System und Entwicklung des materiellen Steuerrechts in der wissenschaftlichen Literatur des Kameralismus von 1680–1840,: dargestellt anhand der gedruckten zeitgenössischen Quellen [1 ed.] 9783428441105, 9783428041107

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System und Entwicklung des materiellen Steuerrechts in der wissenschaftlichen Literatur des Kameralismus von 1680–1840,: dargestellt anhand der gedruckten zeitgenössischen Quellen [1 ed.]
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JOHANNES JENETZKY

System und Entwicklung des materiellen Steuerrechts in der wissenschaftlichen Literatur des Kameralismus von 1680·1840

Schriften zum Steuerrecht Band 17

System und Entwicklung des materiellen Steuerrechts in der wissenschaftlichen Literatur des Kameralismus von 1680-1840 dargestellt anhand der gedruckten zeitgenössischen Quellen

Von

Dr. Johannes Jenetzky

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

D 21 Alle Rechte vorbehalten

@ 1978 Duncker & Humblot, Berlin 41

Gedruckt 1978 bei Buchdruckerei Richard Schröter, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 04110 0

Inhaltsverzeichnis Einführung und allgemeine Entwicklung des kameralistischen Steuerrechts 0.1. 0.1.1. 0.1.2. 0.1.3. 0.1.4.

Einführung in die Thematik ...................................... 9 Der geistesgeschichtliche und historische Rahmen des Kameralismus 9 Die rechtshistorische Erarbeitung der Kameralepoche ............ 10 Rechtssystematische Besonderheiten des Kameralismus ... . . . . . . . . . 11 Relation der biographischen, der staatsphilosophischen und der rechtssystematischen Methode bei der rechtsgeschichtlichen Untersuchung ............................................. ,........... 13

0.2.

Die historische Entwicklung des Kameralismus aus steuerrechtlicher Sicht ...................................................... 0.2.1. Merkantilismus und Kameralismus in der nationalökonomischen Dogmengeschichte und das Fortwirken der einzelnen Kameraldisziplinen in der Gegenwart.................................... 0.2.2. Die Epochen des Kameralismus .................................. 0.2.3. Eigenart des Kameralismus und die ihn beeinflussenden Komponenten ..........................................................

14 14 15 18

0.3. 0.3.1. 0.3.2. 0.3.3.

Der steuerrechtliche Kameralismus im Urteil der Literatur ........ Die älteren Kritiker der Kameralepoche ...................•.... Die Kritik der neueren Zeit ...................................... Wissenschaftlich unseriöse Stimmen ..............................

24 24 26 27

0.4. 0.4.1. 0.4.2. 0.4.3.

Das Selbstverständnis der kameralistischen Wissenschaft .......... Bildete der Kameralismus eine einheitliche wissenschaftliche Schule? Das Wissenschaftsbild des Kameralismus ........................ Die Präponderanz des Kodifikationszweckes ......................

28 28 29 31

0.5. 0.5.1. 0.5.2. 0.5.3.

Der steuerrechtliche Kameralismus als Wissenschaftsdisziplin ..... Die wissenschaftliche Einordnung des Steuerrechts ................ Die Epochen des kameralistischen Steuerrechts .................... Stellungnahme zum Wissenschaftscharakter des Kameralismus ....

33 33 35 37

0.6. Aufgabenstellung und Eingrenzung der Untersuchungsfelder ...... 0.6.1. Die mangelhafte Beachtung der verwaltungsrechtlichen Seite des Kameralismus in bisherigen Bearbeitungen .....................• 0.6.2. Die einzelnen Zweige des kameralistischen Steuerrechts .......... 0.6.3. Aufgabenstellung ................................................ 0.6.4. Finale Bestimmung des Bearbeitungsgebiets ......................

37 37 38 39 40

6

Inhaltsverzeichnis System und Entwicldung des materiellen Steuerrechts im Kameralismus

1.

Die kameralistische Steuerlehre in ihrer Beziehung zu anderen Wissenschaftsdisziplinen nach dem Selbstverständnis der kameralistischen Literatur .................................................. 41

1.1.

Der Kameralismus als Regierungswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.2.

Der Begriff der Steuerwissenschaft im Rahmen der umfassenden Kameralwissenschaft ............................................ 43

1.3.

Die Emanzipation der Steuerwissenschaft von ökonomischen Elementen .......................................................... 44

1.4.

Die definitorische Eigenart der kameralen Steuerwissenschaft ....

44

2.

Die Entwicklung des Steuerbegriffs und seiner Elemente ..........

46

2.1.

Das Steuererhebungsrecht (ius collectandi) nach staatsrechtlicher und nach kameralistischer Begriffsbestimmung ................... 46

2.2.

Die Definition der Steuer im Wechsel der Epochen... .... . ........

2.3.

Steuer und Territorialabgabe in ihrem wechselseitigen Verhältnis 62

2.4.

Der Zehnte als Beispiel einer Abgabe mit ambivalenter Zuordnung 68

3.

Rechtfertigung und Zweck der Steuern ..........................

73

3.1.

Die Entwicklung der Steuerrechtfertigung in der Kameralzeit

73

3.2.

Haupt- und Nebenzwecke der Steuern und die Lehre von den Steuerwirkungen ................................................ 82

3.3.

Ausgewählte wirtschaftliche Steuerwirkungen in kameralistischer Betrachtungsweise ............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

4.

Die Entwicklung der sogenannten Grundsätze der Besteuerung ....

99

4.1.

Die Entfaltung des Systems der Besteuerungsgrundsätze ..........

99

4.2.

Die Entwicklung der inneren Prinzipien im System der Besteuerungsgrundsätze ................................................. 119

5.

Die Ausgestaltung der sogenannten Steuertafel ................... 123

5.1.

Die kameralistischen Vorstellungen vom System der Steuern ...... 123

5.2.

Die Reichs- und Landessteuern im Urteil der Kameralliteratur .. 130

5.3.

Der Gedanke der Einheitssteuer und seine Bedeutung im kameralistischen Denken ................................................ 133

6.

Fragen der Steuerbelastung ..................................... 140

6.1.

Proportionale oder progressive Besteuerung ...................... 140

41

49

InhaltsverZeichnis

7

6.2.

Der angemessene Steuersatz und die absolute Höhe der Steuer .... 144

6.3.

Die mehrfache Besteuerung einzelner Steuerpflichtiger und bestimmter Steuerobjekte unter gleichen oder ähnlichen Gründen .. 149

6.4.

Der Gedanke der Steuerabwälzung und die wirtschaftliche Steuerträgerschaft ..................................................... 152

6.5.

Die yerschiedenen Arten der Steuerbefreiungen .................. 160

6.6.

Berücksichtigung von Geldwertschwankungen bei der Steuerfestsetzung ......................................................... 170

7.

Die Maßstäbe der Besteuerung .................................. 173

7.1.

Besteuerungsobjekt und Bemessungsgrundlage .................. 173

7.2.

Die "Kosten der Erwerbung" als Vorwegabzug zur Ermittlung des "reinen Einkommens" ........................................... 180

7.3.

Die unterschiedliche steuerliche Behandlung des "Haushaltsabzuges" 186

7.4.

Änderungen der Besteuerungsgrundlagen und Anpassung der Steuern ..............................................•.......... 188

7.5.

Die historische Auseinandersetzung zwischen Besteuerung des Vermögens und Besteuerung des Gewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 192

8.

Materielle Rechtsfragen bei der steuererhebung .................. 205

8.1.

Das Steuergeheimnis und die Offenbarung privater Vermögensverhältnisse im Wandel der Zeiten .............................. 205

8.2.

Ursprung und Beginn der Steuervorauszahlungen ................ 209

8.3.

Das geschlossene und das offene Steuerumlageverfahren .......... 209

8.4.

Der Erlaß von Steuern oder die sogenannte Remission ............ 213

8.5.

Die Verjährung im steuerlichen Bereich .......................... 218

8.6.

Maßnahmen zur praktischen Durchsetzung von Steuererhebungen 219

8.7.

Der Weg von der schematisierten hypothetischen Besteuerung über die generalisierte typisierte zur konkret individuellen Besteuerung des Ertrags ...................................................... 225

9.

Ausgewählte einzelne Steuerarten zur exemplarischen Darstellung der Entwicklung ................................................ 233

9.1.

Das sogenannte Abzugsgeld, auch Nachsteuer genannt ............ 233

9.2.

Die Besteuerung der aufstehenden Gebäude ...................... 238

9.3.

Die Steuer aus dem Zinsertrag verliehener Geldkapitalien ........ 246

9.4.

Die Entstehung der frühen Verkehrssteuern ...................... 257

8

Inhaltsverzeichnis

.9~5.

Die Besteuerung des Erbschaftsanfalles .......................... 260

9.6.

Allgemeines und besonderes Steuerrecht im Kameralismus

266

Biographisrher Anhang

267

Literaturverzeiclmis

275

Finis omnis contributionis salus publica

Einführung und allgemeine Entwicklung des kameralistischen Steuerrechts 0.1. Einführung in die Thematik 0.1.1. Der geistesgescbichtliche und historische Rahmen des Kamerallsmus Die umfassende Darstellung des deutschen Kameralismus aus rechtshistorischer Sicht ist noch nicht geschrieben. Verschiedene Gründe zeichnen für diese wissenschaftliche Nichtbeachtung einer nach Fruchtbarkeit und Fortwirken in mehreren wissenschaftlichen Disziplinen der Gegenwart bedeutsamen Epoche verantwortlich. Der Merkantilismus entwickelte sich im deutschsprachigen Raum 1, bedingt durch die kleinstaatlichen Gegebenheiten und die geistesgeschichtliche Ausrichtung Mitteleuropas, in seiner Sonderform als sogenannter Kameralismusl in einer Richtung, die in Widerspruch zu fast allen historisch jüngeren Zeitströmungen geriet. Verständlicherweise konnten die verhältnismäßig zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten der nationalökonomischen Dogmengeschichte von ihrer Sicht her nicht die Eigenart und Eigenleistung des deutschen Kameralismus erfassen3 • Einer Betrachtungsweise, die auf der Basis eines staatsunabhängigen freien Wirtschaftskreislaufes aufbaut4, mußte eine Wirtschaftslehre5 , die alles wirtschaftliche Geschehen durch staatlichen Normbefehl für lenkbar erachtete, notwendigerweise fremd bleiben6 • Das staatsbezogene planwirtschaftliche Denken der Kameralisten eignete sich auch nicht als Vorläufer des modernen Sozialismus, da man das vernunftbegabte Individuum in den Mittelpunkt stellte, den gesellschaftlichen Vorgängen die geschichtliche Notwendigkeit absprach7 und wirtschaftliches Geschehen allein von disponiblen Sollensnormen determiniert erachtete8 • Mit (430) Nielsen S. 8. (474) Sommer Teil2 S.473. 3 (415) Hans Maier S.43; (515) Zielenziger S. 8 f., 14. , (433) Oncken S.148, 153. li (377) Handbuch der Finanzwissenschaft Bd. 1 S. 387 f. (Tautscher) ; (441) Remer S.22. I (439) Rath S.76; (399) Kautz Bd.2 S.243. 7 (439) Rath S.80. 8 (474) Sommer Teil 1 S.93. 1

2

10

Einführung und allgemeine Entwicklung

dem aufsteigenden westeuropäischen Liberalismus verband den Kameralismus die hohe Achtung vor den absoluten Rechten des als geistige Monade verstandenen Individuums. Das kameralistische Kreisen um den Staat als Zentralbegriff und die kollektive Verpflichtung, dem Einzelnen zur Glückseligkeit im Sinne einer stoischen Vollkommenheit der Seele zu verhelfen, schloß aber die Einigkeit mit dem Liberalismus aus9 • Die Verankerung des Kameralismus in dem metaphysischen jenseitsgerichteten Denken der deutschen Philosophie stand im Widerspruch zu den aufkommenden Naturwissenschaften und insbesondere zur englischen Ausprägung der Aufklärungsphilosophie als empirischer Utilitarismus. Eine scharf antiklerikale Haltung, ein fast jakobinischer Gleichheitsfanatismus, der jede rational nicht faßbare Privilegierung ablehnte, und eine dem sogenannten Polizeistaat eigentümliche soziale Haltung, die engagiert für die ärmeren Schichten der Gesellschaft eintrat, ließ den Kameralismus den konservativen Mächten Kirche, Adel und Kapital suspekt erscheinen. Schließlich konnten auch die faschistischen Ideologien keinen Gefallen an dem Kameralismus finden, weil dieser trotz aller Staatsverehrung dem organischen Staatsgedanken fern stand und sich in seinem friedensbejahenden Ethizismus nicht zur Machtentfaltung eignete. Aber nicht nur diese psychologisch verständliche ideengeschichtliche Isolierung der deutschen Spielart des Merkantilismus führte zur Vernachlässigung durch die Historie. Auch das allgemeine Desinteresse der juristischen Wissenschaft an der Frühgeschichte des Verwaltungsrechts hatte bis in jüngste Zeit die Ausklammerung eines Ideenkomplexes zur Folge gehabt, der in seinen Ergebnissen im geltenden öffentlichen Recht fortlebt10 • Neuerdings findet diese Zeitepoche auch rechtsgeschichtlich größere Beachtung. Man erkennt, daß man Verwaltungsrecht unter Ausklammerung der kameralistischen Epoche ebenso wenig erarbeiten kann, wie das Zivilrecht unter Verzicht auf das Verstehen römisch-rechtlicher und germanischer Elemente. 0.1.2. Die rechtshistorische Erarbeitung der Kameralepoche

Der Kameralismus verstand sich zwar als ein funktionell zusammenhängendes Wissensgebiet, vereinigte aber nach heutiger Einteilung die verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen in sich. Je nach dem welches Gebiet man herausgreift, verschieben sich die zeitlichen und personellen Aspekte. Das wissenschaftliche Neuland im Kameralismus beschränkte sich auf die juristische und die öffentliche Komponente der mit dem Wort "Staatswirtschaftslehre" fehlbezeichneten Disziplin. Als bahnbre9

10

(439) Rath S.76. (414) Hans Maier S.14 f.

0.1. Einführung in die Thematik

11

chendes Werk muß Hans Maiers Habilitationsschrift "Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre (Polizeiwissenschaft)" angesehen werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchung decken sich, soweit der Vorbehalt fachgebundener Unvergleichbarkeit nicht greift, mit den Feststellungen dieser Art, obwohl Maier den steuerrechtlichen Aspekt bewußt ausklammert. Diese Parallelität findet eine einfache Erklärung, wenn man berücksichtigt, daß die Lehre von den Steuern in den kameralistischen Werken im polizeirechtlichen Zusammenhang abgehandelt wurde l l • Die systemimmanente Verwandtschaft des allgemeinen Verwaltungsrechts mit allen Zweigen des besonderen Verwaltungsrechts, also auch des Steuerrechts, dürfte außerdem für die Auswechselbarkeit der Untersuchungsergebnisse verantwortlich sein. Im gegenwärtigen Zeitpunkt trägt jede derartige Untersuchung den Charakter der Vorläufigkeit in sich. Erst wenn durch eine Vielzahl von Einzelmonographien unter Auswertung ungedruckter regionaler Quellen das Ergebnis der Bearbeitung der an sich schon umfangreichen gedruckten Quellen verifiziert sein wird, kann entschieden werden, ob die volle Loslösung von zeitgebundenen Aspekten geglückt ist. 0.1.3. Reclltssystematische Besonderheiten des Kameralismus

Das kameralistische Steuerrecht wurde rechtsgeschichtlich bisher nur beiläufig bearbeitet. Finanzwissenschaftliche Einzeluntersuchungen über die kameralistische Steuerlehre liegen zwar vor. Es fehlt ihnen aber jeder rechtsgeschichtliche Aussagewert, weil sie der juristischen Natur des Steuerrechts fremd und verständnislos gegenüber stehen12 • Trotz äußerlicher Vermischung von Steuerrecht und wirtschaftlicher Steuerlehre in den Werken der Kameralisten blieben die beiden Wissenschaftszweige nach Denkansatz, Methodik und Zielsetzung getrennt und wurden in der Besteuerungspraxis ähnlich wie heute nur lose durch steuerpolitische Erwägungen verklammert13• Vieles was die Dogmengeschichte der klassischen Nationalökonomie in den Werken der Kameralisten freudig als Frühgeschichte der wirtschaftlichen Steuerlehre begreift, verliert diesen Charakter, wenn man berücksichtigt, daß es sich dabei analog den Gesetzesmotiven nur um unterstützende Erwägungen zu getroffenen, beabsichtigten oder vorgeschlagenen normativen Regelungen handelte 14 • Die Arbeit beabsichtigt, anhand aus ge11 (415) Hans Maier 8.180; die Literaturangaben decken sich für Polizei und Steuer mit Ausnahme der Spätzeit nahezu vollständig. (404) Knemeyer 8. 176 (auch in den Gesetzen wurden die Steuern als Anhang zur Polizei geregelt). 12 (439) Rath S.78. 13 (414) Hans Maier S.44 parallel für die Polizei. 14 (474) Sommer Teil 1 S.6.

Einführung und allgemeine Entwicklung

12

wählter steuerrechtlicher Fragen die Entwicklung im kameralistischen Denken herauszuarbeiten und Wurzeln sowie Folgewirkungen offen zu legen. Die Beschränkung auf gedruckte Quellen und ausgewählte Fragen ergibt sich aus der quantitativen Limitierung der Arbeit; der Verzicht auf Eingrenzung auf bestimmte Problemkreise, Epochen oder Personen des Kameralismus dient im Rahmen des Möglichen der Erarbeitung eines ausreichend breiten Rahmens. In Anbetracht fehlender Vorarbeiten auf steuerrechtlichem Gebiet besteht andernfalls die Gefahr einseitiger Verzerrung und Verallgemeinerung singulärer und zufälliger Gegebenheiten. Obwohl an dem schon erwähnten Werk Hans Maiers nicht mehr vorbei gegangen werden kann, zwingt die Eigenart des Steuerrechts doch zu einer eigenständigen Überprüfung und Einordnung der zeitgeschichtlichen Zusammenhänge. Schon damals waren öffentliches Recht und wirtschaftliche Wirklichkeit im Steuerrecht besonders verquickt. Man kann deshalb ohne Einschränkung beipflichten, daß auf steuerlichem Gebiet die eigentliche Leistung der deutschen kameralistischen Ausprägung des Merkantilismus liegt15. Zeitlich und personell verschiebt sich die Zeit der wissenschaftlichen Hochblüte des Kameralismus vom 17. und frühen 18. Jahrhundert auf das späte 18. und frühe 19. Jahrhundert. Die hochgeschätzten Frühkameralisten erweisen sich steuerlich als unbeholfene Denker, angebliche Epigonen gewinnen steuerlich schöpferischen Rang und bestechen durch reife eigenständige Denkleistungen. Diese Verschiebung der Akzente erfordert eine breit angelegte begrifflich klarstellende Darstellung der geistesgeschichtlichen, insbesondere der historischen Zusammenhänge aus der Perspektive der steuerrechtlichen Zielsetzung. Aus der Sicht des gegenwärtig geltenden Rechts dürfte die Ernte aus zwei Jahrhunderten Kameralismus in Form fortwirkender Rechtsgedanken, Institutionen und Lösungsmöglichkeiten auf steuerlichem Gebiet weit reicher sein als auf dem Gebiet des allgemeinen Verwaltungsrechts. Die frühzeitige Entwicklung des kodifizierten Steuerrechts parallel der wirtschaftlichen Entwicklung hat dazu ebenso Veranlassung gegeben wie der Regelungszwang des Steuerrechts. Zivilrecht und Steuerrecht verbindet die Eigenart des Fehlens rechtsleerer Räume. Während andere Rechtsgebiete über lange Zeiträume hinweg ganze Fragenkreise ungelöst lassen können, erzwingen die Durchsetzung subjektiver Rechte im Zivilrecht und der Einnahmenerzielungszwang des Staates die unverzügliche Regelung aller anstehenden Fragen in sinnvoller Weise. Zwar gilt der Grundsatz der prinzipiellen Lückenlosigkeit der Rechtsordnung mit den in der Gegenwart erarbeiteten Einschränkungen für alle von der sozialen Wirklichkeit erfaßten Regelungsfelder. Wenn aber auf einem sozialen Teilgebiet der Anruf an die juristische Wissenschaft nur schwach er15

(474) Sommer Teil 2 S.309.

0.1. Einführung in die Thematik

13

hoben wird, so pflegen die Regelungen von der Dogmatik durch Generalklauseln und durch systematisches Folgern aus dem Gesetzeszusammenhang unter Vernachlässigung der sozialen Empirie getroffen zu werden. Derartige Normierungen bieten meist nur weniger oder keine originellen rechtsschöpferischen Lösungen und sind wenig spezialisiert. Auch quantitativ bleibt die Normenmasse im Umfang sehr beschränkt. Eine reiche Fülle rechtsproblematischer Lösungen bietet nur die Offenheit gegen das nach Lösungsmöglichkeiten drängende soziale Geschehen. Die auffällige Regelungsdichte des Zivilrechts und des Steuerrechts spricht jedenfalls für sich. Im Kameralismus wie auch heute erweist sich dieser Ausfüllungszwang im quantitativen übergewicht zivilrechtlicher und steuerrechtlicher kodifizierter Normen. Die mangelnde Brauchbarkeit überkommener römischrechtlicher Steuerregelungen und das Fehlen bodenständiger differenzierter Rechtskonstruktionen übte einen heilsamen Zwang zur originellen Rechtsschöpfung der führenden Kameralisten auf steuerlichem Gebiet aus. Es versteht sich von selbst, daß alle Lösungsversuche nicht im rechts- und ideenfreien Raum entstanden. Sie beruhten auf einem Zusammenwirken von Empirie, juristischer Erfahrung, Bedürfnis nach Systematisierung, Rechtsvergleichung und inspirierenden philosophischen Ideen. 0.1.4. Relation der biographisdlen, der staatsphilosophischen und der rechtssystematisdlen Methode bei der redltsgesdlidltlichen Untersuchung

Da auf steuerrechtlichem Gebiet keine einschlägigen Vorarbeiten bestehen, soll vor der eigentlichen Quellenuntersuchung die Zielsetzung im Rahmen des deutschen Merkantilismus eingegrenzt werden. Das erfordert die Darstellung der kameralistischen Entwicklung im allgemeinen und der steuerrechtlichen Entwicklung im besonderen aus der Sicht der anhand des Quellenmaterials erarbeiteten Erkenntnisse und anschließende Auseinandersetzung mit den hergebrachten Betrachtungsweisen dieser Zeitepoche in der Literatur. Die vorgezogene Erörterung der philosophischen, zeitgeschichtlichen und rechtshistorischen Zusammenhänge rechtfertigt sich einerseits durch die dadurch erzielbare transparentere Gesamtdarstellung, andererseits aus der geschlosseneren Darstellung der Quellenanalyse, die nicht durch Bezugnahmen auf Autoren belastet werden soll, die zu den konkreten steuerlichen Fragen keine Aussagen beigesteuert haben, und deren ideengeschichtlicher Einfluß auch ohne Verknüpfung im Einzelfall einsichtig ist. Um Zusammenhänge aus dem persönlichen Studien- und Lebensbereich der angezogenen Autoren zu erschließen, weiß man biographisch in den meisten Fällen zu wenig. Soweit in Einzelfällen genauere Lebensdaten zur Verfügung stehen, haftet diesen das Signum des Zufälligen

14

Einführung und allgemeine Entwicklung

an. Schuld an diesem bedauerlichen biographischen Kenntnismangel trägt wiederum die in dieser Hinsicht rückständige historische Forschung, die den einzelnen Persönlichkeiten bisher nur in seltenen Fällen spezielle Untersuchungen gewidmet hat. Steuerrechtlich bedeutsame Kameralautoren sind in vielen Fällen verschollen, ohne biographische Spuren zu hinterlassen, wenn sie sich nicht auf anderen Gebieten einen Namen gemacht haben. Nur ihre gedruckten Werke legen Zeugnis vom erreichten wissenschaftlichen Rang ab. Beiläufige Sentenzen von Geistern minderen Ranges fanden dagegen bisher eine kaum zu erklärende Beachtung, wenn sie nur von anerkannten Kapazitäten lobender Erwähnung gewürdigt wurden, wie dies dem kameralistisch mehr als unbedeutenden Schlosser als Schwager Goethes durch Savigny zuteil geworden war. 0.2. Die historische Entwicklung des Kameralismus aus steuerrechtlicher Sicht

Die steuerrechtliche Akzentverschiebung in zeitlicher und personeller Hinsicht bedingt eine von der nationalökonomischen Literatur zur Dogmengeschichte erheblich abweichende Schilderung der Zusammenhänge. Soweit im Folgenden ohne besondere Hinweise die kameralistische Entwicklung angesprochen wird, beziehen sich die Ausführungen auf den steuerrechtlichen Aspekt des Entwicklungsverlaufs. 0.2.1. Merkantilismus und Kameralismus in der nationalökonomischen Dogmengeschichte und das Fortwirken der einzelnen Kameraldisziplinen in der Gegenwart

Der Merkantilismus als internationale gemeineuropäische Auffassung von der Wirtschaft ist hinreichend gut erforscht. Das gilt mit Einschränkung auch von der Ausprägung, die der Merkantilismus im deutschsprachigen Raum gefunden hat. Die wissenschaftliche Leistung des Merkantilismus beschränkte sich nahezu ausnahmslos auf Wissensgebiete, die heute den Wirtschaftswissenschaften zugerechnet werden. Zu Recht wirft die nationalökonomische Dogmengeschichte den deutschsprachigen Vertretern des Merkantilismus geringe Originalität und fehlendes wissenschaftliches Niveau vor. Das westeuropäische Vorbild blieb im 17. und frühen 18. Jahrhundert für alle mitteleuropäischen Vertreter der Wirtschaftslehre verpflichtend. Während der westeuropäische Merkantilismus zunächst von der französischen Physiokratie und später von der Industrielehre Adam Smith' abgelöst wurde, dauerte der mitteleuropäische Merkantilismus fort und wandelte sich zum sogenannten Kameralismus. Diese kameralistische Ausprägung des Merkantilismus hat die nationalökonomische Dogmengeschichte nie zu-

0.2. Die historische Entwicklung des Kameralismus

15

treffend verstanden16 • Einigkeit bestand über die Erkenntnis, daß Merkantilismus und Kameralismus nicht einschränkungslos gleichgesetzt werden können11• Auch die schulbildende Kraft des Kameralismus schätzte man richtig ein. Man übersah dabei, daß der Kameralismus zwar auch eine Staatswirtschaftslehre vertrat, die aber mit der liberal geprägten klassischen Nationalökonomie kaum mehr Berührungspunkte hatte. Eine Vielzahl von weiteren Wissenschaftsdisziplinen wie Verwaltungs- und Polizeilehre, Polizeirecht, Steuerlehre, Finanzwissenschaft, Steuerrecht, Agrarwissenschaft und Ingenieurwesen hatte das kameralistische Interessenfeld erweitert und die Staatswirtschaftslehre überwuchert18 • Diese Staatswirtschaftslehre verstand sich auch eher als eine Art Wirtschaftsverwaltungsrecht und wies in planwirtschaftlicher Orientierung frappante Berührungspunkte zur modernen Zentralverwaltungswirtschaft auf. Das Fehlen fortdauernder nationalökonomischer Erkenntnisse bedeutete aber keineswegs, daß der Kameralismus in jeder Richtung als tote Entwicklungslinie endete. Die bunte Mischung verschiedener Wissenschaftsdisziplinen im Kameralismus wirkt auch nur bei retrospektiver Betrachtungsweise zufällig. Aus der staatsbezogenen Sicht des Kameralismus ordneten sich alle Zweige des Kameralismus zu einem organischen Ganzen. Die unterschiedliche Interessenrichtung des Kameralismus im Verlaufe seiner Entwicklung führte zu der unterschiedlichen Gewichtigkeit der Teildisziplinen19 • Nur was als reife Frucht des Spätkameralismus Gestalt gewonnen hatte, lebt in der Gegenwart fort. Die deutsche Nationalökonomie fand im neunzehnten Jahrhundert den internationalen Anschluß durch westeuropäische Einflüsse. Das Staatsrecht, die allgemeine Staatslehre, das allgemeine Verwaltungsrecht, das Polizeirecht, die Finanzwissenschaft und das Steuerrecht konnten dagegen unmittelbar auf den Ergebnissen des Spätkameralismus aufbauen. 0.2.2. Die Epochen des Kameralismus

Der Kameralismus gliedert sich in deutlich unterscheidbare gegeneinander abgesetzte Epochen, die eigenständiger wissenschaftlicher Untersuchung bedürfen. 0.2.2.1. Einhelligkeit besteht darüber, daß die einzelnen Steuern als Rechtsinstitutionen im mitteleuropäischen Raum nicht aus dem römi(422) Marchet S. 272 f. (493) Tautscher S.8; (474) Sommer Teil 2 S.472; (515) Zielenziger S.93: Völlig verfehlt bezeichnet Zielenziger die Kameralisten als eine Gruppe historischer Volkswirte. 18 (415) Hans Maier S. 13. 19 (474) Sommer Teil 2 S.153. 18

17

16

Einführung und allgemeine Entwicklung

schen Recht rezipiert worden sind, sondern eigenständige Entwicklungen aus bodenständigen Ansätzen darstellen20 • Im Zeitpunkt der Übernahme des römischen Rechts hatte die europäische Wirtschaftsentwicklung schon ein Niveau erreicht21 , dem die römischrechtlichen Steuerkonstruktionen unterlegen waren. Dennoch waren die rezeptionseifrigen Juristen bemüht, die vorhandenen Steuerformen in das Prokrustesbett römischrechtlicher Begriffe zu pressen. Es entfaltete sich die sogenannte juridische Steuerliteratur mit den führenden Namen Klock, Besold, Bornitz und Faust ab Aschaffenburg. Die Grundwerke dieser Zeit im 16. und 17. Jahrhundert sind lateinisch geschrieben22 • Sie enthalten eine Fülle von Steuerrechtskonstruktionen, die keinen Bezug zur realen wirtschaftlichen und rechtlichen Entwicklung der landesherrlichen Steuerordnungen mehr hatten23• An Versuchen aus nationalen Gründen Vorläufer des Kameralismus in diese Literatur hineinzusehen, hat es nicht gefehlt24 • Untersuchungen interpretierten Gedankengänge in die Werke Kaspar Klocks, die in der lateinischen Grammatik nur dürftigen Halt finden und die ohne die Idee des polizeilichen Wohlfahrtsstaates und die Auseinandersetzung mit dem Liberalismus damals unmöglich schon erwogen werden konnten2S • Die heute herrschende Auffassung rechnet die lateinische Steuerliteratur nicht einmal zu den Vorläufern des Kameralismus, sondern hält zutreffenderweise eine scharfe Zäsur zum Merkantilismus oder Frühkameralismus für gegeben28 • Die führenden Vertreter des Kameralismus kannten als zumeist gebildete Juristen die juridische Steuerliteratur und zitierten sie auch, um bewährte Gewährsleute benennen zu können. Formal und inhaltlich standen sie aber den alten Schriften fremd gegenüber27 • 0.2.2.2. Der deutsche Merkantilismus ergriff Mitteleuropa als Teil dieser gemeineuropäischen Wirtschaftsbewegung. Führende Träger dieser Entwicklung im deutschsprachigen Raum waren in Österreich Schröder, Becher und Hornigk und im Norden Seckendorff28 • Bezeichnenderweise wird das Wirken dieser Gruppe, die der hohen Zeit des Merkantilismus angehört, als Frühkameralismus bezeichnet. Steuerliche Probleme behandeln Becher und Hornigk überhaupt nicht, Seckendorff nur (430) Nielsen S.35. (422) Marchet S. 308. 22 (422) Marchet S.3. 23 (430) Nielsen S.3. 24 (430) Nielsen S.31. 25 (417) Mann S.101; (430) Nielsen S.49; (474) Sommer Teil2 S.308; (417) Mann S. 262 ff. 26 (474) Sommer Teil 1 S.7, 11, Teil2 S.313; (515) Zielenziger S. 123 - 131; (393) Inama-Sternegg S. 535. 27 (430) Nielsen S.61. 28 (430) Nielsen S. 90 ff.; (422) Marchet S.3. 20 21

0.2. Die historische Entwicklung des Kameralismus

17

knapp und nur der ideengeschichtlich Jüngste, Schröder, eingehender29 • In steuerrechtlicher Sicht stehen wir somit in einer Frühzeit30 , obwohl die Nationalökonomen, aus ihrer Sicht zu Recht, Becher als Höhepunkt der Entwicklung bezeichnen31 • 0.2.2.3. Der anschließende Hochkameralismus mit den führenden Vertretern Justi und Sonnenfels zeichnet sich durch eine reiche Literatur und zahlreiche Vertreter aus. Man beginnt das vorhandene Material zu sichten, zu systematisieren und in einen philosophischen Zusammenhang einzuordnen. Wirtschaftspolitische Erwägungen treten in den Hintergrund32 • Alle Disziplinen gewinnen einen staatsbezogenen fast öffentlichrechtlichen Charakter33 • Der Einfluß der Physiokratie und der von Adam Smith dringt in Deutschland nicht durch, da sich die Problemsicht im Kameralismus verändert hat. Freie, sich ungehemmt entfaltende Wirtschaftsbereiche kannte man in der mitteleuropäischen Kleinstaaterei noch nicht. In den Problemen der Verwaltung und Staatsordnung eilte man dagegen der Zeit voraus. In diese Zeit fällt auch die Einrichtung von kameralistischen Lehrstühlen an den Universitäten. Die ersten kameralistischen Lehrstühle richtete Friedrich Wilhelm I. von Preußen in Halle und Frankfurt an der Oder ein und besetzte sie mit den Kameralisten Dithmar und Gasser 34 • Eine ökonomische Professur in Rinteln übernahm zur gleichen Zeit Fürstenau. Zincke hielt in Leipzig ohne Lehrstuhl Kameralvorlesungen33 • Justi übernahm als erster die Professur für Kameralwissenschaften am Theresianum in Wien, als sich die juristische Fakultät für werdende Staatsbeamte als unzureichend erwies36 • Sein direkter Nachfolger war Sonnenfels37 • In lebendiger Wechselwirkung zwischen Theorie und Praxis werden die Grundlagen des modernen Steuerrechts und der Finanzwissenschaft erarbeitet. Zeitlich erstreckt sich diese Epoche auf das späte achtzehnte Jahrhundert 38• 0.2.2.4. Der Spätkameralismus im frühen neunzehnten Jahrhundert bringt steuerlich den Höhepunkt der Entwicklung, der sich weniger durch besonders hervorragende Vertreter als durch die Herausbildung eines in sich geschlossenen Systems auszeichnet39 , das in eleganter und 29 30

31 32

33 34

35 36 37 38 39

(430) (474) (341) (474) (430) (474) (474) (474) (415) (474) (415)

2 Jenetzky

Nielsen S. 95 f.; (422) Marchet S. 76 ff. Sommer Tei12 S.304. Böhle S.10 und (474) Sommer Teil 1 S.57. Sommer Teil 1 S.4, Teil 2 S.170. Nielsen S. 124 f. Sommer Teil 1 S.17; (515) Zielenziger S.103. Sommer Teil 2 S.158. Sommer Teil 2 S. 159. Hans Maier S. 214 f. Sommer Tei12 S. 308 f. Hans Maier S. 234.

Einführung und allgemeine Entwicklung

18

profunder Darstellung die angeschnittenen Probleme zur Reife bringt40 • Als Wirtschaftsdenker sind die Vertreter dieser Epoche mit Recht nicht mehr zu bezeichnen. Jedoch nur aus nationalökonomischer Sicht sind sie als Epigonen zu bezeichnen41 • Steuerrechtlich bringen sie das kameralistische Gedankengut zur Vollendung42 • Auch die Zahl der Publikationen erreicht einen Höhepunkt. 0.2.2.5. Die nachkameralistische Epoche zur Zeit der Revolutionsbewegungen bringt dann noch einige enzyklopädistische, die Erkenntnisse des Kameralismus zusammenfassende Werke, die ein Menschenalter später ihre Ergebnisse an das einsetzende moderne Steuerrecht und die neuere Finanzwissenschaft weiterreichen4:t. 0.2.3. Eigenart des Kameralismus und die ihn beeinflussenden Komponenten

Der Kameralismus als spezifisch mitteleuropäische Erscheinung wurzelt einerseits in dem internationalen merkantilistischen Anstoß, der den mitteleuropäischen kleinstaatlichen Dimensionen entsprechend eine besondere Ausprägung fand. Den landesfürstlichen Intentionen gemäß entwickelte er sich aber andererseits von der Wirtschaft fort und zum Staat und Recht hin; dabei wandelte er sich zum Kameralismus. Der Kameralismus erschöpfte sich aber nicht in einer landesfürstlichen Gefälligkeitswissenschaft, wie man ihm fälschlich unterstellt hat4 4• Die literarisch fruchtbare Gruppe von Kameralisten umfaßt Männer unterschiedlichsten beruflichen Werdeganges. In den meisten Fällen stand am Anfang ein juristisches Studium, von dem man sich später als Praktiker distanzierte, um nicht in den Ruf eines weltfremden Gelehrten zu geraten45 • Nur selten waren sie als Berater im Stab der fürstlichen Verwaltungen tätig. Häufige Berufe sind dagegen Hochschullehrer, hohen Beamtenstellen in der Bezirksverwaltung, Ingenieurtätigkeit in Staats- und Privatbetrieben und freie literarische Tätigkeit. Der häufige Wechsel dieser Berufe brachte Gewandtheit, Praxisnähe, ein starkes Selbstvertrauen und damit verbunden persönlichen Stolz. Diese Männer hatten es nicht nötig, aus wirtschaftlichen Gründen um Fürstengunst Gefälligkeiten zu schreiben. Ihr Stil hebt sich allgemein bei aller "pflichtschuldigen Ehrerbietung" von dem barocken Stil der Unterwürfigkeit wohltuend ab. Die staatsbezogene und machtbejahende (415) (477) 42 (418) 43 (414) klang). 44 (430) 45 (422) 40

41

Hans Maier S.46. Staatslexikon Rotteck und Welcker 1865 3. Auf!. Bd.13 "Steuern". Mann S.56. Hans Maier S.46 (für die Polizei nennt er Mohls Werk als AusNielsen S.92. Marchet S.228.

0.2. Die historische Entwicklung des Kameralismus

19

Auffassung in der kameralistischen Literatur versteht sich zwanglos daraus, daß die Autoren sich mit als Träger der Macht fühlten und als Verwaltungsglied im Wege der Selbstidentifikation bemüht waren, die staatliche Gewalt auszuweiten und zu stärken. Man darf nicht vergessen, daß es den Begriff des Kameralisten im benutzten Sinne des Wortes nicht gab. Wir bezeichnen heute damit die führenden Vertreter der Kameralwissenschaft, deren Werke gedruckt wurden. Eine zusammenfassende Eigenbezeichnung kannte die zeitgenössische Literatur dagegen nicht. Um diese durch gemeinsame Aufgabenstellung verbundene Gruppe von den eigentlichen Kameralbeamten abzuheben, die als Erfinder von Steuerprojekten und "elende Plusmacher" dem Kameralismus seinen schlechten Ruf als Ausbeutungssystem einbrachten, bezeichnete man die Gruppe der subalternen Fürstendiener besser als "Fiskalisten". Der unmittelbare Zwang, die Funktionsfähigkeit und Effizienz der landesfürstlichen Verwaltung zu sichern und auszubauen, bildete somit die zweite Komponente der kameralistischen Entwicklung. Neben den genannten beiden geistesgeschichtlichen Hauptwurzein haben vielfältige Einflüsse die kameralistische Entwicklung eingeleitet, befruchtet und gelenkt. 0.2.3.1. Als frühester Einfluß verdient das gewandelte, antik beeinflußte Staatsverständnis an den Universitäten genannt zu werden46 • Dieser Einfluß erschöpft sich allerdings darin, die Entwicklung angestoßen zu haben. Auf die konkreten steuerlichen Vorstellungen vermochte die neue Staatsphilosophie nicht einzuwirken, weil es ihr an eigenen steuerlichen Intentionen fehlte 41 • 0.2.3.2. Eine gewisse Einflußnahme muß man auch den spanischen Spätscholastikern zusprechen, die aus praktischer Erfahrung steuerliche Fragen erörtert hatten und damit Eingang in die frühkameralistische Literatur fanden48 • 0.2.3.3. Sehr viel verdankte der Kameralismus den steuerlichen Volksschriften (Traktatliteratur) und dem Akzisestreit deutscher Finanztheoretiker im siebzehnten Jahrhundert, die das wissenschaftliche Gespräch ungewöhnlich stark belebt hatten49 • Diese Einflüsse gewinnen besonders im Hochkameralismus an Bedeutung. 0.2.3.4. Der steuerliche Kameralismus könnte durch den Einbruch der Empirie in die wissenschaftliche Arbeit gekennzeichnet werden 50 , ob-

(430) Nielsen S. 97; (366) Gerloff S.1. (430) Nielsen S. 78 ff. 48 (430) Nielsen S. 97 -101 (Molina, Lugo, Cajetanus, Suarez, Soto); (399) Kautz Bd. 2 S. 294 f. 49 (393) Inama-Sternegg S.539. 50 (430) Nielsen S.116 (unter Berufung auf Thomasius "Kurtzer Entwurff der politischen Klugheit". Frankfurt 1707 115). 46 41

2"

Einführung und allgemeine Entwicklung

20

wohl sich seine Eigenart darin nicht erschöpft51 • Es bedarf dazu keines Rückgriffs auf die Lehren Christian Wolffs, obwohl dessen Ideen sicher auch die Verarbeitung praktischer Erfahrungen befördert haben. Der Einbruch der Erfahrung lag im Kameralismus eher in der Natur der Sache, weil die widerlegten Erkenntnisse aus praktischer Erfahrung gewonnen wurden und die errungenen Erkenntnisse wieder der praktischen Erfahrung dienen sollten52 • Ein derartiger ständiger Wechsel von Theorie und Empirie involviert geradezu Rechtstatsachenforschung, induktive Schlußmethoden und praktische Rechtsvergleichung. Man verglich unterschiedliche landesfürstliche Steuerordnungen und prüfte ihren Einfluß auf die soziologischen Verhältnisse des Landes. Die besten Regelungen versuchte man dann durch eigene Rechtskonstruktionen zu optimieren. Auf diesem Wege fand auch die ausländische Steuerliteratur Eingang in den Kameralismus5 :t. Im Gegensatz zur hergebrachten Auffassung war es weniger eine bestimmte theoretische Gedankenführung, die einem ausländischen Schriftsteller Zugang in der Argumentation verschaffte, als das erprobte oder wenigstens überzeugende Beispiel eines konkreten praktischen Steuerfalles mit genauen Sachverhaltsangaben. Die theoretische Argumentation wurde dann als Zugabe mit übernommen, wenn das praktische Beispiel genügend überzeugende Kraft entwickelt hatte. So vergleicht man beispielsweise die Wirkungen einer bestimmten Steuerart in verschiedenen Rechtsordnungen anhand der kodifizierten Regelungen und der praktischen Auswirkungen, soweit man sich dazu Zugang verschaffen konnte. Die vorgeschlagene eigene Lösung orientierte sich dann an den jeweiligen aufklärungsphilosophischen Idealen. 0.2.3.5. Den überragenden Einfluß auf das kameralistische Steuerrecht übten die verschiedenen Systeme der Aufklärungsphilosophie aus. So stark die Beeinflussung der tragenden kameralistischen Grundanschauungen nachgewiesen werden kann, so gering ist die Einwirkung auf die konkreten steuerlichen Regelungen 54 • Verantwortlich dafür zeichnet einerseits das pragmatische Denken der Kameralisten, die von einem bestimmten Denkansatz oft in eine völlig andere Richtung ihrer Folgerungen geführt wurden 55 und die bei aller Systemfreudigkeit zu jeder Inkonsequenz und Tatbestandsverbiegung bereit waren, wenn es die Gebote einer praktikablen Rechtsanwendung56 , des gesunden Menschenverstandes und der verwaltungstechnischen Funktionsfähigkeit 51 52

53 54

55 56

(488) (430) (515) (422) (414) (393)

Stintzing / Landsberg Erste Abt. S. 668. Nielsen S. 120. Zielenziger S. 107 f. Marchet S. 138; (433) Oncken S.234. Hans Maier S. 170. Inama-Sternegg S.537.

0.2. Die historische Entwicklung des Kameralismus

21

erforderten. Größere Bedeutung kommt andererseits dem allgemeinen Schweigen der Aufklärungsphilosophie zu steuerpolitischen Fragen zu. Während zu Fragen des Völkerrechts und des Privatrechts (Eigentum) differenzierte Stellungnahmen von Seiten überwiegend philosophisch orientierter Kameralwerke vorliegen, beschäftigte sich die Aufklärungsphilosophie mit den rühmlichen Ausnahmen Bodin, Hume und Montesquieu 57 , allenfalls in Randbemerkungen mit dem Steuerrecht. Es war sogar üblich, daß die Aufklärungsphilosophen steuerliche überlegungen mit rechtsphilosophischer Begründung von praktischen Kameralisten entlehnten und spätere Kameralisten diese Erkenntnisse dann von philosophischer Seite im Wege des Zitats rückübernahmen, um sich der Gewährschaft bekannter Namen zu versichern 58 • Bei dieser Sachlage erscheint es müßig, konkrete steuerliche Regelungen auf bestimmte rechtphilosophische Gedankengänge rückführen zu wollen. Damit soll der Einfluß der Aufklärungsphilosophie nicht unterschätzt werden. Die staatsphilosophischen Einflüsse haben als überragende Komponente die Entfaltung, Durchgestaltung und Zielsetzung des Kameralismus geformt und gefördert. Nur vollzog sich diese Beeinflussung auf steuerlichem Gebiet nicht im Wege des kausalen Zusammenhanges der Ideen, sondern die wirkenden Ideen bestimmten die Grundanschauungen der die kameralistische Entwicklung tragenden Persönlichkeiten, die dann in freier Gestaltung die Lösung der praktischen Rechtsfragen erarbeiteten. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel. Montesquieus Lehre von den Steuern fand bei Justi großen Anklang59 , obwohl dieser die staatsphilosophische Auffassung des Franzosen strikt ablehnte 60 • Dieses Beispiel mahnt zur Vorsicht, aufklärungsphilosophische Gedanken als motivierende Kausalfaktoren zu unterstellen, wenn der betreffende Staatsphilosoph zu steuerlichen Fragen keine Stellung genommen hat. 0.2.3.5.1. Alle Monographien über den Kameralismus enthalten Ausführungen über staatsphilosophische Einflüsse des aufklärerischen Naturrechts auf die kameralistische Ideenwelt61 • Weil die Naturrechtslehren kaum zu positiven Rechtsfragen Stellung nahmen, beschränken sich diese Untersuchungen auf Aussagen über das Wesen des Staates und des Naturrechts 62 • Einigkeit und übereinstimmung bestehen aber nur über die großen Linien der Entwicklung. Im einzelnen ist vieles streitig. So behauptet Marchet wohl zutreffend, daß die philosophischen 57 (422) Marchet S. 190 f., 212; mit Einschränkung auch Hobbes "Leviathan" Kap. 30 S.263 der Ausgabe Luchterhand-Verlag 1966. 58 (502) Wachenhausen S.62. 59 (474) Sommer Teil 2 S. 180, 311. 60 (474) Sommer Teil 2 S. 184 f.; anders (341) Böhle S.86. 61 (422) Marchet S. 138 ff., 292. 62 Ausführlich das gesamte Werk von (373) Grünfeld.

22

Einführung und allgemeine Entwicklung

Lehren der Ideengruppe Grotius, Pufendorff, Thomasius, Leibniz und Wolff erst nach dem Frühkameralismus Einfluß auf die kameralistische Entwicklung gewonnen haben 6lt, während die sehr eingehende Untersuchung von Louise Sommer nachweisen zu können glaubt, daß das Naturrecht in seiner ersten Phase mit den Lehren der Grotius, Hobbes und Pufendorff als Wurzel des Frühkameralismus angesehen werden müßte64 • Solche diametral widersprechenden in sich gut begründeten Auffassungen weisen darauf hin, wie gering die feststellbare Konkretisierung der philosophischen Lehren in den steuerlichen Systemen der Kameralisten sein muß. Die Arbeit Nielsens, die an die kameralistischen Probleme als früheste mit rechtshistorischem Verständnis herantrat, schätzte den Einfluß Bodins außerordentlich hoch und den Macchiavellis sehr gering ein 65 • Auch dieses Ergebnis kann auf steuerliches Gebiet nicht übertragen werden; Bodin hat sich durch seine steuerlichen Abhandlungen über seinen staatswissenschaftlichen Einfluß hinaus Gehör verschafft, aber Macchiavelli wird wegen seiner rechtsgeschichtlichen steuerlichen Ausführungen im kameralistischen Steuerrecht ebenfalls gern zitiert, obwohl ein staatswissenschaftlicher Einfluß nicht feststellbar ist. Von überragender Bedeutung für das steuerliche Verständnis der Kameralisten war dagegen der Einfluß Wolffs, dessen wechselwirkende Vereinigung von Theorie und Praxis besonders für das Steuerrecht vorbildlich gewesen ist66 • 0.2.3.5.2. In der Sekundärliteratur werden regelmäßig bestimmte Namen wiederholt, denen man die philosophische Väterschaft für die kameralistische Ideenwelt zubilligt: Aristoteles, Leibniz, Spinoza, Hobbes, Grotius, Bodin, Pufendorff, Hume, Montesquieu, Locke, Thomasius, Wolff67 • Soweit im kameralistischen Steuerrecht Einflüsse des philosophischen Kameralismus vorliegen, laufen die Verbindungslinien anders als bei den üblicherweise geprüften Einwirkungen auf die merkantilistischen Wirtschaftstheorien. Auch lassen sich kaum ideengeschichtliche Zusammenhänge nachweisen68 , die nicht durch konkrete Zitate belegt sind, weil sich das Steuerrecht infolge seiner realitätsbezogenen und kasuistischen Struktur einer ideengeschichtlichen Analyse weitgehend entzieht69 • Die Zitierhäufigkeit bestimmter Philosophen in der Steuerliteratur besitzt deshalb eine erheblich höhere Aussagekraft als die sich in Allgemeinheiten erschöpfende übliche ideen geschichtliche Analyse. 63 64 65 66 67 68

69

(422) (474) (430) (430) (430) (422) (418)

Marchet S. 138. Sommer Teil 2 S. 180, 311. Nielsen S.17. Nielsen S. 117; (474) Sommer Teil2 S. 210; (422) Marchet S.232. Nielsen S. 63; (424) Mohl S.240. Marchet S.179, 187. Mann S.7l.

0.2. Die historische Entwicklung des Kameralismus

23

Erzielen lassen sich auch nur positive Ergebnisse, weil fehlende Zitate keine negativen Rückschlüsse gestatten. Der Kameralismus unterscheidet sich von der vorhergehenden juridischen Steuerliteratur durch seine geringe Zitierfreudigkeit und widerlegt durch dieses Kennzeichen selbstbewußter und origineller Geistesepochen den Vorwurf des unselbständigen Enzyklopädismus und Eklektizismus. 0.2.3.5.3. Eine Gruppe von Aufklärungsphilosophen wird in allen Stadien des Kameralismus reichlich zitiert: Aristoteles, Bodin, Hobbes, Locke, Macchiavelli, Montesquieu. Der Einfluß von Grotius10 , Pufendorff, Thomasius und Bacon beschränkt sich auf zivilrechtliche Grenzfragen des Steuerrechts11 , setzt im Frühkameralismus ein und endet mit Beginn des Hochkameralismus. Friedrich der Große, Voltaire und Mirabeau üben ab Einsetzen des Hochkameralismus einen nachhaltigen Einfluß aus. Im Spätkameralismus wirken Rousseau, Hume, Stewart, Ricardo, Swift und Kant12 stark auf die Entwicklung ein. Wenig steuerliche Beachtung fanden Leibniz und Fichte13• Eine Sonderstellung nimmt Wolff ein14 • Obwohl sich seine Zitierhäufigkeit im Rahmen hält, bleibt sein umgreifender Einfluß auf das methodische Vorgehen der kameralistischen Steuerwissenschaft jederzeit spürbar. Diese nachweisbaren Sonderentwicklungen im Steuerrecht lassen nach den Untersuchungen Hans Maiers zur Polizeiwissenschaft vermuten, daß alle Teildisziplinen des Kameralismus eine stark abgesetzte und gesonderte Entwicklung genommen haben, obwohl die Träger der Entwicklung bis zum Spätkameralismus weitgehend identisch blieben. 0.2.3.6. Unbestrittenerweise verdankte der deutsche Merkantilismus seinen Anstoß der allgemeineuropäischen Entwicklung. In seiner kameralistischen Ausprägung trennte er sich von der europäischen Bewegung und überdauerte die Physiokratie und die Industrielehre von Adam Smith. Einflüsse ausländischer Literatur beschränken sich auf die philosophischen Grundlagen in den Anfängen der Entwicklung15 • Mit der Physiokratie setzte man sich beiläufig auseinander; Adam Smith wurde eingehender erörtert. Davon abgesehen erlaubte ab der hochkameralistischen Epoche die verwaltungsgeprägte Eigenart des Kameralismus keine Bezugnahme mehr auf ausländische Tendenzen. Wirtschaftlich betrachtet hatte man den Anschluß an die internationale Entwicklung verloren; verwaltungsrechtlich war man in Mitteleuropa wegen der 10 11 12 13

nis.

14 15

(422) Marchet S.140 ff. (417) Mann S.13. (474) Sommer Teil 2 S.453; (422) Marchet S.420. Anders (474) Sommer Teil 2 S. 180 aber ohne zureichende Quellenkennt(474) Sommer Teil 2 S.453. (515) Zielenziger S. 107.

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Vielfalt staatlichen Lebens seiner Zeit voraus. Somit bestanden sachlich nur wenige Berührungspunkte. Ausländische Werke wurden trotzdem eifrig zitiert; Westeuropa nahm dagegen den Kameralismus nicht zur Kenntnis. Daraus zu schließen, die kameralistische Literatur habe ein niedrigeres Niveau als die westeuropäische gehabt, zeigt auch bei nationalökonomischer Betrachtungsweise wenig Einsicht in die Zusammenhänge 76 • Soweit typisch kameralistische Disziplinen angesprochen wurden, bestand mit den entsprechenden Wissenschaftsrichtungen im Ausland ein befruchtender Gedankenaustausch. Erst im neunzehnten Jahrhundert gewannen nationalökonomisch internationale Einflüsse wieder an Bedeutung. In den verwaltungsrechtlich orientierten Disziplinen blieb der Auslandseinfluß geringfügig. Das gilt aber nur für die Literatur und nicht für die tatsächlichen Rechtsgestaltungen, die man im Steuerrecht jederzeit aufmerksam beachtete und analysierte. 0.3. Der steuerrechtliche Kameralismus im Urteil der Literatur Bedingt durch die überwiegend nationalökonomische Herkunft der Sekundärliteratur und eine vorgefaßte Selektion der Quellenwerke gelangte man bis in jüngste Zeit zu krassen Fehlurteilen über die nichtwirtschaftlichen Zweige des Kameralismus. Erst neuerdings bahnt sich durch das erwachte Interesse an der Frühgeschichte des öffentlichen Rechts eine Wende an. 0.3.1. Die älteren Kritiker der Kameralepoche

Schon Marchets Monographie eröffnete mit der zutreffenden Erkenntnis den Reigen der Meinungen, daß im Kameralismus in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts die Verwaltungslehre als deutsche Wissenschaft entstanden ist77• Bei aller Bindung an die Auffassung des klassischen Werkes über die Geschichte der Nationalökonomie von Roscher erkennt er schon, daß die Kameralisten nicht allein oder auch nur überwiegend nach wirtschaftspolitischen Maßstäben gemessen werden können, weil sie auch und sogar überwiegend andere Wissensgebiete bearbeiteten 78 • Das Werk des Amerikaners Small "The german cameralists", das mir leider nicht zugänglich war, verstärkte die Ansicht, im Kameralismus eine eigenständige deutsche Entwicklungslinie mit juristisch-staatswissenschaftlicher Tendenz in Selbständigkeit von der merkantilistischen Bewegung zu sehen79 • Der einseitig nationalökonomische 76 77 78 79

Oncken S.236. Marchet S.3. Marchet S.276. (515) Zielenziger S. 11 f. (433) (422) (422)

0.3. Der Kameralismus im Urteil der Literatur

25

Standpunkt wird monographisch erstmalig von Zielenziger vertreten. Er wirft Small und Marchet vor, unberechtigterweise ausschließlich von juristischen und philosophischen Betrachtungsweisen auszugehen und wiederholt den alten nationalökonomischen Vorwurf der geistigen Unfruchtbarkeit des Kameralismus 80 • Einig gehen alle Besprechungen der Kameralzeit, die im zwanzigsten Jahrhundert erschienen sind, in der Verwerfung der Auffassung des Adam Smith, der Kameralismus sei nach geschichtlichem und wissenschaftlichem Rang primitiv81 • Seine verzerrten Vorwürfe gegen den Kameralismus wirken zwar in Westeuropa und in der Soziologiegeschichte bis heute nach82 • Als Folge vernachlässigte man allgemein die Zeit vor Adam Smith und läßt alle geschichtlichen Betrachtungen erst mit Smith beginnen83• Wer sich aber eingehend mit dem Kameralismus beschäftigt hat, sieht das krasse Fehlurteil des großen Schotten ebenso deutlich wie seine insoweit unbegründete Selbstüberschätzung84 • Allgemein widerlegt gilt auch die alte Behauptung, Adam Smith sei der Erfinder der sogenannten klassischen Steuerregeln gewesen8S • Alles was Smith zugeschrieben wird, findet sich in verschiedenen Versionen und weit durchdachter in den zeitlich älteren Werken der deutschen Kameralisten. Der Vergleich mit den steuerlichen Ausführungen im "Reichtum der Nationen" bestätigt, daß die steuerliche Darstellung Smith' schwächste Leistung war und ihm in steuerlicher Beziehung allenfalls Zweitrangigkeit zukommt. Die Untersuchung des Dänen Nielsen bietet gegenüber den genannten Monographien eine überraschend moderne Sicht der Zusammenhänge86 und stützt sich auf genaues Quellenstudium, obwohl sie nur die Entstehung der Kameralwissenschaft behandelt und vor der hochkameralistischen Epoche abbricht. Sein Wissenschaftsverständnis entgleitet allerdings zum entgegengesetzten Extrem und neigt zur Unterschätzung wirtschaftlich eigenständiger Entwicklungen. Diese Fehlbeurteilung gibt Nielsen das nötige Einfühlungsvermögen für seine rechtsgeschichtliche und staatsphilosophische Untersuchung der kameralistischen Zeit, die zu der gleichen einseitigen Sicht des Wirtschaftsprozesses neigte. So klingt bei ihm erstmalig der Charakter des Kameralismus als eigene Schule mit entsprechendem wissenschaftlichem Selbstverständnis an. (515) Zielenziger S.12, 15; (341) Böhle S.l1. (515) Zielenziger S. 11 f. 82 (398) Kaizl S. VII. 83 Als letzter überschätzte Zielenziger A. Smith: (515) Zielenziger S. 16 ff. (nach ihm findet man die krassen Fehlurteile nur noch in den Werken der Soziologiegeschichte). 84 (377) Handbuch der Finanzwissenschaft Art. Kameralismus von Tautscher. 85 (417) Mann S. 145. 86 (415) Hans Maier S. 302. 80 81

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Während die Nationalökonomen meist undifferenziert von steuerwissenschaftlichen Abhandlungen zu sprechen pflegen, erkannte er, daß der Kameralismus in Parallelentwicklung zur Entstehung der Politik als Wissenschaft von der Steuerlehre als wirtschaftlicher Disziplin zum Steuerrecht als juristischer Disziplin schritt8T• Lang und Lorenz von Stein hatten in dem Bemühen, dem deutschen Merkantilismus eine nationale Wurzel zu verschaffen, Kaspar Klock und die anderen Vertreter der juridischen Steuerschule zu Ahnen des Kameralismus ernannt88 • Die Unhaltbarkeit dieser Theorie war bald erkannt. Nielsens Verdienst besteht darin, die vernichtende Kritik seiner Zeit über die vorkameralistische Steuerliteratur89 mit tragender Argumentation versehen zu haben90 • 0.3.2. Die Kritik der neueren Zeit

In jüngerer Zeit haben sich die Werke von Louise Sommer, Fritz Karl Mann, Anton Tautscher und Hans Maier ausführlich mit dem Kameralismus als historischem Phänomen auseinandergesetzt. Die mit Abstand ausführlichste Arbeit über den Kameralismus von Sommer krankt an der dürftigen verarbeiteten Quellenbasis91 • Das Fehlen rechtsgeschichtlicher Kenntnisse trägt mit zu den zahlreichen Fehlurteilen über diese Epoche bei. Der Systemcharakter des Kameralismus ist zwar anerkannt, da sich die Wissenschaftlichkeit allgemein anerkannten Kriterien entzieht92 • Auch die Einordnung in die staatsphilosophischen Zeitzusammenhänge kann Zustimmung finden. Die einseitige Einschätzung des Kameralismus nach Handelsbilanztheorie, Monopolpreisbildung und Wirtschaftskreislauf führte aber zur Blindheit der Verfasserin gegenüber der juristischen Methodik und eigenartigen Leistung dieser Zeitepoche93 • Die staatliche Bevormundung des Wirtschaftslebens und die Folgen der Durchstaatlichung aller ökonomischen Begriffe wird erkannt94 • Es fehlt aber die Lösung von der wirtschaftsliberalen Betrachtungsweise, was den Zugang zur planwirtschaftlichen Ausrichtung des Kameralismus ermöglicht hätte. Ein besonderer Nachteil der nationalökonomischen Literatur über die kameralistische Epoche ist in der geringen Bereitschaft zu eingehendem Quellenstudium zu sehen. Die meisten Autoren begnügten sich mit wenigen nach vorgefaßtem 87 88 89 90 91

92 93

94

(430) (430) (412) (430) (474) (474) (474) (474)

Nielsen S. 109. Nielsen S.31, 33; so noch (422) Marchet S.59. Lotz S.53. Nielsen S.61, 30 ff. Sommer Teil 2 S. 210 f. und S. 492 ff. (Literaturverz.). Sommer Teil 1 S. 24. Sommer Teil 1 S.4, 6; (341) Böhle S.l1, 133. Sommer Teil 1 S.55.

0.3. Der Kameralismus im Urteil der Literatur

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Urteil ausgewählten Quellenwerken und errichteten auf dieser schmalen Basis geistreiche Gedankengebäude. Die fehlende Tragfähigkeit und Haltbarkeit solcher Konstruktionen erweist sich aus der zufälligen Auswahl der jeweils favorisierten und aus der Masse der übrigen Kameralisten herausgehobenen Geistesgrößen95 • Auch Mann versteht den Kameralismus nur als Vorgeschichte der modernen Nationalökonomie. Obwohl er durch seine ausschließliche Ausrichtung auf steuerliche Probleme der öffentlichrechtlichen Betrachtungsweise nahe stehen müßte, würdigt er nur die wirtschaftlichen Steuerwirkungen und muß so zwangsläufig zu einer überbewertung der internationalen Einflüsse gelangen. Diese Sicht unter einem einseitigen Blickwinkel versperrt auch ihm den Zugang zur Eigenart des Kameralismus 96 • Seinen Forschungsergebnissen und Analysen kann man durchaus zustimmen, sie erfassen aber nur einen Ausschnitt der Entwicklung und übersehen die auch quantitativ überwiegenden steuerrechtlichen Aspekte des Kameralismus. Tautscher dürfte der beste Kenner der kameralistischen Quellenliteratur sein und gelangt auf dieser Grundlage als Nationalökonom zu einer einheitlichen Schau dieser Zeitepoche, die zutreffenderweise die Spätzeit stärker betont91 und den Disziplincharakter des Kameralismus erstmalig eindeutig bestimmt98 • Tautscher erkannte, daß für die Kameralisten in unmittelbarer Anknüpfung an antike Denkweisen der Staat als oberste und letzte Wirklichkeit menschlichen Seins auch Wurzel aller Wissenschaftsdisziplinen war. Fern jeder liberalen Denkweise wurde jedes kameralistische Werk von der prägenden Kraft des staatlichen Normbefehls getragen. Sie gelangten damit zu einem planwirtschaftlichen Staatsmodell, das allerdings auf völlig anderen geistigen Grundlagen ruhte als der moderne Sozialismus. Das jüngste Werk über den Kameralismus von Hans Maier trifft für die Polizeiwissenschaft Aussagen, die nach meinen eigenen Feststellungen auf den steuerrechtlichen Kameralzweig mit geringen Akzentverschiebungen übertragen werden können. Darauf wird noch einzugehen sein. 0.3.3. Wissenschaftlich unseriöse Stimmen

Neben ernsthaften Auseinandersetzungen mit dem Kameralismus99 enthalten auch moderne Lexika und Sammelwerke krasse Fehlurteile 95 (341) Böhle S. 82; (422) Marchet S. 279 f., 411; (515) Zielenziger S. 372,391; (399) Kautz S. 291 f., 335,384 und 388; (433) Oncken S.233. 98 Mann behandelt den Kameralismus als Sonderbewegung überhaupt nicht. 97 (515) Zielenziger S. 101. 98 (493) Tautscher S. 8 f. 99 Hans Maier kritisiert hart die klassischen Werke Roschers, Kautz' und Onckens, die die kameralistische Verwaltungslehre bestenfalls mit beiläufigen Erwägungen aussparten.

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über den Kameralismus10o , die ohne ausreichende Quellenkenntnis pauschale Werturteile fällen und den Vorwurf der "Rezeptenlehre" und der wissenschaftlichen Primitivität repetieren, ohne selbst zu eingehender Erörterung in der Lage zu sein. Die Widerlegung dieser Stellungnahmen kann man sich sparen, da sie die Grenzen des wissenschaftlich vertretbaren Meinungsrahmens in ihrer unfundierten vorurteilenden Darstellung überschreiten, jeder konkreten Grundlagenvorarbeit entbehren und nicht einmal anerkannte Gewährschaft vorweisen können. 0.4. Das Selbstverständnis der kameralistischen Wissenschaft 0.4.1. Bildete der Kameralismus eine einheitliche wissenschaftliche Schule?

Die kameralistische Wissenschaft verstand sich nicht als separate Schule mit geschlossenem Wissenschaftsverständnis. Das Bewußtsein, eine bestimmte Schule zu bilden, setzt notwendigerweise einen Pluralismus der Theorien und Wissenschaftssysteme voraus. Daran fehlte es bis zum Aufkommen des Liberalismus. Die den Staatswissenschaften gestellten Aufgaben standen fest. Erarbeitete, vorgeschlagene und erprobte Lösungsmöglichkeiten der anstehenden Probleme entwickelten sich in einem geistigen Klima selbstverständlicher Modernität und objektiver Verbindlichkeit als Entwürfe der anerkannten Wissenschaft vom öffentlichen Gemeinwesen. Als man den Kameralismus als gesonderte Eigenart wissenschaftlichen Arbeitens erkannte, waren seine letzten Vertreter schon ein halbes Jahrhundert abgetreten. Allerdings geht es zu weit, den einzelnen Persönlichkeiten in zwei Jahrhunderten kameralistischer Entwicklung ein auf der Gemeinsamkeit des wissenschaftlichen Arbeitens beruhendes Zusammengehörigkeitsbewußtsein abzusprechen. Dagegen spricht schon die angewandte Zitiertechnik. Man unterscheidet klar zwischen dem reinen Belegzitat und dem Kollegen, mit dem ein wissenschaftliches Gespräch gepflogen wurde. Das Fehlen einer zusammenfassenden Gattungsbezeichnung wie das erst nachträglich zuerkannte Prädikat "Kameralisten" stand dem Bewußtsein in einer festen wissenschaftlichen Sukzession zu stehen, die etwa zur Zeit des bekannten Akzisestreits begann und bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts andauerte, nicht entgegen. Volle Einigkeit über Methode, Ziel und Inhalt der staatswissenschaftlichen Tätigkeit kann nicht vorausgesetzt werden. Es fehlte im Pluralismus der kameralistischen Köpfe sowohl die alles überragende, prägende und vereinheitlichende Persönlichkeit als auch die überschaubare einheitliche Entwicklung. Anfang 100 "Wörterbuch der Volkswirtschaftslehre" Hrsg. Elster 1932 Bd. 2 S. 496 f.; siehe auch "Dr. Gablers Wirtschaftslexikon" 8. Auf!. 1971 "Kameralismus" S. 2087 sowie "Ökonomisches Lexikon" 2. Auf!. 1969 S. 1023.

0.4. Das Selbstverständnis der kameralistischen Wissenschaft

29

und Ende des KameraIismus verbindet der gemeinsame Fluß der Entwicklung, nicht die Identität der Vorstellungen. Der SpätkameraIist kannte die genetische Entstehung seiner Theorien aus frühkameralistischen Wurzeln, ohne daß von den alten Lehren in seinen Werken noch viel wieder zu erkennen war. Wer dem Kameralismus aber den Charakter als Schule aberkennt101 , übersieht, daß der einheitliche Entwicklungstrend von einzelnen Außenseitern abgesehen zu allen Zeiten erkennbar bleibt102 • 0.4.2. Das Wissenschaftsbild des Kameralismus

Die Kameralisten sahen sich selbst als Wissenschaftler der Aufgaben, Funktionen, Tätigkeiten und Ziele des Staates. Im Kreisen um Natur und Wesen des Staates fand das bunte Konglomerat der nach heutiger Auffassung stark unterschiedlichen Einzeldisziplinen die selbstverständliche Harmonie und Ordnung, die wir aus unserem Staats- und Wissenschaftsverständnis heraus so sehr zu vermissen meinen. Anders als den mittelalterlichen Philosophen, die den Staat als Gegenstand abstrakter Erörterungen würdigten 103, bedeutete den Kameralisten der Staat stets reale und konkrete Machtausübung104 • Bei dieser Sichtweise mußten sie Spätmittelalter und Neuzeit vor dem Erstarken der Territorialhoheit als staatsfreie Zeit betrachten, denn ein ohnmächtiger Staat war für sie mangels konkreter meßbarer Phänomene und Aktionen nicht existent. Die neugewonnene Allgegenwart des Staates begünstigte wie in der alten griechischen Polis eine Überbewertung der auf Staat und Gesellschaft gerichteten Seite der menschlichen Persönlichkeit105 • Auch die Wissenschaften erhielten ihre Wertigkeit aus der Einordnung in staatliches Geschehen 106 • Jeder Zweig verdiente Beachtung nach dem öffentlichen Bezug, den er nachweisen konnte. Politik, Philosophie und kodifizierte Rechtsgebiete, die man heute dem öffentlichen Recht zuordnet, bildeten die Krone der Geisteswissenschaften. Naturwissenschaften, Theologie und Wirtschaftswissenschaften dienten als bloße Hilfswissenschaften. Dabei genossen die Naturwissenschaften weniger wegen ihrer Unentbehrlichkeit als der inneren wissenschaftsmethodischen Verwandtschaft mit dem Kameralismus volle Anerkennung. Die Theologie hatte die Moral der Staatsbürger zu garantieren. Dagegen bleibt in Frage gestellt, ob eine Wirtschaftswissenschaft nach kameralistischem Staatsverständnis überhaupt vorstellbar war. Soziologie und Wirt101 102 103 104 105 106

(515) (493) (430) (439) (366) (439)

Zielenziger S. 42 f. Tautscher S.9. Nielsen S.61; (474) Sommer Teil 1 S.11. Rath S.77. Gerloff S. 79. Rath S.91.

Einführung und allgemeine Entwicklung

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schaftswissenschaft setzen eine außerindividuelle, öffentliche, staatsfreie Sphäre voraus107• Im Kameralismus beginnt aber der Staat, wo der Schutzbereich von Individuum und Familie enden108 • Das gesellschaftliche Verständnis erschöpfte sich demgemäß in einer sehr intensiv betriebenen wenn auch noch primitiven Rechtstatsachenforschung. Das wirtschaftliche Leben sollte sich in einem individuellen Handeln ausdrücken, dessen Grenzen von Normen bestimmt wird109 , die wir heute als Wirtschaftsverwaltungsrecht definieren würden110• 0.4.2.1. Der Kameralismus empfand Staat, Wirtschaft und Gesellschaft als einheitlichen Bereich, der disponibel nach den Regeln der Vernunft zu ordnen war. Die Zuordnung des gesamten öffentlichen Lebens zu einem System von Sollensnormen und die Zuerkennung der Regelungsbefugnis an den Staat bedingte eine völlige Verrechtlichung von Staat und Gesellschaft111 • Aus der Sicht der liberalen Nationalökonomie wertete man diese Durchstaatlichung als den Sündenfall einer primitiven Vorläuferwissenschaft. Die modernen Planwirtschaftsmodelle sollten zu einem vorsichtigerem Urteil veranlassen 112 • Der Kameralismus bot seit Sparta und Peru das erste fundierte planwirtschaftliche System, das in der Praxis allerdings nur in Bruchstücken Verwirklichung fand. Wenig verwunderlich ist die geringe Beachtung, denen diese planwirtschaftlichen Versuche seitens der nachfolgenden modernen Planwirtschaftslehren zuteil wurden. Die kameralistische Planwirtschaft ähnelt nur phänotypisch dem sozialistischen Staatsverständnis und wurzelt in einem völlig anderen geistigen Grund. Vom dialektischen Materialismus trennt den Kameralismus die bei aller Rationalität in der Argumentation letztlich metaphysische und ethisch fundierte Staatsauffassung und die Ablehnung zwangsläufiiger geschichtlicher Prozesse, was bei dem hohen Rang, den man individuellem Wollen und staatlichem Normbefehl beimaß, verständlich ist. Trotzdem bleibt der Kameralismus unserer modernen Bewußtseinslage in den erstrebten konkreten Zielen vertrauter als der Wirtschaftsliberalismus des neunzehnten Jahrhunderts. Abgrenzung der individuellen Sphäre gegen die Omnipotenz einer allgegenwärtigen Bürokratie, die öffentliche Vorsorge für sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten1l:J, Manipulation des Wirtschaftsgeschehens durch eine normbewehrte Eingriffsverwaltung, Verfolgung außerfiskalischer Zwecke durch entsprechende Ausgestaltung des 107 108 109 110 111

112 113

(422) (474) (441) (474) (474) (414) (422)

Marchet S.254. Sommer Teil2 S. 163. Remer S.34. Sommer Teil2 S.484; (498) "Arbeitstagung" S.2, 103, 208. Sommer Teil 1 S.94. Hans Maier S. 328 f. Marchet S.126.

0.4. Das Selbstverständnis der kameralistischen Wissenschaft

31

Steuersystems, staatliche Marktkontrolle gegen Monopolmißbrauch sind nur einige Probleme, die heute noch in veränderter Gestalt ihrer sachgerechten Lösung harren114 • Ebenso entspricht das funktionale und pragmatische Staatsverständnis der Kameralisten der heutigen Auffassung vom Staat als Subjekt konkreter Machtentfaltung. Demgegenüber erscheint die liberale Vorstellung von der Wirtschaft als sich selbst regelndem Mechanismus wie eine kurzfristige überholte historische Episode 115 • 0.4.2.2. Ein zwiespältiges Verhältnis verband den Kameralismus mit der zeitgenössischen Jurisprudenz116 , die der jungen Schwesterwissenschaft jede Anerkennung versagte 117• Persönlich blickten die Kameralisten abschätzig auf die "Nurjuristen" herab. Man sah in dem ängstlichen Haften der ZivilrechtIer an überalterten Normen fatale Ähnlichkeiten zum Verhalten der eigenen subalternen Fiskalbeamten118 • Die Praxisferne der herkömmlichen Jurisprudenz tat ihr übriges, um die eigene Kasuistik vom Privatrecht abzuheben, zumal der Kameralismus infolge des geringen Traditionsballastes in der wissenschaftsmethodischen Entwicklung immer einen zeitlichen Vorsprung wahrte. Trotzdem war die innere Verwandtschaft der Disziplinen auf die Dauer unübersehbar 119 • So ging man im Spätkameralismus soweit, in der Justiz einen Teil der Polizei zu sehenl20 • Mit der Interpretation der Lehre von der Gewaltenteilung hat diese Einordnung nichts zu tun. Polizei im kameralistischen Sinne kann nicht einfach mit der Exekutive gleichgesetzt werden. Die Gleichsetzung beruht vielmehr auf der Verrechtlichung aller Lebensbereiche im kameralistischen Denken. Recht war alles, was der Staat kodifiziert hatte. Herkommen und Gewohnheitsrecht treten als eigene Rechtsquellen mit der Ausnahme der nur staatsrechtlich orientierten Schriftsteller wie Moser in den Hintergrund. So empfand man in der staatlichen Rechtsetzung das einigende Band, das durch seine hoheitliche Garantie den öffentlichen Charakter sicherte. Demgegenüber kam dem privaten Vollzug der staatlich garantierten Rechtsgeschäfte keine ausschlaggebende Bedeutung zu. 0.4.3. Die Präponderanz des Kodifikationszweckes

Um Aufgabenstellung und Zielsetzung der Kameralwissenschaft zu verstehen, muß man sich vergegenwärtigen, daß die Kameralisten nach 114 (377) Handbuch der Finanzwissenschaft S. 387 f. (Tautscher); (414) Hans Maier S.48; (493) Tautscher S.119; (474) Sommer Teil 2 S.153. 115 (439) Rath S. 84 f.; (474) Sommer Teil 1 S.95. 116 (441) Remer S. 19. 117 (488) Stintzing / Landsberg 2. Abt. S.29. 118 (439) Rath S.88; (515) Zielenziger S. 86 f. 119 (414) Hans Maier S.301. 120 (422) Marchet S.313.

32

Einführung und allgemeine Entwicklung

Persönlichkeit und beruflichem Werdegang eine Doppelstellung einnahmen. Als Praktiker schöpften sie die Erfahrungen, die sie als wissenschaftliche Autoren in ihren Werken auswerteten. Mit diesen Werken wollten sie auf Wissenschaft und Praxis, auf Kollegen, Regenten und Gesetzgeber einwirken. Die frühkameralistischen Veröffentlichungen Seckendorffs waren als Lehrbuch für junge Prinzen bestimmt. Thomasius verwendete diese Lehrbücher als Vorlesungsgrundrisse für seine Studenten 121 • Manche Kameralisten faßten ihre Veröffentlichungen in professoraler Weise von vornherein als Begleit- und Lehrbücher für die Kameralstudenten auf. Die umfangreicheren Werke der späteren Zeit verstehen sich als wissenschaftliche Lebenswerke mit systematischem Aufbau, die ein geschlossenes Lehrsystem in wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit Kollegen zur Diskussion stellen sollten122 • Eine Besonderheit des Kameralismus liegt aber darin, daß sich die Veröffentlichungen nicht in diesen Zielsetzungen erschöpfen. Soweit das Steuerrecht betroffen ist, wird eine unmittelbare Einflußnahme auf das Gesetzgebungsverfahren erstrebt123• Man hat zwar die teleologische Betrachtungsweise der Kameralisten, das Hinzielen auf Verbesserungen im staatlichen Bereich schon bisher anerkannt1 24 • Die Kameralwerke bezweckten aber mehr. Sie waren als Gesetzgebungsentwürfe abgefaßt, die mit motivierender Begründung die Landesregierungen zum Erlaß einer entsprechenden Steuerordnung bestimmen sollten125 • Dafür sprechen verschiedene Gründe. Monographien sind verhältnismäßig selten. Abhandlungen über Spezialprobleme können über die Befruchtung des wissenschaftlichen Gesprächs hinaus kaum Wirkung entfalten. Die Seltenheit monographischer Veröffentlichungen kann auch an dem enzyklopädischen Zug der Zeit liegen. Die häufigen Veröffentlichungen in Zeitschriften, die auch außerhalb der Fachkreise hohe Auflagen erzielen, deutet schon in stärkerem Maße auf die voluntative Zielsetzung hin. Neben dieser intensiven Öffentlichkeitsarbeit spricht der formale Aufbau der hochkameralistischen Werke für den finalen Zweck der Gesetzesinitiative. Die leitenden Prinzipien werden abgesetzt in knapper und klarer Sprache geboten. Demgegenüber sind die ausführlichen Begründungen im weitschweifigen und schwülstigen Stil der Zeit abgefaßt und ähneln oft in frappanter Weise dem Motivmaterial zu Gesetzgebungswerken. Faßt man die leitenden Sätze zusammen, so ergibt sich ein geschlossenes Werk, das mit geringfügigen Änderungen als zeitgenössische Landessteuerordnung gelten könnte. Schließlich wird manchmal 121 122 123 124 125

Das Gleiche gilt für Osses Werk: (433) Oncken S.225. (412) Lotze S.52, 54. (414) Hans Maier S.43. (515) Zielenziger S. 99. (412) Lotze S.57.

0.5. Der steuerrechtliche Kameralismus als Wissenschaftsdisziplin

33

der ausdrückliche Wunsch vorangestellt, man möge dem Gesamtwerk inhaltlich Gesetzeskraft verleihen. In solcher Literatur nach der Lehre von den wirtschaftlichen Steuerwirkungen suchen zu wollen, bedeutet eine Verkennung der gesamten Literaturgattung. Man übersieht außerdem, daß im Spätkameralismus eingehende und ausgearbeitete Untersuchungen über die wirtschaftlichen Steuerzusammenhänge beigefügt werden. Die apodiktische Sprache zielt allerdings eher auf Überzeugung und Bestimmung, weniger auf das gutachtliche Gespräch unter seinesgleichen. 0.5. Der steuerrechtliche Kameralismus als Wissenschaftsdisziplin 0.5.1. Die wissenschaftliche Einordnung des Steuerrechts

Der Kameralismus war literarisch ungewöhnlich fruchtbar. Die klassische Bibiographie von Margarete Humpert zählt 3215 Titel auf126 • Nur ein kleiner Teil davon befaßt sich mit steuerrechtlichen Fragen. 0.5.1.1. Zur Frage des Systemcharakters des Kameralismus als Wissenschaftsdisziplin im allgemeinen wurde schon Stellung genommen. Eine abschließende Behandlung der kameralistischen Gesamtentwicklung gehört nicht in eine steuerrechtsgeschichtliche Arbeit. Wenn aber die wohl leicht überwiegende Meinung auch dem Kameralismus als Gesamterscheinung das Prädikat als wissenschaftliches System abspricht, so gilt das nicht für die Steuerwissenschaft121• Die Steuerwissenschaft bildete ein gegliedertes sich im wissenschaftlichen Gespräch entfaltendes System128 , dessen genetischer Zusammenhang allen Vertretern des Kameralismus bewußt und gegenwärtig war. Es läßt sich nicht ausschließen, daß es sich hier um eine für alle Teildisziplinen des Kameralismus gültige Feststellung handelt. Dann könnte man den Kameralismus als eine Weiterentwicklung des deutschen Merkantilismus bezeichnen, der seine Prägung der besonderen Eigenart der erstarkenden landesfürstlichen Kleinstaaten in Mitteleuropa verdankt, der durch seine Träger - hohe Kameralbeamte von wissenschaftlichem Rang und literarischen Ambitionen l29 - über zwei Jahrhunderte zu einer einheitlichen wissenschaftsgeschichtlich markanten Schule zusammengefaßt wurde, dem selbst trotz einheitlicher tragender Grundvorstellungen der Charakter als differenziertes und geschlossenes System fehlt 130, der aber in seinem Schoß einige strukturell selbständige wis128 127 128 129 130

(414) (474) (377) (474) (474)

3 .Tenetzky

Hans Maier S. 19; (391) Humpert. Sommer Teil 2 S.308. Handbuch der Finanzwissenschaft S. 387 f. Sommer Teil 2 S.471. Sommer Teil 2 S.484, 489.

34

Einführung und allgemeine Entwicklung

senschaftliche Disziplinen zur Reife brachte, deren jeder für sich die systematische Struktur und das wissenschaftlich beachtliche Niveau - unter Berücksichtigung des historischen Standes der Entwicklung nicht abgesprochen werden kann131 • 0.5.1.2. Schon im Spätkameralismus unterschied man die Steuerwissenschaft als sogenannten Kameralismus im engeren Sinne vom Kameralismus im weiteren Sinne, der die gesamte historische Kameralistik umfaßte. Das Einteilungsschema von Hans Maier mag zur Klarstellung dienenl32 , obwohl es auf einem retrospektiven Blickwinkel beruht und deshalb nur mit Vorbehalt übernommen werden kann13:t. Danach zerfällt die Kameralwissenschaft im weiteren Sinne in die drei Zweige: der Ökonomik, der Polizei wissenschaft und der Kameralistik im engeren Sinne. Aus der Ökonomik entwickelten sich die theoretische Volkswirtschaftslehre und technologische Fächer. Die Polizeiwissenschaft brachte die Volkswirtschaftspolitik, die politischen Fächer der modernen Nationalökonomie, die Polizeirechtswissenschaft nach Berg und die Polizeiwissenschaft auf der Grundlage des Rechtsstaates nach Mohl hervor. Aus der Polizeiwissenschaft nach Mohl entstand dann die allgemeine Verwaltungslehre nach Stein und die Verwaltungsrechtswissenschaft nach Gneist und atto Mayer. Der dritte Zweig der Kameralistik im engeren Sinne gilt als Mutterwissenschaft der modernen Finanzwissenschaft in Deutschland134 • Allgemein wird anerkannt, daß die Kameralwissenschaft auf dem Finanzgebiet die reichsten Früchte hinterlassen hat und die Verbindungslinien zu den modernen Wissenschaftsfächern hier gut verfolgbar sind l35 • Die Bezeichnung der Kameralistik im engeren Sinne als frühe Finanzwissenschaft ist aber unscharf. Dieser umfassende Finanzwissenschaftsbegriff enthält die Finanzwissenschaft als Wissenschaft vom Geldverkehr, die wirtschaftswissenschaftliche Lehre von den Steuerwirkungen und die Steuerrechtswissenschaft als besonderes Verwaltungsrecht. Meine Untersuchungen zeigen, daß das Schwergewicht im Spätkameralismus eindeutig auf der steuerrechtlichen Komponente ruht. Die steuerrechtlichen Erkenntnisse des Kameralismus reichten aus, um das deutsche Steuerrecht Ende des neunzehnten Jahrhunderts ohne Verwendung erheblicher ausländischer Einflüsse aus der eigenen Rechtstradition zu entwickeln.

131 132 133 134

S.10.

(414) (414) (414) (414)

Hans Hans Hans Hans

Maier Maier Maier Maier

S. 39. S. 233.

S.233. S.216; (367) Handbuch der Finanzwissenschaft Bd.l

135 Eine souveräne Nichtbeachtung der Steuerlehre zeigt das im übrigen interessante rein volkswirtschaftlich orientierte Werk: (383) Heckscher.

0.5. Der steuerrechtliche Kameralismus als Wissenschaftsdisziplin

35

0.S.2. Die Epochen des kameralistisdlen Steuerrechts

Das kameralistische Steuerrecht gliedert sich chronologisch in verschiedene aufeinanderfolgende Epochen von unterschiedlichem Niveau. 0.5.2.1. Im Frühkameralismus nahmen steuerliche Fragen noch einen bescheidenen Rahmen ein. Rechtsprobleme stehen im Hintergrund. Der Vorwurf einer primitiven Rezeptenlehre wird zu Recht erhoben. Wissenschaftsmethodische Einflüsse der philosophischen Kameralisten Thomasius und Wolff sind nicht feststellbar. Der moralisierende Einfluß der sogenannten Hausväterliteratur bleibt unverkennbar. Zu höherem Niveau schwang sich das noch seltene wissenschaftliche Gespräch nur im Rahmen des Akzisestreits auf, der dann auch entsprechend befruchtend gewirkt hat. Erstaunlicherweise ist die rechtsvergleichende Methode von Anfang an gut entwickelt. Frühe steuerliche Kodifikationen und berufliche Mobilität der Kameralschriftsteller dürften die Ursache sein. 0.5.2.2. Der Hochkameralismus Ende des achtzehnten Jahrhunderts brachte die Steuerrechtswissenschaft zur ersten Blüte. Bezeichnenderweise läuft dieser Vorgang parallel mit dem Versiegen des wirtschaftlichen Genius im deutschen Merkantilismus. Steuerrechtliche Fragen nehmen jetzt auch quantitativ einen breiten Raum ein. Die tragenden überlegungen wurzeln in der Naturrechtsphilosophie der Aufklärung. Alle Arbeiten entstehen aus der stetigen Wechselwirkung von Theorie und Praxis. Wissenschaftliche Projekte und Steuergesetze werden mit der gesellschaftlichen Realität verglichen und nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen werden die optimalen selektiert. Die rechtsvergleichende Methode befaßt sich nicht nur mit Projekten und Schriftstellern, sondern unterwirft alle erreichbaren Steuerordnungen einer kritischen Analyse nach Zweckmäßigkeit, rechtsethischer Haltbarkeit, logischer Richtigkeit und Durchsetzbarkeit136 • Beachtlichen Rang erreichte eine relativ einfach strukturierte aber durchaus effektive Rechtstatsachenforschung. Die Soziologiegeschichte nimmt davon keine Kenntnis und setzt ausnahmslos erst mit Hegel und Fichte ein137• Es liegt die Vermutung nahe, daß die ideologisch bedingte Antipathie gegenüber dem kameralistischen Weltbild diese Nichtbeachtung mitverursacht hat. Statistische Methoden wurden sogar punktuell angewendetl38 • Induktive Denkweisen fanden Eingang in die Steuerwissenschaft. Alle diese Bemühungen gipfelten in systematischen Werken, die einen starken Anspruch gegen den Gesetzgeber erhoben, mit Normbefehl ausgestattet (418) Mann S. 56. Leopold von Wiese "Geschichte der Soziologie" 9. Auf!. 1971; siehe auch Friedrich Jonas "Geschichte der Soziologie" 1968. 138 (422) Marchet S.49. 138 137

Einführung und allgemeine Entwicklung

36

zu werden. Der Vorwurf fehlender Originalität und Gedankenarmut des Kameralismus läßt sich nur halten, wenn man einseitig nationalökonomische Erwartungen in die Vergangenheit hineininterpretiert139 • 0.5.2.3. Im Spätkameralismus gewann das kameralistische Steuerrecht endgültige Gestalt. War auch der wirtschaftliche Aspekt im deutschen Kameralismus in seiner schöpferischen Kraft jetzt völlig erloschen, so überwucherte die steuerrechtliche Betrachtungsweise die Problematik der wirtschaftlichen Steuerwirkungen gerade deshalb gänzlich. Die Zahl der Kameralisten, die sich an dem wissenschaftlichen Gespräch beteiligen, steigt ungewöhnlich an. Man sucht wieder verstärkt den internationalen Kontakt und setzt sich mit der Physiokratie und der Industriewirtschaftslehre Adam Smith' kritisch und selbstbewußt auseinander 140 • Ein halbes Jahrhundert reicher Erfahrungen mit Steuerrechtskodifikationen und ihren Folgewirkungen in Staat und Gesellschaft läßt utopische Projekte verschwinden. Man befleißigt sich eines ausgewogenen und differenzierten Urteils141 • Die gemeinsame Basis anerkannter und allgemeingültiger Grundlagenerkenntnisse gewinnt an Breite. Beschäftigt sich der Hochkameralismus noch mit den Grundsatzfragen, so dient die wissenschaftliche Erörterung jetzt mehr der Ausfüllung von Lücken und der Abklärung von Grenz- und Einzelfragen. Damit gewinnen die Lehrbücher in Ausdruck, Stoffbewältigung und Problemverarbeitung eine Klarheit und Eleganz, die dem originelleren und schöpferischeren Hochkameralismus noch fehlte. Die echte wissenschaftliche Analyse unterschiedlicher Steuersysteme wird allgemein üblich. Gleichzeitig ziehen Außenseiter wieder Verbindungslinien zu parallelen Wissenschaftszweigen. Die Mathematik beginnt Eingang in die steuerlichen Wissenschaften zu finden. Die Aktualität der Fragestellungen und Lösungsvorschläge für das heute geltende Recht wird offensichtlich. Innerhalb von wenigen Jahren erstarrt das kameralistische Steuerrecht zu einem abgeschlossenen und differenzierten Gebilde, das nicht mehr entwicklungsfähig ist142 • Die letzten kameralistischen Werke fassen das erarbeitete Ideengut in gültiger Form zusammen143, um es ein Menschenalter später in seinen bleibenden Erkenntnissen an die entstehende Reichsfinanzverwaltung und die gleichzeitig einsetzende steuerliche Kodifika tionstätigkeit weiter zureichen 144.

139 140 141 142 143 144

(414) (474) (474) (496) (414) (474)

Hans Maier S. 18. Sommer Tei12 S.428, Sommer Tei12 S.447; Teschemacher S.21. Hans Maier S.293 für Sommer Tei12 S.458;

446. (414) Hans Maier S.235. die Parallelentwicklung bei der Polizei. (370) Grabower S. 1; (493) Tautscher S.114.

0.6. Aufgabenstellung und Eingrenzung der Untersuchungsfelder

37

0.5.3. Stellungnahme zum Wissenscbaftscharakter des Kameralismus

Die Frage der Wissenschaftlichkeit des kameralistischen Steuerrechts hängt von dem erhobenen Anspruch und den aufgestellten Kriterien der Wissenschaftlichkeit ab 145 • Die vernichtenden Urteile der nationalökonomischen Literatur über die kameralistische Epoche besonders in ihrer Spätzeit beruhen auf einem offenbaren system analytischen Fehler. Vorgängerdisziplinen nationalökonomischer Ahnherrenschaft werden als Wissenschaften anerkannt, wenn die Wurzeln der Gegenwart nachweisbar sind und ihnen nach dem erkenntnistheoretischen Stand ihrer Zeit das entsprechende Niveau zugebilligt werden kann. Die alten Verwaltungswissenschaften mißt man dagegen am geläuterten Maßstab der Gegenwart. Nach historischer Betrachtungsweise erfüllte der Kameralismus voll den wissenschaftstheoretischen Anspruch seiner Zeit. Legt man dagegen den Maßstab der Gegenwart an, so steht der Kameralismus nach Inhalt und Methode dem modernen Verwaltungsrecht näher als die wirtschaftspolitischen Gedanken der Frühkameralisten Becher und Hornigk der modernen Volkswirtschaftslehre146 • Im übrigen dürfte es nach der Zielsetzung der Arbeit unergiebig sein, die Kriterien der Wissenschaftlichkeit entsprechend den verschiedenen Wissenschaftstheorien auf ihre Verifizierung im Kameralismus zu untersuchen. Der Kameralismus sammelte jedenfalls empirische Daten, baute daraus ein begrifflich durchgearbeitetes System und wandte die gewonnenen Erkenntnisse zur Lösung überlieferter Probleme und neu auftauchender Fragen an. Im methodischen Vorgehen erprobte man alle greifbaren und bekannt werdenden Verfahren und bemühte sich, die nicht final angesteuerten Arbeitsergebnisse unvoreingenommen anhand objektiver Kriterien zu würdigen. In historischer Betrachtungsweise trägt der Kameralismus das Etikett der Wissenschaftlichkeit damit zu Recht. 0.6. AufgabensteIlung und Eingrenzung der Untersuchungsfelder 0.6.1. Die mangelhafte Beachtung der verwaltungsrecbtlichen Seite des Kameralismus in bisherigen Bearbeitungen

Die verwaltungsrechtliche Seite des Kameralismus wurde bisher noch kaum untersucht. In diesem rechtsgeschichtlichen Neuland fehlen einschlägige Vorarbeiten, die als Orientierungshilfe dienen könnten. Auch die Bereitschaft, sich in das reiche Quellenmaterial der kameralistischen Epoche einzulesen, war bisher schwach entwickelt. Das gilt steuerrechtlich in verstärktem Maße, da die Aufarbeitung der Frühgeschichte des 145 146

(474) Sommer Teil 1 S.24. (414) Hans Maier S. 314 ff.

Einführung und allgemeine Entwicklung

38

allgemeinen Verwaltungsrechts schon begonnen hat, während im kameralistischen Steuerrecht bisher so gut wie keine Grundlagenarbeit geleistet worden ist. 0.6.2. Die einzelnen Zweige des kameralistischen Steuerrechts

Das kameralistische Steuerrecht entwickelte sich analog dem allgemeinen Kameralismus in drei Ausläufern: einem praktischen, einem wissenschaftsgeschichtlichen und einem systematischen Zweig. Hinsichtlich des Quellenmaterials muß nach ungedrucktem Material, gedrucktem Material und gedruckten publizierten Werken unterschieden werden. 0.6.2.1. Eine Bearbeitung ungedruckter Quellen bei umfassender Thematik der Aufgabenstellung scheitert an der ungeheuren Fülle des Materials 141• Nur eine lebenslange liebevolle Beschäftigung mit den vorhandenen Materialien könnte hier Grund legen und Abhilfe schaffen 148 • 0.6.2.2. Die gedruckten Gesetzestexte und -materialien sind regional sehr verstreut. Das Fehlen einer sichtenden Bibliographie dieses Textmaterials erschwert hier vergleichende Arbeiten, während regionale Untersuchungen wegen des fehlenden überblicks wenig Aussagekraft besitzen. 0.6.2.3. Dagegen ist das gedruckte und publizierte Quellenmaterial gut gesichtet. Einige hundert Lehrbücher, Grundrisse, Kommentare und Artikel aus Fachzeitschriften bieten ein weites, aber überschaubares Feld. 0.6.2.4. Zur praktischen Kameralistik gibt es kaum wissenschaftliche Arbeiten. Das vorhandene Aktenmaterial bedürfte der Bearbeitung durch eine erhebliche Zahl von Einzeluntersuchungen, die mangels eines erarbeiteten rechtsgeschichtlichen Gesamtzusammenhanges Gefahr laufen, sich im Zufälligen zu verlieren. 0.6.2.5. Wissenschaftsgeschichtlich entwickelte sich der Kameralismus an Universitäten und staatlichen Akademien. Seiner Eigenart als umstrittener Fachdisziplin entsprechend spielte sich die Entfaltung des Kameralismus als Geschichte der Kamerallehrstühle149 und in der Auseinandersetzung um die Anerkennung als Wissenschaft ab. Eine Untersuchung der alten Vorlesungsverzeichnisse und der Universitätsprotokolle verspricht interessante Aufschlüsse über die Vorgänge innerhalb des universitären Bereiches, zumal sich die bisher geringe Anteilnahme an der Entfaltung des Kameralismus nur auf die Verwaltungstätigkeit 147 148 149

(502)

Wachenhausen S. 61.

(414) Hans Maier S.45. (414) Hans Maier S.43.

0.6. Aufgabenstellung und Eingrenzung der Untersuchungsfelder

39

der Kameralisten richtete. Voraussetzung wären allerdings Vorarbeiten im rechtssystematischen Bereich des Kameralismus, die es ermöglichten, das vorhandene Material hermeneutisch in den Griff zu bekommen. Daran fehlt es noch. 0.6.2.6. Vordringlich halte ich es für notwendig, die rechtssystematischen Werke des Kameralismus zu untersuchen und die Entwicklung des Gedankensystems sowie der Rechtsinstitute anhand der reichlich vorhandenen greifbaren Literatur darzustellen. Nur dieses Quellenmaterial erlaubt eine Gesamtüberschau, ohne in regionale ungedruckte Quellen eindringen zu müssen, was wiederum eine vorhergehende überregionale Untersuchung voraussetzen würde. Ob man dabei von der Lehrbuchliteratur oder von den landesfürstlichen Gesetzes- und Verordnungstexten ausgeht, bleibt sich gleich150 • Maier ist darin zuzustimmen, daß eine Bearbeitung der landesherrlichen Polizeiverordnungen - für unsere Zwecke Landessteuerordnungen - interessante Erkenntnisse verspricht. Der Umfang dieses Materials und die zeitraubende Schwierigkeit der Beschaffung würde aber einer umfangreicheren wissenschaftlichen Aufgabe angemessen sein als sie hier gestellt ist. 0.6.3. AufgabensteIlung

Die vorliegende Arbeit verwertet bis auf sehr wenige nicht greifbare Quellen das vorhandene steuerrechtliche Material aus der kameralistischen Zeit, soweit es sich um gedruckte und publizierte Veröffentlichungen handelt, die unter anderem auch dem wissenschaftlichen Gespräch dienen sollten. Bezweckt ist eine Darstellung der Entwicklungslinien der Grundsätze, Rechtsinstitute und Gedanken des materiellen kameralistischen Steuerrechts. Da es sich um anwendbares Recht handelt und praktische Fragen der Rechtstechnik im Vordergrund stehen, läßt die Arbeit nur mit Vorbehalt eine Einordnung in den zeitgeschichtlichen und philosophischen Rahmen zu. Die Aufklärungsphilosophie gab für die öffentlichrechtlichen Detailuntersuchungen der Kameralisten wenig her. Die bisher veröffentlichten Monographien über die Kameralzeit verstanden sich dagegen eher als ideengeschichtliche Arbeiten. Probleme der Rechtsanwendung und -auslegung standen allerdings im Vordergrund, wenn neuere Arbeiten die Zeit der römischrechtlichen Steuerliteratur vor der kameralistischen Epoche untersuchten. Infolge der scharfen Zäsur zu der nachfolgenden kameralistischen Epoche sind diese Ergebnisse aber nur bedingt übertragbar. Das Eindringen in die juristische Methodenlehre des kameralistischen Steuerrechts und die darauf aufbauenden Ergebnisse setzten Offenheit gegen150

(493) Tautscher S. 97 Anrn. 3.

40

Einführung und allgemeine Entwicklung

über der öffentlichrechtlichen Struktur des Hoch- und Spätkameralismus voraus. Damit wird auch die Akzentverlagerung auf diese Zeit des achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhunderts und die auf staatliches gesetzgeberisches Wirken hintendierende finale Struktur des Kameralismus einsichtig. 0.6.4. Finale Bestimmung des Bearbeitungsgebiets

Bearbeitet wurde ein ausgewählter Fragenkreis, der einen repräsentativen Querschnitt durch die Gesamtentwicklung bietet. Eine systematische Behandlung des gesamten kameralistischen Steuerrechts scheitert an der Stoffülle. Die monographische Behandlung eines Einzelproblems verbietet sich in Anbetracht des fehlenden Gesamtüberblicks über den Steuerkameralismus. Einzelne Gebiete wie die Akzisebesteuerung haben auch ihre abschließende rechtsgeschichtliche Erörterung schon gefunden151 • In Ansehung dieser Sachlage wurde auf eine exemplarische Ausarbeitung der wesentlichen Hauptprobleme Wert gelegt. Aus der Detailentwicklung und den speziellen Problemlösungen wird dann die Gesamtentwicklung des steuerlichen Kameralismus transparent.

151

(393) Inama-Sternegg.

System und Entwicklung des materiellen Steuerrechts im Kameralismus 1. Die kameralistische Steuerlehre in ihrer Beziehung zu anderen Wissenschaftsdisziplinen nach dem Selbstverständnis der kameralistischen Literatur Die kameralistischen Schriftsteller haben mit unterschiedlicher Prägnanz den eigenen wissenschaftlichen Standpunkt zu fixieren versucht. Ihre Systematisierungsversuche besitzen eine überzeugendere Aussagekraft zur Eigenständigkeit und Wissenschaftlichkeit des Kameralismus als die Urteile der Sekundärliteratur, die sich meist auf eine schmale Quellenbasis stützen und mit vorgefaßter Meinung an die Epoche herangehen. 1.1. Der KameraIismus als Regierungswissenschaft

Erst im Hochkameralismus in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts gelangte die neue Wissenschaft zum Selbstbewußtsein. Gasser und Dithmar, die beiden erstberufenen preußischen Kameralprofessoren, bieten erstmalig eine einfache Wissenschaftstheorie des Kameralismus1 . Die Notwendigkeit der neuen Wissenschaft resultierte aus der Hilflosigkeit der Pandektistik im Kameralwesen 2 • So berührte beispielsweise der klassische Zehnte sowohl das Kameralwesen als auch das EigentumsrechP. Nur zum Eigentumsrecht vermochte die Jurisprudenz beizutragen. Wirtschaftliche und verwaltungstechnische Sachverhaltskomponenten entzogen sich der Erfassung durch die hergebrachten Rechtsdisziplinen4 • Die Regelhaftigkeit und damit die Wissenschaftlichkeit der neuen Disziplin hatte schon Thomasius vertreten5 • über den Zusammenhang der Teildisziplinen ökonomische Wissenschaft, Polizeiwissenschaft, Kameralistik, Staatslehre, Finanzwissenschaft und dergleichen bestand anfangs noch keine einheitliche Meinung. Die klare Aussage Zinckes, daß der Unterschied zwischen Staatsrechtlern und Kamera(50) Dithmar S. 6 f.; (31) Börner Bd. 1 S. 190. (86) Gasser S. 3. 3 (86) Gasser S. 220. , (211) Oberndorfer S. 13. s (86) Gasser S. 3; (50) Dithmar S. 3 f.

1

2

42

1. Die

kameralistische Steuerlehre als Wissenschaftsdisziplin

listen darin bestehe, daß erstere die Steuern nur aus Gesetzessammlungen behandelten, während die Kameralisten Erfahrungen aus dem Leben des eigenen und fremder Länder verwerteten6 , beweist aber die von Anfang an bestehende Verrechtlichung des gesamten staatlichen und wirtschaftlichen Wissensgebietes im Kameralismus. Gestützt wird diese Hypothese durch die Disziplineinteilung Oberndorfers7 , der die rationale Kameralwissenschaft von der positiven Kameralistik scheidet und letztere als Studium der positiven Kameralgesetze und -verordnungen versteht. Es gibt seit dem Erstarken des Landesfürstentums keine einzige Quellenaussage im Kameralismus, die für die Bejahung eines eigenen außerrechtlichen wirtschaftlichen Bereiches spricht. Das Fehlen ausdrücklicher Stellungnahmen beruhte auf der Unvorstellbarkeit eines gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Bereichs in der Kameraltheorie. Die Reduzierung aller Beziehungen auf staatliche oder natürliche Subjekte ließ außer sittlichen und rechtlichen Relationen nichts Drittes im menschlichen Zusammenleben zu. Aufgabe und Ziel der ökonomischen Wissenschaft wurde in der Erlangung allgemeinen Reichtums zur Beförderung der "zeitlichen Glückseligkeit" gesehen8 • Es wurde aber nie im Zweifel gelassen, daß dieses Ziel nur im Kodifikationswege erreichbar sei9• Daneben anerkannte man in beschränktem Umfang die Eigengesetzlichkeit psychologischer Vorgänge. Die "Polizeiwissenschaft als Lehre von der Aufrechterhaltung des inneren und äußeren Wesens des Staates in guter Verfassung und Ordnung"10, zeigte den rechtlichen Charakter dieser Disziplin offensichtlich. Dementsprechend war das Verhältnis von Polizei und Justiz von Anfang an umstritten 11 • Die Versuche, die Polizei der Jurisprudenz zuzuordnen, scheiterten am Widerstand der Juristenfakultäten. Der Spätkameralismus bezeichnete dann die Justiz als Teil der PolizeP2. Der Vorwurf der nationalökonomischen Literatur zur Wirtschaftsgeschichte, die darin eine für die vorliberale Zeit typische Verengung des öffentlichen Bewußtseins sieht, geht meines Erachtens fehl. Eher ist der Weitblick der Kameralisten zu bewundern, die den damals sich erst langsam abzeichnenden Prozeß der Überwucherung des privaten Rechts durch das öffentliche Recht schon in seinen Anfängen zutreffend zu deuten wußten. Justi drückte diese Zusammenhänge so klar aus, daß diese bisherige Fehleinschätzung der kameralistischen Zielsetzungen kaum verständlich (326) Zincke S. 835 Anm. K. (210) Oberndorfer S. 138 - 140. 8 (50) Dithmar S. 2. 9 (142) Keßler S. 89. 10 (50) Dithmar S.6; (31) Börner Bd.1 S.6. 11 (50) Dithmar S. 5. 12 (31) Börner Bd. 1 S.4; (121) Jägerschmidt S. 27. 6

7

1.2. Steuerwissenschaft und Kameralwissenschaft

43

erscheint. Er unterscheidet zwischen der Handhabung der Gerechtigkeit und der Kenntnis der positiven Gesetze als Rechtswissenschaft13 und weist die Handhabung der Gerechtigkeit der Staatskunst und Polizei zu. Damit nimmt er für den Kameralismus die Klugheit des Gesetzgebers und nicht des Gesetzesauslegers in Anspruch l4 • 1.2. Der Begriff der Steuerwissenschaft im Rahmen der umfassenden Kameralwissenschaft Die Finanzwissenschaft als Teildisziplin des Kameralismus wurde von den Begriffen Kameralwissenschaft und Staatswirtschaftslehre15 anfänglich nicht exakt unterschieden l6 , obwohl schon Jung in übereinstimmung mit allen Späteren zu Recht die Finanzwissenschaft als die eigentliche Kameralwissenschaft bezeichnete17. Zuerst verstand man darunter einfach eine Einkunftsvermehrungslehre l8 • Die Finanzwissenschaft als Bestimmung der Aufwandssumme zum Staatszweck sowie ihre Verteilung, Erhebung und Verwaltung präzisierte den Begriffl9 . Später wurde die Finanzwissenschaft in Kameralwissenschaft im engeren Sinne umbenannt und in Staatswirtschaft im engeren Sinne und Finanzwissenschaft aufgeteilt20 • Dieser neue Begriff der Finanzwissenschaft als Wissenschaft von den Staatseinnahmen und -ausgaben näherte sich heutiger Betrachtungsweise. Der nächste Schritt im Emanzipationsprozeß der Steuerwissenschaft ist die synonyme Behandlung der Steuerwissenschaft gleichStaatseinnahmenwissenschaft undFinanzwissenschaft als Staatsausgabenwissenschaft21 • Letztere faßte man mit der Kunst der zweckmäßigen Verwaltung der Staatseinnahmen und -ausgaben zur Finanzwissenschaft im engeren Sinne zusammen22 und stellte sie der Steuerwissenschaft23 gegenüber. Die Steuerwissenschaft definierte Harl jetzt "als diejenige Wissenschaft, die die Grundsätze und Regeln lehrt, die erforderlich sind, um jedes Steuerwesen zu beurteilen und ein richtiges Steuersystem zu entwerfen. Die Steuerwissenschaft ist die Theorie des Steuerwesens"24. Diese Begriffsbestimmung setzte die klare Defini(136) Justi Bd. 1 S. 132 f. (129) Jung S. 105. 15 (121) Jägerschmidt S. 15. 16 (31) Börner Bd.1 S. 321 f.; (128) Jung S. 211; (243) Rößig S.6. 17 (128) Jung S.212. 18 (129) Jung S.105; (243) Rößig S.6; (81) Fulda S.26. 19 (300) Strelin Bd.5 S.99; (121) Jägerschmidt S.30. 20 (318) Weber Bd. 1 S. 6; (299) Strelin S.4, 137. 21 (147) Krehl S. 122 f. 22 (322) Wiederhold S. 3. 23 (151) Kremer S. 66. 24 (98) Harl Bd. 2 S. 31.

13

14

44

1. Die kameralistische Steuerlehre als

Wissenschaftsdisziplin

tion der Steuer voraus, die sich im Lauf der Zeit herausgebildet hatte. Der alte Oberbegriff der Kameralwissenschaft degenerierte als Kameralrechnungswissenschaft zur Verwaltungskunst der Domänen und Regalien25 • 1.3. Die Emanzipation der Steuerwissenschaft von ökonomischen Elementen Die Besonderheit des deutschen Kameralismus ist unter anderem darin zu sehen, daß die polizeiliche und abgabenkundliche Betonung schon von Anfang an in der Staatswirtschaftslehre überwog, aber in den wirtschaftlichen und technischen Disziplinen eingeschlossen war. Im Zuge der Entwicklung befreiten sich die Polizei- und die Steuerwissenschaft von den wirtschaftlichen Restdisziplinen, die dann verkümmerten, so daß die Staatswirtschaftslehre mit öffentlicher Akzentuierung im sechzehnten Jahrhundert nach einem zweihundertjährigen Prozeß unter Zurücklassung absterbender Nebendisziplinen in den beiden Zweigen Polizeiwissenschaft und Steuerwissenschaft endete. Die verrechtlichte Steuerwissenschaft stellt sich nach heutiger Betrachtungsweise als Steuerrechtswissenschaft mit Elementen der wirtschaftlichen Steuerlehre dar. Nach kameralistischer Auffassung ist diese Unterscheidung aber noch nicht einsichtig, da sich die Denkweise des Kameralismus nur zwischen Gesetzesinitiative und Gesetzesauslegung bewegte 26 • 1.4. Die definitorische Eigenart der kameralen Steuerwissenschaft Die staatsbezogene Einordnung des Kameralismus im allgemeinen und der Steuerwissenschaft im besonderen erhellt aus den dem Kameralismus als Hilfsdisziplinen zugeordneten Wissenschaften. Aufgeführt werden: Das Naturrecht, das Staatsrecht, das Privatrecht, die Historie, die Wirtschaftslehre (ökonomische Wissenschaften), die Naturwissenschaften und die Mathematik27 neben einer Fülle ausgefallener Disziplinen wie "Staatsklugheitslehre", "Gesandtschaftspolitik", "Gewerbskunde", "Produktionslehre", "Gartenbaukunst" und so fort28 • Der weitgefächerte Rahmen zeigt das umfassende Selbstverständnis des Kameralismus als Wissenschaft ebenso wie die Unhaltbarkeit der Gleichstellung des gesamten kameralen Wissenskomplexes mit einer fiktiven Vorläuferdisziplin der modernen Nationalökonomie. In der Benennung der (299) Strelin S. 273. (322) Wiederhold S. 1 f. 27 (31) Börner S. 208 ff.; (243) Rößig S. X; (121) Jägerschmidt S.16; (210) Oberndorfer S. 139. 28 (73) Fischer Tabellenanhang. 25 26

1.4. Eigenart der kameralen Steuerwissenschaft

45

Hilfswissenschaften liegt eine eindeutige Aussage dazu 29 , was der Kameralismus nicht sein wollte und wohl auch nicht war. Die Steuerwissenschaft als Spezialfall der Kameraldisziplinen war weder Rechtswissenschaft noch Wirtschaftslehre, faßte aber Elemente beider Disziplinen unter überwiegen der rechtlichen Momente zu einer einheitlichen Lehre vom besten Steuersystem zusammen, die nach festen Regeln in wissenschaftlicher Auseinandersetzung entfaltet mit dem Begehren an den Staat herantrat, als Kodifikation verbindliche Gültigkeit zu erlangen. In übereinstimmung mit dieser finalen Bestimmung zerfallen die Erörterungen der Kameralschriftsteller über die Steuer überwiegend in zwei Teile, ein bestimmendes System von Obersätzen und ausführliche motivartige Begründungen. Inwieweit solche Projekte in Landessteuerordnungen konkretisiert und realisiert wurden, harrt noch der Untersuchung.

2U

(318) Weber S. 40 ff.

2. Die Entwicklung des Steuerhegriffs und seiner Elemente 2.1. Das Steuererhebungsrecht (ius collectandi) nach staatsrechtlicher und nach kameralistischer Begriffsbestimmung Um das ius collectandi kreisten schon die überlegungen der vorkameralistischen Steuerrechtler. Die Kameralisten griffen dieses perennierende Problem auf und suchten nach außerpositivistischen Lösungen. Durch die Erstarkung der Staatsgewalt erledigten sich die meisten erarbeiteten Problemlösungen. Die Lösungsversuche strahlten aber auf die Genese des Begriffs der Steuer aus. In diesem Zusammenhang wirkten sie fort. Im sechzehnten Jahrhundert zeichnete Besold die historische Ausgangslage: Alle Stände und Untertanen müssen zu einverständig gebilligten Reichssteuern beitragen1 . Im Zweifel gehen die partikularen Gewalten vor 2 • Was der Kaiser zu fordern vergißt, verbleibt in den Truhen des Adels. Das Besteuerungsrecht des Landesherren gegenüber den Untertanen seiner Landadeligen wird ernsthaft bestrittenct• Im siebzehnten Jahrhundert bejahte Böckler das Besteuerungsrecht der Landesfürsten für " Reichsanlagen "4 als eine nur von Rechtsgelehrten in Frage gestellte Selbstverständlichkei~. Mit Seckendorff beginnt der wissenschaftliche Dialog über die Rechtsnatur des Besteuerungsrechts. Ihm fällt das Auseinanderfallen von zinsberechtigter und von steuerberechtigter Obrigkeit auf, ohne daß er bis zu dem essentiellen Unterschied von Grundabgabe und Steuerabgabe durchdringt6. In der Steuererhebung sah er noch ein hohes Regal, das allein dem Landesfürsten gebührt7. Der Konflikt zwischen dem prinzipiellen alleinigen Besteuerungsrecht des Fürsten und dem faktischen Besteuerungsrecht der Unterobrigkeiten (ius subcollectandi) wurde unentschieden gelassens. Auch hielt Seckendorff die Landessteuern gegenüber den Reichssteuern noch für subsidiär9• 1

2 3 4

5 8 7

S

g

(24) Besold S.152; (123) Jargow S.528; (276) Sensburg S.77. (123) Jargow S. 527; (200) Moser S.8. (24) Besold S. 162. (123) Jargow S.529. (30) Böckler S. 13 f. (274) Seckendorff S.384. (274) Seckendorff S.491; (102) Hase S.366. (274) Seckendorff S.491. (274) Seckendorff S. 500 f.

2.1. Das Steuererhebungsrecht

47

2.1.1. Als Forderungsgrund steuerähnlicher Abgaben traten in historischer Folge verschiedene Gewalten in Erscheinung: Lehens- und Feudalrechte, Gerichtsherrlichkeit, Schutz- und Schirmherrlichkeit, Subcollectationsrecht, ausgebildete Landeshoheit1o . Die Entwicklung des Steuerbegriffs wurde von zwei Prozessen beeinfluBt. Neben der Ausbildung eines öffentlichrechtlichen Bereichs als Gegensatz zur privatrechtlichen Sphäre wirkte die Entfaltung der Besteuerungshoheit als Teils der Staatsgewalt mitl1 • Dadurch engte sich der ursprünglich weit gefaBte Steuerbegriff stark ein, während sich die Steuer als staatliches Phänomen quantitativ stetig ausweitete. 2.1.2. Entsprechend diesem ProzeBverlauf wechselte der anerkannte Träger der Besteuerungshoheit. Zunächst stand nur dem Reich gegenüber seinen freien Untertanen das Besteuerungsrecht ZU12 • Kein freier Untertan war verpflichtet, einem anderen Untertan zu steuern13• Gleichzeitig billigte man den Grundherren ein begrifflich unklar gefaBtes Besteuerungsrecht gegen die Hintersassen zu l 4, was sich aber der Sache nach wohl nur auf Territorialabgaben bezog. Später erlangten die Landesfürsten aus dem kaiserlichen Kollektationsrecht für Reichssteuern ein Subkollektationsrecht als Recht, die Steuern auf ihre Untertanen abzuwälzen15 • Mit dem Erstarken der Landeshoheit gewannen die Landesfürsten auch das weitergehende Recht, ohne kaiserliche Bewilligung aus eigenem Recht selbstgeschöpfte Steuern zu erheben16 • Dieses Recht verstand man dann als das eigentliche ius collectandi. Auf dem Höhepunkt landesfürstlicher Macht hielt man sogar das ursprüngliche Besteuerungsrecht des Reiches ohne landesherrliche Zustimmung für angemaßt und erst im neunzehnten Jahrhundert gewann die historische Wahrheit wieder an Gewicht. Das ius collectandi des Landesherren17 verlagerte die Problematik der Unterbesteuerungsrechte auf die Schicht des niederen Adels. Dem Grundadel und den Stadtobrigkeiten billigte man zwangsläufig zunächst ein echtes ius subcollectandi ZU 18 • Der Begriff wurde aber auch hier doppeldeutig aufgefaßt. Einerseits verstand man darunter die Berechtigung, landesherrliche Steuern auf die Untertanen weiterzuwälzen19 , andererseits ging es um die Frage, ob den (276) Sensburg S. 7 f. (168) Leipziger Sammlungen Bd. VIII S.716. 12 (302) Stündeck S.57. 13 (302) Stündeck S. 83; (142) Keßler S. 134 f.; (136) Justi Bd. 1 S.350. 14 (302) Stündeck S. 46. 15 (200) Moser S. 9 f.; (160) Lang S. 162; (302) Stündeck S. 89; (276) Sensburg S.82. 16 (132) Justi S.65; (200) Moser S. 5; (195) Moser S.420. 17 (220) Pescherinus S.25; (166) Leib "Vierte Probe" S.18. 18 (136) Justi Bd.2 S. 330. 19 (51) Döhler S. 17. 10 11

2. Die Entwicklung des Steuerbegrüfs

48

Grundherren ein eigenes Besteuerungsrecht zukommt. Das Weiterverteilungsrecht erlosch mit der Ausbildung der fürstlichen Landesverwaltungen. Im Verhältnis zum Landesherren degenerierten die Grundherren und Stadtobrigkeiten zu einfachen Untertanen 20 , so daß ihre Hintersassen steuerlich landesunmittelbar wurden. Der Abbau der Steuerfreiheit des niederen Adels war der zwangsläufig folgende Schritt, der an anderer Stelle noch zu erörtern sein wird. Das verbleibende Recht zur Erhebung eigener Steuern durch den niederen Adel wußten die Landesfürsten unter Mitwirkung der Kameralisten ebenfalls auszuhöhlen 21 • Viele Abgaben erwiesen sich als Territorialabgaben aus der Grundherrschaft. Die verbleibenden Steuern wurden bald nach staatlicher Kontrolle eingerichtet und erhoben22 • Sie durften die Erträglichkeit der landesfürstlichen Steuern nicht beeinträchtigen2:J. Dem gewandelten Verständnis entsprach es auch, daß der Verwendungszweck: der erhobenen Steuersummen auf gemeine Ziele festgelegt wurde 24 • Damit hatten die Steuern der Unterobrigkeiten ihren Wert für die Privatschatulle des Landadels eingebüßt und ihrer nunmehr behaupteten Illegalität kam lediglich noch deklaratorischer Charakter ZU 25 • 2.1.3. Parallel zu dem Wechsel der Träger der Steuerhoheit vollzog sich ein inhaltlicher Bedeutungswandel des Besteuerungsrechts. Mit dem Verlust des Regaliencharakters der Steuer2ß und der Anerkennung der Eigenständigkeit21 der Steuer als Einkunftsart ging die Verpfändungsmöglichkeit der Steuergefälle verloren 28 • Stattdessen betonte man die verpflichtende Kraft der Ausübung des Besteuerungsrechts dem Landesherren gegenüber 29 und leitete aus dem ius collectandi das Regelungsrecht und die entsprechende -verpflichtung her3°. In das Besteuerungsrecht legte man die Befugnis zur Steuergesetzgebung, zur Einrichtung der Steuerverwaltung, zur Veränderung alter und zur Erhebung neuer Steuern, das Steuerstrafrecht31 , das Recht zum Steuererlaß und zur Steuerbefreiung und die Berechtigung zur Aufhebung abgeleiteter Besteuerungsrechte (ius subcollectandi)32. Nur die Landes20

21 22 23

24

25 26 27 28

29

30 31

(123) Jargow S.533. (224) Pfeffer Bd.4 Teil 2 S.142. (326) Zincke Teil 2 S.822, 825; (132) Justi S.66. (50) Dithmar S.280. (31) Börner Teil 2 S. 318; (222) Pfeiffer S. 304. (135) Justi S.376; (225) Pfeiffer Bd.1 S.282. (290) Springer Tabelle; (22) Bergius Bd.7 S. 246 f. (168) Leipziger Sammlungen Bd.9 S.143; (135) Justi S.347. (197) Moser S.70; (195) Moser S.438. (200) Moser S.6; (199) Moser S.3; (195) Moser S.434. (26) Bielefeld S. 301. (66) Eulner S. 1.

2.2. Die Definition der Steuer

49

hoheit gewährte das Besteuerungsrecht als untrennbaren Teil. Die Lehensherrschaft berechtigte nicht zur Besteuerung33• Pausiert die landesherrliche Gewalt, so darf die Unterobrigkeit nur im Namen des Regenten Steuern erheben, um die gemeinen Aufgaben in Substitution zu erfüllen34• Das galt aber nur als Notmaßnahme. 2.1.4. Die der Steuerhoheit komplementäre Steuerpflicht knüpfte zunächst an die Untertaneneigenschaft an35 • Ein Adeliger, der die Reichsunmittelbarkeit verloren hatte, wurde damit automatisch steuerpflichtig. Die oft noch Generationen faktisch andauernde Steuerfreiheit galt als zu beseitigendes Ärgernis36 • Später band der Kameralismus die Steuerpflicht an sächliche Beziehungen wie Eigentum der wirtschaftlichen Kräfte 37 oder steuerbares Staatsvermögen38 • Im Spätkameralismus waren die sozialen Kämpfe um Anerkennung der Steuerpflicht ausgetragen. Rau bemerkte knapp, daß die Steuerforderung sich gegen alle staatsangehörigen Personen, Gesellschaften und Korporationen richtet39, und Kremer stellte in übereinstimmung mit allen Kodifikationen des neunzehnten Jahrhunderts fest 40 , daß allein das Staatsoberhaupt zur Steuerforderung berechtigt ist41 • 2.1.5. Für die gesamte Kameralepoche galt, daß die Steuerhoheit ein Tatbestandsmerkmal der Steuer bildet. Nur was vom Träger der Besteuerungshoheit erhoben wird, kann begrifflich als Steuer bezeichnet werden. Damit muß die Entwicklung des Steuerbegriffs in Abhängigkeit zur Entfaltung der Landeshoheit gesehen werden.

2.2. Die Definition der Steuer im Wechsel der Epochen 2.2.1. Es kann nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, die sich zwangsläufig auf einen für steuerrechtliche Fragen entscheidenden Ausschnitt der Wissenschaftsgeschichte beschränken muß, die Entstehung und Entwicklung der Steuern im mitteleuropäischen Raum bis zu den Anfängen zu verfolgen. Auch die Deckung von historischer Wirklichkeit und die

(326) Zincke Teil 2 S. 815 - 830. (51) Döhler S. 130. 34 (195) Moser S. 442. 35 (225) Pfeiffer Bd. 5 S.302; (72) Fischer S.40. 36 (277) Sensburg S. 3. 37 (152) Kröncke S. 414. 38 (283) Soden Bd. 3 S. 158. 39 (234) Rau Bd. 2 S. 8, 23, 24. 40 (228) Pölitz Bd. 1 S. 120. 41 (151) Kremer S.69; (200) Moser S.7; (195) Moser S.419; (302) Stündeck S.25, 28, 43; (311) Ulmenstein S.63, 165; (7) Baumstark S. 721. 32

33

4 Jenetzky

50

2. Die Entwicklung des Steuerbegriffs

davon oft abweichende Vorstellung der Zusammenhänge in den Kameralwerken bedarf in diesem Rahmen keiner überprüfung, da nur die Folgewirkungen der rechtshistorischen Vorstellungen in der wissenschaftlichen Erörterung wegen ihrer Auswirkungen auf die Entwicklung des Steuerbegriffs von Bedeutung sind. Die Darstellung beschränkt sich deshalb auf das nicht immer die Realität treffende Vorstellungsbild der Kameralisten von der steuerlichen Vorgeschichte ihrer Zeit. Dabei darf nicht vergessen werden, daß der Kameralismus aufklärungsbedingt vom Nutzen und Vorteil der Historie für Leben und Wissenschaft nicht voll überzeugt war und sich rechtsgeschichtlichen Fragen nur nachlässig widmete. 2.2.1.1. Ausgangsproblem war für den Kameralismus die Frage, ob Steuern etwas Außergewöhnliches zu Rechtfertigendes oder etwas Selbstverständliches und Regelmäßiges sind, das keiner Begründung bedarf. Die geschichtlichen Fakten, daß einerseits die freien alten Deutschen frei von Steuern gewesen waren42 , andererseits die wirtschaftlich hoch entwickelten Staaten der Antike ein ausgebildetes Steuersystem besessen hatten43, ließen Raum für verschiedene Deutungen. Die herrschende Meinung verneinte die Notwendigkeit der Steuern im Naturzustand der Gesellschaft, bejahte aber den Zwang und die Rechtfertigung der Besteuerung in gegenwärtigen wirtschaftlich entfalteteren Zuständen. Als Grund der fortlaufenden Strukturänderung der Steuersysteme wurde überwiegend die Entwicklung der Landesverteidigung angesehen. Lang überdehnte diese Erkenntnis mit der Behauptung, daß "jede Veränderung in dem System der Auflagen oder dem Steuerwesen jederzeit in einer vorausgegangenen Veränderung des Kriegswesens ganz sicher zu suchen ist"44. Nun ist die Parallelität von Änderungen der Wehrverfassung und der Steuerverfassung unübersehbar. Die Mehrheit der Kameralisten gelangte aber zu der wohl zutreffenderen Auffassung, daß die seit dem sechzehnten Jahrhundert rapide anwachsenden Staatsbedürfnisse allgemeiner Art (neben Verteidigungslasten auch Verwaltungsausgaben, Wirtschaftsstrukturänderungen, staatliche Wirtschaftsförderung, Bildungskosten und dergleichen mehr) gebieterisch ständig wachsende Steuern forderten%. Die mit Ausgang der karolingischen Zeit den Fürsten für den öffentlichen Bedarf zugeordneten Güter 46 reichten nicht mehr aus; die Differenz mußte durch steuerliche 42 (227) Philippi S. 91; (177) Ludewig S. 112; (225) Pfeüfer Bd. 5 S. 285; (300) Strelin Bd.1 S.25; (72) Fischer S.37; (94) Haller Bd.2 S.322. 43 (88) Genovesi S.358; (76) Förster S.348. 44 (160) Lang S.4; (67) Fabricius S.423. 45 (227) Philippi S. 92; (267) Schreber S. 220; (177) Ludewig S. 112; (225) Pfeiffer Bd. 5 S. 285. 46 (300) Strelin Bd.1 S.25; (311) Ulmenstein S.2; (299) Strelin S.3.

2.2. Die Definition der Steuer

51

Abgaben gedeckt werden. Als im Nachkameralismus die Steuererhebung keiner Begründung mehr bedurfte, erlosch auch jede rechtsgeschichtliche Herleitung der Steuern in den Kameralwerken 47 • 2.2.1.2. Besondere Aussagekraft besitzt das Vorstellungsbild, das die Kameralisten von der Funktion und Beteiligung der Reichsgewalt, der Landesfürsten und der sogenannten Unterobrigkeiten bei der Entfaltung des Steuersystems hegten. Hier überlagerten sich verschiedene Vorstellungen, die nur ungenügend Ausdruck in der Literatur fanden, weil der jeweilige Verfasser die allgemeine Bekanntheit seiner Auffassung von der Vorgeschichte der Steuern unterstellte. Je weiter man bei der Untersuchung zeitlich zurückgreift, desto verschwommener werden die Abgrenzungskriterien zwischen Steuern und Territorialabgaben verschiedenster Art48 • Diese in der Frühzeit meist weniger im Begrifflichen als im Tatsächlichen wurzelnde Unsicherheit der Klassifizierung begünstigte verständlicherweise die Entstehung verschiedener Entwicklungsvorstellungen. Die wohl historisch fundierteste Auffassung sah das Reich als Träger der ältesten Besteuerungshoheit an49 • Später gewannen die Landesfürsten und die Unterobrigkeiten, worunter man eine bunte Mischung von Adel aller Stufen, Städten und Geistlichkeit verstand, eigene zunächst abgeleitete und später eigenständige Besteuerungsrechte50 • Zusätzlich bestand eine starke Abhängigkeit der reichsunmittelbaren Landesherren von den im Frühstadium gewichtigeren zweitstufigen Lehensobrigkeiten51 • Mit dem Erstarken der Landeshoheit gelang es den Landesfürsten den nachgeordneten Unterobrigkeiten die Besteuerungsgewalt vollständig zu entreißen52 und die Besteuerungshoheit des Reiches bis auf rein theoretisch bedeutsame Reste zu reduzieren 53 • Die Gegenmeinung projizierte die Zustände der Kameralzeit in die Vergangenkeit und sah die Landesherren schon im Frühmittelalter als rechtmäßige Träger der Besteuerungshoheit54 • Durch die Belehnung der Unterobrigkeiten verlor der Landesherr die Besteuerungsgewalt gegen die nunmehr mittelbaren Untertanen55• Die Unterobrigkeiten begannen angemaßterweise selbst Steuern zu erheben und entzogen sich gleich47 48

49 50 51 52 53 54

55

(64) Eschenmayer S.10; (294) Neuform S.1. (115) Hüllmann S. 115. (267) Schreber S. 220; (225) Pfeiffer Bd 5 S. 285; (311) Ulmenstein S. 25, 27. (120) Hunger S. 6 f.; (300) Strelin Bd.l S. 25 - 27. (311) Ulmenstein S.17, 20. (302) Stündeck S. 61. (72) Fischer S. 38; (94) Haller Bd. 2 S. 324. (227) Philippi S. 91 f.; (299) Strelin S.3. (177) Ludewig S. 112.

2. Die Entwicklung des Steuerbegriffs

52

zeitig ihrer eigenen Steuerpflicht mit gutem Erfolg56 • Die außenpolitischen Bedürfnisse des Reiches führten außerdem zu den Reichssteuern, die die Landesherren zusätzlich finanziell belasteten und die von den Unterobrigkeiten auf die steuerzahlenden Untertanen abgewälzt wurden51• Deren dadurch veranlaßte Unfähigkeit, die geforderten landesherrlichen Steuern zu entrichten, lastete man als weiteren Nachteil des Besteuerungssystems der Vergangenheit dem niederen Adel an. Erst im achtzehnten Jahrhundert wurden die Unterobrigkeiten durch die Landesfürsten entmachtet und das Besteuerungsrecht des Reiches ausgehöhlt. Diese Auffassung entfernte sich gewiß sehr weit auch von den damals bekannten und verfügbaren geschichtlichen Quellen. Ihre Aussagekraft im Hinblick auf das staats- und steuerrechtliche Denken der Kameralschriftsteller wird aber dadurch nicht berührt. Sie zeigt, daß das kamerale Denken letztlich immer den Träger der Staatsgewalt zu begünstigen suchte und sich bemühte, die von der realen Machtausübung ausgeschlossenen Personen nach den Gleichheitsgrundsätzen der Aufklärung ohne Rücksicht auf hergebrachte Standesvorrechte gleichzuschalten. 2.2.1.3. Im geschichtlichen Wandel der Einordnung der Steuern in die Einkunftsquellen des Staates findet das wechselnde Verhältnis der verschiedenen Kameralepochen zur Rechtsnatur der Steuer seinen Ausdruck. Da man sich im Kameralismus von den alten römischrechtlichen Definitionen der Domänen, Regalien und Steuern gelöst hatte, ohne neue klare Begriffsbestimmungen einheitlich zu fixieren, herrschte in der hochkameralistischen Zeit über die Einordnung der Steuer in den vorangegangenen Epochen große Unklarheit. Erst die Herausbildung neuer staatsrechtlicher Ordnungsbegriffe, die man bedenkenlos in die Vergangenheit transponierte, brachte wieder Ordnung in die geschichtlichen Vorgänge und erlaubte es, die Erkenntnisse der Aufklärungsphilosophie aus der Vergangenheit herauszulesen. Ausgangspunkt war die vorkameralistische Einteilung der Staatseinkünfte in Domänen und Regalien, wobei man die Regalien wohl zutreffenderweise als nicht notwendigen Bestandteil der sich ausbildenden Landeshoheit ansah, da sie praktisch verpfändbar und veräußerbar waren. Als ein Regal dieser Art definierte man auch die Steuer. Manche Kameralisten der Frühzeiten wiederholten diese Einteilung unkritisch58 • Doch schon Seckendorff übte daran herbe Kritik und stellte fest, daß es so etwas wie große oder kleine Regalien nicht gäbe, da alles - auch das Besteuerungsrecht - Ausfluß der unteilbaren Landeshoheit sei59 • Gasser ver56 57

58 59

(51) Döhler S. 33 f. (311) Ulmenstein S. 31 - 35. (36) Buchern S. 113. (274) Seckendorff S. 362 f.

2.2. Die Definition der Steuer

53

suchte beide Auffassungen zu vereinen, bestimmte den Begriff der Regalien als zwingende Annexe und Konsequenzen der Landeshoheit und konnte auf dieser Basis die Steuerhoheit weiterhin als hohes Regal und das Abzugssteuerrecht als niederes Regal bezeichnen60 . Dithmar61 und Zincke62 sind ihm in dieser Argumentation gefolgt63 . Bergius griff dagegen mit guten Gründen auf die Argumentation Seckendorffs zurück und verwarf den Regalienbegriff als eine überflüssige Begriffsbestimmung. Alles läßt sich nach ihm besser und eindeutiger aus der Landeshoheit herleiten 64 • Die herrschende Meinung der Kameralisten folgte beiden Ansichten nicht. Regalien waren kein würdiger Gegenstand der Kameralliteratur. Man befaßte sich nicht mit ihnen, verzichtete auf jede Begriffserklärung, behielt den Begriff der Domänen und Regalien als Bezeichnung für staatliche Rechte bei, die sich nicht zwingend aus der Landeshoheit ergaben, und betonte die Selbständigkeit der Besteuerungshoheit als notwendiger Teil der Landeshoheit65. Sicher nicht in Übereinstimmung mit der ursprünglichen Zweckbestimmung der staatlichen Einkünfte, aber entsprechend der Zeitauffassung vertrat Jung die Ansicht, Domänen, Regalien und zufällige Einkünfte dienten der Privatschatulle des Fürsten, die Steuern dagegen der Beförderung der "allgemeinen GlÜckseligkeit"66. Das ganze Zeitgefühl in seiner Animosität gegen die privaten fürstlichen Ansprüche, das unsystematische verworrene Domänen- und Regalienwesen der Kameralzeit und die Hochschätzung der Besteuerung als Mittel zur Beschaffung staatlicher Einkünfte in einer neueren und gerechteren Zeit fand in dieser Zweckbestimmung seinen Ausdruck. Eschenmayer vollendete dann die Entwicklung und interpretierte kameralistische Einteilungsprinzipien in den Katalog der Staatseinkünfte der steuergeschichtlichen Vergangenheit. Er unterscheidet vier Quellen der Staatseinkünfte67 : 1. Einkünfte aus Lehensvertrag: Zinsen, Fronen, Zehnten usw., 2. Einkünfte aus allgemeinen Hoheitsrechten: Regalien, Subsidien, Fiskaleinkünfte usw., 3. Einkünfte aus speziellen Hoheitsrechten (subsidiarische Gefälle): Steuern, 4. Einkünfte aus Staatsverwaltung: Gebühren, Strafen, Konzessionen, Sporteln, Schutzgelder usw. Die Einteilung besticht durch ihre Klarheit, obwohl ihr jede rechtshistorische Begründung für die 60 61 62 63

(86) Gasser S. 248, 255 ff. (50) Dithmar S.267. (26) Zincke Teil 2 S. 785. (267) Schreber S. 220. 64 (22) Bergius Bd. 7 S. 246. 65 (168) Leipziger Sammlungen Bd.9 8.143; (224) Pfeiffer Bd.4 S.60; (51) Döhler S.37; (67) Fabricius S.423; (300) Strelin S.26; (210) Oberndorfer S. 86 - 88; (299) Strelin S.3. 66 (128) Jung S. 222 f. 67 (64) Eschenmayer S. 13 - 15 (Tabelle).

54

2. Die Entwicklung des Steuerbegriffs

vorkameralistische Zeit fehlt. Da die Kameralisten zu begriffsjurisprudentischen Konstruktionen neigten, zogen sie aus der in neue Begriffe gepreßten Vergangenheit konkrete Rechtsfolgen auf die kamerale Gegenwart, um gestützt auf die landesfürstliche Macht alte Standesvorrechte auszuhöhlen und ihre Aufhebung vorzubereiten. 2.2.1.4. Das wissenschaftliche Bewußtsein der Kameralistik war aber zu gut entwickelt, um den Pfad historisch haltbarer Objektivität völlig zu verlassen. Arbeiten aus dieser Zeit, die nicht der polemischen Einflußnahme auf die öffentliche Meinung dienen sollten, bieten im Nachkameralismus eine leidenschaftslose überzeugende Analyse der Genese verschieden gearteter Abgaben. Sensburg unterschied sechs chronologisch aufeinanderfolgende sich überlappende Herrschaftsstrukturen, die Abgabenformen erzeugten68 : 1. Lehensherrschaft, 2. zweifaches Feudalsystem, 3. Gerichtsherrlichkeit, 4. Schutz- und Schirmherrlichkeit, 5. Subkollektationsrecht, 6. Ausgebildete Landeshoheit. Die Darstellung entsprach sicher nicht ganz dem historischen Ablauf und schematisierte ihn unzulässigerweise. Sie kennzeichnete aber das systematisierende Verfahren des Kameralismus. Da die Kameralisten die Steuern ihrer Gegenwart nach festen Begriffsmerkmalen und nicht nach der historischen Herkunft definierten, zeitigten diese rechtsgeschichtlichen Versuche auch keine verfälschenden Folgen in den steuerwissenschaftlichen Lehren des Kameralismus. 2.2.2. Die vorkameralistische Zeit grenzte den Steuerbegriff von den vielfältigen sonstigen Abgaben rein positivistisch ab: Steuer war, was entweder nach dem überlieferten römischen Recht hergebrachterweise als Steuer galt oder in einer Kodifikation als Steuer bezeichnet wurde. Die Vieldeutigkeit solcher Abgrenzungen war bekannt69 • Um die Einordnung der steuerlichen Abgaben zu erleichtern, wurde es allgemein üblich, jeder Steuerschrift eine Definition der Steuer voranzustellen. Die Kameralisten bewiesen bei diesem Bemühen viel sachkundige Phantasie. Oft übernahm man allerdings auch die geistige Leistung seines Vorgängers. 2.2.2.1. Altmeister Seckendorff bemühte sich mit seinem sicheren Gespür für verwaltungsrechtliches Geschehen erstmalig um eine Abgrenzung der Grundgefälle von den staatsbezogenen Steuerabgaben und unterschied zwischen Fronen und Zinsen als ordentlichen gewissen Gefällen und den Steuern als freiwilligen, außerordentlichen erbetenen Einkünften70 • Die Unterscheidung war materiell völlig ungenügend. Trotzdem wurde die Abgrenzung mit geringen Modifikationen zunächst 88 89 70

(276) Sensburg S. 7 f. (24) Besold S. 178. (274) Seckendorff S.489.

2.2. Die Definition der Steuer

55

beibehalten71 • Die Steuerdefinition der Hochkameralisten verzichtete auf die Merkmale der Gewißheit des Eingangs der Steuersummen und der Freiwilligkeit, weil man deren Unbrauchbarkeit erkannte. Dithmar definierte die Steuer formal als dritte Einkunftsart des Staates neben Domänen und Regalien, die zur Deckung der Reichs- und Landesausgaben erforderlich sind72 • Damit war der Zweckbestimmungsgedanke in den Steuerbegriff eingeführt. Zincke erweiterte den Zweckbestimmungsgedanken um den Verwendungszweck der Staatsausgaben. Sie müssen dem Landesschutz und dem allgemeinen Besten dienen73• Außerdem soll die Steuererhebung aus dem privaten Gesamtvermögen der Untertanen erfolgen und unter Beachtung gewisser Grundregeln geschehen74 • Die Steuer muß schließlich nach den Maßstäben des privaten Gewinnüberschusses der Untertanen und nach Proportion der Notdurft des Staates festgesetzt werden. Trotz dieser mit später als überflüssig erkannten Kriterien überladenen Definition der Steuer umfaßte dieser Steuerbegriff erstmals alle in der Praxis als Steuern behandelten Abgaben. Justis zur gleichen Zeit parallel gefundene Steuerdefinition erweist sich dagegen als wenig praktikabel: "Steuern und Abgaben sind derjenige Beitrag der Untertanen aus ihrem Privatvermögen, den sie bei der Unzulänglichkeit der Einkünfte aus den Domänen und Regalien zu dem notwendigen Aufwand des Staates nach einem gewissen Verhältnis ihres Vermögens und Gewinns leisten müssen75." Die von Justi überflüssigerweise in den Steuerbegriff eingefügte Subsidiaritätsvoraussetzung wurde von vielen Kameralisten beibehalten76, obwohl Prätorius diesen Steuerbegriff als zu eng, unbrauchbar und aus steuerfeindlicher Gesinnung geboren bezeichnete77• Auf Montesquieu dürfte der Versuch zurückzuführen sein, die Steuerrechtfertigung als Kriterium in die Steuerdefinition zu übernehmen. Er bezeichnete als Steuern den Teil des Vermögens der Bürger, den sie als Kaufpreis für die Sicherheit und den friedlichen Genuß des restlichen Vermögens an den Staat geben78 • Jedes der erwähnten Kriterien tauchte im wissenschaftlichen Gespräch auf, wurde eine Zeit beibehalten und wiederholt, um schließlich entweder wieder aufgegeben oder als Selbstverständlichkeit in die Steuerdefinition übernommen zu werden. Bergius forderte zur Aner71 (66) Eulner S. 97; (168) Leipziger Sammlungen Bd. 8 S. 724; (302) Stündeck S.22. 72 (50) Dithmar S. 266. 78 (326) Zincke S. 789. 74 (326) Zincke S. 840. 75 (132) Justi S. 22. 76 (31) Börner Teil2 S.236; (222) Pfeiffer S.212; (285) Sonnenfels Teil3 S.45. 77 (229) Prätorius S. 17 f. 78 (190) Montesquieu 13. Buch 1. Kap. S. 291.

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2. Die Entwicklung des Steuerbegriffs

kennung einer Steuer erstmals die Erhebung auf Grund der Landeshoheit des Regenten (Erhebung durch den Inhaber der Staatsgewalt) und nach gesetzmäßigen Prinzipien der Verfassung (Gesetzmäßigkeit der Steuerfestsetzung)19. Moser fügte dem Steuerbegriff die Allgemeinkeit der Besteuerung bei. Steuern sind nach ihm nur solche Abgaben, die durch die Untertanen nach allgemeinen Kriterien von allen Personen und Gütern jährlich gezahlt werden 80 • Darjes erkannte, daß spezielle Gegenleistungen für Zahlungen an den Staat sich nicht mit dem Steuerbegriff vertragen. Dadurch unterscheiden sie sich von Zöllen, Gebühren und dergleichen, die immer für eine konkrete im Einzelfall greifbare Gegenleistung des Staates entrichtet werden81 • Achenwall engte den Steuerbegriff dadurch ein, daß er für den Bürgerbeitrag zu den Kosten des allgemeinen Wesens die Unmittelbarkeit forderte 82 • Anscheinend meinte er damit, die Befriedigung der Kosten zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben müsse Hauptzweck und motivierender Grund der Erhebung von Steuern sein. Damit ist die erste Phase der Entwicklung des modernen Steuerbegriffs abgeschlossen. Der Zweckbindungsgedanke wurde eine Zeit lang wiederholt83, um dann als Voraussetzung aufgegeben zu werden. Das Gleiche gilt für das Äquivalenz- oder Assekuranzprinzip als Kriterium, das im Rahmen der Steuerrechtfertigung noch zu erörtern sein wird 84 • Das Subsidiaritätsprinzip galt nur solange, wie Justi die kameralistische Meinungsbildung zu beeinflussen vermochte und erlosch dann. Dagegen wurden die Staatsgewalt als Quelle der Besteuerung, die Zahlung aus dem privaten Vermögen der Untertanen85, die Allgemeinheit der Besteuerung und der Ausschluß konkreter staatlicher Gegenleistungen für Steuerzahlungen stillschweigend als feste Voraussetzungen übernommen. Auch die Unmittelbarkeit der Beitragserhebung erhob man zum festen Bestandteil des Steuerbegriffs86 • 2.2.2.2. Mit Beginn des neunzehnten Jahrhunderts gewann die wirtschaftsliberale Betrachtungsweise der englischen Nationalökonomen Einfluß auf die kameralistische Steuerlehre. Damit entwickelten sich zwei parallele Steuerbegriffe. Der eine Steuerbegriff stützte sich allein auf die Theorien des Wirtschaftskreislaufs. Der andere Steuerbegriff 79 (22) Bergius Bd. 1 S. 1. (195) Moser S. 4. 81 (47) Darjes S.587. 82 (1) Achenwall S. 185. 83 (313) Vierordt S. 42 f.; (285) Sonnenfels Teil3 S.43; (128) Jung S.223; (300) Strelin Bd. 1 S. 16. 84 (308) Le Trosne S. 143 f.; (321) Werner S.10; (225) Pfeiffer Bd.4 S.189; (237) Raynal S. 202. 85 (31) Börner Teil 2 S.236; (224) Pfeiffer S.133. 86 (250) Rüdiger S. 130. 80

2.2. Die Definition der Steuer

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entwickelte die überkommene Definition in Anlehnung an die zeitgenössischen Formen der Staatlichkeit weiter. Die rein wirtschaftlich orientierte Steuerdefinition griff unmittelbar auf ausländische Lehren zurück, stand in keiner Beziehung zu den sonstigen Lehren des Kameralismus und starb ohne Fortwirkungen für die nachkameralistische Steuerwissenschaft aus 87• Zur juristischen Steuerdefinition der Steuerrechtswissenschaft sind keine Zusammenhänge ersichtlich. - Der eigenständige kamerale Steuerbegriff wandelte sich unter dem Einfluß der neueren Staats- und Staatsrechtslehre stark. Berg erwähnte letztmals den Zweckbindungs- und Gegenleistungsgedanken als Motivation der Besteuerung, ohne ihn noch als Voraussetzung des Steuerbegriffs anzuerkennen88 • Nach ihm wurde die Steuerpflicht nur noch aus der allgemeinen Bürgerpflicht, zum gemeinen Staats ganzen beizutragen, hergeleitet89 • In diesem Punkt berührten sich Rechtfertigungslehre und Definition der Steuer, worauf noch einzugehen sein wird. Bedürfnisse des Staates, eventuelle Vorteile der Bürger aus der Steuererhebung und das Vermögen der Bürger als Maßstab der Besteuerung sind Akzidenzien, die die Steuererhebung motivieren, die aber nicht zum Steuerbegriff gehören90 • Die Steuer erhebung folgte jetzt aus dem Wesen der Staatsmacht selbst91 • Die Steuer muß von der Staatsmacht auferlegt sein92 • Steuern setzen Staat, Staatsoberhaupt und Staatshoheit wesensgemäß voraus 93 • Das war zwar schon zwei Menschenalter früher feste überzeugung aller Kameralisten, wurde aber erst jetzt als klares und zweifelsfreies Steuermerkmal postuliert. Bewilligungs- und Zustimmungserfordernisse der verschiedenen Stände gehörten schon seit Justi nicht mehr zum kameralen Steuerbegriff. Im beginnenden neunzehnten Jahrhundert werden sie selbst in historischen Rückblicken kaum noch erwähnt94 • Dieser Zeit verdankt der Kameralismus zwei Forderungen, die trotz aller überzeugenden Modernität keinen Eingang in die fortwirkende Steuerdefinition gefunden haben. Die Forderung, nur solche Abgaben als Steuern anzuerkennen, die vom Gewinn der Untertanen genommen sind 95 , beruhte auf der Erkenntnis, daß alle Steuern letztlich entweder vom Einkommen oder der Substanz genommen werden. Da die Substanz als früheres Einkommen schon einmal besteuert wor87 (40) Canard S.153; (45) Crome Bd.l S.16; (283) Soden Bd.3 S.110; (80) Fulda S.279; (83) Fulda S. 142. 88 (20) Berg S. 133. 89 (300) Strelin Bd.l S.16; (262) Schlözer S.157; (142) Keßler S.89, 95. 90 (250) Rüdiger S. 130. 91 (122) Jakob Bd.l S.367; (234) Rau Bd.l S.81; (7) Baumstark S.717. 92 (143) Klüber S. 7 f.; (7) Baumstark S. 717; (234) Rau Bd.2 S.27. 93 (45) Crome Bd.2 S.142; (147) Krehl S.126; (234) Rau Bd.l S.81. 94 (311) Ulmenstein S. 21 f. 95 (229) Prätorius S. 16.

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2. Die Entwicklung des Steuerbegriffs

den war, würde die nochmalige Besteuerung eine unzulässige Doppelbesteuerung darstellen. Kein modernes Steuerrecht hat sich an diese überzeugende Begründung gehalten. Im Kameralismus folgerte man daraus vereinzelt, daß Vermögenssteuern zwar den Namen Steuern trügen, aber im strengen begrifflichen Sinne keine seien96 . Die zweite Forderung berührte die alte Frage, ob die öffentlichrechtliche Natur eines Rechtsverhältnisses sich nach dem hoheitlichen Unterwerfungsverhältnis oder nach der öffentlichrechtlichen Zweckbestimmung richtet. Eine Mindermeinung wollte ohne Rücksicht auf den Träger der Erhebungshoheit jede Abgabe als Steuer ansehen, die öffentlichrechtlichen Zwecken diente 9T. Damit hätten viele Zehntabgaben Steuercharakter gewonnen. Im neunzehnten Jahrhundert wandelte sich die Forderung nach Gesetzmäßigkeit der Besteuerung konkretisierend in die moderne Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung. Nur die Erfüllung des gesetzlich umrissenen Tatbestandes begründete Steuer und Steuerpflicht9B . 2.2.2.3. Baumstark definierte die Steuern "als Abgaben der Staatsuntertanen an den Staat zufolge der allgemeinen und gleichen Bürgerpflicht"99. Damit war der moderne Steuerrechtsbegriff der tatbestandsmäßigen Auferlegung von regelmäßigen Geldzahlungen durch den Staat nach allgemeinen Grundsätzen ohne konkrete Gegenleistung begründet. Die moderne deutsche Steuerdefinition ist eine Frucht des späten Verwaltungskameralismus. 2.2.3. Die zu allen Zeiten gegenwärtige Unterscheidung zwischen privaten und öffentlichen Rechtsverhältnissen erleichterte mangels allgemeinverbindlicher Kriterien die Unterscheidung öffentlicher Steuern von sonstigen privaten Abgaben nicht10o • 2.2.3.1. Anknüpfungspunkt der kameralistischen Abgrenzungsversuche war zunächst die Lehre vom dominium eminens, dem Obereigentum des Staates. Als Begründer dieser Lehre gilt Grotius 101 , und obwohl schon Seckendorff das dominium eminens als Rechtfertigungslehre für staatliche Eingriffe ablehnte102, diente die Lehre vom Obereigentum nach ihm für lange Zeit zur Begründung gewagtester Rechtskonstruktionen. Dithmar verwendete den Begriff des Obereigentums im gebräuchlichen Sinne für den dem Erbzinsherren bei der Ausgabe von

98 97 9B 99

(147) Krehl S. 126. (325) Wuz S. 10, 14; (147) Krehl S. 109. (98) Harl Bd.2 S. 12; (234) Rau Bd. 1 S.81, Bd.2 S. I, 44. (7) Baumstark S.717. 100 (24) Besold S. 178. 101 (92) Grotius S. 249. 102 (274) Seckendorff S.360; (316) Walther S.21 verstand den Eigentumsbegriff ganz modern rein privatrechtlich und kam deshalb zum Ergebnis, die Anhänger des Obereigentums verwechselten Staat und Regent.

2.2. Die Definition der Steuer

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Erbzinsgütern verbleibenden Eigentumsteil103 ; er lehnte dagegen die Herleitung des landesfürstlichen Besteuerungsrechts aus dem Obereigentum als unzutreffend ab und führte das Besteuerungsrecht auf die Landeshoheit zurück104 • Dagegen leitete Zincke alle Staatseinkünfte aus dem Obereigentum des Fürsten als Staatsoberhaupt herlOS. Das gelte sowohl für die nach hergebrachter Weise unterschiedenen Fiskaleinkünfte (Domänen und Regalien) als auch die Aerareinkünfte (Steuern). Springer wiederum teilte die Kammerbefugnisse des Fürsten in obrigkeitliche Rechte (Hoheitsrechte synonym für den Regalienbegriff) und in bürgerliche Rechte (Domänenrechte) ein106 • Unter die obrigkeitlichen Rechte rechnete er Steuer und Zoll ebenso wie Lehen- und Zehnteinkünfte. Damit verzichtete er auf die Funktion des Hoheitsrechtes als Unterscheidungsmerkmal zwischen öffentlichen und privaten Gefällen. Eine vierte Auffassung vertrat Börner, der die Einkünfte des Staates in Domäneneinkünfte, in Einkünfte, die aus dem Obereigentum fließen, worunter er Regalien verstand, und in Einkünfte aus den Gütern der Untertanen, den Steuern, einteiltelOT. Diese Auffassung lehnte somit das Obereigentum als Unterscheidungsmerkmal zwischen privaten und öffentlichen Einkünften ab, da sie das Obereigentum als einen Spezialfall der hoheitlichen Gewalt behandelte. Döhler stützte sich auf eine wiederum anders gelagerte Sicht der Zusammenhänge108 • Er identifizierte das Obereigentum mit einem besonders gearteten Staatseigentum109 , schloß damit Lehens- und Erbzinsverhältnisse aus dem Begriff des dominium eminens aus und leitete alle Staatshoheitsrechte einschließlich der Besteuerungshoheit aus dem Staatseigentum ab. Die Lehre vom besonders gearteten Staatseigentum setzte sich hier aber ebensowenig durch wie im allgemeinen Verwaltungsrecht. Die Verwirrung der Meinungen in der Kameralliteratur zum Begriff des Obereigentums bedarf keiner weiteren Erläuterung. Im Laufe der Zeit verschwand das Wort aus der Kameralliteratur. Eine Zeit lang berief man sich noch unreflektiert auf ihn llO . Pfeiffer schränkte den Begriff des Obereigentums auf das Zugriffsrecht des Staates auf privates Eigentum in äußersten Notfällen ein und gelangte so zu einer Austauschung der Begriffsinhalte des Wortes Obereigentum ll1 . Justi verwarf den Begriff als überflüssig und erreichte damit den von Seckendorff be103 104 105 106 107 108 109 110 111

(50) Dithmar S. 16. (50) Dithmar S. 266. (326) Zincke Teil 2 S. 789. (290) Springer Tabelle. (31) Börner Teil 2 S.274. (51) Döhler S. 3, 5, 18 f., 29. (20) Berg S. 95. (250) Rüdiger S. 152; (112) Hornberger S. 95. (225) Pfeiffer Bd. 1 S. 275.

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2. Die Entwicklung des Steuerbegriffs

stimmten Ausgangspunkt mit neuer ausgereifter Begründung. Er erkannte, daß das Obereigentum als Rechtsbegriff nicht bringt, was man von ihm erwartet und was nicht aus dem Staatshoheitsrecht ebenso gut oder besser hergeleitet werden kann 112 • Folgewirkungen oder echte Klarstellungen zur Abgrenzung zwischen privaten und öffentlichen Abgaben haben sich aus dem Begriff des Obereigentums nicht ergeben. 2.2.3.2. Einhelligkeit bestand im Kameralismus einerseits über die öffentlichrechtliche Natur der Steuer, wenn man den Begriff "öffentlichrechtlich" als Gegensatz zu dem eindeutiger bestimmten Begriff "privatrechtlich" faßte, und andererseits - wie schon ausgeführt über die Verankerung des Steuerbegriffs in der Besteuerungshoheit, dem ius collectandi, die einen Teilaspekt der Staatsgewalt darstellte. Steuer konnte schon damals nur eine Abgabe sein, die einem Rechtssubjekt zustand, dem die Merkmale der Staatlichkeit zukommen113 • Damit gab es nur Reichssteuern auf Grund der Reichshoheit und Landessteuern auf Grund der Landeshoheit. Tertium non datur. Was sonst noch den Namen Steuer trug, mußte etwas anderes unter falschem Namen sein l14 • 2.2.3.3. Die Einforderung der Abgaben durch den Träger der Erhebungshoheit reichte aber nicht aus, den Steuerbegriff eindeutig zu bestimmen. Nur der Staat konnte Steuern erheben, aber nicht alles, was der Staat einnahm, hatte öffentlichrechtlichen Charakter und nicht jede öffentlichrechtliche Abgabe war eine Steuer 115 • Im Mittelalter war das Verhältnis des Landesherren zum Untertanen mehr privatrechtlicher Natur als in der kameralistischen Gegenwart116 • Den Unterschied spürte man, ohne die eingetretenen Veränderungen ebenso leicht in den Griff zu bekommen. Stündeck unterschied die unechten ersten Steuern durch das Merkmal der Freiwilligkeit von den staatlich auferlegten neuen Steuern117 • Nun bestand natürlich Klarheit darüber, daß das eher gutsherrliche Verhältnis zum Landesherren oft drückender und weniger frei war als die Steuerentrichtung auf Grund der echten Steuerhoheit. Aus den Erläuterungen ergibt sich aber, daß unter "Freiwilligkeit" das Fehlen eines obrigkeitlichen Unterwerfungsverhältnisses gemeint war. Trotz drückender wirtschaftlicher Hilflosigkeit gegenüber dem Grundherrn Staat konnte man sich den unechten Steuern um den Preis der wirtschaftlichen Selbstvernichtung entziehen. Man konnte (136) Justi Bd. 1 S. 383, Bd. 2 S. 319. (20) Berg S.95; (94) Haller Bd.2 S.318; (274) Seckendorff S.359; (168) Leipziger Sammlungen Bd. 8 S. 716. 114 (302) Stündeck S.86; (276) Sensburg S.52. 115 (20) Berg S.123; (325) Wuz S.14. 116 (45) Crome Bd.1 S.139; (147) Krehl S.63. 117 (302) Stündeck S.86; (45) Crome Bd. 1 S.140. 112

113

2.2. Die Definition der Steuer

61

über sie private Verträge abschließen und Erlässe erwirken; sie beruhten auf dem, wenn auch eventuell erzwungenen, Vertrag rechtlich gleicher Partner 118 • Der Entrichtende bekam dafür eine konkrete Gegenleistung, die Causa der Abgabenentrichtung war 119 • Der Staat erhielt sie auch nicht als Staat, sondern wie jede andere private Rechtsperson l2o • Sie waren deshalb auch prinzipiell unveränderlich. Echte Steuern dagegen setzten voraus, daß sie allein wegen der Staatsbürgereigenschaft zur Erfüllung des allgemeinen Staatszwecks geleistet wurden l21 • Der Bürger konnte sich ihnen nur durch Auswanderung entziehen. Sie entzogen sich jeder privaten vertraglichen Vereinbarung und richteten sich in veränderlicher Höhe allein nach dem Staatsbedarf122 • 2.2.3.4. Vom rein rechtlichen Standpunkt her hätte diese Abgrenzung der öffentlichen Natur der Steuer ausgereicht. Das wirtschaftliche Verständnis der Kameralisten erforderte jedoch ein Zuordnungskriterium, wenn im historischen Ablauf privatrechtliche Abgaben im wirtschaftlichen Sinn Steuercharakter gewannen oder echte Steuern nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt zu privaten Lasten absanken. Mehrere derartige Tatbestände harrten der Entscheidung. Probleme warf die Verschiebung der Grenze zwischen eigennützigen Einkünften des Fürsten und Einkünften des Regenten als Repräsentant der Allgemeinheit auf. Ursprünglich flossen alle Staatseinkünfte in einen Topf, aus dem sich privater Bedarf des Regenten und Ausgaben für allgemeine Zwecke decken ließen. Sobald der Regent nicht mehr als Eigentümer des gesamten Staatsvermögens angesehen wurde, mußte zwischen den privaten Schatullgütern und den allgemeinen Staatszwecken dienenden Domänen, Regalien und Steuern unterschieden werden l23 • Später verlief die Zäsur zwischen Kammergütern und Steuern, als sich der Bereich der eigennützigen fürstlichen Zwecken dienenden Einkunftsquellen der Art nach weiter ausdehnte 12 4, obwohl der quantitative Anteil am Gesamtaufkommen der Staatseinkünfte relativ und absolut ständig abnahm. Die Scheidewand zwischen Kameralgefällen und Steuereinkünften, die immer dem gemeinen Zweck zu dienen hatten und deren Verwendung zur Begleichung fürstlicher Privatschulden als unzulässig galt125 , wurde dadurch immer höher 126 • Ebenso problematisch war die 118 119 120 121 122 123 124 125 126

(45) Crome Bd. 2 S.142; (51) Döhler S.31. (20) Berg S. 122. (136) Justi Bd. 2 S. 403. (20) Berg S. 121; (154) Kröncke S. 282. (72) Fischer S.43; (153) Kröncke S.47. (311) Ulmenstein S. 2. (20) Berg S. 99. (311) Ulmenstein S. 139. (276) Sensburg S. 78.

2. Die Entwicklung des Steuerbegrilfs

62

Einordnung der dem Staat zustehenden privaten Grundgefälle. Ihrer rechtlichen Natur nach blieben sie auch in der Hand des Staates privat und unabänderlich121 • Wirtschaftlich gesehen erwarben sie Steuercharakter128• Der Staat konnte nicht bei der Steuererhebung ignorieren, daß auf dem Grund und Boden schon an den Staat abzuführende Lasten ruhten. Die Gesamtbelastung von neuer Steuer und alter Grundlast durfte die Gesamtsteuerlast grundabgabenfreier Grundstücke nicht überschreiten, zumal jetzt auch die alten Grundabgaben der Erfüllung staatlicher Zwecke dienten. Der Zweckbegriff korrigierte deshalb auch nach Meinung der Kameralisten den öffentlichrechtlichen Steuerbegriff und ordnete die formal privaten Grundabgaben als Quasisteuern den echten öffentlichen Steuern zu, wenn die aus ihnen fließenden Mittel in der Hand des Staates öffentlichen und staatlichen Zwecken dienten129 • Die Zuordnung bedeutete im Ergebnis, daß diese Quasisteuern nach ihrem wirtschaftlichen Ergebnis in ihren Rechtsfolgen wie echte Steuern angesehen wurden. 2.2.3.5. Es muß danach festgehalten werden, daß die öffentlichrechtliche Natur der Steuern im Kameralismus unbestritten war. Eine Steuer lag danach vor, wenn der Staatshoheitsträger auf Grund Unterwerfungsverhältnisses vom Bürger Abgaben erhob, die nicht auf einer konkreten im Leistungsaustausch vollzogenen Gegenleistung des Staates beruhten. 2.3. Steuer und Territorialabgabe in ihrem wechselseitigen Verhältnis Die sogenannten Territorialabgaben, Grundlasten oder Lehensgefälle entzogen sich als nicht rational durchgehend faßbare, historisch gewachsene und nicht mehr dem Gerechtigkeitsempfinden der Zeit entsprechende Rechts- oder Unrechtsgebilde den Systematisierungsversuchen der Kameralisten. Die gewaltsame Anpassung historisch gewachsener Strukturen durch Anwendung neuer Begriffsschemata auf überholte Sachverhalte konnte nur dort erfolgreich sein, wo keine starken Interessengruppen Widerstand leisteten. Die Kameralisten wendeten das Prokrustesbett ihrer Lehren erfolgreich auf viele veraltete Rechtsfiguren an. Diese Bemühungen waren im allgemeinen äußerst erfolgreich, weil die Kameralisten sich - anders als die Juristen des römischen Rechts, die gegen den Widerstand der vom Volk verteidigten germanischen Rechtsstrukturen kämpften - der Zustimmung von Allgemeinheit und Landesherren sicher sein konnten. Bei den Grundlasten 121 128 129

(146) Krehl S. 10. (80) Fulda S. 297; (146) Krehl S.4; (297) Strelin S. 193. (325) Wuz S. 15.

2.3. steuer und Territorialabgabe

63

half diese Methode nicht weiter, weil diese einerseits im Konflikt zu den von harten Interessengegensätzen umkämpften Landessteuern standen und andererseits der durch die Grundlagen begünstigte mittlere und niedere Adel energisch Widerstand leistete. Die Lösung der Problematik bietet ein Schulbeispiel für die Entfaltung des verwaltungsrechtlichen Denkens im Kameralismus. Dieses wissenschaftliche Bemühen dürfte mit seinen Lösungsvorschlägen auch die theoretische Vorarbeit für die praktische Ablösung der Grundlasten im neunzehnten Jahrhundert gebildet haben. 2.3.1. Den Kameralisten war bewußt, daß die lehensrechtlichen und erbuntertänigen Rechtsstrukturen nur schwer dem privaten oder dem öffentlichen Recht zugeordnet werden konnten130 • Als man sie trotzdem zu den privatrechtlich organisierten Rechtsverhältnissen gerechnet hatte, war auch entschieden, daß sie hinter der öffentlichrechtlichen staatsdienlichen Steuer des Landesherren zurücktreten mußten131 • Nur für die Grundgefälle des Landesherren galten Ausnahmen, weil man diese, wie schon erörtert, wegen ihrer öffentlichen Zweckbestimmung hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Auswirkungen als eine Art Quasisteuern ansah132 • Die Problematik ergab sich daraus, daß die stark anwachsende Besteuerung auf ein ausgebildetes und die Bauern außerordentlich belastendes System von verschiedenartigsten Grundabgaben traf133• Die bäuerliche Bevölkerung war offensichtlich nicht in der Lage, noch weitere den Grund und Boden belastende Abgaben zu tragen134 • Seitens der Landesherren forderte aber der wachsende Steuerbedarf gebieterisch seine Befriedigung. Infolgedessen mußten die Grundlasten weichen oder echte Steuern werden. Die bisher begünstigte adlige Schicht mußte in einem Generationen dauernden Prozeß zurückgedrängt werden, bis das arbeitslose Einkommen in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts beseitigt war, soweit nicht der Adel unmittelbares Eigentum am Grund und Boden durchsetzen konnte. Die Kameralistik hatte dazu verschiedene Theorien entwickelt, die immer den Landesherren begünstigten. Im Früh- und Hochkameralismus geschah dies auf Kosten des bäuerlichen Standes. Im Spät- und Nachkameralismus hatte der private adelige Gefällbesitzer die wirtschaftliche Last zu tragen. Die erste Theorie möchte ich als Theorie der Kapitalwertminderung bezeichnen. Den Inhabern erbzinsbelasteter Güter verblieb offensichtlich ein weit geringerer Ertrag als den Inhabern allodialer Güter.

(146) Krehl S. 4. (83) Fulda S. 172. 132 (86) Gasser S. 12 f.; (274) Seckendorff S.490; (51) Döhler S.36; (297) Strelin S. 193. 133 (208) Neumayr von Ramsla S.1. 134 (276) Sens burg S. 136. 130 131

64

2. Die Entwicklung des Steuerbegriffs

Deswegen wurden belastete Güter mit erheblich geringerem Kaufpreis gehandelt. Die Kameralisten, deren wirtschaftlicher Betrachtungsweise allein die Kapitalverzinsung am Herzen lag, argumentierten rein rechnerisch richtig, daß bei hoher Belastung mit Grundlagen der Erwerber nur einen geringen Kaufpreis aufwenden mußte, der auch bei niedrigem Ertrag noch eine angemessene Verzinsung bot135 • Deshalb müsse man auch die Steuern auf Grund und Boden so erheben, als ob der Boden von sonstigen Abgaben frei sei. Wenn der Bauer davon nicht mehr leben könne, verlasse er den Acker und über Angebot und Nachfrage regle sich der Preis der Grundstücksnutzung. Diese chronologisch älteste Ansicht ließ jedes soziale Verständnis vermissen. Sie verkannte auch die reale soziale Situation völlig und wußte nichts von der zwingenden Kraft wirtschaftlicher Notlagen 136 • Sie berücksichtigte zunächst nicht, daß die unterschiedlichen Grundlasten nicht im Wege freier vertraglicher Vereinbarung gegen Grundstücksüberlassung entstanden waren137 , sondern daß viele Formen aus dem Mittelalter herrührend rechtswidrige übergriffe gegen die bäuerliche Bevölkerung ohne adlige Gegenleistung darstellten, die auch noch im Zeitalter des Kameralismus einen an die Erbuntertänigkeit grenzenden sozialen und wirtschaftlichen Zwang darstellten. Sie berücksichtigten auch nicht, was bei überlastung der bäuerlichen Güter mit Abgaben zu geschehen hatte 138 • Die Gefahr der Entstehung von Wüstungen139 und rapidem Rückgang des ländlichen Steueraufkommens sahen sie ebenfalls nicht. Diese Lehre vertraute in vorliberaler Naivität einem selbständig funktionierenden Marktmechanismus, der unter dem harten Zwang der wirtschaftlichen Verhältnisse keinen Halt in der sozialen Wirklichkeit hatte. Eine zweite Theorie sah den Bauern auch als den einzigen Steuerpflichtigen an, gewährte ihm aber einen internen Ausgleich gegenüber dem Zinsherrn. Der Bauer erhielt das Recht zugebilligt, das Steuerkontingent am Zins- oder Pachtentgelt zu kürzen 140 • Diese Theorie gab es auch als Modifikante in der Form anteiliger Kürzung der Zins- und Pachtentgelte nach dem Verhältnis des dem Zinspflichtigen verbleibenden und des dem Zinsberechtigten gebührenden Ertragsanteils141 • (132) Justi S.59; (51) Döhler S. 118; (80) Fulda S.294. (151) Kremer S.40. 137 (86) Gasser S.229; (274) Seckendorff S. 375 f.; (51) Döhler S. 30 - 32; (20) Berg S. 121 f. 138 (135) Justi S.439; (51) Döhler S. 122; (141) Keßler S.52. 139 (177) Ludewig S. 94. 140 (66) Eulner S.102; (168) Leipziger Sammlungen Bd.l0 S.343; (326) Zincke S. 817; (45) Crome Bd. 1 S.246. 141 (63) Eschenmayer S. 22. 135

136

2.3. steuer und Territorialabgabe

65

Eine weitere Modifikante gewährte dem Verpächter die volle Pacht, wenn er dafür auch die volle Steuer übernahm142 • Eine dritte Modifikante wollte schematisch den hälftigen Abzug der Grundlasten gewähren, um der Minderung des Grundstückskapitalwerts teilweise Rechnung zu tragen143• Die dritte überwiegend vertretene Theorie erlaubte dem Bauern, seine Grundlasten am Steuerkapital zu kürzen144 ,145. Die Steuer sollte dann nur noch von dem verbleibenden Reststeuerkapital entrichtet werden. In modifizierter Form ließ man nur Zehntabgaben zum Abzug zu und verneinte die Abzugsfähigkeit der Zinsen und Fronen oder umgekehrt146 • Zum Ausgleich des abgehenden Steuerkapitals sollte der Empfänger der Grundgefälle eine Gefällsteuer entrichten147• Diese Theorie kam dem Gerechtigkeitsbedürfnis der Kameralisten sehr entgegen148 • Sie garantierte die Allgemeinheit der Besteuerung, da sie alle Einkunftsquellen der beteiligten Personen erfaßte, was ihre Verbreitung und Beliebtheit erklärte. In ausgefeilter Form sollten sowohl Zinsherr als auch Zinspflichtiger ihrer Erwerbungskosten von ihren jeweiligen Einkünften abziehen dürfen149 • Allerdings dürfe das nur unter Vorbehalt geschehen, um über diesen Abzug nicht die Entstehung negativen Steuerkapitals zu verursacheniSO. Man befürchtete die Schädigung des Steuergläubigers und die einseitige Begünstigung der mit Fremdkapital arbeitenden Steuerpflichtigen. In der Praxis führte sich diese Theorie dadurch selbst ad absurdum. Die meisten Bauerngüter waren so mit Grundlasten belegt, daß das Steuerkapital durch diese voll aufgezehnt wurde151 • Die reine Gefällsteuer hätte dann zum Ersatz der fehlenden Steuersummen so hoch sein müssen, daß dem Zinsherrn praktisch nichts mehr geblieben wäre 152 • Die vierte und jüngste Theorie wollte den Gläubiger der Grundgefälle völlig auschalten153• Grundlasten, deren Empfänger der Staat war, soll(66) Eulner S. 41. (168) Leipziger Sammlungen Bd. 10 S. 344. 144 (51) Döhler S. 116. 145 (80) Fulda S. 298. 146 (31) Börner Bd.2 S. 306. 147 (66) Eulner S.32, 38; (228) Pölitz Bd.2 S. 1111; (289) Spendelin S.25, 28; (152) Kröncke S.369; (142) Keßler S.108; (149) Keßler S.l11; (297) Strelin S.192. 148 (234) Rau Bd. 2 S. 119, 121. 149 (149) Krehl S.121; (234) Rau Bd.2 S.119, 121. 150 (236) Raumer S. 256 f. 151 (168) Leipziger Sammlungen Bd. 10 S.346; (63) Eschenmayer S.71. 152 (262) Schlözer Bd. 2 S. 171. 153 (63) Eschenmayer S.88; (45) Crome Bd.2 S.143. 142 143

5 Jenetzky

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2. Die Entwicklung des Steuerbegriffs

ten wie Steuern behandelt werden i54. Entweder empfahl man die unentgeltliche Ablösung und Ersetzung durch Steuern oder man wollte sie unverändert beibehalten, die Gleichheit der Besteuerung aber dadurch gewährleisten, daß die Steuer auf unbelasteten Gütern ebenso hoch sein mußte wie die Summe der Steuern und Grundlasten bei beschwerten Gütern l55. Private Grundlasten sollten voll und hart besteuert werdeni56 . Man riet zu einer zwangsweisen Ablösung dieser Grundlasten i57, wenn es die Mehrheit der Belasteten wünschte l58 . Nur wenige Kameralisten traten dieser Auffassung entgegen159 . Meist versprach man sich von der Ablösung der Grundlasten und der Güterzertrümmerung eine neue Blüte der Landwirtschaft160. Die praktischen Erfahrungen gaben dieser Ansicht recht. Die Mehrheit der Kameralisten empfahl allerdings die Ablösung gegen Entschädigung zu vollziehen161 . Nur eine kleine Minderheit hielt jede Entschädigung mit guten Gründen für eine Subventionierung von erblichem Müßiggängertum 162. Bei Befürwortung der Entschädigungsregelung stellte sich das Problem der Armut der deutschen Landwirtschaft163. Die meisten Bauern waren zur Zahlung der Ablösungssumme außerstande. Die Zahlung der Ablösung durch den Staat hielt man für eine ungerechte Belastung der übrigen Steuerzahler164, während dem entlasteten Bauern der Kapitalgewinn verblieb. So bot sich als Ausweg nur die Umwandlung der Gefälle in Grundrenten, die man in Geldraten zahlen oder durch einmalige Kapitalzahlung ablösen konnte l65. Der auch damals zeitweise fortschreitende Geldwertverfall war wohl das stillschweigende Motiv, das viele Kameralisten auf eine ebenso fortschreitende Entlastung der Bauern hoffen ließl66. 2.3.2. Die Entwicklung vollzog sich nicht so gradlinig wie hier dargestellt. Zur Klarheit des Gesamtablaufs trägt aber eine Schilderung des Entwicklungsganges in übersichtlichen Grundlinien eher bei. In den 154 (168) Leipziger Sammlungen Bd. 10 S. 1049. 155 (51) Döhler S. 120; (297) Strelin S.8I. 156 (141) Keßler S.53. 157 (146) Krehl S.12. 158 (153) Kröncke S. 54. 159 (275) Seeger S. 39. 160 (55) Eckartsberga S. 144. 161 (128) Jung S. 220; (33) Borowski S.230; (294) Stokar von Neuform S.20; (136) Justi Bd.2 S.405; (228) Pölitz Bd.1 S.120, 487; (301) Struensee Bd.3 S. 140 f., 137; (236) Raumer S.225; (153) Kröncke S.39; (146) Krehl S.24; (277) Sensburg S. 4. 162 (51) Döhler S.119; (142) Keßler S.103; (142) Keßler S.133. 163 (142) Keßler S. 102. 164 (153) Kröncke S. 41. 165 (96) Harl S. 34. 166 (177) Ludewig S. 93.

2.3. steuer und Territorialabgabe

67

Einzelheiten verlief das Geschehen in der wissenschaftlichen Erörterung der Zeit viel differenzierter. Viele Rechtsgedanken fanden keinen Eingang in die Problemlösungen und legten nur Zeugnis von der Ideenwelt ihrer Urheber ab. So befaßte sich eine Fülle von Textstel1en mit der Abgrenzung zwischen Steuern und Grundlasten in konkreten Einzelfällen, bis im Spätkameralismus eine übereinstimmung über die Abgrenzungslinien gefunden war 16T• Eine Erörterung der sehr speziellen Fälle trägt aber für die anstehenden Fragen, über die schon behandelte Abgrenzung zwischen öffentlichen und privaten Abgaben hinaus, nichts zur Sache bei. Ein interessanter Gedanke war dagegen die überlegung, daß jede Steuer auf den Grund und Boden den Kauf- und Kapitalwert des Grundstücks mindert, wenn die Grundstücke ungleich belastet sind 168 • Bei gleichmäßiger Belastung kann dagegen nur der Ertragswert gedrückt werden, weil keine Veranlassung zur unterschiedlichen Einschätzung der Grundstücke im Verkehr gegeben ist. Daraus schloß die eine Auffassung, daß alte Steuern möglichst unverändert beibehalten werden müßten169 , weil sie nach Art einer Reallast sich auf den Kaufpreis ausgewirkt hätten und jede Veränderung oder Entlastung ein neues Unrecht bewirke, während die Gegenmeinung für eine Angleichung aller Steuern auf Grund und Boden eintrat, um die Reallastwirkung der Steuern aus Gründen der Gerechtigkeit zu neutralisieren17o • Die späten Kameralisten des neunzehnten Jahrhunderts erweiterten das schon immer vorhandene soziale Gedankengut der Kamerallehre um betont republikanische überlegungen. Die in die Grundlasten hineininterpretierte vertragliche Grundlage schrieb diese für alle Zeiten zugunsten der belasteten Bauern fest l7l • Eine Anhebung gegen den Willen der Betroffenen war nicht mehr möglich. Noch tiefgreifender waren die brisanten überlegungen zur überlastungsproblematik. Mit generationenlanger Verzögerung war im wissenschaftlichen Bewußtsein endlich die Erkenntnis durchgedrungen, daß das bäuerliche Grundvermögen neben den Grundlasten keine weiteren Abgaben mehr vertrug. Nach Kapitalisierung der Zehnten, Gülten und Zinsen war der Kapitalwert der Grundstücke oft mehr als aufgezehrt172 • Dann konnte natürlich für das Steuerkapital nichts mehr übrig bleiben. Der 167 (161) Lau S.390; (86) Gasser S.217, 227 f.; (274) Seckendorff S. 375 - 381; (50) Dithmar S.270; (270) Schreber S.19; (326) Zincke Teil 2 S.786; (173) Lith S. 329 f.; (1) Achenwall S.186; (51) Döhler S.41, 144; (128) Jung S.219, 222 f.; (222) Pfeiffer S.243; (223) Pfeiffer S.902, 907; (311) Ulmenstein S.92, 97 f.; (302) Stündeck S.21, 23; (20) Berg S. 124 - 129; (325) Wuz S.9 - 24; (277) Sensburg S.2; (234) Rau Bd. 1 S.157; (276) Sensburg S.55. 168 (234) Rau Bd. 2 S. 78. 169 (167) Leipziger S. 335; (80) Fulda S. 296. 170 (154) Kröncke S.284; (149) Krehl S.90, 100, 104. 171 (45) Crome Bd. 2 S. 142 f.; (153) Kröncke S.47, 61. 172 (142) Keßler S.107.

2. Die Entwicklung des SteuerbegrUfs

6B

Gefällbesitzer hatte allein zu steuern. Die Frage, wie dann die Gefällbesitzer noch existieren sollten, löste Keßler mit den Worten " ... daß die Welt keines solchen Adels mehr bedürfe ... und sterben und Abgaben zahlen müsse jedermann"173. Man hielt es auch für bedauerlich genug, wenn überlastete Grundstücke oft dem Besitzer beim Verkauf keinen Erlös brachten. Diese wirtschaftliche Wertminderung könne aber der Staat aus rechtlichen Gründen nicht als Billigerwerb den neuen Erwerbern zur Begründung seiner Steuerforderung, ohne Rücksicht auf den verbleibenden Ertrag, entgegenhalten, da der Staat jederzeit zur Aufhebung kapitalvermindernder Abgaben verpflichtet ist, besonders weil die Kapitalwertminderung nur durch das Unrecht ungleicher Belastung der Grundstücke möglich war174 • Ein belastetes Bauerngut konnte nach Jakob, der sich auf Erfahrungen der Praxis seiner Zeit bezog, nicht nur keine Steuern zahlen, sondern mußte eigentlich zur Existenz noch Zuschüsse erhalten175 • Viele Gemeinden im Elsaß bezahlten nach der französischen Revolution weniger Steuern als sie früher an Zehnten und Feudalgefällen zu zahlen hatten176 • Schließlich bewies Rau, daß die Behauptung, überlastete Bauerngüter seien sehr billig zu erwerben, wegen des Konkurrenzdruckes arbeitsloser Bauern falsch war und von einer angemessenen Verzinsung keine Rede sein konnte 171. Die gesamten Grundlasten waren nur verständlich als Teilung des Grundeigentums zwischen Grundherrn und Landbauern. Mit der Anerkennung des bäuerlichen Volleigentums verloren die Grundlasten rückwirkend ihren Sinn und ihre Berechtigung178• In der zeitlich anschließenden Befreiung der Bauerngüter deckte sich die Meinung des endenden Kameralismus mit der Ansicht der radikalen Wortführer der Ablösungsbewegung. 2.4. Der Zehnte als Beispiel einer Abgabe mit ambivalenter Zuordnung Am Zehnten als historisch überholter aber trotzdem noch sehr häufiger Abgabenart entzündeten sich die widerstreitenden Meinungen der Kameralisten. 2.4.1. Die Fülle der hergebrachten Zehntarten entzog sich jeder übersicht: Weltlicher und geistlicher Zehnt179, Großer und Kleiner Zehnt1SO,

173 174 175 176

(142) Keßler S. 115. (149) Krehl S. 95 - 99. (122) Jakob Bd.1 S. 503 f. (142) Keßler S. 109. 177 (234) Rau Bd. 2 S. 80. 17S (80) Fulda S. 297; (149) Krehl S.10l. 179 (72) Fischer S.48.

2.4. Der Zehnte

69

Kornzehnter, Heuzehnter, Weinzehnter, Kartoffelzehnter181 , Viehzehnter 182, Bienenzehnter183, Noval- oder Neurodungszehnter184, Allodialund Lehenszehnter 185, dinglicher, persönlicher und gemischter Zehnter186 sind nur ein Ausschnitt aus dem Artenreichtum. Gemeinsam war allen Zehnten ihr Rechtscharakter als Bruttoabgabe vom Rohertrag, der in Naturalform nach bestimmten Regeln entrichtet werden mußte187 • Der Zehntpflichtige hatte die Pflicht, die Erntereife dem Zehntberechtigten anzuzeigen, den Zehnten als Bringschuld in natura abzuliefern und dafür Erntefrüchte mittlerer Wahl bereit zu halten188 • Da dem Zehntberechtigten die Auswahl auf dem Feld zustand189 , verrottete oft die Ernte durch Witterungsumschwung. 2.4.2. Die Nachteile des Zehnten waren allgemein bekannt. Da der Zehnte nicht vom Reinertrag genommen wurde, sondern vom Rohertrag geliefert werden mußte, ergab sich je nach Ackerqualität, Pflegeaufwand und Kultivierungskosten eine stark schwankende Abgabe bezogen auf den Reinertrag19o • Bei sehr guten Lagen blieb die Abgabe bezogen auf den Reinertrag unter dem üblichen und für den Staatsaufwand erforderlichen durchschnittlichen Steuersatz von 25 Ofo des Reinertrages. In der Regel zehrte aber ein Zehntel des Rohertrages mehr als die Hälfte des Reineinkommens191 oder sogar das Ganze auf192 • Schlechte Äcker ließ man deshalb brach liegen193• Ein Interesse des Zehntpflichtigen an höheren Erträgen bestand nicht. Mangelndes Interesse an der Landverbesserung führte zum Sinken aller Ernteerträge194 • Die Zehntpflichtigen arbeiteten nur für das Existenzminimum195 • Die sinkenden Zehnterträge begünstigten wiederum eine harte und rücksichtslose Beitreibung, was die Lage weiter verschlechterte. Zehntveräußerungen und besonders Zehntverpachtungen196 , mit allen üblen Fol180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196

(130) Jung S. 182. (72) Fischer S. 53. (86) Gasser S. 218. (267) Schreber S. 322. (20) Berg S. 127; (153) Kröncke S. 7. (72) Fischer S. 50. (267) Schreber S. 315. (130) Jung S. 181; (122) Jakob Bd. 1 S. 431. (267) Schreber S. 325. (86) Gasser S. 216. (254) Sartorius S. 189 f.; (282) A. Smith S. 233. (325) Wuz S. 34. (122) Jakob Bd. 1 S.479, 504. (153) Kröncke S. 13. (254) Sartorius S.190; (153) Kröncke S.4; (167) Leipziger S.154. (22) Bergius S. 208. (86) Gasser S.220; (63) Eschenmayer S.75.

70

2. Die Entwicklung des Steuerbegriffs

gen der aus Frankreich bekannten Abgabenverpachtungen, bewirkten weitere wirtschaftliche Verschlechterungen. Man versuchte deshalb auch von Brachland Zehnterträge zu ziehen197• Die Bauern versuchten ihrerseits durch Fruchtwechsel den Zehnten zu umgehen. Ob man bei Wechsel von Getreide- zu Kartoffelfrucht noch den Getreidezehnten holen konnte, war sehr strittig. Erfahrungsgemäß pflegten sich bei Aufhebung des Zehnten die Erträge zu verdoppeln198 • Die vorher sehr häufigen Rechtsstreitigkeiten gingen stark zurück:199 • 2.4.3. Der lebenspraktische Sinn der Kameralisten veranlaßte sie, fast einhellig die Aufhebung des Zehnten zu fordern. Nur sehr selten fand sich ein Befürworter, der nichts von den Zusammenhängen verstanden hatte 20o • Vorarbeit dafür leistete die den Zehntpflichtigen begünstigende Auslegung von Zweifelsfragen. So bejahte man das Recht der Zehntpflichtigen, die Ablösung der Naturalzehnten durch Umwandlung in Geldabgaben zu fordern 201 • Bei Fruchtwechsel sollte der Zehnte die neue Frucht nicht ergreifen202 • Die teilweise übliche Rück:verwandlung von Geldzehnten in Fruchtzehnten nach unvordenklicher Verjährung begünstigte den Grundherrn und wurde deshalb als unzulässig verworfen20s• 2.4.4. Die Kameralisten ordneten den Zehnten überwiegend den privaten Grundlasten ZU204 • Soweit man die Zehnten als Steuerabgabe bezeichnete, urteilte man nach der wirtschaftlichen Funktion des Zehnten205 • Zehnten, die dem Landesherren zustanden, erfüllten beim Staat eine Funktion, die derjenigen der Landessteuern gleichkam. Sie dienten der Mitteldeck:ung des Staates für Verwaltungsaufgaben und wurden nach Besteuerungsgrundsätzen umgelegt. Kameralautoren, die keine saubere begriffliche Trennung vornahmen, konnten solche Zehnten deshalb mit Fug und Recht als Steuern im wirtschaftlichen Sinn bezeichnen206 • Im übrigen klassifizierte man den Zehnten nach den schon erörterten Kriterien eindeutig als Privatabgabe, deren Charakter allerdings nur dann stark hervortrat, wenn der Zehntberechtigte eine Privatperson war. Entweder ergab sich der nichtöffentlichrechtliche Cha(86) Gasser S. 217; (130) Jung S.184. (63) Eschenmayer S. 89; (153) Kröncke S. 23. 199 (153) Kröncke S. 34 f. 200 (173) Lith S. 254/256; (275) Seeger S. 33, 39. 201 (142) Keßler S. 100. 202 (130) Jung S.183; (72) Fischer S.51. 203 (72) Fischer S.56; (325) Wuz S.40. 204 (20) Berg S.127; (80) Fulda S. 297 f.; (153) Kröncke S.40; (234) Rau Bd.1 S.161. 205 (66) Eulner S. 57. 208 (325) Wuz S. 10. 197 198

2.4. Der Zehnte

71

rakter der Zehnten aus der vertraglichen Entstehungsgrundlage oder - soweit eine solche nicht erkennbar war - stellte man auf den Gegenleistungscharakter des Zehnten ab. Der Zehnte war eine private Grundlast, weil er für die überlassung von Grundstücken zur erblichen Nutzung gezahlt wurde und deshalb dem Zehnten eine konkrete individuelle Gegenleistung gegenüberstand, er also für einen Sondervorteil des Zehntberechtigten gezahlt wurde207• 2.4.5. Der Zehnte mußte bei einer rationalen und zweckmäßigen Steuereinrichtung nach kameralistischer Ansicht ersatzlos aufgehoben werden208 • Als Nahziel befürwortete man wegen Kapitalmangels der Zehntpflichtigen zunächst die Umwandlung in eine kapitalisierungsfähige Geldrente 209 • Eine entschädigungslose Aufhebung des Zehnten hatte leider keine Aussicht auf Durchsetzung210 • Die staatlichen Zehnten mit Steuercharakter sollten auch als Steuer behandelt werden211 • Entweder konnte man den Zehnten aufheben und durch anteilige Grundsteuern ersetzen oder der Zehnte wurde, in eine unveränderliche Geldabgabe umgewandelt, als besondere Steuer im Gesamtaufkommen berücksichtigt. 2.4.6. Eine Besonderheit stellte der Vorschlag des französischen Marschalls Vauban dar, der einen könglichen Zehnten auf alle Roheinkommen vorschlug212 • Der Vorschlag einer schematisierten Einheitssteuer nach dem Rohertrag fand im deutschen Kameralismus nur bei einer kleinen Minderheit begeisterte Zustimmung 213 • Die überwiegende Mehrheit lehnte ihn kompromißlos ab m . Das Projekt bezog seine Faszination aus seinem Anspruch, die absolute Steuervereinfachung zu sein. Im übrigen hafteten diesem Vorschlag alle Fehler des traditionellen Zehnten an und einige weitere Fehler, die sich aus der steuerlichen Ungerechtigkeit einer generellen Rohertragsbesteuerung, also einer Mitbesteuerung des Aufwandes ergaben215• Ein umständliches Erhebungsverfahren sowie das nach Voranschlag bei Einführung des Projektes offensichtliche Ungenügen der Steuereinkünfte versetzten dem Plan schon im Stadium der wissenschaftlichen Erörterung den (20) Berg S.127. (225) Pfeiffer Bd.5 S.297; (253) Sammlung von Aufsätzen Bd.2 S.40; (325) Wuz S.21, 31; (325) Wuz 42 - 55; (82) Fulda S.999; (122) Jakob Bd.l S.474; (282) A. Smith S.221. 209 (130) Jung S. 182. 210 (325) Wuz S.20; (153) Kröncke S.39; (234) Rau Bd.1 S.160, 162. 211 (122) Jakob Bd. 1 S.432. 212 (326) Zincke S.888; (253) Sammlung von Aufsätzen Bd.2 S.40. 213 (220) Pescherinus S. 32, 61, 114, 122. 214 (168) Leipziger Sammlungen Bd.8 S.740; (224) Pfeiffer Bd.4 S.138; (22) Bergius Bd.9 S. 196 - 205; (250) Rüdiger S.135. 215 (130) Jung S. 185. 207 208

72

2. Die Entwicklung des Steuerbegriffs

Todesstoß216. Bemerkenswert an der ganzen Auseinandersetzung war die erstauliche Unbeeinflußbarkeit des mitteleuropäischen Kameralismus gegenüber bestechenden Ideen aus anderen Rechts- und Wirtschaftszonen. Mit der einzigen Ausnahme von Adam Smith217, der - allerdings mit erheblicher zeitlicher Verzögerung - mit seinen angelsächsischen Epigonen einen erheblichen Einfluß im deutschen Sprachraum ausübte, wurden ausländische wissenschaftliche Einflüsse wenig beachtet. Projekte phantastischer Art, wie Vaubans königlicher einziger Zehnte, erkannte man sofort als utopisch und verwarf sie ohne sie einer echten wissenschaftlichen Auseinandersetzung zu würdigen218 .

218 (135) Justi S.360, 403; (296) Strelin S. 172 f. 217 (225) Pfeiffer Bd. 3 S. 143; (63) Eschenmayer S.72. 218 (225) Pfeiffer Bd. 5 S. 331.

3. Rechtfertigung und Zweck der Steuern 3.1. Die Entwicklung der Steuerrechtfertigung in der Kameralzeit Die echte Steuer entwickelte sich seit Ausgang des Mittelalters vom Stadium der Unüblichkeit über die Außergewöhnlichkeit zur Regelmäßigkeit, um in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts den Zustand der Selbstverständlichkeit zu erreichen. Eine Eigenart des sich entwickelnden Steuerrechts waren die sogenannten Rechtfertigungstheorien, auf die man im Kameralismus erst dann verzichten zu können glaubte, als die Steuererhebung sich zu einem unbestrittenen Axiom moderner Staatlichkeit entwickelt hatte. In der Zeit des ausklingenden Kameralismus legte man schon keinen Wert mehr darauf, die Steuererhebung zu rechtfertigen. Die Klassifizierungen der Rechtfertigungslehre in Assekuranztheorie, Äquivalenztheorie und wie die Theorien sonst noch heißen mögen, entfernten sich schon von den Quellen und beruhten auf Systematisierungsversuchen der frühen modernen Finanzwissenschaft. Das Quellenmaterial läßt jedenfalls für den deutschsprachigen Raum eine Herausarbeitung klar geschiedener Einzeltheorien zur Steuerrechtfertigung nicht zu. Mit der Steuerrechtfertigung korrespondierte die Lehre von der Zweckbindung der Steuern. Befaßte sich erstere mit den Rechten des Staates und den Pflichten der Bürger, so waren Gegenstand der letzteren die Rechte der Bürger und die Pflichten des Staates. Die unter steuerlichen Laien noch heute beliebte Lehre von der der zweckgebundenen Verwendung der Steuer war wissenschaftlich nur auf der Grundlage der Steuerrechtfertigungstheorien haltbar. Als diese erloschen, verschwand auch der Zweckbindungsgedanke aus der wissenschaftlichen Diskussion. 3.1.1. Als im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert die Steuern zu wuchern begannen, gab es noch keine Rechtfertigungslehre. In dieser Zeit forderte man von jeder Steuer als außergewöhnlichem Ereignis für ihre Erhebung noch eine Begründung im Einzelfall. Neumayr von Ramsla zählte in beflissener Untertänigkeit gegenüber dem Landesherren einen Katalog von Steuererhebungsgründen auf, der enumerativ jeden nur denkbaren Fall erfaßte und dem Landesherren völlig freie Hand gab, weil kaum ein nichtzureichender Fall außerhalb dieser Aufzählung mehr vorstellbar wart. Im achtzehnten Jahrhundert traten 1

(208) Neumayr von Ramsla S.4 - 25.

74

3. Rechtfertigung und Zweck der steuern

- sicher unter dem Einfluß der europäischen Aufklärungsbewegung unvermittelt die Rechtfertigungslehren auf. Die Rechtfertigungslehren stimmten trotz der unterschiedlichen Ausformung in den Einzelheiten im strukturellen Aufbau überein. Alle bestanden aus einem Rechtfertigungsgrund, einem individuellen Bedürfnis des Staatsbürgers, einem daraus resultierenden Staatsbedürfnis und den zur Befriedigung der Bedürfnisse erforderlichen und aus den Steuern bestrittenen Staatsaufwendungen. 3.1.1.1. Rechtfertigungsgründe gab es nur in überschaubarer Anzahl: Die irrationale Rechtfertigung stützte sich auf die Lehre Christi und das Gebot, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist2 • In der Regel wurden allerdings überwiegend die rational erscheinenden Lehren der Aufklärung oder verwandte Theorien vertreten. überwiegend galt die Steuerentrichtung als Kaufpreis an den Staat, der dafür die Vorteile der Gemeinschaft gewährte 3 • Verwandt mit dieser Deutung war der Aufopferungsgedanke 4 • Die Untertanen opfern einen Teil ihres Vermögens oder ihrer Einkünfte, um den Rest ungestört und beschützt genießen zu können5 • Seltener wurde der Staat als Versicherungsanstalt für den Notfall angesehen6 • Die Untertanen sammeln regelmäßig Gelder in der Staatskasse an, um bei Bedarf Hilfe zu erhalten. Häufig diente der hypothetische Gesellschaftsvertrag als Grundlage der Steuerentrichtung7 • Beim Zustandekommen der Urgesellschaft hätten sich die Beteiligten im Gesellschaftsvertrag verpflichtet, die gemeinsamen Lasten zu tragen, um an den Vorteilen der Gesellschaft zu partizipieren8 • Am interessantesten dürfte wohl die jüngste Theorie der Herleitung der Steuer aus der Anschauung des Staates als Gewinn- und Verlustgemeinschaft sein9 • Wie in einer privaten Gesellschaft beteiligt sich der einzelne Bürger mit seinen Steuern an den Staatsunternehmungen, nimmt an Gewinn und Verlust teil und muß zahlen, um die Vorteile der Gemeinschaft genießen zu können1o • Der Gedanke der Selbstbindung des Steuerzahlers und die Koinzidenz von Staats- und Bürgerinteresse erscheint hier so ausgeprägt, daß man kaum noch von (216) Osse S. 77; (238) Real Bd. 4 S. 617. (238) Real Bd.4 S.609; (296) Strelin S.18; (45) Crome Bd.l S. 47 f.; (294) Stokar von Neuform S.50; (12) Behr S.126. 4 (51) Döhler S.2; (192) Mortimer S.458. 5 (190) Montesquieu S.291; (156) Krug S.127; (80) Fulda S.280. 6 (51) Döhler S. 65. 7 (224) Pfeiffer Bd.4 S.133; (285) Sonnenfels S.16; (130) Jung S.95; (51) Döhler S. 1; (95) von Haller S. 73. 8 (20) Berg S. 93, 102. 9 (316) Walter S. 14. 10 (282) A. Smith S. 211; (20) Berg S. 122; (229) Prätorius S. 15; (64) Eschenmayer S.3. 2

3

3.1. Die Entwicklung der Steuerrechtfertigung in der Kameralzeit

75

einer Rechtfertigung der Besteuerung sprechen kann. Diese Ansicht näherte sich schon der selbstverständlichen, keiner Begründung bedürfenden Steuerpflicht. 3.1.1.2. Als individuelle Bedürfnisse des Bürgers nannten die Kameralisten in bunter Mischung ohne erkennbare Systematik Freiheit der Person und des Eigentums1t, Hilfe im Bedarfsfall12 , Genuß von Gütern und Einkünften 13, Sicherheit der Person, des Eigentums und des Erwerbs14, Wohlfahrt15 , größtmöglicher Wohlstand der Bürger16 , Genuß der Staatsanstalten (das heißt der verschiedenen sorgenden Verwaltungszweige)17, Erziehung zur sittlichen Vollkommenheit18 und ähnliche Sprachformulierungen, die auf einer grundsätzlich einheitlichen Auffassung vom Bedürfnis der Bürger beruhten und sich nur in den gesetzten Prioritäten unterschieden.

Mit diesen individuellen Bedürfnissen korrespondierten die Staatsbedürfnisse, die sich inhaltlich mit den Individualbedürfnissen decken mußten, da sie nur die in der staatlichen Gemeinschaft zusammengefaßten Einzelbedürfnisse sind19. Die Kameralisten bezeichneten diese Staatsaufgaben ähnlich unsystematisch als Gewährung inneren und äußeren Staatsschutzes2o, Sicherung der bürgerlichen Ruhe und des Friedens21 , Wahrung der Gerechtigkeit 22 , Förderung des allgemeinen Wohls23, des kollektiven Wohlstandes 24, der Erziehung zur menschlichen Vollkommenheit, der Gewährung der Gesellschaftsvorteile, der Förderung der allgemeinen Glückseligkeit25 , der Landesnotdurft26 und des gemeinen Besten als Endzweck des Staates27. Hinsichtlich der Konkretisierung der Staatsaufwendungen war man weniger genau und beschränkte sich auf Benennung der Staatserhal11 (154) Kröncke S. 6. 12 (9) Beck Bd. 1 s. 3. 13 (169) Lips S. 9. 14 (285) Sonnenfels S.16, 268. 15 (102) Hasse S. 368. 16 (258) Schlettwein S. 581. 17 (43) Cölln S.459; (148) Krehl S.29. 18 (151) Kremer S. 68. 19 (86) Rüdiger S.130; (147) Krehl S.134; (151) Kremer S.69. 20 (227) Philippi S. 93; (132) Justi S. 79; (313) Vierordt S.42; (136) Justi Bd. 1 S.60. 21 (20) Berg S. 92. 22 (296) Strelin S. 5; (225) Pfeiffer Bd. 5 S. 284. 23 (292) Sternschütz S.16; (22) Bergius Bd. 1 S.7. 24 (237) Raynal S. 201. 25 (224) Pfeiffer Bd. 2 S. 116. 26 (274) Seckendorff S.492; (221) Pfeiffer S.159. 27 (200) Moser S.6; (311) Ulmenstein S.120; (65) Eschenmayer S.34.

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3. Rechtfertigung und Zweck der Steuern

tung28 oder Unterhaltung der Staatstätigkeit29. Die Aufnahme des persönlichen Bedarfs des Regenten unter die dem Staatszwecke förderlichen Aufwendungen begegnete schon erheblichen Einwänden30 • Die Notwendigkeit der Heeresaufwendungen fand dagegen allgemeine Billigung31. Im übrigen war man sich der Schwierigkeit der Zuordnung einzelner Staatsaufwandstätigkeiten zu bestimmten Gemeinschaftszielen voll bewußt und begnügte sich deshalb lieber mit einer generellen Leerformel. 3.1.1.3. Ein zu beachtender Effekt der Steuerrechtfertigung war die Einschränkung des Steuererhebungsrechts durch die rechtfertigenden Gründe selbst. Schon bald leitete man aus der Rechtfertigung der Besteuerung die Limitierung auf das gerechte Maß her. Die Formulierungen, alle Mituntertanen müßten nach "rechter", "gleicher", "wohlangemessener" Proportion oder "wohlproportioniert" steuern, wiederholten sich ständig32. Trotzdem empfand man zunächst scheinbar widersprüchlich eine gleiche Besteuerung finanziell Bedürftiger und Begüterter als ungerecht, obwohl eigentlich auch jeder Bettler an den Staatsvorteilen partizipierte33 • Auch der Justische Subsidiaritätsgedanke strahlte auf die Steuerpflicht aus. Besteuerung sollte danach nur insoweit gerechtfertigt sein, als andere Einkunftsquellen des Staates nicht ausreichen 34 • In Grenzfällen hielt man sogar eine teilweise Steuerpflicht für berechtigt; man limitierte also eine bestimmte ausgeschriebene Steuer betragsmäßig35 • Die Subsidiaritätstheorie hatte allerdings auch im Rahmen der Rechtfertigungslehren keine Chancen und erlosch bald. Im Laufe der Entwicklung wurden die vertretenen Ansichten durchdachter und theoretisch fundierter. Eine Auffassung wollte die Beitragspflicht nach dem Verhältnis des individuellen Vermögens oder des reinen Einkommeng36 messen37• Eine andere Meinung maß der Teilhabe des einzelnen Bürgers an den Staatsvorteilen die entscheidende Bedeutung bei der Steuerpflicht bei und wollte nach dem verursachten Staatsbedürfnis dem Einzelnen Steuern auferlegen38 . Da man die erstere 28 (227) Philippi S. 93. 29 (192) Mortimer S.440; (20) Berg S. 121. 30 (296) Strelin S.4; (311) Ulmenstein S.120; (20) Berg S.105. 31 (274) Seckendorff S.492; (190) Montesquieu S.306; (110) Hoffmann S. 102; (177) Ludewig S.114; (240) Richter S.1. 32 (274) Seckendorff S.496; (86) Gasser S.306; (313) Vierordt S.42; (224) Pfeiffer Bd. 4 S. 173; (221) Pfeiffer S. 159 und (222) Pfeiffer S. 22. 33 (102) Hasse S. 368. 34 (132) Justi S.18; (135) Justi S.356; (22) Bergius Bd.8 S.207. 35 (20) Berg S. 93; (228) Pölitz Bd. 1 S. 444. 38 (136) Justi Bd. 2 S. 19. 37 (321) Wernher S.9; (302) Stündeck S.144; (154) Kröncke S.9. 38 (63) Eschenmayer S. 7; (185) Mill S. 340.

3.1. Die Entwicklung der Steuerrechtfertigung in der Kameralzeit

77

Ansicht für ungerecht erachtete, letztere aber als praxisfremd erkannte, bemühte man sich um Vereinigung beider Auffassungen39 und fand den Zusammenklang im Begriff des Lebensgenusses4o • Der Genuß bestimmte sich einerseits nach dem verfügbaren privaten Vermögen oder Einkommen, andererseits nach der Teilhabe an den Vorteilen des Staates wie Gerechtigkeit, Schutz und Hilfe 41 • Wer über mehr Vermögen oder Einkommen verfügt, genießt auch größeren Schutz und Sicherheit und ist aus diesem Grunde verbunden, mehr Steuern zu entrichten. Allerdings bereitete es begreiflicherweise Schwierigkeiten, diese verbal fixierte Höhe des Gemeinschaftsgenusses zu konkretisieren oder gar zu berechnen 42 • Der individuelle Genuß des einzelnen als subjektives Gefühl erwies sich als überhaupt nicht bestimmbar43• Auch richtete sich die Höhe der Steuerpflichtigkeit in der Praxis mehr nach Zeitumständen, Begebenheiten und Verhältnissen der regionalen Besonderheiten44 als nach proportionierten Maßstäben. Der nächste Schritt war die Annahme einer doppelten Limitation der Steuerpflicht. Die Vermögensund Einkommenshöhe begrenze die Möglichkeiten der Besteuerung, die Höhe des Staatsschutzes die rechtliche Notwendigkeit der Besteuerung45 • 46 • Damit war der Widerspruch der Nichtbesteuerung Bedürftiger trotz deren Teilhabe an den Staatsvorteilen gelöst47• In den Staatsvorteilen lag auch die Lösung der Problematik der gesuchten proportionalen Besteuerung48 • Die spätkameralistische Steuerwissenschaft erkannte den Unterschied zwischen der Eingriffsverwaltung (dem Staatsschutz) und dem sorgenden Bereich des Staates, den man mit dem Wort Staatsanstalten49 • 50 umschrieb. Mit Staatsanstalten bezeichnete man das, was man heute als schlicht-öffentliche Verwaltung und als Daseinsvorsorge versteht. Die Steuerpflicht begründete man jetzt der Höhe nach aus dem Staatsschutz oder Rechtszustand und aus den Staatsanstalten 51 • Beide zusammen ergaben nach kameralistischer Betrachtungsweise eine ausreichende Begründung für die Höhe der Steuer39

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(254) Sartorius S.174; (294) Stokar von Neuform S.37. (128) Jung S.224; (283) Soden Bd.3 S.138. (154) Kröncke S. 179. (234) Rau Bd. 2 S. 10 f. (297) Strelin S. 42. (154) Kröncke S. 61. (149) Krehl S.14. (98) Harl Bd. 2 S. 516. (7) Baumstark S. 719. (12) Behr S. 88. (154) Kröncke S. 10. (147) Krehl S. 196. (149) Krehl S.22, 27, 28.

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3. Rechtfertigung und Zweck der Steuern

pflicht52 • Die entsprechende Abstufung der Steuerpflicht konnte nach einer Auffassung auf die Unterscheidung von Personensorge und Vermögenssorge des Staates gestützt werden. Hinsichtlich des Genusses der personenbezogenen Vorteile trifft die Steuerpflicht alle Staatsbürger. Soweit das Vermögen betroffen ist, kann man die Steuerpflicht nach dem Grade der auf die Vermögenssphäre ausstrahlenden Staatsvorteile und damit nach dem Grade des individuellen Vermögens und Gewinns abstufen. Eine andere Auffassung unterschied zwischen wesentlichen und unwesentlichen Staatsanstalten53 • Wesentliche Staatsanstalten waren diejenigen, an denen alle Staatsbürger regelmäßig teilnahmen. Als unwesentliche Staatsanstalten galten Vorteile, von denen nur eine Minderheit von Begünstigten profitierte und die insbesondere eine höhere Besteuerung rechtfertigten. Die Rechtfertigungslehren schränkten die Besteuerung aber nicht nur relativ ein. Sie setzten auch absolute Grenzen. Staatsbürger, für die der Staat nichts leisten konnte, durften auch nicht steuerlich verpflichtet werden54 • Da der Staat an Gewinnen, die durch außergewöhnlichen Gewerbefleiß erzielt worden waren, nicht mitgewirkt hatte, verbot sich auch die Besteuerung solcher übergewinne 55 • Damit wurde dogmatisch eine Durchschnittsbesteuerung festgeschrieben. Nur wer Steuern zahlte, hatte Anspruch auf Staatsschutz56 • Aus der Umkehrung ergab sich, daß nur der Steuern zu zahlen brauchte, dem der Staat Schutz zu gewähren vermochte57• Eine weitere Konsequenz war die Folgerung, nur der Staat könne Steuergläubiger sein, da nur er als Schutzmacht auftreten kann und darf58• Aus der überlegung, daß das Steuerzahlen dem wirtschaftlichen Gehalt nach ein erzwungener Ankauf persönlicher Güter mit sachlichen sei, folgerte Rau im Ausgang des Kameralismus59 , daß die Regierung zur möglichst weitgehenden Minimierung der Steuerlast verpflichtet sei6o • 3.1.1.4. Die letzten Vertreter des Kameralismus hatten den Steuerrechtfertigungsgedanken schon überwunden. Er starb als wissenschaftliche Idee schon vor dem Ende des Verwaltungskameralismus. Am Anfang der Zurückdrängung des Rechtfertigungsgedankens stand die Einsicht in die zwingende Kraft der Steuerpflicht61 • Zwar war das Steuer52 53 54 55 56 57

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60 81

(147) (151) (283) (149) (122) (294) (136) (234) (262) (238)

Krehl S. 199; (141) Keßler S.30, 55. Kremer S. 70. Soden S. 167. Krehl S.18; (12) Behr S.87. Jakob Bd.1 S.558. Stokar von Neuform S. 50. Justi Bd.2 S.347. Rau Bd. 2 S. 28. Schlözer Bd.2 S. 157, 160; (63) Eschenmayer S.28. Real Bd.4 S.61O; (88) Genovesi S.352.

3.1. Die Entwicklung der Steuerrechtfertigung in der Kameralzeit

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verhältnis nach dem Meinungsstand noch gegenseitig, aber nur dem Anspruch des Staates gegen den Bürger kam zwingende Kraft zu. Adam Smith betrachtete die Staatsgemeinschaft erstmalig unter dem Gesichtspunkt eines Zusammenschlusses verschiedener Firmen oder Gesellschaften. Damit war nicht die Theorie des Gesellschaftsvertrages als Rechtfertigung verschiedener naturrechtlicher Staatsvorstellungen gemeint, sondern Smith verstand den Staat als jederzeit aktuellen Wirtschaftszusammenschluß verschiedener Individualpartner, die in Form der Steuern ihre gemeinsamen Unkosten zahlen, die ihnen sonst auch in der Vereinzelung obliegen wfuden 62 • Wenn jeder in realiter eigentlich an sich selbst zahlt6 3, wird die Frage nach der Rechtfertigung widersinnig. Als nächster Schritt folgte die ausdrückliche Ablehnung der Vertragstheorie und die Stützung der Besteuerung auf die allgemeine Bürgerpflicht64 • An der Wende zum neunzehnten Jahrhundert anerkannten die Textstellen allgemein die voraussetzungslose Notwendigkeit der Steuerentrichtung65 und bezeichneten die Steuerpflicht als conditio sine qua non des Staates66 • Den Kameralisten der klassischen Epoche mußte die Argumentation, die allgemeine Einführung der Besteuerung sei ein Beweis ihrer Zweckmäßigkeit6 7, als eine Ungeheuerlichkeit im Hinblick auf die staatsbürgerlichen Rechte erscheinen. Die neuere Auffassung dagegen hielt es für unzumutbar, daß der Bürger seine guten Rechte mit Steuern kaufen müsse68 • Damit war der Wandel des staatsrechtlichen Bewußtseins vollzogen. Der Staat konnte ohne Begründung Steuern fordern. Der Bürger konnte rechtlich garantierte Ansprüche gegen den Staat geltend machen. Beide Rechtsbeziehungen standen aber nach neuerer Auffassung unabhängig voneinander den berechtigten Rechtssubjekten zu. Rau wies nach, daß der Streit um die Herleitung der Besteuerung aus dem beschützenden Obereigentum oder der allgemeinen Bürgerpflicht rein semantischer Natur ist, weil beide Auffassungen bei konsequenter Durchführung zum gleichen Ergebnis führen und nur die unterschiedliche Abgrenzung der steuerpflichtigen Inländer von den steuerfreien Ausländern zur Folge haben kann69 • "Die Regierung verpflichtet die Bürger, einen Teil ihres jährlichen Einkommens abzugeben, ohne daß dieselben mit dieser Abgabe (282) A. Smith S.211. (147) Krehl S. 135. 64 (20) Berg S. 95. 65 (63) Eschenmayer S.54; (283) Soden Bd.3 S.158; (142) Keßler S.89; (147) Krehl S.138; (122) Jakob Bd.1 S.365; (149) Krehl S.l; (160) Lang S.l; (136) Justi Bd.l S. 400 f., 415 Bd.2 S.307. 66 (82) Fulda S.914. 67 (294) Stokar von Neuform S.41. 68 (142) Keßler S.96. 09 (234) Rau Bd. 2 S. 173. 62

63

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3. Rechtfertigung und Zweck der Steuern

eine Gegenleistung im Verkehr erkaufen"10, lautete die Definition der Steuerpflicht, die auch anderweitig Billigung fand 71 und noch heute gilt. 3.1.2. In logischer Parallelität zur Steuerrechtfertigungslehre entstand, wuchs und verging der Gedanke der rechtlich verpflichtenden Zweckbindung der Steuern. 3.1.2.1. So lange die Erhebung von Steuern keine Selbstverständlichkeit war, sondern eines zureichenden Grundes bedurfte, ergab sich aus der Angabe des Erhebungsgrundes eine Verpflichtung des Steuergläubigers zu zweckentsprechender Verwendung der erhobenen Steuersummen. Der Hochkameralismus forderte die Benennung und Wahrung eines konkreten, fest umrissenen Zweckes hinsichtlich der Verwendungsart der ausgeschriebenen Steuersummen72 • Nach der bald das übergewicht gewinnenden Auffassung verpflichtete die Zweckbindung aber nur zur Einhaltung der allgemein gebilligten Staatszwecke wie Verwendung zum allgemeinen Besten73, Zuwendung von Gutem an die Untertanen14 , zu Haushaltung und SparsamkeiF5, Notwendigkeit und Endzweck der Auflagen an sich 76 , Mühe und Kosten der Obrigkeit77 , Dienste des gemeinen Wesens unter Ausschluß des fürstlichen Vermögens 78, der notwendige und nützliche Staatsaufwand79, die gemeinsamen Bedürfnisse80 , gute Verwendungsart der Steuern81 und dergleichen. Die konkretisierte Zweckbindung fixierte die Höhe der geschuldeten Gesamtsteuersumme von selbst. Die allgemein formulierte Zweckbindungstheorie mußte dagegen zur Höhe der geschuldeten Totalsteuersumme Stellung nehmen. Unter der Vertragstheorie limitierte der Sicherheitszweck der Steuern, der bei unbeschränkter Entrichtung gefährdet wäre, weil bei einer substanzverzehrenden Steuer kein Schutzobjekt mehr übrig bliebe, die Höhe der öffentlichen Abgabenforderungen 82. über jede Ausdehnung der Bedürfnisse mußten die Betroffenen entscheiden. Später differenzierte sich die Beurteilung der Höhe 70 (234) Rau Bd. 1 S. 81. 71 (7) Baumstark S.717. 72 (177) Ludewig S.114; (51) Döhler S.66; (225) Pfeiffer Bd.5 S.302; (67) Fabricius S.423, 433; (144) Krämer S.78; (240) Richter S.4; (228) Pölitz Bd.1 S.398. 73 (200) Moser S. 6. 74 (224) Pfeiffer Bd. 4 S. 173. 75 (51) Döhler S. 66. 76 (225) Pfeiffer Bd. 4 S. 190. 77 (130) Jung S. 95. 78 (311) Ulmenstein S.85; (95) von Haller S.73. 79 (82) Fulda S.914. 80 (94) von Haller S. 333. 81 (234) Rau Bd. 2 S. 28. 82 (285) Sonnenfels S.30; (20) Berg S.103.

3.1. Die Entwicklung der Steuerrechtfertigung in der Kameralzeit

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der Steuersumme. Während eine Auffassung die Mäßigkeit der Steuersumme zum Eigenwert erhob 83, vertrat man überwiegend die Begrenzung der Abgabensumme ungeachtet der absoluten Höhe allein durch die Erforderlichkeit der Verwendungszwecke 84 • Auch formale Regeln zur Zweckbindung entwickelten die Kameralisten. Sie bauten auf dem venire contra factum proprium auf. Wenn der Auflagenzweck in der Erhaltung des Eigentumsrechts und der Freiheit der Menschen im weiteren Sinne gesehen wird, so darf die Auflage nie so hoch steigen, daß sie ihren eigenen Zweck, Eigentum und Freiheit der Menschen, mehr behindert als fördert 85• Als zeitlos gültig erwies sich eine andere Regel. Je weniger eine Steuer zu dem allgemeinen Besten verwendet wird und unterschobenen üblen Zwecken dient, desto mehr neigt sie dazu erhöht zu werden 86• Aus einer hohen Steuerforderung müsse deshalb auf mißbräuchliche Verwendung der Steuersummen geschlossen werden. 3.1.2.2. Bezüglich der Durchsetzbarkeit des dem Bürger grundsätzlich zugebilligten Zweckbindungsanspruches machten sich die Kameralisten keine Illusionen. Sie betrachteten ihn als lex imperfecta. Der Bürger sollte abgesehen von einer vereinzelten Meinungsäußerung 87 keinen Rechnungslegungsanspruch haben88 • Die Steuerpflicht ruhte zwar, wenn der Staat sich nicht an das allgemeine Zweckbindungsgebot hielt und zweckfremden Aufwand oder mehr, als für die anerkannten Zwecke nötig war, einforderte89 • Ein echtes Widerstands recht billigte aber kein Kameralist dem Staatsbürger zu, wenn eine für ungerecht erachtete Steuerforderung erhoben wurde. 3.1.2.3. Mit den Rechtfertigungstheorien verschwanden auch die Zweckbindungslehren aus dem wissenschaftlichen Steuergespräch. Wenn schon die Steuererhebung keiner Begründung mehr bedurfte, so konnte der Staatsbürger erst recht dem Staat keine Vorschriften über die Verwendung der Steuern mehr machen90 • Die letzten Kameralisten gewährten dem Staat volle Dispositionsfreiheit über das wirtschaftliche Leben der Bürger. Der Staat durfte die wirtschaftliche Betätigung fördern und beschränken, in welcher Weise und Höhe er wollte91 • Mit (285) Sonnenfels S.26; (283) Soden Bd. 3 S. 167. (95) von Haller S. 28. 85 (313) Vierordt S. 45. 86 (265) Schmid S. 27. 87 (200) Moser S. 6. 88 (311) Ulmenstein S. 86. 89 (302) Stündeck S. 101; (20) Berg S. 93 f.; (229) Prätorius S. 42; (228) Pölitz Bd.1 S.398. 90 (283) Soden Bd. 3 S. 138. 91 (141) Keßler S. 12. 83

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6 Jenetzky

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3. Rechtfertigung und Zweck der Steuern

dem Ausgang des Kameralismus war der Zweckbindungsgedanke Vergangenheit geworden. 3.2. Haupt- und Nebenzwecke der Steuern und die Lehre von den Steuerwirkungen Der Verwaltungskameralismus bewies eine überraschend moderne Einsicht in die diffizilen Zusammenhänge zwischen Steuergesetzen und Steuerwirkungen in der Gemeinschaft. Die Originalität der kameralistischen Gedankengänge auf diesem Gebiet steht unzweifelhaft fest, weil vor der kameralistischen Ära die wirtschaftlichen und soziologischen Verhältnisse noch nicht genügend entwickelt waren, um einer ausgebildeten wirtschaftlichen Steuerlehre als Basis zu dienen. Auch im internationalen Gespräch bestand ein lebendiger Ideenaustausch; es kann keine Rede davon sein, daß der mitteleuropäische Bereich nur empfangender Partner des wissenschaftlichen Gesprächs gewesen sei, wie vielfach behauptet wurde. Es finden sich bei dem Spätkameralisten Kröncke sogar Ansätze zur Mathematisierung der Steuerlehre, was ihm den Vorwurf der Unverständlichkeit eintrug. In der kameralistischen Steuerlehre waren Recht, Ethik, Wirtschaft und Soziologie auf in Anbetracht der Zeitumstände hohem Niveau integriert. Die spätere Isolierung der einzelnen Disziplinen verschüttete viele Erkenntnisse infolge der Verengung der Blickwinkel. In der Lehre der Steuerzwecke und -wirkungen zeigte sich der wissenschaftliche Rang des Verwaltungskameralismus exemplarisch. 3.2.1. Zwischen Zweck und Wirkung der Auflagen unterschied die Kameralliteratur nicht exakt. Da sich der Kameralismus als Sollenswissenschaft verstand, bestand für diese Unterscheidung auch kein Bedürfnis. Trotzdem muß zwischen Steuerzwecken und -wirkungen in der Rückschau ein Unterschied gemacht werden. An der Lehre von den Steuerzwecken entzündete sich die juristische Phantasie der Kameralisten, während die registrierten Steuerwirkungen als Einbruch aus der unerwünschten Welt wirtschaftlicher Seinsordnung eher Gegenstand von Erwägungen der Abwehr und Lenkung des steuerlichen Geschehens durch geeignete Gesetzestechniken waren. Sprachlich ist davon auszugehen, daß unter Zwecken zugleich die daraus resultierenden Wirkungen verstanden wurden und die Bezeichnung der steuerlichen Wirkungen den nicht final angesteuerten Steuerwirkungen vorbehalten blieb. 3.2.1.1. Im Kameralismus galt es als selbstverständlich, der Besteuerung mehrere angestrebte Zwecke zuzuweisen. Man unterschied zwischen dem Hauptzweck und den bedeutungsmäßig untergeordneten Nebenzwecken. Am Anfang der wissenschaftlichen Entwicklung stand die naturrechtlich

3.2. Zwecke und Wirkungen der Steuern

83

ausgerichtete wirklichkeitsfremde Lehre von dem allgemeinen Besten der Völker als Hauptzweck jeder Besteuerung, neben dem allenfalls wirtschaftliche Nebenzwecke Bestand haben könnten, während die Einkunftserzielung als Steuerzweck völlig verpönt war92 • Diese Auffassung ließ sich nicht lange halten. Die bald überwiegende Meinung identifizierte das Staatswohl mit der materiellen Verbesserung der Lage der Untertanen und setzte diese wiederum mit der Höhe des Steueraufkommens gleich. Danach war der Fiskalzweck Hauptmotiv jeder Steuer93 und jeder weitere Zweck eine erwünschte Nebenwirkung der Art und Weise der Steuererhebung94 • Im Spätkameralismus gewann eine stärker wirtschaftlich orientierte Betrachtungsweise an Gewicht, die den volkswirtschaftlich erwünschten und bezweckten Folgen der Besteuerung den Vorrang gab und der Einkunftserzielungsabsicht des Staates die Rolle eines Nebenzweckes zuwies. Diese Auffassung degradierte das Steuerinstrumentarium in noch heute aktueller Weise zu einem Mittel der Wirtschaftslenkung neben Subventionen, Monopolbeschränkungen, Grenzkontrollen und dergleichen95 • Der Konflikt verschiedener Zweckbestimmungen wurde durchaus gesehen96 , allgemein gerügt und die Lösung entweder in der Verwerfung der Nebenzwecke97 oder in dem Bestreben nach einer harmonischen Konfiiktlösung der sich widerstreitenden Einzelzwecke gesucht. Unwichtigere Zwecke sollten zurücktreten, wenn ihre Verfolgung die wichtigeren Zwecke behindern würde98 • 3.2.1.2. Die Unterscheidung von steuerlichen Haupt- und Nebenzwecken verfolgte unter anderem auch das Ziel, eine Abgrenzung zwischen Zöllen und Steuern zu finden. Als Kriterium des Steuercharakters konnte der hauptsächlich verfolgte Fiskalzweck begrifflicherweise nur der herrschenden Meinung dienen99 • Wer die Erzielung von Staatseinkünften als Steuerzweck verwarf, rechnete folgerichtig die Zölle zu den Steuern100 • Den undeutlich empfundenen Unterschied zwischen den verschiedenen Abgabenarten suchte man dann in einer wenig überzeugenden Differenzierung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Steuern101 • (223) Pfeiffer S. 901; (136) Justi Bd. 2 S. 54, 402. (326) Zincke S. 935 f. 94 (45) Crome Bd.1 S. 10 -15; (234) Rau Bd.2 S.7I. 95 (152) Kröncke S. 320. 96 (147) Krehl Einleitung S. XIII f. 97 (142) Keßler S.114; (142) Keßler S.112. 98 (234) Rau Bd. 2 S. 7I. 99 (225) Pfeiffer Bd.5 S.345; (14) Bensen S. 428 f. 100 (82) Fulda S.1025; (156) Krug S.18I. 101 (20) Berg S. 119.

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6'

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3. Rechtfertigung und Zweck der Steuern

3.2.1.3. In der Erfindung und Begründung steuerlicher Nebenzwecke bewiesen die Kameralisten ihre schöpferische Phantasie. Die Kritik am Kameralismus als Mittelbeschaffungslehre des Staates basiert auf völliger Unkenntnis des Verwaltungskameralismus. Natürlich unterschätzte kein Kameralist die Bedeutung eines angemessenen Staatseinkommens. Die Zielrichtung strebte aber nicht ein quantitatives Maximum der Besteuerung an, sondern betrachtete die Steuerausgestaltung als vorzügliches Mittel Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und Familie nach den wohlfahrtspolizeilichen Vorstellungen zu lenken, zu leiten und zu formen. Neben die volkserzieherischen Moralzwecke und die Ein- und Ausfuhrbilanztheorie des Wirtschaftsmerkantilismus traten bald ausgefeilte wirtschaftsbeeinflussende und finanzpolitische Zielsetzungen. Mit der Luxusbesteuerung hatten sich schon die volkstümlichen Akziseschriften befaßt. Obwohl es sich meist um einen recht bescheidenen Wohlstand handelte, den man steuerlich eingeschränkt oder aufgehoben wünschte, griffen hier die üblicherweise im Kameralismus erhobenen wohlstandspolizeilichen sozialen Bedenken nicht durch. Im Hochkameralismus überwog das moralische Moment; die Steuer sollte Luxus und Verschwendung unterdrücken 102 • Man wünschte die Arbeitsamkeit zu ermuntern und die im kameralen Denken reichlich anzutreffenden sogenannten moralischen übel zu hemmen103 • Letztlich schlug hier die dem Kameralismus zugrundeliegende stoische Grundhaltung durch. Sobald wirtschaftliche Gedankengänge in den Vordergrund traten, änderte sich die Beurteilung des Luxus als Besteuerungsobjekt. Luxusverbrauch, der die Handelsbilanz ausgleichen half, konnte durchaus erwünscht sein. Seine Besteuerung hielt man dann für schädlich104 • Canards preisgekrönte Arbeit folgerte dann aus der Elastizität der Nachfrage bei entbehrlichen Gütern - worauf noch einzugehen sein wird -, daß Luxusgüter nur zur Deckung des Staatsbedarfs besteuert werden dürfen und daß diese Steuer mäßig sein muß, um den Verbrauch nicht auf nichtbesteuerte Ersatzgüter zu lenken105 • Im deutschen Verwaltungskameralismus beendete dieses Werk die Erörterung der Luxusbesteuerung als zulässigem und erwünschtem Nebenzweck der Verbrauchsabgaben. Das Gespräch zu diesem Problemkreis berührte zugleich einen anderen Fragenkomplex. Der Merkantilismus gilt als Lehre vom Ausfuhrüberschuß, vom Geldreichtum als echtem Reichtum und von der wirtschaftlichen Autarkie. Das mag mit Einschränkungen auch für den Frühkameralismus eines Schröder, Becher und Hornigk gelten, steht aber in diametralem Gegensatz zur wirtschaft102

103 104 105

(326) Zincke S.937; (133) Justi S.628; (173) Lith S.34. (1) Achenwall S.187; (83) Fulda S.277. (51) Döhler S. 220. (40) Canard S.176; (234) Rau Bd.l S.226; (122) Jakob Bd.2 S.1029.

3.2. Zwecke und Wirkungen der steuern

85

lichen Vorstellung des Verwaltungskameralismus. Paradoxerweise förderte die zunehmende Verdrängung wirtschaftlichen Gedankenguts durch Verwaltungs- und Staatsdenken die weltwirtschaftliche Betrachtungsweise. Die Kameralisten verwarfen das Autarkiesystem als naturwidrig und auch bei der Besteuerung als undurchführbar106 , weil ein entsprechendes Besteuerungssystem dem Finanzzweck der Steuern widerspricht. Eine hohe Besteuerung der Einfuhr ausländischer Waren mindert das Zolleinkommen des Staates an diesen Waren durch Sinken der Einfuhrmenge und fördert ungerechtfertigterweise das Einkommen einiger inländischer Fabrikanten zu Lasten der Mehrheit, die ausländische Waren teuer kaufen muß107. Der Spätkameralismus war davon überzeugt, daß freier Warenaustausch den Nationalreichtum vermehrt108 , da nur freie Konkurrenz billige Preise erzeugt, die allein ein volkswirtschaftlich echter Vorteil sind109. Ob diese liberale Vorliebe für einen freien Welthandel unbehindert von nationalen Steuern auf dem Einfluß von Adam Smith beruhte oder eine eigenständige Entwicklung des deutschen Kameralismus unter dem Einfluß Montesquieus darstellte, bedürfte einer eingehenden Untersuchung der wissenschaftlichen Biographie der Kameralschriftsteller. Für die letztere Version spricht der Zeitablauf. Der Einfluß Adam Smith' setzte etwas später ein, als die ersten handelsliberalen Äußerungen in der Literatur zu verzeichnen sind. Am gegenwartsnähesten verhielt sich der Kameralismus bei seiner Beurteilung der Steuern als Lenkungsmittel der Wirtschaft. Das wohlfahrtsstaatliche Denken kam bei aller ideologischen Fremdheit zu sozialistischen Vorstellungen hinsichtlich der praktischen Eingriffsvorschläge zu ähnlichen Maßnahmen, die einem liberalen rein marktwirtschaftlich orientierten Denken fremd sein mußten. Der Zielkonflikt zwischen einer sehr stark entfalteten individuellen Rechtssphäre und den massiven Eingriffsrechten des Staates löste sich aus der hehren Staatsauffassung der Kameralisten. Der Staat als Gerechtigkeitsordnung wurde von Grund auf als gut betrachtet; allenfalls der jeweilige Träger der Staatsgewalt war korrumpiert und der Staat als solcher konnte in der Regel kein Unrecht tun. Gestützt auf diese beruhigende Überzeugung schlugen die Kameralisten ab der Periode des Hochkameralismus umwälzende Eingriffe in die private Vermögenssphäre durch steuerliche Maßnahmen vor. Schon die Behebung von sogenannten Polizeigebrechen klingt nur in der Formulierung altertümlich11o ,111. Gemeint war der heilsame Zwang zur Nutzung des 106 107 108 109 110 111

(296) Strelin S. 21. (122) Jakob Bd.2 S. 1017. (12) Behr S. 146. (12) Behr S.148. (326) Zincke S. 936. (83) Fulda S. 83.

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3. Rechtfertigung und Zweck der Steuern

Vermögens durch steuerliche Maßnahmen, also eine Art aktiver Gewerbepolizei 1l2• Handel, Erzeugung und Gewerbe sollten durch steuerliche Eingriffe je nach Bedarf eingeschränkt, gefördert oder gelenkt werden113 • Sogar Investitionsförderung junger Unternehmen durch Steuersenkung oder -befreiung enthielt der Vorschlagkatalog114 • Die Möglichkeit, die Industrieproduktion zu steigern und die allgemeine Produktivkraft in Handwerk und Handel zu vermehren, sah man als eine Wesenseigenschaft guter Steuern115 an. Man wollte die Steuern aber auch einsetzen, um über das Steueraufkommen durch gezielten Einsatz der Steuermittel für öffentlich erwünschte Projekte die Wirtschaft zu beleben116 und die Finanzmittel im Lande aus gut entwickelten in schwach entwickelte Gebiete zu lenken117 • Gezielte Beeinflussung des Preisniveaus 118 , des Ein- und Ausfuhrhandels119 und Herstellung der wirtschaftlichen Gleichheit zwischen In- und Ausländern120 waren weniger bedeutsame angestrebte Nebenzwecke der Steuern. Nur wenige einsichtsvolle Stimmen erkannten, daß die Steuerwissenschaft auf gefährliche Abwege gerät, wenn sie sich die positive oder direkte Leitung der Staatswirtschaft anmaßt121 • Die revolutionärste Zwecksetzung im steuerlichen Bereich gelang den Kameralisten durch die Ausbildung einer urtümlichen Vermögensumverteilungslehre. Grundlage dieser Theorie war allerdings nicht die Vorstellung von einer Art ursprünglichen Gemeineigentums, sondern die Allgewalt des Staates. Der Staat bestimmt, was gerecht ist und garantiert das Eigentum. Beim Wechsel der Ordnungsvorstellungen des Staates über eine gerechte Ausgestaltung der Dinge genügt es, wenn der Staat seine Eigentumsgarantie zurücknimmt, um die richtige Ordnung wiederherzustellen. Besonderes Ärgernis bereitete den Kameralisten die als ungerecht empfundene ungleiche Verteilung des Bodeneigentums. Das Eigentum am Grund und Boden hatte nach überlegter und begründeter Kameralvorstellung dem Produzenten der Bodenprodukte, also dem unmittelbaren Bodenbearbeiter zuzustehen. Nur eine Volkswirtschaft, deren Boden den Bodenbearbeitern eigentümlich gehört, weist danach eine wirtschaftlich gesunde produktionsfördernde Struktur auf. Justi schlug deshalb vor, Bauerngüter, die nicht dem Bearbeiter gehörten, erheblich höher zu 112 113 114 115

116 117 118 119 120 121

(267) Schreber Teil 11 S.366; (250) Rüdiger S.134. (14) Bensen S. 428. (294) Stokar von Neuform S. 5. (283) Soden Bd. 3 S. 115. (283) Soden Bd. 3 S. 122. (188) Mirabeau Bd. II S. 48. (83) Fulda S. 191 f. (326) Zincke S.937; (133) Justi S.628; (136) Justi Bd.1 S. 226 ff. (14) Bensen S. 602. (147) Krehl S.125.

3.2. Zwecke und Wirkungen der Steuern

87

besteuern und die Abwälzung der Mehrsteuer auf die Pächter oder Lehensnehmer durch ein gesetzlich eingeräumtes Abzugsrecht der Steuern vom Pachtentgelt zu verhindern122 • Im Ergebnis lief dieser Vorschlag auf eine konfiskatorische Besteuerung hinaus. Ein ähnliches Projekt entwarf Sartorius, der eine höhere Besteuerung aller landschädlichen Vertragsbedingungen vorschlug123 • Stokar von Neuform sah noch radikaler in der Güterzertrümmerung durch steuerliche Maßnahmen das erste Mittel zur Beförderung der Landeskultur l24 • Zielte das Anliegen dieser Kameralisten noch relativ gemäßigt auf eine ausgleichende Belastung des Staatskörpers125 , so schlug Lith ohne Einschränkung vor, auf steuerlichem Wege die Ungleichheit des Vermögens der Staatsuntertanen zu vermindernl26 • Da der Kameralismus außer dem Regenten nur Staatsuntertanen kannte, hätte die Durchführung dieses Vorschlages die Vernichtung der wirtschaftlichen Vorrangstellung des Adels und des Besitzbürgerturns bedeutet. Selbst dem Regenten stand der Kameralismus so kritisch gegenüber, daß er ihn nur als Funktionsträger respektierte. Die Privateinkünfte des Regenten durften keinesfalls Gegenstand steuerlicher Nebenzwecke sein127 • Dieser Tendenz stellte sich Sonnenfels entgegen. Er argumentierte, eine Umverteilung des Vermögens sei nicht Aufgabe der Besteuerung, da die ungleiche Verteilung der Reichtümer weniger auf der Art der Abgabenerhebung beruhe als auf der aus gutem Grund unterschiedlichen Verteilung der Reichtümer. Immerhin postulierte auch er, daß die Besteuerung die Ungleichheit der Vermögen nicht noch vergrößern dürfe l28 • In der spätkameralistischen Zeit verlor der Konflikt seine Brisanz und verschwand aus der wissenschaftlichen Erörterung. Die Gegenwartsnähe der kameralistischen überlegungen zu den Steuerzwecken wird dadurch nicht berührt. 3.2.2. Wesentlich nüchterner vollzog sich das wissenschaftliche Gespräch zu Problemen nicht beabsichtigter Steuerwirkungen und zu Vorschlägen zwecks Abwendung solcher Wirkungen. 3.2.2.1. Es können hier nur einige Wirkungen der Steuererhebung dargestellt werden, die in den Kameralwerken ausdrücklicher Besprechung für wert befunden wurden. Übernommen aus der vorkameralistischen Zeit waren die Überlegungen zu familienschädlichen Wirkungen von Steuergesetzen. Überein122 123 124 125 126 127 128

(133) Justi S. 616, 619, 621. (254) Sartorius S. 188. (294) Stokar von Neuform S. 20. (135) Justi S. 384. (173) Lith S. 21. (63) Eschenmayer S. 10. (285) Sonnenfels S. 216 f.

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3. Rechtfertigung und Zweck der Steuern

stimmend vertrat man dazu die Ansicht, daß derartige Wirkungen in der vorkameralistischen Zeit oft überschätzt worden seien, man aber echte Schäden auch nicht zu sehr herunterspielen dürfe l29 • Ein gutes Steuergesetz sollte nach kameralistischer Ansicht diesen Bedenken Rechnung tragen, ohne daß man ein ausdrückliches Abstellen auf familienfreundliche Zwecke fordern könne l3o • Die Familienfreundlichkeit von Steuergesetzen sollte sich als erfreuliche Nebenfolge ergeben. Ein eigenartiger Effekt der Abzugssteuer - der Steuer, die beim Wegzug des Steuerpflichtigen aus dem Gebiet der Besteuerungshoheit erhoben wurde - war ihre anerkannte Tatbestandswirkung. Mit der Entrichtung der Nachsteuer erlosch als Folge dieses erfüllten Besteuerungstatbestandes jede weitere Besteuerung durch laufende Steuern im Inland l31 • Größere praktische Beachtung fand dagegen die oft zu Unrecht befürchtete Steuerfluchtwirkung. An historischen Beispielen glaubte man eine besondere Anfälligkeit der Manufakturen und Fabriken gegen zu hohe Steuern zu erkennen und empfahl generell behutsame Besteuerung132 • Eine Nachwirkung der alten überhalten synonymen Behandlung von Münzreichtum und Landesreichtum war die übertriebene Furcht vor Kapitalflucht reicher Leute l33 • Diese Befürchtung wurde offensichtlich bald gegenstandslos, da sich die Verhältnisse in allen europäischen Staaten ähnlich entwickelten. Erhebliche Bedeutung kam den Erkenntnissen zum Zusammenspiel von Konkurrenz, steuerlicher Preisbeeinflussung, verursachtem Konsumverhalten, Elastizität der Nachfrage und Steuerabwälzung zu. Canard erkannte als erster die Elastizität der Nachfrage als steuerliches Probleml34 • Bei hoher Besteuerung von Objekten, die austauschbar sind, also eine geringe Nachfrage haben, weichen die Käufer auf nichtbesteuerte Objekte aus und vermindern dadurch den Steuerertrag. Gleichzeitig schnitt Canard Fragen der Steuerüberwälzung an und vertrat in modifizierter Form die alte physiokratische Theorie von der gleichmäßigen wirtschaftlichen Verteilung der Steuern im Volkskörper13S• Im ideologisch weniger belasteten deutschen Kameralismus maß man zu Recht dem Konkurrenzdruck größere Bedeutung zu und erfaßte die Abhängigkeit der Steuerabwälzung von Angebot- oder Nachfrage129

130 131 132

133 134

135

(219) Payley S. 372. (296) Strelin S. 20; (45) Crome Bd. 1 S. 10 f., 15. (9) Beck S. 129. (133) Justi S. 625 ff. (136) Justi Bd. 2 S. 83. (40) Canard S. 176 f. (40) Canard S.178.

3.2. Zwecke und Wirkungen der Steuern

89

überhang 136 • Einfluß über die Abwälzungsvorgänge kann der Staat entweder über die Lenkung von Angebot und Nachfrage oder durch gesetzestechnische Maßnahmen erlangen. Die Entlastung der Ausfuhr bestimmter Waren von Steuern oder gar die Subventionierung von Ausfuhrvorgängen führt über ein zu geringes Inlandsangebot zunächst zu echten Preissteigerungen, was die volle Steuerabwälzung ermöglicht. Die Folge ist eine gesteigerte Produktion, die den Preis ermäßigt und im Wege der Rückkopplung das alte Preisniveau im Inland wiederherstellt. Dann kann aber das Absatzgebiet der Produkte längst verloren gegangen sein, die früher im Inland erzeugt worden waren, deren Produktion man aber zugunsten der durch Ausfuhrsubventionen künstlich verbilligten und damit gängigeren Waren aufgegeben hatte 137 • Hatte man damit die wirtschaftliche Problematik des direkten steuerlichen Eingriffs in die Konkurrenzbeziehungen erfaßt, so erkannte man bald auch, daß eine durch Steuerauflegung bedingte Preiserhöhung das Sozialprodukt nur nominell, also scheinbar erhöht, ohne eine vermehrte Güterproduktion anzuzeigen138 • Jede Besteuerung bedeutet deshalb entweder eine Beteiligung des Staates an der Gesamtmenge der produzierten Güter und Leistungen oder wirkt bei Konkurrenz mit steuerlich nicht erfaßten Produkten verderblich auf Produktion und Kredit der belasteten Güter, die sich preislich anpassen müssen139 • Besonders verhängnisvoll wirkte sich in dieser Beziehung die persönliche Steuerbefreiung bei Grundstücken aus. Haftete die Steuerfreiheit bestimmter Grundstücke an der Person eines bestimmten Adligen, so konnte er auf dem Grundstücksmarkt jeden nichtbegünstigten Konkurrenten beim Grundstückskauf überbieten, da er die Steuerersparnis in seinen Kalkulationen berücksichtigt hatte. Bei der Veräußerung interessierten sich aus dem gleichen Grunde für bisher steuerfreie Grundstücke nur steuerbefreite adlige Kreise, weil in der Hand eines nichtprivilegierten Erwerbers sofort Steuer für das gekaufte Grundstück angefallen wäre und dieser deshalb bei den Preisgeboten nicht mithalten könnte. Die dadurch verursachte Bildung von Großgütern verurteilten die Kameralisten wie schon angedeutet aus vielen uns heute unmittelbar einsichtigen GrÜnden140 • Noch gravierender wirkten sich die Beeinflussungen der Konkurrenzverhältnisse bei unüberlegter Besteuerung der Konsumtion aus. Die Akzise nahm in der Besteuerung der damaligen Zeit den umfassenden wirtschaftlichen Raum unserer heutigen Umsatzsteuer ein, führte aber durch ein lückenhaftes und 136 137 138 139

140

(82) Fulda S.1027; (156) Krug S.158; (257) Say S.94. (294) Stokar von Neuform S. 34 f. (45) Crome Bd. 1 S. 13. (236) Raumer S.219; (142) Keßler S.93. (294) Stokar von Neuform S.20.

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3. Rechtfertigung und Zweck der Steuern

rückständiges Verwaltungsverfahren zu vielen unbeabsichtigten Nebenfolgen. In Anknüpfung an die überlegungen zur Elastizität der Nachfrage empfahl der Kameralismus eine mäßige Besteuerung des Verbrauchs. Höhe der Steuersätze und Menge der versteuerten Konsumtionsartikel verhielten sich bei der üblichen Besteuerungspraxis umgekehrt proportional l4l . Je höher die Steuer stieg, desto weniger wurde von den besteuerten Objekten konsumiert und um so häufiger wurden Steuerhinterziehungen. Die Kunst der Steuergesetze lag dann darin, das steuerertragliche Optimum zwischen Höhe des Steuersatzes und Quantität der Steuervermeidung einzuhalten, um dem Staat den größtmöglichen Ertrag zu garantieren. Wegen dieser Schwierigkeiten neigten die Kameralisten dazu, den Einfluß auf die Steuerabwälzungsvorgänge lieber über gesetzestechnische Möglichkeiten zu suchen. Besonders bei den Konsumtionssteuern hatte der Staat weitgehend Gestaltungsfreiheit. Er konnte den notwendigen Verbrauch, den Luxus oder beide belegen. Zur Steuer konnten Verkäufer, Käufer oder Verzehrer herangezogen werden. Als Besteuerungstatbestand boten sich der Herstellungsvorgang, die übertragung der Ware oder der Verzehr an142 • Die Versteuerung untergegangener Waren und das gezielte Nebeneinander verschiedener Steuertarife im Rahmen eines Steuergefälles konnten ebenfalls die Abwälzungsvorgänge beeinflussenl43 • Das Ideal des Kameralismus, eine volle Deckung zwischen steuerrechtlichem und wirtschaftlichem Geschehen zu erzielen, konnte niemals gänzlich verwirklicht werden. Als im Spätkameralismus die Einsicht in die Eigengesetzlichkeit der Wirtschaft vordrang, begnügte man sich mit der Erkenntnis, daß eine absolute Gleichheit immer eine relative Ungleichheit zur Folge hat l44 • 3.2.2.2. Dem Kameralismus gelang es auch einige durch lenkende Maßnahmen nicht beeinflußbare Steuerwirkungen aufzuzeigen. Schon früh war bekannt gewesen, daß die absolute Höhe einer Steuer das wirtschaftliche Geschehen stärker zu beeinträchtigen vermag als die Erhebung einer sehr ungerecht und unbeholfen konstruierten Steuer, die nur geringe Steuersummen fordert l45 • In vollendeter Form forderte diese Einsicht in den Funktionszusammenhang, daß eine Steuer immer nur vom reinen (um Erwerbskosten bereinigten) Einkommen oder vom Genuß (Verbrauch) genommen werden darf, da die Besteuerung des Vermögens oder des rohen Einkommens (Einnahmenzufluß) das Besteuerungskapital vernichtet 146 und dadurch das reale Steueraufkom141 142 143 144

145

(122) Jakob Bd. 1 S.1022. (82) Fulda S. 1026. (122) Jakob Bd. 1 S. 1031. (7) Baumstark S. 720. (294) Stokar von Neuform S. 2.

3.3. Ausgewählte wirtschaftliche Steuerwirkungen

91

men bald durch Erschöpfung und Verstopfung der Besteuerungsquellen vermindert. Nach den strukturellen Bedingungen der frühindustriellen Zeit war die Grenze der Substanzbesteuerung bei der Industrie sehr früh erreicht, so daß Krehl zu der für seine Zeit wohl zutreffenden Ansicht kam, daß die Besteuerung der Industrie zwar aus Gründen der Steuergerechtigkeit geboten sei, aber allen staatswirtschaftlichen Erkenntnissen widerspreche 147. Die im neunzehnten Jahrhundert rasch erstarkende Kraft der industriellen Produktion überholte bald die Problematik ihrer eigenen Besteuerung und überrundete als Besteuerungsobjekt die bisher führende Landwirtschaft. Ebenso wußte man schon damals, daß eine Steuerreform zunächst stets mehr Unheil verursacht als die Beibehaltung des alten Zustandes, weil die Wirkungen einer schon von alters her bestehenden Steuer anders sind als die einer neu einzurichtenden Steuer148 . Da erfahrungsgemäß jede Steuer Einfluß auf Preis gefüge und Konkurrenzdruck nimmt, finden bei neuen Steuern zunächst fein verästelte Ausgleichungsvorgänge in der Wirtschaft statt, bis die neue Steuer nach Kosten und wirtschaftlichen Machtverhältnissen im Gemeinschaftsgefüge einigermaßen gleichmäßig verteilt ist. Diese notwendige übergangsphase läßt es geraten erscheinen, neue Steuergesetze nur zu erlassen, wenn ihr Vorteil die Nachteile der übergangsphase überwiegt. Auf dem Gebiet der Steuerzwecke und -wirkungen gelang dem Kameralismus nicht die Begründung eines übersichtlichen Systems von Lehrsätzen und Erkenntnissen, da die Entwicklung auch nach Abschluß des späten Verwaltungskameralismus noch in Fluß war. Unbestreitbares und selten erreichtes Postulat ist die zeitlose Einsicht geblieben, daß "die Weckung von Tugend und Ehrlichkeit (sc. des Steuerpflichtigen) eine schöne Wirkung eines guten Steuergesetzes ist"149. 3.3. Ausgewählte wirtschaftliche Steuerwirkungen in kameralistischer Betrachtungsweise

Die Steuererhebung greift besonders in das Preisgefüge ein und verzerrt die Konkurrenzverhältnisse. Im Unterschied zu den Urteilen der heutigen Steuerlehre betrachteten die Kameralisten derartige Effekte als unerwünschte Nebenwirkungen jeder Steuergesetzgebung. Für die Kameralisten stand die Gerechtigkeit immer im Mittelpunkt ihrer Erwägungen. Dieses Prinzip verbindet den Kameralismus mit den Steuerlehren der Scholastik und den lateinischen Steuerschriftstellern. Ge146 147 148 140

(7) Baumstark S. 720. (147) Krehl Einleitung S. VII. (156) Krug S. 125. (141) Keßler S.38.

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3. Rechtfertigung und Zweck der Steuern

rechtigkeit setzte aber nach kameralistischer Auffassung notwendig voraus, daß alle Wirkungen der Gesetze in den Willen des Gesetzgebers aufgenommen worden waren. Unbeabsichtigte oder unvermeidbare Wirkungen beruhten danach auf außerrechtlichen Momenten und standen außerhalb der Gerechtigkeitskriterien oder widersprachen ihnen sogar. Die Einordnung in das Gerechtigkeitssystem bedurfte demgemäß erheblicher Auslegungskunst. 3.3.1. Die Wechselwirkung von Steuern und Preisen geriet erst ab Justi in den Blickwinkel der Kameralisten. Justi fiel auf, daß ein hoher Lebensmittelpreis nicht immer auf einem überschuß in der umlaufenden Geldmenge beruhen muß, sondern auch von mangelhafter und unzureichender Produktion herrühren kann15O • Mit dieser Darstellung war er der erste Kameralist, der das Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage im Preisniveau in den Grundprinzipien erkannte. 3.3.1.1. Seine Behauptung, stärkere Steuern könnten die Wirtschaft und die Geldzirkulation anregen l5l , ließ allerdings die nötige Einsicht in wirtschaftliche Zusammenhänge vermissen. Die berichtigende Erkenntnis, daß die Steuern nicht die Produktion ankurbeln, sondern umgekehrt eine gute Produktion starke Steuern ermöglicht, Justi also einer Verwechslung von Ursache und Wirkung erlegen war, folgte ein Menschenalter später l52 • Immerhin war das Gespräch damit in Gang gebracht. Sonnenfels griff die Problematik auf und wies auf die nachteilige Wirkung hoher Abgaben hin, die den Preis der Erzeugnisse steigern, damit den Absatz beschränken und zugleich die Abwälzung (Wiedereinbringung) erschweren i53 • Der Steuersatz dürfe deshalb nur bis zu der Grenze der Preissteigerung reichen, die den Absatz nicht vermindert. Bei Gegenständen des Vergnügens bestehe die Gefahr der Absatzstockung infolge der Steuerbelastung durch Ausweichen auf Ersatzgegenstände in noch größerem Maße 154• Der von den französischen Merkantilisten entwickelte Gedanke der Elastizität der Nachfrage bei Substitutionsartikeln fand hier erstmals im deutschen Schrifttum in roher Form eine eigene Darstellung. Auf wirtschaftlichem Gebiet waren die deutschen Verwaltungskameralisten meistens die Nehmenden, in rechtlicher und verwaltungstechnischer Beziehung kam dagegen dem deutschen Sprachraum nahezu ausnahmslos die geistige Urheberschaft zu. In prägnanter Form dargestellt lautet die Abwälzungstheorie: Die Abwälzung der Steuer gelingt nur in Höhe des preissteigernden BeISO

151 152 153 154

(135) (135) (262) (285) (285)

Justi S. 388. Justi S.389. Schlözer S.159. Sonnenfels S. 278. Sonnenfels S. 354.

3.3. Ausgewählte wirtschaftliche Steuerwirkungen

93

trages. Steigt der Preis überhaupt nicht, so trage der Steuerpflichtige auch wirtschaftlich die Steuerlast. Bei teilweiser Preiserhöhung liege eine verhältnismäßige Abwälzung vor155 • Die Ursache der jeweiligen Preisgestaltung sah man bald zutreffend allein im Konkurrenzverhältnis. Jeder zahlt nur den Preis, den er zahlen muß, jeder Verkäufer verlangt den Preis, den der Markt hergibt. Ob die Steuer wirtschaftlich mit im Preis enthalten ist, bestimmt der Zufall 156. Ein unmittelbarer Einfluß der Steuer auf die Preisgestaltung kann nur stattfinden157 , wenn die Steuererhebung unter Verletzung der Gleichheit der Besteuerung in die Konkurrenzverhältnisse eingreift. Die Gründe für eine solche unerwünschte Ungleichheit fand man abschließend in der ungleichen Besteuerung rechtlich gleicher Sachverhalte mit dem Unterfall der persönlichen Steuerbefreiung oder Begünstigugg158 und der regional unterschiedlichen Besteuerung159. Dann wird der höher besteuerte Teil der Wirtschaft gezwungen, preislich auf den Ersatz der Steuer beim Verkauf zu verzichten, da der Konkurrent dank seiner steuerlichen Freiheit ebenfalls ohne die betragsmäßige Steuerbelastung anbieten kann. Am Rande ist zu dem Problem zu erwähnen, daß der Kameralismus nicht nur den steuerlichen Eingriff in die freie Konkurrenz, sondern auch konkurrenzhemmende und preissteigernde Monopolien wie das alte Zunftwesen entschieden ablehnte160. Im Spätkameralismus griff man die von Sonnenfels vertretene Elastizitätslehre wieder auf und setzte sich mit der Ansicht Smith' zu dieser Frage ablehnend auseinander. Smith war der Ansicht, daß die Besteuerung entbehrlicher Artikel nur deren Preis um die Steuersumme erhöhe, weil der Kaufmann bei nicht erfolgreicher Abwälzung aufgeben müsse, während die Besteuerung von Gegenständen der Lebensnotdurft das Gesamtpreisniveau aller Waren erhöhe. Gegenstände der Lebensnotdurft müßten auch von den Armen erworben werden, die deshalb zum Lebensunterhalt höheren Lohn forderten, der wiederum alle Preise erhöhe 161 . Die deutschen Kameralisten folgten dieser praxisfremden Darstellung nicht162 , sondern griffen auf die Deutung der Zusammenhänge bei Sonnenfels zurück. Zwar verteuere eine Besteuerung notwendiger Lebensmittel diese Produkte und aller ähnlichen Waren163, was aber nicht auf den Arbeitslohn der Verbraucher durchschlage, weil deren 155 156 157 158 159 160 161 162 163

(152) Kröncke S.211. (147) Krehl S. 95 f. (156) Krug S. 148. (294) Stokar von Neuform S.20. (296) Strelin S. 34. (63) Eschenmayer S. 90. (282) A. Smith S.296; (185) Mill S. 364 f. (63) Eschenmayer S. 90. (122) Jakob Bd. 1 S. 592 f.

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3. Rechtfertigung und Zweck der steuern

Zahl durch die Preissteigerung nicht abnehme und sie deshalb bis zur Ruingrenze zahlen müßten. Dagegen sei es bei entbehrlichen Genüssen die Regel, daß die Erwerber auf andere Produkte ausweichen oder sich im Genuß allgemein beschränken. Der bewirkte Preisverfall senkt dann Angebot und Steuerquote bis sich der Preis bei geringerem quantitativen Angebot auf dem alten Preis einpendeW 64 • Das Ergebnis zeigt den fehlenden Glauben der mitteleuropäischen Verwaltungskameralisten an die Gerechtigkeitsfunktion des Marktmechanismus. Sie zeigten sich auch in dieser Beziehung gegenwartsnäher als der geistesgeschichtlich jüngere englische Wirtschaftsliberalismus. 3.2.1.2. Bewußte steuerliche Preispolitik empfahl der Verwaltungskameralismus nur an den Landesgrenzen, das heißt an den Grenzen des Besteuerungsgebiets 165 • Dabei stand im Mittelpunkt weniger die positive Gestaltung der Handelsbilanz - die alten merkantilen Theorien über den Geldreichtum waren längst überwunden - als der Ausgleich unterschiedlicher steuerlicher Belastungen in In- und Ausland166 • 3.3.1.3. Psychologische Rücksichtnahme auf das Verhalten der Steuerpflichtigen kannte der deutsche Verwaltungskameralismus im Unterschied zur zeitgenössischen ausländischen Steuerliteratur auch bei der Preisgestaltung nicht167 • Einer Auffassung, die von der objektiven Richtigkeit als letztem verbindlichem Maßstab ausging, mußte jede Rücksichtnahme auf die Gefühle der Betroffenen fremd sein. Nur ausnahmsweise begegnen uns gegen Ende der Epoche psychologische Argumente 168 • Die unbestreitbar vorhandene soziale wohlwollende Einstellung des Kameralismus nahm aus ihrer staatsbezogenen und objektivierten Haltung heraus keine Rücksicht auf die subjektive Meinung der Betroffenen. Ein hoher Preis auf Grund steuerlicher Belastung galt als zumutbar und gerecht, wenn die Belastung einer objektiven Rechtlichkeits- und Billigkeitsprüfung standhielt. Das tiefe Verständnis für die verzweifelte wirtschaftliche Lage der Mehrheit der Bevölkerung schlug sich zwar in konkreten Hilfsvorschlägen nieder, erweiterte aber nicht die Einsicht in die psychologischen Wirkungen für zweclonäßig erachteter empfindlich wirkender Maßnahmen. 3.3.1.4. Der späte Kameralismus räumte auch in Beziehung auf die preiserhöhende Wirkung der Steuer mit der alten Auffassung auf, der Staatsreichtum sei mit Geld gleichzusetzen. Hatten noch Seckendorff und Schröder die Meinung vertreten, der Nation gingen keine Werte 164 165 166 167 168

(234) (136) (294) (190) (167)

Rau Bd. 2 S. 29 f., 224. Justi Bd. 2 S. 370. Stokar von Neuform S. 34 f.; (156) Krug S.148. Montesquieu S.297. Leipziger S. 371.

3.3. Ausgewählte wirtschaftliche Steuerwirkungen

95

verloren, wenn das der Bevölkerung durch die Steuer ohne Gegenwert entzogene Geld wieder im Lande ausgegeben wird, so setzte sich jetzt die klare Erkenntnis durch, daß die Steuererhebung eine partielle Beteiligung des Staates am Sozialprodukt bedeutet. Mit der Erhebung der Steuer geht ihr Wert für den Besteuerten verloren, da sie als Preisanteil vom Gesamtpreis abgeht. Die Regierung erhält diese Steuer zwar umsonst, gibt sie aber für Werte wieder aus, die dem Steuerpflichtigen damit entzogen sind l69 . Die Regierung kauft mit dem Steuergeld Werte, die ohne Steuer mit dem zur Steuerzahlung entrichteten Gelde vom einzelnen Staatsbürger erworben worden wären l70 • 3.3.1.5. Ein altes Problem stellte im Kameralismus das Zusammenwirken von Grundsteuer, Grundstückspreis und Preis des Grundstücksertrages dar. Die Entwicklung der damit verbundenen Theorien wurde schon ausführlich im Rahmen der Erörterung des Zusammenhanges von Steuer und Territorialabgabe dargestellt. Ausgespart blieb der wirtschaftliche Aspekt der gegenseitigen Beeinflussung von Preis und Steuer. Nach der klassischen Ansicht drückte die Grundsteuer den Verkehrswert der Grundstücke 171 • Nach modifizierter Erkenntnis setzte dieser preisdrückende Effekt nur ein, wenn die Grundstücke des Landes ungleich mit Steuer belastet sind, da bei gleicher Belastung die Überwälzung der Steuer auf die Ernteprodukte in der Regel möglich ist172 • Widerlegt wurde auch die alte Behauptung, der Kaufpreis der Grundstücke richte sich allein nach dem Reinertrag nach Abzug der Steuernl73 • Weil die Konkurrenz die Grundstückspreise treibt, trifft eine ungleiche Steuerbelastung der Grundstücke auch spätere Erwerber der belasteten Grundstücke 174 • Zusätzlich argumentierten die Kameralisten, die Rechtmäßigkeit einer ungerecht konstruierten Grundsteuer lasse sich nicht aus rein wirtschaftlich orientierten Belastungsvergleichen ableiten. Dem Staat komme nicht das Recht zu, eine alte ungerechte Reallast aufrecht zu erhalten, nur weil der Erwerber eventuell wegen dieser Reallast das Grundstück preisgünstiger erworben habe 17s • Damit war eine rein rechtliche Betrachtungsweise durchgedrungen, die völlig von der wirtschaftlichen Beweisführung abstrahierte. Typischerweise erstreckte sich die Beachtung, die der Kameralismus dem wirtschaftlichen Geschehen schenkte, allein auf die Ermittlung der sachverhaltsmäßigen Beurteilungsgrundlage für seine rein rechtlich motivier169 170 171 172 173 174 17S

(262) Schlözer S. 157 f.; (293) Stewart S.327. (152) Krönck.e S. 212. (240) Richter S. 2; (80) Fulda S.295; (156) Krug S.154. (149) Krehl S. 108; (98) Harl Bd. 1 S. 128. (277) Sensburg S. 12; (234) Rau Bd. 2 S. 80. (7) Baumstark S. 732. (45) Crome Bd. 1 S.126, 131, 232.

96

3. Rechtfertigung und Zweck der Steuern

ten Gestaltungen. Die Regelung eines wirtschaftlichen Sachverhalts nach inhaltlich und formal rechtlichen Kriterien auf hoheitlicher Basis ist Wirtschaftsverwaltungsrecht oder Steuerrecht je nach dem Schwergewicht der Regelung. 3.3.1.6. Die am Grundkapital entwickelte steuerliche Preistheorie war auf die übrigen Wirtschaftskapitalien übertragbar. Alle Kapitalanlageformen passen sich nach der Rentabilität im Konkurrenzverhältnis preislich aneinander an176, da die Kapitalanleger in einem Substitutionswettbewerb stehen. Damit waren alle Spekulationen hinfällig, die auf einer isolierten Betrachtung einzelner Kapitalanlageformen aufbauten. Für Grundrente, Kapitalrente, Gewerberente und Handelsrente mußten prinzipiell die gleichen Erwägungen gelten. Kapitalanleger, Kapitalentleiher und Konsument versuchen jeder die auferlegte Steuer abzuwälzen 177 • Dabei vermag die auferlegte Steuer zwar je nach Konkurrenzlage den Preis zu beeinflussen, nie aber das reine Einkommen aus einer Kapitalanlageart zu erhöhen, da das Angebot durch eine nominelle Preiserhöhung nicht erhöht wird178 • Die Allgemeinheit der Besteuerung aller Kapitalformen verhindert ein Ausweichen der vorhandenen quantitativ nicht beeinflußbaren nationalen Gesamtkapitalmenge auf andere Objekte, so daß jede Steuer nur noch den reinen Ertrag der Kapitalanlage zu belasten vermag179 • Außerdem vermindert die Allgemeinheit der Besteuerung die Gesamtsteuerlast, weil der Wegfall der bisherigen Steuerfreiheiten die Entlastung der übrigen Steuerpflichtigen erlaubt. Da die Kapitalrenten nichts anderes als Folgen der Preisgestaltung sind180, wird die Kapitalrente durch volle Wegsteuerung vernichtet. Steuern, die über den reinen Ertrag quantitativ hinausgehen, erzwingen bei Unentbehrlichkeit der Güter die Abwälzung auf die Abnehmer, bei Entbehrlichkeit der Güter gehen die Produzenten zugrunde 181 • Aus der Preistheorie hatte man damit eine rationale Begründung der Justischen These gewonnen, daß die Steuer aus Billigkeitsgründen nur einen mäßigen Teil des Ertrages ergreifen dürfe. 3.3.2. Steuerlich verursachte Konkurrenzverzerrungen widersprachen zu allen Zeiten dem Gerechtigkeitsbedürfnis der Steuerrechtler. Die Kameralisten schenkten solchen unerwünschten steuerlich verursachten Ungleichheiten besondere Aufmerksamkeit. Bezeichnenderweise haben gerade solche Kameralisten sich mit Konkurrenzfragen beschäftigt, die in ihrer Denkweise überwiegend juristisch ausgerichtet waren. Die 176 177 178 179 180 181

(234) (254) (282) (149) (185) (122)

Rau Bd.2 S.80. Sartorius S. 202 - 205. A. Smith S.252; (45) Crome Bd.2 S.30. Krehl S. 105; (122) Jakob Bd. 1 S.522, 536. Mill S. 361. Jakob Bd. 1 S.414, 492; (283) Soden Bd.3 S.171.

3.3. Ausgewählte wirtschaftliche Steuerwirkungen

97

physiokratische Lehre wird noch im Abschnitt über die Einheitssteuer zu behandeln sein. Die zwingendsten Gründe für ihre scharfe Zurückweisung im kameralistischen Schrifttum lagen aber in der Problematik der Konkurrenzverzerrung. Eine alleinige Steuer auf den Ackerbau kann schon deshalb nicht weitergewälzt werden, weil andere Nationen ihre Ackerbauprodukte preisgünstiger verkaufen können, so daß die nicht Ackerbau treibenden Gewerbezweige ihren landwirtschaftlichen Bedarf billiger aus dem Ausland bedienen können182 • Als Folge stirbt die Landwirtschaft eines physiokratischen Landes zugunsten Handel und Gewerbe. Bei freiem Verkehr werden die einseitig belasteten Landleute in Gegenden ausweichen, wo weniger Steuern erhoben werden. Dann müssen die Einwohner der überbesteuerten Gegend außer der hohen Steuer den wenigen Verkäufern noch eine hohe Mangelprämie im Preis zahlen, um nicht zu verhungern183 • Die in diesem Fall gelungene überwälzung führt somit zu einer steuerlichen überbelastung aus Konkurrenzgründen. Die einseitige Landwirtschaftsbesteuerung führe also entweder zur Verelendung der Landwirtschaft oder zur regionalen Verarmung der gewerblichen Wirtschaft. Die Kameralisten waren in der positiven Hochschätzung der freien Konkurenz völlig einer Meinung mit dem Wirtschaftsliberalismus angelsächsischer Prägung. Frei Konkurrenz konnte nach Ansicht der Kameralisten nur günstige wirtschaftliche Folgen haben184 • In Anbetracht der reglementierten Zustände in den deutschen Kleinstaaten mußte allerdings jede Art größerer wirtschaftlicher Freiheit befruchtende und positive Wirkungen haben. 3.3.2.1. Die gleichmäßige Besteuerung und die Freiheit der Gewerbe lassen nach kameralistischer Ansicht auf längere Zeit keine ungleichen Profite in der Gesellschaft zu, da die natürliche Konkurrenz zum ertragsmäßigen Gleichgewicht tendiere 185 • Außerdem vermehrt die Allgemeinheit der Besteuerung durch Belastung der bisher steuerfreien Klasse den gesamten Steuertrag, so daß eine teilweise Entlastung der bisher einseitig Belasteten möglich wird186 • 3.3.2.2. Eine ungleiche Besteuerung hinterläßt dagegen eine Fülle schädlicher Auswirkungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Dabei waren sich die Kameralisten der möglichen Irrationalität der ausgelösten Wirkungen durchaus bewußt. So konnte die steuerliche Belastung eines verachteten Gewerbes aus nur psychologisch verständlichen Gründen die Zahl der Mitgewerbetreibenden so sehr vermindern, daß der Rein182 183 184 185 186

(198) (296) (296) (156) (294)

7 Jenetzky

Moser S. 84. Strelin S. 34. Strelin S. 29 - 33; (147) Krehl S. 95. Krug S. 150. Stokar von Neuform S. 8.

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3. Rechtfertigung und Zweck der Steuern

gewinn der restlichen Gewerbetreibenden sogar steigt187• In der Regel löst aber eine ungleiche Besteuerung nur ungünstige Folgen aus. Der begünstigte Unternehmer kann nicht nur billiger veräußern, er wird den nichtbegünstigten Kaufmann noch mehr wegen der größeren Geschwindigkeit der Gewinnanhäufung verdrängen188 • Der Besteuerte steht unter dem Zwang zu verkaufen, um den Steuervorschuß wieder ersetzt zu erhalten und wird deshalb konkurrenzmäßig schlechter abschneiden als der steuerfreie Kaufmann, der nicht unter Verkaufszwang steht189 • Letztlich verhalten sich konkurrierende Steuerpflichtige und Steuerfreie wie Steuerzahler und Steuerhinterzieher. Der Steuerhinterzieher verfügt über den doppelten Vorteil der hinterzogenen Steuersumme und der günstigeren Konkurrenzlage 190, wodurch er den korrekten Steuerpflichtigen ebenfalls zur Hinterziehung von Steuern zwingt191 , wenn dieser seine wirtschaftliche Existenz erhalten will. Unzulässige Konkurrenzverzerrungen sah man aber auch in der indirekten Benachteiligung benachbarter Wirtschaftszweige durch einseitige steuerliche Wirtschaftsförderung. Wird ein Gewerbezweig im Lande steuerlich sehr gefördert, so kann die vermehrte Produktion andere Produktionszweige verdrängen und erdrücken, ohne daß dazu ein rechtfertigender Grund besteht, da die freie Konkurrenz allein für eine sachgerechte Entfaltung der Wirtschaftszweige sorgt1 92 • 3.3.2.3. Infolgedessen forderte der Kameralismus bei jeder steuerlichen Ungleichbehandlung eine strenge Prüfung, ob dadurch in Konkurrenzverhältnisse eingegriffen wird193 • Die Allgemeinheit der Besteuerung sollte sich als Besteuerungsgrundsatz gegenüber allen konkurrenzverzerrenden Sondervorteilen ausnahmslos durchsetzen. Verständlicherweise sollte dies um so strenger gelten, je drückender die Steuern waren, weil die Konkurrenzverzerrungseffekte mit der Höhe des Steuergefälles unverhältnismäßig anwuchsen194 •

187 188 189 190 191 192 193 194

(156) (294) (147) (147) (154) (294) (234) (294)

Krug S. 150. Stokar von Neuform S. 18. Krehl S.96. Krehl S. 115. Kröncke S. 245. Stokar von Neuform S. 34 ff. Rau Bd. 2 S. 26. Stokar von Neuform S. 19.

4. Die Entwicklung der sogenannten Grundsätze der Besteuerung Die Besteuerungsgrundsätze sind eine eigenständige Leistung der kameralistischen Finanzwissenschaft, die nach Originalität und Folgewirkung ohne Vergleich dasteht. Als Adam Smith seine vielgerühmten aber sachlich unbeholfenen Besteuerungsgrundsätze verfaßte, konnten die deutschen Kameralisten für ihre differenzierten und finanzpolitisch ausgereiften Systeme schon längst die Priorität beanspruchen. Nur die mangelnde Empfänglichkeit des angloamerikanischen Kulturraumes verschleierte bisher die fehlende Originalität des schottischen Nationalökonomen auf steuerlichem Gebiet. Als Prinzipien wirken die Besteuerungsgrundsätze nicht mehr fort, weil sie, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in der modernen Besteuerungswirklichkeit Realität geworden sind. 4.1. Die Entfaltung des Systems der Besteuerungsgrundsätze Aufbau, Entwicklung und Zweck der Prinzipien entsprechen der philosophischen Zeitsrömung und decken sich mit der Methodik Spinozas und Wolffs. Ihre gegenwartsbezogene Aktualität verdanken sie der Praxisnähe und dem Realitätssinn der Kameralisten, die ihre Prinzipien induktiv entwickelten und die eine übereinstimmung mit der sozialen und wirtschaftlichen Wirklichkeit auch auf Kosten logischer Subsumtion unter die gewonnenen Prinzipien zu erzielen verstanden. Soweit die Grundsätze rechtsethische Forderungen der Aufklärungsphilosophen aussprachen, verzichtete man darauf, eine Deckung von Idealvorstellung und vorgefundener Wirklichkeit durch überdehnung von Auslegungstechniken und Vergewaltigung der Lebenssachverhalte zu erzwingen. Diese aufklärerischen Steuerideale werden auch heute noch mit geringen Nuancen als steuerpolitische Ideale mit Verfassungsauftrag anerkannt. Die Mehrzahl der kameralistischen Besteuerungsgrundsätze wurzeln dagegen in der Besteuerungswirklichkeit und können ohne Bezugnahme auf wirtschaftliche Sachverhalte nicht formuliert werden. Sie haben sich im wissenschaftlichen Gespräch in Auseinandersetzung mit dem sozialen und wirtschaftlichen Geschehen entwickelt. Die Eigenart dieses Evolutionsprozesses ist darin zu sehen, daß die Prinzipien anfänglich kaum in den vorhandenen Steuersystemen berücksichtigt waren und allen Bemühungen, ihre Geltungskraft anhand der Steuer-

100

4. Die Entwicklung der sogenannten Grundsätze der Besteuerung

wirklichkeit nachzuweisen, das Merkmal der Tatbestandsverbiegung anhaftet. Im Verlaufe des neunzehnten Jahrhunderts gelang es dann kontinuierlich, die Steuergesetze inhaltlich den aufgestellten Prinzipien anzunähern. Heute stimmen kameralistische Besteuerungsgrundsätze und geltendes Steuerrecht überein, soweit es sich nicht um Prinzipien handelt, die nur aus der überholten Besteuerungstechnik des kameralistischen Zeitalters verständlich sind und mit der modernen Verwaltungstechnik ihren Zweck verloren haben. Schon im Frühkameralismus war es üblich, den steuerlichen Ausführungen einige allgemein anerkannte und eklektizistisch ausgewählte Lehrsätze voranzustellen. Die Auswahl der Prinzipien läßt mehr die Fortwirkung scholastischer Denkmethoden als ordnenden Anspruch an das Besteuerungsgeschehen erkennen. Im Hochkameralismus zeigt sich dagegen ein voll ausgebildetes System von rational entwickelten und zusammenhängenden Besteuerungsgrundsätzen. Dieser sowohl formale als auch materiale Entfaltungsprozeß verdient sorgfältige Beachtung. 4.1.1. So stellt der noch nicht zu den Kameralisten zu zählende Boeckler sieben zusammenhanglose Forderungen auf. Erstens sei bei Zinsen und Gülten die Belastungsgrenze der Untertanen zu beachten1 • Die Abgabensteigerung sei mehr auf öffentliche als private Einkünfte zu legen2 , womit wahrscheinlich die Subsidiarität der Abgaben gegenüber den Regalien- und Domäneneinkünften angesprochen ist. Steuern dürften die Untertanen nicht zum Ungehorsam reizen 3• Steuern sollten Fremde mehr als Einheimische belasten4 • Es folgen zwei Forderungen, die aus den Volksschriften zur Akzise die üblichen Sätze zur abgabenmäßigen Einfuhrbelastung und Ausfuhrentlastung übernehmen5 • Den Abschluß bildet die sehr allgemein gehaltene Forderung, alle Personen nach Vermögen zu schätzen und nach Billigkeit zu belegen6 • 4.1.2. Die frühkameralistischen Klassiker Schröder, Becher und Hornigk streifen die Steuern nur sehr knapp und schweigen bezeichnenderweise zu den Besteuerungsgrundsätzen gänzlich. Das Gleiche gilt für den im Grunde seines Wesens Verwaltungsdenken gegenüber aufgeschlossenen Seckendorff. Die ersten echten Besteuerungsgrundsätze findet man bei den Frühkameralisten Pescherinus und Lau. Beide entwickelten gleichzeitig und völlig eigenständig ein selbständiges System von Prinzipien. 1 2

3 4 5

6

(30) (30) (30) (30) (30) (30)

Boeckler Boeckler Boeckler Boeckler Boeckler Boeckler

S. 2. S. 3. S. 3. S. 4. S. 5. S. 17.

4.1. Die Entfaltung des Systems der Besteuerungsgrundsätze

101

Pescherinus stellte in knapper und bündiger Fonn fünf Grundsätze auf: Wer geschützt werden will, muß steuern7 (Rechtfertigungsgrundsatz). Steuern sollen proportioniert, gerecht und gleichbelastend seins (Gerechtigkeitsgrundsatz). Steuern haben Manufakturen und Handel zu fördern 9 (Grundsatz der Wirtschaftsfreundlichkeit). Die Kapitalien der Unternehmer müssen geheim bleiben10 (Geheimhaltungs grundsatz). Die Steuern müssen dem Zustande der Besteuerten entsprechen11 (Verwaltungsgrundsatz). Der umständlichere, aber nicht minder originelle Lau stellte in seiner gleichzeitig erscheinenden Edition dreizehn Forderungen zu einer guten Besteuerung auf: Alle Landeseinwohner sind reich und begütert zu machen l2 (Wirtschafts- und Bevölkerungsförderung). Die Steuerschatzungen müssen einen beständigen und unerschöpflichen Fond gewähren (Eingangsgewißheit der Steuern). Die Steueranlegung hat nach gerechter Austeilung und durchgehender Gleichheit zu erfolgen (Gerechtigkeitsgrundsatz). Die Steuern sind von der belastungsfähigen Bevölkerung zu nehmen13 (Schutz des Notbedarfs). Die Steuern sind nach der Quantität der jährlichen Einkünfte zu berechnen, müssen aus den Erträgen genommen werden und dürfen nicht auf dem Hauptstamm des Vermögens ruhen14 (Ertragsbesteuerung). Die jährliche Vermögensmehrung oder -minderung bei den Untertanen muß genau bekannt seinl5 (Ablehnung der steuerlichen Geheimhaltung). Steuern bedürfen zu ihrer Legitimität einer triftigen Staatsausgabe und müssen bei Beendigung einer Notlage wieder aufgehoben werden, wenn sie zur Behebung einer Notlage angelegt worden sind (Rechtfertigung der Besteuerung aus der Zweckbindung). Die Steueranlagen sind unverändert beizubehalten (Unveränderlichkeitsgrundsatz). Venneidung zu vieler Abgaben wird durch Aufhebung ertragsschwacher Abgaben erreicht. Unbrauchbare neue Steuerprojekte sind generell abzulehnen. Abschließend folgt eine Sammelforderung an eine vernünftige Abgabe: Sie entlastet die Armen, läßt den Reichen ihr Vermögen, bringt reiche Erträge, ist kostenbillig in der Verwaltung, veruntreuungssicher und fordert von einer Sache nicht mehrfach Steuerl6 • (220) Pescherinus S. 33. (220) Pescherinus S. 36. 9 (220) Pescherinus S.37. 10 (220) Pescherinus S. 54. 11 (220) Pescherinus S. 56. 12 (161) Lau S.314. 13 (161) Lau S.317. 14 (161) Lau S. 317 f. 15 (161) Lau S. 317. 16 (161) Lau S.318.

7

S

102

4. Die Entwicklung der sogenannten Grundsätze der Besteuerung

4.1.3. Im Hochkameralismus Anfang des achtzehnten Jahrhunderts begann das befruchtende Gespräch über die Besteuerungsgrundsätze. Schon der zeitlich früheste Autor Eulner nahm sachlich Bezug auf die Vorgänger. Er übernahm von Lau den Grundsatz des Schutzes des Notbedarfs und koppelte ihn an die landesherrliche Pflicht zur Etaterstellung17 • Die Sicherung gegen Unterschlagungen sah Eulner in einem Belegenheitsprinzip für alle zu besteuernden Gegenstände. Unbeabsichtigte mehrfache Besteuerung der gleichen Gegenstände wollte auch er vermieden wissen. Erstmalig trat die Forderung nach einer Aufhebung aller Steuerbefreiungen in der Kameralliteratur auf18 • Sie rührte aus den volkstümlichen Akziseschriften her. Das Verlangen, die Steuererheber dürften nicht mehr erheben als festgesetzt worden ist, wurzelte sicher in bitteren Zeiterfahrungen, kann aber als einfachste Formulierung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bezeichnet werden. Eine steuerliche Geheimhaltung kannte auch Eulner nicht, wenn er die Besteuerung des realen Besitzes oder Verbrauches forderte. Dagegen fiel er mit der Besitz- und Verbrauchsbesteuerung hinter den klar die Ertragsbesteuerung fordernden Frühkameralismus zurück18 • In den Fragen der Ertragsbesteuerung und der steuerlichen Geheimhaltung zeigte sich besonders der für den Verwaltungskameralismus typische Verlust und Wiedergewinn ursprünglicher wegweisender Erkenntnisse. Das spätmittelalterliche Denken kannte ebensowenig wie die beginnende Neuzeit ein persönliches Recht auf Geheimhaltung der privaten Sphäre vor den staatlichen Steuerbehörden. Unter dem Einfluß des praxisfernen philosophischen KameraUsmus steigerte sich dieses Recht fast bis zum subjektiven Anspruch des Steuerzahlers auf Steuerverheimlichung. Erst der Nachkameralismus fand zu einem geläuterten staatsbezogenen Eingriffsrecht in die Privatsphäre zurück. Dazu wird noch Stellung zu nehmen sein. Die Kameralisten waren viel zu wirtschaftsnah in ihrer Denkweise, um hinsichtlich der Ertragsbesteuerung in die vorkameralistische Vermögensbesteuerung zurückzufallen. Immerhin hatte der Einfluß Montesquieus, der wie Hume die Ertragsbesteuerung als eines freien Bürgers unwürdig ablehnte19 , auch hier ein zeitweises Schwanken der Meinungen verursacht, bis sich in der kameralistischen Spätzeit der moderne Ertragssteuergedanke mit Macht Geltung verschaffte. Auch hier bedarf es einer geschlossenen Darstellung, die in einem späteren Kapitel folgt. Das erste vollentwickelte System von Besteuerungsgrundsätzen hatte der Altmeister des Kameralverwaltungsrechts, Justi, ausgearbeitet. Obwohl er auf seinen Vorgängern aufbaute, war sein Lehrsystem nach 17 18 19

(66) Eulner S. 89 f. (66) Eulner S. 89. (119) Hume S.152; (190) Montesquieu Buch XIII Kap. 7 S.296.

4.1. Die Entfaltung des Systems der Besteuerungsgrundsätze

103

Rechtssystematik, Vollständigkeit und philosophischer Untermauerung überragend. Seine Nachfolger haben diese Grundsätze weiterentwickelt und oft auch nur schlicht ab- und ausgeschrieben. So wie in fast allen anderen steuerlichen Fragen muß Justi auch in den Besteuerungsprinzipien die Schlüsselstellung für die kameralistischen Entwicklungslinien zugebilligt werden. Die Justischen Steuerregeln waren eingebettet in seine allgemeinen staatswirtschaftlichen Grundsätze, die wiederum aus seiner staatsphilosophischen Lehre abgeleitet worden waren. Justis Aufklärungsphilosophie war wenig originell. Sie trug zur Klärung steuerlicher Fragen nichts bei, da in steuerlicher Sicht das pragmatisch beurteilte Wirtschaftsgeschehen allen Kameralisten die nahezu ausschließliche Quelle der Erkenntnis war. Immerhin ergab sich aus dem Wolffschen Denkansatz, daß die Grundsätze in erstrebter Vollständigkeit alle staatlichen Beziehungen in steuerlicher Hinsicht regeln sollten. Ohne die staatswissenschaftlichen Grundprinzipien, auf denen sie aufbauten, bliebe der Sprung im System der Steuerprinzipien von den Vorgängern auf Justi unverständlich, auch wenn man berücksichtigt, daß die geistesgeschichtliche Epoche für den Entwicklungsschritt reif war. Das Individualvermögen stand nach Justi unter den drei naturrechtlichen Postulaten der Substanzerhaltung20 , der Beförderung der individuellen Glückseligkeit2!, die stoisch als sittliche Vollkommenheit verstanden wurde, und der Verpflichtung, das Vermögen zum Nutzen des Nächsten und des Staates anzuwenden22 • Aus der letzten Forderung ließ sich zwanglos sowohl die Sozialbindung des Eigentums als auch die Rechtfertigung der Besteuerung herleiten. Die korrespondierenden Grundsätze für die kollektive Staats gemeinschaft - Gesellschaft und Staat waren im Kameralismus identisch - erweiterten die Prinzipien. Auch die Substanz des Staatsvermögens durfte nicht angegriffen werden23 • Das Staatsvermögen hatte gleichfalls der gemeinschaftlichen "Glückseligkeit" zu dienen24 und war deshalb zu dem möglichsten Besten des Staates anzuwenden25 • Das bedeutete auf der Erhebungsseite Rücksichtnahme auf die Rechte der Individuen durch Erhebung auf unschädliche Art26 unter Beachtung der Substanzerhaltung des Individualvermögens, woraus die Beschränkung der Besteuerung auf die Untertanengewinne resultierte27• Auf der Ausgabenseite sollten sich die Verwendungen nach dem bereitstehenden Staatsvermögen 20

21 22 23

24 25 26 27

(136) (136) (136) (136) (136) (136) (136) (136)

Justi Justi Justi Justi Justi Justi Justi Justi

Bd. 1 Bd. 1 Bd. 1 Bd. 2 Bd. 2 Bd.2 Bd. 2 Bd.2

S.471. S. 480. S. 485. S. 28. S. 9. S.33. S. 26, 56. S.27.

104

4. Die Entwicklung der sogenannten Grundsätze der Besteuerung

richten28 . Die Einkünfte des Staates sollten ohne Schädigung der Untertanen ständig vermehrt werden29, da es nie zuviel "Glückseligkeit" geben kann und diese mit dem materiellen Substrat reicher Staatsmittel korrespondiert. Der einzige unschädliche Weg dazu ist die Pflege "des Aufnehmens des Nahrungsstandes"30, also die positive Wirtschaftsförderung durch den Staat, wodurch auch ohne Erhöhung des Steuersatzes das Steueraufkommen steigt31 . Aus der ausdehnenden Interpretation des individuellen Bereichs folgte die Subsidiarität des Staates auf privatem Wirtschaftssektor32 , um den privaten Verdienst nicht zu schmälern. Aus diesen staatswirtschaftlichen Grundsätzen ergab sich ein System von Besteuerungsprinzipien, die überkommene Lehrsätze mit neuen Erkenntnissen verbanden: Alle Untertanen sind zur Steuerentrichtung verpflichtet33 . Die Steuerpflichtigen müssen zur Tragung der Abgaben ohne Abbruch der Notdurft und ohne Verletzung des Vermögenshauptstammes fähig sein34 . Die Abgaben müssen den Untertanen in vollkommener Gleichheit und gerechtem Verhältnis auferlegt werden35 . Die Abgaben dürfen der Freiheit von Kredit und Gewerbe nicht nachteilig sein36 . Das Festgesetzte muß wirklich erhoben werden und voll in die Kassen des Staates eingehen31 . Diese Prinzipien verbanden die überkommenen Grundsätze der gerechten Gleichheit, der Ertragsbesteuerung, des Schutzes des Notbedarfs, der Eingangsgewißheit und der Freiheit von Handel und Gewerbe. Dazu traten die neu entwickelten Grundsätze der Wirtschaftsfreundlichkeit und Verwaltungstechnik: Abgaben dürfen erst erhöht werden, wenn die Steuerpflichtigen durch wirtschaftliche Entwicklungsmaßnahmen zur Tragung instand gesetzt sind38 . Steuern dürfen auch der Wohlfahrt des Staates und der Untertanen nicht nachteilig fallen 39 • Die übereinstimmung der Gestaltung der Abgaben mit der inneren Struktur des Staates wurde als Forderung von Montesquieu übernommen und weiterentwickelt40 . Der Grundsatz der Eingangsgewißheit, der schon bei Lau aufgestellt wurde, gewann in der Formulierung, daß die Abgaben einen sicheren 28 (136) Justi Bd. 2 29 (136) Justi Bd. 2 30 (136) Justi Bd. 2 31 (136) Justi Bd. 2 32 (136) Justi Bd. 2 33 (136) Justi Bd.2 34 (132) Justi S.23. 35 (132) Justi S. 26. 36 (136) Justi Bd. 2 31 (136) Justi Bd.2 38 (132) Justi S. 26. 39 (132) Justi S.37. 40 (132) Justi S. 39.

S. 31. S. 60. S.63. S. 81. S. 68. S.307. S. 311. S.58.

4.1. Die Entfaltung des Systems der Besteuerungsgrundsätze

105

und untrüglichen Grund haben müssen, der die Abgaben gewiß, bestimmt und jedermann begreiflich macht41 , einen doppelten Aspekt. Einerseits soll das Steueraufkommen des Staates dadurch berechenbar gemacht werden, andererseits wird die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung durch die Möglichkeit der Selbsterrechnung auf Seiten des Staatsbürgers garantiert. In der ausdrücklichen Befürwortung von Abgaben, die "Polizeiübel verstopfen"42, lag die erste Anerkennung nichtfiskalischer Nebenzwecke in der Besteuerung, die aus den volkstümlichen Akziseschriften übernommen worden war. Der Grundsatz einer korrekten und bequemen Verwaltung beruhte auf den Verwaltungserfahrungen Justis und schloß den Katalog seiner Besteuerungsgrundsätze ab. Bequeme und leichte Einrichtung der Abgabenerhebung43 und zusammenhängende, genaue und richtige Führung der Kameralgeschäfte 44 wurden als Pauschalforderung erhoben. Konkret sollten die wichtigsten Eingangstermine der Steuern und die wesentlichen Staatsausgaben zeitlich zusammenfallen 45 . Die Steuern müßten in kleinen Raten eingefordert werden46 • Die Vielzahl der Einnahmekassen und die Anzahl der Bediensteten sollten vermindert und vereinheitlicht werden 47 • Alle Kameralbeamten müssen durch ein korrektes Rechnungswesen und ständige Revisionen überwacht werden. Zincke brachte fast gleichzeitig ein Werk heraus, das die Besteuerungsgrundsätze Justis in wertvoller Weise ergänzte. Der Gegenleistungsgedanke als Rechtfertigung der Besteuerung wurde in mehreren Sätzen differenziert erläutert und die Höhe der Steuer an die Höhe des genossenen Schutzes gebunden48 • Damit sind echte Steuerbefreiungen ausgeschlossen, da Steuerbefreiungen stets nur so lange andauern können, wie sie durch andersgeartete Gegenleistungen (Kriegsdienste) ersetzt oder erkauft werden49 . Die Bindung der Steuer an das allgemeine Wohl führte bei Zincke zu einer fortdauernden Veränderlichkeit der Steuern, da auch die Kosten des Allgemeinwesens wechseln50 . Bei der Besteuerung des realen Gewinns forderte Zincke den Vorwegabzug der "Fondverwendungskosten"51. Hier wurde als Grundsatz erstmals der 41 42 43 44 45 46

(132) (136) (132) (136) (136) (136) 47 (136) 48 (326) 49 (326) 50 (326) 51 (326)

Justi S. 41. Justi Bd. 2 S. 83. Justi S.42. Justi Bd.2 S.34. Justi Bd. 2 S. 59. Justi Bd. 2 S. 315. Justi Bd.2 S.314. Zincke S. 790 f. Zincke S. 792. Zincke S. 794. Zincke S.797.

106

4. Die Entwicklung der sogenannten Grundsätze der Besteuerung

Abzug der Werbungskosten gefordert. Auch Justi nahm schon zu dieser Frage Stellung, hat sie aber nicht zu einem Prinzip erhoben. Zincke übernahm in seinen Steuergrundsätzen auch bewußt die außerfiskalischen Nebenzwecke als legitime Zwecke in der Besteuerung. In der Förderung bestimmter Gewerbezweige sah er unter anderem einen guten Grund zur Befürwortung einer Steuer52 . Mit diesem Prinzip hatten die wirtschaftslenkenden Maßnahmen Eingang in die Kameralwissenschaft gefunden. Er erkannte auch, daß die Betrachtung einer einzelnen Steuer noch keine Stellungnahme zum gesamten Steuersystem zuläßt und forderte deshalb die Beachtung der Wechselwirkungen zwischen den Steuerarten53 . Bielefeld trug zu den Besteuerungsgrundsätzen nur wenig Ergiebiges bei54 . Von dem Engländer Petty übernahm er die Forderung nach Besteuerung der "müßigen Hände"55. Hiermit trat er in Widerspruch zu der herkömmlichen Schonung der arbeitslosen Rentiereinkommen im Frühkameralismus, die durch den Kapitalmangel nach dem dreißigjährigen Krieg verursacht worden war. Im neunzehnten Jahrhundert siegte dann auch das Prinzip der Besteuerung aller fließenden Einkünfte. Die von Bergius herausgegebene umfassende Kameralzeitschrift schrieb Justi - zum Teil ohne Zitierung - fast wörtlich ab 56 . 4.1.4. Damit war die Ausbildung des Systems der Besteuerungsgrundsätze in den Grundzügen abgeschlossen. Die reichhaltige Entfaltung im Spätkameralismus vollzog sich in drei Phasen: Die Epoche des auslaufenden achtzehnten Jahrhunderts, das beginnende neunzehnte Jahrhundert unter dem einsetzenden Einfluß Adam Smith' und die Zeit der Reife des kameralistischen Besteuerungssystems im Anschluß an die Befreiungskriege. Es würde zu weit führen, jeder Verästelung der Entwicklung in Einzelheiten nachzugehen. Es genügt, die Weiterentwicklungen und Bereicherungen aufzuzeigen. 4.1.4.1. Börner stellte ein System von dreiunddreißig Regeln auf, denen aber nur zum Teil prinzipielle Bedeutung zukommt. Seine Zitierfreudigkeit zeigt, daß er Pescherinus, Zincke, Montesquieu und Justi verwertet hatte. Aus dem Gerechtigkeitsprinzip leitete er eine Obergrenze der Abgaben (Aussaugung der Untertanen) und aus dem Endzweck der Abgaben eine Untergrenze (Befriedigung der legitimen Bedürfnisse des Regenten) ab 51 . Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung 52 53 54 55 5G 51

(326) Zincke S. 804. (326) Zincke S. 807. (26) Bielefeld Bd. 1 S. 380. (26) Bielefeld Bd.2 S. 472 f. (22) Bergius Bd. 1 S.3 - 6, Bd. 2 S. 111 - 115, Bd. 8 S. 207 f. (31) Börner S. 238.

4.1. Die Entfaltung des Systems der Besteuerungsgrundsätze

107

wurde an die Quantität und Zusammensetzung des Vennögens gebunden5B • Die Veränderlichkeit der Steuern wurde anders als bei Zincke nicht an das wechselnde Steuerbedürfnis geknüpft, sondern an die Veränderlichkeit der tatsächlichen Umstände und dementsprechend an eine sich alle zwanzig bis dreißig Jahre sich wiederholende Schatzung (Feststellung der Besteuerungswerte) gebunden59 • Der Streit um die grundsätzliche Veränderlichkeit oder Unveränderlichkeit der Steuern in der Folgezeit60 hing von der nicht immer klar getroffenen Entscheidung ab, ob man sich auf die Erfassung der steuerlichen Tatbestände, die Steuersätze oder das Gesamtaufkommen bezog. Die Veränderlichkeit der konkreten Steuerprojekte im Laufe der Zeit mit der Folge regelmäßiger "Rektifikation" fand baldige Anerkennung. Die quantitative Erhöhung des Steueraufkommens dagegen wurde erst durch die im neunzehnten Jahrhundert wachsende Vertrautheit mit dem psychologisch-wirtschaftlichen Gesetz der wachsenden Staatsausgaben akzeptabel. Börner lehnte auch als einer der letzten Kameralisten vor Einsetzen einer übennäßig liberal und individualrechtlich orientierten kurzen Epoche das Geheimhaltungsrecht gegenüber den staatlichen Behörden ab, da es nur der Steuerhinterziehung diene und die Kaufmannschaft über das Vermögen des Entleihers sowieso unterrichtet sei6t • Die Kapitalflucht in fremde Länder wollte er mit der Konfiskationsstrafe belegen62 • Das Verbot der mehrfachen Besteuerung des gleichen Gegenstandes wurde von Lau übernommen 63 • Eine interessante neue Forderung war das Anliegen, nur von solchen Sachen Steuern zu fordern, die von Natur aus eigentumsfähig sind (nicht z. B. vom Licht)64. Die Errechenbarkeit der Abgabe durch tatbestandlich genaue Fixierung wurde ausdrücklich verlangt65 • Mit Döhler gewann das Geheimhaltungsrecht des Steuerpflichtigen gegenüber dem Besteuerungsanspruch des Staates das Übergewicht, das erst ein halbes Jahrhundert später wieder wegfiel 66 • Döhler unternahm auch den wenig zukunftsträchtigen Versuch, die Obergrenze der Abgaben auf ein Fünftel bis ein Drittel der Einnahmen des Steuerpflichtigen zu begrenzen61 • 58 59

60 61 62 63 64 65 66 61

(31) Börner S. 242. (31) Börner S. 248. (296) Strelin S. 46. (31) Börner S. 251. (31) Börner S.249. (31) Börner S. 259. (31) Börner S. 262. (31) Börner S. 269. (51) Döhler S. 88. (51) Döhler S.91; (224) Pfeiffer S.114.

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4. Die Entwicklung der sogenannten Grundsätze der Besteuerung

Pfeiffer hat nur als fleißiger und fruchtbarer Abschreiber Bedeutung erlangt. Immerhin brachte sein ausführlicher Stil in vielen Punkten Klarheit, die sonst die Kürze der Ausdrucksweise zum Opfer fielen. Er verankerte die Proportionalität der Steuererhebung in den Besteuerungsgrundsätzen 68 und zeigte damit, daß der Gedanke einer progressiven Besteuerung - von Ausnahmen abgesehen 69 - im realen Besteuerungs geschehen wie in der wissenschaftlichen Diskussion eine Frucht des reifen neunzehnten Jahrhunderts ist. Außerdem ist Pfeiffer ein weiterer Versuch zu verdanken, das Steueraufkommen des einzelnen durch eine Obergrenze zu limitieren. Er entwickelte den Justischen Grundsatz der Maßgeblichkeit der Staatseinnahmen für die Staatsausgaben70 weiter und staffelte den Staatsbedarf gleich Steuerbedarf nach Prioritäten. Die Staatsausgaben sollten in folgender Reihenfolge befriedigt werden: Unvermeidliche Ausgaben, nötige Ausgaben, nützliche Ausgaben und bequemliche Ausgaben71 • Eine Weiterentwicklung Justischer Gedankengänge stellte auch der Besteuerungsgrundsatz fester Sätze für den Fall eines erforderlichen Steuererlasses dar. Alle Kameralisten standen dem Steuererlaß, der sogenannten Remission, mit Mißtrauen gegenüber. In einem gerechten Steuersystem verletze jeder Individualerlaß die Gleichheit der Besteuerung. Deshalb erkannten die Kameralisten die Berechtigung von Steuererlässen nur bei objektiv feststellbaren Fällen allgemeiner Katastrophen an. Pfeiffer wollte die Erlaßsätze gesetzlich regeln und feste Gewinnverluste an feste Erlaßanteile koppeln 72 • Ihm gelang auch erstmals die übersetzung der Besteuerungsgrundsätze in das Steuerrecht. Er forderte konsequenterweise in einem von ihm aufgestellten Besteuerungsprinzip, daß eine gute Abgabe nach vernünftigen Regeln, das heißt Besteuerungsgrundsätzen gestaltet und nach ihrem Gegenstand, Natur und Endzweck geprüft sein müsse 73 • Schließlich findet man bei Pfeiffer die alte und oft wiederholte Inflationsklausel der steuerlichen Volksschriften in neuer Formulierung wieder. Gute Abgaben müßten zu dem relativen Geld- und Warenpreis in einem guten Verhältnis stehen, da sonst der Zufall darüber entscheidet, ob Untertanen oder Staatskasse zu kurz kommen 74 • Dieser Besteuerungsgrundsatz geriet erst mit der Verankerung des Nominalprinzips im Währungssystem in Vergessenheit (222) (135) 70 (136) 71 (222) 72 (224) 73 (224) S.328. 74 (223) S.317. 68 69

Pfeiffer S.27; (224) Pfeiffer Bd.4 Teil 2 S.135, 145. Justi S. 362. Justi Bd. 2 S. 31. Pfeiffer S.47. Pfeiffer Bd. 2 Teil 2 S. 135. Pfeiffer Bd.4 Teil2 S.134; so auch später wieder (167) Leipziger Pfeiffer S.877; (296) Strelin S.25; (300) Strelin S.22; (243) Rößig

4.1. Die Entfaltung des Systems der Besteuerungsgrundsätze

109

und wurde bis zu diesem Zeitpunkt von vielen Kameralisten wiederholt. Die Besteuerungsgrundsätze von Sonnenfels, des Konkurrenten und Nachfolgers Justis auf dem Kamerallehrstuhl am Wiener Theresianum, zeigten großes wirtschaftliches Verständnis und waren elegant formuliert75. Sie brachten aber keine neuen Erkenntnisse. Der in seiner Zeit hochgerühmte Jung-Stilling läßt sich nur schwer in die Reihe der Kameralschriftsteller einordnen. Er dürfte der einzige echte Nationalökonom unter der Fülle der Verwaltungsjuristen und verwandter Berufe sein. Dementsprechend bietet er in seinen Besteuerungsgrundsätzen Erkenntnisse der wirtschaftlichen Steuerlehre dar, die von der Kameralistik zwar nicht gewürdigt und übernommen wurden, die aber wegen ihrer Modernität Beachtung verdienen. Er forderte zunächst, daß die Steuer sich wie das Gewerbe verhalten soll, auf dem sie ruht7 6 • Die Forderung nach Berücksichtigung der strukturellen und betrieblichen Bedingungen der Privatwirtschaft bei der Gestaltung der Steuer war für die damalige Zeit einmalig. Ebenso revolutionär war Jungs zweite Forderung, den ersparten reinen Ertrag wieder zur Beförderung der allgemeinen Glückseligkeit einzusetzen77 . Jung begründete hier eine Reinvestitionspflicht der Privatwirtschaft: Was nicht dem Lebensbedarf des Unternehmers und der Begleichung der Steuerforderungen dient, muß wieder der Wirtschaft zufließen. Der Zusammenhang zwischen Steuerhöhe und den dem Unternehmen verbleibenden Wirtschaftsförderungsmitteln war allerdings schon bei Justi angedeutet worden. Die Darstellung und Deutung der Zusammenhänge im einzelnen blieb aber Jung vorbehalten. Strelin bestach durch seine klare Erkenntnis der finanzpolitischen Zusammenhänge. Er bereicherte die Besteuerungsgrundsätze um Prinzipien steuertechnischer Praktikabilität. Erste Erkenntnis war die Einführung der Problematik der Steuerabwälzung in die Besteuerungsgrundsätze. Strelin wollte denjenigen steuerlich belasten, der nach der Intention des Gesetzgebers belastet werden so1l78. Er erstrebte also eine Deckung von rechtlicher und wirtschaftlicher Steuerträgerschaft. Seit Strelin bekämpfen sich im Kameralismus Freunde und Gegner der Steuerabwälzung. Wer nur in der psychologischen Durchsetzung der Steuerforderungen im Interesse eines hohen Ertrages den Sinn der Abwälzung sieht, muß den Abwälzungseffekt freudig begrüßen. Die Anhänger einer genauen Erfassung der Besteuerungsquellen im Sinne 75 76 77 78

(285) (128) (128) (296)

Sonnenfels S. 60, 109 - 117. Jung S.226. Jung S.226. Strelin S. 28.

110

4. Die Entwicklung der sogenannten Grundsätze der Besteuerung

einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung standen den Abwälzungsvorgängen stets mißtrauisch gegenüber und suchten das Abwälzungsgeschehen gesetzestechnisch in den Griff zu bekommen. Strelins zweite Erkenntnis resultierte aus einer intimen Vertrautheit mit der psychologischen Situation des Steuerzahlers. Er forderte, daß man die Auflagen von Gütern erheben solle, die der Eigentümer noch nicht voll in seiner Gewalt hat7 9• In modifizierter Form deckte sich dieses Verlangen mit der alten Forderung nach Restefeindlichkeit der Abgaben (Forderung nach steuertechnischer Begünstigung eines vollständigen Einganges der festgesetzten Steuern), die auch Strelin noch zusätzlich forderte 80 • Inspiriert wurde das Prinzip von dem steuerlichen Wissen der alten Akziseschriften, die allgemein die Härte des Steuerrechts beklagten, das dem Kaufmann den Verkauf der Waren erst nach Entrichtung der Akzise erlaube. Die Erfahrungen der Steuerverwaltung gaben dagegen Strelin bis heute recht. Strelin besaß auch als erster Kameralist genügend Zynismus, die leichte Kontrollierbarkeit der Abgaben durch den Staat als einen Vorzug guter Steuern zu preisen81 • Strelin stellte insoweit einen Sonderfall dar, als seine Veröffentlichungen sich über 43 Jahre bis in die Endzeit des Kameralismus erstreckten. Trotz rezeptiver Erörterung späterer wissenschaftlicher Erkenntnisse wurde sein eigener Katalog an Besteuerungsgrundsätzen kaum berührt. Einzige echte Erweiterung seines langen Kameralistendaseins war die durch den wirtschaftsschädlichen Zinsverlust induzierte Erkenntnis, die Steuer möglichst lange in den Händen des Steuerpflichtigen zu lassen82 • Fabricius erweiterte das aus der Gleichheit der Besteuerung resultierende Verbot individueller Steuerbefreiungen um den Gedanken, daß der Staatsbedarf durch Steuerbefreiungen nicht sinkt, sondern gleich bleibt und die Fehlsummen deshalb von den Steuerpflichtigen mitgetragen werden müssen 83• Der Grundsatz der Schonung des Notbedarfs schützte bisher die leibliche Notdurft des Steuerschuldners vor der Steuervollstreckung. Fabricius faßte unter den Notbedarf auch die Arbeitsgeräte und -materialien, da sie dem Lande bei Entzug durch die Vollstreckung nichts bringen und nur einen Almosenempfänger mehr erzeugen84 • Lamprecht85 , Berg86 und Rüdiger 87 trugen zu den überlieferten Besteuerungsgrundsätzen nichts Originelles bei. 79 80

81 82

83 84

85

(296) Strelin S. 44. (296) Strelin S. 46. (298) Strelin S. 78. (297) Strelin S.204; (243) Rößig S.319. (67) Fabricius S. 425. (67) Fabricius S. 426. (159) Lamprecht S.311.

4.1. Die Entfaltung des Systems der Besteuerungsgrundsätze

111

Dagegen entwickelte Rößig ein umfassendes System von Besteuerungsregeln auf der Basis der hergebrachten Grundsätze. Obwohl er das üblich gewordene Verbot der staatlich erzwungenen Vermögensentdeckung für steuerliche Zwecke wiederholt, forderte er geeignete schriftliche Unterlagen zur Erfassung der Besteuerungsmerkmale (Saatund Lagerbücher, gerichtliche Bestätigung aller Kontrakte, Unterlagen über den Zinslauf)88. Die Verwertung schriftlicher Urkunden für Besteuerungszwecke wurde schon in vorkameralistischer Zeit gefordert. Neu war aber der Gedanke umfassender schriftlicher und staatlich angeordneter Erfassung aller besteuerungserheblichen Vorgänge. Die Berücksichtigung von kontinuierlichen Änderungen der für die Besteuerung maßgeblichen Umstände im Rahmen der Besteuerungsprinzipien89 folgte dem Trend von der konkreten Maßnahme zum generalisierenden Prinzip, der parallel der historischen Perfektionierung des Besteuerungssystems läuft. Je perfektionierter die Besteuerungstechnik wurde und viele bisher streitige Fragen aus sachlogischen Gründen im Sinne der bisherigen Forderungen der Kameralisten löste, desto allgemeiner und abstrakter gestalteten sich die Grundsätze der Kameralschriftsteller. Der Einfluß der Physiokratie auf den deutschen Kameralismus blieb gering 90 . Immerhin fanden Gedanken über die wirtschaftlichen Steuerwirkungen Einfluß auf das mitteleuropäische Kameraldenken und veranlaßten zum Beispiel Rößig den Grundsatz der Preisneutralität der Steuern aufzustellen. Die Steuer dürfe den Produktionspreis nicht so heraufsetzen, daß diese auf den Handelspreis durchschlage, und die Preise der liegenden Güter nicht herabsetzen, weil die Nutzungen der Grundstücke ihren Wert mitbestimmen91 • Der Gedanke einer allumfassenden Quellenbesteuerung kam bei Rößig in dem Grundsatz zum Durchbruch, daß der Staat berechtigt ist, von jedem Gewinn der Bürger Steuern zu erheben, den diese unter dem Schutz des Staates ziehen92. Darin lag die Anerkennung der modernen Quellenbesteuerungstheorie. Es sollte nicht nur der Arbeitseinsatz, sondern auch der Kapitalertrag dem Staate zugute kommen. Sogar zufällige Einkünfte wie Erbschaften und Lotteriegewinne sollten der Besteuerung unterliegen 93 . 4.1.4.2. Rößig leitete kameralwissenschaftlich schon in das beginnende neunzehnte Jahrhundert über, das unter dem zunehmenden Einfluß

86 87 88 89 90

(20) Berg Teil 2 S. 117. (250) Rüdiger S. 132 ff. (243) Rößig S. 310. (243) Rößig S. 312.

Rößig bezeichnete die Physiokraten schlicht als Spinner: (243) Rößig S. 311. (243) Rößig S. 313 f. 92 (243) Rößig S. 320. 93 (243) Rößig S. 318. 91

112

4. Die Entwicklung der sogenannten Grundsätze der Besteuerung

von Adam Smith stand. Obwohl Smith - wie schon ausgeführt steuerlich wenig hergab, darf seine Wirkung auch im Steuerrecht nicht übersehen werden, da sich viele Autoren seinem Ideengebäude allgemein verpflichtet fühlten, ohne konkrete steuerliche Gedanken zu übernehmen. Prätorius unterschied zwischen den Grundsätzen der Gestaltung guter Abgaben und den Grundsätzen der Einrichtung der Besteuerung94 • Er nahm zu den verschiedenen Systemen der hochkameralistischen Vorgänger Justi, Bergius, Bielefeld, Sonnenfels und Strelin Stellung, zitierte Adam Smith und bemühte sich um Klassifizierung. Inhaltlich brachte er nichts Neues95 • Das Gleiche galt für Schölzer, bei dem aber eine Akzentverschiebung feststellbar war. Er betonte ausdrücklich "die heiligsten Rechte des Bürgervereins"96, das Willkürverbot, das durch feste und unveränderliche Prinzipien abzusichern sei97 und zeigte gleichzeitig ein ausgeprägtes privatwirtschaftliches Einfühlungsvermögen. Der liberale Einfluß angelsächsischer Prägung ist hier unverkennbar98 • Fast gleichlautend äußerte sich Späth99 • Sein Verdienst lag in der Herausarbeitung der proportionalen Ertragsbesteuerung. Er ließ für die Besteuerung des Einkommens nicht das Verhältnis der Vermögensgegenstände, sondern richtigerweise das Verhältnis der fließenden Einkünfte maßgeblich sein100 • Epigonenhaft und bedeutungslos waren die Wiederholungen zu den Besteuerungsgrundsätzen bei Stokar von Neuform 101 • In der Spätzeit des Kameralismus fächerten die verschiedenen Autoren nach vertretenen Auffassungen und besonders nach qualitativem Niveau der wissenschaftlichen Erörterung weit auseinander. Sehr schwache Werke standen neben hochmodernen und gründlich in die Tiefe dringenden Veröffentlichungen. Beispielhaft dafür waren die Werke Fuldas, der sich am wissenschaftlichen Gespräch über steuerliche Fragen im neunzehnten Jahrhundert zwei Jahrzehnte bis zum Ausklang des Kameralismus beteiligte. Seine Forderung, die Totalsumme der Steuern müsse sich nach dem Staatsbedürfnis richten102 ,

94 95 96 97

(229) Prätorius S. 55. (229) Prätorius S. 56 - 76. (262) Schlözer S. 163. (262) Schlözer S. 162. 98 (262) Schlözer S. 219. 99 (288) Späth S. 28 - 30. 100 (288) Späth S. 28. 101 (294) Stokar von Neuform S.31, 61. 102 (82) Fulda S.914.

4.1. Die Entfaltung des Systems der Besteuerungsgrundsätze

113

gilt noch heute als anerkanntes Prinzip und weicht von dem sorglich hausväterischen Prinzip der Hochkameralisten ablos, die den Geldeingang als Limit für die Ausgabenmasse erachteten. Fulda sah auch zum ersten Mal die verschiedenen Klassen der Steuerpflichtigen, unter denen es eine gerechte steuerliche Gleichheit zu wahren gilt l0 4, und stellte nicht allein auf die individuellen Verhältnisse ab. Er hielt auch die Abwälzbarkeit einer Steuer für einen begrüßenswerten Vorteip05. Damit bewertete er die psychologische Verträglichkeit einer Steuer im Einklang mit modernen Steuerpolitikern höher als die gleichmäßige und im Sinne der verteilenden Gerechtigkeit richtigere Steuerfestsetzung nach individuellen wirtschaftlichen Merkmalen. Die Forderung nach gleichmäßiger Erfassung aller Besteuerungsquellen - Grundrente, Kapitalrente, Arbeitsrente - in einem selbständigen Besteuerungsgrundsatz l06 beruhte eindeutig auf Adam Smith. Zwar forderten alle Kameralisten die Zahlung der Steuern in Raten, aber Fulda blieb es vorbehalten, die Steuervorauszahlungen in Monats-, Vierteljahresund Jahresraten in den Besteuerungsgrundsätzen festzuhalten l07 . Im Zuge der napoleonischen Einschmelzung der deutschen Kleinstaaten begründete er auch die damals keineswegs selbstverständliche Forderung nach einem gleichförmigen Steuerfuß im gesamten Staatsgebietl08 . Im angelsächsischen liberalen Ansturm mißverstandener Bürgerrechte ließ sich dieser im übrigen noch heute aktuelle Autor verleiten, in seinen Prinzipien von der genauen Ermittlung der Einkünfte zugunsten einer äußerlichen Schätzungsbesteuerung ohne strenge Vermögensuntersuchung abzuweichen l09 . Er stand damit in Einklang mit der herrschenden Zeitmeinung aber im Widerspruch zu seinen eigenen Grundlagenerkenntnissen. Krug erweiterte Strelins Prinzip der Vermeidung der Zinsverluste bei der Besteuerung durch die Formulierung, das Geld müsse möglichst lange in den Händen der Steuerpflichtigen bleiben und bald wieder in Zirkulation kommen, das heißt, es dürfe keinen Zinsverlust des Steuerpflichtigen ohne korrespondierenden Zinsgewinn des Staates geben110. Krug begründete auch einen steuerlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Mittel der Zweckerreichung (Steuererhebung) dürften nicht 103 104 105 108 107 108 109 110

Auch wieder (283) Soden Bd. 3 S. 130. (82) Fulda S.922; (80) Fulda S.282. (82) Fulda S.932; (83) Fulda S.162. (83) Fulda S. 155. (83) Fulda S. 164. (83) Fulda S.168. (83) Fulda S. 158 - 160. (156) Krug S. 129.

8 Jenetzky

114

4. Die Entwicklung der sogenannten Grundsätze der Besteuerung

kostbarer und drückender sein als der Zweck selbst (die gemeinschaftliche Glückseligkeit Justis)111. Der Verwaltungstechniker Soden überging die Besteuerungsgrundsätze kurz und beiläufig. Ohne eigene Grundsätze aufzustellen, kommentierte er die überkommenen Grundsätze knapp. Das Problem der Belastungsgrenze suchte er mit dem Hinweis zu umgehen, der Preis der Produkte und nicht die Staatsbürger seien steuerbar112. Diese Argumentation fand keine Befürworter, da die Steuerbeitreibung natürlicherweise trotz dieser Betrachtungsweise auf dem Individuum ruhte, das die Steuergesetzgebung zur Steuerentrichtung ausgesucht hatte. Crome wiederholte in seinem Werk nur die drei Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung sowie das Verbot mehrfacher Besteuerung unter verschiedenen Rubriken, Namen und Vorwänden113 . Soden und Crome lassen in ihren Werken erkennen, daß - wie schon erwähnt - mit der zunehmenden gleichlautenden Kodifizierung der steuerrechtlichen Materie und gesetzespositivistischer Verifizierung kameralistischer Postulate die Besteuerungsgrundsätze in den wissenschaftlichen Abhandlungen zunehmend an Substanziellität verloren und in das allgemeingehaltene Programmatische entgleiten. Leipziger wollte den Maßstab der Abgaben der Produktion entnehmen114. In der Produktion verkörpert sich die wirtschaftliche Kraft, an der der Staat partizipieren will. Wer das gesamte Steueraufkommen ausschließlich aus Gewerbetätigkeiten und Umsätzen bestreiten wolle, müsse zwangsläufig auf die dahinterstehende Produktionskraft als Bemessungsgrundlage und Besteuerungsmaßstab zurückgreifen. Leipziger entwickelte damit Gedanken weiter, die schon Soden gehegt hatte. Die Besteuerung des gesamten Volkseinkommens, die über den Produktionsbereich hinausging, und praktische Schwierigkeiten bei der Erfassung der Dienstleistungen im Produktionsgeschehen gaben der Produktion gegenüber dem Einkommen als Besteuerungsmaßstab keine Zukunft. Seeger erstellte ein System der Besteuerungsgrundsätze, das gesonderter Erörterung bedarf. Die Neigung der Kameralisten unter Verwendung staatsphilosophischer Gedanken und eigener praktischer Verwaltungserfahrungen am Reißbrett ein Besteuerungssystem zu entwerfen, trat bei ihm am reinsten hervor. In einer Zeit theoretischen und praktischen Experimentierens mit neuen Rechtsinstituten und großer (156) Krug S. 130. (283) Soden Bd. 3 S. 129. 113 (45) Crome S.40, 43. 114 (167) Leipziger S.319. 111

112

4.1. Die Entfaltung des Systems der Besteuerungsgrundsätze

115

juristischer Kreativität läßt sich die Urheberschaft für neue Ideen nicht immer ad infinitum verfolgen. Seeger bot ebenso wie Lau, Pescherinus oder Justi ein völlig eigenständiges System von Besteuerungsgrundsätzen, das aber ohne Nachfolge blieb. Er unterschied zwischen sachlichen und persönlichen Besteuerungsgrundsätzen. Sachliche Steuerprinzipien nannte er drei: Die Abgabensumme darf nicht zu groß sein. Sie muß zweckmäßig umgelegt werden. Sie muß auch zweckmäßig erhoben sein115 • Die Höhe der Abgabensumme wollte er nach dem Bedürfnis der Nation, um die nationale Selbständigkeit zu wahren116 , der fixen Ausgabensumme für den Regenten, einer guten verbeamteten Staatsverwaltung, möglichst vermiedenen Kriegen, unnötigen ersparten Gesandtschaftskosten und völliger Gewerbefreiheit bestimmen117• Den zweiten Grundsatz zweckmäßiger Festsetzung sah er in der Allgemeinheit der Besteuerung118 , der Beachtung der Beitragsfähigkeit der Bürger 119 , der Industrieschädlichkeit der Abgaben120 und einigen Prinzipien finanztechnischer Festsetzungsmethodik121 • Das dritte Prinzip zweckmäßiger Erhebung erblickte er in der wohlfeilen Erhebung zu günstigen Terminen durch öffentliche unbestechliche Beamte122 • Bei den persönlichen Steuerprinzipien gab es nach See ger keine Steuerarten und keine Besteuerungsobjekte. Alle volljährigen männlichen Bürger von 21 bis 66 Jahren mit Ausnahme der Unterstützungsempfänger sollten steuern123 • Die Steuer bleibt für alle Zeiten gleich und richtet sich in der Höhe nach festen Klasseneinteilungen, die verschiedene bürgerliche Rechte und Pflichten beinhalten124 • Jeder Bürger schätzt sich selbst ein und alle zehn Jahre werden die Steuerklassen revidiert1 25 • Das System Seegers war durchdacht und entsprach auch den verwaltungstechnischen Bedürfnissen des modernen Staates. Es vernachlässigte aber die Gegebenheiten moderner Wirtschaftsstrukturen völli~.

4.1.4.3. Die restaurative nachkameralistische Epoche nach den Freiheitskriegen trug einen enzyklopädistischen und systematisierenden Charakter. Das galt jedenfalls für die großen Entwicklungslinien und die allgemeinen Grundsätze. In speziellen Fragen wurden neue Er116 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125

(275) (275) (275) (275) (275) (275) (275) (275) (275) (275) (275)

Seeger Seeger Seeger Seeger Seeger Seeger Seeger Seeger Seeger Seeger Seeger

S. 3. S. 4. S. 5 ff. S. 13. S. 16. S. 20. S. 21 f. S. 23 ff. S. 75. S. 76 ff. S. 81.

116

4. Die Entwicklung der sogenannten Grundsätze der Besteuerung

kenntnisse gefördert, worauf später noch einzugehen sein wird. Die Besteuerungsgrundsätze wurden gestrafft und gewannen den Charakter von Prinzipien ohne konkrete Gestaltungsvorschläge. Die konkreten Gestaltungsvorschläge hatten in den Kodifikationen inzwischen aus der Natur des Regelungszusammenhanges heraus ihre Berücksichtigung gefunden oder sich als utopische Schreibtischkonstruktionen erwiesen. Krehl begründete die nunmehr übliche Einteilung der Besteuerungsgrundsätze in das Gesetz der Allgemeinheit126 , das Gesetz der Gleichheit127 und das Gesetz der Größe 128 • Die beiden Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit bedurften keiner Begründung mehr. Das Gesetz der Größe wurde auf den einzigen Zweck der Steuern gestützt, der in der Unterstützung der Staatsanstalten (Staatsveranstaltungen) besteht. Deshalb durfte keine Steuer den Wohlstand des einzelnen angreifen und die Totalsumme der Steuern die wirtschaftliche Nationalkraft nicht verringern129 • Daneben wiederholte Krehl noch die alten überlieferten Besteuerungsgrundsätze ohne Kommentar130 • Eschenmayer repetierte lediglich die herkömmlichen Besteuerungsgrundsätze131 , obwohl er zeitnahe Kameralschriftsteller zitierte. Immerhin sah er in moderner Betrachtung im Einkommen den einzig gerechten Verteilungsmaßstab für die Steuerfestsetzung132 • Der Einfluß Raumers, der das britische Besteuerungssystem in einem vielbeachteten Werk lobend dargestellt hatte, ist insoweit unverkennbar. Auch Behr wiederholte ohne Originalität nur hergebrachte Prinzipien133 • Die Herleitung der Steuerpflicht nach Grund und Höhe wurde auf die Teilhabe an den Garantieanstalten des Staates gestützt134, wobei die Realisation dieser Garantieanstalten in der persönlichen Sphäre des einzelnen Bürgers den einzigen Maßstab der Steuerpflicht bilden dürfte. Der Begriff der Garantieanstalten blieb unscharf; er deckte sich ungefähr mit der Menge der Rechtsinstitute, die der Staat für seine Beziehungen zu den Bürgern bereithielt oder bereitzuhalten hatte. Die folgenden Ausführungen Behrs zeigen, daß er die bisher übliche Rechtfertigung der Besteuerung nur extensiv auslegen, aber nicht auf eine Rechtfertigung der Besteuerung überhaupt verzichten wollte. Das weist 128 127 128 129 130 131 132 133 134

(147) Krehl S. 235. (147) Krehl S. 255. (147) Krehl S.260. (147) Krehl S.262. (148) Krehl S. 37 - 44. (65) Eschenmayer S. 29 - 32. (65) Eschenmayer S. 29. (12) Behr S. 88 - 91, 122 f. (12) Behr S. 88.

4.1. Die Entfaltung des Systems der Besteuerungsgrundsätze

117

darauf hin, daß sich die Rechtfertigungstheorien noch lange Zeit lebendig erhalten hatten, obwohl die meisten Kameralschriftsteller zu dieser Zeit schon meist keine Erläuterungen zu dieser Frage mehr verschwendeten. Die herrschende Meinung sah zu diesem Zeitpunkt die Besteuerung als staatsbürgerliche Last ohne Begründungsvorbehalt an. Ebenso überholt und altmodisch waren die Besteuerungsgrundsätze von Kröncke 135 und HarP36. Kremer schrieb in dieser Beziehung Krehl wörtlich ab, ohne den Urheber zu benennenl37 . Kronburgs Ausführungen deckten sich mit denen Behrs, wobei hier unklar bleibt, wer von wem abschrieb l38 . Unter den epigonenhaften Abschreibern der überkommenen Besteuerungsgrundsätze hoben sich Jakob und Keßler weit heraus. Jakob baute zwar auf seinen Vorgängern auf. Seine Besteuerungsgrundsätze waren aber gut aufgebaut, modern, umfassend, mit originellen Ideen angereichert und seine Ausführungen standen auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau, wenn man den Stand der Zeit berücksichtigt. Er teilte die Besteuerungsgrundsätze in Gerechtigkeitserfordernisse, nationalökonomische Prinzipien, finanzwissenschaftliche überlegungen und Organisationsregeln ein. Die Gerechtigkeitsforderungen enthielten die Unentbehrlichkeit der Abgaben für die reellen Staatsbedürfnisse, die Nützlichkeit der Abgaben für die betroffenen Steuerpflichtigen (Strenge Zweckbindung: Keine Steuern für Zwecke, von denen die Betroffenen keinen Nutzen haben), Gleichheit und Ebenmaß der Steuerverteilung nach Maßstab des genossenen Schutzes und das Gebot, niemand dürfe durch eine Abgabe ein wichtiges Rechtsgut verlieren, das ihm der Staat gerade durch diese Abgabe gewähren Will 139. Nationalökonomisch forderte Jakob die Besteuerung des reinen Einkommens ohne Verletzung des Vermögensstammes oder des werbenden Vermögens und einige herkömmliche Prinzipien wie Schutz der Quellen des Nationalreichtums, leichte und wohlfeile Steuererhebung, Ratenzahlung, Vermeidung von Zinsverlusten und nur geringstmögliche Einschränkung der persönlichen Freiheit140 • Der Schutz der persönlichen Freiheit war damit von einem Grundrecht zu einem nationalökonomischen Zweckmäßigkeitsgrundsatz degeneriert. Als finanzwissenschaftliche Regeln verstand Jakob die alten Prinzipien der Eingangsgewißheit, der Hinterziehungssicherheit, der personalsparenden und kostenbilligen 135 136 137 138 1311 140

(154) Kröncke S. 62. (98) Harl Bd. 1 S. 74 f., Bd.2 S. 525 ff. (151) Kremer S. 84 f. (155) Kronburg S. 175. (122) Jakob Bd.l S. 369 f. (122) Jakob Bd. 1 S.370.

118

4. Die Entwicklung der sogenannten Grundsätze der Besteuerung

Erhebung141 , den Schutz des Notbedarfs, den Schutz der persönlichen Einkommensquellen vor Substanzverzehr142 und den Leistungsanreiz der überlassung eines möglichst großen Anteils am reinen Gewinn vor Abzug der Steuern an den Steuerpflichtigen143 • Als Organisationsregeln nannte Jakob unter Wiederholungen und überschneidungen in seinem Prinzipienkatalog die Eingangsgenauigkeit und die bequeme Erhebung144• Keßler brach völlig mit den überlieferten Systemen und zählte nur noch zeitlich zum Kreis der Spätkameralisten. Seine Besteuerungsprinzipien verzichteten auf jede außerfinanzwissenschaftliche Aussage. Sie waren außerdem rein funktional und formal. Trotzdem bezeichnete Keßler seine drei Besteuerungsgrundsätze als Prinzipien der gerechten Besteuerung und kennzeichnete damit den Bedeutungswandel der Gerechtigkeit in der Besteuerung vom materialen Gebot zur formalen Ordnungsnorm. Die Verbindlichkeit, Steuern zu zahlen, knüpfte sich nach Keßler an die Ausübung des Rechtes, Eigentum zu erwerben, an. Daraus ergab sich die nächste Forderung, daß nur der wirkliche Erwerb besteuert werden darf. Vermögensumschichtungen sollten außer Betracht bleiben beziehungsweise nur besteuert werden, wenn mehr erworben als hingegeben wird in Höhe des erzielten überschusses. Als Beispiele benannte Keßler: Erbschaften, Geschenke, Lotterien, Gewinne, Zinsen, Gefälle, Gehälter, Erträge etc. Der dritte Grundsatz besagte, daß die Steuerpflicht in das Jahr fällt, in dem der Erwerb eintritt, womit die Jahresveranlagung begründet wurde145• 4.1.5. Den Ausklang der kameralistischen Besteuerungsgrundsätze bildeten die Darstellungen der schon nicht mehr ohne Einschränkung zum Kameralismus zu zählenden Steuerschriftsteller Baumstark und Rau. Baumstark straffte das von Krehl übernommene System: Das Gesetz der Allgemeinheit enthält eine persönliche Seite (keine Steuerfreiheiten) und eine sachliche Seite (alle gegenständlichen Besteuerungsobjekte unterliegen der Steuer). Das Gesetz der Gleichheit folgt aus der Allgemeinheit der Besteuerung und umfaßt eine absolute, numerische wie auch eine relative, proportionale Gleichheit. Das Gesetz der Größe verpflichtet den Staatsbürger nicht mehr und nicht weniger zu steuern als zur Deckung des streng berechneten Staatsbedarfs erforderlich ist. Das Gesetz der Volkswirtschaft bindet den Staat, die 141 142 143 144 145

(122) (122) (122) (122) (141)

Jakob Bd.1 S.371. Jakob Bd. 1 S. 610. Jakob Bd. 1 S.389. Jakob Bd.2 S. 1113. Keßler S.16.

4.2. Die Entwicklung der inneren Prinzipien des Systems

119

Staatsbürger mit möglichst geringer Störung ihrer wirtschaftlichen Bestrebungen der Steuer zu unterwerfen l46 • Rau reduzierte die früher umfangreichen Besteuerungsgrundsätze ebenfalls auf wenige Grundprinzipien: Alle Staatsbürger sind schuldig, Auflagen zu tragen. Darin liegt sowohl die Allgemeinheit der Besteuerung als auch der Verzicht auf jede Art von Rechtfertigung der Besteuerung. Alle Bürger sind nach gleichen Regeln und gleichem Maßstabe heranzuziehen147 • Die Gleichförmigkeit der Auflagen beschränkt sich damit auf die rein gesetzestechnisch verstandene Gleichheit vor dem Gesetz. Der dritte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit formalisiert die Höhe der Steuerpflicht1 48 • Jeder Staatsbürger ist nur nach dem Grade des Mitgenusses an den Staatsvorteilen und nach den Umständen seiner persönlichen Beitragsfähigkeit steuerpflichtig. Die Ausführungen von Rau und Baumstark formulierten die Besteuerungsgrundsätze in gültiger Form, schlossen den Kameralismus wissenschaftlich ab und leiten zur neueren Finanzwissenschaft über. 4.2. Die Entwicklung der inneren Prinzipien im System der Besteuerungsgrundsätze Der historische Ablauf der Entwicklung des Systems der Besteuerungsgrundsätze folgte inneren Strukturänderungen, die bei der Abhandlung der einzelnen Prinzipien nicht transparent werden. Sie bedürfen deshalb gesonderter Untersuchung. Programmatische Sätze zur Gestaltung der Steuerwissenschaft gab es schon in vorkameralistischer Zeit. Das bunte Gemisch verschiedenartiger unsystematisch aneinandergefügter Leitsätze verdiente aber in dieser Zeit noch das späteren kameralistischen Epochen zu Unrecht angehängte Attribut einer Rezeptenlehre. Die herausgehobenen Leitsätze unterschieden sich von dem übrigen Text nur durch die besondere Bedeutung, die ihnen der jeweilige Autor subjektiv beimaß. Das galt ohne Einschränkung noch für den schon zitierten Boecklerl49 • Der Frühkameralist Lau ordnete zwar seine Grundsätze noch nicht nach Sachgruppen oder inneren Einteilungsprinzipien, der einzelne Besteuerungsgrundsatz enthält aber schon alle Merkmale eines echten Obersatzes, unter den die oft sehr weitschweifigen sonstigen Ausführungen subsumiert werden können150 • Der seiner Zeit weit vorauseilende Pescherinus baute seine Besteuerungsprinzipien nach einem 146 147 148 149 150

(7) Baumstark S. 718. (234) Rau Bd. 2 S. 8. (234) Rau Bd. 2 S. 10. (30) Boeckler S. 2 - 17. (161) Lau S. 314 - 318.

120

4. Die Entwicklung der sogenannten Grundsätze der Besteuerung

durchdachten Schema auf 151 • Zwei Grundsätze behandelten Fragen der gerechten Besteuerung, zwei Grundsätze behandelten wirtschaftliche Fragen und der letzte Grundsatz äußerte sich zur finanzwissenschaftlichen oder steuerwissenschaftlichen Problematik. Eulner fiel in die Systemlosigkeit bei Lau zurückl52 • Seine Vorschläge waren auch sehr bildhaft und wenig allgemein abgefaßt, obwohl ihnen die Originalität nicht abgesprochen werden kann. Zincke erreichte den für den Hochkameralismus typischen Stil prägnanter und hinreichend allgemein gehaltener Grundsätze und teilte sein System schon in Gerechtigkeitsund Klugheitsgrundsätze ein; unter erstere ordnete er alles ein, was irgendwie juristisch erschien, während die Klugheitssätze Wirtschaftsfragen, Psychologisches und Verwaltungstechnik einschlosseni53 • Justis Regelsystem war das differenzierteste und umfassendste System von Besteuerunggsrundsätzen, das im Kameralismus ausgearbeitet wurde, obwohl er in den Einzelheiten von Spät- und Nachkameralismus historisch überholt wurde. Seine sechs Besteuerungsprinzipien im engeren Sinne 154 waren logisch eingebettet in ein geschlossenes Schema von staatswissenschaftlichen und populärhistorischen Prinzipieniss. Dadurch erschien jeder Besteuerungsgrundsatz zusätzlich als Untersatz zu übergeordneten Obersätzen bis das gesamte Begriffsgebäude in Anlehnung an das spinozische Lehrgebäude in der philosophischen Staatsauffassung Justis endete. Unmittelbar aus dem philosophischen Denken Justis folgten drei sehr allgemein gehaltene Regeln zur Staatswirtschaft, aus denen ein System von fünf Grundregeln und elf Folgeregeln abgeleitet wurde, das in konkreter Aussage die gesamte Staatswirtschaft regeln sollte. Die sechs Steuergrundsätze waren zwar einerseits weitgehend historisch überliefert, wurden aber erkenntnistheoretisch aus den staatswirtschaftlichen Regeln hergeleitet und waren damit im Gesamtgebäude staatswirtschaftlichen und -rechtlichen Denkens widerspruchsfrei verzahnt. Börner156 , Döhler157 , Pfeiffer158, Sonnenfels159, Strelin160, Rößig161 und die weniger bekannten Steuerkameralisten ihrer Zeit behielten den 151 152 153

154 155 156 157 158

159 160 161

(220) Pescherinus S. 33 - 56. (66) Eulner S. 89 f. (326) Zincke S. 790 - 807. (132) Justi S. 23 - 42. (136) Justi Bd.l S. 471 - 485, Bd.2 S. 26 - 86, 307 - 315. (31) Börner S. 238 - 270. (51) Döhler S. 86 - 97. (222) Pfeiffer S. 26 - 47; (224) Pfeiffer Bd.2 Teil2 S. 107 - 135, Bd.4 (285) Sonnenfels S. 60 - 117. (296) Strelin S. 19 - 47. (243) Rößig S. 310 - 321.

4.2. Die Entwicklung der inneren Prinzipien des Systems

121

Stil Justis bei. Einige führende Spätkameralisten verzichteten schon kommentarlos auf die übliche Methode, Besteuerungsgrundsätze voranzustellen. Die Steuerregeln der genannten Autoren waren meist genau, bestimmt, klar und allgemein gehalten, wurden aber in bunter Mischung dargeboten. Bei Rößig fand sich andeutungsweise eine Gliederung in Sachgruppen. Rechtliche, wirtschaftliche und verwaltungstechnische Regeln setzten sich erkennbar voneinander ab. Bei Prätorius162, Fulda163 und Krug 164 unterschieden sich diese Bereiche schon deutlicher. Die Gerechtigkeitserwägungen traten mit dem Abebben der Aufklärungsideen in den Hintergrund; wirtschaftliche Betrachtungsweisen gewannen an Bedeutung. Gleichzeitig veränderten die Besteuerungsprinzipien ihre Struktur. Gaben sie vorher eindeutige Weisungen für konkrete Maßnahmen, so gewannen sie jetzt den Charakter sehr kurz gefaßter besteuerungspolitischer Ideale, die der Konkretisierung und Ausfüllung in der Praxis bedurften. In den Werken Sodens 165, Krehls166 und Keßlers 167 ist dieser Prozeß schon vollzogen. Bei den zuletzt genannten Autoren verdrängten nationalökonomische Ideen in juristischer Verkleidung zum Teil die überlieferten Kameralprinzipien. Die Technik der Analyse steuerlicher Gedanken erreichte einen hohen Stand, obwohl deutlich festgestellt werden kann, daß die kameralistische Staatsauffassung in ihrer dargestellten eigenartigen Ausprägung nicht mehr dahinter stand. Nach einem liberal gefärbten Zwischeneinfluß gewannen die Gedanken der Restauration in Form einer neuen Staatsbejahung an Gewicht. Die Autoren Jakob 168 , Rau 169 und Baumstark170 beendeten in einem letzten Aufschwung die kameralistische Entwicklung der Besteuerungsgrundsätze. Das überkommene System der Kameralgrundsätze wurde mit dem westeuropäischen Wirtschaftsdenken einer harmonischen Synthese zugeführt. Grundsatzstreitigkeiten und philosophische Auseinandersetzungen waren zu diesem Zeitpunkt ausdiskutiert oder als unerheblich verdrängt. Die Besteuerungsgrundsätze hatten den hohen Abstraktionsgrad steuerlicher Ideale erreicht. Viele früher strittige konkrete Einzelfragen konnten kodifikatorisch gelöst werden oder 162 163

164 165 166 167 168 169 170

(229) Prätorius S. 55 - 76. (82) Fulda S. 914 - 935. (156) Krug S. 129 - 13l. (283) Soden Bd. 3 S. 127 - 130. (148) Krehl S. 35 - 44. (141) Keßler S. 16. (122) Jakob Bd. 1 S. 369 - 389, 610, Bd. 2 S.1113. (234) Rau Bd. 2 S. 8 - 10. (7) Baumstark S.718.

122

4. Die Entwicklung der sogenannten Grundsätze der Besteuerung

hatten sich historisch überholt. Gleichzeitig war es gelungen, im Bestreben nach klarer Begrifflichkeit und prägnanter Kürze Systeme zu formulieren, die sowohl Ausdruck der neuen Zeit als auch gültige Darstellung von anderthalb Jahrhunderten harter wissenschaftlicher Auseinandersetzung waren. In der erreichten Form konnten diese abstrahierenden Prinzipien als unbestrittene Erkenntnisse Eingang in die neuere Finanzwissenschaft finden. Darin lag die bleibende Leistung der kameralistischen Steuerliteratur.

5. Die Ausgestaltung der sogenannten Steuertafel 5.1. Die kameralistischen Vorstellungen vom System der Steuern Die kameralistischen Vorstellungen vom Gesamtsystem der Steuerarten, die sogenannte Steuertafel, erscheinen im Vergleich zur Entfaltung anderer Steuerrechtsideen eigenartig stereotyp und statisch. Betrachtet man die zweiseitige Ausrichtung des Verwaltungskameralismus, so wird die unterschiedliche wissenschaftliche Bewältigung ohne weiteres verständlich. Als theoretische Wissenschaftsdisziplin blieb das kamerale Denken stets in den juristischen Vorstellungen der Aufklärungszeit befangen. Methodisch und genetisch konnte man auch im Steuerrecht keine originellen Entwicklungen erwarten, so lange keine Probleme der Wirtschaftsrealität angesprochen wurden. Die praktische Seite des Kameralismus tauchte in steuerlicher Hinsicht viel tiefer in das sich entfaltende wirtschaftliche und gesellschaftliche Geschehen hinein, als das vom sich etwas später entwickelnden allgemeinen Verwaltungsrecht oder gar vom zeitgenössischen Zivilrecht zu erwarten war. Überwog die konkrete Lebenswirklichkeit in der Problemstellung, so finden wir die quellende Fülle der Ideen und die zukunftsweisende Frische der Gedankengänge, die den Kameralismus so zeitnah wirken läßt. Die Verbindung der theoretischen Prinzipien mit den fordernden Bedürfnissen der Praxis gelang auch im Nachkameralismus nicht, weil die Synthesis nur auf der Basis der juristischen Methodenlehre des zwanzigsten Jahrhunderts möglich gewesen wäre. 5.1.1. In der Einteilung der Steuern nach polaren Kriterien konnte sich trotz aller zwischennationalen Befruchtungen das abstrakt systematisierende Wolffsche Denken voll behaupten. Der Zustrom praktischer Erfahrungen fehlte. Die stereotypen Wiederholungen sind infolgedessen unübersehbar. Die Einteilungsprinzipien traten geschlossen in drei unterscheidbaren Epochen auf, ohne daß durch die folgende Epoche die Systematisierungsversuche der vorangehenden Epoche verworfen wurden. Man führte die Schemata der Vorgänger fort und bereicherte sie um die neuen Erkenntnisse. 5.1.1.1. Anfänglich übernahm man die Einteilungen der vorkameralistischen Zeit. Die Dreiteilung Eulners in collectas reales, personales und mixtas knüpfte unmittelbar an Klock an1 • Aus der Zeit der Einführung 1

(66) Eulner S.74 Anm.;

(98)

Harl Bd.2 S.26.

124

5. Die Ausgestaltung der sogenannten Steuertafel

regelmäßiger Steuern stammte die Unterscheidung von ordentlichen und außerordentlichen Steuern2 • Ordentliche Steuern wurden beständig und regelmäßig erhoben3 , außerordentliche Steuern nur zu gewissen Zeiten und zu außerordentlichen landesfürstlichen Ausgaben4 • Man räumte aber bald ein, daß diese Unterscheidung in der Kameralzeit nur noch theoretischen Charakter hatte, da alle Steuern "ordentlich", das heißt dauernd und regelmäßig geworden waren5 • Daraufhin änderte man die Definition und verstand unter ordentlichen Steuern die Abgaben zur Deckung des regulären Staatsbedarfes und unter außerordentlichen Steuern die Abgaben zur Ausgleichung des Zusatzetats6 • Mit dieser Einteilung überschnitt sich die Unterscheidung zwischen freiwilligen und erzwungenen Steuern. Auch hier fand im Laufe der Zeit ein Bedeutungswandel statt. Anfänglich lebte das Bewußtsein der bittweise gegebenen "don gratuits" noch forF, dann waren freiwillig gegebene Steuern solche, die der Landtag auf Bitten des Fürsten genehmigt hatte8 , und zuletzt verstand man unter freiwilligen Steuern die Akzisen, weil man deren Entrichtung durch Konsumverzicht vermeiden konnte 9 • 5.1.1.2. Eine zweite Gruppe von Einteilungen gewann im Hochkameralismus an Gewicht; sie war besonders durch eine juridische Denkweise geprägt und orientierte sich vorwiegend am Besteuerungsobjekt. Die Unterscheidung zwischen persönlichen Steueranlagen auf die Person des Steuerpflichtigen und dinglichen Anlagen auf die Eigentumsgegenstände rührte noch aus der vorkameralistischen Epoche her und wurde nach den wirtschaftlichen Gegebenheiten weiterentwickeWo. Diese Einteilungsart variierte auch als Dreiteilung der Steuergegenstände in Personen, unbewegliche Sachen und bewegliche Sachen11 • Justi war es auch, der die Sachen als Objekte von Eigentumssteuern, Gewerbesteuern und Verbrauchssteuern begrifflich wenig überzeugend nochmals unterteilte 12 , was Bergius wohl zu seiner Einteilung der Steuern in Real-, Personal- und Gewerbesteuern veranlaßte 13• Die Zweiteilung in Personal- und Sachbesteuerung ermöglichte es späteren Kameralschrift(22) Bergius Bd.l S.2; (67) Fabricius S.429. (300) Strelin S.17; (311) Ulmenstein S.79; (72) Fischer S.45; (229) Prätorius S.79; (262) Schlözer S. 166 f. 4 (50) Dithmar S.275; (63) Eschenmayer S.12; (122) Jakob Bd.l S.420. 5 (31) Börner Bd. 2 S. 270. 6 (98) Harl Bd.2 S.22; (234) Rau Bd.2 S.59. 7 (227) Philippi S. 91. 8 (234) Rau Bd. 2 S. 56. 9 (311) Ulmenstein S. 79. 10 (26) Bielefeld S. 383. 11 (132) Justi S.49. 12 (132) Justi S. 29. 13 (22) Bergius Bd. 1 S.2; (243) Rößig S.307. 2

3

5.1. Die kameralistischen Vorstellungen vom System der Steuern

125

stellern alte und neue Steuern befriedigend zu systematisieren 14 • Rößig faßte in herkömmlicher Weise die Besteuerung von Grundstücken, Häusern und beweglichen Sachen als Realsteuerarten auf und begriff unter Personalsteuern die Gewerbesteuern, Konsumtionsteuern, Vermögensteuern und eigentlichen Personalsteuern15. Diese Einteilung befriedigte noch wenig, da sie als Personalbesteuerung alle Steuerarten empfand, bei denen die persönliche Anknüpfung optisch mehr im Vordergrund stand als der sachliche Bezug. Die überzeugendere und begrifflich sauberere Einteilung gelang Fischer, der unter Personalabgaben richtigerweise nur Kopfsteuern und ähnliche Abgaben verstand und die dinglichen Steuern in Steuern vom Gesamtvermögen (Vermögenssteuern, Erbschaftssteuern) und vom Teilvermögen, bestehend aus unbeweglichen Sachen (Grundsteuern, Wohnsteuern) und beweglichen Sachen (Gewerbesteuern, Stempelsteuern, Akzisen), aufteilte 16 . Diese Unterteilung krankte nur an der Nichtbeachtung der Unterscheidung von Vermögen und Einkommen und der Verkennung der Eigenart der Steuern und ihrer Wirkungen auf den Rechtsverkehr. Darjes unterschied zwischen Steuern auf das Vermögen und Steuern auf die Einkünfte17 ; diese Einteilung kehrte dann in der Folgezeit in wechselnden Kombinationen wieder 18 . Aus der fiskalischen Bedeutung der verschiedenen Steuern ergab sich die Scheidung in Hauptsteuern, die die Staatseinkünfte wesentlich tragen, und Nebensteuern, denen nur ergänzende Bedeutung zukommt19 . Das Begriffspaar allgemeine und besondere Steuern bezog sich dagegen auf den Tatbestandsrahmen. Allgemeine Steuern waren solche, bei denen das Besteuerungsobjekt nach generell gefaßten Kriterien umschrieben wurde, während besondere Steuern sich nur auf spezielle konkrete Steuergegenstände erstreckten20 (zum Beispiel als allgemein Steuer die Einkommensteuer, als besondere Steuer die Unterart Grundsteuer). Der Klassifizierungsversuch von Sonnenfels leitete schon zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise über. Er erkannte, daß die Klasse der Kapitalbesitzer, die von der Rente leben, steuerlich von der Klasse der Arbeiter, die vom Arbeitseinsatz leben, geschieden werden muß21. Die Differenzierung setzte allerdings nicht bei soziologischen Kategorien an, sondern verstand sich als wirtschaftliche Einkommenstheorie. Kapitalbesitz bezog (63) Eschenmayer S.12; (155) Kronburg S.173; (300) Strelin S.17. (243) Rößig S. 307. 16 (72) Fischer S. 45. 17 (47) Darjes S.587. 18 (1) Achenwall S.189; (156) Krug S.124. 19 (22) Bergius Bd. 1 S. 2; (300) Strelin S. 17; (229) Prätorius S. 81; (63) Eschenmayer S. 12. 20 (229) Prätorius S.80; (63) Eschenmayer S. 12; (275) Seeger S.62. 21 (285) Sonnenfels S. 266. 14

15

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5. Die Ausgestaltung der sogenannten Steuertafel

sich danach nicht nur auf verliehenes Geldkapital, sondern auf jegliches arbeitslose Einkommen (Grundrente, Gewerbskapitalrente, Geldkapitalrente). Zur arbeitenden Klasse gehörten nach dieser Einteilung in durchaus moderner Weise auch Beamte, Wissenschaftler, Künstler, Kaufleute und Unternehmer als Bezieher von Unternehmerlohn für ihren persönlichen Einsatz. Entsprechend diesem Schema schied Sonnenfels nach der Quellenherkunft die Realsteuern von den Industrialsteuern22 . Die letzteren knüpften an den persönlichen Arbeitseinsatz der Steuerpflichtigen an. Dieses progressive, seiner Zeit weit vorauseilenden Einteilungsmodell der Steuern fand keine Nachahmer23• 5.1.1.3. Im späten Kameralismus verstärkte sich der westeuropäische Einfluß. Wirtschaftliche Aspekte gewannen das übergewicht. Die Dreiteilung von persönlichen Auflagen, Produktionssteuern und Konsumtionssteuern24 korrespondierte mit Steuern auf Diensten, Besitz und Veräußerung25 . Man lehnte sich dabei eng an die Wirtschaftsprozesse an. Eng verwandt mit dieser Einteilung war die Klassifizierung in Steuern vom Besitz, Erwerb und Genuß26. Sehr spät erkannte man, daß der Umsatz eine vierte Steuerquelle bilden kann21. Bei den späten Kameralisten bildete sich dann eine aus der Besteuerungswirklichkeit geschöpfte pragmatische Einteilung in vier oder fünf Besteuerungsquellen heraus: Besteuerung der Personen, Besteuerung des Einkommens, Besteuerung des Vermögens und Besteuerung der Ausgaben und des Genusses28 • Neben diesen materialen Einteilungsprinzipien drangen aus Frankreich noch zwei formale Unterscheidungsmerkmale in die kamerale Vorstellungswelt von den Steuerarten ein. Repartitions- oder Verteilungssteuern und Quotitätssteuern bezeichneten die zwei Verfahren der Steuerumlegung29 . üblich war bisher das geschlossene Steuersystem mit der staatlichen Festlegung des gesamten Steuerbedarfs und Umlegung der Quoten auf Provinzen, Gemeinden und Steuerpflichtige gewesen. Aus Frankreich kam jetzt die neue offene Steuererhebung nach Deutschland, die bei der Akzise schon bisher begrifflich das einzig gangbare Verfahren gewesen war. Nun erhob man auch die Ertragssteuern durch Multiplikation der Bemessungsgrundlage mit dem Steuersatz und konnte die zu erwartende Steuermenge nur noch im Wege 22 (285) Sonnenfels S. 269. 23 (83) Fulda S.170; (80) Fulda S.290 knüpfte nur terminologisch, nicht sachlich an. (167) Leipziger S.310 meinte etwas anderes. 24 (300) Strelin S. 17; (243) Rößig S. 307; (156) Krug S. 133. 25 (293) Stewart S. 328. 26 (82) Fulda S.938; (141) Keßler S.25. 27 (141) Keßler S. 25. 28 (122) Jakob Bd. 1 S.419; (7) Baumstark S. 721. 29 (7) Baumstark S.722; (234) Rau Bd.2 S.58.

5.1. Die kameralistischen Vorstellungen vom System der Steuern

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der Vorausschätzung ermitteln. Zu den beiden Besteuerungsverfahren wird weiter unten noch eingehend Stellung zu nehmen sein. Ungleich bedeutsamer als diese Unterscheidung war der Streit um die ebenfalls aus Westeuropa 30 stammende Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Steuern31 oder dem faktisch synonymen Begriffspaar zwischen mittelbaren und unmittelbaren Steuern32. Seine Bedeutung gewann dieser Streit allerdings mehr aus dem entfachten lebhaften wissenschaftlichen Gespräch als aus den praktischen Belangen. Die wohl damals wie heute herrschende Meinung sah das Unterscheidungsmerkmal im Auseinanderfallen von Steuerpflicht und wirtschaftlicher Steuerträgerschaft. Sollte die Steuer bei regulärem Verlauf vom Steuerpflichtigen nach dem Gesetzeszweck abgewälzt werden, so handelte es sich um eine indirekte Steuer (zum Beispiel Akzise oder Stempelsteuer). Bei finaler Identität von Steuerpflicht und wirtschaftlicher Steuerträgerschaft bejahte man das Vorliegen direkter Steuern33• Im Rahmen der Lehre von der Steuerabwälzung im Kameralismus wird noch zu erörtern sein, daß diese säuberliche Trennung nur kraft ausdrücklicher Bestimmung des Gesetzgebers möglich ist und daß die realen Wirtschaftsvorgänge dem bezweckten Ziel oft widersprechen. Neben dieser Haupttheorie wurden zur Lehre von den indirekten Steuern verschiedene abweichende Unterscheidungsmerkmale für maßgeblich erachtet. Diese Abgrenzungen entbehrten meist der Eindeutigkeit und erschöpften sich oft in Zirkelschlüssen. Man differenzierte zwischen Abgaben, die für das Dasein im Staat gezahlt werden (direkte Abgaben) und Erhebungen von einzelnen Wirtschaftsprodukten in bestimmten Fällen (indirekte Abgaben)34. Andere bezeichneten als direkte Steuern alle Abgaben von der Urproduktion und als indirekte Steuern alle Abgaben von abgeleiteten Tätigkeiten35 oder unterschieden einfach zwischen dem geraden und dem krummen Weg in die Staatskasse36 . Eine einheitliche durchgehende Meinung konnte sich in dieser Frage nicht herausbilden. 5.1.2. Der Katalog der verschiedenen Steuerarten zeichnete sich im Kameralismus durch eine kaum mehr übersehbare Formenvielfalt und einen verwirrenden Namensreichtum aus 37. Das Bemühen der meisten 30 (40) Canard S.153. 31 (95) Haller S. 74. 32 (262) Schlözer S.167; (156) Krug S.132. 33 (63) Eschenmayer S.12; (154) Kröncke S. 53 - 56; (80) Fulda S.290; (122) Jakob Bd.1 S.420, 595 f., Bd.2 S.1003 -1011; (141) Keßler S.25; (98) Harl Bd.2 S.24; (83) Fulda S.259; (234) Rau Bd.2 S.57; (45) Crome Bd. 1 S.76. 34 (283) Soden S. 155. 35 (264) Schmalz S.333; (147) Krehl S. 224 f.; (149) Krehl S.43. 36 (167) Leipziger S.310; (154) Kröncke S. 51 f.; (210) Oberndorfer S.88. 37 (24) Besold S.69; (28) Bodin S. 653 - 659; (161) Lau S. 299 - 301; (274) Seckendorff S. 502.

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5. Die Ausgestaltung der sogenannten Steuertafel

Kameralisten richtete sich auf eine möglichst vollständige Erfassung aller bekannt gewordenen Besteuerungsformen38• Der überblick wird noch zusätzlich durch die übliche kameralistische Auffassung erschwert, der Leser werde schon mit jeder noch so regionalen Sonderinstitution ein festes Vorstellungsbild verbinden. Der perfektionistische Vollständigkeitswunsch verführte die Kameralschriftsteller dazu, auch Namen von Abgaben aufzuzählen, die bei rechtssystematischer Betrachtung schon nach eigener Auffassung nicht als echte Steuern gelten konnten. Vor Justi muß diesen bunten Aufreihungen jeder Anschein der Wissenschaftlichkeit abgesprochen werden. Die Aufzählungen ergeben ungefähr 200 Abgabenarten, von denen nur einem Zehntel praktische Bedeutung zukam. Erst ab Justi setzte eine Anwendung der steuerlichen Klassifizierungsprinzipien auf diese Artenfülle steuerähnlicher Abgaben ein, ohne daß eine Konzentration auf das Wesentliche ersichtlich wurde 39 , wenn man von wenigen Ausnahmen absieht40 • Selbst der große Adam Smith erfreute sich an der Vielfalt der von ihm erörterten Abgaben 41 • Im Spätkameralismus änderte sich das Bild - von wenigen Nachzüglern abgesehen42 - vollständig43 • Die wesentlichen Steuerarten wurden in begrifflicher Klarheit dargestellt und nach den jeweils anerkannten Einteilungsprinzipien geordnet, wobei die Einteilung nach Besteuerungsobjekten und nach direkter oder indirekter Besteuerung in den Vordergrund trat. Die einschichtige Betrachtungsweise Tautschers 44 muß als unzutreffend bezeichnet werden. Die Beschränkung des Quellenmaterials auf wenige Autoren, die Aussparung der spätkameralistischen Epoche und die mangelnde Sorgfalt bei Bearbeitung wirtschaftlich-juristischer Grenzprobleme führte bei Tautscher zu einer einfachen schematisierten Steuertafel, die der kameralistischen Vielfalt keinen Raum bot. Die vollständige Darstellung der Entwicklung der Steuertafel würde für sich allein schon eine gesonderte Arbeit bilden. Auch eine Wiederholung der je nach Ansicht der verschiedenen Autoren wechselnden Zuordnungen bestimmter Abgaben zu unterschiedlichen Einteilungsschemata ist nicht beabsichtigt. Für die Systemgeschichte und den Wandel der Steuerrechtsinstitutionen geben solche Unter38 (326) Zincke S. 812 - 896; (173) Lith S. 345 - 383; (51) Döhler S. 18; (195) Moser S. 503 - 583. 39 (132) Justi S. 50 - 201; (135) Justi S. 409 - 496; (31) Börner Bd. 2 S. 300 - 317; (296) Strelin S. 27 - 197; (222) Pfeüfer S. 226 - 298; (225) Pfeüfer Bd.5 S.299 bis 314; (129) Jung S.108; (130) Jung S.94, 187 - 197; (243) Rößig S. 307 - 352; (160) Lang Gesamtwerk; (311) Ulmenstein S. 82 - 233. 40 (285) Sonnenfels S. 265 - 336; (159) Lamprecht S. 313 - 315; (250) Rüdiger S. 135 - 151; (72) Fischer S.45. 41 (282) A. Smith S. 261 - 342. 42 (229) Prätorius S. 81 - 207; (33) Borowski S. 227 - 293. 43 (301) Struensee S.430; (262) Schlözer Bd.2 S. 168 - 20l. 44 (493) Tautscher S. 108.

5.1. Die kameralistischen Vorstellungen vom System der Steuern

129

suchungen wenig her. Einzelne entwicklungsmäßig besonders interessante Steuerarten sollen in Einzeluntersuchungen exemplarisch im Schlußteil der Arbeit dargestellt werden. An dieser Stelle genügt es, die wichtigeren Steuern aus der Sicht der spätkameralistischen Epoche kurz darzustellen. Zur Königin der Steuern hatte sich im Laufe einer zweihundert jährigen Entwicklung die Einkommensteuer aufgeschwungen45 , die inzwischen alle fließenden Einkunftsquellen umfaßte 46 : 1. Grund(ertrags)steuern vom Ertrag der landwirtschaftlichen Grund-

stücke mit den Unterarten Häusersteuer (vom Mietertrag) und Gefällsteuer (von Verpachtungs- und Lehenseinkünften),

2. Gewerbe(ertrags)steuern mit den Unterarten Patentsteuern (jährlich einmalig pauschaliert erhobene Steuer für eine Gewerbegenehmigung), Steuern vom Ertrag der Handelsgewerbe, Steuern von Künstlern, Wissenschaftlern und studierten Berufen allgemein,

3. Kapital(ertrags)steuern auf das Leihkapital von den Zinserträgen, 4. Besoldungssteuern mit den Unterarten Dienstbotensteuer und Lohnsteuer der Arbeiter, Angestellten und Beamten. Die Vermögenssteuern hatten ihre frühere Bedeutung völlig verloren, nachdem ihre historisch bedeutendsten Beispiele als mißglückte Steuern vom Ertrag entlarvt worden waren 47 • Immerhin wurden die Vermögenssteuern48 als Steuern vom Besitz mit den Unterarten der Erbschaftssteuer und der Mobiliensteuer von beweglichen Sachen49 weiter im Katalog geführt. Die vielgeschmähten PersonalabgabenSO als Kopf-, Familien-, Klassen- oder BürgersteuerS1 wurden von einer Mindermeinung ebenfalls zu den Vermögensteuern52 gerechnet, bildeten aber als trotz aller Kritik in der Besteuerungswirklichkeit fortdauerndes Relikt der Vergangenheit nach der überwiegenden Ansicht eine eigene Gruppe der Personalabgaben. Die große Gruppe der Verbrauchs-, Aufwandsoder Genußsteuern vereinigte die verschiedenartigsten Steuerarten in sich. Hauptsächlich faßte man darunter die fiskalisch bedeutsamen indirekten Steuern, also die allgemeinen und besonderen Verbrauchs(141) Keßler S. 16. (7) Baumstark S.726; (234) Rau Bd.2 S. 65 f.; (297) Strelin S. 39 - 58; (98) Harl Bd.1 S. 112 - 177; (148) Krehl S. 44 f.; (210) Oberndorfer S.88; (122) Jakob Bd. 1 S.487. 47 (155) Kronburg S. 181; (277) Sensburg S. 16 - 29; (83) Fulda S. 170. 48 (7) Baumstark S.724; (45) Crome Bd.2 S.l; (12) Behr S.95. 49 (283) Soden Bd. 3 S. 155. 50 (4) Arndt S.312; (234) Rau Bd.2 S.202; (98) Harl Bd.1 S.249. 51 (169) Lips S.7; (63) Eschenmayer S.77; (234) Rau Bd.2 S.192; (98) Harl Bd.1 S.10 52 (167) Leipziger Bd.2 S.357. 45

46

9 Jenetzky

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5. Die Ausgestaltung der sogenannten Steuertafel

steuern53, die Nachfolgesteuern der alten Akzisen, zusammen. Die Entwicklung zur Umsatzsteuer im modernen Sinn war aber noch nicht eingeleitet. Sie existierte nur in einigen projektierten Kameralvorstellungen. Daneben gab es noch die schon immer konstruktiv schwer einzuordnende Stempelsteuer54 , eine Abgabe auf den Verkauf von Notariatspapier, die sich als Frühform einer Rechtsverkehrssteuer erwies, und die zeitlosen Luxussteuern, auf die kein Kameralist glaubte verzichten zu können 55• Die rechtliche Konstruktion der Luxussteuern im Urteil der Kameralisten hatte zu allen Zeiten geschwankt. Meist empfahl man eine indirekte Verbrauchssteuer auf den Erwerb von als Luxus bezeichneten Gegenständen 56 • Es gab aber auch Vorschläge zur Einführung direkter Abgaben vom Einkommen bei besonders aufwendiger Lebensweise der Steuerpflichtigen51• Mit diesen Abgaben war der Kreis der hauptsächlichen Steuerarten geschlossen. Alle anderen in den zeitgenössischen Publikationen auftauchenden Steuernamen bezeichnen Unterarten oder zu dieser Zeit schon erloschene Steuern. 5.2. Die Reichs- und Landessteuern im Urteil der Kameralliteratur 5.2.1. Was zur Frage des Ursprungs der Steuern den kameralistischen Gedankengängen vorausgestellt wurde, gilt auch hier. Die historisch zutreffende Würdigung der Entwicklung von Reichs- und Landessteuern und die Darstellung der wirklichkeitsgerechten inneren Zusammenhänge hatten die Kameralisten weder in ihrer Aufgabe gewählt noch lag ihnen wissenschaftsmethodisch die dazu erforderliche Arbeitsweise. Sie wollten Gegenwart und Zukunft beeinflussen, und ihr zugleich rationalistischer und politischer Ansatz versuchte Geschichte zu gestalten und nicht zu registrieren. Trotzdem setzten sie sich mit den überkommenen Besteuerungsformen kritisch auseinander und interpretierten dabei geschichtliche Vorgänge unter dem speziellen Blickwinkel ihrer verwaltungspraktischen Betrachtungsweise. Gegenstand der Darstellung kann also nicht die historische Richtigkeit der kameralistischen Schau geschichtlicher Vorgänge sein, sondern nur die Transparenz ihrer Sicht der Dinge für ihre tragenden Wert- und Sachvorstellungen. Wie 53 (122) Jakob Bd.1 S.563; (275) Seeger S.47; (264) Schmalz S.321; (234) Rau Bd.2 S.204, 225; (7) Baumstark S. 742 -750. 54 (7) Baumstark S.743; (98) Harl Bd.1 S.199; (264) Schmalz S.321; (154) Kröncke S.142. 55 (7) Baumstark S. 751; (234) Rau Bd. 2 S. 226. 56 (141) Keßler S.27. 57 (297) Strelin S.45; (98) Harl Bd.1 S.160; (148) Krehl S.46; (147) Krehl S.182.

5.2. Die Reichs- und Landessteuern im Urteil der Kameralliteratur

131

auch bei der Entstehungsgeschichte der Steuern im deutschen Reich löste sich die Betrachtung der historischen Entwicklung der Reichs- und Landessteuern und ihr gegenseitiges Verhältnis während der gesamten Kameralzeit in einem stetig fortschreitenden Prozeß von der vorkameralen Grundlage und nahm wirtschaftliche und juristische Erwägungen auf, die die einzelnen Kameralautoren unbewußt in das historische Geschehen hineinprojiziert hatten. 5.2.2. In der staatsphilosophischen Betrachtungsweise der Kameralisten spiegelte sich bei aller unbestreitbaren Großzügigkeit im Umgang mit der rechtshistorischen Wahrheit und Wissenschaft in Ansehung der Reichssteuern ein Teil der machtpolitischen Tragödie des alten Reiches. Man unterschied zwischen Reichssteuern 58 , die von den Reichsständen auf der Reichsversammlung in der Absicht bewilligt und vom Kaiser genehmigt werden, daß sie vom Kaiser zu bestimmtem Zweck verwandt werden sollen, Kreissteuern, die als Geldbeträge von sämtlichen Mitständen jedes Kreises zu einem bestimmten Zweck bewilligt werden, und Landsteuern59, die dem Landesherrn von den Untertanen oder von den Landständen, der Regel nach auch zu einem bestimmten Zweck, bewilligt werden. Die Unterscheidung von fürstlichen und Landsteuern beruhte auf der bald überholten Differenzierung, ob die Steuerausschreibung vom Fürsten oder von den Landständen ausgingti°. Es galt als gesichertes Wissen, daß die eigentlichen Landsteuern historisch sehr jungen Ursprungs sind. Die Existenz der frühen Territorialsteuern, insbesondere der Bede, überging man6t, weil die Ursprünge dieser Steuern vor der Ausbildung neuzeitlicher Staatlichkeit lagen62 . Auch bestanden vor Entstehen der Reichssteuern Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Steuern und Abgaben auf Grund des Lehensnexus. Man sah deshalb die Genese des komplizierten Reichssteuersystems in den großen Linien folgendermaßen: Am Anfang stand das Kollektationsrecht des Reiches für die allgemeinen Bedürfnisse des Reiches gegenüber allen reichsunmittelbaren Untertanen. Mit dem Verlust der Reichsunmittelbarkeit der meisten Untertanen beschränkte sich das Besteuerungsrecht auf die verbleibenden Reichsfürsten mit eigener Territorialhoheit. Die steigende Steuerlast konnten und wollten die Reichsstände nicht mehr aus den Kammergütern tragen6~, und sie erwirkten vom Kaiser das Subkollektationsrecht64, die Befugnis, die auferlegten Steuern ihren (311) (311) 60 (246) 61 (311) 62 (195) 63 (195) 64 (200)

58 59

9'

Ulmenstein S. 21. Ulmenstein S. 22. Rövenstrunck S. 29; (20) Berg S. 133. Ulmenstein S.48; (98) Harl Bd.2 S.126, 131. Moser S. 5. Moser S. 6 f.; (160) Lang S. 186 f.; (311) Ulmenstein S. 3, 5. Moser S. 9 f.; (311) Ulmenstein S. 35.

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5. Die Ausgestaltung der sogenannten Steuertafel

eigenen Untertanen anzulasten. Damit entstand ein zweistufiges Steuerverpflichtungssystem, denn die Landesherren wurden dadurch zugleich zu Steuerpflichtigen und Steuerberechtigten65 • Im Verhältnis zum Kaiser waren die Reichssteuern in der Entstehung freiwillig, da sie der Bewilligung durch die Reichsstände bedurften66 , im Verhältnis Landesherr zu Untertan bestand dagegen eine unmittelbare rechtliche Verpflichtung67. Die starke Stellung der Reichsstände auf Grund ihrer Personalunion mit den Landesherren tendierte zur Ausdehnung des gewährten Subkollektationsrechts. Einerseits gelang es den Landesherren, ihre Domänen- und Kammergüter von der Subkollektation frei zu halten und die zu erhebenden Steuersummen voll auf die Landstände abzuwälzen, obwohl dazu im Anfang keine rechtliche Befugnis bestand. Andererseits erweiterte sich das Subkollektationsrecht zu einem eigenen Kollektationsrecht der Landesherren für die Landesbedürfnisse68 • Hier wiederholte sich das Modell der Reichssteuern auf Landesebene für Landessteuern. Auch hier waren die Landesherren zunächst von der Bewilligung der Landstände abhängig69 und konnten sich ausnahmslos an die adeligen Zwischenlehensträger wenden, die ihrerseits ihre Allodialgüter steuerfrei zu halten verstanden und die Steuern voll auf ihre Untertanen abwälzten 70 • Trotz dieser ähnlichen Ausgangsstellung bei Reichs- und Landessteuern mit doppelstufigem Steuerpflichtverhältnis bewirkte das Erstarken der Territorialhoheit eine unterschiedliche Entwicklung. Während die Steuerfreiheit der landesherrlichen Kammergüter zur Trennung von Kameral- und Steuergefällen führte 71 , gelang es den Landesherren, zunächst das Steuerbewilligungsrecht der Landstände zu verdrängen und die unbeschränkte Steuerhoheit zu erlangen72 • Bald gewann der Landesherr die unmittelbare Besteuerungshoheit gegenüber seinen bäuerlichen Untertanen zurück und entzog seinen adeligen Landständen die Reste eines eigenen Besteuerungsrechtes. Mit Anbruch des neunzehnten Jahrhunderts verlor dann der niedere Adel die Reste der angemaßten Steuerfreiheit für seine eigentümlichen Güter 73 • Das Reich als solches hatte jetzt schon längst keine eigenen unmittelbaren Einkünfte mehr 74 • Die Kameralisten sahen das (24) Besold S. 152, 162. (246) Rövenstrunck S. 27. 67 (20) Berg S. 142 - 144. 68 (200) Maser S. 7. 69 (267) Schreber S. 221 - 224; (200) Maser S.5; (302) Stündeck S.87, 83; (72) Fischer S. 38. 70 (160) Lang S. 111. 71 (276) Sensburg S. 78. 72 (276) Sensburg S.77. 73 (302) Stündeck S. 84. 74 (20) Berg S. 135. 65 66

5.3. Der Gedanke der Einheitssteuer

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ganze feingewobene und sicher im Aufbau undurchsichtiger und unorganischer als von ihnen dargestellt strukturierte Gebilde der Reichsund Landessteuern vorwiegend unter dem Blickwinkel der Bestätigung ihrer aufklärerischen und frühromantischen Vorstellungen von Bürgerfreiheit und Gleichheit vor dem Gesetz. Sie beriefen sich auf untertanenfreundliche Reichstagsabschiede 75, lobten die Eignung des gemeinen Pfennigs76 und der Türkenhilfe71 als allgemeine Reichssteuern78 , verwarfen die Ungleichheit der abwälzbaren Römermonate 79 oder die fehlende Allgemeinheit der die Juden als kaiserliche Kammerknechte treffenden Kaiser- und Kronsteuern 80 und billigten die Urbarsteuern der Reichsstädte als überrest von Nutzungen der ehemaligen Reichsdomänen81 • In der kompromißlosen Vertretung eines kaum eingeschränkten Eigentumsrechts machten sich schon liberale Einflüsse bemerkbar 82 • Aufgrund ihrer rationalen Ausgangsbasis sahen die Kameralisten die Ungleichheit und Ungerechtigkeit des alten Reichs- und Landessteuersystems zutreffenderweise darin, daß auf den entscheidenden Reichs- und Landtagen ein unaufhebbarer Interessenkonflikt bestand, weil die Steuerexemten zugleich die stimmberechtigten Votanten waren83• üb allerdings die nach den Kriterien der Kameralzeit erstellten Schemata84 über das zeitgenössische Systematisierungsbedürfnis hinaus zu neuen Erkenntnissen verhalfen, bleibt mit Recht zweifelhaft. Die Bedeutung der kameralistischen Äußerungen zu dem damals schon überholten Verhältnis von Reichs- und Landessteuern lag in der Sichtbarmachung der nach kameralistischer Ansicht erforderlichen Maßnahmen, um überkommene Rechtsstrukturen nach den Prinzipien der Aufklärungsphilosophie zu regulieren und fortzuentwickeln. 5.3. Der Gedanke der Einheitssteuer und seine Bedeutung im kameralistischen Denken In der kameralistischen Auseinandersetzung mit der Idee der einzigen Steuer begegneten sich zwei völlig verschieden gelagerte steuerwissenschaftliche Richtungen. Einerseits bemühte sich die deutsche (200) Moser S. 615; (160) Lang S. 61; (20) Berg S.146. (160) Lang S. 188 - 190; (98) Harl Bd.2 S. 132. 77 (246) Rövenstrunck S. 12 f. 78 (311) Ulmenstein S. 24 - 30. 79 (160) Lang S. 182. 80 (20) Berg S. 139; (151) Kremer S.43. 81 (20) Berg S.137. 82 (98) Harl Bd. 2 S. 139 f. unter Berufung auf das alte deutsche Rechtssprichwort "Wer nicht mit zu raten hat, hat auch nicht mit zu taten". 83 (276) Sensburg S. 79. 84 (51) Döhler S. 13. 75

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134

5. Die Ausgestaltung der sogenannten Steuertafel

Kameralistik auf Grund eigener Entwicklungstendenzen um ein praktisches, einfaches und doch gerechtes Steuersystem. Man war sich grundsätzlich einig darüber, daß weniger Steuerarten in der Regel optimaler sind als mehr Steuerarten. Die bunte Vielfalt der damaligen Steuerarten forderte am Aufklärungsrationalismus geschulte Praktiker geradezu zur Kritik heraus. Andererseits stand man im schweren geistigen Abwehrkampf gegen die auf perfektionistisch denkende Köpfe bestechend wirkende Ideologie des PhysiokratismusB5 • Die aus Frankreich kommende Idee der einzigen Landwirtschaftssteuer zeichnete sich mehr durch ihre optisch überzeugende Konsequenz als ihren logisch fundierten Realitätsbezug aus. Das Bemerkenswerte an diesem Kampf der Ideen lag in der Frontstellung des Verwaltungskameralismus. Die führenden deutschen Kameralisten vertraten gegen einzelne schwärmerische Anhänger der Physiokratie die kühle Ablehnung des praxisbezogenen gesunden MenschenverstandesB6 , während aus Frankreich fortwährend Impulse der weltfremden physiokratischen Ideologie strömten, die unter Verzicht auf einen echten wissenschaftlichen Dialog in den deutschen Kleinstaaten ein begehrtes Experimentierfeld erblickten. Dieser Ausschnitt aus der deutsch-französischen Geistesgeschichte, der die sonst üblichen Tendenzrichtungen in umgekehrter Zielrichtung ausweist, zeigte den hermeneutisch hohen und fortschrittlichen Entwicklungsstand des Verwaltungskameralismus; gerade diese Praxisbezogenheit und pragmatische ideologiefreie Nüchternheit brachte die deutsche Kameralistik in der Zeitmeinung um den Ruf der echten Wissenschaftlichkeit, was noch im Urteil des späten neunzehnten Jahrhunderts nachwirkte und lange Zeit die Anerkennung dieser frühen Staatswirtschaftstheorie als legitimen Vorfahren der geltenden Zeitdisziplin verhinderte. 5.3.1. Die physiokratische Einheitssteuer befruchtete die Kameralwissenschaft nur durch die Herausforderung zur Widerlegung. In der Selbstdarstellung argumentierte die physiokratische Lehre im tatsachenfreien Raum auf der Basis einiger unkritisch fixierter Axiome mit wenigen stereotyp wiederholten und polemisch vorgetragenen Argumenten. 5.3.1.1. Nach physiokratischer Lehrmeinung war der Grund und Boden der einzige Produzent aller Werte und der Bauernstand die einzige produktive Klasse. Alle anderen Berufe wurden ausnahmslos zur wertverzehrenden sterilen Klasse gerechnet. Da alle anderen Tätigkeiten nicht wertschaffend sein sollten, konnten sie im Endeffekt auch keine Steuern tragen. Das involvierte das Prinzip einer absoluten B5

BS

(323) Will S. 6, 16, 21; (294) Stokar von Neuform S. 26. (323) Will S. 36, 48 f.

5.3. Der Gedanke der Einheitssteuer

135

Steuerabwälzung auf die Landwirtschaft. Alle Kosten und Steuern werden danach letztlich von den Produkten der Landwirtschaft getragen 87 • Die Richtigkeit dieser Axiome unterstellt, konnte nur eine einzige Steuer Bestand haben: die Besteuerung des Bodenertrags88 • Alle anderen Steuern mußten im Endergebnis auf den Landwirt zurückfallen. Deshalb sollte dieser Umweg vermieden werden. Durch die Einsparung der Erhebungskosten für die als überflüssig erachtete Vielfalt der Steuern glaubte man sogar zu einer echten Steuerentlastung zu gelangen. Der Zehnte auf landwirtschaftliche Erträge sollte die Besteuerung radikal vereinfachen, durch Einsparung der Erhebungskosten die Gesamtsteuerbelastung verringern, das Steueraufkommen erheblich steigern und das irdische Paradies wenigstens wirtschaftlich auf Erden verwirklichen. Wie bei allen ideologisch als Glaubenslehren gestalteten Wirtschaftstheorien gestaltete sich der theoretische überbau immer üppiger, der Realitätsbezug wurde stetig dünner und die dadurch hervorgerufene Verzweiflung der Anhänger des Physiokratismus über die Aussichtslosigkeit der Realisierung ihrer Vorstellungen führte zum Verzicht auf sachliche Auseinandersetzung zugunsten hemmungsloser Polemik. 5.3.1.2. Ansatzpunkt der antiphysiokratischen Kritik war die Lehre vom Boden als Quelle aller Reichtümer 89 • Man erkannte bald, daß alle arbeitenden Menschen, sofern sie nützliche Arbeit verrichten90 , wofür der Marktmechanismus sorgt, den Wert der produzierten Gegenstände erhöhen 91 • Keine Arbeit verrichtende Klasse kann "steril" sein, da das ganze Wirtschaftsleben im Tausch von Arbeit gegen Arbeit besteht92 • Wenn die anderen Wirtschafts zweige ihre Tätigkeit einstellen würden, müßte der Landwirt seine Gewerbeprodukte selbst herstellen und die Verwaltungsarbeit übernehmen. Die entgehende Zeit fehlte ihm bei der Feldbestellung. In diesem entgangenen landwirtschaftlichen Gewinn zeigt sich die Produktivität der gewerblichen und verwaltenden Tätigkeit9:!. Letztlich beruhe jeder Gewinn auf dem Zusammenwirken von Natur, Arbeit und Kapital 94 • Ebensoviel Angriffspunkt bot die physiokratische Steuerabwälzungstheorie. Die Kameralistik wies nach, daß 87 (253) Sammlung von Aufsätzen Bd.l S.146; (53) Dohm S.19 - 75; (258) Schlettwein S. 593 f.; (260) Schlettwein Gesamtwerk; (243) Rößig S.305; (264) Schmalz S. 328 - 334. 88 (198) Moser S.7 - 13. 89 (225) Pfeiffer Bd. 3 S. 127; (254) Sartorius S. 182. 90 (262) Schlözer S.179; (149) Krehl S.61. 91 (253) Mauvillon S.339; (250) Rüdiger S.137; (229) Prätorius S.97, 105, 107; (147) Krehl S.90. 92 (253) Mauvillon S. 343; (122) Jakob Bd.l S. 403 - 407. 93 (147) Krehl S. 89. 94 (45) Crome Bd.l S. 94; (147) Krehl S. 178.

136

5. Die Ausgestaltung der sogenannten Steuertafel

selbst bei unterstellter Richtigkeit der Theorie vom Boden als einziger Quelle aller Reichtümer, trotzdem keine uneingeschränkte Abwälzung öffentlicher Lasten auf das sogenannte einzige Besteuerungsobjekt stattfindet95 • Die Behauptung absoluter Abwälzung setzt eine preiserhöhende Wirkung der Steuerbelegung voraus. Da die Preis gestaltung, wie man schon bald erkannte, von den Konkurrenzbedingungen96 des Marktes abhängt91 und der Landwirt infolge Kapitalmangels und Verderblichkeit seiner Produkte eher unter Verkaufszwang steht als der Kaufmann oder Fabrikant98 , kann er auferlegte Steuern nur bei günstiger Gestaltung der Marktverhältnisse abwälzen. Dieser fehlende Einfluß auf das Preisgefüge zwingt den Landwirt, auferlegte Steuern auch wirtschaftlich zu tragen99 • Damit trifft die "einzige Steuer" die Ärmsten der Armen am härtesten 10o • Die Canardsche Theorie von der gleichmäßigen Verteilung aller Steuern im Wirtschafts geschehen galt bald als voll widerlegt101 • Auf jeden Fall setzte das physiokratische System die gleichzeitige Einführung der einzigen Landwirtschaftssteuer in allen Ländern der Erde voraus. Die isolierte übernahme durch ein einzelnes Land würde über Strukturkrisen das Gefüge der Wirtschaft erschüttern und zerstören102 • Die Gewerbezweige Industrie und Handel, die auf Grund ihrer Produktivität noch eher starke Steuern tragen können als die schon im späten achtzehnten Jahrhundert strukturschwächere Landwirtschaftl°:J, würden in folge der vollen Steuerfreiheit blühen und gedeihen104• Die Landwirtschaft müßte verelenden, weil der Nahrungsbedarf aus der Bodenproduktion des steuerlich weniger belasteten Auslandes gedeckt würdelOS. An dieser unbeabsichtigten Begünstigung des ausländischen landwirtschaftlichen Ertrages mußte die physiokratische Lehre scheitern 106 • Auch hinsichtlich der Einzigartigkeit der Landwirtschaft verwickelte sie sich in immanente Widersprüche101• Schon Quesnay, der Vater der Physiokratie, hatte als Ergänzung seiner einzigen Landwirtschaftssteuer eine Kopfsteuer vorgeschlagen108 , weil er wohl (147) Krehl S.85. (154) Kröncke S.268; (122) Jakob Bd.1 S.414. 97 (130) Jung S. 106; (282) A. Smith Bd.3 S.219. 98 (225) Peiffer Bd. 4 S. 192. 99 (136) Justi Bd. 2 S. 355. 100 (63) Eschenmayer S. 15. 101 (154) Kröncke S. 260 - 265; (262) Schlözer Bd.2 S. 105; (225) Peiffer Bd.4 S.191. 102 (130) Jung S. 105. 103 (51) Döhler S.101; (147) Krehl S. 87; (147) Krehl S.103. 104 (198) Moser S. 81. 105 (225) Pfeiffer Bd.4 S.202; (250) Rüdiger S. 138. 106 (198) Moser S. 84. 107 (253) Sammlung von Aufsätzen Bd. 1 S. 145. 95

96

5.3. Der Gedanke der Einheitssteuer

137

erkannt hatte, daß der unterschiedliche landwirtschaftliche Bedarf der verschiedenen Klassen eine ungleichmäßige Steuerbelastung bedingte109, 110. Noch bedenkliche erschien den Praktikern des Kameralismus die Erhebung des gesamten Steueraufkommens auf einer Wirtschaftsstufe ll1 . Verwaltungstechnisch mußte dies Steuerhinterziehungspraktiken Vorschub leisten, weil die benötigte Erhebungssumme jeden psychologisch vertretbaren Grenzwert überschreitet. Als der Engländer Young nachwies 112, daß die benötigte einzige Landwirtschaftssteuer den gesamten Bodenertrag wertmäßig überstieg, war die Physiokratie im wissenschaftlichen Gespräch erledigt113• Vernichtende Kritiken wiesen ihr unerträgliche Systemwidersprüche nach114 und der Markgraf von Baden, der in einem begrenzten Bezirk das physiokratische System probeweise eingeführt hatte, mußte dafür den Preis einer langanhaltenden wirtschaftlichen Ruinierung des betroffenen Landstriches zahlen115 • Die erhoffte Verwaltungsvereinfachung blieb wegen der vielen zu verhindernden Steuerumgehungsversuche aus116. Die wissenschaftlichen Gegner der Physiokratie antworteten nur noch mit Spott und Verachtung117 , als die einzige Landwirtschaftssteuer rational unvertretbar geworden war118• Wollte Schlettwein noch lyrisch "das physiokratische System mit ganzer Seele umfassen"119, so bezeichnete Jung-Stilling die einzige Auflage "als einen schönen Traum, vor dessen Realisierung Gott ein jedes Land in Gnaden bewahren wolle"120. Erst spät erkannte man die unbestreitbaren Verdienste der Physiokratie, das wissenschaftliche Interesse auf die Landwirtschaft gelenkt121 und auf die vermeidbare Vielfalt der Steuern hingewiesen zu haben122. Anders als die Lehren eines Adam Smith gelang es der Physiokratie aber nicht, echten fortdauernden Einfluß auf die kameralistische Steuerwissenschaft zu gewinnen. 108 (312) Forbonnais S. 86. 109 (198) Moser S. 77. 110 (262) Schlözer Bd. 2 S.l64. 111 (80) Fulda S. 281; (155) Kronburg S. 176. 112 (181) Mauvillon S. 358 f.; (225) Pfeiffer Bd.5 S.172. 113 (259) Schlettwein Bd. 1 S. 353. 114 (323) Will S. 61 - 65; (281) Sismondi S. 62 - 69. 115 (253) Sammlung von Aufsätzen Bd. 1 S. 153; (277) Sensburg S.5. 116 (253) Sammlung von Aufsätzen Bd.1 S.147; (181) Mauvillon S.346. 117 (122) Jakob Bd.1 S.408; (236) Raumer S.6; (262) Schlözer S.173; (225) Pfeiffer Bd. 1 S.288, Bd.3 S.126; (222) Pfeiffer S.54, 214; (323) Will S.60. 118 (285) Sonnenfels S. 221; (94) Haller Bd. 2 S. 344. 119 (259) Schlettwein Bd. 1 S. 355. 120 (130) Jung S. 112. 121 (119) Hume S.154; (147) Krehl S. 91; (149) Krehl S.60, 86. 122 (298) Strelin S. 2 f.

138

5. Die Ausgestaltung der sogenannten Steuertafel

5.3.2. Neben der Auseinandersetzung mit der Physiokratie bemühte sich die kameralistische Lehre aus eigenen Entwicklungsimpulsen um eine optimale Synthese zwischen Steuervereinfachung und Steuergerechtigkeit. Wenig verwunderlich war es, daß dabei auch der Traum einer wissenschaftlich fundierten Einheitssteuer geprüft und erwogen wurde. Als stabilisierendes Element gegen utopistische Theorien diente der im deutschen Verwaltungskameralismus im Vergleich zur westeuropäischen Geisteswelt fortlebende aristotelisch-scholastische Gerechtigkeitsgedanke. Alle wirtschaftlichen Experimente oder neu entstehenden Theorien wurden an einer individuellen Gerechtigkeit gemessen, die dem größtmöglichen Glück der größtmöglichen Anzahl keinen Raum bot. Der Frühkameralismus verfolgte noch keine so weit gehenden Projekte wie radikale Steuervereinfachungen, wenn man vom klassischen Akzisestreit absieht. Der Hochkameralismus bemühte sich zunächst nur, den steuerlichen status quo wissenschaftlich zu durchdringen. Im Vordergrund stand die umfassende und gleichmäßige Erfassung aller für besteuernswert erachteten Besteuerungsobjekte123 . Jede Einheitssteuer lehnte man anfänglich konsequent ab 124 . Trotzdem empfand man die herrschende Steuervielfalt als lästig125. An der Wende zum neunzehnten Jahrhundert befruchtete die physiokratische Lehre das kamerale Denken und begünstigte Vorstellungen von verschiedenen Einheitssteuern, die nicht die Mängel der einzigen Territorialauflage aufweisen sollten (eine allgemeine Vermögenssteuer, eine allgemeine Rang- und Würdensteuer, eine Wohnungssteuer, eine allgemeine Erwerbsteuer)126. Die überwiegenden skeptischen Stimmen befürworteten weiterhin eine Vielfalt von Steuern, um den Untertanen die Verteilung der Steuerlasten zu erleichtern 127. Die Qualität einer Staatsregierung oder das Glück ihrer Untertanen dürften nicht immer nach der größeren oder geringeren Zahl ihrer Abgabenarten gemessen werden 128. Kröncke analysierte den Begriff der einzigen Steuer. Eine Einheitssteuer nach dem Modell der einzigen Grundsteuer des Physiokratismus, die nur eine bestimmte Klasse von Besteuerungsobjekten erfaßte, lehnte er mit der absoluten Mehrheit der KameralwissenschaftIer ab 129. Aber auch eine Einheitssteuer als Steuer nach einem einheitlichen Steuersystem (z. B. nur eine Einkommensteuer oder nur eine Konsumtionssteuer) 123 (223) 124 125 126 127 (154) 128 129

(326) Zincke S. 863 - 866; (285) Sonnenfels S. 220; (222) Pfeiffer S. 217; Pfeiffer Bd. 2 S. 878 ff. (136) Justi Bd.2 S.316; (1) Achenwall S. 191; (224) Pfeiffer Bd.2 S. 120. (192) Mortimer S. 446. (250) Rüdiger S. 135 f. (243) Rößig S. 306 f.; (301) Struensee S.208; (229) Prätorius S.82, 128 f.; Kröncke S. 263. (229) Prätorius S.52; (262) Schlözer S. 184. (80) Fulda S. 281.

5.3. Der Gedanke der Einheitssteuer

139

lehnte er als wirtschaftlich ruinös ab 130 • In letzterem Punkt folgte ihm die Mehrheit nicht. Das spätkameralistische Ideal zielte mit gewissen Einschränkungen auf die Projektierung eines einheitlichen Steuersystems mit einer Hauptsteuer, die allerdings stets die Gesamtheit der Besteuerungsobjekte und Steuerpflichtigen erfassen sollte 131 • überwiegend schlug man eine allgemeine Einkommensteuer vor132 • Einzelne Stimmen befürworteten aber auch noch eine allgemeine Vermögenssteuer133 oder eine allgemeine Konsumtionssteuer134 • Die abschließende Idee der Einheitssteuer im Kameralismus verband die leise Befürwortung einer allgemeinen Einkommensteuer mit der geläuterten Erkenntnis, daß es besser sei, die Gerechtigkeit in der Besteuerung durch ein kompliziertes System von Normen zu wahren, als die erforderliche Gerechtigkeit durch ein gewollt einfaches Normensystem zu verletzen 135 •

130 131 132 133 134 135

(152) Kröncke S.429, 431. (155) Kronburg S. 178. (80) Fulda S.282; (141) Keßler S.34; (234) Rau Bd.2 S.40. (155) Kronburg S. 177; (98) Harl Bd. 1 S. 77, 129. (43) Cölln S.460. (141) Keßler S. 33.

6. Fragen der Steuerbelastung 6.1. Proportionale oder progressive Besteuerung Ob Kaspar Klock eine progressive Besteuerung gemeint habe, galt bisher als beliebtes Thema der Sekundärliteratur über die Kameralepoche und ihre unmittelbaren Vorgänger. Man kann davon ausgehen, daß die Begriffe der Proportionalität und Progressivität wenigstens in der Kameralzeit ebenso verstanden wurden wie heute. Berücksichtigt man dies, so fehlte diesen Spekulationen jede überzeugungskraft. Ideen einer progressiven Besteuerung erfaßten den Kameralismus erst spät, vermutlich unter dem Einfluß der britischen Besteuerungswirklichkeit. Was dem hoch entwickelten Verwaltungskameralismus bis in die Spätzeit verschlossen blieb, konnte die wissenschaftlich auf erheblich niedrigerem Niveau stehenden lateinischen Steuerschriftsteller kaum bewegt haben. Philologische Streitigkeiten über lateinische Wortauslegungen überzeugen demgegenüber nicht. Vor der Erkenntnis, daß höheres Vermögen eine höhere Rendite gewährt als das Vermögensmehr ausmacht, hatte niemand Veranlassung, Progressivität bei der Besteuerung auch nur zu erwägen. 6.1.1. Der Frühkameralismus sprach sich eindeutig für eine "rechtmäßige und billige Proportionalität" bei der Besteuerung aus!. Die von einzelnen Schriftstellern behutsam geäußerten Bedenken, daß das Scherflein der armen Witwe mehr - auch steuerliches - Gewicht habe, als die große Gabe des reichen Mannes2 , zielte wohl weniger auf eine echte Progression als auf die Berücksichtigung eines Eingangsfreibetrages für alle Steuerpflichtigen beziehungsweise den Vorwegabzug des Lebensunterhaltes vor Ermittlung des Besteuerungswertes der Steuerobjekte. Auch die ständig wiederholte Formel, es sei "keine arithmetische, sondern eine geometrische Proportion zu halten"3, läßt keine Schlüsse auf den Gedanken einer Progressionsbesteuerung zu. Meist blieb der Sinn dieser Formel dunkel, da er nicht erläutert wurde. Der Altmeister des Verwaltungskameralismus, Seckendorff, definierte 1 (246) Rövenstrunck S.45; (102) Hasse S.367; (66) Eulner S.792; (267) Schreber S.365; (238) Real S.198; (313) Vierordt S.80; (1) Achenwall S.186; (51) Döhler S. 10; (225) Pfeiffer Bd. 5 S.288. 2 (220) Pescherinus S. 115; (136) Justi Bd.1 S.423. 3 (173) Lith S. 204, 220; (296) Strelin S. 16.

6.1. Proportionale oder progressive Besteuerung

141

die geometrische Proportion als eine auf Personen und deren Stand, Gewerbe und Wesen gerichtete Proportion4 • Gemeint war damit nicht ein kontinuierlich ansteigender Steuersatz mit steigenden Einkünften (echte Progression), sondern eine Berücksichtigung der unterschiedlichen Ertragsfähigkeit verschiedener Steuerkapitalien5 , wobei aber hinsichtlich der Höhe rein proportional besteuert werden sollte, also die Regel de tri uneingeschränkt Anwendung fand 6 • Zum Verständnis muß darauf hingewiesen werden, daß eine echte und sauber getrennte Besteuerung der Erträge nach den Einkünften und des Vermö.!Zens nach dem Vermögensstamm erst im neunzehnten Jahrhundert gebräuchlich wurde. Im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert fehlte es sowohl an der klaren Trennung von Vermögens- und Einkommensteuer7 als auch an einer individuellen Erfassung der konkreten Besteuerungsmerkmale. Man behalf sich mit Schätzungen und Typisierungen. Die Darstellung dieser Entwicklung bleibt einem späteren Abschnitt vorbehalten. In diesem Zusammenhang muß nur auf die Besonderheit der Besteuerung nach dem sogenannten Steuerkapital geachtet werden. Man bemühte sich weder um den Verkehrswert noch den realen Ertrag eines Steuerobjekts, sondern ging von dem ungefähren Kapitalwert aus, berechnete den Zinssatz des ungefähren Ertrages und errechnete dann mit einem individuellen Multiplikator das Steuerkapital. Auf dieses Steuerkapital wendete man dann den Steuersatz proportional an. Wenn zum Beispiel 100 Gulden ausgeliehenes Kapital 5 Ofo, in Hausnutzung gebundenes Kapital 2 Ofo, Handelskapital 71/2 Ofo, landwirtschaftlich gebundenes Kapital 4 Ofo und bei verlehnten Gütern 3 Ofo Ertrag trägt8 , so findet die geometrische Proportion ihren Ausdruck in der Errechnung des Steuerkapitals nach diesem Ertragschlüssel und läßt dann die Anwendung der proportionalen Dreisatzregel auf das Steuerkapital nach einem festen Steuersatz zu. 6.1.2. Sofern der Gedanke einer progressiven Besteuerung jemals in Mitteleuropa vor der Wende zum neunzehnten Jahrhundert erwogen sein sollte, so hatte er doch keinen Eingang in die Steuerwissenschaft gefunden. Die Idee der Steuerprogression im wissenschaftlichen Gespräch des Kameralismus wurde von der Steuerpraxis der westeuropäischen wirtschaftlich fortgeschritteneren Staaten, insbesondere Englands, induziert9 • Die Problematik eines durchgehenden proportionalen Steuersatzes fiel als erstem Justi auf. Er bildete folgendes Beispiel einer 4

5 6 7

8 9

(274) Seckendorff S.498; (173) Lith S.204; (192) Mortimer S.442. (66) Eulner S.95; (168) Leipziger Sammlungen Bd.8 S.717. (136) Justi Bd. 2 S. 48, 52. (133) Justi S.387. (66) Eulner S. 93. (236) Raumer S.237.

142

6. Fragen der Steuerbelastung

gemischten Vermögens- und Einkommensbesteuerung zweier unterschiedlich begüterter Bauern: Bauer Martin Vermögen ........... 20000 Taler Gewinn (pro Jahr) ... 3000 Taler Haushaltskosten ..... 2000 Taler

Verbleibender Rest .. 1000 Taler Steuer auf das Vermögen (proportional) . 200 Taler Verbleibender Rest

..

800 Taler

Bauer Christoph

Verhältnis

60000 Taler 9000 Taler 2000 Taler

1: 3 1: 3

7000 Taler 600 Taler

1: 3

6400 Taler

1: 8

Das unbefriedigende steuerliche Ergebnis leuchtet unmittelbar ein. Justi verwies vorsichtig auf einige Staaten, die "überproportional" besteuert hätten und bedauerte den zu seiner Zeit herrschenden Grundsatz der reinen Proportionalität, der die Reichen nicht erfasse und, da bei den Armen nichts zu holen ist, die ganze Last auf den Mittelstand wälze 10 • Ab Justi wurden proportionale Steuer ideen und Gedanken einer progressiven Besteuerung nebeneinander erörtert, behauptet und vertreten. Manche befürworteten in modernem Sinn gestaffelte ansteigende Steuersätze nach den unterschiedlichen Graden des Reichtums11 • Der wirtschaftlich in sonstigen Dingen sehr fortschrittlich denkende Sonnenfels trat dagegen akzentuiert für eine streng proportional ausgestaltete Besteuerung ein 12 • Er fand bis in die Endzeit des Kameralismus Gefolgsleute 13• Ein Außenseiter lehnte sogar die Proportionalität ab und befürwortete eine einheitliche Höhe der Steuer ohne Rücksicht auf Vermögen und Einkommen 14 • Trotzdem gewann die Idee einer progressiven Besteuerung in der Argumentation in dem Maße an Gewicht, als die Industrialisierung voranschritt. Ansatzpunkt war die Erkenntnis von dem unterschiedlichen Wert des Reichtums je nach der Verwendung für echte und eingebildete Lebensbedürfnisse oder zur Vermögensbildung. Eine Steuer zu Lasten der Lebensbedürfnisse trifft effektiv härter als zu Lasten weiterer Anhäufung von Vermögenswerten15 • Ob der einzelne Autor dabei von der Lebensnotdurft16 , vom tatsäch(132) Justi S. 27 f. (173) Lith S. 205; (257) Say S.92. 12 (285) Sonnenfels S. 214 f., 217 f. 13 (122) Jakob Bd.1 S.512, Bd.2 S.988; (98) Harl Bd.1 S.115 f., Bd.2 S. 512 ff.; (12) Behr S.95; (297) Strelin S.115, 161; (224) Pfeiffer Bd.2 S.116; (225) Pfeiffer S. 215; (144) Krämer S.78; (250) Rüdiger S. 133. 14 (264) Schmalz S. 312. 15 (234) Rau Bd. 2 S. 185. 16 (262) Schlözer S. 193. 10 11

6.1. Proportionale oder progressive Besteuerung

143

lichen Verbrauch 17 oder dem standesgemäßen Unterhaltl 8 ausging, signalisierte nur den jeweiligen staatspolitischen Standort, machte aber für die Progressionsproblematik keinen Unterschied aus. Da der Lebensunterhalt in einer bestimmten Höhe stagniert, die Reichtümer aber arithmetisch weiter ansteigen können, müsse der Steuersatz für die ersten 100 Rubel viel niedriger liegen als ab 500, ab 1000 oder ab 5000 Rubel, meinte der baltische Kameralist Schlözer 19 • Eine Einteilung nach Vermögensklassen oder Progressionszonen wurde danach in verschiedenen Ausprägungen gefordert und vertreten 20 • Raumer, der das britische Besteuerungssystem bewundernd analysierte, stellte erstmals die Fragen nach prozentualer Steigerung der Abgabe, Berücksichtigung der verschiedenen Einkommenszweige nach gleichem Maßstab, Einführung eines sogenannten Grundfreibetrages für alle Steuerpflichtigen und Abzug der Ausgaben von steuerlichen Einkommen im Systemzusammenhang21 • Jetzt begannen auch wirtschaftspolitische Erwägungen an Gewicht zu gewinnen. Wer mit wenig Vermögen viel verdient, darf nicht zu mehr verpflichtet sein, als wer bei viel Vermögen weriig verdient22 • Es soll also die unterschiedliche Höhe der Kapitalrendite bei der Anwendung des Steuersatzes Berücksichtigung finden, da andernfalls die Gefahr besteht, daß die Besteuerung bei gleicher Ertragssumme im einen Fall nur den Gewinn und im anderen Fall die Vermögenssubstanz angreift. Auch die Progression bei Verbrauchsteuern fand Beachtung. Damit war nicht die Progression der Steuersätze auf ein Steuerobjekt gemeint, sondern die ansteigenden Steuers ätze in der Skala der Verbrauchssteuerobjekte. Da die Grundbedürfnisse des Lebens meistens sehr hohe Akzisesätze trugen, die häufigeren Annehmlichkeiten mittel besteuert wurden und die echten Kostbarkeiten niedrigen Akzisesätzen unterlagen, ergab sich eine umgekehrte degressive Besteuerung. Der Reiche zahlte zwar absolut mehr aber relativ weniger als der Arme beim Verbrauch, weil der Arme von seinem viel niedrigeren Einkommen auf jeden Fall die ersten hoch mit Akzise belegten Lebensbedürfnisse bestreiten mußte23 • Der alte Akzisestreit wurde dadurch unter dem Blickwinkel der Progression um eine neue interessante Variante bereichert. 17 18 19

20 21 22

23

(154) Kröncke S. 32 f. (173) Lith S. 206. (262) Schlözer S. 193. (275) Seeger S. 79; (142) Keßler S.57; (167) Leipziger S.382. (236) Raumer S. 235. (76) Förster S.342; (141) Keßler S.57. (43) Cölln S. 463.

144

6. Fragen der Steuerbelastung

Am Ausgang der Kameralzeit war der Gedanke der progressiven Besteuerung herrschend. Da durch die proportionale Besteuerung der ärmeren Steuerpflichtige von seinem spärlichen Reineinkommen eine größere Last zu tragen hat als der Reichere, muß progressiv besteuert werden. Der Progressionsmaßstab blieb eine Frage der zweckmäßigen Finanzpolitik. Als Grundsatz galt aber die Erkenntnis, daß absolute Gleichheit stets relative Ungleichheit bedeutet24 •

6.2. Der angemessene Steuersatz und die absolute Höhe der Steuer Bei keinem anderen Problemkreis als der absoluten Höhe der individuellen Steuerbelastung zeigte sich der innere Interessenkonfiikt des Verwaltungskameralismus zwischen überbewertung der Staatsraison und dem letztlich christlich fundierten zutiefst humanen Fürsorgegrundsatz für alle Entrechteten und Notleidenden offensichtlicher. Zur Ehre der Kameralisten kann gesagt werden, daß bei den meisten mit oft sehr gewundenen Begründungen die Sorge um die Rechte des Individuums obsiegte. 6.2.1. Vornehmlich an Fragen des Steuersatzes entzündete sich der Streit der Meinungen, obwohl gerade hier die Auffassungen wenig fundiert bleiben mußten. Die erforderlichen ökonomischen Kenntnisse über Leistung, Gewinn, Wirtschaftsstruktur und Belastbarkeit waren nach dem Wissensstand der Zeit nicht gegeben und über den rechtlichen Begriff des Steuersatzes gab es keinen ernstlichen Streit. Als Steuersatz galt nahezu einhellig der steuerlich zu erhebende Prozentsatz aus der je nach Steuerart unterschiedlichen Bemessungsgrundlage. Die Auseinandersetzung bewegte sich zunächst nur im untersten Bereich des Streites um die unterschiedlichen Prozentsätze des Gewinns bei den verschiedenen Einkunftsquellen und den darauf aufbauenden wegzusteuernden Gewinnanteil. Sowohl hinsichtlich des Ertrages 25 als auch in bezug auf den Steuersatz26 gab es kaum einen Divisor, der nicht als zutreffend und angemessen vertreten wurde. Als Rechtfertigung berief sich jeder Autor auf seine eigene nicht nachprüfbare Erfahrung. Dieses unfruchtbare Spiel mit Zahlen brachte bald die Einsicht in die Unbrauchbarkeit absoluter Steuersätze27 • Auch die Bildung regional und (7) Baumstark S. 720, 728. (66) Eulner S. 93. 28 (240) Richter S.2, 7, 10; (224) Pfeiffer Bd.4 S.141, 154, 171; (225) Pfeiffer Bd.l S.71, Bd.5 S.330; (51) Döhler S.125; (1) Achenwall S.185; (173) Lith S.205; (135) Justi S.434; (136) Justi Bd.l S.419, Bd.2 S.326; (168) Leipziger Sammlungen Bd.8 S.727; (9) Beck Bd.l S. 7 f.; (246) Rövenstrunck S.85; (66) Eulner S.7. 27 (26) Bielefeld S. 401; (222) Pfeiffer S. 297; (321) Wernher S. 11; (229) Prätorius S. 44; (283) Soden Bd. 3 S.161 f.; (156) Krug S.162; (148) Krehl S.61; (236) Raumer S.259; (277) Sensburg S.6. 24

25

6.2. Der angemessene Steuers atz und die absolute Höhe der Steuer

145

strukturell abgesetzter Steuerklassen befriedigte infolge mangelnden Realitätsbezuges das Gerechtigkeitsbedürfnis nicht28 . Der Versuch, die Besteuerungshöhe unter Berufung auf allgemeine mit Ermessensspielraum ausgestattete Grundsätze zu bestimmen, versprach mehr Erfolg und konnte sich auf sehr früh gehegte Gedankengänge stützen. Schon Osse wollte die Höhe der Besteuerung allein durch Konkretisierung der iustitia distributiva gewinnen29 . Auch andere knüpften die zutrefJende Besteuerungshöhe an das "richtige Maß" oder die "vernünftige Höhe"30. Man wußte, daß Reichtum und Macht eines Landes primär von rein wirtschaftlichen Faktoren abhängen und von den Steuersätzen nur sehr bedingt beeinflußt werdenS1 . Zincke stellte erstmals Leitlinien zur Bestimmung zutreffender Steuers ätze auf. Erster Richtmaßstab sollten die alten Steueranschläge, Korrekturfaktor eine Untersuchung des gegenwärtigen Ertrages, Obergrenze die Erhaltung des Reinvestitionsbetrages, auf jeden Fall aber die Vermeidung des Substanzverzehrs sein32 • Der Gedanke der Substanzerhaltung lag schon der aufkommenden reinen Ertragsbesteuerung zugrunde und wurde von Justi um die Nichtbesteuerung des notwendigen und bequemen Lebensunterhaltes erweitert33 • Nur vereinzelt empfahl man möglichst hohe Steuereinnahmen und entsprechend hohe Ausgaben zur Beförderung des Landesreichtums34. Hier wirkte die überholte merkantilistische Lehre vom Geld als echtem Reichtum des Landes nach. Nur dann, wenn eine Steuer nicht aus Fiskalzwecken angelegt wurde, sondern als Luxussteuer zum Beispiel den Luxus und damit sich selbst überflüssig machen sollte, richtete sich die Höhe der Steuer nach dem erstrebten Effekt35. Das zunehmende wirtschaftliche Zeitverständnis lieferte weitere Kriterien, um den empfehlenswerten Steuersatz einzugrenzen. Sonnenfels forderte Rücksichtnahme auf die Vergütung der arbeitenden Klasse, also auf Arbeitsentgelt und Unternehmerlohn36 . Andere verlangten die Schonung der Erwerbsmittel (Arbeitsmittel)31, Anpassung an die freiheitliche Ordnung des Staates in Anlehnung an Montesquieu und Berücksichtigung des Industrialisierungsgrades38 . Gleichzeitig setzte 28 (63) Eschenmayer S. 36 - 39. 29 (216) Osse S. 104. 30 (166) Leib, Vierte Probe S. 6,8; (220) Pescherinus S.6; (238) Real S. 201 f.; (147) Krehl Einleitung S. XVI; (149) Krehl S.4. 31 (55) Scheibe von Eckartsberga S. 136. 32 (326) Zincke S.850, 858, 937. 33 (136) Justi Bd.2 S.48; (132) Justi S.178; (82) Fulda S.916; (63) Eschenmayer S. 14; (154) Kröncke S. 146. 34 (26) Bielefeld S.314, 316. 35 (135) Justi S. 405. 36 (285) Sonnenfels S. 280. 37 (224) Pfeiffer Bd.2 S. 141. 38 (301) Struensee Bd. 1 S. 187 ff., 194, 200. 10 .Tenetzky

146

6. Fragen der Steuerbelastung

sich die Erkenntnis durch, daß der Staat nicht alles erheben dürfe 39 , was er ohne Schädigung der Wirtschaft erheben könne 40 . Der Staat sollte vom Bürger nicht mehr fordern können, als dieser aus der Staatsverbindung profitierte 41 • Das war keine Wiederbelebung der überholten Äquivalenztheorie, sondern eine seitens der Kameralistik geforderte Selbstbeschränkung des Staates42 • Da die Ermittlung des möglichen und vertretbaren Steuersatzes im Zuge der Entwicklung zu einer individuellen Einzelfallsentscheidung nach generellen mit Ermessenspielraum ausgestatteten Prinzipien geworden war, verlor die Thematik ihre wissenschaftliche Brisanz. 6.2.2. Die zeitlose Problematik der kontinuierlichen Steuererhöhungen bis nach einem staatlichen Zusammenbruch das alte Spiel von neuem beginnt, bewegte sich in parallelen Bahnen zur wissenschaftlichen Erörterung des Steuersatzes. Im Frühkameralismus herrschte ein uneingeschränkter Skeptizismus gegen jede steuerliche Neuerung, die zu einer Erhöhung der steuerlichen Belastung führen könnte 43• Der erhöhte Finanzbedarf ehrgeiziger Kleinstaaten und die niederliegende Wirtschaft nach dem dreißigjährigen Krieg ließ jede Steuererhöhung als ein bevölkerungspolitisches Abenteuer erscheinen. Den trotzdem unvermeidbaren Trend zur Steigerung der Steuerlast beantworteten die Kameralisten mit einer Reihe von vorweg zu fordernder Kautelen: Die Steigerung sollte vornehmlich Ausländer belasten und die Ausfuhr nicht schädigen44 . Die liberalen Freiheiten der Bürger dürften nicht angetastet45, der Staat müsse vor jeder Erhöhung prüfen, ob nicht Sparsamkeit in der Ausgabenpolitik besser helfe46 , und der drohende Ruin des Landes sollte zusätzlich beachtet werden47• Da der Reichtum des Landes nicht von Größe und Fruchtbarkeit, wie man erkannte, sondern vom Fleiß seiner Bewohner abhängt48, schädigt sich jede Regierung selbst durch Beeinträchtigung dieses Fleißes49 durch unerträgliche Steuern. Alle diese wohlgemeinten Ratschläge fanden sicher kaum die Beachtung der regierenden Fürsten. Eher dürften die erst im Spätkameralismus verschwundenen moralisierenden Tendenzen, die eine (294) Stokar von Neuform S.17. 40 (283) Soden Bd.3 S.162; (155) Kronburg S.180. 41 (63) Eschenmayer S.7. 42 (147) Krehl Einleitung S. XIV. 43 (22) Bergius Bd.l S.8; (252) Rurimundum S.53; (8) Becher S.99; (134) Justi S.82. 44 (30) Boeckler S. 4 f. 46 (102) Hasse S. 369. 46 (136) Justi Bd. 2 S. 86. 47 (133) Justi S. 479. 48 (173) Lith S.324. 48 (173) Lith S. 10, 12. 39

6.2. Der angemessene Steuersatz und die absolute Höhe der Steuer

147

ungehemmte Besteuerung aller "Polizeiübel" wie Branntwein und Tabak forderten 50 , auf fruchtbaren Boden gefallen sein. Auch hinsichtlich der Steuererhöhungsproblematik brachte das späte achtzehnte Jahrhundert ein tieferes Eindringen in die Zusammenhänge des Wirtschaftsgeschehens. So wies Justi darauf hin, daß hohe Lebensmittelpreise zwar auf Steuerbelastung beruhen können, aber auch Geldmengenüberhang oder Gewerbemangel (also ein Verkäufermarkt) den gleichen Effekt hervorrufen kann51 • Seit Justi war es ein beliebtes Thema, auf welche Weise der Staat einen plötzlichen außerordentlichen Mittelbedarf decken solle. Justi hatte eine Erhebung außerordentlicher Steuern, die nur zeitweise erhoben werden, zwar als psychologisch eingängiger bezeichnet. In der sachlichen Argumentation plädierte er aber für eine Erhöhung der bestehenden ordentlichen Steuern52• Die Mehrheit teilte aber diese Auffassung nicht53• Bald nahm die kameralistische Wissenschaft die wachsende Steuerlast als unvermeidbares übel hin, was durch die aufblühende Wirtschaft und die vermehrte Belastungsfähigkeit erleichtert wurde 54 • Der um die Jahrhundertwende zum neunzehnten Jahrhundert sich in Mitteleuropa wieder ausbreitende Wohlstand55 führte dann auch zur Empfehlung der Staatsverschuldung als Weg der öffentlichen Mitteldeckung56. In dieser Epoche gelang dem Kameralismus die Formulierung zeitloser finanzpolitischer Erkenntnisse, deren Gegenwartsbezug unverkennbar ist. Montesquieu forderte, die Ausrichtung der öffentlichen Ausgaben nach den Einnahmen57• Bei Döhlers Lehrsatz, daß große und hohe Steuern das Kennzeichen armer Regenten seien und geringe Steuern die Vermutung des landesherrlichen Reichtums begründen58, liegt die Übertragung auf die Gegenwart sehr nahe. Döhler dachte an die schlagwortmäßige Formulierung vom privaten Reichtum und der öffentlichen Armut. Besonders zeitnah wirkt die kritische Formulierung eines weniger bekannten Kameralisten: "Es ist ein geschichtlich erwiesener Satz: Je übler die Steuer verwendet wird, desto mehr wird sie vervielfältigt und vergrößert. Je weniger die Steuer zu ihrem Zweck angewendet, je weniger zum Besten der Untertanen damit ausgeführt wird, desto mehr wird sie erhöht59 ." Weniger (238) Real S. 193. (133) Justi S. 484. 52 (135) Justi S. 484 f. 53 (224) Pfeiffer Bd.4 S.170; (1) Achenwall S.191, 193; (51) Döhler S.229; (253) Sammlung von Aufsätzen Bd. 2 S.21, 28; (243) Rößig S.350. 54 (224) Pfeiffer Bd. 2 S. 106, Bd.4 S. 64,67; (262) Schlözer S. 222; (45) Crome Bd.2 S.97. 55 (63) Eschenmayer S. 1, 94 - 96. 56 (1) Achenwall S.197. 57 (190) Montesquieu S.292; (167) Leipziger S.307. 58 (51) Döhler S. 63. 59 (265) Schmid S. 27. 60

51

10'

148

6. Fragen der Steuerbelastung

prägnant formuliert fand sich dieser Satz auch bei anderen Kameralisten60 • Im neunzehnten Jahrhundert nahm entgegen der bisher herrschenden Meinung über den Kameralismus das wirtschaftliche Verständnis der Kameralisten wieder zu. Man erkannte die wechselseitige Beeinflussung von Steuererhöhungen, Ausgabenpolitik und Geldumlauf 61 • Steuern sollten nicht durch Anhebung alter ungleicher Steuern gesteigert werden, was nur zur Perpetuierung alten Unrechts führen könne, sondern neue Steuern sollten in Anlehnung an das wirtschaftliche Wachstum begründet werden62 • Da bei Wirtschaftswachstum durch den steigenden Wert der Produkte und die Zunahme der Gütermenge die Steuerlast bei absoluter Fixierung relativ leichter wird, bedeutet eine relative Zunahme der Steuerlast proportional dem wirtschaftlichen Wachstum eine effektiv gleichbleibende Belastung der Steuerpflichtigen 6:t. Infolgedessen muß die Steuer den zur Neuinvestition erforderlichen Gewinnanteil unbedingt verschonen, weil Investitionen die Voraussetzung jedes Wirtschaftswachstums sind64 • Justi vertrat den wohlfahrtsstaatlichen Glauben an die erzieherische Wirkung kräftiger Steuern. Sie regten angeblich den Gewerbefleiß an. Der Spätkameralismus erkannte darin eine Verwechslung von Ursache und Wirkung. Die Wirtschaftsblüte ermöglicht hohe Steuerlasten. Die Umkehrung verkennt sowohl wirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten als auch psychologische Verhaltensweisen der Wirtschaftssubjekte. Entsprechend vernichtend war die Kritik der späteren Kameralistik65 , da der Staat nie eine Strafarbeitsanstalt werden dürfe66 • Eine nüchternere Betrachtung der Zusammenhänge hatte sich längst durchgesetzt. Da die Masse des Staatseinkommens vom überschuß der ärmeren Schichten herrührt, bringt die einseitige Belastung der Reichen keine merkliche Entlastung der Mehrheit der Steuerpflichtigen, so daß ein gewisses Maß der Steuerbelastung nicht unterschreitbar ist67 • Auch erachtete man ziffernmäßige Abgabenlast und reale Steuerbelastung nicht mehr für identisch, weil die hohe Steuerlast mit den Staatsleistungen zugunsten der Bürger saldiert werden muß, um die echte verbleibende Belastung zu ermitteln68 • Die Anzeichen für eine staatsökonomische Steuerüberlastung könnten nur rein empirisch aus den wirtschaftlichen und soziologischen Daten erschlossen werden: Akute Not der unbegüterten Klassen, all60 61 62 63 64 65

66 67

68

(285) (301) (147) (156) (122) (294) (167) (122) (234)

Sonnenfels S. 32; (311) Ulmenstein S.68. Struensee Bd. 1 S. 197 f. Krehl S. 64 f. Krug S. 126, 161. Jakob Bd. 1 S.380. Stokar von Neuform S.4; (283) Soden Bd.3 S. 162 f. Leipziger S. 306. Jakob Bd. 1 S. 565. Rau Bd. 2 S. 36.

6.3. Die mehrfache Besteuerung

149

gemeine Verarmung, Verteuerung wertvoller Güter, der Verfall bestimmter Gewerbe, Abnahme des Steuerertrages oder des besteuerten Konsums und dergleichen mehr69 • Am Ende der kameralistischen Epoche stand eine Erkenntnis von zukunftsweisender Bedeutung, die auch in der Gegenwart ihre Gültigkeit noch nicht verloren hat: Die Erprobung der steuerlichen Belastungsgrenze der Bürger durch den Staat trägt schon den Keim des Unterganges für den Staat in sich70 • 6.3. Die mehrfache Besteuerung einzelner Steuerpflichtiger und bestimmter Steuerobjekte unter gleichen oder ähnlichen Gründen Der Sache nach handelt es sich um die Problemlage, die heute mit dem Ausdruck" Verbot der Doppelbesteuerung" umrissen wird. Da dieser Terminus aber für das steuerliche Kollisionsrecht moderner Staaten belegt ist, verwende ich den Ausdruck der mehrfachen Besteuerung, obwohl der Kameralismus nicht zu einer einheitlichen Benennungsweise gelangte. Ein zwischenstaatliches Besteuerungsrecht als wissenschaftliches Problem kannte der Kameralismus nicht. Dafür befaßte er sich sehr eingehend mit der individuellen Steuerlast des einzelnen Steuerpflichtigen, verursacht durch das Zusammenwirken verschiedener beabsichtigter oder zufälliger Besteuerungsmerkmale. Die Steuerkumulation als ein Gerechtigkeitsproblem zu empfinden, setzte ein differenziertes Verständnis der Zusammenhänge voraus. Entsprechend hat Justi erstmals im Hochkameralismus derartige Fragen aufgeworfen. Danach bereicherte sich das Gespräch um neue Gedanken und Gesichtspunkte, ohne daß eine eigentliche Entwicklung der Theorien feststellbar ist. 6.3.1. Das Bemühen der Kameralisten um Bestimmung einer Obergrenze für die Gesamtsteuerbelastung veranlaßte sie, die Häufung mehrerer Steuern in der Person eines Steuerpflichtigen kritisch zu betrachten. Mehrere Steuern dürften nur bis zur beabsichtigten Gesamtbelastung gehäuft werden. So schloß die Grundsteuer nach kameraler Ansicht die vielfältigen Nebenabgaben aus71 • Persönliche Abgaben ergänzen die Grundabgaben, wenn sie nicht zu hoch sind und für die nichtbegüterten Steuerpflichtigen projektiert wurden, um auch diese zur Steuer heranzuziehen72 • Eine Akzisebesteuerung für die ländliche Bevölkerung belastet diese dagegen doppelt und läßt die Städter ungerechterweise frei ausgehen1 :t. Lith hielt es für bedenklich, wenn ein 69 70 71 72

(234) (151) (136) (136)

Rau Bd. 2 S. 35. Kremer S. 85. Justi Bd.2 S. 327; (51) Döhler S.149, 152; (98) Harl Bd. 1 S.126, 214. Justi Bd.2 S.340; (14) Bensen S.613; (311) Ulmenstein S.165.

150

6. Fragen der Steuerbelastung

Kaufmann eventuell Grundsteuer, Haussteuer, Kapitaliensteuer und Gewerbesteuer zugleich zahlt74 • Ein beliebtes Thema war die Doppelbelastung der Landwirtschaft mit Grundsteuer und Viehsteuer 75• Die Mehrheit hielt sie für unzulässig, sofern sich beide Steuern auf den gleichen Ertrag bezogen76• Wenn aber die Wiesen steuerfrei gelassen waren, dürfe zum Ausgleich das Vieh einer gesonderten Steuer unterworfen werden77• Weitere Steuerkombinationen, die man ablehnte, waren Kapitalien- und Gewerbesteuern für Bankiers78, Grundsteuern, Familienschutzgelder (Kopfsteuern) und Gewerbepatentsteuern79 , Einkommensteuern und partikuläre Ertragsteuern80, alte Steuern und neu eingeführte Steuern81 , Akzise und Gewerbesteuer82 , Erbschafts- und Vermögenssteuers:J. Eine Meinung hielt jedes Zusammentreffen mehrerer Steuern bei einem Steuerpflichtigen für unzulässig84 • An der Unvermeidlichkeit der Steuerhäufung scheiterten alle Angriffe der Kameralwissenschaft. Das Gespräch über dieses Thema erlosch unvermittelt ohne jeden wissenschaftlichen Nachruf. 6.3.2. Die Belastung des gleichen Steuerobjekts nach gleichen Kriterien mit mehreren Steuern trat erst später in der wissenschaftlichen Diskussion auf. Crome sprach dem Staat das Recht ab, seine Untertanen unter verschiedenen Rubriken, Namen und Vorwänden mehrere Male zu besteuern85• Dagegen bestanden keine Bedenken gegen eine Steuer, die auf mehreren Steuerobjekten ruhte 86 • Heute ist die Belastung mehrerer Steuerobjekte mit einer Steuer eine Selbstverständlichkeit, da jede allgemeine Einkommen- oder Umsatzsteuer eine Vielzahl von Objekten erfassen muß. In der Frühzeit der Steuergeschichte, als die begrifflichen Unterscheidungen erst entwickelt wurden, bedurfte eine solche Ausgestaltung der Besteuerung einer sorgfältigen Begründung. Voraussetzung ihrer Zulässigkeit blieb aber stets die Garantie der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, da dann der Steuerbedarf des Staates 73 (136) Justi Bd.2 S.361; (51) Döhler S.195, 201; (21) Bergius Bd.l S.4; (225) Pfeiffer Bd. 1 S.69; (240) Richter S.I1. 74 (173) Lith S. 236. 75 (173) Lith S. 331. 76 (47) Darjes S.573; (12) Behr S.135. 77 (225) Pfeiffer Bd.5 S.333; (83) Fulda S.240. 78 (63) Eschenmayer S. 63; (83) Fulda S.219; (277) Sensburg S.17. 79 (169) Lips S.7. 80 (297) Strelin S. 78. 81 (276) Sensburg S. 137; (277) Sensburg S. 4. 82 (83) Fulda S. 271. 83 (234) Rau Bd. 2 S. 203. 84 (12) Behr S. 129. 85 (45) Crome Bd.l S.43. 86 (236) Raumer S. 249 f.; (275) Seeger S. 64 f.; (98) Harl Bd.l S.125; (83) Fulda S. 206; (7) Baumstark S. 721.

6.3. Die mehrfache Besteuerung

151

nach gleichen Merkmalen von allen Steuerpflichtigen nur einmal gefordert wird81• 6.3.3. Der Kameralismus erkannte noch eine dritte Art von mehrfacher Steuerbelastung, obwohl es sich im rechtlichen Sinne nicht um eine Steuerkumulation handelte. Da Steuern abgewälzt werden können, trifft den, der sich die wirtschaftliche Steuerabwälzung im Preis gefallen lassen muß, neben seiner eigenen dem Staat geschuldeten Steuer zusätzlich die ihm vom Geschäftspartner weitergewälzte Steuer. Er ist dann zwar nicht rechtlich, wohl aber wirtschaftlich doppelt oder mehrfach belastet. Auf die unmittelbare in das Auge fallende Kumulation von Steuern beim Weg der Waren vom Erzeuger über mehrere Zwischenstufen zum Verbraucher hatte schon Justi hingewiesen88• Das gilt auch für die Fertigungsstufen vom Rohmaterial über das Halbfabrikat zum fertigen Stoff. Besteuertes Korn und Malz sollte nicht als Bier erneuter Besteuerung unterliegen 89 • Besonderes Augenmerk richtete man auf das Zusammentreffen von Produktions-(Ertrags-)steuer und Konsumtions-(Verbrauchs-)steuer. Da der Erwerb der Steuerpflichtigen entweder zum Verbrauch oder zur Erweiterung der Produktion, also Vermögensbildung und Neuinvestition, verwendet wird und da die Neuinvestition sofort wieder steuerliche Folgen auslöst, bedarf es der Konsumtionssteuer, um die in den Verbrauch drängenden Mittel gleich den Produktionsmitteln zu belasten9o• Das galt als erwünschte Form der mehrfachen Besteuerung91 • Das Einkommen beabsichtigte man nur leicht zu besteuern und den Steuerpflichtigen über geschickt eingerichtete Konsumtionsteuern noch soviel zusätzlich abzunehmen, wie sie zu entrichten gehabt hätten, wenn der gesamte Staatsbedarf über Einkommensteuern gedeckt worden wäre92 • Doch sah man bei dieser Verfahrensweise die Gefahr, daß die Konsumtionssteuern nicht in erwünschter Weise den Ertrag der Arbeit des Konsumenten ausgleichend und ergänzend zu seiner Einkommensteuer belasten, sondern im Wege der Abwälzung den Produzenten der Konsumtionsgüter unerwünscht zu dessen eigener Produktionssteuer zusätzlich beschweren. Dieser müßte dann Konsumtionssteuer für fremden und nicht nur für eigenen Verbrauch zahlen93• Außerdem stieß man bei diesen Erörterungen auf ein weiteres Problem, das bis heute noch nicht völlig ausgeräumt ist. Einerseits werden Ungleichheiten und Überbelastungen einer bestimmten Ertragssteuer durch das Hinzutreten einer auf ihr aufbauenden 87 88 89 90 Vl 92

93

(45) Crome Bd.1 S.44. (136) Justi Bd.2 S.370; (80) Fulda S.313. (45) Crome Bd.1 S.72. (147) Krehl S. 105 f. (147) Krehl S.185; (167) Leipziger S.385. (122) Jakob Bd. 1 S.582, Bd. 2 S.994. (141) Keßler S. 40 f.

152

6. Fragen der Steuerbelastung

Konsumtionssteuer noch verbösert94 • Andererseits treffen alle Konsumtionssteuern im Ergebnis den Ertrag der Grund- oder Gewerbekapitalrenten95 • Damit hatte der Kameralismus erkannt, daß letztlich alle Steuern vom Einkommen genommen werden. Die Einkommensteuer belastet das kürzlich erzielte Einkommen und alle anderen Steuern beschweren früheres Einkommen, das schon einmal der Einkommensteuer unterlegen hatte96 • Der Spätkameralismus gelangte deshalb auch zu dem unerreichten Ideal einer Einkommensteuer als Königin der Steuern, die nur aus Praktikabilitätsgründen durch andere Steuern ergänzt werden sollte. Über die Verifizierbarkeit dieses Ideals machten sich die Kameralisten ebenso wenig Illusionen wie die Steuertheoretiker unserer Tage. Ein weiterer Sachverhalt der angeblich unzulässigen Mehrfachbesteuerung verdankte seine Problematik allerdings dem mangelnden konstruktiven Aufbau des zeitgenössischen Steuerrechts. Die Bedenken gegen die Besteuerung der Kapitalzinsrente bei Geldverleihung, obwohl diese beim Entleiher und Inhaber des Grund- oder Gewerbekapitals schon einmal der Ertragsbesteuerung unterlegen hatte97, konnten nur in einem Steuersystem auftreten, das den Abzug unternehmerisch bedingter Schuldzinsen vom eigenen Gewerbeertrag noch nicht kannte. Die Überlegungen zur doppelten oder mehrfachen Besteuerung kennzeichnen den Kameralismus als staatswissenschaftliches System, das wirtschaftliche Sachverhalte aus staatsphilosophischer Sicht zu erfassen versuchte und sich bemühte, das wirtschaftliche Geschehen mit rechtlichen Mitteln in den Griff zu bekommen. 6.4. Der Gedanke der Steuerabwälzung und die wirtschaftliche Steuerträgerschaft Zu allen Zeiten bemühte sich der Gesetzgeber um eine sachgerechte Verteilung der Gesamtsteuerlast unter der Bevölkerung. Voraussetzung dafür ist, daß der Gesetzesbefehl den einzigen Bürger nicht nur in den rechtlichen Wirkungen, sondern auch im wirtschaftlichen Effekt erreicht. Steuerlich hatte man aber schon früh beobachtet, wie das marktwirtschaftliche Geschehen eine eigene Gesetzmäßigkeit entwikkeIn kann. Die zivilrechtliche Vertragsfreiheit und der Konkurrenzdruck ermöglichen es, auferlegte Staatsausgaben je nach den Umständen als wirtschaftliche Belastung auf andere Staatsbürger ganz oder teilweise abzuwälzen. Gelingt dieses Bemühen, so entsteht wirtschaftlich oft ein Endzustand, der mit den gesetzgeberischen Intentionen über die Verteilung der Steuerlast im Staatsganzen nicht mehr (12) Behr S.137, 139; (45) Crome Bd. 1 S.69. (12) Behr S. 137. " (45) Crome Bd. 1 S.45, Bd.2 S.46. 87 (122) Jakob Bd. 1 S.535, 544. 94

85

6.4. Steuerabwälzung und Steuerträgerschaft

153

übereinstimmt. Der Kameralismus reagierte auf diese beobachteten Verteilungsvorgänge der Steuerlast unterschiedlich. Während der klassische Kameralismus wirtschaftliche Vorgänge wenigstens bedingt durch gesetzgeberische Maßnahmen für determinierbar erachtet, anerkannte der Nachkameralismus die Eigenständigkeit des Marktmechanismus und vertraute unter dem Einfluß liberaler Gedankengänge der gerechten Verteilungsfunktion des freien Spiels der Kräfte. Der planwirtschaftlich orientierte Kameralismus bemühte sich, entweder die wirtschaftliche Abwälzung gesetzlich zu verhindern oder bei gemäßigterer Ansicht, den Abwälzungseffekt zu berechnen und in die Kalkulation der gerechten Steuerlastverteilung einzubeziehen. Die unterschiedlichen Problemlösungen basierten weniger auf der verschiedenen Tiefe der Sicht der Zusammenhänge als auf den zugrunde liegenden divergierenden staatstheoretischen Aussagen zu Grundsatzfragen. Einig war man sich darüber, daß die Erfassung der Abwälzungsvorgänge von rechtlichen, wirtschaftlichen und psychologischen Faktoren abhängt. Soziologische Daten fanden über christlich-humane Billigkeitserwägungen des Kameralismus Eingang in das Gespräch, da es die Gesellschaft als selbständige Erscheinungsform neben dem Staat nach kameralistischer Staatstheorie nicht geben konnte. Die Darstellung der kameralistischen Abwälzungslehre folgt den thematischen Problemgruppen, da eine chronologische Entwicklung kaum feststellbar ist. 6.4.1. Die Kameralisten entwickelten ihre Abwälzungslehre anhand sich im Komplizierungsgrad steigernder Abwicklungsfiguren:

1. Der steuerpflichtige Verkäufer und Produzent wälzt die Steuer im Preis auf den Käufer und Konsumenten98 • 2. Die Abwälzung mißlingt ganz oder teilweise 99 • 3. Der steuerpflichtige Käufer und Konsument wälzt die Steuer über den Preis dem Produzenten und Verkäufer zurückloo. 4. Die Rückwälzung mißlingt ganz oder teilweise. 5. Der Verkäufer, Produzent und Landwirt wälzt die Steuer auf den Käufer, Konsumenten und gewerblichen Produzenten, dem über Gegenstände, die er herstellt und die der Landwirt benötigt, die Wiederabwälzung gelingt lOl . 6. Die Abwälzungsvorgänge vollziehen sich zwischen gewerblichem Unternehmer und Arbeitnehmer einerseits 102 und zwischen Unternehmer und Kapitalverleiher andererseits 103 • (227) Philippi S. 97. (132) Justi S.31. 100 (136) Justi Bd. 2 S. 361; (236) Raumer S. 220. 101 (132) Justi S.30; (51) Döhler S. 188; (225) Pfeiffer Bd.l S.69.

98 99

154

6. Fragen der Steuerbelastung

7. Die Figur entspricht der vorhergehenden, außer daß an die Stelle des Kapitalverleihers ein anderer warenproduzierender Unternehmer tritt und die beiden Unternehmer im Austauschverhältnis jeder sowohl Produzent als auch Konsument sind. 8. Die Abwälzungsvorgänge finden zwischen Grund- und Hausbesitzer und Mieter einerseits104 und zwischen Hausbesitzer und Kapitalverleiher andererseits statt105 • 9. Der Grundstückspächter erscheint als Mittelpunkt von vier verschiedenen Abwälzungsvorgängen, die ihn mit dem Verpächter und Grundherrn, dem landwirtschaftlichen Arbeitnehmer106, dem Kapitalverleiher und mit dem die landwirtschaftliche Produktion verbrauchenden Konsumenten verbinden107 • 10. Zwischen Produzent, Zwischenhändler und Endverbraucher bilden sich mehrstufige Abwälzungsketten108 • 11. Zwischen Verkäufer A und Verkäufer B und ihrem gemeinsamen Käufer, um den sie konkurrieren, bildet sich ein Abwälzungsverhältnis im Dreieck109 • 12. Jeder Steuerpflichtige ist mit unbestimmt vielen anderen Subjekten verbunden, die untereinander Steuern abwälzen110 • Zu Beginn des wissenschaftlichen Gesprächs standen sich drei Auffassungen über die Natur des Abwälzungsvorganges gegenüber. Ursprünglich nahm der Kameralismus an, daß die Abwälzung dann und nur dann stattfinde, wenn sie konstruktiv wie zum Beispiel bei der Akzise eingeplant ist111 • Die physiokratische Meinung behandelte den landwirtschaftlichen Urerzeuger als Empfänger aller abgewälzten Steuern112 • Parallel dazu stand eine kameralistische Lehre, die den Konsumenten als endgültigen Träger der abgewälzten Steuern betrachtete113 • Als dritte Lehre steuerte Canard die Lehre von der gleichmäßigen Verteilung aller Steuern im Volkskörper bei 114 • Danach ist es (285) Sonnenfels S.350; (130) Jung S.100. (234) Rau Bd. 2 S. 170. 104 (285) Sonnenfels S. 271. 105 (254) Sartorius S.194; (122) Jakob Bd.1 S.528; (297) Strelin S.80; (234) Rau Bd. 2 S. 127. 106 (130) Jung S. 100. 107 (254) Sartorius S. 203 f.; (282) A. Smith Bd.3 S.265; (185) Mill S.368; (83) Fulda S. 239. 108 (14) Bensen S.424. 109 (40) Canard S.168; (234) Rau Bd.2 S.207. 110 (283) Soden Bd.3 S. 149 f. 111 (227) Philippi S. 97; (173) Lith S. 32; (285) Sonnenfels S. 272; (239) Ricardo S.151. 112 (119) Hume S.154; (130) Jung S.106; (277) Sensburg S.5. 113 (285) Sonnenfels S.350; (14) Bensen S.425; (63) Eschenmayer S.91. 102 103

6.4. Steuerabwälzung und Steuerträgerschaft

155

gleichgültig, wie die Verteilung der Steuerlast stattfindet, wenn nur die Gesamtbelastung stimmt115 • Nach dem Gesetz der kommunizierenden Röhren gleiche sich jede Steuerlast im Laufe der Zeit zwischen den verschiedenen Wirtschaftszweigen aus. 6.4.2. Alle drei Lehren wurden bald wissenschaftlich widerlegt116, da sie im Widerspruch zum Marktmechanismus standen117 • Weder der Verkäufer noch der Käufer sind absolute Herren des Preises 118. Die überwälzung gelingt aber nur, wenn die auferlegte Steuer voll auf den Preis durchschlägt119. Herr des Preises ist allein das Konkurrenzverhältnis 120. Die einzelnen Elemente der Entwicklung konkurrierender wirtschaftlicher Beziehungen erfaßte man erst nach und nach. Sinkende Nachfrage oder steigendes Angebot senken die Preise und begünstigen die Rückwälzung; steigende Nachfrage oder sinkendes Angebot erhöhen die Preise und begünstigen die Abwälzung121 . Winkt hoher Gewinn, so vermehrt sich die Zahl der Anbieter, bis die Gewinne wieder fallen; geraten die Anbieter in die Verlustzone, so wandert ein Teil in andere Gewerbezweige ab, bis die Gewinne wieder steigen122. Regionale Konkurrenzgefälle tragen ihren Teil zur Preisbildung beP23. Der Wunsch, die Steuerträgerschaft abzuwälzen, kann zu Kartellen und Monopolen führen 124. Stehen sich ein Verkäufer- und ein Käuferkartell gegenüber l25, so entscheiden wieder die Gesetze des Marktes, das heißt die stärkere Seite setzt sich durch126. Ein einseitiges Monopolkartell kann dagegen den Preis diktieren. Der Abschlußzwang wirkt sich ebenfalls auf das Preisgefüge aus127. Die Möglichkeit der Vorratsbildung128 , die Verderblichkeit oder Unverderblichkeit der Waren, die Fixierung der Produktions- und Bedarfsmengen129 (Quantitätsabhängigkeit der Waren)130, das wirtschaftliche Vermögen, einen günstigen Marktpreis abwarten zu können l3l , Ausweichmöglichkeiten auf andere Waren und (225) Pfeiffer Bd. 4 S. 19I. (40) Canard S. 155, 159 - 161. 116 (130) Jung S. 101; (122) Jakob Bd. 1 S. 598. 117 (130) Jung S. 102. 118 (136) Justi Bd. 2 S. 361. 119 (234) Rau Bd. 2 S. 32. 120 (225) Pfeiffer Bd.5 S.67; (82) Fulda S.1027; (142) Keßler S.93. 121 (45) Crome Bd.1 S.65; (122) Jakob Bd.1 S.598. 122 (254) Sartorius S.205; (40) Canard S.180, 186; (282) A. Smith Bd.3 S.265, 283; (141) Keßler S. 29; (234) Rau Bd. 2 S.32. 123 (296) Strelin S.34; (130) Jung S.105. 124 (225) Pfeiffer Bd. 4 S. 192. 125 (296) Strelin S.33; (147) Krehl Einleitung S. XVII. 126 (63) Eschenmayer S. 9I. 127 (296) Strelin S. 34. 128 (136) Justi Bd.2 S.362; (173) Lith S.33. 129 (225) Pfeiffer Bd. 5 S. 292 f. 130 (234) Rau Bd. 2 S. 34. 114

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6. Fragen der Steuerbelastung

dergleichen mehr bewirken den mehr oder minder starken Abschlußzwang. Besonders die sogenannte Elastizität der Nachfrage132 , das heißt das Ausweichen der Käuferschichten auf Parallelprodukte133 , wenn der Preis des Kaufobjekts unerträglich steigt, scheint der Kameralismus genuin und parallel zu den Wirtschaftstheorien Westeuropas entdeckt zu haben. Man erkannte bald, daß zum Beispiel die Nachfrage nach Brot kaum Elastizität aufweist, während die Verbraucher von Luxusgütern leicht auf ähnliche substituierende Produkte ausweichen134 • Psychologische Gründe können allerdings auch zu einem gegenläufigen Verhalten führen 135 • Wer sich einen bestimmten Wertgegenstand in den Kopf gesetzt hat, läßt sich von Preiserhöhungen kaum schrecken, während die Verteuerung des Lebensbedarfs eines Tagelöhners eher zum Ausweichen auf kaum geeignete Substitutionsprodukte zwingen kann. Bei einem Wechsel der Konkurrenzverhältnisse und Gewinnaussichten entstehen durch die Anpassungsvorgänge Strukturkrisen, bis sich die Wirtschaft auf einem neuen Niveau der Kräfteverhältnisse wieder stabilisiert hat 136 • Die Strukturkrisen verlaufen unterschiedlich, je nachdem ob das Steueraufkommen im Inland oder im Ausland verwendet wird l37 • Im ersteren Fall findet nur eine Umverteilung statt; im letzteren Fall gehen dem Staat Wirtschaftskräfte verloren, so daß die Stabilisierung auf einem niedrigeren Niveau stattfindet. Man fand noch weitere wirtschaftliche und psychologische Gegebenheiten, die eine Steuerabwälzung be- oder verhinderten. So entdeckte man, daß von Personensteuern auf Sachvermögen und von Sachsteuern auf Personalvermögen in der Regel die Steuerabwälzung mißlingt138 • Nur bei Unterschreitung des Existenzminimums wird weitergewälzt. Ebenso reagiert der Arbeitslohn139 nur an der Grenze des Existenzminimums durch Erhöhung auf steuerliche Belastungen14o • Staatsdiener sind faktisch immer Endverbraucher14 1, da sie bei Steueranhebung selten Gehaltserhöhung bekommen142 • Das Gleiche gilt für die Erhöhung notwendiger Produktionskosten l43 • Bei Warenverderbnis144 und Diebstahl kann (136) Justi Bd. 2 S.36l. (285) Sonnenfels S. 353. 133 (40) Canard S. 166 f. 134 (257) Say S.96; (285) Sonnenfels S. 351 f.; (225) Pfeiffer Bd.5 S.68; (40) Canard S.175; (234) Rau Bd.2 S.224. 135 (83) Fulda S. 272. 136 (40) Canard S. 181. 137 (185) Mill S. 355 - 359. 138 (154) Kröncke S.27l. 139 (254) Sartorius S.212; (282) A. Smith Bd.3 S.283. 140 (154) Kröncke S. 257 f., 272; (234) Rau Bd.2 S.222. 141 (45) Crome Bd. 1 S. 18. 142 (98) Harl Bd. 1 S. 124. 143 (122) Jakob Bd. 1 S. 600. 144 (167) Leipziger S. 314. 131

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6.4. Steuerabwälzung und Steuerträgerschaft

157

der Kaufmann nie die schon bezahlte Steuer abwälzen l45 • Besteuert man Verkäufe auf jeder Stufe, so reichern sich die Steuersummen an und die Konkurrenz erzwingt die Ausschaltung der Zwischenstufen, begünstigt also die unmittelbare Lieferung vom Erzeuger an den Endverbraucher 146 • Ebenso behindert die Steuerhinterziehung die Steuerabwälzung der steuerehrlichen Unternehmer147 , da sich der korrekte Verkäufer dem preislich billiger liefernden Hinterzieher anpassen muß. Weil die Steuerabwälzung von der Preisbeeinflussung der veräußerten Waren und Leistungen abhängt, entscheidet die Wechselwirkung zwischen Preis und Steuer auch über die wirtschaftliche Steuerträgerschaft1 48 • Wenn sich der Wert der Grundstücke allein nach dem Verkaufswert der produzierten Güter richtet, kann die Steuer den Verkehrswert der Grundstücke nicht beeinflussenl49 • Infolgedessen wird die Grundsteuer allenfalls im Kaufpreis der Produkte weitergewälzt, niemals aber im Kaufpreis der Grundstücke selbst, wenn nicht isolierte Steuerbefreiungen für einen Teil der Grundstücke die Abwälzung verhindern l50 • Dieser Gedankengang wirkte auch auf die überlegungen zur Verhaltensweise der verschiedenen Arten von Wirtschaftskapitalien weiter. Ursprünglich hatte man bei der Verleihung von Geldkapitalien befürchtet, daß jede Besteuerung des Leihkapitals zur Kapitalflucht in das Ausland 151 oder zur Abwälzung auf den Entleiher führe l52 • Die gewonnene Erkenntnis der Zusammenhänge änderte die Betrachtungsweise. Wenn die Kapitalmenge insgesamt durch die Steuerbelastung nicht beeinflußt wird l53 , gelingt die Abwälzung auf den Leistungsempfänger nicht154 • Erst wenn der Gewinn von der Steuer voll aufgezehrt zu werden drohtiSS, ist mit überwälzung der Steuer zu rechnen, weil der Lebensunterhalt von allen Verleihern stets gedeckt sein muß und andernfalls ein Kartell aller Verleiher entsteht mit der Abrede, den Preis um den Steuerbetrag zu erhöhen. Auch die Kapitalien verhalten sich untereinander gleich. Alle Erwägungen, die auf eine unterschiedliche Reaktion des Grundkapitals, des in Gewerbe und Handel gebundenen Kapitals, des Arbeitskapitals und des Geldkapitals der Geldverleiher hinzielten156 , widerlegte der erst spät erkannte Substitu145 146 147 148 149

150 151 152

153 154 155

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(122) Jakob Bd.l S.607. (83) Fulda S. 265. (142) Keßler S.93. (80) Fulda S. 299. (65) Eschenmayer S.19. (45) Crome Bd. 1 S.232. (254) Sartorius S. 194. (285) Sonnenfels S.273; (254) Sartorius S.201; (122) Jakob Bd.l S.539. (254) Sartorius S. 196. (122) Jakob Bd. 2 S. 922 f. (122) Jakob Bd. 1 S.492, 502. (282) A. Smith Bd. 3 S. 265.

158

6. Fragen der Steuerbelastung

tionswettbewerb der verschiedenen Kapitalanlagearten. Wenn infolge unterschiedlicher steuerlicher Belastung eine Kapitalanlageart weniger Gewinn verspricht als die anderen, so wandert das Kapital in andere Kapitalanlagen ab, bis sich der Ausgleich wieder herstellt157• Im Ergebnis mißlingt die Steuerabwälzung bei verhältnismäßig geringer Belastung, während bei stärkerer Belastung andere zunächst nicht in Mitleidenschaft gezogene Kapitalien mitbelastet werden und bei Erreichen der Vollausschöpfung des Gewinns die Abwälzung auf die Konsumenten erzwungen wird. Eine Besonderheit ist die Förderung des Verdrängungswettbewerbs bei einer fixen nicht umsatzorientierten allgemeinen Verbrauchssteuer. In solchen Fällen sinkt die relative Belastung, wenn bei steigenden Umsätzen die absolute Belastung gleich bleibt. Der weniger Umsatz erzielende Kaufmann muß sich in der Preisgestaltung dem umsatzstarken Konkurrenten anpassen, so daß die bei ihm verstärkt erforderliche Abwälzung mißlingt. Montesquieu forderte psychologisch sehr einfühlsam und zeitlos gültig, daß die Steuer nie im Verhältnis zum Preis unverhältnismäßig werden dürfe, um im Bewußtsein des Käufers die Verschmelzung von Preis und Steuer zu einer Einheit zu ermöglicheni58 ; mit dieser kaum bestreibaren Aussage über das Marktverhalten umging Montesquieu jede eingehende Erörterung zur Mechanik der wirtschaftlichen Vorgänge. 6.4.3. Die rechtliche Erfassung und die gewünschte Steuerung dieses wirtschaftlichen Geschehens bereitete den Kameralisten verständlicherweise Schwierigkeiten. Einig war man sich in der Ablehnung der physiokratischen Abwälzungslehre als wirklichkeitsfremd, der canardschen Lehre von der gleichmäßigen Steuerverteilung als widerlegt und in der Zielsetzung einer geplanten, gerecht ausgeglichenen Gesamtbelastung im Staat. über die geeigneten Wege zur Erreichung dieses Zieles stritt man. Anfänglich erhoffte man von der Mechanik der Steuerabwälzung eine indirekte Förderung der Allgemeinheit der Besteuerung159 und eine Entprivilegisierung des als absolut unproduktive Klasse verachteten Adels160• Später wollte man die Gesamtsteuergerechtigkeit durch Systemgerechtigkeit der Steuern sicherstellen. Direkte Steuern sollten konstruktiv unabwälzbar, indirekte Steuern konstruktiv abwälzbar sein161 • Nach der in der rechtssystematischen Genese jüngsten, nicht historisch spätesten Meinung führte jede Steuerabwälzung zu einer ungleichen unerwünschten Gestaltung der Steuerverteilung im Staatskörper162 • Optimal war danach die Bevorzugung 157 (234) Rau Bd. 2 S. 171, 173. 158 (190) Montesquieu S.297. 159 (147) Krehl Einleitung S. XVII; (149) Krehl S.12. 160 (285) Sonnenfels S. 273. 161 (122) Jakob Bd. 1 S.596. 162 (147) Krehl S. 99 f.

6.4. Steuerabwälzung und Steuerträgerschaft

159

der direkten Ertragssteuern163 und der Einsatz geeigneter gesetzgeberischer Mittel, um die Abwälzung auszuschalten164, weil im Abwälzungsfall keine Garantie besteht, daß der Ersetzende gerade sein zugemessenes Steuerquantum über die Abwälzung erhä1t165 • Man wünschte also Identität und nicht Diversität zwischen steuerlich Verpflichtetem und Belastetem166 • Größere Einigkeit bestand über die gesetzestechnischen Möglichkeiten zur Beeinflussung der Abwälzungsvorgänge 167 • Der Kameralismus war aber realitätsnah genug, um zu erkennen, daß die Abwälzung als eigenständiger Wirtschaftsvorgang vom Gesetz nur bedingt determiniert werden konnte 168 • Als rechtliche Gestaltungsmodalitäten boten sich die Steuererhebung beim Verkäufer169 oder beim Käufer an170 • Da eine Rückwälzung erfahrungsgemäß seltener Erfolg hat l7l als die Abwälzung, empfiehlt sich Belastung des Käufers mit der Steuerpflicht1 72 • Ebenso bedeutsam ist, welchen Vorgang man der Besteuerung unterwirft173 : die Herstellung, die Bereitstellung, den übertragungsvorgang oder den Verzehr174• Jede Variante wirkt verschieden auf die Abwälzungsvorgänge ein. Im Ergebnis erweist sich eine wider die Intention des Gesetzgebers abgewälzte Produktionssteuer als konstruktive Konsumtionssteuer175 und eine rückgewälzte Konsumtionssteuer als konstruktive Produktionssteuer176 • Nur wenig Erfolg verspricht dagegen der staatliche Versuch, die Steuererhöhung durch staatlich verordnete Preiserhöhung177 zu verhindern178 • Das Entstehen grauer und schwarzer Märkte war schon in der Kameralzeit zur Genüge bekannt. Im Zweifelsfall entschieden sich die Kameralisten stets für die juristische Steuerträgerschaft als staatsrechtlich relevanten Anknüpfungspunkt179 , weil keinen Staatsbürger, rechtlich gesehen, eine Vorschußpflicht für fremde Steuern treffen kann180 • Auch 163 164 166 166 167 168 169 170 171 172 173 174

175 176 177 178 1711 180

(297) Strelin S. 18. (152) Kröncke S. 423 f.; (45) Crome Bd.1 S.19. (45) Crome Bd.1 S. 65; (147) Krehl S. 98; (149) Krehl S.42, 45 f. (296) Strelin S. 28. (321) Wernher S. 31 f. (285) Sonnenfels S.274. (66) Eulner S. 124; (190) Montesquieu S.296. (66) Eulner S.125. (234) Rau Bd. 2 S. 33. (21) Bergius S.5 Bd.1. (82) Fulda S.1026. (21) Bergius Bd. 1 S. 4. (285) Sonnenfels S.274; (122) Jakob Bd.1 S.609; (297) Strelin S. 155. (296) Strelin S. 32; (45) Crome Bd. 1 S.66; (80) Fulda S.314. (45) Crome Bd. 1 S.20. (167) Leipziger S. 313. (45) Crome Bd.1 S.17. (45) Crome Bd. 1 S. 66.

160

6. Fragen der Steuerbelastung

als Vertragspartner des einzelnen Bürgers trifft den Staat die Verpflichtung, steuerliche Auswirkungen auf die Preisgestaltung als nicht existent zu behandeln. Wenn der Staat dem Bürger bei steuerlich bedingtem teuererem Erwerb keinen Ersatz leistet, kann er bei steuerlich verursachtem billigerem Erwerb dem Bürger diese günstige Gelegenheit auch nicht entgegenhalten 181 • Im Ergebnis erweist sich stets die unmittelbare Erhebung der Steuern und die Identität von Verpflichtetem und Belastetem für den Staat am kostenbilligsten. Nur der psychologische Vorteil der Duldsamkeit der Steuerpflichtigen bei dem Versprechen, sie dürften ja die auferlegte Steuer im Preis weiterwälzen, verführte den Staat zur Begünstigung der Abwälzung182• Im Effekt beschäftigt der Staat den abwälzenden Steuerpflichtigen dann als Eintreiber fremder Steuerschuld. Als unechte Abwälzung erkannte man die Weitergabe der Reichssteuern durch die primär belasteten Reichsstände durch Ausschreibung weiterer Steuern an die sekundär und endgültig belasteten Landstände. Insoweit kann auf das Kapitel zu den Reichs- und Landessteuern verwiesen werden183 • 6.4.4. Am Ende des Kameralismus steht die resignierende Erkenntnis, daß selbst Polizeitaxen und gesetzliche Zinsfüße die Steuerabwälzung als wirtschaftlichen Vorgang kaum beeinflussen können184 • Man billigte den Wirtschafts gesetzen den Rang physikalischer Seinsgesetze zu, und der Liberalismus kündigte sich in dem Leitsatz des den Kameralismus steuerlich be endenden Kameralschriftstellers Baumstark an: "Man lasse den freien Verkehr gewähren; was er bewirkt, ist wohlgetan185 ." 6.5. Die verschiedenen Arten der Steuerbefreiungen

Die historisch gewachsenen Steuerfreiheiten lehnten die Kameralisten nahezu einhellig ab 186 • Das systematisch und antihistorisch ausgebildete Gerechtigkeitserfordernis der Aufklärung, die wirtschaftliche Unzweckmäßigkeit sachlich unbegründeter Steuergefälle, der Ausfall oder die Minderung des Steueraufkommens und der heraufdämmernde Wirtschaftsliberalismus ließen jede Steuerbefreiung als eine anachronistische Widersinnigkeit feudaler Vorzeit erscheinen. Allerdings umfaßte das Wort "Steuerbefreiung" steuerrechtliche Institutionen verschiedenster Art und entsprechend differenziert waren auch die vorgeschlagenen 181 182 183 184 185 186

(45) Crome Bd. 1 S. 131. (147) Krehl S.97. (277) Sensburg S. 3. (167) Leipziger S.313; (142) Keßler S.128; (80) Fulda S.285. (7) Baumstark S. 722. Eine Ausnahme: (256) Sauter S. 344 f.

6.5. Die verschiedenen Arten der Steuerbefreiung

161

Lösungen. Anfänglich überwogen die strukturellen Untersuchungen über das Wesen und die rechtliche Begründetheit bestehender Steuerbefreiungen. Man unterschied zwischen persönlichen und sachlichen SteuerfreiheitenlB7 • Später begründete und forderte man sehr direkt die Aufhebung der wirtschaftlich nicht motivierten Befreiungen. 6.5.1. Schon Bodin hatte gefordert, daß alle Steuern ohne Ansehen der Person auf alle Stände nach eines jeden Vermögen gelegt werden sollen lB8 • Auch aus der Reichsverfassung einschließlich entsprechender Reichstagsabschiede ergab sich eindeutig die Verpflichtung, alle Inwohner des Reiches, einschließlich der Personen hohen und höchsten Standes, ausnahmslos und gleichmäßig zu belasten1B9 • Die Besteuerungswirklichkeit sah anders aus 190 • Die Klagen über die rechtlich unhaltbaren Steuerfreiheiten des Adels und der Geistlichkeit rissen nicht ab 191 , zumal die dadurch bedingten Steuerausfälle den steuernden Ständen zusätzlich zur Last fielen 192 • Es entsprach der üblichen restriktiven Methode der Kameralisten, die durch einengende Auslegung alter nach ihrer Auffassung nicht mehr legitimierter Rechte den Gedanken der Aufklärung rechtliche Geltung zu verschaffen versuchten193 , wenn man dem Landesherrn zwar das Recht zuerkannte, Steuerbefreiungen zu verleihen194, ihn aber für verpflichtet erklärte, den dadurch bedingten Abgang an Steuermitteln aus seinem Privatvermögen zu tragen195 • Die alte Steuerfreiheit des Adels wurde einst mit den stattdessen geleisteten Kriegs-, Ritter- und Hofdiensten begründet1 96 • Nach dem Wegfall der alten Dienste entfiel auch diese letzte zweifelhafte Begründung der adeligen Steuerfreiheiten197• Schon Seckendorff forderte die steuerliche Belastung der durch historische Begründungen Steuerbefreiten19B • Da das neuzeitliche Kriegswesen aus dem Steueraufkommen bestritten wurde, traf den Adel die Verpflichtung, seine nicht mehr ausgeübten (195) Moser S.472; (66) Eulner S.5; (50) Dithmar S.19; (151) Kremer S.75. (28) Bodin S.658; (238) Real S.193. IB9 (246) Rövenstrunck S.22; (24) Besold S.152; (311) Ulmenstein S.59; (45) Crome Bd.l S.142. 190 (22) Bergius Bd. 8 S. 229. 191 (246) Rövenstrunck S.31; (220) Pescherinus S.29, 75; (225) Pfeiffer Bd.l S.283. 192 (72) Fischer S. 40; (297) Strelin S. 23; (220) Pescherinus S. 76; (195) Moser S.476; (51) Döhler S.10; (285) Sonnenfels S. 116; (221) Pfeiffer S.162; (122) Jakob Bd. 2 S. 1076. 193 (135) Justi S.440. 194 (135) Justi S.437; (51) Döhler S. 136. 195 (51) Döhler S. 12. 196 (50) Dithmar S. 18, 269. 197 (98) Harl Bd.l S.538; (12) Behr S.90; (195) Moser S.462; (123) Jargow S. 527, 533 f. 19B (274) Seckendorff S.497, 500. 187

IB8

11 .renetzky

162

6. Fragen der Steuerbelastung

Kriegsdienste wie jeder Bürger und Bauer durch Steuerzahlung auszugleichen199 • Aus dem Gedanken, daß alle Steuerzahlung Entgelt für den Schutz des Staats200 , repräsentiert durch den Landesherrn, sei, folgte die Verpflichtung für alle Staatsschutz Genießenden, zum Steueraufkommen beizutragen201 • Der Geistlichkeit wurde jede Berechtigung zur Steuerfreiheit abgesprochen202 • Es fällt allgemein auf, daß die antiklerikale Haltung bei den katholischen süddeutschen Kameralisten ausgeprägter war als bei den Repräsentanten des preußisch-sächsischen Raumes. 6.5.2. Es bedurfte zunächst begrifflicher Abklärung, welche Steuerrechtsinstitute zu den Steuerbefreiungen gerechnet werden sollten. Manches erschien als Steuerbefreiung, was sich sachlich als systembedingte Steuerminderung herausstellte. So verminderte der Rückgang von Vermögen und Einkünften notwendigerweise die proportionale Besteuerung, wenn keine schematische Kopfsteuer vorlag, ohne daß hier von einer echten Besteuerung gesprochen werden kann203 • Bedürftige, Vermögenslose und arme Leute galten allgemein als steuerlich nicht belastbar20 4, auch wenn sie formell nicht befreit waren205 • Ebenso billigte man den Steuerpflichtigen allgemein einen Vorwegabzug für den "Haushaltsabzug" ZU 206 , das heißt man gestattete die Minderung des notwendigen Lebensbedarfs von der Bemessungsgrundlage der Steuer207 • Später anerkannte man die Berechtigung eines echten Eingangsfreibetrages bei der Besteuerung208 • Auch die willkürliche Freilassung einzelner Gruppen von Steuerobjekten (z. B. Kapitalien oder Arbeitslohn) kann zu einem Steuerbefreiungseffekt führen209 , obwohl die fehlende Allgemeinheit der Steuer nicht auf personellen, sondern auf nach allgemeinen Merkmalen bestimmten objektmäßigen Einschränkungen beruht. Die Aufzehrung der Einkünfte durch die "Kulturkosten" (Werbungskosten im heutigen Sinne) kann ebenfalls der Sache (136) Justi Bd. 1 S.428; (133) Justi S. 371; (177) Ludewig S. 113. (224) Pfeiffer Bd.4 S.142. 201 (220) Pescherinus S.35; (136) Justi Bd.1 S.423; (195) Moser S.447; (22) Bergius Bd.8 S.229; (147) Krehl S.140; (12) Behr S.89. 202 (26) Bielefeld S. 388; (136) Justi Bd. 1 S. 427; (160) Lang S. 112. 203 (122) Jakob Bd.2 S. 1065; (246) Rövenstrunck S. 43; (1) Achenwall S. 186; (283) Soden Bd. 3 S. 117. 204 (195) Moser S.472; (289) Spendelin S.4; (236) Raumer S.235; (275) Seeger S.75; (147) Krehl S.245; (149) Krehl S.9; (122) Jakob Bd.2 S.1063; (151) Kremer S. 77; (234) Rau Bd.2 S.13. 205 (102) Hasse S.368. 206 (136) Justi Bd. 2 S. 379. 207 (7) Baumstark S.721; (98) Harl Bd.1 S.222; (154) Kröncke S.146; (285) Sonnenfels S. 195; (63) Eschenmayer S.8; (236) Raumer S.236. 208 (236) Raumer S. 234. 209 (147) Krehl S.98; (122) Jakob Bd.1 S. 546 ff., Bd.2 S.997. 199

200

6.5. Die verschiedenen Arten der Steuerbefreiung

163

nach zu einer Nichtbesteuerung führen und in der Wirkung einer Steuerbefreiung gleichkommen 21o • Eine weitere unechte Steuerfreiheit stellt die Freistellung von der Steuer zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung dar. Wer schon einmal gezahlt hat, soll für den gleichen Vorgang von Steuer freibleiben 211 • In der Nichtexistenz bestimmter Steuerarten in einem Land kann man auch eine Steuerfreiheit sehen212 • 6.5.3. Neben diesen unechten Steuerfreiheiten entwickelte der Kameralismus eine Reihe von speziellen Steuerfreiheiten, deren Einführung ungeachtet ihrer fehlenden historischen Verankerung aus der Natur der Sache heraus oder wegen der wirtschaftlichen Notwendigkeit als zweckmäßig gefordert wurde 213 • So wollte schon Bodin Eltern, die eine überdurchschnittlich hohe Kinderzahl gezeugt hatten, von allen Steuern befreien214 • Die Befreiung der Hospitäler, Armenhäuser und frommen Stiftungen von allen Steuern bedurfte keiner besonderen Begründung215 • Obwohl die Befreiung "ob utilitatem publicam" nicht unstrittig war, wurde sie doch für bestimmte im öffentlichen Interesse liegende Berufe und gemeindeeigene Güter erwogen216 • Die erzwungene Verwirklichung steuerpflichtiger Tatbestände sollte ebenfalls keine Steuerpflicht auslösen217 • Justi wollte für echte wichtige Dienste gegenüber dem Staat eine lebenslängliche Steuerfreiheit anerkennen218 , was allerdings nur für persönliche Abgaben gelten sollte219 • Besondere Bedeutung kam der "Neurodungsfreiheit" zu. Bei Neukultivierung von Boden und Kolonisation von Land hielt man eine mehrjährige Steuerfreiheit für zweckmäßig22o • Später dehnte man diese Begründung auf den Neubeginn von Manufakturen und gewerblichen Betrieben aus 221 • In dieser befürworteten Steuerbefreiung zeigte sich das wirtschaftliche Verständnis der Kameralzeit. Der Verzicht auf individuelle Gleichbehandlung zugunsten der Förderung der gesamten Wirtschaftsstruktur (122) Jakob Bd. 1 S.417, 535. (122) Jakob Bd. 2 S. 1063. 212 (302) Stündeck S. 24. 213 (122) Jakob Bd.2 S. 1049. 214 (28) Bodin S. 659. 215 (66) Eulner S.17; (33) Borowski S.241; (154) Kröncke S.30; (98) Harl Bd.1 S.117. 216 (168) Leipziger Sammlungen Bd. 8 S. 730, Bd. 10 S.346; (98) Harl Bd. 1 S.131. 217 (123) Jargow S.550. 218 (136) Justi Bd. 1 S. 424. 219 (136) Justi Bd. 1 S. 426. 220 (133) Justi S.617; (195) Moser S.474; (294) Stokar von Neuform S.5; (63) Eschenmayer S. 71; (156) Krug S. 156. 221 (133) Justi S.626; (167) Leipziger S.376; (142) Keßler S.95; (147) Krehl S.216. 210

211

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6. Fragen der Steuerbelastung

war geistesgeschichtlich erst ab der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts einsichtig. Arbeitslöhne und Staatsbesoldungen galten anfänglich überhaupt nicht als geeignete Besteuerungsobjekte. Später billigte man ihnen die Befreiung von Besteuerungen ZU 222 • Im Spätkameralismus stellte man darauf ab, ob die Höhe der Gehälter außer dem absoluten Existenzminimum noch einen zusätzlichen Gewinn abwarf. Nur bei überschreitung des Existenzminimums, des ausreichenden oder standesmäßigen Unterhalts hielt man die Wegsteuerung eines Teils des Zusatzgewinns für tragbar223 • Rein wirtschaftlich orientiert waren die verschiedenen Arten von Steuerfreiheiten beim Grenzausgleich zwischen In- und Ausland. Aus der Zeit des Akzisestreits und des echten Merkantilismus, der mit dem Frühkameralismus zeitlich parallel lief, hatte man die Steuerbefreiungen für die Einfuhr von Rohwaren22 4, die Ausfuhr von Fertigfabrikaten225 und allgemein zugunsten von Unternehmern, die mit dem Ausland konkurrieren226 , übernommen. Die Steuerfreiheit für Opfer von Brand- und Unwetterschäden227 grenzte schon an die Problematik des Steuererlasses oder der Remission. Konstruktiv handelte es sich aber um eine echte Steuerbefreiung, da sie an allgemeine gesetzliche Merkmale ohne Ermessensspielraum geknüpft war. Bei der Abzugssteuer gab es verschiedene Steuerbefreiungen, die aus Gründen der Geringfügigkeit oder fehlender Kontrollmöglichkeit anerkannt wurden und den praxisnahen Stil der Steuergesetzgebung dokumentierten 228 • Die Befreiung ganzer Berufsgruppen von der Besteuerung warf einige Probleme auf. Dirnen, Bettler, Räuber und Betrüger sollten nicht besteuert werden, weil der Staat nicht an der Unmoral partizipieren dürfe 229 , während die hergebrachte Freiheit der heute als Freiberufler bezeichneten Berufsgruppen als nicht gerechtfertigt erachtet wurde. Die völkerrechtliche Steuerfreiheit der Gesandten fremder Staaten von persönlichen Abgaben war im Kameralismus allgemein als berechtigt anerkannt23o • Es muß auch eine Steuerfreiheit für die Erträge aus neuen Erfindungen gegeben haben, weil eine einzelne Stimme sie ablehnte 231 • Eine einzelne Stimme erhob sich auch, die Besitzer kleiner Kapitalbeträge wie Witwen, Waisen und (133) Justi S. 626; (225) Pfeiffer Bd. 1 S.285. (45) Crome Bd. 2 S. 98; (156) Krug S. 134; (142) Keßler S. 90; (151) Kremer S.77; (141) Keßler S.6: Ablehnung der Steuerfreiheit im Tübinger Vertrag; (98) Harl Bd. 1 S. 123. 224 (133) Justi S. 628. 225 (225) Pfeiffer Bd. 5 S. 341. 226 (156) Krug S. 148. 227 (195) Moser S.473. 228 (321) Wernher S.17, 19, 21, 25, 27. 229 (45) Crome Bd.2 S.95. 230 (294) Stokar von Neuform S.23. 231 (297) Strelin S. 22. 222

223

6.5. Die verschiedenen Arten der Steuerbefreiung

165

Greise mit den Zinserträgen aus sozialen Gründen von der Besteuerung freizustellen 232 • 6.5.4. Eine besondere Beurteilung fanden die den Landesherren eigentümlich gehörenden Güter bei der Erörterung der Steuerbefreiungen. Moser stellte fest, daß teilweise auch der Landesherr von seinen Kammergütern Steuern zahlen mußte, während andere Landesherren von der Besteuerung ihrer Kammergüter verschont blieben233 • Die Besteuerung der Domänengüter des Landesherren wurde in der Folge allgemein befürwortet234 • Verquickt war diese Frage mit der parallelen Problematik, ob Grundsteuerfreiheiten auf den Grundstücken als Reallasten haften oder der Person des Eigentümers und seiner persönlichen Steuerfreiheit folgen 235 • Die Auffassung, daß Adelsgüter mit einer sachlichen Steuerfreiheit privilegiert seien, führte zur Konsequenz der Steuerfreiheit dieser Güter auch in bürgerlichem Eigentum. Umgekehrt hatten auch persönlich steuerfreie Adelige Steuer von Gütern zu zahlen, die sie aus Bürger- oder Bauernhand erwarben236 • In dieser Tendenz zeichnete sich eine Verdinglichung der Steuerbefreiungen ab, die der Steuerfreiheit den Charakter eines Standesvorteils nahm und deren Abschaffung vorbereitete. Nach Moser wurde allerdings die Steuerfreiheit der landesherrlichen Güter in manchen Gegenden Deutschlands auch als Privilegierung der Person des Landesherren angesehen 237 • Nach dieser Lehre ist alles Land steuerfrei, das in der Hand des Staatsoberhauptes vereinigt wird. Nach der in anderen Gegenden praktizierten Realsteuerfreiheit blieb konsequenterweise der landesherrliche Altbesitz steuerfrei, es war aber von landesherrlichen Neuerwerbungen Grundsteuer zu zahlen238 • Spätere Auffassungen sprachen den landesherrlichen Domänengütern jede Berechtigung zur Steuerfreiheit ab 239 • Als man begann, Staatsvermögen und Privatvermögen des Landesherren begrifflich zu scheiden, wurde letzteres eindeutig steuerpflichtig, während die Besteuerung des Staatsvermögens zur reinen Opportunitätsfrage degenerierte 24o • 6.5.5. Der Kampf gegen die überlieferten Steuerfreiheiten der privilegierten Stände wurde in der Kameralliteratur überwiegend mit wirtschaftlichen Gründen unterstützt durch naturrechtliche Argumente 232 (234) Rau Bd. 2 S. 184. 233 (197) Moser S. 65. 234 (22) Bergius Bd. 8 S. 230. 235 (66) Eulner S. 100. 236 (50) Dithmar S. 19. 237 (195) Moser S.450; anders aber (98) Harl Bd.2 S.145. 238 (195) Moser S. 450. 239 (51) Döhler S.l1; (302) Stündeck S.93; (276) Sensburg S.87; (98) Harl Bd.1 S.130. 240 (151) Kremer S.76; (297) Strelin S. 190 f.; (234) Rau Bd.2 S.26.

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6. Fragen der Steuerbelastung

geführt. Abgaben sind nur dann trotz absolut drückender Höhe erträglich, wenn zwischen den Steuerpflichtigen eine gleichbelastende relative Gleichheit herrscht241 • Lieber hohe allgemeine Steuern als niedrige Steuern mit persönlichen sachlich unbegründeten Steuerbefreiungen, lautete die Maxime 242 • Jede Steuerbefreiung entzieht dem Staat Steuermittel, auf die seitens der Allgemeinheit ein Anspruch zur Verwendung für den öffentlichen Nutzen besteht243 • Verkaufte Steuerfreiheiten hielt man nicht für empfehlenswert, weil die Steuerberechtigung dem Staat sicherer ist als das für den Abkauf der Steuerpflicht gegebene Kapital, das vom Untergang bedroht bleibt244 • Im übrigen partizipiert der Staat bei Gewährung von Steuerfreiheiten nicht mehr an dem bei Wertsteigerungen der Grundstücke eintretenden Steuerzuwachs245• Die allgemeine Besteuerung aller den Besteuerungstatbestand erfüllenden Untertanen hebt nach kameralistischer Ansicht auch die Steuermoral und sichert die gegenseitige Kontrolle gegen Betrügereien246 • Eine berechtigte Steuerfreiheit setzte nach allgemeiner Ansicht die Zustimmung der Standesvertreter der effektiv betroffenen Steuerpflichtigen voraus. Konnte diese freiwillige Zustimmung nicht nachgewiesen werden, so fehlte der beanspruchten Steuerfreiheit die Legitimität247 • Wer keinen berechtigenden Grund zur Steuerfreiheit beweisen konnte, der blieb nach kameralistischer Auffassung trotz subjektiv beanspruchter Steuerfreiheit steuerpflichtig248• Besonders verurteilte man die durch sachlich nicht gerechtfertigte Steuerbefreiungen bewirkten Konkurrenzverzerrungen249 • Steuerbefreiungen verstoßen auch gegen den Staatsvertrag250 , weil die einzelnen vermögenden Staats bürger nach der bildhaften Sprache der Kameralzeit als "Aktionäre der Staatsgesellschaft" alle gleich verpflichtet sind251 • Auch vernichtet eine verbreitete vielen gewährte Steuerfreiheit die Grundrente der Grundstücke der Nichtbefreiten, weil sie die Steuer nicht mehr abwälzen können, denn die Befreiten sind in der Lage, billiger anzubieten 252 • Im Gesamturteil des Kameralismus sprachen gegen die Steuerbefrei(110) Hoffmann S. 101. (294) Stokar von Neuform S.19, 40; (236) Raumer S.223. 243 (136) Justi Bd.1 S.44; (173) Lith S.166. m (136) Justi Bd. 2 S. 335. 245 (132) Justi S.72. 246 (173) Lith S.167; (127) Jung S.351. 247 (177) Ludewig S. 113; (302) Stündeck S. 143; (276) Sensburg S.79. 248 (224) Pfeiffer Bd. 2 S. 121. 249 (301) Struensee S. 95 f.; (152) Kröncke S. 268 f.; (294) Stokar von Neuform S.18. 250 (63) Eschenmayer S. 90. 251 (122) Jakob Bd.2 S. 1050. m (122) J~kob Bd. 1 S. 509. 241

242

6.5. Die verschiedenen Arten der Steuerbefreiung

167

ungen nahezu alle vertretbaren Grunde, dafür nur angebliche historische Rechte 253 , die aus einem privatrechtlich orientierten Verständnis der Steuerbefreiungen herrührten und deren Legitimität nach dem Verfassungsverständnis der Aufklärungszeit höchst zweifelhaft war. 6.5.6. Die alten Grundsteuerfreiheiten stützten sich auf einen rechtlich geordneten Katalog einzelner Befreiungsgrunde: 1. Privileg des Inhabers des Besteuerungsrechts,

2. 3. 4. 5. 6. 7.

Gewohnheit oder Landesherkommen, Vertrag mit dem Inhaber des Besteuerungsrechts, Unvordenkliche Verjährung254 , Identität von Staat und Grundbesitzer, Anderweitige Bezahlung der üblichen Abgaben255 , Kauf der Steuerfreiheit256 •

Der ganze Katalog beruhte auf einer privatrechtlichen Betrachtung des Steuerrechtsverhältnisses. Obwohl man schon auf dieser Basis einhellig der Ansicht war, daß die Steuerpflicht die Regel und die Steuerfreiheit die zu beweisende Ausnahme sei257 , reichte dies doch nicht zur Widerlegung und Rechtfertigung der Abschaffung der historisch gewachsenen Realsteuerfreiheiten für Grundvermögen aus. Der entscheidende Durchbruch lag in dem Wechsel des Verständnisses steuerlicher Rechtsbeziehungen vom Privatrecht zum hoheitlichen öffentlichen Recht. Die Entwicklungslinie verlief von einer restriktiven Auslegung der Steuerfreiheiten258 über die Aufhebung gegen Entschädigung259 , die entschädigungslose Enteignung bis zur Auferlegung allgemeiner Steuern für alle Staatsbürger, wobei der letzteren Auffassung die Steuerfreiheit als bewertbares privates oder öffentliches subjektives Recht nicht mehr verständlich war. Die Unzweckmäßigkeit der Gewährung von Steuerfreiheiten als Privileg war im Kameralismus zu allen Zeiten unbestritten260 • Die Berechtigung zu solchen Privilegerteilungen billigte man dem Landesherren teils zu, teils sprach man sie ihm ab 261 • Justi leitete als erster aus dem Wesen der Republik das Recht des Regenten ab, alle Steuerfreiheiten aufzuheben262 • Sein Gegner Lith (302) Stündeck S. 25, 29, 32, 61 ". (51) Döhler S. 12. 255 (122) Jakob Bd. 2 S. 1053 f. 256 (122) Jakob Bd.2 S. 1064. 257 (195) Moser S. 448, 454; (302) Stündeck S. 99, 145; (45) Crome Bd.1 S.166. 258 (302) Stündeck S.24, 120; (243) Rößig S.351; nach (72) Fischer S.43 gibt es zum Beispiel keinen Schluß von einer Befreiung von alter Steuer auf eine neue Steuer. 259 (122) Jakob Bd. 2 S. 1063, 1080. 260 (110) Hoffmann S.100; (289) Spendelin Vorrede. 261 (168) Leipziger Sammlungen Bd. 9 S. 571. 253

254

168

6. Fragen der Steuerbelastung

sah die Allgemeinheit der Besteuerung als ein Wesensmerkmal jeder Steuer an und forderte dementsprechend eine Besteuerung ohne Ansehen der Person 263 • Nach privatrechtlicher Betrachtungsweise sah man in der Steuerfreiheit ein Recht, dessen Aufhebung die Güter im Wert minderte 264 ; man hielt die Aufhebung deshalb für eine Härte, die zur Entschädigung verpflichtete 265 • Die Entschädigungspflicht implizierte die Behandlung der Steuerfreiheit als eigentumsähnliches Recht266 • Bemerkenswert ist, daß zu dieser Zeit zwar noch private Rechte stärker waren als das Hoheitsrecht, das Kirchenrecht aber, auf das sich die Steuerfreiheit der Geistlichkeit stützte267 , vor dem Majestätsrecht des Staates zurücktreten mußte 268 • Gewünscht wurde die Aufhebung der Steuerfreiheiten von allen Kameralisten269 • Nur über die Modalitäten war man sich nicht einig27o • Die dingliche Deutung der Grundstückssteuerfreiheit ließ sich nicht mehr halten, als man erkannte, daß Besteuerungsobjekt nicht das Grundstück, sondern die Rente des Grundkapitals ist. Die Wertbeeinträchtigungstheorie war widerlegt durch die Erkenntnis, daß die Grundrente den Preis der Grundstücke bestimmt, diese aber nicht von der gewährten oder versagten Steuerfreiheit abhängt271 • Die öffentlichrechtliche Deutung des Steuerrechtsverhältnisses erschütterte alle adelsfreundlichen Theorien über die Steuerfreiheiten. Da den Reichsständen verboten war, Untertanen von Steuern zu befreien272 , mußte sich der Adel die im Widerspruch zu diesem Reichsrecht dolos erworbenen Scheinrechte ohne Anspruch auf Ersatz wieder entziehen lassen273 • Unabhängig von dieser überlegung konnte das hoheitliche Besteuerungsrecht, das in keinem Gegenleistungsverhältnis zum Steuerpflichtigen steht, nicht für die Zukunft wirksam durch den Abgabeverpflichteten eingeschränkt werden274 • Nur Nachbezahlung der Steuern für die Vergangenheit konnte auf die widerrechtlich erteilten Steuerfreiheiten nicht mehr verlangt werden 275 • Ohne Befugnis vom Souverän früher gewährte Steuerbefreiungen müssen 262 263

264 265

266 267 268

269 270

271 272 273

274 275

(136) Justi Bd. 1 S. 45. (173) Lith S.168; (143) Klüber S.32. (135) Justi S. 441; (301) Struensee Bd. 3 S. 92. (225) Pfeiffer B. 5 S. 268. (225) Pfeiffer Bd. 5 S. 59. (282) A. Smith Bd. 3 S. 230. (225) Pfeiffer Bd. 5 S. 279 f. (302) Stündeck S. 44. (302) Stündeck S. 141, 155 f. (142) Keßler S. 116; (122) Jakob Bd.2 S. 1071; (151) Kremer S.79. (45) Crome Bd.l S.143; (98) Harl Bd.2 S.516. (45) Crome Bd. 1 S.144; (83) Fulda S.196. (264) Schmalz 1;. 318. (45) Crome Bd.: S. 167 f.; (122) Jakob Bd.2 S.1069.

6.5. Die verschiedenen Arten der Steuerbefreiung

169

dem Gleichheitsgrundsatz weichen 276 • Der Staat wurde von den Kameralisten nach geläuterter Auffassung im Spätkameralismus verpflichtet, die bisher steuerfreien Stände unverzüglich zu belasten277 • Die Forderung nach Steuerfreiheit für den Adel beruhte auf der Annahme, es gäbe viele größere und kleinere Souveräne im Staat. Als der Adel sich in die Reihen der übrigen Untertanen einreihen mußte, bildeten seine Privilegien unhaltbare öffentliche Ärgernisse 278 • Den Spätkameralisten nach der französischen Revolution war besonders die Entschädigungslehre des Hochkameralismus ein Ärgernis. Warum sollte der Besitzer eines steuerpflichtigen Gutes mit beitragen, den Besitzer eines steuerfreien Gutes für den Verlust eines rechtswidrigen Privilegs noch zu entschädigen? Der Steuerpflichtige kann nichts dafür, wenn das Gut des bisher Steuerfreien durch die Erfüllung allgemeiner rechtlicher Pflichten im Verkaufswert sinkt279 • Der Abkauf der Steuerfreiheit läßt den Steuerpflichtigen nochmals für den rechtswidrigen Raub der Steuerfreiheit zahlen 280 • Die Berufung auf alte Verträge scheitert schon daran, daß über Hoheitsrechte nicht wirksam kontrahiert werden kann und rechtswidrig abgeschlossene Verträge den Staat nicht binden 281 • In der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts hatte die Gesetzgebung das Begehren nach Aufhebung aller standesbedingten Steuerfreiheiten vollzogen 282 • Inwieweit der Kameralismus als Vertreter der Lehre und Wissenschaft dabei mitgewirkt hat, ist ohne Prüfung der Gesetzesmaterialien nicht feststellbar. Der aufklärerische Zeitgeist wurde aber wahrscheinlich von der Kameralliteratur mitbeeinflußt283 • 6.5.7. Die historische Entwicklung der Lehre von der Aufhebung der Steuerfreiheiten wäre nicht vollständig, wenn die staatspolitische Wertung der Kameralschriftsteller über die Privilegien von Adel und Geistlichkeit fehlte. Bei keiner Sachfrage zeigte sich der aufklärerische und revolutionäre Geist des Kameralismus deutlicher als bei den Aussagen über die traditionellen Steuerfreiheiten. Er widerlegte den seither gegenüber dem Kameralismus aus mangelnder Detailkenntnis stereotyp erhobenen Vorwurf der Liebedienerei gegen die Träger der politischen Macht. Die Äußerungen vieler Kameralschriftsteller sind getragen von Haß, Hohn und Verachtung gegenüber dem Adel. Son276 (151) Kremer S.73; (236) Raumer S.203; (63) Eschenmayer S.71; (283) Soden S. 159. 277 (236) Raumer S. 224. 278 (122) Jakob Bd.2 S.1047. 279 (142) Keßler S. 117. 280 (142) Keßler S.119; (122) Jakob Bd.2 S.1071. 281 (122) Jakob Bd.2 S.1066; (147) Krehl S.140. 282 (228) Pölitz Bd. 1 S. 554. 283 (276) Sensburg S. 137.

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6. Fragen der Steuerbelastung

nenfels eröffnete die Angriffe, warf dem Adel widerrechtlich erworbenen Reichtum vor und bezeichnete die erteilten Steuerfreiheiten als Diebstahl am gemeinen Wesen und den Mitbürgern 284 • Richter äußerte sich ebenso abfällig285 • Crome argumentierte, wer beweise, daß seine Vorfahren nie Steuer gezahlt hätten, beweise nur seine Pflichtvergessenheit und die Rechtsbrüche seiner Familie286 • Keßler berief sich auf Rousseau und verspottete den Wunsch des Adels, wegen angeblicher "angeborener Verdienste" auf "größerem Fuß" leben zu können 287 • Kremer bezeichnete die Steuerfreiheiten als ein für das deutsche Reich typisches Krebsgeschwür und leitete sie aus "Unwissenheit, Furcht und Willkür" her 288 • Harl nannte jede Befreiung eine Ungerechtigkeit gegen die Nichtbefreiten, die Haß und Eifersucht erzeugt289 • Strelin warf Adel und Geistlichkeit vor, die Steuerfreiheit erschlichen zu haben. Er hielt es deshalb nur für recht und billig, wenn man denen, die ihre Steuerfreiheit mit Gewalt erworben hatten, sie mit Gewalt wieder abnimmt290• 6.6. Berücksichtigung von Geldwertschwankungen bei der Steuerfestsetzung Das Nominalwertprinzip im Steuerrecht, um das heute wieder gestritten wird, war für die Kameralisten keine Selbstverständlichkeit. Als Erben der Scholastik suchten sie auch bei der Steuerzahlung nach dem "iustum pretium" für die Staatsvorteile und versuchten die Folgen von Inflation und Deflation auf diesem Gebiet zu eliminieren. Sachbedingt stellte sich dieses Problem bei allen Steuern, die als Naturalien geschuldet wurden. Wer Getreide als Steuergabe schuldet und eine feste Menge abliefern muß, schuldet im Ergebnis gleich viel, ob der Marktpreis hoch oder niedrig ist. Nur fällt es ihm bei niedrigem Marktwert schwerer, von dem Verkauf des ihm nach Besteuerung verbleibenden Getreides zu leben. Bestimmt sich dagegen die abzuliefernde Menge nach dem Wert, so entscheidet der gewählte Wertmaßstab darüber, ob Steuerpflichtiger oder Staat gewinnt oder verliert. Man unterschied dabei zwischen dem ordentlichen Marktpreis und der für Steuerzwecke festgesetzten Kammertaxe, einem über mehrere Jahre normalisierten Festpreis291 • Die Anwendung der Kammertaxe war in Zeiten der Natu284 285 286 287 288 289 290 291

(285) Sonnenfels S.167, 192. (240) Richter S. 13. (45) Crome Bd. 1 S. 171. (142) Keßler S. 134. (151) Kremer S.46, 74. (98) Harl Bd. 2 S. 536. (297) Strelin S. 20. (86) Gasser S.222; (22) Bergius Bd.2 S.71.

6.6. Geldwertschwankungen und Steuerfestsetzung

171

ralsteuer eine umstrittene Frage292 • Bemerkenswert ist, daß der Kameralismus auch bei Steuerzahlungen in Geld den relativ schwankenden Geldwert berücksichtigt wünschte. "Noch eine gute Eigenschaft der Abgaben ist es, wenn sie mit dem relativen Geld- und Warenpreis in gutem Verhältnis steht, weil anderer Gestalt, wenn die Abgabe sich nach dem numerären Wert des Geldes richtet, es vom Zufall abhängt, ob die Kassen oder die Untertanen einbüßen 293 ." Die Forderung, die Abgaben müßten mit dem relativen Geld- und Warenpreis (innerer Wert des Geldes) in einem genauen Verhältnis stehen, kehrte regelmäßig wieder294 • Die Praxis richtete sich allerdings meist nicht danach295 • Das Schwanken des Geldwertes kann auf der Vermehrung der Edelmetalle beruhen; da Edelmetalle und Münzen Waren wie alle anderen sind 296 , benötigt man mehr Geld, um Sachwerte zu erwerben. Die Steuer läßt sich mit dem billigeren Geld leichter bezahlen, wenn die zu entrichtende Nominalsumme gleich bleibt297 • Den Kameralisten unterlief bei ihren Überlegungen die Verwechselung von Kapital- und Geldmenge. Sie hielten steigende Zinssätze für einen Indikator des Geldmangels und niedrige Zinssätze für einen Beweis der Geldvermehrung 298 • Die Gleichung stimmt, wenn man statt der Geldmenge die Kapitalmenge einsetzt. Der Irrtum ist verzeihlich, auch wenn man die Rolle des Buchgeldes zur Zeit des Kameralismus unberücksichtigt läßt. Künstliche Kapitalschöpfung ohne Geldvermehrung durch Wechsel, Scheck, Schuldscheine und andere Wertpapiere war zwar bekannt, die Kombination zwischen Geldmengenüberhang und künstlicher Kapitalverknappung dürfte aber eine Errungenschaft unserer modernen Finanzwissenschaft sein. Turgot hatte dagegen die Bedeutung des Kapitals erkannt299 • Wesentlich bleibt die Erkenntnis der Kameralisten, daß der fallende Geldwert zugunsten der Schuldner und zu Lasten der Gläubiger wirkt30o • Der Effekt der langfristigen Zerstörung großer Kapitalvermögen und die dadurch bedingte Abnahme der Schicht nicht arbeitender Kapitalrentner wurde von den Kameralisten begrüßt. Trotzdem darf man dahinter keine frühsozialistische Motivation der Kameralisten vermuten. Die Staatswirtschaftslehre des Kameralismus war nachweisbar sehr unternehmer- und eigentumsfreundlich. Der Grund lag vielmehr in einem staatsethisch bedingten wörtlich zu neh292 293 294

295 296 297

298 299 300

(86) Gasser S. 224. (222) Pfeiffer Bd. 5 S. 223. (296) Strelin S. 26. (225) Pfeiffer Bd. 5 S. 290. (296) Strelin S. 25. (177) Ludewig S. 93. (298) Strelin S. 37 f. (309) Turgot S. 98 f., 103. (294) Stokar von Neuform S. 51 ff.; (45) Crome Bd.1 S.13.

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6. Fragen der Steuerbelastung

menden Antikapitalismus. Man unterstützte den produzierenden Unternehmer und bekämpfte den vom arbeitslosen Zinseinkommen lebenden Bankier, Geldverleiher und Großgrundbesitzer 301 • Nur der durch Arbeit erworbene Reichtum sollte geschützt werden, dieser allerdings schrankenlos und absolut. Stokar von Neuform erkannte in diesem Zusammenhang die Quantitätstheorie des Geldes, rügte die Staatsentlastung durch Geldvermehrung und Rückzahlung der Staatsschulden mit entwertetem Gelde und verlangte die Besteuerung der Kapitalzinsen auszusetzen, so lange unter Berücksichtigung der Geldwertsenkung kein realer Ertrag entsteht302 • Das Gerechtigkeitsbedürfnis der Kameralisten veranlaßte sie sogar, die Berücksichtigung des Preisgefälles zwischen verschiedenen Ortschaften zu fordern 303 • Der württembergische Landtagsabgeordnete und Kameralist Keßler, der auch zur Frage der Steuerbefreiungen sich durch Extremismus auszeichnete, forderte dagegen offen die Wegsteuerung von inflationsbedingten Scheingewinnen304 • Er verwendete nicht diese Terminologie, wünschte aber die Berücksichtigung der durch Geldwertminderung entstehenden unechten Grundstückswertsteigerungen bei dem für die Besteuerung maßgebenden Katasteranschlag. Die Problematik der Geldwertschwankungen wurde in der Kameralzeit durch den Modus der Ermittlung des Gewerbeertrages noch kompliziert. Die damals übliche Ermittlung des Gewinns aus Schätzwerten305 ließ die Inflationsfolgen doppelt in die Gewinnermittlung eingehen: einmal über die Nominalgeldwerte, zum anderen über die Berücksichtigung der unzutreffenden Preise als Grundlage der Gewinnschätzung bei Ermittlung der staatlichen Richtwerte 306 • Die Hoffnung auf leichtere Ablösung der Grundlasten der Bauern, wenn die Realabgaben zunächst kapitalisiert und dann inflatorisch entwertet würden, dürfte sich zwar im historischen Entwicklungsgang bestätigt haben, die sozial engagierten Kameralisten der nachnapoleonischen Zeit teilten aber den Optimismus des Früh- und Hochkameralismus nicht und befürchteten eher ein deflatorisches Steigen des Geldwertes zu Lasten der Bauern307 • Der Siegeszug des Nominalwertprinzips beendete die Überlegungen des Kameralismus zu diesem Thema. Erst der Finanzwissenschaft der Gegenwart vermögen sie wegen der zeitunabhängigen Aktualität ihrer Gedanken wieder historische Erkenntnisse zu vermitteln. 301 302 303 304 805 806 807

(222) (294) (275) (142) (147) (122) (142)

Pfeiffer S. 53. Stokar von Neuform S. 54 U. Seeger S. 29. Keßler S. 106, 113. Krehl S.107. Jakob Bd.2 S.939. Keßler S. 100.

7. Die Maßstäbe der Besteuerung 7.1. Besteuerungsobjekt und Bemessungsgrundlage 7.1.1. Der Kameralismus hat auf diesem Gebiet hart um die begriffliche Klarheit gerungen. Das Gespräch setzte erst im Hochkameralismus in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts ein. Terminologie und Thematik standen ein Jahrhundert später fest. Es ging um nichts anderes als die Herausarbeitung des verwaltungsrechtlichen Besteuerungstatbestandes l . Die wechselweise mit unterschiedlichen Inhalten verwendeten Ausdrücke Steuerquelle, Besteuerungsgegenstand, Steuergegenstand, Steueranschlag, Kontributionsfuß, Steuermaßstab zielen alle auf Fixierung des gesetzlichen Steuertatbestandes2 und seine strukturelle Gliederung nach Tatbestands- und Rechtsfolgenseite 3 • Diese geistige Leistung kann man nicht hoch genug einschätzen. Man muß bedenken, daß anders als im Zivilrecht gesetzliche Reformbestrebungen erst die abstrakten gesetzlichen Tatbestandsmerkmale herausarbeiten mußten. Dafür ergab sich die Zusammensetzung der einzelnen Besteuerungsmerkmale aus der Natur der Sache. Auch auf der Rechtsfolgenseite bestand wenig Ermessensspielraum, weil der Fiskalzweck dominierte. Mit anderen Worten: Die steuerlichen Tatbestandsmerkmale waren zu allen Zeiten komplexer strukturiert als die einzelnen Rechtsbegriffe des Zivil- oder gar des Strafrechts. Außerdem steuerten römisches und deutsches Recht so gut wie überhaupt nichts zur begrifflichen Fixierung bei. Andererseits gestaltete sich der Grundtyp des steuerlichen Syllogismus ohne Variationsmöglichkeiten recht einfach und gleichförmig. Die Entwicklung des Begriffs der Bemessensgrundlage deckte sich mit der begrifflichen Ausbildung der Steuermerkmale. 7.1.2. Weil die Begriffsbestimmungen erst am Ende der Entwicklung ihre Verschwommenheit verloren und die Kriterien einigermaßen genau feststanden, kann die Entwicklung nur vom Ergebnis her gedeutet und interpretiert werden4 • Dabei darf nicht vergessen werden, daß die Begriffsbestimmungen bei den einzelnen Autoren vor allem am An1 2

3 4

(135) (195) (234) (234)

Justi S. 399.

Moser S. 613.

Rau Bd. 2 S. 45. Rau Bd. 2 S. 44.

174

7. Die Maßstäbe der Besteuerung

fang jede hinreichende Klarheit und Genauigkeit vermissen lassen5. Die Deutung ergibt sich aus dem Zusammenhang und dem verfolgten finalen Zweck. 7.1.2.1. Zunächst wird die Quelle der Besteuerung bestimmt6 • Als Quelle der Besteucrung7 konnte das Vermögen, der Ertrag, der Verbrauch, der Verkehr, später auch der Umsatz bestimmt werden. Jede der Quellen bezog sich auf das Staatsganze, also das Nationalvermögen, den Ertrag aller privaten und gewerblichen Wirtschaftsbetriebe, den Gesamtverbrauch des Volkes und so fort 8 • Als oberster Grundsatz galt wie schon früher ausgeführt die Verpflichtung des Gesetzgebers, die Quellen bei der Versteuerung nicht anzugreifen, sie also in der uneingeschränkten Substanz zu erhalten. Die Bestimmung der Steuerquelle liegt als voluntativer Akt des Gesetzgebers vor der gesetzlichen Fixierung. 7.1.2.2. Als zweites hatte der Gesetzgeber das eigentliche Besteuerungsobjekt9 , den Steuergegenstand10 oder das Steuerregulativ11 zu bestimmen. Das konnte ein bestimmter Vermögensteil (Grundstücke, Mobilien, Häuser), ein bestimmter Ertragsteil 12 (Gewerbeertrag, Mietzins, Kapitalzins, Gehalt oder Lohn), ein bestimmter Rechtsverkehr (Abzug, Verkauf, Erwerb)13 und so fort sein. Mit der historisch fortschreitenden Forderung nach Allgemeinheit der Besteuerung weitete sich das einzelne Besteuerungsobjekt zur Steuerquelle14. Die früheste Einkommensteuer erfaßte nur den Grundstücksertrag, die allgemeine Einkommensteuer die gesamte Quelle des Staatsertrages. 7.1.2.3. Drittens war es Aufgabe des Gesetzgebers, den eigentlichen Kontributionsfuß15, den Steueranschlag oder die Bemessungsgrundlage zu benennen. Das konnte der effektive Gewinn16 , der Rein- oder Rohgewinn17 , das sogenannte Steuerkapital, die Grundstücksgröße, die (76) Förster S.343; (1) Achenwall S.188. (76) Förster S.342; (31) Börner Bd.2 S.274. 7 (301) Struensee S.216; (234) Rau Bd. 2 S. 14. 8 (283) Soden Bd.3 S.110, 163. 9 (94) Haller Bd. 2 S. 342. 10 (51) Döhler S. 101. 11 (136) Justi Bd.2 S.50; (285) Sonnenfels S.274; (98) Harl Bd.2 S.20; (234) Rau Bd. 2 S.14. 12 (234) Rau Bd. 2 S. 23. 13 (296) Strelin S. 19. 14 (185) Mill S. 359; (98) Harl Bd. 1 S. 114. 15 (136) Justi Bd.2 S. 327 ff.; (135) Justi S.400, 442; (51) Döhler S.112; (98) Harl Bd. 2 S. 20. 16 (132) Justi S.57. 17 (142) Keßler S.90. 5

6

7.1. Besteuerungsobjekt und Bemessungsgrundlage

175

Häuserqualität, die Zahl der Rauchfänge, der Einkauf von Luxusgütern, der Verkehrswert und vieles andere sein. Steuergegenstand und Kontributionsfuß mußten sich in der Kameralzeit nicht unbedingt decken. Es gab Ertragssteuern nach dem taxierten Besitz18 und Verbrauchssteuern nach dem aufgewendeten Ertrag19 • 7.1.2.4. Im alten Steuerumlageverfahren20 schloß sich daran die Ermittlung des Zahlenverhältnisses zwischen der aufzubringenden Steuertotalsumme und dem Wert der Bemessungsgrundlage nach der Regel de tri an21 • Der Wechsel zwischen offenem und geschlossenem Besteuerungsverfahren wird noch zu erörtern sein. Im modernen offenen Besteuerungsverfahren, das zur Zeit des Spätkameralismus aufkam, genügt die Anwendung des gesetzlichen Steuersatzes auf die jeweilige Bemessungsgrundlage. 7.1.3. Die meisten Kameralisten warfen Besteuerungsquelle, Besteuerungsgegenstand und Kontributionsfuß bunt durcheinander 22 • Der Vorgang des im wissenschaftlichen Gespräch über drei Menschenalter hinweg stattfindenden "Sichklarschreibens" ist deutlich verfolgbar. 7.1.3.1. Die Kameralisten bemühten sich, ein geschlossenes Besteuerungssystem zu bieten. Das setzte eine vollständige Zusammenstellung der mit Steuer belegbaren Objekte voraus. In chronologischer Reihenfolge wurden folgende Steuerobjekte benannt: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Unbewegliche Güter, Personen, Gewerbe 23 Unbewegliche Güter, Personen, Gewerbe und Konsumtion 24 Grundstücke, Waren, Gewerbe 25 Feldbau und Emsigkeit (Arbeitskraft)26 Personen, Produktion, Gewerbe, Konsumtion27 Produktion und Konsumtion28 Vermögen29 , Einnahmen, Ausgaben30

18 (66) Eulner S. 5; (65) Eschenmayer S. 7; (264) Schmalz S. 313; (72) Kröncke S. 68 empfiehlt das sogar als Methode. 19 (12) Behr S. 141. 20 (98) Harl Bd. 1 S. 131. 21 (222) Pfeiffer S.215; (80) Fulda S.286. 22 (136) Justi Bd.2 S. 50 f. 23 (136) Justi Bd.2 S.51, 318; (51) Döhler S.100; (76) Förster S.342. 24 (135) Justi S. 351. 25 (22) Bergius Bd. 1 S. 2. 26 (285) Sonnenfels S.63; (47) Darjes S.562. 27 (222) Pfeiffer S. 212 f.; (223) Pfeiffer S.874. 28 (225) Pfeiffer Bd. 5 S. 287. 29 (98) Harl Bd. 2 S. 531. 30 (301) Struensee S. 202; (26) Bielefeld S. 529.

176

7. Die Maßstäbe der Besteuerung 8. Besitz, Ertrag, Genuß31

Grundstücke, Mobilien, Gewerbe, Personen, Verbrauch32 Gewinn und Handlung33 Natur, Kapital, Arbeit34 Urproduktion, technische Produktion, kommerzielle Produktion, Personen35 13. Urproduktion, industrielle Produktion36 14. Vermögen und Aufwand 37 15. Verbrauch 16. Erwerb 38 9. 10. 11. 12.

17. Eigentum (aus Erwerb, Besitz, Genuß)39 18. Grundrente, Kapitalgewinn, Arbeitslohn40 .

Der Katalog enthält gemischt Steuerquellen, Besteuerungsobjekte und Bemessungsgrundlagen. Am Anfang der Entwicklung griff außerdem jeder Kameralist nur die ihn interessierenden Einzelprobleme auf und handelte sie ohne Bezugnahme auf andere Rechtsauffassungen ab. 7.1.3.2. Die Äußerungen des siebzehnten Jahrhunderts erschöpften sich in Klagen über die Willkür der Steuerwirklichkeit bei Bestimmung der Besteuerungsobjekte 41 • Eulner befaßte sich nur mit dem Kontributionsfuß oder der Bemessungsgrundlage und erarbeitete ein ausführliches System einer nach Maßgabe des Vermögens zu bemessenden Ertragssteuer. Da man den realen Ertrag mangels einer allgemeinen und umgreifenden Buchführungs- und Rechnungsstellungspflicht nicht zu berechnen vermochte 42 , hielt man sich an das Vermögen43 , obwohl man eine Ertragssteuer anstrebte und das Vermögen nur pro quantitate utilitas et perceptionis fructuum zur Steuer heranholen wollte 44 . Dabei

31 (65) Eschenmayer S. 6. 32 (15) Bensen Bd. 1 S. 213. 33 (45) Crome Bd.2 S. 43 f.; (149) Krehl S.7. 34 (147) Krehl S.178; (257) Say S.91. 35 (210) Oberndorfer S. 88. 36 (45) Crome Bd.l S.38; (294) Stokar von Neuform S.27, 43; (283) Soden Bd.3 S.111. 37 (234) Rau Bd. 2 S. 55. 38 (275) Seeger S. 18; (141) Keßler S. 10, 35; (122) Jakob Bd.1 S.602. 39 (141) Keßler S. 10, 26, 35. 40 (185) Mill S. 341; (285) Sonnenfels S. 266. 41 (246) Rövenstrunck S.84; (30) Boeckler S.15. 42 (275) Seeger S.18; (136) Justi Bd.2 S.328. 43 (297) Strelin S. 155. 44 (66) Eulner S. 7.

7.1. Besteuerungsobjekt und Bemessungsgrundlage

177

bemerkte Eulner das Auseinanderfallen von Verkehrswerten und Ertragswerten bei Häusern45 . Er empfahl den Anschlag nach Nutzwerten46 . Man konnte den Verkehrswert bestimmter Kapitalanlagen (Häuser, Grundstücke, Gewerbetriebe, Leihkapitalien etc.) ohne größere Schwierigkeiten ermitteln. Den Prozentsatz der üblicherweise zu erzielenden Rendite konnte man ebenfalls im Schnitt feststellen47 . Man zog aber nicht den geschätzten Ertrag zur Besteuerung heran, sondern benutzte die Ertragssätze nur, um aus dem Gesamtkapital einer Sache einen festen Anteil als sogenanntes Steuerkapital48 herauszurechnen49 , das dann als Umrechnungsfaktor für die umzulegenden Steuerauflagen diente 50. Ertraglose Güter ließ man bei diesem Verfahren wohlweislich aus 51 . Die Methode war allgemein üblich. Eulners Verdienst bestand darin, detaillierte Ertragszahlen und Klasseneinteilungen52 erarbeitet zu haben53 . Zincke arbeitete den Unterschied zwischen einem sachgerecht zum Besteuerungsobjekt passenden Kontributionsfuß (z. B. Ertrag zur Grundsteuer, Verbrauch zur Konsumtionssteuer) und willkürlichen Anknüpfungsobjekten und -maßstäben (Köpfe, Schornsteine, Fenster) heraus54 . Rößig entwickelte die Unterscheidung Eulners zwischen Verkehrswert und Ertragswert weiter. An die Stelle des Verkehrswertes setzte er den Grundwert und verstand darunter den Herstellungsaufwand. Den Ertragswert nannte er den Nutzungswert55 . Den Kontributionsfuß wollte er aus einem Mittelwert beider Größen bestimmen56 . In der Folgezeit stritten sich die Befürworter des Verkaufswerts (Verkehrswert)57 und des Ertragswerts (Nutzungswerts)58 der Grundstücke und Häuser als geeignete Grundlage des Kontributionsfußes 59 . Das Problem der exakten Ermittlung des Ertragswerts blieb in der Kameralzeit ungelöst60 . 45 (66) Eulner S.7. 46 (66) Eulner S. 12. 47 (285) Sonnenfels S. 269; (236) Raumer S. 240 f.; (98) Harl Bd. 1 S.133, 144. 48 Auch "Hauptgut" genannt: (142) Döhler S. 125; (147) Krehl S. XV, 181, 203. 49 (98) Harl Bd. 1 S. 114, 133, 144. 50 (66) Eulner S. 94 f. 51 (66) Eulner S.16, 59, 64; (285) Sonnenfels S.193. 52 (98) Harl Bd. 1 S. 190, 193. 53 (66) Eulner S. 13 - 65. 54 (326) Zincke S. 819 f.; so auch (45) Crome Bd.2 S.48. 55 (243) Rößig S. 344. 56 (243) Rößig S.345; so auch (229) Prätorius S.188, 192; (98) Harl Bd.1 S.149, 159; (234) Rau Bd.2 S.130, 132, 136. 57 (298) Strelin S.40, 51; (142) Keßler S.110; (154) Kröncke S.67; (297) Strelin S. 77; (277) Sensburg S. 9. 58 (254) Sartorius S. 197 f.; (294) Stokar von Neuform S.40. 59 (154) Kröncke S. 70 f., 81, 83. 60 (7) Baumstark S. 725. 12

Jenetzky

178

7. Die Maßstäbe der Besteuerung

7.1.4. Auf die einzelnen Elemente des Kontributionsfußes verwendeten die Kameralisten viel Mühe. Erfolge erzielten sie nur in qualitativer, nicht in quantitativer Beziehung. Ohne ein durchgängig eingeführtes Buchführungs- und Rechnungssystem war auch keine genaue Bestimmung der Bemessungsgrundlagen zu erwarten61 • 7.1.4.1. Im Mittelpunkt aller Überlegungen stand der steuerlich beachtliche Ertrag der Grundstücke62 • Justi gab detaillierte Anweisungen zur Grundstücksvermessung, zur Anlage von Katastern, Karten, Rissen und Grundbüchern, zur Klasseneinteilung der Grundstücke nach Güte und Beschaffenheit63 und zur Aufteilung des aus Meisterbetrieben und -grundstücken ermittelten durchschnittlichen Körnerertrages auf die verschiedenen Verwendungszwecke (Aussaat, Haushaltsverbrauch, Gewinn, Steuer)64. Andere Autoren stellten mehr auf die Grundstücksgröße ab 65 • Später unterschied man bei der Grundsteuer zwischen einer Vermögensbesteuerung und einer Ertragsbesteuerung, wobei sich in letzterem Fall der Jahresertrag oder der Pachtzins als Maßstab anbot66 . Auch der Zeitpunkt der Entrichtung der Grundsteuer kann an verschiedene Vorgänge anknüpfen67 • Baumstark wollte Flächenausdehnung, Produktionsfähigkeit, Kapitalwert, Pachtrente, Rohertrag und mittleren Reinertrag kombiniert berücksichtigt wissen 68 • 7.1.4.2. Justi empfahl bei der Hausbesteuerung die Anlage der Abgabe nach den Mieteinkünften69 , die er je hälftig als Jahresaufwand für jährlich auftretende Baukosten und als echten Gewinn berücksichtigt sehen wollte 70• Damit hatte Justi die Absetzungen für Abnutzung als Aufwandskosten entdeckt. Darauf wird noch einzugehen sein. Besondere Besteuerungsmaßstäbe, die über den Disput zwischen den Anhängern des Verkaufs- und denen des Ertragswertes hinausgingen, ergaben sich bei der Gebäudebesteuerung nicht. 7.1.4.3. Die verschiedenen Modalitäten des Hebungsfußes der Konsumtionssteuern, also vornehmlich der Akzise, wurden schon im Rahmen der Abwälzungsvorgänge erörtert. Justi unterschied zwischen dem Verbrauchswert bei Erhebung vom Konsumenten und dem Einkaufswert oder dem Verkaufswert bei Erhebung vom Produzenten71 • G1

62 63 64 65 66 67 68

69 70

Sehr skeptisch in dieser Beziehung: (76) Förster S.343. (149) Krehl S. 126. (135) Justi S.407, 433, 443; (277) Sensburg S.9. (132) Justi S. 52 f., 55, 57; (76) Förster S.346. (296) Strelin S. 163; (59) Engel S.4, 9; (160) Lang S.232; (156) Krug S. 160. (229) Prätorius S. 169. (229) Prätorius S.208. (7) Baumstark S. 730 f. (294) Stokar von Neuform S.40; (149) Krehl S.135. (132) Justi S. 58.

7.1. Besteuerungsobjekt und Bemessungsgrundlage

179

Krehls Bemühungen, den Verbrauch nach dem Umfang des Genußobjekts und der subjektiven Höhe des Genusses zu bestimmen, versprachen keine konkrete Festlegung der Bemessungsgrundlage72 • 7.1.4.4, Die aufkommenden Gewerbesteuern, die nach heutiger Begriffsbestimmung eingeschränkte Einkommensteuern auf den Gewerbeertrag waren und mit den gegenwärtig geltenden Gewerbesteuern konstruktiv nichts gemein hatten, wurden tatbestandlich präzise konkretisiert. Justi, der sich wohl zu Unrecht der Erfindung dieser Steuerart rühmte, empfahl drei gleichwertige Möglichkeiten, den Gewerbertrag zu bestimmen, die je nach der unterschiedlichen Wirtschaftsstruktur der besteuerten Unternehmen kombiniert werden sollten73 : Die erste Möglichkeit ergab sich durch Berechnung des Wertes der im Gewerbe oder Handwerk verwendeten Rohmaterialien, die zweite Möglichkeit beruhte auf der Multiplikation der erfahrungsgemäß innerhalb eines bestimmten Zeitraums gefertigten Waren mit dem mittleren Marktpreis, als dritte Bestimmungsgröße bot sich die Anzahl und das ausbildungsmäßige Niveau der im einzelnen Betrieb beschäftigten Personen an. Die Nachfolger beteten des Meisters Erkenntnisse nach74 • Einen ähnlichen aber eigenständig entwickelten Modus empfahl KrehF5. Jakobs Empfehlungen 76 verloren sich in treffenden aber sehr allgemein gehaltenen Anweisungen. Eine Berechnung in der Praxis war danach nicht möglich. Harl ergänzte die Bestimmung der Höhe der Bemessungsgrundlage bei der Gewerbesteuer um den interessanten Aspekt des Unternehmerlohnes. Er leitete ihn aus dem Gehalt eines angestellten Administrators, das heißt in heutiger Ausdrucksweise Managers ab 77 • 7.1.4.5. Zu den übrigen Steuerarten stützten sich die Kameralisten bei Bestimmung des Kontributionsfußes auf die geltenden Kodifikationen78 • Die neue Erkenntnis, daß es wirtschaftlich gesehen nur verschiedene Arten von Kapitalien gibt, die als Geldkapital, Grundkapital, Gewerbekapital und Arbeitskapital untereinander in Wettbewerb stehen und austauschbar sind, führte zu einer Akzentverschiebung bei der Bestimmung des alten Kontributionsfußes. Man wollte die Quelle der Besteuerung als ganzes erfassen und suchte trotz aller Schwierigkeiten nach dem realen Kapitalertrag, dem wirklichen in Geldbeträgen ausdrückbaren Gewinn. Die allgemeine Forderung, den Kapitalfond nach 71

72 73

74

75 76 77

78

12'

(135) Justi S.407; ebenso (222) Pfeiffer S.224; (234) Rau Bd.2 S.57. (147) Kreh! S. 212 - 215; (151) Kremer S.71. (135) Justi S. 408. (222) Pfeiffer S. 224. (149) Kreh! S. 135. (122) Jakob Bd. 1 S. 562 f. (98) Harl Bd. 1 S. 190, 192. (222) Pfeiffer S. 224; (321) Wernher S. 16, 21; (264) Schmalz S. 313.

7. Die Maßstäbe der Besteuerung

180

Umfang, Ertragsfähigkeit und Umtrieb zu bestimmen, wies in diese Richtung 79• Keßler entwickelte in Fortsetzung dieser überlegungen elf Tatbestände einer allgemeinen Einkommensteuer, die Erbschaften, Abtretungen, Geschenke, Fundsachen, Gewinne aus Versicherungen, Lotterien und Wetten, Kapitalzinsen, Renten und Gefälle, Erträge aus Gewerbekapitalien, Gehälter und Pensionen, Gewinne aus Kauf- und Tauschverträgen, Erwerb durch persönliche Leistungen umfaßte 80 . Diese allgemeine Einkommensteuer unterschied sich nur durch die abweichende Zusammensetzung des Katalogs der Einzeltatbestände von der heute geltenden Einkommensteuer. 7.1.4.6. Das Bemühen der Kameralisten um die Bemessungsgrundlage erbrachte als Nebenprodukt die Entdeckung einiger steuerlicher Rechtsfiguren, deren Fortführung bis zur Gegenwart einer eigenen Untersuchung wert wäre. Krehl argumentierte: "Hört der Genußzweck auf, so wird das Mittel dazu ein totes Gut. Mindert er sich, so wird es weniger produktiv, aber es bleibt als Gut bestehen"81 und "der Gebrauchswert bestimmt den Besteuerungswert eines Gegenstandes"82. Krehl unterschrieb damit erstmals den Begriff des Wirtschafts gutes und sprach eine Teilwertabschreibung im Sinne moderner Terminologie an. Ein ähnlicher Wurf gelang Raumer und Kröncke. Ersterer formulierte: "Renten können nur etwa zur Hälfte besteuert werden, weil der Rentenempfänger nie das Kapital enthält, sondern nur die Erträge83 " . Kröncke wollte die Höhe der Besteuerung des Leibrenteneinkommens an das Lebensalter des Begünstigten koppeln84 . Beide umreißen damit die Einschränkung der Besteuerung von Renten auf die Erfassung des reinen sogenannten Ertragsanteils. 7.1.4.7. Trotz reicher Ideen und guter gedanklicher Durcharbeitung blieben die Ausführungen der Kameralisten zur Bemessungsgrundlage eigentümlich bruchstückhaft. Der Grund dafür dürfte in der überholung der wissenschaftlichen Forschung durch die tatsächliche Rechtsentwicklung liegen. 7.2. Die "Kosten der Erwerbung" als Vorwegabzug zur Ermittlung des "reinen Einkommens" 7.2.1. Die alte Erkenntnis, daß man nicht ernten kann ohne gesät zu haben, war schon den Merkantilisten und Frühkameralisten bekannt. 79

80 81 82 83 84

(147) (141) (149) (149) (236) (154)

Krehl S.204, 209. Keßler S.59. Krehl S. 75. Krehl S.88. Raumer S. 241. Kröncke S. 86.

7.2. Die "Kosten der Erwerbung"

181

Die Primitivität und die Ungenauigkeit der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen dürften dafür verantwortlich zeichnen, daß die steuerliche Behandlung der zur Ertragserzielung notwendigen Aufwendungen erst spät zum Problem wurde. Beck fiel bei der Besprechung der Nachsteuer oder des Abzugsgeldes die eigenartige Rechtsnatur der Schulden auf. Wenn ausstehende Schulden ein dritter Vermögensteil neben unbeweglichen und beweglichen Sachen sind85 , so müssen Passivschulden vor Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens als vermögensmindernder Faktor abgezogen werden können 86 • Die entscheidenden Fragen stellte erst Justi. Ob und inwieweit er dabei von ausländischen, insbesondere westeuropäischen Vorbildern beeinflußt wurde, läßt sich schwer feststellen. Die Zitierfreudigkeit war nicht die stärkste Eigenschaft des neben Seckendorff wohl originellsten und fruchtbarsten Altmeisters des deutschen Verwaltungsrechts. Er benannte zwar seine staatsphilosophischen Gewährsleute, scheute aber auf wirtschaftlichem und rechtlichem Gebiet vor keinem geistigen Diebstahl zurück, obwohl er das als ursprünglicher und erfinderischer Geist nicht nötig gehabt hätte. Sicher dürfte sein, daß der deutschsprachige Kameralismus auf diesem Gebiet keine Priorität zu beanspruchen hat. 7.2.2. Justi umriß fast alle anstehenden Probleme der Erwerbsaufwendungen. Er begründete mit der behaupteten rechtlichen Verpflichtung, das Ersparte zur Vergrößerung des Vermögens zu verwenden, eine allgemeine Reinvestitionspflicht87 • Grundsätzlich forderte er auch den Vorwegabzug der Unkosten vor Ermittlung des Gewinns und gestattete den Hauseigentümern, die Hälfte der eingehenden Mieten vor Bestimmung des zu besteuernden Gewinns als jährlich aufzuwendende Baukosten abzuziehen88• Er entdeckte damit die Absetzungen für Abnutzung als steuerlich beachtlichen Tatbestand, der von da ab zum sicheren Bestand kameralistischer Erkenntnisse gehörte89 • Den Körnerertrag der Äcker teilte er in einen Teil für Aussaatzwecke, einen Teil für hauswirtschaftliche Verwendung und in einen Gewinnanteil auf90 • Er anerkannte damit dem Grunde nach die Berechtigung von Posten, die die steuerliche Bemessungsgrundlage mindern. Die Trennung in betrieblich veranlaßte Aufwendungen und private Ausgaben fand erst in der Endperiode des Kameralismus statt. Die Berücksichtigung des (9) Beck Bd. 1 S. 75 f. (9) Beck Bd. 1 S. 90. 87 (136) Justi Bd.1 S.464; aber auch (233) Quesnay S.82. 88 (136) Justi Bd.2 S.325. 89 (173) Lith S.231 für Bauaufwendungen des Verpächters; vgl. auch (154) Kröncke S.98; (122) Jakob Bd. 1 S.518; (98) Harl Bd. 1 S. 154 bringt die Absetzungen für Abnutzung rechtlich voll ausgebildet; vgl. ebenso (234) Rau Bd. 2 S. 124 für Gebäudeverschlechterung und größere Ausbesserungskosten. 90 (132) Justi S.57. 85

86

182

7. Die Maßstäbe der Besteuerung

Handwerksgeräts nach Anschaffungskosten und Abnutzung bei der Gewinnermittlung lehnte Justi ab, obwohl er grundsätzlich den Einsatz der erforderlichen Arbeitsgeräte zu den Erwerbskosten rechnete 91 • Die Schwierigkeiten der konkreten Gewinnermittlung ohne eine sichere Kontrolle durch Buchführung und Rechnungsstellung veranlaßten Justi und eine Reihe seiner Nachfolger, bestimmte Posten, die sie dogmatisch als gewinnfördernde Aufwendungen erkannt hatten, nicht zum Abzug vom Gewinn zuzulassen, um Betrug und Umgehung zu vermeiden. Besonders gravierend war die Gefahr des Steuerbetrugs bei den Schulden der Grundstückseigentümer. Er lehnte deshalb generell den Abzug aller Schulden vor Ermittlung des Ertrages von Grund und Boden ab, weil der Kameralismus keine Möglichkeit sah, bei vorgeschützten Schulden den Steuerpflichtigen die Unwahrheit nachzuweisen92 • 7.2.3. Die Problematik des Schuldenabzuges beanspruchte in der Folgezeit den breitesten Raum in der Diskussion. Justis Gegner Lith billigte den Schuldenabzug generell und gab damit dem Gerechtigkeitsgedanken den Vorzug93• Das Ermittlungsproblem löste er allerdings auch nicht. Statt die Belastung der Zinsempfänger zu fordern, empfahl er die erhöhte Besteuerung der schuldenfreien Güter um den abgehenden Betrag und räumte gleichzeitig die Gefahr ein, daß sich alle reichen Grundeigentümer für Zwecke der Steuervermeidung als verschuldet darstellen könnten94 • Den Justischen Gedanken, den Schuldnern zu gestatten, die zu entrichtenden Steuern anteilig von den Zinszahlungen oder Pachtentgelten an Verleiher oder Verpächter zu kürzen, lehnte er zugunsten einer unmittelbaren Entrichtung der Steuern ab95 • Liths Lösung war dogmatisch sauberer; ihr gehörte die Zukunft. Solange die Kontrollmöglichkeiten aber noch nicht hinreichend entwickelt waren, folgten die Kameralisten der ungewöhnlichen Lösung Justis, öffentlichrechtliche Steuerforderungen im Rahmen privatrechtlicher Schuldverhältnisse gesetzlich für anrechenbar zu erklären96• Justis harte Ablehnung des Schuldenabzuges vor Ermittlung der Steuer fand wenig Befürworter97• Der Gedanke, einen verschuldeten Eigentümer von seinem wenigen verbleibenden Vermögen mehr Steuer aufzuerlegen, als dem Empfänger seiner Zinszahlungen, erschien zu unerträglich98 • Sonnenfels (132) Justi S. 174. (135) Justi S. 440. 93 (173) Lith S. 218, 230. 94 (173) Lith S. 199. D5 (173) Lith S. 219. 98 (154) Kröncke S.134, 139; (98) Harl Bd.1 S.109; (277) Sensburg 8.17; (45) Crome Bd.l S.238. 97 (31) Börner Bd. 2 8. 306. D8 (76) Förster S. 342. 91

92

183

7.2. Die "Kosten der Erwerbung"

wies als erster darauf hin, daß die Nichtbeachtung des sogenannten "Vorschußabzuges" notwendig zur Verarmung weiter Bevölkerungskreise führen muß und bewies dies rechnerisch99 • Hinsichtlich der Abzugsteuer war die Möglichkeit des wirksamen Schuldenabzuges zu allen Zeiten anerkannt worden lOo . Bei den wichtigeren Grundsteuern folgte schon der sein Vorbild Justi ausschreibende Pfeiffer seinem Herrn und Meister nur verbapol und anerkannte das Prinzip: Ohne Abzug von Schulden und Lasten von dem Ertrag vor Ermittlung des Gewinns gibt es keine steuerliche Gleichheit l02 . Das Beispiel, das Pfeiffer anführte, spricht für sich. Besitzen zwei Bauern je 50 Morgen Land, von denen jeder 200 Gulden bezieht und darauf 50 Gulden an Abgaben entrichtet und wenn dann einer 2000 Gulden Schulden hat und jährlich 100 Gulden Zinsen zahlen muß, so verbleiben dem einen 150 Gulden und dem anderen 50 Gulden zum Leben l03. Der sonst sehr fortschrittliche Raumer lehnte den allgemeinen Ausgabenabzug als überholte Ansicht ab und befürworte nach britischem Muster einen konkreten Katalog der vom Einkommen abzugsfähigen Ausgaben. Im Schuldenabzug sah er eine Wiederkehr der verhaßten alten Steuerfreiheit und eine einseitige Begünstigung der kredithabenden Stände l04. Der entscheidende Angriff gegen die Versagung des Schuldenabzuges beruhte auf der überlegung, daß der Bruttoertrag kein geeignetes Steuerobjekt istl 05• Um dem Grundstücksbesitzer nicht den Mut zur Ertragssteigerung zu nehmen, darf nur der sogenannte reine Ertrag nach Abzug der Minderungsposten besteuert werden l06. Schuldzinsen und Grundlasten sind aber Abzugsposten wie alle anderen unbestrittenen und anerkannten Kulturkosten. Die Besteuerung des Bruttoertrages ohne Berücksichtigung der oft unterschiedlich hohen Kulturkosten l 07 mit einem gleich hohen Steuerbetrag kann einen Pächter motivieren, mehr Land zu pachten und geringere Mühe aufzuwenden. Beispiel nach Fulda l08 :

1 Morgen Pachtland 2 Morgen Pachtland je 25 =

Aufwendungen Ernte 80 50

100 100

Steuer

Gewinnrest

10 10

40

10

99 (285) Sonnenfels S.197; so auch (313) Vierordt S.44 für die sogenannten "Landsmannsvorausgebühren". 100 (321) Wernher S.21. 101 (225) Pfeiffer Bd. 5 S. 288. 102 (224) Pfeiffer Bd.4 S.141. 103 (222) Pfeiffer S. 52. 104 (236) Raumer S. 235, 256 f. 105 (325) Wuz S. 32. 106 (63) Eschenmayer S.67; (156) Krug S.143; (153) Kröncke S.4; (98) Barl Bd.l S.133. 107 (277) Sensburg S.7; (83) Fulda S.190. 108 (82) Fulda S. 997 f.

1840

7. Die Maßstäbe der Besteuerung

Wer sich wenig anstrengt, kam also beim Zehnten, der nach dem ungekürzten Rohertrag berechnet wurde (Zehntgarbe) besser weg. Der von Seeger gewählte Ausweg, dem mit Fremdkapital arbeitenden Unternehmer bei der Vermögenssteuer den Schuldenabzug zu gestatten, bei der allgemeinen Einkommensteuer ebenfalls und bei der Grundsteuer nicht, mit der Folge des Wegfalls der Vermögens- und Einkommensteuer beim schuldenbelasteten Grundeigentümer trotz unveränderter Grundsteuer, löste die Problematik nichtl09 • Die nachfolgenden Kameralisten behandelten alle Arten von Schulden wie die übrigen Produktionskosten, deren Abzug längst unbestritten warllO. Eine Ablehnung des Schuldzinsenabzuges trifft das Kapital des Unternehmers und damit die Substanz111 • Jedes neu beginnende Unternehmen würde dadurch schon im Anfangsstadium abgewürgt. Selbst wenn rein juristische Erwägungen gegen den Schuldenabzug sprechen sollten112, so beugte sich der Spätkameralismus doch der zwingenden Konsequenz der nationalökonomischen überlegungen113• Zunächst verneinte man diese Folge noch bei den alten Territoriallasten114• In der Folgezeit fiel auch diese Einschränkung115 • In dem Maße wie der Kapitalverleiher und Bargeldbesitzer als Steuerpflichtiger entdeckt wurde, wuchs das Verständnis für den Wunsch nach Schuldzinsenabzug seiner zinsbelasteten Opfer116• Der Spätkameralismus gab die merkantile Hochschätzung des reinen Geldkapitalbesitzers auf und neigte wieder dem mittelalterlichen Mißtrauen gegen jeden Zinsgewinn zu. 7.2.4. Der Abzugsberechtigung der übrigen Erwerbungskosten stand der Kameralismus weit weniger ablehnend gegenüber, obwohl auch hier die begriffliche Differenzierung erst im Zuge seines Entwicklungsprozesses erfolgte. Sonnenfels stellte zuerst einen Katalog der vorstellbaren Erwerbungskosten auf, deren Abzug er anerkennen wollte: Den notwendigen Unterhalt des Steuerpflichtigen, wenigstens soweit dieser zur arbeitenden Klasse gehört, einen die Fortsetzung der Bemühungen des Steuerpflichtigen ermunternden Teil der Einkünfte und die eigentlichen Vorschußkosten117, bestehend aus der Aussaat, der Gesindebesoldung, der Viehunterhaltung, den Gerätschaften beim Landmann, wozu (275) Seeger S. 19 f., 28, 32, 67. (96) Harl S.36; (277) Sensburg S.7. 111 (142) Keßler S.95; (149) Krehl S.9. 112 (149) Krehl S. 15. 113 (149) Krehl S.16; (45) Crome Bd.l S.75. 114 (154) Kröncke S. 84. 115 (80) Fulda S.291; (122) Jakob Bd.l S.511; (98) Harl Bd.l S.82, 154; (7) Baumstark S. 733. 116 (297) Strelin S.34, 191; (12) Behr S.132; (83) Fulda S.183; (98) Harl Bd.2 S.531. 117 (285) Sonnenfels S. 194 f. 109

110

7.2. Die "Kosten der Erwerbung"

185

bei den Manufakturen noch die Materialbeschaffung, die Maschinen und die Arbeiterentlohnung traten 118 • Krehl unterschied systematisch die dreifache Bestimmung des Erwerbes oder Gewinnes: Die Deckung des notwendigen Bedarfs, die Deckung der feineren Genüsse und die Bildung neuen Kapitals und Eigentums, um neue Erwerbsquellen zu erschließen119 • Die eigentlichen Erwerbs- und Kulturkosten der dritten Gruppe fanden sich schon bei Quesnay und Adam Smith. Bald erkannte man, daß der Abzug privater Bedürfnisse begrifflich jedenfalls nicht zu den unternehmerisch veranlaßten Kultur- und Erwerbskosten gehört, so erwünscht ein steuerlicher Abzug in der Form eines Eingangsfreibetrages auch sein mag120 • Infolgedessen gliederte man private Aufwendungen bald aus den abzugsfähigen Kosten aus, weil sie nicht der unmittelbaren Förderung der Einkunftserzielung dienen121 • In der Endstufe faßte man unter den Kosten der Erwerbung generell drei Gruppen von Aufwendungen zusammen. Kosten, die das Gewerbe begründen und Kosten, die der Bestandserhaltung dienten, gehörten ebenso dazu wie Aufwendungen, die das gewinntragende Stammvermögen vermehren und vervollkommnen sollen122 • Der von Jakob und Rau ohne Anspruch auf Vollständigkeit aufgeführte Katalog möglicher Einzelaufwendungen enthielt Arbeitslöhne der Arbeiter, Kosten der Kapitalbeschaffung und Sicherung, Zinszahlung für Betriebskapital, Kosten der Gerätebeschaffung und -unterhaltung, Kosten der Verwalter (leitenden Angestellten), Grundlasten, Schuldendienste, Kapitalschwund, Versicherungskosten und staatliche Gebühren auf den Betrieb 123 • Trotz dieser Aufzählung lassen einige Hinweise erkennen, daß gegen die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts in der Steuerrechtswissenschaft das moderne Veranlassungsprinzip bei der Bestimmung der abzugsfähigen Betriebsausgaben durchgedrungen war. Was mit der Gewinnerzielung zusammenhängt, sollte als Gewinnminderungsposten vor Steuererhebung abziehbar sein. So betonte Jakob völlig zutreffend, daß die Nichtbesteuerung der Gewerbegebäude keine Steuerfreiheit darstellt, sondern daß diese über den durch die Verbesserung des Gewerbes erhöhten Gewerbeertrag mitbesteuert werden124 • Harl gelangte aus dem zugrundeliegenden auch von ihm anerkannten Veranlassungsprinzip zum Abzug der indirekten Steuern (Akzisen) auf Ackergeräte als Kulturkosten beim landwirtschaftlichen Ertrag125 , obwohl diese Konsequenz sonstigen 118 119 120 121 122 123 124 125

(285) Sonnenfels S. 197 f. (147) Krehl S.184. (154) Kröncke S. 12. So (122) Jakob Bd. 1 S.376, 498 für ein privates Gutshaus. (122) Jakob Bd. 1 S.376, 394, 493 f. (122) Jakob Bd.1 S.395, 470, 518; (234) Rau Bd.2 S.23, 121 - 126. (122) Jakob Bd.1 S.417, 535 f. (98) Harl Bd. 1 S. 214.

186

7. Die Maßstäbe der Besteuerung

kameralistischen Gedankengängen keineswegs nahe lag. Rau erkannte sogar, daß der wünschenswerte Abzug von Schuldzinsen, die mit dem Gewerbegewinn in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen, ihn also nur mittelbar fördern, nicht auf die Begründung des Abzuges als Erwerbungskosten gestützt werden kann l26 • Damit waren die Gedankengänge der Spätkameralisten zu den "Kulturkosten", dem "Vorschuß" oder den "Erwerbungskosten ", zur vollen wissenschaftlichen Reife gediehen. Die Ergebnisse hätten in eine zeitnahe Kodifikation der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert fast ohne Änderung Aufnahme finden können. Raus Stellungnahme weist auf den abschließenden enzyklopädischen Charakter seiner Ausführungen hin l27 • 7.3. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung des "Haushaltsabzuges" 7.3.1. Jeder Gewerbetreibende verbraucht in geringem Maße auch seine eigenen Produkte. Dadurch entsteht ein Steuergefälle zu allen Dritten, die solche Waren nur steuerbelastet erwerben können. Ertragsteuerlich sahen die Kameralisten diese Steuerersparnis als unbeachtlich an, weil nur ein Teil des Gewinnes der Besteuerung unterlag oder unterliegen sollte l28 • Der größere freibleibende Teil der Erlöse war für die Erhaltung und Verbesserung der Einkünfte, die Ersparnisse und Kapitalbildung, den Lebensunterhalt und die im eigenen Haushalt verbrauchten Waren bestimmt. Haushaltsangehörige und Angestellte behandelte man steuerlich gleich l29 , obwohl der Grund der Nichtbesteuerung im einen Fall betrieblich und im anderen Fall privater Natur war. Die klare Unterscheidung zwischen unternehmerischer und privater Sphäre rührt erst aus der Spätzeit des Kameralismus. 7.3.2. Streitstoff lag dagegen in der Behandlung des Haushaltsverbrauchs bei der Akzise. Diese primitive Art einer allgemeinen Verbrauchs- und Umsatzsteuer bereitete den Kameralisten wegen der vielen Betrugs- und Hinterziehungsmöglichkeiten große Schwierigkeiten. Befürworter und Gegner der Akzise trafen sich im Bemühen, die Gleichmäßigkeit und Lückenlosigkeit der Akzisebesteuerung sicher zu stellen. Eulner wollte den Hausverbrauch akzisefrei lassen, soweit er nicht doch noch in einem Verkauf mündetl30 • Justi sah darin dagegen eine dauernde Quelle von Steuerhinterziehungen aller Art und befürch126 127 128 129 130

(234) Rau Bd. 2 S. 198. (234) Rau Bd. 2 S. 20. (136) Justi Bd.2 S.379; (224) Pfeiffer Bd.4 S.154. (132) Justi S. 178. (66) Eulner S.142; ebenso (21) Bergius Bd.l S.16.

7.3. Der "Haushalts abzug"

187

tete, daß dann jeder Käufer angeblichen Haushaltsbedarf der Unternehmer schwarz kaufen würde und die akzisebelasteten Waren des Handels nur schlecht Abgang finden könnten131 • Strelin wiederholte Justis Kritik und bemängelte besonders die übung der Praxis, diese Art von Steuerbefreiung gesetzlich zu verankern 132 • 7.3.3. Besonderes Interesse fand die Auseinandersetzung um die Besteuerung von Häusern und Wohnungen, die vom Eigentümer selbst bewohnt werden. Der Erfinder des sogenannten königlichen Zehnten, der französische Marschall Vauban, dessen Projekt in der kameralistischen Literatur eingehend erörtert wurde, hatte ergänzende Nebensteuern vorgeschlagen. Zur Hausbesteuerung schlug er vor, die von den Eigentümern selbst bewohnten Häuser nach den potentiellen Vermietungskosten zu besteuernl33 • Den gleichen Vorschlag brachten Adam Smithl 3'4 und in seiner Nachfolge die deutschen Kameralisten l35 • Krehl leugnete den Ertragscharakter der eigengenutzten Wohnung. Er stützte die Besteuerung auf die Eigenart der Wohnung als einen Teil des Lebensgenusses und sah die erhobene Steuer als eine Genußsteuer an136 • Keßler lehnte die Besteuerung der selbstgenutzten eigenen Wohnung ab, weil es sich um hypothetischen Gewinn handelt1 37, der praktisch das eigene Baukapital im Laufe der Zeit aufzehrt1 38 • Die Mehrzahl der Spätkameralisten bejahte die Besteuerung der eigengenutzten Wohnung. Zu unerträglich erschien ihnen der Gedanke der Steuerfreiheit der Hauseigentümer, so lange der in fremdvermieteter Wohnung lebende Steuerpflichtige seine Miete nicht vom Einkommen absetzen kann139 • Die herrschende Meinung leitete die Besteuerung der eigengenutzten Wohnung aus der Gleichstellung des positiven und des negativen Einkommens ab 140 • Den Einwand, daß die Besteuerung ersparter Ausgaben es nahe lege, außer selbstbewohnten Häusern auch andere nützliche und angenehme Vermögensteile durch Unterstellung ersparter Aufwendungen der Einkommenbesteuerung zu unterwerfen, vermochte man ebenso wie die Steuerlehre der Gegenwart nur durch praktische Argumente zurückzuweisen. Da die Wohnung ein allgemeines Bedürfnis ist, falle in der Person des Hauseigentümers die Eigenschaft des 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140

(136) Justi Bd.2 S.357. (300) Strelin S.120; (14) Bensen S.424. (22) Bergius Bd. 9 S. 19. (282) A. Smith S. 244. (254) Sartorius S. 197; (63) Eschenmayer S. 26. (147) Krehl S. 104, 229; ebenso (122) Jakob Bd.1 S.526, Bd.2 S.901. (141) Keßler S.44. (142) Keßler S. 120. (154) Kröncke S.97. (297) Strelin S. 78.

188

7. Die Maßstäbe der Besteuerung

Mieters und des Vermieters zusammen 141 • Eine theoretische Begründung für diese Variante der Besteuerung privaten Verbrauchs fand man nicht, 7.4. Änderungen der Besteuerungsgrundlagen und Anpassung der Steuern 7.4.1. Das Besteuerungsgefüge der mitteleuropäischen Kleinstaaten war seit dem dreißigjährigen Krieg in lebhafte Bewegung geraten. Wachsender Finanzbedarf der Staaten und rascher Wechsel der Wirtschaftsstruktur beflügelten die kodifikatorische Phantasie landesherrlicher Steuerkommissionen. Trotzdem oder gerade deshalb träumten die Vertreter des Früh- und Hochkameralismus den Traum der unveränderlichen und vollkommenen Steuer. Unveränderlich sollte sie natürlich erst dann sein, wenn das jeweilig vertretene Steuerprojekt durch eine letzte Reform und Veränderung zum Wohle der Menschheit Gesetzeskraft erlangt hat. Die praxisbezogene und empirisch geschulte Wissenschaftlichkeit der Kameralisten fand aber bald von dem realen Geschehen erzwungene Kompromisse zu den Idealen aufklärerischer Reform- und Systematisierungsfreude. 7.4.2. Da das Zeitbewußtsein der Kameralzeit auf ein starres unveränderliches Steuersystem ebenso ausgerichtet war wie es in unserer Zeit auf einen steten Wechsel ist, fehlte auch jede klare Vorstellung davon, was sich im Zusammenhang mit der Steuer alles ändern kann. Man unterschied zunächst weder zwischen der Änderung der äußeren Verhältnisse noch der Änderung der Steuergesetze. Erst recht mußte die Differenzierung zwischen wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung der Besteuerungstatbestände, Überholung der Steuerkataster und -bücher, Änderung der Steuergesetze durch Systemveränderung, Begründung neuer Steuern oder Neukodifizierung alter Tatbestände, regelmäßig wiederholten fixierten Schätzungsverfahren über konkrete Vermögens- und Einkommenswerte, Anpassung des Umlageverfahrens der Steuern an regionale Veränderungen oder Wirtschaftsentwicklungen und Anhebung des schlichten Steuersatzes im Zuge der wissenschaftlichen Bemühungen herausgearbeitet werden. 7.4.3. Rövenstrunck bemängelte die gleichbleibenden alten Steueranschläge, die wegen der wechselnden Eigentumsverhältnisse der verschiedenen Standesherren, Orte und Einzeleigentümer zu quantitativer Ungleichheit und Ungerechtigkeit der Besteuerung führen. Die steuerliche Gerechtigkeit erfordere die Anpassung der Steuergrundlagen an die wechselnden äußeren Umstände durch regelmäßige Steuerrevisionen 141

(234) Rau Bd. 2 S. 128 f.

7.4. Änderungen der Besteuerungsgrundlagen

189

in festen mehrjährigen Abständen l42 • Leib dehnte den Wunsch nach angemessenen und maßvollen Änderungen auf die wünschenswerte Anpassung der Steuergesetze an neue kameralistische Erkenntnisse aus l4a• Lau bemühte sich um die parallel laufende erforderliche Erfassung der Besteuerungsgrundlagen der Grundsteuern in Registern, Katastern, Karten, Rissen und dergleichen mehr durch Vermessung der Grundstücke, Einteilung in Güteklassen, Feststellung der Belastungen, Registrierung der Eigentumsverhältnisse, Einschätzung des baulichen Zustandes der Gebäude, Aufbewahrung der schriftlichen Unterlagen und ähnliche Maßnahmen l44 • Eulner faßte die erarbeiteten Erkenntnisse zusammen145 und verlangte, daß ein "wohleingerichteter Steuerstock" im Modus gleichbleiben müsse, sich aber der Höhe nach an den wirtschaftlichen Wandel anzupassen habe l46 • Er stellte den bemerkenswerten konservativen Satz auf, die Vermutung spreche stets für das Hergebrachte, wer Neuerungen wünsche, habe deren Nützlichkeit erst zu beweisen l47 • Zincke hielt es für möglich, ein gültiges "Steuerregulativ" auf ein Jahrhundert oder länger festzulegen l48 • Er meinte damit aber sicher nicht die absolute Steuerhöhe, sondern den gesetzlichen Kontributionsfuß und die konkrete Ausprägung des regionalen Besteuerungsfußes, die natürlich bei optimaler Gestaltung lange Zeit Gültigkeit bewahren können, wenn das wirtschaftliche Gesamtgeschehen nicht einen völligen Strukturwandel bringt. Justi trug zu diesem Thema keine originellen Gedanken bei. Er schloß sich der Ansicht Zinckes an und schlug in Dreißig- oder Vierzigjahresintervallen Neufeststellungen der Besteuerungswerte vor, die er in kürzeren Abständen von acht bis zehn Jahren revidiert zu sehen wünschte149 • Die späteren Kameralisten erfanden regelmäßig eigene Neufeststellungszeiträumeiso. Moser haftete mit seinen vorwiegend staatsrechtlich ausgerichteten Überlegungen einseitig an den vorhandenen formalen Rechtszuständen. Besondere Steuerrevisionen finden nach ihm auf Grund von Partikularklagen statt, lassen den Landessteuerfuß unverändert und verändern die individuellen Steueranschläge. Allgemeine Steuerrevisionen verbessern den ganzen Landessteuerfuß, was erfah(246) Rövenstrunck S.14, 63, 86. (166) Leib Vierte Probe S. 8. 144 (161) Lau S. 306 f. 145 (66) Eulner S. 118. 146 (66) Eulner S. 84; ebenso (50) Dithmar S. 267. 147 (66) Eulner Vorrede. 148 (168) Leipziger Sammlungen Bd.10 S.217; (173) Lith S.177. 149 (136) Justi Bd.2 S.328, 330. 150 (224) Pfeiffer Bd.2 S. 137; (51) Döhler S.115, 129; (254) Sartorius S.186; (63) Eschenmayer S. 50; (275) Seeger S. 81; (297) Strelin S. 120. 142 143

190

7. Die Maßstäbe der Besteuerung

rungsgemäß nur mit sehr großem Aufwand an Zeit, Mühe und Kosten möglich war151 • 7.4.4. Der frühkameralistische Traum einer unveränderlichen Steuer wurde tendenziell verstärkt durch den physiokratischen Einfluß aus Frankreichi52 • Er fand bis in die Spätzeit einzelne Befürworter, obwohl der Einfluß der Unveränderlichkeitstheorie immer schwächer wurde l53 • Man befürchtete, die Steuerpflichtigen von wirtschaftlich angebrachten ertragssteigernden Verbesserungen abzuhalten, wenn man den Staat durch Steuersteigerungen an dem Erfolg der Bemühungen der Steuerpflichtigen teilhaben läßt1 54 • Die herrschende Meinung zeigte sich mit fortschreitender Zeit Steuerveränderungen aller Art zunehmend aufgeschlossener. Die Empfehlung der jährlichen Neufestsetzung der Höhe üblicher Gebäudenutzungen zielte in diese Richtungl55 • Bei der Akzise galt es als eine wesentliche Eigenschaft, daß sie sich der Höhe nach dem wechselnden wirtschaftlichen Stand der belasteten Gewerbe anzupassen vermochte156 • Sonnenfels, der sich auch in anderen steuerlichen Fragen als besonders rational eingestellter und fortschrittlicher Aufklärer zeigte, trat für regelmäßige Steueranpassungen in flexibler Anlehnung an die wirtschaftlichen Veränderungen ein151• Die Unveränderlichkeitstheorie präsumiere einen auf ewige Zeiten feststehenden und vorhersehbaren staatlichen Finanzbedarfl58 , was unmöglich vertreten werden könne l59 • Pfeiffer, der Sonnenfels kritisierte l6o , bestätigte der Sache nach dessen Darlegungen. Ein unveränderlicher Entrichtungsfuß verlange nur eine gesetzliche unveränderliche Bestimmung der Besteuerungsmerkmale. Die Abgaben, die sich danach ergeben, müssen aber nicht beständig gleich, sondern nur in der Proportion gerecht und gewinnangemessen sein, obwohl die absolute Steuer frei schwanken kann l61 • Lang sah in der Veränderung der sozialen Bedingungen eine gesetzmäßige Ursache der Veränderung des historischen Steuersystems. Nach seiner Theorie zeichneten besonders Veränderungen im Kriegwesen für Steuerreformen verantwortlich, weil sie sowohl Wirtschaftsstruktur als auch Finanzbedarf des Staates unmittelbar beeinflußtenl62 • 151 152

153 154 155 158 151

158 159 180 181 182

(195) Moser S. 621. (188) Mirabeau Bd. 2 S. 46. (83) Fulda S. 197; (7) Baumstark S. 732. (80) Fulda S. 296; (83) Fulda S. 194 f. (47) Darjes S.563; (51) Döhler S. 109 f. (21) Bergius Bd. 1 S. 15. (285) Sonnenfels S. 118. (153) Kröncke S.47. (63) Eschenmayer S.3; (275) Seeger S. 12 f. (225) Pfeiffer Bd. 1 S. 278. (225) Pfeiffer Bd. 1 S. 279; (63) Eschenmayer S.51. (160) Lang S.4.

7.4. Änderungen der Besteuerungsgrundlagen

191

Adam Smith vertrat eine mit Sonnenfels und Pfeiffer gleichlaufende Auffassung ohne originelle eigene Akzente und berief sich auf gesetzliche Regelungen in Preußen, was die europäische Verklammerung des Kameralismus beweist1 63 • Die hergebrachte Methode einer schätzungsweisen Ermittlung mehrjähriger Durchschnittsgewinne durch Klassifikationen und regelmäßige Neufeststellungen164 begann mit dem aufkommenden Prinzip der Besteuerung des konkreten reinen Gewinns zu streiten l65 • Im letzteren Fall mußte eine jährliche Bestimmung von Ertrag und Steuer stattfinden166• Die Flexibilität des Steuersatzes und sein unvermeidlicher jährlicher Wechsel war zu diesem Zeitpunkt schon akzeptiert1 67 • Bei Strelin findet sich interessanterweise erstmals ein Hinweis auf die jährliche Bilanzierung durch größere Kaufleute168 • Dabei fällt die zutreffende jährliche Vermögens- und Einkommensbestimmung als Nebenprodukt mit ab. Die stärkere Betonung des öffentlichrechtlichen Steuerunterwerfungsverhältnisses gegenüber der überholten privatrechtlichen Betrachtungsweise der Steuern verstärkte die Anerkennung der Befugnis und Verpflichtung des Staates, die Steuergesetze an die jeweilig wechselnden Bedingungen und Forderungen der Steuergerechtigkeit und der steuerlichen Gleichbehandlung anzupassen169 • Das Gleiche galt für den raschen Wechsel der Wirtschaftsstruktur und die dadurch veranlaßten steuerlichen Änderungen170 • Als der Kameralismus endete, hatte die Theorie der uneingeschränkten Befugnis des Staates zur jährlichen Anpassung der Steuern gesiegt171, wobei es gleichgültig war, ob man darunter nur die gleitende Steuerhöhe in Anpassung an die wechselnden realen Gegebenheiten (z. B. schwankender Gewinn) verstehen will, oder die Möglichkeit der Änderung oder Neubegründung gesetzlicher Steuertatbestände meint. Im Sinne der tatsächlichen Änderung war der Anspruch auf staatliche Berücksichtigung geänderter Umstände im Rahmen steuerlicher Tatbestände sogar als subjektives Recht in zeitgenössischen Kodifikationen verankert172 • (282) A. Smith S. 223, 225 f. (147) Krehl S.218; (80) Fulda S. 283 f.; (122) Jakob Bd.2 S.1084; (277) Sensburg S. 10. 165 (275) Seeger S. 29. 166 (297) Strelin S. 179. 167 (80) Fulda S. 293. 168 (297) Strelin S. 188. 169 (154) Kröncke S.283; (122) Jakob Bd.2 S.1083. 170 (122) Jakob Bd.1 S.472; (83) Fulda S. 215; (98) Harl Bd. 1 S.142. 171 (7) Baumstark S. 732. 172 (228) Pölitz Bd.1 S.487 (als Beispiel § 31 des Badischen Edikts vom 16. 4. 1819). 163

164

192

7. Die Maßstäbe der Besteuerung

7.5. Die historische Auseinandersetzung zwischen Besteuerung des Vermögens und Besteuerung des Gewinns Das Denken der Kameralisten kreiste stetig um die "eigentliche wahre Steuer". Wie schon ausgeführt, war damit weniger eine idealtypische allumfassende Einheitssteuer gemeint als die historisch gewachsene Hauptsteuer, die man in Richtung der eigenen konstruktiven Ideen verbessern wollte. Die Existenz ergänzender Nebensteuern vertrug sich damit ebenso wie die ständige Kontrolle der Idealvorstellungen durch die praktische Besteuerungswirklichkeit. Anknüpfungspunkte der Verbesserungsvorschläge waren die alte Grundsteuer (Kontribution) als Steuer von den landwirtschaftlichen Grundstücken, die Gewerbesteuer als später hinzugetretene ergänzende Steuer von dem Ertrag der Gewerbe, die alten städtischen Vermögenssteuern und der Oberbegriff der Akzise für die Vielzahl kleinerer Akzisearten und sonstiger Verbrauchssteuern. Die Akzise spielte in der Auseinandersetzung eine untergeordnete Rolle. Einerseits lehnte das strenge juristische Urteil der Kameralisten die Konsumtionssteuern als steuerlich systemwidrig zu allen Zeiten ab. Andererseits folgte die wissenschaftliche Erörterung der stürmischen praktischen Entwicklung auf diesem Gebiet nach. Die Bemühungen der Kameralisten konzentrierten sich deshalb auf die prinzipiellen Vermögens- und Ertragssteuern. 7.5.1. Anfänglich bestand keinerlei terminologische Klarkeit. Die Begriffsbestimmungen differierten bei den verschiedenen Autoren. Auch über die angestrebten Zielvorstellungen bestand keine Einigkeit. Unterwirft man die analysierten geschichtlichen Steuern und die Kommentare der Kameralisten den Kriterien moderner Steuerwissenschaft, so läßt sich ein eindeutiger Trend feststellen: Von der Vermögenssteuer als Substanzbesteuerung zur Einkommensteuer als Ertragsbesteuerung. 7.5.2. Der Frühkameralismus vermengte in seiner vorwissenschaftlichen moralisierenden Betrachtungsweise die Begriffe Einkommen und Vermögen und forderte die "Anlage der Steuern ... nach jedes Orts Vermögen und Einkommen"113. Erschwert wird der Durchblick durch die unterschiedliche Verwendung des Begriffs "Vermögen" einerseits im Sinne von Leistungsvermögen 114 und andererseits im Sinne von Eigentum und Besitz. Aus dem Zusammenhang geht meist hervor, daß die Begriffsvermengung auf der Signalfunktion des Vermögens für den erhofften Ertrag beruhte. Wer Besitz hat, sammelt vermutlich auch steuerbare Erträge. Wenn Letztere nach der rudimentären Besteuerungstechnik alter Zeiten oft verborgen blieben, so hielt man sich an 113 (246) Rövenstrunck S.21. 114 (97) Harl S. 37: Jeder wird besteuert nach Vermögen!

7.5. Besteuerung des Vermögens oder der Gewinne

193

die sinnfälligeren offenkundigen Vermögenswerte und schloß daraus auf die "Gewinnste"175. Trotz der verwirrenden Formulierungen der Frühkameralistik brachte Schröder in einer seiner seltenen Äußerungen zu steuerlichen Fragen zum Ausdruck, was inhaltlich allgemein angestrebt wurde 176 : Der Fürst habe sein steuerliches Interesse bei dem gewinnenden Teil zu suchen177. 7.5.3. Der Hochkameralismus verlor diese aus wissenschaftlicher Unschuld geborene Klarheit mit zunehmender Vertiefung der Problematik bald. Bei unbefangenem Studium der Texte gewinnt man den Eindruck, jeder konstruktive Unterschied zwischen Vermögens- und Einkommensteuer sei verwischt. Die Analyse der Begriffsbestimmungen zeigt aber, daß nur mangelnde Übereinstimmung in der Nomenklatur dafür verantwortlich zeichnete. Das Betreten verwaltungsrechtlichen Neulandes erzwang klare Definitionen der grundlegenden Tatbestandsmerkmale. Die Benennung des fertigen Steuerrechtsinstituts legte dann nur noch Zeugnis ab von der wissenschaftlichen Eigenwilligkeit des jeweiligen Kameralautors, ohne echte Differenzen zu Kollegenmeinungen aufzuzeigen. Besseren Aufschluß über die Zusammenhänge gaben die Entwicklungslinien der Begriffsdefinitionen. 7.5.3.1. Lau bezeichnete das Vermögen als "betreffend die ganze Substanz der Habseligkeiten, welche die Einwohner besitzen, sie mögen bestehen, worinnen sie immer wollen oder können" 178. Justi gab drei Vermögensbegriffe: Erstens verstand er darunter alles, was in unserer Gewalt ist, zweitens alle Güter und Geschicklichkeiten, die wir besitzen und drittens den Besitz beweglicher und unbeweglicher Güter179 • Im steuerrechtlichen Sinne verstand er das Vermögen nach der dritten Definition und ergänzte die Begriffsbestimmung durch den Hinweis, Vermögen erlange man durch Zufall oder Geschicklichkeit, im letzteren Fall entweder durch Dienste oder Gewerbe l80 • Sonnenfels behandelte die Begriffe Eigentumsfähigkeit und Vermögen synonym und schränkte sie für steuerliche Zwecke auf das nutzbringende Vermögen 181 ein, das man dann auch Stock, Hauptstamm und Kapital nennen könne 182. Jung verstand unter Vermögen "die Summe alles dessen, was jemand an solchen Dingen besitzt, die zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse nützlich sind, die also einen Wert haben und bewegliche oder unbeweg-

175 (246) 176 (246) 177 (271) 178 (161) 179 (136) 180 (136) 181 (122) 182 (285) 13 Jenetzky

Rövenstrunck S.65; (220) Pescherinus S.152. Rövenstrunck S. 43. Schröder S.43. Lau S.301. Justi Bd.1 S. 438 f. Justi Bd. 1 S.441. Jakob Bd. 1 S.372. Sonnenfels S. 193.

194

7. Die Maßstäbe der Besteuerung

liche Güter genannt werden"l83'. Fulda identifizierte Vermögen mit Besitz184• 7.5.3.2. über den Begriff des "Gewinnstes" oder Ertrages bestand sachlich durchweg völlige Übereinstimmung. Die modernste Definition findet sich bei dem im übrigen wenig originellen Kameralisten Rohr: Gewinn ist ... um wieviel sich das Vermögen eines jeden Untertanen sich jährlich vermehrt oder gemindert hat1 85 • Justis Gewinnbegriff dagegen war rein objektbezogen: "Gewinn ist der Vorteil, den wir nach Abrechnung unserer angewendeten Kosten und Bemühungen aus einer Sache ziehen186." Ab Sonnenfels wurde das reine Einkommen vom rohen Einkommen unterschieden187 • Döhler nannte den Gewinn Profit oder Verdienst188 • Pfeiffer zeigte, daß der reine Gewinn durch Vornahme aller Abzüge vom Rohgewinn ermittelt wird189 • Struensee unterschied die Einnahmen vom Vermögen und umriß damit das Roheinkommen 19o • Als synonym mit den Einnahmen191 bezeichnete er durchaus zutreffend die Einkünfte192 • Prätorius definierte Gewinn als Ertrag der Gewerbe193 und lehnte sich damit an Justi an. Jakob unterschied Ertrag und Einkommen, da jeder Ertrag für seinen Empfänger Einkommen ist, nicht aber jedes Einkommen der Ertrag eines zugrundeliegenden Vermögens 194 • 7.5.3.3. Neben den Begriffen Einkommen und Vermögen verwendeten die Kameralisten noch weitere exakt abgegrenzte Begriffsbestimmungen wie Stammvermögen, Fond, Kapital, Rente und Einkommensquellen, die im Rahmen der Rechtsentwicklung zu erörtern sind. 7.5.4. Jeder Kameralist pflegte eine seiner Ansicht nach optimale Steuer zu benennen, der er ein eigenwilliges Namensetikett auferlegte, um seine Eigenständigkeit zu beweisen. 7.5.4.1. Pescherinus empfahl den Generalzehnten des Marschalls Vauban195• Da der Steuersatz bei jedem Zehnten vom Rohgewinn erhoben

(130) Jung S.97. (80) Fulda S.306; ebenso (122) Jakob Bd.1 S. 461 f.; (82) Fulda S.938. 185 (247) Rohr S.59. 186 (136) Justi Bd. 1 S. 444. 187 (285) Sonnenfels S. 219; (128) Jung S. 211; (288) Späth S.32; (63) Eschenmayer S.28; (156) Krug S.142; (275) Seeger S.15; (65) Eschenmayer S.13; 183 184

(147) Kreh! S. VIII. 188 189 190 191 192 193 194 195

(51) Döhler S. 101. (222) Pfeiffer S.281; (122) Jakob Bd.1 S.377, 384. (301) Struensee Bd. 1 S.202; (122) Jakob Bd. 1 S.376. (141) Keßler S.28. (301) Struensee Bd. 3 S. 229. (229) Prätorius S.147; (122) Jakob Bd.1 S.372. (122) Jakob Bd.1 S.388. (220) Pescherinus S. 64.

7.5. Besteuerung des Vermögens oder der Gewinne

195

wurde, hing es vom Zufall ab, ob die Steuer vom Ertrag oder der Substanz des Vermögens genommen wurde196• 7.5.4.2. Lau hielt eine Vermögenssteuer für optimal, die sich nach den Erträgen und realen Nutzungen des Vermögens richtete und zog diesen Besteuerungsmodus einer Besteuerung nach dem Vermögenswert vor 197• Die empfohlene Steuer war also ihrer Rechtsnatur nach keine Vermögenssteuer, sondern eine Steuer nach dem Ertrag, als deren Bemessungsgrundlage aber das sinnfälligere und dem Staat auch zugänglichere Vermögen diente. Dieses Modell kehrte in der Folgezeit in vielen Varianten wieder. Man war sich einig darüber, daß die Substanz des Vermögens von der Steuer nicht beeinträchtigt werden dürfte198• Die Steuer war also vom Ertrag zu nehmen199 • Als abschreckendes Beispiel einer solchen Steuer nannte Justi, der die reine Gewinnsteuer vertrat, die Nürnberger Losung, die Macchiavelli in Unkenntnis der Nürnberger Finanzlage als Beispiel teutonischer Steuerehrlichkeit gelobt hatte20o • Bergius nannte als Beispiel einer solchen unechten Vermögenssteuer den gemeinen Pfennig, hielt aber jede Art von Vermögenssteuer nur als Abgabe in Notfällen für geeignet201 • Die damals übliche Begriffsvermischung belegte eindeutig Darjes, der die alte Grundsteuer oder Kontribution, die eine echte Ertragssteuer war, als Abgabe vom Vermögen bezeichnete, weil sie nach Maßstab des Vermögens geleistet wurde, und als Steuer von den Einkünften die Akzise benennt202 • Danach kehrte die unechte Vermögenssteuer in verschiedenen Varianten immer wieder 203• Meist war damit eine abschätzige Wertung der echten und der unechten Vermögenssteuer verbunden204 • Der Grund für die zurückhaltende Billigung der unechten Vermögenssteuern - in der Verwerfung der echten Vermögenssteuern war man sich einig205 - lag in der Schwierigkeit der Gewinnermittlung206 nach

(82) Fulda S. 999, 1003. (161) Lau S. 322 f. 198 (66) Eulner S.91; (253) Sammlung von Aufsätzen Bd.1 S.327; (296) Strelin S. 14. 199 (247) Rohr S.59. 200 (135) Justi S. 401; (136) Justi Bd.2 S. 317; (229) Prätorius S. 90 f. 201 (22) Bergius Bd.9 S.42; (136) Justi Bd.2 S. 440; ebenso (173) Lith S.197, 215. 202 (47) Darjes S.587. 203 (1) Achenwall S. 193; kritisch (285) Sonnenfels S. 269, so wurde die holländische Häusersteuer als Vermögenssteuer bezeichnet; vgl. auch (221) Pfeiffer S.160; (243) Rößig S.337; (160) Lang S.239; (229) Prätorius S.88; (82) Fulda S. 938 f.; (45) Crome Bd.2 S.l; (262) Schlözer S.199; (156) Krug S. 136, 139; (275) Seeger S. 18. 204 (296) Strelin S.108, 110; (222) Pfeiffer S.234; (225) Pfeiffer Bd.2 S.51, Bd.5 S.310; (130) Jung S.203; (298) Strelin S.7; (288) Späth S.30. 205 (294) Stokar von Neuform S.65; (142) Keßler S. 137 f.; (155) Kronburg S.l77. 196 197

13'

196

7. Die Maßstäbe der Besteuerung

der damaligen Besteuerungstechnik und dem üblich gewordenen Schluß von den Vermögensobjekten auf die regelmäßig zu erwartenden Erträge 207 • Fulda empfahl die Einkommensteuer sogar als eine Unterart der Vermögenssteuer 208 • Die Vermögenssteuer nach Strelin stellte sich schon als reine Ertragsteuer dar. Das Vermögen sollte nur Maßstab der Steuerverteilung sein, die Steuer aber allein auf einem Teil des Kapitalertrags ruhen209 • Der Grundsatz der Substanz erhaltung mußte streng gewahrt bleiben 210 • Strelin selbst war sich allerdings dieser Etikettenverwechslung durchaus nicht bewußt211. Er bezeichnete das Einkommen als Kapital, das heißt als überschuß des Erwerbs nach Abzug aller Ausgaben und sparte nur Einkünfte ohne Vermögenseinsatz (zum Beispiel Lohneinkünfte) von der Besteuerung aus 212 • Fulda kritisierte diese Art von unechten Vermögenssteuern21 :t und entwarf gleichzeitig ein ähnliches Modell einer stark schematisierten Ertragssteuer nach Maßstäben des Vermögens 214 • Harl bekundete als letzter Kameralist seine Zuneigung zur Vermögenssteuer, skizzierte aber unter diesem Namen eine rudimentäre Einkommensteuer 215 • Da er auch Einkommen, das nicht aus Vermögen fließt, besteuern wollte, blieb von der Vermögenssteuer nur der Name übrig216 • 7.5.4.3. In der Argumentation waren sowohl die echte als auch die unechte Vermögenssteuer widerlegt. Der Kameralismus erkannte schon früh, daß letztlich jede Steuer aus dem Einkommen gegeben wird 217 • Eine Vermögensbesteuerung besteuert doppelt, da die Erträge als laufende Einkünfte schon einmal der Besteuerung unterlegen haben218 • Struensee brachte das einzige vertretbare Argument, das bis heute für eine Vermögenssteuer vorgebracht werden kann: Wenn zwei Steuerpflichtige bei sonst gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen steuerlich überlastet werden, so daß der Ertrag nicht mehr zur Steuerzahlung ausreicht, der eine aber seine Steuern aus dem Vermögen zahlen kann, während der zweite Schulden machen muß, so ist der erste Steuer-

(264) Schmalz S. 319. (63) Eschenmayer S.3; (275) Seeger S.57; (142) Keßler S. 137 f. 208 (80) Fulda S. 307. 209 (297) Strelin S. 35, 49, 156. 210 (297) Strelin S.47. 211 (297) Strelin S. 173, 179. 212 (297) Strelin S. 192, 195. 213 (83) Fulda S. 209. 214 (83) Fulda S. 171, 189, 207, 210. 215 (96) Harl S. 36 f.; (97) Harl S.37; (98) Harl Bd.1 S.24, 27 f., 72 f., 82 f., Bd.2 S.514, 517, 519. 218 (98) Harl Bd. 1 S. 113. 217 (122) Jakob Bd.1 S.378; (12) Behr S.108. 218 (130) Jung S.203; (45) Crome Bd.1 S.46. 208 207

7.5. Besteuerung des Vermögens oder der Gewinne

197

pflichtige wegen seiner größeren Belastbarkeit in günstigerer Lage 219 • Die Vermögenssteuer zwingt konsequenterweise auch zur Besteuerung ertragloser Gegenstände220 • Das ist dann aber entweder eine verdeckte Luxusbesteuerung221 oder es muß absurderweise zum Beispiel eine Sandwüste ohne jeden Wert versteuert werden222 • Auch die Aufzehrung der Besteuerungsgrundlage durch Reparaturaufwendungen und Passivkapitalien läßt sich dann nicht mehr vertreten223• Zudem besitzt nur ein Teil der Staatsbürger Vermögen, und es läßt sich nicht rechtfertigen, vermögenslose aber einkommenstarke Bürger unbesteuert zu lassen 224 • Krehl ging als besonders radikaler Kritiker der Vermögenssteuer so weit, das Kriterium des Erwerbs in den Steuerbegriff zu übernehmen. Auf dieser Basis kam er zum Schluß, daß die Vermögenssteuern trotz ihres Namens gar keine echten Steuern darstellen, sondern staatliche Konfiskationen sind 225 • Gegen die echten Vermögenssteuern sprach auch, daß sie als Besteuerung des Vermögensfonds konsequenterweise die Quelle erschöpfen müssen, aus der sie fließen226 • Da sich die Verhältnisse der Einkommenserträge und die Verhältnisse der reinen Vermögenssubstanz bei den einzelnen Staatsbürgern nicht decken, entbehrt es jeder rechtmäßigen Grundlage, die Vermögensumstände zum Maßstab der Steuerumlage auf die Erträge zu machen, wie das bei der unechten Vermögenssteuer der Fall ist227 • 7.5.5. Parallel zu dieser Zurückdrängung der alten Vermögenssteuer lief ein umfassender Siegeszug der Einkommensteuer als Königin der Steuern. Obwohl der Name "Einkommensteuer" erst spät geboren wurde, empfahlen die Kameralisten dem sachlichen Gehalt nach schon früh eine allgemeine Erwerbssteuer. Der Einblick in die Entwicklungszusammenhänge wird nur dadurch erschwert, daß die Evolution der Einkommensteuer nicht ganz geradlinig verlief. Zunächst mußten die alten Teileinkommensteuern Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie die neueren partikularen Einkommensteuern Kapitalzinssteuern und Besoldungssteuern zu reinen Ertragssteuern entwickelt werden, um dann zu einer allgemeinen Einkommensteuer zusammenzuwachsen228 •

(301) Struensee Bd. 3 S. 232. (234) Rau Bd. 2 S. 200. 221 (229) Prätorius S. 191; (152) Kröncke S.381. 222 (82) Fulda S. 940 f.; (169) Lips S. 14; (147) Krehl S. 179. 223 (288) Späth S. 31. 224 (169) Lips S.I1, 13; (147) Krehl S.205; (297) Strelin S.138; (234) Rau Bd.2 S.201. 225 (147) Krehl S.126, 166 f. 226 (149) Krehl S.7, 9; (122) Jakob Bd.l S.374. 227 (12) Behr S. 96. 228 (250) Rüdiger S. 135. 219 220

198

7. Die Maßstäbe der Besteuerung

7.5.5.1. Die alte Grundsteuer oder Kontribution war ihrer Intention nach immer eine Steuer vom landwirtschaftlichen Erwerb gewesenl!29. Das Gleiche galt für die alten Haussteuern23o • Vermögenssteuerliche Komponenten bekamen die alten Steuern allein durch die mangelhafte Besteuerungstechnik, die sich nicht an die wirklich erzielten Erträge als Besteuerungsgrundlage anlehnte. Als die Physiokratie ihre einzige Landwirtschaftssteuer anpries, waren in Deutschland neben der Akzise schon verschiedenartige Gewerbesteuern im Gebrauch, die den Ertrag der gewerblichen Tätigkeiten zu besteuern suchten. Sie fanden bei den Kameralisten eine hohe Wertschätzung, weil die in Manufakturen, Handwerk und Handel angesammelten Reichtümer und Wertschöpfungen 231 im Vergleich zu der wirtschaftlich ausgebluteten Landwirtschaft auffielen. Verhältnismäßig spät wurde dieses zweiteilige Ertragsteuermodell232 durch die Besteuerung der Zinserträge aus Geldkapitalien und die Einbeziehung der akademischen 233 und künstlerischen Berufe234 in die Besteuerung ergänzt. Die Rechtmäßigkeit der Besteuerung von Löhnen, Besoldungen und Gehältern blieb bis zum Ausklang des Verwaltungskameralismus umstritten 235• Der Spielraum für steuerliche Belastungen war hier sehr gering236, weil die niedrigen Arbeitsentgelte der Abhängigen im sozial fürsorglich geprägten Urteil der Kameralisten zu gering erschienen, um davon noch Steuern zu zahlen 237• 7.5.5.2. Justi fühlte sich als Erfinder der eigentlichen Gewerbesteuern, obwohl schon vor ihm Eulner eine Gewerbesteuerschatzung entworfen hatte 238 und in der Praxis Gewerbesteuern als direkte Ertragssteuern üblich waren 239 • Die gewerbliche Tätigkeit konnte nach Justi in dreierlei Weise besteuert werden: 1. Im Wege der Erfassung der zur Produktion verbrauchten Waren, 2. Durch Besteuerung der hergestellten Waren, 3. Durch Bemessung der Steuer nach Zahl und Funktion der beschäftigten Personen240 • Die Methode der Besteuerung der gefertigten

(298) Strelin S. 35. (133) Justi S.427. 231 (222) Pfeiffer S. 267. 232 (298) Strelin S.4, 6; (287) Späth S. 25 ff.; (229) Prätorius S.155; (147) Krehl S.102; (80) Fulda S.305. 233 (45) Crome Bd.2 S. 95. 234 (222) Pfeiffer S. 261. 235 (83) Fulda S. 255. 236 (133) Justi S.378. 237 (262) Schlözer S. 198. 238 (66) Eulner S. 66 - 70. 239 (22) Bergius Bd. 4 S. 131; (296) Strelin S. 98; (222) Pfeiffer S. 260; (225) Pfeiffer Bd. 3 S.146, Bd.5 S. 304 f.; (229) Prätorius S.l71 f., 178; (151) Kremer S. 44; (276) Sensburg S. 88. 240 (135) Justi S. 408. 229

230

7.5. Besteuerung des Vermögens oder der Gewinne

199

Produkte war bei der Akzise üblich. Eine Kombination der beiden restlichen Methoden sollte zu einer Gewerbebesteuerung nach dem Gewinn führen241 • Der Gewinn war anhand dieser Merkmale zu schätzen 242• Wegen der Schwierigkeiten der Gewinnermitllung24:t neigte auch Justi alternativ zur Besteuerung der Gewerbe durch sogenannte Gewerbspatente 244 • Jeder Gewerbetreibende löste ein Patent zum Festpreis und durfte dann ein Jahr lang frei von sonstigen Steuern sein Gewerbe betreiben. Auch spätere Kameralisten empfahlen diese primitive, billige und die Privatsphäre der Besteuerten äußerst schonende Besteuerungsform245• Justi betonte als erster besonders die Notwendigkeit unbedingter Schonung der Vermögenssubstanz 246 und erarbeitete die Grundprinzipien einer Besteuerung nach Gewinn. Gegenstände der Gewinnbesteuerung nannte er das ertragsabwerfende Vermögen, die Materialien, Produkte und Waren der Gewerbe und die bei den Gewerben beschäftigten Personen247 • Die empfohlene Gewinnermittlung entsprach einer Schätzung nach Richtwerten. Justi riet, die verkauften Waren aus den Zollregistern zu ermitteln, den üblichen Einkauf nach Menge und Wert in einer bestimmten Berufsgruppe festzustellen und die reguläre Arbeitsdauer der beschäftigten Personen heranzuziehen 248• Als Produkt dieser Rechnungsgrößen ergab sich dann der berufsübliche Gewinn. Die Problematik dieser schematischen Gewinnermittlung war den Kameralisten bekannt249 • Sie wird an späterer Stelle noch zu erörtern sein. An dieser Stelle genügt die Feststellung, daß die Besteuerung des Gewinns dem Grunde nach erkannt war und ab Justi gezielt befürwortet wurde 250• Als Nebenprodukt der Justischen Vorschläge zur Gewinnermittlung ergab sich die Warnung vor dem Ansatz nicht realisierter, also hypothetischer Gewinne in der Kostenrechnung251 • Nach (135) Justi S. 468 f.; (311) Ulmenstein S. 182 f. (135) Justi S. 470 f. 243 (133) Justi S. 415. 244 (133) Justi S. 376. 246 (98) Harl Bd.l S.178; (283) Soden Bd.3 S.176; (275) Seeger S.42, 44; (80) Fulda S. 303. 246 (136) Justi Bd.2 S.48; (222) Pfeiffer S.50; (147) Krehl S.168. 247 (136) Justi Bd. 2 S. 51. 248 (136) Justi Bd.2 S. 375 - 378; (22) Bergius Bd.4 S.138; ein sehr differenzierter Schätzungsvorschlag stammt von (31) Börner Bd.2 S.316; vgl. auch (224) Pfeiffer Bd. 4 S. 153. 249 (224) Pfeiffer Bd. 4 S. 159; (222) Pfeiffer S. 271 f.; (63) Eschenmayer S.30; (264) Schmalz S.320; (275) Seeger S. 18. 250 (173) Lith S.206; (76) Förster S. 347 f.; (1) Achenwall S.185; (285) Sonnenfels S.217; (224) Pfeiffer Bd.2 S.130, 141; (296) Strelin S.100; (128) Jung S.211; (243) Rößig S.339; (229) Prätorius 8.146, 148f.; (275) Seeger S.20, 61; (154) Kröncke S. 96; (98) Harl Bd.l S.194. 251 (136) Justi Bd. 1 S. 461. 241 242

200

7. Die Maßstäbe der Besteuerung

Justi blieben die Gewerbesteuern ständig im wissenschaftlichen Gespräch2S2 • Konstruktiv stellten sie sich als Einkommensteuern auf den gewerblichen Gewinn dar und sollten später einmal das Kernstück der modernen Einkommensteuern bilden. Mit den heutigen Gewerbesteuern in der Form der Realsteuern hatten sie keine Berührungspunkte, obwohl auch diese Steuergattung im Spätkameralismus entdeckt wurde 25:t. Am Rande sei erwähnt, daß auch die alte Grundsteuer als Einkommensteuer auf den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft254 mit der heute üblichen Grundsteuer in Form einer Realsteuer nur den Namen gemeinsam hat. Die späteren Kameralisten erweiterten den Katalog der Gewerbesteuerpflichtigen255 , hielten sich aber im übrigen an den von Justi ausgearbeiteten Vorschlag256 • 7.5.5.3. Die alte Grundsteuer wurde von den Kameralisten kaum schöpferisch ausgestaltet. Ihre praktische Anerkennung als partikuläre Einkommensteuer, ihre historisch begründete und in Einzelheiten ausgefeilte Konstruktion und ihre mit dem Zeitablauf schwindende Bedeutung wegen des relativ sinkenden Anteils der Landwirtschaftsproduktion am gesamten volkswirtschaftlichen Ergebnis ließen für originelle Steuerkonstruktionen wenig Raum. 7.5.5.4. Die schrittweise Entwicklung einer allgemeinen und allumfassenden Einkommensteuer begann mit Justi und Sonnenfels. Hatte ersterer den Ertrag als alleinigen Gegenstand der Besteuerung in den Mittelpunkt gestellt257 , so erkannte Sonnenfels die Bedeutung der persönlichen Arbeitsleistung als eine Einkommen produzierende Kraft ohne Einschaltung sächlicher Vermögenswerte 258 • Demgegenüber bedeutete die von Strelin259 und Soden260 vertretene Produktionssteuer einen Rückschritt, da sie nur den landwirtschaftlichen und gewerblichen Produktionsgewinn erfaßte und die Besteuerung auf den Hersteller verlagerte. Diesen Mangel räumte Strelin auch ein; ihm ging es vorzüglich um eine systematisch einfache Hauptsteuer252 (128) Jung S. 226; (130) Jung S.112, 121; (229) Prätorius S.167; (82) Fulda S. 1005 -1011; (63) Eschenmayer S.31; (98) Harl Bd.1 S.187; (234) Rau Bd.2 S.141. 253 (142) Keßler S. 121; (45) Crome Bd. 1 S. 83 - 85; (156) Krug S. 157; (80) Fulda S. 291 f., 299. 254 (222) Pfeiffer S. 52. 255 (229) Prätorius S. 160. 256 (303) Sturm S. 199 - 203; (83) Fulda S.229, 243. 257 Abschließend dazu (234) Rau Bd. 2 S. 18. 258 (285) Sonnenfels S.269; als nächster griff (288) Späth S.36 diese Erwägung auf. 259 (296) Strelin S.7, 139 f.; (298) Strelin S.8. 260 (283) Soden Bd.3 S.176; (65) Eschenmayer S.22; (297) Strelin S. 130.

7.5. Besteuerung des Vermögens oder der Gewinne

201

art bei der Ausarbeitung seines Vorschlages 261 • Die Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Einkommens begleiteten die Einkommensteuer seit ihrer Entstehung. Als Bemessungsgrundlage boten sich mangels einer steuerlich ausgewerteten Buchführung bei den Steuerpflichtigen nur die Ertragsschätzung nach dem Verkehrswert der besteuerten Gegenstände, nach schematisiertem mittlerem Ertrag anhand von Musterbetrieben oder eine reine Einnahmenschätzung nach Erfahrungswerten an 262 • Vermutlich unter dem Einfluß westeuropäischer Wirtschaftsdenker übernahmen die Kameralisten den Begriff des Kapitals 263 • Unter Kapital ist der Gegensatz zum Ertrag und die übersetzung des juristischen Vermögensbegriffes in nationalökonomische Terminologie zu verstehen. Dabei fand eine wesentliche Erweiterung des Vermögensbegriffes statt. Behandelte Struensee das Kapital noch als Synonymum für Vermögen und forderte gerade deshalb die Besteuerung der Einkünfte 264 , so lautete der Vermögensbegriff bei Eschenmayer schon gleichlautend mit der neuen Kapitaldefinition. Ertrag (= Einnahme) war für ihn dasjenige, was zum Vermögen hinzu und Aufwand (= Ausgabe), was vom Vermögen hinweg kommt 265 • Der überschuß, welcher sich nach Subtraktion der Ausgaben von den Einnahmen ergibt, stellt dann den steuerlichen Gewinn oder Ertrag dar266 • Damit war im Anschluß an Sonnenfels die Vermögensmehrung als Gewinn behandelt267 , so daß auch Gewinne, die ohne Einschaltung sächlicher Vermögens gegenstände erzielt wurden, der Besteuerung unterlagen. Der neue Kapitalienbegriff umfaßte nunmehr das Grundkapital, das Gewerbekapital bestehend aus Waren- und Geldkapital und das Arbeitskapital268 • Damit waren Gewinne aus verliehenen Geldern 269 und Arbeitsverdienste 270 zwanglos in den Kreis der Besteuerungsobjekte einbezogen worden271 • Die aus den verschiedenen Kapitalarten entspringenden Erträge trugen nunmehr den Namen Renten 272 , wenn man nicht den einzelnen Steuerpflichtigen, sondern das volkswirtschaftliche Ganze wissenschaftlich abhandelte. Der Grundsatz der unbedingten Substanzerhaltung des Kapitalver261 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271 272

(296) Strelin S. 143. (154) Kröncke S. 81; (222) Pfeiffer S. 290 f.; (63) Eschenmayer S. 32. (239) Ricardo S.145; (282) A. Smith Bd.3 S.259. (301) Struensee Bd. 3 S. 229. (236) Raumer S. 229. (64) Eschenmayer S. 1. (82) Fulda S. 988. (147) Krehl S.178; (151) Kremer S.86. (82) Fulda S. 1013. (94) Haller Bd.2 S.347. (147) Krehl S.103. (283) Soden Bd. 3 S. 177; (122) Jakob Bd.l S.532, 549, Bd.2 S.862.

202

7. Die Maßstäbe der Besteuerung

mögens blieb durch diesen Begriffswandel unberührt273 . Trotz mancher Inversionen und darauf beruhender Mißverständnisse wurde der Name Einkommensteuer für die allgemeine Ertragssteuer üblich274 . Die damals viel erörterten Ermittlungsschwierigkeiten führten zu der Erkenntnis, eine unvollkommene Einkommensteuer gewinne immer Vermögenssteuercharakter, weil sie weniger den Ertrag als die Vermögenssubstanz trifft27li . Raumers Werk über das englische Besteuerungssystem und die dort geltende "income taxe" hat nach den häufigen Zitaten der Raumers Werk folgenden Veröffentlichungen einen starken Einfluß auf den Steuerkameralismus ausgeübt. Das galt besonders für seine vernichtende Kritik an der in Mitteleuropa üblichen Vorliebe für pauschale Gewinnermittlungen ("Normalzahlen")276. Nach Raumer wurden wissenschaftliche Lobgesänge auf die Einkommensteuer nach dem reinen Einkommen üblich, weil diese Steuer dem Traum absoluter steuerlicher Gerechtigkeit am nächsten kam277 • Die neue Auslegung der verschiedenen Arten von Wirtschaftskapitalien brachte auch einen neuen Produktivitätsbegriff, der die bisher als steril gescholtene Klasse der Beamten und Büroangestellten mit umfaßte, denn nunmehr griff die Erkenntnis um sich, daß jede Arbeit als Arbeitskapital einen Tauschwert hat, wenn sie dazu dient, andere Mitglieder der Gemeinschaft für unmittelbar produktive Aufgaben freizusetzen 278. Die Steuerwissenschaft entwickelte in dieser Zeit auch die Unterscheidung zwischen Besteuerungsgegenstand und Besteuerungsquelle279 . Während der Besteuerungsgegenstand das vom Gesetz genannte Belastungsobjekt bezeichnet, dient die Steuerquelle wirtschaftlich betrachtet als die Vermögensmasse oder die Einkunftsart, aus der die Mittel zur Steuerzahlung realiter bestritten werden280 . Die reine Ertragsbesteuerung schloß jetzt jede auch indirekte Vermögensbesteuerung aus. Eigentum, das aus Erwerb nach Abzug der Einkommensteuer geschaffen wurde, sollte nicht nochmals einer Besteuerung unterliegen. Erst der Ertrag 273 (63) Eschenmayer S.31, 66; (294) Stokar von Neuform S.16, 69. 274 (156) Krug S.141; (283) Soden Bd.3 S.I77; (264) Schmalz S. 321 f.; (167) Leipziger S. 396. 276 (236) Raumer S. 231; (275) Seeger S. 52,56; (297) Strelin S. 119; (7) Baumstark S. 729. 276 (236) Raumer S. 232 ff., 255; (65) Eschenmayer S. 15 f.; (147) Krehl S. 110. 277 (275) Seeger S.60, 66; (169) Lips S. 15 ff., 20; (65) Eschenmayer S.10; (167) Leipziger S. 312; (45) Crome Bd.l S. 79 f.; (147) Krehl S.177; (122) Jakob Bd.l S.563; (83) Fulda S.222, 225, 227. 278 (167) Leipziger S. 304 - 306. 279 (147) Krehl S. VIII, 168. 280 Deshalb billigt Kröncke gesetzestechnisch auch eine Vermögenssteuer nach dem Einkommen und eine Einkommensteuer nach dem Vermögen: (154) Kröncke S. 68.

7.5. Besteuerung des Vermögens oder der Gewinne

203

dieses neu geschaffenen Eigentums eignet sich wieder als Objekt, um Steuern darauf zu legen281 • Nicht die erworbenen Kapitalien mit ihrem Ertrag, sondern nur der Ertrag aus den erworbenen Kapitalien darf steuerlich erfaßt werden 282 • Die klare Trennung zwischen Einnahmen und Einkünften gelang Krehl. Besteuerungsgegenstand sind nur die Einkünfte, weil die Einnahmen als bloße Eingangssummen auch Produktionsaufwand sein können. Erst nach Saldierung der laufenden Einnahmen mit den früheren Einnahmen, die Aufwand geworden sind, ergeben sich die steuerbaren Einkünfte 283 • Den letzten Schritt in der Entwicklung einer allgemeinen Einkommensteuer bildete der Wechsel der rechtlichen und wirtschaftlichen Perspektive. Sah man die Einkommensteuer zunächst unter dem Blickwinkel des Abflusses, so trat an dessen Stelle in der Endphase die Einkommensbesteuerung des Zuflusses. Man besteuerte mit der Einkommensteuer jetzt den Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an Sachen, Werten und Rechten 284 • Nach diesem Grundsatz wurden Kataloge der von einer generellen Einkommensteuer zu erfassenden Einzelvorgänge erstellt285 • Um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts hatte die Einkommensteuer eine gesicherte Stellung als Königin der Steuern errungen, wenn man allein auf die Rechtslehre und Theorie blickt286 • 7.5.6. Die Suche nach der echten Einkommensteuer trug als Früchte zusätzlich einige Erkenntnisse über die inneren Zusammenhänge der Ertragsbesteuerung, die zwar für das Steuermodell selbst keine Bedeutung hatten, wohl aber bleibende Erkenntnisse der Steuerlehre verkörperten. 7.5.6.1. So klärte Jakob die Wechselbeziehungen zwischen Stammvermögen und Ertrag287• Der reine Ertrag dient entweder zur Vermehrung des Stammvermögens oder zur Erweiterung des Lebensgenusses 288 • Soweit die Ertragssteuer auf Kosten des Genusses geht, kann das allenfalls psychologisch nachteilige Folgen zeitigen. Wird aber der Ertrag getroffen, der zur Neuansammlung von Stammvermögen dienen sollte, so geht dies auf Kosten der Kapitalansammlung, die zum stetigen volkswirtschaftlichen Wachstum erforderlich ist289 •

(147) (149) 283 (149) 284 (122) 285 (141) Vorgänge; 288 (234) 287 (122) 288 (122) 281

282

Krehl S.184. Krehl S. 10. Krehl S.16; (122) Jakob Bd.1 S.384. Jakob Bd.l S.385; (141) Keßler S.10. Keßler S. 31, 59 bietet eine nahezu vollständige Aufzählung solcher vgl. auch (234) Rau Bd. 28. 65. Rau Bd.2 S.194; (7) Baumstark S.720, 726. Jakob Bd. 1 S.375. Jakob Bd.1 S.377.

204

7. Die Maßstäbe der Besteuerung

7.5.6.2. Ebenfalls von Jakob stammte die Unterscheidung von abgeleitetem und ursprünglichem Einkommen 29o • Damit sollte nichts anderes gesagt sein, als daß die Besteuerung des Gewerbegewinns beim Unternehmer die nochmalige Besteuerung der abgeleiteten Erwerbseinkünfte bei Kapitalverleiher und Arbeitnehmer nicht ausschließt, wenn der Unternehmer aus seinem Gewerbegewinn Zinsen und Löhne zahlt291 • Dieser unmittelbar einleuchtende Gedankengang war vorher keineswegs selbstverständlich gewesen 292 und anderslautende Erwägungen spielten bei der Auseinandersetzung über die Besteuerung von Zinserträgen eine nicht unwesentliche Rolle. 7.5.6.3. Schließlich steuerte Jakob den Gedanken bei, daß bei Steuerfreiheiten, die wegen Nichterzielung von Einkünften gesetzlich verankert wurden, rechtskonstruktiv gar keine echte Steuerfreiheit vorliegt, sondern eine systembedingte Freistellung293 • 7.5.6.4. Behr empfahl, soweit ersichtlich als erster, eine Verpflichtung für alle Einkommen erzielenden Staatsbürger, Bücher und Bilanzen zu führen, um dadurch das genaue Einkommen im Einzelfall feststellen zu können 294 • Er griff damit zukunftsweisend eine psychologische Barriere bei seinen Zeitgenossen an. Die Problematik dieses Vorschlages wird an anderer Stelle noch zu erörtern sein. 7.5.6.5. Der im übrigen recht einfallslose Harl erkannte, daß der Wert der Einkünfte nicht nur von ihrer absoluten Höhe, sondern auch von der Sicherheit des regelmäßigen Einganges abhängt, und erforderte Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Wertigkeit von Einkünften bei der Steuerfestsetzung295 • Der lange Weg zur echten Einkommensteuer wird bei Erörterung der Gewinnermittlungsmethoden in anderem Zusammenhang nochmals zu beleuchten sein.

289 290 291 292 293 294 295

(122) Jakob Bd. 1 S. 378 - 381, 383. (122) Jakob Bd. 1 S. 396, 399. (234) Rau Bd. 2 S. 19, 22. (7) Baumstark S.720. (122) Jakob Bd. 2 S. 1064. (12) Behr S. 109, 119. (98) Harl Bd.l S.197.

8. Materielle Rechtsfragen bei der Steuererhebung Die Steuererhebung spielte in den Betrachtungen der Kameralisten eine untergeordnete Rolle. Ihre Behandlung würde auch den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Soweit aber Einzelfragen auf die materielle Steuerfestsetzung durchschlagen, läßt sich die Erörterung nicht umgehen. 8.1. Das Steuergeheimnis und die Offenbarung privater Vermögensverhältnisse im Wandel der Zeiten Zu allen Zeiten stand die Vermögenssphäre unter einem Geheimnisschutz, der mit dem Erstarken der Staatsgewalt eine erhebliche Einschränkung erfuhr. Da die Steuerfestsetzung und -erhebung auf den Vorgängen der Einkunfts- und Vermögenssphäre aufbaut, nahm die Steuerwissenschaft an dem geistigen Kampf um den Geheimnisschutz der persönlichen wirtschaftlichen Sphäre intensiv Anteil. Dabei fällt einerseits die ideologische überfrachtung des Problemkreises auf, die zu extrem formulierten Ansichten unter Verzicht auf rationale Begründungen führte. Andererseits lag es im Wesen der Aufklärungszeit, daß man weniger die antike Freiheit im Staat als die liberale Freiheit vom Staat betonte. Infolgedessen billigte man dem vermögenden Staatsbürger eine wirtschaftliche Freiheitssphäre zu, die in auffallendem Mißverhältnis zu den beengten Persönlichkeitsrechten der Untertanen im Verhältnis zu Landesherren und Adel stand. 8.1.1. Die Kameralisten vermischten zwei unterschiedliche Geheimhaltungstendenzen. Im Vordergrund stand das Recht auf Geheimhaltung der individuellen Vermögens- und Einkommenverhältnisse gegenüber den Steuerbehörden, und erst mit dem Vordringen der Staatsgewalt trat an die Stelle der sogenannten Vermögensverhehlung das echte Steuergeheimnis als Anspruch gegen den Staat auf Verschwiegenheit hinsichtlich der offenbarten Vermögens- und Einkommenslage, sowie der gegen den einzelnen festgesetzten Steuern im Verhältnis zur Öffentlichkeit. 8.1.2. Der Frühkameralismus sah sowohl die Vermögensoffenbarung 1 als auch das Steuergeheimnis2 als unstrittige Selbstverständlichkeit an. 1 (246) Rövenstrunck S.80 und Reichstagsabschied Speyer 1544; vgl. auch (256) Sauter S. 348 f. 2 (274) Seckendorff S. 579.

206

8. Materielle Rechtsfragen bei der Steuererhebung

Sauter betonte, nur ein betrügerischer Kaufmann fürchte die Offenlegung seines Lügengebäudes, während die offenbare Anständigkeit des anderen im Notfall eher Hilfe und Kredit verschaffe als die verschämte Verhehlung3 • Montesquieu wünschte die Geheimhaltung der privaten Vermögenssphäre vor dem Staat unter Berufung auf die Idee der Freiheit4 • Justi, der Montesquieu sehr verehrte, übernahm diese Auffassung und vertrat sie entschieden, um nach seiner Meinung die Wirtschaft vor Schaden zu bewahren. Er befürchtete, die "Entdeckung des Vermögens" werde den Kredit der Kaufleute und Manufakturen schädigen und wegen der überprüfungen die Entwicklung der Gewerbe behindern5 • Als wahren Grund kann man aber sein Bekenntnis ansehen, "es sei guten Regierungsgrundsätzen zuwider, die Untertanen zur Entdeckung ihres Vermögens anzuhalten, weil das der Freiheit der menschlichen Handlungen zu nahe trete"6. Obwohl die Begründungen seiner kameralistischen Nachfolger nicht überzeugender ausfielen, wiederholten sie diese Rechtsauffassung zustimmend und mit erheblichem emotionalem Einsatz7 • Ursächlich dürften die zeitbedingten mißbräuchlichen übergriffe der Exekutive und das herrschende Rechtsgefühl gewesen seins, das den Eigentumsschutz überbewertete und über den Rahmen des rechtlich Gebotenen ausdehnte 9 • Das rechtliche Instrumentarium, um solche überprüfungen erfolgreich zu vollziehen, war dem Kameralisten bekanntl° und wurde im Todesfall des Steuerpflichtigen auch benutzt, um die Richtigkeit der zu Lebzeiten gezahlten Steuern zu überprüfenl l • Der Widerstand der Öffentlichkeit fand aber in den Anfragen und Beschwerden der Parlamentsvertreter ihren Niederschlag12 • Besonderes Gewicht legte man auf die vermutete Gefährdung der Kreditwürdigkeit im Kaufmannsberuf, wenn die wirkliche oft unzureichende Kreditausstattung bekannt würde 13 • Außerdem rechnete man mit Steuerhinterziehungsversuchen, um der Ermittlung und dem Bekanntwerden der privaten Wirtschaftslage zu entgehen14 • (256) Sauter S. 349 f. (190) Montesquieu S.297; (188) Mirabeau Bd.2 S.46. 5 (132) Justi S.33; (136) Justi Bd.2 S.50, 342. 8 (132) Justi S.49; (136) Justi Bd.1 S.327. 7 (173) Lith S.172, 217; (285) Sonnenfels S.275; (224) Pfeiffer Bd.4 S.143; (288) Späth S.31; (294) Stokar von Neuform S.64; (167) Leipziger S.343; (63) Eschenmayer S. 61. 8 (264) Schmalz S. 322. 9 (275) Seeger S. 18, 20; (167) Leipziger S.38l. 10 (173) Lith S.272; (76) Förster S.352; (222) Pfeiffer S.52; zum Beispiel Prüfung der Handelsbücher: (14) Bensen S.620; dagegen: (303) Sturm S.20l. 11 (22) Bergius Bd. 9 S. 48. 12 (296) Strelin S. 114. 13 (222) Pfeiffer S.235; (250) Rüdiger S.135, 143; (262) Schlözer S.199. 14 (243) Rößig S. 338; (275) Seeger S. 18, 20. 3 4

8.1. Das Steuergeheimnis

207

Die Autorität des großen Adam Smith gab dieser Lehnneinung eine kaum bestrittene Geltungskraft l5 • Kröncke empfahl im Zweifelsfall lieber Vermögensobjekte unbesteuert zu lassen, als zu intensiv nachzuforschen l6 • Fulda verstieg sich zu der Behauptung, Steuerprüfungen würden die Staatsbürger veranlassen, Kapitalien ungenutzt zu verbergen, damit ihre persönlichen Verhältnisse nicht bekannt werden l7 • Obwohl noch im Spätkameralismus vereinzelte Stimmen für das Verheimlichungsrecht am Vermögen eintratenl8 , hatte sich diese aus liberalem Gedankengut gespeiste, aber in einem entwickelten Wirtschaftssystem unhaltbare rechtliche Kuriosität längst überholt. 8.1.3. In der Nachfolge Seckendorffs hatte schon Döhler in der Zeit des Hochkameralismus vorgeschlagen, an die Stelle der Vermögensverhehlung ein echtes Steuergeheimnis der staatlichen Verwaltung zu setzen. Besonderen Wert legte er auf die Verschwiegenheit der steuerlich befaßten Staatsdiener, um den Neid zwischen den Staatsbürgern nicht zu erregen l9 . Die üblichen Bedenken gegen die Vermögensoffenbarung unterzog er einer vernichtenden Kritik. Nur Betrüger oder unlautere Staatsbürger könnten Bedenken gegen die Offenkundigkeit ihrer wirtschaftlichen Lage haben20 • Außerdem handele es sich nicht um die Offenbarung von Geheimnissen, sondern um die Erfüllung staatsbürgerlicher Offenlegungspflichten, die nicht einmal häusliche Geheimnisse, sondern nur die jährlichen Einnahmen betreffen2 !, und nur das allgemeine unbegründete Vorurteil zugunsten der Geheimhaltung steht der steuerlichen Gerechtigkeit im Wege. Döhler schlug die Verwertung des steuerbaren Vermögens als Bemessungsgrundlage für gerichtliche Geldstrafen vor und nahm damit in der Gegenwart verwirklichte Rechtsinstitute vorweg22 • Inzwischen erkannte man auch, daß die steuerliche Geheimhaltung bestimmte Einkunftsarten einseitig begünstigte 23 • Wer Grundstücke besitzt, dessen Besitz liegt von Natur aus offen zu tage, während der Inhaber von Geldkapitalien leichter Vermögensverhehlung betreiben kann24 • Die neuere staatsbejahende Tendenz befürwortete behutsame regelmäßige steuerliche überprüfungen der Staatsbürger, wenn dabei keine gewaltsamen Mittel einge15 16 17

18 19

20

21 22 23

24

(282) A. Smith Bd. 3 S. 253. (154) Kröncke S. 108 f., 93; (297) Strelin S.74, 186. (80) Fulda S.283. (7) Baumstark S.725, 727. (51) Döhler S.125; (229) Prätorius S.163. (51) Döhler S. 155 f. (51) Döhler S.157, 210. (51) Döhler S. 158. (254) Sartorius S. 199. (122) Jakob Bd.2 S.921; (12) Behr S.l11.

208

8. Materielle Rechtsfragen bei der Steuererhebung

setzt werden 25 . Die Untersuchungen sollten nur bei Verdacht der Vermögensverheimlichung durchgeführt werden und unter Assistenz eines verschwiegenen Mitbürgers von gutem Ruf, der Kenner der örtlichen Verhältnisse ist, erfolgen 26 . Trotz der praktischen Schwierigkeiten und psychologischen Widerstände betrachtete man zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts steuerliche Untersuchungen als ein Gebot der Gerechtigkeit27 . Der westeuropäische Einfluß28 und die französischen Verwaltungsformen im Gefolge der napoleonischen Kriege brachten den Siegeszug der Besteuerung des wirklichen Einkommens zu Lasten falsch verstandener individueller Freiheitsrechte, die den redlichen und wahrheitsgetreuen Teil der Bürger benachteiligen29 . Die individuelle Vermögensermittlung wurde nur von den widerrechtlich Begünstigten als Übel empfunden. Eine Kreditgewährung muß immer eine solide Basis haben, so daß die Kenntnis der Kreditgrundlage keinen rechtswidrigen Schaden verursachen kann30 . Allerdings sollte wegen der verbreiteten Furcht vor der Vermögensentdeclrung vorläufig eine gewisse Rücksicht genommen werden, bis die Allgemeinheit anderen Sinnes geworden ist31 . Die Verschweigung von Vermögensobjekten führt zur Aussparung von Besteuerungsgegenständen. Der fehlende Anteil des Staatseinkommens muß von der wahrheitsgetreuen Bürgerschaft mitgetragen werden. "Eine Schonung, die, um dem einen wohlzutun, einen anderen schädigen muß, ist nicht berechtigt32." Die Gerichte haben deshalb ihre Vermögensinventarien den Steuerbehörden mitzuteilen, damit diese gegebenenfalls gegen den Verschweiger Klage erheben können33 . Besondere Prüfungen der Steuerpflichtigen stellen den Wahrheitsgehalt der Angaben fest. Die Geheimhaltungspflicht wurde von den beteiligten Beamten seitens der Kameralisten durchweg gefordert34, obwohl historische Beispiele auch gegen die Unentbehrlichkeit des echten Steuergeheimnisses, also der behördlichen Geheimhaltungspflicht gegenüber der Allgemeinheit sprachen. Der Kameralismus endete auf dem Stand der Meinungsbildung zu dieser Frage im Zeitpunkt des Einsetzens moderner Besteuerungsformen35 . Das auslaufende neunzehnte Jahrhundert steuerte keine neueren Erkenntnisse bei. 25 26 27 28 29 so

31 32 33 34

(229) Prätorius S. 95. (63) Eschenmayer S. 51; (12) Behr S. 114; (234) Rau Bd.2 S.181. (156) Krug S. 136 - 138. (236) Raumer S. 232, 255 f. (65) Eschenmayer S.16; (169) Lips S.22; (12) Behr S. 109. (12) Behr S. 112. (12) Behr S. 110. (12) Behr S. 113. (297) Strelin S. 183. (98) Harl Bd. 1 S. 78.

8.3. Das geschlossene und das offene Steuerumlageverfahren

209

8.2. Ursprung und Beginn der Steuervorauszahlungen Steuervorauszahlungen sind eine Erfindung der Besteuerungspraxis, die aus der Finanznot der Landesfürsten geboren war. Die Landesfürsten forderten häufig Vorschüsse und Antizipationen auf Steuern36 • Auf Seiten der Steuerpflichtigen sind mehrere kleinere Summen leichter aufzubringen, als einmal jährlich ein großer Betrag37 • Im siebzehnten und frühen achtzehnten Jahrhundert hatte dieses psychologische Argument wegen der allgemeinen Kapitalarmut und des Liquiditätsmangels besonderes Gewicht. Pescherinus unterschied in sehr moderner Weise zwischen den einzelnen Raten und der Abschlußzahlung nach Ablauf des Besteuerungsjahres38 • Justi leitete den gleichen Gedanken aus dem Besteuerungsgrundsatz der leichten und bequemen Besteuerung ab 39 , und schlug vierteljährliche 40 oder monatliche 41 Entrichtung der Steuerraten nach einzureichenden kurzen Steuererklärungen vor42 • In der Praxis scheint schon eine entsprechende Regelung bestanden zu haben43 • Ein weiteres Argument für die ratenweise Entrichtung der Steuerschuld im Vorauszahlungsweg ergab sich aus dem Geschäftsablauf der einzelnen besteuerten Wirtschaftszweige. In der Zeit merkantiler Hochsaison kann der Kaufmann leichter seine Schulden zahlen44 • Im revolutionären Frankreich war die ratenweise Steuerentrichtung im voraus eine feste Einrichtung45 • Die späten Kameralisten übernehmen das Rechtsinstitut der Steuervorauszahlung als selbstverständliche Regelung46 • 8.3. Das geschlossene und das offene Steuerumlageverfahren 8.3.1. Steuerfestsetzungen können nach zwei sehr unterschiedlichen Methoden durchgeführt werden, wenn dem heutigen Rechtsbewußtsein auch nur eine Methode als selbstverständlich erscheint. 35 (234) Rau Bd.2 S.181; (98) Harl Bd.1 S.79: "Seit mehreren Jahren hat man in Österreich, Hannover, Württemberg, Hessen, Preußen, Sachsen praktisch bewiesen, daß man das Vermögen der Untertanen besteuern und also auch erforschen kann. In den Reichsstädten und der Schweiz war die offene Nachforschung schon immer üblich." 36 (195) Moser S. 627. 37 (220) Pescherinus S. 94. 38 (220) Pescherinus S. 95. 39 (136) Justi Bd. 2 S. 315, 331; (1) Achenwall S. 187. 40 (136) Justi Bd. 2 S. 351. 41 (133) Justi S.378; (132) Justi S. 66 f.; (135) Justi S.436. 42 (136) Justi Bd. 2 S. 385. 43 (76) Förster S.347. 44 (21) Bergius Bd. 1 S.4, Bd.2 S. 18. 45 (301) Struensee Bd. 3 S. 11, 446. 46 (63) Eschenmayer S. 92; (275) Seeger S. 15; (80) Fulda S.316.

14 Jenetzky

210

8. Materielle Rechtsfragen bei der Steuererhebung

8.3.1.1. Nach der heute fast ausnahmslos angewendeten Methode setzt der Staat gesetzlich die allgemeinen Regeln der Steuerermittlung, insbesondere die Bemessungsgrundlage der Steuern und den Steuersatz fest, und die Steuer ergibt sich als Multiplikator dieser beiden Größen. Da die Subsumtion des tatsächlichen Sachverhalts unter den gesetzlichen Tatbestand nur von den individuellen Verhältnissen der einzelnen Steuerpflichtigen abhängt, steht im vornhinein weder die Gesamtsteuersumme im Staatsverband noch das Verhältnis der Steuersummen zwischen den einzelnen Steuerpflichtigen fest. Der Steuersatz dagegen ist gesetzlich fixiert. Der Staat errechnet die zu erwartende Jahressteuersumme allein nach Schätzung aus dem Vorjahresergebnis und der zu erwartenden Wirtschaftsentwicklung. Man kann dieses Verfahren auch als offenes Steuerumlageverfahren bezeichnen, weil die Steuertotalsumme nicht im voraus feststeht. Eine besondere Umlage erübrigt sich, da sie in der Steuerfestsetzung aufgeht47 • Das Besteuerungsverfahren schreitet von der Tatbestandsermittlung über die Steuerfestsetzung zur Steuererhebung48 • 8.3.1.2. Die bis zum siebzehnten Jahrhundert herrschende Besteuerungsmethode ging von einer fixen im vornhinein bestimmten Totalsteuersumme aus 49 , die nach dem Staatsbedürfnis zuzüglich eines geschätzten Betrages für unvermeidliche Fehlsummen50 festgesetzt wurde 51 • Der Steuerfuß oder die Bemessungsgrundlage als gesetzlicher Besteuerungstatbestand erfüllte prinzipiell die gleiche Funktion wie bei dem offenen Steuerumlageverfahren. Man wendete darauf aber nicht einen festen Steuers atz an, sondern benutzte die individuellen Besteuerungsmerkmale 52 , um den Quotienten zu errechnen, der das beitragspflichtige Verhältnis zu den übrigen Steuerpflichtigen angab. Nach diesem Quotienten erfolgte dann die Umlage der Landessteuersumme auf die einzelnen Steuerpflichtigen53 • Der Steuersatz schwankte also bei jeder Steuerausschreibung54 , Gesamtsteuersumme und Beitragsverhältnis der Steuerpflichtigen untereinander standen aber im vornhinein fest 55• Wegen der vorweg fixierten Gesamtsteuersumme kann man auch von einem geschlossenen Besteuerungsverfahren sprechen. Das Besteuerungsverfahren schreitet hier von der Tatbestandsermittlung (Be47 48

49

50 51 52

53 54

55

(83) Fulda S. 296. (210) Oberndorfer S. 89. (26) Bielefeld S. 405. (66) Eulner S. 109; (51) Döhler S. 117. (26) Bielefeld S. 404. (12) Behr S. 92. (287) Späth S. 106, 111. (12) Behr S. 106. (297) Strelin S. 187,

8.3. Das geschlossene und das offene Steuerumlageverfahren

211

stimmung der verhältnismäßigen Quote des Steuerpflichtigen anhand der Bemessungsgrundlage) einerseits und der Festlegung der zu erhebenden Landessteuersumme56 andererseits über die Steuerumlage (Umlage der Steuer nach der Rechnung: Individuelles Besteuerungsmerkmal dividiert durch die Gesamtsumme der vorhandenen Bemessungsgrundlagen57 und multipliziert mit der Gesamterhebungssumme5S ), der Steuerfestsetzung zur Steuererhebung. Der Umlegungsfaktor59 tritt hier an die Stelle des Steuersatzes bei der offenen Steuerumlage. Umlage und Festsetzung der Steuer fallen auseinander. Rechtliche Schwierigkeiten bereitet bei dem geschlossenen Steuererhebungsverfahren nur die Umlage, während die Festsetzung als rein voluntativer Akt ohne rechtliche besondere Bedeutung ist. 8.3.2. Die Entwicklung schritt vom geschlossenen zum offenen Steuerumlageverfahren. In der Kameralliteratur wurde diese Entwicklung nachgezeichnet und kommentiert. Zur Zeit des Früh- und des Hochkameralismus kannte man nur die altertümliche Steuerumlage im Wege fester ausgeschriebener Steuersummen60 • Die Verteilung nannte man Repartition61 und Subrepartition62 • über die Quotenverteilung bei der Steuerumlage herrschte zwischen den Ständen, Gegenden und Orten häufig Streit63 • Um diese Streitigkeiten auszuräumen, wurden oft Steuerrevisionen gefordert, die eine tatsächliche Änderung des Landessteuerfußes bezweckten. Die angestrebten Änderungen betrafen nicht den gesetzlichen Tatbestand der maßgeblichen Bemessungsgrundlage, sondern die Beseitigung der Disparitäten64 , die sich durch wirtschaftliche und soziale Entwicklungen zwischen den Ständen, Provinzen, Orten, Gütern, einzelnen Steuerpflichtigen und ihren Vermögensmassen ergaben65 • Den Umlegungsfaktor auf bestimmte Vermögensgegenstände definierte man als Prozentsatz unter dem Namen Simplum. Die Summe der für erforderlich gehaltenen Simpla ergab die Steuerlast66 • In dieser Regelung der Steuerlast nach sogenannten Simplen lag der Beginn der Loslösung von der festen Steuerlast. Am Beispiel der Akzise kannte man konstruktiv schon lange das offene Steuerumlageverfahren, 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 14*

(130) Jung S. 113. (300) Strelin Bd. 7 S. 555. (300) Strelin Bd. 7 S.556; (12) Behr S. 121. (12) Behr S. 98. (66) Eulner S. 80. (66) Eulner S. 80. (195) Moser S. 611. (195) Moser S. 608 f. (83) Fulda S. 301, 303. (195) Moser S. 612, 621; (83) Fulda S. 187 f. (300) Strelin Bd.7 S.556; (83) Fulda S.298.

212

8. Materielle Rechtsfragen bei der Steuererhebung

weil eine Verbrauchssteuer nie eine periodische feste Steuersumme, sondern nur laufende unbestimmte Steuereingänge ergeben kann67 • Obwohl das alte Steuersystem langsam in Auflösung geriet, setzten manche Kameralisten noch schematische Aufteilungsregeln für die aufzubringende Steuersumme auf die einzelnen Zweige des Nationalvermögens fest68 • Eschenmayer schied erstmals die älteren Systeme von den offenen Ertragssteuersystemen69 , die er Bonitätssysteme nannte, bezeichnete aber die althergebrachte feste Steuerumlage als gerechter und rechnerisch richtiger70 • Krug äußerte sich schon unentschieden zu den beiden Alternativen eines festen und eines schwankenden Steueraufkommens71 • Dem alten Umlageverfahren rechnete er den Fehler einer plumpen schematisierten Steuererhebung zu, dem neueren System warf er unübersichtliche Komplizierung und Betrugsanfälligkeit vor72 • Das offene Steuerumlageverfahren erwies sich in einer entwickelnden Wirtschaft als notwendiger Fortschritt, weil der Staatsbedarf seiner Natur nach schwankt73 • Die zeitlose Mahnung, daß der Staat sein Bedürfnis nach dem Steuerertrag richten müsse und nicht den Steuerertrag nach dem ständig wachsenden Staatsbedürfnis bemessen dürfe 74, verhallte damals wie heute ungehört. Die ständig wechselnde Höhe der jährlichen Steuersummen bei der offenen Steuererhebung nach gesetzlich fixierten Merkmalen bereitete den Steuerpflichtigen bald weniger Verdruß als die häufigen Steuernachforderungen nach dem alten Steuerumlagemodus75 • Krehl bezeichnete die alte Besteuerungsmethode als mittelbare und die neuere als unmittelbare Besteuerungsform76 und verwies für die Reform des Abgabenwesens in Richtung moderner Steuererhebung besonders auf Preußen, Österreich, Bayern und Baden. Die Zäsur zwischen den beiden Besteuerungsstilen scheint in den Befreiungskriegen stattgefunden zu haben. Das Ideal einer individuellen Steuergerechtigkeit ließ sich nur in einer nach generellen Besteuerungsmerkmalen bestimmten Steuererhebung annähernd erfüllen77 • Mit zunehmender Kritik an der altmodischen regionalen quotalen Verteilung der Landessteuerschuld (130) Jung S. 113; (301) Struensee Bd.3 S.10, 102. (240) Richter S. 10; (147) Krehl S. XV, 94, 181, 439; (98) Harl Bd.l S.131; (83) Fulda S. 297. 69 (63) Eschenmayer S. 3. 70 (63) Eschenmayer S.4, 51. 71 (156) Krug S.127. 72 (156) Krug S.147. 73 (45) Crome Bd.2 S. 97; (12) Behr S.99. 74 (283) Soden Bd. 3 S. 130. 75 (275) Seeger S. 12 f., 15. 76 (149) Krehl S. 126 f. 77 (149) Krehl S. 128 - 132, 142 f. 67

68

8.4. Der Erlaß von Steuern oder die sogenannte Remission

213

(Quotisation)1s wuchs die Begeisterung für die Steuererhebung nach allgemeinen gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen79 . Die Spätkameralisten nannten die beiden Arten des Besteuerungsverfahrens Verteilungs-(Repartitions-) und Quotitätssteuernso . An den alten Repartitionssteuern bemängelte man den ständig wechselnden SteuersatzsI. Der Ursprung der Unterscheidung wurde auf das französische Finanzwesen zurückgeführtS2 • "Repartitionssteuern sind solche, bei denen man festsetzt, wieviel sie im ganzen Lande einbringen sollen, worauf man diese Summe auf die Provinzen, Kreise, Ämter, Gemeinden und Einzelne ausschlägts3." "Quotitätssteuern werden diejenigen genannt, bei denen die Bestimmung des Steuerfußes (der Quotität) vorausgeht, und der gesamte Steuerertrag das erste zu erwartende Ergebnis ist. Hierher gehören alle Aufwandssteuern, nach Patenten erhobene Gewerbesteuer, Kapital- und Besoldungssteuers4 ." Als diese Unterscheidung geprägt und gebräuchlich war, hatte das offene Steuerumlageverfahren in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung schon die Anerkennung als das eigentliche und allein gerechte, das den modernen Besteuerungsprinzipien entsprechende Besteuerungssystem gefunden. 8.4. Der Erlaß von Steuern oder die sogenannte Remission Bei Erlaß und Minderung von Steuerforderungen handelt es sich um sehr altes Rechtsgut. Man muß sich aber davor hüten, unter diesen Begriffen die modernen Vorstellungen von Billigkeitserlaß zu subsumieren. Die alte "Remission" hatte mit dem modernen Steuererlaß nur die Intention gemeinsam, Steuererhebungen, die nach dem Gesetz wohlbegründet sind, deren Durchführung aber wegen inzwischen veränderter Umstände zu untragbaren und unbilligen Ergebnissen führen würde, zu verhindern. 8.4.1. Die modernen Billigkeitsregelungen haben sich aus den alten Rechtsinstituten des Steuernachlasses entwickelt. Die alte "Remission" reichte als Einrichtung der Praxis und Gegenstand theoretischer Erörterungen lange Zeit vor Beginn der Merkantil- und Kameralzeit zurücks5 . Erst sehr spät griff die Kameralwissenschaft in die Entwicklung der Praxis mit eigenen Vorschlägen und Ideen ein.

78 79 80 81 82 83 84 85

(154) Kröncke S. 42 f., 47 f. (80) Fulda S. 286. (83) Fulda S. 296. (83) Fulda S. 299. (234.'1 Rau Bd. 2 S. 58. (234) Rau Bd. 2 S. 58. (234) Rau Bd.2 S.59; ebenso (7) Baumstark S.722. (195) Moser S. 628.

214

8. Materielle Rechtsfragen bei der Steuererhebung

8.4.1.1. Unter dem Rechtsinstitut der Remission begriff der Kameralismus eine Gruppe von Tatbeständen, die nach den gesetzlichen Merkmalen umfassender definiert waren als der moderne Steuererlaß, denen aber nach ihrem Umfang in der Praxis relativ nur eine geringe Bedeutung zukam. Der alte Steuererlaß griff nur in objektiven Schadensfällen ein und führte zu einem schematischen Wegfall der gesetzlich geschuldeten Steuer. Da der Schadensfall meist schon den Reingewinn aufzehrte, lag nach geläuterter Auffassung gar kein Fall des Billigkeitserlasses vor 86 • Die schematische Gewinnberechnung der damaligen Zeit verhinderte die Einsicht in den Wegfall der Grundlage der Steuerschuld und behandelte einen Fall gesetzlich begründeter Steuerrückzahlung als Billigkeitserlaß. 8.4.1.2. Dagegen kannte die Kameralzeit bis in das neunzehnte Jahrhundert hinein keinen Erlaß von Steuern wegen Zahlungsunfähigkeit oder Existenzvernichtung. Gezogene Einkünfte verpflichteten auch dann zur Steuerentrichtung, wenn in der Zeit zwischen Gewinnerzielung und Steuerfestsetzung die Mittel zur Steuerentrichtung auf Grund eigener freier Disposition des Steuerpflichtigen verbraucht waren. 8.4.1.3. Die Entwicklung des Rechtsinstituts "Steuernachlaß" knüpfte an zwei maßgebliche Kriterien an. Hinsichtlich des erlaßbegründenden Ereignisses, das den Anspruch auf ein individuelles Entgegenkommen begründete, ließen die Kameralisten nur Schadensfälle nach Art höherer Gewalt wie Brand, Unwetter und Mißwachs gelten87 , nicht aber Vermögensverfall, familiäre Engpässe, kaufmännische Fehldispositionen und dergleichen. Daraus folgte eine starke zahlenmäßige Einengung der Begünstigungsfälle. Das zweite Besteuerungsmerkmal des Erlaßtatbestandes lag im Zeitpunkt der Begründung des Anspruches auf Erlaß, Der Steuernachlaß kann vor Erfüllung des gesetzlichen Besteuerungstatbestandes gewährt sein. Dann handelt es sich rechtstechnisch um eine Steuerbefreiung, wenn eine gesetzliche Fixierung vorliegt88 • Greift der Steuernachlaß nach Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes aber vor Realisierung der Gewinne oder Erlöse aus dem steuerauslösenden Tun ein, so liegt die von den Kameralisten dargestellte "Remission" vor. Liegt der Steuererlaß nach Gewinnrealisierung aber vor Gewinnverwendung, so spricht das moderne Steuerrecht von Fällen sachlicher Härte. Nach kameralistischer Auffassung gab es nur wenige solcher Fälle89 • Einen Steuernachlaß nach Gewinnverwendung (136) Justi Bd.2 S.333; (76) Förster S.348. (22) Bergius Bd.7 S.263; (195) Moser S.629. 88 (22) Bergius Bd. 7 S. 262. 89 (9) Beck Bd.1 S.l1 für die Nachsteuer; (229) Prätorius S. 181; (269) Schreber Bd. 9 S. 66. 86 87

8.4. Der Erlaß von Steuern oder die sogenannte Remission

215

als Steuererlaß aus persönlichen Gründen kannte erst die späte Kameralzeit. Er setzt besteuerungstechnisch eine längere Frist zwischen Verwirklichung des steuerauslösenden Tatbestandes und Steuerfestsetzung voraus, die erst die weiter entwickelte Verwaltungspraxis des neunzehnten Jahrhunderts brachte. 8.4.2. Rövenstrunck bezeichnete als Erlaß jede Verringerung der "Schatzung" wegen Einkunftsminderung90 • Noch weiter ging Heerden, der unter Nachlaß und Ermäßigung jede allgemeine gesetzliche Verminderung der Steuerausschreibungen wegen Rückgang der Erträge auf Grund Reichstags- oder Landtagsbeschlusses verstand91 • Schematische Erlaßregeln, die im Fall von Brand, Mißwachs und Unwetter an die Höhe des entstandenen Schadens anknüpften, wurden in verschiedenen Variationen wiederholt92 • Das Recht Steuererlaß zu gewähren, galt unbestritten als ein aus dem ius collectandi fließendes Recht93 • rnfolge des Systems fester Erhebungssummen stellte sich das Problem, wer die Minderung des Aufkommens nach Abgang der Erlaßsummen zu tragen hatte 94 • Man konnte das Jahresdefizit schon im vornhinein in den Jahresetat einkalkulieren95 • Die Last war auch auf die nichtbetroffenen Steuerpflichtigen, Provinzen und Gemeinden im Wege der Nachforderung abwälzbar 96 • Republikanisch eingestellte Kameralisten empfahlen die Abwälzung der Erlaßfolgen auf die fürstliche Schatulle 97 • Die Genehmigung des Erlasses stand meist unter dem Vorbehalt der obersten Behörde oder des Fürsten selbst98 • Ein Entgegenkommen anläßlich der Beitreibung von Steuern kannte man nicht99 • Sofern kein normierter Erlaßfall anerkannt werden konnte100 , bestand man auf rücksichtsloser Steuereintreibung, die zur Wahrung der steuerlichen Gleichheit für erforderlich gehalten wurde 101 • Jeder Erlaß setzte die (246) Rövenstrunck S. 43. (103) Heerden S. 279 f. 92 (86) Gasser S.314: 1/2 der Ernte vernichtet: kein Erlaß, 2/3 der Ernte vernichtet: 1/4 Erlaß, 3/4 der Ernte vernichtet: 1/3 Erlaß usw.; siehe auch (136) Justi Bd. 2 S.333: 1/3 der Ernte vernichtet: kein Erlaß, mehr als 1/3 der Ernte vernichtet: 1/2 Erlaß, 1/2 oder mehr der Ernte vernichtet: voller Erlaß; vgl. auch (224) Pfeiffer Bd.2 S.135: 2/5 der Ernte vernichtet: 2/5 Erlaß, 1/2 der Ernte vernichtet: voller Erlaß; ferner (132) Justi S. 69 -71; (135) Justi S.437; (269) Schreber Bd.9 S. 64 f.; (51) Döhler S.132; (222) Pfeiffer S.239; (21) Bergius Bd. 5 S. 1. 93 (326) Zincke S. 828. 94 (122) Jakob Bd. 2 S. 1122. 95 (136) Justi Bd.2 S.334; (296) Strelin S.48; (130) Jung S.113. 96 (51) Döhler S.117, 133. 97 (326) Zincke S.828; (195) Moser S.630. 98 (22) Bergius Bd. 8 S. 267. 99 (285) Sonnenfels S.l11. 100 (195) Moser S. 632. 101 (132) Justi S.67; (269) Schreber Bd.9 S. 67 f. 90 91

216

8. Materielle Rechtsfragen bei der Steuererhebung

Erlaßwürdigkeit voraus, welche durch pünktliche Bezahlung der anderen Steuern, die aus Vermögensteilen resultierten, die nicht vom Unglück betroffen worden waren, nachgewiesen werden konnte 102 • 8.4.3. Erste Merkmale eines echten Billigkeitserlasses im modernen Sinn zeigten sich beim Judenschutzgeld, einer außerordentlichen Steuer, die von alters her von den Juden als sogenannten kaiserlichen Kammerknechten entrichtet werden mußte und dessen steuerlicher Rechtscharakter sich dem Beitragsbegriff näherte, da auf die konkrete Gegenleistung abgestellt wurde. Das Judenschutzgeld konnte wegen hohem Alter oder wegen Krankheit erlassen werden103 • Ebenso zielte die überlegung, jeder Erlaß diene letztlich dem Zweck, die Untertanen kontributionsfähig zu erhalten, in Richtung auf den Steuernachlaß aus persönlichen GrÜnden104 • Auf dem gleichen Gedankengang basierte Börners Kritik an den von Gasser und Justi aus der Praxis übernommenen Schematisierungen der Schadensfälle. Nach Börner mußte allgemeine Grenze für Gewährung von Steuererlaß stets die andernfalls drohende Substanzschädigung des Vermögens sein105• Er trat damit in die Nähe der drohenden Existenzvernichtung als Erlaßvoraussetzung. 8.4.4. Wenn man den Äußerungen der Kameralisten Glauben schenkt, nahm die Zahl der gewährten Erlässe im Laufe der Entwicklung ständig zu. Entsprechend meldete sich die grundsätzliche Kritik an dieser Rechtsinstitution zu Wort. Die Hoffnung auf in regelmäßigen Abständen gewährte nachträgliche Steuererlässe veranlaßte besonders vermögende Bürger zur Einbehaltung geschuldeter Steuern und begünstigte so die Reichen, statt den Armen zugute zu kommen106 • Döhler erkannte den auch noch heute geltenden psychologischen Zusammenhang, daß sich die Bereitschaft zur großzügigen Gewährung von Erlässen und die Neigung zu zahlreichen und hohen Steuern gegenläufig proportional verhalten107 • Staaten mit sehr hoher Steuerbelastung erteilen bereitwilliger Steuerlässe als Staaten mit mäßigen Steuerforderungen, was sich zu Lasten korrekter Steuerzahler auswirktl° 8 • Sobald die Anträge auf Steuererlaß zu sehr anwachsen, spricht das nach Ansicht der Kameralisten gegen die Qualität der Steuereinrichtung109 • Die Steuer müsse dann rechtlich fehlerhaft konstruiert sein llO • Soweit 102 103 104 105 106 107 108 109

110

(269) Schreber Bd. 9 S. 67; (173) Lith S. 235; (51) Döhler S. 134. (269) Schreber Bd. 9 S. 66. (22) Bergius Bd. 7 S. 263. (31) Börner Bd. 2 S. 307 f. (238) Real S. 205. (51) Döhler S. 135. (296) Strelin S. 48. (190) Montesquieu S. 306. (296) Strelin S.47, 145; (225) Pfeiffer Bd.5 S.297.

8.4. Der Erlaß von Steuern oder die sogenannte Remission

217

Brand- oder Hagelschutzversicherungen einen Schaden abdecken, hielt man einen Erlaßantrag für unbegründet. In durchaus moderner Weise ließ man die öffentlichrechtlichen Fiskalforderungen vorgehen, auf die sich die Steuerpflichtigen auf den Schadensfall erhaltene privatrechtliche Ersatzforderungen anrechnen lassen mußten111 • 8.4.5. Verfahrensmäßig setzte jede Erlaßgewährung einen Antrag voraus. Auf Grund des Antrags hatte eine Schadensschätzung unter Leitung unbeteiligter Schätzer stattzufinden1l2 , die den Schaden nach einem ortsüblichen Mittelpreis 113 nach Grund und Höhe veranschlagte und dann einen Erlaßvorschlag an die vorgesetzte Behörde oder den Fürsten selbst leitete 114 • Alle Erlaßfälle bezogen sich mit wenigen Ausnahmen auf Einkünfte aus landwirtschaftlichem Vermögen115 • Das wirtschaftliche Spektrum der Gewerbe, der Manufakturen und des Handels rückte erst spät in den nach kameralistischer Ansicht insoweit auch beachtlichen Bereich116 • 8.4.6. Als Vater des modernen Steuererlasses aus Gründen persönlicher Billigkeit kann J ung-Stilling gelten. Er begründete vier Regeln, die in Erlaßfällen zu beachten sind: 1. Auflagen müssen leicht entrichtbar beschaffen sein. 2. Außenstände müssen monatlich unnachsichtig beigetrieben werden, da hohe Rückstände kaum beitreibbar sind. 3. In Notbedarf und Arbeitsmaterialien darf wegen Unentbehrlichkeit nicht vollstreckt werden. 4. Jedes Jahr sind die Rückstände zu klassifizieren. Die beitreibbaren Rückstände sind streng beizutreiben und die nichtbeitreibbaren Posten ohne Bedenken zu kaduzieren117 • Stand bis jetzt in der kameralistischen Literatur das Recht des einzelnen Steuerpflichtigen auf Steuererlaß im Vordergrund, so betrachtete man den gewährten Nachlaß nunmehr unter dem Aspekt der nationalökonomischen Nützlichkeit für Fiskus und Allgemeinheit118 • Im beginnenden neunzehnten Jahrhundert knüpfte der Erlaß auch nicht mehr an Fälle der höheren Gewalt an, sondern er konnte allen in Not geratenen Steuerpflichtigen gewährt werden, wenn andernfalls deren steuerliche Leistungsfähigkeit gefährdet wäre 119 • Härte in der Erhebung wurde bis zum Ausgang der Kameralzeit gefordert, da größere Rückstände ohne ungerechte Grausamkeit nicht mehr zu holen sind l20 • Eine rechtzeitige 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120

(225) (224) (296) (228) (250) (289) (130) (144) (156) (229)

Pfeiffer Bd. 5 S. 298. Pfeiffer Bd. 2 S. 136. Strelin S. 11; (21) Bergius Bd. 5 S. 4. Pölitz Bd.l S.599, Bd.2 S.I118. Rüdiger S.141. Spendelin S. 3. Jung S. 134. Krämer S.78. Krug S. 135. Prätorius S. 74.

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8. Materielle Rechtsfragen bei der Steuererhebung

Härte bildete deshalb nur eine scheinbare Ungerechtigkeit, weil sie den Steuerschuldner zur Pünktlichkeit anhält und ihm den Überblick über die regelmäßig zu entrichtenden Steuerschulden gewährt1 21 . Jakob hielt diese Härte auch gegenüber den ärmeren Volksschichten für erforderlich, weil die Überschüsse der Armen trotz ihrer im Einzelfall geringen Höhe mehr in die Steuerkasse liefern als die Gewinne der relativ dünnen Schicht der Wohlhabenden122 . Wo allerdings die Beitreibung erfolglos geblieben ist, empfahl man jetzt durchweg eine rasche und endgültige Niederschlagung der Steuerschulden, denn "wo nichts ist, da hat der Kaiser sein Recht verloren"123. 8.5. Die Verjährung im steuerlichen Bereich 8.5.1. Eine Verjährung im Sinne des Erlöschens konkreter Steuerforderungen kannte weder die lateinische Steuerliteratur noch die Kameralepoche. Sie setzte das Verstreichen einer nicht unerheblichen Frist zwischen Verwirklichung des Besteuerungstatbestandes und der Erhebung der Steuern voraus. Daran fehlte es noch in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Wer bei der Umlage der Steuern versehentlich vergessen wurde, blieb für dieses Jahr von der Steuer verschont. Er war aber bei der nächsten Steuerumlage wieder dran, wenn die Verwaltung ihm dieses Mal mehr Aufmerksamkeit schenkte. In der realen Chance, bei der Steuerumlage vergessen zu werden, sah die Wissenschaft kein Verjährungsproblem, sondern eine faktische Selbstverständlichkeit. Da die Akten für dieses Mal geschlossen worden waren, mußte der Steuerpflichtige gegebenenfalls nicht mit einer Nachforderung rechnen. Die Frage war deshalb kein Thema wissenschaftlicher Erörterung. 8.5.2. Aus der lateinischen Steuerliteratur übernommen, kreiste die Verjährungsproblematik um Rechtsfragen, deren eindeutige Entscheidung heute wiederum keine Zweifel auslöst. Der privatrechtliche Ursprung des Besteuerungsrechts, das erst mit dem Erstarken moderner Staatlichkeit den öffentlichrechtlichen Charakter der Antike zurückgewann, involvierte die Vorstellung, die Steuererhebung basiere auf einem Stammrecht, das vergleichbar dem Stammrecht einer Rentenforderung durch Verjährung erworben oder verloren werden könnte. Dieses Problem diskutierte der Kameralismus ernsthaft und löste es schließlich verneinend im Sinne einer aufgeklärten hoheitlichen Staatsauffassung. 121 (80) Fulda S. 290. 122 (122) Jakob Bd. 1 S. 565. 123 (122) Jakob Bd.2 S. 1121; (234) Rau Bd.2 S.50.

8.6. Maßnahmen zur praktischen Durchsetzung von Steuererhebungen 219 8.5.3. Zincke nahm als erster kameralistischer Praktiker das Problem unter Berufung auf die Dissertation des Thomasius auf und beantwortete die Frage mit diesem übereinstimmend, daß Majestätsrechte kraft ihrer öffentlichrechtlichen Natur nicht verjähren könnten124 • Dithmar verneinte die Verjährung der Besteuerungsrechte, weil durch ihre beständige Ursache die Verjährung täglich unterbrochen wird 125 • Moser stimmte dieser Auffassung zu, bemerkte aber resignierend, man müsse sich mit der realen Lage in Deutschland abfinden, wo Gesetz, Herkommen, Reichsgericht und Juristenfakultäten ungeniert und vielfältig von verjährter Steuerfreiheit sprächen126 • Danach konnte durch Verjährung die Steuerfreiheit wie die Steuerpflicht erworben werden127 • Nach Moser schlug diese Argumentation nicht durch, weil kein Fürst durch rechtswidrige Handlungen seines Vorgängers gebunden werden kann und eine partielle Entbindung von der Steuerpflicht nie rechtens sein kann128 • Pfeiffer vertrat sogar die Ansicht, jede Berufung auf den Erwerb der Steuerfreiheit durch Verjährung weise auf eine betrügerische oder auf eine in anderer Art unrechtmäßige Erwerbsmethode hin129 • Ulmenstein wies auf die entfremdete Verwertung des Rechtsinstituts der Verjährung beim Erwerb der Landessteuerhoheit hin, die aber den historischen Sachverhalt treffen dürfte 130 • Wuz beschloß die Auseinandersetzung mit der Bemerkung, daß die Dauer des Besitzes nicht den rechtmäßigen Erwerbsgrund ersetzt und berief sich auf das Rechtssprichwort: "Hundert Jahre Unrecht ist kein Jahr Recht l3l ." Da Steuerfreiheiten allenfalls auf Grund gesetzlicher Erwägungen rechtens sein können, schließt dies die Verjährung als Rechtsgrund für den Anspruch auf Anerkennung von Steuerfreiheiten begrifflich aus. In der Zeit des Spätkameralismus würdigte kein Kameralist die Verjährung als steuerlich beachtliches Rechtsinstitut mehr einer Bemerkung. 8.6. Maßnahmen zur praktischen Durchsetzung von Steuererhebungen Es kann nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, die praktischen Methoden der Steuererhebung abzuhandeln. Die Kameralisten hielten es für unter ihrer Würde, solche Fragen in ihre wissenschaftlichen Werke zu über124 125 126 127 128 129

130 131

(168) Leipziger Sammlungen Bd.9 S. 125 f. (50) Dithmar S. 267, 629. (195) Moser S.479; (302) Stündeck S.137; (321) Wernher S.11. (195) Moser S. 480 - 482; (51) Döhler S.12; (72) Fischer S.43. (195) Moser S. 483. (224) Pfeiffer Bd. 2 S. 125. (311) Ulmenstein S. 20. (325) Wuz S. 17.

220

8. Materielle Rechtsfragen bei der Steuererhebung

nehmen und überließen diese Themen der niederen Kameralistik, das heißt der Verwaltungspraxis. Ihr Interesse schenkten sie dagegen einer Reihe von Maßnahmen, die als den Steuergesetzen beigefügte gesetzliche Erzwingungsmöglichkeiten die Selbstexekution der Steuergesetze ermöglichen und aus einer lex imperfecta eine lex perfecta machen sollten. Die einzelnen vorgeschlagenen Maßnahmen bildeten ein buntes Sammelsurium unterschiedlichster Vorschläge und unterlagen während der Kameralzeit keiner feststellbaren wissenschaftsgeschichtlichen Entwicklung. Sie fanden nur zum Teil Aufnahme in moderne Steuerrechtskodifikationen. 8.6.1. Ein optimales Kontrollmittel für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten lag zu allen Zeiten in einer allgemeinen Buchführungspflicht. Die späte Ausnützung dieser Möglichkeit durch den Gesetzgeber dürfte weniger auf einer mangelhaften Ausbildung und Verbreitung der Buchführungstechnik beruhen, als auf bewußtseinsmäßige Widerstände der Betroffenen zurückzuführen sein, da eine derart weitgehende Offenlegungspflicht der privaten Verhältnisse des einzelnen Steuerpflichtigen das naturrechtlich geschulte extrem liberal eingestellte Rechtsbewußtsein der Kameralzeit überforderte. Lau forderte eine umfassende Aufzeichnungspflicht für steuerliche Zwecke 132 • Aufzeichnungen über alle Vermögensgegenstände, Zoll- und Akziseregister, Kriegslasten, Musterrollen, akademische Matrikel, Amts-, Stadt-, Zunft- und Kirchenbücher, Häuser- und Hospitalverzeichnisse, Urbare, Gehaltslisten, Renteiextrakte, Kataloge, Ämterbeschreibungen und dergleichen mehr133 • Justi erwähnte lobend das preußische Akziserechnungswesen, das die Akziseentrichtungen privat und amtlich aufzeichnen ließ und aus dem Vergleich der eingeführten Waren mit dem angeblich beim Verkauf erzielten Gewinn gewisse Kontrollmöglichkeiten134 bot. Lith sah die gleichen Möglichkeiten in den Aufzeichnungen der Zollbehörden, erkannte aber die viel weiter reichenden Kontrollmöglichkeiten über die Handelsbücher der Wirtschaftsunternehmungen135 • Nach ihm war man sich der wachsenden Bedeutung der Handelsbücher voll bewußt136 • Behr vertrat die uneingeschränkte Buchführungspflicht für alle Steuerpflichtigen als natürlichsten Weg, das steuerliche Ergebnis dem Staat zur Kenntnis zu bringen137 • Die Verankerung in der Besteuerungspraxis ist aber in der zeitgenössischen Kameralliteratur noch nicht feststellbar. (161) Lau S. 60 f., 308. (290) Springer Tabelle bot Anfänge einer echten Buchführung: Tagebücher, Kontenbücher, Quittungen, Zahlungsbücher etc.; vgl. ferner (285) Sonnenfels S. 69. 134 (136) Justi Bd.2 S.371, 388; (147) Krehl S. 115. 135 (173) Lith S.272; (149) Krehl S.39. 136 (14) Bensen S.620; (112) Hornberger S.98, 101; (236) Raumer S.232; (303) Sturm S. 201 f. 132 133

8.6. Maßnahmen zur praktischen Durchsetzung von Steuererhebungen 221 8.6.2. Die alte Vermögenssteuer bot sich für das Ablöserecht oder das Recht auf Vermögenstausch an. Jeder schätzt sein Vermögen als Besteuerungsgrundlage selbst ein, der Staat oder ein Mitbürger - letzterer mit der Verpflichtung die Steuer zu übernehmen - kann aber den Selbstschätzer zur Schätzsumme auskaufen. Wer zu niedrig geschätzt hatte, verlor seine Habe zum Schleuderpreis. Das Ablöserecht war sehr alt und wurde besonders in den alten Reichsstädten geübt138 • Die freiheitlich gesonnenen Kameralisten konnten diesem Zwangsmittel anfänglich nur wenig Beifall spenden. Raumer wies ohne erkennbaren Bezug auf das von ihm als Beispiel herangezogene britische Besteuerungssystem auf Erzwingungsmethoden im alten Athen hin: Die Antidosis und die Apographe 139 • Bei der Antidosis konnte der Steuerpflichtige, dem höhere Steuern auferlegt worden waren, einem anderen, der seiner Meinung nach zu gering besteuert war, antragen, entweder die höheren Steuerlasten zu übernehmen oder mit ihm das Vermögen zu tauschen. Bei der Denunziation konnte der Denunziant nachweisen, daß ein Anderer unversteuerte Güter besitze. Siegte der Denunziant, so erhielt er 3/4 der nachgewiesenen Güter als Belohnung und übernahm verhältnismäßig die Steuer. Unterlag er, so mußte er eine hohe Geldstrafe zahlen139 • Das rechtliche und faktische Schwinden der alten Vermögenssteuer entzog der Drohung des Vermögenstausches die Wirksamkeit. 8.6.3. Ähnliche und als wirksam empfohlene Mittel waren dagegen die Konfiskation steuerlich verhohlener Güter, der Strafsteuersatz, die schlichte Geldstrafe und die Zwangsverwaltung. Alle diese Maßnahmen wurden substitut empfohlen und sollten einander ergänzen. 8.6.3.1. Lith wollte durch Geldstrafen für den Unterlassensfall die Führung eines hauseigenen Vermögensverzeichnisses erzwingen. Bei Fehlangaben sollten ebenfalls Geldstrafen verhängt werden140 • Außerdem schlug er ein modernisiertes Modell der Denunziation vor. Erweist sich die Denunziation als ungerechtfertigt, muß der Denunziant Schadensersatz leisten. Bei einer niedrigen limitierten Fehlanzeige treffen den Denunzierten nur die Schätzungskosten und die neue berichtigte (12) Behr S. 119. (252) Rurimundum S. 162 f. 139 (236) Raumer S. 261; die Realenzyklopädie der klassischen Altertumswissenschaft von Pauly von 1894 definiert in Band 1 etwas anders: Die Antidosis ist eine attische Einrichtung. Der Besteuerte durfte hierbei einen anderen aufrufen, welcher zu der Leistung mehr verpflichtet sei. Der Aufgerufene hatte nun die Wahl, entweder die Leistung zu übernehmen oder auf den Vermögenstausch einzugehen. Die Apographe war der Antrag auf die Einziehung von Vermögen mit der Behauptung, jemand habe unbezahlte Staatsschulden. Auch das Vermögensverzeichnis, das als Grundlage der Einziehung diente, wurde so genannt. 140 (173) Lith S. 223. 137 138

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8. Materielle Rechtsfragen bei der Steuererhebung

Steuer. Hohe Fehlangaben verpflichten den Steuerunehrlichen zu Höchststrafen in Geld141 • Döhler plädierte für die totale Konfiskation verschwiegener und dem Steuerfiskus vorenthaltenen Vermögensteile 142 • 8.6.3.2. Sowohl die Geldstrafe als auch die Vermögenskonfiskation fanden Befürworter und Gegner143 • Einige zweifelten die rechtspolitische Wirksamkeit von Geldstrafen an144 oder hielten die Einziehung für zu hart145 • Offenbar muß aber in dem halben Jahrhundert zwischen 1770 und 1820 auch in steuerlicher Hinsicht ein völliger Bewußtseinswandel in Anbetracht der Einschätzung der Staatsgewalt eingetreten sein. Die Verwaltungsfachleute des frühen neunzehnten Jahrhunderts bewerteten den Staat und das Allgemeininteresse weit höher als die mißtrauischen Aufklärungsdenker des achtzehnten Jahrhunderts. Der alt gewordene Strelin rückte von seiner eigenen Jugendmeinung ab, riet zu rücksichtsloser Konfiskation des Vermögens von Steuersündern und billigte dem Staat ein Vorkaufsrecht am Individualvermögen zum Schätzpreis zu, wenn der Steuerpflichtige sich zu gering einschätzt1 46 • Eine einfache Strafschätzung erwog Späth147 • 8.6.3.3. Am häufigsten empfahl man aber die strafweise Multiplikation des Steuersatzes. Begegnete die damals noch kaum durchführbare geometrische Progression der Steuersätze hinsichtlich der Praktikabilität und Durchführbarkeit verständlichen Bedenken148 , so hielt schon Montesquieu die Betrugsstrafe der Steuerverdoppelung im Reiche der indischen Großmogulen für eine begrüßenswerte Milderung im Vergleich zur Vermögenskonfiskation149 • Eschenmayer befürwortete schon die dreifache Steuer im Hinterziehungsfall150 und der radikale Steuerreformer See ger wollte den Steuerbetrüger sogar mit dem fünfzigfachen Steueransatz strafeni51 • 8.6.4. Ein beliebter Vorschlag, um die Effizienz der Steuerermittlung zu stärken, war die Koppelung des staatlichen Rechtsschutzes an die steuerliche Offenlegung gegenüber den Staatsbehörden. Dafür empfahl der Kameralismus unterschiedliche gesetzestechnische Methoden, die sachlich auf das gleiche Ziel hinausliefen. Insbesondere verwies man 141 142

143 144

145 146 147

148 149 150 151

(173) Lith S.238. (51) Döhler S.211. (142) Keßler S.156; (253) Sammlung von Aufsätzen S.328. (296) Strelin S. 111. (63) Eschenmayer S. 60. (297) Strelin S. 183, 185, 194. (287) Späth S.26. (88) Genovesi S. 379. (190) Montesquieu S. 300. (63) Eschenmayer S. 65. (275) Seeger S. 61.

8.6. Maßnahmen zur praktischen Durchsetzung von Steuererhebungen 223 für Geldkontakte und Darlehen auf die gerichtliche Registrierung als Hilfsmittel, um die Berücksichtigung der steuerlichen Belange zu erzwingeni52 . 8.6.4.1. Die alte Stempelabgabe - jede Übertragung von bestimmten Gütern bedurfte zu ihrer Wirksamkeit einer Beurkundung auf dem besonders teuer zu erwerbenden Stempelpapier, von dessen Verkauf eine hohe steuerliche Abgabe erhoben wurde - eignete sich in besonderer Weise zur Erfassung leicht zu verbergender Vermögenswerte durch die Steuerbehörden. Der Staat brauchte nur anzuordnen, daß nur die Übertragung der Vermögenswerte durch Beurkundung auf dem Stempelpapier mit rechtlicher Wirksamkeit ausgestattet ist1 53 . 8.6.4.2. Das veranlaßte andere Kameralisten, die Wirksamkeit aller Darlehensverträge trotz liberaler Gegenstimmen154 an die gerichtliche Beurkundung knüpfen zu wollen. Eine derartige Handhabung wurde höchst wahrscheinlich auch in der Praxis - allerdings regional verschieden - geübt. Wer sich nicht daran hält, der verliert den gerichtlichen Schutz für seine DarlehensforderungiSs. 8.6.4.3. Jakob wollte eigene staatliche Registrierungsbüros für solche Zwecke eröffnen l56 . Außerdem sollten gerichtliche Schulddokumente seitens der Gerichte erst aufgenommen werden, wenn die Registrierung bei den zu gründenden Registrierungsbüros und damit auch die Versteuerung nachgewiesen ist l57 . Behr wollte das Verfahren perfektionieren und schlug vor, jeder, der staatlichen oder gar gerichtlichen Schutz in Anspruch nehmen wolle, müsse ein amtliches Registrierungszeugnis mit vorlegen i58 . 8.6.4.4. In diesen Vorschlägen, die auch vielerorten praktiziert wurden, dürfte das moderne Rechtsinstitut der steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung, der amtlichen Bestätigung, daß alle steuerlichen Pflichten erfüllt sind als Voraussetzung bestimmter staatlicher oder gerichtlicher Akte, seinen Ursprung haben. 8.6.5. Im Vergleich zu diesen gesetzestechnisch der Gültigkeit der Steuernorm verbundenen Vorschlägen wirken die selbständigen Vollziehungsmaßnahmen zur Steuerrealisierung vergleichsweise undifferenziert. Trotzdem dürften darin die Wurzeln moderner Betriebsprüfung liegen. Philippi wollte dem allgemein gerügten Akziseunwesen durch 152 153 154 155 156 157 158

(243) Rößig S. 339. (254) Sartorius S.208; (80) Fulda S.305. (294) Stokar von Neuform S. 64. (275) Seeger S. 58; (169) Lips S.37. (122) Jakob Bd. 1 S.548, Bd. 2 S. 919 f. (122) Jakob Bd. 2 S. 921. (12) Behr S. 115; (234) Rau Bd. 2 S.180.

8. Materielle Rechtsfragen bei der Steuererhebung

224

Verbesserung des Rufes der vielgeschmähten Akzisebeamten steuern. Als Methode empfahl er attraktiv hohe Gehälter und wollte bei Denuntiation veruntreuender Akzisebeamten den Anzeigeerstattern die Dienstposten der beamteten Steuerbetrüger verschaffen159 • Die eigentliche Wurzel der Betriebsprüfung auf mitteleuropäischem Boden dürfte dann in dem von Friedrich dem Großen in Preußen eingeführten Akzisesystem unter französischen Visiteuren zu sehen sein. Der eigenwillige König setzte im Widerspruch zur gesamten Lehre160 und Praxis die amtliche Kontrolle der Steuerpflichtigen in Wohnungen, Gewerbebetrieben und Straßen durch und räumte den Steuerbehörden auch das Recht zur staatlichen Verwaltung der privaten Güter der Steuerpflichtigen bei schlechter Steuerzahlung ein161 • Der preußische Staat hatte schon früher als letztes aber erfolgreiches Mittel die strafweise Einquartierung von Soldaten bei säumigen Steuerschuldnern praktiziert162 • 8.6.6. Aus England kam dann die Anregung, die Besteuerung nach Steuererklärungen durchzuführen, die im Bedarfsfall von amtlicher Seite überprüft werden163 • Das Bedürfnis nach einer ähnlichen verwaltungstechnischen Gestaltung bestand auch in Mitteleuropa, scheiterte aber zunächst an ideologischen Bedenken und Vorurteilen164 • Die Beschreibung einer klaren Einteilung nach Steuerjahren begründete den Veranlagungszeitraum im modernen Sinne 165 • Aus der Kombination von preußischem Akzisesystem, britischer Steuererklärung mit überprüfungsvorbehalt und dem Besteuerungszeitraum nach Vorschlag der kameralistischen Befürworter einer modernen Einkommensteuer ergab sich ein rudimentäres Modell einer echten Betriebsprüfung, wenn man die Buchführungspflicht als Mittel der Besteuerung miteinbezieht, was zwar schon angedeutet war - auf die verschiedenen Lehrmeinungen dazu wurde oben hingewiesen -, wofür aber die Zeit in staats- und verwaltungsrechtlicher Betrachtungsweise noch nicht reif war. 8.6.7. Insgesamt stellt sich das Instrumentarium der Kameralisten zur Beförderung der Effizienz bei Steuerermittlung und -beitreibung als eine unorganische Auswahl verschiedenster Methoden dar. Diese unsystematische Aufreihung von Zufallsentdeckungen entsprach keineswegs der kameralistischen Methodenlehre und ist nur aus dem allenfalls beiläufigen Interesse an diesem Themenkreis erklärbar. 159 160 161 162 163 164 165

(227) (122) (189) (276) (236) (156) (141)

Philippi S.102. Jakob Bd. 2 S. 1001. Mirabeau Bd.1 S.147, Bd.2 S.270. Sensburg S. 90. Raumer S. 233, 241 f., 255, 259. Krug S. 141; (154) Kröncke S. 253. Keßler S. 90.

8.7. Von der schematischen zur individuellen Ertragsbesteuerung

225

8.7. Der Weg von der schematisierten hypothetischen Besteuerung über die generalisierte typisierte zur konkret individuellen Besteuerung des Ertrags Nach einhelliger Auffassung aller Kameralisten war die Besteuerung des Ertrags ein anzustrebendes Ideal. Wie schon dargestellt, unterschied man sich lediglich in den Wegen zu diesem Ziel oder sogar nur in der Terminologie. Innerhalb des Systems der Ertragsbesteuerung durchlief aber der Besteuerungsmodus alle Stadien der Entwicklung von der rohen Einkommenskopfsteuer bis zur Versteuerung des bilanziell erzielten Gewinns. Mit dem Ausklang des Kameralismus war nur ein Teil der Entwicklung durchschritten. Man kann drei Epochen unterscheiden, die zwar begrifflich klar geschieden sind, sich aber zeitlich überlappen. Diese Aussage gilt nur für die wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung. Zunächst empfahl man die rein hypothetische schematisierte Besteuerung des Ertrages ohne jede Berücksichtigung der real erzielten Erträge in Anlehnung an äußerliche Tatbestandsmerkmale, die nach dem erfahrungsgemäßen Lauf der Dinge Gewinne versprechen. Es folgte eine Periode der typisierten Besteuerung. Besteuert wurde nach Schätzwerten der üblicherweise erzielten mittleren Durchschnittsgewinne. Die Präzision der sehr speziellen geschätzten einzelnen Besteuerungsmerkmale sorgte dafür, daß nur erzielte Gewinne der Steuer unterlagen. In der Spätphase des Kameralismus zeigte man sich dann fest entschlossen, den realen konkreten Gewinn als Besteuerungsmaßstab zu wählen. Man war sich nur über die praktische verwaltungstechnische Durchführung nicht im Klaren. Damit endete die Kameralepoche. Der Durchbruch zur realen Einzelbesteuerung konkret erzielter Erträge erfolgte erst später. 8.7.1. Die einfachste Urform der Ertragsbesteuerung durch Belastung der Rohgewinne vor Abzug aller einkunftsmindernden Posten in Form des Zehnten konnte schon wegen ihrer substanzschädigenden Wirkung als verkappte Vermögenssteuer keine kameralistische Billigung finden l66 • Dagegen befürwortete man wegen der einfachen Handhabung und der augenfälligen arithmetischen Gerechtigkeit Ertragssteuern, die keinen Bezug auf die Höhe des Ertrags hatten, sondern den dem Grunde nach unbestreitbar erzielten aber der Höhe nach unbekannten Ertrag nach numerischen Merkmalen schematisch und gleichförmig besteuerten. Darunter fielen einerseits die ersten Schatzungen neuerer Landessteuern im siebzehnten Jahrhundert1 67 wie auch andererseits gewerbliche Fixsteuern nach Gewerbepatentenl68 , bei denen für die Gewerbe166 167 168

(149) Krehl S.112; (234) Rau Bd.2 S. 101 - 104; (98) Harl Bd.1 S.133. (252) Rurimundum S. 160 f.; (246) Rövenstrunck S.43. (136) Justi Bd.2 S.373; (80) Fulda S.303.

15 Jenetzky

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8. Materielle Rechtsfragen bei der Steuererhebung

ausübung eine ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem zu erwartenden Gewinn festgesetzte Steuer erhoben wurde oder Kopfsteuern nach dem Erwerb 169 , bei denen die Anzahl der Steuerpflichtigen als Divisor der Einkommensteuer diente. Etwas mehr näherte sich die Justische Wahrscheinlichkeitssteuer dem realen Ertrag. Justi schlug vor, zunächst den wahrscheinlichen und üblicherweise zu erzielenden Gewinn zu ermitteln. Wenn man davon einen sehr mäßigen Teil nimmt, so kann man sicher sein, nur einen Teil des Gewinns wegzusteuern, auch wenn die gerechte Höhe des Gewinns nicht immer stimmt170 . Parallel zu diesem Modell schlug Adam Smith in Anlehnung an die Besteuerungspraxis vieler Staaten für die Geldkapitalien aus den gleichen Erwägungen eine mutmaßliche und mäßige Besteuerung vor 171 • Obwohl der Anteil der Steuer an dem real erzielten Gewinn relativ bei verschiedenen Steuerpflichtigen stark schwanken mußte, hielt man der Gerechtigkeit Genüge getan, wenn garantiert war, daß die Steuer in keinem Fall die Vermögenssubstanz verletzte und außerdem den Besteuerten noch etwas vom Gewinn verblieb. Mit einer solchen schematischen Besteuerung vertrug sich auch die Gleichwertigkeit des Ertragswerts und des Verkehrswerts der Ertrag bringenden Gegenstände als Maßstab der Besteuerung nach allgemein vertretener kameralistischer Auffassung. Obwohl durchaus bekannt war, daß die Verkaufspreise Ertrag bringender Unternehmungen im Handel sich nur bedingt am zu erwartenden Gewinn orientierten und manchmal erheblich darüber lagen 172 , oft aber weit dahinter zurückblieben173 , hielt man sie wegen der Offenlegung von Kaufpreissammlungen für einen geeigneten Maßstab der Besteuerung und zog sie entweder allein heran oder kombinierte Ertrags- und Verkehrswert zu einer einheitlichen BesteuerungswertformeP74. Ein weiterer Fehler dieser groben Besteuerungsmethode lag in der Wahl ertragversprechender Gegenstände als einziger Anknüpfungspunkt für die Gewinnbesteuerung 175. Damit verzichtete man auf eine begriffliche Klarstellung des Gewinnbegriffs ebenso wie auf die Berücksichtigung außergewöhnlicher Umstände und üblicherweise auftretender gewinnmindernder Posten in Form von Mißwachs, Minderertrag durch unverschuldete Behinderungen des Unternehmens, Aufwendungen für den Betrieb des Unternehmens und dergleichen mehr. Das eindeutigste Kriterium der sich abgrenzenden drei verschiedenen 169 (156) Krug S. 164. 170 (136) Justi Bd. 2 S.374, 389; (133) Justi S.433. 171 (282) A. Smith Bd. 3 S. 254. 172 (12) Behr S. 132. 173 (66) Eulner S.17; (254) Sartorius S.197. 174 (63) Eschenmayer S.29; (297) Strelin S.141. 175 (156) Krug S.158; (136) Justi Bd.2 S.328.

8.7. Von der schematischen zur individuellen Ertragsbesteuerung

227

Besteuerungsmodi lag aber in der Beurteilung der aus den Vermögensgegenständen ziehbaren Erträge. Drei Möglichkeiten sind denkbar: Ein Gegenstand wirft nachweislich Gewinne ab, der Gegenstand könnte Gewinne abwerfen, die aber aus willkürlicher Entscheidung des Eigentümers nicht gezogen werden und der Gegenstand kann seiner Art oder Beschaffenheit nach keine Erträge abwerfen. Die schematisierte Besteuerung zog alle drei Gegenstandsgruppen zur Ertragsbesteuerung heran176 • 8.7.2. Die typisierte Besteuerung wollte nur den effektiven Ertrag erfassen und lehnte die Besteuerung unfruchtbarer Grundstücke, verfallener Häuser und unverkäuflicher Gegenstände ab 177. Die alleinige Besteuerung unstreitig gewinntragender Gegenstände 178 leitete schon zur Besteuerung des realen und konkreten Ertrages über, wovon später abzuhandeln sein wird. Jedenfalls wollte die typisierende Besteuerung auf die Steuern aus ungenutzt liegenden Bauplätzen179 , leerstehenden aber nutzbaren Häusern18o , Ziergärten181 und Brachfeldern182 nicht verzichten. Soweit eine Nutzung aus Willkür des Eigentümers unterblieb, nahmen die Kameralisten einen Genußwert für den Eigentümer an, der auch besteuert werden konnte183 • 8.7.2.1. Hauptkennzeichen der typisierten Betrachtungsweise war neben dem Abstellen auf die Ertragsfähigkeit eines Gegenstandes das Suchen nach Erfassung des üblicherweise zu erzielenden mittleren Gewinns oder Ertrages184• Besonderer Fleiß oder außergewöhnliche Tüchtigkeit eines Steuerpflichtigen sollten ebensowenig die Steuern steigern wie Faulheit oder sonstiges Versagen im subjektiven Bereich sie senken konnten185• Der Gedanke von wirtschaftlicher Belohnung und Bestrafung lag diesem Gedankengang zugrunde, der sich in dem Rückgriff auf die Steuerrechtfertigungstheorie manifestierte, der Staat gewähre Fleißigen und Faulen gleichen Schutz nach Maßstab ihres Kapitaleinsatzes186 • 8.7.2.2. Transponiert in moderne Terminologie stellte sich die typisierte Besteuerung als eine Art Richtsatzbesteuerung dar, wobei zur

(50) Dithmar S. 270. (234) Rau Bd.2 S.71. 178 (122) Jakob Bd. 1 S.526, Bd.2 S.901. 170 (66) Eulner S. 16. 180 (66) Eulner S.17. 181 (63) Eschenmayer S. 16. 182 (63) Eschenmayer S. 19. 183 (147) Krehl S.104. 184 (98) Harl Bd. 1 S. 188. 185 (88) Genovesi S.390; (147) Krehl S.220; (80) Fulda S.303; (234) Rau Bd.2 S.70. 186 (149) Krehl S. 17 f. 176

177

15"

228

8. Materielle Rechtsfragen bei der Steuererhebung

Ermittlung der Richtsätze der Besteuerungstatbestand in einzelne gesonderte Merkmale zerlegt wurde, um durch deren separierte Schätzung eine möglichst fundierte Gesamtschätzung zu erzielen. Schon Seckendorff wollte die Aufwendungen für den Abgang von Waren durch Verderbnis, Verwaltungskosten, Lohnaufwendungen und dergleichen schätzen oder sogar durch Quittungen belegen lassen l87 • Eulner riet noch undifferenziert, die steuerbaren Gegenstände nach den vier Kriterien natürliche Güte, Nutzen, Gebrauch und gute Gelegenheit steuerlich zu veranschlagen l88 • Justi empfahl, die Äcker in drei Wertklassen einzuteilen und die im Schnitt der Jahre gewonnenen Getreidekörner nach Mittelpreisen auf die verschiedenen Zwecke wie Eigenverbrauch, Saatgut, Gewinn und Steuern zu verteilen l89 • Unter Mittelpreisen verstand der Kameralismus die im Schnitt des Jahres normalisierten ortsüblichen Preise der Waren l90 • Darjes wollte dieses Verfahren auf die Gewerbe und Fabriken anwenden und sah sich dabei verständlichen Schwierigkeiten gegenüber, weil die Verhältnisse nicht so überschaubar sind wie bei Ernteerträgen. Das empfohlene Verzeichnis, ein Gewerbe- und Manufakturrepertorium, ähnelte sehr einer Richtsatzsammlung im modernen Sinnl91 • Die Schwierigkeiten, alle Einzelfaktoren der Gewinnschätzung zu erfassen, bildeten allerdings einen Anlaß zu ständiger, bewegter Klage der Kameralistenl92 • Besonders die Mobilien bereiteten wegen ihrer schwierigen Erfassung und Berechnung bei der Steuerfestsetzung Probleme l93 • Eschenmayer empfahl generell die Bestandteile des Einkommens nach ihrem reinen Ertrage zu schätzen und sich mit diesem wahrscheinlichen Ergebnis zu begnügen l94 • Auch die oft vorgeschlagene pflichtmäßige Inventarisierung des Vermögens brachte in die Schätzungsmethoden keine größere Genauigkeit und Sicherheitl95 • Das Bewußtsein dieses Unvermögens veranlaßte viele Kameralisten, die Ungenauigkeit zur lobenswerten Regel zu erheben l96 • Die unterschiedlich genaue Kenntnis der verschiedenen Steuerkapitalien von den offenbaren Grundstücken bis zu den verborgenen Geldkapitalien mußte die (274) Seckendorff S. 548 f. (66) Eulner S. 6. 189 (136) Justi Bd. 2 S. 324. 190 (297) Strelin S. 141; (173) Lith S.271. 191 (47) Darjes S. 577 f. 192 (224) Pfeiffer Bd.4 S.160; (156) Krug S.147; (63) Eschenmayer S.16; (169) Lips S.24; (149) Krehl S. 122 - 125. 193 (264) Schmalz S.319; (154) Kröncke S. 99 - 101. 194 (65) Eschenmayer S.16; (147) Krehl S.219; (136) Justi Bd.2 S.50; (234) Rau Bd. 1 S. 63, 70 195 (149) Krehl S. 19, 38 f. 196 (149) Krehl S. 108 - 110; (80) Fulda S. 301 f.; (133) Justi S. 432; (135) Justi S.470. 187

188

8.7. Von der schematischen zur individuellen Ertragsbesteuerung

229

Ungleichheit der Besteuerung verschärfen197 • Die polaren Gegensätze zwischen formal korrekter äußerlich gerechter Schätzung und der Unmöglichkeit, mit dem bekannten und allgemein gebilligten Instrumentarium eine konkrete und zutreffende Einzelbesteuerung zu erreichen, gelang es dem Kameralismus nicht aufzulösen198 • Hin- und hergerissen zwischen der Billigkeit und Liberalität der Schätzung und der Gerechtigkeit der genauen Gewinnermittlung entschied sich die herrschende Meinung letztlich immer für die Schätzung199 • Jakob bot für Schätzungszwecke einen Katalog von Einzelmerkmalen, der sich an Umfang und Differenziertheit den modernen Richtsätzen annäherte und diese an Ermittlungsaufwand sogar noch übertreffen dürfte. Er wollte berücksichtigt wissen: Die Gehälter und Löhne aufgeschlüsselt nach Ausbildung, Arbeit und Funktion der Beschäftigten, den Kapital- und Unternehmergewinn, unterschieden nach festliegendem Gewerbekapital und Umlaufkapital, die Größe der Produktion, bestimmt nach Kapitalumlauf, prozentualem Kapitalertrag und Wert der Lohnsätze, den Wertund Marktpreisen und den erzielten Umsatz2OO • Mit diesem Vorschlag wurden betriebswirtschaftliche Kriterien zu Merkmalen des Besteuerungstatbestandes erhoben. Wäre die Steuerrechtswissenschaft diesen Weg weiter gegangen, so hätte das den Eingriff in die kaufmännischen Dispositionen seitens des Staates bedeutet, den die Kameralisten gerade vermeiden wollten. 8.7.2.3. Im Gefolge der typisierten Besteuerungsmethode traten weitere Erkenntnisse in das Blickfeld der Kameralisten, die zur Einrichtung von Richtsatzschätzungen nötig oder nützlich sind. Die Notwendigkeit einer ordnungsmäßigen Kameralrechnungsführung in Form einer kameralistischen Buchführung hatte schon Seckendorff erkannt 201 • Kröncke nannte eine zeitlose finanzwissenschaftliche Weisheit, wenn er mit steigender Gesamtsteuerlast eine gleichermaßen zunehmende Genauigkeit in der Bestimmung der Bemessungsgrundlage forderte, um dem Gerechtigkeitserfordernis Genüge zu tun21l2 • Die Entwicklung bis zur Gegenwart gab dem Gedanken die Gültigkeit eines historischen Gesetzes. Da die typisierte Besteuerung nur an erzielte Gewinne anknüpfen und insbesondere nur den reinen Gewinn nach Abzug der Aufwendungen besteuern wollte, konnte folgerichtig von Unternehmen in der Anlaufphase keine Steuer geholt werden203 , weil sich das Kapitalinteresse erst 197 198 199

200 201 202

203

(151) Kremer S. 81 f. (7) Baumstark S. 725 - 727. (122) Jakob Bd. 1 S.568. (122) Jakob Bd.2 S. 939 - 946. (274) Seckendorff S.534. (152) Kröncke S. 358. (63) Eschenmayer S. 19.

230

8. Materielle Rechtsfragen bei der Steuererhebung

in echten Gewinnen realisiert haben mußte. Der einheitliche Steuersatz bei der Einkommensteuer setzt voraus, daß die unterschiedlichen Ertragsaussichten der verschiedenen Einkunftsarten schon in den Gewinnbegriff Eingang gefunden haben. Da dies bei Schätzungen nicht zutrifft, muß sich der Steuersatz in seiner Höhe an die prozentuale Gewinnerwartung aus jeder einzelnen Art des Kapitaleinsatzes anlehnen 204 • Entsprechend soll die Regierung den Gewinn und Steuersatz nach den allgemeinen Erfahrungen im Lande bestimmen2os • Jakob wies darauf hin, daß zu seiner Zeit die Schätzung nach dem Umsatz aufkam und die Gewinnschätzung aus dem Betriebskapital zu verdrängen begann 206 • Auf welche Gewährsleute er sich stützte, ist nicht ersichtlich. 8.7.3. Die Anfänge der konkreten Besteuerung des realen Gewinns lagen im inneren Widerspruch der Schätzungsbesteuerung begründet. Entweder lag der Steuersatz so niedrig, daß der Finanzbedarf nicht gedeckt war und der weggesteuerte Gewinnanteil extrem schwankte, oder er griff die Substanz des Vermögens an, besteuerte also nicht erzielte Gewinne. als ob es gezogene Gewinne wären207• 8.7.3.1. Trotz erheblicher Zweifel der Kameralisten an der Durchführbarkeit einer mathematisch genauen Besteuerung des reinen Gewinns 208 , hielten die Spätkameralisten die Besteuerung des realen Gewinns für ein unbestreitbares Ideal 209 • Entsprechend bekannten sie sich zum Prinzip, daß eine Nutzung nur dann besteuert werden kann 210 , wenn sie wirklich und nicht nur möglich ist. In Richtung auf Verwirklichung dieses Prinzips zielte schon die Einführung des offenen Steuerumlageverfahrens, da dieses dauernd fließende Steuererträge voraussetzte, wobei die Steuerpflichtigen erfahrungsgemäß stärker auf eine gerechte und gleichmäßige Steuerfestsetzung drängten, weil die Regelmäßigkeit der Steuererhebung ungleichmäßige Belastungen mehr in das Bewußtsein der Belasteten rief211 • Raumer kritisierte das Abschätzungssystem samt der kameralistischen Vorliebe für Normalzahlen vernichtend und wies auf die wirtschaftlich fortgeschritteneren Staaten

(169) Lips S.30; (142) Keßler S.146; (147) Krehl S.107. (122) Jakob Bd.2 S.947, 952. 206 (122) Jakob Bd.2 S.951, 953, 956. 207 (12) Behr S. 136. 208 (224) Pfeiffer Bd. 4 S. 159; (63) Eschenmayer S. 66 f.; (65) Eschenmayer S. 14 f.; (154) Krönck:e S.35, 73, 79; (149) Krehl S.20; (297) Strelin S.62, 167; (155) Kronburg S. 119; (98) Harl Bd.1 8.187. 209 (154) Krönck:e S.35, 73, 79; (234) Rau Bd.2 S.62, 105. 210 (47) Darjes S.563; (254) Sartorius S.197; (282) A. Smith Bd.3 S.243, 245; (63) Eschenmayer S. 66 f.; (275) Seeger S.27; (122) Jakob Bd.1 S.514; (12) Behr S.133; (277) Sensburg S.7. 211 (63) Eschenmayer S.14; (65) Eschenmayer S.17. 204 205

8.7. Von der schematischen zur individuellen Ertragsbesteuerung

231

Westeuropas hin 212 , was aber spätere Kameralisten nicht davon abhielt, den Schätzungsprinzipien Lobeshymnen nachzusingen213 • Andere Kameralisten sprachen von erdichteten Reinerträgen im Schätzungssystem, da dort die Ungewißheit zur Regel gemacht wurde 214 • 8.7.3.2. Ursprünglich hielt man es für unmöglich, den Reinertrag jährlich neu zu berechnen215 , obwohl die Notwendigkeit dazu in abstracto grundsätzlich bejaht wurde 216 , weil das Einkommen ständig schwankt 217 • Später galt die Jahreserklärung als Selbstverständlichkeit218 • 8.7.3.3. Neben der jährlichen Steuerfestsetzung war ein geordnetes Besteuerungsverfahren eine weitere Voraussetzung der Besteuerung des realen Gewinns. Die früher übliche Selbstschätzung des Steuerpflichtigen entsprach nicht der psychologisch fundierten Steuerwirklichkeit219 • Erforderlich war vielmehr ein Besteuerungsverfahren, das folgende Schritte aufwies: 1. Eine hinreichend genaue Ermittlung des Gewinns durch den Steuerpflichtigen selbst. 2. Eine dementsprechende Steuererklärung an den Fiskus. 3. Eine Schlüssigkeitsprüfung der Steuerbehörde nach der eingereichten Erklärung. 4. Erforderlichenfalls eine staatliche Überprüfung der Behauptungen des Steuerpflichtigen. Ein entsprechendes Verfahren schlug Raumer nach westeuropäischem Vorbild vor 220 • Die führenden Kameralisten der Spätzeit schlossen sich dieser Auffassung221 • 8.7.3.4. Auf diesem Erkenntnisstand fehlte zum Sprung in die gegenwärtige moderne Einkommenbesteuerung nur das unverzichtbare Kontrollmittel für Bürger und Staat: die allgemeine Buchführungs- und Rechnungslegungspflicht. Lith empfahl als erster die Verwendung der Handelsbücher als sicheres Mittel der Gewinnfeststellung222 • Dafür sprach die Genauigkeit, Nachprüfbarkeit und Leichtigkeit der Gewinnermittlung, dagegen alle liberalen Vorurteile der Zeitmeinung223 • Es fehlte nicht einmal der Vorschlag, zusätzliche Bücher allein für steuerliche Zwecke zu führen. Lips forderte für sein Einkommensteuer212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222 223

(236) Raumer S. 231 - 235, 256, 257. (142) Keßler S.139, 145; (149) Krehl S.39. (141) Keßler S. 15, 36. (225) Pfeiffer Bd.5 S.323; (142) Keßler S.121. (147) Krehl S.218. (122) Jakob Bd.1 S.564. (12) Behr S.119; (234) Rau Bd.2 S.72. (169) Lips S.25; (142) Keßler S.148. (236) Raumer S. 255. (122) Jakob Bd.2 S.982; (83) Fulda S. 223; (234) Rau Bd.2 S.166. (173) Lith S. 272. (303) Sturm S. 201.

8. Materielle Rechtsfragen bei der steuererhebung

232

projekt vom Bürger die Führung folgender Konten zusätzlich zu den Handelsbüchern: Einkommenkonto, Vermögensregister, Ein- und Ausgabenrechnung und ein Grundbuch über die Quellen seines Vermögens 224 • Behr verlangte noch weitergehend jährliche Bilanzen und Aufzeichnungen von jedem Steuerpflichtigen, die dann den Behörden vorgelegt werden müssen, um diesen eine amtliche überprüfung zu ermöglichen225• Trotz dieser eindeutigen Vorschläge gedieh die Angelegenheit bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts anscheinend nicht über das Projektstadium hinaus. Der erforderliche Schritt zur Kombination mit dem Vorschlag jährlicher Steuererklärungen, die zu überprüfen sind, gelang ebenso wenig, wie sich die Kameralwissenschaft der im Instrument der allgemeinen Buchführungspflicht liegenden steuerlichen Möglichkeiten bewußt war. In diesem Punkt erging es dem Spätkameralismus wie der Spätantike mit Elektrizität und Dampfmaschine. Die Detailkenntnisse reichten für sich nicht aus, um das Neue hervorzubringen, weil das geistige Bewußtsein zur Verarbeitung der neuen Erkenntnisse zu einem einheitlichen harmonischen Ganzen noch nicht reif war.

224

(169) Lips S. 26.

226

(12)

Behr S. 119.

9. Ausgewählte einzelne Steuerarten zur exemplarischen Darstellung der Entwicklung Die Materialien zum besonderen Teil des kameralistischen Steuerrechts sind mehr als doppelt so umfangreich wie die zum allgemeinen Teil. Schon deshalb verbietet sich eine Vollständigkeit anstrebende Darstellung des besonderen Steuerrechts der Kameralzeit. Der überblick über die Evolution steuerwissenschaftlicher Begriffe im achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhundert wäre aber unvollständig, wenn nicht beispielhaft einzelne besonders bemerkenswerte Steuerarten im Anschluß an das allgemeine Steuerrecht der Kameralzeit behandelt würden.

9.1. Das sogenannte Abzugsgeld auch Nachsteuer genannt Die Nachsteuer war eine alte Abgabe, um die sich schon die vorkameralistischen lateinischen Steuerschriftsteller und die Aufklärungsphilosophen bemüht hatten 1 • Der Kameralismus empfand es als seine Aufgabe, die Abzugssteuer analysierend darzustellen und ihre Abschaffung argumentatorisch vorzubereiten. 9.1.1. Das Abzugsgeld trug viele Namen: Abzugsgeld, Nachsteuer, Abschoß, Abfahrt, Weglassung, Freigeld, Abzug, Jus detractionis, Gabella emigrationis, Gabella hereditaria, Verabschiedung, Hebegeld, Nachbäth, zehnter Pfennig, Decimation2 • Da es sich um eine alte Abgabe handelte, gab es viele Definitionsversuche, die den Tatbestand ziemlich genau trafen. "Die Nachsteuer ist ein gewisser ... Anteil so der Obrigkeit von denjenigen Gütern, welche aus dem Land oder Distrikt geführt werden, zur Vergeltung des bisher genossenen Schutzes und etwelcher Kompensation der künftig abgehenden Steuer und anderen Anlagen zurück gelassen wird3 ." "Nachsteuer ist von denjenigen zu entrichten verbunden, welche an fremden Orten erben und solche Erbschaft aus Land und Gebiet führen oder aber das Bürgerrecht erweisen und dartun ...4." "Nachsteuer, Abzug, Detrakt ist ein Teil des Vermögens, das 1 (326) Zincke S.897 unter Verweis auf Thomasius; vgl. ferner (22) Bergius Bd.l S. 9; (321) Werner S. 4 f.; (160) Lang S. 120,122 unter Hinweis auf Grotius und Pufendorff. 2 (9) Beck S. 1; (22) Bergius Bd.l S. 8; (160) Lang S. 115; (151) Kremer S.45. a (9) Beck S. 1, 24. , (9) Beck S. 1, 24.

234

9. Ausgewählte Steuerarten

derjenige, der beständig außer Landes zieht von dem Mitgenommenen oder ein Auswärtiger im Lande durch Erbschaft, Schenkung etc. außer Landes bringt, dem Landesregenten wegen genossenen Schutzes (abgehender Steuer) verminderten Landeskapitals entrichtet werden muß5." " ... die Nachsteuer, eine Abgabe auf das Vermögen, welches mit der Person auswandert, oder von Ausländern als Erbschaft oder unter einem anderen Titel aus dem Staat gezogen wird 6." Schon aus den Definitionen ergibt sich, daß zwei Haupttatbestände erfaßt werden sollten: Der Erbschaftszufall an Gebietsfremde mit Ausfuhr des ererbten Vermögens und der Wegzug in das Gebiet einer anderen Herrschaft unter Aufgabe der Bürgerrechte 7 • Im ersteren Fall sprach man von Abschoß oder Abzug, im zweiten Fall von Nachsteuer8 • Der Steuercharakter der Abzugsabgabe war nie ernsthaft bestritten9 , obwohl man sie manchmal auch unter die Regalien10 oder Fiskalgerechtigkeiten11 einordnete 12 . Meist galt sie wegen ihres geringen Ertrages als Nebensteuer13 mit der Rechtsnatur einer besonderen Vermögenssteuer 14 . Begründende rationale Herleitung der Abzugssteuer und finale Zwecksetzung wurden nicht immer sauber getrennt. Böckler sah in ihr eine Kaution, die bei Erwerb des Bürgerrechts erlegt wird und bei Aufgabe verfällt15 . Als Hauptgrund ihrer Erhebung galt aber die Minderung des Landeskapitals und die dadurch bedingte Schwächung des Steueraufkommens bei Entfernung von Vermögenswerten aus dem Land, die den Abziehenden zum Freikauf verpflichtete 16 . Die Steuer wurde also als eine Art Rentenlast auf dem Vermögen betrachtet, die bei Abzug abgelöst werden mußte. Rationalisiert leitete man die Abzugssteuer dann aus dem Grundbegriff des Staates her und sah in ihr eine Entschädigung für den Entzug des im Schutze der Landeshoheit erworbenen Vermögens17• Einseitiger, wenn auch nicht gebilligt durch die Kameral(321) Werner S. 10. (151) Kremer S. 45. 7 (9) Beck S. 3 f.; (22) Bergius Bd. 1 S.8; (160) Lang S. 115. 8 (50) Dithmar S. 273; (9) Beck S. 4. 9 (143) Klüber S. XVIII. 10 (290) Springer Tabelle. 11 (123) Jargow S.548; (267) Schreber S.225. 12 (20) Berg S.132; (50) Dithmar S.274. 13 (173) Lith S.356; (80) Fulda S.308. 14 (83) Fulda S. 213. 15 (30) Böckler S. 12. 16 (321) Werner S. 9. 17 (29) Bodmann S.17; (160) Lang S.122 unter Berufung auf Pufendorff, der sich allerdings mehr auf eine privatrechtlich verstandene Lehensoberhoheit stützte; etwas abweichend (20) Berg S.131; am klarsten kommt dies bei dem in Rußland lebenden Kameralisten Schlözer zum Ausdruck: (262) Schlözer S. 196. 5

6

9.1. Das sogenannte Abzugsgeld auch Nachsteuer genannt

235

literatur, war dagegen die Zwecksetzung der Nachsteuer. Anlaß für die Erhebung bildete in der Regel der Retorsionsgedanke 18. Weitere Zwecke dieser Steuer waren die Verhinderung der Kapitalflucht19 , der Einwohnerverminderung durch Auswanderung20, 21, und die Behinderung des häufigen Ortwechsels22 • An der Effizienz der Abzugssteuer zweifelten allerdings die meisten Kameralisten. 9.1.2. Eine juristische Rechtfertigung fanden die Kameralisten nur noch in der unreflektierten Wiederholung rechtshistorischer veralteter Tatbestände, da diese Steuer dem rationalsystematischen Aufklärungsbewußtsein der Kameralzeit fremd sein mußte. Die positivistische Rechtfertigung stützte sich auf die Reichsgesetze 23, das Gewohnheitsrecht24, Konzessionen der Landesfürsten, deren Landeshoheit unstreitig das Abzugssteuerrecht enthielt25 , unvordenkliche Verjährung26 und die geldlich zu entschädigende Zustimmung des Regenten zum Wegzug27 . Mit der Darlegung der historischen Entwicklung setzte schon die Kritik der Kameralisten ein. Nach übereinstimmender Kameralmeinung gab es in ältesten Zeiten keine Abzugsbesteuerung, und die Steuererhebung vom Wegzug entsprang letztlich der Leibeigenschaft, worauf auch ihre Verhaßtheit beruhe28 . Kremer vertrat die Aufassung, daß die im dreizehnten Jahrhundert zuerst in den Städten geübte Nachsteuer im sechzehnten Jahrhundert in den Territorien zur Verhinderung der häufiger auftretenden Auswanderungsfälle herrschend geworden sei 29 • 9.1.3. Die kritische Einstellung der Kameralisten gegenüber der Abzugssteuer fand auch bei der Erörterung der steuerlichen Einzelmodalitäten ihren Niederschlag. Einhellig befürworteten alle Kameralisten den Abzug der Schulden von der Bemessungsgrundlage vor Ermitttlung des zu besteuernden Vermögens 30 . Eine strenge Auslegung der Tatbestandsmerkmale schloß die Besteuerung dann aus, wenn das erlöste 18 (9) Beck S. 21; (123) Jargow S. 553; (22) Bergius Bd. 1 S. 13; (29) Bodmann S.16. 19 (167) Leipziger S.354: Er sieht die Abzugssteuer als notwendige Folge der laufenden Besteuerung von Geldkapitalien. 20 (222) Pfeiffer S. 239. 21 (296) Strelin S. 134. 22 (9) Beck S. 3. 23 (86) Gasser S. 244. 24 (316) Walther S.7; (29) Bodmann S.14. 25 (22) Bergius Bd. 1 S. 9; (9) Beck S. 13, 17; (136) Justi Bd. 2 S.416. 26 (9) Beck S. 18; (321) Werner S.14. 27 (123) Jargow S.547 unter Berufung auf Grotius und Pufendorff. 28 (86) Gasser S. 243; (316) Walther S. 2 f. 28 (151) Kremer S. 45. 30 (9) Beck S.75, 90; (22) Bergius Bd.l S.16.

236

9. Ausgewählte Steuerarten

Geld zum Wiederankauf fester Güter im Lande verwendet wurde 31 • Entsprechend griff die Abzugssteuer nicht schon beim Erbfall von Inlandsvermögen an Gebietsfremde ein, sondern erst bei Abtransport dieser Vermögenswerte über die Landesgrenze32 • Bis zur Bezahlung der Steuer stand dem Landesherren ein Pfandrecht an dem zu besteuernden Vermögen und später an dem Surrogat ZU33 • Bei wiederholtem Erbfall mit nur einmaligem Abtransport des besteuerten Vermögens in das Ausland mußte nur für den ersten Erbfall Steuer entrichtet werden 34 • Mit der Bezahlung der Abzugssteuer erlosch endgültig die laufende inländische Steuerpflicht für alle sonstigen Steuern35• Die Nachsteuer setzte einen willentlichen Wegzug voraus. Wer aus Not oder Zwang gehen mußte, unterlag ihr nicht mit seinem mitgeführten Vermögen36 • Bei kurzem Aufenthalt des Vermögens im Inland erforderten es Gründe der in der Sachverhaltsverwirklichung liegenden Billigkeit, von einer Besteuerung abzusehen31 • Hausrat und Mobilien im allgemeinen sollten aus Gründen der Praktikabilität von der Besteuerung ausgenommen sein38 • Aus dem gleichen Grunde im Interesse einer einfachen und angemessenen Besteuerung verglichen sich weichende Erben39 und wegziehende Bürger4° oft mit dem Landesherren über die Höhe der Steuern. Fehlende Kontrollmöglichkeiten erzwangen die "Detraktfreiheit" von Zinsen und Pensionen aus im Land stehenden Kapitalien 41 • Die regionale Kleinheit des einer nachsteuerberechtigten Obrigkeit zustehenden Besteuerungsgebiets ließ auch keine Besteuerung bei Wegführung von Heiratsgut ZU42 • Die Kleinheit der Besteuerungsbezirke bot sich als Ansatzpunkt für heftige Kritiken an der Abzugssteuer an43 • Entsprechend diesen Grundsätzen gebot die Deutsche Bundesakte vom 8. Januar 1815 in Artikel 18 Freizügigkeit und Freiheit von Nachsteuer innerhalb der deutschen Bundesstaaten44 • Zu erwähnen bleibt noch, daß zwar der zehnte Teil der häufigste Steuersatz bei der Abzugssteuer (86) Gasser S. 244. (9) Beck S. 63; (123) J argow S. 551; (269) Schreber Bd. 9 S. 57; (321) Werner S.12. 33 (269) Schreber Bd. 9 S. 56. 34 (9) Beck S. 66. 35 (9) Beck S. 129. 36 (9) Beck S.32; (123) Jargow S.550; (296) Strelin S.135. 31 (9) Beck S. 11; (22) Bergius Bd. 1 S. 15. 38 (22) Bergius Bd.1 S. 13; (321) Werner S. 21; (156) Krug S.140. 3U (86) Gasser S. 244. 40 (123) Jargow S.552. 41 (321) Werner S.27. 42 (321) Werner S.20; (9) Beck S.82. 43 (274) Seckendorff S.382; (22) Bergius Bd. 1 S. 12; (22) Bergius Bd.1 S.11. 44 (228) Pölitz Bd. 1 S. 16. 31

32

9.1. Das sogenannte Abzugsgeld auch Nachsteuer genannt

237

war 45, aber andere Steuersätze ebenfalls erhoben wurden 46 • Es bedarf kaum einer Erwähnung, daß Steuerfreiheiten bei der Abzugssteuer sowohl dem Objektcharakter dieser Steuer als auch den Grundsätzen aufgeklärter Staatsphilosophie widersprachen, obwohl man aus historischen Gründen dem reichsständischen Adel die persönliche Steuerfreiheit zugestehen mußte 47 • 9.1.4. Walther vertrat mit beachtlichen Gründen eine Mindermeinung und befürwortete mit durchaus moderner Begründung, die den Gesetzesmotiven einer Außensteuerkodifikation der Gegenwart entsprungen sein könnte, die Erhebung einer Abzugssteuer. Wer ein blühendes Wirtschaftsgefüge mit seinem dort unter Beihilfe der anderen Gesellschaftsglieder erworbenen Vermögen verläßt, übervorteilt die anderen Mitglieder der Gemeinschaft, die von ihrem Vermögenserwerb weiterhin Steuer zahlen müssen. Er muß dafür durch die Hingabe einer einmaligen abschließenden Steuerauflage bezahlen 48 • Gegenüber Fremden bietet sich eine noch einfachere rechtliche Begründung an. Ihre Güter gehören grundsätzlich dem Staat, in dem sie Güter erwerben. Infolgedessen müssen sie diese Güter bei Mitnahme in das Ausland durch eine Steuerzahlung auslösen 49 • Bergius teilte mit behutsamer Einschränkung diese Meinung, stützte sich aber auf eine etwas andere Begründung50 • Alle übrigen Kameralisten griffen die Institution der Abzugssteuer mit vernichtender Kritik an. Justi sah in der Abzugssteuer eine Behinderung der Freizügigkeit51 und der Einwanderungswilligkeit52 , auf die der Kameralismus ebenso wie der Merkantilismus Wert legte. Sein Schüler Pfeiffer hielt es für besser, potentielle Auswanderer durch anständige Behandlung statt durch Zwangssteuern vom Auswandern abzuhalten. Er erklärte die Nachsteuern als freier Menschen unwürdig5:t. Umgehungsmöglichkeiten gebe es genug, wenn jemand Wert darauf lege. sein Vermögen in das Ausland zu verbringen54 • Fulda nannte die Abzugssteuern schädlich für Gewerbefleiß und Industrie 55 , und Eschenmayer hielt das Abzugsrecht für eine Institution, die den Staatsinteres(86) Gasser S.244; (321) Werner S.ll. (9) Beck S.7: der 100., 50., 14., 20., 3., 4., 5., 15. Pfennig; (123) Jargow S.552; (22) Bergius Bd.1 S.13. 47 (9) Beck S.27, 44; (321) Werner S.15. 48 (316) Walther S.14. 49 (316) Walther S. 19. 50 (22) Bergius Bd. 1 S. 10. 51 (136) Justi Bd.2 S. 416. 52 (133) Justi S. 373. 63 (223) Pfeiffer S. 885. 54 (225) Pfeiffer Bd.5 S.313. 55 (82) Fulda S. 950, 953. 45

46

238

9. Ausgewählte Steuerarten

sen zuwider läuft56 • Nach Leipziger läßt die Existenz der Abzugssteuer einen Schluß gegen die Wohlorganisiertheit des bestreffenden Staates ZU 57 • Sensburg beschloß die Kritik an der Abzugssteuer, bezeichnete sie als eine rechtlich grundlose Erfindung der Reichsstände und nannte sie ein willkürlich auferlegtes sinnloses übel 58 •

9.2. Die Besteuerung der aufstehenden Gebäude 9.2.1. Unstreitig hatte sich die Besteuerung der Häuser als eine Unterart der allgemeinen Grundsteuer entwickelt59 • Die zahlreichen Möglichkeiten steuerlicher Erfassung des Objekts "Haus" und die feinen tatbestandlichen Verästelungen gaben aber den Kameralschriftstellern Gelegenheit, ihre steuerlichen Ideale in die Rechtswirklichkeit zu übersetzen. Während die Grundsteuer auf unbebaute Grundstücke ebenso wie die oben abgehandelte Abzugssteuer in ihrer reifen historischen Ausbildung gestaltenden neueren Vorstellungen kaum Raum boten, erkannte man die Entwicklungsfähigkeit der historisch ebenfalls sehr alten Häusersteuern. Ein besseres Verständnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge, der Traum einer allumfassenden Einkommensteuer und neue Zielvorstellungen einer steuerlichen Gerechtigkeit führten zu einer neuen andersartigen Betrachtung der steuerlichen Erfassungsmöglichkeiten der Bauwerke. Die Kameralwissenschaft löste sich hier stärker von den geschichtlich gewachsenen Modellen; die erarbeiteten Rechtsfiguren begannen ein Eigenleben in der wissenschaftlichen Literatur zu führen, das nur noch eine lose Beziehung zu den geltenden Häusersteuern aufwies. 9.2.2. Um die Gebäude steuerlich in den Griff zu bekommen, bedurfte es der Herausarbeitung zum Teil wirtschaftlich orientierter Kriterien, was ohne Einfluß Adam Smith' und seiner westeuropäischen Nachfolger kaum möglich gewesen wäre. Der Tatbestand der Gebäudebesteuerung baute auf Nutzungsart, Besteuerungsmaßstab, Bestimmung des Gebäudekapitals und der anzuerkennenden ertragsmindernden Aufwendungen auf. 9.2.3. Obwohl die Häusersteuer sowohl als Vermögenssteuer als auch als Ertragsteuer verstanden werden konnte, weil sie je nach ihrer rechtlichen Konstruktion Besitz oder Gewinn belastete, und manche Varianten unerwünschtermaßen auch unter die Luxus-, Genuß- oder Kopfsteuern eingereiht werden mußten, knüpften alle Kameralisten die (63) Eschenmayer S. 83. (167) Leipziger S. 354. 58 (277) Sensburg S. 3. 5t (63) Eschenmayer S. 23. 56 57

9.2. Die Besteuerung der aufstehenden Gebäude

239

Besteuerung an den Nutzungswert der Gebäude, der aus der Nutzungsart abzuleiten ist. Gebäude können durch Vermietung oder für Eigenzwecke genutzt werden. Die Nutzung kann gewerblich oder für Wohnzwecke sein. Man kann Gebäude auch ungenutzt lassen, entweder weil sie nicht nutzungsfähig sind oder weil man aus privaten Gründen auf Nutzung verzichtet. 9.2.3.1. Soweit Häuser durch Wohnungsvermietung genutzt werden, bejahte man allgemein die Eignung der Gebäude als Besteuerungsobjekt. Die weitere Frage, ob als Besteuerungsgrundlage der Mietertrag zu wählen sei, wurde aber davon gesondert gesehen, worauf noch einzugehen sein wird. 9.2.3.2. Die Vermietung von gewerblich genutzten Räumen wollte man der Wohnungsvermietung gleich behandeln, weil zugegebenermaßen für den steuerpflichtigen Vermieter kein Unterschied besteht, ob sein Mieter die Räumlichkeiten privat oder gewerblich nutzt6°. Soweit man sich auf die Besteuerung des Vermietungsnutzens beschränken wollte, lag unstreitig eine ertragssteuerartige Abgabe vor6 1 • Nach Auffassung der Kameralisten trug das aber den fiskalen Interessen nicht genügend Rechnung, weil nur ein verhältnismäßig geringer Anteil der Gebäude durch Vermietung genutzt wurde62 • 9.2.3.3. Die gewerbliche Nutzung von Räumen im eigenen Gebäude sollte nach einhelliger Meinung keiner gesonderten Gebäudesteuer unterliegen, weil der Ertrag aus dem Gewerbe schon über die Gewerbeoder die allgemeine Einkommensteuer aus Gewerbebetrieben besteuert wurde 63 • 9.2.3.4. Die Meinungen entzündeten sich zu der steuerlich zeitlosen Frage, ob das Wohnen im eigenen Haus oder in der eigenen Wohnung ein geeignetes Steuerobjekt sei. Befürworter und Gegner hielten sich damals wie heute die Waage. Den Charakter einer solchen Steuer bestimmte man jedenfalls nicht als Ertragssteuer, da auf diese Weise das Kapital angegriffen wird, denn der Eigentümer nimmt nichts ein, obwohl der Kapitalwert durch den Abwohnungsverbrauch sinkt64 • Während der Hochkameralismus die Eigennutzung ohne Angabe von Gründen unbesteuert lassen wollte 65 , empfahl Adam Smith die Besteu.-

(234) Rau Bd.2 S.137. (83) Fulda S. 201. 62 (262) Schlözer S. 187. 63 (222) Pfeiffer S.305; (229) Prätorius S. 191 bezog in diese überlegungen auch die Privatwohnungen der Produzenten ein, bejahte also in diesen Fällen eine mittelbare gewerbliche Nutzung; vgl. ferner (83) Fulda S. 201; (122) Jakob Bd. 1 S. 535; (234) Rau Bd. 2 S. 138 f. 64 (47) Darjes S.562; (142) Keßler S.120. 65 (222) Pfeiffer S. 305. 60

61

240

9. Ausgewählte Steuerarten

erung nach dem mutmaßlichen Mietzins66 • Als Begründung wurde allgemein angeführt, es handle sich um die Besteuerung ersparter Mietaufwendungen, die bei Fremdvermietung gezahlt werden müßten 67 , so daß selbstbewohnte Häuser zwar kein positives, aber doch ein negatives Einkommen abwerfen 68 • Keßler bemerkte zu dieser Argumentation höhnisch, dann müsse man konsequenterweise, wenn wegen fehlenden Eintrittsgeldes beim Besuch des Hoftheaters man hinausgeworfen werde, 48 ersparte Kronen versteuern 69 • Es liege im Grunde ein fiktives Einkommen der Besteuerung zu Grunde. Damit bewegte sich die kameralistische Diskussion auf dem Niveau der Gegenwart, die auch über die pragmatische Begründung der Besteuerung fiktiven Einkommens als gesetzespositivistisch herausgehobener Sonderfall nicht hinausgekommen ist. 9.2.3.5. Einig war man sich dagegen in der Nichtbesteuerung völlig ungenutzter Gebäude70 , soweit darin allerdings keine Willkür lag, die man teilweise einer Art Luxusbesteuerung unterwerfen wollte (Besteuerung leerstehender Schlösser oder um bessere Marktpreise für Mieten abzuwarten)11. Es sollte also immer nur die wirkliche, nie die wie auch immer geartete mögliche Nutzung besteuert werden72 • 9.2.3.6. Immerhin meldeten viele Kameralisten Zweifel an, ob eine Gebäudesteuer, die sich nicht am reinen Mietnutzen orientiere, nicht eher eine Besitz-, Real- oder Vermögenssteuer darstelle73 • Soweit man die eigengenutzten Wohnungen besteuerte, gab man zum Teil auch zu, daß es sich dann um eine Verbrauchs- oder Genußsteuer handle74 • Als Ideal befürwortete man nur eine Gebäudesteuer mit reiner Ertragssteuerstruktur75 • 9.2.4. Von der Frage des Besteuerungsobjekts oder dem Charakter der Besteuerung trennten die Kameralisten die weniger dogmatische (282) A. Smith Bd.3 S. 244; (63) Eschenmayer S.26. (154) Kröncke S.97; (122) Jakob Bd.1 S.526; (234) Rau Bd.2 S.128. 68 (297) Strelin S. 78. 69 (141) Keßler S. 44. 70 (282) A. Smith S.245; (122) Jakob Bd.1 S.526; (254) Sartorius S.197. 71 (12) Behr S.118; (229) Prätorius S.191; (63) Eschenmayer S. 25 f.; anders (122) Jakob Bd.2 S.901, der nur echte reale Häuserrenten besteuern will. 72 (47) Darjes S.563. 73 (82) Fulda S.968; (80) Fulda S.310; (115) Seeger S. 51 f. nimmt eine gemischte Einkommen- und Vermögenssteuer bei der damals üblichen Häusersteuer an, da man häufig ohne Beachtung der Hausrente besteuere; vgl. ferner (142) Keßler S. 120; (83) Fulda S.200. 74 (82) Fulda S.969; (264) Schmalz S.319; (147) Krehl S.104; (122) Jakob Bd.2 S.901. (234) Rau Bd.2 S.227 lehnt die Wohnungssteuer deshalb ab; vgl. auch (159) Lamprecht S. 313. 75 (122) Jakob Bd. 1 S. 531; (83) Fulda S. 205. 66 67

9.2. Die Besteuerung der aufstehenden Gebäude

241

als pragmatische Frage des Besteuerungsmaßstabes bei der Häusersteuer. 9.2.4.1. Allgemein abgelehnt wurde eine Besteuerung nach äußerlichen schematischen Merkmalen wie Zahl der Stockwerke, Zahl der Räume, Fenster, Rauchfänge und dergleichen16 • Da diese Merkmale keine sachgerechten Kriterien darstellen, dienen sie nur als Anknüpfungspunkt für die Steuerpflicht und verleihen der Gebäudesteuer den Charakter einer schematischen Kopfsteuer l1• Außerdem befürchtete man baulich unerwünschte Folgen wie dunkle fensterarme Häuser und überschmälerter Giebelbau oder das aus sozialen Gründen unerwünschte Zusammendrängen großer Familien in wenigen Räumen, um Steuern zu sparen. 9.2.4.2. Empfehlenswert empfand man den Kapitalwert als Besteuerungsgrundlage, der allerdings der Häusersteuer den Charakter einer Vermögenssteuer verleiht, da er zur Substanzbesteuerung führen kann. Der Kapitalwert kann unterschiedlich bestimmt werden. Gegen die Bemessung nach Nutzfläche erhob man die genannten Bedenken18• Die Nutzfläche läßt nur bedingt Aussagen über den Wert eines Hauses ZU79 • Außerdem hielt man geräumige Wohnflächen für einen zu fördernden, der Allgemeinheit nützlichen Luxus, den man nicht steuerlich hemmen wollte 80. Dagegen bemühte man sich, den Kapitalwert nach dem Substanzwert zu bestimmen81 • Man wollte den Aufwand zur Errichtung eines Hauses nach Baukosten und Umfang des Baues schätzen und die Lage sowie die Lasten des Hauses82 berücksichtigen83• Als Ergebnis dieser Schätzung ergab sich eine Art Wiederbeschaffungswert84, der sich auch aus dem Wert der Brandversicherungskassen ableiten läßt85 • Die praktischen Schwierigkeiten einer derartigen Wertermittlung waren bekannt. Einfacher ließ sich der Kapitalwert aus dem Marktwert der Häuser ableiten, der sich aus Vergleichskäufen ergab 86• Der Einfachheit dieser Wertermittlung stand ihre unzuverlässige Aussagekraft für den realen wirtschaftlichen Wert des Gebäudes gegenüber. Den Kamera76 (173) Lith S.208; (296) Strelin S.116 f.; (254) Sartorius S.198; (83) Fulda S. 203; (275) Seeger S.53; (303) Sturm S.189; (7) Baumstark S.738. 17 (296) Strelin S. 116 f. 78 (229) Prätorius S.83; (262) Schlözer S.190; (7) Baumstark S.737. 7' (225) Pfeiffer Bd. 5 S. 310. 80 (173) Lith S.211; (296) Strelin S.117; (229) Prätorius S.84. 81 (83) Fulda S.202; (294) Stokar von Neuform S.38. 82 (136) Justi Bd.2 S.325; (51) Döhler S. 108. 83 (275) Seeger S.52; (234) Rau Bd.2 S.136. 84 (98) Harl Bd.1 S. 149: "Totalaustauschwert". 85 (262) Schlözer S. 188 f. 86 (136) Justi Bd.2 S.325; (98) Harl Bd.1 S.154; (234) Rau Bd.2 S.132.

16 Jenetzky

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9. Ausgewählte Steuerarten

listen waren die Folgen der Unvermehrbarkeit des Grund und Bodens, des Über- und Unterangebots an Bauplätzen87 und der psychologisch bedingten Vorliebe für das eigene Haus bekannt. Sie wußten, daß die Errichtung eines Hauses oft mehr kostet, als später beim Verkauf erlöst werden kann 88 • Ebenso war ihnen bekannt, daß der kapitalisierte Ertragswert der Gebäude infolge geringen Mietzinsniveaus oft hinter den Verkehrswerten der Häuser zurückbleibt89 • Das Schwanken der Kaufpreise für Gebäude erschwerte eine kontinuierliche Wertbestimmung zusätzlich90 • 9.2.4.3. Als optimaler und gerechtester Maßstab galt deshalb der Nutzungswert, bei dem aber die Ermittlungsschwierigkeiten am größten waren. Der Nutzungswert leitete sich immer aus dem Rohertragswert ab. Bei eigengenutzten Wohnungen deckte er sich mit dem Genußwert, der aus vergleichbaren Mieten ermittelt wurde91 • Bei vermieteten Räumlichkeiten schritt die Besteuerungstechnik von der Anknüpfung an die rohen Mietzinseinnahmen92 über die Besteuerung des mittleren geschätzten reinen Ertrages 93 zur Besteuerung des real erzielten Ertrages abzüglich der wirklich entstandenen Aufwendungen94 • 9.2.4.4. Wegen der praktischen Schwierigkeiten der Wertermittlung suchte man einen praktikablen Kompromiß in der kombinierten Anwendung der verschiedenen Wertbestimmungsmethoden. Man versuchte Kapital- und Ertragswert heranzuziehen und wollte die unterschiedlichen Werte behutsam aufeinander abstimmen. Das Fehlen eines richtigen Besteuerungsmaßstabes wurde allgemein bemängelt95 • Hier krankte das Besteuerungssystem der Zeit an der Schwierigkeit einer konkreten Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in Ermangelung einer allgemeinen Buchführungspflicht einschließlich der Verpflichtung zur Aufbewahrung der Belege. 9.2.5. Aus der Gliederung der ertragswerfenden Kapitalien in Grund-, Gewerbs- und Geldkapital und den entsprechenden daraus entspringenden Rentenarten leiteten die Kameralisten eine genauere Einteilung und Differenzierung der verschiedenen Häuserertragsarten ab. (225) Pfeiffer Bd.3 S.144; (122) Jakob Bd.1 S.520. (51) Döhler S. 109. 89 (66) Eulner S.7; (173) Lith S.213; (225) Pfeiffer Bd.3 S.144; (66) Eulner S.19. 90 (51) Döhler S. 109; (264) Schmalz S.319. 91 (254) Sartorius S.197; (12) Behr S.118. 92 (135) Justi S.448; (63) Eschenmayer S.24; (12) Behr S.118; (7) Baumstark S. 738. 93 (136) Justi Bd.2 S. 325; (253) Sammlung von Aufsätzen S. 327; (83) Fulda S. 203 f.; (98) Harl Bd. 1 S. 154; (234) Rau Bd.2 S.130. 94 (303) Sturm S. 189. 95 (229) Prätorius S. 183; (7) Baumstark S. 737 f. 87 88

9.2. Die Besteuerung der aufstehenden Gebäude

243

9.2.5.1. Adam Smith trug die Begriffe Kapital und Rente in den mitteleuropäischen Raum. Eulners Benennung des "Steuerkapitals" bezog sich auf die alten Kapitalisierungsversuche regelmäßig zu erwartender Erträge und hatte mit dem neuen Wertkapitalbegriff weder historische noch definitionsmäßige Beziehungen96 . A. Smith unterschied als erster die beiden Teile der Grundrente: Die eigentliche Grundrente oder der Grundzins als Nutzen der Bodenfläche und die Gebäude- oder Baurente als Nutzen des aufstehenden Gebäudes 97 . Die Bezieher der beiden Rentenarten können verschiedene Eigentümer sein. Als Baurente bezeichnete er den Zinssatz, den der Hauseigentümer über den üblichen Geldszinssatz durch Mieten oder gewerbliche Erträge aus dem Haus erzielt. Wenn Geldkapital 4 % Zinsen bringt und der Hauseigentümer über Mieten 61/2 % erzielt, so beträgt nach Smith die Hausrente 21/2 %98. Der Grundzins tritt noch hinzu99 ,loo und drückt sich meist nur im Verkehrswert der bebauten Grundstücke aus, weshalb die Häuserwerte auf dem Lande niedriger liegen als in der Stadt101 . Sartorius wiederholte die Gedanken Smith' wörtlich als eigene Erkenntnis102. Nur bei Beschränkung auf Vermietungserträge bleibt die Hausrentensteuer eine Ertragssteuer, andernfalls mindert sie den Kapitalwert der Gebäude 1u3. Diese Folge tritt insbesondere bei Besteuerung leerstehender Gebäude ein104. Nach Smith wurde die Unterscheidung von Boden und aufstehenden Gebäuden als gesonderten Steuerobjekten bei verschiedenen Steuerarten und als Träger unterschiedlicher Rentenarten wissenschaftliches GemeingutlOS. Das Baukapital und die daraus entspringende Baurente gliederte man in das eigentliche Erbauungskapital, das Erhaltungskapital und das Verbesserungskapitap06. 9.2.5.2. Parallel zur Baurentenproblematik entwickelten sich die Abwälzungsprobleme. Smith vertrat die Auffassung, die Auflage auf die Hausrenten sei fast immer über die Miete auf den Mieter abwälzbar, während der Grundzins nicht über Mieten oder Verkaufspreise abwälzbar sei und dem Eigentümer der Grundrente zur Last falle 107. Letztlich 96 (66) Eulner S. 19; (47) Darjes S. 563 f. 97 (282) A. Smith S. 238. 98 (282) A. Smith S.239, 247. 99 (80) Fulda S. 310. 100 (234) Rau Bd. 2 S. 65. 101 (282) A. Smith Bd.3 S. 239, 247. 102 (254) Sartorius S. 192 ff. 103 (83) Fulda S. 206 f.; (142) Keßler S. 119 f.; (141) Keßler S.48. 104 (12) Behr S. 134. 105 (45) Crome Bd.l S.93; (122) Jakob Bd.l S.516; (234) Rau Bd.2 S. 125 f. 106 (122) Jakob Bd. 1 S. 517: (234) Rau Bd.2 S. 125 f. 107 (282) A. Smith Bd.3 S.240, 243 f.; (185) Mill S.372. 16'

9. Ausgewählte Steuerarten

244

trage die Hausrentensteuer der Mieter aus einer anderen Quelle seines Einkommens. Begründungen dafür gab Smith nicht. Ricardo bestritt diese Auffassung108 • Die deutschen Kameralisten bezweifelten die Abwälzbarkeit der Gebäudesteuer im Regelfall und konnten dafür Beispiele aus der Besteuerungspraxis anführen 109 • 9.2.5.3. Da die Häusersteuer im Staatsetat einen nicht unbedeutenden Posten bildete, war es nicht verwunderlich, daß die Kameralisten auch die wirtschaftsfreundlichen Aspekte dieser Steuer erörtern. So empfahl man, die Steuern nicht zu erhöhen, wenn Häuser repariert, verschönert oder vergrößert werden, um die Leute vom Bauen und von Verbesserungsarbeiten nicht abzuhalten llO • Später trat die überlegung hinzu, daß bei Verbesserung von Gebäuden die Miete oft mehr steigt als die Abgabe111 • Stokar von Neuform riet zur Einräumung von Freijahren für neuerbaute und verbesserte Häuser und eilte damit seiner Zeit weit voraus112 • 9.2.5.4. Wenig Beachtung schenkte man dagegen der Höhe des Steuersatzes bei der Häusersteuer. Wegen der vielen tatbestandlichen Faktoren, die das Gewicht dieser Steuer bestimmten, kam dem Steuersatz eine untergeordnete Bedeutung zu. Als empfohlene oder hergebrachte Steuersätze traten der 7. 113, der 8.,10., oder 14. auflU. Wichtiger erschien den Kameralisten eine zutreffende Gewinnbesteuerung bei der Gebäudesteuer, um eine substanzschädigende überbesteuerung zu vermeiden. 9.2.6. Die alten Merkantilisten besteuerten unbekümmert die Roherträge. Es war das Verdienst des Verwaltungskameralismus, die Bedeutung der "Kultivierungskosten" , das heißt der Betriebsausgaben erkannt zu haben. Darauf wurde oben schon ausführlich hingewiesen. Den Denkanstoß in dieser Richtung gab die Häusersteuer. Die laufenden Unterhaltungskosten der Gebäude erwiesen offenkundig, daß die eingenommene Miete nicht den reinen Gewinn darstellen kann. Justi riet, die eingenommenen Mieten nur zur Hälfte als reinen Gewinn zu rechnen und die andere Hälfte als geschätzte jährliche laufende Baukosten frei zu lassen115 • Schon der von deutschen Kameralisten vielzitierte Marschall Vauban hatte in seinem Projekt eines königlichen Zehnten den Abzug des fünften Teils der Einnahmen für Verbesserungskosten 108 109 110 111

112 113 114 115

(239) (234) (296) (294) (294) (135) (222) (136)

Ricardo S. 197. Rau Bd.2 S.127; (122) Jakob Bd.1 S.522. Strelin S.117; (229) Prätorius S. 85; (294) Stokar von Neuform S. 38. Stokar von Neuform S. 39. Stokar von Neuform S. 40. Justi S. 449. Pfeiffer S. 305. Justi Bd. 2 S. 325.

9.2. Die Besteuerung der aufstehenden Gebäude

245

für richtig befunden, ehe der Gewinn ermittelt wurde116 • Döhler wollte auch die auf Häusern ruhenden Rechte und Lasten berücksichtigen und wies darauf hin, daß ein auf einem Haus ruhendes Braurecht dessen Wert und Ertrag beeinfiußt111• Bei Schlözer traten die Aufwendungen dann schon als jährliche Abnutzungskosten auf118 • Der Sache nach waren damit Absetzungen für Abnutzung im modernen Sinne gemeint. Kröncke wollte die Unterhaltskosten und die Verschleißkosten nebeneinander abziehen lassen 119 • Ersteres stellte den laufenden Erhaltungsaufwand und letzteres die Wertminderung des Gebäudes dar. Jakob analysierte den Gebäudeaufwand und teilte ihn in die Kapitalzinsen für Boden und Gebäude, den laufenden Aufwand und die auf dem Haus ruhenden Staats- und Kommunallasten ein12o • Die Miete bezeichnete er deshalb zutreffend als gemischtes Einkommen. Die Kapitalzinsen für das Gebäude sind bei Fremdfinanzierung ein einheitlicher Posten. Bei Eigenfinanzierung gliedern sie sich in Verzinsungsbetrag, Versicherungskosten und Gebäudeverschlechterung durch Alterung, da diese Posten sich im Entleihungsfall als Kapitalverzehr und -verzinsung darstellenl21 • Nach Abschluß der Entwicklung gliederten sich die Aufwendungen in Unterhaltungskosten, Wertverzehr, öffentliche oder private Belastung und übliche Zinsen. 9.2.7. Im Spätkameralismus gelangte man nach einigen primitiveren Schätzungsversuchen122 so zu einer differenzierten Formel. Man zog von den erzielten Mieteinnahmen den Kapitalzins des Bodens und den Kapitalzins des Gebäudes ab, wobei sich letzterer in den Wertverzehr des Gebäudes durch Alterung, den Erhaltungsaufwand, den Verbesserungsaufwand, die Gebäudelasten, die Versicherungskosten und die Verzinsung der Kapitalsumme gliederte. Der überschießende Betrag bildete dann den Reingewinn, von dem die Steuer zu entrichten war l23 • 9.2.8. Obwohl die Häusersteuer von vielen Kameralisten strikt abgelehnt wurde124, bezog sich die Kritik der Sache nach nur auf die geltenden sehr mangelhaften zeitgenössischen Gebäudesteuernl25 • Eine allgemeine Einkommensteuer konnte die Häuser nicht aussparen, und die befürwortete allgemeine Grundsteuer als partikuläre Einkommen116 117 118 119 120 121 192 123 124 125

(22) Bergius Bd.9 S. 199. (51) Döhler S. 108. (262) Schlözer S. 188. (154) Kröncke S. 98. (122) Jakob Bd.1 S.517. (234) Rau Bd. 2 S. 124. (98) Harl Bd. 1 S. 154. (122) Jakob Bd. 1 S.518. (225) Pfeiffer Bd. 3 S. 143; (63) Eschenmayer S. 24. (276) Sensburg S.88; (277) Sensburg S.2.

246

9. Ausgewählte Steuerarten

steuer auf bestimmte Objekte forderte geradezu gebieterisch die Erfassung der aus Gebäudenutzungen entspringenden Einkünfte 126 • Die leichte Erkennbarkeit des Besteuerungsobjekts ermöglichte eine differenzierte Erfassung der Gebäude und bot den Kameralisten allgemeine steuerliche Erkenntnisse, die aus weniger sinnfälligen und konstruktiv einfacheren Steuern nicht zu erwarten waren 121• So kann die Gebäudesteuer als Beispiel einer Steuerart dienen, die von den Kameralisten aus einem Relikt überholter Rechtsstrukturen in eine den wirtschaftlichen Erfordernissen der neueren Zeit und den Rechtsprinzipien des rechtsphilosophischen Kameralismus genügende Teilsteuer der aufsteigenden Einkommensteuer umgewandelt wurde. 9.3. Die Steuer aus dem Zinsertrag verliehener Geldkapitalien Sorgten die Kameralisten bei der Abzugssteuer für die Aufhebung dieser Steuerart, konstruierten sie aus der alten Häusersteuer eine moderne partielle Einkommensteuer auf Gebäude, so haben sie die Kapitaliensteuer erst geschaffen. 9.3.1. Die zu Beginn der Neuzeit üblichen rohen Vermögenssteuern sahen in der Erfassung der Zinserträge kein Problem und besteuerten alle greifbaren gewerblich genutzten Objekte. Die Zinsfeindlichkeit der nachwirkenden Scholastik ließ keine besondere Sympathie mit den Geldkapitalbesitzern aufkommen. Nach Auflösung dieser Steuern schieden die Geldverleiher aus dem Kreis der Steuerpflichtigen aus 128 • Der Kapitalbedarf in Europa rechtfertigte nach Auffassung der Zeitgenossen diese Schonung. Mit dem Wachsen der Kapitalmengen und der Verbreitung allgemeiner Vertragssteuern erschien diese Schonung einer bestimmten Gruppe aber immer weniger einsichtig. Adam Smith empfahl den faulen Kompromiß einer sehr niedrigen Besteuerung der Zinserträge 129 • Die Mehrzahl der Kameralisten lehnte die Besteuerung der Zinserträge ab. Die gewichtigen Stimmen der starken Minderheit1 30 und der zu erwartende fiskalische Vorteil überwanden alle liberalistischen Bedenken des Hoch- und Spätkameralismus. 1820 führte Württemberg als Vorreiter die Geldkapitalienbesteuerung ein131 • Bald wurde sie allgemein üblich. Es spricht wenig für die wissenschaftliche Lauterkeit einiger besonders eifriger Gegner dieser Besteuerungsart, daß 126 127 128 129 130 131

(294) Stokar von Neuform S. 43; (98) Harl Bd. 1 S.146. (234) Rau Bd. 2 S. 122. (234) Rau Bd.2 S. 168 f. (282) A. Smith S. 254. (234) Rau Bd.2 S. 168 f. (12) Behr S.101; (287) Späth S.44.

9.3. Die Steuer aus dem Zinsertrag verliehener Geldkapitalien

247

gerade sie größere Vermögenswerte nach ihrer persönlichen Biographie vermuten lassen, die ihnen Zinserträge versprachen. Eine besondere Untersuchung dieser im persönlichen Lebensbereich der kameralen Steuerwissenschaftler gelagerten Fragen dürfte nicht uninteressant sein, würde aber den hier gestellten Fragenkreis sprengen. 9.3.2. In den schwärzesten Farben schilderten die Gegner der Besteuerung von Zinserträgen aus verliehenen Kapitalien die schrecklichen Folgen einer steuerlichen Erfassung der Kapitaleigner. 9.3.2.1. Besonders die angeblichen volkswirtschaftlichen und psychologischen Folgen hatten es den Kameralisten angetan. Handel und Wandel würden gehemmt, da die Kreditgeber das Geld lieber ruhen lassen würden, als die Steuer zu entrichten132. Da in- und ausländische Kreditgeber gleich zu behandeln wären, würde niemand mehr im Inland Geld verleihenl 3'3. Der verhängnisvolle merkantilistische Irrtum, Geld mit Kapitalreichtum zu verwechseln, wirkte nach und setzte Geldflucht mit Kapitalflucht gleich l34 • Obwohl man theoretisch von dieser Gleichsetzung abgerückt war, fehlte doch die Einsicht, daß alles Geld nur kraft staatlicher Sanktion Wert verkörpert und jeder ausgeführte Taler im Ausland nur soviel Deckung genießt, wie es der Prägestaat garantiert. Kein Kameralist zog die Folgerung, daß jeder Staat die Geldflucht durch Münzumtausch verhindern könnte, wie überhaupt jede Enteignungsaktion ohne Entschädigung auch aus den lautersten Motiven der Kameralepoche fremd blieb. Besonders die befürchtete Kapitalflucht kehrte als kameralistische Zwangsvorstellung in vielen Wendungen wieder135. Ebenso viel Augenmerk richtete man auf die vielgefürchtete Vermögensentdeckung136. Wie bei allen Irrationalismen, die egoistische Standesinteressen verdecken, gab man keine echte Begründung, sondern wiederholte die Glaubensformel in starken Wendungen. Besonders der Altmeister Justi tat sich hierin hervor137. Wegen der Leichtigkeit, Geldkapitalien verbergen zu können, bezeichnete er die Kapitaliensteuern "allen guten Grundsätzen zuwider"138. Die Schwierigkeit der Erfassung der Kapitalien konnte als einigermaßen sachgerechtes Argument geltend gemacht werden139. Adam Smith be-

132 (66) Eulner S.46; (326) Zincke S.923; (136) Justi Bd.2 S.47. 133 (66) Eulner S.47. 134 (66) Eulner S.49, 51. 135 (31) Börner Bd. 2 S.312; (222) Pfeiffer S.236; (225) Pfeiffer Bd.3 S.145; (254) Sartorius S. 199 f.; (156) Krug S.152; (294) Stokar von Neuform S. 59 f.; (167) Leipziger S.346. 136 (136) Justi Bd.2 S. 344, 396. 137 (133) Justi S.373; (135) Justi S.495. 138 (132) Justi S.49. 13U (225) Pfeiffer Bd.4 S.196; (167) Leipziger S.344; (122) Jakob Bd.l S.545.

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9. Ausgewählte Steuerarten

trachtete in übersteigerter Hochschätzung der Privatsphäre des einzelnen die Nachforschung nach persönlichen Geldkapitalien als unanständigen Eingriff in die privaten Angelegenheiten der Staatsbürger14o • Die mitteleuropäischen Kameralisten übernahmen diesen liberalen Gedankengang141 • Fulda befürchtete Schäden für die allgemeine Steuermoral und glaubte, die Zahl der heimlichen Geldverleihungen werde stark zunehmen142 • Erst im neunzehnten Jahrhundert gewann eine nüchternere Betrachtung Raum und die Befürworter der Zinsbesteuerung erlangten das übergewicht143• Crome wies die Befürchtung der Kapitalflucht zurück, da das Ausland gar nicht aufnahmefähig für das reichlich vorhandene Fluchtkapital sei144 • Jakob verneinte das Vorliegen des Tatbestandes der Vermögensentdeckung und des unzulässigen Eindringens in die Privatsphäre, da die Verhältnisse bei Grundstücken und Gewerbebetrieben auch dem Staat bekannt sind, ohne daß sich jemand beschweren kann140 • Ebenso lehnte Jakob die Kapitalfluchtgefahr ab, weil Geld dorthin ströme, wo der höchste Zins lockt und außerdem eine gewisse Abneigung bei inländischen Kapitalbesitzern besteht, Geld in das Ausland zu leihen, da es dort einer höheren Verlustgefahr unterworfen sei, da jeder Staat seine eigenen Bürger als Kapitaleigner besser schützt als ausländische Zinsbezieher146 • Strelin goß seinen Spott darüber aus, daß jemand die Steuer mehr fürchten könne, als er den Wunsch nach Zinserhöhung verspüre 147• Im westlichen Europa bestand ein ähnlicher Trend14B • Der Vorwurf, eine hohe Steuer könne zur Verheimlichung von Kapitalausleihen führen, war sicher nicht ganz unbegründet149 • Nur vereinzelte Stimmen vertraten noch die alten Argumente gegen die Kapitalzinssteuer 15o • Rau bewies, daß die meisten Kapitalien ihrem Wesen nach nicht fluchtgefährdet sind. Öffentliche Gelder bleiben im Lande (Gelder der Stiftungen, Gemeinden, mündelsicheres Kapital). Privatleute scheuen wegen mangelnder Kontrollmöglichkeit die Ausleihe außer Lande. Bewegliche Bankiers und Großhändler kann der Staat ohne große Mühe kontrollieren. Im Ausland entstehen höhere Verwaltungskosten für den Zinsbezug. Wer auswandert, der faßt diesen Beschluß wegen Bedrückung und Eigentumsver140 141 142 143 144 145

146 147 148 149 150

(282) A. Smith Bd.3 S.253, 256. (82) Fulda S.1018; (63) Eschenmayer S.61; (167) Leipziger S.343. (82) Fulda S. 1019. Ablehnend (142) Keßler S. 123. (45) Crome Bd.l S.32. (122) Jakob Bd.2 S.921. (122) Jakob Bd.2 S.923. (297) Strelin S.192; ebenso (234) Rau Bd.2 S.171. (185) Mill S. 353. (83) Fulda S.216. (277) Sensburg S. 16 f.; (234) Rau Bd.2 S.170; (7) Baumstark S. 739 f.

9.3. Die Steuer aus dem Zinsertrag verliehener Geldkapitalien

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lust, nicht aber wegen einer angemessenen Steuer in einem wohlgeordneten Staat. Nachteilige Folgen auf den Staatskredit waren nirgendwo nach Einführung der Kapitaliensteuer feststellbar l51 • Damit waren die Rationalisierungen von Privategoismen der hochkameralistischen Epoche erledigt. 9.3.2.2. Fundierter war die Kritik hinsichtlich der befürchteten Rechtsfolgen und -wirkungen einer Kapitalienbesteuerung. 9.3.2.2.1. Der erst in der Endphase des Kameralismus aufgetretene Meinungsstreit um die Besteuerung ursprünglichen und abgeleiteten Einkommens wirkte schon unerkannt im Früh- und Hochkameralismus. Der Irrtum, eine Summe Geldes, die schon bei einem Steuerpflichtigen besteuertes Einkommen gewesen war, könne bei einem späteren Glied der Kette kein steuerpflichtiges Einkommen mehr sein (Unternehmer zahlt aus seinem versteuerten Gewinn seinem Diener Lohn: Unterliegt dieser Lohn nochmals der Besteuerung?), führte zu dem Vorwurf, die Besteuerung der Kapitalien stelle eine unzulässige Doppelbesteuerung dar. Justi vertrat zuerst die Auffassung, Kapitaleinkünfte seien oft schon über die Gewerbebetriebe besteuert worden l52 • Darjes stützte den gleichen Fehlschluß auf das Argument, der Kapitalist steuere schon über seinen Verbrauch ausreichend l53 • Zutreffend argumentierte dagegen Crome, wenn er nur ausgeliehene Kapitalien besteuern wollte, weil das Eigenkapital schon bei der Besteuerung nach dem Gewerbeertrag erfaßt werde l54 • Leipziger vertrat voll die fehlerhafte Theorie vom abgeleiteten Einkommen und nannte jede Kapitalienbesteuerung eine Doppelbesteuerung, weil das Kapital als Produkt geleisteter Arbeit schon einmal Abgaben getragen hat l55 • Dabei unterlief ihm noch der zusätzliche Denkfehler, zu übersehen, daß die Kapitaliensteuer nur die Zinserträge besteuerte und dieser Ertrag noch nie besteuert worden war. 9.3.2.2.2. Ob die Zinskapitalbesteuerung einen Einfluß auf die Zinshöhe ausübt, wurde auch häufig erörtert. Sofern der Zinssatz um die volle Steuersumme anstieg, war dem Steuerpflichtigen die volle Abwälzung der Steuer auf den Entleiher gelungen. Smith lehnte die Abwälzbarkeit ab l56 • Dagegen war im Kameralismus die herrschende Meinung eher vom Steigen des Zinsfußes durch Steuererhebungen überzeugt1 51• (234) Rau Bd. 2 S. 172 f.; ebenso schon (173) Lith S. 220. (133) Justi S.373; (63) Eschenmayer S.63. 153 (47) Darjes S.575; (7) Baumstark S.740; (326) Zincke S.923. 154 (45) Crome Bd.l S.236; (122) Jakob Bd.2 S.918. 155 (167) Leipziger S. 342. 156 (282) A. Smith Bd. 3 S. 252. 151 (185) Mill S.352; (294) Stokar von Neuform S.58; (142) Keßler S.122; (254) Sartorius S. 201. 151

152

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9. Ausgewählte Steuerarten

Die Spätzeit des Kameralismus brachte die Einsicht in die Zusammenhänge und nannte als Bestimmungsfaktor des Zinssatzes allein das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Da die Besteuerung die Nachfrage nach Kapital nicht erhöht, wird auch der Zinssatz kaum steigen und die Abwälzung mißlingen l5B • Soweit allerdings ein Gefälle der Steuersätze besteht, erhöht sich der Preis der besteuerten Kapitalien und diese wandern in beschränktem Umfang entsprechend der Marktlage in Niedrigsteuerländer ab l59 • Die Wirksamkeit eines gesetzlichen Abwälzungsverbots bei Strafe der mehrfachen Besteuerung lehnte man in der Kameralwissenschaft ab, weil man wenigstens in der Spätzeit des Kameralismus die beschränkte Beeinflußbarkeit wirtschaftlicher Gesetze durch Maßnahmen des Gesetzgebers durchschaut hatte l60 • 9.3.2.2.3. Einen echten Einwand gegen die Besteuerung der Zinsen bildete die Umgehungsgefahr l61 • Leipziger hielt die Abzugssteuer für eine echte Strafsteuer zur Verhinderung der Kapitalzinssteuerumgehung l62 • Man übersah dabei geflissentlich, daß diese Gefahr bei einer rigorosen und strengen Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen, die man aus anderen Gründen dringend ablehnte, vermieden werden konnte. 9.3.2.2.4. Stokar von Neuform hielt eine Kapitalienbesteuerung wegen der damals schon laufenden Geldentwertung für überflüssig. Da der sinkende Geldwert die großen "faulen" zinstragenden Kapitalvermögen vermindert, müssen diese auch ohne Steuerbelastung bald in der Landwirtschaft oder den Gewerben eine Tätigkeit suchen, um ihren Lebensunterhalt zu sichernl63 • Außerdem hielt man den Anhängern einer Zinsbesteuerung den zutreffenden Einwand entgegen, bei Wohlstand und Frieden vermehre sich das Kapitalangebot ständig und über das stete Fallen des Zinssatzes erledige sich das Problem von selbstl64 • Der aufklärerische Optimismus der Kameralisten übersah bei dieser an sich zutreffenden Beobachtung die Möglichkeit von Kriegen und Kapitalstreiks. 9.3.3. Zwar nicht der historisch wohl aber der wissenschaftsdogmatisch nächste Schritt waren verschiedene Rechtfertigungstheorien, die sich für eine Besteuerung der Kapitaleinkünfte aussprachen. Der von Justi stark bekämpfte Lith sprach als erster das wertende Pauschal(45) Crome Bd.2 S.30; (234) Rau Bd.2 S.175. (83) Fulda S. 217. 160 Die Praxis handelte nicht immer so einsichtig: (234) Rau Bd.2 S.176; vgl. ferner (22) Bergius Bd. 9 S. 218. 161 (234) Rau Bd. 2 S. 183. 162 (167) Leipziger S. 354 f. 163 (294) Stokar von Neuform S. 12, 52. 164 (234) Rau Bd.2 S.183; (173) Lith S.190, 187. 158

159

9.3. Die steuer aus dem Zinsertrag verliehener Geldkapitalien

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urteil, wer von Zinsen lebe, sei ein fauler und unnützer Untertan, und nur die unabweisbare Notwendigkeit jüngerer Unternehmen, den Kreditbedarf im Entleihverkehr zu befriedigen, hielte den Stand der Zinsrentner am Leben 165 • Förster wendete sich ebenfalls gegen Justi; da ausgeliehene Kapitalien Gewinn brächten, fielen sie unter die zu fordernde allgemeine Gewinnbesteuerung166 • Börner leitete die Besteuerungswürdigkeit der Kapitalvermögen aus den Besteuerungsgrundsätzen ab. Weil sie sich zwanglos unter die allgemein anerkannter Steuerregeln subsumieren ließen, müsse man ihre Steuerwürdig,keit gleichfalls akzeptieren167• Strelin argumentierte, die Teilhabe des zinseinnehmenden Kapitalisten an den Reichtümern des Landes verpflichte den Geldkapitalisten verbindlich zur Steuerzahlung168 • Wuz erkannte den Widerspruch, wenn viele Kameralisten zwar die alten Lehenseinkünfte besteuern wollten, aber für die Zinskapitaleinkünfte die Steuerfreiheit postulierten, weil auch Lehenseinkünfte nach dem Verständnis der Zeit strukturell zu Geldzinseinkünften degeneriert waren169 • Schlözer folgte der Schlußfolgerung Försters und stützte sich zusätzlich auf die fiskalischen Argumente leichter Erhebung und reicher Ergiebigkeit dieser Steuer 170. Späth bezog sich auf den Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung zur Rechtfertigung der Kapitaliensteuer l7l , da es sich um einen Teil des Gewinns handelt, der bei anderen Einkunftsarten oder -quellen unstreitig der Besteuerung unterliegt172 • Eschenmayer hielt die Befürworter der Kapitaliensteuer schon für zahlenmäßig überwiegend 173 • In der Zeit der Freiheitskriege gewann die Kritik an den Gegnern der Kapitalzinsbesteuerung eine emotionale und unterschwelig höhnische Färbung. Crome vergleich den Kapitalisten mit dem steuernden Landwirt und berief sich auf das natürliche Gerechtigkeitsgefühl gegen diese empörende Steuerfreiheit1 74 • Rarl bemängelte die fehlenden sachgerechten Argumente aller Gegner der Zinsbesteuerung175, und Lips als Vorkämpfer einer allgemeinen Einkommensteuer bettete die Auseinandersetzung in den Meinungsstreit um eine moderne Einkommensteuer ein 176 • Der Willkürvorwurf 177 wurde neben dem ge165 166

167 168 169

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174 175 176

(173) Lith S. 185 f. (76) Förster S. 353. (31) Börner Bd.2 S.312; (1) Achenwall S.194. (296) Strelin S.103. (325) Wuz S. 49. (262) Schlözer S.192. (288) Späth S.37. (82) Fulda S.1013, 1015 f. (63) Eschenmayer S.55, 60, 66. (45) Crome Bd. 1 S. 235, 238. (96) Harl S.43. (169) Lips S. 21; (169) Lips S.38 in Verb. m.; (167) Leipziger S.343.

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9. Ausgewählte Steuerarten

wichtigen fiskalischen Argument eventuell entgehender bedeutender Staatseinkünfte178 zur hauptsächlichen Begründung einer Kapitalzinsbesteuerung. Warum schont der Staat Kapitalrenten, Arbeitslohn, Künste und Wissenschaften und wälzt alles auf Feldbau, Handwerk, Industrie und Hande11 79 ? Was Gewinn darstellte, sollte ohne Rücksicht auf die zugrunde liegende Kapitalienart besteuert werden180 • Insbesondere gewann der Einwand, praktische Schwierigkeiten und eventuell nachteilige Folgen könnten gegenüber dem Grundsatz der gleichförmigen Besteuerung nicht durchschlagen, an Gewicht181 • Das Prinzip der ökonomischen Gleichheit und der gerechten Besteuerung fordere entgegen Adam Smith, dessen steuerwissenschaftliche Bedeutung Harl wie die meisten Kameralisten sehr in Frage stellte, eine Besteuerung der Kapitalien, da auch der Kreditgeber den Staatsschutz genießt1 82 • Was man dem reichen Geldkapitalbesitzer erspart, muß der meist weniger reiche Gewerbskapitalbesitzer zusätzlich entrichten183 • Behr arbeitete den Unterschied zwischen Waren- und Geldkapital heraus und bemängelte die oft übliche· Nichtbesteuerung des gesamten Geldkapitals und von Teilen des Gewerbekapitals und schloß sich damit den Argumenten Krehls an184 • Gegen die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts bejahte man eine besonders harte Kapitalzinsbesteuerung. Fulda stützte diese Ansicht auf die im Vergleich zum Grundkapital unbegrenzte Vermehrbarkeit der Geldkapitalien l85 • Rau wollte Grund- und Kapitalrente stärker besteuern als Arbeitslohn und Gewerbegewinn, weil erstere ihre Erträge ohne Arbeitseinsatz allein auf Grund der Existenz der Kapitalgrundlage ziehen 186 • Wie der Staat längst erkannt hatte, brachte die Zinsbesteuerung erhebliche Steuereinnahmen, und wer ohne Arbeit nur von seinem Kapitalertrag leben wolle, tue dies aus eigener freier Entscheidung187 • Rau fand die Wurzel der Kapitalzinsbesteuerung in den allgemeinen Rechtfertigungstheorien. Die Gegner der Kapitalbesteuerung leiteten die Steuerfreiheit der Zinserträge aus dem überholten Staatsschutzgedanken ab, weil der Staat für die Geldkapitalien keine Schutzleistung zu erbringen vermöge188 • Eine Steuerpflicht, die 177

178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188

(297) Strelin S. 34. (122) Jakob Bd.1 S.547. (147) Krehl S.98. (147) Krehl S.103, 180; (80) Fulda S.304; (122) Jakob Bd.1 S. 538 f., 546. (297) Strelin S. 191; (277) Sensburg S.19; (234) Rau Bd.2 S.169, 179. (98) Harl Bd. 1 S. 100 - 105. (98) Harl Bd. 1 S. 106. (12) Behr S.100, 136; (277) Sensburg S.16. (83) Fulda S. 214 f. (234) Rau Bd. 2 S. 20. (234) Rau Bd. 2 S. 21. (294) Stokar von Neuform S. 55.

9.3. Die Steuer aus dem Zinsertrag verliehener Geldkapitalien

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aus der allgemeinen Staatsbürgerschaft abgeleitet wird, erfaßt ausnahmslos alle Gewinneinkünfte der Staatsbürger und läßt dafür Ausländer steuerfrei, da diese fremder Steuerhoheit unterliegen. 9.3.4. Begriffsbestimmung und Einordnung der Kapitalzinssteuer in das Steuersystem war nicht immer ganz eindeutig. 9.3.4.1. Kröncke bezeichnete sie als eine Art Pachtgeld für den Gebrauch des Geldes189 • Fulda nannte sie einen Abzug von dem Gewinn, den der Kapitalist von dem Gewerbe des Verleihs der Darlehenssumme zieht19o• 9.3.4.2. Die Mehrheit der Kameralisten rechneten die Kapitalzinssteuern unter die Gewerbesteuern 19 t, die definitorisch spezielle Ertragssteuern waren. Nachdem sich der Begriff der Gewerbesteuer auf die Ertragssteuer von gewerblichen Einkünften eingeengt hatte, zählte man sie unter die allgemeine Einkommensteuer als besondere Abarti 92 • Wegen ihrer oftmals schematisierten Mindestbesteuerung nannte Strelin sie auch eine uneigentliche Personalauflage 193, was aber nur für ihre eingeschränkte altmodische Erhebungsart gelten konnte194 • Strelin rückte die Kapitalauflagen, allerdings ohne zureichende Begründung, auch in die Nähe der Vermögens- und Konsumtionssteuern195 • Die von Kameralisten häufig geforderte Besteuerung von ungenutzt liegenden Geldkapitalien diente zwar der Durchsetzung des Nutzungszwanges, rückte aber die Kapitaliensteuer in die Nähe der echten Vermögenssteuern196 • Die Eingrenzung der Kapitaliensteuer auf verliehene Gelder erfolgte relativ früher. Trotzdem war nicht allen Kameralisten gegenwärtig, daß die eigengenutzten Kapitalien wegen der Gleichheit der Besteuerung keiner gesonderten Kapitalbesteuerung bedurften, da sie in dem Objekt des Kapitaleinsatzes über eine andere Steuerart erfaßt werden 197 • Nach Jakob zog man nur noch verliehene Kapitalien zur Kapitalienbesteuerung heran198, Die von Harl als Vermögenssteuer bezeichnete Kapitaliensteuer ist wie seine allgemeine Vermögenssteuer ihrer Rechtsnatur nach eine urtümliche Einkommensteuer 199 • (154) Kröncke S. 133. (80) Fulda S. 304. 191 (136) Justi Bd.2 S.396; (63) Eschenmayer S.31; (294) Stokar von Neuform S.50. 192 (156) Krug S. 151; (122) Jakob Bd.1 S.539. 193 (296) Strelin S. 102; (142) Keßler S. 122. 194 (294) Stokar von Neuform S. 62. 195 (296) Strelin S. 103. 198 (225) Pfeiffer Bd. 5 S. 307; (98) Harl Bd. 1 S. 110. 197 (45) Crome Bd. 1 S.243. 198 (122) Jakob Bd.2 S.918; (234) Rau Bd.2 S. 65 f. 199 (98) Harl Bd. 1 S.72, 100. 189

190

254

9. Ausgewählte Steuerarten

9.3.5. Da Geldkapitalien leicht verborgen werden können, stellte sich das Problem einer zutreffenden Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen 20o • Im Vordergrund standen weniger die gebotenen verwaltungstechnischen Möglichkeiten als der individuelle Freiheitsraum, den man dem einzelnen Steuerpflichtigen zubilligte. 9.3.5.1. Schon in einer relativ frühen allgemein verbreiteten Übersetzung aus dem Französischen findet sich am Beispielsfall der Holländischen Ostindischen Kompanie das Modell einer Dividendenabzugssteuer 201 • Diese Aktionäre erhielten ihre Dividenden erst ausgezahlt, wenn die an den Staat zu entrichtenden Gulden von der Gesellschaft abgeführt waren. Diese Rechtsfigur stand dem Denken der Kameralisten so fern, daß sie keine Beachtung fand. 9.3.5.2. Späth wollte nur die gerichtlich beurkundeten Verleihungen besteuern, weil der Verleiher beim nichtförmlichen Verfahren das Verlustrisiko trägt und deshalb keine Besteuerung verdiene 202 • 9.3.5.3. Eine strenge Angabe der bezogenen Kapitalzinsen empfanden einige Kameralisten als unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre203 • Hier wirkte der überkommene Geheimnisschutz des privaten Vermögensbereichs in der von Justi überkommenen übersteigerten Ausprägung nach. Als strenge Rationalisten billigten die Kameralisten aber nur dem lebenden Staatsbürger diesen Schutz zu. Eschenmayer wollte das Vermögen der Verstorbenen im Steuerverhehlungsfall mit dem dreifachen Steuersatz belegen 204 • 9.3.5.4. Der Kameralismus kannte zwei Besteuerungsmethoden bei der Erfassung der Kapitalzinsen. Der unmittelbaren Erfassung beim Verleiher stand die mittelbare Methode gegenüber. Der Entleiher wird zur Steuerzahlung verpflichtet und darf die Steuer kraft gesetzlicher Erlaubnis ganz oder teilweise von seinen Zinszahlungen an den Verleiher abziehen 205 • Die mittelbare Besteuerungsmethode kam der ambivalenten Beurteilung der Kapitalbesteuerung seitens der Kameralisten entgegen. Der steuerpflichtige Entleiher setzte dem Fiskus wegen seiner Kürzungsmöglichkeit keinen Widerstand entgegen, der Staat bekam sein Geld und der flammende Protest der betroffenen Verleiher ging wegen der Mittelbarkeit in das Leere 206 • 200 201 202 203 204 205 206

(296) Strelin S. 106; (287) Spaeth S.47; (80) Fulda S.304. (253) Sammlung von Aufsätzen Bd. 1 S. 33l. (287) Spaeth S. 48. (63) Eschenmayer S. 62. (63) Eschenmayer S. 65. (156) Krug S. 152; (45) Crome Bd. 1 S.238, 242. (154) Kröncke S.139; (98) Rarl Bd.1 S.109.

9.3. Die Steuer aus dem Zinsertrag verliehener Geldkapitalien

255

9.3.5.5. Wollte sich noch Stokar von Neuform mit der schlichten eidlichen Angabe begnügen und empfand die Koppelung von Steuerentrichtung und amtlicher Registrierung als grausam 207 , so überschlug sich die juristische Phantasie der Späteren in der Erfindung immer neuer Kontrollmöglichkeiten. Lips forderte schlicht, daß kein Darlehensvertrag rechtliche Kraft haben solle, es sei denn, er sei staatlich registriert208 • Die Nichtigkeitsfolge kehrte in verschiedenen Varianten wieder 209 • Veraltet und abseitig wirkt im Vergleich dazu Leipzigers Protest. Jeder gewaltsame Eingriff zur Erforschung der Kapitalsummen sei ein frevelhafter Eingriff in die bürgerliche Freiheit2 10 • Dieser ethisch verbrämte Egoismus verhüllte mit moralischer Entrüstung das Fehlen sachgerechter Argumente. Jakob empfahl eigene Registrierungsbüros, bei denen der Verleiher alle Geldkredite angeben mußte mit der Sanktion des Verlustes jeden gerichtlichen Schutzes211 • Mit seinem Projekt, die Gerichte zu verpflichten, hypothekarische Schulddokumente erst nach Eintragung in die öffentlichen Darlehensregister aufzunehmen, dürfte Jakob der neuzeitliche Erfinder der steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung sein212 • 9.3.5.6. Harl wollte die geführten kaufmännischen Bücher als Besteuerungsgrundlage verwerten und beim Fehlen von Büchern den festgestellten Istbestand heranziehen213 • Besonders Rücksichtnahme auf die private Sphäre ist hier nicht mehr festzustellen. Gewisse Bedenken gegen die Registrierung aller Kapitalien mit Nichtigkeitsfolge bei Nichtbeachtung der öffentlichen Beurkundungspflicht blieben bestehen. Fulda versprach sich von jährlichen Steuererklärungen und der dadurch bedingten Selbstkontrolle ein nahezu gleichwertiges Ergebnis214 • Rau wollte die jährliche Steuererklärung, die Registrierungspflicht und die überprüfung der Angaben durch Bürgerkommissionen kombinieren215 und hätte dadurch einen Genauigkeitsgrad erreicht, der modernen Besteuerungsmethoden entspricht, da er der behördlichen Erfahrung bei steuerlichen Ermittlungen einen hohen Stellenwert beimaß. 9.3.6. Die Ausgestaltung der Kapitalzinsbesteuerung gestaltete sich nach einhelliger Ansicht strukturell einfach.

(294) Stokar von Neuform S. 62, 64. (169) Lips S.37. 209 (122) Jakob Bd.l S.548, Bd.2 S.919: Er empfahl eine Kombination von Schätzung, Angabe und Registrierung. 210 (167) Leipziger S. 343. 211 (122) Jakob Bd. 2 S. 920. 212 (122) Jakob Bd. 2 S.921. 213 (98) Harl Bd. 1 S. 111. 214 (83) Fulda S. 217. 215 (234) Rau Bd. 2 S. 179 ff. 207 208

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9. Ausgewählte Steuerarten

9.3.6.1. Zur Erleichterung der Besteuerung wurden ein Eingangsfreitrag216 und eine Fülle von sowohl echten als auch unechten Steuerfreiheiten in Erwägung gezogen. Strelin wollte Staatsdiener, notorisch Arme und Gewerbetreibende anderer Art von der Kapitalienbesteuerung freistellen, um nur die echten Rentiers zu erfassen217. Witwen, Waisen und Greise sollten allgemein steuerfrei gelassen werden218 . Auch die ausländischen Kapitalien wollte man im Interesse der Kapitaleinfuhr unbesteuert lassen 219 . Dafür sprach auch die Erfassungsschwierigkeit bei Fremdkapitalien220 . Eine Freigrenze für Verleihungen bis zu einem Jahr wurde ebenfalls erwogen22 !, wobei aber zur Umgehung der Besteuerung Ketten kurzfristiger Fortsetzungsverträge unter den gleichen Partnern zu erwarten gewesen wären. 9.3.6.2. Das reine Einkommen lag bei den Zinserträgen offen zu Tage, so daß die Kapitaliensteuer geradezu als klassische Steuer auf den Reingewinn gelten konnte. Kapitalbereitstellungskosten sollten nur wegen der allgemein schematisierten Festsetzung der Kapitaliensteuer nicht abgezogen werden können, weil sie in der typisierten Schätzung als Unwägbarkeitsfaktor eingegangen waren 222 . 9.3.6.3. Größeres Augenmerk schenkten die Kameralisten dem Steuersatz, konkretisierten diesen aber nicht, sondern plädierten aus verschiedenen Gründen für einen sehr niedrigen Satz223 . Bei der Kapitaliensteuer wünschte man mit der Zinsmenge progressiv ansteigende Steuersätze224 • Kröncke rechnete mit einem durchschnittlichen Zinsertragssatz von 4 %, sagte aber zur angemessenen absoluten Höhe des Steuersatzes auch nichts aus225 • Fulda forderte wegen der angeblichen geringen Eignung der Kapitaliensteuer als ordentlicher Steuer ein niedrigeres Steuersimplum als bei der allgemeinen Gewerbesteuer!!6. Der Begriff des Simplums wurde schon oben dargestellt. Jakob stützte das Begehren nach einem niedrigen Steuersatz auf die noch nicht ausgeräumte Furcht vor einer Kapitalflucht bei Geltungskraft hoher Steuersätze227 . Rau brachte als schlüssige Begründung für niedrige 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225 226 227

(83) Fulda S. 218. (296) Strelin S.107. (80) Fulda S.305; (83) Fulda S. 217; (234) Rau Bd.2 S.184. (122) Jakob Bd. 1 S.542. (122) Jakob Bd. 1 S. 546. (83) Fulda S. 218. (83) Fulda S.215; anderer Ansicht: (141) Keßler S.19. (82) Fulda S. 1013. (262) Schlözer S.192; (82) Fulda S.1017. (154) Kröncke S. 83. (80) Fulda S. 305. (122) Jakob Bd. 1 S. 541.

9.4. Die Entstehung der frühen Verkehrssteuern

267

Steuersätze bei der Kapitalzinsbesteuerung die psychologischen Schwierigkeiten dieser verhaßten neuen Steuerart und den erfahrungsgemäß unregelmäßigen Zinseingang wegen schlechter Zahlungsmoral der Schuldner228 • 9.3.7. Ergibt sich bei der Kapitalzinsbesteuerung auch kein einheitliches, von einer herrschenden steuerwissenschaftlichen Meinung getragenes Bild, so verdankte diese Steuerart Durchsetzung und wesentliche Impulse doch den späten kameralistischen Schriftstellern. 9.4. Die Entstehung der frühen Verkehrssteuern

Abgaben, die einen fiskalisch orientierten Hauptzweck verfolgen, kannte die Kameralzeit nur vom Besitz, vom Erwerb, erheblich mißbilligt auch vom Verbrauch und völlig verworfen als reine Kopfsteuern. Abgaben von bestimmten menschlichen Handlungen oder Vorgängen des Rechtsverkehrs waren bis in das neunzehnte Jahrhundert im wissenschaftlichen Gespräch unbekannt. Die noch heute nicht zweifelsfreie Abgrenzung zwischen Verbrauchs- und Rechtsverkehrssteuer war dem Bewußtseinsstand der Kameralwissenschaft noch nicht einsichtig. Da außerdem nicht präzise zwischen der Steuer, die der Einnahmenerzielung des Staates dienen soll, und der Gebühr, die nach dem Gegenleistungsprinzip und nach dem Kostendeckungsgrundsatz eingerichtet zu sein hat, unterschieden wurde, führte man Abgaben als Steuern, die schon nach dem Zeitverständnis nicht unter den Steuerbegriff fielen. Als sehr alte und viel erörterte allgemeine und besondere Verbrauchssteuer war die Akzise bekannt. Abgaben im Prozeßführungsfa1l 229 und Abgaben vom Stempelpapier23o , das zu amtlichen Beurkundungen verwendet werden mußte, galten in vielen Staaten. Eine echte Rechtsverkehrssteuer tauchte in der steuerwissenschaftlichen Literatur nirgends auf. 9.4.1. Sehr behutsam und sehr spät drangen in der spätkameralistischen Literatur Gedanken durch, die in Richtung der Besteuerung von Vorgängen des Rechtsverkehrs zielten. Adam Smith kam das Verdienst zu, das Gespräch auf diese Fragen gebracht zu haben. Man dachte bei den zu besteuernden Vorgängen an die übertragung von Geldkapitalien231 , Grundstücken, Gewerbetrieben, seltener an Waren aller Art, die schon von der Akzise erfaßt wurden, sowie an bestimmte staatliche Leistungen wie Rechtsschutz und Beurkundung232 • 228 229 230 231 232

(234) (275) (254) (254) (185)

17 Jenetzky

Rau Bd. 2 S. 183. Seeger S. 53. Sartorius S.208; (82) Fulda S. 979 f., 984 f. Sartorius S. 207. Mill S.380; (322) Wiederhold S.7.

258

9. Ausgewählte Steuerarten

9.4.2. Gemessen an den von den Kameralisten postulierten Besteuerungsprinzipien gaben diese Besteuerungsmodi in vielfältiger Hinsicht Anlaß zu Kritik. Da der Kameralismus zutreffend erkannt hatte, daß alle Steuern entweder vom Ertrag oder der Substanz gegeben werden und alle Abgaben auf tatsächliche oder rechtliche Vorgänge neben die Ertragsbesteuerung treten, treffen sie notwendig begrifflich die Vermögenssubstanz und können nur unter günstigen Umständen zusätzlich aus dem Ertrag entrichtet werden 233 • Echte substanzschädigende Besitzsteuern mißbilligten aber alle Kameralisten 234 • Ein weiterer Fehler solcher Abgaben war die Anknüpfung an den bloßen Vorgang ohne Berücksichtigung der absoluten Warenmenge, die bei dem besteuerten Vorgang Ort und Eigentümer wechselte. Die dadurch verursachte relative Ungleichheit konnte seitens der Kameralliteratur keine Billigung finden 235 • Die unübersichtliche Lage hinsichtlich der wirtschaftlichen Abwälzung dieser Steuerarten bot weiteren Anlaß zur Kritik236 • Prozeßgebühren vermindern den Rechtsschutz237 , weil niemand bloß deshalb Steuern zahlen sollte, weil sein Recht bestritten wird 238 • Crome bemängelte die Prinzipienauswechslung bei Besteuerung von menschlichen Handlungen. Abgaben können sowohl der Kostendeckung als auch der Einnahmenerzielung des Staates dienen. Im ersteren Fall hielt er ihre Notwendigkeit für unbestreitbar. Oft artete aber die Ansteuerung des ersten Prinzips in die Beschaffung einer neuen Einkunftsquelle des Staates aus. Cromes Vorwurf rügte die seitens der staatlichen Verwaltung häufig geübte Unsitte, aus Gebühren Steuern zu machen239 • 9.4.3. Neben den kritischen Stimmen machten sich auch behutsame Befürworter bemerkbar, die zum Teil neue steuerrechtliche Tendenzen erkannten. Bensen wies auf den Kumulativeffekt bei der Akzise hin, der bewirkt, daß sich die verdeckte Steuerlast von Verkauf zu Verkauf vermehrt bis zuletzt der Konsument die gesamte angesammelte Steuerlast im Erwerbspreis mitträgt240 • Er hatte damit eine Eigenschaft einer allgemeinen Umsatzsteuer getroffen. Schlözer hielt die günstigen Möglichkeiten, bei den häufigen Besitzwechseln an Kapitalien und Grundstücken erhebliche Staatseinkünfte zu erzielen, für ein ausreichendes Argument, um Steuern auf die Veräußerung von ertragbrin233 234

235 236

237 238

239 240

(63) Eschenmayer S. 78 f.; (141) Keßler S. 25. (282) A. Smith Bd.3 S.270; (156) Krug S.139; (80) Fulda S.309. (254) Sartorius S.210; (282) A. Smith Bd.3 S.274, 278. (282) A. Smith Bd.3 S.277; (167) Leipziger S.353. (82) Fulda S. 985. (185) Mill S.382. (45) Crome Bd.2 S. 34 f., 39 ff. (14) Bensen S. 424.

9.4. Die Entstehung der frühen Verkehrssteuern

259

genden Gegenständen zu erheben241 • Diese Steuern seien leicht zu erheben, wenig anfällig für Betrügereien und würden von den reicheren Klassen getragen, die in der Lage seien, solche Objekte zu erwerben. In Rußland hätten sich Verkaufssteuern in Höhe von 5 Ofo als unschädlich erwiesen. Allerdings sollte die Höhe des Steuersatzes an den Wert oder Verkaufspreis des veräußerten Gegenstandes anknüpfen, weil nur so die Gleichheit der Besteuerung gewahrt bleibe 242 • Eschenmayer bezweifelte den günstigen Einfluß der Verkaufssteuern auf die Staatskasse, ohne daß konkrete Angaben seine Kritik belegen konnten243 • Fulda zeichnete die Modalitäten einer Besteuerung aller Gegenstände des Ge- oder Verbrauchs auf. Der Staat kann entweder den Verkäufer oder den Käufer, letztlich den Verzehrer zur Steuerpflicht heranziehen. Er kann als Anknüpfungspunkt die Entstehung der Ware, die Eigentumsübertragung oder die Verzehrung beziehungsweise die Ingebrauchnahme wählen244 • Belegt er alle verkauften Waren beim Verkäufer nach Verkaufspreisen, so liegt eine echte Umsatzsteuer vor. Leipziger griff den Gedanken einer Grundstücksverkehrssteuer auf. Bis zu einem halben Prozent des Verkaufspreises hielt er sie für eine erträgliche Abgabe, die das Eigentum sichert und dem Staat eine billige Einnahme verschafft245 • Bei Jakob findet sich erstmals der Vorschlag, Kaufleute nach dem getätigten Umsatz abzuschätzen246 , weil dieser leicht feststellbar sei. Seitdem wurde der Umsatzbegriff im wissenschaftlichen Gespräch üblich247 • Fulda schlug eine Generalakzise vor, die konstruktiv eine Umsatzsteuer war. Die Abgabe sollte bei jeder Veräußerung nach dem Verhältnis des Kaufpreises erhoben werden 248 • Die Erhebung nach diesem Modus sei aber lästig und betrugsgefährdet, weil jedesmal der Preis beim Verkauf beurkundet werden muß. Die früher übliche indirekte Akziseerhebung unmittelbar nach Herstellung der Ware hemmte den Verkehr, da auch reine Selbstversorger erfaßt wurden249 • Baumstark hatte den Begriff der Umsatzsteuer schon fast im Griff. Er bemängelte aber, daß die Feststellung des mutmaßlichen Umsatzes nur durch "gewaltige Eingriffe in die Betriebswirtschaft", Einsicht in die kaufmännischen Bücher und dergleichen möglich ist250 • Dieser letzte Schritt zu einer ausgebildeten 241 242 243 244 245 246 247 248 249 250

17"

(262) Schlözer S. 193. (262) Schlözer S. 194 f. (63) Eschenmayer S. 80. (82) Fulda S. 1026. (167) Leipziger S.352. (122) Jakob Bd. 2 S. 953. (141) Keßler S.25. (83) Fulda S. 265. (83) Fulda S. 278. (7) Baumstark S.735.

260

9. Ausgewählte Steuerarten

Umsatzsteuer war nach dem Rechtsbewußtsein der Zeit noch nicht möglich, weil eine volle Buchkontrolle bei den Steuerpflichtigen das aufklärerische Freiheitsbewußtsein der Kameralzeit überforderte. 9.4.4. Als Ergebnis kann festgehalten werden, daß der Kameralismus die speziellen Rechtsverkehrssteuern auf Geldkapitalien und Grundstücke nur in Umrissen und Grundlinien erkannt hatte. Das Bild einer rechtlich durchkonstruierten neuzeitlichen Umsatzsteuer lag dagegen in der Endzeit des Kameralismus in den Grundzügen vollausgebildet fest. 9.5. Die Besteuerung des Erbschaftsanfalles Die Erbschaftssteuer als ein Spezialfall der allgemeinen Verkehrssteuern entwickelte sich wegen ihres hohen historischen Alters, ihrer relativ großen fiskalischen Bedeutung und ihrer zu allen Zeiten ideologischen überladung im wissenschaftlichen Gespräch eigenständig. 9.5.1. Die Kameralisten leiteten allgemein die Erbschaftssteuer aus der Vecesima hereditatum ab 25 t, die auf der lex Julia des Kaisers Augustus beruhte 252 • In Europa war die Erbschaftssteuer weit verbreitet, wenn auch nicht überall eingeführt253 • Das Spezialwerk Klübers bezog die besondere Zweckbestimmung der bayerischen Erbschaftssteuer als Zuwendung an das Zuchthaus St. Georgen am See in die historische Erörterung ein254 • Lang bezweifelte - wohl zu Recht - den deutschen Ursprung der Erbschaftssteuer 255 • Sie wurde aber auch in Mitteleuropa schon sehr früh üblich und zur Kameralzeit in mehreren deutschen Staaten erhoben 256 • Im revolutionären Frankreich erwog die Nationalversammlung die Anhebung der bisher üblichen Erbschaftssteuersätze257 • Bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderst gelang es nicht, ein einheitliches und gültiges Modell einer Erbschaftssteuer zu entwerfen, obwohl der Kameralismus dieser Steuerart grundsätzlich nicht abgeneigt gegenüberstand. 9.5.2. Der Steuercharakter der Erbschaftsabgabe war nicht unbestritten258 • Das besagt schon die alte Bezeichnung Collateralanfa1l259 , die (282) A. Smith S. 271. (28) Bodin S. 654; (173) Lith S. 362, 367. 253 (1) Achenwall S.194; (296) Strelin S.133; (143) Klüber S. XVII; (282) A. Smith Bd. 3 S. 272. 254 (143) Klüber S.4, 23. 255 (160) Lang S. 125. 256 (311) Ulmenstein S.203, 205; (96) Harl S.44; (4) Arndt S.248. 257 (301) Struensee S. 440. 258 (311) Ulmenstein S. 204. 259 Weitere Namen: Lacherbengeld, lachende Erbengebühr, Zuchthausbeitragsgeld, Erbenbeitrag: (143) Klüber S. XV. 251

252

9.5. Die Besteuerung des Erbschaftsanfalles

261

alle Deutungsmöglichkeiten offenhält. Bodin bezeichnete die Erbschaftsabgabe als das, was von Erbschaften, Geschäften oder Geschenken von Todes wegen dem Fiskus verfallen ist260 . Die Abgrenzung zu testamentarischen Verfügungen zugunsten des Fiskus wurde nicht allgemein vollzogen 261 . Ebenso wurde die Erbschaftsabgabe vom Noterbrecht der öffentlichen Hand nicht klar getrennt262 • Ein weiteres Abgrenzungsproblem bestand zum Abschoß, der Abgabe, die bei Erbschaften außer Landes an den Fiskus zu entrichten war und als Abzugssteuer bezeichnet wurde 263 . Soweit beide Abgaben begrifflich getrennt verstanden wurden, bestand man darauf, eine doppelte Besteuerung zu venneiden 264 . Wegen des nach dem Verständnis der Zeit ungewissen Einganges der Abgabe galt sie als Nebensteuer265 . Klüber bezeichnete die Erbschaftssteuer als Seitenerbenbeitrag und erkannte gleichzeitig die Enge der Bezeichnung266 . Wenn man unter den Begriff der Steuer alles faßt, was der Staat zur Bestreitung der öffentlichen Ausgaben erhebt, so muß der Collateralanfall als Steuer gelten 267 . Von der Nachsteuer unterscheidet sich die Erbschaftssteuer durch den fiskalischen Zweck268 . Klüber definierte die Erbschaftsabgabe als Abgabe von Personen wegen der aus Erbmassen erhaltenen Sachen (Vorteile)269. Adam Smith nannte die Erbschaftssteuer eine direkte Auflage auf die übertragung eines Eigentums von Gestorbenen auf die überlebenden 270 . Auch in der Steuertafel bereitete die Einordnung der Erbschaftssteuer Schwierigkeiten. Obwohl die Regeln für Verkehrssteuern auf sie zugeschnitten sind271 , hielten die meisten Kameralisten sie für eine Unterart der Vermögenssteuer272 . Eine unbestrittene Einordnung der Erbschaftssteuer in das gegebene System der Steuertafel gelang dem Kameralismus nicht. 9.5.3. Als Rechtsfigur gestaltete die Erbschaftssteuer sich sehr einfach. 9.5.3.1. Als Bemessungsgrundlage diente das ererbte Vermögen273 . Ob dieses auf Grund Gesetzes, Vertrages oder letzten Willen vererbt 260 (28) Bodin S. 654. 261 (252) Rurimundum S.57. 262 (51) Döhler S. 8; (128) Jung S. 221. 263 (9) Beck Bd.l S.4, 66 f.; (143) Klüber S. XVIII, 7. 264 (143) Klüber S. XXXIV. 265 (173) Lith S. 367; (264) Schmalz S. 321; (83) Fulda S. 212. 266 (143) Klüber S.4. 267 (143) Klüber S.9. 268 (143) Klüber S. 11 f.; (311) Ulmenstein S.203. 269 (143) Klüber S.24. 270 (282) A. Smith Bd.3 S.271. 271 (262) Schlözer S. 195. 272 (143) Klüber S. XXXIII; (82) Fulda S.946; (80) Fulda S.307; (83) Fulda S. 225 f.; (234) Rau Bd. 2 S. 202.

262

9. Ausgewählte Steuerarten

wurde, blieb unerheblich 274 • Maßstab sollte nicht die Größe des Erbes, sondern der Empfang des Erben, Pflichtteils- oder Vermächtnisempfängers sein 275 • Deshalb empfand man die Abgabe teilweise als Steuer vom Gewinn, weil das Erbvermögen beim Erblasser zwar Vermögen war, beim Erben aber als bereichernder Zufluß auch als Gewinn verstanden werden konnte 276 • Schenkungen unter Lebenden wurden unterschiedlich beurteilt. Teilweise wollte man sie der Erbschaftssteuer unterwerfen 277 , zum Teil befürwortete man dafür die Steuerfreiheit278 • Schulden konnten vor Berechnung der Steuer von der ererbten Vermögensmasse abgezogen werden. Da es sich um keine als Vermögenssteuer deklarierte Ertragssteuer handelte, fiel die eigentümliche Hochrechnung auf das Einkommen abwerfende "Steuerkapital" weg. Man nahm den Erbschaftssteuersatz wie im modernen Steuerrecht selbstverständlich von dem vorhandenen Positivvermögen279 • 9.5.3.2. Der vorgeschlagene, übliche oder erwünschte Steuersatz schwankte je nach Stellungnahme des jeweiligen Kameralautors zur Erbschaftssteuer beträchtlich. Bodin befürwortete 10 0/0 280 , wer sich auf die römische Erbschaftssteuer berief, den Zwanzigsten, hielt 5 % für angemessen281 , Klüber übernahm aus dem bayerischen geltenden Steuerrecht einen Satz von 21/2 0/0 282 , in Frankreich waren vor 1790 1 010 gültiges Recht283 , Adam Smith schlug nach dem Grade der Verwandtschaft gestaffelte Steuersätze vor von 5 bis 3001028 4, Harl trat für 2 bis 5 0 /0, vom reinen Vermögen genommen, ein 285 , Leipziger wollte zwei Steuers ätze von 1/2 010 für nähere Verwandte und 4010 für sogenannte lachende Erben eingesetzt sehen286 und Keßler, der sonst sehr streng urteilende Vertreter einer allgemeinen Einkommensteuer, hielt 1010 Erbschaftssteuer für ausreichend 287 •

273 274 275 276 277 278 279 280 281 282 283 284 285 286 287

(143) Klüber S. 33. (143) Klüber S. 32. (275) Seeger S.54; (141) Keßler S.89. (185) Mill S. 381; (264) Schmalz S.320; (254) Sartorius S.210. (275) Seeger S. 54. (143) Klüber S. XXVIII. (141) Keßler S.89. (28) Bodin S. 659; ebenso (262) Schlözer S. 196. (296) Strelin S. 133. (143) Klüber S.4. (301) Struensee S. 440. (282) A. Smith Bd.3 S. 272. (96) Harl S. 44. (167) Leipziger S.357. (141) Keßler S. 89.

9.5. Die Besteuerung des Erbschaftsanfalles

263

9.5.3.3. Steuerpflichtig sollten nach nahezu einhelliger Ansicht nur die Collateralerben sein. Im einzelnen war vieles streitig288 • Die weiteste Ansicht wollte alle Verwandtenerbfolgen steuerfrei lassen289 • Lith plädierte für die Steuerfreiheit der Kinder, Ehegatten und Eltern 29o • Strelin wollte dagegen Seitenlinien und aufsteigende Linien besteuern, billigte also nur Kindern und Ehegatten die Steuerfreiheit ZU291 • Ulmenstein neigte zu der in Baden 1622 eingeführten Regelung, die Erben bis zum 7. Grade der Verwandtschaft erben zu lassen, dem Staat ein Zehntel zu geben und ab dem 10. Grad der Verwandtschaft den Staat zum Alleinerben zu machen292 • Sartorius wollte die unmündigen Erben von der Erbschaftssteuer befreien, weil diese oft den notwenigen Unterhalt aufzehre 293 • Auf jeden Fall sollten Ehegatten, Witwen und Waisen von der Erbschaftssteuer frei bleiben 294 , weil sonst die Steuer das Kapital angreift und nicht aus dem Einkommen einer erwerbsstarken Person gezahlt wird 295 • Bei allen Kameralisten kehrte der Unterschied zwischen notwendigen Erben, denen man Steuerfreiheit zubilligte, und den steuerpflichtigen Seitenerben wieder 296 • Eine sachliche Steuerbefreiung war die Beschränkung der Abschoß-Erbschaftssteuer auf den ersten Erbfall; die folgenden Erbfälle sollten steuerfrei bleiben297 , weil nur einmal Werte in das Ausland gehen. Desgleichen sollten ausländische Erben vom Abschoß befreit sein, bis das ererbte Gut in das Ausland verbracht wird 298 • Bei der echten Erbschaftssteuer wurde erwogen, bei sich häufenden Sterbe fällen am gleichen Vermögen innerhalb kurzer Frist Steuerbefreiungen auszusprechen, um die Substanz der Vermögen zu schonen299 • 9.5.3.4. Einen besonderen Vorteil der Erbschaftssteuer sahen die Kameralisten in der relativ leichten Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen 30o • Man konnte den Verstorbenen bei nachgewiesener Verhehlung nachträglich geldlich an seinem Vermögen abstrafen301 • Zugleich mit dem Erben eignet sich der Staat meist widerstandslos seinen Anteil vom Erbe zu. Die örtliche Obrigkeit kann mühelos das 288 289 290 291 292 293 294 295 296 297 298 299 300 301

(143) Klüber S. 1. (28) Bodin S. 659. (173) Lith S.366f.; ebenso (143) Klüber S.25-31. (296) Strelin S. 133; ebenso (262) Schlözer S. 195 f. (311) Ulmenstein S. 209. (254) Sartorius S. 211. (63) Eschenmayer S. 81. (167) Leipziger S. 353. (167) Leipziger S.357; (80) Fulda S.308; (4) Arndt S.312. (9) Beck Bd. 1 S. 66 f. (321) Werner S.12, 16. (82) Fulda S.947. (80) Fulda S. 308. (24) Besold S. 193; (173) Lith S. 363.

264

9. Ausgewählte Steuerarten

hinterlassene Erbvermögen taxieren 302 . Der Vorteil lag nach kameralistischer Ansicht in dem offenkundigen übergang des Eigentums vom Verstorbenen auf die Lebenden, die jede Feststellung ohne Verletzung der Privatsphäre ermöglicht303 . über eine gerichtliche Inventarisierung des hinterlassenen Vermögens spricht sich der Verstorbene nachträglich ein Urteil über seine Redlichkeit zu Lebzeiten304 . Anscheinend hatte sich die Steuerverwaltung der Kameralzeit meist weniger Mühe gemacht und Erbschaftsanfälle über Stempelausgaben besteuert305 . 9.5.4. Trotz der Klarheit, Ergiebigkeit und Einfachheit der Erbschaftssteuer stieß sie bei den Kameralisten auf verständliche Widerstände, die im staatsphilosophischen Zeitbewußtsein lagen. 9.5.4.1. Einfachster Einwand war der Vorwurf der Unregelmäßigkeit der Erbschaftssteuer3°6 • Ulmenstein lehnte eine Neueinführung der Erbschaftssteuer in Staaten, wo sie bisher unbekannt war, wegen angeblicher konstruktiver Schwierigkeiten ab, die er nicht näher zu begründen vermag307 • Fulda fürchtete die Zerschlagung von Kapitalansammlung durch die Erbschaftssteuer, obwohl diese Gefahr in Anbetracht der üblichen Steuersätze kaum realistisch erschien, und rügte die Verletzung der Gleichheit des Besitzes und die schlechte Wirkung auf die allgemeine Morap08. Eine nähere Begründung für seine Behauptung fehlt. Krug sah in ihr ein unvermeidliches übel für den Leidenden, weil die Erbschaftssteuer unfreiwillige Besitzveränderungen erfaßt309 und Schmalz wies auf die allgemeine Verhaßtheit der Erbschaftssteuer hin, die er auf das Eindringen in den familiären Bereich zurückführte 810 . Nach Leipziger haftet der Erbschaftssteuer der Urmangel jeder Vermögenssteuer an, da sie direkt auf dem Eigentum lastet und aus ihm getragen werden muß311. Die Gründe, die Kröncke gegen die Erbschaftssteuer vorbrachte, klingen rationalistischer. Sie sind psychologischer Natur. Wider die Erbschaftssteuer spreche, daß nach ihrer wahren Natur nicht, wie oft behauptet, der Verstorbene nachzahle, sondern eher der Erbe vorauszahle312 • Die Kritik von Rau 302 803 304 305 (185) 306 807 308 309 310 311 312

(143) Klüber S.40; (83) Fulda S.212. (282) A. Smith Bd.3 S.270. (294) Stokar von Neuform S. 63. (275) Seeger S.53; (222) Pfeiffer S.242; (225) Pfeiffer Bd.5 S.312; Mill S. 380. (296) Strelin S. 133. (311) Ulmenstein S.215. (82) Fulda S. 948 f. (156) Krug S. 140. (264) Schmalz S. 320. (167) Leipziger S. 350. (154) Kröncke S. 208 f.

9.5. Die Besteuerung des Erbschaftsanfalles

265

war am fundiertesten. Die Erbschaftssteuer sei ungleich wegen der ungleichen Dauer des Genusses am Vermögen bei den verschiedenen Erblassern, und sie besteuere Vermögensteile doppelt, da das Vermögen schon einmal zu Lebzeiten des Erblassers vom Fiskus besteuert worden seP13. 9.5.4.2. Die Argumente der Befürworter einer allgemeinen Erbschaftssteuer hatten größeres Gewicht. Das lag weniger daran, daß sie den Trend der Zeit erkannt hatten, als an der überzeugungskraft ihrer Schlußfolgerungen. Die Skala der Argumente für eine allgemeine Erbschaftssteuer reichte von einfachen begrüßenswerten psychologischen und Rechtsfolgen bis zu differenzierten rechtssystematischen überlegungen. So bestraft die Erbschaftssteuer Geizhälse und Hagestolzen, da diese keine steuerfreien Noterben haben314 . Weil sich jeder Seitenerbe über den unverhofften Vermögenszuwachs freut, trägt er die Erbschaftssteuer willig, denn er war sich des um die Steuer unverkürzten Erbes noch nicht bewußt geworden315• Die Erbschaftssteuer garantiert auch die Erbfolge; wer zur Steuer verptlichtet wird, erhält damit die staatliche Zusicherung, von Rechts wegen Erbe geworden zu sein316 . Da die Erbschaftssteuer den Willen des Verstorbenen nicht mehr verletzen kann und ihm keinen Schaden bringt, dem Staat aber nutzt, rechtfertigt sich ihre Erhebung aus dem "natürlichen Rechtssatz": Was dem einen nutzt, dem anderen aber nicht schadet, dazu ist der Nutzen Gewährende verptlichtet 317 . Außerdem steigt mit dem Bedürfnis des Staates nach einer öffentlichen Erbschaftsauflage die natürliche Billigkeit der Erbschaftssteuererhebung318 • Die überzeugendste Begründung lieferte aber Lith. Nur die natürlichen Erben, denen ein Ptlichterbrecht zusteht, haben einen naturrechtlich gesicherten Erbanspruch. Die Befugnis zur Testamentserrichtung liegt nicht in den Naturrechtsgesetzen319 . Den Erben steht nur der Anteil an der Hinterlassenschaft zu, den ihnen die Obrigkeit zubilligt. Deshalb entzieht die Erbschaftssteuer niemandem sein erworbenes Eigentum32o . Der Erblasser war nicht mehr eigentumsfähig und in der juristischen Sekunde des überganges auf den Erben tritt der Steueranspruch dazwischen, so daß der Erbe nur das um die Steuer geminderte Vermögen des Erblassers erwirbt321 . Er kann sich somit schon aus Rechtsgründen nicht beschweren. 313 314 315 316 317 318 319 320 321

(234) Rau Bd. 2 S. 203. (173) Lith S. 368, 370. (96) Harl S. 45. (143) Klüber S. XXXVII. (143) Klüber S. 13 f., 17. (143) Klüber S. 19. (173) Lith S. 364. (173) Lith S. 363. (173) Lith S. 365 f.

266

9. Ausgewählte Steuerarten

9.5.5. Die Erbschaftssteuer stellt sich danach in der Endzeit des Kameralismus als eine nach modemen Prinzipien "fertige" Steuer heraus, die zur zeitentsprechenden Kodifikation keiner wissenschaftlichen Bearbeitung mehr bedurfte. 9.6. Allgemeines und besonderes Steuerrecht im Kameralismus Die Behandlung des gesamten besonderen Steuerrechts der Kameralzeit würde den Rahmen der Arbeit sprengen und in den Grundzügen eine Wiederholung der erörterten Steuerarten sein. Das sehr umfangreiche Thema der Akzisen weist unverkennbare Analogien zur Entwicklung der Erbschaftssteuer auf. Eine alte Steuer wurde reformiert und den Erfordernissen der Zeit angepaßt. Ebenso kann die Erörterung der Genese der Häusersteuer als exemplarisch für die alten Grundsteuern stehen. Die Parallelen zur Kopfsteuer sind im Werdegang der Abzugssteuer zu erblicken. Die Vielzahl der besonders ausgestalteten Einzelsteuern und ihre Evolution sind nur vom Detailinteresse her von Bedeutung. Zur Interpretation der Gesamtentwicklungslinien tragen sie über das Dargestellte hinaus wenig bei. Eine weitere bedeutsame Erkenntnis liegt in der Beachtung der ziemlich späten eigenständigen Bearbeitung des besonderen Steuerrechts durch den Kameralismus. Die Entwicklungslinien des allgemeinen Steuerrechts wurden schon in der früh- und hochkameralistischen Epoche ausgearbeitet. Damit ergibt sich eine Evolution, die vom besonderen alten Steuerrecht über das neue allgemeine Steuerrecht zum neuen besonderen Steuerrecht schreitet. Die alten überholten Steuern wurden von den Kameralisten zunächst nicht in der wissenschaftlichen Literatur revidiert, sondern aus den alten Rechtsstrukturen entwickelten sie unter Einschaltung aufklärerischen Gedankenguts, der Ideen des Naturrechts, einer rechtssystematisch rationalistisch orientierten juristischen Methodik, einer neuen Sicht der soziologischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge und einem egalitären Verständnis des rechtlich organisierten Staates ein modernes allgemeines Steuerrecht. Nach dem Modell der neu entwickelten allgemeinen Rechtsinstitute und -figuren wurde dann mit einer Verzögerung von ein bis zwei Menschenaltern das überholte besondere Steuerrecht reformiert. Inwieweit insbesondere beim besonderen Steuerecht Tendenzen der gesetzesentwickelnden Besteuerungspraxis mitgewirkt haben, muß anderen Untersuchungen überlassen bleiben.

Biographischer Anhang Nach Abschluß der Arbeit wurde auf Anregung meines verehrten Lehrers der nachfolgende biographische Anhang über die wichtigsten Kameralschriftsteller gefertigt. Dabei ergab sich, daß nach der erbrachten Leistung bedeutende und ihr Fachgebiet prägende Meister biographisch verschollen sind, obwohl ihre Werke allgemein verbreitet waren und auch heute noch greifbar sind. Stintzing-Landsberg und die Allgemeine Deutsche Biographie schweigen sie tot. Sekundäre Größen finden dagegen eine kameralistisch nicht verständliche breite Würdigung. Kameralistischer Rang und zeitgenössische Anerkennung decken sich nur dann, wenn hervorragende Leistungen auch auf zivilistischem oder wenigstens staatsrechtlichem Gebiet zu verzeichnen waren. Kann man der Nichterwähnung eines Immanuel Karl Heinrich Börner, eines Philipp Christoph Heinrich Eschenmayer, eines Heinrich Kessler, eines Johann Wilhelm Rövenstrunck oder eines Johann Daniel Richter noch Verständnis entgegenbringen, so beruht das Verschweigen eines Edward Baumstark, eines D. Heinrich Bensen, eines Johann Daniel Eulner, eines Stokar von Neuform, eines Daniel Gottfried Schreber oder gar eines Georg Gottfried Strelin auf zeitbedingter exzessiver Wertblindheit. GottjTied AchenwaH (1719 - 1772): Professor der Philosophie, der Rechte, des

Naturrechts und der Politik. Freund pütters. Er gilt als Vater der wissenschaftlichen Statistik.

KaTt Ludwig ATndt (1803 - 1878): Puchta nahestehender Jurist, den Stintzing-

Landsberg erwähnt. Ob er mit dem Verfasser des Werks "Die naturgemäße Steuer" identisch ist, ließ sich nicht feststellen.

Johann Joachim BecheT (1635 - 1682): Autodidakt. Auf vielen Wissensgebieten

dilettierend. Verfasser verschiedener Schriften zur Handelstheorie. Trotz seiner unbestreitbaren nationalökonomischen Bedeutung hat er zu den eigentümlichen Leistungen des Verwaltungskameralismus nichts beigetragen.

WHhetm Joseph BehT (1775 - 1851): Professor der Staatsrechtslehre in Würz-

burg. Als Kameralist wenig originell, aber persönlich tadelsfrei und ungewöhnlich mutig. Von 1832 bis 1839 war er wegen Beteiligung an der revolutionären Bewegung in Festungshaft.

GüntheT HeinTich von BeTg (1765 -1843): Obwohl er infolge seiner vorwie-

gend praktisch ausgerichteten staatsmännischen Tätigkeit und seiner angeblich nur populärjuristischen Schriftstellertätigkeit als reiner Praktiker mit Theoriedefizit gilt, gehört er mit seinen Werken zum Polizei- und Staatsrecht zu den Klassikern des öffentlichen Rechts.

Johann HeinTich Ludwig BeTgius (1718 - 1781): Fruchtbarer kameralistischer

Schriftsteller, dem erfolgreiche Systematisierungsversuche des ungeordneten kameralistischen Wissenstoffes zu verdanken sind. Beruflich als Hofkammerrat im Staatsdienst tätig.

268

Biographischer Anhang

Christoph Besold (1577 - 1638): Gilt in der nationalökonomischen Literatur

als Meister des Frühkameralismus. In die Ahnenreihe des Verwaltungskameralismus kann er in keiner Weise gerechnet werden.

Jakob Friedrich Freiherr von Bietfeld (1717 - 1770): Politischer und belle-

tristischer Schriftsteller in meist französischer Sprache. Für den Kameralismus bedeutsam war nur sein "Lehrbegriff der Staatskunst", der sich durch den Blick für das Wesentliche auszeichnet. Der Verfasser kann im weiteren Sinn als Schüler Darjes gelten.

Georg Heinrich Borowski (1746 - 1801): Professor der Naturgeschichte, Öko-

nomie und Kameralwissenschaft in Frankfurt an der Oder. Seine einst hochgeschätzten kameralistischen Schriften verdienen dieses Lob in keiner Weise und blieben ohne nachhaltige wissenschaftliche Wirkung.

Friedrich von Cölln (1766 - 1820): Nationalökonomischer Schriftsteller im

preußischen Staatsdienst. Seine Schrift über die Akzise war eine Gelegenheitsarbeit.

August Friedrich Heinrich Wilhelm Crome (1753 -1833): Professor der Sta-

tistik und Kameralwissenschaft in Göttingen. Zeitweise war er auch diplomatisch tätig. Als Schriftsteller war er sehr fruchtbar. Er wurde bisher unterschätzt und kann als Klassiker des Verwaltungskameralismus gelten.

Joachim Georg Darjes (1714 - 1791): Professor der Rechte in Frankfurt an

der Oder. Schüler Christian Wolffs und Lehrer von Carl Gottlieb Suarez. Seine praktischen Verdienste um die Gründung kameralistischer Lehrstühle und sein ungewöhnlicher Erfolg in der Lehrtätigkeit sind anerkannt. In Anlehnung an das einseitig nationalökonomisch orientierte Urteil Roschers wird er aber in seiner wissenschaftlichen Bedeutung verkannt. Sein Einfluß auf die Kodifikationstätigkeit und die Frühgeschichte des Verwaltungsrechts war bedeutend.

(1677 - 1737): Professor für Kameralismus in Frankfurt an der Oder. Der angeblich niedrige wissenschaftliche Stand seiner Werke wird damit begründet, er habe die englische Nationalökonomie nicht erörtert und nur die tatsächliche Sach- und Rechtslage der preußischen Verwaltung dargestellt. Begreift man ihn als Systematiker des besonderen Verwaltungsrechts, so gewinnt er den ihm gebührenden Rang.

Jus'tus Christoph Dithmar

Jakob Friedrich Döhler (1710 - ?): Er war als Beamter im höheren Ver-

waltungsdienst tätig. Seine kameralistischen Schriften verdienen es, der Vergangenheit entrissen zu werden. Es sind beachtliche Beiträge auf dem wissenschaftlichen Niveau seiner Zeit.

J oseph Friedrich Enderlin (1732 - 1805): Der Praxis zugewandter Kameralist

von geringerem wissenschaftlichem Rang.

Friedrich Christoph Jonathan Fischer (1750 -1797): Nach bewegtem politi-

schem Leben wurde er Professor des Staats- und Lehensrechts in Halle. Fischer schrieb viel, leicht und elegant. Seine Stärke lag aber mehr in der Quantität als in der Qualität. Trotz seines mittleren Ranges hat er sich die Nennung seines Namens in den Lexika durch die Erwähnung Steins, der ihn als Vorläufer der Verwaltungswissenschaft lobt, erdient.

Biographischer Anhang

269

Karl Gottfried Fürstenau (1734 - 1803): Professor für Kameralistik. Unselb-

ständiger Vertreter der physiokratischen Lehren, der bisher überschätzt wurde.

Karl Friedrich Fulda (1774 - 1847): Professor der Kameralwissenschaft in

Tübingen. Fulda hat sich um die Ausbildung eines finanzwissenschaftlichen Systems im Spätkameralismus sehr verdient gemacht. Seine dogmatische Leistung als steuerrechtlicher Verwaltungswissenschaftler fand bisher nicht genügend Anerkennung.

Simon Peter Gasser (1676 - 1745): Kameralist und Schüler Samuel Stryks.

Als Dithmar die neugegründete Professur für Kameralismus in Frankfurt an der Oder gegeben wurde, erhielt Gasser die gleiche Stellung an der Universität Halle. Gasser zeichnete sich durch reiches Wissen, knappe klare Darstellung, Beschränkung auf das Wesentliche und Verzicht auf historische und philosophische Weitschweifigkeiten im Stil der Zeit aus. Der überraschend moderne juristische Stil trug ihm den nationalökonomischen Vorwurf mangelnder Wissenschaftlichkeit ein.

Karl Ludwig von Haller (1768 - 1854): Haller vermied es, in seinen zahlreichen

Werken Fragen steuerlicher Art zu berühren. Auch für den theoretischen Rahmen der Finanzwissenschaft geben seine Ausführungen nichts her.

Johann Paul Harl (1772 -1842): Professor für Philosophie und Kameral-

wissenschaft in Erlangen. Günstling des Staatsministers Montgelas. Harl hat viele Werke über Gebiete des Verwaltungskameralismus verfaßt. Obwohl ihm ein reiches Wissen nicht abgesprochen werden kann, verurteilten ihn seine Schüler und die Klassiker des Polizeirechts als wissenschaftlich unqualifiziert. Seinen Werken fehlt einerseits die logische Konsequenz, andererseits war er aber auch in der besonderen Kunst der Kameralisten, der Einzelfallanalyse unter Einsatz des gesunden Menschenverstandes als teleologischem Richtwert, eindeutig überfordert.

Philipp Wilhelm von Hornigk (1638 - 1712): Frühkameralist, der eindeutig

in die wissenschaftliche Ahnengalerie der Nationalökonomie zu zählen ist. Der Aussagewert seiner Werke für den Verwaltungskameralismus ist gleich Null.

Gottlieb Hufeland (1760 - 1817): Die vielseitige Begabung des berühmten

Mannes hinderte ihn, in der Kameralwissenschaft herausragende Leistungen zu erbringen.

Karl Dietrich Hüllmann (1765 - 1846): Hüllmann hat sich als Historiker um

die Geschichte der Besteuerung durch mehrere Werke verdient gemacht. Seine Schriften haben rechtsgeschichtliches Niveau.

Ludwig Heinrich von Jakob (1757 -1827): Der Schüler Kants war Professor

für Philosophie. Obwohl auf rechtswissenschaftlichem und kameralistischem Gebiet Autodidakt stellt sein finanzwissenschaftliches Lehrbuch ein überragendes abschließendes Werk des Spätkameralismus von hohem Systemwillen, klarer gedanklicher Durchdringung und dogmatischer Reife dar. Diese Leistung wurde bisher noch nirgends - soweit ersichtlich gewürdigt.

Isaac Iselin (1728 - 1782): Der berühmte Basler Gerichtsherr und Ratsschreiber

erwies sich nationalökonomisch als unselbständiger schwärmerischer Anhänger der Physiokratie.

270

Biographischer Anhang

Johann Heinrich Jung-StiHing (1740 -1817): Der große Nationalökonom war

auch auf verwaltungs kameralistischem Gebiet ein einfallsreicher und schöpferischer Denker, der eigene Problemlösungen beisteuerte, der aber juristischen Denkschemata fern stand und eher die wirtschaftswissenschaftliche Seite der Steuern betonte.

Johann Heinrich Gottlob von Justi (1720 -1771): Aus der Sicht der Steuer-

wissenschaft muß er als der überragende Kopf des Verwaltungskameralismus gelten. An Systematik waren ihm die Spätkameralisten überlegen, an Klarheit und Gewandtheit des Ausdrucks übertraf ihn sein Konkurrent Sonnenfels. Er war aber allen Vorgängern und Nachfolgern an Ideenreichtum, Originalität, systematischem Ordnungswillen, literarischer Fruchtbarkeit und Einsicht in die Zusammenhänge überlegen. Die vielgerühmten Besteuerungsgrundsätze des Adam Smith hatte Justi schon vor diesem gefunden. Seine Werke hoben die vor ihm sich in der Ansammlung von Einzeltatsachen erschöpfende Kameralistik auf das Niveau einer wissenschaftlichen Disziplin. Alle, die nach ihm folgten, bauten auf seinen Erkenntnissen auf. Sein ruheloses Leben, abwechselnde Kameralprofessuren und Dienste als Verwaltungsfachmann in verschiedenen Staaten, wobei er meist im Streit schied, sowie ein Strafverfahren wegen Betrugs, das nach seinem Tod mit seiner erwiesenen Unschuld abgeschlossen wurde, haben sein Charakterbild lange verdunkelt. Seine als genial zu bezeichnenden Gaben hoben ihn trotz dieser Schatten aus dem Kreis der Kameralisten in die Sphäre der ganz Großen. Rechtsgeschichtliche Untersuchungen werden bestätigt, daß Savigny im Zivilrecht, Feuerbach im Strafrecht und Justi im öffentlichen Recht in einem Namen genannt werden können. Nur der pandektistischen Methode im Staatsrecht ist es zu verdanken, daß Justi hinter einem Moser oder Pütter bisher zurücktreten mußte. Johann Klüber (1762 -1837): Der seinerzeit hochgeschätzte Staatsrechtslehrer von hohen Gaben und kaum vorstellbarem Fleiß bearbeitete nur beiläufig steuerliche Fragen. Sein Gelegenheitswerk über die Erbschaftssteuer beweist Sachkunde und Problemsicht. Christian Jakob Kraus (1753 - 1807): Obwohl der Kameralist Kraus -

er war Professor der Kameralwissenschaft in Königsberg - nicht aus dem Kreis der Vertreter seines Faches herausragt, zeichnen sich seine Werke durch philosophische Fundierung aus, um die sich außer ihm und Justi nur die Frühkameralisten bemüht hatten.

Johann Leopold Krug (1770 -1843): Kameralist und Statistiker im preußischen

Staatsdienst.

Karl Heinrich Ritter von Lang (1764 -1835): Sein Werk über die historische

Entwicklung der deutschen Steuerverfassungen kann als Begründung der Steuerrechtsgeschichte angesehen werden. Obwohl das Werk tendenziös angelegt ist, überzeugt es doch durch die Verwertung eines reichen Quellenmaterials und eine flüssige geraffte Darstellung.

Michael Alexander Lips (1779 - 1838): Staatsrechtlicher Schriftsteller und

Professor der Nationalökonomie. Verfasser praktisch orientierter Gelegenhei tsschriften.

Johann Wilhelm von der Lith (1709 -1775): Brandenburgischer Regierungs-

rat, der unter anderem verschiedene steuerrechtliche Schriften von geringer Originalität herausgab. Sie interessieren als Ausdruck der geltenden

Biographischer Anhang

271

konventionellen Verwaltungsmeinung. Justi schärfte an ihnen seine Feder und bedachte Lith mit vernichtender Kritik. Georg Engelhard von Löhneiß (Lebensdaten unbekannt, etwa 1570 - 1630):

Frühkameralist. Verfasser bildhafter Werke im Stil der Hausväterliteratur. Er wurde von Seckendorff zitiert.

Johann Michael von Loen (1694 - 1776): Frühkameralist. Weitläufig mit

Goethe verwandt.

Johann Peter von Ludewig (1668 - 1743): Universitätskanzler und Professor

der Philosophie und Geschichte. Schüler Stryks. Gegner Gundlings und Thomasius. Fortsetzung Conringscher Ideen. Als Staatsrechtler bekannt dafür, die Vergangenheit nach den angestrebten staatsrechtlichen Konstruktionen zurechtzubiegen (nach dem Urteil Mosers).

Jakob MauviUon (1743 -1794): Naturalisierter Deutscher französischer Eltern.

Unselbständiger Anhänger der Physiokratie von gewandter Feder.

Justus M. Möser (1720 -1794): Seine allgemein gehaltenen Werke geben für

die Kameralwissenschaft nichts her. Die frühere Anerkennung als "größter deutscher Nationalökonom des 18. Jahrhunderts" stellt kameralwissenschaftlich ein krasses Fehlurteil dar.

Johann Jakob Moser (1701-1785): Der charakterliche vorbildliche und viel-

belesene Meister des Staatsrechts lebte ein halbes Jahrhundert zu früh, um im Rahmen seiner schriftstellerischen Fruchtbarkeit auch das kameralistische Verwaltungsrecht zu bearbeiten. Seine steuerrechtlichen Veröffentlichungen nehmen eine eigenartige MittelsteIlung zwischen der geistesgeschichtlich älteren römischrechtlichen Steuerliteratur und dem späteren Beginn des Verwaltungsrechts ein. Methodisch hat er sich nie von dem rechtswissenschaftlichen Positivismus gelöst, wie dies bei den bedeutenderen Kameralisten ein Menschenalter später der Fall war, die durch ihre Frische und die Aussparung der Pandektistik und der historischen Rechtsschule überzeugten. Schwiegervater Achenwalls.

Bernhard Sebastian Nau (1766 -1845): Verwaltungsbeamter und Professor

der Kameralistik. Vorwiegend Praktiker ohne wissenschaftliche Vertiefung und systematisches Geschick.

Johann Wilhelm Neumayr von Ramsla (1570 - 1645?): Sein fortschrittliches

steuerrechtliches Werk war die gekonnte Gelegenheitsarbeit eines gebildeten und weitgereisten Edelmanns.

August Christian Heinrich Niemann (1761 - 1832): Professor der Kameralistik

mit anfänglich rein forstwirtschaftlicher Ausrichtung.

Johann Adam Oberndorfer (1792 -1871): Nationalökonom und Schüler Hufe-

lands. Wenig selbständiger Ab- und Ausschreiber des Adam Smith.

Georg Obrecht (1547 - 1616): Jurist und Kameralist der noch von Savigny

geschätzt wurde. Unmittelbarer Vorläufer des bedeutenderen Seckendorff.

Melchior von Osse (etwa 1506 - 1557): Hervorragender Jurist und Staatsmann.

Sein berühmtes "Testament" wurde von Thomasius neu herausgegeben.

J ohann Friedrich von Pfeiffer (1718 - 1787): Verfasser vieler kameralistischer

Werke. Galt bisher als einer der bedeutendsten Vertreter der Kameralepoche. Er hat aber vorwiegend in schamloser Weise Justi plagiert. Den Vorwurf, ein unjuristischer und unphilosophischer Kopf zu sein, verdiente

272

Biographischer Anhang er sich durch seine erfrischende Kritik an der Physiokratie und seine eher dem späten neunzehnten Jahrhundert zuzuordnende empirischsystematische Interessenausrichtung.

Karl Heinrich Ludwig Poelitz (1772 - 1838): Fruchtbarer Schriftsteller. Ver-

fasser leicht lesbarer staatsrechtlicher Werke.

Johann Stephan Pütter (1725 -1807): Der Staatsrechtler, Schüler Christian

Wolffs und Freund Achenwalls berührte die Kameralwissenschaft in seinen Werken nur am Rande.

Karl Heinrich Rau (1792 - 1870): Professor der Kameralistik und Schüler

Harls und Lips. Aus steuerlicher Sicht neben Baumstark und Jakob der bedeutendste Vollender der kameralistischen Epoche. Verfasser ideenreicher und systematisch vollendeter Werke, die ebenso praxisnah sind, wie sie wissenschaftlich in die Tiefe dringen und eine abschließende Problemsicht bringen.

Friedrich von Raumer (1781 - 1873): Ursprünglich Historiker wurde er auf

Grund seines Werkes über das britische Besteuerungssystem in das preußische Finanzministerium berufen. Später war er Professor der Staatswissenschaft in Breslau. Die Gelegenheitsarbeit eines kameralistischen Außenseiters hat eine kaum zu überschätzende rechtsvergleichende Wirkung in der Kameralliteratur gehabt.

Karl Gottlob Rößig (1752 - 1806): Nationalökonom und Jurist. Professor des

Natur- und Völkerrechts. Stintzing-Landsberg erwähnt ihn als unbedeutenden Vielschreiber. Die übrigen Bibliographien schweigen ihn tot. Er gehört aber zu den besten Kameralisten, der wissenschaftlich auf hohem Niveau stehende Werke verfaßte und nur den schwülstigen nichtssagenden Stil der Zeit verfehlte.

Julius Bernhard von Rohr (1688 -1742): Kameralist und mittelbarer Schüler

Seckendorffs und Schröders. Im wissenschaftlichen Niveau ist er dem viel älteren Seckendorff weit unterlegen.

Johann Christian Christoph Rüdiger (1751-1822): Kameralprofessor und

Linguist. Kameralist mittleren Ranges. Verfasser einiger systematischer Werke.

Benjamin Thompson Graf von Rumford (1753 -1814): In Massachusetts ge-

boren. In späterem Alter bayerischer Staatsminister.

Georg S. Sartorius (1765 - 1828): Publizist der Lehren des Adam Smith in

Deutschland, den er aber einer selbständigen Kritik unterzog. Freundschaftliche Beziehungen zur Familie Goethe.

Johann August Schlettwein (1731-1802): Führender Kopf der deutschen

Physiokraten. Er veranlaßte den Markgrafen von Baden zu einem regional begrenzten Experiment der Einführung der physiokratischen Lehren in der wirtschaftlichen Realität, das verhängnisvolle Folgen für die betroffene Landwirtschaft hatte und zu bösartigem Spott durch JungStilling Veranlassung gab.

Christian von Schlözer (1774 - 1831): Sohn des bekannteren August Ludwig

von Schlözer. Kameralist mittlerer Bedeutung.

Johann Georg Schlosser (1739 -1799): Der Schwager Goethes hat sich durch

zwei Gelegenheitswerke über die Abgaben verdient gemacht. Seine

Biographischer Anhang

273

Bedeutung wird aber weit überschätzt. Als dogmatischer Jurist im Stil seiner Zeit stand er der rechtsschöpferischen Kraft des Kameralismus fremd gegenüber. Theodor Anton Heinrich SchmaLz (1760 -1831): Jurist und Kameralist, der

zu seiner Zeit sehr bekannt war. Steuerlich ist er nicht besonders hervorgetreten.

WUheLm Freiherr von Schröder (Lebensdaten unbekannt, das Datum 1663

wird genannt): Neben Becher und Hornigk war er der dritte der österreichischen Frühkameralisten. Seine kameralistischen Leistungen überragten wissenschaftlich die in rechtlicher Hinsicht plumpen und inhaltsleeren Werke Bechers und Hornigks weit. Er kann nur mit dem im Niveau ebenbürtigen Seckendorff verglichen werden. Den Steuern schenkte er in seinem Hauptwerk wenig Interesse. Der persönliche Vorwurf der untertänigen Fürstendienerei und mangelnden freiheitlichen Gesinnung läßt sich nach dem Inhalt der "Fürstlichen Schatz- und Rentkammer" nicht halten.

Veit Ludwig von Seckendorff (1626 -1692): Frühkameralist von großer Ori-

ginalität und hohem rechtsschöpferischem Rang. Seine Werke "Christenstaat" und "Fürstenstaat" weisen in klarer Linie auf die Vollender des Hochkameralismus, insbesondere Justi.

JuUus Graj von Soden (1754 -1831): Höherer Staatsbeamter in preußischen

Diensten. Verfasser einer umfangreichen finanzwissenschaftlichen Literatur. Der zu Unrecht erhobene Vorwurf des Mangels echter Wissenschaftlichkeit erwarb er sich durch sein klares und vernichtendes Urteil gegen die Physiokratie und die Lehren des Adam Smith und durch sein selbständiges wissenschaftliches Argumentieren aus dem Sinn der getroffenen Regelungen und ohne Rückgriff auf Kapazitäten. Sein Stil war dagegen vergleichsweise umständlich. Stintzing-Landsberg erwähnt ihn nur als Strafrechtler.

Joseph von SonnenjeLs (1733 -1817): Neben Justi ist er der bedeutendste

Kopf der hochkameralistischen Epoche. Obwohl weniger originell und schöpferisch als Justi war er diesem an zukunftsweisendem Sinn, aufklärerischem Elan, praktischer Begabung und brillanter Darstellungskunst überlegen. Vergleicht man Justi und Sonnenfels, so ergeben sich überraschende Parallelen zu dem Verhältnis zwischen Christian Wolff und Thomasius.

Johann Christoph Erich Springer (1727 -1798): Jurist und Kameralist von

geringerer Bedeutung.

KarL August von Struensee (1735 - 1804): Einfallsreicher Kameralist mit selb-

ständigen Problemlösungen. Älterer Bruder des bekannten dänischen Hofarztes und Staatsrates Struensee.

KarL Christian Gotaob Sturm (1781 - 1826): Professor der Kameralistik.

Mittleres Talent der spätkameralistischen Epoche.

Friedrich WUhelm Tajinger (1726 - 1777): Tübinger Rechtslehrer. Sein Ka-

meralwerk über die Polizeiwissenschaft war eine Gelegenheitsarbeit.

Friedrich WUhelm ALb recht von Ulmenstein (1770 - 1826): Juristischer Schrift-

steller von vielseitigen Interessen. Seine kameralistischen Schriften sind meisterliche Gelegenheitswerke.

18 Jenetzky

274

Biographischer Anhang

Friedrich Benedict Weber (1774 -1848): Professor der Kameralwissenschaft.

Literarisch sehr fruchtbar. Seiner formalen Gewandtheit entsprach der inhaltliche Wert seiner Werke in nicht vollem Umfang.

Georg Heinrich Zincke (1692 -1768): Neben Dithmar und Gasser der dritte

Kamerallehrer, der den Ideen Justis und Sonnenfels' im akademischen Unterricht zum Durchbruch verhalf. Er wurde bisher wissenschaftlich unterschätzt. Seine eigenen Veröffentlichungen zählen zu Recht zur klassischen Literatur des Hochkameralismus.

Johann Ehrenfried Zschackwitz (1669 - 1744): Professor für Staatsrechts-

geschichte von vielseitiger Bildung und fruchtbarer Feder.

Literaturverzeichnis Quellenwerke (1) Gottfried Achenwall: Die Staatsklugheit nach ihren ersten Grund-

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IS"

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