnet igt. Dadurch würde ein Stadium wie oben 1a) erreicht. Solange der K nicht durch den Ind. ersetzt wird, kann bei n i c h t - f a k t i v e n Verben eine s y n t a g m a t i s c h e Opposition bestehen, u n d zwar z.B. d a n n , wenn der Teilsatz in fakultativer Valenzposition steht und der Dependenzstatus nicht bezeichnet ist. Ein vollaktualisierter Teilsatz würde in diesem Fall autonom sein, weil der Trägersatz auch ohne Inhaltssatz abgeschlossen ist. Die semantemgebundene Teilaktualisierung ist also nicht so zu verstehen, daß in j e d e m Fall e i n teilaktualisiertes Komplement vorhanden sein m u ß . Die syntagmatische Teilaktualisierung wird dort erwartet werden können, wo sonst keine Dependenzbezeichnung vorhanden ist. In den übrigen Fällen, also bei Neutralisierung der syntagmatischen Opposition Ind. : K, ist die Modussetzung weitgehend eine Sache der sprachlichen Norm. Man kann daher hier nur eine s t r u k t u r e l l e L e e r s t e l l e für d e n K ansetzen, deren formale Repräsentation Gegenstand einer empirischen Untersuchung sein muß. 2.3.12, Die Entwicklung der Modussetzung in abhängigen Strukturen läßt sich auf dieser Grundlage in bestimmte Stadien einteilen. Unter der Annahme eines teleologischen Prinzips auf der Ebene der Ausdrucksformen kann die Abfolge dieser Stadien als Kausalkette beschrieben werden. Als Funktionskonstanten in Form von grammatischen Kategorien gelten die syntagmatiache F u n k t i o n der Dependenzbezeichnung und die paradigmatische Funktion der Sprecherstellungnahme. Als (willkürliches) Anfangsstadium nehme ich autonome Modussetzung an. Die Stadienfolge kann dann so dargestellt werden: 1. Autonome Modalität im Inhaltssatz, durchwegs seraantische Opposition Ind. : K. Z, Zunehmende Teilaktualisierung im Komplement nicht-faktiver Verben, möglicherweise in Abhängigkeit von bestimmten ( z , B , volitiven) Semantemen, Die semantische Opposition bleibt noch erhalten, die Modusvarianten sind zunächst Varianten der Horm, 3- Im Komplement nicht-faktiver Verben (bzw, einer Gruppe von nicht-faktiven Verben) wird durchwegs der K gesetzt, Dadurch entsteht eine Funktionsbeachränkung des K auf seine Beziehungsbedeutung und somit eine neue syntagmatische Opposition I n d , : K, Der K kann analogisch als Dependenzbezeichnung dort eingesetzt werden, wo die Teilstruktur nicht durch andere Beziehungsmittel als abhängig bezeichnet ist. 4, Die syntagmatische Teilaktualisierung ist bei bezeichneter Abhängigkeit redundant. Es besteht dadurch ein Neutralisierungsfall für die syntagma-

62

tische Opposition und damit ErsatzmÖglichkeit des K durch den nicht-markierten Ind. Die syntagmatische Opposition bleibt noch erhalten, Modusvarianten sind zunächst Varianten der Norm, 5. Im Neutralisierungsfall hat der Ind. den K vollständig verdrängt, die nicht-funktionellen Normvarianten sind zu Gunsten des nicht-markierten Ind. beseitigt. Dadurch regeneriert sich die semantische Opposition von Ind. : K, und der K kann auch bei nicht-faktiven Verben als autonomes Zeichen eingesetzt werden. Das 5. Stadium ist also mit dem 1. Stadium identisch, und es besteht die Möglichkeit zu einem neuen Kreislauf:

Autonomie

Übergang

Übergang zur Autonomie

zur Semantembindung

Semantembindung

Der Kreislauf der Modusfunktionen wird durch das Entstehen von Neutralisierungsfällen in Schwung gehalten. So führt die Zunahme der Semantembindung zur Neutralisierung der Begriffsbedeutung, die Zunahme der Autonomie zur Neutralisierung der Beziehungsbedeutung. Dadurch können sich die wechselnden Formen zu einem Kreis schließen. Dieses Entwioklungsschema ist natürlich nur ein idealisiertes Modell. Seine Geschlossenheit setzt die Gleichhaltung des Faktors "Dependenzbezeichnung" voraus. Voraussagen über die formale Füllung der strukturellen Leerstelle für den K hängen davon ab, welche Formen als Beziehungsmittel eingesetzt werden können, Bei faktiven Verben wird man im 3. Stadium z.B. Vollaktualisierung bei bezeichneter Dependenz, Teilaktualisierung bei nlchtbezeichneter Dependenz erwarten können. Derartige Voraussagen können daher nur dann gemacht werden, wenn Hypothesen zur Struktur und Diachronie der Beziehungsmittel zur Verfügung stehen.

63

2.3.13Schließlich ist die Geschlossenheit des Formenkreislaufes im Sinne der Beliebigkeit des sprachlichen Zeichens keine notwendige Annahme (die Geschlossenheit ist an sich nur ein Ergebnis des Isofunktionalitätsprinzips). Eine "Einbruchstelle" für neue Formen ist der Modus bei volitiven Verben. Bei semantemgebundener Teilaktualisierung kann hier das Bedürfnis bestehen, expressiv motivierte modale Ausdrücke einzusetzen (s. oben 1.4.6.4,). Diese Ausdrücke können durch häufigen Gebrauch ihre expressive Markierung verlieren und stehen dann als neutrale Ausdrücke der Teilaktualisierung auch bei nicht-volitiven Verben zur Verfügung. Auf diese Weise kann man sich die Entstehung des obliquen Optativs im Agriech, und den Ersatz des i dg. K durch den Opt. im Germanischen erklären. 2.3.14. Die Untersuchung des Modus in abhangigen Sätzen erlaubt es also, das Stadium der untersuchten Sprache zu identifizieren und unter Berücksichtigung von Hypothesen über die Beziehungsmittel· das folgende Stadium vorauszusagen. Am Beispiel der Stadienfolge im Lat. soll eine solche Voraussage demonstriert werden. 1. lat. Stadium: Die semantische Opposition Ind. : K ist noch vorhanden, wie die Bedeutungsunterschiede bei den Verben der 1. Klasse zeigen. Bei den volitiven Verben ist eine beginnende Semantembindung festzustellen; die Modusvarianten sind bei diesen Verben Varianten der Norm (teilweise davon abhängig, ob die Adressatenposition ausgefüllt ist), sie tragen keinen Bedeutungsunterschied. Das 1. Stadium im Lat. entspricht also dem 2. schematischen Stadium. 2. lat. Stadium = 3« schematisches Stadium. Die Teilaktualisierung bei faktiven Verben hat syntagmatische Funktion; quod kann wohl noch als nominales Komplement des Trägersatzes verstanden werden. Die Opposition bei den Verben der 1. Klasse wird nicht durch Modusuntersahlede s sondern durch verschiedene Konjunktionen bezeichnet, der K ist also auch hier syntagmatisches Zeichen, Problematisch ist die Bewertung des 3- lat. Stadiums. Es gibt zwei mögliche Auffassungen: a) = 1. schematisches Stadium mit expressiver Modalität bei den Verben der 2. Klasse, b) = 4. schematisches Stadium mit semantemgebundener Teilaktualisierung bei den Verben der 2. Klasse und autonomer Modussetzung bei den Verben der 1. Klasse (der Ind. vertritt hier die strukturelle Funktion des Aol im 1. Stadium). Die Dependenz müßte bezeichnet sein, d.h. quod wäre bereits eindeutig Konjunktion. Ohne genaue Korpusanalyse kann a) und b) nicht entschieden werden. 2.3.15. Das Stadium der Ausdrucksformen kann durch die Bestimmung dfer strukturellen Leerstellen für den K in dependenten Strukturen und eine empirische Untersuchung der Modusgebrauches bestimmt werden. Im folgenden nenne i c h diese strukturelle Leerstelle d e n (modalen) E r w a r t u n g s w e r t . Ein positiver Erwartungswert für den K ergibt sich dadurch, daß das Semantem der übergeordneten Einheit den WW u im abhängigen Teilsatz präsupponiert oder impliziert.

64 3-

Modus und Satzgefüge im Deutschen

3.1.

Semantem und Modussetzung

3.1.0. In diesem Abschnitt wird der Zusammenhang von übergeordnetem Semantem und Modussetzung in der abhängigen Teilstruktur untersucht. Dieser Zusammenhang wird auf logisch-semantischer Basis beschrieben, d.h. es wird angenommen, daß semantische Merkmale des Übergeordneten Elements und der WW der abhängigen Struktur in logischer Beziehung zueinander stehen. Diese Beziehung wird entweder als Presupposition oder Implikation verstanden; da dieser Unterschied in diesem Rahmen nicht wichtig ist, verwende ich in den folgenden Erörterungen den neutralen Begriff "Wahrheitswertfestlegung" (abgekürzt WWF). Die Frage, ob Präsuppositionen auf setnantischer oder pragmatischer Ebene definiert werden müssen, kann angesichts der kaum überschaubaren Literatur zu diesem Thema (vgl. die Monographien von COOPER 1971*, DUCROT 1972, KEMPSQN 1975, WILSON 1975) nicht ausdiskutiert werden. Ich nehme jedenfalls an, daß wenigstens ein Teilbereich der Präsuppositionen logisch-semantiacher Natur*sind und somit syntaktische Relevanz haben. Möglicherweise ist die Frage der PrSsuppositionsdefinition für syntaktische Untersuchungen weniger bedeutend, als dies bisher angenommen wurde (vgl. die diesbezügliche Bemerkung von KARTTUNEN 1973: 1&9f). In SCHRODT (1980: 75ff) habe ich einige Punkte der für syntaktische Probleme wichtigsten Arbeit von REIS (1977) diskutiert, worauf hier nur verwiesen werden kann, Präsuppositionen können auch als Glückensbedingungen von Sprechhandlungen verstanden werden. Auf dieser Basis haben auch generative Arbeiten zum Modalsystem die Zusammenhänge von Sprechakten und Modusgebrauch untersucht (RENTSCH 1976, GERSTENKORN 1976), so daß auch aus dieser Sicht ein Zusammenwirken von Sprechakt und Modus begründet werden kann. 3.1.1.1. Am Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen steht die bekannte Unterscheidung von faktiven und nicht-faktiven Verben durch P. und C. KIPARSKY (1971). Sie führen folgende Verben als Beispiele an:

65

faktiv

nicht-faktiv

regret be aware ( o f ) grasp comprehend take into consideration take into account bear in mind ignore make clear forget (about) deplore resent care (about)

suppose assert allege assume claim charge maintain believe conclude intimate deem fancy figure

Der Unterschied zwischen faktiven und nicht-faktiven Verben besteht darin, daß die faktiven Verben ein wahres Komplement voraussetzen, nicht aber die nichtfaktiven Verben. Vgl. folgende Beispielsätze: (1) (2)

Er bedauert, daß es regnet. Er stellt fest, daß es regnet.

Im Satz (1) steht es fest, daß es regnet; im Satz (2) wird hingegen über eine Behauptung oder eine Wahrheit berichtet, 30 daß das Geschehen des Inhaltssatzes nicht als wahr vorausgesetzt wird. Ein anderer Fall ist

(3)

Es ist wahr, daß Hans krank

ist.

(3) impliziert die Wahrheit des Komplements, setzt sie aber nicht voraus. Das zeigt sich durch die Negationsprobe, dem klassischen Kriterium für die Präsupposition: bei negiertem (1) regnet es noch immer, bei negiertem (3) ist Hans hingegen nicht mehr krank. 3.1.1.2. Daneben gibt es aber eine Reihe von Verben, die sich nicht eindeutig zuordnen lassen; anticipate) acknoledge, suspect^ report, remember, emphasize, announce, admit, deduce. Diese Verben können sowohl faktive als auch nicht-faktive Komplemente haben, allerdings mit einer "subtle meaningdifference". Diese Verben werden noch genauer besprochen.

66 3.1.2.0. Gegen den logiaeh-semantiachen Präsuppositionsbegriff ist eingewendet worden, daß die faktiven Verben nicht immer ein wahres Komplement voraussetzen und daher das Merkmal der Faktivität nur pragmatisch bestimmt werden könne. Das würde bedeuten, daß der modale Erwartungswert nur unter Berücksichtigung von Kontext- bzw. Konsituationsfaktoren bestimmt werden könnte, was natürlich eine Korpusanalyse beträchtlich erschweren würde. Von den Möglichkeiten einer Verwendung entgegen der wörtlichen Bedeutung eines Verbs bespreche ich kurz die drei wichtigsten: Ironie, Metapher, indirekte Sprechakte. 3.1.2.1. Als Ironie verstehe ich z.B. den verbum-dieendi-ähnlichen Gebrauch von wissen. Dazu ein Beispiel aus REIS (1977: 145, dort Beispiel 88a) (4)

Hanna: Ruth war gerade zum Kaffee da, Fritz: So? Was wußte die Klatschbase denn alles? Hanna: Ach, sie wußte z . B . , daß Erna ein Kind kriegt.

Unter ironischem Gebrauch legt sich der Sprecher natürlich nicht auf die Faktivität des Komplementsatzgeschehens fest, im Gegenteil - es liegt im Wesen der Ironie, das Geroeinte geradezu durch das Gegenteil der Satzbedeutung (wörtliche Bedeutung) auszudrücken. Ironische Gebrauchsweisen sind oft mit einer charakteristischen Intonation verbunden - auch für dieses Beispiel liegt eine besondere Kontrastbetonung nahe, die gewöhnlich jedoch nur dann auftreten wird, wenn zuerst keine kontextuellen oder konsituationellen Merkmale auf den ironischen Gebrauch weisen (ein graphisches Pendant sind Anführungszeiehne). Um den spezifischen Sinn der Ironie zu erfüllen, muß aber der Sprecher die Faktivität des Komplementsatzinhaltes als gegeben voraussetzen - nur so ergibt sich durch den ironischen Gebrauch das tatsächlich Gemeinte, d.h. das logisch-semantische Merkmal der Faktivität wird auch im ironischen Gebrauch vorausgesetzt. S, dazu SEARLE (1982: 134ff); weiters PETER (1974, bes. 85f) zu modelltheoretischen Ansätzen, - Fraglich ist, ob auch der kontentive Gebrauch und der Gebrauch von wissen als 'sicher sein 1 als Ironie verstanden werden können - zumindest die Beispiele {8?a} und (89c) bei REIS ( 1 H 4 f ) acheinen mir so aufgefaßt werden zu können. In den anderen Fällen (87b, 89a,b) legt der Kontext bzw. die Satzform eine nicht-faktive Interpretation nahe; die Modalität der Obersätze in (89a,b) - hypothetisches Konditional und Frage - könnte vielleicht auf den kontentiven Gebrauch weisen, - in diesem Fall verhält sich gissen wie ein wenn-Verb (s. unten -4.4.). Die zu Grunde liegende Ambiguität ist in der Sprachphilosophie öfters behandelt worden (z.B. bei AUSTIN 1972: 150ff, WOOZLEY 1968: 90f, WHITE 1968: 167). 3.1.2.2. Auch bei metaphorischem Gebrauch und als indirekter Sprechakt konnte man sich die Faktlvitätspräsupposition als aufgehoben denken. Ich sehe dieses Problem grundsätzlich ähnlich zur Ironie: So wie in der Metapher setzt

67

auch im indirekten Sprechakt die Äußerungsbedeutung die wörtliche Satzbedeutung voraus, andernfalls ergäbe sich dabei der spezifische Effekt dieser Äußerungen überhaupt nicht. Besonders zu den indirekten Sprechakten hat sich eine rege Diskussion ergeben (z.B. MEYER-HERMANN 1976, ZIMMERMANN/HÖLLER 1977, SÖKELAND I960, FRITZ/MUCKENHAUPT 1981: 108f, MEIBAUER 1982, SEARLE 1982: 51 f f ) , auf die ich hier nur verweisen kann. Ich stehe hier, ohne das jetzt im eigentlichen begründen zu können, auf dem gleichen Standpunkt wie SEARLE (1902). Natürlich kann es konventionalisierte Formen geben, bei denen die SEARLEschen Analyseschritte fragwürdig werden - aber das gilt im wesentlichen nur für vollständig idiomatisierte Formen, die nach SEARLE ( 6 l f ) keine indirekten Sprechakte sind. Ebenso wie bei der Ironie können auch hier Sekundärindikatoren vorhanden sein, die auf Verschiedenheit von Satzbedeutung und Äußerungsbedeutung weisen. Die sprachtheoretische Erfassung dieser indirekten Sprechakte ist allerdings zugegebenermaßen schwierig (s. dazu BIERWISCH 1979). Wissen kann als primär performativer Ausdruck verwendet werden und bezeichnet dann den geistigen Akt des Erkannt-Habens, dessen Resultat als psychischer Zustand nicht bezweifelt wird (andernfalls wäre dieser Akt nicht zustandegekommen). Diese "Gefühlsgewißheit" kann vom Sprecher in der 1. Fers. Präs, nicht bezweifelt werden. Sie wird aber auch dann nicht bezweifelt, wenn nicht mehr die Sprechhandlung "wissen" vollzogen wird, sondern wenn sie erzählt wird (in den anderen Personen, im Prät.). Durch das Auseinandertreten von Subjekt und Sprecher könnte das, was dem Subjekt als gewiß erscheint, vom Sprecher bezweifelt werden. Das ist aber bei diesen Ausdrücken n o r m a l e r w e i s e nicht der Fall. Der Sprecher hat normalerweise keine Ursache, die Gefühlsgewißheit des Subjekts als trügerisch hinzustellen, wie er auch normalerweise keine Ursache dafür hat, die von ihm erzählten Vorgänge hinsichtlich ihrer Realität zu hinterfragen. Das Komplement bleibt daher bei illokutiver Abwandlung w. Wird hingegen wissen als nicht-performativer Ausdruck gebraucht (expositiv oder konstativ bzw. kontentiv}, so verpflichtet sich der Sprecher nicht notwendigerweise, auf die Wahrheit des vom Subjekt gewußten Inhalts. Er wird freilich auch hier zunächst keinen Grund dafür haben, die Erfahrung des Subjekts zu bezweifeln, und daher setzt auch ein nicht-perforraatives wissen ein wahres Komplement voraus. Sobald aber im Trägersatz modalisiert oder negiert wird, so wird die Erfahrung selbst und damit der Inhalt des Komplements in die Modalität einbezogen. Wissen ist jetzt nicht mehr faktiv, sondern ein wenn-Verb. Die Unterscheidung von performativem und nichtperformativem Gebrauch ist also für die Feststellung des modalen Erwartungswertes bei modalisiertem oder negiertem Trägersatz wichtig. Normalerweise wird man die Gebrauchsart aus dem Kontext ablesen können. Diese Unterscheidung wird jedenfalls nicht durch HOLDCROFTs C^? 1 *) Präzisierungsversuch überflüssig gemacht. HOLDCROFT bezweifelt mit Recht die Brauchbarkeit des Begriffes der impliziten Performativa, denn konsequenterweise würde dann jeder Satztyp performativ sein, weil ja jedenfalls ein illokutionärer Akt vollzogen wird. 3.1.3.1. Ein weiteres Problem, das sich an die eben dargestellte Problematik anschließt, ist jenes der Veränderung von Prlsuppositionen in zusammenge-

68

setzten Sätzen (d.h. in Sätzen mit mehrfacher Unterordnung). Dieses Thema wurde von KARTTUNEN (1973) 197*0 behandelt, wobei sich die neuere Fassung von der älteren in einigen wichtigen Punkten unterscheidet. Die Präsuppositionen von zusammengesetzen Sätzen bestimmen sich nicht dadurch, daß die Präsuppositionen der Teilsätze einfach addiert werden, wie dies früher angenommen wurde, sondern es gibt bestimmte Verben und Konstruktionen, die Präsuppositionen durchlassen, blockieren oder aus f i l t e r n können. KARTTUNEN nimmt daher drei Klassen von Verben bsw. Konstruktionen an, Locher (holes), Zapfen (plugs) und Filter ( f i l t e r s ) . Damit kommt man aber nicht aus, wie SCHIEBE (1975) in einer sorgfältigen und ausführlichen Arbeit nachgewiesen hat. Er fügt zu den erwähnten Klassen noch Färber und Doppelfärber hinzu. Vgl. dazu auch das formal-pragmatische Modell von GAZDAR (1980). 3.T.3.2. Die Verhältnisse sind allerdings zu kompliziert, um im Überblick dargestellt werden zu können. Ich verzichte auch deshalb auf eine genauere Darstellung, weil sowohl KARTTUNEN als auch SCHIEBE zugeben, daß diese Fragen noch weitgehend ungeklärt sind (s, dazu auch LAKOFF 1971: 5 0 f f ) . Im Zweifelsfall habe ich daher keine Belege mit mehrfacher Unterordnung aufgenommen. Die Verhältnisse im Nhd, scheinen dafür zu sprechen, daß die Faktivität des am tiefsten eingebetteten Satzes in den meisten Fällen beibehalten wird, d.h. die Konstruktion des obersten Matrixsatzes ist immer ein Loch:

(5) (5a) (6) (6a)

Er vermutet, daß Leonore bedauert, daß sie während des Kongresses nicht nach Wien kommen konnte. Leonore konnte während des Kongresses nicht nach Wien kommen. Ist das richtig, daß du Leonore daran gehindert hast, daß sie nach Wien kommt? Leonore ist nicht nach Wien gekommen.

Nach meinem Idiolekt bleibt der WW von (6a) und (7a) im Gesamtsatz erhalten, und auch die Ansicht einiger weiterer Informanten spricht dafür. Ich weiß allerdings nicht, inwieweit sich dieses Ergebnis verallgemeinern läßt (das Fragebeispiel bei SCHIEBE 1975: 10 scheint mir falsch beurteilt zu sein) und ob es auch für ältere Sprachstufen gültig ist. überdies hat die Annahme verschiedener Weltebenen und Wahrheitsebenen, wie sie SCHIEBE (bes. 4 9 f f ) vorschlägt, viel für sich. Für den Modusgebrauch mag es daher von Bedeutung sein, welche dieser Ebenen von der Sprecherwelt aus zugänglich ist. Da aber die Vergleichsbasis für derartige Konstruktionen in den von mir untersuchten Korpora ohnehin zu schmal ist, werde ich diese Probleme nicht weiter behandeln, 3.1.4.0, Bei manchen Autoren wird das Merkmal der Faktivität nicht als binär, sondern als graduell aufgefaßt, so daß z.B. auch von "halb-faktiven" Verben gesprochen wird. Die Argumente für solche Ansätze scheinen mir nicht über-

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zeugend. Man könnte hier zwischen gradueller Faktivität und binärer FWW unterscheiden, so daß der Grad der Faktivität auf die FWW als solche keinen Einfluß hätte. Aber auch diese Hypothese scheint mir nicht notwendig. Da mir der in diesem Zusammenhang wichtige Aufsatz von KARTTUNEN (1971b) nicht zugänglich ist r beschränke ich mich auf die Diskussion der Arbeiten von WILSON ( 1 9 7 2 ) , KEMPSON (1979) und ROSENBERG (1975). 3.1.4.1. WILSON (1972) definiert die fragliche satz und Komplement als logische Folgebeziehung Schema enthaltenen logischen Fehlschluß hat REIS legt. Mir geht es hier v , a . um einen Satz wie die Prämisse als Präsupposition haben soll:

1. Prämisse: 2. Prämisse:

Beziehung zwischen Gesamt( e n t a i l m e n t ) . Den in ihrem (1973) ausführlich darge1. Prämisse, welcher die 2.

knows No one that Nixon is bald unless Nixon is bald. can know Nixon is not bald.

Im Satzgefüge der 1. Prämisse sind zwei Welten als A l t e r n a t i v e n angesprochen (unless). In der 1. Welt ist Nixon nicht kahlköpfig, so daß auch niemand wissen kann, daß Nixon kahlköpfig ist. Die tatsächliche Kahlköpfigkeit Nixons wird als Alternative in der 2. Welt präsentiert; diese 2. Welt wird vom Sprecher ausdrücklich (durch die exzeptive Konjunktion) als eine erst in zweiter Linie mögliche Welt bezeichnet. Nur unter Annahme eines solchen "Weltengefüges" sind Sätze wie die 1. Prämisse Oberhaupt akzeptabel. Hier liegt eine Irreführung des Hörers vor - die Präsupposition des Bezugssatzes wird durch den Verhältnissatz widerrufen, so daß wissen auf den kontentiven Gebrauch festgelegt ist. Negative und modale Elemente im Trägersatz lassen immer die Möglichkeit eines nicht-faktiven Gebrauchs o f f e n (möglicherweise mit Betonungsunterschieden), der durch bestimmte Kontextmerkmale begünstigt werden kann. Das kann aber weder als Argument für die Gradualität der Faktivität noch als Argument für eine Ambiguität im Semantembereich des Verbs angeführt werden. Außerdem ist der Ersatz von Niemand durch den Namen einer bestimmten Person zumindest fragwürdig. Auf diese Weise könnte man in Frage-Antwort-Spielen wie Wer ist da? Niemand ist dat Wo_ist_Hiemand? mit HEIDEGGERschen Methoden auf die Omnipräsenz eines Niemand schließen. 3.1.4.2. Auf ähnliche Weise können Probleme behandelt werden, die KEMPSON (1975: 7 1 f ) bezüglich des Verbs pretend (vorgeben) besprochen hat. Pretend verlangt die Falschheit des Komplements. Wird als Komplement selbst wieder ein faktivea InhaltsaatzgefGge eingesetzt, so steht nun nicht mehr die Faktivität des eingebetteten Inhalssatzgefuges fest, sondern es gibt nach ihrer Ansicht immer zwei mögliche Interpretationen mit wahrem oder falschem Komplement des zutiefst eingebetteten Satzes, Wenn das so wäre, würde sich pretend nicht als

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Loch verhalten, wie das KARTTUNEN annahm. Aus ihren Beispielen greife ich ein Satzpaar (bei KEMPSON Beispiel 42a-b) heraus: (7a) (7b)

I pretended to regret that John was leaving when I knew he had no intention of doing so. I pretended to regret that John was leaving because I didn't want anyone to see how relieved I was.

In (?a) ist John wirklich weggegangen, in ( 7 b ) hingegen nicht. Auch hier haben wir es mit zwei Welten zu t u n : einer möglichen Welt, in der der Sprecher etwas bedauert, und einer realen Welt, in der dieses Bedauern als vorgegeben (d.h. als Täuschung) hingestellt wird. Es sind keine sprachlichen Ausdrücke vorhanden, nach denen entschieden werden könnte, ob das Komplement des faktiven Satzes nun tatsächlich wahr ist oder nicht. Werden aber beide Sätze ohne den letzten Teilsatz geäußert, so wird doch präsupponiert (Jedenfalls für das deutsche Äquivalent nach meinem Idiolekt}, daß Hans tatsächlich weggegangen ist. Diese Präsupposition kann nun durch den letzten Teilsatz bestätigt (7a) oder verworfen ( 7 b ) werden. Der Unterschied besteht in der Möglichkeit, beide Welten aufeinander abzubilden und gewissermaßen als harmonisches Ganzes darzustellen oder sie kontrastiv einander entgegenzusetzen. Als Zeichen dieser Entgegensetzung steht die Konjunktion when, die durch though Obwohl* ersetzt werden könnte. Diese Konjunktion ist selbst wieder ambig, insofern sie zur Begründung der möglichen Welt (wie in (7a) und in KEMFSONs Beispielen (40b), , (^a)) oder der Täuschungsabsicht in der realen Sprecherwelt (wie in bei KEMPSON) verwendet werden kann. KEMPSONs Beispiele (Mla-b) scheinen mir in dieser Hinsicht gleichwertig. In der letzteren Verwendung stehen aber meist Konjunktionen wie in order to, because oder so that (KEMPSON, Beispiele (40a), (42b), ( 4 3 b ) 3 . Ein ähnliches "Weltengefüge" liegt auch in KEMPSONs (7V Ann. 1) Beispielsatz John pretended that^ he_was ill and he found out later that in fact he^ had been ill for a lj?ng_time vor. In die Sprecherwelt 1 wird die Welt^ Johns, in der er seine Krankheit vorschützte, und die Helt^ Johns, in der er erkannte, daß er tatsächlich krank war, eingebettet. Ein solcher Satz ist zweifellos grammatisch; dennoch würde das deutsche Äquivalent Jedenfalls für meinen Idiolekt einen eigenen stilistischen Wert haben, der vielleicht als eine Art von Irreführung des Hörers beschrieben werden könnte. Ich denke da an Sätze wie Deine Großmutter ist gestorben - es hat sich aber dann herausgestellt, daß sie sich (nurj_tot gestellt hatte, um uns zum Narreji zu halteji. Mir widerstrebt es, mit solchen SStzen zu argumentieren (WILSON 1975 ist freilich voll davon). Es müßte da doch eine GFICEsche Maxime oder ein co-operative principle verletzt sein. 3.1.4.3* Es ist vielleicht nützlich, noch ein weiteres Beispiel zu zitieren. KEMPSON (1 8) bemerkt zu prove: "Secondly, the complements of prove carry no implication of assumption of their truth on the part of the hearer. That

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is, a sentence auch as John_ proved that Einstein was wrong does not carry an implication that the hearer already knows that Einstein was wrong," Ich weiß nicht, wie KEMPSON zu dieser Ansicht kommt. Prove verhält sich wie ein wennVerb (s. unten 4 . 4 . ) , d.h. negiert gebraucht es keinen WW i» Komplement, positiv gebraucht impliziert es doch, daß Sprecher und Hörer von der Wahrheit des Komplements überzeugt sind (falls der Sprecher nicht lügt, d , h , gegen eine Konversationsmaxime verstößt). Es ist dabei natürlich belanglos, ob die betreffende Behauptung tatsächlich als bewiesen gelten kann, da sich die Kriterien für den Beweis im Laufe der Geschichte in vielen Bereichen geändert haben. So ist es etwa nicht unwahrscheinlich, daß in früheren Zeiten ein solches Kriterium darin bestanden haben könnte, daß die betreffende Behauptung durch ein Bibel- oder Koranzitat belegt ist. Zu dieser Zeit könnte der Satz

(8)

Anselni hat bewiesen, daß die Erde eine Scheibe ist.

durchaus wahr gewesen sein, falls eine damals akzeptierte Autorität für diese Behauptung vorhanden war. Wenn man aber heute den Satz aussprechen würde, so kann das nur so verstanden werden, daß diese Aussage nicht für die gegenwärtige Spreoherwelt gilt (das könnte aus dem Kontext hervorgehen). Wenn Mißverständnisse möglich sind, wird der Sprecher versuchen, die Welt, in der diese Aussage gültig ist, irgendwie zu indizieren, z.B. durch eine bestimmte Intonation oder durch Anführungszeichen bei beweisen bzw. durch Ausdrücke wie damals t für die damaligen Verhältnisse usw. im Trägersatz. Natürlich könnte auch noch der Sprecher selbst an solche "Beweise" glauben. Alle anderen Gebrauchsweisen müßten als Irreführung des Hörers verstanden werden. Allgemein kann man daher sagen: Wenn im Trägersatz Ausdrucke vorhanden sind, die die Geltung der Aussage auf eine von der Sprecherwelt verschiedene Welt beschränken, so bezieht sich die Zuweisung des WW für den Inhaltssatz auf diese Welt. Solche Ausdrucke sind 2.B, auch Konditionalkonjunktionen, da hier eine Menge von Welten gemeint ist, in der die Sprecherwelt nur als e i n Element echt eingeschlossen ist (außer bei hypothetischen Konditionalgefügen), vgl. dazu die Beispiele bei KEMPSON (1975: 128). Auf diese Weise erübrigt sich auch der Ansatz einer eigenen Klasse von semi-faktiven Verben und das Merkmal der Emotivität (HOSENBERG 1975). 3.1.5. Ich halte daher an der Semantemgebundenheit des WW im Komplement fest. Faktive Verben haben somit immer ein wahres Komplement und daher keinen Erwartungswert für den K. KARTTUNEN O971a) hat weiters eine Klasse von (relativ seltenen) Verben untersucht, die ein Komplement mit dem WW f präsupponieren (Beispiel: pretend). Auch diese von KARTTUNEN als kontrafaktiv bezeichneten Verben haben keinen Erwartungswert für den K. CONTE (1978) leugnet (m.M. unberechtigterweise) die Existenz von kontrafaktiven Verben, weil sie eine entsprechende Ambiguitit aufweisen; da diese Verben in meinem Textkorpus nicht mit Inhaltssatz vorkommen, lasse ich dieses Problem offen.

72

3.2.

Die nicht-faktiven Verben

3.2.1. Den faktiven und kontrafaktiven Verben stehen die nicht-faktiven Verben gegenüber; sie können, je nachdem, welchen WW des Komplements sie Implizieren, in mehrere Gruppen eingeteilt werden. KARTTUNEN (1972) unterscheidet folgende Klassen: 1. Implikative Verben (manage - durchsetzen, ZAJStandebringen) Es gibt eine (notwendige oder hinreichende) Bedingung, von der es abhängt, ob das im Komplement beschriebene Ereignis stattfindet.

2. Negativ-implikative Verben (avoid - vermeiden) Es gibt eine (notwendige oder hinreichende) Bedingung, von der er abhängt, ob das im Komplement beschriebene Ereignis nicht s t a t t f i n d e t . 3. Wenn-Verben (cause - verursachen, force - zwingen) Ein wenn-Verb als Hauptverb einer affirmativen Behauptung impliziert die Wahrheit des Komplements. 4. Negative wenn-Verben (prevent - verhindern) Ein negatives wenn-Verb als Hauptverb einer affirmativen Behauptung impliziert die Falschheit des Komplements. 5. Nur-wenn-Verben (can - können, to be able - fähig sein) Ein nur-wenn-Verb als Hauptverb einer negativen Assertion impliziert die Falschheit des Komplements. 6. Negative nur-wenn-Verben (hesitate - zögern) Ein negatives nur-wenn-Verb als Hauptverb einer negativen Assertion impliziert die Wahrheit des Komplements, 3.2.2. Bei allen diesen Gruppen ist der HW des Komplements von Assertion/Negation des Trägersatzes abhängig (zu den negativen wenn-Verben s. auch CONTE 1978). In einigen Fällen ist der WW nicht als w oder f festgelegt und daher u, wodurch sich ein Erwartungswert für den K ergibt. In den folgenden Tabellen sind diese Gruppen zusammen mit den faktiven und kontrafaktiven Verben zusammengefaßt, wobei ich von der dreiwertigen Logik nach BLAU (1978) ausgehe. Die entsprechenden Bedeutungspostulate in der klassischen Logik finden sich in den Arbeiten KARTTUNENs. + bedeutet positiver, - negierter Trägersatz.

Klasse

Trägersatz

WW des Komplements

Ind. Ind.

f w

Ind. Ind.

w u

Ind. K

wenn-Verb

f

Ind. K

negatives wenn-Verb

u

K Ind.

nur-wenn-Verb

u

K Ind.

negatives nur-wenn-Verb

f

W

7 8

Bezeichnung

w f

u

5

Erwartungswert

W

Ind. Ind.

f f

Ind. Ind.

W

implikativ negativ implikativ

faktiv kontrafaktiv

Bei dieser Tabelle fällt a u f , daß KARTTUNEN keine Gruppe von Verben kennt, die sowohl bei Behauptung als auch bei Verneinung den Komplement-WW u haben. Der Ansatz einer solchen Gruppe scheint mir nun tatsächlich notwendig zu sein. Verben, die sowohl bei Behauptung als auch bei Verneinung ein Komplement mit unbestimmtem WW haben, die also unter keinen Umständen einen bestimmten WW implizieren, sind z . B . die traditionellen verba dicendi et sentiendi. Sie haben jedenfalls einen Srwartungswert für den K. KARTTUNEN hat sie wohl deshalb nicht untersucht, weil man für sie kein Bedeutungspoatulat im Rahmen der zweiwertigen Logik formulieren kann. Diese Verben enthalten eine besondere Problematik, die ich erst unten ( 3 . 2 . 4 , 2 . ) bespreche. Vorläufig seien sie nur als neunte Gruppe der Tabelle angefügt. Ich nenne sie der Einheitlichkeit der Terminologie wegen nonfaktiv (nicht mit nicht-faktiv, dem übergeordneten Merkmal der Gruppen 3-9, zu verwechseln). u u

K K

nonfaktiv

Die Gruppeneinteilung gibt nun alle Permutationen der drei Wahrheitswerte wieder.

3.2.3. Eine strukturelle Leerstelle für die semantemgebundene Teilaktualisierung ist nur in den Gruppen 3-6 und 9 möglich, wobei die nonfaktiven Verben zweifellos die wichtigste Gruppe ausmachen. Die Gruppen 3-6 gehören auch in semantischer Hinsicht näher zusammen. Die wenn-Verben und die negativen wenn-Verben bezeichnen einen Vorgang, der zur Realisierung oder NichtRealisierung des Komplementsatzgeschehens führt. Wird dieser Vorgang negiert, so wird Ober die Realisierung des Komplementsätzgeschehens nichts ausgesagt, sondern es wird nur erwähnt. Die nur-wenn-Verben und die negativen nur-wennVerben bezeichnen eine positiv oder negativ formulierte Möglichkeit des Komplementsatzgeachehens, so daß bei Affirmation über dessen Realisierung selbst nichts ausgesagt wird. Wird diese Möglichkeit hingegen negiert, so steht damit die Realität oder Nicht-Realität des Komplementsatzgescbehens fest. Bei den implikativen und negativ-implikativen Verben ist das Komplementsatzgeschehen eine Folge der Verbalhandlung des Tragersatzes, so daß sich Behauptung/Verneinung unmittelbar auswirkt, 3.2.1.1. Die Bestimmung des modalen Erwartungswertes ist im Einzelfall allerdings komplizierter, als es aus der Tabelle hervorgeht. Der Grund dafür liegt darin, daß es verschiedene Ambiguitäten bzw. Lesarten geben kann. So behauptet LAKOFF (1971: 39), daß Verben wie vorgeben bei Negation f oder keinen WW (also u) haben können, wobei er diese Ambiguität als Dialektunterschied auffaßt. In diesem Fall würde eine Ambiguität kontrafaktiv/negatives wenn-Verb bestehen. Eine andere Ambiguität wird von HARTIG/BINNICK (1978: 57) diskutiert. Das Verb zwingen^ 1st nach KARTIONEN ein wenn-Verb mit dem Komplement-VW u bei negiertem Trägersatz. Es gibt aber eine Lesart mit Komplement-WW w, vgl. folgende Sätze (Beispiele (61-66) bei HARTIG/BINNICK): (9)

Max hat Hans nicht gezwungen, nach Hause zu gehen; ich sah Hans später am Abend in einer Bar.

(10)

Max hat Hans nicht gezwungen, nach Hause zu gehen; es war Susi.

(11)

Max hat Hans nicht gezwungen, nach Hause zu gehen; Hans ging aus eigenem Willen.

In diesen Sätzen ist es sicher, daß Max tatsächlich nach Hause gegangen ist; zwingen müßte demnach eine faktive Lesart haben. Eine andere Ambiguität hat KARTTUNEN (1971a: 3427 Anm.5) diskutiert. Sein Beispiel ist (12)

I remembered to grade your paper, but I haven't done it yet.

KARTTUiiEN bemerkt dazu: "People who accept ( ( * 2 8 ° ) ) - and some don't - interpret remember here as meaning something like 'have in mind*. The reason for

75 calling this sense marginal is that even those who accept (('12") admit that it would be a bit dishonest to use a plain, unqualified statement, C * 1 3 " ) , if the speaker had not actually carried out what he claims to have remembered:

("13") I remembered to grade your paper."

Es gibt also hier, wie auch bei vergessen (KARTTUNEN 352ff), eine verbum-sentiendi-Lesart, die mir (jedenfalls für das deutsche Äquivalent) durchaus nicht ungewöhnlich erscheint. Hingegen überzeugt mich LAKOFFs Auffassung von abraten als wenn-Verb nicht (s. dazu die Diakussion bei HARTIG/BINNICK 1978: 58f). Ein Satz wie

(14)

Max riet Hans davon ab, nach Hause zu gehen.

wörde von LAKOFF so analysiert werden: Vergangenheit Hause)}).

(Max überreden

Hans

(nicht

(Hans

geht

nach

(14) wäre demnach eine Paraphrase von

Max überredete Hans, nicht nach Hause zu gehen.

HARTIG/BINNICK wenden gegen diese Paraphrase ein, daß abraten intentional verwendet wird und daher in Sätzen, in denen keine Intention vorhanden ist, seltsam wirkt, wie in

(15)

Peter riet Karin davon ab, eine Frau zu sein.

Nach HAflTIG/BINNICK würde LAKOFF für eine pragmatische Beschränkung der Lexikalisierung von abraten argumentieren. Die Diskussion erscheint mir somit eher auf eine methodische Frage zugespitzt. Mit der Methode der tiefensemantischen Prädikate kann man tatsächlich wenn-Verben und negative wenn-Verben in eine Gruppe zusammenfassen; allerdings ist damit nicht viel gewonnen. Der intentionale Gehalt von abraten scheint mir doch für den Ansatz eines volitiven Se-

76

mantems zu sprechen, so daß dieses Verb eher zu den nonfaktiven Verben gestellt werden müßte. 3.2.4.2. Die verba sentiendi, die oben (3.2.2.) vorläufig zu den nonfaktiven Verben gestellt wurden, enthalten ein besonderes Problem. Bei diesen Verben ist das Komplement nicht immer mit dem Objekt, das es vertritt, gleichwertig. PATZIG (1970: 47) hat darauf hingewiesen, daß der Ausdruck ich sehe, daß _£ eine andere Bedeutung hat als der Ausdruck ich sehe dort j^rüben^ ei n . Man kann den ersten Ausdruck paraphrasieren mit ich urte_ile_a_uf_ Grund dessen, was ich sehe, daß p. Das bedeutet, daß p nicht nur der Inhalt des Verbalbegriffs ist, sondern auch sein auslösendes Moment: Das Sehen von p ist das auslösende Moment für mein Urteil, daß p. Wenn diese Analyse richtig ist, so enthalten die verba sentiendi ein deklaratives Element, so etwa besonders deutlich bei Verben wie hören, lesen usw. Daraus folgt wiederum, daß dieae Verben mit deklarativem Element keine strukturelle Leerstelle für den K eröffnen, denn das vom Komplement bezeichnete Geschehen muß, weil es auch der Anlaß für das Urteil ist, notwendig wahr sein. 3.2.4.3. Aus philologischer Sicht scheint man bisher dieses Problem nicht beachtet zu haben. Nur NEUHOFF (1959: 70ff) hat sich mit diesen verschiedenen Gebrauchsarten auseinandergesetzt. Er führt den Ind. im Komplement der verba sentiendi auf eine Art "Gefühlsgewißheit" zurück, die oben als Identität von Anlaß und Urteil dargestellt wurde. "Die Möglichkeit, der Wunsch, der Glaube, die Hoffnung, die Erwartung, die Annahme - nur um einige Fälle zu nennen -, das ist keinesfalls weniger wirklich als alles andere unserer Wirklichkeit sonst," (71) Dem problematischen Urteil kommt "in der Unsicherheit des Fürwahrhaltens, Glaubens, Heinens, Denkens, Hoffens und Wünschens eine eigentümliche Weise des Festhaltens zu, die ihrerseits wiederum als eine eigene Weise des Zeigens (Indikativ) zu verstehen ist - Überzeugung im weitesten Sinne - in der die "Eigenmacht des Gemüts" sich nicht weniger bekundet als in der rein abstrahierenden Erkenntnis, sofern das Gemüt in all diesen defizienten Modi des 'Fürwahrhaltens' über das bloß Tatsächliche, unmittelbar Vorliegende (Vorhandene) hinausgreift. Damit erhält die Unbestimmtheit des Glaubens, Meinens, Hoffens einen eigentümlichen, wenngleich unabweisbaren Zug des 'Wissens', der 'Gewißheit'. Gewißheit ist die Anwesenheit (Gegenwart) des Gewußten bzw. Geglaubten. Aus diesem Grund steht der Indikativ." (72) Man darf sich an der Metaphorik der Ausdrucksweise NEUHOFFs nicht stoßen - seine Überlegungen stimmen gut zur logischen Analyse PATZIGs. NEUHOFF beruft sich übrigens auf KANT, in dessen "Kritik der reinen Vernunft" diese Ansicht schon angelegt ist (A 820ff, B 848ff). 3.2.4.4. Es 1st sogar möglich, daß NEUHOFFs Ansicht auf einer falschen Prämisse beruht, nämlich auf der Prämisse, daß ein indikativisches Komplement bei diesen Verben ein in irgendeiner Weise "reales" Geschehen bezeichnet. Vielmehr besteht der Grund für die unterschiedliche Modussetzung darin, daß

77

der Sprecher d a s Komplementsatzgeschehen nicht a u s d r ü c k l i c h als erwünscht, erhofft, gedacht usw. darstellen muß, sondern er kann sich auf die Angabe des gewünschten usw. I n h a l t e s beschränken, der als solcher natürlich vorhanden sein muß, hier aber nicht das Objekt selbst, sondern die Objektfunktion bezeichnet. Das Objekt des Wunsches ist also in diesem Fall nicht ein Sachverhalt, sondern ein Satzinhalt als erwähnter Sachverhalt. Das ist aber grundsätzlich in allen Fällen von Komplernent-WW u möglich. Der Sprecher kann hier zwischen zwei logischen Ebenen wählen; da diese Wahlmöglichkeit Immer besteht, sollte man sie nicht als verbale Ambiguität auffassen. Auch WUNDERLI (243, s. das Diagramm S. 244) hat diese Wahlmöglichkeit besprochen, freilich als m.M. unberechtigten Unterschied im Wirklichkeitsbezug. Für das Schema der modalen Erwartungswerte ist diese Wahlmöglichkeit belanglos, weil der Erwartungswert keine feste, sondern eine m ö g l i c h e seraant eingebundene Teilaktualisierung indiziert. 3.2.4.5.1. Eine echte Ambiguität von deklarativer und nicht-deklarativer Variante ist hingegen für die 1. Pers. Präs, charakteristisch, wie sie in PATZIGs Ausdrücken vorhanden ist. Diese Ambiguität ist von URMSON (1952) als Unterschied von parenthetischer und nicht-parenthetischer Gebrauchsweise beschrieben worden. Parenthetische Verben sind nach URMSON jcnow, believe, de^ £' re^oiee, gegret, conclude, suppose, guess, expect, admit, predict. Die meisten dieser Verben sind nonfaktiv, aber es sind auch faktive und wenn-Verben in dieser Gruppe vertreten. Wenn diese Verben in der 1. Pers. Präs, gebraucht werden, haben sie ein wahres Komplement (URMSON -483); sie stehen dann im deklarativen Sinn. Der parenthetische Gebrauch von normalerweise nichtparenthetischen Verben kann durch den Zusatz to say verdeutlicht werden ( 4 9 3 f ) · URMSON (484) umschreibt die semantische Leistung der parenthetischen Verben folgendermaßen: "It is my contention that parenthetical verbs are one of the sets of devices that we use in order to deal with these matters, though not the only set. By them we prime the hearer to see the emotional significance, the logical relevance, and the reliability of our statements. This we do not only by telling him how we are moved or how he should be moved by them, nor by telling him how our statement fits into the context, nor by describing the evidential situation, but by the use of warning, priming or orientation signals; we show rather than state." 3.2.4.5.2. URMSON (488, Abschnitt B) weist nun darauf hin, daß der parenthetische Gebrauch nicht nur auf die 1. Pers. Präs, beschränkt ist, sondern auch in der Erzählhaltung vorhanden sein kann. Sein (umgestellter) Beispielsatz

(16)

Jones glaubt, daß X zu Hause

ist.

kann sowohl parenthetisch als auch nicht-parenthetisch

aufgefaßt werden. Nur

78

bei nicht-parenthetischem Gebrauch besteht die Möglichkeit, daß sich der Sprecher vom Komplementsatzinhalt distanziert und die Wahrheit des Inhaltssatzgeschehens nicht als feststehend auffaßt. Man kann daher zwei Gebrauchsweisen unterscheiden: als nonfaktives Verb bezeichnet glauben einen sprachlichen Inhalt, der auf den mentalen Bereich des Subjekts beschränkt ist und dessen Wahrheit daher vom Sprecher weder vorausgesetzt noch impliziert wird. Als parenthetisches Verb gibt der Sprecher eine Aussage des Subjekts wieder, also einen Satzinhalt, der in Objektfunktion bei asseriertem Trägersatz den WH w impliziert. Bei glauben liegt daher eine Ambiguität nonfaktiv/wenn-Verb vor, die sich auch in den Bedeutungsangaben der Wörterbücher zeigt (s. z.B. WAHBIG 1978: 355). Wenn in der 1. Pers. Präs. Sprecher und modales Subjekt zusammenfallen, so ist der parenthetische Gebrauch vorherrschend (natürlich kann auch hier ich glaube im Sinn von i_ch ve rmute stehen), 3.2.4.5.3. Es liegt nahe, die parenthetischen Verben mit den performativen Verben zu vergleichen, genauer gesagt mit den primär performativen Verben, zu denen AUSTIN ja auch wissen zählt, das URMSOM als parenthetisch betrachtet. LYONS (1977: 738) hat auch ausdrücklich auf den parenthetischen Gebrauch von performativen Verben hingewiesen; er verweist übrigens auf BENVENISTE (1974: 294 f f ) , der diesen Zusammenhang unabhängig von AUSTIN und URMSON ebenfalls erkannt hat. Der Unterschied zwischen diesen beiden Verbgruppen besteht im großen und ganzen darin, daß die Beziehung von Wortinhalt und Sprechakttypus bei (potentiell) parenthetischen Verben weniger strikt ist als bei performativen Verben. Bei parenthetischen Verben kann immer nur eine (z.B. deklarative oder apperzeptive) Komponente des Verbs als Zeichen des Sprechaktes verstanden werden t während sich bei den (explizit) perforaativen Verben der gesamte Wortinhalt mit dem Sprechakt deckt. Durch diese Funktion ist auch die Stellungsregel, die dieser Verbgruppe ihren Namen gegeben hat, verständlich: parenthetische Verben gehören nicht in dem Sinne zur Proposition wie z.B. das Prädikat und seine Teile, sondern sie sind als Kommentar zur Proposition zu verstehen und erfüllen damit einen Teil der Funktion, die die Modalkomponente hat. Stehen sie in einem Trägeraatz, so kann dieser daher als Kommentar im Nachfeld stehen oder vom Inhaltssatz eingeschlossen werden. SCHMIDT (1962: 88f) behandelt in ähnlicher Weise existiraatorische und emotionale Ausdrücke; dort (92f) findet sich auch der Hinweis auf besondere syntaktische Konstruktionen dieser Verben in den indogermanischen Sprachen. 3.2.4.5.4. Auf eine ähnliche Ambiguität bei den intensionalen Verben wie roelden, berichten hat ROHRER (1977) aufmerksam gemacht. ROHRER stellt diese Ambiguität als Unterschied von engem und weitem Skopus dar; bei engem Skopus ist die Tatsächlichkeit des eingebetteten Geschehens nicht gefordert, bei weitem Skopus muß die Tatsichlichkeit a u c h möglich sein. Er zeigt diesen Unterschied an folgendem Satzpaar:

79

(17)

Der Reporter berichtete, daß der Schiedsrichter die deutsche Mannschaft offensichtlich benachteiligt habe,

(18)

Der Reporter berichtete die offensichtliche Benachteiligung der deutschen Mannschaft durch den Schiedsrichter.

Die Benachteiligung des Schiedsrichters kann in (33) nur Wertung des Reporters sein, in (3 kann sie auch vom Sprecher stammen. fiOHRER meint, daß es bei weitem Skopus der Nominal!sierung "keine synonyme Version ( ' g i b t * ) , in welcher die Nominalisierung durch den Nebensatz ersetzt wird." (215) In MONTAGUEs System wird dieser Unterschied als de dieto/de re - Lesart berücksichtigt. 3.2.5. Abschließend stellt sich die Frage, inwieweit derartige Ambiguitäten die syntaktische Analyse von Korpussprachen problematisch werden lassen. Eine wenn-Verb/faktiv-Ambiguität ist bei asseriertem Trägersatz insofern belanglos, als in beiden Fällen kein Erwartungswert für den K vorhanden ist. Bei der wenn-Verb-Lesart muß die modale Abwandlung des Tragersatzes berücksichtigt werden, doch diese Faktoren sind ohnedies Gegenstand der empirischen Untersuchung, ebenso der Sonderfall der 1. Pers. Präs. Problematisch kann die Ambiguität implikatives/nonfaktives Verb sein. Hier wird im Einzel fall zu entscheiden sein, ob deklarativer Gebrauch vorliegt oder ob es sich um einen Bericht eines mentalen Inhalts handelt. Entsprechende Hinweise können dem Kontext bzw. dem Komplementsatzinhalt entnommen werden. 3.2.6, Die Diachronie dieser Verbgruppen ist im Zusammenhang mit der WW-Präsupposition bzw. Implikation bisher nicht untersucht worden; auch zur allgemeinen Bedeutungsentwicklung dieser Verben sind nur verstreute Bemerkungen vorhanden. AUSTIN (1972: 90f) hat die Ansicht vertreten, daß die explizit performativen Äußerungen erst spSter entstanden seien als vergleichbare implizit performative Ausdrucke, die noch nicht die verschiedenen Hollen, die diese Äußerungen bezeichnen können, unterscheiden. AUSTIN scheint der Meinung zu sein, daß explizit performative Formeln Kennzeichen einer höher entwickelten Sprache seien; seine Berufung auf JESPERSEN in Anm. 21 weist allerdings auf fragwürdige evolutionistisehe Vorstellungen des Sprachwandels hin. Dennoch müssen seine Anmerkungen ernst genommen werden, Ein Überblick über generelle Entwicklungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit Änderungen im Bereich der Verbgruppeneinteilung kann wenigstens die wichtigsten diachronen Prinzipien der ßedeutungsentwicklung aufdecken, 3-2.7.1, Die Diachronie der verba sentiendi geht zunächst von der sinnlichen Wahrnehmung aus (so schon BECHTEL 1879). Das, was wahrgenommen wird, ist durch einen Sinnesreiz vermittelt. Da bei Negation des Verbs die Wahrnehmung nicht zustande kommt, sind diese Verben wenn-Verben, Aus der sinnlichen Wahrnehmung entsteht die Bezeichnung einer mentalen Wahrnehmung. Die Verben können einige Zeit beide Wahrnehmungsarten bezeichnen, bis die Einschränkung

80

auf die mentale Wahrnehmung vollständig durchgeführt ist. Als typische Beispiele dieser Entwicklung können etwa aehen - einsehen, greif en - begreifen usw. genannt werden. Diese Bedeutungsentwicklung hat KLAGES (1959: 146ff) anschaulich als "Doppelsinn der Namen" beschrieben. Nach KLAGES besteht der "eigentliche Sinn" zunächst in einem physischen Greifen, Fassen und Nehmen, woraus sich als "übertragener, uneigentlioher Sinn" das geistige Greifen und Erfassen entwickelt. KLAGES (155) bemerkt dazu: " ( " . . . " ) zahllose Namen für etwas Anschauliches bedeuten zugleich etwas Wesenhaftes, und in vielen wird die sinnliche Bedeutung von der seelischen so sehr verschattet, dass es eigens darauf gerichteter Besinnung bedarf, um sie wiederzufinden." Mit diesem Bedeutungswandel ändert sich aber auch die Faktivitätsklasse. Waren die Verben in ihrer ursprünglichen sinnlichen Bedeutung wenn-Verben, so sind sie in ihrer übertragenen Bedeutung faktiv, da eine geistige Wahrnehmung das Bestehen des wahrgenommenen Inhaltes bereits voraussetzt. In diesem Fall bedeutet die Negation, daß der Akt der geistigen Wahrnehmung selbst nicht zustande kommt, wobei das Objekt dieser Wahrnehmung unabhängig von diesem Akt besteht. 3.2.7.2. Diesen Faktivitätsunterschied hat NIKULA (1976) am Beispiel von fehlen besprochen, das in beiden Bedeutungen gebraucht werden kann. Vgl. folgende Sätze:

(19) (20)

Der Mann fühlt sich jung, Der Mann f ü h l t , daß er jung

ist.

( 1 9 ) bezeichnet als AcI-Konstruktion eine physische Wahrnehmung; die Negation verneint auch das Objekt, daher ist fühlen hier wenn-Verb. (20) hat normalerweise die faktive Lesart: der Mann ist jung, aber er muß das nicht bemerken. Der Übergang von ( 1 9 ) zu ( 2 0 ) kann durch die Koreferenz des Subjekts vermittelt sein. Möglicherweise ist die Faktivitätsänderung gerade für Wahrnehmungsverben mit Acl typisch. Im Deutschen können vielleicht die perfektivierenden Präfixe uz- und g i- als Merkmale dieses Bedeutungswandels gelten (s. den Hinweis bei BRINKMANN 1931: 50f}, doch eine genaue Untersuchung fehlt. 3.2.7.3. Verben für die Bezeichnung einer geistigen Wahrnehmung durchlaufen somit oft ein Stadium der systematischen Ambiguität faktiv/nonfaktiv. Als typisches Beispiel für einen solchen Bedeutungswandel sei das Verb wissgn genannt. Es bezeichnet nach Ausweis der Etymologie ursprünglich eine visuelle Wahrnehmung und ist somit wenn-Verb. Durch seine perfektopräsentische Flexion bezeichnet wessen nunmehr einen mentalen Zustand und wird dadurch faktiv. Einen anderen Weg hat z.B. können durchlaufen, das ebenfalls zunächst eine Wahrnehmung bezeichnet (etymologischer Zusammenhang mit kennen). 3.2.8.

Für die Untersuchung von älteren Sprachstufen ist

es daher not-

81

wendig, die Faktivitätsklasse unabhängig vom heutigen Sprachgebrauch zu bestimmen. Im Mhd. bezeichnen noch viele Wahrnehmungsverben, die heute als faktiv gelten, eine sinnliche Wahrnehmung, so daß diese Verben als wenn-Verben klassifiziert werden müssen (s. die Übersicht bei SEIFFERT 1968: 1 0 9 f f ) , In den meisten Fallen läßt sich die Klasse aus dem Kontext und durch die Berücksichtigung der Wörterbuchangabe und der Morphologie (Präfixe) eindeutig bestimmen. Auch die Etymologie kann oft zur Bedeutungsbestimmung herangezogen werden (3. den Hinweis bei SARAN/NAGEL 1967: 3). 3.2.9. Oben (3.2.1.) wurde darauf hingewiesen, daß bei den nicht-faktiven Verben durch die modale Abwandlung des Trägersatzes zusätzliche Erwartungswerte für den K entstehen, während bei faktiven und kontrafaktiven Verben der WW des Komplements unabhängig vom modalen Stand des Trägersatzes feststeht. Diese Zusammenhänge lassen sich klar darstellen, wenn man die Unterscheidung HAREs (1970) übernimmt, die LYONS (1977: 7 « 9 f f ) für den Bereich der Modalität konsequent durchgeführt hat. Ein Satz enthält nach HABE eine phrastische, eine tropische und eine neustische Komponente. Die phrastische Komponente entspricht dem propositionalen Gehalt, der für Frage-, Befehls- und Aussagesätze gemeinsam ist; die tropische Komponente korreliert mit dem Sprechakt (Deklarativ, Jussiv); die neustische Komponente ist ein Zeichen der Zustimmung zum ausgeführten Spreehakt, der Sprecher verpflichtet sich auf die Tatsächlichkeit, Erwünschtheit usw.. der Proposition. Die Negation kann sich auf alle drei Komponenten beziehen. Der Unterschied zwischen subjektiver und objektiver Modalität (oben 2 . 1 , 3 · ) kann nun in folgendem Schema dargestellt werden (das Beispiel und die Formel nach LYONS 1977: 8 0 3 f ) :

Modalität

Komponenten neustisch

subjektiv

objektiv

poss

·

tropisch

Beispiel (explizite Paraphrase) phrastisch

·

p

möglicherweise ist es der Fall, daß p

poss

p

ich sage, daß es möglicherweise der Fall ist, daß p

Die Verschiedenheit im Verhalten von faktiven und nicht-faktiven Verben hinsichtlich der Sprechaktsensitivität ihres WW läßt sich mit HAREs Ansatz deutlich beschreiben. Nicht-faktive Verben haben ein semantisches Merkmal der Fakt i v i t ä t , das in der phrastischen Komponente enthalten ist. Die Faktivität wird daher mit dem Inhalt der Proposition a u s g e s a g t . Die illokutive Ab-

82 Wandlung (und auch die Negation) betreffen die phrastische Komponente mit ihrem faktiven Sem, daher ist der WW des Komplements sprechaktsensitiv. Die Faktivität der faktiven Verben ist nicht als Merkmal in der phrastischen Komponente repräsentiert, sondern sie ist in den nicht-ausgesagten (präsupponierten) Einleitungsbedingungen vorhanden, die durch die neustische Komponente wiedergegeben werden. Sie wird daher durch die Negation der phrastischen Komponente nicht betroffen, und auch die Abwandlung der tropischen Komponente ändert daran nichts. Durch explizite Paraphrasen kann auch die neustische und die tropische Komponente ausgesagt werden, so daß der Satz einen bestimmten WW erhält. Der Unterschied zwischen ausgesagter und nicht-ausgesagter Modalität zeigt sich auch im verschiedenen grammatischen Verhalten bestimmter Satzadverbien, s. dazu STICKEL {1970; 11/Anm. 1) und BARTSCH (1972: 90ff). Es liegt also ein unterschiedlicher Skopua des Hodaloperators vor (LYONS 1977: 08), der in der logischen Form eines Satzes repräsentiert sein muß; eine solche Repräsentationsmöglichkeit zeichnet das generativ-semantische Modell GERSTENKORNS (1976) aus, das in dieser Hinsicht trotz teilweise berechtigter Kritik (VATER 1977) anderen Modellen überlegen ist.

3.3.

Das Kriterium der Valenzwertigkeit

3.3.1Die Unterscheidung von autonomer und syntagmatischer Modusfunktion setzt eine genaue Beschreibung der DependenzverhSltnisse in den untersuchten Satzgefügen voraus. Ich beschreibe diese Dependenzverhältnisse zunächst auf einer tiefensyntaktischen Struktur und übernehme damit einen logisch-semantisehen Valenzbegriff, wie er in den Arbeiten BONDZIOs (1969, 1971, 1976/78) entwickelt wurde. Dieser Ansatz bringt es mit sich, daß nicht nur universelle sprachliche Relationen postuliert werden, wie es etwa in der Generativen Semantik der Fall ist, sondern diese Relationen werden in ihrem Zusammenwirken mit konkreten semantischen Strukturen gesehen. Die Realisierung dieser Relationen kann daher von Sprache zu Sprache und von Sprachstufe zu Sprachstufe verschieden sein; die allgemeinen Relationen gelten freilich universell. Sie werden am besten in der gloasematischen Terminologie HJELMSLEVs (1974: 29, ^3) beschrieben:

Allgemeiner Terminus

im Verlauf

im System

Interdependeoz Determination Konstellation

Solidarität Selektion Kombination

Komplementarität Spezifikation Autonomie

Diese logischen Relationen ergeben angewendet auf das Verhältnis der Teilsätze in einem Satzgefüge drei verschiedene Satzgefügetypen. Sie unterscheiden sich

83

dadurch, daß im Fall der Interdependenz beide Teilsätze nicht autonom sind, während bei der Determination der regierende Satz als Nukleus auf der logisch-semantischen Ebene autonom ist. Zwei Teilsätze im Verhältnis der Konstellation sind jeder für sich autonom. Sie werden durch ein Element verbunden, das auf den syntagmatisehen Status dieser Elemente keinen Einfluß hat. 3.3.2. Im folgenden Abschnitt soll gezeigt werden, daß der tiefensyntaktische Typ mit entsprechenden Ausdrucksformen korreliert. Es wird sich dabei zeigen, daß die traditionelle Einteilung der Satzgefüge nach Subjekt-, Objekt-, Adverbial- und Relativsätzen sowie die strukturalistische Einteilung der Nebensätze nach BOETTCHER/SITTA (1972) wesentlichen Gegebenheiten der tiefensyntaktischen Typologie entspricht, so daß diese Einteilungsgrundsätze mit nur geringfügigen Modifikationen die tiefensyntaktischen Relationstypen wiedergeben. Die beiden Teilsätze bezeichne ich mit den Großbuchstaben A und B, die Konjunktionen mit c. Die syntagmatlsehe Abhängigkeit wird mit ' bezeichnet, also A' bzw. B ' . Da Übereinstimmung des syntaktischen Status mit der Ausdrucksform postuliert wird, entscheidet wie oben 2.2. die kommunikative Abgeschlossenheit über Autonomie und Dependenz. Zwei große Gruppen lassen sich unterscheiden, eingeleitete und uneingeleitete Nebensätze, üneingeleitet können nur Objekt- und Subjektsätze sowie Konditionalsätze sein. Wenn keine Permutationen zugelassen werden, ergeben sich sieben Satzgefügetypen (A B wird nicht berücksichtigt, weil dieser Typ keinem Satzgefüge, sondern zwei autonomen Sätzen entspricht - ein inhaltlicher Zusammenhang kann natürlich auch hier vorhanden sein). 1.

A' B Ich glaube, er wird morgen kommen.

2.

A B' Er wird morgen kommen, glaube

3.

ich.

A' B'

Käme er morgen, wäre ich froh. 4.

Ac B Franz koismt und Karl geht. Nun wird alles gut, denn du bist da.

5.

A c B1 Nun wird alles gut, weil du da bist. Maria träumt, während Hans tief schläft. Ich glaube es, daß er das nicht lange aushalten wird.

6.

A' c B (nicht realisiert)

7.

A' c B' Ich glaube, daß er morgen kommen wird. Es wäre schön, wenn du morgen kämest.

3.3.3. Der Zusammenhang zwischen diesen Satzgefügetypen kann dadurch gezeigt werden, daß zwei "Neutralfälle" herausgegriffen und abgewandelt werden. Durch diese Umformungen ergeben sich folgende zwei Gruppen: 1. A' B A ' c B' B A' o B' A' c B' A A c B'

Ich glaube, er wird morgen kommen, Ich glaube, daß er morgen kommen wird, Er wird morgen kommen, glaube ioh. Daß er morgen kommen wird, glaube ich. Daß er morgen kommen wird, das glaube ich, Ich glaube es, daß er morgen kommen wird,

2. A c B' A c B c B' A' B c A'

Nun wird alles gut, weil du da bist, Nun wird alles gut, denn du bist da, Weil du da bist, wird nun alles gut. Du bist da, deshalb wird nun alles gut.

Aus diesen Sätzen lassen sich zwei Regeln ableiten: 1. c-Voranstellung erfordert B " , d.h. nach einer vorangestellten Konjunktion muß der Teilsatz als dependent gekennzeichnet werden. 2. In der 2. Gruppe ist c obligatorisch. 3. Bei obligatorischem c (Gruppe 2} ändert c-Voranstellung den Autonomiestatus von A zu A". Diese Regeln werden unten (3·3·^·) noch genauer besprochen. Vorläufig sollen sie nur zeigen, daß sich die Position einer Teilstruktur innerhalb eines Satzes auf ihren syntagmatisehen Status auswirkt. Das gilt freilich nicht für alle Konjunktionen, vgl.

(1) (2)

Franz kommt und Karl geht. Franz ißt oder Karl schläft.

In diesen Sätzen können die potentiell autonomen Elemente beliebig permutiert werden, ohne daß sich ihr Autonomiestatus ändert. Sie können auch mit den gleichen Konjunktionen beliebig erweitert werden. In dieser Hinsicht unterscheiden sich diese Konjunktionen von jenen in den oben zusammengestellten beiden Gruppen, Weiters gibt es einige Permutationsrestriktionen in Gruppe 2, Der Typus A c B kann nicht in c B 1 A ( umgeformt werden, ebensowenig ist eine Umformung des Typus A c B' su B c A möglich. Hingegen kann A c B 1 in c B A * , A c B in B c A umgeformt werden, allerdings mit semantischem Unterschied (Umkehrung der Kausalbeziehung), Die Typen A c B und A c B f stehen ohne semantischen Unterschied in:

(3) Wir wollten ins Kino gehen, doch wir bekamen keine Karten mehr. (3 1 ) Wir wollten ins Kino gehen, doch bekamen wir keine Karten mehr.

85

Vgl. dazu HELBIG/BUSCHA (1977: 4 0 5 f ) . Manche A c B 1 - Typen können umgangssprachlich in A c B umgeformt werden (ev. mit leichtem stilistischen W e r t ) :

( 4 ) Nun wird alles g u t , weil du da bist. (it 1 ) Nun wird alles gut, weil du bist da.

Abweichend ist hingegen wieder:

+Weil du bist da, wird nun alles g u t ,

wäre c B A * . Die mögliche Folge c B 1 A ' {s. den entsprechenden Satz in der 2. Gruppe) ist wegen der Umkehrung der Kausalbeziehung semantisch nicht äquivalent. 3.3.**. Die funktionellen Unterschiede der beiden Gruppen entsprechen somit spezifischen topologischen Beziehungen. Die Zusammenhänge können wie folgt dargestellt werden: Gruppe 1:

Ausgangspunkt ist A ' . A kann nur neben c B* vorkommen, c B' gehört mit B der gleichen paradigmatischen Klasse an. Ausgangspunkt ist A. Die sinngebundene Umformung zu A ' ist nicht möglich; in manchen Fällen ist sie auch dann nicht möglich, wenn semantisehe Unterschiede toleriert werden, c B und c B' gehören der gleichen paradigmatisehen Klasse an.

Gruppe 2:

Die Permutationsrestriktionen zeigen, daß nur B und c B' in Gruppe 1 das Kriterium der Satagliedwertigtceit erfüllen; in Gruppe 2 können c B und c B' bei gleichbleibendem semantischem Wert des gesamten Satzgefüges nicht geschlossen verschoben werden bzw. diese Verschiebung wäre generell nicht akzeptabel. Weiters folgt aus diesen Restriktionen, daß die Dependenzbezeichnung für die in der zweiten Gruppe repräsentierte tiefensyntaktische logisch-semantische Relation kein konstitutives Merkmal ist. Die syntagmatische Kohärenz wird daher nicht durch den mit B symbolisierten zweiten Satzteil selbst, sondern durch die Konjunktion ausgedruckt. Für die entsprechende Relation in Gruppe 1 ist hingegen die Dependenzbezeichnung konstitutiv, wobei es gleichgültig ist, welcher der beiden Teilsätze als dependent ausgewiesen wird. Es ist dabei auffällig, daß der Typus A* B' mit Dependenzbezeichnung durch die Endstellung des Vf in B nicht akzeptabel ist:

(5)

+

Ich glaube, er morgen kommen wird. *Ich glaube, wird er morgen kommen.

86

Der strukturell zu erwartende Typus A B' entspricht in einer bestimmten Reallsationsforas der Vorstufe von Objektsätzen:

(6)

"''Ich glaube das, er morgen kommen wird.

Der Zusammenhang von Wortstellung und Nebensatztyp wird erst unten 3.5. genauer besprochen. 3.3.5Als Ergebnis der Untersuchung der topologischen Beziehungen im Satzgefüge des Deutschen kann festgehalten werden, daß drei Klassen von Satzverbindungen vorhanden sind, die auf die von HJELMSLEV beschriebenen logischen Relationen zurückgeführt werden können. Die Relation der Interdependenz liegt den Inhaltssätzen zugrunde, die Determination den Verhältnissätzen (Adverbialsätzen). Die Konstellation ist das Verhältnis zweier autonomer Sätze zueinander; ihr entsprechen auf der syntaktischen Oberfläche ebenfalls zwei autonome SStze oder Sitze, die durch parataktische Konjunktionen verbunden sind, wie und, oder usw. Die topologisehen Beziehungen erfassen nicht nur Regularitäten der traditionellen subordinierenden Konjunktionen, sondern auch Stellungsregeln von Konjunktionen wie denn, deshalb, doch, jedoch. 3.3-6. Bevor diese Relationen im Rahmen der logisch-semantischen Valenzbeziehungen dargestellt werden, soll in einem Vergleich mit den von BOETTCHER/SITTA (1972) analysierten Kategorien gezeigt werden, daß beide Verfahrensweisen unabhängig voneinander zum gleichen Ergebnis führen, und das ist ein gutes Argument for die Gültigkeit der hier beschriebenen logiseh-semantisehen Relationen, 3.3.6.1. BOETTCHER/SITTA unterscheiden in Anlehnung an das Schichtenmodell von GLINZ (übersichtlich dargestellt z.B. in GLINZ 1965: 9 f f ) drei Ebenen: kategorlaler Wert, Strukturtyp und Realisationsform. Die kategorialen Werte bestehen in bestimmten gedanklichen Beziehungen, wie Kausalität, Finalitat usw. Sie bilden "ein Geflecht von habitualisierten pragmatischen Relationen" (47) und können durch ein operational erfaßbares Beschreibungsraster weiter untergliedert werden (Typ - Variante - Modifikation - Semantische Skala). Die einzelnen kategorialen Werte liegen in verschiedenen Realisätionsformen vor. Sie manifestieren sich v.a. in graphischen und phonotaktischen Varianten; da sie in diesem Zusammenhang keine größeren Probleme stellen, werde ich sie nicht weiter erwähnen. Wichtig ist hingegen die Ebene 2, der Strukturtyp. 3.3.6.2 BOETTCHER/SITTA ( I 8 f f ) gehen davon aus, daß ein bestimmter kategorialer Wert durch unterschiedliche Strukturtypen dargestellt werden kann. Sie unterscheiden folgende Typen (3ilff): A: Eine der beiden verbalen Setzungen (im HS oder NS) hat eine von vier Charakteri st i ken:

87

a) Finitum in Endstellung - - einleitende Konjunktion b) Finitum In Spitzenstellung ohne einleitende Konjunktion c) Verb im Infinitiv mit oder ohne Infinitivkonjunktion (zu, um zu, ohne _zu usw.) d) Einleitende Konjunktion a_ls mit unmittelbar folgendem Finitum Die so charakterisierte verbale Setzung wird "verbale Setzung mit Nebensatzcharakteristik" genannt (abgekürzt: "N-Setzung").

B: Eine der beiden verbalen Setzungen ist eine N-Setzung, charakterisiert durch: a) Finitum in Endstellung + Einleitungssignal mit regulärer w-Charakteristik (Deshalb, _was, wodurch usw.) b) Verb im Infinitiv mit Infinitivkonjunktion um ..^._ Die Unterscheidung von -Setzung (verbale Setzung mit HS-Charakteristik) und N-Setzung wird wie bei Strukturtyp A durchgeführt, nur steht der Inhalt der H-Setzung bei B in der N-Setzung. HS- und US-Charakteristik sind einander umgekehrt zugeordnet. C: Beide verbale Setzungen sind -Setzungen; in der zweiten steht in der Regel ein Einleitungssignal mit d-Charakteristik (deswegen, das). D: Wie C, nur daß das Kategoriensignal der Wortart "Partikel" angehört in C sind die Einleitungssignale pronominal und wirken röckbezüglich. E: Wie D, doch legt in E kein spezifisches Kategoriensignal das Verstehen auf einen kategorialen Wert fest. Der kategoriale Wert kann nur relativ zum Kontext und zum jeweiligen Satzinhalt aufgrund der bloßen Aufeinanderfolge der beiden verbalen Setzungen interpretiert werden. 3·3.6·3· Die folgenden Beispiele repräsentieren je einen Strukturtyp. Ich füge die Relationsformel hinzu. Beispiel

Strukturtyp nach

Relations-

BOETTCHER/SITTA

formel

Da er völlig erschöpft war, blieb er daheim.

A

c B' A'

Er war völlig erschöpft, weswegen er daheim blieb.

B

B c A'

Er war völlig erschöpft, deswegen blieb er daheim.

C

B c A'

(10) Er blieb daheim, denn er war völlig erschöpft.

D

Ac B

(11) Er blieb daheim, er war völlig erschöpft.

E

(A B)

(7) (8} (9)

88

Beispiel ( 1 1 ) schließe ich aus, denn hier handelt es sich ura zwei vollständige, autonome Sätze (die Realisierungsform ist irrelevant). Ein eigener Typ ist nach der Relationsformel

(12)

{12) ist

Er blieb daheim, weil er völlig erschöpft war.

A c B' und gehört nach BOETTCHER/SITTA zum S t r u k t u r t y p A,

3.3.6.4. Der Unterschied zwischen den Strukturtypen nach BOETTCHER/SITTA und den Relationsforroeln, die nach dem syntagmatisehen Wert der Teilstrukturen im Satzgefüge aufgebaut sind, zeigt sich hier sehr deutlich. BOETTCHER/SITTA nehmen an, daß die Strukturtypen auf einer vom kategorialen Wert unabhängigen Ebene liegen. Sie sind daher für die Kategorieneinteilung nur sehr beschränkt brauchbar, denn in den meisten Fällen ist nur ein Typ möglich, sehr selten zwei oder drei, und alle fünf Typen können nur die Kategorien "unspezifiziert kausal" (wie die zitierten Beispiele 7-12), "konditional unausgeglledert" und "Ähnlichkeitszuaammenhang" haben. Es gibt also keine Einheitlichkeit in der Typenzuweisung zu den einseinen kategorialen Werten, auf welcher Ebene sie auch angesetzt werden (vgl. die Tabelle bei BOETTCHER/SITTA 2 3 9 f f ) . Zudem ist Typus A eine Art "Universaltypus", der beinahe jeder Kategorie zukommen kann, BOETTCHER/SITTA haben auch nicht versucht, die einzelnen Typen auf operationale Zusammenhänge zu prüfen. Nach meiner Auffassung entsprechen hingegen den obersten kategorialen Werten auch eigene tiefensyntaktische Typen - für den Bereich der Verhältnisbeziehung also generell A B'. Alle anderen Kategorien innerhalb dieses obersten Wertes unterscheiden sich hinsichtlich ihres Typs nicht voneinander. Die Relationsformeln in den Beispielen (7-12} repräsentieren verschiedene oberflächensyntaktische Varianten, die operational auf diesen Typ zurückgeführt werden können. 3-3.6.5. Ich kann diese Zusammenhänge nur an einigen ausgewählten Beispielen erläutern und bespreche zunächst das Verhältnis der Strukturtypen B und C, die ich mit einer gemeinsamen Relationsformel beschreibe, und ihre Beziehung zum Strukturtyp A, wie sie auch von BOETTCHER/SITTA ( 3 7 f f ) herausgestellt wurde, Zunächst könnte man fragen, ob nicht auch die Relation A c B* vorliegen könnte, d i e j a als Realisierung b e i d e r tiefensyntaktischer Typen vorkommt; vgl. als Beispiel für den Bereich der Inhaltsbeziehungen:

13)

Du wirst morgen kommen, was mich besonders f r e u t , B c A'

Dagegen spricht aber, daß die für beide Gruppen mögliche Umformung zu c B' A* nicht erlaubt ist;

89

(13^3 (S 1 )

"""Was mich besonders freut, du morgen kommen wirst / wirst du morgen kommen. ^Weswegen er daheim blieb, er völlig erschöpft war / war er völlig erschöpft. •'•Deswegen blieb er daheim, er völlig erschöpft war / war er vSllig erschöpft.

Wenn aber (8), (9) und OB) als B c A* analysiert werden, so ist immer eine Umformung zu c B' A' möglich, vorausgesetzt, daß in ( 1 3 ) was durch daß, in (8-9) weswegen und deswegen durch weil ersetzt wird: Daß du morgen kommen wirst, freut mich besonders, weil er völlig erschöpft war, blieb er daheim. Wenn man den gleichen Ersatz in (13*3, (8*) und (9 i ) vornimmt, ergeben sich gleichermaßen unakzeptable Sätze. Man sieht daraus nicht nur, daß Uroformungsrestriktionen an bestimmte Konjunktionen gebunden sind, sondern auch, daß die generelle Umformungsmöglichkeit gewahrt bleibt, wenn man diese Konjunktionen durch kategorial äquivalente Konjunktionen ersetzt. Auch das ist wiederum ein Hinweis auf die paradigmatisehe Zusammengehörigkeit dieser Strukturtypen. 3.3-6.6. Diese Restriktionen können hier nicht näher untersucht werden. Was hingegen die Umformungsmöglichkeit von B c A* zu c B* A ' b e t r i f f t , so haben BQETTCHER/SITTA (37f) diesen Zusammenhang erkannt - sie stellen ihn als Äquivalenz der Strukturtypen B und A dar. Weiters machen sie auf Sätze wie

besonders freut: du wirst morgen kommen.

aufmerksam, die sie auf eine Thematisierungsstruktur

sein // y zurückführen:

(13 1V ) Was mich besonders freut, ist (folgendes): Du wirst morgen kommen.

Das verbale Zeichen dieser Wortkette kann eliminiert werden. Mach der Relationsformel liegt ein eigenständiger Typus c A' B vor, der sich von B c A ' Strukturen eindeutig abhebt. B c A 1 und c B' A' sind insofern ambig, als sie tiefensyntaktisch sowohl auf A B1 als auch auf A' B1 zurückgehen können. Eine tiefensyntaktische kategoriale Differenz ist oberflächensyntaktisch neutralisiert. Daß es sich hier um eine Neutralisierung und nicht etwa um eine gemeinsame tiefensyntaktische Kategorie handelt, zeigt eine sinnexplizite Paraphra-

90

sierung. In ( 1 3 ) ist B der Inhalt zu c A '

( 1 3 V ) Du wirst morgen kommen. Das (= dein Kommen) freut mich besonders.

In (9) ist hingegen B der Grund für

':

Er war völlig erschöpft. Dag ist der Grund dafür, daß er daheim blieb.

Eine ähnliche sinnexplizite Paraphrase ist bei c B' A' in den Sätzen dS 11 ) und (8*^-9^) möglich. Der tiefensyntaktische Unterschied zeigt sich auch darin, daß Umformungen in der Art von (13 V ) nur bei inhaltssatzfähigen Verben möglich sind. Auch die Ambiguität des Typus c A* B* läßt sich durch eine Umformung erweisen: nur Sätzen, die nach {13 ) umgeformt werden können, liegt die Thematisierungsstruktur sein // y zugrunde, also nicht etwa

(14)

"""Deshalb freue ich mich besonders (, das) ist: kommen.

Eine sinnexplizite Paraphrase

Du wirst morgen

ist:

Ich freue mich besonders. Der Grund dafür ist: kommen.

Du wirst morgen

Ich verzichte d a r a u f , die oberflächensyntaktischen Typen aus den tiefensyntaktischen Relationen durch Transformationen zu erzeugen. Ein Regelsystem wäre wohl durchaus a u f f i n d b a r ; die vorliegenden Untersuchungen auf generativer Basis (BACH 1970, BIERWISCH 1971, HUBER/KUMMER 1974) haben sich um diese Zusammenhänge nicht bemüht. Schon im Bereich der Topologie sind immerhin einige Beobachtungen möglich. So zeigt sich, daß die oberflächenayntaktisch ambigen Typen eine vom tiefenayntaktischen Typ verschiedene Reihenfolge der Konstituenten haben, und diese verschiedene Reihenfolge bewirkt Änderungen in der Bezeichnung der Abhängigkeit (vgl. die Regeln oben 3·3· · ) » Es gibt also eine "natürliche Reihenfolge" in der Tiefenstruktur, wie sie auch in der syntagraatischen G r u n d a t r u k t u r FOURQUETs {1970: 36ff) vorhanden ist. Die Typen A ' c B * , A c B* und A c B vertreten somit einen (unmarkierten) "Normalfall", indem sie die tiefensyntaktische Reihenfolge der Konstituenten bewahren.

3.3.7. Als Ergebnis kann man festhalten, daB die oberflaehensyntaktischen Relationstypen nicht ein nur zusätzlicher Klassifikationsraster sind, der sich unterschiedslos auf alle Kategorien erstreckt, sondern zwischen den einzelnen Typen lassen sich operational erfaßbare Beziehungen nachweisen. Im Unterschied zu BOETTCHER/SITTA, die Verbstellung ( -Setzung und ff-Setzung) und Dominanz-Dependenz-Relation auf getrennten Ebenen ansetzen ( W f f ) , gibt die vorliegende Typisierung systematische Zusammenhänge wieder. BOETTCHER/SITTA sehen ja auch in der Unterscheidung von dominanter und dependenter Setzung die Grundlage für die Kategorialisierung auf der ersten (obersten) Ebene, und es ist daher nur konsequent, wenn die Typisierung auf logisch-seraantiseher Ebene diese Unterscheidung fortführt. Die Voraussetzung dazu ist allerdings, daß man an der Beliebigkeit der Dependenzbezeichnung festhält. Es ist daher in diesem Rahmen gleichgültig, ob in der abhängigen Struktur das Vf die erste oder die letzte Stelle einnimmt (Stirnsatz- oder Spannsatzstellung) oder ob die Abhängigkeit anderswie bezeichnet wird.

3.4.

Inzidenz, Presupposition und Satzgefüge

314.1.1. Die Semantemabhängigkeit des modalen Erwartungswertes wurde bisher am Beispiel des Bezugs zu Vf-Semantemen von Trägersätzen definiert. Ich vertrete die Hypothese, daß in Verhlltnissätzen prinzipiell die gleiche Semantemabhängigkeit vorliegt, wobei das dominante Semantem die Konjunktion des Verhältnissatzes ist. Ähnliche Auffassungen des Zusammenhanges von Modussetzung und Bedeutung der Konjunktion sind auch in der traditionellen Grammatik mehr oder weniger explizit vertreten worden. Die Inzidenzverhältnisse für die primäre (semantemabhängige) Modaliaierung können mit asymmetrischen Konnexionsgraphen nach FOURQUET dargestellt werden: Inhaltsbezüge:

Satzinktion

Tempua / Mo< lus

Ich vermtl ute, daß

Tempus /

Modus

er schläft. L

92

Verhältnisbezüge:

Satzfunktion

Tempus / Modus

Er kommt t wann

Tempus / Modus

er will.

3.1.1.2. Der Unterschied zwischen Inhalts- und Verhältnisbezügen kann durch einen Stufenunterschied der logisch-semantischen Valenz nach BONDZIO dargestellt werden. In Inhaltssätzen 1st nur eine Valenz 1. Stufe vorhanden, vgl. den Beispielsatz bei BONDZIO (1976/78: 272f):

(1)

Er begriff, daß er betrogen wurde.

Schematisch dargestellt;

x: er u: 0

begreifen y: betrügen

v: er

Bei Verhältnisbezügen dominiert die Valenz der 2. Stufe die Valenz der 1. Stufe:

(2)

Er haßte den Diktator, weil er die Menschen betrog.

Schematisch: x: (Diktator)

betrügen

-L

L_ y: y: Menschen u: er

a-|:

hassen v: Diktator

93

BOKDZIO unterscheidet die beiden Valenzstufen schematisch als horizontale und vertikale Beziehung:

logisch-semantiache Valenz 1, Stufe

logisch-semantische Valenz 2. Stufe

Vgl. weiters BONDZIO ( 2 M f f ) zur Valenz in Adverbialangaben. Es ist nach diesem Valenzbegriff nur konsequent, auch Konjunktionen als Träger von Valenzbeziehungen aufzufassen. Eine genauere Untersuchung der Konjunktionsvalenz fehlt derzeit. Ich nehme allerdings an, daß diese Valenzbeziehung nur zwei Varianten hat, so daß die Valenzbestimmung hier im Vergleich zur Diskussion der verbalen Valenz wesentlich weniger Probleme a u f w i r f t . Im Normalfall ist eine Konjunktion zweiwertig:

Sie werden es nicht

ich leidenschaftlich weil

leicht haben mit mir

unruhig bin

Wenn in der Konjunktion ein deiktisches Sem vorhanden ist liegt eine einwertige Konjunktion vor:

Sie werden es nicht leicht haben mit mir

(s. oben 2 . 2 , 5 . ) ,

ich bin leidenschaftunruhig

Der Bezugssatz füllt hier die Position einer fakultativen solche im Stellenplan der Konjunktion angelegt ist.

Valenz aus, die als

3.^.1.3· In der traditionellen Grammatik werden nebenordnende und unterordnende Konjunktionen sowie Adverbialbestimmungen und echte Konjunktionen getrennt. Das Kriterium dieser Unterscheidung ist die Satzgliedgeltung- Sie wird dann in

94

(3)

Er schloß die Tür, dann ging er zu Bett,

als Adverbialbestimmung aufgefaßt (van DAM 1972: 165). Als Kennzeichen für die Satzgliedfunktion des Adverbs gilt die Inversion: das Adverb nimmt die erste, das Vf die zweite Stelle ein, so daß diese Partikel an der Stelle eines betonten Satzgliedes im Vorfeld (Topikalisierungsposition) steht; SEIN HAUS hat er verkauft. MORGEN wird er kommen. WEIL ER MORGEN GEBURTSTAG HAT, wird er kommen. DESHALB wird er kommen. DANN ging er zu Bett. DENNOCH wird er nicht einschlafen können. usw. Vgl, zur Rolle der Inversion BEHAGHEL (1932: 30ff, 36). Die Wörter desjialb, dann und dennoch enthalten ein deiktisches Element (etymologisch am dAnlaut erkennbar), daher sind diese Sätze vollständige Äußerungen. Sie können auch im Satzinneren stehen: Er wird deshalb kommen. Er ging dann zu Bett, Er wird dennoch nicht einschlafen kSnnen. Die Voranstellung dieser Wörter ändert nichts an der Bedeutung oder Funktion der Sätze, sondern sie stellt die Verbindung zum Bezugssatz deutlicher dar. Durch die Voranstellung erhalten diese Partikel die Rolle von anaphorischen Satzkonnektoren (DRESSLER 1972: 69ff, WOLF 1978: 2l»); eine ähnliche Funktion hat auch die Voranstellung des Verbs im Aussagesatz (s. DRESSLER 1972: 59). Durch die Funktion als Satzkonnektor baut sich eine eigene Valenzbindung auf. In der Stellung im Satzinneren sind sie vom Vf aus betrachtet eine freie Angabe; in der Voranstellung entsteht eine Valenzbindung zum Satzrest. Diese Valenzbindung ist eine der semantemgebundenen Valenzen; die andere wird durch das satzanknupfende deiktische Sem ausgefüllt. Die nebenordnenden Konjunktionen haben keine Satzgliedfunktion im Verhältnissatz; die Endstellung des Vf ist daher nur eine zusätzliche Bezeichnung der Abhängigkeit, die bereits durch das Semantem der Konjunktion fixiert und somit redundant ist. In der gesprochenen Sprache hat daher sehr oft das Vernaltnissatz-Vf auch nach unterordnenden Konjunktionen Zweitstellung (s. die Beispiele bei KANN 1972: 377O. Die Unterscheidung von unterordnenden und nebenordnenden Konjunktionen ist vom funktioneilen Standpunkt aus überflüssig. 3.4.1.1. Der Unterschied zwischen Konjunktion und konjunktional gebrauchtem Adverb besteht also darin, daß die Konjunktion durch das Fehlen eines deiktischen Sems bereits satzverknüpfende Funktion hat. Das deiktische Element

der Konjunktionaladverbien bewahrt die Autonomie des Verhältnissatzes, so da£ die Satzverknüpfung durch die Inversion als Reiatorfunktion erst auf texcsemantischer Ebene hergestellt werden kann. Dieser Unterschied kann auch am freispiel von Konjunktionaladverbien in der Rolle von (echten) Konjunktionen dargestellt werden: (4) (5) (6) (7)

Wir gehen spazieren, trotzdem Wir gehen spazieren, trotzdem Trotzdem es regnet, gehen wir Trotzdem wir spazieren gehen,

es regnet. regnet es. spazieren. regnet es.

Bedeutungsgleich sind nicht ( H J und ( 5 ) , sondern ( Ü ) und (6) sowie (5 > und (7). Die Bedeutung von trotzdem in (5) kann aus seiner Funktion in (t) nicht rekonstruiert werden, weil sich seine Deixis in {4) auf das Vf des Verhältnissatzes, hingegen in (5) auf den Bezugsaat z richtet. Trotzdem hat in ( ^ ) und (6) endozentrische, in (5) und (7) exozentrische Deixis. Die endozentrlsehe Deixis kann keine Satzverknüpfung aufbauen, daher Endstellung der Vf und Ersatzmöglichkeit durch 3-4.1.5. Die primäre Hodalisierung in Verhältnissätzen beruht sowohl auf der logisch-semantischen Beziehung von satzverknüpfendem Semantem und impliziertem oder präsupponiertem WW (s. SOMMERFELDT 1973: 289f) als auch auf Restriktionen durch die Notwendigkeit der pragmatischen Kompatibilität, wie sie oben (1.it.5.) bei den Modalpartikeln besprochen wurde (s. dazu auch VAN DIJK 1980: 86ff ) , Da in diesem Bereich keine eigenen Arbeiten vorliegen, die diese Zusammenhänge systematisch untersuchen, diskutiere ich den modalen Erwartungswert erst bei den einzelsprachlichen Konjunktionen weitgehend unter Bezug auf die vorliegenden grammatischen Arbeiten. Dabei vertrete ich im Unterschied etwa zu BOETTCHER/SITTA (1972) einen bedeutungsminimalistischen Standpunkt, d.h. ich nehme einen festen logischen Kern als Ausdrucksbedeutung und variable (kontext- bzw. konsituationsabhängige) Äußerungsbedingungen als pragmatische Faktoren an, die zusammen die Inhaltselemente ausmachen (s. POSNER 1979a, b ) . Diese Annahme scheint mir auch in diachroner Sicht gerechtfertigt, da sich zeigen wird, daß Bedeutungsverschiebungen die WW-Klasse nicht verändern; es scheint sogar, daß sie die Konstanz der WW-Klasse geradezu voraussetzen. Als Beispiele verweise ich hier nur auf die Bedeutungsentwicklung temporal - kausal bei seit und die temporale/adversative Variante von während. Als weiteres Argument für den bedeutungsminimalistischen Ansatz betrachte ich den Umstand, da& bei allen Konjunktionen beide Bedeutungen als Varianten in einer Sprachstufe vorhanden sein kdnnen, wobei in manchen Fällen nicht entschieden werden kann, welche Bedeutungsvariante vorliegt. Dadurch reduziert sich die Anzahl der Verhältnisbezüge im wesentlichen auf die traditionellen Klassen, Ich habe daher die geläufige Einteilung der Adverbialsätze im großen und ganzen beibehalten können, so daB hier ein Vergleich mit anderen Arbeiten möglich 1st.

96

Vgl. welters zur prSdikatenlogischen Analyse der Konjunktionen die Literaturhinweise bei DRESSLER (1972: 67/ Anm, 173). Eine gute und übersichtliche Darstellung der logisch-semantischen Satzrelationen findet sich z.B. bei NIDA (1975: 50ff). 3.4.2. In der Präsuppositionsllteratur wird gelegentlich auch behauptet, daß einer der beiden Teilsätze als Ganzes präsupponiert sein kann (BLUMENTHAL 1976, ANDERSSON 1972,1973). Ich halte diese Behauptung nicht für richtig. Da diese Ansicht keine zentrale Frage für die Bestimmung des modalen Erwartungswertes ist und sich zudem auf die Verhältnisbezüge beschränkt, wird dieses Problem erst in Band 2 diskutiert.

3.5. Parataxe» Hypotaxe und Diachronie 3.5.1.1. Das in der älteren Literatur ausführlich diskutierte Problem von Parataxe und Hypotaxe wird für die Bestimmung der Inzidenzverhältnisse wieder aktuell. Die Unterscheidung von autonomer und dependenter Modussetzung setzt voraus, daß bekannt ist, wann eine semanteingebundene Modussetzung vorliegen kann, d . h . man muß den syntaktischen Status des betreffenden Ausdrucks in seiner logischen Relation zu anderen Ausdrücken beurteilen. Das Hauptproblem der traditionellen Forschung war die mangelnde Unterscheidung von Sachverhaltsund Bezeichnungsebene im Bereich der semantischen Beziehungen und die daraus resultierende Unsicherheit in der Bestimmung eines NS-Kriteriutas. Die Argumentation ging normalerweise von parataktischen Sätzen aus, die ohne Informationsänderung in hypotaktische Gefüge umgewandelt werden können, wie das von BEHAGHEL (494f) und BRINKMANN (1971: 627) zitierte Satzpaar aus Mörikes "Maler Nolten": ( 1 ) Ich habe viel verloren, ich fühle mich jetzt unsäglich arm. (2) Man läßt sie auch gehen, man kennt ihre Art und Weise zu gut.

Beide Satzpaare haben die Form zweier Hauptsätze, die ohne derung in Kausalgefüge umgewandelt werden können:

Informationsverän-

(1 1 ) Weil ich viel verloren habe, fühle ich mich jetzt unsäglich arm. (2^·) Man läßt sie auch gehen, weil man ihre Art und Weise gut kennt, BOETTCHER/SITTA (1972: 28) verstehen die Paraphrasen ( 1 - 1 i ) und (2-2 1 ) als zwei verschiedene Strukturtypen bei gleichem kategoriellem Wert (Kausalbeziehung) .

97

3.5.1.2 Inhaltliche Beziehungen können also nicht nur zwischen unter- und übergeordneten Strukturen bestehen, sondern sie sind auch zwischen autonomen Strukturen möglich. Das Bestehen einer inhaltlichen Relation setzt also keineswegs eine hypotaktische Struktur voraus. Entscheidend ist vielmehr, ob eine logische Beziehung, die auf der Ebene des bezeichneten Sachverhaltes besteht, auch sprachlich ausgedrückt wird. Nur dann kann von einer strukturellen Relation gesprochen werden; das Bestehen eines Kausalzusammenhanges an sich ist von seiner sprachlichen Realisation unabhängig - ein solcher Zusammenhang muß zwar bestehen (oder vom Sprecher als möglich hingestellt werden), wenn ein Kausalsatz geäußert wird, er kann aber auch dann bestehen, wenn das Kausalverhältnis nicht bezeichnet wird. 3.5.1.3. Die nicht genau genug durchgeführte Unterscheidung zwischen Bezeichnungsebene und Sachverhaltsebene ist m . M . nach die Ursache für die Definitionsprobleme des Nebensatzes in der älteren Forschung (BRANDENSTEItf 1926, 1931; NEHRING 1928; SLOTTY 1936). Vom Standpunkt der psychologisierenden Grammatik aus (der u.a. BRUGMANN angehört - er vertritt den E i n f l u ß von seelischen Grundmotiven auf die Satzgestaltung) liegt es nahe, eine inhaltliche Relation als Ausgangspunkt für die hypotaktische Beziehung zu postulieren. Sätze wie (1) und ( 2 ) , die keine formale Kennzeichnung der Nebenordnung aufweisen, müssen dann problematisch bleiben. Als Beispiel sei eine Stelle aus PAUL (1968: 145) zitiert: "Der sogenannte zusammengesetzte und der sogenannte erweiterte Satz sind daher ihrem Grundwesen nach vollkommen das nämliche. Es ist deshalb auch eine irrige Ansicht, daß die Herabdrückung eines Satzes, die sogenannte H y p o t a x e , sich erst aus einer späteren Sprachstufe entwickelt habe. Das Bestehen des erweiterten Satzes, das auch den primitivsten Sprachen nicht f e h l t , setzt ja diese Herabdröckung als vollzogen voraus. Irrtümlich ist ferner die gewöhnliche Ansicht, daß die Hypotaxe durchgängig aus der Parataxe entstanden sei. ( * . . . " ) Diese Ansicht hat sich deshalb bilden können, weil die älteste Art der Hypotaxe allerdings einer besonderen grammatischen Bezeichnung entbehrt und bloß eine logisch-psychologische ist. Eine solche logische Unterordnung aber als Beiordnung zu bezeichnen ist durchaus inkorrekt." Einen Satz wie sed_^a10^jg,ut_und tue das betrachtet PAUL ( 1 4 6 ) als formale Parataxe bei logischer Unterordnung. 3.5.1.^. Aus dem Zitat ist ersichtlich, daß PAUL durchaus einen Unterschied zwischen grammatischer und logischer Abhängigkeit macht (besonders deutlich 297) - eine Unterscheidung, die wie seine Trennung von grammatischem und logischem Subjekt Erkenntnisse der modernen Sprachwissenschaft vorwegnimmt. Er hat allerdings verabsäumt, einen klaren terminologischen Unterschied einzuführen und seine Argumentation auf e i n e Ebene zu beschränken. Das wird besonders dort deutlich, wo PAUL ( 1 ^ 8 ) davon spricht, "dass eine Parataxe mit voller Selbständigkeit der untereinander verbundenen Sätze gar nicht vorkommt, dass es gar nicht möglich ist, Sätze untereinander zu verknüpfen ohne eine gewisse Art von Hypotaxe, ( ' . . . " ) Ein rein parataktisches Verhältnis zwi-

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sehen zwei Sätzen in dem Sinne, daß keiner den anderen bestimmt, gibt es also nicht; ( " . . . " ) . " Auch im Laufe einer Erzählung mit unverbundenen Sätzen können temporale und kausale Beziehungen festgestellt werden, so daß "wieder eine Vereinigung von Selbständigkeit und Abhängigkeit" entsteht. 3.5.1.5. Die psychologysierende Argumentation findet sich auch noch bei SLOTTY (1936: 145): "Ein Satzgefüge hat die Form von HS und NS, wenn in ihnen zwei Sachverhalte in so enge Beziehung zu einander gesetzt sind, daß keiner der beiden Sätze für sich nach Form und Inhalt ein in sich abgeschlossenes Ganzes bildet und der determinierte Satz psychologisch höher gewertet ist als der determinierende, oder wenn der determinierende Satz nur ein Glied des psychologisch höher gewerteten Satzes determiniert. Dabei heißt der determinierte Satz oder der Satz, der das determinierte Glied enthält, Hauptsatz, der determinierende Satz Nebensatz." Auch hier bleiben die Grundproblerne bestehen - die Bestimmung der inhaltlichen Abgeschlossenheit nach Form und Inhalt (die Bestimmung der inhaltlichen Abgeschlossenheit muß besonders problematisch bleiben) sowie die psychologische Bewertung eines Teilsatzes, Derartigen Behauptungen hat man immer schon entgegengehalten, daß in vielen Fällen (z.B. besonders in Kausal- und Finalsätzen) das Aussagegewicht bzw. die kommunikative Dynamik auf den NS konzentriert ist. Erstaunlicherweise hat eine neuere Untersuchung (TQWNSEND/BEVER 1977) die alte Anschauung bestätigen wollen; angesichts des unreflektierten NS-Begriffes der beiden Autoren scheint mir jedoch das Ergebnis dieser Untersuchung fragwürdig {s. auch BARTSCH 1978: I f ) . 3.5.1.6. Ebenso problematisch ist ein neuerer Versuch HARWEGs (1971) zur Definition der Nebensätze. Er unterscheidet satzwertige und satzteilwertige Nebensätze, unter den letzteren eine Klasse von sätzteilwertigen Nebensätzen mit Bezug auf einen expliziten Kontext und solchen mit Bezug auf einen impliziten Kontext (28), Seine Beispielsätze sind: (3) (4) (5) (6)

Es gießt in Strömen, so daß wir wohl zu Hause bleiben müssen. Wir müssen jetzt aufhören, da wir alle müde sind. Fritz lernte ein Handwerk, während Karl zur Universität ging. Er ist sehr stur, weshalb es schwerhalten wird, ihn zu überzeugen.

(3) - (6) sind Beispiele von aatzwertigen Nebensätzen; HARWEG betrachtet sie als selbständige Sätze. (6) vertritt den Typus der nichtrestriktiven Relativsätze, den Beispielsatz selbst nennt HARWEG "satzbezüglich". Satzteilwertige NS in bezug auf einen expliziten Kontext sind: (7) Als ich kam, stand Karl gerade vor der Tür. (8) Das Unglück ereignete sich deshalb, weil Karl nicht aufgepaßt hatte.

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(9) Ich hoffe, daß ihr kommt. {10} Menschen, die Geld haben, sind nicht immer glücklich.

Satzteilwertige NS in bezug auf einen impliziten Kontext; ( 1 1 ) Wir schicken Karl für ein halbes Jahr nach Frankreich - (und zwar deshalb,} damit er sein Französisch etwas auffrischt. (12) Ich höre auf - und zwar deshalb, weil ich müde bin. (13) Karl ist immer schon fleißig gewesen, das heißt: solange ich ihn kenne. (14) Dieser Mann, (ein Mann,) der immer freundlich und hilfsbereit gewesen war, war nun tot.

HARWEGs Kriterium der aussagemäßigen Vollständigkeit gründet sich auf die Intuition des idealen Sprechers/Hörers (30). Eine weitere Begründung wird nicht gegeben. Ich sehe nicht, wie die traditionell als NS bezeichneten Teilsätze in (3) - (1*0 aussagemäßig vollständig sein sollen. Die Probe muß darin bestehen, daß der jeweilige HS getilgt und der Rest auf seine Vollständigkeit überprüft wird. Wie man sich aber selbst leicht überzeugen kann, sind a l l e NS unvollständig. Die Sätze (7) - (10) unterscheiden sich nur darin, daß auch die HS unvollständig sind. In den Sätzen (11) - (14) sollen Satzteile implizit vorhanden sein, die als Komplemente mit dem NS koexistieren (2o). Da diese Satzteile nach HARWEG aber nur in der Tiefenstruktur vorhanden sein müssen, kann die Frage der Vollständigkeit wieder nicht entschieden werden. Ein Satz wie (12 1 ) Ich höre auf, weil ich müde bin.

müßte wohl als Satzfolge betrachtet werden, weil deshalb implizit vorhanden sein kann. Dennoch bleibt aber der NS in (13*) für sich genommen unvollständig. Elemente, die nur in der Tiefenstruktur vorkommen müssen, als Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung syntagmatischer Zusammenhinge heranzuziehen, halte ich grundsätzlich für problematisch. Auch die von HARWEG problemati alerte Geltung als Satzteil ist nicht eindeutig. So betrachtet HARWEG den Ausdruck als ich_ kam in (7) als Äquivalent zu bei meiner Ankunft. Aber auch für (4) kann ein ähnliches Äquivalent konstruiert werden (wegen^ jjnserer Müdigkeit). HARHEGs NS-Definition ist daher wertlos. 3.5.2.1. Dem Kriterium der Vollständigkeit einer Äußerung (oben 2,2. und 3.3.2.) entspricht im wesentlichen die Trennung von Autosemantika und Synsemantika nach MARTY (schon 1908: 205ff). Die Definition des NS als satzförmiges Synsemantikon (MARTY 1950: 18, im Anschluß daran BRANDENSTEIN 192?: 135) ist

100

noch immer eine der besten Formulierungen. Konsequenterweise müßte man dann freilich auch die Trägersätze als NS bezeichnen. Wenn man diesen Fall ausschließen will, müßte man die tiefensyntaktische Dominanz-Dependenz-Relation in die Definition einführen. Auch die Diachronie der Synsemantika wurde von MARTY in den großen Zügen richtig gesehen. Vgl. dazu MARTY (1908: 136ff; 1925: 16) und FUNKE (1924: 4 9 f ) . Die Kritik HARWEGs (1971: 19) beruht auf einem Mißverständnis (Verwechslung von Satz und Satzform). 3.5.2.2. Die Unterscheidung von autonomer und dependenter (semantemgebundener) Modussetzung setzt ein festes Kriterium für die Beurteilung eines Ausdrucks als parataktisch oder hypotaktisch im Bereich der Inhaltsbeziehungen voraus. Für die Verhältnisbeziehungen ist ein solches Kriterium von geringerer Bedeutung, weil die Semantembildung selbst außer Zweifel steht. Es bleibt nur die Frage, ob die betreffende Partikel die Funktion einer Satzanknüpfung oder einer Subjunktion hat (s. u n t e n 3 . 5 . ^ . l . f ) . Anders verhält es sich bei den Inhaltsbeziehungen; hier muß entschieden werden, ob der betreffende Ausdruck in Valenzposition zum HS-Vf steht oder nicht. In den meisten Fällen ist eine solche Entscheidung auch für Korpussprachen leicht möglich, in Einzelfällen können aber Probleme auftreten. Zwei davon seien hier besprochen: Das Problem der Mehrfacheinbettung und die Problematik der Valenzbestimmung bei einzelnen Verben. 3.5.3.1. Zunächst zur Mehrfache!nbettung. Dieser Fall läßt sich am besten an der iR demonstrieren. Im Nhd. ist der dem HS unmittelbar folgende Teilsatz durch seine Stellung bereits als abhängig gekennzeichnet, so daß eine eigene Dependenzbezeichnung nicht notwendig ist; es kann daher auch der Ind. gesetzt werden. Damit ist die Valenzposition ausgefüllt, und ein weiterer Ausdruck enthält obligatorisch einen K, wenn er als Aussageinhalt festgelegt werden soll. Dieser K kann nun in manchen Fällen auch als autonomes Zeichen interpretiert werden. Dazu ein Beispiel:

(15)

Der Minister behauptete, es gehe/geht hier nicht um einen Einzelfall, (a) Die Untersuchungen hätten ein anderes Ergebnis gezeigt. (b) Die Untersuchungen mögen ein anderes Ergebnis gezeigt haben.

In (15a) kann der K2 ein Einbettungszeichen sein (Ersatzform für das mehrdeutige haben), aber auch Zeichen einer autonomen Modalität mit dem Nutzwert einer Eventualität ( e v , als hypothetisches Konditionalgefüge mit Ellipse des Antezedens). Auch der K1 in (15b) kann sowohl Einbettungazeichen als auch autonome, sprecherbezogene, Modalität sein. Es ist letztlich eine Frage der Interpretation, ob (15a-b) eingebettet sind oder nicht. Nicht nur in Korpussprachen kann es in solchen Fällen zu einem Interpretationsdilemma kommen. Ein Interpretationsdilemma ergibt sich auch oft dann, wenn die mit dem fraglichen

101

Ausdruck korrespondierende Valenzposition durch ein korrelatives Element ausgefüllt ist. In diesem Fall muß entschieden werden, ob Referenzgleichheit der beiden Ausdrücke vorliegt. In der Umgangssprache und in älteren Texten wird oft die Zweideutigkeit durch wiederholtes _sagt_er_ bzw. ^uad vermieden, wenn die Redesätze nicht eingeleitet und daher nicht als abhängig bezeichnet sind. 3.5-3-2. Problematischer sind die Fälle von Valenzraehrdeutigkeiten bei manchen Verben. Ein bekannter Fall ist die Nähe von Inhaltssätzen zu Kausalsätzen bei den Verben der Gemütsbewegung und Affektäußerung (vgl. dazu BRINECMANN 1971: 6Wf, MÜLLER/FRINGS 1963: 3 6 f f ) . Das wird zumeist so erklärt, daß bei diesen Verben das Objekt zugleich die Ursache des Affekts sein kann. Die beiden Sätze

( 1 6 ) Ich freue mich, daß du gekommen bist. (17) Ich freue mich, weil du gekommen bist.

sollen demnach im wesentlichen bedeutungsgleich sein, da das im NS erwähnte Kommen zugleich Anlaß und Inhalt der Freude sein kann. Aber nicht bei allen Verben sind beide NS-Formen zulässig:

(1 ) (19) (20) (21)

Ich wundere mich, daß er das geschafft hat. ?Ich wundere mich, weil er das geschafft hat. Ich fürchte, daß er das vergessen hat. '''Ich fürchte, weil er das vergessen hat,

( 1 9 ) wird akzeptabel, wenn im HS darüber, ( 2 1 ) , wenn im HS es oder das eingefügt wird. Viele Verben, wie sorgen, schämen, (sich) fürchten t sich ^wundern usw. können ohne diese Pronomina keinen weil-Anschluß haben, weil Verhältnissätze keine obligatorische Valenzposition ausfüllen können. Aus diesem Grund müssen die NS zu diesen Verben als Inhaltssätze gewertet werden. Es bleibt also als fraglicher Fall sich freuen. Bei Wörtern wie darüber und deswegen können folgende Betonungsunterschiede bemerkt werden:

Ich freue mich darüber, daß du gekommen bist. Ich freue mich darüber, weil du gekommen bist.

Der Betonungsunterschied ist vielleicht nicht sicher naehzuvollziehen, er scheint überdies bei (17*) deutlicher zu sein als bei ( 1 6 * ) . Weiters scheint er noch deutlicher in der Formulierung Ich bin darüber froh, daB... zu sein. Der Betonungsunterschied ist vielleicht eindeutiger in einem Satzpaar mit deswegen:

102

Ich freue mich deswegen, daß du gekommen bist. Ich freue mich deswegen, weil du gekommen bist.

Möglicherweise sind diese Betonungsunterschiede idiolektal beschränkt. In dieser Form deuten sie jedenfalls auf einen Funktionsunterschied: darüber und deswegen in (16^-, 16^) haben Konjunktionsbetonung und können dadurch als Pro-Formen für die entsprechenden Verhältnissätze aufgefaßt werden. Sie stehen somit nicht in obligatorischer Valenzposition, so daß ein Inhaltssatz angeschlossen werden kann. Die erstsilbenbetonten darüber und deswegen haben Adverbialbetonung und füllen daher eine Inhaltsvalenz aus; der folgende US kann somit ein Verhältnissatz sein. Aber auch der umgekehrte Fall ist möglich, also 1 ) und (16 i;l ) mit Adverbialbetonung, (17 1 ) und O?11} mit Konjunktionsbetonung. In diesem Fall sind die Partikeln als Korrelat zum folgenden KS aufzufassen. Offensichtlich müssen zwei Varianten des Verbs sich freuen unterschieden werden: eine zweiwertige Variante mit obligatorischen! Inhaltssatz und eine einwertige Variante (s. HELBIG/SCHENKEL 1980: 197)· Eine ähnliche Variante besteht auch bei sich fürchten (HELBIG/SCHENKEL 192), Das bedeutet also nicht, daß ein daß-Satz bei sich freuen, sich fürchten usw. insofern ambig ist, als er sowohl als Inhaltssatz als auch als Verhältnissatz gedeutet werden könnte, sondern diese daß-Sätze sind immer Inhaltssätze - sie sind nur mit weil-Sltzen zur einwertigen Variante dieser Verben kommunikativ gleichwertig. Nicht die Bestimmung der NS-Art ist hier problematisch, sondern unter bestimmten Bedingungen die Bestimmung der Valenzvariante dea Verbs. Im Fall von sich freuen^ ist die Polyvalenz wohl durch den Zusammenfall der drei schwachen Verbalklassen entstanden,· ahd. fro won acheint einwertig zu sein, ahd, frewen zweiwertig; auch die en-Form ist belegt (selten, z.B. Otfrid IV 7,8; V 4 , 6 2 ) , 3,5.3-3Bei manchen Verben scheint es auch möglich, daß ein Verhältnissatz auch als Inhaltssatz interpretiert werden kann; dadurch ändert sich die Valenzstufe (BONDZIÖ 1976/78; 2 7 2 f ) . Ein solcher Fall wird unten (*i.3.) bei den negativ-implikativen Verben im Ahd. und Mhd. besprochen. Ein Beispiel aus dem Nhd. ist der NS zu helfen. Dieses Verb ist einwertig bei unbelebtem, zweiwertig bei belebtem Subjekt {HELBIG/SCHENKEL· 19öo: 178), vgl. Das Medikament hilft - Der Arzt hilft bei der Versorgung der Verletzten. Bei zweiwertigem helfen kann das Objekt durch einen sinngleichen Inhaltssatz ersetzt werden (De r^ A r z t^h i l f t , ^_d aß d i e^V e r l et z ten yer soj?gt_w erden), der zunächst als Konsekutivsatz gewertet werden muß. Die Valenzstufenänderung ergibt sich wohl aus einer (wenngleich geringfügigen) Bedeutungsverschiebung von 'Jemanden unterstützen' zu 'jemanden zu etwas unterstützen', deren Entstehung noch nicht geklärt ist. Im N h d , ist die letztere Bedeutung zumindest als Variante vorhanden. 3,5.^·. 1« Die Frage der Synsemantie von Verhältnis be Ziehungen, die schon oben (3·^·1·3· *) als Valenzmerkmal von Konjunktionen dargestellt wurde, soll

103

anhand der Unterscheidung von Satzanknüpfung und Satzverknüpfung, die WOLF (1978: 2 2 f f ) im AnschluB an DRESSLER (1972: 20ff, 66ff, 71 ff) zur Untersuchung eines mhd. Textes verwendet hat, diskutiert werden. Nach WOLF (197 : 22} "bedient sich {'die Satzverknüpfung*) der Mittel der 'semantischen KohSsion* wie der lexikalischen Rekurrenz, der Paraphrase, der Anaphora durch Pro-Elemente sowie der semantischen Kontiguität einschließlich logischer Inklusion und Implikation ('WOLF bezieht sich hier in einer Anm. auf DRESSLER 1972: 20ff*>. Elemente eines Satzes werden also in einem Folgesatz zumeist variiert wieder aufgenommen. Auf diese Weise verflechten sich die Sätze mit H i l f e lexikalischer Mittel. Die Satzanknüpfung hingegen greift auf unreflektierte Wörter zurück, deren Hauptfunktion es ist, einen Anschluß zwischen zwei Sätzen, einem Satz und einem Folgesatz, herzustellen. Es sind dies die (parataktischen) Konjunktionen und eine Reihe vor» Adverbien £zu einem großen Teil Pronominaladverbien), also sprachliche Elemente, die syntaktisch gleichrangige Sätze verbinden, weil sie nicht die Aufgabe haben, 'folgende Aussagen anzuknüpfen und Hinweise auf das Nachfolgende zu geben' ("Zitat aus ERBEN 1972: 323"), da sie eine Prldikation syntaktisch in eine andere einbetten beziehungsweise da sie imstande sind, (nominale) Satzglieder zu verbalisieren." WOLF verwendet also den Begriff 'Konnektor' als übergreifende Bezeichnung für die Ausdrücke der Satzanknüpfung und der Satzverknüpfung, während er die traditionellen subordinierenden Konjunktionen aus seiner Betrachtung ausschließt. Eine ähnliche Unterscheidung zwischen Konjunktoren (Partikeln mit symmetrischer Umgebung) und Subjunktoren findet sich auch bei ENGEL (1977: 82ff). Vom funktionellen Standpunkt aus sind freilich Konjunktoren, Subjunktoren und andere Partikeln mit vergleichbarer Funktion parallele Mittel der Satzverknüpfung (DRESSLER 1972: 70). Vgl. auch NICKEL (1968), der Konnektoren und Pronominaladverbien zu den ungesättigten Zeichen zahlt. Eine Liste der Satzverknüpfungsrelationen nach KOCH, ISENBERG und DANES stellt MEYER (1975: ^7 ff) zusammen. 3.5.4.2. Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, daß Satzanknüpfung, Satzverknüpfung und Subjunktion Faktoren sind, die der sprachlichen Ausdrucksebene angehören und auf dieser auch systematisch unterschieden werden. Sie bezeichnen in dieser Reihenfolge einen zunehmenden Grad von Abhängigkeit syntagmatischer Einheiten. 80ETTCHER/SITTA (1972: S^ff) behandeln sie als verschiedene Strukturtypen, wobei sie noch zusätzliche Kriterien einführen. Die oberste (Strukturtyp E: Parataxe) und unterste {Strukturtyp A: Subjunktion) Grenze stimmt aber auch bei ihnen mit den oben erwähnten textlinguistischen Kriterien im wesentlichen überein. Die Frage nach der Synsemantizität syntagmatischer Einheiten kann nun genauer gefaßt werden. Sie besteht in der Bestimmung des Abhängigkeitsgrades (bzw. des Strukturtyps}, der als Grenze zwischen Autosemantika und Synsemantie angesehen werden kann. Da diese Frage ein Problem der Bezeiohnungs- und nicht der Bedeutungsebene ist, muß nach eindeutigen formalen Kriterien gesucht werden. Es steht außer Zweifel, daß für Korpussprachen und unter diesen wiederum besonders für ältere Sprachstufen eine eindeutige Antwort nicht leicht zu finden ist. Man muß damit rechnen, daß die Grenze in den

verschiedenen Sprachstufen anders v e r l ä u f t ; auch wenn die gleichen formalen Mittel eingesetzt werden, kann sich der strukturelle Wert dieser Mittel Indern, so daß die Bestimmung dieser Grenze nur durch eine genaue synchrone Untersuchung erfolgen kann. Im einzelnen mag manches problematisch bleiben - die Grundprinzipien dieser Entscheidung bleiben aber dieselben. Ich erläutere sie an einigen nhd. Beispielen (s. auch oben 3 . 4 - 1 . 4 . ) .

(22) (23)

Er nahm ein Schlafmittel. Damit schläft er gut. Er nahm ein Schlafmittel, damit er gut schläft.

Beide Sätze beziehen sich auf denselben Sachverhalt, das Einnehmen eines Schlafmittels und seine Wirkung. Der Sinn dieser Sätze ist aber nicht derselbe. In (22) wird eine Folge von Ereignissen ausgedrückt, die sich zwar aufeinander beziehen, aber sprachlich unabhängig voneinander dargestellt werden. Beide Sätze sind für sich genommen vollständig und abgeschlossen; im ersten Satz hat damit Satzgliedfunktion, das Vf steht an zweiter Stelle. Es handelt sich hier also um zwei getrennte Aussagen, (23) bezeichnet dieselbe Ereignisfolge, nur kommt ein Sinneleraent hinzu, nämlich die für Finalsätze charakteristische Zweck-Mittel-Beziehung. I n (23) wird also m e h r ausgesagt als in (22); weiters liegen auch nicht zwei Aussagen vor, sondern die eine Aussage wird in Hinblick auf die andere gemacht. Die Frage, welcher Teilsatz hier die größere kommunikative Dynamik trägt, ist dafür zunächst nicht relevant. Wichtig ist nur, daß (23) gegenüber (22) ein zusätzliches Bedeutungselement hat und daß dieses zusätzliche Bedeutungselement durch verschiedene prosodisohe Elemente sowie durch die andere Wortstellung Im zweiten TelLsatz ausgedruckt wird. Ähnlich ist folgendes Satzpaar aufzufassen:

(24)

Das Wetter war ungünstig, trotzdera gab es keine Frostschäden.

(25)

Das Wetter war ungünstig, trotzdem es keine Frostschäden gab.

Die Beziehung zwischen den beiden Sachverhalten ist in beiden Sätzen konzessiv; es wird unterstellt, daß im Normalfall ungünstiges Wetter Frostschäden zur Folge hat oder zumindest begünstigt. In den beiden Sätzen verstößt der vom zweiten Satz bzw. Teilsatz bezeichnete Sachverhalt gegen diese Erwartung. Hier ist freilich der Unterschied im Sinn von ( 2 4 ) und (25) wohl faßbar, aber schwerer zu beschreiben. Ich schlage vor, ( 2 5 ) im Sinne einer Implikation mit (gegen die Erwartung) nicht eingetretenem Konsequens zu beschreiben, etwa ungünstiges Wetter - Frostschäden, in diesem Fall aber keine Frostschäden. Hingegen bezeichnen die beiden Teilsätze in ( 2 4 ) Sachverhalte, deren erster eine Art Vorbedingung für den zweiten ist (logisch gesehen eine notwendige, aber nicht zureichende Bedingung). Frostschäden setzen ungünstiges Wetter voraus,

105

doch man kann nicht aus ungünstigem Wetter auf das Eintreten von Frostschäden schließen - ein Schluß, der von (25) unterstellt wird. Deshalb ist auch ( 2 5 ) , jedenfalls in meinem Idiolekt, etwas seltsam. Auch in ( 2 5 ) gegenüber (243 besteht also ein zusätzliches Bedeutungselement in Form einer engeren logischen Beziehung zwischen den beiden Teilsätzen, Beide Satzpaare gleichen sich auch darin, daß sie die Entwicklung von Adverb zur Konjunktion dokumentieren. Bei damit ist diese Entwicklung bereits vollzogen, bei trotzdem ist sie im Gange (vgl. GREBE 1973: 323/Anm. 2, 579). Ein ähnlicher Bedeutungsuntersehied wie bei damit - ojmrt scheint mir auch bei trotzdem möglich; den unterschiedlichen Wert von (24) und (25) zeigt überdies auch die unterschiedliche Ersatzmöglichkeit ( 2 4 ) - dennoch und (25) obwohl. 3.5.4.3* Anders zu beurteilen ist der Unterschied zwischen Subjunktoren und Konjunktoren, etwa im folgenden Satzpaar:

(26) (27)

Er kann nicht kommen, denn er hat keine Zeit. Er kann nicht kommen, weil er keine Zeit hat.

In beiden Sätzen hat der Konnektor keine Satzgliedfunktion, ein Kausalsatz wie

(26 i ) *..,, denn er hat keine Zeit,

oder

(27 1 ) + ...,

weil hat er keine Zeit,

ist nicht akzeptabel. Der Wortstellungsunterschied bringt hier kein zusätzliches Bedeutungselement; das zeigt sich auch darin, daß Sätze wie

) 7Er kann nicht kommen, weil er hat keine Z e i t ,

unter Umständen (schichtenspezifisch) als akzeptabel gelten können. 3.5.5.1. Aus diesen Beispielen geht hervor, daß die Wortstellung für die Festlegung des syntaktischen Wertes einer Partikel als Satzanknüpfung oder Satzverknüpfung funktionelles Gewicht hat. Die syntagmatische Funktion der Wortstellung kann hier mit Recht als Beliefgebung bezeichnet werden. Die

106

Nicht-Zweitstellung bedeutet hier - wie auch beim Grundwert des K - nicht, daß das betreffende Geschehen nicht aktuell ist (so wird z.B. bei den Konzessivsätzen das Geschehen als aktuell vorausgesetzt), sondern daß ein Geschehen deshalb nicht beurteilt wird, weil es in ein übergreifendes Urteil und damit in einen größeren Satzrahmen einbezogen wird. Es wird damit auch verständlich, daß eine Korrelation zwischen der Enge der logischen Beziehung zweier Sätze bzw. TeilsStze und der Art der Satzverknüpfung besteht, wie sie JÜTTNER (1981: 777ff) übersichtlich zusammengestellt hat: r- Konjunktion — 1. Allgemeinste Beziehungen— Disjunktion

2, Ausgezeichnete Relationen Typen von Sach- — verhaltsverknüpfungen

3. Saohverhalte als Bestandteile von Sachverhalten

Kennzeichnung von Individuen durch einen Sachverhalt

Temporal ,— Konditional KonditionaL- Kausal Modal — Final Exponierung - Konzessiv — Prädikatsausdrücke mit Subjektsätzen - Prädikatsausdrücke mit Objektsätzen - Prädikatsausdrücke mit Objekts- und Subjektssätzen

Determination Explikation

3.5.5.2. Die Frage, wann Synseraantie vorliegt, kann durch die nhd. Stellungsregeln eindeutig bestimmt werden. Alle Fälle von Satzanknüpfung sind autosemantisch. Der betreffende Konnektor ist solange einwertig, als er Satzgliedfunktion hat; er unterscheidet sich in dieser Beziehung nicht von den anderen Adverbien. Aus seiner Satzgliedfunktion folgt auch eine weitgehende Stellungsvariabilität, z.B. (28) (28 1 )

In (28*-2

Damit schläft er gut. Er schläft damit gut. Er schläft gut damit.

) wäre auch der Satzrest ohne damit grammatisch, in (28) ent-

107

stünde immerhin die Wortfolge eines geläufigen Satztypus (Fragesatz), Nach dem Vollständigkeitskriterium ist jedenfalls (28 1 ) und (28 i:L } ein vollständiger Ausdruck, d.h. es besteht zwischen dem Konnektor und dem Satzrest die Relation der Selektion (3. oben 3.3.1.). Durch die Endstellung des Vf wird der Satzrest in jedem Fall ungrammatisch, es entsteht eine unvollständige Äußerung. Konnektor und Satzrest stehen nun im Verhältnis der Solidarität; dadurch erhSlt der Konnektor ein« zweite Valenz, der gesamte Ausdruck wird synsemantisch und ist damit strukturell ein Nebensatz. Diese Auffassung des Nebensatzes als dependente Ausdrucksform entspricht dem Binaritätsprinzip des Syntagmas (FREI 1948: 67, FOTTIER 1962: 1 l 8 f ) : der Konnektor ist das dominante Element, die beiden zugehörigen Prädikationen sind dependent. Die strukturalistische Definition des Nebensatzes als dependenter, synsemantischer Ausdruck scheint mir ein wesentlicher Fortschritt gegenüber den traditionellen Auffassungen zu sein, auf deren Definitionsproblematik SAUVAGEOT (1952: III) ausdrücklich hingewiesen hat. Aus dieser Sicht ist es nicht gestattet, von der E n t s t e h u n g subordinierter Beziehungen z u sprechen, wie SANDMANN (1950: 33ff) mit Recht bemerkt. Logisch gesehen kann es nur Subordination oder Koordination geben. SANDMANN ( 3 3 f ) bemerkt dazu: "Therefore, the only thing as far as I can see - which can legitimately be meant by speaking of the transition of paratactic into hypotactic constructions is a gradual transformation of a primitive makeshift construction into something like a planned and (relatively) reasonable construction which is somehow fitted to logical structure." Einen Übergang von Parataxe und Hypotaxe gibt es somit nur auf der Ebene der Ausdrucksformen, und nur so wird dieser Öbergang in den folgenden Ausführungen verstanden; die entsprechenden Inhaltsformen sind dichotomisch strukturiert (allgemein zu den subordinativen Sembeziehungen auf der Inhaltsebene vgl. LQRENZ/WQTJAK 1977: 3Ö9ff).

3.5.5.3-

Mit diesen Kriterien ist es nunmehr auch möglich, den Begriff des

NS auch für ältere Sprachatufen eindeutig anzuwenden. Die gut belegte Entstehung von hypotaktischen Satzgefügen aus parataktischen Satzreihen hat vor allem die ältere Forschung dazu verführt» in älteren Sprachstufen überhaupt keine Hypotaxe zuzulassen bzw. sie mit dem Erreichen bestimmter geistiger Entwicklungsstufen zu verknüpfen. Besonders rekonstruierte Sprachstufen wie das Idg. hielt man, um es deutlicher zu sagen, für zu "primitiv", um komplexe logische Verhältnisse in hypotaktischen Gefügen auszudrücken. Erst LAKOFF (1968) hat sich entschieden gegen derartige Ansichten ausgesprochen und Satzeinbettungen {allerdings auf einer abstrakten Ebene im Rahmen der Theorie der Generativen Semantik) auch im Idg. postuliert. Der Grundfehler bestand darin, daß man als Zeichen für die Parataxe (bzw. die Synsemantie oder die Einbettung nach der Theorie der Generativen Grammatik) Sprachformen heranzog, die in den heutigen Sprachen diese Funktion haben, wobei man besonders oft syntaktische Funktion und Hortart gleichsetzte, ohne die Möglichkeit eines verschiedenen strukturellen Wertes in Abhängigkeit zu anderen syntaktischen Strukturelementen zu sehen. Ein gutes Beispiel dafür ist FLEISCHMANN (1973), der die Exi-

108

stenz von Nebensätzen im Ahd, generell leugnet. FLEISCHMANN unterscheidet D/Sund W-Partikeln nach ihrem Anlaut. Die Opposition zwischen beiden Partikelgruppen bestand darin, daß die D/S-Partikeln auf Bekanntes, die W-Partikeln auf Unbekanntes verwiesen. Sie konnten an jeder Stelle im Satz stehen und am Satzanfang mit Vf in Zweitstellung oder Endstellung stehen. Vom Ahd. zum Nhd. ist nun eine Systemveränderung eingetreten: "die D/S-Partikeln können nur noch adverbial verwendet werden, die W-Partikeln stehen immer an erster Stelle und können dabei meist allerdings sowohl Zweitstellung (interrogative Verwendung) wie auch EndsteLlung des Verbums (relativ-rogative Verwendung) nach sich haben," (137) "An die Stelle der ursprünglich rein bedeutungsmäßigen Opposition (bekannt/unbekannt) ist somit eine rein syntaktische (freie Stellung/Anfangsstellung, auch adverbial/konjunktional) getreten. D i e E i n d e u t i g k e i t d e r B e d e u t u n g h a t sich i n eine E i n d e u t i g k e i t der K o n s t r u k t i o n verwandelt." (138) FLEISCHMANNs Beschreibung der Systemveränderung ist durchaus zutreffend, und auch seine Zurückweisung der Unterscheidung von Adverb und Konjunktion im A h d . ist berechtigt. Das betrifft aber nur die Unterscheidung nach der W o r t a r t ; nach d e r s y n t a k t i s c h e n F u n k t i o n i s t d e r Unterschied zwischen HS und NS durchaus vorhanden. Das formale Kriterium dafür ist wie im Nhd. die Verbstellung, im Ahd, die Naehzweitstellung für den HS (akzeptiert von FLEISCHMANN 139/Anm. 79, s. zuletzt NÄF 1979: 227) - im Gegensatz zur nhd. Endstellung. Das Kriterium der Nachzweltstellung wird hier zunächst ausdrücklich auf den Bereich der Verhältnissätze eingeschränkt - die Verbstellung in InhaltssStzen ist Gegenstand des folgenden Kapitels. 3-5.5-4. Als Beispiel greife ich die ahd, Partikel t ho/1 ho heraus. Ihre parataktische und syntaktische Funktion ist von BEHAGHEL i 101 f f ) ausreichend belegt worden. Die Beispiele entnehme ich dem ahd. Tatian, weil hier mit der lat. Vorlage auch die Satzkonstruktion noch zusätzlich bestimmt werden kann. Das hypotaktische thö übersetzt am häufigsten das "temporale" cum; 3,3

Tho siu thiu giaah, uuas gitruobit in sinerao uuorte inti thahta, uuelih uuari thaz uuolaqueti. Quae cum vidisset, turbata est in sermone eius et cogitabat, qualis esset ista salutatio, L 1,30.

5,13

Th5 sie thar uuarun, vvurdun taga gifulte, Factum est autem cum essent ibi, impleti sunt dies ut pareret. L 2 , 6 .

8,5

Tho sie gihortun then cuning, fuorun; Qui cum audissent regem abierunt. Mt 2,9.

Parataktisches t ho übersetzt häufig lat. _et_. Für diese Funktion ist die weitgehende Stellungsfreiheit auch gegen die lat. Vorlage bemerkenswert. Ich zi-

109

tiere einige Beispiele aus LAWSON (1980): 2,9

Tho antilingonti thie engil quad inso: Et respondens angelus dixit ei:

In einer ähnlichen Stelle folgt tho dem Vf: 3,7

Antilingota tho t her engil, quad Et respondens angelus dixit ei:

im:

Auch das formelhafte lat. et factum est wird mit uuard tho, also mit postverbaler Partikel, übersetzt. Bei guedan kann tho sowohl präverbal als auch postverbal stehen: 46,4

Tho quad imo ther heilant: Et alt i 111 Ihesus:

9313

Her quad tho: Et ille dixit:

97,1

Quad tho der iungoro fön themo fater Et dixit adolescentior ex i Ills patri:

Andere Fälle von Stellungsvarianz sind: 52,k

Sie giengun tho zuo et aecesserunt

6o,13

Gieng tho in inti quad: Et ingresaus dioebat:

138,14 Tbo bigondun thie dar samun sazzun quedan inan in: Et ooeperunt qui simul aceumbebant dicere intra se: 125,3

Bigondun tho alle sament sih sihhoron. Et coeperunt simul omnes excusaare.

78,9

Tho vvurdun sie gifulte alle in theru samanungu gibuluhti Et repleti sunt omnes in sinagoga ira

4,3

Uuard tho gifüllit heilages geistes Helisabeth, Et repleta est spiritu sancto Elisabeth,

S. dazu auch die weiteren Stellenangaben bei LAWSON (104/Anm. 15). Die Stellungsverhältnisse in den zitierten Beispielsätzen lassen sich eindeutig interpretieren. Das Kriterium der Nachzweitstellung ist weitgehend gültig. Es ist nicht entscheidend, ob die Partikel tho am Satzanfang steht oder ob der Satz ffiit dem Vf beginnt; die Aspektunterschiede, die LAWSON ( 1 0 3 ) feststellen w i l l , scheinen mir wenig begründet - jedenfalls können sie nicht für die Gesamtheit der betreffenden Satze nachgewiesen werden, wie LAWSON selbst zugesteht. Ent-

110

scheidend ist vielmehr, daß das Vf entweder eine der ersten beiden Positionen im Satz besetzt oder an dritter oder späterer Stelle steht. Im ersten Fall liegt parataktische Satzanknüpfung bzw. Satzverknüpfung, im zweiten Fall Hypotaxe vor. Alle weiteren Stellungsmögliohkeiten haben keinen Einfluß auf die syntaktische Autonomie, sondern sie haben textsemantische Funktion, wie unten 3.5. näher erläutert wird. Die Partikel selbst hat keine Merkmale, nach denen man auf ihre Funktion als Adverb oder Konjunktion schließen könnte. Solche Merkmale sind tatsächlich erst auf dem Weg zum Nhd. entstanden, wie FLEISCHMANN (1973: 140) richtig bemerkt. Wie aber oben bei der Diskussion der Sätze (24) und (25) gezeigt wurde, sind derartige Funktionsverschiebungen auch im heutigen Deutsch möglich, und auch hier ändert sich die Wortart (zunächst p nämlich bis zur Übernahme der Konjunktionsbetonung auf der zweiten Silbe) nicht. Erst in Verbindung mit dem Wortstellungskriterium steht die Grenze zwischen Parataxe und Hypotaxe fest. Die Tatsache, daß "fast alle Partikeln, die als Einleitungsstücke mit Endstellung bzw. Späterstellung des Vf. verbunden werden können, ( * . . . * ) auch am Eingang von Sätzen mit Zweitstellung ('begegnen')", ist daher kein Argument gegen das Vorhandensein von hypotaktischen Strukturen im And., wie es noch von EBERT (1978: 20) vertreten wird. Unabhängig vom strukturellen Unterschied zwischen Parataxe und Hypotaxe ist natürlich die Art der semantischen Beziehung zwischen den beiden Sätzen bzw. Teilsätzen. Es ist durchaus möglich, daß in bestimmten Fällen die adverbielle und konjunktionale Verwendung aller Partikel den gleichen kommunikativen Effekt hat. Es ist weiters möglich, daß auch gleiche Inzidenzverhältnisse vorliegen. Die Zusammenhänge von Modussetzung, syntaktischer Funktion und Semantem des übergeordneten Elements wird genauer oben 3-2. besprochen. 3.5,6.1. Wie schon oben erwähnt, wurden auch dem Idg. eigene hypotaktische Satzgefüge abgesprochen. Diese Ansicht wurde schon von HERMANN (1895) vertreten; von seinen 12 NS-Kennzeichen (485f) Igßt er keines als Definition der Hypotaxe gelten - konsequenterweise auch nicht die Wortstellung, womit er sich von den WACKERNAGELschen Theorien distanziert (s,unten 3.6.). Eine ähnliche Ansicht vertritt noch LEHMANN (1974: 159), Der Grund für diese ablehnende Haltung liegt darin, da& man das Z u s a m m e n w i r k e n dieser Kennzeichen nicht beachtete; tatsächlich kann jedes dieser Merkmale für sich möglicherweise nicht zur Beziehung der Synsernantie ausreichen. Erst in neuerer Zeit ist man auch auf andere Aspekte aufmerksam geworden. Während im Bereich der Verhältnisbezüge tatsächlich keine eindeutig hypotaktischen Strukturen rekonstruiert werden können (vgl. SCHMITT-BRANDT 1973; offensichtlich genügte die Satzanknüpfung für die Darstellung der entsprechenden inhaltlichen Beziehungen), ist die Dependenzbezeichnung bei Strukturen, die die Stelle einer verbalen Valenzposition einnehmen, deutlich ausgeprägt. Sie besteht in einer im Vergleich zur autonomen Prädikation niedrigeren Aktualisierung; die Skala der Ausdrucksformen reicht vom K über Infinitivbildungen bis zu den Abstrakta, die schon PORZIG (1942, bes. *J5ff) parallel zum NS und zum Infinitiv als Bezeichnung für Satzinhalte herausgestellt hat, HIX (1973) hat noch einige weitere

Ill

Bildungsmöglichkeiten für das Idg. rekonstruiert (wichtig ist z.B. der Genitiv als Kasus der adnominalen Dependenz). Der Zusammenhang von Aktualisierungsstufe und Dependenz gilt also auch hier, so daß man durchaus auch im Idg, von strukturell NS-wertigen Ausdrücken sprechen kann. 3.5.6.2, Die Definition der Hypotaxe durch die Synsemantie kann daher auch för Korpussprachen und rekonstruierte Sprachen gelten, wenn ihre Ausdrucksformen {Aktualisierungsstand des Vf, Wortstellungsunterschiede zum HS) festgestellt oder erschlossen werden können. Satzverknüpfung und Satzanknüpfung ändern an der Autoseroantie der beteiligten Sätze nichts. Erst durch die oben 3-5.5.2. beschriebene Valenzänderung, die im Deutschen mit einer eigenen Wortstellungsvariante verbunden ist, entsteht der synsemantische Charakter des Verhältnissatzes. S. zu diesem Problemkreis auch BRETTSCHNEIDER (1978: 197ff, mit weiteren Literaturangaben). 3,5,7. Die bisher vorgebrachte Kritik am Auto- und Synsemantiebegriff bezieht sich nicht auf die Zeichenfunktion der Synsemantika. Die den Auto- und Synsemantika gemeinsame Nennfunktion (DEMPE 1935: 259ff, anschließend REGULA 1951: 16) ist für diese Frage nicht entscheidend. Problematisch sind diese Begriffe dann, wenn man sie auf bestimmte Wörter oder Wortklassen beschränkt (HELBIG 1978: 7 6 f ) - tatsächlich können sie auf jeder sprachlichen Ebene mit Zeichenfunktion unterhalb des Satzranges angewendet werden. REGULA (1965: 238) wendet gegen die Unterscheidung von Autosemantika und Synsemantika ein, daß im Satz eigentlich jedes Satzglied synsemantisch sei. RECULA übersieht dabei, daß diese Dichotomic nur auf gleichrangige Elemente angewendet werden kann und daher immer spezifische strukturelle Relationen wiedergibt.

3.6.

Dependenzbezeictmung und Verbstellung

3.6.1.K Eine integrative Darstellung der Forschung zur Diachronie und Synchronie der WSt in den germanischen Sprachen ist ein hoffnungsloses Unternehmen. Es scheint beinahe so, als ob jeder Schritt vorwärts in der Erforschung der WStproblematik immer wieder neue Fragen a u f w i r f t , die diesen Fortschritt relativieren. Die wichtigsten Ursachen für die Problematik der WStforschung scheinen mir folgende zu sein: 1. Viele Texte liegen in metrischer Form vor und enthalten daher Stellungsvarianten, die in der Prosa nachweislich ungebräuchlich oder deutlich seltener sind. Es ist dabei ungewiß, wie dieser metrische Einfluß beurteilt werden muß. Folgende Beurteilungsmöglichkeiten sind vorhanden: a) Metrische Varianten repräsentieren einen archaischen WSt-Typ als poetisches Stilmerkmal. In diesem Fall sind solche Texte durchaus brauchbare Untersuchungsobjekte, sie entsprechen dann allerdings einer vergleichsweise älteren Sprachstufe in bezug auf die Wortstellung, b) Die WSt in poetischen Texten repräsentiert einen auch in der Prosa gebräuchlichen Typ, der dort aber vergleichsweise

112

selten ist. c) Die WSt in poetischen Texten enthält Varianten, die in der Prosa als ungrammatisch bezeichnet werden müßten. 2. Der Unterschied von usueller und okkasioneller WSt, wie er v, a. von DELBRÖCK beschrieben wurde, ist solange problematisch, als der Häufigkeitsunterschied selbst nicht interpretiert werden kann (Textsorte? Emphasestellung? Anaphora/Kataphora? u s w . ) . Im Extremfall kann es sich einfach um ein Zeichen h a n d e l n , das seltener gebraucht wird, wie z.B. vielleicht der Dativ gegenüber dem Akkusativ. 3. Die empirische Grundlage reicht nicht aus, um einen strikten Zusammenhang von WSt und anderen typologischen Stellungsmerkmalen zu beweisen. •U. Diatopische, diastratische und diaphasische Abweichungen sind gerade im Bereich der WSt besonders a u f f ä l l i g , so daß die Verallgemeinerung der Untersuchungsergebnisse von mehreren Texten problematisch wird. 5. Die Annahme von allgemeinen Tendenzen ("Strömungen") ist überhaupt problematisch (Gefahr von Zirkelschlüssen), ebenso kompensationstheoretische Überlegungen, wenn man nicht weift bzw. nachweisen kann, mit welcher Ausdrucksform der Ersetzungsvorgang beginnt (Henne-Ei-Problem). 6, Die Prinzipien der syntaktischen Rekonstruktion sind problematischer und jedenfalls weniger erforscht als die phonologische und morphologische Rekonstruktion. ?. In vielen Fällen kann Erbsyntax und Lehnsyntax nur schwer voneinander unterschieden werden. 3.6.1.2. Dazu kommt noch ein spezifisches Problem. Als Trager einer grammatischen Funktion (hier in der Beschränkung auf die Beziehungsbedeutung) kommt eine sprachliche Form nur dann in Frage, wenn sie diese Funktion r e g e l m ä ß i g hat, d.h. wenn s i e ihre Bezeichnungsfunktion i n a l l e n r e l e v a n t e n S i t u a t i o n e n erfüllt. Sobald e s eine 'wenn auch geringe Anzahl von Gegenbeispielen gibt, wenn es also z.B. auch autonome Sätze mit ESt oder sonst nicht dependent bezeichnete Sätze mit MSt gibt, wird die Annahme einer "Grammatikalisierung" der WSt fraglich, da ja in diesen Fällen eine Opposition vorhanden sein kann, in der die Stellungsvarianten paradigmatische Funktion haben können. Der Nachweis, daß in solchen Fällen keine paradigmatische Stellungsposition vorliegt, sondern daß es sich nur um freie Varianten womöglich in einem peripheren Bereich handelt, kann gerade bei der WSt nur schwer gefuhrt werden, 3.6.1.3. Alle diese Probleme machen die WSt-Forschung zu einem sehr schwierigen Gebiet. Ich beschränke mich in den folgenden Abschnitten auf eine summarische Übersicht der wichtigsten Ergebnisse bzw. Diskussionspunkte, soweit sie für die Beurteilung der VSt als Dependenzzeichen im A h d . und Mhd. relevant sind. An sich wäre auch eine synchrone Untersuchung der WSt bei Otfrid und Konrad für diese Fragen ausreichend; wegen der metrischen Texte ist aber das Ergebnis einer korpusimmanenten Untersuchung jedenfalls unzureichend, so daß man (mit gebotener Vorsicht) auf den Vergleich mit anderen Texten an-

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gewiesen ist. Dazu kommt noch, daß es keine umfassende Untersuchung der mhd, WSt gibt; aus der Untersuchung der Diachronie der WSt muß daher - faute de ruieux - auf die synchrone Funktion der WSt-Varianten geschlossen werden. Ich bespreche daher zunächst die Resultate der für das Idg, und Germ, rekonstruierten WSt. Es folgt eine Diskussion der VSt bei Otfrid mit Berücksichtigung einiger anderer and. Texte. 3.6.2.1. In isolierten einfachen Aussagesätzen ist ESt im Idg. die Regel (DELBRÜCK 1888: 17, 1900: 5 6 f f ) , alle anderen Stellungsmoglichkeiten haben eine bestimmte Funktion. Die ASt hat schon DELBRÖCK als "Erwartung, dass irgend etwas Merkwürdiges erzählt werden wird" (1900: 59) verstanden; er bezeichnet sie als okkasionelle Stellung (gegenüber der usuellen oder habituellen ASt). Diese Begriffe sind als stilistische Termini durchaus brauchbar (s. THUMB 1959: H26f). Auch neuere Untersuchungen an aind. Texten (GONDA 1952, s. dort bes. die Übersicht auf S. 67) haben die DELBBÜCKsche Auffassung bestätigt. Die ASt hat also textkonstituierende Funktion, DRESSLER (1969: 3) formuliert dazu zwei Thesen: "1, Im Idg. und in den meisten altidg. Sprachen ist in einem texthomonymen, nicht-emphatischen einfachen Aussagesatz ASt regelwidrig. 2, ASt ist textuell kataphorisch oder (viel häufiger) anaphorisch und charakterisiert als HSt-Variante textuell gebundene Sätze." 3.6.2.2. Es bleibt die Frage nach der Entstehung und Funktion der MSt. WACKERNAGEL (1953) hat in einem bekannten, zuerst 1892 erschienenen Aufsatz die These vertreten, daß das nicht-akzentuierte Vf im HS als enklitische Position die zweite Stelle einnimmt, während das akzentuierte Vf im NS an letzter Stelle steht. Er rekonstruiert somit eine dem Nhd, sehr ähnliche WSt-Regel für das Idg. und beruft sich auch ausdrücklich auf die gemeingerm. Verhältnisse, wo diese Stellungsregel bereits gültig gewesen seih soll ( 9 3 f f ) · Die Gültigkeit des WACKERNAGELschen Gesetzes bleibt unbestritten. Problematisch ist lediglich seine Ansicht, daß die aind, NS-Betonung auch für das Idg. gilt und daß diese Betonung noch im Germ, erhalten ist. Das wurde schon früh bezweifelt, so von BRAUNE (1894), HERMANN (1895), ZIMMER (1893) und DELBRÖCK ( 1 9 0 0 ) , der im Gegensatz zu WACKERNAGEL die ESt als anakzentuierte Stellung wertete. Nach DELBRÖCK ist die WSt im idg. HS und NS gleich, die ESt im NS ist durch die "schwebende Betonung" des NS-Vf bedingt. Es wird deshalb "schwebend" betont, "weil der Satzgedanke nicht zum ruhigen Ausklingen gelangt, da er entweder mit Spannung auf das Folgende oder mit Rückbeziehung auf das Vorhergehende verbunden ist." (59) Das gilt nur für die "unbezeichneten" (uneingeleiteten) Nebensätze; "bezeichnete" Nebensätze (z.B. RelativsStze) haben immer ein akzentuiertes Verb ( 8 3 f ) . DELBRÖCK sieht daher in der ESt des deutschen Verbs nicht einen Archaismus, sondern das Ergebnis einer Vermeidung der Endstellung des unbetonten Objekts aus rhythmischen Gründen (85f).

3.6.2.3. Der schärfste Kritiker der Ansicht DELBRÖCKs war HIRT, der im Anschluß an ZIMMER und BRAUNE im Idg. alle drei Stellungsmöglichkeiten gelten lassen will. Konsequenterweise leugnet er auch die besondere Funktion der ASt (1929: 342ff; 1937: 234). Er widerspricht sich aber selbst, wenn er die ASt als charakteristisch für den Anfang einer Erzählung und Schilderung, nach dem Vokativ und bei verba dicendi als Einleitung einer direkten Rede betrachtet (1929: 3 2 15ff; zum letzten Punkt s. KIECKERS 1911: 6 4 f f ) . Seine Auffassung der MSt entspricht ganz der WACKERNAGELschen Theorie. Die Kontroverse zwischen HIHT und DELBRÖCK scheint daher eher auf einem Mißverständnis zu beruhen. HIRT hat natürlich recht, wenn er meint, daß alle drei Stellungsmöglichkeiten belegt sind und daß sie nicht mit den Begriffen usuell (habituell)/okkasionell bewertet werden können, denn alle diese drei Varianten sind usuell. Er übersieht dabei allerdings die spezifische sprachliche Leistung dieser Varianten. 3.6.2.4. Das Problem des Vordringens der MSt in mehreren i dg. Sprachen bleibt nach wie vor ungelöst. Die These vom i dg. WSt-Untersohied zwischen HS und NS hat sich als unbeweisbar herausgestellt, ebenso die HIRTsche These von der ESt im NS durch steigende Betonung. Als einziger Unterschied zwischen HS und NS zeigt sich im Aind. eine Frequenzverschiedenheit. Nach GONDA (1952: 8Hf) ist im NS die ASt fast unbekannt, die MSt sehr selten, obwohl sie in metrischen Texten bis über die Hllfte der Fälle ausmachen kann. Für den NS scheint also charakteristisch zu sein, daß die stilistisch bedingten Stellungsvarianten deutlich eingeschränkt sind. Interessant ist weiters, daß im Aind. dem Vf für das Verständnis des Satzes nicht notwendige Elemente nachgestellt werden können, wie GONDA (1959: 7) bemerkt: "they are from their beginning until the verb complete in themselves and all "the words following the verb may be left out without mutilating the sentence; sometimes the words following the verb are thrown into relief, or their position conditioned by rhythmical motives." Dazu gehören z.B. Objekte mit adverbial gebrauchten Kasusformen {Dativ des Zwecks, Instrumental, Akkusativ des Zieles oder der Bestimmung, s. GONDA 11ff, 1 7 f f , 20f). Auch die MSt des verbum substantivum als Kopula war im Aind. die Regel (CANEDO 1937: 36). - Wie schwierig die Beurteilung einer einzelsprachlichen VSt sein kann, zeigt besonders deutlich die Diskussion über die air. VSt (WATKINS 1963, 1964; WAGNER 1967, 1977; Mac COISDEALBHA 1976). 3.6.2.5. Die Forschung zur Wortfolgetypologie hat für die Frage der funktioneilen Leistung der WSt-Varianten und der Verbreitung der MSt keine neuen Ergebnisse gebracht, s. dazu den Öberblick von INEICHEN (1979, bes. 130ff). Die Wortfolgetypologie baut auf dem Unterschied der Stellungen «Determinatum vor Determinans" (progressiv determinierend) und "Determinans vor Determinatum" (regressiv determinierend) auf. Es gibt daher nur zwei in sich harmonische Konstellationen, die sich durch die Stellungen von Verb ( V ) , Subjekt (S), Objekt (0), Genetivattribut (G) und Adjektiv (A) zum zugehörigen

115

Nomen (N) und in der unterscheiden (135): progressiv regressiv

VS SV

Existenz

VO 0V

Pr Po

von Prä- (Fr)

NG GN

bzw.

Poatpositionen

(Po)

NA AN

Die Grundstellungen VSO und SVO sind progressiv, SOV ist ist daher nur die Stellung von 0 und V relevant.

regressiv. Im Grunde

3.6.2.6. Für das Idg. wurden alle drei Stellungsmöglichkeiten vertreten, teilweise ohne Bezugnahme auf ältere Arbeiten mit gleichem Ergebnis: ASt MSt ESt

VSO MILLER (1975) wie HIRT SVO FRIEDRICH (1975) wie WACKERNAGEL SOV LEHMANN (1974) wie DELBRÜCK

Die Entstehung und Verbreitung der MSt kann auch typologisch nicht erklärt werden. LEHMANN (1973: 200ff, 197«: 250f) erwägt z . B . für das Griech., Lat. und früneste Kelt. Substrateinfluß, ohne sich der damit zusammenhängenden Probleme bewußt geworden zu sein. Die Harmonie der Deperidenzrichtung ist zwar ein einleuchtendes Prinzip; sieht man sich aber die von INEICHEN (1979: 137f) zusammengestellte Liste der in den Sprachen realisierten Grundstellungstypen an, so muß man an der Erklärungsmöglichkeit von Serialisierungsregeln zweifeln. Außerdem ist es in manchen Fällen nicht einfach möglich zu entscheiden, welches Element das Regens, welches das Dependens ist (s. die Bemerkungen bei ENGEL 1977: 30). Die harmonischen Stellungstypen sind zwar etwas häufiger vertreten, aber daraus kann man kaum irgendwelche Regeln ableiten; außerdem haben viele Sprachen eine variable Grundeinstellung. Die GHEENBERGsche Typologie gründet sich auf Verallgemeinerungen von empirischen Beobachtungen, deren implikative Fassung grundsätzlich problematisch ist (s. dazu ausführlich SASSE 1977). Außerdem scheint die Auswahl der sprachlichen Formen, die den Stellungsregeln folgen sollen, willkürlich; so hat man z.B. die Argumente HIRTs (1937: 235f) für die progressive Konstellation im Idg. kaum beachtet. Sogar der alte Fehler der Nichtberücksichtigung von semantischen Unterschieden der Stellungsvarianten präsentiert sich im neuen Gewand (WATKINS 1977, bes. 453). Die "Erklärungsversuche VENNEMANNs (1973, 1974, 1975) beruhen auf traditionellen Ansichten (BEHAGHELs Gesetz der wachsenden Glieder, SAPIRs "Strömung"), die als diachronisches Prinzip untauglich sind, weil sie wesentliche Elemente des teleologischen Strukturalismus der Prager Schule enthalten (s. oben 1,2.1.). Außerdem ist VENNEMANNs Prinzip der "natürlichen Serialisierung" (1974; s. die Zusammenfassung bei INEICHEN 1979: 159f) zirkulär, wie MILLER (1975: 46) und besonders eindringlich KLEIN (1975) nachgewiesen haben. Weitere Kritik bei JEFFERS (1976) und REIS (197t); ein alternatives, weniger problematisches Modell diskutiert HANDWERKER (1980).

116

3-6.2.7. Die ESt im nicht-emphatischen Aussagesatz kann noch in den ältesten Texten der germ. Sprachen nachgewiesen werden, so daß die Rekonstruktion der gemeingerm, WSt auf eine GrundfoLge SOV weist (s. nun zusammenfassend RAMAT 198l: I8?ff; weiters HOPPER 1975). Für MS t hat sich WERTH (1970), für ASt SCHNEIDER (1938) ausgesprochen, in beiden Fällen ohne zureichende Beweisführung (SCHNEIDER betrachtet übrigens SVO im Germ, als Empbasestellung, ASt im Idg. als Grundstellung). Ein gutes Argument für SOV als gemeingerra, Normalstellung ist die Arbeit von EBEL (1978), in der gezeigt w i r d , daß in den Skeireins im Text unter Ausschluß der Bibelzitate SOV-Stellung überwiegt. Sie schließt daraus, daß dieser Text keine Übersetzung aus dem Griech. ist. Jedenfalls ist diese sorgfältige Untersuchung ein wichtiges Indiz für die gemeingerm, ESt. 3.6.3.1. Fast alle älteren Theorien der MSt-Verallgemeinerung haben die WACKERNAGELsche These des idg. WSt-önterschiedes zwischen HS und NS zur Grundlage. Nach WACKERNAGEL konnte das idg. Enklitikon allerdings nur dann die MSt einnehmen, wenn sein Umfang zwei Silben nicht überschreitet; die längeren Verbalformen müßten dann ESt wie im NS haben. Im Germ, wäre die Stellung der kürzeren Verbalformen generalisiert worden (Kopulastellung). DELBRÖCK hat sich später (1911) dieser Theorie angeschlossen. Die ESt im NS leitet er aus einer besonderen Betonung ab (1920: 7 0 f ) . Auf die Widersprüchlichkeit dieser Theorie haben FOURQÜET (1938: 16) und besonders deutlich FLEISCHMANN (1973: 7 ! f ) hingewiesen: "zunächst (*wird*> die allgemeine Zweitstellung aus einer angenommenen ursprachlichen Endstellung e r k l ä r ( ° t ° ) , wobei die Endstellung im dt. Nebensatz mit als Kronzeugin für das Fortwirken der ursprünglichen Endstellung aufgerufen wird. Aus der allgemeinen Zweitstellung wird dann jedoch mit H i l f e der satzeinleitenden (und in der Folge "unterordnend" genannten) Konjunktionen die Entstehung der Endstellung im dt. Nebensatz konstruiert," Dennoch konnte sich die DELBRÜCKsche Theorie mit ESt itn NS als idg. Erbe durchsetzen (NAUMANN 1915: 61; BIENEH 1922; WUNDERLICH/REIS 1924: 7 8 f f , 119ff; BRINKMANN 1959: 383f). Nach WUNDERLICH/REIS wäre die MSt im HS durch Abschwächung der engen Beziehung von Subjekt und Verb entstanden (obligatorische Setzung des Personalpronomens, letzte Ursache ist also die Endsilbenabschwächung), Die DELBRÜCKsche These ist ungeachtet ihrer Widersprüchlichkeit auch in der Wortstellungstypologie vertreten (LEHMANN 1971, 1972: 243? s. dazu RAHAT 1976: 2 7 ) . 3.6.3-2. WACKERNAGELs Theorie ist auch Grundlage für KUHNs (1933) Untersuchung, die zwar von der verfehlten Gleichsetzung metrischer = morphologischer Akzent ausgeht (ausführliche Kritik bei FOURQUET 1938: I 6 3 f f , bes. 178ff), dennoch aber zu interessanten Ergebnissen kommt. KÜHN konnte zeigen, daß in bestimmten Texten aus der germ. Stabreimdichtung in gebundenen Sätzen keine Vollverben in der Senkung stehen ( 5 2 f f ) . Unter "gebundenen Sätzen" versteht er Nebensätze und nebengeordnete Hauptsätze, Das kann darauf deuten, daß in gebundenen Sätzen die Enklisestellung des Vf verhindert wurde, d . h . daß hier ei-

117

ne freiere VSt als In nicht-gebundenen Sätzen möglich war ( 5 8 f f ) . Diese Beobachtung ist vielleicht doch ein Argument für ererbte ESt im NS - geneuerte MS t im HS. 3.6.3.3. Die Theorie BRAUNEs (1894) von der gedeckten und freien ASt soll hier nur erwähnt werden, weil sie später einhellig abgelehnt wurde (schon von RIES 1907: 6 f f ) . Sie hat zu ihrer Zeit ein kurzes, aber intensives Leben gehabt und war die methodische Grundlage mehrerer Arbeiten (z.B. DIELS 1906), die aus diesem Grunde kaum mehr brauchbar sind. S. dazu auch MAURER (1924: 142ff). Auf generativistischer Basis wird sie freilich wieder von KAIMAN vertreten. 3. 6. 3. 4. Die "These vom lateinischen Einfluß" wurde v. a. durch die Arbeiten BEHAGHELs bekannt. Er schließt sich der WACKERN AGELscnen Theorie des i dg. HSt-Unterschledes zwischen HS und NS an (BEHAGHEL 1929: 276) und betrachtet die germ. Stellungsvarianten bereits als idg. Regel. Der E i n f l u ß des Lateinischen ist hingegen für die a b s o l u t e ESt im NS entscheidend. Diese These wurde von MAURER (1926, bes. 162ff) und BIENER (1926) weiter ausgebaut; eine zusammenfassende Obersicht gibt BEHAGHEL (1932: 1 4 f f ) . Für lateinischen Einfluß in dieser Richtung sprechen sich u.a. auch HAMMARSTRÖM (1923: 196ff) und BLATT (1957: 42) aus. Schon bald erhoben sich Gegenstimmen; zunächst P REUSLER (1940) und dann STOLT (1964: l 6 2 f f ) . Auch FOURQUET (1938: 17 f f ) hat sich gegen diese These ausgesprochen. Aber erst FLEISCHMANN (1973) hat diesen ganzen Fragenkomplex eingehend untersucht und überzeugend nachweisen können, daß der Einfluß des Lat. nicht ausschlaggebend war, sondern die ESt-Regel wurde von der deutschen Schulgrammatik durchgesetzt. 3.6.4. Die Rekonstruktion der idg. und gemeingerm. WSt führt somit zu folgenden einigermaßen sicheren Ergebnissen: 1. Im Idg. und in den ältesten germ. Texten ist die Normalstellung (nicht-markierter Aussagesatz) ESt. 2. Auch bei Vf in ESt können im Idg. für das Verständnis eines Satzes nicht notwendige Elemente nachgestellt werden. 3. Im Idg. und im Germ, hat die ASt satzverknüpfende und emphatische Funktion, 4. Im Idg. stand das Vf in enklitischer Position an zweiter Stelle (WACKERNAGELsches Gesetz). 5. Im Idg, waren alle drei Stellungsvarianten sowohl im HS als auch im NS möglich. Im NS ist allerdings die Varianz eingeschränkt (kaum A S t ) . 6. Im Germ, (und in anderen idg. Sprachen) dringt {aus bisher unbekannter Ursache) MS t als Normalstellung vor. , Die ESt im germ, NS ist nicht absolut; absolute ESt ist erst spater im deutschen NS entstanden. Als Stellungsmerkmal des germ, NS sollte daher eher "Nachzweitstellung" gelten.

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3-6.5.1. FOÖRQÖET (1938) hat die Diachronie der HSt in den germ. Sprachen bisher am ausfuhrlichsten und vollständigsten untersucht. Er erforscht zunächst jede Sprachstufe in einem synchronen Schnitt, um dann diese Schnitte in eine diaehrone Folge zu bringen. Daraus entstehen dadurch Probleme, daß der sprachgeschichtliche Zusammenhang der einzelnen Schnitte in Zweifel gezogen werden kann (HOPPER 1975: 17, RAMAT 1981: 189); die Runeninschriften und das Gotische sind sicher keine direkte "Vorstufe" zur Sprache des Beowulf, Die diachrone Interpretation der FOüRQUETschen Stadien behält aber immerhin heuristischen Wert. Ich gebe im folgenden einen etwas ausführlicheren Abriß, größtenteils nach FGURQUETs "tableau ensemble" (285ff). FOURQUET unterscheidet fünf Stadien: 1. 2. 3. 4.

etat etat etat etat

primitif commun I mixte commun II

Runeninschriften, Gotisch Beowulf Ags. Chronik I, Heliand Ags. Chronik II, Isidor, Edda

Im fünften Stadium trennen sich die englischen, deutschen und skandinavischen Sprachen. Die ags, Chronik enthält zwei verschiedene Textpartien mit einem Einschnitt zwischen den Jahren 891 und 892. 3-6.5.2. Im ersten Stadium ist die Gruppierung der Determinanten um das Verb in der Wortgruppe am wichtigsten. Diese Determinanten machen mit dem Verb das Prädikat aus. Sie gehören zwei Kategorien an; Pronomina und andere Elemente {fast alle nominal). Die Stellung von Nomen und Verb zueinander hat semantische Funktion: a) Nomen - Verb

Zeichen einer einheitlichen Wortgruppe, die Aufmerksamkeit wird auf die Gruppe als Ganzes gelenkt (got. ar_b_i_jiimi b)

b) Verb - Nomen

Jedes Element beansprucht eigene Aufmerksamkeit. Das Verb steht oft im Imp. oder es ist negiert (wairb hrains, ni niroip arbi)

Das Pronomen hat keinen eigenen Stellenwert. Wenn kein Objekt vorhanden ist, folgt es dem Verb; wenn ein nominales Objekt vorhanden ist, hat das Pronomen die Tendenz, zwischen Verb und Objekt eingefügt zu werden. Nur die Stellung des Nomens hat also syntaktischen Wert, die des Pronomens ist semantisch indifferent. Neben der Stellung innerhalb der Wortgruppe ist auch die Stellung am Satzanfang wichtig. Dort stehen satzverbindende Wörter, die den Satz an den vorhergehenden Satz im Gesamten einer Situation verbinden (ijj, appan). Daneben gibt es noch Verbindungselemente, die nicht genügend autonom sind, um die erste Stelle im Satz einzunehmen. Sie sind entweder dem ersten Wort im Satz enklitisch angefügt ( -ei, -u, -uh) oder es handelt sich um Adverbien wie

119

pan,

auk. ASt des Vf ist bei besonderem Aussagegewicht möglich.

3.6.5.3. Für das zweite Stadium (und die folgenden} ist die Unterscheidung zwischen leichten und schweren Elementen wichtig (160ff, nach SAHAN 190?) schon RIES (1907: 4 5 f f ) hat eine ähnliche Unterscheidung zur Analyse des Beowulf eingeführt. Zu den leichten Elementen zählen Pronomina, "kleine Adverbien" und Hilfsverben - sie vereinigen sich am Satzanfang. Wenn kein Nomen vorhanden ist, gehen sie dem Verb voran. Da die alte Opposition der Folge Nomen-Verb/Verb-Nomen noch vorhanden ist, ergibt sich als neutrale Folge leichtes Element - Nomen - Verb. Nach dem Verb kann auch ein markiertes "element en relief" stehen, das mit ihm nur verhältnismäßig lose verbunden ist; dadurch ergibt sich eine Abfolge Verb - Nomen. Auf diese Weise kann ein neutraler Satzbauplan abstrahiert werden {FOURQUET 1938: I 6 7 f > :

anknüpfendes Element

Wortarten / Satzglieder

leichtes Element

indifferentes Element

zentrale Gruppe (Kern) Pronomina oft Subjekt pronominales Subjekt, pronominales Objekt

Verb mit eng verbundenem nominalem Element

element en relief mit schwacher Bindung an das Vf

Akk.-Objekt Adverb, das den Verbalvorgang charakterisiert

Da verschiedene Elemente fehlen können, ist es möglich, daß sich der Satz auf die zentrale Gruppe reduziert. In diesem Fall kann man sagen, daß die neutrale WSt Vf-ESt hat. Doch die ESt selbst ist nicht entscheidend. Ein nominales Element kann drei Stellungen haben: 1. vor dem Kern als verbindendes Element, 2. im Kern, zwischen Pronomen und Verb, als indifferentes Element, 3. nach dem Kern, mit neuer oder Relief-Markierung. Aus diesen Verhältnissen bauen sich zwei Oppositionen auf: 1. Opposition: Kern und das, von ihm vorn oder hinten hinzugefügt ist. Diese Opposition ist im wesentlichen die Nomen-Verb/Verb-Nomen - Opposition des ersten Stadiums. 2. Opposition: HS - MS, Die Opposition besteht einfach darin, daß im NS das Element vor dem Kern obligatorisch das Subordinationszeichen ist. Diesem neutralen Satztyp ist ein zweiter Satztyp mit ASt gegenübergestellt. Dieser zweite Satztyp hat die bereits bekannte emphatische bzw. satzverkntlpfende Funktion.

120

3.6.5.1. In diesem Stadium ist die absolute VSt für die HS-NS-Opposition nicht relevant (FOURQUET stimmt hier mit RIES 1907: 2?3ff grundsätzlich überein}. Aus den Zahlenangaben bei RIES geht allerdings hervor, daß die ESt im NS deutlich häufiger ist als im HS; RIES beschreibt das als "Neigung der unselbständigen Sätze ( * , . . " ) , die Endstellung in stärkerem Maß festzuhalten, als es die selbständigen Sätze tun." (275) Demgegenüber ist die Zahl der MSt-Fälle nicht sonderlich verschieden. Daraus kann man vielleicht schließen, daß im NS die neutrale Nomen-Verb-Stellung häufiger ist (vgl. dazu FOÜRQUET 1938: 190f). 3.6.5.5. Im dritten Stadium findet eine grundlegende Änderung statt; In Sätzen, die mit einem schweren (nominalen) Element beginnen, gruppieren sich die anderen nominalen Elemente am Satzende nach dem Verb. Die alte Noraen-Verb-Oppoaition kommt im HS außer Gebrauch. Im NS und in koordinierten Sitzen, deren Anfang mit dem des vorhergehenden Satzes gemeinsam ist, erhält sich diese Opposition noch und damit auch die variable Wortfolge; der Expressivtyp mit ASt bleibt bestehen. Durch die Sätze mit Hilfsverben, die zwischen den zwei nominalen Elementen stehen, erhöht sich die Zahl der Sätze mit MSt beträchtlich. Man kann davon ausgehen, daß sich mit diesem Satztyp die nhd. WSt-Regel herauszubilden beginnt, denn nur hier ist eine regelmäßige neutrale VSt zu beobachten: MSt im HS» ESt im NS (84ff; im expressiven Typ kann noch ein Reliefelement dem Vf folgen). Die Ursache für die feste Zweitstellung mit dem Hilfsverb wesan liegt in seiner Geltung als leichtes Element, das dem ersten schweren Element folgt. 3.6.5.6. Das vierte Stadium führt die Entwicklungslinien des vorhergehenden Stadiums weiter. Der neutrale Satztyp spaltet sich in zwei Varianten auf: 1t Verallgemeinerung der Zweitstellung, 2. Späterstellung (alle Stellungsmöglichkeiten außer ASt und MSt). Dazu kommt noch der ASt-Typ. Der Unterschied zwischen den Typen t und Z hat nun grammatische Funktion. Auch die Unterscheidung zwischen Demonstrativ- und Relativpronomen ist nunmehr durch die WSt möglich: j>a ist in pa for he (HS) Demonstrativ-, in ba he for 886: 193, NAUMANN 1915: 54, HAMMARSTRÖM 1932: 4 2 ) . 3.6.7.7. Die entsprechenden Verhältnisse bei O t f r i d sind ebenso schwierig zu beurteilen; die ESt im HS wird durch die Reitnstellung sicher begünstigt. Zudem ist die Interpretation der Angaben bei OHLY (1888: 37ff) schwierig, weil er sein Material nach der RIESschen Inversionstheorie gegliedert hat. Unter diesen Umständen ist nur eine statistische Obersicht möglich. Ich stelle die Ergebnisse in Tabellenforra zusammen:

absolute Zahl Nicht-ESt 1, HS mit "regulär-gerader" Folge (absolute VoranStellung des Subjekts)

1066

ESt 181

% Nicht-ESt 85,5

ESt 14,5

127

absolute Zahl Nicht-ESt

ESt

Nicht-ESt

ESt

2. Negierte Sätze

140

52,9

*7,1

3. HS mit"irregulär-gerader" Folge (dem Subjekt geht ein Satzglied voran)

62

21,5

78,5

4. Nachsatz mit "gerader" Folge

75,6

Die Interpretation dieser Zahlen ist problematisch. Die ESt bei den Sätzen mit dem Subjekt vorangestelltem Satzglied ist dadurch begünstigt, daß Tür das Vf eine MSt-M5glichkeit ausfällt. Der hohe Prozentsatz der ESt in Nachsätzen 1st sicher jedenfalls teilweise reimbedingt, da das Vf des vorangestellten NS mit seiner ESt eine Reimposition bewirkt. Man kann zumindest sagen, daß O t f r i d keinen Versuch macht, die ESt im HS durchwegs zu vermeiden. Es kann aber nicht entschieden werden, ob er dadurch eine grammatische Regelwidrigkeit in Kauf nimmt oder ob er einen irgendwie markierten Stellungstyp vielleicht über das als normal empfundene Haß hinaus gebraucht. Da O t f r i d aber auch aus Peimgründen falsche Kasusformen gebraucht {s. die Zusammenstellung bei NEMITZ 1962), kann ein Regelverstoß wohl auch hier nicht ausgeschlossen werden. 3.6.8.1. Die Problematik der Vf-Steilung im Hhd. konzentriert sich auf die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Nachstellung (SpSterstellung) im HS möglich war. In der älteren Forschung sah man in der ESt den Einfluß von Reimstellung, Metrik und formelhaften Wendungen, so z.B. für den "König Bother11 (PIERITZ 1912: 34ff, 39). In neuerer Zeit wurde zwischen "erlaubten" und "nicht erlaubten" Späterstellungen unterschieden, wobei als Grundlage für diese Unterscheidung der von BEHAGHEL bearbeitete Syntaxteil aus PAULs Mittelhochdeutscher Grammatik {PAUL 1966: 172ff) herangezogen wurde. Dort sind folgende zwei Regeln angeführt (§§ I86a, I86c): 1. "Wenn dem Verb noch ein oder mehrere Satzglieder folgen, so kann ihm auch mehr als ein Satzglied vorausgehen: manec schoen^iu^eit^yon werke was unmuez.ec N 30,2; ( * . . . ' ) . " 2. "Sonst sind in lebendiger echt deutscher Prosa die Fälle ganz selten, wo das Verb eine spätere als die zweite Stelle einnimmt; wenn an zweiter Stelle ein unbetontes Personalpronomen steht: wol im wart Berth{*old von Regensburg·) II 25,28; ( * . . . " ) . " Diese beiden Stellungsmöglichkeiten werden als "erlaubt" gewertet, alle anderen Stellungen als "nicht erlaubt" (HORACEK 1952: 2 7 6 f ) . Eine genauere Fassung der Späterstellungstypen findet sich bei HOflACEK (1964; 6 4 f ) ;

128

Typus I: Unbetontes Pronomen an zweiter Stelle, das Vf schließt unmittelbar an, es folgt noch mindestens ein Satzglied. Beispiel: Pz 361,24 Soher u l es_i_n_pri3ov t e gar. Typus II: Mindestens ein Nichtpronomen steht zwischen erstem Glied und Verb; es folgt noch mindestens ein Satzglied. Beispiel: Pz 3,11 manec wibes schoene an lobe ist breH. Typus III: Unbetontes Pronomen an zweiter Stelle, das satzachließende Verb folgt unmittelbar. Beispiel: Pz 38,25 ... ungeliche ez wac. Typus IV: Alle anderen Arten von Späterstellungen» Die Typen I - III repräsentieren die erlaubten Späterstellungen, der Typus IV entspricht der nicht erlaubten Späterstellung, auch "Schlußstellung" oder (ungenau) "Inversion" genannt. 3.6.8.2. Nun kommen in der mhd» Epik diese nicht erlaubten Schlußstellungen durchaus vor, und zwar deutlich häufiger in Erzählsätzen als in Redesätzen (direkte Rede). Bei Hartmann von Aue läßt sich eine Tendenz zur Vermeidung der Schlußstellung erkennen, die als zunehmende dichterische Fähigkeit einen Ansatzpunkt für die Chronologie seiner Werke ergibt {Erec - Gregor!us - Armer Heinrich - Iwein); schon ZWIERZINA (1971: 329ff) ist zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen. Vgl. zu den Prozentzahlen HORACEK 961): 8 4 f f ) . Die Zahl der Schlußstellungen kann innerhalb von Erzählabschnitten wechseln und zur Personencharakteristik eingesetzt werden, was in einer "inhaltsbetonten" Stilistik untersucht wird. Charakteristisch für die Schlußstellungen sind gefühlsbetonte Äußerungen und Berichte, "heimliches Interesse", besondere Wichtigkeit, Anpassung an den Redepartner und formelhafte Wendungen (HORACEK 1952: 288ff, 1964: 125ff) - sie können aber auch als "Grammatikfehler' 1 verstanden werden. In einer Reihe von Dissertationen (HUBER 1956, ROTTER 1956, KRIESCH 1958, KÖRNER 196*0 zeigen sich im wesentlichen ähnliche Ergebnisse. 3.6.8.3. Kaum einer der Autoren hat sich freilich bemüht, die empirische Grundlage für die Unterscheidung von erlaubten und nicht erlaubten Späterstellungen genauer zu berücksichtigen. Lediglich KRIESCH (1958: 61/Anm. 3) bemerkt, daß in PAULs Syntax nicht angegeben wird, durch welche Untersuchungen diese Regeln aufgestellt wurden. Das Grundprinzip besteht darin, daß sich außer den zwei (bzw. drei) erlaubten Typen keine andere Späterstellung in der mhd. P r o s a finden lassen. Daraus wird gefolgert, daß der nicht erlaubte Typus ein auf die Epik beschränktes stilistisches Merkmal sein muß, der in der Prosa nicht grammatisch wäre. Schon der in PAÜLs Syntax folgende Paragraph (PAUL 1966; m, § I87a) hätte zur Vorsicht mahnen müssen: "In Weiterführung älterer, sonst abgestorbener Welse erscheint, unter dem Einfluß des Reims, in der Dichtung vielfach Endstellung des Verbs: ( e es folgen Beispiele*)." Zwei Auffassungen stehen also einander gegenüber: 1. Die Später Stellung des Vf im HS (bzw. manche Formen davon) ist ein Verstoß gegen eine Regel der Grammatik. Wenn sie in der Epik auftritt, so

129

bleibt sie entweder ein Regelverstoß (und kennzeichnet damit einen "schlechteren Sprecher"), oder sie ist inhaltlich motiviert (v.a. durch den A f f e k t , s. oben). 2. Die Späterstellung ist noch als Stellungsmöglichkeit in der langue vorhanden, sie hat allerdings besondere stilistische Werte, In der Prosa wird sie deshalb nicht realisiert, weil sich hier keine (oder weniger) Gelegenheit ergibt, diese Werte einzusetzen. So könnte etwa einer dieser stilistischen Werte eine besondere affektische Haltung sein, deren Fehlen in der mhd. Prosa (z.B. Lucidarius) verständlich sein könnte. Die inhaltsbezogene Interpretation der Späterstellung bleibt davon unberührt, nur kann dann nicht mehr zwischen "guten" und "schlechten" Sprechern unterschieden werden, sondern es handelt sich um verschiedene, für die jeweiligen Sprecher charakteristische Stilebenen. Auch der Unterschied zwischen Pede- und Erzählsätzen könnte so gesehen werden. 3.6. . Ein zureichendes Kriterium für die Entscheidung zwischen diesen beiden Auffassungen gibt es nicht (s. unten 3 , 6 . 9 - 2 . ) . Die erste Auffassung kann allerdings leichter kritisiert werden, weil die inhaltliche Motivation der Späterstellungen und v.a. die Unterscheidung zwischen guten und schlechten Sprechern konseQuent motiviert werden muß. Die Schlüssigkeit der inhaltlichen Interpretation ist aber in manchen Fällen wenig überzeugend, Als Beispiel sei nur die Interpretation der flede der Frauengestalten hervorgehoben. Bei Gottfried und Hartmann sind die Frauen besonders "schlechte" Sprecher (KÖRNER 1964: 351, HÜBER 1956: 87,91*; in Wolframs "Parzival" ist der Anteil an Späterstellungen innerhalb der Frauengestalten unterschiedlich). In der "Kudrun" hingegen sprechen die Frauen "im allgemeinen besser und richtiger als ihr männlicher Partner" (FOTTER 1956: 116, 12i*ff). Ist das Kudrun-Epos deswegen ein "Frauenroman" (HQRACEK 1964: 115ff>? Hie stimmt diese Interpretation zur Ansicht SCRIESCHs (1958: 129), der die Häufung von Späterstellungen im Nibelungenlied nicht als Charakteristikum einzelner Personen, sondern bestimmter Erzählabschnitte ansieht? Außerdem bleiben 14 Fälle von SpSterstellungen im Nibelungenlied nach den inhaltsbezogenen Gesichtspunkten nicht erklärbar. Die Frage nach der Funktion der Späterstellungen muß daher offen bleiben. 3.6. .5. Die empirische Grundlage für die Unterscheidung zwischen erlaubten und nicht erlaubten Späterstellungen beruht auf den Anschauungen BEHAGHELs; PAUL hat in seinem Syntaxabschnitt ( d . h . vor der Bearbeitung durch BEHAGHEL in der 13, A u f l . 1939) keine Hinweise für eine solche Unterscheidung gegeben. Er stellt im § 183 (%* A u f l . 1891», S, ?8f) vier "Grundschemata" auf, deren erstes CZweitstellung des Vf) er als "normale folge des unabhängigen satzes", deren viertes (ESt) als NS-Stellung beschrieb. Im § 18? stellt PAUL allerdings fest: "In der poesie, namentlich im volksepos sind für den selbständigen aussagesatz fast alle erdenkbaren freiheiten gestattet," Als Beispiele für diese Freiheiten zitiert er Fülle von ESt bzw. Späterstellung im mhd. HS. In seiner "Deutschen Grammatik" (Bd. 3, S. 75t (*§ 6 4 * ) ) wertet er

130

die Fälle von Schlußstellung als auf das Epos beschränkte Relikte der urgerm, Vf-ESt im HS. "Die mhd. Kunstdiehter machen umso mehr Gebrauch von der Schlußstellung, je näher sie dem Stile des Volksepos stehen." (ebd.) BEHAGHEL (1932: 15, § 1433) Üeß nur die nacn deai Waekernagelschen Gesetz erklärbaren Schlußstellungen als "Nachklänge des and. Zustandes" gelten, alle anderen Späterstellungen führt er auf lat. Einfluß zurück. Die Unterscheidung von erlaubter und nicht-erlaubter Schlußstellung steht und fällt daher mit der BEHAGHELschen Lateinthese (s. oben 3.6.3.1.). 3.6.8.6. Doch auch die Berufung auf die Verbstellung in der mhd. Prosa ist problematisch. Aus den Beispielsammlungen bei PAUL und BEHAGHEL geht hervor, daß v.a. die Predigten Bertholds von Regensburg als Textgrundlage herangezogen wurden (als einzige hat KÖRNER 1961: 119/Anm. 1 kommentarlos darauf hingewiesen). Nun ist die Überlieferung der Predigten Bertholds für einen Referenztext denkbar ungünstig. Die erhaltenen Handschriften sind vhm. spät geschrieben; die für die Ausgabe von PFEIFFER und STROBL benutzten Handschriften stammen aus dem 14. und 15. Jhdt. (SCHÖNBACH 1891: 211f, 1906: 91f; vgl. die Übersicht bei RüH 1965). Von einem Prosatext aus dem 1l. - 15. Jhdt. (mit recht komplizierter Überlieferungsläge) auf epische Texte des 12. - 13. Jhdts. zu schließen, scheint doch problematisch. 3.6.8.7. Aber noch eine weitere Auffassung zur mhd. Vf-ESt steht zur Diakussion. ZWIERZINA (1971: 319) hat zwei Hauptgruppen von Endstellungen unterschieden, je nachdem, ob das Subjekt ein Nomen oder ein Pronomen ist. Einem nominalen Subjekt folgt eine Partikel oder ein Pronomen, es können sich weitere Satzglieder anschließen, das Vf hat ESt. Ein pronominales Subjekt steht seinen Untersuchungen zufolge nie am Satzanfang, sondern es folgt einem am Anfang stehenden stark betonten Wort bzw. einer stark betonten Wortverbindung; wiederum können weitere Satzglieder mit ESt des Vf folgen. Diese Stellungsregel entspricht genau dem Wackernagelsehen Gesetz. Verallgemeinert bedeutet das, daß bei einem leichten Element an zweiter Stelle >> wanne i z sculi werdan, wanne iz got wolle thaz worolt al zifalle.

IV 11,33

druhtin, ... wasg mih al, » -

thaz mir es io mer si thiu baz,

er aulihes nl tharbe?

...

#

thaz iz io ni werde, thaz ih thin githarbe, noh, liobo druhtin min, theih io gimangolo thin t P rät. II 4,17

wioz io mohti werdan, thaz man io so gizami

thaz wolt er gerno irfindan, in thesa worolt quami;

II 4,19

wio er thar untar sinen mohti thaz irliden, thaz er ekordi eino lebeti so reino, odo ouh unhono sin drageti so scono

III 14,93

thaz sie zi thiu gifiangin, sus mit stabon giangin, mit gertun in henti harto ilenti;

Wegen zi thiu kein sicherer Inhaltssatz (auch Finalsatz wäre möglich); so auch der nächste Beleg:

149 III 24,15

theiz io zi thiu irgiangi,

aus nah er uns glflangi,

III 26,27

er riat, thaz »an biwurbi, thaz ther man eino irsturbi, thaz sin einen dot! al then Hut gihialti, joh thuruh sinen einan dolk wari al gihaltan ther folk;

IV 4,2

thaz er al thaz biwurbi, bi unsih thar irsturbi.

IV 4,4

er iz zi thiu irgiangi,

IV 5,19

so er thaz wolta werkon, ... er usih heilt! thuruh not,

IV 11,3

... warf iz harto in sinaz muat, thea nahtea er gisitoti, er druhtinan firseliti.

IV 13,41

druhtin min ginadig, thi ih es wurti wirdig, mit thionosto ih biwurbi thaz ih mit thir irsturbi;

IV 17,3

ih weiz er thes ouh farta, thea houbites ramta, thaz er thaz gisitoti, then meistar irretiti;

IV 22,4

mit wehselu er gisitoti,

IV 29,40

thaz sih zi thiu gifiarti,

V 7,32

suntar ao ouh biwurbin

thaz man nan gifiangi.

er selben Krist irretiti, thia Kristea lih biruarti;

thaz aie nan giburgin;

§ 2.4.2. nicht zielgerichtete Modalität Präs. I 23,29 ob iz werde wanne thaz er tharana gange, thaz er iu zi grunne tharana ni firspurne. II 12,38

nubiz werde wanne thaz sih es worolt mende, Joh si iz ni bimide, suntar sih es bilde

II 16,17

salig thie armherze, joh thie armu wihti smerze, then muat zi thiu gigange thaz iro leid sie irbanse;

Prät. III 8,28

odo ouh thaz gidati,

III 24,77

bi hiu er ni biwurbi

IV 4,4

er iz zi thiu irgiangi

IV 30,12

joh dati thiu sin guati

V 12,9

in welicha wisun wurti

("13")

thaz wazar er so drati, thaz ther sin friunt nirsturbi, thaz man nan gifiangi. theiz dritten dages stuanti! ...

• * ·

wio er selbe quami (thaz ist aeltsani) bisparte duron thara zi in ...

Der syntaktische Zusammenhang ist hier nicht klar (EA: "Konatructionamiachung"); diese Interpretation nach der Interpunktion der kleinen Otfrid-Aus-

150

gäbe und nach KÜ. V 20,89

thaz io thaz mohti werdan (iz ist rumo oba unaan wan!}, in sulichero noti thlr man io thlonoti?

Einmal steht in einem unsicheren syntaktischen Zusammenhang der Ind.: II 3(11

mäht lesan wio iz vmrti thaz engil mit giwurtin

zi them druhtines giburti, iz kundta sar then liutin;

P erklärt den Moduswechsel dadurch, daß der indikativische NS "die Thatsachen als solche hinstellt". Es ist aber ebensogut möglich, daß dieser NS zusammen mit 13b von lesan abhängt. § 2.»t.3. negiert Präs. I 1,81 nist liut thaz es biginne, II 12 ( 9

P rät, III 6,21

nist ther thes biginne,

thaz widar in ringe;

thaz sulih io bibringe,

er quat ni mohti werdan, mit koufu sie biwerban; "mit mihilemo soazze, ther liut zi thiu gisizze, thaz iagilichen thanne thoh foller mund werde,

Nicht sicher, weil der NS Komplement zu werdan oder Konsekutivsatz zu biwarban sein kann. IV 5,26

ouh alleswio ni datin,

IV 16,38

nales thaz sie iz datin,

mit minne got irknatin; thaz sie nan thoh irknatin

Wegen 1z auch Verhältnisbezug möglich; so auch V 9,11; IV 6,39 u.ö. § 2.4.4, Annahme und Eventualität In einigen Füllen ist der Trägersatz in ein Konditionalgefüge eingebettet und bezeichnet ein nur angenommenes Geschehen, dessen Folge ebenfalls nur angenommen bzw. als Denkmöglichkeit hingestellt wird. Es steht durchwegs der K in der Tempusform des Trägersatzes. Präs. II 12,59

wio mir giloubet thanne, ob iz wirdit wanne, thaz in biginne bredigon, fön himilriehe redinon?

II 12,69

so wer so thes biginne

thaz tharazua glthinge,

II 14,107

ni si thiu sih machon, thaz fruma thie gibura

sos ih iu hiar nu rachon, fuaren in thla scura,

151

II 18 ( 19

oba thu thes biginnes, gift! gimuate

II 2 1 , 1 4,11

thaz thu geba bringes,

zi themo gotes biete,

oba thu thea biginnes thaz thu zi gote thingea, inti thu githenkes thaz thin gibet wirke oba iaman thes biginne

thaz er iz iu ni henge;

Prat.

II 1*i,23

oba thu ... datist,

thia gotes gift irknatia,

III 11,13

joh ob er thaz gidati,

thaz er sin wort giquati,

IV 8,24

in thiu er thaz gidati,

so giauaso inan gilati.

IV 21,22

mit theganheiti sitotin,

thaz sie mih in irretitin.

4.2.2. Mittelhochdeutsch § 1. Trägersatz nicht modalisiert

§ 1.1. affirmativ Präs. garnen (ge-arnen) 19076 wir möezen alle garnen, daz min bruoder eine tuot, 32218

ir garnet, daz hie tot geleit min friunt ist uf daz grüene gras.

39016

daz ie den Kriechen wart genomen Helene daz vil schoene wip, daz garnet noch vil manic lip,

geschehen 4974

sit daz ist geschehen, daz Paris da her ist körnen,

16654

mir ist geschehen hie daz heil und daz gelücke, daz ich mac verheilen mines herzen slac

gewisen 21068

daz diu daz von

schuof diu minne und ir geheiz, mich gewiset hat dar an, ich geruowen niht enkan senelicher swsre.

helfen 12168

schaffen 3287

wer mir des hilfet Qf den plan, daz ich geriche miniu ser, des künne wil ich iemer mer gewaltecliche erhoehen. ich schaffe, aaelic vrouwe min, daz mir der werde vater sin

152

der eren danket und der tugent, vüegen 2086

j6 füeget höher künste list, daz von ir wahaet richer solt.

13968 ich füege in kurzen stunden, daz er da Hofgesinde wirt und daz im zuht und ere birt der künic Lycomedes. dar Gf bereit werden ( K l ) 19o26 ir kraft diu wirt dar Qf bereit, daz si mit jämer uns gelade. Der K1 hat autonome Funktion (futurlsch-prospektiver Nutzwert), Prät. bejagen/bejac i(302 ir hant erworben den bejac, daz ich verlust von iu hie nime. erschinen 39476 sin herze was dem helde gram, daz offenliche an im erschein. erwerben 2138 erworben hant der wirde ruom, daz man si für dich minnet. geschehen 7080 daz in diu schände do gesehaeh, daz man si treip von dannen, 8595

In dirre zit, dö daz geschach, daz diu junovrouwe alsus gesprach und innecliche aware truoc,

17239

diu von den schulden in geschach, daz man vür eine maget sach den jungelinc vrech unde fruot.

u ,S. geraten 46732

ouch geriet Eneas, daz Paris zen Kriechen kam und die künigin da nam und fuor er selber mit im dar.

49158 ir groze fröide in ouch geriet, daz si irn goten brahten do gröz opfer unde in dancten ho der gnaden und der seeliekeit, 49276 Helena ir tugent do geriet, daz si die maget lustsam

153

balde do zuo ir genam und umbevienc ir schoenen lip,

43804

für daz der minne craft geriet, daz er ir minneclichen lip ze liebe erkos für alliu wip,

In einem Satz ist ein teilaktualisiertes Komplement nach nicht-modalisiertem Trägersatz belegt: 42872 Agamennon do geriet für die ändern alsus, daz der künic Meneläus gegen den sinen hielte, do er 3trites gegen in wielte, Die Bedeutung 'anordnen, anraten 1 könnte an sich eine semantemgebundene Teilaktualiaierung nach der Art der verba dicendi erlauben; das scheint mir aber angesichts der folgenden Stelle, die sich dem zitierten Beleg unmittelbar anschließt, nicht wahrscheinlich: 42880 der eilenthafte werde man Idomeneus geriet, daz in bestount uz al der diet Ulixes der werde helt, Angesichts der sonst ausnahmslos vollaktualisierten Belege scheint mir hier die Annahme einer Sekundiren Modaliaierung mit volitiv-prospektivischem Nutzwert nahezuliegen. phlegen 47685 diu wage, diu Troiaere wac ir aaelde, ir wandel und des pflac, daz sin geschach ir lebenez loz mit ir gote ordenunge beslöz, machen 34354 ir hänt an mir gemachet, daz iuwer lop enist niht guot.

schaffen 657

u. .

sin mit daz und

lip von hoher art geborn gerinte da geschuof, er gewan des lobes ruof den werdecliohen pris,

6102

er schuof mit sinem liste, daz er wart umnäzen snel.

6213

Da mite geschuof der meister hoch, daz er in dem walde viöch kein Übel dinc, des sint gewis.

vöegen 40736 do vuocte ez sich von geschieht, daz nach wunderlicher art ein swigen und ein stillen wart, 44499

Sit ez sich nß gefüeget hat, daz ez umbe uns beide atat also, ...

Ein eindeutiger Fall von sekundärer Hodalisierung ist bei schaffen belegt: 322$2 do schuof ein hemede wol gebriten Gz blanker palmätsiden, daz er in da versniden niht möhte mit rilicher state. Der K2 verstärkt hier die Negation und stellt das Inhaltssatzgeschehen ausdrücklich als nicht erwartet dar. Die Lesart der Hs a mohte weist ebenfalls auf die autonome Modalität. dar uf/zuo bereit werden Ind.: 7190 do wurden si bereit dar zuo, daz si von dannen fuoren. 13392

Priant der künic wart bereit dar Qf mit hohem vlize gar, daz er schoen unde wunnevar die stat begunde machen und si mit riehen sachen gewieren mohte bl den tagen.

6468

Achilles wart dar Gf bereit, daz er daz beste gerne tete.

K2:

17788 er wart zehant dar uf bereit, daz er sin leit ger»3he. 19760

do wart diu frouwe minnesam dar Qf bereit geswinde, daz si mit ir gesinde dar in daz tempel keEne und ouch da wir gensme der fremden ritterschefte clär.

Die teilaktualisierten Inhaltssätze bezeichnen ein von einem Zeitpunkt der Vergangenheit aus erwartetes Geschehen; der K2 hat somit temporalen Wert und autonome Funktion. § 1.2. Für den negierten Trägersatz sind keine Belege vorhanden,

155

§ 2, Trägersatz modalisiert § 2.1. zielgerichtet Präs. Hit Ausnahme von machen steht durchwegs der K1

beginnen 15862

vil gerne sol ich unde wil dich leren des beginnen, daz du wol künnest spinnen und naejen hoveliche.

2634

hilf mir, daz ich den apfel hin mit rente ziehen müeze,

2652

hilf, daz der apfel werde min und ich diu beste si genant.

3270

und daz und der

3468

der helfe mir, daz Paris Qf mines lobes ungewin niht werde alaus gefüeret hin l

5090

hilf im, daz er getürre wo! entsliezen Priamo daz dinc,

helfen

323^9 schicken 6599

helfen mir bi dirre zit, Paris mit mir hinnen var er in miner hoveschar beste heizen müeze.

und helfent im, daz er genese! Er schicke, daz der boese zage im ein so nidic herze trage, daz er im niemer werde holt,

vilegen 21190

so föegent, daz mir werde buoz des grimmen jamers, des ich dol. dar Qf bereit wesen (K1) 12174 so si der ritter und der kneht dar öf bereit, daz er sich wer.

29960

da von so sist dar üf bereit, daz ir dekeiner fliehet

Bin vollaktualisierter Inhaltssatz steht bei machen: 16878

du wilt an mir gemachen, daz ich dir niemer wirde holt.

Die (späte) Hs e hat K l (werde). Die unterschiedlichen Lesarten zum letzten Beleg lassen den Ind„ zweifelhaft erscheinen.

156

§ 2.2. nicht zielgerichtet P rät. Ind.: gemachen 4720 Paris, der wol gereinte vor wandelbaren Sachen, der künde wol gemachen, swer in mit ougen an geaach, daz er im iemer guotes jach mit herzen und mit munde. Das Modalverb bezeichnet eine Fähigkeit, an deren Verwirklichung kein Zweifel gelassen wird. Da nicht epistemische, sondern intrasubjektive Modalität vorliegt is, REINWEIN 1977: 30), kann man hier nicht eigentlich von modaler Abwandlung sprechen. K2: vinden ^6078 so möhtestu wol vinden an uns, daz wir nu zehant machten undertan diz lant ze minneclichem löne und gaeben des landes crone einem diner süne hie, §2.3. erfragt Präs. Es sind nur vollaktualisierte Komplemente belegt. geschehen 37153 wie daz von helfen 7142 waz mit vuegen 8106 wie daz 37889

mac geschehen diz wunder, uns ein man besunder hinnen algemeine Jaget? hiIfet, daz man sere Worten schallet unde broget? füeget sich daz, vrouwe min, ich ir niht gewinnen kan?

wie füeget sich, her Nestor, daz ir uns hänr s3 manigen vor mit worten und mit rede gezalt und Hercules der degen bait niht wart ze rechenunge bräht?

Der Fragekorpus umfaßt das Komplementsatzgeschehen nicht, sondern es wird der Anlaß bzw. die Art und Weise dieses Geschehens erfragt, das daher als tatsächlich gelten muß.

157

§ 2.4, nicht-faktive Einbettung Präs, geschehen 22251 daz mir daz lasten niht geschehe, daz man mich in den ougen sehe, 26505 Prät. erschinen 21666

sit dir diu törheit si geschehen, daz er von dir würd übersehen, dur daz und daz

daz ir des gedsiitet niht, iuch min herze meinte iu da mite erscheinte, an iu laege min gedanc.

Wegen der Einbettung unter 21666 ist erscheinte sicher K2. geschehen

13160

und waere ich dir gewesen bi, daz möhte niemer sin geschehen, daz man dich haete alsus gesehen erslagen von den Kriechen.

24256

wa von diz dinc geschähe, daz si niht dannen möhten körnen

29640

und er vil küme des erbeit, daz im diu state geschehe, daz in sin ouge ersaehe.

Ein Satz hat vollaktualisiertes Komplement: 14122

du tuost, als nie geschaehe diz unbilde, daz ein man leit eines wibes cleider an.

Wegen der Lesart der Hs. A leite ist diese Stelle kein sicherer Beleg; wenn die Form 3. Fers.Präs.Sg. ist, könnte auch das -e des K elidiert sein. helfen 41087

daz si durch sinen willen mit im zuo Achillen viieren und im hülfen des, daz in der helt Achilles erte und dur si twte, des er in mit in bete,

29246

wan daz ir swester hülfen ir, daz si ze kreften wider kam,

Ind.:

158 so müeste ir leben tugentsam von Jättier sin verendet. Die Modusform des Trägersatzverbs ist nicht ganz sicher, Hs, A hat hülfen. Dennoch ist die Lesung als K2 wohl vorzuziehen, da ein hypothetisches Konditicnalgefüge den besten Sinn ergibt: Hätte ihr ihre Schwester nicht geholfen, daß sie wieder zu Kräften kam, so hätte ihr tugendreiches Leben aus Kummer zu Ende gehen müssen. Der Moduswechsel scheint auf unterschiedliche Valenzvarianten von helfen zurückzuführen zu sein (s. oben 3-5.3.3·). Der vollaktualisierte Teilsatz repräsentiert hier die Variante mit Konsekutivsatzwert. schaffen 8318

so schüefe ich, daz ir ane we die wollen sanfte erwürbent und daz ir niht verdürbent durch daz wunnebaere go 11.

tuon 27502 mit sorgen wären si geladen, wie si getsten bi der stunt, daz in Achilles würde kunt, vüegen il60&

kund aber daz gefüegen sich, daz er niht käme zuo der stift, bereit weaen (K2) 43792 und daz er also wxr bereit, daz er des ändern morgens käme zem betehuse und da name ir tohter wert, ,.. Der Modusgebrauch in Inhaltssätzen zu implikativen Verben 1st im And. und Mhd. völlig gleichartig. Der K bezeichnet bei asseriertem Trägersatz stets eine autonome modale Stellungnahme; in nicht-faktiver Einbettung wird das Komplement immer teilaktualisiert. Wegen der mangelnden Belege für den negierten Trägersatz im Mhd. kann der syntaktische Status der dependenten Prädikation nicht bestimmt werden.

**.3«

Negativ-implikative Verben

Diese Gruppe ist nur mit sehr wenigen Belegen vertreten. And. Verben wie midan stehen mit einem von ni eingeleiteten Satz, der keine Valenzposition ausfüllt und daher erst bei den Verhältnisbezügen besprochen wird (Bd.2). Die Modussetzung in den verbleibenden Belegen entspricht dem Erwartungswert, 4,3.1, Althochdeutsch § 1. Trägersatz nicht modalisiert §1,1. affirmativ

159

Prat. Ill 16,53

sie thaz abahotun, thaz si then heime habetun then se er irslahan wo1tun;

§ 1,2, negiert Präs. V 23,156 job thes ouh ni gisuikhit, sie emmizen bisuikhit. § 2. Trägersatz modalisiert § 2 . 1 . zielgerichtet Präs. II 18,16 joh ouh thaz bimide, er man nihein ni mide. I 23,58

thaz iagilih bimide,

inan thiu akus ni snide;

II 3,66 Prat. III 5,3

joh dagilih biwenke,

thaz er nan ni firsenke;

tho er mo firbot thio dati, thaz er ni suntoti, thes gewarteti, thaz wirs imo ni wurti.

III 15,51 joh iagilih thes wangti, in fiantscaf ni giangti in sulichemo note fon themo herote.

§ 2.4. nicht-faktiv eingebettet Präs. II 12,18 nub er thaz bimide, IV 37,38

sih himilriches blide:

thaz ouh ni bimiden, mit uns sih saman bliden in ewon zi guate mit heilemo muate,

i|.3.2. Mittelhochdeutsch § 1. Trägersatz nicht modalisiert § 1.1. affirmativ Präs. 461^ denn ob er sich des kan erwern, daz er ze Troye niht envert, Autonome Modalität als Verstärkung der Negation ist anzunehmen in: 13866

des wirt min sun da vor bewart, daz er da hin ze lande iht körne.

§ 1,2. negiert Präs. 19078 wirt von uns balde niht behuot, daz er hin zuo den Kriechen vert und eine frouwen da verhert, § 2. Trägersatz modalisiert Alle Inhaltssätze sind entsprechend dem Trägersatztempus teilaktualisiert,

160

§ 2 , 1 . zielgerichtet Präs. 5228 doch sunt ir uns des beide erlan, daz von uns werde iht hie gestriten. In V. 5228 ist statt sunt wohl suit zu lesen. 13*140

ich daz vür und

sol behüeten und bewarn, er niht kora ze strite Troye in siner zite er da werde niht erslagen.

30438

ir suit iuch vor dem valle behüeten algeliche, daz iuwer heimisch riche bekome in vremeder liute hant.

§ 2.4. nicht-faktiv eingebettet Präs. 15244 und iemer si da vor bewar, daz si zuo dem mer iht ge, Prät. 41972 daz wir mit werli eher craft heten wol vor in erwert, daz ai uns niht möhten hän vertiert noch hie mit craft gesuochet, Die negativ-implikativen Verben haben im A n d . mit nl eingeleitete Nebensätze, die ERDMANN (150ff) zusammen mit den von nub und suntar eingeleiteten Sätzen als negative Folgesätze bezeichnete. Es handelt sich hier also um eine eigene Art von Verhältnissätzen mit eigenständiger negativer Bedeutung; auch die Negation in den mhd. Nebensätzen weist auf eine inhaltliche Eigenständigkeit. Die Nebensätze zu negativ-implikativen Verben waren also ursprünglich keine Inhaltssätze, sondern nicht-valenzwertige Verhältnissätze mit eigener {nicht pleonastischer) Negation. Erst durch die Entstehung einer eigenen Inhaltsvalenz war der Ausfall der NS-Negation möglich. Die syntaktlsch-semantischen Bedingungen dieser Valenzerhöhung habe ich in einer eigenen Arbeit beschrieben (SCHRODT 1982: Kap. 5).

4.4.

Wenn-Verben

4.4.0.1. Die wenn—Verben sind zusammen mit den nur-wenn-Verben nicht umkehrbare Implikativa, d.h. die Implikation gilt nur entweder für die Affirmation {wenn-Verben) oder für die Negation (nur-wenn-Verben). Nach KARTTUNEN (1971: 257) gehören die engl, Verben cause, make, have 'zu etwas anhalten 1 , force, make sure, bring about und .see^ to it zu dieser Gruppe. Diesen Verben ist ein Merkmal der Kausativität gemeinsam, das in der Art eines tiefenseman-

161

tischen Prädikats in das jeweilige Bedeutungspostulat eingesetzt werden kann, etwa bei beweisen: beweisen (x, y, S)

verursachen (x, wissen (y, S))

Das Kausativitätsprädikat ist auch die Ursache für die spezifische WW-Verteilung der wenn-Verben. Bei Negation ergibt sich keine Implikation, daher wird auch nicht die Faktivitätspräsupposition von wissen übernommen. Das "zwischengeschaltete" Kausativitätsprädikat macht auch den Unterschied zu den implikativen bzw. negativ-implikativen Verben aus. Die (negativ-)implikativen Verben enthalten eine d i r e k t e Beziehung zwischen der Aktivität des Subjekts und dem Komplementsatzgeschehen, d.h. man kann vereinfacht sagen, daß die Aktivität des Subjekts den Inhalt des Komplementsätzes e r z e u g t , während bei den wenn-Verben die Aktivität des Subjekts zunächst zum Kausalitätsprädikat führt, das ein eigenes Agens enthalten kann. Aus diesem Kausalitätsprädikat ergibt sich erst der Komplementsatzinhalt. Schematisch kann dieser Unterschied etwa so dargestellt werden: implikative — Verben

Subjekt —

KomplementsätzInhalt

negativ-implikative —

wenn-

. — nur-wenn- —l

Verben

Subjekt —

Agens —

Komplementsatzinhalt

Subjekt der verursachten Handlung ist ein Agens, das vom Subjekt der Gesamthandlung dissoziiert sein kann (wie bei zwingen), aber nicht sein muß. Das Agens nimmt hier eine Mittelstellung ein, ea ist sowohl Objekt der vom Subjekt ausgehenden Aktivität als auch Subjekt der Komplementsatzhandlung. 4.4.0.2, Diese Dissoziationsmöglichkeit erlaubt es auch, die wenn-Verben in zwei Untergruppen einzuteilen. Die eine Untergruppe hat ein vom Subjekt dissoziiertes Agens und enthält Verben wie zwingen, (jemanden][zu etwas anhalten, Jemanden dazu bringen, etwas zu tun usw. In der anderen Untergruppe bezieht sich das Agens auf das Subjekt zurück, seine Objekt- und Subjektfunktion fällt zusammen. Zu dieser Gruppe gehören die Verben der sinnlichen Wahrnehmung: Sie bezeichnen eine Aktivität des Subjekts, die zur Internallsierung des wahrzunehmenden Objekts führt. Dem zwischengeschalteten Kausativitätsprädikat entspricht hier ein aktiver Vorgang, der das Wahrnehmungsobjekt dem Subjekt erst zugänglich macht; ohne diesen Vorgang kann über das Wahrnehmungsobjekt nichts Bestimmtes ausgesagt werden. 4.4.0.3.

Daß diese prgdikatenlogische Analyse eine durchaus reale Basis

162

hat, zeigt die Etymologie der Wahrnehmungsverben. Schon BECHTEL (18793 hat darauf hingewiesen, daß ursprünglich Wahrnehmungen dadurch zum Ausdruck gebracht werden, daß von der Perzeption als solcher völlig abgesehen wird. Statt dessen wird die Tätigkeit genannt, auf welche die Perzeption erfolgt oder welche Gegenstand der Perzeption ist. So gehen Begriffe wie fühlen, schmecken, riechen, hören und sehen etymologisch auf tasten, fließen bzw. verzehren, rauchen, tönen und leuchten zurück, also Bezeichnungen einer Tätigkeit als Voraussetzung für die Wahrnehmung. Es handelt sich hier somit um ursprünglich intransitive Verben, die die Perzeption als solche gar nicht bezeichnen. Der Übergang zu echten Wahrnehmungsverben geschieht dadurch, daß diese Tätigkeit als kausale "Vorstufe" zur Wahrnehmung des Perzeptionsobjekts interpretiert wird, wobei diese yminterpretation in vielen Fällen wohl von der Reflexiv!tat der Agensfunktion begünstigt wurde. Eine sinnliche Wahrnehmung kann nun, wenn sie abgeschlossen ist, in einen geistigen Zustand als vollendete Wahrnehmung übergehen. Wenn also diese Verben perfektiseh gebraucht werden oder ein perfektisches Sem erhalten, ist der Prozeß der sinnlichen Anverwandlung bereits vorbei, und der Komplementsatzinhalt ist nicht mehr Resultat, sondern Basis der vom Trägeraatz bezeichneten Aktivität (s. WUNDERLI 285), Durch das perfektische Sem treten diese Verben in die faktive Klasse über; dieser Obertritt ist die Voraussetzung für die Möglichkeit des deklarativen Gebrauches und damit für die oben (3.2.7.2.) erläuterte Ambiguität faktiv/nonfaktiv. 4.4.0.4. Eine spezielle korpusspraohliche Problematik besteht daher in der Zuweisung der Wahrnehmungsverben zur Klasse der wenn-Verben oder der faktiven Verben, Es scheint mir nicht möglich, den Komplementsätzinhalt (sinnliche oder geistige Wahrnehmung) als Kriterium für die Klassenzugehörigkeit einzusetzen, weil manche Verben sowohl eine sinnliche als auch eine geistige Wahrnehmung bezeichnen können (z.B. besonders deutlich bei nhd. hören 'etwas mit dem Gehörorgan aufnehmen'/'eine Nachricht vernehmen, in Erfahrung bringen' und sehen 'etwas mit dem Auge wahrnehmen'/'wissen, was geschehen wird; beurteilen'; WAHRIG 1978: 421, 703f), Wenn man die Bedeutungsentwicklung von sinnlicher zu geistiger Wahrnehmung als Entmetaphorisierungsprozeß beschreibt (s. oben 3.2.7.1. zu KLAGES), so würde dieses Kriterium eine Entscheidung auf strukturalistischer Basis darüber voraussetzen, ob das Verb als Bezeichnung einer geistigen Wahrnehmung eine metaphorische Variante oder ein eigenes Lexem ist. Eine solche Entscheidung scheint mir nur bei Korpussprachen nicht möglich (vgl. die Diskussion einer ähnlichen Problematik in der Valenztheorie bei HERINGER 1967: 16). 4.4.0.5. Ein besseres Faktivitätskriterium könnten perfektivierende Elemente sein, wie germ, ga- und uz- mit ihren Entsprechungen im älteren Deutsch. Doch das ist dann problematisch, wenn das Simplex nicht belegt ist, wie Otfrid irkennen und ircnaen. In beiden Fällen ist die Bedeutungsvariante des geistigen Erkennens sicher, aber für irkennen ist an 5 oder 6 Stellen der Gebrauch als sinnliches Erkennen belegt (s. die Stellenangaben bei GRUBER

163

1930: 58); man kann aiso nur schwer entscheiden, ob das geistige Erkennen noch eine metaphorische Variante oder bereits die usuelle Ausprägung des betreffenden Semantems ist. Eine weitere Problematik besteht in der Bedeutung der Präfixe, Während ga- und uz- im And, ziemlich sicher perfektische Bedeutung haben, ist das bei Präfixen wie fir- nicht immer der Fall. Vergleicht man etwa and. firneman mit got. franiman, das an den beiden Stellen, in denen es vorkommt (J "4,13; L 19,2), sicher perfektisch ist, so weist das auf ein perfektisches Semantem {s. BEHAGHEL 1924: 108). Andrerseits kann ahd. f^r-, farusw, auch nicht-perfektisch sein (BEHAGHEL 107f), so daß der etymologische Schluß auf ein perfektisches Semantem nicht zwingend ist. it.4.0.6. Ich habe daher im Zweifel generell alle ahd. Verben der sinnlichen und geistigen Wahrnehmung bzw. Kenntnisnahme unter die wenn-Verben aufgenommen. Von den mhd. Verben habe ich einen größeren Teil als faktiv klassifiziert. Dadurch ist eine ungleichmäßige Seleglage entstanden, die freilich ohne willkürliche Entscheidungsprinzipien nicht vermieden werden konnte. Da sich allerdings diese Problematik auf die Beurteilung der semantemgebundenen Modussetzung nur wenig auswirkt, weil die Belege für den negierten Trägersatz sehr selten sind, halte ich diese Unsicherheit für tolerierbar. S, auch die vollaktualisierten Belege aus Tatlan bei FÖRSTER (1895: 21ff). 4.4.0.7. Zu den wenn-Verben zählen auch Verben, deren Bedeutung auf das Bewirken einer Kenntnisnahme weist, wie etwa zeigen, schreiben und sagen. Die Nähe zu den faktiven Verben zeigt auch die Erörterung KARTTÜNENs (1972: 260f), der darauf hinweist, daß nur bei Identität des "experiencer" (d.h. in der 1. Pers. ("Sg.Präs.*» die Implikation gilt. KARTTÜNEN hält allerdings den Gebrauch bei Nicht-Identität des "experiencer*1 ohne weitere Erläuterung für nicht-faktiv. Nach meiner Auffassung liegt im Fall von Nicht-Identität des "experiencer" die bekannte Ambiguität faktiv/nonfaktiv vor, vgl. KARTTUNENs Beispielsatz (43b). Im anderen Fall ist nhd. zeigen ein eindeutiges wenn-Verb: (1) (2) (3)

Dieser Beispielsatz zeigt, daß zeigen ein wenn-Verb ist. Dieser Beispielsatz zeigt nicht, daß zeigen ein wenn-Verb ist. Zeigen ist ein wenn-Verb.

Ein Satz wie (1) wäre ohne ein für wahr gehaltenes (3) ein Verstoß gegen die Aufrichtigkeitsbedingung, während (2) die Wahrheit oder Falschheit von (3) weder präsupponiert noch impliziert. Ich habe daher die Verben der Bedeutungsgruppe 'zeigen* und 'schreiben' unter die wenn-Verben aufgenommen. Die Verben mit der Bedeutung 'sagen*, 'kund tun* usw. habe ich wie alle verba dicendl aus den dort erläuterten Gründen bei den nonfaktiven Verben behandelt.

164

11.4.1. Althochdeutsch § 1. Trägersatz nicht modalisiert Hier werden auch Sätze mit magan aufgenommen, weil diese Wendungen die Bedeutung 'imstande sein zu etwas' haben und daher nicht als modale Abwandlung im engeren Sinn gelten (kein Einfluß auf die Aktualisierung des Komplements). § 1.1. affirmativ Präs. l es an II 3>29 mäht lesan ouh hiar forna, wio er koson bigonda wislichen Worten mit then ewarton. III 13 »46

thar lisist t hu ouh ana wan,

V 19,23

iß imo man thar lesan mag

H 31

uuio ther ander missigiang joh narto hintorort gifiang, thaz lisist thu ouh zi waru, joh fön theru selbun faru;

scriban II 4,117 hören

IV 19,40

... giscriban ist,

thaz thri er hiaz mit imo g an.

theiz ist

abulges dag,

in brote ginuag nist,

thu horis was sie nennent

joh thih anazellentl

sehan

V 4,57 instant an III 5,1 irkennen V 6,68 manon III 22,48 gilouben III 2,15

iagilih thar sehan mag

war ther lichamo lag,

hiar mugun wir instantan ... thaz quement ummahti fön suntono suhti . joh irkennit thaz tnuat wie selbo druhtin irstuant, wio sin ginada thaz biwarb thaz er bi unsih irstarp, er sie thar toh manota

was thes ther wizzod sageta.

giloubt er selbo thanne so zimit gotes manne, thaz iagiwar 1st druhtin mit sines selbes mahtin; muat haben + wizzan V 12,11 joh habet fasto ouh unser muat, sid er fön tode selbo irstuant, giwisso wizun wir thaz theiz aid war lichamo was giwis wesan III 12,25 uns allen thaz giwis ist, thaz thu selbo Krist bist, fön gote uns quarai herasun, selbo druhtines sun. Dem vollaktualisierten Komplement folgt ein Satz im K2, dessen syntaktische Abhängigkeit von giwis wesan allerdings fraglich ist. Der Sprecher hat hier keinen Anlaß, den Inhalt dieses Satzes als unsicher oder zweifelhaft hinzustellen; man könnte also als dH übersetzen; "Du mußt selbst für uns von Gott hierher gekommen sein." Das Modalverb kann hier nur im Sinn einer epistemischen Modalität aufgefaßt werden {es ist notwendig, daß du von Gott gekommen bist). In jedem Fall liegt autonome Modalität vor.

165

gihuggen I 10,12 gi thenken II 14,37 meinen III 7,17 (gi)weizen II 16,26

gihugit thaz er her iz liaz,

thaz er in ofto gihiaz;

ther thuruh thurst githenkit, nist lang zi themo thinge,

thaz thesses brunnen thrinkit,

thiu meinent wio sin zerbit

job thisu worolt werbit,

mit thiu sie thaz giweizent,

sie gotes kind heizent;

III 7,57

sie eigun thaz giweizit,

III 22,49

iro buah ... weizent

V 23,61

eigun iz giweizit thie martyra man heizit, thaz thar in ana wani ist harto manag sconi;

(bi)zeinen III 7,33

V 1,27

bi hiu man sie korbi heizit,

thaz man ouh gota heizent;

thie selbun fisga zeinent

waz forasago meinent;

mit thiu ist thar bizeinit, theiz imo ist al gimeinit in erdu joh in himile inti in abgrunte ouh hiar nidare.

Ein teilaktualisiertes Komplement kommt in folgenden Sätzen vor: lesan II 3,11

IV 6,4

mäht lesan, wio iz wurti thaz engil mit giwurtin

zi theru druhtines giburti, iz kundta sar then hirtin;

mäht lesan wio er dati joh wio er se bredigoti (zi bilide er iro harta then figboum irtharta, wanta sie firbarun thaz guatu werk ni barun):

In beiden Fällen kann der K2 nicht eindeutig interpretiert werden. Zu II 3,11 bemerkt P, "dass in dem Nebensatz mit uuio noch die Ereignisse nicht als wirklich vollzogen, sondern nur in ihrer Beziehung zur Auffassung des Lesenden gedacht werden; ( * . . . * ) . " Der von wurti abhängige Inhaltgsatz stellt hingegen "die Thatsachen als solche" h i n , Problematisch ist auch IV 6,4; KW führt diesen Satz als Beispiel für den Übergang des K in den Ind. an, ERDMANN (EA, ES 195) stellt das Vorwiegen des Ind. bei lesan fest, ohne die Bedingungen für die Teilaktualisierung anzugeben. Von aiaht_ lesan sind auch die mit wio eingeleiteten Inhaltssätze in den Versen 7 und 11 abhängig, wovon der erste im Ind., der letzte wieder im K2 steht (allerdings in Reimstellung zu meindati). Aus dem Kontext und aus der zugrundeliegenden Bibelstelle ergeben sich keine Hinweise für die Interpretation des Moduswechse1s; P betrachtet ihn als "ganz willkürlich, nur durch den Reim bestimmt. n Tatsächlich ist Reimeinfluß bei II 3,11 und IV 6,11 möglich, nicht aber bei IV 6,4, wo ja auch die beiden Indikative reimen würden. Nur IV 6,4 könnte also als sicherer Zeuge für den Ind./K-

166 Wechsel ala freie Variante gewertet werden; a. dazu die Ausführungen am Ende dieses Abschnittes. scriban II 4,57

iz ist giscriban fona thir, thaz faren engila mit thir, sie thih biscrimen allan Job thih ni lazen fallan;

Der K hat hier als sekundäre Modalität proapektiven Nutzwert, wie aus der zugrundeliegenden Bibelstelle (Mt 4,6 nach PS. 9 1 , 1 1 f ) hervorgeht (Engel werden mit dir gehen usw.). II 4,75

... giscriban ist in alawar, thaz mannilih giwereti, selb druhtines ni koroti.

Die zugrundeliegende Bibelstelle weist wieder auf sekundäre Modalität mit prospektivem Nutzwert (Mt. 4,7 scriptum est: non temptabis dominum deum tuum). fi rneman

IV 5,31

giwiaso so firnemen wir thaz Krist ni buit in thir, thia wat sie in thih ni leggen, mit bredigu bitheken.

Im vollaktualialerten Komplement ist ein KonditionalgefUge eingebettet. manon I 18,1

manot unslh thiau fart, wir unsih ouh biruachen

thaz wir es wesen anawart, inti eigan lant suachen.

manön + l§ren III 19,1 hiar manot unsih druhtin Krist, ao sin giwonaheit hiar lerit unsih dat sin, thaz wir thultige sin.

ist;

Auch an diesen Stellen liegt die Annahme einer autonomen Modalität mit prospektivem Nutzwert nahe; in allen Fällen handelt es sich um ein in der Zukunft erwartetes Geschehen. gilouben (Wechsel Ind. - K2) III 24,35 giloub in thaz gimuato, thaz thu bist Krist ther guato, gotes sun gizami, thu hera in worolt quami, Der Moduswechael kann nicht eindeutig interpretiert werden. Der K2 kann, wenn er nicht durch Reimeinfluß gebraucht wurde, Ausdruck einer autonomen Modalität (volitiver Nutzwert) sein. giwisai wesan V 2^,11 ist una in thir giwissi thaz unser stubbi fulaz

ouh thaz irstantnissi, werde avur sulih soso iz was.

Der K hat hier prospektiven Hutzwert und verstärkt dadurch werdan.

167 huggen V 23,41

...

thoh hugit er io war iz si,

Der Nutzwert der Eventualität liegt hier nahe (... gizeigön V 12,65

mit thiu ist gizeigit mannon,

wo es etwa sein könnte),

sin untar in io minnon,

K1 mit volitivem Nutzwert ( , , . daß sie einander lieben sollen); ebenso in den folgenden beiden Sätzen mit doppelter Abhängigkeit: gimeinen - in muate bikleiben I 5,39 haben ih gimeinit, in muate bicieibit, thaz ih einluzzo mina worolt nuzzo. lrdei ien-gimei nen I 5,57 thoh habet er mo irdeilit joh selbe gimeinit, thaz er nan in beche mit ketinen zibreche. Im letzten Satz ist der volitive Nutzwert schon durch irdeilen deutlich, von dem die Teilaktualisierung möglicherweise inzidenziell abhängig ist. Prät. scriban V 8,25

hören III 14,37

... want er giscreib uns suazo, ofono filu fram, wio er hera in worolt quam; wio druhtin deta so irao zam, er unsan lichamon nam, wio er ward ouh hera funs joh nu buit in uns. so sin tho thaz gihorta joh thiu aelba dat sin

III 20,169 druhtin tho gihorta IV 3.1 bifindan I 17,39

thaz er iz antota, in mohta tho firholan sin;

wio er thar wernota;

gihorta tho ther Hut thaz

thaz druhtin Krist thara queman was,

so er giwisso thar bifand, war druhtin Krist giboran ward, thaht er sar in festi mihilo unkusti.

I 20,1

so Herod ther kuning tho bifand, thaz er fön in bidrogan ward: inbran er sar zi noti in mihil heiz muati;

II 5,12

er bifand,

theiz was niwiht,

III 20,170 joh er bifand iz allaz, leren

thaz sie firwurfun nan bi thaz.

IV 15,43 lert er sie mit worton wio thaz firdragan scoltun; leren + zeinen II 11,43 er lerta unsih joh zeinta, thaz druhtin unser melnta {thaz wir nikertin thanana u z l ) thaz sines lichamen hus.

168 irkennen II 8,41

II 12,11

thie man thoh thie thar scanktun, iz filu wola irkantun, theiz wazzar lutara was, tho sie fultun thiu vaz. druhtin Krist irkanta,

thaz er mo war zalta,

III 2,35 gieiacon III 9 , 1

yrkanta tho ther fater sar

IV 3,20 infualen

so ther liut tho gieisoota

III 14,35 (ir)bogen II 11,55

in ... infualta

theiz thiu zit was in war,

ther liut tho gieiacota thaz

thaz druhtin thara queman was; thaz er thara queman seolta.

thaz etheswer mih ruarta;

tho irhogtun filu bilde

thie jungoron sine,

thaz er iz er hiar meinta,

joh thiz giscrib iz zeinta.

sie hogtun gerno wio er gibotl

IV 9,16 IV 16,54

Joh iagilih tho hogeta

IV 18,37

yrhogt er tho ginoto thero selbun zito, thaz imo iz hiar al gaganta thaz druhtin imo sageta.

gilouben III 11,32 ah t on I "*,79 githenken I 17,64 ruachen III 14,79

...

wio er in er sageta.

giloubta thaz er sageta.

sie fuarun drurenti joh ouh tho ahtonti, want er wiht zin ni sprach, thaz er thar wuntar gisah, rehtes sie githahtun,

thaz sie imo geba brahtun;

so wer so thes ruahta (wizist iz in alawar):

thaz fruma zi imo suahta es ni brast imo thar;

gimeinen

Nach KW 203b und PH 291 a wird gimeinen mit parallelem NS konstruiert; KW schränkt diese Konstruktion auf die Bedeutungsvariante 'belieben, wollen' ein, die PW nicht anführt (dort stehen diese Belege unter der Bedeutungsgruppe 'erklären, (zuteilend) bestimmen 1 }. Eine volitive Bedeutungsvariante hat auch SchH 124b angesetzt (in offensichtlicher Anlehnung an KW). Ich sehe for eine solche Bedeutungsvariante allerdings keine Notwendigkeit. Die Belege bei Otfrid gruppieren sich um den Bedeutungskern 'zuteilen' (deutlich z.B. III 6,41) im Sinne von 'der Gemeinschaft zugänglich machen'. Auch im Mhd. bezeichnet das Verb gemeinen allgemein 'Gesellschaft haben m i t ' , wie 'sich vereinigen, verbinden' und 'mitteilen' (nicht als verbum dicendi). S. LEXER 1, 841 f. Die ahd, Glossenbelege (SW 213) sprechen ebenfalls gegen eine volitive Bedeutungsvariante, Die Belegsammlungen bei PW und KW zeigen weiterhin, daß gimeinen ein Objekt verlangt; da in manchen Sätzen (z.B. III 16,34; II 24,9; IV 19,69) der

169

Inhaltssatz eindeutig eine Objektsposition ausfüllt, weil im HS kein Objekt vorhanden ist, sehe ich keinen Grund für die Annahme praktischer Verbindungen. II 24,9

er selbe- tho gitneinta, thar horngibruader heilta mit sinen worton gahun,

III 6,41

er selbe ouh tho gimeinta,

III 14,54 tho druhtin thaz gimeinta,

thie fiaga in thar gideilta, er sina suigar heilta.

III 16,33

in deta ein werk naraz, giwisao wizit it thaz, theih bi einan man gimeinta, in sambazdag giheilta.

IV 2,1

tho druhtin thaz gimeinta,

er thesa worolt heilta,

IV 19,69 ther liut tho sar gimeinta, zi tothe nan irdeilta; meinen IV 3,23 mit thiu meintun thie man thaz er in tode sigu nam, (bi)zeinen Teilweise ist das Komplement auch auf (gi)meinen bezogen. IV 20,37 ther liut mit thiu bizeinta thaz druhtin er gimeinta, thaz er sin lib scolta enton in heithinero hanton; II 11,43

er lerta unsih joh zeinta, thaz druhtin unser meinta (thaz wir ni kertin thanana uz!) thaz sines lichamen hua.

IV 11,40 sliumo er im tho zeinta waz er mit thiu meinta. Gemeinsames Komplement mit sagen; V 20,3 er selbo iz aus gimeinta joh jungaron sinen zeinta, joh selbo in sageta ubar al, wio egislih iz wesan seal, (ir)ougen III 14,13 er ougta in io filu fram bi hiu er hera in worolt quam, III 16,12

yrougt er in thar filu fram,

wanana thiu fruma quam.

Ziemlich häufig ist das Komplement teilaktualisiert; in jedem Fall kann eine sekundäre modale Stellungnahme erwiesen werden. fi rneman III 8,24

firnamun in giwarl

theiz ein gidrog wari,

Es handelt sich hier um die Stelle, in der Christus über das Heer geht (Mt I 4 , 2 5 f ) ; der auf der Meeresoberfläche Handelnde wird von seinen Jüngern als Trugbild angesehen. Der K2 ist also hier Zeichen der Sprecherdistanzierung. Vgl. dazu die lat. Vorlage ^t yidentes eum super märe ambulantem turbati sunt di cent es; qula phant asma^est; ... Ahnlich ist wohl folgender Satz aufzufassen:

170

lesan I 1,87

las ih in aLawar in einen buachon (ih weiz war), sie in sibbu joh in ahtu sin Alexandres slahtu,

Über die Franken heißt es da, sie seien nach Herkunft und Wertschätzung von Alexanders Geschlecht und daher mit den Griechen vergleichbar; doch das ist eine Aussage, die Otfrid in einem Buch gelesen hat und für deren Richtigkeit er nicht einstehen will - möglicherweise war der Anlaß für die Reserviertheit des Vergleiches das negative Alexanderbild, das in Predigt- und Exemplasammlungeri verbreitet war. Auch P betrachtet den K. an dieser Stelle als Ausdruck einer vorsichtigen Behauptung, In drei Sätzen ist ein hypothetisches Konditional- bzw. Vergleichsgefüge als Inhaltssatz, also auch hier eindeutig sekundäre Modalität, vorhanden: gizeigön

III 3,3

thoh habet er uns gizeigot, joh ouh mit bilide gibot, wie wir thoh duan scoltin, oba wir iz woltin.

giwissi haben III 24,93 ih habeta iz io giwissaz, fater, sagen ih thir thaz, thaz thu alleswio ni dati, ni ai al sos ih thih bati, gilouben III 11,12 giloubta er· sia giheilti, ob er iz thar gimeinti, Joh ob er thaz gidati, thaz er sin wort giquatl. Im folgenden Satz ist eine funktioneile Ähnlichkeit von Modalverb + Infinitiv und K2 vorhanden ( P ) : instantan III 17,^7

wanta iagilih tho thar instuant, thaz ther man scolta wesan guat, zi guaten sih gizeliti, ther suntigan so queliti.

Als Ausdruck der Erwartung steht der K2 in: ahtön I 27,1

thiu liuti ... warun ahtonti,

theiz wola wesan mohti;

In zwei Sätzen steht der K als Ausdruck der Unsicherheit. Zwei gleicherweise mögliche Sachverhalte werden erwogen: firneman IV 12,47

sume firnamun iz in thaz wanta er sekllarl was, thaz hiazi er io then worton waz armen wlhtin spenton, odo er thes gisunni, zen ostoron waz giwunni,

Die Stelle bezieht sich auf J 13,23t w° Jesus zu Judas sagt: "quod facis, fac citua." Die Junger verstehen das nicht und glauben, weil Judas die Kasse verwaltete, daß er entweder den Armen etwas geben soll oder daß er etwas för das

171

Osterfest kaufen soll. Als Unsicherheit bezeichnet der K2 auch das Komplement in; aht6n IV 25,23

thiu wib gifuaro stuantun, thiz allaz acouotun, sie warun ahtonti wara man in legiti.

Die Frauen wußten den genauen Ort nicht, wohin man ihn hätte legen können. In fünf Sätzen steht der K mit dem Nutzwert einer Erwartung in der Z u k u n f t ; diese Teilsätze geraten dadurch in die Nähe eines finalen Sinnes: manön IV 6,41 leren II 2,9

manota er ouh tar suntar thie sine jungoron in war, thaz sie thaz firbarin joh suliche ni warin, er lerta thie liuti, thaz mannilih giloubti, daz iagilih instuanti thes selben liohtes guati,

Vgl. J 1,7 hie venit, ut testimonium perhiberet de lumine, ut omnes crederent in hunc mundum.

III 15(17

lertun sie nan, einan ruam imo ein gizami

thaz er gidati imo, einan duam,

thaz er zeru firu quami;

Die Stelle ist wohl am besten mit KÖ so aufzufassen, leren ist, 17b und 18a ein zugehöriger Finalsatz. fi rneman IV 5,64 bizeinen IV 19,45 ahton V 4,15

firnam thaz scolti werdan thaz bizeinta thaz sin wirdi joh scolti werdan ital

dafe I8b Komplement zu

thaz wir nu eigun garawaz;

zi niwihti scioro wurdi, thiu sin era ubar all

joh giangun ahtonti, thaz wesan thiz ni raohti, thaz sie thes steines burdin fön themo grabe irwullin;

Als Ausdruck der Sprecherdistanzierung steht der K2 in den folgenden beiden Sitzen: gilouben IV 15,26 V 5,15

giloubt er unredina,

ther fater wari furira:

sie thaz al giaahun, giloubtun sar tho gahun, thaz er firstolan wari, so thaz wib in deta mari.

Unklar ist mir folgender Satz:

172

ahtön III 24,71

tho ahtotun thie luti wio er nan minnoti, tho sie in alagahun thie zahari gisahun.

Vgl. J 11,36 dixerunt ergo Judaei: ecce quomodo amabat eum! Möglicherweise steht hier der K als Ausdruck einer bloßen Annahme, etwa "wie muß er ihn liebgehabt haben!" Man müßte dann das Komplement als iR verstehen; das ist zwar nicht ausgeschlossen, eine sichere Beurteilung scheint mir aber dennoch nicht möglich. § 1.2. negiert Die Belege zeigen eine ausgeglichene Modusverteilung. Präs. Teilaktualisierung: I 20,23 i z ni habent livola noh iz ni lesent scribara, thaz jungera worolti sulih mord wurti. III 7,59

korp theist scalklichaz faz; thoh ni ruachent sie bi thaz, ni man sie sus iowanne zi korbin ginenne;

IV 23,20

ni mag ih in imo irfindan,

IV 35,11

lis allo buah thio the sin:

oba er firdan si so fram. ni findist iz, in war min,

thaz man io thaz dati Voilaktualisierung (III

1,30 verstehe ich entgegen KÖ als Relativsatz);

III 3,17

ni bldrahtot unser sunilih, einera giburti

V 23,155

nihein ouh thes githenkit

P rät. Teilaktualisierung: I 22,55 siu so heim quamun, zi niheineru heiti,

thaz wir birun al gelich,

wio er si emmizigen skrenkit,

es wiht ni firnamun waa er mit thiu meinti.

II 3 i ^ l

ni ward io ubar woroltring uns giwissara thing, thaz iz io aus war! in erdu so mari.

II 4,26

ni hört er wergin mari,

wer ther fater wari.

III 20,75

ni mohtun sie gilouben thia selbun dat ubar then, thaz er in thera gahi so niwanes gisahi, Vollaktualisierung: III 5,9 ... thaz iro nihein firnam, thaz er mit sinen mahtin was thes dages druhtin. V 5,17

sie nirknatun noh tho thaz

theiz er sus al giscriban was,

theiz sus al er was funtan

thaz er scolta irstantan.

173

H 39

ni bristit ni tho hortist,

wio leid ther anderer ist;

Die Interpretation dieser Belege ist sehr schwierig. Zunächst müssen alle Sätze ausgeschlossen werden, deren Interpretationsgrundlage aus anderen Gründen problematisch ist. Dazu gehören III 7,59, dessen Teilaktualisierung im ni-Satz nicht vom verbalen Semantem abhängt und 3,^1, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß der NS Verhältnisbezug ist (Konsekutivsatz). Der K2 bei den präsentischen Trägersätzen I 20,23 und IV 35,11 hat temporalen Wert (Bezug auf vergangenes Geschehen), was gegen die Annahme einer sekundären Hodalisierung mit dem Nutzwert der Eventualität spricht. Der Rest der Belege scheint doch für eine funktionierende Opposition Ind. : K zu sprechen. Die vollaktualisierten Inhaltssätze bezeichnen hier ein als sicher betrachtetes Geschehen, das in manchen Fällen geradezu als Anlaß für den Trägersatzinhalt gedeutet werden kann. Besonders deutlich ist das bei III 3,17 und V 5,17, wo der Kontext die Wahrheit des Komplemeatsatzgeschehens außer Zweifel stellt. Doch auch in V 23,155 und III 5,9 deutet der theologische Hintergrund auf eine solche Interpretation (Verführung durch den Teufel, Wunderheilungen gegen das Gebot der Sabbatruhe). In den mit w-Konjunktionen und oba eingeleiteten Sätzen liegt ebenfalls autonome Teilaktualisierung nahe. Die funktioneile Opposition zwischen den beiden Modusformen scheint mir besonders bei hören deutlich: in II H,2f> ist nicht gewiß, wer der Vater ist in H 39 ist hingegen die Abscheulichkeit des anderen (Bruders, nämlich Kain) gewiß, nur das Ausmaß dieser Abscheulichkeit ist im Skopus des negierten Trägersatz-Semantems. Das könnte darauf hinweisen, daß zumindest die Verben mit vollaktualisiertera Komplement eigentlich faktive Verben sind, wie das bei den Verben mit perfektischem Präfix ja tatsächlich naheliegt. Dennoch ist aber auch die Klassifizierung als wenn-Verb nicht ausgeschlossen, denn ein Erwartungswert für den K bedeutet nicht, daß das Komplement teilaktualisiert sein m u ß , sondern es kann aus dem Vf-Semantem des Trägersatzes nur eine semantemgebundene Teilaktualislerungs m ö g l i c h k e i t vorausgesagt werden. Eine Entscheidung zwischen diesen beiden Verbalklassen könnte nur dann getroffen werden, wenn eindeutige Belege für Teilaktualisierung bei sicher realem Geschehen vorhanden wären (wie im - leider zweifelhaften - Satz II 3 , 4 1 ) . Das würde auf die syntagmatIsche Funktion des K und damit auf ein wenn-Verb deuten. Da solche Belege aber nicht vorhanden sind, muß diese Frage offen bleiben.

§ 2, Trägersatz modalisiert § 2.1, zielgerichtet Präs. Auch hier sind Belege für eine funktionierende Opposition Ind. : K vorhanden. Zunächst die Verben mit ausschließlich tellaktualisiertem Komplement:

174

hören I 1,121 warten l 19)12 scowon III 7,9 goumen I 23,59

bifindan III 13,14 giwis wesan V 1,18-48 githenken III 15,24 ahtön IV 37,34 gimeinen V B,1 giweizen II 7,37

hiar hör er io zi guate,

was got imo gibiete,

in herzen giwaro wartes,

thaz thu uns thia fruma haltesl

scowomes ouh thanne:

wara druhtin gange,

joh mannilih aih goume, thaz sinan ni houwe, thaz thu thes waldes alles zi altere ni falles; thaz thih thaz fiur wanne iamer ni brenne, noh thih dati thino in ewon ni pino. thaz worolt ni bifinde

thaz thir io sulih werde!

thes mannilih giwis si,

thaz thar ubbigaz si.

er sar thes githenke,

gidougno sulih wirke,

joh then thaz wollen ahton thaz sie ouh thes ginenden, ih wille hiar giraeinen

mit rehten gidrahton; mit uns sih saman menden,

waz thie angila bizeinen,

Petrus scalt thu heizen, mit giloubu iz ouh giweizen, in thiu sis stark io so stein, thaz thu sis miner drut ein.

Die folgenden Verben haben sowohl vollaktualisierte als sierte Komplemente: lesan Ind.: II 7,75

auch teilaktuali-

lia selbo, wio er giholota joh sume ouh zi imo ladota zi zuhti joh zi wizze fön themo fisgizze.

III 14,65

lis thir Matheuses deil,

wio ward ein horngibruader heil;

IV 6,33

lis thar in antreita, wio scono er thaz gimeinta, joh wio er in thar gizalta t wio thaz wesan scolta,

K: H 44 scriban

lis wio er then quenon zeinti

joh selbemo irdeilti.

Ind.: IV 1,5

nu will ih acriban frammort (er aelbo rihte mir thaz wort!), wio druhtin selb thaz biwarb, er sines thankes bl unsih starb;

IV 27,28

scrib thaz er iz quati

K: joh sulih selbo marti.

175

sehan

Ind.; II 7 , 1 1

sehet ... herasun,

war geit ther druhtines sun;

K:

III 16,1? yrkenn er theaa lera joh sehe tharana in wara: si fön gote queme thir, öd ih sia eigine m i r . III 17,57

... nu gank thu frammort inti sih thaz thu bigources iamer t h i r , thaz thu ni suntos furdir,

IV 16,26

sehet then ih küsse,

IV 37,13

thes sin thaz thu es waltes, mit rehterao übe,

hugger Ind.: I 18,43

so sit es sar giwisse; joh wola nan gihaltes

hugi wio ih tharafora quad,

IV 37,7

wir sculun dragan wafan joh lazan sin thaz slafan, joh huggen wi er thaz biwarb, thaz er bi unsih irstarb;

I 3,29

hugi weih thir sageti,

K:

Nur mit vollaktualisiebtem Inhaltssatz ist belegt: in muate gifestit wesan II 22,5 in muate si iu gifestit, thaz muases iu ni bristit; gilouben III 22,63 thaz ir thaz irkennet joh ouh gilouben wollet, thaz wir ein sculun sin, ih inti fater min! gizeigen V 14,5 thoh will ih es mit willen hiar luzilin gizellen, gizeigen ouh in wara war thu lisis mera. Prit. leren Kl: I 22,59 er wolta unsih leren, wir unsan fater eren, Der K1 ist hier autonome Modalität mit Gegenwartsbezug. Die Interpretation der Modussetzung muß hier von der Frage ausgehen, in welchen Fällen eine autonome Modalität angenommen werden kann. Wenn das der Fall ist, so kann zunächst nicht entschieden werden, ob das betreffende Trägersatzverb ein wenn-Verb oder ein faktives Verb ist - in beiden Fällen kann eine autonome Stellungnahme des modalen Subjekts vorliegen. Sind hingegen keine Anhaltspunkte für eine autonome Modalität vorhanden, so weist ein konjunktivischer Inhaltssatz auf syntagmatische Teilaktualisierung in Abhängigkeit von der Trägersatzmodalitat und damit auf die Klasse der wenn-Verben.

176

Nur die Entscheidung zwischen autonomer und syntagmatischer Teilaktualisierung kann als Indiz for die Klassenzugehörigkeit des betreffenden Verbes gelten; ein vollaktualisiertes Komplement allein kann ohne Berücksichtigung der entsprechenden Modusfunktionen in anderen Verbklassen nicht eindeutig Interpretiert werden. Eine eindeutige Interpretation wäre erst dann möglich, wenn ein Zustand wie bei den nonfaktiven Verben erwiesen ist, wo die obligatorische Teilaktualisierung eindeutig auf die syntagmatische Funktion weist. In diesem Fall ist die regelmäßige Füllung der strukturellen Leerstelle für den K ein eindeutiges Zeichen der syntagmatisehen Modussetzung. Bei vollaktualisiertem Komplement bestehen hingegen grundsätzlich drei verschiedene Interpretationsmöglichkeiten; 1. Das Trägersatz-Vf ist faktiv. 2. Das Trägersatz-Vf ist ein wenn-Verb, die (redundante) Teilaktualisierung des Komplements ist bereits durch die Vollaktualisierung ersetzt worden. 3. Das Trägersatz-Vf ist ein wenn-Verb, die strukturelle Leerstelle für den K wird aber nicht ausgefüllt, weil das modale Subjekt kein Interesse daran hat, das Geschehen des Inhaltssatzes ausdrücklich unter die Modalität des Trägersatzes zu stellen. Aus diesen drei Interpretationsmöglichkeiten ergibt sich, daß keine unabhängige Evidenz für die Bestimmung der Verbklasse und der Modusfunktion vorhanden ist. V.a. aus der dritten Interpretationsmöglichkeit folgen besondere Probleme. Dem modalen Subjekt steht die Füllung der strukturellen Leerstelle für den K grundsätzlich frei. Hau wird nicht erwarten können, daß die Entwicklung der syntagmatischen Modussetzung in allen Verbklassen gleich verläuft. Es ist z.B. sehr wahrscheinlich, daß ein besonderes Bedörfnis zur Teilaktualisierung im Komplement von manchen nonfaktiven Verben, v,a. bei Verben mit volitivem Semantem, besteht, wenn mit diesen Verben eine bestimmte Erwartungshaltung und damit eine besondere emotionale Einstellung verbunden ist, so daß hier das Stadium der syntagmatischen Teilaktualisierung und damit die Bedingung für die Wiederherstellung der autonomen Modusfunktion früher erreicht sein kann als in anderen Verbalgruppen, wo keine solche emotioneile Einstellung vorhanden 1st. Man kann zwar annehmen, daß aus spraohökonumisehen Gründen eine Möglichkeit zur analogischen Ausbreitung der syntagmatischen Funktion des K besteht; das setzt aber voraus, daß sonst keine Dependenzbezeichnung vorhanden ist. Eine solche emotionelle Einstellung, die die syntagmatische K-Setzung begünstigt, ist nun bei den wenn-Verben unwahrscheinlich. Das durch das Bedeutungspostulat geforderte Kausalitätsprädikat symbolisiert eine implikative Beziehung zwischen der Aktivität des Trägersatzagens und dem Inhaltssatzgeschehen, so daß ein eigener Ausdruck für den modalen Status des Komplements entbehrlich erscheint. Deutlich nachvollziehbar ist das im Nhd. bei Verben wie z.B. verursachen» veranlassen, zwingen: selbst wenn der Trägersatz unter volitiver Modalität steht, wird der Sprecher normalerweise keinen Anlaß haben, diese Modalität auch im Komplement ausdrücklich zu bezeichnen.

177 Aus diesen Gründen ist die Interpretation der Modussetzung bei modalisierten Trägersätzen in dieser Verbgruppe besonders problematisch. Als sicherste Beurteilungsgrundlage stehen jene teilaktualisierten Inhaltssätze zur Verfügung, deren Interpretation keine Anhaltspunkte für eine autonome Modusfunktion ergibt. Daher müssen zunächst die Sätze mit der Möglichkeit einer autonomen Modussetzung ausgesondert werden. Alle Belege mit ausschließlich teilaktualisiertem Komplement können prospective bzw. volitive Modalität haben; nur für V 8,1 (gimeinen) ist das unwahrscheinlich, v.a. im Hinblick auf die indikativischen Ausdrücke in den folgenden Versen 9 f f . Von den anderen Belegen kann die autonome Modalität bei H 44 (lesan) und I 3,29 (huggen) ausgeschlossen werden. Die teilaktualisierten Inhaltssätze bei sehan können prospektivvolitive Modalität haben, der K2 in IV 27,28 kann im Sinne einer Sprecherdistafizierung verstanden werden (Jesus selbst hat ja von sich behauptet, König der Juden zu sein). Von den drei Belegen mit nicht-autonomer Teilaktualisierung haben allerdings zwei (V 8,1; I 3,29) den K in Reimstellung. Bei H 44 könnte der K2 durch das i_ im Telestichon gefordert sein. Das bedeutet, daß auch diese Sätze keine sicheren Belege für die syntagmatische Teilaktualisierung sind. Vorläufig kann also nur festgestellt werden, daß das nichtmodalislerte Komplement dieser Verben auch bei modalisiertem Trigersatz vollaktualisiert wird. Vor einer zusammenfassenden Erläuterung der Modussetzung sollen daher noch die übrigen FSlle angeführt und untersucht werden. §2.3. Tragersatz erfragt Präs. Ind.: V 9,19 ouh wiht thu thes nirknaist thaz niuenes gidan ist in thesen inheimon? K: III 16,55 firsteit thaz heroti thaz er si Krist zu noti? Der K hat hier keine syntagmatische Funktion, vgl. die zugrundeliegende Bibelstelle J 7,26 numquid vere cognoverunt principes quia hie est Christus? Wie schon aus J 6 , 4 2 hervorgeht, glauben die Juden, daß Jesus nicht der sein kann, der von der Obrigkeit gesucht wird, weil seine Vorfahren bekannt sind (die Juden erwarten, daß der Gesuchte keine Vorfahren haben kann, weil er ja vom Himmel kommt). Diese Ansicht kommt nun auch bei III 16,55 zur Sprache. Die Juden sind davon überzeugt, daß der, den sie so reden hören, nicht Christus ist, wie die folgenden Verse 56ff zeigen: thaz mitiil unredina ist; wir wizun wola, wanan er ist, wir w^zun in thia ah t a alia aina slahta, fat er int i muater; scolt er sin Krist guater? thanne uns Krist quimit heim, ni weiz iz manno nihein t tjies_kunnes gizandj wanana er selbo quami (ziemlich genau nach J 7,27). Es liegt also autonome Modalität (Sprecherdistanzierung) vor. Prät. Nur der Ind. ist belegt:

178

V 19,31

las! thu io thia redina,

wie druhtin threwit thanana?

§ 2.4. nicht-faktiv eingebettet Die Moduavertellung ist ziemlich ausgeglichen, nur bei präteritalem Trägersatz sind etwa doppelt so viele Belege for die Teilaktualisierung vorhanden. Präs. Ind.: S 5 lekza in therera buachi iu sentu in Suabo richi, thaz ir irkiaset ubar al, oba siu fruma wesan seal; II 8,18

ni quam min zit noh so fram,

theih ouge weih fön thir nam.

IV 13,8

ir iuih minnot untar iu, so ih iz bilidta fora iu, thaz mannilih irkenne in themo minnonne, joh ellu worolt ouh in thiu, mlh meistar habetet zi thiu,

IV 23,3

hera uz ... leitu ih inan iu, thaz ir kennet in thiu thaz ih undato ni findu in imo thrato.

Hier ist kennet sicher Kl (Finalsatz). V 7,59

gizeli worton thinen then bruadoron minen, thaz habes thu irfuntan theih bin iratantan: joh theih faru in rihti in sines selb gisihtl,

V 20,8

thaz suach er mit then forahtun

I 11,13

burg nist thes wenke, noh barn thes io githenke (in felde noh in walde), thaz es io irbalde.

I 19,5

in Aegypto wis thu sar, unz ih thir zeigo avur thar, wanne thu biginnes thes thines heiminges.

III 7,1

druhtin min ther guato,

was mennisgun io worahtun.

K:

thaz ih hiar gizeine

nu rihti man gimuato, waz thiu thin gouma meine,

III 21,1

firlihe mir nu selbo ttrist, ... thaz ih nu hiar gimeine, wenan ther man bizeine

V 12,53

thaz wir firnemen alle waz thiu racha wolle, joh waz siu hiar bizeine intl uns zi frunsu meine,

V 12,67

in erdu gab er In then geisfc, thaz man firnemen thaz io meist, thaz minna sie ginuage, joh karitas gifuage;

V 25,73

thaz sie thaz ouh apurilon

wio sie in abuh redinon.

Nur in wenigen Sitzen liegt die Annahme einer autonomen Modalität nahe; möglich ist eine solche Annahme bei I 19j5 (volitiver Nutzwert: wann du beginnen aollst) und eventuell auch bei I 11,13 (futurisch-prospektiv im

179 negativen Sinn). In allen anderen Fällen liegt dem Komplement ein reales Geschehen zugrunde, das als solches vom Sprecher weder bezweifelt noch erwünscht, erhofft usw. wird. Prät. Die Modusverhältnisse sind denen bei präsentischen Trägersätzen ähnlich. Die größere Anzahl der Belege erlaubt eine Untergliederung der teilaktualisierten Komplemente nach den einzelnen Trägersatzverben, Ind:: I 2,11 thaz ih ouh hiar giscribe uns zi rehterao übe, wio firdan er unsih fand, tho er selbo tothes ginand; II 9,55

in thiu, quad, wari follon zi erkennene raannon, thaz er got forahta, tho er sulih worahta;

II 9,96

thaz thu namia in thin muat,

III 15,12

thaz sie thes irhogetin joh iro muat io manotin, wio fön Egypto fuarun thie fordoron iro warun; wio sie in thesa redina warun ana selida, in hutton giwaro sazun fiarzug jaro.

III 23,^8

er selbo avur meinta thaz

IV 1,11

er sines thankes thara quara joh sie thar lerta filu fram, ... thaz sie irkantin thoh bi thiu, thaz er was druhtin heilant ubar allaz thaz lant,

IV 3,7

thaz sie gisahin ouh tho thaz, thaz ther man ther jo dot was, in selben mihila giwurt; leben andera stunt.

IV 37,28

theiz ni wurti irfuntan

V 11,37

thaz fön in wurti funtan

V 11,49

thaz iagilih firnami tharana thaz gizami, thaz druhtin thiz so wolta, joh aus ouh wesan scolta.

V 12,69

sid gab er nan fön obana, thaz man firnami thanana, thaz sie sculun thuruh not minnon got ao er gibot,

K; (gi)hogen I 8,26

wie thie hei legen duent;

thaz er tho biliban was.

thaz druhtin was irstantan:

er quad, thes ni thahti, joh tharazua ouh hogeti,

thaz er was selbo irstantan,

ni er sih iru nahti; mit thionostu iru fagoti.

I 9,21

in thinemo kunne zel iz al bi manne, so nist ther gihogeti, thaz io then namon habet!,

IV 3,13

bi hlu se thes ni hogetin,

IV 2,24

joh man thes gihogti,

oba sie thaz gifrumitin,

ouh nakote githagti;

180

IV 4, 23 ahton I 13f17

bidrahtön II 4 , 9 7

nist ther gihogeti in alleru worolti, thaz kuning thibein fuari mit sulicheru zieri, thi muater barg mit festi thiu wort in iu brusti , in herzen mit githahti thtz ebono ahtonti, wlo thiu wort hiar gagantin, thiu er forasagon sagetin, joh thiz al mit gizami ouh tharazua biquami , man ouh bidrahtoti, er anderan ni betoti, in worolti tiiheinan, ni si seibon druhtin einan,

githenken III 8,27 thaz man io thes githahti, thaz sulih io bibrahti, ruachen III 1t, 95 thaz sie ouh thes ni ruachtin, zua dunichun in suachtin, (gi) me inen II 12,78 thaz kraft sin thaz gimeinti, thaz er in sar irdeilti: III 2,6

thaz er thar gimeinti,

Ill 4,21

odo er wanta, meinti,

zi themo wazare imo zeinti;

III 11,6

joh er thar giraeinti

thaz er nan thar giheilti.

III 23,47 biacowön IV 18,1 irfindan II 4 , 5

then sun imo giheilti.

sie wantun druhtin meinti,

er sinan slaf zeinti;

Petrus folgeta imo tho rumana joh ferro, thaz er biscowoti waz man imo dati; tho sleih ther farari

irfindan wer er wari.

Der Infinitiv ateht hier in finaler Bedeutung; die Nachstellung des Verräters hat zum Ziel, das Wesen Christi in Erfahrung zu bringen. Ähnlich auch II 4 , 4 6 f i rneman II 12,13

ttioh wolt er in ther fari nalas thaz er firnami ,

irfindan wer er wari.

er gotes sun wari;

Der K2 in diesem Satzgefüge hat hier hypothetischen Nutzwert: Nicht als ob er erkannt hätte, daß er Gottes Sohn wäre - vielmehr verstand er seine Macht nur so, daß sie nur mit Gottes Hilfe bestehen kann. Nikodemus hat eben nicht tatsächlich erkannt, daß Christus der Sohn Gottes ist, vgl. die in der Ausgabe zitierte Stelle aus Alcuin, III

14,89

V 16,5

gibot thaz sie firnami n,

ouh wiht mit in ni narain,

gibot er sinen theganon sid tho thesen redinon, thaz wola sie iz firnamin, ingegin imo quamin;

101

irkennen

III 21,29

...

job er hera in worolt quam,

* *·

thaz wir thaz irkantin V 12,95

quad man irkennen scolti; thaz thie warin guate

firstantan IV 12,45

manon II 2,12 ginöten IV 13,47 gibeiten II 7,65 leren IV 5,25

wara wir gangan scoltin, ther sia minnon wolti,

job got filu drute;

ni was thar ther firstuanti, waz er mit thiu meinti, ouh thia muat dati theheino mezzo irknati. suntar quam, sie manoti

job thanana in gisageti.

ther fiant io so hebiger then ih intriati thiu mer, thaz min io ginoti theih thin firlougnetit irkanta ib thino guati er thih thes gibeitti,

ju manageru ziti, thaz er thih hera leitti.

thaz sie liuti lertin, ouh alleswio ni datin,

untar in sih minnotin, mit minnu got irknatin;

Nur die Belege bei (gi)bogen (mit Ausnahem von IV 2,24) und III 23,47 (meinen) können mit einiger Wahrscheinlichkeit als Komplemente mit autonomer Modalität gedeutet werden. In allen anderen Sätzen scheint der modale Status des Trägersatzes auf den Inhaltssatz Übertragen, so daß im größten Teil der teilaktualisierten Komplemente der K syntagmatisehe Modalität und damit Einbettungszeichen ist. Besonders deutlich ist das bei den Fällen, in denen das Komplementsatzgeschehen unzweifelhaft real ist, wie z.B. in den Sätzen mit meinen (außer III 2337), githenken und ruachen. Bei den von Interrogativpronomina und oba eingeleiteten Inhaltssätzen lie&e sich eventuell noch eine eigene (autonome) Fragemodalisierung annehmen, doch das ist angesichts der entsprechenden vollaktualisierten Belege ebenfalls zweifelhaft. Diese Verhältnisse deuten darauf hin, daß K und Ind. bei nichtfaktiv eingebettetem Trägersatz freie Varianten sind. Nur durch diese Annahme ist verständlich, daß die Modusvarianten keinem Bedeutungsunterschied entsprechen; auch die von KELLE, ERDMANN und PIPER oft als willkürlich bezeichnete Modussetzung kann durch diese Annahme gerechtfertigt werden. In die gleiche Richtung weist der deutlich erkennbare Einfluß des Reimwortes. Man kann daraus schließen, daß in dieser Verbgruppe die Modalisierung des Trägersätzes zwar eine strukturelle Leerstelle für den K eröffnet, wobei sich aber die Modusvarianten in der Horm bereits im Ahd. zur Vollaktualisierung hin bewegen, so daß in manchen Fällen wieder eine Modusopposition vorhanden sein kann. Bei Otfrid scheinen also zwei Stadien von Ausdrucksformen innerhalb einer Verbgruppe nebeneinander zu existieren. Es wäre interessant zu untersuchen, ob sich eine Korrelation von bestimmten Verben und Formstadien {freie Varianz/funktionierende Opposition) nachweisen ISSt. Leider steht die geringe Anzahl der Sätze,

182

die sicher interpretiert werden können, dieser Untersuchung entgegen. So kann nur ganz allgemein festgestellt werden, daß für die Verben der geistigen Wahrnehmung im Gegensatz zu den anderen wenn-Verben das Stadium der freien Varianz charakteristisch ist, was als Indiz für die oben ( 3 - 2 . 7 . 1 . f ) erläuterten semantischen Verschiebungen gewertet werden kann. Eine sichere Aussage scheint mir allerdings nicht möglich. i). 4.2. Mittelhochdeutsch § 1. Trlgersatz nicht modalisiert S 1.1. affirmativ Mit wenigen Ausnahmen (auf die eigens hingewiesen wird) ist vollaktualisiert. Präs. bekennen 8^60 dar nach wirt iu von mir bekant, wie der slange tot gellt. 41303

nu ist uns allen woi bekant, sit wir körnen in diz lant, daz uns noch lerne sit den tagen nie dekein man wart erslagen, daz daz und lit

bevinden 8878

ich dir von in tuon bekant, alle i r sselde und al ir heil ir gelöckes hoester teil gar an den genäden din,

ob ieman daz bevindet, daz ich sus üppeclichen sten.

17110

ouch muoz ich lihte minen lip Verliesen von der schulde din, bevindet ez der vater min, daz du mich hast beslafen.

35006

swenn er bevindet, daz Paris wirt ze töde lihte erslagen.

bewaeren 5094

hie wirt bewaeret ane trüge und in einer kurzen vrist, daz er sin kint von adel ist.

5^30

die göte an im bewaeret hant, daz dicke ein armer ane guot baz unde tugentlioher t u o t , denne ein boeser richer zage.

791«

ez wirt an iu bewaeret, daz iuwer sin betrüebet lit,

das Komplement

183

14806

beziugen 5082 gelouben Ind.: 21652

und daz ist offen bev«ret, daz tiurer degen nie wart geborn noch baz an manheit üz erkorn, also min vater Achilles herr, ich beziuge, wenne ich sol, daz rainiu wort sint ungelogen,

daz ir mich hänt von gründe gemeinet, des geloube ich wol,

K1: 15058

Der K1 ist les«). 36872

also muost du den künic rieh und sine tohter vil gerne!t betrlegen hie mit kündikeit, dur daz si den gelouben hän, du sist ein maget wol getan und si dich lazen Inder in, autonomes Zeichen der Sprecherdistanzierung (Verkleidung Achilda von geloube ich, daz da rise vil maniger in den grimmen tot.

K1 als autonome Modalität mit prospektivem Nutzwert. gewar werden 13^26 hier an so wirde ich wol gewar, daz sich ein groz urliuge hept. leren 27818 krancheit git mir die lere, daz ich den Kriechen fremede bin. offenbare werden ( I n d . ) ^9725 von den euch disiu maere sint worden offenbare, wie Priamus und siniu kint und Lamedon verdorben sint, meinen Ind.; 1600 ich meine, daz er niht gewert der wären süezen minne wirt, 20024

ich meine, daz nie wip gewan so roten mund, so wise kelen

3^*106

ich meine, daz Uelene gLeiz uf die geblOemten heide, ich meine, daz si wägen

184

dar of ir eteallche da", daz Palomides würde sa ze houbetherren im beschert K1:

3274

ich meine, daz der sueze min Ingesinde werde und ich in uf der erde bringe uf wirde manicvalt.

32350 ich meine, daz er an sich lese die craft, ... Die beiden teilaktualisierten Satze haben deutlich autonome Modalität: V, 3274ff futurisch-prospektiv, V. 32350ff volitiv. merken 5185

so merket man in kurzer vrist, daz Paris bi namen ist des hSohgebornen küngea kint und daz diu maere niht ens int durch eine trögeheit erdaht,

wizzen 20944

ich merke daz wol und weiz, daz iuwer sin iht anders Jaget, prüeven ·*· kiesen 152 ir muot der ist getihte gram, daz prüeve ich unde kluse: prüeven + verneinen 40344 jÖ prüeve ich daz und vernime, daz Troie in kurzen stunden von uns wirt überwunden, spehen 28052 ich l3ze iuch morne fröeje spehen, daz an in schlnet kein gebrest, merken 21392

daz merkent ir wol unde spehent da bi, daz er diz hat getan,

sporn 21614 26270

vil werder gast, da spür ich bi, daz ich als edel bin, als ir. ... sit ich spür,

daz iuwer ellenthafter muot daz beste willeclichen tuot, so rate ich, .,. Kl:

2236

daz erst diu minne blüeje

an iu, daz spür ich mit genuht, Der K1 hat hier autonome Funktion (futurisch-prospektiver N u t z w e r t ) ,

105

twingen K1:

29306

daz dS min niht gedenken mügest, des twinget dich diu wäre schult.

35460

daz iuoh gesunt min helfe tuo, des twinget mich diu rehte schult.

Auch hier hat der K l in beiden Fällen autonome Funktion dadurch, daß er unter einem volitiven Aspekt gesehen wird (worauf der Ausdruck gchult in den Trägersatzen weist). Für den Ind. s.u. underwtsen (mit eingebettetem twingen). min rat iuch underwiset da, wie man die wilden ohsen zampt, und man si twinget bedesampt , daz der wunnecliche wert muoz von in dS werden gert mit einem pfluoge sä zehant. 4200*) verneinen 13824

nfl habe ich underwiset dich, wie deine schulde ich des hän, verneinet aber si, daz er ist ein juncherre wol getan, er muoz den verloren hän und ist Sn allen zwifel tot.

22826

an disen worten ich verniete, daz ich sol werden iuwer wip.

27614

'geselle1, sprach er, 'ich vernime, daz du vil tumber sinne bist, ("·*)

prüeven 40344 + versten 26132

jo prüeve ich daz wol und vernime, daz Troie in kurzen stunden von uns wirt überwunden, da bi verstSn ich und vernime, daz er betalle was ein heit.

versten 18972 min herze sich des wol verstat, ob er ze Kriechen strichet, daz uns diu sorge entwichet, wisen 48162 euch hSten si den tac also mit arbeit verarbeitet sich, also diu warheit wSset mich, daz in diu nüede nam die craft. P rät. bekennen Im Komplement ist nur der K2 belegt.

186

37918 der was und daz sin und 41860 bewaeren 123T2 13036

selbe stolze jungeline Isolaus genennet wart da vor bekennet, Hercules der nsere renter vater wsere er sin sun von vrier art,

sus tet der hirte ime bekant, daz Paris vere der bruoder sin. die (*TroJaner"} künden wol bewwen, daz in ir schade nähe gienc. dar an so wart bewasret wol, daz ein ssesliohe saehe ze grozem ungemache vil dicke und ofte sich getreit.

19208 hie wart bewaeret bi der zit, daz ein frecher man ze wer mit werten bringet wol ein her und ez Gf strit kan reizen mit rede und mit geheizen, bewaeren + ersehinen: 3^742 da wart bewaeret unde erschein, daz er wol schirmen künde. geniezen 48611 und in liezen geniezen, daz in mit manigem dienste groz der grözen arbeit nie verdrSz, gewar werden 4989 sit daz ich worden bin gewar, daz den ein kunigin gebar 14060

dS was erwachet ouch zehant i r sun, der htibsche Achilles, und wart gewar vil schiere des, daz er in einer hiute lac,

14790

do der juncherre wart gewar, daß also lebendiu clarheit an si von achoene was geleit, do wart er missehandelt,

u.S. Einmal ist der K2 belegt: 4954

nQ der getriuwe siniu wort vernam biz uf ein ende gar, do wart er alzehant gewar, daz Paris des künges kint waar äne zwivels underbint und in het EkubS getragen;

187

gourae nemen Ind.:

31470

nü was der künic Misereiz mit Troilo ze velde körnen und bete goume des genomen, daz man in fuorte dannen:

33066

er nara des rehte goume, daz er üf in geruorte,

6252

wie diu des ser

K2: sine blanken hende bUgen sper in manic stückelin, nam Sehyron, der meister sin, und genote goume.

Der K2 steht hier in Reimstellung zu einem teilaktualisierten Vergleichssatz im vorangehenden Vers ( : flügen). 24206

war üf si diz dinc waege, des nam da goume ir aller sin.

Der K2 steht in Reimstellung zu einem vorangehenden teilaktualisierten Inhaltssatz; BARTSCH will jich anstelle von si lesen. Der K2 könnte hier autonome Modalität sein (prospektiver Nutzwert mit Vergangenheitsbezug). 39982

üf in begunde er wenden daz ros mit sime zoume und nam des rehte goume, daz er in aber gestoche und an im do geraeche vil maniges Kriechen ungewin.

Auch hier ist autonome Modalität ivolltiver Nutzwert) möglich. kiesen 19258

und ("Eufebius") kos an dem gestirne, swaz künftic was den Hüten,

28619

Si kos an im des males wol, daz sin gemüete strites vol und al sin wille was geladen,

+ bevinden 42654

... do daz her rehte kos und bevant, daz lant gelegen und die vesten undertän,

leren Ind.: 8030

si lerte daz ir blücheit, daz si mit im ze rede kam vil kume, ...

188

10592

si lerte ir arzenie list, daz si die besten würze t r a f ,

11106

si lerte daz ir tumber sin und der küniginne list, daz si diy swert do bi der vrist durch in stächen alzehant,

15098 ouch lerte in siner muoter bete, daz er behielt d6 sine zuht. K2:

36100 wan er gap im die lere, daz er sin zeichen schrite, Autonome Modalität

(K2 mit volitivem Nutzwert) ist hier wahrscheinlich.

spehen K2: 39398

dan unde dar, her unde hin begunde er warten unde spehen, ob sin ouge möhte ersehen des males an dekeiner stete.

1906

daz man do balde spürte, daz er was hübesch unde wis,

4938

do spürt ich an den stunden, daz er bl namen wzre daz kint vil wunnebaere,

19047

daz ich an ir antwürte gar endelichen spürte , daz Troye würde wüeste, ob daz geschehen mueste, daz Paris hinnen k»ne ze Kriechen und da naane die wunnecliehen Helena/n.

spürn Ind.: K2:

In V. 190^7ff ist ein hypothetisches KonditionalgefQge eingebettet, daher hat dieser Inhaltssatz autonome Modalität. twingen Ind.: 326 2715

den twanc der tugende boye, daz er nach hoher wirde vaht. In twanc dar zuo diu blüende Jugent und sin angeborniu tugent, daz sin gemüete uf minne atuont.

109

2750

ouch twanc in daz gemeine rent und sin spilende kintheit, daz ir sin helfe wart bereit und der dienest sin bekant.

u.3. K2:

20674 underwisen K2: 2^528

si twanc in des mit ir gewalt, daz er guot, liut unde leben an äventiure mueste geben

do wart der hovebsre von siner liuter rate des underwiset dräte, daz er die tohter wunneclich für'alle Kriechen und für sich z'eim opfer bringen hieze und er sie toeten lieze, daz waere im bezzer tüsentstunt,

Im Inhaltssatz ist ein hypothetisches Konditionalgefüge eingebettet, der K2 ist daher autonome Modalität,

verneinen Ind.: 3556

4350

und do sin vater Pr'iamus vernam, daz im wart ernest, dö het er aller gernest des kämpfes in erwendet. daz und daz daz

ander was diu werdekeit daz gelücke stxte, er vernomen h*tet er von adele was geborn;

haete ist hier mit großer Wahrscheinlichkeit Ind., ebenso hete in Vers 1/80: •4780

wan der hete do vernomen > daz Paris dS ze hove was,

Da aber beide Stellen keine sicheren Belege für nioht-modalisierte TrägersStze sind, seien noch zwei weitere Sätze angeführt: 5171

her wirt, ez ist so verre körnen, daz min herre hat vernomen, daz Paris von im ist geborn,

7369

wan do der künic von im vernam, dur waz er dar ze lande kam,

190

u. . (weitere 10 Sitze mit vollaktualisiertem Komplement). K2:

31380 nü daz der künic Trollus vernam diu leiden maere, daz mit gedränge waere behaft sin bruoder Hector, do mante er uf des strites spar die schar und ilte baide für. 41065

in dem her und über al wart ein murmel und ein schal, da mite schiere was vernomen, daz mit geleite were körnen der alte künic von Trole dar.

^9332 wan d3 si erst diu msere vernaai, war umbe wzre Pirrus dar körnen ,.. + erkennen 12058 vernomen het er und erkant, daz er gevangen waere, + sagen hören 35060 er horte sagen und vernam, daz er gevangen wsere: In allen Fällen ist die Annahme einer autonomen Modalität nicht wahrscheinlich. § 1.2. negiert Negierte Trägersätze sind fast ausschließlich nur bei gelouben belegt; alle Inhaltssätze sind teilaktualisiert. Präs. 5152 wan ich bin des gelouben vri, daz er mich ihtesiht beste". 8290

daz ich mit iu die rede tuo durch übel, des geloubent niht!

21648 daz aber diz ergangen si ze rehte, als ir mir hant geseit, des mac ich für die warheit vil kume nü gelouben. Ein vollaktualisierter Inhaltssatz koramt bei versten vor: 21378 owl, daz ir iuch niht verstänt, daz Menelaus iuwer man iu lützel hohes liebes gan, Prät. 46917 wan si geloubten niemer, daz si gehülfen ienter friunt unde lant verderben sä,

191 Die Inhaltssätze bei ge ben sind keine sicheren Belege für eine syntagmatische Modalität. In W. 5152ff und 46917ff kann der K prospektiven Nutzwert haben, in den restlichen Fällen ist im Tragersatz ein zusätzliches modales Element vorhanden, das die Teilaktualisierung bewirkt haben könnte. Der vollaktualisierte Inhaltssatz bei vergaben scheint auf den faktiven Gebrauch dieses Verbs hinzuweisen; versten würde dann in die gleiche Klasse wie wizzen usw. gehören. § 2. Tragersatz modalisiert § 2.1, zielgerichtet Präs. bewaren Ind.: 37724 den.Kriechen ich bewaeren sol, daz mine wunden kleine sint. bewaeren ·*- sehen läzen 38872 ich wil, geselle truter, bewaeren unde lasen sehen, daz mir ze leide ist gnuoc geschehen an dime töde erbermeclich, K1:

bewaren + beziugen 19135 er hat von tröumen hie geseit und wil mit valschen ma&ren beziugen und bewaeren, daz uns nicht wol gelingen müge. Autonome Modalität ist möglich (prospektiver Nutzwert des K 1 ) . beziugen (Ind.) 21952 beziugen ich mit gote wil, daz ich ze vaIsche wenic touc ( bewisen (K1) 13525 war ist min sun Achilles? durch got bewise du mich des, ob er noch iender lebende si, Wahrscheinlich liegt hier kein Inhaltssatz, sondern ein Konditionalsatz vor; in jedem Fall hat der K autonome Funktion (Annahme). geniezen ( I n d . )

32572

'geniezen suit ir w§nic des, 1 sprach er do wider in zehant, 'daz ir ze helfe sin gesant Troesren uf der Kriechen schaden. ( " ' " )

Die Hss, a b c d haben sint, daher Ind.

192 geiouber.

Ind. ;

3404

geloubent, daz sin reiniu tugent wirt den von Troye wilde.

4580

geloubent, daz sin reiniu jugent werden nmoz vil Öz erweit.

7362

geloubent endeliehe daz, er schuof in riehen vollen. u.ö. (weitere 9 Belege)

Kl;

14117

wil ich gelouben, daz ich si Sehyr3ne minem meister bi und daz ich slSfe in sinem hol, so warne ich anders, denne ich sol,

19S14

ich wil gelouben sunder wän, daz si diu selbe frouwe st, diu lange minem herzen bi gewont mit ganzer stsete hat.

21702

daz iuwer herze si verwunt, des wil ich iu gelouben wol,

22028 geloubent, daz iu niht dS von sin alliu dinc gemeeze gar, 3^348

gelouben ich des kume sol» daz iuwer art schin Qz erkorn.

Hs. A achine, Hs. u wer. leren < K 1 ) 21752 min biachaft sol iueti leren, daz ir mangel mugent ban der schoenen saohe wol getan, 46794

... sun, nQ lere, wie daz werde undervarn, daz wir mügent uns bewarnl

merken Ind.:

1297

merkent , wie si'z ane vienc.

7614

nu merke an im lip unde wSt, wie gar diu vollekomen sintt

20308

nu merkent, wie daz wilde deine süeze vogellin

193

kan dingen Gf den morgenschin und sich des tages fröuwen muoz, 3922H

nu merkent rehte, wie von achern ein gras mit erde wirt beleit,

+ spehen 21392

daz merkent ir wol unde spehent dS bi, daz er diz hat getan.

Die Verbformen im Trägersatz sind wohl Imperative; möglich ist aber auch I n d . , der Satz ist daher nicht sicher zu deuten. Kl:

26102

nu merkent, wie daz linde bli versmelze vor des fiures craft, alsS verswein diu ritterschaft der Kriechen da vor siner hant.

Der K1 ist nicht sicher; die Hss. A e haben versmelzet, a hat zersmelze. 32934

·»· erkennen 19700

n3 merkent, wie daz körn gelige, daz der hagel hat gebert, SU3 het er uf des planes wert der töten liute vtl geleit.

des sol ein wol bescheiden man erkennen unde merken bi ( daz m10 gemöete Ißter ai und ich daz beste gerne tuo.

K2:

102^4

nQ merkent, wie daz höebe sich.

Der gleiche Satz kommt auch in den Versen 12387 und 37115 vor. prQeven ( K 1 )

28068 wie danne ir Jugent blüeje in hohen aaelden Gz erweit, daz prüevent, hochgeborner helt! underwisen ( K T ) 27173 und underwise uns alle des, wa sich der kOene Achilles verborgen habe in disen tagen. vernemen ( K l ) ' er sol vernemen durch sin heil, waz an uns drin von eren lige, ^556

vernement algeliche, waz ich iu welle künden.

versten (Ind.) 37901 ich laze iuch wizzen und verstin, war umbe ich des vergezzen hän, Die gemeinsame Konstruktion mit wizzeri zeigt wiederum den faktiven Gebrauch von versten.

P rät. bevinden (Ind.) 16732 gewislich unde entriuwen liez er bevinden si, daz er truoc mannes lip und mannes ger, beziugen (K2) 41880 und ('Hector') tet mir sine rede erkant, wie Paris wer der bruoder sin und daz ich lieze werden schin dem einen vride, den er sä diz din beziugen wolte da, daz er min aun da waere. Der K2 ist hier Zeichen der iR (abhängig von sine^rede 41880). gelouben (K2) 510 da bi solt er gelouben dö für ein gewislich maere, daz von in beiden vrare daz kindelin gelegen tot. 4628

gelouben si des wolte, daz ai mit ir listen in möhte wol gevriaten vor schedeHoher awaere;

23062 man wolte des gelouben, daz menschlich creatiure nie wurde so gehiure, noch so kürlich als ir lip. Nur zwei Sätze stehen im Ind.: 24990 25768

da was von liuten gröz genuht, für war suit ir gelouben des,

für war suit ir gelouben des, daz er niht fuor aleine, geniezen (Ind.) 24608 er muoste des geniezen, daz er ze bezzerunge bot der glänzen küniginne tot für eines wilden tieres leben.

195

46350

si selten si geniezen Ian, daz mit friuntlicher craft, under in was ie ein friuntschaft,

Der Punkt nach craft in V , 46351 der Ausgabe ist wohl ein Druckfehler. § 2.2. nicht zielgerichtet Prät. spehen (Ind.) 21656 ahi, wie rente ich könne spehen daz ir mir truogent holden sin,

§ 2.3.

erfragt Präs, meinen (Ind.) 15582 gespil, waz meinet, daz din sin bekümbert ist so rehte gar? 15930

waz meinet, daz min ougen so dicke sehouwet min gespil?

§ 2,it. nicht faktiv eingebettet Präs. bevinden (Ind.) 21466 e daz man hie bevinde, daz man iuch roubes hat genomen, e sint wir dort ze stade körnen und uz gestozen an daz lant. gewar werden ( K l ) 18430 e man des werde an uns gewar, daz wir in ir lant sin körnen, e wirt der schade von uns genomen, Die Modusform ist unsicher (Hs. A hat 3int). verneinen (K1) 3296 des lazent mich iu schone enthalten und als im gezeme, biz der juncberre wol verneme, wer sin höher vater si. 47413

... ir Djüget wol han vernomen, daz wir dur daz niht her sin körnen,

Prät. bevinden (K2) 49567 wan er so gaehe mähte niht bevinden, so diu wärheit giht, daz ane houbetloch war daz hemde.

196

Der K2 ist hier iR-Zeichen (abhängig von überein körnen im Vera 49556). verneinen (K2)

1(9225

do fragte er in der meere, ob er umb Troi^re und umb die Kriechen het vernomen, wie si von dannen waeren körnen.

Die Modussetzung entspricht im allgemeinen dem Erwartungswert, Interessant sind die Modusunterschiede bei bekennen und vernemen. Bei diesen Verben sind die teilaktualisierten Komplemente auf das Prät. beschränkt, was darauf hinweist, daß im Falle der Erzählhaltung bereits verbum-dicendi-Gebrauch vorliegt (in diesem Gebrauch gehören diese Verben eigentlich zur nonfaktiven Klasse). Bei bekennen ist im Präs, noch die Bedeutung 'bekannt machen, zeigen, aufweisen' deutlich; bei den präteritalen Belegen kann keine autonome Modalität nachgewiesen werden. Auf ähnliche Verhältnisse weist die Modussetzung bei verjaejnen. Auch hier ist der unterschied zwischen präsentischem und präteritalem Trägersatz deutlich. Im Präs, ist das Komplement durchwegs vollaktualisiert, selbst wenn es sich wie im Vers 22826 um eine Kenntnisnahme durch eine verbale Äußerung handelt. Im Prät. sind nur die Sätze, in denen nicht ausdrucklich von einer verbalen Äußerung die Rede ist, vollaktualisiert. Ist hingegen ein Ausdruck für eine verbale Äußerung vorhanden, wie maere in V. 31381 und 49332 und sagen hören in V. 35060, ist das Komplement teilaktualisiert, selbst wenn sein Inhalt als real feststeht. Auch murmej. und schal in V, 41066 ist im Sinne von verbalen Äußerungen zu verstehen, wie aus dem Kontext hervorgeht. Auch bei V. 12058f weist der Kontext auf die Kenntnisnahme durch eine verbale Äußerung (Pollux erfährt von der Gefangennahme Kastors), allerdings ohne daß ein eigener Ausdruck dafür vorhanden wäre; erkennen wird aller Wahrscheinlichkeit nach dafür nicht in Frage kommen. Man kann aus diesen Belegen schließen, daß in der Erzählhaltung (präteritaler Trägersatz) zusammen mit dem verbum-dicendi-Gebrauch bei bekennen und vernemen syntagmatische Modussetzung vorhanden ist. Eine ähnliche Entwicklung scheint sieb auch bei gewar werden anzubahnen, nur daÄ hier der nonfaktive Gebrauch auf diesen einen Beleg beschränkt ist. Die Gegenüberstellung der Belege zeigt, daß gewar werden in der Bedeutung einer sinnlichen oder geistigen Kenntnisnahme mit vollaktualisiertem Komplement steht, wie das noch der häufigste Fall ist (insgesamt 10 sichere Belege mit dem I n d . ) . In V. 4954 wird gewar werden durch den Kontext auf die Bedeutung 'Kenntnisnahme durch eine verbale Äußerung* festgelegt, so daß im Komplement syntagmatische Teilaktualisierung vorliegt (die Tatsächlichkeit des Inhalts wird nicht bezweifelt, wie aus V. 4958 hervorgeht). Bei modalisiertem Trägersatz ist kein sicherer Beleg für die syntagmatische Teilaktualisierung vorhanden. Bei gelouben weisen die Etymologie und noch die Bedeutung von got. galaubjan auf 'sich etwas vertraut, bekannt machen', d.h. die Geltung als wennVerb ist sicher. Auch im Mhd. hat dieses Wort nur die Bedeutung 'etwas für wahr, zutreffend halten*; die Bedeutungsvariante 'etwas annehmen, vermuten,

197

wähnen 1 ist später aufgekommen ( K W , P a W ) , Das Komplement der a f f i r m a t i v e n Trägersätze ist daher mit Ausnahme der autonomen Modalität vollaktualisiert. Auffällig ist der Modusunterschied bei volitivem Trägersatz: wenn der Trägersatz einen Imp. enthält, steht der I n d . , bei wellen oder soln der K. V. 22028f ist eine unsichere Ausnahme, da die {allerdings späten) Has. b und d aint haben. Hier wirkt sich der Sonderfall der 1. Pers. Präs, aus. Erst ein zusätzlicher modaler Ausdruck im Trägersatz eröffnet eine strukturelle Leerstelle für den K. Ähnlich können wohl auch die teilaktualisierten Komplemente von leren bei modalisiertem Trägersatz verstanden werden, doch erlaubt die geringe Beleganzahl keine sichere Aussage. Schwierig zu interpretieren ist der Modusunterschied bei merken im modalisierten Trägersatz. Von den teilaktualisierten Komplementen kann in V. 19700 so In, in V. 10244 die Geltung als redeeinleitende Formel die Modussetzung beeinflußt haben. Problematisch bleibt V. 3293 1 *ff; man könnte hier erwägen, daß die Geltung des Komplementsätzinhaltes als Vergleichsbezug für die Teilaktualisierung ausschlaggebend ist. Bei nicht-faktiver Einbettung ist die Teilaktualisierung in den Sätzen mit verneinen und bevinden entweder durch den Kontext (V. 3296ff, W13ff> oder durch eigene Ausdrücke (V. 49568 jenen, 1*9225 n»re) auf die Kenntnisnahme durch eine verbale Äußerung zurückzuführen. Die beiden Fälle von K2 im Komplement von bezeugen und bevinden zu nicht-faktiv eingebettetem Trägersatz scheinen mir als Zeichen der ausdrücklichen Distanzierung des Autors vom Komplement sät zinha 11 zu verstehen zu sein - der Autor will damit den Inhalt ausdrücklich als Aussage der betreffenden Personen hinstellen. Inagesamt ist für die Modussetzung bei mhd. wenn-Verben charakteristisch, daß die Fälle von syntagmatischer Modussetzung auf bestimmte Bedeutungsvarianten bzw. auf bestimmte modale Ausdrücke im Trägersatz beschränkt sind. Daraus folt, daß die bei Otfrid vorhandenen freien Modusvarianten in der Norm im Trojanerkrieg bereits vollständig zu Gunsten des Ind. ausgeglichen sind.

4.5.

Negative nur-wenn-Verben

Im Althochdeutschen sind keine negativen nur-wenn-Verben mit Inhaltssatz belegt; im Mittelhochdeutschen können nur zwei Belege angeführt werden. In diesen Belegen entspricht die Modussetzung dem Erwartungswert. § 1. Trägersatz nicht modalisiert § 1.1. affirmativ Prät. K2: 40758 so michel vorhte was aldä, daz beide wip unde man begunden zwifeln dar an, daz si die stat, mür unde graben möhten mit ir wer behaben,

198

§ 2, Trägersatz moralisiert § 2 . 1 . zielgerichtet Prät. K2:

411176 daz selten si niht langer sparn, daz ir kriec würde vollebraht,

it.6.

Faktive Verben

U.6.0.1. Die faktiven Verben eröffnen sowohl bei Affirmation als auch bei Negation keine strukturelle Leerstelle für den K. Sie enthalten ein gemeinsames semantisches Merkmal, das sich wohl am besten als "Zustand am Subjekt" beschreiben läßt. Die von P. und C. KIPARSKY als faktiv klassifizierten Verben ioben 3.1.1.1.) zeigen deutlich dieses Merkmal. Am Beispiel der Entwicklung der nur-wenn-Verben zu faktiven Verben (oben 3.2,7.) kann die Entstehung dieses Merkmals rekonstruiert werden. Diese Bedeutungsentwicklung beruht auf einer Transformation der Handlungsqualität von der Aktion zum resultierenden Zustand, woraus sich schließlich eine Verselbständigung der neuen (durativen) Bedeutung ergibt (vgl. zu den entsprechenden Verhältnissen im Idg. MEID 1971 19). Solche Entwicklungen hat SNELL (1924) am Vokabular der vorplatonischen Philosophie ausführlich beschrieben. So bedeuten die Verben des Erkennena zunächst 'sehen, hören 1 , ihr Objekt bezeichnet den wahrgenommenen Gegenstand. In der weiteren Entwicklung findet eine Übertragung aus der Seh- bzw. HiSrsphäre in das geistige Gebiet des wahrnehmenden Subjektes statt. SNELL ( 4 1 ) zeigt diese Entwicklung am Beispiel dee agriech. syniemi, das bei Homer gewöhnlich 'folgen, gehorchen' bedeutet, an einer Stelle aber (Odyssee d 76} 'verstehen', und zwar gerade in der medialen Diathese, die ja den Zustand am Subjekt bezeichnet. 4.6.0.2. Der Unterschied im modalen Erwartungswert zwischen den wenn-Verben und den faktiven Verben besteht somit darin, daß bei den wenn-Verben der Untersatzprozeß durch das kausale Prädikat ein Ergebnis des Obersätzvorganges ist; bei negiertem Trägersatz wird über die Faktizität des Untersatzprozesses nichts ausgesagt (er kann auch unabhängig vom ObersätzVorgang bestehen). Durch die Verlagerung der Handlungsqualität in die Sphäre des Subjekts betrifft die Negation nunmehr nur den subjektzentrierten Zustand, während das Untersatzgeschehen als Anlaß dieses Zustandes seine Geltung beibehält und damit vollaktualisiert wird. Es ist eben diese "Beziehung zum menschlichen Geist" (SNELL 1924: 48), die diese Verben kennzeichnet, und mit dieser Beziehung sind oft auch eigene syntaktische Konstruktionen verbunden, wie die mediale Diathese oder Heflexivbildungen. 4.6.0.3. Faktive Verben sind also einerseits die Verben des Wissens und Erkennens (genauer des Erkannt-Habens), welche die geistige Stellungnahme des

199

Subjekts gegenüber einem objektiv existierenden Sachverhalt bezeichnen. Die Negation bedeutet demgemäß, daß der Akt des Erkannt-Habens bzw. die geistige Stellungnahme nicht stattgefunden hat, wobei die Faktizität des Vorganges, welcher diesen Akt hätte hervorrufen können, nicht in Frage gestellt wird. Andrerseits finden sich hier auch Verben, die eine Bewertung des Untersatzprozesses bedeuten und damit ebenfalls eine geistige Stellungnahme bezeichnen. Verben wie wissen, bekannt sein, begreifen, verstehen und Fügungen wie jjnJBetracht^ zieheri, im Gedächtnis behalten usw. und Verben des Nicht-Wissens, wie ignorieren, vergessen, stehen Verben wie bedauern, übelnehmen, mißbilligen, beklagen, etwas fürchten, sieh über etwas freuen und Wendungen wie das ist gut/ schrecklioh^bedauerl·^!!, dan usw. gegenüber. 4.6.0.4. Aus den bereits oben ( 4 . 4 . 0 . 1 . ) erläuterten Gründen ist eine sichere Zuordnung bestimmter Verben zur faktiven Klasse oft nicht möglich. Dazu kommt noch, daß die evaluativen Ausdrücke einerseits bei Otfrid recht selten sind, andrerseits durch ein reines Indexprogramm schwer erfaßt werden können, da man konsequenterweise alle Adjektive durchsuchen müßte. Aus diesem Grund habe ich mich sowohl für das Ahd. als auch für das Mhd. auf einige wenige Verben beschränkt, deren Faktivität einigermaßen sicher angenommen werden kann. Die Modussetzung entspricht dem Erwartungswert.

4.6.1.

Althochdeutsch

§ 1. Trägersatz nicht modalisiert § 1.1. affirmativ Präs, wizzan I 1,80 ih weiz, iz got worahta I 27,69 II 7,28 u.5.

ih weiz thie boton rietun, wizun ouh theiz war ist

Nur ein Satz enthält ein teilaktualisiertes Komplement: II 12,8

wir wizun thaz gizami,

thaz thu von gote quami;

Autonome Modalität ist hier wahrscheinlich, der K2 hat den Nutzwert sicheren Erwartung i... daß du von Gott gekotanen sein mußt). L 65

einer

in thesemo ist ouh scinhaft, so fram so inan lazit thiu craft, thaz er ist io in noti gote thiononti;

Autonome Modalität ist in folgendem Satz anzunehmen:

200

V 11,29

so giburit manne

thara er 30 ginget thanne:

gisihit thaz auaze liabaz sin,

thoh forahtit theiz ni megi sin.

Der Kl iat hier Zeichen der Sprecherdistanzierung; wie die entsprechende Bibelstelle (L 2 4 , 3 6 f f ) zeigt, die in Kap. 11 des 5. Buches nacherzählt wird (Christus erscheint den Jüngern), handelt es sich um eine unbegründete Furcht, Prät. wizzan III 6,20

thoh west er sos er seolta,

waz er es duan wolta.

IV 9 ) 1 1

west er selbo ouh so iz zam, thaz er uns fön gote quam, joh avur, sos er wolts, zi irao faran scolta:

IV 1 1 , 7

er wessa thaz sin fater gab so wit so himil umbiwarb, al imo zi henti, zi sineru giwelti;

Einmal ist im Komplement ein hypothetisches Konditionalgefüge eingebettet: II 8,23

,*· si wessa thoh in alawar, thaz iru thiu sin guati nirzigi thes siu bati.

Auch bei anderen Verben ist das Komplement normalerweise vollaktuallsiert: I 1,23

eigun sie iz bithenkit,

I 4,85

thiu quena sun was dragenti joh sin harto scamenti, thaz siu scolta in elti mit kinde gan in henti.

14,33 IV 6,53

er wola iz al bithahta,

thaz sillaba ni wenkit,

thaz er mit thiu nan wihta,

firweiz in ouh tho thare bi forasagon sine, wio sie thie gidottun joh alle marzolotun;

Ein teilaktualisiertes Komplement ist in folgenden Sitzen vorhanden: I 4r?1

uze stuant ther liut thar, was sie filu wuntar, ziu ther ewarto dualeti so harto; gibetes antfangi fön gote ni gisageti, mit sineru henti sie ouh wari wihenti.

Hier dürfte wohl ein verbum-dicendi-Gebrauch von wuntar wisan vorliegen, was auch durch die Konjunktion nahegelegt wird. IV 2,13

Lazarus was iro ein then thiu salida gireim, thaz thar zi disge sazin, mit imo satna azin.

Es 1st hier nicht sicher, ob der NS eine Inhaltsvalenz ausfüllt; in der Bedeutung 'zufallen' ist giriman bei Otfrid nur mit diesem einen Beleg vertreten.

201

Da die Inhaltsvalenz bereits mit einem Objekt im Trägersatz ausgefüllt ist t kann der NS auch ein VerhSltnissatz sein. Für einen Konsekutivsatz spricht auch die 3. Pers. Pl. iKU ist an dieser Stelle ungenau); eine mögliche Interpretation wäre etwa 'so daß sie dort zu Tisch sitzen und mit ihm essen konnten* (K2 als autonome Modalität). Der Bezugssatz könnte V. 11f sein. V 12,13

wio er selbo quami (thaz ist seltsani) bisparten duron thara zi in joh stuant thar mitten untar in!

Das Komplement im K2 hangt hier wohl nicht vom Klammerausdruck, sondern von mari und racha in V. 7f ab (so P). § 1.2. negiert PrSs. wizzan IV 23,35 ,.. ni weistu waz in sagen thir K1 als autonome Modalität ist in folgendem Satz vorhanden: V 7,24

ni weiz in, lest in gahe(

war ih iz ana fahe.

Ein prospektiv-volitiver Nutzwert liegt hier nahe, IV 36,5

ni helen wir ... noti thaz thinaz heroti, thaz ther firdano io sageta thes unser muat irhogeta.

Ein autonomer K1 mit dem Nutzwert einer Annahme ist bei wisi weaan belegt: IV 22,7

ni bin ih ouh thes wisi,

oba er thes libes scolo si;

Autonom ist die Modussetzung bei fruma weaan; III 10,33 nist ... fruma thaz, thaz man zukke thaz tnaz then kinder, i r then hanton int i werfez uz then hunt on. Die temporale Fixierung des Komplementgeschehens ist hier nicht notwendig, da es sich um einen Inhalt mit allgemeiner Gültigkeit handelt. Durch die Teilaktualisierung wird ausgedrückt, daß der temporale Bezugspunkt des Inhaltssatzes nicht mit dem des Tragersatzes zusammenfällt. Pr5t. Die wenigen Belege sind alle vollaktualisiert. wizzan + in wan queman II 8,39 ... er wlht er thoh ni westa, es wiht ni quam imo ouh in wan,

theiz was fön wazare gidan.

202

III 22,9

...

ni westun was aie fuartun;

IV 2H,33

ni west er thoh tho waz er wan,

Andere Verben: III 11,21 sih wiht ouh thes ni seameta,

...

thaz er thaz redinota,

§ 2. Trägersatz modalisiert Auch bei modalisiertem Trägersatz bleibt die Geltung des Inbaltssatzgeschehens aufrecht, so daß, wenn keine autonome Stellungnahme des modalen Subjekts vorliegt, das Komplement vollaktualisiert wird. § 2.1. zielgerichtet Präs. wizzan I 10,21 thaz wizin these liuti, thaz er ist heil gebenti, inti ae ouh irwente fön diufeles gibente Der K1 in V, 22 hat prospektiven Nutzwert (so auch P), II 9 t 1 9

sehsu sint thero fazzo, thaz thu es weses wizo, thaz worolt ist gideillt, in sehsu gimeinit.

III 16,63 wizit thaz ouh filu fram,

theih fön mir selbemo ni quam;

IV 13,3

giwisao ... wizit nu, kindilin minu, theih bin mit iu in wara luzila wila,

IV 11,143

wizit ... thesa dat,

thaz si in iuih gigat;

Andere Verben: III 12,21 nu ... ni helet min wio ir flrnoman eigit mih, P rät. II 7,18 wir woltun wizan in giwis, war thu emmizigen biruwis. § 2.2. nicht zielgerichtet Präs. I 19,28 thoh mag man wizan thiu Jar, wio man sio zelit thar. I 26,6

hiar mag er lernen ubar al,

§ 2.3. erfragt V 19,21 weist thu wio bi thla zit

wio er gilouben seal.

ther gotea forasago quit?

Einmal ist ein autonomer K l mit futurischem Nutzwert belegt: I ^»55

wio meg ih wizzan thanne,

thaz uns kind werde?

203

§ 2.4. nieht-faktiv eingebettet PrSs. IV 37,32 thaz worolt wizzi thaz guat

thaz Krist fön themo grabe irstuant;

In einem Satz steht ein teilaktualisiertes Komplement: V 23,2*15

nist themo thar in lante tod io thaz inblante (thiu frewi ist in gimeino), thaz sinan friunt biweino; odo ouh thaz insizze thaz inan wiht gilezze (theist in ouh gimeini) thera sinera selbvm heili;

Aus dem negativen Ausdruck an Beginn des Zitats folgt die Unmöglichkeit des Untersatzprozesses: Im Paradies hat auch der Tod keine Macht, niemand muß sich daher vor ihm fürchten. Ober- und Untersatz stehen hier also unter gleicher, von der Negation abhängiger Modalität. P rSt. IV t9,58

... sin muat in kund g i d a t i , thaz ther liut westi thaz theiz imo filu zorn was,

V 11,38

joh sie giwisso ouh westin

thaz er stuant fön then restin.

V 11,41

... thaz westin sie zi wäre, thaz er thaz ferah habeta, in lichamen lebeta.

V 4,29

joh ouh man thaz westin

V 12,4?

joh iamer westin thanne thie sine holdon alle, thie tho thar warun joh ouh sidor quamun, thaz er in naturu was selbo ther zi war u,

thaz Krist stuant ir then restin;

Ein Komplement im K2 steht in folgenden Sätzen: wizzan IV 7,55

oba ther man westi ther heimi ist in ther festi, al thaz ungizami, wio ther diob quami: er wachet! bi noti thanne in theru zlti,

Vgl. Mt 24,43 si vigilaret, V 9,11

sciret

pater

familias,

qua hora

venturus esset,

ni thaz sie thaz thoh datin thaz sie nan irknatln, odo in alawari sie westin wer er wari.

Andere Verben: II 12,73

für

thaz si sih bitnahti f

ginada sina suabti,

204

V 7>33

thaz friunt nlhein ni west! wio man nan firqulsti, joh wio man rian flrduasbti mir zi leidlusti!

Der Modusunterschied weist auf eine Opposition zwischen Ind. und K, die in dieser Form auch im Nhd, vorhanden ist: (1) (2)

Hans sagte, Franz wisse nicht, daß Karl der Autor ist. Hans sagte, Franz wisse nicht, daß Karl der Autor sei.

Die Modusopposition zeigt sich deutlich in der Umformung zu sinngebundenen Paraphrasen: ( l 1 ) Hans sagt: "Karl ist der Autor, aber/nur Franz weiß das nicht." ( Z i ) Hans sagt: "Franz weiß nicht, daß Karl der Autor ist." (3) Karl ist der Autor.

Durch das verbum dicendi in (2, 2*) wird die faktive Präsupposition (3) blockiert. Der in (2) als iB wiedergegebene Teilsatz wird als Aussage von Hans festgelegt, d.h. Hans übernimmt wohl die Präsupposition (3), nicht aber der Sprecher des Gesamtsatzes. In (1, 1*) iat hingegen auch der Sprecher davon überzeugt, daß Karl der Autor ist; die Wiedergabe der iR reicht also nur bis zum wissen-Prädikat, der Inhalt des Komplements von wissen wird auch vom Sprecher als tatsächlich vorausgesetzt. Bei der Umformung von (1) in die dR muß daher das Komplement aus der i R herausfallen, was in (1*) durch das ala Platzhalter angedeutet ist. Noch deutlicher zeigt sich dieser Unterschied im Falle der Einbettung in ein hypothetisches Konditionaigefüge: (JJ) (5) (6)

Wenn Helmut wüßte, wer seinen Hund schlug/schlägt, würde er sofort auf Rache sinnen. Wenn Helmut wüßte, wer seinen Hund schlüge, würde er sofort auf Rache sinnen. Jemand schlug/schlägt den Hund Helmuts.

Nur ( M ) hat die Präsupposition ( 6 ) , nicht aber (5). Die entsprechenden sinngebundenen Paraphrasen sind: (1*) Im Falle, daß Helmut weiß, wer seinen Hund schlug/schlägt, würde er sofort auf Fache sinnen.

205

Im Falle, daß jemand Helmuts Hund schlägt, und Helmut das weiß, würde er sofort auf Sache sinnen.

Der unterschied zwischen ( 4 ) und (5) liegt also im Bereich der hypothetischen Bedingung, der nur bei (5) auch die Präsupposition (6) umfaßt. So ist auch bei Otfrid IV 7,55 zu verstehen. Das Kommen des Diebes ist ein Ereignis, das für den Autor nicht als Tatsache feststeht, sondern nur hypothetisch angenommen wird. In der zugrundeliegenden Bibelstelle hat dieser Satz Gleichnisfunktion und steht damit in einer sekundären Textebene, die von der primären Textebene (Ermahnung zur Wachsamkeit) abgehoben ist. Die Teilaktualisierung des Komplements von faktiven Verben bei nicht-faktiv eingebettetem Trägersatz ist also in jedem Fall eine autonome Stellungnahme des modalen Subjekts, Die Einbettungsmodalität wird nicht wie etwa bei den implikativen Verben direkt auf das Komplement übertragen, sondern diese Übertragung ist eine freie Entscheidung des modalen Subjekts. Zur Erläuterung dieses Unterschiedes s, oben 3.2.9. 4.6.2. Hittelhochdeutsch § 1. Trägersatz nicht modalisiert S 1.1. affirmativ Präs, wizzen 2136 ez wizzen frouwen unde man, daz wisheit und richtuom erworben hant der wirde ruom, 7580

'got weiz wol, herre', sprach er do, 'daz ich so rieh cleinoete nie enweder anderswa, noch hie gesah mit minen ougen, ( * ' " )

9516

ih weiz wol, daz iu niht enkan gewerren, hochgemuoter degen,

13· 22

so weiz ich wol, daz Priamus lit niemer ungerochen, daz im diu stat zerbrochen wart von den Kriechen also gar,

u.ö. Die teilaktualisierten Komplemente enthalten eine autonome M o d a l i t ä t : 8265

ich weiz wol, daz iuch vsere min ungelücke swaere und iu min schände würde leit:

281162

doch wizzent die propheten wol, von den man hat gehoeret,

206

daz Troie noch zerstoeret von diner crefte werden müge. 44274

ich weiz wol, wer in wäre ankörnen mit offenliehem strite in enge öd in der wite, daz ers entsezzen hxte niht, ez mQeste aus von ungeschiht körnen, daz er Verliesen müeste und kiesen sinen tot, des bin ich wer.

V. 8265ff und 44274ff enthalten einen K2 mit dem Nutzwert der Eventualität, V. 28462fr einen Kl mit futuriseh-prospektivem Nutzwert. Ein Sonder fall ist der folgende Beleg: 7091

got weiz wol, herre, daz wir niht dur schedeliehe zuoversiht sin erbeizet üf den sant.

An der Niederlage der Griechen wird kein Zweifel gelassen. Der K1 verstärkt hier die Negation und bezieht sich damit auf die achedeliche_zuoversi ht; "Gott weiß wohl, daß es nicnt etwa ungerechtfertigte Erwartung war, durch die wir am Kampfplatz überwunden wurden." (ge)riuwen 7118

I6l08

er wizze sunder valschen wä"n, daz in geriuwen mac hernach, daz im Gf unser laster gich gewesen ist 30 sere. da von so muoz mich riuwen ez t daz ich niht raannes bilde hin,

16668 mich riuwet, daz ich ie gebeit so vil und also lange. 16882

daz ich dir ie so heimlich wart, daz ist mich nu geriuwen.

46233 da von KMJUZ mich riuwen, daz ieman mit untriuwen valschliche und anders denne wol guot und ere erwerben sol. get at

13211

swenn ich gedenke der getät, daz man dich sus gezücket hat in roubes wis von hinnen?

23324

mit swerten und mit fiure wirt gerochen sin getät,

20?

daz er dlz wip gezücket hat In roubes w£s den Kriechen: •i-schult 15664 erbarmen 10374

verdriezen 39040

wundern 19156

ez was ir schult und ir getät, daz er sich wiplich schouwen liez: da von mich diz erbarmet, daz beide arm und rlehe aint vro durch mich geliche und er vil alters eine sich fröuwet min so deine, daz er in sorgen wirt gesehen. ir herren, mich verdriuzet des, daz unser aller boubetman daz 'her ze rehte niht enkan gewisen noch geleren. da von mich sere wundert, daz man iuch durch in siht verzagen.

26874 mich wundert, daz ieman so bait und also frevel mac gesin, daz er getar dem herren min des frides muoten hiute, 32022

daz er des males ie genas, vil sere mich des wundert.

35756 mich wundert, daz er ie genas, 37596

erslagen unde ertoetet lac da so manic hundert, daz mich des iemer wundert, wie si dar alle mohten körnen.

Mit teilaktualisiertem Komplement: 15934

mich wundert, waz der msre si, daz si mich also gerne siht.

Der K1 hat hier den Nutzwert der Ungewißheit: dem Sprecher ist unbekannt, welche Erzählung zu dem beschriebenen Ergebnis geführt hat. Ahnlieh kann auch folgender Satz interpretiert werden: 20960

mich wundert harte sere, waz iuch her tribe in disiu lant.

Man wird diesen Satz wohl am besten mit einem Modalverb übersetzen: euch in diese Länder hergetrieben haben mag".

was

208 vürhten Nur ein teilaktualisiertes Komplement ist belegt: 8744

wan daz ich vOrnte vaste, daz er da kebse minen lip und er da neme ein ander wlp, so flüzze mir groz jamer zuo.

BARTSCH will Doppelpunkt nach wlp setzen. Der Kl hat (autonomen) prospektiven Nutzwert, der mit dem satzaufnehnienden _so durch einen K2 mit hypothetischem Nutzwert weitergeführt wird ("in diesem Falle würde mir eine große Kränkung geschehen"). schämen 16688

ich mac des schämen harte mich, daz ich wibes bilde hän,

P rät.

wizzen 4706

ouch liez er in daz wizzen gar, daz Hector mit strite gewan zer höchgezlte den uz erweiten jungeline,

4960

wan und wie daz

27140

daz er von kinde was gewesen bi Schirone in sinem hol, daz wisten alle Kriechen wol» wan ez was offenbare:

do der wirt begunde sagen die wirtitine wizzen liez, Prianma verderben hiez niuweborne kindelin,

Folgende Sätze enthalten teilaktualisierte Komplemente: 34016

wan sie begunden wizzen mit ougen und mit muate, daz Helena diu guote ob in saez. an der warte: des wurden sie vil harte von ir gereizet Gf den strit.

Das Verb wizzen hat hier, wie aus V. 34017 hervorgeht, die Bedeutung einer sinnlichen und geistigen Wahrnehmung; der K2 kann demnach als Zeichen der Sprecherdistanz verstanden werden. Dadurch wird der Akt der Wahrnehmung auf das Subjekt des Trägersatzes eingeschränkt.

209

48797

er wiste wol, daz si den verlürn, e daz der künlc sin wip daz her liez verderben alsus.

Der K2 hat hier den autonomen Nutzwert der Eventualität. Ebenso: 19364

si wiste wol, daz grimmer schade von siner reise würde schln.

Als Inhaltssatz ist ein hypothetisches Konditionalgefüge eingebettet in: 49484

(ge)riuwen 21540

und daz er wiste an allen wan, wsr er ze staten im niht körnen mit Etanigem ritt er uz genomen, die er im brähte in siner schar, er entorste niemer dar für Troie sin gevaren do. im was zehant geriuwen, daz er mich nam in roubes wis,

36110

daz er aich dl liez riuweti, daz Hector leit so grimme not.

6605

er schuof mit siner werdikeit, daz Peleus, sin veter, neit an ira, daz er vil tugent pflac und er sin dinc üf ere wac den äbent und den morgen.

niden

vergezzen 4378

wan er vergaz do si zehant, daz im diu cläre QEnöne waa liep vor allen wiben e.

11213

Er hete gar vergezzen, daz er von ir gesezzen was in wirde manicvalt und daz er wart von ir gewalt an der wollen sigehaft.

40838

ir herzevröide was so gröz, daz si vergäzen do vil gar, 3 v/a z in herze l ei des war,

41420

im wart so vil jamers kunt, daz er da mit ir weinte, do si ir clage erscheinte und von ir liebe gar vergaz, waz er truoc irn fHunden haz,

25164

die burger des bevilte, daz man do sach so mangen kiel.

beviln

210

27922

wan die begunde des beviln, daz man des karaphes da gewuoc.

wundern Nur ein teilaktualisiertes Komplement ist belegt: 1

^

si wundert in ir muote der fremden niuwemaere, daz niht ein maget *ere und ein juncfrouwe ir trütgespil:

Wie bei wizzen V. 7091 ff verstärkt hier der K2 die Negation, müejen 2018

in muote sere und übel gnuoo, daz man die wisheit so beschalt.

2H058

si muote daz und tet ir zorn, daz si der binden wol getan solt in ir hüse mangel hin und Qf der waltriviere.

38216

wan Herculesen rauote, daz im geschach diu smacheit,

47*187

si muote, daz ez was geschehen,

§ 1.2. negiert Präs. wizzen Ind.: 519^ friunt, ich enweiz niht, waz ir sagent 81*98

wan ich enweiz niht, war ich sol hie keren vinaterlingen.

15781*

daz daz daz was

27598

da von ich rehte niht enweiz, wes du beginnen wilt dermite,

281*16

ouwe, daz du niht selbe weist, waz an dich eren ist gewantl

5308

in weiz, waz ieman anders sage, ich sol in z'einem vater hän.

er si er Gf

mit rede also verbarc, niht mohte wizzen, so gar verflizzen ir minne tougen.

K1:

211

Der K1 hat hier futurisch-prospektiven Nutzwert als autonome Modalität: "Ich weiß nicht, was anderes jemand einmal sagen wird, ..." (Paris bekennt sich als Hirtensohn), 8720

da von enweiz ich, waz ich tuo.

1609**

lehn weiz, waz ich dar umbe tuo, daz ich dir bin so rehte holt.

In beiden Fällen hat der Kl den Nutzwert einer zielgerichteten Modalität als Ausdruck einer Verpflichtung ("ich weiß nicht, was ich tun soll"}. K2:

10064

ob si gewahsen ware an siner hiute liehtgevar, öd si mit listen käme dar, entriuwen, des enweiz ich rtiht.

Das Komplement bezeichnet zwei Sachverhalte, die dem Hörer zur Wahl gestellt werden. Der K2 steht hier als zusätzliches Zeichen der Unsicherheit; der Sprecher will sich keineswegs auf eine dieser Alternativen festlegen, so daß sogar der Eindruck erweckt wird, daß er sich von beiden Möglichkeiten distanziere. Wii9 waz do Horeates taste, • **

56 des enweiz ich niht für war, wan ich sin niht vernomen han. Die Formen tgte und täte (in V. W5Q) sind keine sicheren K-Formen (MICHELS 1921; 228, 231). Falls tatsächlich K2 vorliegt, könnte die Modusform zur Verstärkung der Negation eingesetzt worden sein. verheln 3812

waz wäpencleit er fuorte, daz enmac ich niht verheln,

wundem 21108 da von enwundert mich des niht, daz Theseus der wise man, der aller künste sich versan, leit an iuch sines herzen muot und daz in iuwer minne guot dar uf begunde reizen, 3572

daz im von strite wart ze heiz, vil kleine mich des wundert:

35729

daz mich niht wunder nemen sol, daz er von hitze san ein kol in starker muectekeite bran.

212

schämen 28766

daz ir iuch des niht dürfen achamen, daz ich Deidamien die schoenen wandels vrien ze rehter e gerainnet han.

Prit. wizzen 15758

di von enwiste ai des n i h t , daz er nach ip minne ranc.

37194

doch wiste er niht, daz Hector des males an die Kriechen streit.

48815 + ensehen 48132

und wiste nieman rehte, wie daz geachach, wie ez ergie und wer ez tet und wer ez geriet, diu selbe habe lac also, daz nieman enwuste noch ensach von Troi do, waz da geschach,

§ 2. Trägersatz modalisiert § 2.1. zielgerichtet Präs, wizzen Ind.: 2116 ir wizzent wol, daz minne brechen muoz für elliu dinc. 2306

du solt daz wizzen, Venus, daz dir der apfel niht enwirt.

3762

euch wizzent, daz der jungelinc fuort einen kostbsrliehen schilt.

u.ö, Kl :

2479

der wizze, daz er krenke sich an dem gelüste löterlich,

8125

lant wizzen mich diu raaere, wi von so rehte swere diu wolle ze bejagene s£.

14528

waz grimme sorge und angest si, daz wil ich wizzen deine,

18100

swaz iu nü wol gevalle, daz länt mich wizzen hie zehant,

18571*

der wizze, daz er niht ensi min sun von küniclicher e.

213

24322

ir suit mich, herre, wizzen län, waz man ir bezzerunge tuo.

In allen Sätzen repräsentiert der Kl eine autonome Modalität. In V. 2479 , "fSlOOf und 2J»322f hat der Kl volitiven Nutzwert, in V. I4528f und I857^f wird die Negation im Träger- oder Inhaltssatz durch die Teilaktualisierung besonders hervorgehoben. Die Teilaktualisierung in V. 8l25ff charakterisiert das Komplement als zur märe zugehörig, d.h. das Objekt, welches gewußt werden soll, ist die Erzählung selbst und nicht ihr Inhalt, dessen Realitätsebene auf die Erzählung beschränkt ist. K2:

2285^

wer aber ich da Leime, so wizzent, daz niht iuwer craft m5ht an mir werden sigehaft.

267 1* ob man ez dur den vater min und dur zuht niht lieze, so wizzent, daz man hieze geswigen iuch der msere, 27798 möht ich ze kamphe sin bereit, als ich was eteawenne doch, so wizzent, daz ich lohne noch die ritterschaft verbaere, 2938H

und hste mich von dir getriben der gSte wille niht so gar, so wizzest, daz ich miner var e n beere an diesen ziten.

33000 m5ht er sich selben niht erweren, so wizzent, daz ich iu doch niht vertrüege, daz er kumbers iht von iu begunde liden. 33626 ob si diu punder haete niht gescheiden bi der selben zit, so wizzent, daz ein grimmer strit ergangen waere von in zwei n. In allen Stellen ist das Komplement von wizzen zugleich Konsequens eines hypothetischen KonditionalgefQges. Das Inhaltssatzgeschehen ist dadurch vom Eintreten des im Antezedens genannten Sachverhaltes abhängig und kann natürlich erst dann gewußt werden. Die Beurteilung der Teilaktualisierung ist hier ähnlich der Teilaktualisierung bei Einbettung im Antezedens von hypothetischen KonditionalgefQgen. Der Unterschied besteht nur darin, daß bei Einbettung im Antezedens der Inhaltssatzprozeß hypothetisch angenommen wird, während bei Einbettung im Konsequens das Komplement eine hypothetische Folge ist.

214

verki esen (Irtd,) 18092 er wil verkiesen alzehant, daz man den vater im ersluoc und swaz er schaden ie getruoc an liuten unde an lande wit. erbarmen (K2) 29288 die göte erbarme, daz ich ie mit ougen dich geashej Der K2 kann als autonome Modalität aufgefaßt werden ( , . daß ich erblicken muBte). riuwen Ind.: 16636 »ich sol daz iemer riuwen, daz ich durch mine blueheit 36 grimmen tcumber ie geleit, als ich da her geliten han. 22590 got riuwe, daz des meres fluot niht slant mich hiute in sinen giel, 34992 so riuwe got, daz mich veralant daz wilde mer niht under wegen, K1:

13158 got riuwe, daz din edel bluot ane schult vergozzen si. Auch hier ist autonome Modalitat wahrscheinlich (... vergossen sein mußte). vergezzen Ind.: 30428 ir suit des niht vergezzen, daz iu diz wunnecliche lant baz unde näher ist gewant, dan ez den gesten allen si, 16786

er sprach: 'wie schäme si gestalt, des ffluoz ich nu vergezzen. ( * * * )

Ein (autonomer) Nutzwert der Eventualität ist hier anzunehmen: "Wie etwa Scham aussehen soll, ... ". Prät. CK2) 47611

... und weiten ir Ionen nach ir herzen gir, daz si sich lieze des gezetuen, daz si daz bilde lieze nemen und uz dem bethüs fQeren dan.

215

Der K2 ist unverständlich. Die Hss. b c d e haben V. 47613 Hessen, A b o d V. 47614 Liegen. Die richtige Lesart ist daher wohl 3. Pers. Pl. Ind. § 2.2. nicht zielgerichtet Präs. Nur ein Satz könnte als nicht zielgerichteter modalisierter Trägersatz standen werden (magen als Bezeichnung einer bloßen Möglichkeit): wizzen 22952

swer ie nach herzeleide liep unde fröude an sich gelas, der mac wol wizzen, daz in was wol unde sanfte bi der zit.

§ 2 . 3 . erfragt Prä3. wizzen 34686 'wer kan daz wizzen', sprach Paris, Otrsi mich hie verlieren sol?1 schämen 28412 schämst du dich niht der smaheit, daz du bist ein gewahsen man und du doch wibes kielder an und einer megede bilde treist? 40290

suln wir uns des niht iemer schämen, daz uns ein einie ritter all in den schaden bitter kan wisen unde kiren,

§ 2.4. nicht-faktiv eingebettet Präs. wizzen (K1) 1874 dar umbe sint geflizzen, daz iuwer iegelich enbar ir leben und ir wirde gar, dur daz ich wizzen mOge da bl, wem under iu gemsze si der apfel rillen unde wert, 4 erkennen magen 11640 dur daz man wizzen möge da bi, wie vil rittersehefte sit der muot nach wirde vehte. erbarmen (Ind.) 49635 des got erbarmen mOeze, daz bösheit ist so sQeze an dirre weite worden nu, Prät. wizzen ( K 2 J 47229 wan si wüesten an im wol,

ver-

216

er wer so staeter triuwen vol, daz er in staete lieze, swaz er in gehieze. In V. 47229 hat Hs. a wistind, Hs. e wisten. 48773 daz ändern wip müeste gezeraen, daz in ir bilde müesten nemen und wisten, waz si taten, daz si angest drumbe hasten. erbarmen (Ind.) 36468 got in den himelkoeren den möhte hän erbarmet die not, daz da verarmet so maniger wart des lebet agen. vergezzen (K2) 22226 ir haeten gar vergezzen, daz ich unschuldic Eine sichere Interpretation der Modusfonaen ist wegen der geringen Beleganzahl nicht möglich. Die teilaktualisierten Inhaltssätze bei wiegen können alle autonome Modali tSt haben; sehr wahrscheinlich ist der Nutzwert der Eventualität für den K2 in V, 47229ff^ doch könnte auch kontentiver Gebrauch von wizzen vorliegen. W. 1878 und 11641 legen Übersetzungen wie 'sein soll' bzw. 'sein kann' nahe. Wegen der indikativischen Komplemente bei erbarmen scheint mir die Interpretation der K-Formen als autonome Modalität näherzuliegen. Der K2 in V. 22226f bleibt allerdings aufzuklären.

4.7.

Nonfaktive Verben

4.7.0.1. Bei den nonfaktiven Verben wird ein de f i niter HH sowohl bei Bejahung als auch bei Verneinung des Trägersatzes weder impliziert noch prtsupponiert. Das Semantem bezeichnet somit ein Geschehen, das nicht unmittelbar aus der Aktivität bzw. Nicht-Aktivität des Subjekts folgt oder von ihr vorausgesetzt wird; dadurch hat der Sprecher die Möglichkeit, sich von der aktuellen Gültigkeit des Untersatzprozesses zu distanzieren, sei es, daß er das Geschehen als nur möglich, angenommen, in der Vorstellung eines ändern vorhanden bezeichnet oder daß er die Realisation des Untersatzprozesses in einen vom Sprechzeitpunkt verschiedenen Zeitraum verlegt (erwünschtes, erhofftes, befohlenes Geschehen). Wie auch in anderen Fällen wird durch das Semantem des Trägersatz-Vf nur eine strukturelle Leerstelle für die Teilaktualisierung eröffnet, deren Füllung dem Sprecher überlassen bleiben kann. Der Sprecher kann also den K als autonome Modalität zur Verstärkung bestimmter Bedeutungskomponenten des Trägersatz-Vf einsetzen oder als Dependenzzeichen zur Bezeichnung der syntagmatischen Abhängigkeit verwenden. Im ersteren Fall kann eine Korrelation mit bestimmten Bedeutungsklassen, im letzteren Fall mit bestimmten syntakti-

217

sehen Merkmalen (wie z.B. Besetzung der Objektposition im Trägersatz} vorhanden sein. Die Entscheidung, ob eine Modusopposition vorhanden ist und ob eine vorhandene Opposition paradigmatische oder syntagmatische Funktion hat, kann nur induktiv durch die Korpusanalyse getroffen werden. 4.7.0.2. Die Zahl der nonfaktiven Verben ist im Vergleich zu den anderen Klassen sehr groß, ebenso die Bedeutungsvielfalt. Als allgemeines semantisches Merkmal können die verschiedenen Nutzwerte des K betrachtet werden; danach kann man zielgerichtete und nicht-zielgerichtete Verben unterscheiden und unter diesen beiden Klassen wiederum die verschiedenen Bedeutungsvarianten. Ich habe die Belege in 13 Bedeutungsklassen eingeteilt. Diese Bedeutungsklassen haben sich zwanglos ergeben und entsprechen auch im großen und ganzen der Einteilung WUNDERLIs. Sie enthalten freilich eine recht ungleiche Anzahl von Sätzen und haben daher für eine diachrone Analyse auch ungleichen Wert. Die Zusammenhänge von Vf-Semantem und Modussetzung ließen sich immerhin deutlich machen. Zur übersichtlicheren Darstellung habe ich in jeder Bedeutungsklasse ahd, und mhd. Belege zusammengestellt.

4.7.1.

Verba dicendi

t.7.1.0.1. Bei den verba dicendi sind grundsätzlich zwei verschiedene Sprecherhaltungen möglich. Sie können dazu verwendet werden, um auszusagen, daß eine (außer in der 1. Pers. mit dem Sprecher nicht identische) Person einen auch dem Sprecher zugänglichen Sachverhalt in Worte gefaßt hat. In diesem Fall gilt der vom Komplement bezeichnete Sachverhalt auch für den Sprecher als aktuell, und es besteht für ihn daher kein Anlaß, eine teilaktualisierte Verbalform im Inhaltssatz zu verwenden. Wird dieser Sachverhalt nicht ausgesprochen, so zeigt sich die bei den Wahrnehmungsverben erörterte Ambiguität wenn-Verb/ faktives Verb - die Aktualität des Sachverhaltes bleibt ungewiß oder er wird vom Sprecher als real, doch nur nicht ausgesprochen, vorausgesetzt. Es besteht aber weiters die Möglichkeit, daß der Sachverhalt dem Sprecher selbst nicht zugänglich ist, sondern nur über die Perspektive der ihn aussprechenden Person gesehen wird. Diese sprechende Person vermittelt zwischen Sprecher und Sachverhalt, der Sprecher referiert nur ihre Ansicht, so daß das Komplement keinen bestimmten WW haben kann. Da, soweit ich sehe, für diese Sprecherhaltungen keine eigene Terminologie eingebürgert ist, verwende ich im folgenden das Begriffspaar deklarativ - lokutiv: 1. Sachverhalt

.

— Sprecher Sprechende Person—

deklarativ

218

2. Sachverhalt Sprechende Person —

Sprecher

lokutiv

4.7.1.0.2, Bei Verben wie nhd. sagen sind beide Sprecherhaltungen möglich. Es besteht daher eine Modusopposition im Komplement, die durch die GLINZsche Bestimmung des K1 als "nur nach Angabe eines anderen angeführt" (s. oben 1,3.4.6.1.) deutlich wird. Weil im Nhd. keine Zeitenfolge mehr besteht, die das Verhältnis von & / 2 mit der Tempusform des Trägersatz-Vf korrelieren würde, kann der K2 als zusätzliches Zeichen der Sprecherdistanzierung im Sinne einer Eventualität eingesetzt werden. Es gibt aber auch Verben, für die eine der beiden Sprecherhaltungen charakteristisch ist; sie sind dadurch gekennzeichnet, daß sie in ihrer Grundbedeutung keinen Akt der Aussage bezeichnen, so daß sie nur metaphorisch als verbum dicendi gebraucht werden. Wie auch in anderen Fällen kann dieser metaphorische Gebrauch schließlich zum usuellen werden, wodurch die lokutive Gebrauchsvariante verallgemeinert wird. Das ist häufig bei den Verben des Zeigens (wenn-Verben) der Fall, z.B. bei nhd. erklären (oft in der Sprache der Medien). Dieses Verb kann sowohl in der ursprünglichen Bedeutung als wenn-Verb als auch in der übertragenen Bedeutung als verbum dicendi gebraucht werden. Im letzteren Fall kann der K als explizites Zeichen des verbum-dicendi-Gebrauehs eingesetzt werden, so daß im Komplement keine Modusopposition (bzw. nur die Opposition K1 - K2) vorhanden ist. Die Modusopposition kann sich dann wieder regenerieren, wenn dieses Verb ausschließlich als verbum dicendi verwendet wird. Ähnlich verhält es sich bei nhd. verkünden. Ursprünglich ist das Verb faktiv - der in der Objektsposition bezeichnete Sachverhalt besteht unabhängig davon, ob er verbreitet wird oder nicht. In diesem Fall hat das Verb die Bedeutung 'kund t u n , bekannt machen', und so wird es auch gewöhnlich gebraucht. Bei verbum-dicendi-Gebrauch hebt der Sprecher hervor, daß der verbreitete Sachverhalt Inhalt einer mündlichen Rede ist, was durch die Teilaktualisierung des Komplements verdeutlicht werden kann. Aber auch Ausdrücke wie j.aut_ oder mit Worten im Trägersatz können verkünden auf die verbum-dieendi-Variante festlegen, wodurch die Modussetzung als Bezeichnung der Sprecherhaltung verschiedene subtile stilistische Werte ausdrücken kann. Jedenfalls in meinem Idiolekt ist der verbum-dicendi-Gebrauch von verkünden deutlich stilistisch markiert (etwa 'mit besonderer Absicht überall verbreit e n ' } . Ein ähnlicher Fall wurde oben (3.1.2,1.) am Beispiel von wissen diskutiert, nur daß der verbum-dicendi-Gebrauch bei verkünden weitaus näherliegt. 4.7.1.0.3. Eine vorhandene Modusopposition kann daher auf zweifache Weise gedeutet werden: 1. bei Ambiguität wenn-Verb/faktives Verb als Zeichen für die verbum-dicendi-Lesart f 2. bei verbum dicendi als Zeichen für die lokutive Sprecherhaltung. Eine Entscheidung zwischen diesen beiden Deutungen ist nur dann möglich, wenn

219

die Verbklasse feststeht, d.h. wenn kein Grund für die Annahme einer lexikalischen Amblguität vorhanden ist. So ist z.B. bei Verben wie sagen, behaupten, wissen die Verbklasse außer Zweifel, bei verkünden liegt Ambiguität vor, bei _laut oder mit Worten verkünden steht die Verbklasse wieder fest. Damit stellt sich die Frage, ob verschiedene Lesarten eines Verbs aus der unterschiedlichen Modussetzung folgen oder ob die Modusopposition eine Folge der Lexemambiguität ist. Vom rein synchronen Standpunkt aus kann diese Frage nicht beantwortet werden; im Grunde handelt es sich hier um das bekannte Problem der Unterscheidung zwischen Polysemie und Homonymie. Hier wie dort kann nur aus der Diachronie und ev. aus dem Sprachgefühl (Metaphor!k) auf die Priorität der lexikalischen Ambigultat geschlossen werden. i*.7.1.0.4. Nicht nur Wörter des Zeigens und des Bekanntmachens werden oft als verba dicendi gebraucht, sondern auch Verben der LautSußerung. Diese Verben repräsentieren einen eigenen Typus, dessen Unterschied zu den Übrigen verba dicendi schon von Jacob GRIMM (1898: 999) sehr klar besehrieben wurde: "Es unterscheiden sich zwei Äußerungen des redevermögens: sagen und sprechen, je nachdem der nachdruck auf das mitgetheilte oder auf den mittheilenden fällt, man hört etwas sagen, aber man hört einen sprechen; dort wird das gesagte, hier der redende bemerkt; in jenem herrscht das materielle, in diesem das formelle vor ( * . , . * ) . der stumme kann überhaupt nicht sprechen, der sprechende oft etwas nicht sagen, wofür er den geeigneten auadruck nicht findet; jener ist allgemein in der form behindert, dieser in ihrer anwendüng auf die sache, wer etwas sagen will muß sprechen können, wer sprechen will etwas zu sagen haben, sagen geht über in die begriffe erzählen, anführen (recitare), verkünden, zeihen, bekennen: der böte hat anzusagen, nicht zu sprechen, der reuige seine schuld zu sagen." In fast allen idg. Sprachen sind für jeden dieser Typen eigene Verben vorhanden, z.B. frz. parler/dire, angl. speak/say, lat. ^oquor/ dicere usw. Die Verben vom Typus "sprechen" bezeichnen zunächst die LautSußerung und betonen die Sprechhandlung als solche [schnell/langsam/laut/leise sprechen), während sich die Verben des Typus "sagen" auf das von der Äußerung Geaseinte beziehen. Man kann also sprechen, ohne etwas zu sagen, aber nicht umgekehrt . 4.7.1-0.5. Der Typusunterschied wirkt sich auch in Aspekt dieser Verben aus und kann durch die Verschiedenheit der etymologischen Herleitung begründet werden. Verben des Typus "sprechen" sind imperfektiv und von einer idg. Wurzel abgeleitet, die eine Schallerzeugung bezeichnet; Verben vom Typus "sagen" sind perfektiv und leiten sich meist von einer Wurzel mit der Bedeutung 'denken, meinen, klarmachen, vorbringen* ab. BÜCK (1915) hat diesen Unterschied genau beschrieben und sehr viele Beispiele aus den meisten idg. Sprachfamilien zusammengestellt. Der grundsätzliche Unterschied kann bestehen bleiben, auch wenn die Wörter der beiden Typen vertauscht werden, so daß die Etymologie auf den gegensätzlichen Typ weist. BÜCK ( vergleicht die englischen und deutschen Verben in folgendem Schema:

220

tall

say

speak

sagen

talk reden

sprechen

Nach BUCK sind die Hauptvertreter der nhd, Opposition ja agen und reden; sprechen soll eine Mittelstellung einnehmen, Andrerseits verhält sich sprechen in vieler Hinsicht wie ein Verb der Lautäußerung, so daß der Unterschied zwischen sprecheri und reden vielleicht jenem zwischen speak und talk vergleichbar ist. Ich behalte daher die Typenbezeichnung mit "sprechen" bei. ^.7.1.0.6. Dem Typusunterschied entspricht ein Unterschied in der Valenz. Verben der Lautäußerung sind intransitiv; werden sie als Bezeichnung einer Aussage gebraucht, so kommt noch eine Valenzposition hinzu. Verben des Typus "sagen" haben hingegen stets eine obligatorische Valenzposition für den Inhalt der Aussage. Entsprechende Angaben finden sich in den Valenzwörterbüchern. So ist sagen nach HELLBIG/SCHENKEL (1975: 403f) dreiwertig mit zwei obligatorischen Valenzen für das Subjekt und den Aussageinhalt und einer fakultativen Valenz für den Adressaten; sprechen C ^ 0 5 f ) ist ebenfalls dreiwertig, enthält aber nur eine obligatorische Valenz für das Subjekt. Fakultative Dreiwertigkeit von sprechen liegt nach HELLBIG/SCHENKEL (407/Anra.5) nur dann vor, wenn in der Adressatenposition präpositionale Fügungen stehen (er spricht mit dem Lehrer über das__Problem). Bei ENGEL/SCHUMACHER (1978), die die Subjekteposition in der Valenzzahl· nicht berücksichtigen, ist sprechen 0-wertig mit einer fakultativen Akkusativ-Ergänzung, sagen 1-wertig mit einer obligatorischen Akkusativ-Ergänzung. HELLBIG/SCHENKEL setzen übrigens reden fälschlich als obligatorisch zweiwertig mit einer fakultativen Valenz an. Wie bei sp^rechen sind aber zwei fakultative Valenzen und eine obligatorische Valenz vorhanden, wobei die fakultativen Valenzen prapositional ausgedrückt werden C^r_redet mi^seinem Schüler über die P o l i t i k ) . Richtig dagegen ENGEL/SCHUMACHER (1978: 236f, 258f), 1.7.1.0.7. Wie bei den wenn-Verben des Zeigens und Bekanntmachens können auch die Verben der Lautäußerung als verba dicendi verwendet werden. Der Unterschied besteht allerdings darin, daß die wenn-Verben eine obligatorische Objektvalenz haben, so daß die syntagmatische Abhängigkeit allein durch die Valenzbeziehung des Trägersatz-Vf bezeichnet sein kann. Die Verben der Lautäußerung sind hingegen so lange ambig, als sie auch in ihrer ursprünglichen intransitiven Bedeutung verwendet werden können. Die verbum-dicendi-Variante muß daher in jedem Fall bezeichnet werden. Wenn nicht die Dependenzzeichen NS-Konjunktion und Wortstellung (und in der mündlichen Rede die Satzintonation) eingesetzt werden, muß der K stehen - andernfalls würde der Redeinhalt entweder als dR oder als autonomer Satz verstanden werden:

221

( 1 ) Er sprach davon, daß er morgen keine Zeit habe. (2) Er sprach davon, daß er morgen keine Zeit hat, (3) ?Er sprach davon, er hat morgen keine Zeit. i1*) Er sagte, daß er morgen keine Zeit hat/habe. (5) Er sagte, er hat/habe morgen keine Zeit.

(1-2, 4-5) sind bedeutungsgleich, die Modusvarianten bezeichnen den Unterschied von lokutiver und deklarativer Sprecherhaltung. {3} ist hingegen kaum akzeptabel; der Ausdruck wird normalerweise als zwei unabhängige Sätze verstanden:

(a) Er sprach davon, (b) Er hat morgen keine Zeit.

gilt nicht als Aussage des Heferenten, , Ohne das kataphorisohe davon wäre ( 3 ) dR:

sondern

des Sprechers

von

(3 11 )Er sprach: "Er hat morgen keine Zeit".

(3) ist in dieser Form daher abweichend. Das kataphorische davon ist nur Zeichen der Konnexion, nicht der Subjunction, so daß (3^b) nicht als dependent ausgewiesen wird (davon kann auch Anaphora sein oder auf ein Element im weiteren kontextuellen/konsituationellen Bereich verweisen). Eindeutig als Aussage bezeichnet ist das Äquivalent von (3^tO in ( 1 ) und ( 2 ) , wo das Komplement durch Konjunktion und Wortstellung als dependent festgelegt ist. Steht anstelle dieser beiden Dependenzzeichen der K, so wird der Satz immerhin eher akzeptabel:

(6)

Er sprach, er habe morgen keine Zeit.

4.7.1.0.8. Die sprachliche Leistung der Teilaktualisierung 1st somit bei den beiden verba-dicendi-Typen verschieden. Die Verben des Typus "sagen" haben eine obligatorische Inhaltsvalenz, die das Komplement jedenfalls als dependent ausweist. Die Teilaktualisierung hat daher {jedenfalls im N h d . ) paradigmatische Funktion und bezeichnet eine unterschiedliche Sprecherhaltung. Die Verben des Typus "sprechen" haben keine obligatorische Inhaltsvalenz, im Komplement muß daher eine Dependenzbezeichnung vorhanden sein. Die Teilaktualisierung ist in diesem Fall eine der möglichen Dependenzbezeichnungen. Der Unterschied in der K-Funktion wird an Sätzen wie (3**) und (6) gegenüber (1-2} und den Modusvarianten in (4) und (5) besonders deutlich. AUSTIN (1972: 108ff) hat für

222

den entsprechenden Unterschied die Begriffe "phatischer" und "rhetischer" Akt eingeführt. Der Satz in dR in (3^) bezieht sich auf eine L a u t l u ß e r u n g (in der Wörter in einer bestimmten Gestalt vorkommen), 3**} ist daher e i n B e r i c h t O b e r e i n e n p h a t i s c h e n Akt. Bei bezeichneter Dependenz ist das Komplement mit jenem von saugen in (4-5) gleichwertig. Das Komplement ist hier nicht (mehr) Ausdruck einer Lautäußerung, sondern Ausdruck einer Äußerung eines S a e h v e r h a l t e s . Der ganze Satz i s t e i n B e r i c h t ü b e r e i n e n r h e t i s e h e n A k t . Die syntagmatisehe K-Setzung bei sprechen hat die Funktion einer " R h e t i s i e r u n g " . Auch Sätze mit sagen im Trägersatz können als Bericht über einen phatischen Akt gelten. Das ist immer dann der Fall, wenn das Komplement als dR verstanden wird und damit ein autonomer Satz ist, also bei deutlicher Sprechpause nach dem Trägersatz, Vf-Zweitstellung, Unterbleiben der Pronominalverschiebung und Ind. (oder K mit autonomer Funktion), Der Satz in dR besetzt noch immer eine obligatorische Valenzstelle; er ist der Fora nach autonom, als Satzfunktion aber dependent. 4.7.1.0.9Die Unterscheidung der beiden verba-dicendi-Typen erweist sich daher auch für die Bestimmung des modalen Erwartungswertes als wichtig. Bei den Verben des Typus "sagen" ist eine syntagmatische Teilaktualisierung des Komplements als Dependenzbezeichnung nicht notwendig, wenn die Objektfunktion des Komplements feststeht. Der K als Dependenzzeichen wird nur dann eingesetzt, wenn die Objektposition besetzt ist. Das ist dann der Fall, wenn im Trägersatz ein Korrelat vorhanden ist und der KB sonst kein Dependenzzeichen hat. Häufiger ist jedoch die Dependenzbezeichnung durch den K bei mehreren Prädikationen in der Objektstelle, da hier die Valenzposition schon durch die nächstfolgende Prädikation besetzt ist. Alle abhängigen Prädikationen müssen daher teilaktualisiert werden, wie das auch im Nhd. die Hegel ist. Bei den Verben des Typus "sprechen" ist die Dependenzbezeichnung durch Teilaktualisierung mit dem verbum-dicendi-Gebrauch verbunden. Bei Fehlen von anderen Dependenzzeichen ist hier der K obligatorisches Rhetisierungsmerkmal. Eine TypusSnderung ergibt sich daraus, daß die Verwendung als Bezeichnung einer Lautäußerung außer Gebrauch kommt. Dadurch entsteht aus der fakultativen Valenzposition eine obligatorische, und es bestehen wieder die Voraussetzungen für eine paradigmatische Modusopposition. Auch eine Typusänderung von "sagen" zu "sprechen" ist denkbar, doch scheint sie dem von BÜCK untersuchten Material zufolge deutlich seltener zu sein. Die Entwicklung von Verben des "spreehen"Typs zum "sagen"-Typ ist jedenfalls gut belegt (s. das Beispiel aus dem Griech. bei BÜCK 1915: 153O. 4.7.1.0.10. In der Korpusanalyse müssen jedenfalls beide Typen getrennt untersucht werden, VOGT (1953) hat bei der Analyse des Wortfeldes der ahd. verba dicendi folgende Kriterien herangezogen:

223

1. Transitivität

Typ "sagen"

Typ "sprechen"

transitiv

"schwach transitiv"

Das von VOGT (202) als "schwach transitiv" bezeichnete Merkmal entspricht dem erläuterten Valenzkriterium. Dadurch ergibt sich auch ein Unterschied in der Häufigkeit des Vorkommens eines Akkusativobjekts: - 66,5 *

8,4 - 23,8 %

2, Sprachliche Form der Adressaten-Position: personeller Dativ

präpositionaler Dativ

Der personelle Dativ ist bei den "sprechen"-Verfaen überhaupt nicht belegt; bei den "sagen"-Verben ist der präpositionale Dativ nur sehr selten. 3. Unbestimmtheit des pronominalen Objekts: 0 - 13 %

31 -35

Alle anderen von VOGT herausgearbeiteten syntaktischen Unterschiede sind für eine Wortfeldgliederung weniger geeignet, da manche Verben eine Mittelstellung einnehmen können, so daß eine eindeutige Trennung der beiden Typen nach der Häufigkeit nicht möglich ist. So weist z.B. die Vorkommenshäufigkeit vor indirekter Rede auf keine eindeutige Verteilung, wahrend das Vorkommen vor direkter Rede die Typengliederung deutlich wiedergibt (VOGT 1953: 226, 237), Tatsächlich bezeichnen die Verben der Lautäußerung zunächst einen phatischen A k t , also die dR. Aus dieser Verteilung lassen sich aber keine bestimmten Schlüsse ziehen, da eben beide Verbtypen sowohl bei indirekter· als auch bei direkter Rede stehen können und vorhandene Frequenzunterschiede auch Unterschiede in der Norm wiedergeben können. Weitere Kriterien bleiben solange problematisch, als ihre systematischen Zusammenhänge nicht geklärt sind. Da sich VOGT v , a . auf Statistiken beschränkt und diese Zusammenhänge nur ansatzweise bespricht, würden derartige Überlegungen nicht weiterführen. Auffällig ist jedenfalls die Konstanz dieser syntaktischen Merkmale unter den anderen and, Dialekten und auch im Altsächsischen. Dieser Fragenkomplex ist bis jetzt nicht genau genug untersucht. ^f.7.1.0.11. HSufigkeitskriterien sind natürlich immer unsicher, v.a. wenn die betreffenden Verben selten belegt sind oder das untersuchte Korpus aus einem anderen Grund beschränkt ist. Ich fuge noch einige weitere Kriterien hinzu, die VOGT nicht erwähnt hat. 4, Lateinisch-althochdeutsche Obersetzungsgleichungen sind ein gutes Kriterium, wenn das Wortfeld der lat. Übersetzungsgrundlage bekannt ist. Auch semantisehe Verschiebungen ließen sich gegebenenfalls nachweisen. Eine Unter-

224

suchung der Glossare für Tatian, iiotker und Isidor hat ergeben, daß in den meisten Fällen quedan für dicere, sprehhan für loquor verwendet wird; jehan, sagen, redindn und gellen gruppieren sich in einem Hortfeld, das lat. oon_fi_teri, testificari, disputare, narrare entspricht. Genaueres bei SCHULZ (1975) und SCHRODT (1982). 5. Lesarten deuten auf semantisch entsprechende Verben und belegen zugleich diachrone Verschiebungen innerhalb eines Wortfeldes. Hier sind v.a. die quedan/sprehhan-Lesarten der Wiener Genesis anzuführen. 6. Auch das Vorkommen von zwei Verben mit gleichem Komplement kann auf semantische Ähnlichkeit weisen. 7. Die Etymologie kann natürlich nicht das wichtigste Kriterium sein, weil sie durch die oben ( 4 . 7 . 1 , 0 . 9 . ) beschriebenen Veränderungsmöglichkeiten nicht die richtige Typenzuordnung ergeben muß. Die etymologische Analyse erlaubt hingegen einen Schluß auf die älteste rekonstruierbare Stellung im Wortfeld. VOGT hat dieses Kriterium nicht benutzt, weil er, wie aus seinen gelegentlichen Bemerkungen hervorgeht, die meisten Etymologisierungsversuche als unsicher betrachtete. Immerhin haben sprehhan und sagen sicher typenkonforme Etymologien; s. dazu SCHBODT (1982). 4 , 7 . 1 . 0 . 1 2 . Alle diese Kriterien zusammen ergeben eine vhm, sichere Einteilungsgrundlage. Problematisch ist nur die Stellung von jehan/irjehan, das wegen der seltenen Belege nicht eindeutig klassifiziert werden kann. VOGT hat dieses Verb unbegreiflicherweise in seine Untersuchungen nicht einbezogen. Da es bei Otfrid mit einer Ausnahme immer transitiv vorkommt (III 14,42 mit Gen.-Objekt) und in den frühen Glossenbelegen meist conj'iteri übersetzt, stelle ich es zu den n sagen"-Verben. Das ahd. Wortfeld sieht demnach so aus; Typus "sprechen11 quedan

sprehhan

Typus "sagen" sagen

jehan zellen redion/redinon

Ahd. redinon/red i on steht in mancher Hinsicht (z.B. nach dem Transitivititskriterium, vgl. VOGT 1953: 202ff) zwischen diesen beiden Gruppen. Da es aber in einem Drittel der Belege mit personalem Dativ steht, der bei den "sprechen"-Verben sonst nicht vorkommt, stelle ich es zum Typus "sagen". Im Laufe der deutschen Sprachgeschichte verändert es sich zum "sprechen n -Verb (VOGT 221). 4.7.1,0,13. Ich habe die folgende Belegsammlurtg aus Gründen der Übersichtlichkeit nach den beiden Typen getrennt und stelle unter jedem Typus ahd. und mhd. Sätze zusammen.

225

4.7.1.1.

Typus "sprechen"

1.7.1.1.1.

Althochdeutsch

quedan Nach der Zahlung von VOGT steht in insgesamt 97 % der Inhaltssätze ein K, gleichgültig, ob das Komplement eingeleitet ist oder nicht bzw. welche Art von Konjunktion vorhanden ist. § 1. Trägersatz nicht modalisiert § 1.1. affirmativ Präs. III 22,1(5 ... thu quist thu wesest avur got; III 22,57

ir quedet thaz thiu wort min

III 18,43 then quedet ir, weist es mer, u. . Is. 590

widar druhtlne sin,

thaz er si druhtin unser;

quhedhant leogando dhazs noh ni sii dhazs ziidh a r f u l l i t ,

Ein K2 steht bei VergangenheitsbezuR:

I 19,24

sume quedent ouh in war, thaz es warin zuei jar.

II 14,9

ther evartgelio thar quit,

II 18,

sie quedent, er giwuagi,

II 23,25

quit iogilih in thrati, in mines namen namati,

III 22,3

ther evangelic thar quit, theiz war! in wintriga zit, thisu dat ubar al thia in iu hiar nu sagen seal.

theiz mohti wesan sexta z i t j thaz man man ni sluagi; thaz er zeichan dati

An einer Stelle liegt eine Interpretation des K1 mit dem Nutzwert einer Aufforderung nahe: III 17,15 aelbo Moyses er quit, thaz wib thaz hiar silih duit es man nihein ni helfe, mit steinon sia bewerfe. In einem Satz steht ein vollaktualisiertes Komplement: IV 21,29

thu quis, ...

theih kuning bin;

Nach VOGT (1953; 74) wird hier "der Indikativ ( * . . . " ) durch die unverbrüchliche Gewißheit der Worte gefordert, er bekräftigt und unterstreicht das (geistige) Königtum Christi { * . . . * ) . " Eine ähnliche Interpretation legt die Übersetzung von ERDMANN (19D nahe. Möglich ist aber auch Einfluß der Bibelstelle

226

J 18,3? tu dicis quia rex sum ego. Prat.

I 20,29

quad, sie thaz ni woltin noh drost gifahan Undo

II 14,97

er quad, er muas habeti,

III 2,7

quad er io bi noti

(suntar siu sih qualtin), so managero klndo;

lagi dawalonti,

joh war! in theru suhti

mit grozeru unmahti.

An mehreren Stellen hat der K2 volitiven Nutzwert und bezeichnet ein in der Vergangenheit erwartetes Geschehen: II 8,37

tho quad er thaz sie skanetin, zi themo heresten sin wantin, ther thero thrio sezzo was furisto gimazzo.

II 9,53

quad, er sih inthabete, joh thaz er iz firbari,

III 17,31 quad er ouh bi noti,

ouh wiht imo ni daroti; quad, thar ginuag wari;

thaz man sia steinoti.

Ähnlich II 11,21; V 15,25; quedan hat an diesen Stellen fast die Bedeutung von 'befehlen'. Problematisch sind die beiden Sätze im Ind.: II 6,3

tho druhtin themo man luag,

obaz theih hiar fora quad,

thes in hiar obana giwuag,

thaz er mo harto firsprah;

Der Teilsatz mit quad könnte auch Relativsatz zu obaz sein (so K Ö ) , ebenso der folgende Teilsatz im Ind. PW 353 und VOGT (75) entscheiden sich für den Inhaltssatz. Die syntaktische Abhängigkeit bleibt unklar. II 13,5

"ih gihu", quad er, "in iuih {thaz ir hortut quedan min, ni sagen iz nu ouh thes thiu m i n ) , thaz ih selbo Krist ni bin (*"*}

VOGT (75) betrachtet den letzten Teilsatz als abhängig von den beiden Teilsätzen in der Klammer, also zu quedan und sagen; quedan könnte aber thaz als Objekt haben, etwa "Ich rufe euch als Zeugen an: das hörtet ihr mich sprechen, und nicht weniger sage ich es auch jetzt, daß ich nicht selbst Christus bin.1* Eine andere Interpretationsmöglichkeit s. unten bei jehan. Die indikativischen Inhaltssätze bei Isidor und Tatian sind wohl vom Lat. abhängig (vgl. RANNOW 1888: 81f, FÖBSTER 1895: 24). § 2, Trägersatz modalisiert § 2.1. zielgerichtet Präs. III 26,13 joh quedemes in rihti, thaz iz lobosamaz si f

227

S 2.4. nicht-faktiv eingebettet Prät. III 17,27 quati er man sia liazi, wanta ist ginada suazi, thea urdeiles inbunti, iz alleswio ni wurti: sie zigin nan in wara, thaz er thia altun lera, then wizzod so man horti, in abuh redinoti. Das Komplement ist in ein hypothetisches Konditionalgefüge eingebettet. giquedan § 2. Trägersatz modalislert § 2.4. nicht-faktiv eingebettet Prät. V 7,39 oba iaman thoh giquati

wara man nan dati,

sprehhan Wie bei quedan steht mit einer Ausnahme durchwegs der K. § 1. Trlgersatz nicht modalisiert § 1.1. affirmativ Präs. III 12,17 joh sprechent hiar in riche thie luti ouh sum!line, thu sis gewisse heiler thero forasagono einer, Prät. III 4 , 1 9 thie langun ziti Krist gisah joh ouh selbo zi imo sprah, ob inan giwurti thaz er heil wurti? III 20,63

thanne ouh fön ther menigi

sprachun thara ingegini,

wio suntig man thaz mohti, odouh zi thiu so dohti, thaz er in tberera noti sulih zeichen dati! III 24,73

tho sprachun sumilihe ... bi hiu er ni bidrahtot iz er; bi hiu er sih thes leides er ni warnoti les; bi hiu er ni biwurbi thaz ther sin friunt nirsturbi,

u. . Ein indikativischer Beleg bei Tatian (29,11) steht wohl in Abhängigkeit vom Lat. (s. FÖRSTER T895: 24). In einigen Sätzen kann der K2 auch volitiven Nutzwert haben. In allen Fällen handelt es sich um ein in der Vergangenheit vom Subjekt des Trägersatzes gewünschtes oder erwartetes Geschehen. Da aber auch in Fällen, wo der Inhaltssatzprozeß sicher nicht erwünscht, sondern nur berichtet wird, der K2 steht, kann die Wunsch- oder Erwartungshaltung nur aus dem Kontext bzw. aus dem konsituationellen Zusammenhang erschlossen werden. Eine sichere Entscheidung über die Funktion des K ist daher nicht möglich. Für die folgenden Belege kann daher nur die Möglichkeit eines volitiven Nutzwertes angenommen werden:

228

III 2,21

sprah druhtin zi imo sinaz wort, thaz er fuari tharasun;

thaz er fuari heimort,

Wegen der besetzten Qbjektposition im Trägersatz kann auch ein Verhältnisbezug vorliegen. III 24,97

er sprah tho worton luten thara zi themo doten, zi themo fulen thegane, er stuanti ir themo legare;

In diesen beiden Sätzen liegt ein volitiver Nutzwert besonders nahe (daß er heimwärts gehen solle, daß er vom Lager aufstehen solle). Die Kontextgebundenheit der Interpretationsmöglichkeiten zeigt besonders deutlich die folgende Stelle: I 9,11

sie sprachun thuruh minna al einera stimma, theiz wari giafaronti then fater in ther elti;

Ohne Rücksichtnahme auf den Kontext konnte man diesen Satz als Aussage eines vergangenen Geschehens auffassen ( . . . daß es ("das Kind') den bejahrten Vater ersetzte). Der TextZusammenhang zeigt aber, daß ein in der Vergangenheit erwartetes Geschehen gemeint ist (... daß es den bejahrten Vater ersetzen werde), so daß der K2 hier sehr wahrscheinlich volitiven Nutzwert hat,· darauf weist auch iz so zami in V. 13. Ein Satz hat vollaktualisiertes Komplement: II 339

sin selbes stimraa sprah uns thaz,

theiz sun sin einogo was.

Nach VOGT (1953: 121) ist diese Stelle "ein Beleg gehäufter Ausnahmen": Akkusativobjekt, personaler Dativ und indikativischer Inhaltssatz kommen nur hier vor. Wahrscheinlich tritt hier sprehhan und atimma in lexikalischer Solidarität zusammen, etwa im Sinn von 'sprechend verkündigen 1 (ähnlich ERDMANN 204, KW 557b). S 1.2. negiert Prät. III 26,9 thoh ni sprachun sie in war, thaz sie iro herza iz lertin

thaz sie giloubtin gote sar, joh frammortes iz gikertin,

§ 2. Trägersatz modalisiert § 2.4. nioht-faktiv eingebettet Prät.

IV 29,22

thaz iaman thaz thar spracht

thaz wiht ira firbrachi,

Auch ein Inhaltssatz zu ruafan enthält einen K2: IV 29,4?

thaz niaman thar ni riafi, thaz wilit thar missihulli

sid sia selbe scuafi, thes lichamen folli;

229

4.7.1.1.2. Mittelhochdeutsch Die mhd. Entsprechung von ahd. quedan ist nur mehr vereinzelt, bei Konrad im Trojanerkrieg Oberhaupt nicht mehr· belegt. So bleibt nur sprechen als Fortsetzer der ahd. "sprechen"-Verben. Die Modussetzung hat sich im Vergleich zum Ahd. nicht geändert, das Komplement ist durchgehend teilaktualisiert. § 1. Trägersatz nicht modalisiert § 1.1. affirmativ Präs. 1946 so wont i r doch diu saelde bi und also ganzer wirde Ion, daz von ir sprächet Salomon, wisheit si bezzer denne golt. 5113

wan ez ist ane lougen, daz ir gesprochen tougen hänt wider iuwer euch wip, daz Paris, der hübsche lip, si des werden künges fruht;

24464

si sprechent, daz vil bezzer si, daz iuwer tohter süeze aleine sterben raöeze,

In einem Satz ist als Komplement ein hypothetisches Konditionalgefüge eingebettet: 5508

du sprichest, ob du waerest an miner stat, so weitest du dich fröuwen harte sere ,

Ein K2 in Abhängigkeit zu einem realisierten Konditionalgefuge steht in gendem Satz: 28046

fol-

und sehet ir die selben kint, so sie begent ir höehgezit und sich gezierent widerstrit, ir sprechent sunder lougen, ez würde nie mit ougen so wunnecllch geburt gesehen.

Der K2 bezeichnet hier nicht eine Zeltstufe der Vergangenheit, sondern ein erst erwartetes Geschehen. Die präteritale Komponente gehört der Passivform an: zum erwarteten Zeitpunkt ist das (hier negierte) Geschehen bereits vollzogen (wurde ... gesehen). Dazu tritt das K-Zeichen als Ausdruck der Erwartungshaltung. S. dazu die Erläuterungen und Beispiele bei SCHRÖBLER (38 ). Futuriach-prospektiven Nutzwert kann der K1 haben in:

230

2422 Prat. l»936

("die liute*) sprechent, der sie suochen beginne, daz si vliehe den: zehant als er diu wort gesprach, wie Paris were vunden, do spürt ich an den stunden,

7306

sie sprächen algemeine, daz nie kein fürste würde,

8851

daz si begunde sprechen, wie gar si mOeste brechen ir vater sine lere

11470 die zwene ritter lobellch sprächen z'im da beide, daz si von sinem leide betröebet waren sere, § 2. Trägersatz modalisiert § 2 . 1 . zielgerichtet Präs. 2877t nu sprechent, herre, ob ich da her von hoher art niht körnen sil Ein Konditionalgefüge rait K1 in beiden Teilsätzen ist eingebettet in: 38316 sprich, daz im nienter angest zuo gesige noch gevlieze, ob er daz hemde nieze und er dar in gesliefe bloz. § 2.4. nicht-faktiv eingebettet Präs. 18319 den suln wir also rechen, daz nieman dürfe sprechen, daz unser leit geraeret si.

4.7.1.2.

Typus "sagen"

t.7.1.2.1.

sagen/sagen

4.7.1.2.1.1. Althochdeutsch Bei nicht-modalisiertem Trägersatz steht mit einer Ausnahme ein vollaktualisiertes Komplement. § l, Trägersatz nicht modalisiert § 1.1. affirmativ

231

Präa. I 9,37

... ih sagen thir wio sie datun:

I 12,17

sagen ih iu, guate man, wio ir nan sculut findan,

II 2,15 ih sagen thir wer thaz lioht ist» u. , (nur LPers.) Prlt. I 17,19 sagetun thaz sie gahun sterron einan sahun, II 3,32

theru muater sageta er ouh thaz,

II 7 t 6 t

sliunio sageta er mo thaz,

theiz allaz aines fater was.

thaz er mo er kund was,

§ 1.2. negiert Präa. II 13,6 ni sagen iz nu ouh thes thiu m i n , thaz ih selbo Krist ni bin. Als einzige Ausnahme ist ein Hechsei K / I n d . belegt: IV 26,19

ja saget man thaz zi waru sie scrigtin fön theru baru, thaz lib bigondun sie avaron job stuantun ir then grebiron!

Das Komplement mit dem teilaktualisierten Verb weist sonst keine Merkmale auf, die die syntaktische Abhängigkeit zum Trägeraatz bezeichnen würden. Dazu kommt noch, daß thaz im Trägersatz die Valenzposition für den Aussageinhalt biokkiert ( so daß die syntagmatische Zusammengehörigkeit der beiden Teilaätze atich von der übergeordneten Struktur her nicht bezeichnet ist. In diesem Fall muß die Teilaktualisierung zur Dependenzbezeichnung eingesetzt werden; andernfalls könnte der Satz so verstanden werden, daß die um Christus trauernden Frauen es selbst sind, die behaupten, daß die vom Tode Auf erweckten von der Bahre aufstanden - das soll aber ausdrücklich als Behauptung anderer hingestellt werden. Ist einmal der Ausaageinhalt als Behauptung festgelegt, so kann im folgenden abhängigen Teilsatz wieder der Ind. stehen. - Die wenigen von der lateinischen Vorlage unabhängigen Stellen bei Isidor sind ebenso zu beurteilen. Bei nicht-modal!siertem Trägersatz steht in zwei Sätzen (einmal gegen das Lat.) der Ind.: Is. 557

Genesis saghet huueo abrahames chibot uuas zi sinemu chnehte;

Is. 620

Ih saghem dhir dhazs druhtin dhir ist huus zimbrendi.

Vorlage: adnuntio tibi quod edificaturus alt domu tibi dominus. In einem Satz steht der fC2 als autonomes Zeichen mit prospektivem Nutzwert, bezogen auf vergangenes Geschehen:

232

Is. 439

ioh dhar ist ouh offanliihhost chisaget huueo dhero iudeo quhaltn after christes chiburdi ioh after sineru raartyru quheman scoldi.

§ 2. Trägersatz modalisiert § 2 . 1 . zielgerichtet PrSs.

II 8,45

sage mir nu, friunt rain, wio dati so bi then win,

III 20, 5

nu saget uns in thrati,

IV 21,35

sage thu mir,

Problematisch ist III 20,43

...

wer avur thiz dati,

waz thu nennes thaz war;

die syntaktische Konstruktion bei folgendem Satz i

sage uns nu giwaro,

wio sihist thu so zioro?

joh wer thir dati thia mäht,

thaz thu so scono sehan mäht?

Vgl. die Diskussion der Auffassungen von ERDMANN und PIPER bei VOGT (1953: 155f/Anm. 2}. Ich sehe eine ähnliche Stelle in: IV 7,7

sage uns, meistar, thanne,

wio thiu zit gigange;

zeichan wio thu queman scalt,

Joh wio thiu worolt ouh zigat.

Der Wechsel von K und Ind. ist nur dann verständlich, wenn man bei zielgerichtet modalisiertem Trägersatz autonome Modussetzung annimmt. Der K2 in II 8,45 und III 20,85 hätte dann den Nutzwert einer Annahme mit Vergangenheitsbezug, der K1 in IV 7,7, und IV 21,35 wäre futurisch-prospektiv aufzufassen {etwa im Sinne der Umschreibung mit sculan in IV 7 , 7 ) . Aber auch mit dieser Auffassung sind nicht alle Probleme beseitigt, denn die inhaltliche Interpretation des Moduswechsels in IV 7,7 (Kl - Ind. im letzten Teilsatz) bliebe aufzuklären. Auch die vergleichbaren Stellen bei den anderen "sagen"-Verben geben keine Entscheidungshilfe, nicht zuletzt deswegen, weil nur zwei Belege vorhanden sind (Ind. bei zellen in V 7,63; K1 bei redinon in III 18,35). Ich sehe daher keine zureichende Grundlage für eine Klärung der Funktion der Modussetzung bei sagen nach zielgerichtet modalisiertem Trägersatz. 4,7.1.2.1.2. Mittelhochdeutsch Gegenüber dem And. ist die Zahl der konjunktivischen Komplemente erheblich größer, ohne daß der Ind. gänzlich verdrängt wäre. § 1. Trägersatz nicht modalisiert

§ 1.1. affirmativ Präs.

Ind.: 4982

ez wirt in kurzen stunden an wirde nieman im gelich, swenn ich geaage dem künige rieh, daz er sin kint von adel ist.

233

7030

dar urabe sint mir niht gehaz, ob ieh in sage bi dirre vrist, swaz iu bi mir enboten ist.

8150

ich sage iu, wie man in behuot mit zouber und mit kreften hat,

24328 ich sage dir, friunt, wie man ir gunat erwirbet, 37950 ich sage, wie der helt verdarp, Alle Sätze haben das Trägeraatz-Vf in der 1. Pers, und eine w-fConjunktion. Ein weiterer Satz enthält ein von daz eingeleitetes Komplement: i» 1557 durch daz hän iah die war he i t also «erliohen dir geseit, wie ("BARTSCH: swie*) mich des wise doch min sin, daz ich des selben schuldie bin, des ich mit warheit ane wän gestrafet an minen vinden ban. Nur ein Satz hat ein daz-Komplement und ein Trägersatz-Vf in einer anderen als der 1. Person: 40937 da bi sagent diu maere alsus, daz Ajax Qileus den prls bejaget an snellekeit. Kl:

201t3 von dem seit uns die achrift alsus, ez si genant Dindialus und pflege als adellicher art, daz nie kein tier als edel wart von zame noch von wilde. In zwei fast gleichlautenden Stellen steht in einem Fall der Ind., int anderen Fall der K2 oder K1: 1*9248 von der ("Hermione*) man daz wunder saget, daz si schoener künde sin, dan Helena diu künigin, ir muoter, diu diu schocnste was, die man lender wiste, als ich ez las, 44494 von der man daz ze wunder saget, daz si schoenre künde sin denn Helena diu Königin, ir muoter, diu noch ist erkant diu achoenste gar über alltu lant. Die Hss. a b c d e haben kunne, "richtig" nach BARTSCH.

234

Einmal ist ein K1 nach man^ seit belegt: 6402

man seit, swa tugent noch blueje, da snide man der eren fruht sohier unde balde mit genuht.

5762

wie sich von erst erhüebe daz, daz wirt iu wol her nach geseit.

K2:

17456 uns seit von im diu wäre achrift, er läge uf einem velse hoch, 19268 der selbe sinneriche man wis unde listebsere seit uns hie vor ze asere, ze Troye würde ein helt geborn, 23772 mir daz und vor

seit der waren buoche schrift, kiele vil dar käsen l r gel ende naanen dirre guoten veste.

Sehr oft steht der K2 nach man seit: 2338

man seit, daz si da würde von zorne bleich, grüen unde rot.

3256

man seit, daz er gedaehte vil dicke in sinem muote, wie ...

3924

man seit, daz nie geschüzze so balde ein traoke wilde,

u.ö. Prät. Ind.: 4090

so waren si doch von der art, als ich da vorne hin geseit, daz kein wäfen si versneib, noch verschroten künde.

9702

im was von siner frouwen gar endeliche vor geseit, daz ir edel swert niht sneit

15642 ouch het er war daran geseit, daz er betrüebet was nach ir. Aus dem Kontext geht hervor, da& het hier eindeutig Ind. 21832 ir habent mir hie vor geseit, wie dri götinne wunneclich

ist,

235

ergäben dem gerihte sich, daz ober si von iu geschaeh, 2l(i(36 wie sich die not gevOeget hat, daz hat Apolle uns hie geaaget, u.5. K1:

21970 Ethri, min liebez kamerwip, hat nü vil lange mir geseit, dem volke dem si vür geleit unser gewerp und unser dino. 41&39 Jedooh ist 41643.

dS sageten mir an underbint, daz der troum betiute ein kint, hier betiute wahrscheinlich K2 mit Apokope, vgl. müesteri in V .

KZ;

4760

daz im daz daz si diu die muoter da von was

wunder was geseit, schoenste waere, ie gebaere, er enzöndet

5328

daz von Pärise was geseit, er wsere sines sunes kint.

6936

dö man begunde sagen, daz ir aehs hundert waren, do wart er von den maeren betrüebet sere und angesthaft.

29464

er seite im, wie gefolzzen sin leben allez wsere hin.

29630

ze Troie wart von im geseit, daz er da komen wäre, des wart Hector der maere von herzen siner kQnfte vro,

47199

er sagete in ze mere, daz Troie gestiftet wäre also von dem ersten man, der si erste stiften began, der waere geheizen Ilius,

47204

dem baten {*A hatte, c d hat, b nett") sine gote alsus ane Widerrede geseit C * , " ) mit endehafter warheit (* ") würde bräht dar in die stat ein hölzin ros, ...

236 § 1.2. negiert Präs. Ind.: 7380 lehn mac ez halbez niht gesagen, waz Wirtschaft in da wart geboten. Ind. - K2: 49706 wie ez im dar nach ergienge do öd waz er schuof bi sinen tagen, dez enkan ioh niht gesagen. K2: 37929 sit Nestor niht wil sagen des, waz min vater Hercules wird unde lobes erwürbe und wie sin lip erstürbe, S 2, Trägersätz modalisiert § 2 . 1 . zielgerichtet Präs. Mit einer Ausnahme sind nur teilaktualisierte Inhaltssätze belegt: Kl: 1866 sag iuwer iegelichiu mir, waz an si wirde si geleit. 17927 Ouch heizent in daz, herre, sagen: daz iuwer vater si erslagen, daz bringe iu leides niht so vil, 38300

da bi so künde im unde sage, ez si für alle sweere so rehte helfebaere,

38306

du sage im ouch ze tiute, er si ein vrecher Jungellnc,

38320

sag ime, ez si mit künsten gröz vür schedeliehen pin geworht, er müge beliben unrevorht vor grimmen noeten alle tage,

11(860

nu sage, vil herzenliebez k i n t , ob dir niht sanfte were,

K2:

Ind.: 36524 vür war ich iu daz sagen wil, daz ir mich aluogen (°b c d e sluogent, a stachent*) ane schult, P rät. Nur zwei Belege rait K2 sind vorhanden. 22558

{'Paris'} hiez dem künige Priarao diu maere idinden unde sagen, daz er wäre bi den tagen mit eren kumen in daz lant

237 40662

('Achilles*) hiez in da sagen diu rehten mere, wie ez ergangen were.

§ 2.4. nicht-faktiv eingebettet Prät. Nur der K2 ist belegt. 47828 im wäre mit wärheit geseit, er wäre worden des in ein, das ... 48477

von den in so groz ungemaoh, leit und daz laster geschach, daz man niemer dannen hin ze mere müeste sagen von im, wie.groz laster si in irn tagen von Troiaren müesten tragen.

Die Modusverteilung im Komplement zu Trägersätzen mit sagen erweist eine deutliche Zunahme der Teilaktualisierung, wobei ein auffälliger Zusammenhang mit passivischen und unpersönlichen Ausdrücken im Trägersatz besteht - in diesen Fällen wird fast durchwegs der K gesetzt. Diese Ausdrücke legen das Trägersatzverb auf die lokutive Lesart fest, so daß die Modusopposition den Unterschied von deklarativer und lokutiver Sprecherhaltung wiedergibt. Die lokutive Sprecherhaltung kann aber auch durch Ausdrücke induziert sein, die das Geschehen ausdrücklich als Erzählung oder Bericht ausweisen (märe, a_chr_i_ft_). In diesen Fällen wird das Komplement in der Regel teilaktualisiert; daß aber auch hier die Modusopposition autonome Punktion hat, zeigt die deklarative {vollaktualisierte) Variante V. 40937fr, Die Sonderstellung der 1. Pers. Präs, ist durch die vollaktualisierten Komplemente erwiesen. Abweichungen in der Zeitenfolge können immer auf temporale Unterschiede zwischen Haupt- und Nebensatzgeschehen zurückgeführt werden. Einige Stellen müssen noch besonders besprochen werden. Für den Moduswechsel in V. 49248ff - 4449^ff sehe ich keine schlüssige Interpretation. In V. 49249 könnte künde freilich auch eine nicht-umgelautete K2-Form sein (PAUL 1975: 4 4 ) , so daß künde/künde nur graphische Varianten sein könnten. Vielleicht kann man die eindeutigen K1-Lesarten der Hss. a b c d e in V. 44945 als Stutze dieser Interpretation verstehen - die unpersönliche Konstruktion im Trägersatz 1st immerhin ein Hinweis auf die Teilaktualisierung. Die Tempuavarianten zeigen hier besonders deutlich den verschiedenen temporalen Wert der beiden Formen, vgl. die VV. 49251 - 44497 ( d l u die seheenst was - diu noch ist erkant). Bei prgteritalen Trägersätzen scheint die lokutive Sprecherhaltung oft mit Ausdrücken von besonderem emotionellem Gehalt verbunden zu sein {W. 21970ff, 4?60ff; ev. auch 47204ff). In den anderen Pillen ist die lokutive Sprecherhaltung mit unpersönlichen Ausdrücken und maere verbunden (bei VV. 6938 und 29632 ist die ErzählPerspektive erst im dem Satzgefüge folgenden Satz bezeichnet). Eine besondere emotioneile Stellungnahme liegt wohl auch in V. 29464f vor.

238

Ein modalisierter Tragersatz 1st in beiden Sprachstufen mit teilaktualisiertem Komplement verbunden. Die Modussetzung bei negiertem Trägersatz kann mangels and. Belege nicht beurteilt werden. Die mhd. Sätze weisen allerdings auf eine Modusopposition mit autonomer Funktion, wobei das Modalverb in V. 37929 wohl für den K2 ausschlaggebend ist, möglicherweise auch in V. ^9708 hier hat der Moduswechsel wahrscheinlich einen subtilen stilistischen Wert (wie es ihm ergangen sein mag oder was er getan hat). lt.7. U2.2.

jehan/jenen

Ji. 7.1.2,2.1. Althochdeutsch Bei Otfrid können nur drei Stellen ausgewertet werden. S 1. Trägersatz nicht modalisiert § 1.1. affirmativ Präs. II 13,5 "ih gihu", quad er, "in iuih (thaz ir hortut quedan mih, ni sagen iz nu ouh thes thiu m i n ) , thaz ih selbo Krist ni bin C«*} Die syntaktische Konstruktion ist an dieser Stelle problematisch {s. oben zu quedan}. Wenn man der Interpunktion der Herausgeber folgt, so ist der letzte Teilsatz indikativisches Komplement zu jehan ("Ich sage euch", sprach er, "das habt ihr ("schon immer') von mir sagen gehört, und ich behaupte es auch jetzt nicht weniger, - daß ich nicht seibat Christus bin."). Möglich ist aber auch gemeinsame Abhängigkeit zu jehan und sagen, wenn die Inhaltsvalenz von quedan durch thaz ausgefüllt ist. Selbst bei vorsichtiger Interpretation kann man wenigstens auf die Gleichheit der Konstruktion zu jehan und sagen schließen, so daß dieses Satzgefüge einen Beleg mit vollaktualisiertem Komplement gemeinsam für sagen und Jehan repräsentiert. Prät. I 27,17

jäh er tho sos iz was,

Der so-Satz steht hier an der Stelle einer Inhaltsvalenz. § 2. Trägersatz modalisiert § 2.4. nicht-faktiv eingebettet Prlt. Nur der K2 ist belegt: II 6,^3

ob er sih thoh bikanti, zalt iz allaz ufan sih:

jahi sos er dati, ni wurtiz alles so egislih;

Zur syntaktischen Konstruktion s, oben I 27,17.

239

Die zitierten Stellen sind kein ausreichender Ansatz für eine einigermaßen sichere Interpretation der Modussetzung; in II 13,5 steht Jehan zudem in der 1, Fers. Präs, Immerhin machen die Klassenzugehörigkeit von Jehan und die Stelle I 27,17 eine syntagmatische Modussetzung eher unwahrscheinlich. 4.7.1.2.2.2. Mittelhochdeutsch S 1. Trägersatz nicht modalisiert § 1.1. affirmativ Präs. Mit einer Ausnahme steht durchwegs der K T :

3134

swie vaste ir beide von im jehent, daz.er ein armer hirte si, so ist er doch von adele vri

38368 si gibt, du sist ein vrecher man, der griuweliehiu dine beste, 46674 die beginnent des nu jehen, al diu not, in der wir sin, diu schulde ai aleine min. Zusammen mit sprechen steht ein konjunktivisches Komplement in: 21610 swie man doch sprichet unde giht, daz er iuwer neve si. Wegen des konjunktivischen Relativsatzes ist das Komplement wohl auch teilaktualisiert in: 18284 si jehent unde spreehent, swaz iu ze leide si getan, des wellent si ze buoze stan vil selten oder niemer. Lesarten zu V. 18268: b wellens uch, a wejJLenc z ucji, e wollen sie jjch, d Ion t uch hie. BARTSCH schlägt die Lesung des welj-ens lu vor. Ind.:

23618 von waren schulden ich des gihe, daz nie so groze reise

dur schedeliche freise wart Gf geleit den liuten. Prät. Das Komplement ist

durchwegs teilaktualisiert.

K2:

8834

sie Jach, daz er niht wDrde erlöst

240

durch ir helferichen list. 15638

er Jach der minnecliehen des vür ein gewlslich Beere, daz sin gemüete vere nach ainer muoter ungemeit.

45644

daz der mit rehten triuwen jach, daz ir vast ernest waere.

Einmal steht jehen zusammen mit denken im Trägersatz: 23048

verjehen: 3232

... do dahte er unde jach ( daz er nie wip gesaehe so luter noch so wache, so die vil clären künigin. dö Venus, diu vil clare, verJach von im der wünne, daz er von ade1s künne wsre und eines küniges barn,

K2/1: 48886

do begunde sie verjehen wisliche nach wiser art, daz Agamennon uf der vart verlöre den lip, liut unde guot und daz der degen hoehgemuot Menelaus siniu lant gewinne wider in sine hant,

Der Wechsel von f(1 und K2 ist schwer zu interpretieren. Die Has. a b e haben gewunn, also K2, was BARTSCH für die richtige Lesart hält. Andernfalls könnte der Kl ein im Vergleich zu Agamemnons Tod nachzeitiges Geschehen bezeichnen, das durch die Prophezeiung Kassandras futurischen Wert erhält, also etwa "Sie begann zu verkünden, daß Agamemnon auf der Reise das Leben ... verlieren würde und daß der edle Held Menelaus sein Land wiedergewinnen werde". Vgl. dazu SCHRÖBLER (359); aber auch der K2 könnte hier prospektiven Nutzwert haben (363f). Im einzigen Beleg mit vollaktualisiertem Komplement ist die Lesung fraglich; 49178

und daz und daz

daz man daz begunde Jehen, die fruht von Fr£amo er verdorben wären so, man ...

Ha. a hat was, e hat were; nach BARTSCH ist § 2. Trägersatz modalisiert S 2.1. zielgerichtet

waren zu lesen.

241

Präs. Mit einer Ausnahme sind nur vollatctualisierte Komplemente belegt; 41986 da von muoz ich von wärheit jehen, daz ich dulden muoz vür war miniu zit und miniu Jar 44334 ich muoz von ganzer wärheit jehen, daz nie ein armez w£p gewan einen herzelieberen man, 44604

... ich wil des jehen, daz der gote gewalt ir ungenade manicvalt hant geleit uf mich ze gröz,

46434

so möezen wir von wärheit jehen, daz nie st at noch lant erleit so janerlichiu herzeleit,

In dem Beleg mit teilaktualisier t em Komplement steht der K1 wohl wegen der Negation im Träger sät z: 10866 dar umbe darf nieman des jehen, diz märe daz ensi niht war, P rät. Kur der K2 ist belegt: 15324 die megde ir alle zarten begunden unde muosten Jehen, daz von in würde nie gesehen kein maget so luterbzre, 26439

daz si daz beide muosten jehen, mit ougen würde nie gesehen kein hus so küni cliche z mer.

33074

swie Paris da niht wolte jehen, daz manheit an im

§ 2.4. nicht-faktiv eingebettet Präs. 3088 swer iemer des getörre jehen, er künne vihes hüeten, Prät, 49445 ... , daz si daz mShte jehen, daz im ouch leide waer geschehen dar an, daz ...

Nach BARTSCH ist jähe für jehe_ zu schreiben in

242

27104

man jene, daz kein ritten dem gelich ze Kriechen

Die Modussetzung bei mhd. jehen zeigt gegenüber dem Ahd. eine bemerkenswerte Verschiebung zu Gunsten des K. Man kann nach aller Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, daß jehan bei Otfrid wie ein sagen-Verb konstruiert wird; auch die lat. öbersetzungsgrundlagen bei Tatian, Isidor und Notker entsprechen dem sagen-Typus. Die teilaktualisierten Komplemente bei Konrad zeigen, daß jehen durchwegs in der lokutiven Variante gebraucht wird (wieder mit Ausnahme der 1. Fers. Präs. in V, 23618), ohne daß die Fixierung der lokutiven Lesart wie bei jagen durch eigene Ausdrücke (mere_, schri ft , unpersönliche Wendungen) im Trägersatz geleistet wird. Man wird daraus entnehmen können, daß der Übergang zum sprechen-Typus bereits stattgefunden hat; ein weiterer Hinwels darauf ist das gemeinsame Vorkommen von sprechen und Jehen in V . 21610. Der Ind. bei den präsent i sehen modalisierten Träger sät zen zeigt wiederum die Sonderstellung der 1. Pers. Präs.; bei präteritalem Trägersatz wird ausschließlich der FC2 gesetzt. Die Aufhebung der autonomen Modua Opposition weist wahrscheinlich auf den Grund des Aussterbens dieses Verbs, die dadurch entstandene Synonymität von sprechen und jehen . 4.7.1.2.3. zellen Während zell_en bei Otfrid sehr gut belegt ist,

kommt dieses Verb bei Konrad

sehr selten vor. Dazu kommt noch, daß in diesen wenigen Stellen entweder kein Inhaltssatz vorhanden ist oder die Modusfonn nicht eindeutig feststeht. Zudem hat zellen auch öfters die Bedeutung "zählen*, so daß auch hier keine VergleichsmSgliehkeit vorhanden ist. Es können hier nur die ahd. Sätze ausgewertet werden. Die Modusverteilung zeigt hier deutliche Merkmale des sagen- Typus, das Komple-

ment ist mit wenigen Ausnahmen vollaktualisiert. § 1. Trägersatz nicht modali giert § 1.1. affirmativ Präs. I 3 »3 zellent sie uns hiar filu frans, II 12,55

zellen wir iu ubar jar thaz wir sehen rehtaz;

II 23»2?

in zell in thanne in gahun, theih er sie hal ju lango

wio selbo er hera in worolt quam,

tahz wir wizun alawar, thaz si mir kund ni warun,

u. 5.

In allen weiteren Trägersätzen kommt noch vor:

steht das Vf in der 1. Pers.; mit 3. Pers.

13t53 K1: V 19,22

zelit thir iz Lucas waz iro thing thar tho was, was sine scalka in feste thar kosotun mit Krlste, er zelit bi thaz selba thing,

Der K1 ist hier autonom mit Gericht berichtet).

thaz thar si mlhilaz githuing;

prospektivem Nutzwert

(es wird vom Jüngsten

K2:

I 3,16

(°thie buach") zellent uns ouh marl,

sin sun sin fater wari:

Wegen der fehlenden Konjunktion könnte der K2 syntagmatisches Zeichen sein; wahrscheinlicher ist aber die Annahme einer lokutiven Variante mari zellen. IV 36,13

so zellent sino guati,

thaz er fön tode irstuanti,

Der K2 hat hier autonomen Nutzwert eines Zeichens f3r ein nur angenommenes Geschehen (die Hohenpriester selbst glauben nicht an die Auferstehung Christi). P rät. II 7,69

wanta ih thir ... zalta,

II 1^,56

thinu wort nu zelitun,

II 19,1 u. .

zalt er ouh tho thuruh not,

thaz ih thih er irkanta, thaz man thir er si sagetun wio ther wizzod gibot,

Die restlichen Belege für den Ind. stehen nicht in der 1. Pers. K2: III 2,27

zaltun imo ouh innan thes

thaz rehto in alawari

thrato filu liebes,

sin sun gineran wari.

IV 13,29

tho zalta Krist thia herti, theiz alleswio wurti, bald! sines muates joh ellenes guates:

V 9,^5

... fön Kriste sulih zelitun, er all iz so irfulti Joh selbe sulih thulti;

V 9,55

zalt in thes ginuagi

welih es io giwuagi,

In allen diesen Sätzen ist die Annahme eines autonomen Nutzwertes des K unwahrscheinlich. Der Vergleich mit den vollaktualisierten Belegen zeigt nun, daß hier die Objektsposition des Tragersatzes bereits aufgefüllt ist, so daß der Inhaltssatz als dependent bezeichnet werden muß. Auffällig ist, daß die Dependenzbezeichnung durch Teilaktualisierung auch dort vorhanden ist, wo die syntagmatische Abhängigkeit bereits durch eine NS-Konjunktion bezeichnet ist ialle Sätze außer V 9,^5). In drei Satzgefügen ist ein Hinweis auf eine auto-

244

norne Modusfunktion vorhanden: IV 18,30 zalt iu in giwiaai,

thaz er then man ni wessi;

Die Stelle handelt von Petrus' Verrat, der K2 wird als Zeichen der Sprecherdistanz eingesetzt. In den beiden anderen Sätzen hat die Teilaktualisierung zielgerichtete Funktion und verstärkt damit den Ausdruck der Modalverben: IV 6,55

zalt er ouh then mannon, wie er se wolti minnon, io then selben liutin, oba sie iz ni widorotin.

Im Letzten Teilsatz hat der K2 prospektive Funktion, IV 26,11

bigondun odo zellen ziu then sie scoltin quellen, ther fruma in io gimeinta

§ 2. Trägersatz modalisiert § 2 . 1 . zielgerichtet Präs. Ind.: V 7,63 zel in, thu der boto bist, er got joh iro fater ist, Kl: IV 5 j 1 hiar seal man zellen noti thie geistlichun dati • ·· waz thaz fihu meine, thiu wat ouh hiar bizeine, IV 11,17

nah ni tharf man zellen in thiu wir thar irwellen, ni bunsih wafan nerien, gisten wir unsih werien.

K2: III

17,17

nu zeli uns avur follon

thaz thinaz girati,

hiar then thinan willon,

waz iz theses quati;

Die Modusvarianten deuten auf eine vorhandene Modusopposition mit autonomer Funktion. Der K in IV 5,1 und III 17,17 ist wie auch in anderen Fällen mit dem eingebetteten Fragesatz verbunden; in IV 14,17 liegt wohl der Nutzwert einer bloßen Annahme vor. Das vollaktualisierte Komplement in V 7 , 6 3 zeigt deutlich den deklarativen Gebrauch. Die präteritale Form des K in IV 17,17 bleibt aufzuklären. Die Annahme eines hypothetischen Nutzwertes halte ich für unwahrscheinlich. § 2,4. nicht-faktiv eingebettet In allen Sätzen hat die Teilaktualisierung wohl die Funktion eines Einbettungszeichens , Präg. Kl: IV 20,19 zelle ouh in giwissi, thaz er selbo Krist si,

245

Prät. K2; II 11,65 III 24,61

»*· ni was im thurft thera fraga, thaz imo iaman zalti, waz marines herza wolti; gibot er sie mo zelitin,

wara sie nan legitin

Im letzten Satz könnte der K2 auch autonomen ( v o l i t i v e n ) Nutzwert haben (wohin sie ihn legen sollten). Ein Beleg für ir zollen sei hier angeschlossen. Nach negativem Tragersatz steht das Komplement im Ind.; V 22,13

ni mahtu irzellen thaz in war,

wio filu thu liebes sihist thar;

l*. 7.1.2.4. redinön/rediön Auch hier sind bei Konrad keine auswertbaren Belege vorhanden. Meist wird das Substantiv rede verwendet; unter den seltenen verbalen Belegen enthält nur einer einen Inhaltssatz, und hier ist die Modusform nicht eindeutig. Auch BMZ (2/1, 601f) zitieren nur drei Belege mit Komplement (zwei davon mit K2 nach nicht-modalisiertem priteritalem Trägeraatz). Die Zugehörigkeit zum sagenTypus ist f3r das Ahd. gesichert; jedoch sind schon bei O t f r i d deutliche Merkmale einer Typenlnderung vorhanden (s. VOGT 1953: 1 9 6 f f ) , die bereits im Frühmittelhochdeutschen vollzogen ist. Nach den Materialien des Frühmittelhochdeutschen Wörterbuches übersetzt reden lat. loquor, colloquor, intonare, consonare - alles eindeutige Sprechen-Verben. Weiters deuten auch Wendungen wie franzeis reden (Pz 329|13) und das gemeinsame Vorkommen von reden und sprechen auf den Sprechen-Typus im Mhd. Die insgesamt wenigen Belege bei Otfrid stimmen jedenfalls noch genau zum sagen-Typus. § 1. Trägersatz nicht moralisiert § 1.1. affirmativ Präs, II 7 , l biginnu ih hiar nu redinon, wio er bigonda bredigon. Prät. III 12,9 sie imo redinotun waz sies alle hortun, § 2. Trägersata modalisiert § 2.1, zielgerichtet Präs, Kl:

I 1,60

ni tharf man thaz ouh redinon,

III

nu bigin uns redinon, wemo thih wolles ebonon, wenan thih zelles ana wan, nu gene al eigun sus gidan?

18,35

thaz fCriachl in thes giwidaron.

246

§ 2.1. nicht-faktiv eingebettet Prts. Ind.: I 2,7 joh ih biglnne redinon, wio er bigonda bredigon, PrSt.' K2: V 23,1 wolt ih hiar nu redinon {ni mag 1z thoh irkoboronl),

wio managfalt gilari

in himilrichi war!,

wolt ih ist hier wolti ih. Die Interpretation der Modusunterschiede bei modalisiertein Trägeraatz iat problematisch. Der K2 in V 23,1 acheint mir ziemlich aicher Einbettungazeichen zu sein; ebenso aicher iat die deklarative Sprecherhaltung bei den vollaktualisierten Komplementen. Hingegen kann nicht sicher entschieden werden, ob der Kl in I 1,60 und III 18,35 von den modalen Ausdrücken der Trägeraätze abhängt oder ob er einen eigenständigen modalen Wert bezeichnet. Nach dem Kontext zu urteilen, würde ich eher diese letztere Möglichkeit vorziehen. Das würde dann bedeuten, daß die Modusopposition bei redinon/redion auch bei modalisiertem Trägersatz vorhanden sein kann. Der einzige Beleg für irredinon hat bei nicht-modal!siertem negierten Tr3gersatz ein vollaktualiaiertea Komplement: V 23,191

ni mag man nihein irredinon

wio thar ist gotes theganon,

it,7.1.2.5. künden/künden Das Komplement ist meistens, wie es dem sagen-Typus entspricht, vollaktualisiert, it.7.1.2.5.1. Althochdeutsch § 1. Trägersatz nicht modalisiert § 1.1. affirmativ Prät. Ind.: I 16,17 si kundta thar sos iz was,

thaz in thlu fruma queman was,

I 25,10

kundta imo, er iz wolta,

II 3,25

sie kundtun thar then liutin, thaz in was queman herasun ther gotes einige sun.

u.9. K1: I 8,20

kundt er imo in droume,

iz ouh so wesan scolta,

er thes wibes wola goume.

247

Der Kl hat hier eindeutig zielgerichteten Nutzwert, vgl. Mt 1,20: Der Engel verkündigte Josef, "er solle für seine Frau gut sorgen". Auffällig ist die Präsensform des K im Vergleich zum K2 im folgenden Vers. IV 23,25

wanta er gikundta herasun,

thaz er si selbo gotes sun,

Der ~!t 1 ist Zeichen der Sprecherdistanz; die Priester, die von Pilatus die Kreuzigung Christi fordern, leugnen seine Herkunft von Gott, gikünden wird daher in der lokutiven Lesart gebraucht. Auffällig ist wiederum der präsentisehe K. K2: I 17,12

joh kundtun ouh tho mari,

thaz er ther kuning wari;

Die Wendung marl künden ist lokutiv, daher der K2. Für den Wechsel K1/2 in den letzten drei Satzgefügen weiß ich keine Erklärung. Nach der Zeitenfolge mußte man Oberall K2 erwarten. I 17,69

kundtun sie uns thanne, so wir fimeinen alle, gilouba in girihti in theru wuntarlichun gifti: thaz er urmari uns ewarto wari, ouh kuning in giburti Joh bi unsih dot wurti.

Auch hier betrachte ich den K2 als Zeichen für die lokutive Lesart von künden. Auch die Mehrzahl der Sätze mit ehtmden bei Isidor hat erwartungsgemäß ein vollaktualisiertes Komplement: 96

Dhanne ist nu chichundit, dhazs fona dhemu almahtigin fater dhurah inan ist al uuordan, dhazs chlscaffanes ist.

248

Dhazs ir chichunda dhazs dher selbo gheist ist

559

In dhemu uuorde chundida ir ..., dhazs ir in sines edhiles fleische quhoman scolda uuerdan.

got.

Auch bei zielgerichteter Modalität (Adhortativ) steht der Ind.: 379

Hinan frammert nu chlchundemes, dhazs ir selbo gotes sunu uuard in liihe chlboran.

Einmal ist ein K2 belegt: 348

Dher selbo forasago auh in anderu stedi ohundida, dhazs ir dhera dhriniasa chiruni bichnadi,

Die Funktion des K2 kann hier nicht sicher bestimmt werden. Die Teilaktuallsierung könnte lokutive Funktion haben, aber auch ein zielgerichteter Hutzwert kann erwogen werden.

248

4.7.1.2.5.2. Mittelhochdeutsch Die allgemeine Entwicklung der "sagen"-Verben zeigt sich auch hier. Vollaktualisierung ist zwar noch immer die Regel, aber die Anzahl der teilaktualisierten Inhaltssitze ist deutlich größer. § 1. Trägersatz nicht modalisiert § 1 . 1 . affirmativ Präs. Ind.: 1942H wie die genennet wären, daz künde ich iu mit rede alsus. K2:

19678

wie si genennet ware, daz künde ich iu mit rede sä:

Auch aus dem Kontext kann kein Bedeutungsunterschied zwischen diesen beiden Stellen erschlossen werden. Wegen der 1. Pers. Präs, wird hier der K2 auch wohl kaum Zeichen der lokutiven Sprecherhaltung sein. K2 und Ind. scheinen hier freie Varianten zu sein. Ein vollalctualisiertes Komplement ist noch einmal belegt in: 14282

da von 30 bite ich unde ger, daz ir mir kQndent die getat, wie sin junger hat ein ende genomen unde wie,

P rät.

Ind.; 7858

ir wart alrerst gekündet» waz minne was und ir gewalt;

37878

wie der genas und der verdarp, des wart von im gekündet gnuoc.

5800

so was von im gekündet von Protheo, dem wissagen, daz er ze Troye würde erslagen und daz er da gelaege tot.

26256

Troiaren wart gekündet, daz da gezierde waere vil.

K2:

Der K2 in V. 5802 ist wohl autonomes Zeichen mit prospektivem Nutzwert; im folgenden Satzgefüge ist die Teilaktualisierung wahrscheinlich Zeichen der lokutiven Sprecherhaltung. § 2. Trägersatz modalisiert In den Trägersitzen ist jcünden nur zusammen mit sagen belegt. § 2 . 1 . zielgerichtet

219

Präs. Kl:

38300

da bi so künde im unde sage, ez si für alle swsere so rehte helfebaere,

13095

wie daz geschaehe bi den tagen, daz länt i u künden unde sagen,

K2:

Prät.

K2: 22558

('Paris') hiez dem künige Priamo diu raaere künden unde sagen, daz er waere bi den tagen mit eren kumen in daz lant und daz er hohen prisant mit im gevüeret naete,

Die teilaktualisierten Inhaltsaätze vergleichen sich mit den entsprechenden Fallen bei sagen. Die Ursache der durchgehenden Teilaktualisierung ist nicht ganz sicher aufzudecken. Es liegt natürlich nahe, die K-Setzung aus der Modalität des Trägersatzes abzuleiten - dagegen spricht zunächst nur der eine vollaktualisierte Beleg bei sagen, und hier kann der Ind. wegen der 1» Pers. Präs, gesetzt sein. Dennoch scheint mir die Deutung der Teilaktualisierung als Zeichen der lokutiven Sprecherhaltung nSherliegend. In allen diesen Fällen handelt es sich nicht um ein Geschehen, das für den Sprecher als aktuell gilt und einer anderen Person zur Kenntnis gebracht werden soll; das Inhaltssatzgeschehen iat nicht der Sachverhalt selbst, sondern die Äußerung dieses Sachverhaltes von einer vom Sprecher verschiedenen Person. Die im TrSgersatz bezeichnete Absicht richtet sich nicht direkt auf den im Inhaltssatz genannten Sachverhalt, sondern auf dessen Äußerung - und insofern iat es auch berechtigt, die K-Setzung mit der TrSgersatzmodalltat in Verbindung zu bringen. Die Trägersatzmodalität hat aber hier nur vermittelnde Funktion, sie ist keine direkte Quelle der Komplementsatsmodalität. Nach dieser Interpretation ist im Komplement zu mhd. künden eine Modusopposition vorhanden, wobei der K als autonomes Zeichen entweder die lokutive Sprecherhaltung bezeichnet oder die geläufigen Nutzwerte hat. Diese Verhältnisse entsprechen damit genau dem "sagen"-Typus im Mhd. .7.1.3Abschließend seien noch einige Verben bzw. Wendungen besprochen, die keine genauen Entsprechungen in der anderen Sprachstufe haben. Ich stelle daher alle Ausdrücke nur getrennt nach den beiden Sprachstufen zusammen. 4.7.1.3.1. Althochdeutsch § 1. Trägersatz nicht moralisiert § 1.1. affirmativ Präs.

250

wis(i) duan Kli I 3,15 II 14,55

thio buach duent unsih wisi, oin muat ... duat mih wis,

er Kristes altano si, thaz thu forasago sis;

III 12,11 sume ... duent sie wis, thaz thu Hieremias sis; (lut)mari duan K2: I 19,23 in buaehon duat man mari, er fiar Jar thar wari: II 13,28

giduent sie lutmari,

thaz er io druhtin wari.

III 20,55 thio bouh duent thar mari, theiz sambazdag tho wari, reken K1: V 25,66 biginnent fram thaz rechen thaz sie thaz guata theken; Prat. (lut)mari duan K2: I 17,20 joh datun filu mari thaz er sin wari. I 27,1 III

thie liuti datun mari,

thaz Johannes Krist wari,

14,107 joh sie datun mari thaz er firnoman wari, joh er den diufal habeti bi thiu thiz allaz sitoti.

IV 34,18

joh deta lutmari,

er gotea sun wari.

Zwei Wendungen sind deklarativ gebraucht und haben vollaktualisiertes Komplement: III 4 , 4 7 wis duan: III 24,85

er tho in alawari then liutin deta mari, thaz iz was ther heilant ther inan thes seres inbant. thih deta ih mithont ... wis, oba thu giloubis, thaz thu gisihis gotes kraft

Im letzten Satz ist wohl das lat. Futur die Ursache für den deklarativen Gebrauch: J 11,40 dicit ei Jesus: nonne dixi tibi quoniam si credideris, videbis gloriam del? In III 4,^7 wird hingegen auch gegen das Lat. der Ind. gesetzt, J 5,15 et nuntiavit Judaeis, quia Jesus esset, biheizan

K2: IV 16,19

... biheizun sih mit worton, thaz man nan gigiangi, mit niawihtu er ningiangi.

251

IV 30,9

wola welng, zi zorne

bihlaz sih ther ju wanne,

joh thaz er mohti avur thar Iz eino irzimboron sar, job dati thiu sin guati theiz tbritten dages stuantil bouhnen K2: I 4,77 I 9,24 irdeiien K2: IV 6,13

IV 24,35

the was er bouhnentl, nales sprechenti, thaz menigi thes liutea fuari heimortes. sie warun bouhnenti,

wio er then namon wolti.

sie iz ouh tho gimeintun joh in aelbo irdeiltun, thaz man thia fruma in nami inti anderen gabi. tho irdeilt er thaz sie datin

so sie thar tho bat in;

irdeilen steht bereits den Ausdrücken für Befehl und Verbot {unten 1,7.7.f) nahe. giwago wer dan ( K 2 ) I 3 »37 ifo dago ward giwago fön alten wizagon, thaz sie uns heran scolti ther unsih giheilti; § 1.2, negiert Präs. Kl: II 12 ( 19 then ingang er ni ruarit thaz er sih frewe muates

joh sih thes nl ruafflit, thes ewingen guates.

§ 2. TrSgersatz modalisiert § 2.1. zielgerichtet PrSs. w i s ( i ) duan K1: I 27,29 gidua unsih ... thoh nu wis, I 27,37

thes gidua thu nu unsih wis,

III 20,51 u. .

dua unsih ,., wisi,

oba thu forasago sis? wer thoh manno thu sis;

war ther selbo man si.

lutmari duan Kl: IV 37,31 giduemes lutmari mennisgon in wari, thaz worolt wizzi thaz guat § 2.4. nicht-faktiv eingebettet PrSt.

252 KZ

III 5,12

quadun dati mari, thaz got sin fater war!, job io bi noti aih druhtine ebonoti in werkon ...

III 17,29

sie zigin nan in wara, thaz er thia altun lera, then wizzod so man hortl, in abuh redinoti.

IV 20,17

quadun sin bihiazi,

er gotes aun hiazi,

Alle Verben bzw. Wendungen gehören zum "sprechen"-Typus und haben daher ein teilaktualisiertes Komplement; Lediglich bei mari_duari und wis duan sind deklarative Varianten belegt. Das scheint aber eher die Ausnahme zu sein; der lokutive Gehalt dieser Wendungen ist sonst vorherrschend. 4.7.1.3.2.

Mittelhochdeutsch

§ 1, Trägersatz nicht modalisiert § 1.1. affirmativ Präs, kunt tuon Ind.: 5251 so wirt iu sunder· valschen wan von im ze rehte kunt getan, daz Paris, der knappe guot, ist iuwer kint und iuwer bluot. Prät. kunt tuon/werden Ind.: 20768 er tet ir da mit schrifte kunt, daz in ir minne Qf jamer treip. 21692

daz tet mir kunt vil schiere da, daz ir beswaeret säzent und daz ir min vergäzent vil selten in dem muote.

23386

do wart in allen schiere kunt, daz si vil schone sich versan,

41117

nu wart Achilles kunt getan, wie der künic dur in dar kam.

Ind./Kl: ^985^

daz ist den Hüten daz uns diu muoter allez sament nider und uns ouch gnade

allez worden kunt, der erbarmherzekeit hat geleit erwerbe aö

Der K1 hat hier füturisch-prospektiven Nutzwert.

253 K2: 19644

man seite ir unde tet ir kunt ze o«re und ouch ze tiute, ez waren vremde liute geschiffet Qf dem wäge dar, daz fitter nie so wunnevar noch so kürlich würde.

19652

da bi so wart ir kunt getan, ein herre der VBET under in gegangen in daz tempel hin, der siah uf eren flizze und uz in allen glizze,

19795 do was zehant diu minne da und tet im kunt, daz Helena da kaeme bi den stunden. 286l6

daz si den helt Achillen

Verliesen müeste bi der stunt, daz tet ir sin gebwde kunt.

u.ö. Der Modusunterschied weist mit Ausnahme von V. 49854ff auf den Unterschied von deklarativer und lokutiver Lesart. Die lokutive Lesart ist durch sagen deutlich in V. 19644, Besonders in den vollaktualisierten Stellen ist der ursprüngliche Sinn von kunt tuon 'bekannt machen' noch zu erkennen. Problematisch ist vielleicht V. 28616ff, wo es sich nicht um eine sprachliche Äußerung handelt. Hier könnte die Gebärde anstelle einer sprachlichen Äußerung stehen, so daß man auch hier mit einer lokutiven Bedeutungsnuance rechnen kann. Ebenso möglich ist aber auch ein autonomer Nutzwert als Zeichen für ein mit Notwendigkeit sich in der Zukunft vollziehendes Geschehen. enbieten Ind.: 48080

si enbuten Troiseren gemeinliche, als diu warheit giht, daz zi daz bilde fürbaz niht fuorten,

K2: 43958

(*die fürsten*) enbuten in daz her dan sinen, daz si kaanen und ir herren töten namen, als ez gezmne ir wirdekeit.

Die Stelle ist in dieser Form nicht eindeutig aufzulösen. Die Hss. b e d haben V. 43958 ginem statt in daz, das Objekt müßte dann von den_sinen im folgenden Vers wieder aufgenommen worden sein.

46

9 Do ertbot hin wider Eneas, daz in der naht Pollidamas hin zuo den Kriechen föere und in heimlichen swüere, daz .,.

480016 do enbuten sä die Kriechen dar Troiaeren, daz si kaanen und daz bilden nasmen mit diemüetliehen dingen anbieten 'durch einen Boten sagen oder gebieten lassen' ist in seiner Bedeutung den Verben des Befehlens und Gebietens schon sehr nahe. Diese Nahe läßt eine volitive Modalität im Komplement erwarten - umso erstaunlicher ist der Ind. in V. 48083, dessen Interpretation mir nicht klar ist. wissagen K2: 27122

ouch hete Protheus daz dinc für war von im gewissaget, daz er mit handen unverzaget vor Troie vehten möeste und daz si würde wQeste von der crefte sin geleit.

klagen 23436

("er") klagte da mit leide, daz im genomen wäre ir swester wunnebeere und er verloren haete die.

§ 1.2. negiert Prät. kunt wesen 27130 iedooh enwas nieraanne kunt, wä der vil tugentbaere von einer muoter waere verborgen bi den jSren, kunt^wese^n ist hier als Resultat einer Aussage zu verstehen, wie aus sprechen und sagen in V. 27128 hervorgeht. § 2. Trlgersatz modalisiert § 2.3, erfragt Präs, kunt wesen 22037 ist iu niht kunt, daz der gewalt, der hShen künigen ist beschert, so wite sweimet unde vert, daz er berueret manic lant.

255

In diesem Satz ist kunt_wesen eher faktiv zu verstehen; die Vollaktualisierung entspräche dann der Bedeutungsklasse. § 2 . 4 . nicht-faktiv eingebettet Präs, kunt tuon K1: 2606 dur daz der hovediete von dir werde kunt getan, daz ioh von schulden müeze hän den apfel missewende vri, Prät. kunt tuon K2: 22431 in würde von im kunt getan, so der tac begünde Qf gan, daz alle kamen snelle 27536

blz daz in würde kunt getan, daz si ze hove Kassen.

klagen Ind.: 21008 wolt ich iu niht min jamer clagen, wie gar ich bin von iu verwunt, iu würde an minem bilde kunt min sorge und min beswarde. Dem hypothetischen Konditionalgefüge zufolge ist wolt hier eindeutig K2. Das vollaktualisierte Komplement resultiert aus dem deklarativen Gebrauch von klagen. Die Diachronie der Modussetzung in Inhaltssätzen zu verba dicendi zeigt ein bemerkenswertes Ergebnis. Im Ahd. ist der Modus weitgehend davon abhängig, ob das Trägersatzverb zum "sprechen"- oder zum "sagen"-Typ gehört. Die "sprechen"-Verben verlangen den K, die "sagen"-Verben haben normalerweise den Ind, Ein teilaktualisiertes Komplement steht bei den Bsagen"-Verben in der Mehrzahl der Fälle dort, wo die syntagmatische Abhängigkeit vom Trägersatzprädikat noch zusätzlich bezeichnet werden muß. Das ist immer dann notwendig, wenn die Stelle für die Objektsvalenz im Trägersatz bereits besetzt ist - sei es durch einen vorangehenden Inhaltssatz, sei es durch einen korrelativen Ausdruck wie bei zellen. Bei diesem Verb ist auffällig, daß die einleitende Konjunktion und die Endstellung des Vf offensichtlich allein für die Dependenzbezelchnung nicht ausreichen - das bestätigt das Resultat der Untersuchung der Ausdrücke für die Dependenzbezeiohnung im Ahd. Nur bei drei Sätzen mit zellen als TrSgersatzverb ist die Annahme einer autonomen Modusfunktion wahrscheinlich. Demgegenüber ist im Mhd. eine deutliche Zunahme der Teilaktualisierung in den Inhaltssitzen zu "sagen"-Verben zu bemerken; bei sprechen kann keine inderung festgestellt werden. Die K-Setzung ist hier in den meisten Fällen das Zeichen

256

der lokutiven Sprecherhaltung, jedoch mit einem entscheidenden Unterschied bei sagen gegenüber jenen und künden: wahrend bei jenen und künden der K allein die lokutive Sprecherhaltung ausdrückt, ist die Teilaktualisierung bei jagen mit lokutiven Ausdrücken im Trägersatz verbunden. Das weist darauf hin, daß sich die Funktion der Moduasetzung gegenüber dem Ahd. nicht geändert hat - die Teiiaktualisierung wird nur dort eingesetzt, wo durch zusätzliche Ausdrücke sagen entgegen seinem Typus lokutiv verwendet wird. Bei künden und jenen hingegen gibt die K-Setzung eine Typusambiguität der Trägersatzverben wieder, die aller Wahrscheinlichkeit nach am Auasterben von jenen mitbeteiligt ist. Die ursprüngliche Typus Zugehörigkeit erweist sich noch in den vollaktualisierten Inhaltsaätzen bei Träger sät zverb in der 1. Pers. Präs. - sie sind den entsprechenden Inhaltssätzen zu sagten grundsätzlich gleich. Die Verschiebungen im KGebrauch können daher als Resultat eines zunehmenden lokutiven Gebrauches der "sagen"-Verben im Mhd. verstanden werden, der im Fall von jehen bereits zu einer Typusänderung geführt hat. Während der Gegensatz von deklarativer und lokutiver Sprecherhaltung im Ahd, durch die entsprechenden Verben bzw. Wendungen im Trägersatz ausgedrückt wird, ist diese Funktion im Mhd. weitgehend von der Modussetzung übernommen worden. 4.7.2. SchwSren Die Anzahl der Belege ist zu gering, um eine sichere Aussage über die Diachronie der Modussetzung machen zu können; bei Otfrid kann nur ein Inhaltssatz ausgewertet werden, bei Konrad sind nur Inhaltssätze zu nicht-f aktiv eingebetteten Trägersätzen belegt. Alle Teilsätze stehen im K. J» .7 . 2 , 1 .

Althochdeutsch

§ U Trägersatz nicht moralisiert § 1.1. affirmativ Präs. Kl: IV 13,3^ joh sueris filu heizo,

thu sis there ginozo.

hat hier futurischen Wert (Christus kündigt den Verrat Petrus' an). 4.7.2.2.

Mittelhochdeutsch

§ 2. Tragersatz modalisiert § 2. i*, nicht-faktiv eingebettet Prät. K2: 1105 wan si des heten wol gesworn, daz der jungelinc verlorn in dem walde wsere:

257

4144

wan si des ine lougen heten beide wol gesworn, er müste hän den lip verlern.

15515

daz daz ein und

si gesworen hste des, der juncherre Achilles maget luterbaere ein juncfrouwe waere.

19612 man hzte des da wol gesworn, er waere ein got und niht ein man: 23054

daz des daz mit

die von Troie wol gesworn heten algemein t in diu sunne reine spilender froude engegen schine.

26712

wan ob ir selbe sin gesworn und alle Kriechen hzten, daz ir Troyaeren tasten daz aller wirste Gf erden,

6731

Jason, der heIt vil üz erkorn, net ane zwivel des gesworn, daz diu rede geschehe durch got.

K1:

Hs. A hat geschach, Hs. A bescheche an zorn. Die Verbform ist wahrscheinlich doch K2 (geschähe), der Tempusunterschied wäre sonst nicht verständlich. Fraglich ist die Zugehörigkeit von besweren zur nonfaktiven Klasse. Nur zwei Belege mit nioht-modalisiertem affirmativem Trägersatz im Prät. können ausgewertet werden:

Ind.: 14027

wan si mit zouber si beswuor, daz ir iegelicher fuor,

27270

den er mit Worten e beswuor, daz im sin helfe würde schin.

K2:

Für den K2 kann nach dem Kontext auf autonome Modalität geschlossen werden das Inhaltssatzgeschehen wird als hypothetisch dargestellt. Wenn besweren die Wirkung einer Zauberkraft bezeichnet, so scheint es im Gegensatz zu sweren eher implikativ zu sein. Auch hier ist die verschiedene Klassenzugehörigkeit wohl von der PrSfixbedeutung abhängig. 4.7.3. Fragen Bei ausreichender Vergleichsbasis zeigt sich auch hier keine Änderung in der Modusaetzung; sowohl im Ahd. als auch im Mhd. sind alle Inhaltssätze teilaktualisiert.

258

1.7.3-1.

Althochdeutsch

§ 1. Trägersatz nicht modalisiert § 1.1. affirmativ Präs, fragen SC2: III 1*1,33 thih thringit man bi manne in thesemo selben gange, alle these liute: thu frages wer thih ruarti? Der K2 hat hier temporalen Wert (wer dich berührt hat}. Prät. fragen K2:

I 17,13

warun fragenti,

war er giboran wurti,

II 11,31

sprachun tho thie liuti waz zeichono er in ougtl

II 12,^9

tho frageta ther guato man, wio thaz mohti werdan, joh wio man ouh firnami so mihil seltsani.

joh warun fragenti, ingegin thera dati.

u. . eiscon K2:

12,3

eiscota sie in thrati, waz thiu worolt quati, waz sie fön imo redotin joh wio fön imo zelitin.

III 15,38 wie warun eisconti III 20,119 sie fön wio joh IV 16,4H forspon

war er wesan acolti.

avur tho ginoto eiscotun thero dato themo selben werke fora themo follce, mo so gizami gisiuni sin Mauami, sehenti avur wurti ther blint was fön giburti,

er eisoota avur sar tho zi in,

wenan sie thar suahtin.

K2:

IV 12,16

joh forspotun zi noti» fön wemo er sulih quati: io untar in umbiring, fön wemo quami sulih thing,

§ 2, Tragersatz modalisiert § 2 . U . nioht-faktiv eingebettet Prät. i r fragen K2: I 27,12 ... irfragen wer er wari. IV 12,29

Petrus bat Johannan, er zi imo irfrageti,

thaz er ireiskoti then man, wer sulih balo riati.

259

.7.3.2.

Mittelhochdeutsch

1. Trägersatz nicht modalisiert 1.1. affirmativ Prät. 7602 da von diu maget reine begunde vragen lise und in verholner wise ir vater, wer si waeren. t5290 der künic tugentveste begunde vragen si zehant, wie geheizen und genant ir sehoeniu tohter waere, 18248 Priant der könic uz genomen dS vraget in der mere, waz von den Kriechen wäre eriboteti im her wider hein. u. . § 2. Trägersatz modalisiert § 2.1 . zielgerichtet Präa. K1: 17910 ir suit des heizen vragen, waz ir bezzerunge si Prät» Kl:

18035 er hiez iuch vragen alle, wan iu daz wol gevalle, daz ir büezent im den schaden, Der K1 hat hier futurischen Wert.

H.7.4.

Denken

1.7.'i.0.1. Die Verben des Denkens und Meinens eröffnen dadurch eine strukturelle Leerstelle fSr den K , daß sie als Objekt den Gegenstand bzw. das Ergebnis einer geistigen Tätigkeit enthalten. Das Inhaltssatzgeschehen bezieht sich daher auf einen dem Sprecher nicht direkt zugänglichen Prozeß, so daß die Tellaktualisierung als Zeichen der Sprecherdistanz regelmäßig mit diesen Verben verbunden sein kann. Eine Ausnahme ist auch hier wieder die 1. Pers. PrSs., wo der Gedankeninhalt für den Sprecher selbst als aktuell gelten muß. Aber auch bei der 1. Pers. kann einer der autonomen Nutzwerte des K (etwa als Annahme) eine zusätzliche modale Stellungnahme bezeichnen. Eine durchgehende Teilaktualisierung kann man dort erwarten, wo das verbale Semantem selbst den Inhaltssatzprozeß als Annahme darstellt.

260

4.7.4.0.2. Die Wortgeschichte mancher Ausdrücke dieses Wortfeldes bleibt noch aufzuklären. Ein besonderes Problem ist das Verhältnis von denken und dünken, v.a. die Funktion des Wortbildungsunterschiedes und das Verhältnis zu agk:j_a.n : pugkjan, besonders deutlich anord. bekkja : pykkja); er zeigt sich noch sehr deutlich in den ahd. Glossenbelegen. Dort übersetzt dünken lat. aestimo, p_uto, video, denken lat. coglto, medlor, delibero; besonders auffallend ist dieser Unterschied bei den Präfixkomposita (bl-/gidenken : bi-/gidunken), s. TS svv. Man muß daher Jedenfalls ursprünglich mit einem unterschiedlichen modalen Erwartungswert rechnen, so daß dejiken als wenn-Verb, dünken als nonfaktivea Verb zu klassifizieren wäre. 4.7.4.0.3. Der Übertritt von denken in die nonfaktive Klasse könnte durch den reflexiven Gebrauch vermittelt worden sein, wodurch die subjektive Komponente des Sich Vorstellens stärker hervortritt. Ein Beleg für diesen Vorgang könnte got. j>ahta__ais hweleijca, vesi so golelns (L 1,29) sein, wenngleich ein Einfluß des Optativs der grlech. Vorlage (eie) nicht ausgeschlossen werden kann. Eine besondere subjektive Komponente scheint auch anord, pykkjask gegen über pykkja zu haben (BAETKE 1968: 797). Otfrid gebraucht thenken auch als Bezeichnung für 'erwägen, sich vorstellen' (KW 600a); man muß jedenfalls damit rechnen, daß der bei diesem Verb auftretende Modusuntersohied autonome Funktion hat, so daß der K den Denkinhalt als bloße Vorstellung des Subjekts festlegt; s. auch BEHAGHEL (1924: 128f). 4.7.4.0.4. Diese Verhältnisse erinnern an eine ähnliche Wortfeldgliederung bei den verba dicendi, und man könnte auch hier zwei Typen von Verben der geistigen Tätigkeit unterscheiden, etwa mit den Termini "cogitativ" und "putativ". Mit Ausnahme der reflexiven Bildungen können aber hier im unterschied zu den verba dicendi keine sicheren morphologischen und syntaktischen Kriterien für die Wortfeldgliederung gefunden werden, die als von der Modussetzung unabhängige Merkmale eine empirische Klassenzuordnung erlauben würden. Auch die Etymologie gibt hier wenig Aufschluß. Germ. *bjankj_an ist der Form nach eine Intensivbildung (KRAUSE 1968: 2 4 l ) mit 0-stufiger Wurzel; da aber diese Bildungen schon sehr früh an die Stelle der nicht-abgeleiteten Formen treten kennen (BRUGMANN 1904: 536), ist die Etymologie in diesem Fall kein taugliches Kriterium für die Wortfeldgliederung. In der Frage der Valenzzahl scheint mir ebenfalls noch nicht das letzte Wort gesprochen zu sein. HELBIG/SCHENKEL (1980: 1ä2f) setzen bei allen Bedeutungsvarianten zwei, bei reflexivem sieh de_nke_n drei obligatorische Valenzpositionen an. Bei der ersten Bedeutungsvariante ('überlegen, geistig arbeiten') wird die zweite Valenzposition durch adverbiale Ausdrücke ausgefüllt (er denkt scharf, dialektisch, logisch). Es

261

gibt aber auch Gebrauchsweisen ohne Objekt und adverbiale Ausdrücke, die man kaum als Ellipsen auffassen kann. WAHRIG U978: 199a) stellt denken daher zu den Verben ohne Objekt bzw. mit fakultativem Objekt. Das könnte doch auf eine fakultative Ergänzung wie bei sprechen deuten; die Erhöhung der Valenzzahl bei reflexivem Gebrauch ist ein weiteres Indiz für den Zusammenhang von Valenz und Änderung im Wortfeld. M.7.1.0.5. Schließlich sei noch angemerkt, daß in der auch hier vorauszusetzenden Entwicklung wenn-Verb - faktives Verb - nonfaktives Verb (s. oben 3 , 2 . 7 . 1 . f ) das faktive Stadium nicht mehr belegt werden kann; die Bedeutungsangabe »wissen 1 für bekkja bei de VRIES (1902: 607b) konnte ich in den anord. Wörterbüchern nicht nachweisen. 4,7.4.0.6. Aus diesen Gründen habe ich alle Verben des Denkens zu den nonfaktiven Verben gestellt; mögliche Bedeutungsunterschiede werden bei der Interpretation der Modussetzung besprochen. Die Rechtfertigung dieses Vorgehens ist der bei den verba dicendi gleich: die Teilaktualisierung des Inhaltssatzgeschehens ist durch eine spezifische Bedeutungskomponente im verbalen Semantem bereits angelegt, selbst wenn das Verb noch zur Klasse der wenn-Verben gehört. Diese Anlage besteht in einem Sem für die bestimmte Art des Erfassens eines Sachverhaltes, hier durch eine geistige Tätigkeit, dort durch die Tätigkeit des Aussprechens. Der Klassenwechsel wird letztlich durch eine Verlegenheit der kommunikativen Dynamik vom Erfassen selbst auf die Art des Erfassens bewirkt. 4.7.1l, 1.

thenken/denken

1.7.4.1.1. Althochdeutsch § 1. Trägersatz nicht modalisiert § 1.1. affirmativ Präs. Ind.: III 22,61 ob in avur thenku theih ainu werk wirku: P rät. K2: I 8,12 joh thahta, iz imo sazi, ob er sia firliazi, I 8,17 IV 17,5

fthaht er bi thia guati, er sih fön iru dati, joh theiz gidougno wurti, er sih fön iru irfirti. gistuant gener (wan ih) thenken,

thaz er wolti wenken,

V 4,17 sie thahtun thaz sl erbatin thie man thie thaz gidatin; Ind./K2 (/K1?) II 4,7 er thahta odowila thaz, thaz er ther duriwart was, er ingang therera worolti bisperrit selbo habet!;

262

er thar nlheina stigilla ni firliaz ouh unflrslagana; then ingang ouh ni rine, ni si ekordi thie sine, thier in themo eristen man mit sinen luginon giwan, Zur zugrundeliegenden Vorstellung der Umzäunung der Erde durch den Teufel s. EA und P. Die syntaktische Abhängigkeit von V. 9ff halte ich trotz P und KÖ for nicht erwiesen; wahrscheinlich ist diese Stelle ein Anakoluth mit besonderem stilistischen Wert, etwa im Sinne einer erlebten Rede (vgl. zu den Beispielen aus dem Mhd. SCHRÖBLER 4 7 8 f f ) . Eine sichere Interpretation des Moduswechsels in V. 7/8 ist wohl nicht möglich. Zwei Argumente können vielleicht vorgebracht werden: 1, Durch den Inhaltssatz In 7b Ist die Objektsposition bereits besetzt (abgesehen vom korrelativen thaz im Trägersatz), so daß die syntagmatische Abhängigkeit jedenfalls bezeichnet werden muß. 2. In den anderen Sätzen mit K2 hat der Modus möglicherweise autonomen Nutzwert (Annahme, Unsicherheit), der freilich mangels vollaktualisierter Belege nicht nachgewiesen werden kann. In V 4,17 könnte der K2 auch volitiven Wert haben; I 8,12 hat ein eingebettetes hypothetisches Konditlonalgeföge, d.h. der K2 ist hier sicher nicht von thenken abhängig. In den anderen Stellen kann aus dem Kontext ein Hinweis auf autonome Modussetzung abgelesen werden, ohne dafi diese Autonomie sicher feststeht. § 2. Trägersatz modalisiert § 2 , 1 . zielgerichtet Präs. Kl: II 7,52 selbe thenki thanne,

ob ih thir war zelle.

II 9,6^

Joh herazua thenke,

thaz suazo er sih gidrenke.

IV 19,68

mannilih nu thenke

waz inan thesses thunke!

§ 2.4, nicht-faktiv eingebettet Präs. III 15,24 er sar thes githenke, III 16,30

gldougno sulih wirke.

wer ist thes hiar thenke,

thaz thir tod glwirke?

III 20,13 mir limphit thaz ih thenke, III 20,18 P rät. K2: I 17,74

I 8,21

theih sinu werk wirke,

thaz man nist ther in gahe zi werke gifahe; odouh thurfi thenken, thaz megi er wiht giwirken in themo finstarnisse; ...

in droume sie iz zelitun then weg sie faran scoltun; thaz sie ouh thes ni thahtin, themo kuninge sih nahtin, noh gikundtin thanne thia fruma themo manne. er quad, thes ni thahti,

ni er sih iru nahti;

263

IV 8,10

si ea alleswio ni thahtin,

IV 20,14

wir ouh thes ni thahtin

4.7.4.1.2.

ni si alle sin io ahtin. thaz wir nan thir brahtin.

Mittelhochdeutsch

§ 1. Trägersatz nicht modallsiert 5 1.1. affirmativ Prät. Ind.: 4626 si dänte, daz er sol genesen vor den von Troye solte. sqlte ist wohl nicht sicher Ind., da der Umlaut von o nicht immer bezeichnet ist (Varianten gotinne/ggtinne) und gSlte nicht belegt ist. K2:

13^10

si dähte, daz er niht genesen möhte langer bi den tagen,

14246

ich dähte her, ich dähte hin, wa du wurde wol behuot.

18224

er dähte, daz er schaden vil emphienge, ob er iht Sprache me:

Hier ist ein hypothetisches KonditionalgefQge eingebettet, der Modus ist daher autonom. 38154

er dähte, so daz hemde slt begunde bröchen Hercules, daz er engelten mQeste des und er da von gelaege tot.

u.S. Einmal steht denken zusammen mit jenen im Trigersatz: 23048 weizgot, dö dähte er unde jach, daz er nie wip gesaehe so löter noch so waehe, so die vil Clären künigin, S 2. Tragersatz modalisiert § 2.2. zielgerichtet Prät. Zusammen mit Jehen hat ein Satz ein teilaktualisiertes Komplement:

264

20704

so muoate er denken unde jenen, daz im gesehaehe nie so wol.

§ 2.4. nioht-faktiv eingebettet K2: 8988 er möhte denken, daz ir nie gewönnet ganzer st^tekeit,

ob ir niht haetent iuch geleit. Hypothetisches Konditionalgefüge, daher autonomer Modus. 22239

ir wiirdent denkend alzehant, m£n herze stDende Gf in gewant und aller miner sinne craft.

Ein Unterschied in der Modussetzung zwischen And. und Mhd. kann nicht nachgewiesen werden. Wenn im And. bei mehreren Stellen zumindest die Möglichkeit einer autonomen Modusfuniction vorhanden war, so fehlen die Hinweise auf den autonomen Modus im Mhd. vollständig {in beiden Sprachstufen natürlich mit Ausnahme dea eingebetteten hypothetischen Konditionalgefüges). Nach den Belegen muß man wohl auf syntagma tische Modussetzung sowohl im Ahd. als auch im Mhd. schließen - dadurch wird das vollaktualisierte Komplement bei Otfrid II 4,7 fragwürdig (Reimeinfluß?). Auch der Modusunterschied bei der 1. Pers. Präs. (Ind. bei Otfrid III 22,61, K2 bei Konrad V. 14246} kann nicht sicher interpretiert werden, da im mhd, Beleg ein autonomer Nutzwert (Annahme, Eventualität) vorliegen kann, *).7.4.2.

thunken/dunken

4.7.4.2.1.

Althochdeutsch

§ 1. Trägersatz nicht modaliaiert § 1.1. affirmativ Präs. K1: II 14,91 bi then gidougnen seginin III 19,6

und thunkit in giwissi,

so thunkit mih theiz megi

sin:

thaz iz hinida si,

S, auch die von FÜHRER (1971: 149) zitierten InhaltssStze im Kl bei Notker. § 1.2. negiert Präs. K1: I 27,57 so höh ist gomaheit sin, theih scuahriomon sine

thaz mih ni thunkit megi sin, zinbintanne birine;

265

Frit. K2: II 9,2?

ni thuhta min theih quarai

thar sulih win wari,

§ 2. TrSgersatz modalisiert § 2 . 3 . erfragt Präs. Kl: V 21,14 waz thunkit thih si themo man, ther anderemo thaz lib nam? 4.7.4.2.2, Mittelhochdeutsch Die vollaktualisierten Inhaltssätze sind größtenteils an bestimmte syntaktische Konstruktionen gebunden, nach denen die folgenden Belege eingeteilt werden, § 1. Trägersatz nicht modalisiert § 1.1. affirmativ Präs. Ind.: Unsicher ist der folgende Beleg: 2390

liep dunket deste lieber vil, daz man da bi treit ungemach.

Alle Handschriften haben denket; dunket ergäbe freilich einen besseren Sinn. Man müßte aber auch bei junket den folgenden Teilsatz als Verhältnissatz übersetzen, wohl mit modal-konsekutiver Bedeutung (SCHRQBLER 442f): "Die Liebe erscheint umso lieber, in der Weise daß ..." Die Stelle ist vielleicht eine Anspielung auf Gottfrieds Tristan V. 201 f f . Reflexive Bildungen: 7922

mich dunket sunder alle tröge, ir sint an fröuden sere entwegen.

15908

mich dunket, daz dir diniu slnt vil vurmeclicher var.

26890

... herr, ob iuch dunket des, daz ir ze strlte sint bewart,

S, auch WILMANNS (1906: 243), BEHAGHEL (1928: 605). Faktive Wendungen:

266

1J862

mich dunket daz ein hohez heil, daz man im lop und ere birt.

26496

in dunket sere unmügelieh, daz ie d£n übermüetigkeit getorste werden also breit, daz er von dir beswseret wart.

27600

ez dunket mich ein vremder site, daz du mit dem getregede, des gerne spulgent megede, wilt suochen vrechen Jungelino.

In den faktiven Wendungen ist das Inhaltssatzgeschehen der Anlaß für den Verbalprozeß. Die Objektsvalenz ist durch ein Adverb oder durch eine nominale Gruppe ausgefüllt, so daß in traditioneller Terminologie der Nebensatz den Status eines Subjektsatzes erhilt. Dadurch ändern sich auch die Inzidenzverhältnisse. Alle anderen Teilsätze enthalten den K1: 8628

mich dunket, awaz mich twinge, daz si diu minne und anders niht. mich dunket, daz mir troume daz fremde unbilde, daz ich spür.

2776*1 mich dunket an ir bilde

und an ir angesihte des, si möge wol sin Achilles, Faktive Wendungen: Ein teilaktualisierter Teilsatz kann bei f aktiven Wendungen nur autonome Modalität haben; durch bestimmte Ausdrücke an der Stelle der Objektvalenz kann sich eine Art sekundäre Semantembindung ergeben. Diese Falle seien zunächst angeführt: 10987

mich dunket harte mügelich, daz iuwer vater wider mich genieze siner tugende hoch,

l8l76

daz dunket mih gar mügelioh, daz ich ir noch daz selbe tuo,

21259

Daz man iuch ere da durch mich, daz dunket iuch gar mügelich,

In diesen Wendungen bezeichnet mügelich eine besondere subjektive Einstellung des Spreehers gegenüber dem Inhaltssatzprozeß, die regelmäßig mit Teilaktualisierung verbunden ist. V. 26496ff zeigt, daß diese Konstruktionen auf die 1.

267 Pera, Prls. beschränkt sind, und das ist auch verständlich, denn nur hier kann sich die subjektive Einstellung auf den Sprecher selbst beziehen. - Die anderen faktiven Wendungen mit teilaktualisiertem Komplement seien hier summarisch angefahrt: 3303

da von aö dunket mich daz guot, daz der knappe hochgemuot sam mir ze huse rite und er do schone bite des heiles und der lieben stunt, daz me sin vater wurde kunt.

28503

der dunket in ze swach dar zuo, daz er durch in int danne tuo, swenn er beschouwet sinen sohin.

In beiden Satzgefügen liegt eindeutig autonome Modalität vor. Bei V. 3305 f handelt es sich um ein erwartetes Geschehen, der K1 hat prospektiven Nutzwert. In V. 28504 ist das Geschehen an die im folgenden Konditionalsatz ausgedrückte Bedingung geknüpft und kann daher zum Sprechzeitpunkt nicht als aktuell gelten. Prät. Die Modussetzung ist der bei präsentisehen Teilsätzen gleich, nur daß keine Belege für reflexive Bildungen vorhanden sind.

Ind.: Faktive Wendungen: 1724

si dühte ein wunderlicher spot, daz im so nähe ein hirte saz und daz er den so höhe maz, daz er in liez die wirde hän.

2812

wan si dßhte ein riehez heil, daz ir der apfel worden was.

4130

si dühte ein szlic lune, daz Hector was gestruchet hin.

u.8, Faktive Wendungen mit vollaktualialertem Inhaltssatz im PrSt. alnd bei Konrad sehr häufig (insgesamt 19 eindeutige Belege). K2:

Der größte Teil der konjunktivischen Komplemente ist Ausdrücken belegt:

bei den nicht-faktiven

268

1526

daz daz und daz

den b£ namen dühte, er so wunnebaere so gewaltic ssre, niender lepte sin genoz.

4 147

Ouch duhte an sinem valle die werden ritter alle, er waere sigelos geleit;

8510

si duhte t ez müeste sin ir tot, ob niht ir wille ergienge.

Hier ist ein hypothetisches Konditionalgefüge eingebettet, der K steht daher autonom. 14674

daz den juncherren duhte, daz nie so clares würde niht.

u. 6,

Faktive Wendungen: 1 14590

ir iegelichiu dühte so rehte lüterbzre, daz si gewesen waere mit eren ein götinne.

16278

in dühte ein michel ungelimpf, daz man bi frouwen wzren und niht ir lip verhören, so man hier festivierte.

24512

wan daz gaeb vür

2891-4

in duhte w*ger vil, daz er der vrouwen haz trüeg iemer, denn im genaedig niemer die Kriechen würden unde ir schar.

ez in dühte swaere gnuoc, er die schoenen tohter sin in des grimmen todes pin aioh und alle sine schar.

dö dühte in waeger getan, daz Pirrus Neoptolemus Menelaus tohter alsus nzne, denn daz er von in iemer müeste dannen hin sorgen guotes und eren. An allen Stellen hat der K deutlich autonome Funktion. Der häufigste Fall ist der Nutzwert der Annahme: W. 14590 , 1ö278ff (Nähe zur Eventualität), wegen der folgenden hypothetischen Vergleichssätze deutlich bei 289l4ff und 44464 f f . Daneben ist noch der futurisch-prospektive Nutzwert in V. 24512ff belegt,

269

der an dieser Stelle bereits als Ausdruck einer Verpflichtung gelten kann ( " . . . und geben sollte").

§ 1.2. negiert Präs, 21591

Mich dunket ungefuege niht, daz an mir iuwer zuoveraiht mit ganzer st«tekeite lit.

Dieses Satzgefüge enthält eine faktive Wendung und daher ein vollaktualisiertes Komplement, Die Negation liegt innerhalb dieser Wendung, so daß der Satz eigentlich zu den affirmativen Trägersätzen gestellt werden müßte. In diesem Fall ergäbe allerdings auch die Verschiebung der Negation vor das Vf den gleichen Sinn. Prät. K2:

30388

sin rotte an creften niht ze laz so rente gröz erlQhte, daz in des niht enduhte, daz er die schar gemeine verrihten möhte aleine.

§ 2. Trägersatz modalisiert § 2.1. zielgerichtet Präs. Ind.: 21907 daz mich diu minne loben wil, daz so! mich dünken niht ze vil. iJfioOH

den man sol dünken niht ze vil, swa mite er sich gefristen mac.

§ 2.4. nicht-faktiv eingebettet Prät. Selbst bei faktiven Wendungen steht der fC2 als Einbettungszeichen: 27

... so duhte mich gevellic unde mögelieh, daz guot getihte were ze hove niht unnffire durch sine tiuren fremdekeit.

HO

vlüg er ßf eines herren hant, mich diuhte wol gefuege, daz er in gerner trüege denn einen sperwaere,

270

26T6M

da von so diuhte mich des zit, daz man den strit Gf slüege, dar umbe daz man tröege den kriee dar under ober ein.

Ind.: Die folgenden Belege sind wegen der Möglichkeit einer nicht-umgelauteten K2Form solte nicht sicher: 5502

dich diuhte billich unde reht, daz ich froelieh solte sin.

14720

da von diuht in ein fremdiu clage, daz er nach wiben solte senen.

Der auffallendste Unterschied zwischen den ahd, und mhd. Sätzen mit thunken/ dünken besteht in der Zunahme der faktiven Wendungen mit Inhaltssätzen. Die Vollaktualisierung bei diesen Konstruktionen bedeutet natürlich keine Änderung in der Modussetzung, so daß sich auch hier eine Kontinuität im Modusgebrauch erweist. Eine Ausnahme sind die reflexiven Bildungen, die bei Otfrid durchwegs, im Mhd. nur zum Teil mit teilaktualisiertem Komplement verbunden sind. Der Modusunterschied in diesem Bereich kann bei den mhd. Satzgefügen auch nicht durch die Annahme einer autonomen Modalität erklärt werden, da bei den teilaktualisierten Komplementen jeder Anhaltspunkt dafür fehlt. Im Gegenteil: Zumindest bei W. 8628ff und I40?4ff kann die Aktualität des Inhaltssatzgeschehens für den Sprecher nicht bezweifelt werden. So besteht doch der Eindruck, daß Ind. und K bei den reflexiven Konstruktionen freie Varianten sind. Dieser Eindruck wird noch durch die konjunktivischen Lesarten in V. 15909 (b e sin) und V. 26981 (e sit) bestätigt. Während der Ind. durch die Überlieferung gut gesichert ist, entscheiden sich einige Hss. für den K, der also noch im 15. Jhdt. offensichtlich als Norm in dieser Konstruktion galt. Ich halte es für möglich, als Grund für diese freie Variation eine sprachökonomische Wirkung anzunehmen. Durch die Reflexivbildung allein wird schon der subjektive Charakter des Inhaltssatzgeschehens hervorgehoben, so daß ein zusätzliches Zeichen für die Subjektivität im Komplement entbehrlich erscheint. Das könnte als erstes Anzeichen für die Möglichkeit einer Regenerierung der autonomen Modusopposition in diesen Konstruktionen gewertet werden, wie sie oben (2.3-12.) an einem Modell erläutert wurde. 4.7-4.3drahton/trahten Die Anzahl der Belege ist zu gering, um ein sicheres Urteil Ober die Entwicklung der Modussetzung abgeben zu kSnnen. Aus den vorhandenen Sätzen läßt sich keine Veränderung ablesen.

271

Jt.T.-t.S.t.

Althochdeutsch

§ 1. Trägersatz nicht modalisiert S 1.1. affirmativ P rät. + ahton K2: III 14,17 bigonda genu drahton, in ira rauate ouh ahton, si sih zi thiu gifiarti, thaz siu inan biruarti § 2. Trägersatz modalisiert § 2.1. zielgerichtet Pris. Kl:

II 9,65 4.7.4.3.2.

drahto io zi guate

so was thir got gibiate;

Mittelhochdeutsch

§ 1. Trägersatz nicht modalisiert § 1.1. affirmativ Präs. + gehügen K1: 29909 wan daz wir trahten und gehügen, wie si den pris verlieren mügen. P rät. K2: 13878 da von daz höchgeborne wip dar uf begunde trahten, daz si den wol geslahten verholne dannen braehte und eine stat erdshte, § 2. Trägersatz modalisiert § 2 . 1 . zielgerichtet

Präs. El:

18304 der trahte, wie der ursprinc ze sseleclichem ende kume. 1.7.4.t.

Anschließend seien noch einige mhd. Verben angeführt, deren ahd,

Entsprechung mit Inhaltssatz nicht belegt ist. § 1. Trägersatz nicht modalisiert § 1.1. affirmativ Präs.

272

getriuwen Kl : 6675

gehügen Kl: 27604

gedenken Ind.: 13210

dar umbe ich noch getriuwe dir, daz du daz beste ratest mir, des du dich gefllzen kanst.

wart ie so wuriderlichez dinc, so daz d u , selie man, gehügest, daz du mit wibes dinge mügest Aohillen hie vermsren?

wie sol ich vro beliben,

swenn ich gedenke der getat, daz man dich sus gezocket hat in roubes wis von hinnen? Paktive Wendung, daher vollaktualisiertes Komplement. gedinge hän ( K l ) 3&513 dar Gf hän ich gedinge, daz mir niht misselinge durch iuwer dröuwen vientlich.

P rät. ah ten K2: 2^202

niun vögele, die der slange fraz, begunden si betranten und in ir herzen ahten, waz bisehaft an in lege,

bedenken

29904

daz wir uns hänt dar uf bedaht, waz uns daz beste danne si.

44550

ouch bedähte er sich also, daz Pirrus so wol niht mShte körnen, ...

H4560

nu er sich vil wisltche bedähte in sinem muote, waz ze übel oder ze guote im möhte da von uf geatan,

K2:

Der Kl in V, 29904 korreliert mit einem umschriebenen Perfekt mit dem Wert eines futurum exactum (s. SCHRÖBLER 367). gedenken Ind.; 4754

hie mite und ouch dar under

273 wart er in die gedenke braht, daz er von gründe was verdätit uf Helenen minne. it 1911

Nü daz iah lange also gesaz und gedäht, wie er genesen was und mir von im diu wirheit so gewaerlich wart geseit, swaz wundere was an in geschehen,

Ind./K2: 11895 wan ich gedähte alzehant, wie ez untb in do was gewant, daz Paris wzr daz kindelin, daz er und der geselle sin ertoeten selten haben do. Kl: 302 dl wider hän ich des gedäht, daz ich ez welle breiten und mit getihte leiten von welsche und von latine: 5156

so daz ieman des hat gedäht, daz Paris von mir si geborn.

374

wan er gedähte sä zehant, daz sich der selbe troum gezuge uf daz kint an alle trüge, daz diu kuniginne truoc.

4132

wan si gedahten under in, er waere sigelos erkant:

6818

wan er gedähte, daz er wider lebende niemer kaeae, swenn er aich an genaeme, daz er filer in daz einlant.

K2:

Ein hypothetisches Konditionalgefüge ist eingebettet, daher hat der K2 autonome Funktion, 6973

u. . + gehügen 6612

wan er gedähte sä zehant, si waeren körnen in daz lant im ze laster und ze schaden,

wan er begunde in alle wie dar uf gedenken und gehügen, daz er mit valscher dinge zögen gewerben möhte slnen tot und er in brsehte zuo der not, daz al sin lop gelange,

274 Die vollaktualisierten Teilsitze stehen entweder bei der 1. Pera. des Vf im Trägersatz (W. 4191 Iff und 4l895ff) oder bei einer faktiven Wendung (V. 4 7 5 4 f f 3 . Der K2 in V. 41 97 hat wohl einen autonomen Nutzwert (Annahme), ebenso der Kl in V. 302, der eine zusätzliche Bedeutungsnuance der Absicht bezeichnet, Der K1 ist an allen Stellen auf den perfektischen Wert der Periphrase im Trägersatz beschränkt. bedunken K2: 3408

34558

mich hat des wol an im bedüht, daz nie so glanzer jungelinc in dekeines landes rinc: si beide wol bedüht e gemaeze bl den alten, daz man si balde st r i ten da saehe vor der claren.

Im Trägersatz ist eine f aktive Wendung vorhanden, der K2 hat autonome Funktion (volitiver Nutzwert): 37439

dS mich bedühte, saelic man, ich würde alhie gevohten an von minem sippebluote. gedinge hän (K2) 47109 wan ir gedinge was vil gröz, daz si aller swzre würden blöz und mit den selben mseren von not gescheiden waren, § 1.2. negiert P rät. getriuwen K2: 15796 daz diu juncfrouwe tugentrich getriuwen mohte nlht, daz er öf si tröeg eines mannes ger. gedenken Ind.: 16168 so daz er nie gedahte des, daz er truoc mannes orden. An dieser Stelle hat gedenken die Bedeutung einer geistigen Wahrnehmung und ist daher ein wenn-Verb. In dieser Bedeutung kommt gedenken in ni cht -modal isierten Trlgersätzen sonst nicht vor und ist hier wohl schon bald außer Gebrauch gekommen, wie die Lesart von Hs. e trüge zeigt. bedunken (K2) 1314 dekeinen man bedühte,

275

daz er die frouwen sehe, § 2. Trägersatz modalisiert S 2.1, zielgerichtet Präs. getriuwen K1: 21704 wan daz man keinem manne sol getriuwen, daz er spreche war. ahten K1: 18315 der ahte, wie sin anevanc gewinne guoten Gzganc, In einem weiteren Satz steht nach negiertem Trägersatz der K l : 12438 er muoz an eren siechen, swer vor niht wil betrahten und sinneclichen ahten, waz im hernach geschaden müge. gehügen Ind.: 18641 genüge, daz ich din vater bin. 29148 da bi, vil sslic man, gehüge, daz ich , er unde leben durch dinen willen han gegeben vil dioke uf eine wäge und ich friund und mage von dinen schulden hie verkSs. + denken Kl:

35118 sS denkent dar an und gehQgent, daz ir ein edel ritter sit,

An allen Stellen hat gehügen die Bedeutung einer geistigen Wahrnehmung und steht daher In W. 18641 und 29148ff mit vollaktualisiertem Komplement. Vergleichbar ist das and. Satzgefüge mit gihuggen (oben 4.4.1.). Der K1 in V. 3511 ist problematisch; er könnte in Inzidenz zu denken stehen, es ist aber auch ein autonomer Nutzwert (Verpflichtung) möglich. bedenken Ind.: 11688 wir sülen daz bedenken,

daz ein man sin eigen wert und er sin leben e verzert, e daz er läze sich verjagen.

276

12140 betrahten 21370

bedenkent, daz man iuwer lant zerstoeren wil an alle schult. ir sulent, sselic vrouwe, daz bedenken und betrahten, daz min der wirt hiez ahten,

K1

42057

.., van ich wil des fürbaz bedenken auch, wie ich si denne also geneme, daz ez uns beiden wol gezerae,

Die Modussetzung entspricht der bei genügen. In V. 42057ff hat der K1 autonomen (prospektiven) Nutzwert, gedenken Ind.: 9398

gedenkent, hochgelobter degen, daz ich iu wirde und ere gan,

10956

gedenkent, daz kein vrouwe nie wart an witzen iuch gelich.

22262

S-sdenlcent, wie Medei vil herzeleides wart gewon,

u.o. K1:

18290

des daz daz der

rate ich Gf die triuwe min, ir gedenkent wol dar zuo, man den schaden widertuo, iu geschehen ist von in.

18303

gedenkent, herre, wie der strit enphähe ein lobelichez zil.

22404

do wart der ritter lobesam dar uf gedenkend alle stunt, wie im diu state werde kunt,

35812

gedenkent, hochgeborner man, daz Troisere aselikeit Gf iuwer leben si geleit,

Auch hier hat g_ed_enken_ die Bedeutung einer geistigen Wahrnehmung, die teilaktualisierten Inhaltasätze enthalten autonome Modalität mit Prospektivem Nutzwert, Lediglich V . 35ö12ff ist problematisch. Zwar ist auch hier eine autonome Modussetzung mit prospektivem Nutzwert möglich, aber aus dem Kontext ergeben sich dafür weniger Anhaltspunkte als bei den anderen drei Stellen, wo das Inhaltssatzgeschehen eindeutig als erst zu verwirklichen dargestellt wird.

277

Prat, bedenken Ind.: 38814

ob si bedenken weiten, waz an dir hoher wirde lac.

§ 2 . 3 . erfragt Prät. getriuwen Ind.: 35366 'hey', dähte Helena, 'Paris, wie möhte ich han getriuwet dir, daz du mit vreches herzen gir so balde kündest atrlten, { * ' * )

Das vollaktualisierte Komplement ist von einer faktiven Wendung abhlngig. K2:

16884

wer mShte des getriuwen, daz du der waerest, der du bist?

Das Inhaltssatzgeschehen ist deutlich ein Gedankeninhalt, daher ist die Teilaktualisierung semantemgebunden. § 2.1. nicht-faktiv eingebettet Präs. gedenken + genügen Ind.: 7133 ... daz wir mügen dar an gedenken und genügen, daz er uns mit unminnen getriben hat von hinnen, bedanken Kl: miÖQ swie mich bedunke, daz ich si dort in dem engestlichen raer und in ein vremdez riche ver, Prät. ah ten K2:

21150

solt aber ich min herze erküelen vSllecliohe an iu, so ahtet ich niht mnbe ein spriu dar u f , swaz mir geschehe.

Der Trägersatz ist das Konsequens eines hypothetischen KonditionalgefQges, daher ist ahtet sicher K2.

278

bedenken K2:

11368

und ez so wol bedachten, daz pris und ere läge dran.

48043 biz daz si sich bedaehten, wie si'z zem tor in brshten. gedenken K2: 3256 man seit, daz er gedshte vil dicke in sine» muote, wie der vil hübsche guote sin ingesinde würde alsus. 22464

daz si gedahte, daz ir man da tarne an allen wideratrit

2728

noch künden niht gedenken, wie man die beide erwürbe,

49427

und eteswie gedahte, wie er si dannen brshte,

Die Modussetzung in der Restgruppe der mhd. Verben des Denkens bestätigt die wesentlichen Ergebnisse aus der Untersuchung der anderen Verben dieser Klasse. Vollaktualisierte Komplemente sind zunächst auf die 1. Fers. Präs. und auf faktive Wendungen beschränkt. Es gibt aber doch noch eine Gruppe von Verben, die Präfixkomposita jje_hügen, gedenken und bedenken, die nicht als nonfaktive Verben zu klassifizieren sind. Das Komplement dieser Verben bezeichnet nicht einen Denkinhalt, sondern den Gegenstand einer geistigen Wahrnehmung; diese Verben sind daher wie alle Wahrnetimungsverben wenn-Verben, Angesichts des vollaktualisierten Teilsatzes bei genügen im negierten Trägersatz ergibt sich die Frage, ob hier schon das faktive Stadium vorliegt, das durch eine Wortfelduntersuchung allein nicht nachgewiesen werden kann. Der Grund für die Schwierigkeit der Klassenbestimmung besteht darin, daß bei den Verben des Denkens der Schritt vom Resultat zur Basis der Trägersatzaktivität nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann - im Unterschied zu den Verben der sinnlichen Wahrnehmung, wo der Klassenwechsel mit einem Entmetaphorisierungsprozeß verbunden ist. Es ist aber sicher kein Zufall, daß die Nicht-Zugehörigkeit zur nonfaktiven Klasse für die PrSfixkomposita charakteristisch ist. Der Zusammenhang von Klassenzugehörigkeit und Perfektivität ist damit auch hier erwiesen, 4.7.5. Vermutung und Erwartung Diese Gruppe ist größtenteils durch wanen/wanen repräsentiert, das nach seiner Etymologie zu den Ausdrücken für Hoffen und Streben gehört, aber schon im And. ein unsicheres Meinen bezeichnet. Die Modussetzung ist vom Ahd. (auch bei Tatian, s. FÖRSTER 1895: 49f) zum Mhd. grundsätzlich gleich geblieben, es besteht semantemgebundene Teilaktualisierung im Komplement.

279 4.7.5.1.

Althochdeutsch

§ 1. TrSgersatz nicht modaliaiert S 1.1. affirmativ PrSs. Kl: IV 18,8 ih wanu thu als rehto thesses marines knehto, thes sines gislndes, thaz, wan ih, thu ni findes. IV 24,22 K2:

( ' w i r ' ) wanen waltan wolle

ther keisor ubar alle.

Der K2 hat an allen Stellen temporalen Wert. I 27,11

wanu sie iz intriatin int iz bi thiu datin; ... irfragen wer er wari.

II 7,58

wan iz quami imo in sin muat,

II 12,3 u,8. P rät. K2: I 22,11 III 4,21

ih wan t er therero dato

Josep wanta fruater, si wanta in alawari, odo er wanta, meinti,

hintarquami thrato.

er wari mit ther muater; thaz er mit imo wari. zi themo wazare imo zeinti;

III 20,115 ih want ih scolti noti u. . § 1.2. negiert Präs. Kl: V 7,28 ni wan es untar manne I 11,3^ K2: I 27,21

sin iamer mornenti

iamer drost giwinnel

ni wanu thaz si iz wessi ni wanu iz wola intfiangin

III 11,10 ni wanu si ouh thes thahti, § 2. Trägersät2 modalisiert § 2.1. zielgerichtet Präs. Mit Negation im Trägeraatz:

thaz er nan zalta so guat:

bi theru gastwissi, joh nahor ouh gigiangin; thaz siu sia thara brahti;

280 K2:

II 18,1

ni wanet thaz gizami,

thaz ih zi thiu quami.

IV 2 , 1 1

ni wanl si ouh thea wankti

ni si thar glscankti,

§ 2.2. nicht zielgerichtet Präs, In zwei (identischen) Sätzen ist nicht sicher, ob das Vf 1. oder 3. Pers. ist; im letzteren Fall mußten diese Sätze zur zielgerichteten Modalität gezählt werden. Kl: I 23,64 / IV 29,27

ni wane theih thir gelbo:

I 25,20 K2:

IV 22,3

ih wane, therer fülle

allaz thaz ih wille.

wane ouh bi thiu so gahti:

thes scacheres githahti;

§ 2.3. erfragt Präs. Kl: I 9,39 ... waz wanist thaz er werde? IV 26,51 V 21,10 K2: V 20 f 83

biwinen Kl: I 25,8

waz wanet werde thanne so sie beginnent terren waz wanist themo irgange

themo umbitherben walde, bourne themo thurren? ther anderan roubot thanne?

... wer mag wanen, druhtin, thes thaz man io in alagahi thih sulichan gisahi; dotan thih io fuarti, joh nakotdag thih ruarti, thurst inti hungar?

wio meg ih biwanen thanne mih,

theiz ai min ambaht ubar thih?

§ 2.4. nicht-faktiv eingebettet Prät. Mit Negation im Trägersatz: K2; IV 21,10

thaz er thes ni wanti,

4.7.5.2.

Mittelhochdeutsch

er iz fön imo irthahti.

281

§ 1. Trägersatz nicht modalisiert § 1 . 1 . affirmativ Präs. Kl: 2295 daz si des venet, daz ir si mit triuwen manic herze bi, 8578

ich teerte, slafen si versworn und alle ruowe in dlrre naht.

12660

ich wene, ich möge nü wol genesen und eine wile ruowen hie,

u. . K2:

12562

ich iane, daz nie man gerite kein ors so vrevel, als er tete.

18866

ich warne, ich alze spate von dir Gz sorgen wurde braht.

23668

ich vene, daz der nü verlür ouch alle sine bischaft. u.S. (alle Vf in der 1, Fers.)

Ind.: 29422

ich wane, friunt, du bist versent nach diner vrouwen minne.

32646

ich wane, man nü selten sS tiure wert vergütet.

39220

ich wene, manic sprize den lüften wart gesendet.

S. auch WILMANNS (1906: 243).

vürhten(KI) 14084

ich fürhte, daz mich etewaz von ungehiuren dingen uz sinnen welle bringen mit der gougelfuore sin.

16580 ich fürhte, er neme den ungewin, daz sin wille niht geschehe. 22296

ich fürhte, daz vil gröz Verlust Troiaeren wahse noch da von.

29134

ich fQrhte, daz Helene da dich selben minnen welle;

Ein K2 mit dem Nutzwert der Eventualität steht in;

282

15248

ich fürhte sere, daz mir schade vil lihte an ir geschähe.

P rät. K2: 517

Er· winde an allen widerstrit, daz kint daz wäre bi der zit von ir henden tot gelegen.

6144

so wand er äne zwifel des, er käme an allen atrit her dan,

6940

er wände, daz diu ritterschaft und diu geselleclichiu schar im ze schaden körnen dar

Auch bei Vf in der 1. Pers. steht der K2: 14

ich wände, swaz man sähe tiur unde fremde werden, daz solte man uf erden for manic sache rainnen,

11184

ich wände, swaz mir ist geschehen, daz waere mir getroumet gar.

Statt _iat hat Hs. a _wär. 34360

ich wände, niht so reines JQngelinges waere als ir.

Auffällig ist der Modusunterschied in V. 14 und V. 14184. Der Relativsatz in V. I4f könnte auch als autonome Modalität (mit prospektivem Nutzwert) verstanden werden, so daß im eingebetteten elementgemeinsamen Satzgefüge nur der Referenzsatz semant eingebundene Teilaktualisierung hätte (solte in V . 16 kann auch K2 sein). Wenn in diesem Fall noch eine Modusopposition vorhanden wäre, so könnte der K2 in der (späten) Hs. a als Ausbreitung der semantemgebundenen Moduasetzung auf den Referenzsatz gedeutet werden. Da die Modusvariation auf dieses eine Belegpaar beschränkt ist, bleibt diese Deutung unsicher. vürhten 754 801

si vorhte, daz ein ander wlp in schiede von ir minne. dS wart diu wilde feine der vorhte blSz und eine, daz er iht von ir schiede sich.

283

28682 si vorhte, daz ir tougenheit ir vater würde kunt getan u, . Autonome Modalität (eingebettetes hypothetisches KonditiooalgefGge) ist belegt in: 13592 wan si vorhte, ob ez geseit den Kriechen würde bi der zit, daz er mit in an den strit ze Troye keren müeste, § 1.2. negiert P ras. Kl:

8748

doch weie ich niht, daz er daz tuo;

446Q8

ich werte niht, daz min genSz Qf erden werde funden,

vürhten ( K l ) 18436 si wellent algeliche beliben dirre vorhte vri, daz ieman so gewaltic si, daz er getürre si bestan: 28042 ich bin der vorhte körnen abe, daz in kein wändel tuo gedon, P r St. K2:

38334 daz eiter l&ge drinne verborgen bi dem bluote, des wände niht diu guote und daz vil minnecliche wip. 47845 wan si niht wänden, daz si so gar Qf untriuwe kamen dar. § 2. Trägeraatz modalisiert § 2. 1. zielgerichtet P rSt. K2i 590 der sQeze weien wolte für ein gewislich märe, daz der hirte were an allen schimpf der vater sin;

4657

Doch wolte si des wenen, si mühte in wol entarten der veigen misselinge.

284

150 14156

dö man des waenen wolte, daz si diu guoten kriuter süte, von erste er warnen wolte, daz er diz wunder spähe in einem troume ssehe,

Die Gegenüberstellung der Belege erweist eindeutig semantemgebundene Teilaktualisierung in beiden Sprachstufen; an der syntagmatischen Modussetzung besteht kein Zweifel. Allerdings zeigt sich ein auffälliger Unterschied bei der 1. Pers, Präs, im nichtmodalisierten Trägersatz. Während bei Otfrid durchwegs auch hier der K gesetzt wird, ist dies im Mhd. zwar noch der häufigste Fall, aber immerhin haben drei Sätze ein vollaktualisiertes Komplement. Es stellt sich daher die Frage, ob diese Modusvariation als freie Varianten oder als funktioneile Opposition gedeutet werden muß. Der Kontext allein gibt bei diesen Sätzen keinen Aufschluß, ao daß diese Frage durch den direkten Vergleich der betreffenden Sätze entschieden werden muß. Ich halte nun die letztere Deutung für wahrscheinlicher. Die drei Belege mit vollaktualisiertem Inhaltssatz zeigen inhaltliche Merkmale der parenthetischen Gebrauchsweise. Das Komplementsatzgesohehen steht für den Sprecher als aktuell fest, es wird als unabhängig von seiner geistigen Tätigkeit bestehender Vorgang oder Zustand aufgefaßt. Während also int Fall des unsicheren Meinens das Komplement Resultat eines Gedankens ist, das als solches nur subjektive Wirklichkeit hat, ist der vom Komplement bezeichnete Prozeß in der parenthetischen Gebrauchsweise der Gegenstand einer geistigen Wahrnehmung, so daß sich das Verb in diesem Fall logisch-semantisch wie ein wenn-Verb verhält (s. auch die mhd. Belege bei WILMANNS 1906: 243). Die auf die 1. Pers. Präs, beschränkte Freiheit in der Auffassung des Komplementsatzgeschehens scheint bei Qtfrid noch nicht bestanden zu haben, ist aber schon bei Notker belegt (3. FÜHRER 1971: Hi4f); die bei Otfrid noch durchwegs vorhandene subjektive Bedeutungskomponente ist hier vielleicht noch eine Nachwirkung eines aus der Etymologie erschließbaren Sems. Als weiteres Indiz für die im Mhd. entstandene Freiheit in der Gebrauchsweise betrachte ich die InhaltssStze mit K2, welche wohl nicht zufällig auf die 1. Pers. Präs, beschränkt sind. In den zitierten Belegen hat der Modus zweifellos autonome Funktion mit dem Nutzwert einer Eventualität - im Gegensatz zu den ahd. Sätzen, wo sich der K2 auf ein vergangenes Geschehen bezieht. Die 1. Pers, Präs, trägt hier somit eine Vermittlerrolle in der semantischen Entwicklung dieses Verbs vom Ausdruck einer subjektiven Meinung zur Bezeichnung eines geistigen Erfassens, deren Resultat zur AmbiguitSt nonfaktives Verb/wenn-Verb führen kann. Dadurch besteht die Möglichkeit einer Wiederherstellung der autonomen Modusopposition, wie sie bei nhd. glauben vorhanden ist. 4.7.6. Streben, sich bemühen In beiden Sprachstufen ist syntagmatische Teilaktualisierung die Regel. 4,7.6.1.

(gijflizan/vlizen

285

4.7.6.1.1.

Althochdeutsch

§ 1. Trägersatz nicht modallsiert § 1 , 1 . affirmativ Prät.

I 22,2

sie flizzun thaz sie giiltin

zen hohen gizitin.

§ 2. Trägersatz modalisiert § 2.4. nicht-faktiv eingebettet Präs.

III 16,37

wirdit thaz ouh ana wan

ofto in sambazdag gitan,

zi thiu thaz sie giflizen, Prat. II 12,74

joh ,ouh thes giflizzi,

thaz sin gebot ni slizen;

thaz si lamer sin ginuzzi.

II 14,11

thie Jungoron iro zilotun, in koufe in muas tho holetun, thaz 3ie thes giflizzin, mit selben Kriste inbizzin.

III 24,45

quadun, silti loufan zi themo grabe wuafan, thaz si thes giflizzi, sih sata thar giruzzi.

4.7.6.1.2.

Mittelhochdeutsch

§ 1. Trägersatz nicht modalisiert S 1.1. affirmativ Präs. mit vlize dar Of wegen: K1: 18002 und sich dar uf mit vlize wegent r daz guot gerihte werde schin. P r It. K2: 3254 so vieiz er des vil harte sich, daz er in dannen braehte. 13108

er vleiz dar uf vil harte sich mit ainer ritterschafte snel, daz er daz selbe kastei gewunne bi den ziten. mit vllze dar üf wenden: 35100 seht, dö begunde er sinen sin dar Gf mit vlize wenden, daz er zuo sinen henden ein swert gewinnen möhte, mit vlize dar Gf stellen: 37074 und hete sich gestellet dar üf mit hohem filze gar, daz er im aber slüege dar mit creften einen grimmen slac.

286

dar üf legen 16066 sus leite er dar Gf sinen vliz, daz er gesahe ir hlute schin. Kl:

mit vlize dar Qf pinen: 23188 man hete sich gepinet dar Gf mit hohem flize gar, daz man ir dinges neme war nlch vollecliohen eren. Dieser Satz wäre ein vereinzelter Beleg für K1 nach prSteritalem Trägersatz, Ich halte eine Fehlschreibung in der Ausgabe nicht für ausgeschlossen; allerdings gibt auch BARTSCH außer Hs, A nem keine Lesarten an. Ind.: mit vlize dar Gf wegen: 2^972 er hete sich dar üf gewegen mit flize stille und offenbar, daz er spise manic jar ffloht in der schoenen veste hän.

Die Moduaform ist hier nicht sicher, mohte könnte auch K2 mit fehlendem Umlaut sein, § 2. Trägersatz modalisiert § 2.1. zielgerichtet Präs. mit vlize dar üf wenden: Kl: 18696 so sol ich alle mine kraft dar uf mit vlize wenden, daz ich nu müge vollenden all iuwer bete und iuwer gir. Bei den nominalen Wendungen kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Semantembindung nicht zu vliz, sondern zum Vf der Konstruktion mit vliz verläuft. Jedenfalls kann kein Unterschied in der Modussetzung nachgewiesen werden. ^.7.6.2. Als Streben mit pejorativer Bedeutungskomponente kann hier faren /yären angeschlossen werden: it.7.6.2.1.

Althochdeutsch

§ 1, Trägersatz nicht modalisiert § 1.1. affirmativ P rät.

Ind.:

287

III 11,45 K2: III 4,10

Joh ziu si fareta

thaz si thia tradun ruarta,

thes warun farenti

thaz sih thaz wazar ruarti.

Für den Modusunterschied weiß ich keine schlüssige Interpretation, § 2. Trägersatz modalisiert S 2.4. nicnt-faktiv eingebettet PrSs. Kl:

V 25,74 Prät. K2; IV 35,25

Joh sie thes io faren

thaz siu thes glfartin,

4.7.6.2.2.

Mittelhochdeutsch

wioz hintorort gikerenl

oba sie nan thara fuartin,

§ 1. Trägersatz nicht modalisiert S 1.1. affirmativ Prät. K2: 34960 die varten bede saraent des, daz er von dannen käme sä. 35277 Er und der küene Achilles begunden bede vären des, daz er kam uf des todes spor. 36396 wan daz der ellentriche und der vil küene Achilles begunde aleine vären des, daz er da vaehte wider in. 39742

si varten, daz ai trafen und dicke ein ander slüegen. vär dar Gf legen (K2) 15462 er leite dar uf sinen vär und alles sines herzen ger, daz Deidamie und er besunder sament waeren und er die wunnebeeren vünd alters eine dicke. § 2. Trägersatz modalisiert § 2 . 1 . zielgerichtet Prät. K2: 28215 wan daz aleine Achilles gar lützel wolte vären des,

288

daz er da zühtic vsere. M.7.6.3. Auch bei anderen Verben des Strebens bleibt die Modussetzung vom Ahd. zum Mhd. unverändert: U.7.6.3.1.

Althochdeutsch

§ 1. Trägersatz nicht modalisiert § 1.1. affirmativ Präs, ginenden Ind.: III 22,58 thaz ih thea ginendu, mih gotes sun nennu? Nach PW sind beide Teilsätze parallel, was ich nach dem inhaltlichen Verhältnis als unwahrscheinlich betrachte. Der Ind. weist entweder auf Reimeinfluß oder auf autonome Modalität, möglicherweise auf die 1. Pers. Präs. beschränkt.

P rät. gerön K2: IV 13t15

gerota iuer harto selb ther widarwerto, thaz muasi er redan in thaz muat,

§ 2. Trägersatz modalisiert § Z.H. nicht-faktiv eingebettet Präa. ginenden K1:

II 12,35

wazar joh ther gotes geist seal siu irberan avur meist, in thiu si thes ginenden, sih himilriches menden.

III 26,67

suntar thes ginenden, mit sinen iamer menden, mit sinen iamer bilden joh iz ni bimidenl

IV 37(35 P rät. gizilon K2; II 14,14

thaz si thes giziloti,

IV 4,6

thaz ai thes gizilotin,

IV 9,4

gibot thaz sies gizilotin,

IV 14,9

so welih so iz ni habeti, gibot er thes giziloti, er umbi thaz in gahi thia dunichun gigabi.

4.7.6.3.2.

thaz sie ouh thes ginenden,

Mittelhochdeutsch

mit uns sih saman menden,

thes wazares giholoti. imo einan esil holetin. thie ostoron in gigarotin.

289

1. Trägersatz nicht modalisiert 1.1. affirmativ Präs. gern K1: 181 8 da von ist ez ein tumpheit, daz ieman in der weite gert , daz ich die küniginne wert läzen süle iiz miner pf liht . 18618

doch der ich, lieber sun, daz du sist ir aller houbetman.

21808

da von ger ich bi dirre frist, daz iuwer bete erwinde.

muoten 761

sin herze muotet unde gert, daz er den schaeper hie be jage,

15188 diu tumbe muotet unde gert, daz si mannes site habe 16937

u,3. biten 21036

des ouote ich an dich unde ger, daz din erweltiu minne nu troeste mine sinne und al min trüren büeze.

da von so bite ich unde ger, daz mir noch baz ir helfe tuo und mir diu saelde wise zuo, daz mir an iu gelinge,

raten 19086

da von so rate ich unde ger, daz er die reise mide, girde dar uf legen (K1) 20488 dea hin ich mine girde dar Gf geleit an allen var, daz ich mit iu vertribe ein jär und ich i u wonen inüeze bi, K1 vertribe nach BARTSCH. sorgen 768 ich sorge dea uf erde, daz von mir dinen werden lip scheide lihte ein ander wip und miner minne dich entwene, warten 8189 C " e r ° ) wartet alle stunde, ob im ze sinem munde dekeiner slahte spiae ge.

290

werben (K1) 13418 sit man beginnet werben, daz Troye werde erniuwet. 40372 da von so werbent alle und ir ze vorderst, daz wir mögen mit kreften und mit starken zügen des küniges sun ersterben! sich vereinen (k"1) 1*6751 des mac also niht sin, wan ich hin des vil gar vereinet mich, ich si gevolget iu, ... PrSt. gern K2:

35910 mit flize sie des gerten, daz Hector würde erloeset. 47098 die boten gerten fürbaz, daz mit in füere Ulixes, Ajax und Diomedea in die stat ze Troie hin, aolte in V. 17881 kann nicht-umgelauteter K2 sein. sorgen 742

wan daz diu schoene sorgen begunde sire z'aller stunt, daz im ander minne kürst wQrd eteswenne von gescbiht.

17720 der helt begunde sorgen dar üf mit ganzer state, wl mite er wider täte, waz von den Kriechen im geschach. 18804

daz ich begunde sorgen, wie mir diu schoene würde.

27582 tuit sorgen waren aie geladen, wie si getaten bi der atunt, daz in Achilles wurde kunt, -t- gedenken 30536

werben (K2) 34844

der daz und daz

aorget und gedaiite, er ze tode in glüege im des niht vertrüege, er im gap die linwat.

do würben si, daz gienge ain wille für sich alzehant.

291

39646

si zwene würben under In, daz da gelage ir einer

tot,

ringen Ind.: 8562

si vaht mit sorgen unde rano dar umbe, daz diu hovediet 30 kume von ein ander schiet und sich niht leite slafen,

K2: 37226 und er mit hohem vlize ranc dar nach, daz er geraeehe sich. Für den Moduswechsel weiß ich keine plausible Interpretation.

§ 2, Trägersatz modalisiert § 2 . 1 . zielgerichtet Präs. gern + muoten s 116 des wil ich muoten unde geren, daz min geburt verderbe, 26482

ich wil des muoten unde gern, daz du verneinest mini u wort und du verkiesest uf ein ort, ob ich niht schone reden kan, muoten ·+· biten 26752 ich wil des muoten unde biten, ob man niht büezen welle Ir schaden ungevelle den Kriechen algeliche, sorgen 13966 so endarf ich des niht sorgen, daz er da werde funden, versuochen 2902

ich sol versuochen, ob ich müge uz armekeite dich geachüten.

35806 versuochent, ob iu si bereit diu state, daz ir von in koment, warten 2844 12047 P rät. versuochen K2: 9705

so warte ouch, wie si lone dir unde diene ir Qf ir solt. und warte, ob ez niht schine rot.

und wolt er doch versuochen daz, ob er mit siegen etewaz

292

an iu gewinnen rnöhte. 27784

iedoch wolt er versuochen baz, ob ez der selbe waere.

47037

wie si nach ir schulde wolte zuo i r mannes hulde körnen und iemer mere mit filze werben sere, daz si niemer niht getaäte, daz er beswaerde hzte.

werben

ringen 39518 und wolte dar nach ringen, daz er geraeche sinen val. § 2.2. nicht zielgerichtet P rät. ringen 7662 so muoste ir herze ringen dar nach, daz si gesshe den helt küen unde waehe, § 2.4. nicht-faktiv eingebettet Präs, muoten Kl: 28002 daz man dir muoten welle des, daz du für Troie hinnen varst. versuochen 27652 und wir versuochen ine trüge, wie din gemüete si gestalt. 4.7.7Wollen In dieser Verbgruppe ist nur wellen für den Modusvergleich ausreichend belegt; einige wenige Stellen enthalten wunsgen/wünschen. In allen Fällen steht seinanteingebundene Teilaktualisierung. Eine Ausnahme muß auf besondere Verhältnisse zurückgeführt werden. 4.7.7.1.

Althochdeutsch

§ 1. Trägersatz nicht modalisiert S 1.1. affirmativ Präs. Kl: II 14,72

mit waru will t ther gotes geist,

V 25,65 P rät.

joh wilit sulichero iagilih

thaz man inan beto meist,

theiz allaz si so samalih,

293 K2: II

, 15

III 9,9

er wolta in alawari,

thaz er ouh sin wari;

sie wunsgtun, ouasin rinan in sinen giwatin;

thoh sinan tradon einan

Die Annahme einer autonomen Modalität (mit Irrealis-Nutzwert) acheint mir hier nicht nahezuliegen (ebenso wenig wie die von FÜHRER 1971: 1^8 als Irrealis interpretierten Fälle). In einer Stelle könnte ein vollaktualisiertea Komplement vorhanden sein: IV 27,5

in weiz sie thaz ouh woltun, mit then wurtl ouh firmeinit

mit suntigon nan zaltun, so alt giscrip uns zeinit.

Die syntaktische Abhängigkeit von V. 5b ist allerdings fraglich. 5b könnte HS zu sein, wobei 6 am besten als Finalsatz interpretiert wird (so KÖ); möglich ist aber auch syntaktische Abhängigkeit von 5a, wohl nicht zu wizzan, wie EA vorschlägt, sondern zu wellen. Daa Satzgefüge kdnnte folgendermaßen aufgefa&t werden: "Ich bin davon überzeugt, daß sie das mit Absicht getan haben. Sie haben ihn zu den Verbrechern gezählt, damit er von ihnen angeprangert werden sollte,..." Diese Stelle ist jedenfalls kein zweifelsfreier Beleg für ein vollaktualisiertes Komplement. § 1,2. negiert Prät. K2: I 8,14 ...

ni wolta thaz iz wurdi.

§ 2. Trägersatz modalisiert § 2 . 1 . zielgerichtet Präs. Im Trägersatz steht zusätzlich eine Negation: K2: III 1,33

··· nist ni si avur wolle (suntar si imo munto), theiz iaraan thoh ni wunto.

III 13,15 druhtin, thu iz ni wolles,

thaz thu so io blfalles;

S 2.4. nicht-faktiv eingebettet Präs, K1: III 18,3 wer ist ... untar iu thaz mih ginenne zi thiu, ther untar iu thaz wolle thaz sunta in mih glzelle? Prät.

294 K2: IV 20,21

quadun er ni wolti,

1.7.7.2.

Mittelhochdeutsch

thaz man zina gulti,

§ 1. Trägersatz nicht modalislert S 1.1. affirmativ Präs. K1; 9210 und als ir wellent, daz iuch spehen kein mensche künne Gf erden, so lant gekeret werden den liehten stein in iuwer hant; 20404

die wile er unser erden geruoche biuwen, so wil ich, daz er hie nider läze sich und unser gast belibe.

23334

ich wil, daz manic frouwe ir blanken hende linde dur sine fröude winde und umbe in weinen müeze.

u.ö. K2: 39216 ich wil, daz liehtiu varwe stObe uz riehen schilten an der joat, Der K2 hat temporalen Wert und bezieht sich auf ein vergangenes Geschehen. Ein Satz enthält ein vollaktualiaiertes Komplement! 41192

sit und min mit und sit

daz ich wil, daz al min heil mins gelQckea bester teil, name und min wirdekeit Hectori ist gar hin geleit, muoz nO sin verdorben, daz er ist erstorben,

An dieser Steile scheint die Vollaktualisierung des Komplements einen besonderen Sinn zu haben. Für den Sprecher steht der Tod Hektors mit allen seinen Folgen fest, so daß das, was gewollt wird, nicht eigentlich der Inhalt des Komplementsatzes ist, sondern seine Bestätigung bzw. Offenlegung. Dieser Beleg kann somit als Anzeichen für eine Regenerierung der Modusopposition gewertet werden, die wohl nicht zufällig auf die 1. Pera. Präs, und auf den Fortsetzer Konrads beschränkt ist - bis zum V. 40424 steht bei wellen keine einzige eindeutige Ind.-Form. - Auch bei wünschen ist nur der K belegt: 5716

ich wünsche, daz an endes zil din herze in aselden gruone

295

16270

ich wünsche, daz ai vellen rnüez ein unsselic räche.

2939^

daz din gelücke blüeje und sich din aside mere, des wünsche ich, swar ich kerel

Prät.

K2: 15348

ir iegeliehiu weite, daz er würde ir trütgespll.

27520

man wolte, daz er waere nütz öf der boten reise,

38176

der wolte, daz sin ungemach an im gerochen würde sit:

§ 1.2. negiert PrSs. Kl: 2262 daz man den armen triute, des enwil niht ir gebot: PrSt. K2: 37483 ine wolte niht, si waren hie, 47703 so daz die Kriechen wolten niht, daz er befunde die geschiht § 2. Trägersatz modalisiert § 2.1. zielgerichtet PrSs. K1: 3391 *üu enwelle got', sprach Jupiter, 1 daz iöman si dar umbe her zuo miner höchgezit bekomen, daz Paris werde mir benomen; ( * * * ) S 2.2. nicht zielgerichtet Präs. Kl: 32060 swer welle, daz ich iemer gebe durch in uf eine wage min leben und die mäge, der helfe rechen minen schaden, § 2 . 3 . erfragt PrSs. Kl:

296

1832

ist ez niht iuwer wille,