Reallexikon für Antike und Christentum 04 : Dogma II – Empore

Reallexikon für Antike und Christentum : Sachwörterbuch zur Auseinandersetzung des Christentums mit der antiken Welt D

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Reallexikon für Antike und Christentum 04 : Dogma II – Empore

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REALLEXIKON FÜR ANTIKE UND CHRISTENTUM SACHWORTERBUCH ZUR AUSEINANDERSETZUNG DES CHRISTENTUMS MIT DER ANTIKEN WELT

BEGRÜNDET VON FRANZ JOSEPH DOLGER, THEODOR KLAUSER, HELMUT KRUSE, HANS LIETZMANN, JAN HENDRIK WASZINK HERAUSGEGEBEN VON

THEODOR

KLAUSER

BAND IV:

Dogma II - Empore

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ANTON H IER SEMANN • STUTTGART

REDAKTIONSSCHLUSS DER LIEFERUNGEN VON BAND IV Lief. Lief. Lief. Lief. Lief. Lief. Lief. Lief.

25 26 27 28 29 30 31 32

Bogen Bogen Bogen Bogen Bogen Bogen Bogen Bogon

1-5 6-10 11-15 16-20 21-25 26-30 31-35 36-40

(Dogma II - Donauprovinzen): (Donauprovinzen - Dreizehn): (Dreizehn - Ebenholz): (Ebenholz — Effeminatus): (Effeminatus — Einbalsamierung): (Einbalsamierung - Ekstase): (Ekstase - Elfenbein): (Elfenbein - Empore):

1. Juni 1957 1. September 1957 1. März 1958 1. Juli 1958 1. November 1958 1. März 1959 1. Juni 1959 1. August 1959

© ANTON HIERSEMANN, STUTTGART 1959

PRINTED IN GERMANY DRUCK: ALLGÄUER HEIMATVERLAG GMBH., KEMPTEN EINBAND: C. H. SCHWABE, STUTTGART

EDUARD STOMMEL 1910-1958 zum Gedächtnis

Vorwort Im Vorwort zum 3. Band des „Reallexikons für Antike und Christentum“, abgefaßt am 1. August 1957, äußerte der Herausgeber die Hoffnung, daß die Gründung des „Franz Joseph Dölger-Instituts zur Erforschung der Spätantike“ die Möglichkeit schaffen werde, die Lieferungen des Lexikons in dichterer Folge und gesteigerter Qualität vorzulcgen. Ob die Qualität sich seitdem gehoben hat, mögen die Sub­ skribenten des Unternehmens in aller Welt entscheiden, deren Zahl längst auf über eineinhalb Tausend angestiegen ist. Daß die Ausgabe der Lieferungen an Regel­ mäßigkeit erheblich gewonnen hat, zeigt das Datum des Vorwortes zu diesem 4. Band: es wird zwei Jahre und drei Monate nach dem Vorwort zum 3. Band abgefaßt. Durchschnittlich konnte also jedes Vierteljahr eine Lieferung veröffent­ licht werden. Dieser Erfolg wird vor allem den hingehenden Bemühungen der Mit­ arbeiter des Instituts verdankt. Am 26. September 1958 verlor das Reallexikon unerwartet einen der aktivsten und treuesten Helfer außerhalb des engeren Institutskreises, den Bonner Professor für Alte Kirchengeschichte, Dr. theol. Eduard Stommel. Der Verstorbene hat regel­ mäßig an den wöchentlichen Arbeitssitzungen des Instituts teilgenommen und hat unsere Diskussionen durch seine scharfsinnigen methodischen Bemerkungen, durch die Aufzeigung oft überraschender, aus selbständigem Durchdenken der Probleme gewonnener Perspektiven und nicht zuletzt durch seinen liebenswürdigen Humor gewürzt. Als Meister einer kristallklaren, geistvollen Darstellungskunst wird er uns Vorbild bleiben. Requiescat in pace! Es sei auch an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß Ende 1958 der 1. Band des „Jahrbuchs für Antike und Christentum“ erschienen ist, dem in den nächsten Wochen Band 2 folgen wird. Die Nachtragsartikel zum Reallexikon, die sich in diesen beiden Bänden des Jahrbuchs finden, behandeln die Stichwörter: Aethiopia, Amen, Constantius I, Constantinus II, Constantius II, Constans. Bonn, den 26. Oktober 1959

THEODOR KLAUSER

Dogma II (sachlich). A. Vorchristlich I ,Sitz im Leben' (Platon und Moses) 1. II. Brückenbauer a Josephus 3; b Philon 4. B. Christ­ lich. I. Frühzeit, a Apostolische Väter 6; b Apologeten 7. II Heidn. Polemik 12. III Tnnerkirchliche Auseinander­ setzung. a. Klemens v Alexandrien 13; b Eusebius v Cae­ sarea 15 IV. Vom Glaubensbekenntnis zum Staatsgesetz 17. V. Ausblick 23.

A. Vorchristlich. I. ,Sitz im Leben4 (Platon u. Moses). ,AoY[xa4 drückt das aus, was rich­ tig scheint, d. h. die,Meinung’, die ,Lehre4, den ,Grundsatz4, ferner, sofern etwas einer Ver­ sammlung von Menschen richtig scheint, den ,Beschluß4; schließlich, sofern dieser Beschluß veröffentlicht u. verbindlich gemacht wird, die ,Verordnung4, das ,Edikt4 (vgl. Kittel). Es handelt sich also in allen Fällen um das Er­ gebnis menschlicher Meinungsbildung, welche entweder für eine philosophische Schule oder für eine politische Gemeinschaft kraft ge­ meinsamen Beschlusses oder kraft Anordnung einer Autoritätsperson verbindlich gemacht werden kann. Dem entspricht die Beobach­ tung, daß im Bereich der altgriechischen Reli­ gion von Dogma u. Dogmen nirgends die Rede ist. Es gibt, das entspricht der völlig unsyste­ matischen Art griechischer Religionsbildung aus Mythos u. jeweiliger Ortstradition, kein Zeus- oder Apollo-D. Es gibt auch keine Wei­ sung eines Gottes, die als für alle seine Ver­ ehrer so verbindlich erklärt worden wäre, daß sic als D. bezeichnet würde. D. ist also nicht in der griech. Religion verwurzelt, sondern in der grieeh. Philosophie. Denker, nicht Priester stellen hier D. auf. So berichtet Iamblich von dem Arzt u. Naturforscher Epicharmos (vgl. Diels, VS 1, 23 A 4), er habe um des Tyrannen Hieron Millen in Syrakus nicht offen philo­ sophiert, sondern heimlich im Scherz Lehr­ sätze des Pythagoras vorgebracht oder ver­ breitet. Platon (rep. 538C) stellt Grundsätze (8.) in betreff des Gerechten u. Schönen auf, in denen wir wie unter Eltern aufgezogen Reallexikon IV

worden sind u. zw. von Kindheit auf. Ihnen stehen Bestrebungen gegenüber, die der Mensch gern verfolgt, weil sie Lust gewähren. Platon nennt sie, im Gegensatz zu jenen stren­ gen 8., ¿7n.T7j8sufi.a~a -/¡8ova

Dogma II

Die Zeiteinteilung in Perioden von Monaten u. Jahren erwuchs aus Lehren (5.) von Men­ schen, weiche die Zahl bevorzugt haben, u. ‘-teilt im Gegensatz zum untriigcrischen ,Heute’ als Bezeichnung der Ewigkeit (fuga et inv 37). Die Sidonier Boethos u. Panaitios sind kraftvolle Vertreter stoischer Lehren (aet. liiui.d. 76; vgl. 97, 1.3). Daß Moses Ver­ künder wichtiger Dogmen ist, wird durch allegorische Auslegung erw'iesen. mit Gen. 3, 8 führt Moses den Satz (3.) ein, daß der Schlechte ein Flüchtling ist (leg. alleg. 3, 1). Das Verbot der Auslieferung eines geflüchteten Sklaven an seinen bisherigen Herrn (Dtn. 23, 16), lerne man als notwendigen Lehrsatz von Mo­ ses (leg. alleg. 3, 194). Das Verbot (3.) der Teilnahme von Verstümmelten an der Ver­ sammlung vor Gott (Dtn. 23, 1) deutet Philon auf die Anhänger der Lust, die keinen Samen zur Unsterblichkeit (weder männlichen noch weiblichen) in ihre Seele aufzunehmen ver­ mögen, weil sie sich in schimpflicher Sorge um ihr Leben auf Erden verzehren (ehr. 212). Ebenso ist das Gesetz über das Erbrecht zweier Söhne zweier Frauen (Dtn. 21, 15/17) ein Sovuoc xod v6[j.ck; (sacrif. Abclis 19). Die Lehr­ meinungen (3.) der Ägypter werden unter An­ führung des Moses zerschlagen (ebd. 130). Den Unterschied von verbindlichem Lehrsatz (8.) u. persönlicher Ansicht (36^a) erweist Kains Sieg über Abel (post. Caim 38). Hagar rettet ihren Sohn durch das nötige Wasser u. ver­ langt, ihn mit den Lehren (8.) u. Einsichten (Fscop7ju.ava) großzuziehen, durch die sie selbst großgezogen wurde (ebd. 130); der Unter­ schied von 8. u. f}sd)p7]u.a dürfte im objektiv Überkommenen u. subjektiv Geschauten lie­ gen, beides ist ja hernach verpflichtende Lehre. Nicht nur die Weisheit bietet ihre Dogmen (3.) in Fülle dar (v. cont. 35), auch der Nous öffnet den Blick dafür (mut. nom. 5); das hier Erkannte sicht man nicht mit Hilfe unechten, sondern echten Lichtes, das von sich selbst her ausgestrahlt ist. Wir steigen von dieser unbiblischcn, mystischen Gnosis noch auf, wenn Philo die Lehre von Gottes Eigenschaften als ein für die Mitglieder der Philosophie sehr nötiges Dogma kennzeichnet (Cherub. 85 f) oder gar den urbildlichen vom ge­ schaffen«, n Menschen scheidet, indem er erste­ ren als Wirker u. Wahrer der Tugenden be­ zeichnet, während letzterer die Tugenden we­ der mied noch wahrte, sondern nur durch Gottfs Neidlosigkeit in ihre Grundsätze (8.) eingefühl t wird, im Begriff, alsbald ein Flücht­

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ling der 'fugend zu weiden (leg. all 1, 54). Den Beschluß mag eine schönt' Stelle bilden, welche für Philons Synkretismus bezeichnend ist (v cont. 68). Er schildert die greisen Jung­ frauen, welche aus Streben u. Verlangen nach Weisheit die Vergnügungen des Leibes gering achteten, sich nicht nach sterblichen, sondern unsterblichen Nachkommen ausstreckten, welche zu gebären allein die gottliebende Seele imstande sei. Das ist möglich durch eine Saat von Strahlen des göttlichen Vaters in die Seele, welche geistig wahrnehmbar sind u. vermittels deren sie imstande sein wird, die Grundsätze (8.) der Weisheit zu schauen. Philon rückt in die Nähe von Mc. 12, 28 ff u Rom. 13, 8/10, wenn er die Gebote der Gottcsu. Nächstenliebe als die Hauptgebote (3.) be­ zeichnet (spec. leg. 2, 63). Die ganze Spann­ weite des Begriffs D. (von den meteorologi­ schen Erkenntnissen der Chaldäer über die Lehren griechischer Philosophen bis hin zu den Gesetzesdeutungen des mosaischen Ge­ setzes mit Hilfe der Allegorien u. mystischer Spekulation) wird hier deutlich. Man darf wohl sagen, daß Philon in der Hellenisierung des AT u. des Judentums so viel vorgearbeitet hat, daß die zweite u. dritte Generation der Christen schon ein Feld bereitet fand, auf dem die Hellenisierung der Lehre Christi als ,Dogma4 fortgesetzt werden konnte. B. Christlich. I. Frühzeit. a. Apostolische Väter. Der eben umschriebene Prozeß setzt erst bei den sog. Apostolischen Vätern ein. Dort finden sich bei dem in seiner Polemik gegen das Judentum einzigartigen Barnabas an Philon gemahnende Beweismethoden, die erkennen lassen, daß er sie bei hellenistischen Juden gelernt hat, um sie jetzt gegen sie zu wenden (vgl. H. Windisch, Barnabasbrief: Hdb z. NT [1920] 313ff). Die Beschneidung seiner 318 Knechte vollzog Abraham im Blick auf Jesus; bedeuten doch 10 + 8 (Zahlzeichen i u. •/]) Jesu Namen, das Zeichen für 300 aber (t) sein Kreuz. Der Erzvater vollzog diesen Akt an seinen Knechten, ,weil er im Geiste vorausschaute auf Jesus, als er die Weisungen (8.) von 3 Buchstaben hinnahm4 (9, 7). ,Dog­ men4 sind hier die Lehren, die den Sinn dieser 3 Buchstaben erschließen. Als vom Geist ge­ wirkt sind sie verbindlich, u. der Autor ist sich bewußt, nie ein echteres Wort weiterge­ geben zu haben (9, 8. 9), allerdings an Leute, die dessen würdig sind. Wenn Barnabas (c. 10) das Verbot des Genusses dreier Tier klassen auf den verbotenen Umgang mit 3 Arten von

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Dogma II

Menschen deutet, so ist er überzeugt, Mose habe selbst im Geist geredet, als er diese 3 Wei­ sungen (8.) empfing u. David (Ps. 1, 1) habe die Gnosis eben dieser 3 Dogmata angenom­ men (10, 2. 9). Eigenartig ist schon die Ein­ leitung (1, 6) über die 3 Lehrsätze (8.) des Herrn, die irgendwie Glaube, Hoffnung u. Liebe mit anderen, jüdischer Tradition ent­ lehnten Begriffen verkoppeln (vgl. Windisch zSt.). - Wenn nach Didache 11 bei Aufnahme von Aposteln u. Propheten nach dem Grund­ satz (8.) des Evangeliums verfahren werden soll, so darf man an Stellen wieMt. 10,40f; 10, 10; 12,31 denken. Paulus redet in solchem Falle (vgl. 1 Cor. 7, 5 mit 9, 14) von einem Auftrag (sTmayT)) des Herrn im Gegensatz zu seiner persönlichen Meinung. - Ignatius kann die Magnesier aber aneifern sich in den Grund­ sätzen (8.) des Herrn u. der Apostel zu festigen (13, 1); es ist hier nicht an Glaubenssätze, sondern an Weisungen für das praktische Le­ ben zu denken (sie heißen bei Ign. Eph. 9, 2: EvvoXal’l7)cro’jXpt.oToü;Trall.7,1: SiavaygaTa Tcöv aTOOTÖXcov). In diesem Zusammenhang mag die Bemerkung des Origenes zu Mt. 7, 7 f eingeordnet werden, der die Worte Jesu ,heil­ bringende Lehrsätze (8.)‘ncnnt (inMt.fr. 138f [69/71 Klost.]), nachdem er zu Mt. 5, 2 vorher von den Schätzen der Weisheit gesprochen hatte, die Jesu Mund durch seine Lehre her­ vorbringe (ebd. fr. 80 [47]). Diese Verbindung von noepia u. Soygava erinnert an Philon, eben­ so die philosophische Auslegung von Mt. 7, 7 (fr. 139 [71]), welche aus Jesu schlichten Wor­ ten eine dreifache Stufenfolge macht, um vom Suchender Wahrheit (aX-rjOmaTcov Soygavaw), über die Erschließung der verborgenen Weis­ heit zum rechtfertigenden Bekenntnis zu ge­ langen. b. Apologeten. Deutlicher tritt die Wechsel­ bezeichnung zwischen griechischen u. christ­ lichen Dogmen im Sinne von Lehrmeinungen bei den Apologeten zutage. Eine eigentüm­ liche Verschlungenheit von geistiger Ver­ wandtschaft u. geistlichem Abstand läßt sich nur aus der Methode der Verteidigung erklä­ ren, welche an schon vorhandene Tradition (Philon) anknüpft. So zeigt Justin (ap. 20, 4), daß die Christen mit der Lehre vom Welten­ brand ein Dogma der Stoiker, mit ihrer Auf­ fassung von Gott als Schöpfer u. Ordner des Kosmos ein solches Platons vertreten. Ande­ rerseits ist die Unterscheidung zwischen ech­ ten Christen u. Häretikern wie Simon, Markion, Menander zu fordern, welche trotz dä­

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monischen Einflusses u. trotz ihrer lächer­ lichen Irrlehre Christen genannt u. wegen ihrer Soygava nicht bestraft werden (ebd. 26, 6f). Hier liegt ein analoger Fall vor, meint Justin: die Häretiker heißen Christen, wie auch die, welche mit den Philosophen nicht die gleichen Lehrsätze haben, doch den ihnen beigelegten Namen der Philosophie gemein­ sam haben. Deutlicher konnte Justin die Ver­ wandtschaft christlicher Richtungen mit de­ nen der Philosophenschulen zunächst nicht zum Ausdruck bringen! Wo es Streit um Lehr­ sätze gibt, entstehen Sekten. Wer vertritt aber die richtigen Dogmata u. erhebt mit Recht auf den Namen der Schule oder christlichen Gemeinschaft Anspruch ? Justin sieht selbst, daß eine klare Unterscheidung nötig ist. Grie­ chische Philosophen u. Dichter haben zu ihren ,Dogmen1 von der Unsterblichkeit der Seele, von den Strafen nach dem Tode oder von der Schau himmlischer Dinge, Anregungen* (aepopgai) von den Propheten erhalten (ebd. 44, 9). Bei allen scheinen ,Keime der Wahrheit1 (cr7rspgava aX7]ffsia