Syrien zwischen Alexander und Mohammed. Denkmale aus Antike und frühem Christentum 3733800028, 9783733800024

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Syrien zwischen Alexander und Mohammed. Denkmale aus Antike und frühem Christentum
 3733800028, 9783733800024

Table of contents :
Titelblatt
Vorwort
Einleitung
Geschichte und Kultur Syriens zwischen Alexander und Mohammed
Die Zeit der Seleukiden
Syrien unter der Herrschaft Roms
Palmyra zwischen Römern und Persern
Das frühchristlich-byzantinische Syrien
Bilder
Denkmale des antiken und frühchristlichen Syrien
Dura Europos (Salihije)
Apameia (Qalʿat el-Mudiq)
Kyrrhos (Qurus)
Heliopolis (Baalbek)
Baitokaike (Hosn Soleiman)
Palmyra (Tadmur)
Bostra (Bosra) und das Hauran-Gebiet
Das Simeonskloster (Qalʿat Simʿan) und die »Toten Städte«
Sergiopolis (Resafa)
Qasr ibn-Wardan
Anhang
Literatur
Abbildungsnachweis
Register
Inhalt

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Horst Klenge! Koehler &Amelang · Leipzig

r1en

zwischen Alexander und Mohammed Denkmale aus Antike und frühem Christentum

1-5 Ruinen von Heliopolis (Baal bek). Meßbildaufnahmen aus dem Beginn unseres Jahrhunderts. Erläuterungen siehe bei Tafel 36, 37, 35, 49 und 50.

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ISBN 3-7338-0002-8

Klenge!, Horst:

© 1986 by Koehler & Amelang (VOB), Leipzig

frühem Christentum / Horst Klenge!. - Leipzig : Koehler & Amelang,

Syrien zwischen Alexander und Mohammed : Denkmale aus Antike und 1986. - 212 S.: zahlr. Abb. (z. T . farb. ), 3 Ktn. ; 27 cm

ISBN 3-7338-0002-8

4 -·

Meinen syrischen Freunden

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6 Unweit von Hasbaja liegt am Hermon-Gebirge Ain Herscha mit einem gut erhaltenen römischen Tempel. Der nach Osten ausgerichtete Bau besitzt eine Länge

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von 12 Metern und ist 8 Meter breit ; die Höhe bis zum Kranzgesims beträgt 5,70 Meter. Das Tor ist mit Skulpturen geschmückt, das Gesims zeigt Tierköpfe.

Vorwort

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Nur in wenigen Ländern der Erde sind so zahlreiche Sachzeugen einer langen und wechselvollen Geschichte erhalten geblieben wie in Syrien. Archäologische und kunsthistorische Untersuchungen sowie die weitere Erschließung der inschriftlichen Überlieferung lassen zudem das Bild der syrischen Kulturgeschichte von Jahr zu Jahr deutlicher und geschlossener vor Augen treten. So ist es lohnend, diese Hinterlassenschaft in Wort und Bild vorzustellen und ihr historisches Umfeld zu skizzieren. In diesem Band soll ein Eindruck davon gegeben werden, was an Bauwerken der antiken und frühchristlich-byzantinischen Periode aus einem Gebiet auf uns gekommen ist, das im Westen vom Mittelmeer und im Osten vom Euphrat begrenzt wird und im Norden bis zu den südlichen Hängen des Taurus, im Süden bis zum Hauran-Gebiet reicht. Dieses kulturhistorische Syrien ist somit nicht völlig deckungsgleich mit dem Staatsterritorium der Syrischen Arabischen Republik: Während der Libanon und heute zur Türkei gehörende Gebiete mit eingeschlossen sind, wird der Raum östlich des Euphrat nicht mit einbezogen. Damit bleiben auch jene obermesopotamischen Zentren außerhalb der Betrachtung, in denen in Spätantike und frühem Mittelalter in altsyrischer Schrift und Sprache bedeutende Leistungen vollbracht wurden. Die Vielzahl bemerkenswerter Denkmale, welche die Jahrhunderte überdauerten oder durch Ausgrabungen freigelegt wurden, zwang zu einer Auswahl und zu einer Beschränkung auf die wichtigsten Baukomplexe. Kleinere Objekte, wie sie in den Museen aufbewahrt werden, dienen dabei nur der Illustration und der Ergänzung des kulturgeschichtlichen Bildes. Der hier darzustellende Zeitraum umspannt fast ein ganzes Jahrtausend. Seine Grenzen werden durch zwei Namen bezeichnet: Alexander von Makedonien, auch »der Große« genannt, eroberte nach 333 v. Chr. das alte Kulturland Syrien. In der Folge setzte eine verstärkte »Hellenisierung« ein, die jedoch die in Jahrtausenden gewachsenen altorientalischen Traditionen weder verdecken noch beseitigen konnte. Das frühe Christentum und seine sakrale Architektur schlos-

sen gerade an dieses vorhellenistische Erbe an, dem dann im 7. Jahrhundert der Sieg des Islam unter den Nachfolgern des Propheten Mohammed neue Geltung verschaffte. Die Fotos stammen größtenteils vom Verfasser selbst und entstanden während mehrerer Reisen, die er mit Unterstützung der Akademie der Wissenschaften der DDR sowie dank des Entgegenkommens der Generaldirektion der Altertümer und Museen der Syrischen Arabischen Republik unternehmen konnte. Ohne die bewährte Gastfreundschaft der syrischen Fachkollegen hätte dieses Buch nicht zustande kommen können; ihnen sei es daher auch in Dankbarkeit gewidmet. Dem Alttestamentler Prof. Dr. Dr. K.-H. Bernhardt (Berlin) sowie dem Byzantinisten Dr. habil. F. Winkelmann (Berlin) dankt der Verfasser für die kritische Durchsicht des Manuskripts und eine Reihe wertvoller Hinweise. Herrn Prof. Dr. H. Faensen und seinen Mitarbeitern im Verlag Koehler & Amelang, insbesondere Herrn A. M. Molter, sei für ihr Interesse und die Drucklegung herzlich gedankt, ebenso allen jenen, die bei der Gestaltung halfen oder die Arbeit durch das Überlassen von Fotos unterstützten. Möge der Band dazu beitragen, durch ein besseres Kennenlernen der Leistungen anderer Völker zu einem tieferen Verständnis ihres historischen Weges zu gelangen. Horst Klenge! Berlin, im Dezember 1985

Einleitung

II

Im Jahre 333 v. Chr. besiegte der makedonische König Alexander, den man später den »Großen« nannte, bei der kilikischen Stadt Issos das Heer des persischen Großkönigs Dareios III. Als der noch jugendliche Eroberer danach in Syrien einmarschierte, war das seine erste unmittelbare Begegnung mit der Hochkultu.r des Alten Orients. Auf der Grundlage eines ertragreichen Regenfeldbaus, einer entwickelten Viehzucht, eines schon spezialisierten Handwerks und eines ausgedehnten Fernhandels waren in Syrien schon im 3. Jahrtausend v. Chr. städtische Zentren entstanden, die zugleich Mittelpunkte des politischen und kultischen Lebens waren. Unter ihnen gewannen vor allem Ebla, gelegen inmitten der nordsyrischen Ackerfluren, sowie Gubla (Byblos) an der Küste des Mittelmeeres Bedeutung. Im Verlauf des 2. Jahrtausends v. Chr. nahm die Zahl solcher zentralen Plätze zu; im Ergebnis eines neuen wirtschaftlichen Aufschwungs kam es zur Bildung einer größeren Anzahl staatlich organisierter Gemeinwesen. Immer stärker aber rückte Syrien zugleich in das Blickfeld expansiver Nachbarn, die mit militärischer Gewalt eine Kontrolle über dieses Land anstrebten; denn der östliche Mittelmeerraum stellte seit dem frühen 2. Jahrtausend v. Chr. die wichtigste Zone des Kontakts und des materiellen wie geistigen Austausches dar. Zunächst haben mesopotamische Fürsten mit ihren Truppen das nördliche Syrien durchzogen, in den Küstengebirgen Bauholz für die Tempel ihrer Residenzen geschlagen und die Waffen im Mittelmeer gereinigt. Dann drangen die Hethiter aus Anatolien her über den Taurus südwärts, umkämpften und eroberten die feste Stadt Halab (Aleppo) und zogen den Euphrat hinab bis nach Babylon. Um die Mitte des Jahrtausends begannen die ägyptischen Pharaonen der 18. Dynastie ihre Angriffe, die meist vom mittelsyrischen Küstenraum her vorgetragen wurden. Sie begegneten im nördlichen Syrien einem mesopotamischen Konkurrenten um die Herrschaft über Syrien, dem Staat von Hurri-Mitanni. Im 15. Jahrhundert v. Chr. versöhnten sich die beiden Kontrahenten vor dem Hintergrund einer erneuten hethitischen Expansion. Den Hethitern gelang im 14. Jahrhundert v. Chr.

die Eroberung Syriens bis etwa zur Senke von Horns; sie wurden damit zu Nachbarn der .Ägypter, die Südsyrien beherrschten. Die Ereignisse dieser Zeit, die sich auf syrischem Boden abspielten und in die alle syrischen Fürstentümer mit hineingezogen wurden, haben in den Keilschriftbriefen aus dem ägyptischen Amarna eine lebendige, wenngleich nicht immer zuverlässige Berichterstattung erfahren. Hethiter und .Ägypter gerieten in Konflikt; in der berühmten, von den .Ägyptern in Wort und Bild beschriebenen Schlacht bei Qadesch (am Orontes in Mittelsyrien) prallten ihre Heere aufeinander. Die Hethiter vermochten ihre Besitzansprüche in Syrien zu wahren, und später kam es zu einem Friedensvertrag mit Ramses II., dessen Abschluß zweifellos dadurch forciert worden ist, daß die Assyrer nach ihrer Eroberung Nordmesopotamiens bis zum Euphrat vordrangen. Der Kampf der Mächte des Vorderen Orients um den Besitz Syriens fand um 1200 v. Chr. zunächst durch das Eindringen der sogenannten Seevölker ein Ende; die Ausdehnung von aramäischen Gruppen trug dann ebenfalls dazu bei, das politische Bild Syriens am Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. zu verändern. Zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr., in der frühen Eisenzeit, vermochten vor allem die phönikischen Seestädte Bedeutung zu erlangen; ihr Handel umfaßte den gesamten Mittelmeerraum, in dem zahlreiche phönikische Niederlassungen entstanden. Im Binnenland bildeten sich eine Reihe von aramäischen und syrohethitischen Fürstentümern, die sich jedoch bald - ebenso wie die phönikischen Küstenstädte - von einer erneuten assyrischen Expansion bedroht sahen. Seit dem g. Jahrhundert v. Chr. haben die assyrischen Heere immer wieder Syrien durchzogen, konnten jedoch wegen des syrischen Widerstandes, der von den Fürsten von Hamath und Damaskus angeführt wurde, zunächst nur kurzzeitige Erfolge erzielen. Im späten 8. Jahrhundert v. Chr. gelang den Assyrern schließlich die Unterwerfung ganz Syriens, das für mehr als ein Jahrhundert ein in Provinzen aufgegliederter Teil des assyrischen Imperiums blieb. Als Assur fiel, wurde Syrien zunächst für kurze Zeit von den .Ägyptern

besetzt, bald aber in das Reich der chaldäischen Herrscher Babylons einbezogen. Im Jahre 538 v. Chr. zog der persische König Kyros aus der Dynastie der Achämeniden als Sieger in Babylon ein; für etwa zwei Jahrhunderte wurde damit auch Syrien Teil des Perserreiches. Syrien, dessen Reichtum immer wieder fremde Eroberer anlockte und dessen Polyzentrismus diesen den Erfolg erleichterte, hat nicht nur politisch ein wechselvolles Schicksal gehabt, bevor das griechisch-makedonische Heer seinen Boden betrat. Es war Brücke und Begegnungsort nicht nur für fremde Heere und Kaufmannskarawanen, sondern auch für verschiedene Völker. Semitisch sprechende Bevölkerungen, deren sprachliche Entwicklung sich in Syrien bis zur Mitte des 3.Jahrtausends v. Chr. zurückverfolgen läßt, haben zweifellos zu allen Zeiten die dominierende und prägende Rolle gespielt. Auch die im 2. Jahrtausend v. Chr. über Nordmesopotamien eindringenden Hurriter, ein Zuzug von indoeuropäischen Hethitern und wohl auch von .Ägyptern, Händler aus dem ägäischen Raum, Angehörige der Seevölker und schließlich Fremde, die durch die assyrische Deportationspolitik zwangsweise ins Land g_ebracht wurden, haben zur ethnischen und sprachlichen Vielfalt in Syrien beigetragen. Wer länger blieb und seßhaft wurde, assimilierte sich rasch und trat neuen Zuwanderern bereits als Syrer entgegen. Jede Bevölkerung brachte zugleich eigene Traditionen mit, zudem wurde manches an Kenntnissen, Vorstellungen und künstlerischen Ausdrucksformen von jenen übernommen, mit denen Syrien Handel trieb. Vor allem ägyptische und mesopotamische, dann auch ägäische Überlieferungen fanden in Syrien Eingang; in schöpferischer Weise wurden sie hier mit Bodenständigem zu einer neuen Qualität verbunden. Eine besondere Leistung dieser aus vielen Wurzeln genährten syrischen Kultur war die Ausbildung einer linearen Alphabetschrift im späten 2. Jahrtausend v. Chr. Von den Phönikern wurde, sie zu einem praktischen, neuen Schriftträgern (vor allem Pergament) angepaßten und einem erweiterten geographischen Horizont entsprechenden Schriftsystem entwickelt, das um 800 v. Chr. von den Griechen über-

nommen und damit zur Mutter der meisten europäischen Schriften wurde. In seiner aramäischen Variante wurde diese westsemitische Alphabetschrift auch in den Kanzleien des ganzen westlichen Perserreiches verwendet, und von hier wurde sie - in regionalen Abwandlungen - bis nach Südund Zentralasien hin vermittelt. Daß diese neue Schrift in einem Gebiet entstand, das in engem Kontakt zu den verschiedenen schriftbesitzenden Kulturen stand, ist ebensowenig ein Zufall wie das Entstehen einer äußerlich vielgestaltigen, im Grunde jedoch weithin einheitlichen religiösen Ideologie in Syrien, die aufnahmefähig und zum Synkretismus bereit war. Bereits für das 2.Jahrtausend v. Chr. bezeugen die überlieferten Mythen eine »Weltoffenheit« und eine sachlich-menschliche Betrachtungsweise, wie sie den Hochkulturen an Tigris und Nil fremd war. Syrien erwies sich als ein guter Nährboden für neue Ideologien; es war das syrische Antiocheia, in dem später das Christentum seine erste feste Stütze fand. Alexander der Große und seine Nachfolger haben einem verstärkten Zustrom griechischen Kulturgutes nach Syrien das Tor geöffnet. Dennoch blieb, vor allem außerhalb der griechischen Neugründungen, die bodenständig-orientalische Tradition dominierend. Ihre Lebenskraft zeigte sich auch in dem Einfluß, den sie auf die in hellenistisch-römischem Gewande erscheinende Kultur ausübte, und in ihrer Präsenz, als die römische Herrschaft in ihre Krise trat. Eingebunden in Christentum und Islam, hat sie auch außerhalb des Vorderen Orients Verbreitung gefunden und ist sie bis heute lebendig geblieben. Wenn im folgenden versucht wird, ein Jahrtausend syris.cher Kulturgeschichte zu skizzieren und vor allem mittels seiner Hinterlassenschaft an Baudenkmalen vor Augen zu führen, könnte der erste Eindruck leicht täuschen. Denn es sind insbesondere die städtischen und offiziellen Bereiche, die durch Denkmale vertreten sind, jene also, die sich am 'schnellsten und konsequentesten fremdem Einfluß öffneten. Ein genaueres Hinsehen aber offenbart auch hier das Fortwirken der syrischen Meisterschaft zur Synthese, die Neues schafft.

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7 Apameia (Qal'at el-Mudiq). Die Ruinen der in hellenistischer Zeit gegründeten und noch in der frühchristlich-byzantinischen Periode bedeutenden Stadt liegen am östlichen Rande der Orontes-

nied erung (Ghab) in landschaftlich schöner Umgebung. Von der einstigen Hauptstraße der Stadt geht heute der Blick bis zu dem 1 500 Meter Gipfelhöhe erreichenden Djebel Anserije, über

den die Straße zur Küste führt und der unmittelbar aus dem Orontestal aufsteigt. Das Gebiet der Stadt wird heute zum Teil landwirtschaftlich genutzt. Im Frühjahr ist die Gegend von

dichtem Grün bedeckt. Im Vordergrund Säulen der Kolonnade, die einst die Hauptstraße säumte. Die herabgestürzten Teile des Gebälks zeigen einen reichen Schmuck mit pnanzlichen Ornamenten.

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8 Bei Kyrrhos (Qurus). In römischer Zeit wurde Syri en mit einem dichten Netz gut ausgebauter, befestigter Straßen versehen. Dazu gehörten auch zahlreiche Brücken, von denen heute

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jedoch nur noch wenige erhalten sind. Die Brücke, die in der Nähe des antiken Kyrrhos den Sabun überspannt, ist im 2 . Jahrhund ert errichtet worden. Sie lag an der Straße, die von Antiocheia am

Orontes nach Zeugma am Euphrat führte. Ihre Bögen sind 6 bis 10,20 Meter weit, ihre Gesamtlänge erreicht 120 Meter. Die Fahrbahn wurde bereits in byzantinischer Zeit ausgebess ert

und hat ein Gefälle bis zu 15 Prozent. Auch heute noch vermag di eses Bauwerk d em Verkehr zu di enen.

g Bei Kyrrhos (Qurus). Brücke über den Afrin, ebenfalls an der alten Straße zwischen Antiocheia und Zeugma gelegen. Sie hat eine Länge von 92 Metern, ihre

Fahrbahn ist 5,50 Meter breit. Zwischen ihren drei Bögen befinden sich Pfeiler, die in Flußrichtung eine Länge von 13,50 Metern besitzen ; sie laufen

gegen die Stromrichtung spitz zu, während sie stromab rund gebaut sind. Das Bauwerk ist im 2 . Jahrhundert entstanden, in jener Zeit, als der römische Straßenbau in

Syrien seine Blüte erlebte. Inzwischen mehrfach restauriert, ist die Brücke auch heute noch selbst für Kraftfahrzeuge befahrbar.

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10 Dura Europos (Salihije). Das Haupttor, hier vom einstigen Stadtgebiet her gesehen, gehört zu den am besten erhaltenen Bauwerken dieser antiken Festung am Euphrat. Es wurde wohl schon in hellenistischer Zeit in der west-

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liehen Stadtmauer angelegt, welche die Stadt vor Angriffen aus dem Bereich der Syrisch-Arabischen Wüstensteppe zu schützen hatte und die daher besonders stark ausgebaut wurde. Zugleich verließ in dieser Richtung jene Straße das

Stadtgebiet, auf welcher der Verkehr nach Palmyra verlief. Das Tor wird von zwei Turmbauten flankiert; im Erdgeschoß des nördlichen Torturmes (im Bild rechts) befand sich ein Heiligtum der Tyche, der Stadtgöttin. Die Bauten

aus gebrannten Lehmziegeln, wie sie vor allem im Euphratgebiet üblich waren, haben die Jahrhunderte weniger gut überstanden als die meist aus Stein errichteten Anlagen im eigentlichen Syrien.

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Geschichte und Kultur Syriens zwischen Alexander und Mohammed

Die Zeit der Seleukiden

Der militärische Erfolg Alexanders des Großen wurde durch die politische und wirtschaftliche Krise des Achämenidenreiches begünstigt, in die auch Syrien mit hineingezogen worden war. Dennoch traf sein Vormarsch nach der siegreichen Schlacht von Issos auch in Syrien auf Widerstand. Wiederum war es - wie schon mehrfach beim Eindringen fremder Eroberer - die feste Inselstadt Tyros, die die Kräfte des Gegners band. Während Alexanders General Parmenion mit seinen Reitertruppen im Binnenlande südwärts vorstieß und dabei in Damaskos den persischen Kriegsschatz erbeutete, stand Alexander selbst mehrere Monate hindurch mit seiner Armee vor Tyros. Unterstützung fand er bei dem alten Rivalen dieser Handelsstadt, dem benachbarten Sidon, das seine Schiffe sowohl gegen Tyros als dann auch gegen Gaza zur V crfügung stellte. Aber erst nachdem zur Insel hin ein achthundert Meter langer Damm aufgeschüttet worden war - die Sandanschwemmung an diesem Bauwerk machte Tyros später zur Halbinsel -, konnte im Sommer 332 v. Chr. die Stadt schließlich eingenommen werden. Ihre Bewohner - es sollen insgesamt dreißigtausend gewesen sein - wurden in die Sklaverei verkauft; an ihrer Statt wurden Fremde angesiedelt. Durch ein Opfer für Baal-Melqart, den tyrischen Stadtgott, den die Griechen mit Alexanders Ahnherrn Herakles gleichsetzten, suchte Alexander seine Herrschaftsübernahme zu legitimieren. Auf gleiche Weise hat er später in Ägypten durch Opfer für den Gott Amon-Re deutlich gemacht, daß er sich in der Nachfolge der alten Dynastien sah. Von Ägypten aus rückten griechisch-makedonische Truppen ins Kernland des Achämenidenreiches vor; Dareios III. wurde erneut besiegt und zur Flucht gezwungen. Nach Feldzügen bis Mittelasien und zum Indus ist Alexander dann im Jahre 323 v. Chr., erst zweiunddreißig Jahre alt, in Babylon verstorben - in der traditionsreichen Königsstadt, die er zur glänzenden Metropole seines riesigen Reiches hatte ausbauen wollen. Noch in seinem Todesjahr teilten seine Feldherren das Reich unter sich auf. Als nach Kämpfen untereinander 321 v. Chr. das Erbe Alexanders erneut verteilt wurde, erhielt

der Reitergeneral Seleukos Babylonien. Er dehnte seme Macht später bis Indien aus, gewann in der Schlacht bei lpsos von Antigonos das reiche Syrien und nal1m im Jahre 301 v. Chr. den Königstitel an. Allerdings regierte er nicht das ganze Syrien, denn die Gebiete südlich der Eleutheros-Ebene waren in den Händen des Ptolemaios. Zwischen 274 und 200 v. Chr. haben die Seleukiden mit wechsel'ndem Erfolg fünf Kriege gegen die Ptolemäer geführt; Antiochos III. (222 bis 187 v. Chr.) hat schließlich ganz Syrien und Palästina an sich bringen können. Das bedrängte Ägypten wandte sich an Rom, das die Gelegenheit zur Intervention nur zu gern nutzte. In der Folgezeit hat die Auseinandersetzung mit den Römern die Hauptkraft der militärischen Anstrengungen der Seleukiden in Anspruch genommen. Dabei mußten sie sowohl in Kleinasien als auch in Ägypten vor den römischen Armeen zurückweichen; im Osten ging Mesopotamien an die iranischen Parther verloren. Innerdynastische Konflikte trugen zur Schwächung der seleukidischen Monarchie bei und ermutigten die Gegner. Die parthischen Arsakidenherrscher drängten am Mittleren Euphrat gegen Syrien an, während von Süden her die arabischen N abatäer ihren Einfluß zeitweilig bis nach Damaskos auszudehnen vermochten (85 v. Chr.). Zwei Jahre später besetzte Tigranes II. von Armenien den größten Teil Syriens; den Nabatäern nahm er 73/72 v. Chr. die Stadt Damaskos wieder ab. Nunmehr sahen die Römer die Gelegenheit, in Syrien selbst auf den Plan zu treten: Der römische Feldherr Lucullus besiegte im Jahre '68 v. Chr. den Armenierkönig Tigranes, vertrieb ihn aus Syrien und setzte einen seleukidischen König ein. Dieser aber wurde von den N abatäern besiegt und dann durch einen Aufstand aus der Hauptstadt Antiocheia verjagt. Auch ein anderer von den Römern inthronisierter Seleukide vermochte der Situation nicht Herr zu werden. Im Jahre 66 v. Chr. entsandte Pompejus Truppen zur Besetzung Syriens, und im Sommer des Jahres 64 traf er persönlich im Lande ein. Der seleukidische Staat, ohnehin nur noch eine Fiktion, wurde nunmehr offiziell aufgelöst. Syrien wurde eine Provinz des Römischen Reiches.

Syrien in hellenistisch-römischer Zeit

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Doliche •

Kyrrhos • Hierapolis •

eB eroia Barbalissos •

Chalkis •

Sergiopoli ~ o a Apameia

o Seriane

Epiph a ncia Arados

0

Antarados Marathos



Baitokaike

=

• Palmyra

(Harbaqa-Damm)

Byblos (Qal'at Fakra) • Heliopolis Berytos • • (Niha ) o

0

(Dmeir)

o Dama ~kos (Ai n Herscha)

Aere o (Inchil) o

• Sakkcia

c Philippopolis

Kanatha Athibe • Soada • Bostra •

• Nela • Salcha

Die Seleukiden hatten vom nordsyrischen Antiocheia aus ein Land regiert, das auch nach der griechisch-makedonischen Eroberung orientalisch geblieben war. Die Dynastie selbst versuchte, ihr Herrschaftssystem an altorientalischen Vorbildern zu orientieren. Der Grund und Boden, der dem siegreichen Seleukos und seinen Nachfolgern als »Speerland« zugefallen war, wurde zum Teil dazu genutzt, um der Herrschaft eine breitere Basis und mehr Sicherheit zu geben. Bereits die altorientalischen Könige waren bestrebt gewesen, durch Landübertragung einen Teil der Bevölkerung, vor allem Beamte und Soldaten, enger der Dynastie zu verpflichten. In bedrohten Randgebieten, so etwa in Dura Europos auf dem westlichen Ufer des Euphrat, wurden Soldatenkolonien eingerichtet und mit dem für den Unterhalt notwendigen Land versehen. Neben dem Königsland gab es solches von Tempeln, von Privatpersonen sowie - und das war eine Neuerung im Orient, die aus den griechischen Poleis übernommen worden war - auch von Städten. Im Zeus-Heiligtum von Baitokaike, einem Ort im südlichen Anserije-Gebirge, hat sich ein Zeugnis für die Übertragung von Grund.besitz an einen Tempel erhalten. In der römischen Kopie einer wohl aus dem späten 2. oder frühen 1. Jahrhundert v. Chr. stammenden seleukidischen Inschrift heißt es, daß der Ort Baitokaike nebst lebendem Inventar und mit der gesamten Produktion »für alle Zeit« dern Zeus-Tempel über'eignet worden sei. Man hielt es später offenbar für notwendig, daran zu erinnern. Landbesitzer hatten von ihren Erträgen gewöhnlich ein Zehntel als Steuer an die Seleukiden zu entrichten; die Gemeinde war kollektiv verantwortlich dafür, daß diese Abgabe pünktlich und im vorgesehenen ~Umfang geliefert wurde. Getreide, Wein und Oliven waren die wichtigsten Kul:turen, und vor allem Wein und Oliven fanden auch außerhalb Syriens ihre Abnehmer. Erzeugnisse aus Arabien, aus Indien sowie - über die sogenannte Seidenstraße - aus dem zentralen und fernen Asien nahmen ihren Weg durch das seleukidische Syrien oder fanden dort ihre Käufer. Von den phönikischen Häfen aus wurde Handel mit dem gesamten

Mittelmeergebiet betrieben. Hier waren es vor allem Erzeugnisse der traditionsreichen Textilindustrie, unter denen die mit Purpur gefärbten Stoffe besonders begehrt und kostbar waren, sowie Gläser und Metallarbeiten, die verhandelt wurden. Zentren von Handwerk und Handel, aber auch von politischer Macht und religiösen Kulten waren die Städte. Vor allem im nördlichen Syrien mit seiner dichten Besiedlung sowie im schmalen Küstenstreifen Phönikiens gab es eine Reihe bedeutender Orte. Diese waren teils traditionelle Zentren, wie etwa die Seestädte Tyros und Sidon, Berytos und Arados, die unter ihren alten Namen auch weiterhin blühten. Andere alte Siedlungen wurden in stärkerem Maße hellenisiert und mit neuen, griechischen Namen versehen. So hieß Halab, das im 2. vorchristlichen Jahrtausend seine größte Bedeutung erlangt hatte, nunmehr Beroia, nachdem es um 300 v. Chr. neu gegründet worden war. Hamath, im frühen 1. Jahrtausend v. Chr. Residenz einer bedeutenden aramäischen Dynastie, die zeitweilig einen beträchtlichen Teil Syriens beherrscht hatte, erhielt von Antiochos IV. Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. den Namen Epiphaneia. Zinzar (Scheizar), an einem wichtigen Orontesübergang gelegen, wurde fortan Larissa genannt. Dennoch vermochten diese und andere griechische Namensgebungen die alten Bezeichnungen nicht zu verdrängen. Die aramäisch sprechende, zum Teil schon arabisierte Bevölkerung hat offenbar an den alten Stadtnamen festgehalten, die dann in der überlieferung der Spätantike und des frühen Islam wieder auflebten und sich meist bis heute hielten. Etwas anders war die Situation bei den seleukidischen Gründungen, die unter Nutzung älterer Ortsanlagen vor allem an strategischen Punkten, an Verkehrswegen und an Flußtälern erfolgten. Sie wurden als griechische Städte ausgebaut und weitgehend von Griechen besiedelt. Diese Gründungen konzentrierten sich namentlich auf den wirtschaftlich und politisch besonders wichtigen Norden Syriens. Zur sogenannten Tetrapolis des Seleukos gehörten Antiocheia, Laodikeia, Seleukeia in Pieria an der Mündung des Orontes

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sowie Apameia am Rande des mittleren Orontestales. Antiocheia war politisches Zentrum und Königsresidenz, auch Stätte der königlichen Münze. Wirtschaftlich besaß das nahe Seleukeia Bedeutung; der römische Schriftsteller Plinius der Ältere hat später, im 1. Jahrhundert n. Chr., die Einwohnerzahl dieser Städte auf etwa sechshunderttausend geschätzt. Apameia kann als militärisches Hauptquartier der Seleukiden gelten. Hier wurden neben den Pferden und Kamelen der Reitertruppen auch die ungefähr fünfhundert Kriegselefanten der seleukidischen Könige gehalten; ihre Wertschätzung zeigt sich auch darin, daß sie als Emblem auf Münzen abgebildet wurden. Der Bereich des mittleren Orontes (Ghab) ist bereits für das 2.Jahrtausend v.Chr. als ein Lebensraum von - allerdings wilden - Elefanten bezeugt, auf die ägyptische Könige wie Thutmosis 1. und Thutmosis III. Jagd machten. Der relativ kleine syrische Elefant, noch auf assyrischen Reliefs des frühen 1. Jahrtausends v. Chr. dargestellt, scheint zur Seleukidenzeit dort nicht mehr existiert zu haben. Die seleukidischen Könige benutzten für Kriegszwecke den indischen Elefanten, und die Tiere sind offenbar auch von Indem abgerichtet worden. Daß der Bereich um Apameia, vor allem die teils sumpfige Ghab-Niederung, günstige Voraussetzungen für die Haltung von Elefanten bot, war jedenfalls auch in hellenistischer Zeit noch bekannt. Zu dep Neugründungen der Seleukiden gehörten auch Laodikeia, heute als Latakije der wichtigste Hafen Nordsyriens, sowie Dura Europos auf dem: westlichen Euphratufer unweit der Stelle, an der im 3. und frühen 2. Jahrtausend v. Chr. die Stadt Mari lag. An der wichtigen Straße von Antiocheia nach Samosata und Zeugma entstand in seleukidischer Zeit die Stadt Kyrrhos. In den Neugründungen bestand die Oberschicht weitgehend aus Griechen beziehungsweise Makedonen sowie einer hellenisierten einheimischen Aristokratie; die griechische Sprache war hier das wichtigste Verständigungsmittel. Es kann aber angenommen werden, daß man neben dem Griechischen auch das Aramäische beherrschte, jenen westsemitischen Dialekt, der sich seit dem frühen 1. Jahrtausend v. Chr.

in Syrien als Umgangssprache durchgesetzt hatte und dem Phönikischen der Küste nahe verwandt war. Die Bewohner der ländlichen Gemeinden dürften sich durchweg des Aramäischen bedient haben, ebenso auch die unteren Schichten der großen Zentren. In der Überlieferung freilich dominiert das Griechische, die Sprache der gebildeten Oberschicht im gesamten ostmediterranen Raum. Daher ist auch das, was an literarisch-künstlerischem Schaffen auf uns gekommen ist, in Griechisch niedergeschrieben worden. So vor allem die historischen, philosophischen, geographischen und astronomischen Schriften des Poseidonios von Apameia (ca. 135-51 v. Chr.), der allerdings erst von seiner Wirkungsstätte Rhodos aus berühmt wurde. Aus Tyros stammten der Philosoph Antipatros (1. Jahrhundert v. Chr.) sowie der gleichnamige Dichter, der im 2. Jahrhundert in Sidon wirkte; in Tyros lebte zeitweilig auch Meleagros von Gadara (um 100 v. Chr.). Die griechische Tradition brachte auch griechische Götter ins Land. Einheimisch-orientalische Gottheiten warden mit griechischen gleichgesetzt und griechisch benannt. Doch erhielten die griechischen Gottheiten dabei einen orientalischen Aspekt und wurden auf orientalische Weise kultisch verehrt - auch dort, wo die Tempel griechisches Aussehen zeigten. Besonders im ländlichen Bereich und in jenen Gebieten, in denen eine arabische Bevölkerung dominierte - wie im nabatäischen Hauran, im Übergangsland zur Wüstensteppe und in der Oase von Tadmur (Palmyra) -, haben die alten Gottheiten ihre Bedeutung auch weiterhin besessen. Die lokalen Kulte blieben auch in den phönikischen Seestädten erhalten. Der wohl ursprünglich in Sidon verehrte Gott Eschmun, als Heilgott mit dem griechischen Asklepios identifiziert, wurde auch in anderen Teilen Syriens sehr geschätzt. Melqart, der Baal (»Herr«) von Tyros, genoß ebenfalls weithin Verehrung. Als ein Gott, der wieder ins Leben zurückgekehrt war, führte er den alten Baal von Ugarit weiter und wurde mit dem seit langem in Syrien verbreiteten Mythos vom sterbenden und wieder auf erstehenden Gott in Verbindung gebracht. Hohe Verehrung galt dem Himmelsgott, bei dem nun der Aspekt als Sonnengott immer mehr

Syrien unter der Herrschaft Roms

in den Vordergrund trat. So erhielt auch der populäre Gott Baalschamin zunehmend kosmische Züge. Die städtischen Zentren der seleukidischen Zeit haben, nicht zuletzt dank ihrer günstigen Lage, meist Jahrhunderte hindurch bestanden, teils sogar bis in die Gegenwart überdauert. Die spätere überbauung hat - so etwa im Falle von Antiocheia - ältere Anlagen zerstört oder überdeckt. In Dura Europos können noch die Zitadelle und die Stadtbefestigung auf hellenistische Zeit zurückgeführt werden, und die Anlage der Stadt mit ihren sich rechtwinklig schneidenden Straßen läßt noch das System der Gründungszeit erkennen. In Apameia ist wenigstens die Stadtanlage selbst noch als hellenistisch zu betrachten. In dem dereinst von Arados aus gegründeten Marathos (Amrit) lassen die Grabdenkmäler und das Quellheiligtum deutlich vorhellenistische Traditionen erkennen; die Rennbahn des Ortes wurde in seleukidischer Zeit eingerichtet. In den Basaren von Aleppo und Damaskus deuten sich noch die hellenistischen Stadtanlagen mit ihrer auf das Verwaltungszentrum zielenden Hauptstraße und den rechtwinklig davon abgehenden Nebenstraßen an. Doch weder Theater noch Heiligtümer sind aus den drei Jahrhunderten seleukidischer Herrschaft überliefert, noch sind von den zweifellos dereinst reichlich vorhandenen Werken der Plastik und der Reliefkunst, des Mosaiks oder anderer Bereiche künstlerischen Schaffens Beispiele auf uns gekommen. Was heute den Ruhm des antiken Syrien ausmacht und an Ort und Stelle oder in den Museen zu besichtigen ist, entstammt den Jahrhunderten, als Syrien Teil des Römischen Imperiums war.

War Syrien zur Zeit der Seleukiden Zentrum und-Kernland eines Staates, so rückte es nach der Eroberung durch die Römer an die Peripherie eines Imperiums. Als römische Provinz wurde es von einem Prokonsul regiert, der vor allem militärische Aufgaben hatte. Von den Bürgerkriegen, die den Verfall der römischen Republik begleiteten, blieb auch Syrien nicht verschont. Die römischen Kaiser übernahmen dann formal selbst die Würde eines syrischen Prokonsuls, und sie machten damit auch nach außen deutlich, welches Gewicht sie der Provinz Syria beimaßen. Denn Syrien war nicht nur ein Land mit einer entwickelten Wirtschaft und einer blühenden Kultur, sondern - und das dürfte vor allem gezählt haben - es war Grenzbereich gegenüber dem Staat der Parther, dem großen Rivalen Roms im Osten. Bereits Augustus stationierte daher in Syrien die beträchtliche Zahl von vier römischen Legionen. Die Verwaltung Syriens wurde durch einen Legaten ausgeübt, der als kaiserlicher Statthalter in Antiocheia residierte und den Rang eines Konsuls bekleidete. Ihm zur Seite standen Prokuratoren, die vor allem als Steuerbeamte fungierten. Amtssprache wurde nunmehr Latein, doch blieb das Griechische weiterhin die Sprache der gebildeten Oberschicht. Die große Masse der Bevölkerung bediente sich nach wie vor des Aramäischen, wobei der arabische Einfluß immer mehr zunahm. Doch die Verwaltung Syriens war nicht nur deshalb eine schwierige Aufgabe. Der syrische Polyzentrismus, der auch in der Zeit der Seleukidenherrschaft nicht überwunden worden war, brachte sich unter römischer Regierung gleichfalls zur Geltung. Die griechischen Zentren standen unter einem gewählten Magistrat; in Antiocheia selbst, dem Sitz des römischen Statthalters, gab es einen - anfangs sechshundert Mitglieder zählenden - Rat, in dem der Sitz bei den wohlhabendsten Familien der Stadt erblich war. Die aramäischen Siedlungen des Binnenlandes besaßen ihre lokale Verwaltung wie eh und je. Hinzu kamen nun die von den Römern gegründeten und .mit Soldaten besiedelten Kolonien. Der Süden Syriens, nicht zur römischen Provinz gehörend, stand unter der Kontrolle der arabischen Nabatäer, die

von Petra aus einen bedeutenden, wichtige Handelswege kontrollierenden Staat regierten. Im Jahre 106 wurden sie Vasallen Roms; das südliche Hauran-Gebiet, ab Septimius Severus auch dessen nördlicher Teil, gehörte fortan zur römischen Provinz Arabia. In ihren Hauptort Bostra (Bosra) wurde ein Legionslager verlegt, dessen Kommandant senatorischen Rang besaß. Unter Septimius Severus (193-211), der das nördliche Mesopotamien als römische Provinz »Mesopotamia« einrichtete, wurde Syrien in die Provinzen Coele Syria (Koilesyrien) und Syria Phoenice (Phönikien) geteilt. Erstere Provinz hatte in Antiocheia ihren Hauptort - allerdings mit Ausnahme der Zeit des Septimius Severus selbst, der Laodikeia den Vorzug gab -, letztere in Tyros. Dabei reichte »Phönikien« weit in das syrische Binnenland hinein und bezog Damaskos, Emesa (Horns), Heliopolis (Baalbek) sowie Palmyra (Tadmur) mit ein. Die Aufteilung sollte offenbar der wachsenden Macht der Statthalter Syriens entgegenwirken. Doch es war das römische Kaiserhaus selbst, in dem syrischer Einfluß sich zur Geltung brachte: Die Gemahlin des Septimius Severus, Julia Domna, stammte aus Emesa. Die prosyrischen Maßnahmen, die vom Kaiser und seinen Nachfolgern veranlaßt wurden und die zur wirtschaftlichen und kulturellen Blüte des Landes beitrugen, waren gewiß auch dieser syrischen Verwandtschaft zu danken. Im Jahre 2 1 8 bestieg sogar ein ehemaliger Oberpriester des Baal von Emesa als Heliogabal (Elagabal) den römischen Kaiserthron, wurde jedoch schon 222 ermordet. Zweiundzwanzig Jahre später brachte die römische Armee Philippus Arabs (244-249) an die Spitze des Reiches. So regierte ein arabischer Syrer für einige Jahre das Römische Imperium. Unter Kaiser Diokletian (284-305) wurde Syrien mit Phönikien, Palästina, Arabien, Mesopotamien, den kleinasiatischen Provinzen Kilikien und Isaurien sowie mit Ägypten zur Diözese Oriens zusammengeschlossen. Der römische Orient bildete somit eine neue Verwaltungseinheit. Für das Leben in den einzelnen orientalischen Provinzen dürften diese Veränderungen kaum etwas bedeutet haben; sie erfolgten vor allem im Hinblick

auf eine festere Kontrolle durch die Zentralgewalt und ihre Bürokratie. Die im 3. Jahrhundert im Imperium ausgebrochene politische Krise hatte deutlich gemacht, wie verwundbar die Kaiserherrschaft geworden war. Die ersten drei Jahrhunderte römischer Herrschaft ließen Syriens wirtschaftliche Entwicklung zu hoher Blüte kommen. Die wirren politischen Verhältnisse, wie sie unter den letzten Seleukiden entstanden waren, wurden durch eine im wesentlichen stabile Ordnung ersetzt. Die Eingliederung in ein Großreich, zu dem der gesamte Mittelmeerraum gehörte, wirkte sich insbesondere auf den Handel und die auf den Export gerichtete Produktion der Levante positiv aus. Der Ausbau der Grenzbefestigungen in der syrischen W üstensteppe und in Obermesopotamien sicherte das Land weit„ gehend vor persischen Angriffen und beduinischen Überfällen. Die landwirtschaftlich genutzten Zonen dehnten sich, nach den Resten von festen Ansiedlungen römischer Zeit zu schließen, weit in die Steppe hinein aus und erreichten eine Linie, wie sie erst in neuerer Zeit wieder erlangt werden konnte. Wasserräder an Euphrat und Orontes (Norias), die Verwendung der sogenannten archimedischen Schraube sowie große Reservoirs verbesserten die Versorgung der Felder und Haushalte, und die Wasserkraft wurde nun auch für Mühlen genutzt. Die sogenannte Pax Romana brachte eine längere Periode ungestörter ökonomischer Entfaltung, die zugleich auch den geistigen Austausch begünstigte. Er wurde wiederum vor allem vom Handel getragen, durch den Syrien mit dem ganzen Römischen Reich und vielen Ländern jenseits der Grenzen in Kontakt war. Eine Rolle spielten nach wie vor traditionelle Produktionszweige wie die Textilherstellung, in der die Leinenproduktion - insbesondere in Laodikeia, Tyros, Byblos und Berytos - einen wichtigen Platz einnahm, und die Purpurfärberei. Vor allem die Purpurstoffe aus Tyros waren weithin berühmt und begehrt, worauf auch der griechische Geograph und Historiker Strabon (ca. 64 v. -20 n. Chr.) hinweist, der zugleich aber anmerkt, daß der bei der Herstellung des Purpurs aus dem Drüsensekret von Schnecken entstehende Geruch die Stadt

Tyros als Wohnort nicht gerade empfehle. Es florierte ferner die Glasmacherei, und es war in Syrien, wo das Glasblasen erstmals angewendet worden sein soll. Die Kunst der Metallverarbeitung ist in vielen Beispielen überliefert. Wein- und Olivenanbau nahmen einen weiteren Aufschwung; die Funde von schweren Basaltplatten, die als 01pressen gedient hatten, bezeugen die Produktion von Olivenöl auch für Gegenden (so etwa östlich von Horns), die heute Odland sind. Eine Erdbeschreibung aus dem 4. Jahrhundert betont, ganz Syrien habe Überfluß an Getreide, Wein und 01. Die Nachfrage nach syrischen Produkten im Kernland des Imperiums verstärkte den Handel auch mit der italienischen Halbinsel, auf der syrische Niederlassungen eingerichtet wurden. Sidonische Glasmacher sind sogar am Rhein nachweisbar, denn in Köln wurde eine ihrer Werkstätten entdeckt, und ihre Produkte wurden auch im südlichen Rußland bei Ausgrabungen gefunden. Eine bedeutende Erweiterung erfuhr der syrische Fernhandel nach Osten. Die sogenannte Seidenstraße verband den Mittelmeerraum über Mesopotamien und Iran mit Mittelasien und Indien sowie dem fernen China. Chinesische Rohseide wurde in Syrien, so vor allem in Tyros und Berytos, verarbeitet und dann weiter verhandelt. Für das 3. Jahrhundert ist die Tätigkeit eines syrischen Kaufmanns in China bezeugt. In besonderem Maße hat Palmyra, gelegen an der Nahtstelle zwischen den Imperien der Römer und der Parther, von diesem west-östlichen Austausch profitiert. Reste chinesischer Seidenstoffe in den Gräbern wohlhabender Palmyrener zeigen, daß man dieses wertvolle Handelsgut nicht nur weiter in den römischen Westen transportierte, sondern auch selbst erwarb. Aus strategischen wie auch wirtschaftlichen Gründen wurde von den römischen Herren Syriens der Ausbau des Straßennetzes gefördert. Die bereits seit langem existierenden Verkehrswege, die das Land durchkreuzten oder die wichtigsten Zentren miteinander verbanden, wurden vor allem im 2. Jahrhundert zu einem dichten Netz guter Straßen ausgebaut. Dabei machte eine Pflasterung diese Routen teilweise zu Allwetterstraßen, die selbst nach starken Regen-

fällen benutzbar blieben. Antike Wiedergaben des Straßensystems sowie eine moderne Luftbilderkundung, aber auch die an den Straßen dereinst aufgestellten Meilensteine machen es heute möglich, das antike Wegenetz wieder zu rekonstruieren. Zu unterscheiden sind dabei Schnellstraßen, die für einachsige Wagen mit zwei oder vier Zugpferden gebaut wurden, sowie die für zweiachsige Lastwagen bestimmten Straßen. Von der Bautechnik her können auch in Syrien drei Straßenqualitäten festgestellt werden: vollbefestigte Straßen, nur mit Bordsteinen eingefaßte, die dann aufgefüllt und verfestigt wurden, sowie unbefestigte. Ein schönes Beispiel für eine vollbefestigte Straße hat sich im nordwestlichen Syrien unweit von Aleppo erhalten. Auf einer Länge von etwa 1200 Metern zieht sich hier noch die sechseinhalb Meter breite, aus gut behauenen Steinblöcken gefügte Straße durch die wellige Landschaft, dereinst Verbindungsweg zwischen Antiocheia und Chalkis. Um den Pferdehufen einen besseren Halt zu geben, war die Oberfläche der Straßenpflasterung aufgerauht worden. Den felsigen Untergrund hat man zunächst grob geebnet; danach wurde ein Feinplanum aufgebracht, bestehend aus Steinbruch in einem Mörtelbett. Darauf kamen dann die Steinblöcke der Deckschicht, meist in den Abmessungen von 60 cm Höhe, 125 cm Länge und 80 cm Breite. Diese Pflasterung wurde am Rand durch Bordsteine eingefaßt; auf Grund der Erosion des umgebenden Mutterbodens sind jetzt die Bordsteine an dem erwähnten, noch gut erhaltenen Straßenabschnitt in voller Größe sichtbar geworden. War der Straßenuntergrund schlecht, so wurde auf die nur grob planierte Oberfläche eine I o cm hohe Sandschicht aufgeschüttet. Zwischen den etwa 80 cm hohen Bordsteinen wurden sodann behauene Steine lose gepackt; darauf kamen unbehauene Steine und Steinbruch, durch Mörtel miteinander verbunden. Als Straßendecke dienten große, in einem Mörtelbett verlegte Steinblöcke, deren Oberfläche leicht überwölbt war. Einige dieser römischen Straßen sind viele Jahrhunderte hindurch benutzt worden, und inner„ halb von Ortschaften wird das römische Straßenpflaster zum Teil heute noch befahren. Von den in das Straßennetz ein-

Das römische Straßennetz Mittel- und Nordsyriens

bezogenen Brücken zeugen vor allem die beiden unweit von Kyrrhos erbauten Anlagen, Teil der Verbindung zwischen Antiocheia und Zeugma. Eine von ihnen überquert mit sechs Bögen den Sabun-Fluß, die zweite - einen Kilometer davon entfernt - mit drei Bögen den Afrin. Die Pf eil er, in Stromrichtung spitz gebaut, sind seit ihrer Errichtung unverändert geblieben. Eisenklammern von etwa 25 cm Länge verbinden die Steinblöcke, die Eintiefungen der Klammersitze wurden mit Blei ausgegossen. Die später mehrfach ausgebesserten Fahrbahnen haben ein Gefälle bis zu fünfzehn Prozent und sind durchschnittlich fünf Meter breit. Selbst Lastwagen und Autobusse vermögen heute diese Brücken noch zu befahren. Auch am Orontes - so etwa am Ein- und Ausgang der mittelsyrischen Ghab-Niederung - sind römische Brücken noch nachweisbar. Vor allem an den unbefestigten Straßen wurden als optische Signale Meilensteine aufgestellt. Ihre Inschriften geben in römischen Meilen (zu jeweils etwa 1500 Metern) die Entfernung zum nächsten Ziel an; einige gedenken in ihrer Inschrift zugleich verdienter Persönlichkeiten. Auf der Grundlage einer blühenden Wirtschaft nahm die Bevölkerung Syriens weiter zu. Die städtischen Zentren erreichten hohe Einwohnerzahlen; das mittelsyrische Apameia soll in der frühen römischen Kaiserzeit etwa 117 ooo freie Einwohner besessen haben, und Antiocheia rückte - nach Rom und Alexandreia - zur drittgrößten Stadt des Imperiums auf. Die von Rom den großen Städten - wie Antiocheia, Laodikeia, Heliopolis (Baalbek) und Tyros - belassene oder neu verliehene Autonomie artikulierte sich unter anderem in einer eigenen Münzprägung. Die Abbildungen auf diesen _Münzen zeigen nicht selten Bauwerke dieser Städte und tragen somit zur Kenntnis des einstigen Aussehens bei. Was an Baudenkmalen aus dem römischen Syrien auf uns gekommen ist, ist kaum übersehbar. In Antiocheia, in dessen unmittelbarer Nähe sich Daphne als Stätte von Vergnügung, Sport, Kultur und Kult entwickelte, hat sich allerdings wegen der langen Siedlungsgeschichte und modernen Überbauung kaum etwas vom einstigen Glanz erhalten; nur . eine Reihe von prachtvollen Mosaiken, in spätantiker Zeit

zusammengesetzt, können noch einen Eindruck vermitteln. In Damaskus und den phönikischen Küstenstädten sind aus gleichem Grunde nur noch einzelne Bauwerke aus der Römerzeit überliefert. In Laodikeia erinnert noch ein wuchtiges Tetrapylon an die wichtigste Straßenkreuzung der antiken Stadt. Günstiger ist die Situation an solchen Plätzen, die später ihre Bedeutung einbüßten und die damit zugleich einer archäologischen Erforschung breiteren Raum ließen. So etwa Heliopolis (Baalbek) und Palmyra, Bostra und eine Reihe anderer Orte im Hauran, Kyrrhos und Dura Europos sowie Apameia; hier haben eindrucksvolle Baureste die Jahrhunderte überdauert oder sind durch archäologische Forschungen wieder freigelegt worden. Hinzu kommen zahlreiche Ruinen von Tempeln, Wohnhäusern, Befestigungen und Grabanlagen an verschiedenen Plätzen Syriens, insbesondere in den landwirtschaftlich entwickelten Bereichen Nord- und Südsyriens, verstreut aber im ganzen Land einschließlich seiner Gebirge. Dabei wird das ganze Repertorium dessen geboten, was auch aus dem übrigen Mittelmeerraum bekannt ist, oft jedoch in einer orientalischen Abwandlung, die das Fortwirken bodenständiger Traditionen deutlich macht. An vielen Orten auffallende Bauwerke sind die Theater. Sie dürfen schon für die hellenistische Periode vorausgesetzt werden - so etwa für Emesa (Horns), Epiphaneia (Hama), Beroia (Aleppo) und Antiocheia (Antakya). Aber nirgends haben sich Spuren von ihnen aus dieser Zeit erhalten, und auch die schriftliche Überlieferung bietet hier keinen Aufschluß. Insgesamt ist die Existenz von mehr als 50 Theaterbauten für Syrien und Palästina bezeugt; 35 davon können archäologisch nachgewiesen werden. Sie befanden sich vor allem in den Städten des Nordwestens, des Südens und der Küste, also in den am dichtesten besiedelten Gebieten. Ihre Lage innerhalb der Siedlungen - sei es in deren Zentrum oder mehr an der Peripherie - zeigt in jedem Falle die volle Integration dieser Bauten in das städtische Leben an. Sie waren entweder flach gelagert, wie in Palmyra, in Gibala (Djeble) und Bostra, so daß die Zuschauerränge auf einen

Unterbau gesetzt werden mußten; oder sie paßten sich, wie in Apameia und Kyrrhos, dem abfallenden Gelände an. Schon zur Zeit Caesars hat in Antiocheia, einer späteren Tradition zufolge, ein Theater bestanden, das dann von Kaiser Augustus ausgebaut wurde. Auch in Laodikeia muß schon in augusteischer Zeit ein Theater existiert haben, ebenso in Sidon, Seia (im Hauran) und - der Platz kann hier nur vermutet werden - in Damaskos. Bis zum Ende des 1. J ahrhunderts waren auch die Theater in Daphne (bei Antiocheia) und in Apameia errichtet, im 2. Jahrhundert folgten Bostra und Kyrrhos, Palmyra und Dura Europos, schließlich im 3. Jahrhundert Byblos und Philippopolis (Schachba). Initiatoren der Bauten waren teils die römischen Kaiser selbst, wie etwa in der syrischen »Hauptstadt« Antiocheia und ihrem Vorort Daphne sowie im Falle von Philippopolis, der Heimat des Kaisers Philippus Arabs. Teils aber trug man mit dem Theaterbau den Wünschen der römischen Garnisonen Rechnung, wobei die jeweiligen Gouverneure oder Militärführer als die Bauherren auftraten. Auf diese Weise sind etwa in Bostra und Kyrrhos die großen Theaterbauten ent_standen, deren Kapazität die Anwesenheit einer großen Zahl römischer Soldaten berücksichtigte. Ab dem 2. Jahrhundert haben dann auch wohlhabende syrische Städte selbst ihre Theater errichten lassen. Es wäre jedoch verfehlt, aus der großen Zahl bedeutender Theaterbauten zu schließen, daß antike Bühnenstücke in Syrien weit verbreitet und bekannt gewesen sind. Die Kenntnis des Griechischen war im wesentlichen auf die dünne Oberschicht begrenzt, die des Lateinischen war wohl noch geringer. Auch bei den römischen Legionären, die ja meistens nicht aus Italien selbst stammten, waren die Lateinund Griechischkenntnisse nicht hinreichend verbreitet, um für antike Bühnenstücke ein großes Publikum zu haben. Die soziale Funktion, die Drama und Komödie im griechischen Mutterland besaßen, war in Syrien zudem nicht gegeben. So ist es wahrscheinlich, daß meistens Unterhaltungsprogramme mit Kampfspielen, Artistik, Musik und Tanz geboten wurden, allenfalls noch Burlesken. Die Theater waren in

erster Linie eine Stätte der Vergnügung, auch des politischen Lebens; hier erfüllten sie ihre eigentliche Funktion im Leben des römischen Orients. An einigen Plätzen gab es zudem »Konzerthäuser« (Odeen) - wie in Kanatha (Qanawat), doch spielten sie neben den massenwirksameren Theatern eine geringe Rolle. Außerhalb der Theater konzentrierte sich das städtische Leben vor allem auf die großen Haupt- und Marktstraßen, an denen meist auch die wichtigsten öffentlichen Bauten aufgereiht lagen. In Antiocheia ist die alte Straßenanlage im Jahre 115 durch ein Erdbeben zerstört worden - eines von den zahlreichen Beben in dieser Region, die oft starke Verwüstungen anrichteten. Der römische Kaiser Trajan, der sich gerade in der Stadt aufhielt, rettete sich in das Hippodrom, die Pferderennbahn, wo er vor herabstürzenden Mauem sicher war. Die danach neu gebaute Straße konnte archäologisch auf einer Länge von 1,5 Kilometern festgestellt werden. Sie besaß eine Breite von neun Metern; daran schlossen sich die Portiken an und die von dort zugänglichen Geschäfte. In Apameia hatte die von Norden nach Süden die ganze Stadt durchziehende Hauptstraße, ebenfalls dann mit Portiken versehen, eine Länge von 1, 7 Kilometern. Ihre Breite betrug sogar 34,5 Meter, wovon die Fahrbahn allein schon 20,5 Meter breit war. Auch in Palmyra, Dura Europos sowie in Bostra sind die alten Hauptstraßen nicht nur feststellbar, sondern auch noch begehbar. In Damaskos und Beroia läßt sich zwar das alte Straßennetz mit dem Cardo maximus, d. h. der Hauptstraße, noch erkennen, doch ist der Eindruck einer Magistrale durch die spätere Bebauung, insbesondere durch die Basare, verwischt worden. In Damaskus ist die alte sogenannte Gerade Straße (via recta), die übrigens im g. Kapitel der Apostelgeschichte erwähnt wird, mit fast 1 ,5 Kilometern Länge anzusetzen; sie besaß fast 26 Meter Breite einschließlich der Gehsteige, die etwas über sechs Meter breit und überdacht waren. Die Hauptstraße, von der in rechtem Winkel N ebenstraßen abgingen, die wiederum von Parallelstraßen geschnitten wurden, endete jeweils an den beiden bedeutendsten Toren

Hel iopolis (Baalbek), Tempelbezirk mit Jupiter- und »Bacchus«-Tempel, Rekonstruktion (ohne Altäre)

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;,\;~!::., .,/,·:: ~- '1' r ,,Der Adonis, o Fremdling, fließt durch den Libanon; der Libanon aber ist gelberdig. Da nun in jenen Tagen dauernd rauhe Winde wehen, tragen sie die meist mennigfarbene Erde in den Fluß, und sie macht ihn blutfarben.«