Studentischer Workload: Definition, Messung und Einflüsse [1. Aufl.] 9783658289300, 9783658289317

Im Zuge der Bologna-Reformen ist der studentische Workload – verstanden als zeitlicher Arbeitsaufwand, den Studierende f

444 106 6MB

German Pages XV, 360 [361] Year 2020

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Studentischer Workload: Definition, Messung und Einflüsse [1. Aufl.]
 9783658289300, 9783658289317

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XV
Front Matter ....Pages 1-1
Konzeption und Messung studentischen Workloads. Ein Überblick zu Entstehung, Stand und Herausforderungen (Daniel Großmann, Christin Engel, Justus Junkermann, Tobias Wolbring)....Pages 3-30
Determinanten des studentischen Workloads. Eine Übersicht und Modellskizze (Daniel Großmann, Christin Engel)....Pages 31-62
Front Matter ....Pages 63-63
Der Einfluss von ökonomischen und ideellen Motiven auf den studentischen Workload (Justus Junkermann, Ludwig Goldhahn)....Pages 65-87
Der Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren auf den studentischen Workload (Ivo Windrich)....Pages 89-115
Front Matter ....Pages 117-117
Studienfinanzierung und studienbegleitende Erwerbstätigkeit als Determinanten des studentischen Workloads: Negative Effekte der Selbstfinanzierung? (Beate Apolinarski, Christoph Gwosć)....Pages 119-143
Students’ time budget in European comparative perspective. Results of the 6th round of EUROSTUDENT and an in-depth analysis of the Hungarian student survey (Eva Maria Vögtle, Ádám Hámori)....Pages 145-177
Front Matter ....Pages 179-179
Erhebungsmethoden und Determinanten des Workloads bei Leipziger Soziologiestudierenden (Bastian Baumeister, Roger Berger)....Pages 181-204
Datenqualität umfragebasierter Workload-Messungen: Eine Mixed-Methods-Studie auf Grundlage von Learning Analytics und kognitiven Interviews (Evgenia Samoilova, Tobias Wolbring, Florian Keusch)....Pages 205-229
Front Matter ....Pages 231-231
Zum Lernverhalten im Bachelorstudium. Zeitbudget-Analysen studentischer Workload im ZEITLast-Projekt (Christiane Metzger, Rolf Schulmeister)....Pages 233-251
Chancen und Grenzen einer Anwesenheitspflicht in Lehrveranstaltungen. Ein Studienreview zu Anwesenheit und Lernerfolg (Rolf Schulmeister)....Pages 253-270
Front Matter ....Pages 271-271
Hängen die ECTS-Punkte von Lehrveranstaltungen mit dem studentischen Workload zusammen? (Richard Nennstiel, Rolf Becker)....Pages 273-292
Brauchen wir eine Workload-Diskussion? Zur Rolle formaler Studienworkloads für das Lern- und Studierhandeln. Eine empirische Studie bei Lehramtsstudierenden des Master of Education (Dina Kuhlee)....Pages 293-312
Front Matter ....Pages 313-313
Studentischer Workload im Bachelorstudium am Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg von 2007 bis 2018 (Reinhard Wittenberg)....Pages 315-334
Workload-Erhebungen – Notwendiges Übel oder ungenutzte Chance? (Stefen Müller)....Pages 335-360

Citation preview

Daniel Großmann · Christin Engel Justus Junkermann Tobias Wolbring Hrsg.

Studentischer Workload Definition, Messung und Einflüsse

Studentischer Workload

Daniel Großmann · Christin Engel · Justus Junkermann · Tobias Wolbring (Hrsg.)

Studentischer Workload Definition, Messung und Einflüsse

Hrsg. Daniel Großmann Universität Leipzig Leipzig, Deutschland Justus Junkermann Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Mainz, Deutschland

Christin Engel Universität Leipzig Leipzig, Deutschland Tobias Wolbring Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Nürnberg, Deutschland

ISBN 978-3-658-28930-0 ISBN 978-3-658-28931-7  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-28931-7 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Cori Antonia Mackrodt Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Geleitwort

Früher gab es folgenden Witz: Warum müssen Studierende um 6 Uhr aufstehen? Antwort: Weil der Supermarkt um 7 Uhr schließt! Mittlerweile haben sich nicht nur die Öffnungszeiten im Einzelhandel deutlich ausgeweitet, sondern auch die Forschung zur zeitlichen Arbeitsbelastung von Studierenden, wovon dieser Band zeugt. Verschiedene Narrative ranken sich um die Arbeitsbelastung der Studierenden – oder dem ‚Workload‘, wie es heute heißt. Zum einen das Narrativ des ‚süßen‘ Studierendenlebens, das vor allem aus Party, Selbstfindung und dem gelegentlichen Besuch der heiligen Hallen der Alma Marter besteht. Zum anderen das Narrativ der ausgebrannten Studierenden, die nicht nur durch die Prüfungen hasten, um innerhalb der Regelstudienzeit ihr Studium zu bestehen, sondern auch in jeder freien Minute für ihren Lebensunterhalt Geld verdienen müssen. Welches Narrativ bildet die Wirklichkeit eher ab? Wie steht es wirklich um die Arbeitsund Lernbelastung von Studierenden? Wie kann der Zeitaufwand valide und reliabel erhoben werden? Auf diese Fragen gibt es in diesem Buch empirisch basierte Antworten, die nicht nur wissenschaftlich sehr gut fundiert, sondern auch äußerst spannend zu lesen sind. Seit dem ZEITLast-Projekt (Metzger und Schulmeister in diesem Band) ist die Diskussion um den studentischen Workload in Deutschland auf eine ganz neue empirische Basis gestellt worden. Mit einer speziell entwickelten App wurde der gesamte Tagesablauf (ohne Schlafenszeit) in 29 Stichproben von insgesamt 681 Studierenden über 5 Monate komplett erhoben. Damit sind im Gesamtdatensatz 2.484.288 h studentischer Aktivität erfasst worden. Ebenfalls eine solche App wurde bei der Erhebung des Workloads Leipziger Studierender (Baumeister und Berger sowie Junkermann und Goldhahn in diesem Band) sowie bei der Zeitstudie der Humboldt-Universität (Kuhlee in diesem Band) verwendet. Alle Studien beantworten die beiden ersten Fragen empirisch eindeutig: Der Zeitaufwand

V

VI

Geleitwort

für die Kontaktzeit und die Selbstlernzeit ist deutlich geringer als durch die vorgegebenen Credit Points in der Studiengangsplanung veranschlagt. Nach der ZEITLast-Studie beträgt die empirisch erhobene Lernzeit pro Woche im Mittel 24 h, was deutlich weniger als die veranschlagten 40 h ist. Es existiert aber bei den Anwesenheitszeiten und erst recht bei den Selbstlernzeiten eine sehr hohe interindividuelle Varianz, die auch nach Studiengängen variiert. Der spätere Studienerfolg weist dabei nur eine schwache Korrelation mit den Selbstlernzeiten auf. Dies darf auf keinen Fall als Rechtfertigung des gebräuchlichen männlichen Habitus des ‚schlampigen Genies‘ dienen, da nämlich die Kontaktzeiten, d. h. die Anwesenheitszeiten in Lehrveranstaltungen, eine hohe Korrelation mit dem Studienerfolg aufweisen. Die politische Diskussion um die Anwesenheitspflicht, die in einigen Landeshochschulgesetzen festgeschrieben ist (z. B. in NRW), kann aufgrund dieser Studien mit einer klaren evidenzbasierten Empfehlung versehen werden: Anwesenheitspflicht erhöht die Wahrscheinlichkeit des Studienerfolgs, insbesondere für Studierende mit niedrigem sozio-ökonomischen Status (vgl. Schulmeister in diesem Band). Das zweite Narrativ der überforderten Studierenden entspricht auch deshalb nicht der Realität, da empirisch kein Zusammenhang zwischen dem Zeitbudget für Nebenjobs und einem dadurch verringerten Zeitbudget für Workload an der Universität existiert (Baumeister und Berger in diesem Band). Wie schon in der ZEITLast-Studie gezeigt wurde, wird die Zeit für Nebentätigkeit vom privaten, freien Zeitbudget abgezogen und nicht vom Workload für das Studium. Diese Ergebnisse bestätigt auch die Studie an der Humboldt-Universität (Kuhlee in diesem Band). Studierende, die neben dem Studium arbeiten, investieren nicht weniger Zeit ins Studium als Studierende, die nicht arbeiten. Die Studierenden verteilen dabei sehr unterschiedlich ihren Workload auf einzelne Veranstaltungen. Es findet eine bewusste, selektive Entscheidung dazu statt, wo und wie viel Zeit in einzelne Lehrveranstaltungen investiert wird. Auch hier ist – wie in der gesamten Studierendendiskussion – zu konstatieren, dass es keine ‚Normalstudierende‘ mehr gibt, die die Durchschnittswerte repräsentieren. Aufgrund des mittlerweile sehr hohen Anteils einer Jahrgangskohorte, die sich zum Studium entschließt, wächst auch die Heterogenität dieser Gruppe. Die Bürokratie der Credit Points geht jedoch von einem Idealtypus eines ‚homo studiosus‘ aus, dem Studierende längst nicht (mehr) entsprechen. Studierende achten bei ihrer individuellen Zeitplanung nicht auf Credit Points, sondern ob ihnen die Veranstaltung gefällt oder ob die Lehrperson engagiert ist (Kuhlee in diesem Band). Allerdings ist der finanzielle Background dennoch relevant, da – wie zu erwarten – familiäre oder

Geleitwort

VII

staatliche Transferleistungen von monatlich 100 EUR, die Erwerbsarbeit bei Studierenden um 2,6 bzw. 3,4 h pro Monat reduzieren (Apolinarski und Gwosc in diesem Band). Der studentische Workload wird natürlich nicht nur von einem, sondern von vielen Faktoren beeinflusst (Großmann und Engel in diesem Band). Zwischen den Geschlechtern und verschiedenen Studiengängen sind Differenzen des Workloads beobachtbar (Wittenberg in diesem Band). Die Studienmotivation stellt ebenso einen Einflussfaktor dar (Junkermann und Goldhahn in diesem Band), wie Persönlichkeitsfaktoren, hier insbesondere die Versagensangst (Windrich in diesem Band). Auch die dritte Frage der methodischen Erhebung des Workloads wird in diesem Band ausführlich diskutiert (Metzger und Schulmeister; Müller; Nennstiel und Becker; Samoilova, Wolbring und Keusch in diesem Band). In Fragebogensurveys wird retrospektiv die Stundenzahl für die Anwesenheit in Veranstaltungen und für das Selbstlernen erfasst. Ebenso können die Eintragungen in Lehrveranstaltungsevaluationen genutzt werden. Deutlich genauer sind Tagebuch-Apps, in denen Studierende über ihr Handy mehrmals täglich in vorgegebenen Auswahlmenüs die Verwendung der gerade vergangenen Zeiteinheit festhalten. Wie alle vorliegenden Studien empirisch nachweisen, wird bei retrospektiven Fragebogenerhebungen die Stundenzahl deutlich überschätzt. Dies kann in fehlenden Maßstäben, Erinnerungslücken oder sozialer Erwünschtheit begründet sein. Eine solche Fehleinschätzung wird vermutlich aber nicht nur auf die Befragtengruppe der Studierenden begrenzt sein. Neben Tagebuch-Apps werden auch Learning Analytics als neue passive Datenquelle herangezogen (Samoilova, Wolbring und Keusch in diesem Band). Learning Analytics werden z. B. bei Online-Studiengängen durch die Einlogzeiten generiert und stellen eine valide Datenquelle dar. Auch hier zeigt sich wieder, dass die Einlogzeiten deutlich geringer sind als die selbstgeschätzten Werte. Die meisten Artikel, die in diesem Band versammelt sind, zeichnen sich nicht nur durch eine sehr fundierte empirische Basis aus, sondern sind darüber hinaus kurzweilig und informativ geschrieben, sodass die Lektüre ein großes Vergnügen ist. Damit verdient dieser Band nicht nur viele Leserinnen und Leser im Kontext der Hochschul- und Wissenschaftsforschung, sondern auch im politischen Bereich. Viele ideologisch geführte Diskussionen lassen sich durch die hier vorgestellten empirischen Befunde eindeutig und klar beantworten. In diesem Sinne kann die Hochschul- und Wissenschaftsforschung zu einer evidenzbasierten Entscheidungsgrundlage für die Hochschulpolitik und das Hochschulmanagement beitragen.

VIII

Geleitwort

Es ist durchaus von Vorteil, dass mittlerweile die Supermärkte in Deutschland deutlich länger geöffnet haben, was der Autor aus eigener Beobachtung bestätigen kann, weil er viele Jahre in der Nähe des Uni-Campus, vieler Studierendenwohnheime und einem ebenfalls ansässigen Supermarkt gelebt hat. Dort hat er sich des Öfteren abends kurz vor 22 Uhr unter die Studierenden in der beachtlich langen Kassenschlange eingereiht, die schnell noch eine Tiefkühlpizza, einen Energydrink oder ein Bier gekauft haben, was vermutlich aber nicht – wie der eingangs zitierte Witz unterstellt – das Frühstück der Studierenden war. Uwe Wilkesmann [email protected] Prof. Dr., Uwe Wilkesmann,  Jahrgang 1963. Promotion zum Dr. rer. soc. und Habilitation an der Ruhr-Universität in Bochum. Seit 2006 Inhaber des Lehrstuhls für Organisationsforschung, und Weiterbildungsmanagement sowie Direktor des Zentrums für HochschulBildung (zhb) der TU Dortmund. Von 2008 bis 2015 war Uwe Wilkesmann zudem Adjunct Professor am Knowledge Management and Innovation Research Centre der Hong Kong Polytechnic University. Zuvor war er innerhalb langfristiger Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten Hamburg und München (LMU) tätig. Forschungs- und Interessengebiete sind Hochschul- und Wissenschaftsforschung, Organisationssoziologie sowie Wissenstransfer.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen Konzeption und Messung studentischen Workloads. Ein Überblick zu Entstehung, Stand und Herausforderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Daniel Großmann, Christin Engel, Justus Junkermann und Tobias Wolbring Determinanten des studentischen Workloads. Eine Übersicht und Modellskizze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Daniel Großmann und Christin Engel Individuelle Determinanten studentischen Workloads Der Einfluss von ökonomischen und ideellen Motiven auf den studentischen Workload . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Justus Junkermann und Ludwig Goldhahn Der Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren auf den studentischen Workload. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Ivo Windrich Studentischer Workload, Studienfinanzierung und Erwerbstätigkeit Studienfinanzierung und studienbegleitende Erwerbstätigkeit als Determinanten des studentischen Workloads: Negative Effekte der Selbstfinanzierung?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Beate Apolinarski und Christoph Gwosć

IX

X

Inhaltsverzeichnis

Students’ time budget in European comparative perspective. Results of the 6th round of EUROSTUDENT and an in-depth analysis of the Hungarian student survey. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Eva Maria Vögtle and Ádám Hámori Erhebung studentischen Workloads im digitalen Zeitalter Erhebungsmethoden und Determinanten des Workloads bei Leipziger Soziologiestudierenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Bastian Baumeister und Roger Berger Datenqualität umfragebasierter Workload-Messungen: Eine Mixed-Methods-Studie auf Grundlage von Learning Analytics und kognitiven Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Evgenia Samoilova, Tobias Wolbring und Florian Keusch Arbeitsbelastung, Anwesenheitspflicht und Lernerfolg Zum Lernverhalten im Bachelorstudium. Zeitbudget-Analysen studentischer Workload im ZEITLast-Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Christiane Metzger und Rolf Schulmeister Chancen und Grenzen einer Anwesenheitspflicht in Lehrveranstaltungen. Ein Studienreview zu Anwesenheit und Lernerfolg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Rolf Schulmeister Studentischer Workload und das European Credit Transfer and Accumulation System (ECTS) Hängen die ECTS-Punkte von Lehrveranstaltungen mit dem studentischen Workload zusammen?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Richard Nennstiel und Rolf Becker Brauchen wir eine Workload-Diskussion? Zur Rolle formaler Studienworkloads für das Lern- und Studierhandeln. Eine empirische Studie bei Lehramtsstudierenden des Master of Education. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Dina Kuhlee

Inhaltsverzeichnis

XI

Studentischer Workload in der Praxis von Studium & Lehre Studentischer Workload im Bachelorstudium am Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der FriedrichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg von 2007 bis 2018. . . . . . . . . . 315 Reinhard Wittenberg Workload-Erhebungen – Notwendiges Übel oder ungenutzte Chance?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Stefen Müller

Herausgeber- und Autorenverzeichnis

Über die Herausgeber Daniel Großmann, Mag. Art.,  Jahrgang 1974. Medizinische Berufsausbildung, Fachoberschule mit psychologisch-pädagogischem Schwerpunkt, Studium in Soziologie und Politikwissenschaft (Magister Artium). Wiss. Referent des Prorektors für Lehre und Studium der Universität Leipzig 2007 bis 2010. Seit 2010 wiss. Mitarbeiter für Evaluation an der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie der Universität Leipzig und Lehrbeauftragter am Institut für Soziologie. Mitglied des Zentrums für Quantitative Empirische Sozialforschung (QUANTEL) an der Universität Leipzig. Forschungs- und Interessengebiete sind Methoden der empirischen Sozialforschung mit Fokus auf Evaluationsmethoden und Paneldesigns sowie Lern- und Bildungsforschung. Christin Engel, M.A.,  Jahrgang 1984. Berufsausbildung als Bürokauffrau. Studium der Soziologie an der Universität Leipzig und Borlänge (Schweden). Seit 2015 wiss. Mitarbeiterin im Bereich Studiengangs- und Lehrevaluation an der Universität Leipzig und Lehrbeauftragte am Institut für Soziologie. Mitglied im Zentrum für Quantitative Empirische Sozialforschung (QUANTEL) der Universität Leipzig. Forschungs- und Interessengebiete sind Methoden der Empirischen Sozialforschung, Evaluation, Evaluationsmethodenforschung sowie Umwelt- und Bildungssoziologie. Justus Junkermann, M.A.,  Jahrgang 1990. Studium der Soziologie an der Universität Leipzig. Seit 2017 promovierend an der ­Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Fachbereich Organisation von Arbeit und Betrieb. Forschungs- und

XIII

XIV

Herausgeber- und Autorenverzeichnis

Interessengebiete sind heikle Fragen in Surveys, Agent-Based-Modelling, MetaAnalysen und angewandte Statistik. Prof. Dr. Tobias Wolbring, Jahrgang 1982. Studium der Soziologie, Volkswirtschaftslehre und Psychologie an der LMU München, dort 2013 Promotion zum Dr. rer. pol. mit der Arbeit „Methodische Fallstricke bei der Evaluation universitärer Lehre“. 2013 bis 2014 Postdoktorand an der ETH Zürich sowie 2015 bis 2017 Juniorprofessor für Soziologie, insbesondere Längsschnittdatenanalyse an der Universität Mannheim. Seit 2017 Professor für Empirische Wirtschaftssoziologie an der FAU Erlangen-Nürnberg. Seit 2013 Mitherausgeber der „Sozialen Welt“. Forschungs- und Interessengebiete sind die soziologische Hochschul-, Ungleichheits-, Wirtschafts- und Wissenschaftsforschung.

Autorenverzeichnis Beate Apolinarski Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, Hannover, Deutschland Bastian Baumeister  Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland Rolf Becker  Universität Bern, Bern, Schweiz Roger Berger  Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland Christin Engel  Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland Ludwig Goldhahn  Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland Daniel Großmann  Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland Christoph Gwosć  Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, Hannover, Deutschland Ádám Hámori  Oktatási Hivatal, Budapest, Hungary Justus Junkermann  Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Mainz, Deutschland Florian Keusch  Universität Mannheim, Mannheim, Deutschland Dina Kuhlee  Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg, Deutschland

Herausgeber- und Autorenverzeichnis

XV

Eva Maria Vögtle Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, Hannover, Germany Christiane Metzger  Fachhochschule Kiel, Kiel, Deutschland Stefen Müller  Technische Universität Kaiserlautern, Kaiserlautern, Deutschland Richard Nennstiel  Universität Bern, Bern, Schweiz Evgenia Samoilova  Filmuniversität Deutschland

Babelsberg

Konrad Wolf,

Potsdam,

Rolf Schulmeister  Universität Hamburg, Hamburg, Deutschland Ivo Windrich  Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland Reinhard Wittenberg  Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg, Deutschland

Erlangen-Nürnberg,

Tobias Wolbring Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Nürnberg, Deutschland

Teil I Grundlagen

Konzeption und Messung studentischen Workloads. Ein Überblick zu Entstehung, Stand und Herausforderungen Daniel Großmann, Christin Engel, Justus Junkermann und Tobias Wolbring Zusammenfassung

Der Beitrag gibt eine Einführung und Bestandsaufnahme zur ­ WorkloadThematik im Kontext des Bologna-Prozesses und nimmt anhand der bestehenden Herausforderungen eine inhaltliche Einordnung der Beiträge des Sammelbands vor. Dazu wird zunächst ein Blick auf Entstehung und Stand der Konzeption, Administration und Messung des studentischen Workloads geworfen. Anschließend werden zentrale Probleme und Herausforderungen zusammengetragen. Es bestehen theoretisch-konzeptionelle Herausforderungen durch das Fehlen einer hinreichend dimensionierten Modellvorstellung vom Lernen und Verhalten Studierender im Studium, methodische Heraus­ forderungen infolge einer noch weitgehend lückenhaften Methodenforschung

D. Großmann (*) · C. Engel  Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland E-Mail: [email protected] C. Engel E-Mail: [email protected] J. Junkermann  Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Mainz, Deutschland E-Mail: [email protected] T. Wolbring  Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Nürnberg, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Großmann et al. (Hrsg.), Studentischer Workload, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28931-7_1

3

4

D. Großmann et al.

und methodisch unterkomplexer Workload-Erhebungen sowie administrative Herausforderungen durch den meist ausbleibenden oder unzureichend vorgenommenen Abgleich zwischen formal veranschlagtem und dem tatsächlichen Workload der Studierenden. Der Beitrag schließt mit einer Zusammenschau der Sammelbandbeiträge und deren thematischer Einordnung ab.

1 Einleitung Die durch den Bologna-Prozess ausgelösten Studienreformen haben Studium und Lehre an den deutschen Hochschulen stark verändert. Eines der zentralen Elemente ist die flächendeckende Einführung einer aufwandsorientierten Bewertung von Studienleistungen. Studienleistungen werden nun nicht mehr allein fachlich in Form von Noten bewertet, sondern zudem auch anhand des Arbeitsaufwandes in Form von Leistungspunkten (Credits). Für einen Studienabschluss müssen die Studierenden nicht nur bestimmte Teilnoten sowie einen entsprechenden Gesamtnotenschnitt erreichen, sondern auch eine vorgegebene Anzahl von Leistungspunkten vorweisen können. Als Bezeichnung für den Arbeitsaufwand im Studium hat sich im Rahmen der Bologna-Reform der Begriff Workload etabliert. Die Workload-Orientierung lässt sich daher ohne Übertreibung als ein wesentlicher Kern der Reform bezeichnen. Im Kontext der Studienreformen wird mit der „neuen“ ­Workload-Orientierung meist auf einen grundsätzlichen Wandel von einer Lehrenden‐ zu einer Lernenden-Orientierung im Hochschulstudium und damit letztlich auf die Studierbarkeit der Studien- und Lehrangebote verwiesen (vgl. Pasternack et al. 2017, S. 27). Es soll besser gewährleistet werden, dass die gestellten Studienanforderungen mit angemessenem zeitlichem Aufwand erfüllt werden können. Eine zweite und in der Hochschulpraxis bislang zentrale Bedeutung der Workload-Orientierung stellt deren Potenzial für administrative Prozesse dar. Mithilfe eines einheitlichen Systems zur Bewertung des studentischen Arbeitsaufwandes – inzwischen europaweit praktiziert durch das European Credit Transfer and Accumulation System (ECTS) – lassen sich nicht nur an anderen Hochschulen oder im Rahmen von Praktika extern erbrachte Studienleistungen einfacher vergleichen und anerkennen. Es vereinfacht zudem die Curricularund Lehrplanung im eigenen Hause und macht den Einsatz von integrierten ­Campus-Management-Systemen überhaupt erst sinnvoll möglich. Doch so vielversprechend das Workload-orientierte Konzept für Studium und Lehre sowie deren Planung und Administration sein mag, gibt es in der Praxis

Konzeption und Messung studentischen Workloads …

5

doch zahlreiche Fallstricke und Probleme. Dies bildet den Beweggrund für die Auflage dieses Sammelbandes, dessen Beiträge die zentralen Probleme und Herausforderungen sowohl des Konzeptes als auch der Messung studentischen Workloads beleuchten und mögliche Perspektiven aufzeigen sollen. Für einen umfassenden Blick auf die Thematik benötigt es ebenso jedoch eine Bestandsaufnahme. Im Rahmen dieses einführenden Beitrages möchten wir deshalb zunächst einen Überblick zur Entstehung und dem Stand der Workload-Konzeption im Kontext des Bologna-Prozesses sowie zur Messung studentischen Workloads geben und daran anschließend die jeweils bestehenden Probleme und Herausforderungen skizzieren. In einem weiteren Kapitel nehmen wir schließlich eine inhaltliche Zusammenschau aller Beiträge des Sammelbandes vor und möchten uns mit den abschließenden Danksagungen bei all denen bedanken, die zu seiner Entstehung beigetragen haben.

2 Konzeption und Messung studentischen Workloads im Kontext von Bologna Begriff und Konzeption des Workloads sind in Deutschland untrennbar mit der im Jahre 1999 eingeläuteten Bologna-Studiengangsreform verbunden. Tatsächlich bildet die Workload-Orientierung bei den Neuerungen, die mit den Bachelor- und Master-Studiengängen und der Modularisierung älterer Studiengangsarten eingeführt wurden, einen wesentlichen Schwerpunkt. Der Umfang des studentischen Arbeitsaufwandes als zweite Dimension bei der Bewertung von Studienleistungen rückte auf hochschulpolitischer und administrativer Ebene jedoch bereits lange vor der Bologna-Reform in den Fokus.

2.1 Das ECTS als administrativer Kern der „neuen“ Studiengänge Der Begriff und die Konzeption des Workloads geriet im hochschulpolitischen Kontext mit dem Ende der 1980er Jahre verstärkt in den Fokus, als im Rahmen der Neuformierung der Europäischen Gemeinschaft (EG) als Europäische Union (EU) auch ein gemeinsamer europäischer Hochschulraum angestrebt wurde. Seine Bedeutung beschränkte sich zunächst auf das European Credit Transfer and Accumulation System (ECTS), mit dem ab dem Jahre 1989 eine europaweit einheitliche Bewertungsgrundlage für Studienleistungen geschaffen wurde, die

6

D. Großmann et al.

neben der eigentlichen Lernleistung den Umfang des zeitlichen Arbeitsaufwandes für die erbrachte Leistung abbildet. Das ECTS und darin das Workload-Konzept diente zunächst vor allem zur Begünstigung des internationalen Studierendenaustausches, insbesondere des 1987 gegründeten ERASMUS-Programms. Das ECTS wurde zum organisatorischen Kern in den Bestrebungen zur Harmonisierung der europäischen Studiengänge. Das Konzept zur Abbildung des Arbeitsaufwandes von Studienleistungen gelangte so schließlich in die grundlegende Strukturreform für die Studiengänge in der EU. Die Grundzüge der Reform wurden im Jahr 1999 in Bologna mit der gemeinsamen Erklärung „Der europäische Hochschulraum“ (Europäische Union 1999) festgeschrieben. Dazu gehören u. a. die Einführung von vergleichbaren, dreistufigen Studiengängen und -abschlüssen (Bachelor/Master/Promotion), die Etablierung des ECTS als einheitliches Abbildungssystem von Studienleistungen sowie die Vermittlung von Kompetenzen, die für eine Beschäftigung auf den europäischen Arbeitsmarkt befähigen (HRK 2006, S. 285–290). Die Umsetzung der sog. Bologna-Erklärung führt in Deutschland gemeinsam mit den parallel vorangetriebenen Verwaltungsund Strukturreformen (New Public Management) an den Hochschulen zu tief greifenden Veränderungen mit Anpassungen der Hochschulgesetze des Bundes und der Länder sowie zahlreichen Rahmenvorgaben der Kultusminister- (KMK) und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). So regelt das Hochschulrahmengesetz (HRG) fortan, dass ein Leistungspunktesystem als Nachweis von Studienleistungen dient und die Leistungspunkte in andere Studiengänge übertragbar sein sollen (vgl. § 15, Abs. 3 HRG). Im Jahr 2003 beschließt die Kultusministerkonferenz in den Rahmenvorgaben für die Einführung von Leistungspunktsystemen und die Modularisierung von Studiengängen, dass die Grundsätze/ Anforderungen für die Vergabe von Leistungspunkten in den Studien- und Prüfungsordnungen festzuhalten sind und Module einschließlich der Arbeitsbelastung in Stunden und der zu vergebenden Leistungspunkte aufzuführen sind (vgl. KMK 2010). Schließlich definiert die KMK Module als „thematisch und zeitlich abgerundete, in sich geschlossene und mit Leistungspunkten belegte Studieneinheiten“ (KMK 2010, S. 15). Die Vorgabe des Hochschulrahmengesetzes, dass für den Nachweis von Studienund Prüfungsleistungen ein Leistungspunktsystem zu schaffen sei (vgl. § 15, Abs. 3 HRG), wurde durch Übernahme des zu dieser Zeit bereits zehn Jahre bestehenden European Credit Transfer and Accumulation System in die neuen Studiengänge gelöst. Mit der Integration des ECTS wird ein zentraler Teil der Bologna-Erklärung umgesetzt und schließlich die Workload-Konzeption in die neuen Studiengänge übernommen (vgl. Findeisen und Steinmann 2012, S. 3). Leistungspunkte nach dem ECTS drücken den Umfang des Lernens auf Basis definierter Lernergebnisse

Konzeption und Messung studentischen Workloads …

7

und den damit verbundenen Arbeitsaufwand aus. Sie werden allen Komponenten eines Studiengangs, also Module, Lehrveranstaltungen, Praktika oder Abschlussarbeit zugewiesen und „geben das Arbeitspensum für jede Komponente im Verhältnis zum gesamten Arbeitspensum, das für ein volles Studienjahr im betreffenden Studiengang zu leisten ist, wieder“ (HRK 2006, S. 135).

2.2 Workload in der Curricularplanung und -entwicklung der Studiengänge Im deutschen Hochschulsystem wird mit der Integration des ECTS dessen Workload-Bezug und -Konzeption in die neuen Studiengänge übernommen, dabei jedoch in Teilen über den EU-weit geltenden Rahmen hinaus erweitert und formalisiert. In den ländergemeinsamen Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Master-Studiengängen werden Leistungspunkte (Credits) als „ein quantitatives Maß für die Gesamtbelastung des Studierenden“ (KMK 2010, Anhang, ebd., S. 2) bezeichnet. Die vergebenen Leistungspunkte sollen demnach den Umfang zeitlicher Investitionen ausdrücken, die „typischerweise“ (vgl. Europäische Union 2015, S. 10) für das erfolgreiche Absolvieren einer Studienleistung bzw. des gesamten Studiengangs notwendig sind. Dieser Workload umfasst sowohl die Präsenzzeit in Lehrveranstaltungen als auch die Zeit für die Vor- und Nachbereitung des Lehrstoffes, für das Selbststudium, für die Prüfungsvorbereitung, für das Anfertigen von Haus-/Projektarbeiten und der Abschlussarbeit sowie ggf. für das Absolvieren von Praktika (vgl. KMK 2010, Anhang, ebd. S. 2). Die Anzahl an Leistungspunkten, hinter denen der in Stunden gemessene Workload steht, löst damit die zuvor ausschließlich auf Präsenzlehre bezogenen Semesterwochenstunden (SWS) als zentrale Planungs- und Bewertungsgröße ab.1 Je nach Umfang der Regelstudienzeit müssen Studierende für den Abschluss eines Bachelor-Studiengangs fortan insgesamt 180 bis 240 ECTS-Punkte erwerben. Für Master-Studiengänge sind es 60 bis 120 ECTS (HRK 2007, S. 4). In Anlehnung an das ECTS soll für Studierende hinter einem Leistungspunkt ein Workload zwischen 25 und 30 Arbeitsstunden stehen. Die Vorgabe von 60 Leistungspunkten pro Jahr steht demnach für eine Arbeitsbelastung von 1500 bis 1Verbindliche

übergreifende Regelungen, in welchen Verhältnis Präsenz- und Selbststudium in einem Studiengang oder einer Lehreinheit (Modul) zueinander stehen sollen, bestehen nicht. Allerdings muss der jeweils angesetzte Anteil von Präsenz- und Selbststudium für jede Lehreinheit in den Studiendokumenten konkret benannt werden. Mitunter wird dabei auch die veranschlagte Zeit für die Prüfungsvorbereitung aufgeführt.

8

D. Großmann et al.

1800 h und ergibt für die Studierenden somit rein rechnerisch ein wöchentliches Arbeitspensums zwischen 32 und 39 h (Europäische Union 2015, S. 10; KMK 2010, Anhang, ebd., S. 2). Wie viele Arbeitsstunden innerhalb der möglichen Spanne von 25 bis 30 h einem ECTS-Punkt konkret zugrunde gelegt werden, soll in den zugehörigen Studiendokumenten (Studien- bzw. Prüfungsordnung) geregelt werden (vgl. KMK 2010, ebd. S. 6). Die Erweiterungen der Workload-Konzeption über die Regelungen des ECTS hinaus beziehen sich vor allem auf die zeitgleich eingeführte Modul-Struktur. Die Modularisierung der Studiengänge wird im Kontext des gemeinsamen europäischen Hochschulraumes und der Bologna-Erklärung als Ziel nicht expliziert, jedoch vor allem in den deutschsprachigen Hochschulsystemen zeitgleich als Reformzweig vorangetrieben (vgl. Pietzonka 2014, S. 79). In den betreffenden Ländern wird die Modularisierung der Studiengänge eingeführt, um die Lern- und Kompetenz-Orientierung – eine zweite wichtige Säule in der Studienreform – in den neuen Studiengängen umzusetzen. Das Erlernen und Einüben bestimmter Fähigkeiten und Fertigkeiten soll fortan gebündelt und inhaltlich geplant in entsprechend ausgerichteten Lehr- bzw. Lerneinheiten – Modulen – erfolgen. Neu ist dabei auch, dass Prüfungsleistungen fortan modulbezogen absolviert werden. ECTS-Punkte werden deshalb in der Regel ausschließlich für gesamte Module vergeben und auch kalkuliert. Die Festlegungen von Leistungspunkten und damit auch der Arbeitsaufwand in Arbeitsstunden für einzelne Module sind in den Studien- und Prüfungsordnungen nachvollziehbar darzustellen (vgl. KMK 2010, Anhang, ebd., S. 1). Einheitliche Regelungen für den Workload eines Moduls bestehen jedoch nur in soweit, dass Module nicht weniger als fünf ECTS-Punkte umfassen sollen (KMK 2010, S. 6). Da die Leistungspunkte grundsätzlich jedoch nach Art und Umfang der Studienleistung bemessen werden, kann es insbesondere bei der Anerkennung von extern erbrachten Leistungen auch zu geringeren Punktzahlen pro Modul kommen. Ebenso kann es vorkommen, dass ECTS-Punkte für einzelne Lehrveranstaltungen statt für ganze Module vergeben werden. Eine Sonderrolle nimmt bei der Bemessung des Workloads die Abschlussarbeit ein. Die KMK sieht vor, dass der Umfang der Bachelorarbeit mindestens sechs und maximal zwölf ECTS-Punkte betragen darf, bei der MasterArbeit 15 bis 30 ECTS-Punkte (vgl. KMK 2010, S. 3). Die Curricularplanung und -entwicklung in den neuen Studiengängen ist zudem untrennbar mit einer Qualitätssicherung von Lehre und Studium verbunden, die mit methodisch versierten Evaluationen regelmäßig den Zustand des Curriculums und der Studierbarkeit hinterfragt. Beim Thema Workload bedeutet dies, dass der pro Lern-/Lehreinheit angesetzte zeitliche Arbeitsaufwand mit dem tatsächlich von den Studierenden dafür aufgewendeten Arbeitsaufwand

Konzeption und Messung studentischen Workloads …

9

abgeglichen wird. Solche Workload-Messungen und -Analysen sollten nicht nur anfänglich geschehen, wenn der Workload für einzelne Lern-/Lehreinheiten mangels Erfahrungswerten nur geschätzt werden konnte, sondern regelmäßig erfolgen (vgl. HRK 2006, S. 129 sowie Europäische Union 2015, S. 60). Neben der rein quantitativen Erfassung der aufgewendeten Zeit sollten die Studierenden dabei auch die Möglichkeit erhalten, die Intensität des Arbeitsaufwandes zu bewerten.

2.3 Entwicklung und Stand der Messung studentischen Workloads Viele der heute in größeren Studien verwendeten Methoden zur Messung studentischen Workloads nehmen Anleihen in der klassischen Zeitbudgetforschung. Zeitverwendungs- oder auch Zeitnutzungsstudien im Stil einer Umfrage wurden seit dem frühen 19. Jahrhundert durchgeführt (vgl. Harvey und Pentland 1999, S. 5)2. Die erste Zeitbudgetstudie mit Fokus auf den Workload einer Lehrveranstaltung schreibt Blass (1980, S. 23) Franklin H. Giddings im Jahr 1876 zu. Ab Mitte der 1970er treten in den USA zahlreiche Studien zum Zusammenhang von „time use“ (meist für Anwesenheit in Lehrveranstaltungen und Selbststudium) und „educational attainment“ (Bildungserfolg, meist in Form von Noten) auf. Es geht um Zeitverwendung im schulischen und akademischen Umfeld. Von „Workload“ ist dabei jedoch noch nicht die Rede (zitiert nach Etcheverry et al. 1993, S. 2 ff.). Bei den Untersuchungen im amerikanischen Hochschulsystem finden sich nur zum Teil Ansätze für eine Theorie- oder Modellbildung für die Zeitverwendung Studierender im Hochschulstudium (bspw. Covington 1992).

2Im

Zentrum der Untersuchung standen meist die Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung in Zeiten zunehmender Industrialisierung. In der ehemaligen Sowjetunion wurde zudem die im Rahmen der Planwirtschaft veranschlagte Arbeitszeit in Produktionsprozessen gemessen (dazu Pütz 1970 und Blass 1980). Später wurden zudem auch soziale Prozesse in den Fokus genommen, die neben der reinen Arbeitszeitmessung auch die Freizeitgestaltung und sonstige Zeitnutzung hinterfragten. Wolf Blass (1980) benennt drei historischen Trends für die frühen Zeitbudgetstudien: „­ Geldbudget-Forschung, Taylorismus und die sowjetische Kulturrevolution“ und macht den ersten Höhepunkt der Zeitbudgetforschung in den 1920er Jahren fest (ebd. S. 24 ff.). Er verweist dabei auf Karl Pütz (1970), der die Z ­ eitbudget-Forschung bis dahin als „weitgehend ohne theoretische Fundierung rein deskriptiv“ beschreibt (vgl. Pütz 1970, zitiert nach Blass 1980, S. 27).

10

D. Großmann et al.

Auch in Deutschland wurden bereits vor der Bologna-Ära studentische Zeitbudgets im Rahmen von Erhebungen beleuchtet3. Neben „konkurrierenden“ Zeitbudgets, bspw. für studienbegleitende Erwerbarbeit, bildete die Anwesenheit in Lehrveranstaltungen dabei einen Schwerpunkt (dazu Schulmeister in diesem Band). Die meisten der Erhebungen sind jedoch lediglich deskriptiver Art. Abgesehen von einzelnen, zueinander meist nicht anschlussfähigen Ansätzen, ist eine systematische Begriffsbestimmung sowie Theorie- oder Modell-Bildung zur Zeitverwendung Studierender im Hochschulstudium auch im deutschsprachigen Raum ausgeblieben. Mit der Bologna-Reform und der damit verbundenen Workload-Orientierung rückt die Zeitverwendung im Hochschulstudium verstärkt in den Fokus. Es kommt zu einer regelrechten Expansion von größtenteils deskriptiv ausgerichteten Untersuchungen, die sich mit zeitlichen Investitionen in das Studium beschäftigen (dazu Schulmeister 2015 und in diesem Band)4. Auch wenn nicht immer eindeutig, so lassen sich die aufkommenden WorkloadUntersuchungen in zwei Kategorien unterteilen: Zum einen auf einzelne Hochschulen, Fachbereiche oder Studiengänge begrenzte Workload-Erhebungen, mit denen die Studiensituation und Studierbarkeit der neuen Studiengänge hinterfragt werden. Zum anderen hochschul- oder fächerübergreifende Studien, mit denen neben der Studiensituation in den neuen Studiengängen auch die Bologna-Konzeption des Workloads an sich hinterfragt wird und in denen bei einigen Methoden zur Messung studentischen Workloads überprüft und weiterentwickelt werden. Die erste Kategorie von Workload-Erhebungen ist weitgehend deskriptiv und auf die Qualitätssicherung in den neuen Studiengängen ausgerichtet. Die Messung des Workloads findet dabei überwiegend dadurch statt, dass die Studierenden in Rahmen einer Befragung gebeten werden, den zeitlichen

3Zu nennen ist dabei bspw. der an der Universität Konstanz beheimatete Studierenden­ survey, der in zahlreichen Befragungswellen bereits seit Mitte der 1980er Jahre die zeitlichen Anforderungen im Studium detailliert beleuchtet. Auch die seit 1951 regelmäßig durchgeführte Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks erfragte bereits früh Zeitbudgets von Studierenden. 4In einer ausgiebigen Recherche nach Literatur zu Workload und Determinanten des Studienerfolgs hat Rolf Schulmeister fast 300 Studien gefunden, die sich mit der Lernzeit im Bachelor, Varianten des Lernverhaltens und/oder anderen Faktoren des Studienerfolgs befassen (siehe Schulmeister in diesem Band).

Konzeption und Messung studentischen Workloads …

11

Umfang ihrer Arbeit in einem bestimmten Zeitraum, für eine bestimmte Lehr-/Lerneinheit und/oder für bestimmte Tätigkeiten (bspw. Präsenz und ­ Selbststudium) retrospektiv zu schätzen. Die erhobenen Daten werden meist deskriptiv präsentiert und bewertet. Die zweite Kategorie von WorkloadErhebungen können als wissenschaftliche Workload-Studien bezeichnet werden (bspw. Schulmeister und Metzger 2011; Berger und Baumeister 2016 sowie Nennstiel und Becker in diesem Band), wenngleich auch diese oft ebenfalls der Qualitätsentwicklung konkreter Studienprogramme dienen. Die Workload-Messung erfolgt dabei mit eher aufwändigen Methoden, bspw. mit Studientagebüchern, Mobile-Apps oder Learning Analytics, zum Teil mittels Mixed-Methods unter Hinzunahme von qualitativen Interviews. Die Auswertung der erhobenen Daten wird in diesen Untersuchungen sowohl deskriptiv als auch mittels bivariater oder multivariater Zusammenhangsanalysen vorgenommen. Im Fokus stehen dabei sowohl Kausalannahmen dazu, was den Umfang des Workloads Studierender bestimmt, als auch die Validierung der verwendeten Workload-Messmethoden. Wenngleich es bisher nur eine überschaubare Anzahl solcher Untersuchungen des studentischen Workloads im deutschen Hochschulsystem gab, so konnten diese doch wertvolle Erkenntnisse für dessen konzeptionelle Bestimmung und Messung liefern. Die Erkenntnisse skizzieren jedoch auch eine Reihe von Problemen und Herausforderungen, die hinsichtlich der Rolle und Messung des Workloads in den nunmehr nicht mehr ganz so neuen Studiengängen weiterhin bestehen.

3 Probleme und Herausforderungen in Konzeption, Messung und Administration studentischen Workloads Die Etablierung des Workload-Konzeptes im Zuge von Bologna hat einen stärkeren Fokus auf das Lernen, die Lernenden und die Studierbarkeit im Hochschulstudium sowie zahlreiche administrative Vorteile mit sich gebracht. Dennoch zeigen sich sowohl in der Hochschulpraxis als auch den bisherigen ­Workload-Studien zahlreiche Probleme und Herausforderungen. Grob betrachtet, lassen sie sich in theoretisch-konzeptionelle Probleme, methodische Probleme und administrative Probleme unterteilen, die sich zumeist gegenseitig bedingen.

12

D. Großmann et al.

3.1 Theoretisch-konzeptionelle Herausforderungen Eine große Herausforderung für die Erhebung und Bewertung studentischen Workloads besteht in weitgehend nur fragmentarisch vorhandenen theoretischen Grundlagen und Erkenntnissen über das Lernen und Verhalten Studierender im Studium. Zwar beschäftigen sich in den zurückliegenden Jahrzehnten zahlreiche Untersuchungen mit dem Verhalten Studierender – etwa hinsichtlich der Wahl eines Hochschulstudiums generell oder des Studienfachs (bspw. Georg und Bargel 2016; vgl. Waschulewski 2002, S. 98 ff.), dem Lernverhalten im Studium (bspw. Perry et al. 2007; Pintrich und Zusho 2007) sowie der Studienzufriedenheit (bspw. Apenburg 1980, eine Übersicht bei Damrath 2006, S. 231 ff.) – darunter auch Studien mit Blick auf die für das Studium aufgewendete Zeit (bspw. Covington 2007). Die dabei verwendeten Ansätze und gewonnenen Erkenntnisse wurden jedoch nur teilweise miteinander verknüpft, sodass trotz vielversprechender Ansätze eine systematische Theorie- bzw. Modellbildung der Einstellung bzw. Verhaltens im Kontext eines Hochschulstudiums bislang ausgeblieben ist. Infolgedessen fehlt es auch an einem kohärenten und geprüften Modell, das beschreibt und einigermaßen verlässlich voraussagt, wie viel Zeit Studierende unter welchen Bedingungen in ihr Studium investieren und welche individuellen, strukturellen und formalen Faktoren dabei von Bedeutung sind. Ohne ein solches integratives Modell dürfte eine nachhaltige Entwicklung der Curricula und Studierbarkeit nur schwer gelingen, weil bspw. Unterschiede in Herkunft, Fähigkeiten und Orientierung der Studierenden nicht berücksichtigt werden. Es werden in der Curricular- und Lehrplanung an den Hochschulpraxis bislang nahezu ausschließlich die formalen Vorgaben der Module und des Studiengangs betrachtet und andere Determinanten des Workloads weitgehend vernachlässigt. Durch das Fehlen einer umfassenden Modellvorstellung über das Zustandekommen studentischen Workloads bleiben derzeit insbesondere Einflüsse durch individuelle (bspw. kognitive Fähigkeiten, Studienziele, Studienzufriedenheit) und sozialstrukturelle (bspw. soziale Herkunft, soziale Situation) Merkmale der Studierenden auf den Workload unberücksichtigt (vgl. Oppermann 2011; Banscherus und Himpele 2011, S. 95). Im Gegensatz zu den formalen Vorgaben des Curriculums, die in einem Studiengang für alle Beteiligten dieselben sind, können solche individuellen und sozialstrukturellen Merkmale unter den Studierenden desselben Studiengangs sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Tiefergehend angelegte Workload-Untersuchungen zeigen entsprechend auf, dass der

Konzeption und Messung studentischen Workloads …

13

Workload der Studierenden innerhalb desselben Studiengangs oder Moduls deutlich variiert (Schulmeister und Metzger 2011, S. 59; Metzger 2011, S. 241 ff.) und dass der gleiche Arbeitsaufwand ganz unterschiedlich empfunden und subjektiv bewertet wird (vgl. Oppermann 2011, S. 48). Es gibt also einen deutlichen Nachholbedarf im Bereich der Modellbildung und weitergehenden Grundlagenforschung. Die zum Teil erhebliche Streuung in den individuellen Workload-Umfängen und subjektiven Bewertungen des Arbeitsaufwandes sollte nicht nur erklärt werden, sondern auch als Faktum in der Curricular- und Lehrplanung und Workload-Kalkulation anerkannt und bei der Gestaltung der Studiengänge und Module berücksichtigt werden.

3.2 Methodische Herausforderungen bei der Messung Die methodischen Herausforderungen für die Messung studentischen Workloads sind vielschichtig und umfangreich. Sie stehen im Spannungsfeld zwischen fehlenden theoretischen Grundlagen (siehe Abschn. 3.1), einer begrenzten Auswahl an erprobten und oft nicht problemfreien Erhebungsmethoden, dem Qualifikationsstand der damit befassten Personen sowie üblicherweise begrenzten zeitlichen und personellen Ressourcen. Das Potential und die Herausforderungen der Methoden zur Messung des studentischen Workloads wird anhand der tiefergehenden Workload-Studien der vergangenen Jahre deutlich. Als erprobte und präferierte Methode hat sich in der Erforschung des studentischen Workloads das Studientagebuch etabliert. Ob als Papiertagebuch oder Smartphone-App umgesetzt (vgl. Schulmeister und Metzger 2011; Berger und Baumeister 2016), kann es die für das Studium aufgewendeten Zeitbudgets wesentlich differenzierter und verlässlicher erfassen, als rückblickende Erhebungen im Rahmen von Studiengangsund Lehrveranstaltungsbefragungen. Die Tagebuchmethode hat jedoch auch ihre Grenzen und Nachteile. Vor allem ist sie sehr aufwändig und steht deshalb im Widerspruch zu den meist recht begrenzten Evaluationskapazitäten der Hochschulen oder Fachbereiche. In jüngster Zeit wird deshalb verstärkt nach nichtreaktiven Methoden der ­ Workload-Messung gesucht, bei denen Lernzeit-Budgets bspw. elektronisch, im Rahmen der Nutzung von Lernplattformen erfasst werden können (dazu Samoilova et al. in diesem Band). Im Bereich der Methodenforschung ist also die weitere Erprobung und Verfeinerung bewährter Methoden ebenso eine Herausforderung, wie die Suche nach neuen Ansätzen.

14

D. Großmann et al.

Weitere methodische Herausforderungen stellen sich für die ­ orkload-Thematik im Evaluationsalltag in den Hochschulen. Falls über­ W haupt, wird der studentische Workload dort meist mit Hilfe von geschlossenen Fragestellungen im Rahmen von Studiengangs- oder Lehrevaluations­ befragungen erfragt. Die Studierenden werden dabei in der Regel gebeten, die für bestimmte Tätigkeiten (Präsenz, Selbststudium, Prüfungsvorbereitung, begleitende Erwerbstätigkeit) aufgewendete Zeit rückblickend (retrospektiv) zu schätzen. Wenngleich diese Methode als ressourcensparend gilt, weist sie eine Reihe methodischer Probleme auf. Die Verlässlichkeit der so erhobenen Workload-Daten ist begrenzt. Zum einen ergeben sich Einschränkungen, weil in der Regel nur ein Teil der betreffenden Studierenden an den Befragungen teilnimmt und man deshalb von selektiven Effekten in den unkontrolliert zustande gekommenen Stichproben ausgehen muss. Zum anderen weicht die retrospektive Schätzung der Workload in der Regel vom tatsächlichen Workload der Studierenden ab, wenngleich die Differenz bei entsprechend regelmäßigen und ausreichend tiefgehenden Erhebungen möglicherweise statistisch korrigiert werden kann (vgl. Berger und Baumeister 2016). Abgesehen von den Einschränkungen bei der Datenverlässlichkeit wird bei der Anwendung der retrospektiv-quantitativen Workload-Erhebungsmethode oft nicht das vorhandene Potenzial ausgeschöpft. Infolge der unterkomplexen Modellvorstellungen über das Zustandekommen des studentischen Workloads (siehe Abschn. 3.1) fehlen in den Fragebögen meist Items, mit denen die Ausprägung von den workloadbeeinflussenden Merkmalen erfasst werden kann. Zudem werden die Erhebungen oft lediglich deskriptiv und mittels Maßen der zentralen Tendenz (Mittelwert, Median o. ä.) ausgewertet. Für eine differenzierte Ergebnisbewertung sollte die eingehende Betrachtung von Streuungen und Verteilungen jedoch zum Minimalstandard gehören. Bezogen auf einzelne, für das betreffende Studienprogramm wichtige Fragestellungen sollten zudem bivariate und multivariate Zusammenhangs- und Subgruppenanalysen vorgenommen werden. Bei Ergebnissen, die auf tief greifende Probleme in der studentischen Zeitverwendung hinweisen, ist zudem der Einsatz von Mixed Methods fruchtbar, indem zusätzlich zur quantitativen Analyse eine Untersetzung mittels qualitativer Methoden (bspw. Interviews) erfolgt (vgl. Oppermann 2011) – auch wenn das aus der Ressourcen-Perspektive als „Luxus“ erscheint. Eine weitere Herausforderung im Evaluationsalltag an den Hochschulen besteht hinsichtlich der Qualifikation der befassten Personen. Die Erhebung und Analyse des studentischen Workloads ist seit Bologna eine Kernaufgabe im Bereich der Evaluation von Lehre und Studium. So wie auch die Evaluation des Curriculums, der Studienorganisation und weiterer Aspekte des Studiums,

Konzeption und Messung studentischen Workloads …

15

erfordert auch die Workload-Erhebung ein professionalisiertes Vorgehen von in den Methoden der Sozial- und Evaluationsforschung entsprechend qualifizierten Evaluatorinnen und Evaluatoren (vgl. Großmann und Wolbring 2016, S. 11). Wenngleich an den Hochschulen versucht wird, bspw. durch die Einrichtung von Evaluationszentren, darauf zu reagieren, besteht insgesamt noch immer ein starker Professionalisierungsbedarf in der Evaluation von Lehre und Studium, der auch die Erhebung und Analyse des studentischen Workloads betrifft. Wie anschließend noch zu besprechen sein wird, betrifft dies neben der methodischen Qualifikation der Evaluatorinnen und Evaluatoren auch ein professionalisiertes Rollenverständnis und entsprechende Rollenverteilung zwischen ihnen und dem Curricular- und Studiengangmanagement.

3.3 Administrative Probleme Auf der administrativen Seite bestehen hinsichtlich des studentischen Workloads ebenfalls zahlreiche Herausforderungen. Sie betreffen die Curricular- und Lehrplanung sowie administrative Vorgänge, wie bspw. die Anerkennung extern erbrachter Studienleistungen. Als zentrales Problem wird derzeit insbesondere wahrgenommen, dass sich der für eine Lehr-/Lerneinheit planerisch veranschlagte Workload oft nicht mit der tatsächlichen Zeit deckt, die Studierende zum Absolvieren der Einheit benötigen. Neben den Alltagswahrnehmungen zeigen dies auch übergreifende Workload-Untersuchungen auf (Pietzonka 2014, S. 81; ausführlich Nennstiel und Becker in diesem Band). Abweichungen bestehen dabei in beide Richtungen (über- und unterkalkulierter Workload). In der Folge sind die formal angerechneten Arbeitsumfänge von Lehr-/Lerneinheiten untereinander schwer vergleichbar – ein Problem nicht nur für die Anerkennung extern erbrachter Studienleistungen, sondern auch durch eine mögliche Fehlsteuerung von Studierenden bei ihrer Kurswahl. Denn für Studierende entstehen selektive Anreize, bei Modulen mit derselben ECTS-Punktzahl, die mit dem geringeren Aufwand zu wählen. Dabei kommen Kosten-Nutzen-Abwägungen ebenso zum Tragen, wie schlicht die Vermeidung von Überlastung oder Überforderung. Die fehlende Passung zwischen formalem und tatsächlichem studentischen Workload überrascht historisch betrachtet kaum, denn der Workload wurde anfangs mangels passender Erfahrungswerte vielerorts geschätzt, wie es auch die Leitfäden von KMK und HRK zunächst empfahlen (vgl. HRK 2006, S. 148). Die in den Leitfäden jedoch ebenfalls geforderte, empirische Ermittlung des Workloads

16

D. Großmann et al.

(ebd., S. 146 ff.) kam jedoch offensichtlich sehr selten zum Tragen. Auch wenn eine aktuelle und eindeutige Informations- und Datenlage dazu fehlt, deutet Einiges darauf hin, dass an den Hochschulen Workload-Analysen weder in der gebotenen Breite noch Tiefe stattfinden (vgl. Kaufmann et al. 2010, S. 285; Gómez Tutor und Müller 2018, S. 77). So finden zum einen an den Hochschulen scheinbar kaum systematische Workload-Erhebungen statt. Zum anderen ist der Umgang mit den Ergebnissen entsprechender Workload-Studien oft nicht geeignet, eine Anpassung des Workloads im Sinne der Studierbarkeit eines Studiengangs herzustellen. Ein flächendeckender und regelmäßiger Abgleich zwischen dem formalen und tatsächlichen studentischen Workload stellt eine zweifellos eine große Herausforderung für die Evaluationskapazitäten an den Hochschulen dar, ist jedoch unverzichtbar, wenn die wesentlichen Ziele und Ansprüche des Workload-Konzeptes in den neuen Studiengängen sinnvoll verankert werden ­ sollen. Für diesen Abgleich ist es wichtig, dass er auf der Modul- und Studiengangsebene gleichermaßen vorgenommen wird. Da die Module über die ECTS-Vergabe die zentrale Bemessungseinheit für den Workload sind, ist der studentische Workload zunächst auch auf Modulebene empirisch zu überprüfen – und zwar grundsätzlich und ausführlich bei der Neueinrichtung des Moduls und nach Möglichkeit auch später in regelmäßigen zeitlichen Abständen. Dazu ergänzend sollte im Rahmen der Studiengangsevaluation in regelmäßigen zeitlichen Abständen ein Abgleich des Gesamt-Workloads des betreffenden Studienprogramms stattfinden. Eine weitere Herausforderung für den regelmäßigen Abgleich zwischen formal veranschlagtem und tatsächlichem Workload, stellt die methodische und organisatorische Umsetzung eines solchen Soll-Ist-Vergleichs dar. Zunächst gilt es dabei freilich die oben bereits erläuterten methodischen Herausforderungen zu lösen. Doch selbst die methodisch ausgefeilteste Workload-Analyse bringt wenig, wenn es kein funktionierendes Konzept für die Rückkopplung der Ergebnisse und Implementation entsprechender Veränderungen gibt: Hier liegt vielleicht die größte Herausforderung für die Curricular-, Studien- und Lehrplanung. Ziel muss dabei eine evidenzbasierte Entwicklung/Anpassung des Studiengangs sein. Dies bedeutet u. a., dass sich Anpassungen von Curriculum oder Studienorganisation

5In

einer Studie der HRK (Kaufmann et al. 2010) aus der Hauptumstellungszeit auf Bachelor- und Masterstudiengänge wird gezeigt, dass der Workload nur in etwa der Hälfte der Fachbereiche aller deutscher Hochschulen erhoben wird (ebd. S. 28) und nahezu jeder vierte Fachbereich Workload-Messungen gar ablehnt.

Konzeption und Messung studentischen Workloads …

17

nicht nur am mittleren Workload der Studierenden orientieren, sondern auch Streuungen/Varianzen auf den Grund gehen und im Rahmen des Möglichen nach Ansätzen suchen, diese in der Studiengangsgestaltung abzubilden. Eine weitere Herausforderung für die Administration des Workloads liegt unverkennbar bei der Qualifikation und Professionalität der in Curricular- und Lehrplanung tätigen Personen. Sie benötigen nicht nur ein fundiertes Wissen über gesetzliche und formale Rahmenvorgaben sowie ausgeprägte organisatorische und koordinatorische Kompetenzen. Sie müssen auch über ein Grundverständnis in evaluationsmethodischen Belangen verfügen, um die Bedeutung von Evaluationsergebnissen erfassen, dokumentieren und vermitteln zu können, gleichwohl die eigentliche Datenerhebung von Evaluatorinnen und Evaluatoren personell getrennt konzipiert und durchgeführt werden sollte (vgl. Kromrey 2001, S. 110 f.). Bei der Qualifikation der im Curricularmanagement tätigen Personen, insbesondere hinsichtlich evaluationsmethodischer Belange, gibt es aus Sicht der Autoren an den deutschen Hochschulen noch starken Nachholbedarf.

4 Gliederung und Zusammenschau der Beiträge in diesem Sammelband Die oben geschilderten Probleme und Herausforderungen um die Thematik des studentischen Workloads finden sich in den Beiträgen dieses Sammelbandes wieder und stellen für diesen gewissermaßen einen Leitfaden dar. Der Sammelband gliedert sich neben einem Grundlagenteil in sechs weitere Teile, die sich zum einen auf theoretisch-konzeptionelle und methodische Fragen des studentischen Workloads sowie seiner Messung und zum anderen auf Aspekte der administrativen Umsetzung des studentischen Workloads in der Curriculargestaltung und Lehrorganisation richten. So befassen sich die Beiträge in den Teilen II bis IV des Sammelbandes mit theoretisch-konzeptionellen, als auch methodischen Fragen des studentischen Workloads. In Teil II und III geht es um die theoretische Modellierung des studentischen Workloads, wobei Einflussfaktoren genauer betrachtet werden, welche außerhalb des Curriculums und den formalen Studienanforderungen angesiedelt sind. In Teil II wird dabei insbesondere der Einfluss individueller Merkmale der Studierenden auf den Workload in den Blick genommen, während sich die Beiträge im Teil III mit dem Einfluss sozioökonomischer Merkmale befassen. Die beiden Beiträge in Teil IV beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit der Messung studentischen Workloads und illustrieren dies jeweils exemplarisch anhand einer konkreten Workload-Studie.

18

D. Großmann et al.

Die Beiträge in den Teilen V bis VII beleuchten den studentischen Workload dagegen im Kontext des Bologna-Prozesses aus einer stärker anwendungsorientierten Perspektive. Wie oben bereits angesprochen, bestehen in der praktischen Gestaltung der Curricula- und Lehrorganisation sowie der administrativen Praxis einige Herausforderungen, die von einer realistischen Kalkulation des Workloads in den Modulen und entsprechenden Bemessung von ECTS-Credits bis hin zur Abbildung der Bedürfnisse verschiedener ­Lern-/ Studiertypen reichen. Auf empirischer Grundlage wird in den Beiträgen dieser Sammelbandteile ein dementsprechender Blick auf die Gestaltung und Studiensituation in den reformierten Studiengängen geworfen, um Anpassungsbedarfe zu identifizieren und Lösungsansätze zu skizzieren. In den Teilen V und VI werden dazu die Zusammenhänge zwischen Lernverhalten, Arbeitsbelastung und Lernerfolg sowie die realistische Bemessung von Leistungspunkten nach dem ECTS in den Fokus genommen. In Teil VII werden exemplarisch Einblicke in die Umsetzung der Workload-Thematik an zwei Hochschulstandorten gewährt. Im Folgenden wird eine inhaltliche Zusammenschau aller Beiträge in diesem Sammelband gegeben, um die thematischen Ausrichtungen und Verknüpfungen der Beiträge aufzuzeigen und die Inhalte den Leserinnen und Lesern somit besser zugänglich zu machen. Teil I – Grundlagen Im Grundlagenteil des Sammelbandes wird – im Rahmen dieses einführenden Beitrages – zunächst ein Überblick zur Entwicklung und dem Stand von Begriff, Konzept und Messung des studentischen Workloads gegeben und es werden die bestehenden Probleme und Herausforderungen aufgezeigt. Wie oben bereits ausgeführt, besteht derzeit neben messmethodischen und administrativen Herausforderungen die Problematik, dass kein einheitliches und hinreichend differenziertes Modell existiert, mit dem die Entstehung des studentischen Workloads – einschließlich der dabei beeinflussenden Faktoren – verlässlich beschrieben und erklärt werden kann. Im zweiten Grundlagenbeitrag „Determinanten des studentischen Workloads“ greifen Daniel Großmann und Christin Engel dieses Desiderat auf. Die Autorin und der Autor geben einen ausführlichen Überblick zu Faktoren, die den Umfang zeitlicher Investitionen in das Studium bestimmen, und möchten damit einen differenzierten Blick auf die Workload-Thematik ermöglichen. Anhand bestehender Ansätze und Erkenntnisse werden wesentliche Determinanten des studentischen Workloads zusammengetragen und mittels einer Modellskizze systematisiert. Der Beitrag verdeutlicht mit der vorgestellten Skizze, dass die einzelnen Determinanten des Workloads untereinander in Beziehung stehen und sich gegenseitig beeinflussen können.

Konzeption und Messung studentischen Workloads …

19

Teil II – Individuelle Determinanten studentischen Workloads Der Beitrag „Motivation und studentischer Workload“ von Justus Junkermann und Ludwig Goldhahn schließt an die Modellskizze studentischen Workloads von Großmann und Engel an und greift die Frage nach dem Einfluss individueller, insbesondere motivationaler Merkmale der Studierenden auf. Im Rahmen einer Sekundäranalyse der Zeitbudgetstudie am Institut für Soziologie der Universität Leipzig (vgl. Berger und Baumeister 2016 und in diesem Band) untersuchen die Autoren den Einfluss verschiedener Arten der Studienmotivation auf den studentischen Workload. Im Mittelpunkt steht dabei insbesondere die Wirkung von intrinsischer und extrinsischer Motivation auf den Umfang des Workloads, welcher mittels Studientagebuch gemessen wurde. Im Ergebnis können die Autoren zeigen, dass vor allem ökonomische Motive für den angestrebten Beruf (z. B. ein hohes Einkommen oder ein sicherer Arbeitsplatz) einen starken positiven Einfluss auf den studentischen Workload haben. Im Beitrag werden zudem allgemeine Probleme der Messung des Workloads, der Operationalisierung und der Auswertung besprochen. Ivo Windrich geht im Beitrag „Der Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren auf den studentischen Workload“ ebenfalls individuellen Determinanten des Workloads auf den Grund. Die Erklärung des studentischen Workloads erfolgt hier u. a. anhand psychologischer Konzepte, wie dem akademischen Kontrollbewusstsein, dem akademischen Fähigkeitsselbstkonzept sowie leistungsmotivationalen Ansätzen. Die theoretischen Konzepte werden operationalisiert und die theoretisch abgeleiteten Hypothesen sowohl bivariat als auch multivariat geprüft. Als Datengrundlage dient dem Autor ebenfalls die Zeitbudgetstudie am Institut für Soziologie der Universität Leipzig (vgl. Berger und Baumeister 2016 und in diesem Band). Der Autor zeigt empirisch, dass Erfolgsstreben, Versagensangst, ein starkes akademisches Kontrollbewusstsein sowie ein hohes Fähigkeitsselbstkonzept einen positiven Einfluss auf den Umfang des studentischen Workloads haben. Windrich überträgt diese Erkenntnisse der Untersuchung in die Praxis und leitet mögliche Ansätze für die Gestaltung und Planung von Studium und Lehre ab. Teil III – Workload, Studienfinanzierung und Erwerbstätigkeit In diesem Teil des Sammelbands geht es um den Einfluss von sozialstrukturellen und daraus resultierenden ökonomischen Faktoren auf den studentischen Workload. Dabei geht es insbesondere um die soziale Herkunft der Studierenden, ihre Studienfinanzierung sowie eine studienbegleitende Erwerbtätigkeit. Die Untersuchung von Einflüssen sozialstruktureller und ökonomischer Faktoren auf die Studienwahl, den Studienverlauf und Studienerfolg gehört zu den in der Hochschul- und Studierendenforschung bereits häufig beleuchteten Themen, insbesondere mit dem

20

D. Großmann et al.

Fokus auf studienbegleitende Erwerbtätigkeit. Ihr Einfluss auf das Lernverhalten und vor allem auf den studentischen Workload ist aber bislang eher selten, und wenn meist nur in deskriptiver Form in den Fokus genommen worden. Es besteht daher ein gewisser Nachholbedarf, denn ohne Kenntnis der Zusammenhänge zwischen sozioökonomischen Faktoren und dem studentischen Lernverhalten (und damit auch dem studentischen Workload) lässt sich das politische Ziel eines Hochschulstudiums für alle soziale Schichten nur schwer verwirklichen. Im Beitrag „Studienfinanzierung und studienbegleitende Erwerbstätigkeit als Determinanten des studentischen Workloads“ untersuchen Beate Apolinarski und Christoph Gwosć Einflüsse der Studienfinanzierung auf den studentischen Workload. Als Datengrundlage dient die 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (2016), die den Workload und damit in Verbindung stehende Zeitbudgets (bspw. Umfang der Erwerbsarbeit) retrospektiv erfragt. Es wird theoretisch hergeleitet, wie individuelle Merkmale der Studierenden sowie institutionelle Merkmale der Hochschulen sich auf Basiseinkommen, Erwerbszeit, Studienzeit und Freizeit auswirken. Die Prüfung der Hypothesen wird sowohl bivariat als auch mittels Pfadanalyse vorgenommen. Im Ergebnis können die Autorin und der Autor zeigen, dass die Erwerbszeit umso höher und die aufgewendete Zeit für das Studium umso geringer ist, je geringer die Unterstützung von außen, d. h. von Familie und Staat, ausfällt. Apolinarski und Gwosć leiten aus diesen Ergebnissen Ansätze ab, die sowohl Grundsatz- und Gestaltungsfragen der staatlichen Unterstützung bei der Studienfinanzierung als auch eine erwerbstätigenfreundliche Gestaltung der Curricula betreffen. Eva Vögtle und Ádám Hámori untersuchen in ihrem englischsprachigen Beitrag „Students’ time budget in European comparative perspective“ den studentischen Workload in 28 Ländern anhand der 6. E ­ UROSTUDENT-Umfrage (2016–2018). Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf den Einfluss von Erwerbsarbeit auf die Studienzeit der Studierenden in Ungarn gelegt, die im europäischen Vergleich mit im Schnitt 21 h das größte Erwerbszeitbudget aufweisen. Die Erhebung des studentischen Workloads erfolgte durch retrospektive Selbstauskunft, wobei insgesamt 320.000 Studierende, dabei ca. 7200 Studierenden aus Ungarn, befragt wurden. Vögtle und Hámori finden auf dieser Datengrundlage einen Zusammenhang zwischen Erwerbsarbeit und Alter sowie Bildungshintergrund. Zudem haben das Studienfach und der Hochschultyp einen starken Einfluss auf den Workload der Studierenden. Darüber hinaus kann länderübergreifend gezeigt werden, dass umso weniger Zeit für das Studium genutzt wird, je mehr Zeit für Erwerbsarbeit aufgewendet wird. Die Erwerbsarbeit scheint dabei vor allem einen negativen Einfluss auf die Zeit für eigenständiges Lernen, d. h. das Selbststudium, zu haben, während die Präsenzzeit in Lehrveranstaltungen weniger davon betroffen zu sein scheint.

Konzeption und Messung studentischen Workloads …

21

Teil IV – Erhebung studentischen Workloads im digitalen Zeitalter In diesem Sammelbandteil wird die Erhebung des studentischen Workloads, insbesondere auch im Hinblick auf die Verfügbarkeit neuer Technologien der Datenerhebung, ausführlicher behandelt. Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen wie: Welche Methoden sind geeignet, um den studentischen Workload zu messen? Welche Probleme und Herausforderungen bestehen bei der Anwendung dieser Methoden? Welche Möglichkeiten bieten sich im digitalen Zeitalter, um den Erhebungsaufwand zu verringern und/oder die Verlässlichkeit der erhobenen Daten zu verbessern? Da eine methodisch versierte Erhebung des studentischen Workloads ebenfalls ein fundiertes Wissen über Determinanten und beeinflussende Faktoren voraussetzt, gehen die Beiträge zudem auch auf diese Frage ein. Roger Berger und Bastian Baumeister widmen sich im Beitrag „Erhebungs­ methoden und Determinanten des Workloads von Leipziger Soziologie­ studierenden“ der Messmethode per Studientagebuch. Sie entwickeln dies mit Bezügen zur ZEITLast-Studie (Schulmeister und Metzger 2011, siehe auch ebd. in diesem Band) methodisch weiter, indem sie im Rahmen einer vergleichenden Workload-Erhebung unter Studierenden im Fach Soziologie den Einsatz einer Smartphone-App neben dem klassischen Studientagebuch testen (ausführlich dazu Berger und Baumeister 2016). Die Workload-Messung per App hat zahlreiche Vorteile, die von deutlich geringerem Aufwand für die Studierenden über eine reduzierte Anzahl von Fehlerquellen bis zu einem geringeren Materialund Erfassungsaufwand reichen. Die neue Erhebungsmethode mittels App bringt jedoch auch zahlreiche Herausforderungen mit sich, wie die Autoren im Beitrag berichten. Neben methodischen Fragen setzen sich die Autoren insbesondere mit der Frage auseinander, welche Determinanten den Umfang des Workloads beeinflussen. Als Ergebnis stellen Berger und Baumeister sowohl inter- als intraindividuell starke Streuungen in den Workload-Umfängen fest, d. h. es gibt nicht nur erklärungsbedürftige Unterschiede im Zeitaufwand unterschiedlicher Studierender, sondern auch Variation im Workload über unterschiedliche Zeitpunkte hinweg. Studienbegleitende Erwerbsarbeit und soziale Herkunft der Studierenden zeigen in dieser Untersuchung nur schwache Einflüsse auf den studentischen Workload, sodass die Autoren die Ursachen im Bereich individueller und struktureller Merkmale vermuten. Im Beitrag „Datenqualität umfragebasierter Workload-Messungen“ nehmen Evgenia Samoilova, Tobias Wolbring und Florian Keusch grundlegende methodische Herausforderungen bei der Erhebung des Workloads in den Blick. Sowohl befragungs- als auch tagebuchbasierte ­Workload-Erhebungen stellen Erhebungsverfahren dar, bei denen die Gefahr besteht, dass die Messung durch Reaktivität und Erinnerungsprobleme verzerrt wird. Im Ergebnis wird

22

D. Großmann et al.

die Workload-Situation deshalb möglicherweise falsch wiedergegeben. Die AutorInnen prüfen in ihrer Studie daher zunächst, inwieweit Abweichungen zwischen der Workload-Messung mittels potenziell reaktiven (bspw. durch Befragung) und nicht-reaktiven Verfahren bestehen. Für die n­icht-reaktive Messung nutzen sie Log-Daten – sog. Learning-Analytics (LA) – aus E-Learning-basierten Lehrveranstaltungen. Im Ergebnis stellen sie deutliche Differenzen zwischen dem von den Studierenden selbst geschätzten und dem mittels LA erfassten Workload dar. Im Anschluss gehen die Autoren möglichen Ursachen für die Abweichungen auf den Grund. Eine mögliche Ursache für Verzerrungen in befragungsbasierten Verfahren ist, dass die Fragestellungen nicht verstanden oder von den Teilnehmenden unterschiedlich gedeutet werden (vgl. Metje und Kelle 2016). Um dies zu testen, führten Samoilova et al. mit einigen Studierenden kognitive Interviews durch. Teil V – Arbeitsbelastung, Anwesenheitspflicht und Lernerfolg In diesem Teil stehen die Zusammenhänge zwischen Lernverhalten, Arbeitsbelastung und Lernerfolg im Mittelpunkt. Die beiden Beiträge zeigen zunächst noch einmal auf, dass Studierende hinsichtlich ihrer Lernmotivation und ihres Lernstils heterogen sind und deshalb unterschiedliche Lernzeitbudgets für dieselbe Lerneinheit aufwenden. Darüber hinaus werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie mit diesen unterschiedlichen Ansprüchen und Möglichkeiten im Lernverhalten lehrorganisatorisch und -gestalterisch umgegangen werden kann. Dazu werden zum einen Ansätze für eine zeitliche Entzerrung und thematische Ver­ blockung von Modulen und Lehrveranstaltungen unterbreitet. Zum anderen werden die Chancen und Grenzen von Anwesenheitspflichten diskutiert. Im Beitrag „Wandel des Workloads in Zeiten von Bologna“ fassen Christiane Metzger und Rolf Schulmeister wesentliche Erkenntnisse des ZEIT-Last-Projekts – der umfangreichsten bisher in Deutschland durchgeführten Workload-Studie – zusammen. Anhand 29 ausgewählter Erhebungen geben Metzger und Schulmeister im Beitrag einen deskriptiven Überblick zu Umfang und Verteilung des Workloads im Bachelor-Studium und untersuchen die Einflüsse sowohl von individuellen Merkmalen der Studierenden, als auch formalen Faktoren der Lehrorganisation. Der studentische Workload erreicht dabei im Mittel lediglich moderate Umfänge, variiert zwischen den Studierenden deutlich und unterliegt starken intra-individuellen Schwankungen im Semesterverlauf. Maßen der zentralen Tendenz, wie Mittelwert und Median, schreiben Metzger und Schulmeister des­ halb – insbesondere bei Querschnittserhebungen mit nur einem Messzeitpunkt – nur eine begrenzte Aussagekraft zu, wenn es um die Bewertung der Situation in einem Modul oder Studiengang geht. Hinsichtlich der Zusammensetzung

Konzeption und Messung studentischen Workloads …

23

des Workloads zeigen sich geringe Umfänge beim Selbststudium. Weiterhin dokumentieren die Analysen aber auch, dass kein direkter Zusammenhang zwischen Lernzeit und später erzielter Prüfungsnote besteht: Ein umfangreiches Selbststudium ist demnach kein verlässlicher Prädiktor für gute Prüfungsnoten; lediglich die regelmäßige Teilnahme an Lehrveranstaltungen scheint dazu beizutragen. Metzger und Schulmeister finden mittels Clusteranalyse heraus, dass insbesondere motivationale und affektive Faktoren (Selbstwirksamkeitsüberzeugung, Ängste etc.) den Lernzeitumfang beeinflussen, und unterstreichen damit die Bedeutung individueller Merkmale für ein angemessenes theoretisches Modell des studentischen Workloads. Im abschließenden Teil ihrer Untersuchung befassen sich Metzger und Schulmeister mit dem Einfluss von Merkmalen der Lehrorganisation auf den Umfang des Workloads. Als problematisch stellen sich demnach zeitliche Leerstellen und häufige Themenwechsel im Wochenplan sowie zeitlich komprimiertes Lernen für mehrere Prüfungen und fehlende oder ungeeignete Rückmeldungen an die Studierenden zu ihrem Leistungsstand dar. Diese Faktoren sorgen für starke Schwankungen in den zeitlichen Anforderungen über das Semester hinweg und behindern ein zielgerichtetes Lernen. Je nach Lern-/ Leistungsmotivationstypus fühlen sich manche Studierende dadurch überlastet und haben kaum Kompensationsmöglichkeiten, während sich andere unterfordert fühlen. Lösungsansätze sehen die Autorin und der Autor in einer zeitlichen Entzerrung und thematischen Verblockung von Modulen und Lehrveranstaltungen sowie lerntypgerechten Leistungsrückmeldungen an die Studierenden. Ein weiteres Instrument zur Unterstützung von Studierenden mit Lernproblemen könnte eine Anwesenheitspflicht in Lehrveranstaltungen sein. Rolf Schulmeister widmet sich dieser Thematik im Beitrag „Chancen und Grenzen einer Anwesen­ heitspflicht in Lehrveranstaltungen“. Die Anwesenheitspflicht ist eine seit Beginn der Bologna-Reform viel und kontrovers diskutierte Thematik, mit der sich in Deutschland bereits auch obere Gerichtsinstanzen beschäftigen mussten6. Schulmeister fragt im Beitrag jenseits der rechtlichen Voraussetzungen nach positiven Effekten von Anwesenheit in Lehrveranstaltungen auf den Workload und Studienerfolg, insbesondere bei Studierenden mit Lern- und Motivationsproblemen. In einem ausführlichen Review trägt er die Ergebnisse von mehr als 370 Studien zusammen und setzt sie in den Kontext der aktuellen Herausforderungen in Lehre 6Bspw. der Verwaltungsgerichtshof in Baden-Württemberg (9 S 1145/16). Beklagt wurde in erster Linie eine unzulässige Einschränkung der Berufsfreiheit der Studierenden durch die Präsenzpflicht. Im Urteil schließen die Richterinnen und Richter eine grundsätzliche Zulässig­ keit von Präsenzpflichten in Lehrveranstaltungen nicht aus, formulieren jedoch genaue Voraussetzungen.

24

D. Großmann et al.

und Studium. Im Ergebnis wird gezeigt, dass die meisten Studien einen positiven Zusammenhang zwischen Anwesenheit und Studienerfolg berichten, während Abwesenheit meist mit schlechteren Prüfungsergebnissen einhergeht. Viele Untersuchungen zeigen zudem, dass Studierende, die Lehrveranstaltungen öfter oder regelmäßig fernbleiben, die behandelten Themen und Inhalte meist nicht im Selbststudium nachholen (vgl. auch Metzger und Schulmeister in diesem Band). Der Autor arbeitet heraus, dass eine forcierte Anwesenheit in den Lehrveranstaltungen insbesondere Studierenden bestimmter ­ Lern-/Motivationstypen helfen kann, ihr Lernpensum zu strukturieren – vor allem, wenn dies gemeinsam mit einer geeigneten Leistungsrückmeldung erfolgt. Dass ein Teil der Studierenden durch forcierte Anwesenheit in den Lehrveranstaltungen bessere Studienleistungen erzielt, sieht der Autor als Indiz für ein durch das Curriculum und die Lehrenden meist unzureichend strukturiertes Selbststudium und gibt damit weitere Hinweise zu Anpassungsbedarf in der Curriculargestaltung und Lehrorganisation. Teil VI – Studentischer Workload und ECTS Im Mittelpunkt dieses Teils des Sammelbandes stehen Fragen nach einer realistischen, sachgerechten und vergleichbaren Vergabe von ECTS-Punkten für Module oder einzelne Studienleistungen. Nicht nur in Ermangelung geeigneter Workload-Erhebungen scheint die ECTS-Bemessung an den Hochschulen weitgehend noch auf formalen und curricularen Kriterien oder subjektiven Schätzwerten der Modulverantwortlichen zu beruhen. Die in anderen Beiträgen des Sammelbandes aufgezeigten Diskrepanzen zwischen formal veranschlagtem und tatsächlichem Workload deuten jedoch darauf hin, dass die pro Lerneinheit oder Studienleistung vergebenen ECTS-Punkte in vielen Fällen nicht dem tatsächlichen Arbeitsaufwand und Lernzeitumfängen entsprechen. Die folgenden Beiträge nehmen jeweils exemplarisch eine empirische Analyse zum Verhältnis zwischen vergebenen Credit Points und dem tatsächliche Workload der Studierenden vor und leiten daraus Anpassungsbedarf und -möglichkeiten ab. Rolf Becker und Richard Nennstiel gehen im gleichnamigen Beitrag der Frage nach: „Hängen die ECTS-Punkte von Lehrveranstaltungen mit dem studentischen Workload zusammen?“. Sie untersuchen dies mithilfe umfangreichen Datenmaterials (Fallzahl n = 70.425) aus der Lehrveranstaltungsevaluation an der Universität Bern (Schweiz) aus den Jahren 2006 bis 2018. Ihre Analyse bestätigt grundsätzlich, dass mit steigender ECTS-Punktzahl einer Lehreinheit auch ein Anstieg des berichteten studentischen Workloads erfolgt – allerdings mit zahlreichen Auffälligkeiten im Detail. Zunächst einmal liegen die berichteten Workload-Umfänge jeweils deutlich unter dem ausgehend von der vergebenen ECTS-Punktzahl veranschlagten Maß. Der Workload scheint demnach auf

Konzeption und Messung studentischen Workloads …

25

planerischer Seite – zumindest nominal – systematisch zu hoch angesetzt zu sein. Zudem zeigen die Autoren, dass der studentische Workload nicht in gleichem Maße ansteigt, wie die Anzahl der vergebenen ECTS-Punkte der jeweiligen Lehr-/Lerneinheiten: Je höher die Anzahl der vergebenen Credit Points ist, desto geringer fällt der Workload-Zuwachs aus. Im Ergebnis variiert daher der Umfang des Workloads pro ECTS-Punkt zwischen verschiedenen Lehr-/Lerneinheit. Aus den Befunden der Autoren lässt sich ableiten, dass der Anspruch des ECTS, ein vergleichbares System für Studienleistungen zu schaffen, ohne regelmäßige Überprüfung und Anpassungen der ECTS-Bemessung nicht erfüllt werden kann. Darüber hinaus zeigen sie als wichtigen methodischen Aspekt auf, dass für eine nachhaltige Workload-Analyse die Einzelbetrachtung auf Lehrveranstaltungs- und Modulebene ebenso notwendig ist, wie die Gesamtbetrachtung auf Studiengangsebene. Der anschließende Beitrag „Zur Rolle formaler Studienworkloads für das Lern- und Studierhandeln“ von Dina Kuhlee ist erstmals 2012 in der Zeitschrift „Das Hochschulwesen“ (Kuhlee 2012) erschienen, jedoch noch immer aktuell. Die Autorin setzt sich darin mit der Frage auseinander, ob die Abbildung des studentischen Workloads über das ECTS zu wenig Raum für Divergenzen im individuellen Studien- und Lernverhalten lässt. Ausgehend von der These, dass eine primär formal und administrativ auf die Curricularplanung ausgerichtete Umsetzung des ECTS den Blick auf die tatsächliche Studien- und Lernsituation in den Studiengängen behindert, analysiert die Autorin die Lage exemplarisch anhand einer Tagebuch-Studie in drei lehramtsnahen Master-Studiengängen der Humboldt-Universität Berlin und sucht nach Lösungsansätzen. Im Ergebnis arbeitet sie heraus, dass Studierende hinsichtlich ihres Lernverhaltens und der dafür investierten Zeit hochgradig individuell agieren, was sich in starken Streuungen des Workloads zwischen den Studierenden und Schwankungen über den Semesterverlauf zeigt. In der dem ECTS und der Workload-Planung meist zugrunde gelegten Annahme eines „Durchschnittsstudierenden“, die oder der gleichmäßig über das Semester verteilt Zeit in das Studium investiert, sieht die Autorin deshalb die Gefahr für eine zunehmende „Deindividualisierung“ in den Studiengängen. Deshalb unterstreicht Kuhlee die Notwendigkeit, für Workload-Kalkulation und ECTS-Bemessung den Bezug zum tatsächlichen ­ Studien- und Lernverhalten der Studierenden sicherzustellen, statt ausgehend von formalen Prämissen abstrakte und teilweise realitätsferne Kenngrößen festzulegen. Teil VII – Studentischer Workload in der Praxis von Studium und Lehre Im abschließenden Teil des Sammelbandes gewähren zwei Beiträge exemplarisch Einblick in die Entwicklung des studentischen Workloads seit der B ­ ologna-Reform und in die gestalterische und planerische Praxis an zwei deutschen Hochschulen.

26

D. Großmann et al.

Im Beitrag „Studentischer Workload im Bachelor-Studium der Wirtschafts­ wissenschaften“ gibt Reinhard Wittenberg einen Überblick über Befunde und die zeitliche Entwicklung des Workloads im Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Basierend auf den Daten von jährlich durchgeführten Studiengangsbefragungen betrachtet der Autor Veränderungen des Workloads im Zuge der Umstellung von Diplomstudiengängen auf Bachelor- und Master-Studiengänge vom Jahre 2007 bis in die Gegenwart. Im Ergebnis zeigt sich, dass der mittlere studentische Workload in diesem Zeitraum von rund 28 Wochenstunden auf unter 20 gesunken ist. Mit Hilfe von OLS-Regressionen findet Wittenberg zudem, dass die Höhe des studentischen Workloads systematisch mit der Abiturnote, dem Geschlecht und dem Alter der Studierenden sowie dem Schulabschluss ihrer Eltern zusammenhängt. Im abschließenden Beitrag des Sammelbandes mit dem Titel ­„Workload-Erhebungen – Notwendiges Übel oder ungenutzte Chance?“ erörtert Stefen Müller alternative und für Studierende zugänglichere Wege der ­Workload-Erhebung und illustriert dies exemplarisch anhand eines an der TU Kaiserslautern entwickelten Konzepts. Es geht dem Autor dabei in erster Linie um eine bessere Planung und Evaluierung von Studiengängen, basierend auf den durch Workload-Analysen gewonnenen Erkenntnissen über das Studien- und Lernverhalten der Studierenden. Im Zentrum seiner Überlegungen steht eine nachhaltige Verbesserung der Studierbarkeit. Die dabei eingesetzten Methoden sollen mit begrenzten Ressourcen realisierbar sein und Studierende mit spielerischen Elementen zur regelmäßigen Teilnahme motivieren. Der Autor skizziert unter dem Begriff „Gamification“ Merkmale, die ein solches Workload-Erhebungsverfahren kennzeichnen und zeigt als Anwendungsbeispiel die an der TU Kaiserslautern entwickelte „Workloadkurve“. Neben einem grafischen Rating der WorkloadIntensität zu verschiedenen Messzeitpunkten während des Semesters können die Studierenden zu jedem Eintragszeitpunkt per Freitextangabe Art und Inhalt der jeweiligen Aktivitäten beschreiben. Dadurch entstehen reichhaltige Daten, die insbesondere dabei helfen, Ursachen für ­Workload-Schwankungen zu identifizieren und die Ergebnisse zu kontextualisieren. Müller bespricht entsprechende Erkenntnisse, die mit dem Verfahren bislang gewonnen werden konnten, und leitet daraus Ansätze für die Gestaltung von Studium und Lehre ab. Danksagungen  Der Sammelband ist das Ergebnis eines fast vier Jahre währenden Prozesses, an dem sehr viel mehr Menschen als nur die Herausgebenden und AutorInnen beteiligt waren. Deshalb möchten wir an dieser Stelle all denen danken, die zum Entstehen des Sammelbandes maßgeblich beigetragen haben. Der Sammelband ist – wenn auch mit erheblichem zeitlichem Nachlauf – im Nachgang einer Tagung mit dem Titel

Konzeption und Messung studentischen Workloads …

27

„Studentischer Workload – Definition, Messung und Einflüsse“ entstanden, die 2016 unter Schirmherrschaft des Zentrums für Quantitative Empirische Sozialforschung (QUANTEL) an der Universität Leipzig stattfand. Obwohl zunächst nur im kleinen Rahmen geplant, hat der Workshop auch überregional Resonanz erzeugt und vor allem gezeigt, dass die Auseinandersetzung mit Fragen des studentischen Workloads – insbesondere seine theoretischen Grundlagen, als auch Fragen nach der Messung – ein ernst zu nehmendes Forschungsfeld darstellen, in dem es noch zahlreiche Erkenntnislücken gibt und für das ein solcher Sammelband neben einem Überblick wichtige Impulse geben kann. An erster Stelle möchten wir natürlich den Autorinnen und Autoren des Bandes für ihre Beiträge und die geduldige Umsetzung so mancher Änderungswünsche danken. Darüber hinaus geht unser Dank an den Verlag Springer VS für die Unterstützung und Betreuung des Projektes, dort insbesondere an Dr. Cori Antonia Mackrodt und Daniel Hawig, die uns in allen Phasen des Projektes zur Seite standen.

Literatur Apenburg, E. 1980. Untersuchungen zur Studienzufriedenheit in der heutigen Massenuni­ versität. Frankfurt/Main: Lang. Banscherus, U., und C. Himpele. 2011. Studium heute – mehr als Workload und Kreditpunkte. Zeitschrift für Hochschulentwicklung 6 (2): 93–98. Berger, R., und B. Baumeister. 2016. Messung von studentischem Workload. In Evaluation von Studium und Lehre, Hrsg. D. Großmann und T. Wolbring, 185–223. Wiesbaden: Springer VS. Blass, W. 1980. Zeitbudget-Forschung: eine kritische Einführung in Grundlagen und Methoden. Frankfurt/Main: Campus Verlag. Bund. Hochschulrahmengesetz (HRG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Januar 1999 (BGBl. I S. 18). Covington, M. V. 1992. Making the grade: A self-worth perspective on motivation and school reform. Cambridge: Cambridge University Press. Covington, M. V. 2007. A motivational analysis of academic life in College. In The scholarship of teaching and learning in higher education, Hrsg. R. P. Perry und J. C. Smart, 661–729. Dordrecht: Springer. Damrath, C. 2006. Studienzufriedenheit – Modelle und empirische Befunde. In Übergänge im Bildungssystem, Hrsg. Uwe Schmidt, 227–293. Wiesbaden: VS Verlag. Europäische Union. 1999. Der Europäische Hochschulraum. Gemeinsame Erklärung der Europäischen Bildungsminister 19. Juni 1999, Bologna. https://www.bmbf.de/files/ bologna_deu.pdf. Zugegriffen: 6. Oktober 2019. Europäische Union. 2015. ECTS Leitfaden. Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union. Etcheverry, E. J., R. A. Clifton, und W. R. Lance. 1993. Time Use and Educational Attainment: A Study of Undergraduate Students. The Canadian Journal of Higher Education 23 (3): 1–17. Findeisen, S., und M. Steinmann. 2012. Arbeitsbelastung und Credits im Kontext des ECTS: eine Handreichung. DAAD Bonn. https://www.uni-frankfurt.de/53743352/ workload_arbeitsbelastung_und_credits.pdf. Zugegriffen: 6. Oktober 2019.

28

D. Großmann et al.

Georg, W., und T. Bargel. 2016. Soziale Determinanten der Studienaufnahme und Fachwahl. In Evaluation von Studium und Lehre, Hrsg. D. Großmann und T. Wolbring, 93–121. Wiesbaden: Springer VS. Gómez Tutor, C., und S. Müller. 2018. Workload – vom Stundenzählen zum Steuerungsinstrument. In Hochschulen im Spannungsfeld der Bologna-Reform: Erfolge und ungewollte Nebenfolgen aus interdisziplinärer Perspektive, Hrsg. N. Hericks, 73–98. Wiesbaden: Springer VS. Großmann, D., und T. Wolbring. 2016. Stand und Herausforderungen der Evaluation an deutschen Hochschulen. In Evaluation von Studium und Lehre, Hrsg. D. Großmann und T. Wolbring, 3–35. Wiesbaden: Springer VS. Harvey, A. S., und W. E. Pentland. 1999. Time use research. In Time use research in the social sciences, Hrsg. A. S. Harvey, W. E. Pentland, M. A. McColl und M. P. Lawton, 3–18. New York: Springer + Business. HRK – Hochschulrektorenkonferenz. 2006. Bologna-Reader – Texte und Hilfestellungen zur Umsetzung der Ziele des Bologna-Prozesses an deutschen Hochschulen. Beiträge zur Hochschulpolitik 8/2004: 3–314. HRK – Hochschulrektorenkonferenz. 2007. ECTS im Kontext: Ziele, Erfahrungen und Anwendungsfelder. Empfehlung des 104. Senats vom 12.06.2007. https://www.hrk.de/ fileadmin/_migrated/content_uploads/Empfehlung_ECTS.pdf. Zugegriffen: 27. Februar 2020. Kaufmann, B., B. Michalk, A. Bergstermann, und M. Chun. 2010. Wegweiser 2010: Qualitätssicherung an Hochschulen. Beiträge zur Hochschulpolitik 8/2010: 3–314. Kromrey, H. 2001. Evaluation – ein vielschichtiges Konzept: Begriff und Methodik von Evaluierung und Evaluationsforschung; Empfehlungen für die Praxis. Sozialwissen­ schaften und Berufspraxis 24: 105–131. Kuhlee, D. 2012. Brauchen wir eine Workload-Diskussion? Zur Rolle formaler Studienworkloads für das Lern- und Studierhandeln. Das Hochschulwesen (4): 79–87. KMK – Kultusministerkonferenz. 2010. Ländergemeinsame Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen: Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.10.2003 i.d.F. vom 04.02.2010. http://www.kmk.org/ fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2003/2003_10_10-LaendergemeinsameStrukturvorgaben.pdf. Zugegriffen: 13. Mai 2019. Metje, B., und U. Kelle. 2016. Konstruktvaliditätsprobleme von Lehrevaluationen und die Potentiale einer Methodenintegration zur Entwicklung von Befragungsinstrumenten – eine Mixed-Methods-Studie. In Evaluation von Studium und Lehre, Hrsg. D. Großmann und T. Wolbring, 263–287. Wiesbaden: Springer VS. Metzger, C. 2011. Studentisches Selbststudium. In Die Workload im Bachelor: Zeitbudget und Studierverhalten. Eine empirische Studie, Hrsg. R. Schulmeister und C. Metzger, 237–276. Münster: Waxmann. Oppermann, A. 2011. Zeitmessung und Zeiterleben: Was der studentische Workload (nicht) aussagt. Zeitschrift für Hochschulentwicklung 6 (2): 47–60. Pasternack, P., S. Schneider, P. Trautwein, und S. Zierold. 2017. Ausleuchtung einer Blackbox: Die organisatorischen Kontexte der Lehrqualität an Hochschulen. In ­HoF-Arbeitsbericht 103. https://www.hof.uni-halle.de/web/dateien/pdf/ab_103.pdf. Zugegriffen: 26. März 2019.

Konzeption und Messung studentischen Workloads …

29

Perry, R. P., N. C. Hall, und J.C. Ruthig. 2007. Perceived (Academic) Control and Scholastic Attainment in Higher Education. In The scholarship of teaching and learning in higher education, Hrsg. R. P. Perry und J. C. Smart, 477–552. Dordrecht: Springer. Pietzonka, M. 2014. Die Umsetzung der Modularisierung in Bachelor-und Masterstudiengängen. Zeitschrift für Hochschulentwicklung 9 (2):78–90. Pintrich, P. R., und A. Zusho. 2007: Student Motivation and Self-Regulated Learning in the College Classroom. In The scholarship of teaching and learning in higher education, Hrsg. R. P. Perry und J. C. Smart, 731–810. Dordrecht: Springer. Pütz, K. 1970. Zeitbudgetforschung in der Sowjetunion. Zur empirischen Sozialforschung in der UdSSR. Kölner Beiträge zur Sozialforschung und angewandten Soziologie, Bd. 10, Hrsg. R. König und E. Scheuch. Meisenheim am Glan: Verlag Anton Hain. Schulmeister, R. 2015. Abwesenheit von Lehrveranstaltungen. Ein nur scheinbar triviales Problem. Hamburg. http://rolf.schulmeister.com/pdfs/Abwesenheit.pdf. Zugegriffen: 18. März 2020. Schulmeister, R., und C. Metzger. 2011. Die Workload im Bachelor: Ein empirisches Forschungsprojekt. In Die Workload im Bachelor: Zeitbudget und Studierverhalten. Eine empirische Studie, Hrsg. R. Schulmeister und C. Metzger, 13–128. Münster: Waxmann. Waschulewski, U. 2002. Die Wertpsychologie Eduard Sprangers: eine Untersuchung zur Aktualität der „Lebensformen“. Münster: Waxmann. Daniel Großmann, Mag. Art.,  Jahrgang 1974. Medizinische Berufsausbildung, Fachoberschule mit psychologisch-pädagogischem Schwerpunkt, Studium in Soziologie und Politikwissenschaft (Magister Artium). Wiss. Referent des Prorektors für Lehre und Studium der Universität Leipzig 2007 bis 2010. Seit 2010 wiss. Mitarbeiter für Evaluation an der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie der Universität Leipzig und Lehrbeauftragter am Institut für Soziologie. Mitglied des Zentrums für Quantitative Empirische Sozialforschung (QUANTEL) an der Universität Leipzig. Forschungs- und Interessengebiete sind Methoden der empirischen Sozialforschung mit Fokus auf Evaluationsmethoden und Paneldesigns sowie Lern- und Bildungsforschung. Christin Engel, M.A., Jahrgang 1984. Berufsausbildung als Bürokauffrau. Studium der Soziologie an der Universität Leipzig und Borlänge (Schweden). Seit 2015 wiss. Mitarbeiterin im Bereich Studiengangs- und Lehrevaluation an der Universität Leipzig und Lehrbeauftragte am Institut für Soziologie. Mitglied im Zentrum für Quantitative Empirische Sozialforschung (QUANTEL) der Universität Leipzig. Forschungs- und Interessengebiete sind Methoden der Empirischen Sozialforschung, Evaluation, Evaluationsmethodenforschung sowie Umwelt- und Bildungssoziologie. Justus Junkermann, M.A., Jahrgang 1990. Studium der Soziologie an der Universität Leipzig. Seit 2017 promovierend an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Fachbereich Organisation von Arbeit und Betrieb. Forschungs- und Interessengebiete sind heikle Fragen in Surveys, Agent-Based-Modelling, Meta-Analysen und angewandte Statistik.

30

D. Großmann et al.

Prof. Dr. Tobias Wolbring, Jahrgang 1982. Studium der Soziologie, Volkswirtschaftslehre und Psychologie an der LMU München, dort 2013 Promotion zum Dr. rer. pol. mit der Arbeit „Methodische Fallstricke bei der Evaluation universitärer Lehre“. 2013 bis 2014 Postdoktorand an der ETH Zürich sowie 2015 bis 2017 Juniorprofessor für Soziologie, insbesondere Längsschnittdatenanalyse an der Universität Mannheim. Seit 2017 Professor für Empirische Wirtschaftssoziologie an der FAU Erlangen-Nürnberg. Seit 2013 Mitherausgeber der „Sozialen Welt“. Forschungs- und Interessengebiete sind die soziologische Hochschul-, Ungleichheits-, Wirtschafts- und Wissenschaftsforschung.

Determinanten des studentischen Workloads. Eine Übersicht und Modellskizze Daniel Großmann und Christin Engel

Zusammenfassung

Der Beitrag gibt einen ausführlichen Überblick zu Faktoren, die den Umfang zeitlicher Investitionen in das Studium bestimmen und soll einen differenzierten Blick auf die Workload-Thematik ermöglichen. Anhand bestehender Ansätze und Erkenntnisse werden wesentliche Determinanten des studentischen Workloads zusammengetragen und mittels einer Modellskizze systematisiert. Es wird gezeigt, dass der Umfang des Workloads aus drei zentralen Komponenten resultiert: Erstens geben formale Vorgaben und Anforderungen des Curriculums und der Lehrenden den Anlass für zeitliche Investitionen ins Studium und setzen zugleich einen zeitlichen Rahmen. Wie dieser Rahmen ausgefüllt und die Anforderungen umgesetzt werden, hängt zweitens maßgeblich von individuellen Merkmalen der Studierenden ab, bspw. kognitive Fähigkeiten, auf das Studium bezogene Ziele, Interessen und Motive sowie das emotionale Erleben (Begeisterung, Ängste etc.). Darüber hinaus bestimmt als dritte Komponente die soziale Situation der Studierenden den studentischen Workload, da hieraus zeitlichen Restriktionen resultieren können, weil bspw. in Folge von Erwerbs-, Betreuungs- und/oder Erziehungsarbeit ein geringeres Zeitbudget für das Studium vorhanden ist. Mit dem skizzierten Modell wird zudem verdeutlicht, dass die einzelnen Determinanten des Workloads untereinander in Beziehung stehen und sich gegenseitig beeinflussen können. D. Großmann (*) · C. Engel  Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland E-Mail: [email protected] C. Engel E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Großmann et al. (Hrsg.), Studentischer Workload, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28931-7_2

31

32

D. Großmann und C. Engel

1 Einleitung Unter dem Begriff des Workloads ist der zeitliche Arbeitsaufwand zur zentralen Planungs- und Bewertungsgröße für die Gestaltung von Studiengängen geworden. Seit den Neugestaltungen im Rahmen des Bologna-Prozesses wird das Hochschulstudium in Lerneinheiten (Module) mit darin jeweils zu erlernenden Inhalten und Fähigkeiten (Kompetenzen) unterteilt. In welchem Maße das erfolgreiche Absolvieren eines solchen Moduls zum Erreichen des angestrebten Studienabschlusses beiträgt, bemisst sich seit Bologna aus dem zeitlichen Arbeitsaufwand des jeweiligen Moduls. Zur standardisierten Erfassung und Abbildung des Workloads dient das European Credit Transfer and Accumulation System (ECTS). Durch die Berücksichtigung des Workloads rücken die Studierenden stärker in den Mittelpunkt (Lernenden-Orientierung) und es werden bisher fehlende Aspekte der Studierbarkeit berücksichtigt (vgl. Pasternack et al. 2017, S. 27). Durch die Maßstäbe und Vorgaben der Studienreform ist die Rezeption und Wahrnehmung des Workload-Begriffs jedoch vor allem in eine formalisierte Richtung gegangen: Zeitliche Investitionen ins Studium – wie sich der studentische Workload auch definieren lässt – werden vordergründig als „technische“ Kenn- und Planungsgröße betrachtet und daraus formale Vorgaben für das jeweilige Studienprogramm abgeleitet. Dabei wird allzu oft übersehen, dass die zeitlichen Investitionen ins Studium nicht nur durch die Eigenschaften und Vorgaben des Studienprogramms, sondern auch und in erheblichem Maße von sozialstrukturellen und insbesondere individuellen Merkmalen der Studierenden bestimmt werden. Begünstigt wird die einseitige Sichtweise auf den Workload zudem durch noch immer fehlende oder konzeptionell ungeeignete Workload-Erhebungen. Der administrativen Sichtweise fehlt dadurch mög­ licherweise das Bewusstsein für die Diversität und Heterogenität studentischer Workloads, sodass eine Studierbarkeit der Programme womöglich nicht für alle Studierenden gegeben ist oder Potenziale ungenutzt bleiben. Auch die einschlägige Forschung tut sich mit einer multidimensionalen Erklärung des studentischen Workloads recht schwer. Gleichwohl mit dem Aufkommen des „Workload-Paradigmas“ in Deutschland vermehrt auch einschlägige Studien vorgenommen wurden, die zweifelsohne wichtige Erkenntnisse zur Messung und Verteilung studentischen Workloads geliefert haben, kümmerten sich bisher nur wenige davon um eine systematische Erklärung von determinierenden Faktoren, sodass kaum theoriegeleitete Modellierungen existieren.

Determinanten des studentischen Workloads …

33

Sowohl die formalisierte Sichtweise auf den Workload in der Hochschulpolitik und -planung, als auch die skizzierten Erkenntnislücken der Workload-Forschung geben für diesen Beitrag den Anlass, ein Modell des studentischen Workloads zu skizzieren, das wesentliche Faktoren (Determinanten) sowie Grundannahmen von deren Beziehungen zueinander enthält. Ein solches integratives Modell ermöglicht es, ein umfassendes Bild von zeitlichen Investitionen Studierender in ihr Studium zeichnen zu können. Es werden dafür Ansätze und Erkenntnisse aus früheren Forschungen zusammengetragen und der Versuch unternommen, diese begrifflich und kategorial zu systematisieren. Ziel ist dabei nicht, ein theoretisch vollständig begründetes und sofort anwendbares Kategorial- und Erklärungsmodell für die wissenschaftlichen Analyse studentischen Workloads zu liefern, auch wenn ein erster Schritt in dessen Richtung unternommen wird. Vielmehr ist das primäre Anliegen des Autors und der Autorin, einen systematischen und allgemeinverständlichen Überblick zu den wesentlichen Dimensionen und Determinanten studentischen Workloads zu geben, der den in der Konzeption und Planung von Curriculum, Lehre und Studium Tätigen ein umfassendes Bild ermöglicht und Forschenden erlaubt, theoretische Ansätze für ihre Erkenntnisinteressen im Themenfeld des studentischen Workloads zu modellieren. Für empirische Tests des hier Zusammengetragenen fehlt uns in diesem Beitrag leider der Raum, doch sei auf die zahlreichen Beiträge in diesem ­ Workload-Sammelband verwiesen, die sich u. a. mit den hier besprochenen Aspekten und Determinanten des studentischen Workloads detailliert auseinandersetzen.

2 Begriffe und Zusammensetzung des studentischen Workloads Der studentische Workload soll im Folgenden bestimmt sein als Umfang an zeitlichen Investitionen eines Studierenden in das Studium. Es handelt sich also um eine empirisch bestimmbare Größe. Im Gegensatz dazu benutzen wir den Begriff des formalen Workloads für die in den Studiendokumenten planerisch veranschlagten zeitlichen Investitionen in das Studium, welche die Grundlage für die Vergabe von ECTS-Punkten bilden. Der ECTS-Leitfaden der Europäischen Union spricht in diesem Zusammenhang von der Zeit, die Lernende typischer­ weise für alle enthaltenen Lernaktivitäten, also den Besuch von Lehrveranstaltungen, Selbststudium, Erarbeiten von Referaten, das Lernen für Prüfungen, Anfertigen von Hausarbeiten etc., benötigen (Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union 2015, S. 10).

34

D. Großmann und C. Engel

Der studentische Workload lässt sich grundsätzlich in vier Kategorien unterteilen: • • • •

Präsenzzeit in Lehrveranstaltungen Zeit für das Selbststudium Zeit für das Erledigen studienorganisatorischer Angelegenheiten Wegzeiten.

Wegzeiten werden sowohl in der erforschenden als auch administrativen Betrachtung des Workloads in der Regel nicht berücksichtigt. Als Begründung wird dabei oft eine Parallele zur Arbeitswelt gezogen, wo die Wegzeiten von und zur Arbeit – von Ausnahmen abgesehen – nicht als Bestandteil der Arbeitszeit zählen. Dass jedoch die Wegzeiten zwischen verschiedenen Arbeitsorten zur Arbeitszeit zählen, wird dabei meist übersehen. Das Pendant bei den Studierenden, nämlich die Wegzeiten zwischen den Lehrveranstaltungsorten, Laboren, Bibliothek etc., ist deshalb meist nicht Gegenstand der ­Workload-Betrachtung (vgl. Berger und Baumeister 2016, S. 188 f.). Auch die Zeit für das Erledigen studienorganisatorischer Angelegenheiten wird nicht immer als integraler Teil des studentischen Workloads betrachtet oder der Zeit für das Selbststudium zugerechnet. Es ist schwierig, eine umfassende Definition von Tätigkeiten vorzunehmen, die diese Workload-Kategorie vollständig wiedergibt und eine noch größere Herausforderung ist es, den zeitlichen Umfang von Tätigkeiten in dieser Kategorie verlässlich zu erheben. Daher ist es wenig überraschend, dass dieser Teil des studentischen Workloads in der Erforschung und Erhebung eher „unterbelichtet“ ist. Nicht nachvollziehbar ist allerdings, warum diese Kategorie in den Kalkulationen des formalen Workloads nahezu keine Rolle spielt.

3 Determinanten des studentischen Workloads Aus analytischer Perspektive kann der studentische Workload als eine Kategorie des Studierverhaltens betrachtet werden. Er ist vergleichsweise einfach operationalisier- und messbar, lässt sich somit konkret beobachten. Wohl auch aus diesen Gründen ist er ein beliebtes Merkmal für den Vergleich und die Bewertung des Studierverhaltens. Doch der Umstand, dass sich die zeitlichen Investitionen ins Studium relativ leicht erheben lassen, bedeutet nicht, dass sich deren Umfänge ebenso einfach vergleichen und bewerten lassen. Denn die jeweiligen Umfänge studentischer Workloads sind das Resultat eines komplexen Zusammenspiels

Determinanten des studentischen Workloads …

35

einer Vielzahl von Faktoren, deren Erforschung noch „in den Kinderschuhen“ steckt. Obgleich uns der Einfluss bestimmter Faktoren – bspw. die Anforderungen und Vorgaben im Curriculum – klar und plausibel erscheinen mögen, so wissen wir nicht alles über deren tatsächliche Wirkung auf den studentischen Workload. Vor allem aber wird bei der Bewertung studentischer Workloads meist eine ganze Reihe weiterer Einflussfaktoren vernachlässigt – wohl auch, weil es an systematisiertem und geprüftem Wissen über deren Bedeutung fehlt. Im Folgenden soll es daher darum gehen, einen möglichst umfassenden und systematischen Überblick von Faktoren zu zeichnen, die den studentischen Workload maßgeblich bestimmen. Wir bezeichnen diese im Folgenden als Determinanten des studentischen Workloads und meinen damit Merkmale, die die Art und insbesondere den Umfang der zeitlichen Investitionen ins Studium bestimmen. Entsprechend dieser Definition wird der studentische Workload hier primär als eine von anderen Faktoren abhängige Größe betrachtet. In Abb. 1 haben wir Faktoren zusammengetragen, von denen auf Grundlage theoretischer Annahmen und/oder empirischer Befunde zu erwarten ist, dass sie Einfluss auf den Umfang zeitlicher Investitionen ins Studium haben. Zudem haben wir versucht die Faktoren so zu systematisieren, dass erste Annahmen über deren Zusammenwirken getroffen werden können. Ähnlich einem P ­ erson-Umwelt-Modell unterscheiden wir dabei Determinanten der Umwelt, die von außen Anforderungen an die Studierenden stellen, sowie Determinanten der Person, die darüber bestimmen, ob und wie diese Anforderungen erfüllt bzw. umgesetzt werden. Bei den Determinanten der Umwelt stehen hinsichtlich des Umfangs studentischen Workloads an erster Stelle die konkreten Anforderungen des betreffenden Studiengangs, wie sie üblicherweise in der Studien- und Prüfungsordnung sowie den Verlaufsplänen gestellt werden. Wir bezeichnen diese im Folgenden als formale Determinanten des studentischen Workloads. Sie geben mehr oder weniger konkret vor, wann was im Studium (mindestens) zu tun ist und strukturieren damit Umfang zeitlicher Investitionen ins Studium wesentlich vor. Neben formalen Vorgaben des Studienprogramms gehören zu den Workload-beeinflussenden Umwelt-Determinanten aber auch Merkmale der sozialen Herkunft und sozialen Situation der Studierenden, die wir im Folgenden als sozialstrukturelle Determinanten des studentischen Workloads bezeichnen. So wird über den sozialen Status der Eltern u. a. die Finanzierung des Studiums maßgeblich bestimmt. Ist die finanzielle Unterstützung durch die Familie nicht ausreichend und kann auch durch BAföG oder andere Transfers nicht ausreichend kompensiert werden, schließen die Studierenden Finanzierungslücken in der Regel durch studienbegleitende Erwerbstätigkeiten, die dann in zeitliche Konkurrenz zum studentischen Workload treten. Ähnliches gilt für familiäre

36

D. Großmann und C. Engel

Determinanten studentischen Workloads formale & strukturelle Determinanten (Umwelt) Sozialstrukturelle Faktoren

individuelle Determinanten (Person) Erwerbstätigkeit

Soziale Herkunft Finanzierung des Studiums Studieren mit Kind Pflege/Betreuung von Angehörigen

Hobbys, Freizeitaktivitäten Netzwerk, Peers Einstellung zum Studium Kognitiv

kognitive Fähigkeiten, Fähigkeitsselbstkonzept studienfachspezifisches Interesse, Berufsinteresse soziale Orientierung, Anschlussmotivation

Formale Vorgaben Curriculum

ECTS, Studien-/Prüfungsordnung, Studienablaufplan Lehrformate

Kursgröße Präsenzpflichten Art und Umfang von Prüfungsleistungen Lehrende

Erwartungen/Vorgaben durch Lehrende Strukturierung des Selbststudiums

Affektiv

Prüfungsangst, Versagensangst (negativ) Interesse, Begeisterung (positiv) Konativ

Frühere/s Studienaktivitäten/Studierverhalten

Studentischer Workload

Präsenzzeit in Lehrveranstaltungen | Selbststudium | Studienorganisation

Abb. 1   Schematische Darstellung der Determinanten des studentischen Workloads. (Eigene Darstellung)

Verpflichtungen, die bspw. in der Betreuung eigener Kinder oder Angehöriger bestehen. Auch ein ggf. bestehender Migrationshintergrund zählt in den Bereich sozialstruktureller Determinanten, die den Umfang des studentischen Workloads beeinflussen können. Die mögliche Bandbreite von Faktoren reicht dabei von ebenfalls sozioökonomischen, bspw. infolge eines erhöhten Bedarfs bei der Eigenfinanzierung des Studiums, bis hin zur Kompensation sprachbezogenen Probleme durch intensiviertes Lernen. Im Bereich der Umwelt-Determinanten des studentischen Workloads müssen schließlich auch noch netzwerk- bzw. peerbedingte Faktoren erwähnt werden, auch wenn wir darauf im Beitrag nicht näher eingehen werden. Es ist jedoch grundsätzlich davon auszugehen, dass der Umfang an Zeit, den Studierende in das Studium investieren, auch von den Netz-

Determinanten des studentischen Workloads …

37

werken und Peergroups beeinflusst wird, in denen sie sich bewegen und jeweils spezifische Rollen einnehmen. Die in Abb. 1 aufgezeigten Determinanten auf Personenebene bestimmen darüber, wie die von außen gestellten Anforderungen erfüllt werden und deshalb letztlich über den tatsächlichen Umfang zeitlicher Investitionen der betreffenden Person in ihr Studium. Wir bezeichnen sie im Folgenden als individuelle Determinanten des studentischen Workloads. Wie Abb. 1 zeigt und später noch ausführlicher zu erläutern ist, gibt es eine ganze Reihe solcher Merkmale und stehen diese in Beziehung untereinander.

4 Formale Determinanten des studentischen Workloads Formale Determinanten umfassen im Folgenden insbesondere die formalen Vorgaben des jeweiligen Studienprogramms, wie sie üblicherweise in den Studien- und Prüfungsordnungen sowie den zugehörigen Studiendokumenten1 geregelt sind. Es geht also im weitesten Sinn um das Curriculum. Dazu gehören neben den inhaltlichen und methodischen Schwerpunktsetzungen bspw. Regelungen darüber, wann und welche Lehreinheiten zu belegen sind, welche Voraussetzungen oder Präsenzpflichten zu erfüllen sind, wie viele und welche Prüfungen und Leistungsnachweise zu erbringen sind, was die Abschlussarbeit umfasst und vieles mehr. Darüber hinaus umfassen die formalen Determinanten des studentischen Workloads aber auch Normen, die nicht explizit in den Ordnungen oder Dokumenten geregelt sind, sondern bspw. durch die Lehrenden in den Lehrveranstaltungen gesetzt werden, für die Studierenden also letztlich formalen Anforderungscharakter haben. Für den Umfang des studentischen Workloads bilden die formalen Vorgaben des Studienprogramms und der Lehrenden den elementaren Kern, da sie überhaupt erst die konkreten Anlässe geben und den Rahmen abstecken, in dem „das Studieren“ stattfindet. Denn auch wenn das Hochschulstudium nach dem in Deutschland noch immer bestehenden Anspruch ein durch die Studentinnen und Studenten eigenverantwortlich und selbstständig betriebenes akademisches Lernen sein soll, wird es für sie erst durch den thematischen, formalen und didaktischen Rahmen den das Curriculum und die Lehrenden setzen fassbar und letztlich auch studierbar.

1Unter

dem Begriff der Studiendokumente fassen wir in unserem Beitrag Studien- und Prüfungsordnungen, Modulbeschreibungen und Studienverlaufspläne.

38

D. Großmann und C. Engel

Bei der folgenden Besprechung der formalen Workload-Determinanten orientieren wir uns an den oben eingeführten Kategorien des studentischen Workloads. Dementsprechend erörtern wir im ersten Teil formale Faktoren, die Einfluss auf die Präsenzzeit der Studierenden in Lehrveranstaltungen haben können und im zweiten Teil jene formalen Faktoren, die den zeitlich Umfang des Selbststudiums beeinflussen. Auf die Besprechung beeinflussender Faktoren der dritten Workload-Kategorie Zeit für das Erledigen studienorganisatorischer Angelegenheiten werden wir aufgrund der oben erörterten Problematik verzichten.

4.1 Präsenzzeit in Lehrveranstaltungen Die Präsenzzeit ist die Zeit, die Studierende in Präsenzlehrveranstaltungen gemäß der Studiendokumente verbringen sollen und die einen Teil der vergebenen Leistungspunkte widerspiegelt. Die Studierenden sind dabei an einem festgelegten Ort, zu einer vorgegebenen Zeit und in einer – idealerweise – durch Lernziele strukturierten Lernsituation unter Anwesenheit einer oder mehrerer Lehrender (vgl. Kleß 2017, S. 3). Der Anteil der Präsenzzeit am formalen Gesamtworkload ist im deutschen Hochschulsystem nicht durch übergreifende Vorgaben geregelt, wird also studienprogramm- oder lehreinheitsspezifisch festgelegt und in der Regel in den Studiendokumenten abgebildet. Durch die meist übliche Angabe in Semesterwochenstunden (SWS) kann die formale Präsenzzeit leicht bestimmt und bspw. durch Anwesenheitszählungen in Lehrveranstaltungen auch vergleichsweise leicht kontrolliert werden2. Wie der Umfang der Präsenzzeit in den Lehrveranstaltungen tatsächlich ausfällt, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Im Bereich der formalen Vorgaben des Studienprogramms sind dies insbesondere Regelungen zur Anwesenheitspflicht, Kursgröße, Art und Umfang von Prüfungsleistungen bzw. dem Erwerb von Leistungsnachweisen. Darüber hinaus hat die Attraktivität der Lehrperson einen Einfluss auf die Präsenzzeit in Lehrveranstaltungen, wenngleich diese nicht direkt aus den formalen Vorgaben des Studienprogramms hervorgeht. Ausgehend von den formalen Regelungen des Studienprogramms hängt die tatsächliche Präsenzzeit in einer Lehreinheit maßgeblich von einer möglicherweise bestehenden Anwesenheitspflicht ab, da das erfolgreiche Absolvieren der

2Gleichwohl

die Anwesenheit der Studierenden natürlich noch nichts über die Qualität aussagt, mit der sie den Inhalten der Veranstaltung folgen oder sich aktiv beteiligen.

Determinanten des studentischen Workloads …

39

Lehreinheit ggf. an die Anwesenheit geknüpft ist. Anwesenheitspflichten können informell (bspw. über Anwesenheitslisten) und formell (in den Studiendokumenten festgeschrieben) bestehen. In den vergangenen Jahren gab es in Deutschland zur Thematik intensive Auseinandersetzungen zwischen Bundesländern, Hochschulen und Studiengängen auf der einen und Studierendenvertretungen auf der anderen Seite, die zwischenzeitlich auch Gerichtsurteile mit Richtlinienwirkung hervorbrachten3. Demnach können durchaus formale Anwesenheitspflichten für einzelne Lehreinheiten festlegt werden, doch kann dies nicht pauschal (für ganze Bundesländer, Hochschulen oder Studiengänge) geschehen, sondern muss fallweise begründet werden. Eine informelle Präsenzpflicht – bspw. in Form von Listen, die die Präsenz der Studierenden in den Sitzungen transparent machen – ist genaugenommen keine „Pflicht“, da sie auf einer freiwilligen Übereinkunft zwischen Lehrperson und den Teilnehmenden beruht und rechtlich letztlich nicht verbindlich ist: Die regelmäßige Präsenz eines Studierenden kann in diesem Falle nicht als Kriterium für die Prüfungszulassung oder Leistungsbewertung herangezogen werden. Trotzdem können auch oder gerade informelle Präsenzverpflichtungen positive Effekte sowohl für das Präsenzverhalten als auch den Lernerfolg der Studierenden haben (dazu Schulmeister in diesem Band). Ein weiterer Faktor, der die Präsenz in einer Lehreinheit über formale Vorgaben bestimmt, ist die Kursgröße. Während die Anonymität in großen Vorlesungen Studierende zum Fernbleiben animiert, besteht in den kleineren Seminaren oder Übungen eine stärkere soziale Kontrolle, sodass eine höhere Präsenzhäufigkeit der Teilnehmenden zu erwarten ist. Einige empirische Befunde stützen diese These zur Wirkung der Kursgröße auf die Anwesenheit. So zeigen Becker und Powers (2001, S. 387), dass die Anwesenheit in Lehrveranstaltungen mit kleinen Gruppengrößen höher ist, als in solchen mit großen. Wolbring (2012, S. 86) kommt zu dem Schluss, dass Kurse mit einer größeren Teilnehmerzahl schlechter bewertet und weniger besucht werden. In einer weiteren Studie (Wolbring 2013, S. 262) fügt er hinzu, dass die Wirkung der Kursgröße nur in Verbindung mit dem Erwerb eines Leistungs­ nachweis von Bedeutung ist und verweist damit auf einen weiteren formalen Faktor,

3So

hat im Jahre 2017 bspw. der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg eine pauschale Festsetzung der Präsenzpflicht in seinem Urteil für unwirksam erklärt. Streitpunkt waren Regelungen der Prüfungsordnung für den Bachelor-Studiengang Politikwissenschaft der Universität Mannheim, in dem die Anwesenheitspflicht sowie die hinreichende Teilnahme an Lehrveranstaltungen als Voraussetzung für eine Prüfungsleistung festgesetzt wurde (vgl. Urteil Az.: 9 S 1145/16 http://www.vghmannheim.de/pb/,Lde/5005269/).

40

D. Großmann und C. Engel

der Einfluss auf die Präsenzzeit und damit den studentischen Workload insgesamt haben kann. Zum Tragen kommen dabei weitere formale Vorgaben, bspw. ob die betreffende Lehreinheit verpflichtend oder wahlweise belegt wird sowie welche Art von Prüfungsleistung für einen Leistungsnachweis zu erbringen ist. Ein bislang nur teilweise beleuchteter Faktor für die Präsenz Studierender in Lehrveranstaltungen, ist die Attraktivität der Lehrperson. Gemeint ist damit, inwieweit die Lehrperson und ihr formelles und informelles Lehrdesign für Studierende Ansporn bietet, regelmäßig in den Lehrveranstaltungen präsent zu sein. Es handelt sich also um eine ganze Reihe von Faktoren, die zwar nicht unmittelbarer Bestandteil der formalen Vorgaben des Studienprogramms sind, die den Studierenden dennoch mehr oder weniger konkrete Anforderungen für das Absolvieren ihres Studiums stellen und dafür letztlich zeitliche Investitionen erfordern. Die Attraktivität der Lehrperson bezieht sich also nicht allein auf die Einschätzung ihrer physischen Erscheinung, sondern auch auf Merkmale, wie Eloquenz, didaktische Fähigkeiten und Bewertungsverhalten sowie Wissensstand. Bestehende Forschungen zeigen auf, dass die physische Attraktivität, die Qualität der Lehre und der Unterrichtsstil einen Einfluss auf die Anwesenheit in Lehrveranstaltungen haben können (Berger und Schleußner 2003; ­Greimel-Fuhrmann und Geyer 2003; Wolbring 2013). Ähnlich dem Stereotyp „what is beautiful is good“ schreiben Menschen tendenziell positive Attribute der Attraktivität und negative Eigenschaften der Unattraktivität zu4. Die physische Attraktivität scheint allerdings nur in vergleichswiese geringem Maße auf die Anwesenheit der Studierenden zu wirken (vgl. Wolbring 2013, S. 264).

4.2 Selbststudium Das Selbststudium umfasst die Zeit, die für die selbstständige Erarbeitung und Aneignung von Studieninhalten benötigt wird. Dies schließt auch die Fachlektüre, die Vorbereitung auf Prüfungen, das Recherchieren und Schreiben für Projektarbeiten sowie die Arbeit an der Abschlussarbeit ein (vgl. HRK 2004, S. 109). Je nach Auslegung beinhaltet das Selbststudium auch sonstige Aufgaben zur Organisation des Studiums wie Drucken, Informationen einholen oder

4Dazu

Eagly et al. 1991: Die Autoren zeigen, dass der physische Attraktivitätsstereotyp nicht so stark ist, wie häufig angenommen, da die durchschnittliche Stärke des ­Beautiful-is-good-Effekts moderat ist und von Studie zu Studie variierte (Eagly et al. 1991, S. 108).

Determinanten des studentischen Workloads …

41

Vorlesungsskripte beschaffen (vgl. Wittenberg in diesem Band). Grundsätzlich lassen sich diese Tätigkeiten jedoch auch als eigene Teilkategorie des studentischen Workloads betrachten (z. B. Müller in diesem Band). Das Selbststudium bildet in den meisten Studienprogrammen anteilig den größten Teil des Workloads. Grundsätzlich bietet das Selbststudium große Spielräume sowohl für selbstgestaltetes und eigenverantwortliches Lernen der Studierenden, als auch inhaltlich und didaktisch durch die Lehrenden vorstrukturiertes Arbeiten. Wie viel Zeit Studierende tatsächlich in das Selbststudium investieren, bestimmt sich neben ihrer jeweils individuellen Einstellung zum Studium vor allem daraus, welche konkreten (formalen) Anforderungen ihnen ihr Studienprogramm in dieser Hinsicht stellt. Da es kaum übergreifende Rahmenvorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung des Selbststudiums gibt und auch die offiziellen Studiendokumente diesbezüglich meist wenig regeln, werden die Anforderungen für das Selbststudium auf Ebene der Lehrplanung und maßgeblich durch die Lehrenden bestimmt (vgl. Schulmeister und Metzger 2018, S. 36). Ebenso wie für das Präsenzstudium, gibt es auch für den Anteil und Umfang des Selbststudiums am gesamten Studienprogramm keine einheitlichen Vorgaben. Konkrete Anteile und Umfänge werden formal meist nur auf Modul- oder Lehrveranstaltungsebene in den Studiendokumenten geregelt, selten dabei aber die konkreten Inhalte des Selbststudiums. Wann, wo und wie das Selbststudium stattfindet, ist in den Studiendokumenten meist nicht formal geregelt. Insbesondere bei der Arbeit in Lern- oder Arbeitsgruppen, bei der möglicherweise sogar erfahrenere Studierende oder Lehrende anwesend sind, verschwimmen die Grenzen zwischen Präsenz- und Selbststudium (vgl. Kleß 2017, S. 3). Bei der Gestaltung von Erhebungsinstrumenten für den studentischen Workload ist deshalb auf eine möglichst klare Unterscheidbarkeit von Präsenz- und Selbststudium ebenso zu achten, wie auf eine möglichst umfassende Abbildung verschiedener Kategorien des Selbststudiums. Zur Unterscheidung bietet es sich an, das Selbststudium in Abhängigkeit von inhaltlichen Vorgaben und Begleitung durch Lehrende zu systematisieren (Metzger 2011). Es lassen sich so drei Kategorien des Selbststudiums ableiten (vgl. Landwehr und Müller 2008, S. 16–21): Das freie Selbststudium bestimmt sich durch vom Curriculum und den Lehrenden weitgehend unabhängiges Lernen, geleitet durch Interesse und Ziele der Studierenden. Inhalte werden weder vorgegeben noch abgeprüft, ebenso wie Art der Auseinandersetzung mit ihnen (Landwehr und Müller 2008, S. 20). Eine Operationalisierung und Messung des freien Selbststudiums als Subkategorie des studentischen Workloads findet nur selten statt, wohl auch, weil sich der Bezug entsprechender Aktivitäten zum Studium vor allem in geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern nicht immer eindeutig herstellen lässt.

42

D. Großmann und C. Engel

Näher an der üblicherweise in Erhebungen und Forschungen verwendeten Begrifflichkeit ist das individuelle Selbststudium. Es umfasst die Vor- und Nachbereitung von Lehrveranstaltungen, die Prüfungsvorbereitung, sowie individuelles Üben (Landwehr und Müller 2008, S. 17). Die Inhalte werden hierbei von den Lehrenden mehr oder weniger vorgegeben, indem bspw. bestimmte Literatur zu lesen ist oder Schwerpunkte oder Beispiele für die Prüfungsklausur gegeben werden. Dennoch gibt es keine klare Grenze im Übergang zum freien Selbststudium, bspw. wenn zwar immer noch an den gleichen Themen, aber mit selbstgewählter Literatur oder Quellen gearbeitet wird. Unter dem begleiteten Selbststudium lassen sich schließlich alle Lern- und Studienaktivitäten fassen, die vom Studierenden zwar selbstständig ausgeführt, jedoch in Inhalt, Aufgabenstellung und Bewertung von den Lehrenden inhaltlich vorgegeben sind (Landwehr und Müller 2008, S. 17; Metzger 2011, S. 255), bspw. durch das Lösen von Übungsaufgaben. Das Selbststudium ist hierbei am stärksten formalisiert und strukturiert. Aus dem kurzen Überblick lässt sich ableiten, dass der Umfang zeitlicher Investitionen Studierender in das Selbststudium neben dem jeweils individuellen Interesse am Studium und seinen Inhalten vor allem davon bestimmt wird, welche und in welchem Umfang die Lehrenden inhaltlichen Vorgaben für das Selbststudium setzen. Mit Blick auf die akademischen Traditionen des Hochschulstudiums in Deutschland besteht dabei ein grundsätzlicher Konflikt zwischen dem Anspruch, dass die Studierenden autonom und eigenverantwortlich lernen sollen, zahlreiche Themenbereiche (vor allem Grundlagen) ohne didaktisches Programm jedoch kaum vermittelbar sind. Dass der (auch weiterhin erstrebenswerte) Anspruch vom autonomem und eigenverantwortlich Lernen der Studierenden nicht in vollem Umfang trägt, deutet sich auch in empirischen Befunden an. Basierend auf den Ergebnissen der ZEITLast-Studie berichtet Metzger (2011), dass „der größte Teil der für das Selbststudium vorgesehenen Zeit nicht für die kontinuierliche Vor- und Nachbereitung des Unterrichts verwendet wird, sondern punktuell für die Vorbereitung auf Prüfungen“ (ebd., S. 273). Sie zeigt dabei an exemplarisch ausgewählten Lehreinheiten, dass die Prüfungsvorbereitung häufig dreiviertel oder mehr des gesamten Selbststudiums ausmacht. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass neben den konkreten inhaltlichen Vorgaben für das Selbststudium durch die Lehrenden auch andere formale Vorgaben Einfluss auf den zeitlichen Umfang des Selbststudiums haben. So können curriculare Merkmale wie Lehrformat und Prüfungsform den investierten Zeitaufwand beeinflussen. In Lehrformaten mit passiver Teilnahme (bspw. Vorlesungen) sind die Anreize zur Vor- und Nachbereitung (Lektüre, Ausarbeitung etc.) geringer, vor allem wenn die Studierenden das Grundlagenstudium abgeschlossen und eine

Determinanten des studentischen Workloads …

43

gewisse Studienroutine entwickelt haben5. Zudem hemmen Prüfungsformate, wie ein schriftliche Klausur am Ende der Vorlesungszeit, nicht nur ein kontinuierliches Selbststudium, sondern sind möglicherweise mit geringeren zeitlichen Investments machbar, als andere Formate. Neben den formalen Vorgaben des Studienprogramms und von den Lehrenden gesetzten Anforderungen begünstigen oder behindern auch strukturelle Faktoren den tatsächlichen Umfang des Selbststudiums. Häufige Themenwechsel machen die Inhalte und Anforderungen des Studiums unübersichtlich, ermüden die Studierenden und gehen zulasten der Motivation zum Selbststudium. Schulmeister und Metzger (2011, S. 108) zeigen im Rahmen der ZEITLast-Studie Auszüge aus Studientagebüchern mit bis zu zehn Themenwechseln an einem Tag. Sicher ein Extrem, doch zeigen die Daten der Studie im Mittel (Median) dennoch drei bis sieben Themenwechsel pro Tag, je nach Studienprogramm (Groß 2011, S. 132, 141, 145). Mit zunehmender Zahl thematisch unterschiedlicher Lehrveranstaltungen, fällt es den Studierenden schwer, Prioritäten für das Selbststudium zusetzen und neigen sie, anstehende Aufgaben aus Überforderung zu verschieben (Schulmeister und Metzger 2011, S. 108). Ein Problem stellen dabei auch zeit­ liche Lücken zwischen den Lehrveranstaltungen dar, die in den Wochenplänen häufig bestehen (dazu Groß 2011, S. 134 ff.). Schulmeister und Metzger (2011, S. 103) beschreiben diese als „‚tote Zeit‘, […], in denen (sic!) es sich aber objektiv und/oder subjektiv ‚nicht lohnt‘, zu arbeiten“. Die Lücken zwischen den Lehrveranstaltungen können also oft nicht effektiv für das Selbststudium genutzt werden, gehen in der Summe jedoch zulasten der insgesamt für das Studium verfügbaren Zeit.

5 Sozialstrukturelle Determinanten des studentischen Workloads Neben den formalen Vorgaben des Studienprogramms und individuellen Merkmalen haben auch sozialstrukturellen Faktoren Einfluss auf den Umfang des studentischen Workloads. Von Bedeutung sind dabei insbesondere Einflüsse, die aus der sozialen Situation der Studierenden resultieren.

5Über mehrere Wellen hinweg zeigen bspw. die Studierendenbefragungen an der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie der Universität Leipzig in den Master-Studiengängen geringere Vor- und Nachbereitungszeiten für Vorlesungen im Vergleich zu Seminaren, während in den Bachelor-Studiengängen beide Lehrformate ähnlich abschneiden.

44

D. Großmann und C. Engel

Merkmale der sozialen Situation Studierender nehmen dann Einfluss auf den studentischen Workload, wenn sie von den Studierenden regelmäßige zeitliche Investitionen größeren Umfangs in Lebensbereichen erfordern, die nichts mit dem Studium zu tun haben. Der Zeitaufwand für diese Tätigkeiten steht ab einem gewissen Ausmaß in Konkurrenz zu den Tätigkeiten des Studiums (Präsenz in Lehrveranstaltungen, Selbststudium etc.), da das tägliche Zeitbudget nun mal limitiert ist. Grundsätzlich muss daher angenommen werden, dass Tätigkeiten wie Erwerbsarbeit, Kinderbetreuung und ehrenamtliches Engagement ab einem bestimmten Ausmaß zulasten des Studiums und damit des Umfangs studentischen Workloads der betreffenden Person gehen. Die studienbegleitende Erwerbstätigkeit stellt sicher einen der meistdiskutierten und -erforschten Einflüsse auf den studentischen Workload dar. Zu unterscheiden ist zwischen individuellen Motiven und sozialstrukturellen Ursachen (Zwängen), die Studierende zu einer studienbegleitenden Erwerbstätigkeit veranlassen. Denn Studierende verfolgen mit einem „Nebenjob“ zwar stets bestimmte individuelle Interessen und Motive, eine vordergründige ökonomische Veranlassung kann aber muss dazu nicht zählen. Die regelmäßigen Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerks zeigen auf, wie vielfältig die Gründe für das Arbeiten neben dem Studium sind und dass ökonomische Zwänge dabei in vier bis fünf von zehn Fällen keine Rolle spielen (vgl. Middendorf et al. 2013, S. 388; 2017, S. 19). Dennoch sind sozialstrukturelle Zwänge vermutlich einer der ausschlaggebenden Gründe dafür, ob eine studienbegleitende Erwerbstätigkeit zulasten des studentischen Workloads geht, oder nicht. Leider können wir hier dazu nicht ins Detail gehen, doch kann grundsätzlich angenommen werden, dass sich bei einem aus „freien Stücken“ gewählten Nebenjob „Symbiose“ zwischen der Arbeitszeit für das Studium und der für den Job entwickelt, indem bspw. bei Belastungsspitzen im Studium (Prüfungen, Abschlussarbeit etc.) die Erwerbszeiten verringert werden oder der Job sogar vollkommen ausgesetzt wird. Basiert die studienbegleitende Erwerbstätigkeit jedoch vordergründig auf ökonomischen Zwängen, ist dies nicht ohne weiteres möglich. Mit größer werdender Finanzierungslücke in Folge geringer oder fehlender Familientransfers, Rücklagen oder Stipendien (bspw. BAföG) steigt zudem die Anzahl der wöchentlichen Arbeitsstunden und gehen diese ab einem bestimmten Grenzwert zulasten der für das Studium investierten Zeit. Bestehende Forschungsergebnisse zum Verhältnis von studienbegleitender Erwerbstätigkeit und studentischem Workload stellen sich auf den ersten Blick zwar uneinheitlich dar, spiegeln möglicherweise aber die oben beschriebene Bedeutung sozialstruktureller Faktoren wider. So untersuchen Apolinarski und Gwosć in diesem Band mögliche Einflüsse mit einem multivariaten Modell, bei

Determinanten des studentischen Workloads …

45

dem insbesondere die soziale Situation und soziale Herkunft der Studierenden im Fokus stehen und können darüber einen deutlichen Einfluss der studienbegleitenden Erwerbstätigkeit auf den studentischem Workload zeigen. Auch Vögtle und Hámori in diesem Band zeigen mit einer Analyse einer Teilstichprobe des EUROSTUDENT IV Panels einen ähnlichen Zusammenhang. Einige bivariate Analysen kommen hingegen zu dem Schluss, dass die Arbeit neben dem Studium keinen Einfluss auf den studentischen Workload hat (vgl. Schulmeister und Metzger 2018, S. 32; Berger und Baumeister 2016, S. 218; ebd. in diesem Band) – möglicherweise weil sozialstrukturelle Faktoren nicht in die Analyse einbezogen wurden bzw. wegen der Datenlage nicht einbezogen werden konnten. Für zukünftige Workload-Untersuchen erscheint es daher wichtig, dass die verwendete Stichprobe sozialstrukturelle Merkmale wie den Einkommens­ status sowie Bildungsstatus der Eltern und eine ausreichend nach verschiedenen Quellen differenzierte Einkommensübersicht der Studierenden abgebildet werden kann. Eine weitere wichtige sozialstrukturelle Determinante des studentischen Workloads stellt die Betreuung und Pflege von Angehörigen und dabei insbesondere das Studieren mit Kind dar. Zwar erziehen nach der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks nur etwa sechs Prozent der Studierenden in Deutschland mindestens ein Kind, doch betrifft dies in Deutschland immerhin einen Kreis von rund 135.000 Studierenden und hat fast jeder zweite davon zwei Kinder oder mehr (Middendorf et al. 2017, S. 7). Etwa zwei von drei Kindern Studierender in Deutschland sind drei Jahre oder jünger (Middendorf et al. 2013, S. 492) – also in einem Entwicklungsalter mit erheblichem Betreuungsbedarf und häufigen Erkrankungen. Selbst unter „optimalen“ Bedingungen (finanzielle Absicherung, zwei sorgende Elternteile, Betreuungsplatz etc.) stehen Studium und Kinderbetreuung immer wieder in zeitlicher Konkurrenz zueinander. Noch viel weniger als die aus ökonomischen Gründen notwendige Erwerbstätigkeit, kann die Betreuung der eigenen Kinder aufgeschoben oder ausgesetzt werden: Wenn Kinder krank werden, geschieht dies ungeachtet dessen, ob für eine Prüfung gelernt, die Abschlussarbeit fertiggeschrieben oder einfach nur die Literatur für die nächste Seminarsitzung gelesen werden muss. Auch unter „normalen“ Bedingungen benötigen Kinder einen wesentlichen Teil der Aufmerksamkeit ihrer studierenden Elternteile, sodass diese Studierenden oft nur in kurzen Zeitabschnitten, mit häufigen Themenwechseln und zu wenig geeigneten Tageszeiten für das Studium arbeiten können. Exemplarisch zeigen Lüders und Eisenacher (2007, S. 146) auf Basis von qualitativen Interviews, dass die Betreuung von Kindern und Familie von den Studierenden als „einschränkender Faktor“ eingeschätzt wird.

46

D. Großmann und C. Engel

6 Individuelle Determinanten des studentischen Workloads Betrachtet man Befunde aus Erhebungen des studentischen Workloads, so fallen auch zwischen den Studierenden ein und desselben Studiengangs, oder sogar desselben Moduls, schnell erhebliche Varianzen auf (vgl. Blüthmann et al. 2006, S. 9; Metzger 2011, S. 247; Schulmeister und Metzger 2011, S. 59; Berger und Baumeister 2016, S. 190). Studierende investieren also offenbar auch dann unterschiedlich viel Zeit in das Studium, wenn die formalen Anforderungen und Rahmenbedingungen für alle dieselben sind. Es muss also auch außerhalb der formalen Vorgaben des Curriculums bestimmte Faktoren geben, die einen substanziellen Einfluss auf den Umfang des studentischen Workloads haben. Ein maßgeblicher Teil dieser Faktoren ist bei den individuellen Eigenschaften (Merkmalen) der Studierenden zu suchen, die im Folgenden als individuelle Determinanten des studentischen Workloads bezeichnet und einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Wie eingangs dargestellt, steht der studentische Workload für einen wesentlichen Teil des Studierverhaltens der Studierenden und ist somit wesentlich auch von deren Motiven und Orientierungen abhängig. Denn neben den formalen Abläufen und Anforderungen des jeweiligen Curriculums sind vor allem die jeweils individuellen Interessen, Ziele, Fähigkeiten und Wahrnehmungen treibender Motor des Studiums – mitunter aber auch die Bremse, wie noch zu zeigen sein wird. Die dahinterstehenden Faktoren sind umfangreich in der Zahl und komplex im Zusammenspiel, weshalb zunächst eine kurze begriffliche Systematisierung erfolgen soll. Der Begriff, unter dem sich individuelle Determinanten des Verhaltens am besten systematisieren lassen, ist die Ein­ stellung, im gegebenen Fall also die Einstellung zum Studium. Abgeleitet vom allgemeinen Einstellungsbegriff, soll die Einstellung zum Studium hier bestimmt sein als individuelle, selektive Ausrichtung von Denken, Erkennen, Wahrnehmen, Bewerten und Verhalten im Kontext des Studiums (vgl. Hillmann 1994, S. 173). In der einschlägigen Literatur, insbesondere im Bereich der angewandten Hochschulforschung, wird die Betrachtung von individuellen Determinanten des Studierverhaltens meist unter dem Oberbegriff der Studienmotivation vorgenommen. Aus zwei wesentlichen Gründen haben wir uns gegen die Verwendung dieses Oberbegriffs entschieden, sehen uns in Anbetracht seines hohen Verbreitungsgrades jedoch verpflichtet, dies kurz zu erläutern. Ein erstes Problem des Studienmotivationsbegriffs besteht darin, dass ihm in der deutschen Literatur trotz seiner zahlreichen Verwendung noch immer eine einheitliche Bestimmung und theoretische Modellierung fehlt (vgl. Großmann 2016, S. 128). Es steht dies exemplarisch für die fehlende Theoriebasierung, wie sie der gegenwärtigen

Determinanten des studentischen Workloads …

47

Hochschulforschung schon häufiger attestiert wurde (dazu u. a. Winther und Krempkow 2013; Krücken et al. 2015; Großmann und Wolbring 2016, S. 11). Ein zweites Problem des Studienmotivationsbegriffs ergibt sich daraus, dass er selbst bei einer theoretisch fundierten Modellierung lediglich bei den Motiven und Orientierungen der Studierenden verbleibt und damit bestenfalls einen Teilbereich der individuellen Determinanten studentischen Verhaltens abbilden kann. Denn neben den Motiven und Orientierungen sind es insbesondere die Fähigkeiten der Studierenden und deren emotionale Wahrnehmung des Studiums, die die individuelle Bewertung einer konkreten Studiensituation und darüber das Verhalten der Studierenden bestimmen – letztlich damit auch über den Umfang zeitlicher Investitionen ins Studium. Im Gegensatz zum Studienmotivationsbegriff können mit dem begrifflichen Konstrukt der Einstellung zum Studium auch solche Dimensionen im Bereich der individuellen Determinanten studentischen Verhaltens abgebildet werden. Hinzu kommt, dass der Rückgriff auf den Einstellungsbegriff einschließlich der zugehörigen Subdimensionen recht nützlich ist, um die Vielzahl individueller Determinanten des studentischen Workloads systematisieren zu können. Leider fehlt hier der Raum und ist auch nicht Anliegen des Beitrags, ausführlich auf die theoretischen Grundlagen von Einstellungen und der Einstellungsforschung einzugehen, doch kommen wir um einen kurzen Umriss nicht umhin. Einstellungen bestimmen die individuelle Wahrnehmung und Bewertung einer Person in einer konkreten Situation und darüber ihr Verhalten. Individuelle Wahrnehmung und Bewertung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Person die äußeren (objektiven) Gegebenheiten der Situation zunächst selektiv erfasst und diese anschließend basierend auf ihrem Wissen, Meinungen, Erfahrungen und Gefühlen subjektiv bewertet. Aus dieser individuellen Wahrnehmung und Bewertung der Situation leitet die Person schließlich die Art und Weise (Ausrichtung) ihres Verhaltens ab. Aufgrund ihrer Bewertungsfunktion ist die Einstellung zum Studium eng mit dem Begriff der individuellen Studienzufriedenheit6 verbunden (vgl. Heise et al. 1997), denn Einstellungen lassen sich verkürzt auch als positive oder negative Einstellung gegenüber einer bestimmten Sache beschreiben, in unserem Fall gegenüber konkreten Gegenständen bzw. Situationen des Studiums. Die ver-

6In

der Literatur wird meist nur allgemein von Studienzufriedenheit gesprochen. Dahinter stehen jedoch verschiedene und mitunter stark voneinander abweichende Konzepte. Mit der individuellen Studienzufriedenheit wollen wir die begriffliche Bedeutung konkret darauf fixieren, in welchem Maße eine Person die Übereinstimmung ihrer individuellen Ziele mit den von ihr im Studium vorgefundenen Inhalten, Schwerpunkten und sonstigen Gegebenheiten als positiv oder negativ bewertet.

48

D. Großmann und C. Engel

schiedenen individuellen Merkmale der Einstellung zum Studium bestimmen darüber, ob eine konkrete Situation oder Sache im Studium vom betreffenden Studierenden ihren Auswirkungen nach als positiv oder negativ bewertet wird (vgl. Ajzen und Fishbein 1973, S. 41; Fishbein und Ajzen 1975, S. 14) und erst diese Bewertung in Form einer positiven oder negativen Zuschreibung, formt die Art und Weise (Intension), wie die Person sich zur Sache verhalten wird. In der Bewertungsfunktion zeigt sich nicht nur die selektive Wirkung der Einstellung zum Studium, sondern auch deren Bedeutung für zeitliche Investitionen, also den erwartbaren Umfang studentischen Workloads. Denn die individuelle Zufriedenheit eines Studierenden mit seinem Studium – also der positiven oder auch negativen Bewertung von Inhalten, Anforderungen oder anderer Aspekten seines Studiums im Verhältnis zu seinen individuellen Ziele und Ansprüchen – bestimmt maßgeblich über die Intensität und Häufigkeit (Persistenz – vgl. Prenzel 1988, S. 139) der Auseinandersetzung mit den Studieninhalten und formalen Anforderungen und damit auch über den Umfang seines studentischen Workloads. Wenngleich dies eine zunächst sehr vereinfachte Darstellung des Beziehungskreises zwischen Einstellung zum Studium und Studierverhalten ist, so deutet sie doch bereits den Umfang und die Vielschichtigkeit an individuellen Determinanten an, die Einfluss auf den Umfang studentischen Workloads haben können. Zur Systematisierung der nun folgenden Besprechung von wesentlichen Determinanten bedienen wir uns wiederum im Begriffskosmos der Einstellungsforschung. Dort hat sich – wenngleich mit im Detail wechselnden Erklärungsmodellen – das begriffliche Konzept des sog. Dreikomponentenmodells7 etabliert. Ausgehend u. a. von den Arbeiten von Rosenberg und Hovland (1960) lassen sich Einstellungen demnach unterteilen in eine kognitive, eine affektive und eine konative Komponente.

6.1 Kognitive Determinanten studentischen Workloads Die kognitive Komponente der Einstellung zum Studium umfasst Merkmale einer Person, die deren Wahrnehmung von konkreten Gegebenheiten des Studiums – bspw. formalen Vorgaben der Studienordnung – auf Basis ihres Wissens, ihrer Ziele und ihrer Wertebilder bestimmt. Die Wahrnehmung und anschließende

7Abgleitet

von der Bezeichnung der drei Einstellungskomponenten (affective, behavioral, cognitive) wird das Modell in der Literatur meist auch als ABC-Modell bezeichnet.

Determinanten des studentischen Workloads …

49

Bewertung von formalen Gegebenheiten über kognitive Merkmale wie Fähig­ keiten, Motive und Orientierungen bestimmen einen wesentlichen Teil der Verhaltensbereitschaft im Studium – so auch Art und Umfang des individuellen Lern- und Studierverhaltens durch den Besuch und die Vor- und Nachbereitung von Lehrveranstaltungen, freies Selbststudium, Bibliotheksrecherchen oder Prüfungsvorbereitungen – und damit letztlich den Umfang des studentischen Workloads. Im Bereich der kognitiven Einstellungsmerkmale lassen sich drei Dimensionen solcher Determinanten des studentischen Workloads unterscheiden: kognitive Fähigkeiten, Motive und Orientierungen sowie allgemeine Wertebilder. Kognitive Fähigkeiten Die kognitiven Fähigkeiten einer Person umfassen deren Orientierungs-, Wahrnehmungs-, Lern-, Abstraktions- und Erinnerungsvermögen (vgl. Großmann 2016, S. 131). Wesentliche Resultate der kognitiven Fähigkeiten einer Person sind bspw. der Umfang ihres (Fach-)Wissen und ihr Problemlösungsvermögen. Die kognitiven Fähigkeiten Studierender haben große Bedeutung für Art und Umfang ihrer Aktivitäten im Studium und den darüber erzielbaren Studienerfolg. In der Lern- und Entwicklungsforschung werden kognitive Fähigkeiten mit den verschiedenen Modellvorstellungen meist unter dem Begriff der Intelligenz betrachtet (dazu Trapmann 2008, S. 23). Obgleich die Operationalisierung von Intelligenz in Form von Schulnoten, bspw. der Abiturnote, umstritten ist (vgl. Rindermann 2007), wird darin meist ein zentraler Prädiktor für den Studienerfolg benannt (vgl. Trapmann 2008, S. 19). In jedem Fall bestimmen die kognitiven Fähigkeiten Studierender jedoch deren Geschwindigkeit und Effizienz beim Lernen und setzen damit einen wesentlichen Rahmen für zeitliche Investitionen in Lernarbeit. Etwas verkürzt formuliert: Studierende mit stark ausgeprägten kognitiven Fähigkeiten müssen weniger Zeit in ihr Studium investieren, um zum gleichen Erfolg zu kommen, wie Kommilitoninnen und Kommilitonen mit Nachteilen in diesem Bereich. Bei den kognitiven Fähigkeiten als Bestandteil der Einstellung zum Studium geht es insbesondere darum, wie ein Studierender sich hinsichtlich seiner Fähigkeiten selbst – also subjektiv – einschätzt. Diese Selbsteinschätzung ist zu unterscheiden von der objektiven Ausprägung seiner kognitiven Fähigkeiten. Denn während die tatsächliche Ausprägung seines Orientierungs-, Lern-, Abstraktionsund Erinnerungsvermögen ihm zwar einen limitierenden Rahmen hinsichtlich der abrufbaren Fähigkeiten darstellt, bestimmt seine subjektive Selbsteinschätzung seiner Fähigkeiten unmittelbar das konkrete Studierverhalten und damit auch den zeitlichen Umfang seiner Investitionen ins Studium. Um dies besser verdeutlichen zu können, muss etwas weiter ausgeholt werden.

50

D. Großmann und C. Engel

Die Selbsteinschätzung kognitiver Fähigkeiten lässt sich anschaulicher auch als Fähigkeitsselbstkonzept (vgl. Wilcke 1976, S. 18)8 beschreiben. Gemeint ist damit, wie Studierende in Leistungssituationen ihre eigenen individuellen Fähigkeiten hinsichtlich der Frage bewerten, ob und wie sie die gestellten Anforderungen erfüllen können (vgl. Bong und Skaalvik 2003, S. 6). Covington (2007) zeigt mit einem Modell zum Leistungsverhalten im Studium basierend auf seiner Self-Worth Theory of achievement motivation, dass die Selbstwahrnehmung der individuellen Fähigkeiten als Schlüsselgröße für die Performanz der Studierenden im Studium betrachtet werden kann und dabei auch und insbesondere den Umfang zeitlicher Investitionen in das Studium bestimmt. Er geht dabei von den Grundannahmen aus, dass für eine Person an vorderster Stelle die Selbstbestätigung ihrer Fähigkeiten steht und dass beim Lernen im (Hoch-)Schulkontext diese Selbstbestätigung in der Regel mit der Fähigkeit gleichgesetzt wird, mit anderen mithalten zu können, also in der Konkurrenz um gute Noten erfolgreich zu sein (Covington 1998, S. 78, 2007, S. 670, dazu auch Trautwein et al. 2009). Oberste Priorität hat für die Studierenden demnach, keine Zweifel an ihren Fähigkeiten aufkommen zu lassen, was gleichbedeutend damit ist, Misserfolge (Versagen) zu vermeiden, da dies die eigenen Fähigkeiten infrage stellen würde9. Eine weitere wichtige Komponente wird in dem Modell in der Art und Weise benannt, wie Studierende die Ursachen für ihre Erfolge oder Misserfolge wahrnehmen (Covington 2007, S. 667). Studierende, die häufige Misserfolge gewohnt sind, neigen demnach zu einem destruktivem Fähig­ keitsselbstkonzept (Covington 2007, S. 688): Sie führen Misserfolge auf ihre unzureichenden Fähigkeiten zurück, während sie Erfolge als Resultat aus von ihnen nicht beeinflussbaren (externen) Faktoren wie Zufall oder Glück sehen. Erfolgsgewohnte Studierende zeigen dagegen meist ein positives Fähigkeitsselbstkonzept: Sie vertrauen auf ihre Fähigkeiten und führen ihre Misserfolge auf unzureichende Anstrengungen zurück, weil sie Erfolg als eine Kombination aus Kompetenz (Fähigkeit) und Fleiß betrachten (Covington 2007, S. 667). Zurückkehrend zur Frage, wie viel Zeit Studierende in ihr Studium investieren, lässt sich hinsichtlich des Fähigkeitsselbstkonzeptes aus Covingtons Modell (2007) folgendes ableiten: Für erfolgsüberzeugte Studierende mit einem

8Im englischen Sprachraum wird das Fähigkeitsselbstkonzept in den Bereichen Lernen und Studium meist unter dem Begriff des Academic Self-Concept betrachtet, wobei noch die Selbstwirksamkeitsvorstellung (Academic Self-Efficacy) hinzugenommen wird (Wilcke 1976, S. 18). 9Covingtons Modell zeigt starke Parallelen zum Leistungsmotivationskonzept nach Heckhausen (Heckhausen 1965), das in der deutschsprachigen Lern- und Studierendenforschung ebenfalls eine weite Verbreitung gefunden hat (bspw. Wilcke 1976; Asmussen 2006).

Determinanten des studentischen Workloads …

51

positivem Fähigkeitsselbstkonzept ist das Studium gewissermaßen eine Aufwärtsspirale: Erfolg stärkt ihr Fähigkeitsselbstkonzept weiter, in dem es noch mehr Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten gibt und die Überzeugung fördert, Kontrolle über das eigene Leistungsverhalten zu haben. Der Umfang zeitlicher Investitionen in Form von Präsenz in Lehrveranstaltungen und Selbststudium einschließlich Prüfungsvorbereitung ist die Form, in der sie die Kontrolle ihres Leistungsverhaltens ausüben (hohe Selbstregulationsfähigkeit im Leistungs­ bereich; (vgl. Wilcke 1976, S. 23, 175 f.). Bei Erfolg wird der zeitliche Umfang beibehalten. Sollten sich Misserfolge einstellen, wird dies als Aufforderung betrachtet, mehr Zeit ins Studium zu investieren. Für misserfolgsgewohnte Studierende mit einem zunehmend destruktivem Fähigkeitsselbstkonzept besteht dagegen die Gefahr einer Abwärtsspirale: Aus Misserfolgen wird mehr und mehr geschlossen, dass Erfolge im Studium unwahrscheinlich sind und es sich deshalb nicht lohnt, sie zu verfolgen. Sollten sich dennoch Erfolge einstellen, werden sie nicht als Resultat der eigenen Fähigkeiten betrachtet, sondern Einflüssen außerhalb der eigenen Kontrollmöglichkeiten zugeschrieben. Die Überzeugung, Kontrolle über das eigene Leistungsverhalten zu haben, schwindet (vgl. Wilcke 1976, S. 190 f.), ebenso wie der Umfang zeitlicher Investitionen ins Studium. Denn da aus Perspektive dieser Studierenden kaum Aussicht auf Erfolg besteht, gibt es keine Gründe die Leistungsanstrengungen zu steigern, im Gegenteil: Um das Erleben von Scham über die eigenen Fähigkeiten zu vermeiden, werden Situationen mit Leistungsbezug (Prüfungen, Referate, Projektarbeiten etc.) gemieden und aufgeschoben (vgl. Covington und Martin 2007, S. 673). Für entsprechend betroffene Studierende muss daher mittelfristig von abnehmenden Umfängen des studentischen Workloads ausgegangen werden. Wir wollen hier auf die Hintergründe und Bedeutung des Fähigkeitsselbstkonzepts nicht ausführlicher eingehen. Die Ausführungen sollen jedoch neben der grundsätzlichen Bedeutung der kognitiven Fähigkeiten für studentischen Workload aufzeigen, dass neben der objektiven Ausprägung vor allem die subjektive Selbsteinschätzung der Studierenden entscheidend für ihr Lern- und Studierverhalten ist. Für die Analyse des studentischen Workload sollte das Fähigkeitsselbstkonzept deshalb ein mindestens ebenso wichtiger Prädiktor, wie die tatsächlichen kognitiven Fähigkeiten der Studierenden10. 10Das

gilt darüber hinaus auch für andere Erkenntnisinteressen in der Hochschul- und Studierendenforschung, bei der kognitive Fähigkeiten im Fokus stehen. Gleichwohl bereits zahlreiche Arbeiten die Bedeutung des Fähigkeitsselbstkonzeptes thematisiert haben, hat sich die konzeptionelle Unterscheidung der objektiven und subjektiven Dimension kognitiver Fähigkeiten in der deutschsprachigen Hochschulforschung noch nicht etabliert.

52

D. Großmann und C. Engel

Motive und Orientierungen (Studienmotivation) Unter Motiven und Orientierungen lassen sich innerhalb der kognitiven Komponente der Einstellung zum Studium solche Merkmale fassen, welche die Gründe bzw. Ziele für Aufnahme und das Absolvieren eines Hochschulstudiums beschreiben. Dass die Beweggründe, aus denen heraus ein Studium begonnen und absolviert wird, einen weitreichenden Einfluss auf das Studierverhalten und damit auch auf den Umfang zeitlicher Investitionen in das Studium haben, scheint fast selbstverständlich und ist in der Alltagswahrnehmung allgegenwärtig: So kann man im Kreis der Kolleginnen und Kollegen bspw. häufiger Äußerungen hören, wie „Ihm (oder ihr) fehlt die nötige Motivation, um das Studium zu einem guten Ende zu bringen“; oder von Studierenden Sätze, wie „Das brauche ich nicht für meinen späteren Beruf, deshalb muss ich mich auch nicht damit beschäftigen“. In beiden Beispielen schimmert die Verbindung von individuellen Motiven der Studierenden zum studentischen Workload bereits durch, doch müssen wir für eine systematische Betrachtung der Einflüsse etwas weiter ausholen. In der einschlägigen deutschsprachigen Literatur werden die Motive und Orientierungen für Aufnahme und das Absolvieren eines Hochschulstudiums meist unter dem Begriff der Studienmotivation subsumiert, dem jedoch, wie eingangs bereits angemerkt, eine einheitliche und klare Konzeption fehlt und der oft auch nicht die Vielschichtigkeit studentischer Orientierungen aufzeigen kann. Beaty et al. (2005, S. 76 f.) haben im Rahmen eines Interviewprojektes vier Dimensionen herausgearbeitet, auf denen sich die Ziele Studierender (Orientations to Learning) bewegen, die sie mit dem Studium verfolgen: Die akademische Orientierung umfasst Interessen und Ziele, die sich auf den Charakter (bspw. Forschung oder Anwendung) und die fachlichen Inhalte des Studiums beziehen. Die berufliche Orientierung umfasst Zielvorstellungen, die das Studium mit der späteren Tätigkeit in einem konkreten Beruf oder Berufsfeld verknüpfen. Die persönliche Orientierung umfasst Vorstellungen der Studierenden davon, wie das Studium zur Entwicklung ihrer Persönlichkeit, Begabungen und Fähigkeiten beitragen soll und die soziale Orientierung schließlich, in welcher Form von sozialer Einbettung sie das Studium absolvieren möchten (gemeinsames Lernen, Kontakt zu KommilitonInnen etc.). Eine Größe, in der die vier Dimensionen studentischer Orientierungen zusammenkommen und die eine wesentlichen Einfluss auf den Umfang studentischer Workloads hat, ist das fachspezifische Studieninteresse. Es lässt sich umschreiben als spezifische, zeitlich relativ stabile Beziehung zwischen einer Person und dem von ihr präferierten Studienfach (Heise et al. 1997, S. 123). Das fach­ spezifische Studieninteresse wird insbesondere von den akademischen, beruflichen

Determinanten des studentischen Workloads …

53

und persönlichen Orientierungen des Studierenden bestimmt. Seine Relevanz als Determinante des studentischen Workloads leitet sich aus Befunden der Lernforschung ab. Lernende mit einem ausgeprägten fachspezifischen Interesse wenden demnach bestimmte Lernstrategien nicht nur vermehrt an (ebd). Vielmehr kann davon ausgegangen, dass mit steigendem Interesse an einer Sache auch die Dauer und Häufigkeit (Persistenz) zunimmt, in der sich die betreffende Person mit der Sache beschäftigt (dazu Prenzel 1988, 1992). Studierende mit einem ausgeprägten Interesse an ihrem Studienfach werden also sehr wahrscheinlich mehr Zeit in das Studium investieren, als solche mit einem nur geringem Fachinteresse. Dabei kommt einmal mehr die individuelle Studienzufriedenheit des Studierenden ins Spiel, denn ein höherer Workload in Folge eines gesteigerten Fachinteresses wird sich nur dann einstellen, wenn der betreffende Studierende in den formalen Inhalten und Anforderungen des gewählten Studiengangs seine akademischen, beruflichen und persönlichen Ziele bedient sieht (vgl. Heise et al. 1997, S. 126). Werte und Wertvorstellungen Der beschriebene Einfluss auf den studentischen Workload bzw. das Studierverhalten generell, muss für sämtliche individuellen Ziele und Präferenzen eines Studierenden angenommen werden, auch wenn diese weniger konkret oder nicht direkt auf das Studium ausgerichtet sind. Solche übergreifenden, zeitlich stabilen „Bindungen – ‚commitments‘ – an bestimmte Normen, Regeln, Standards und Typen des Handelns […]“ (Esser 2001, S. 54) lassen sich als Werte oder Wertvorstellungen einer Person bezeichnent. Sie sind als Resultat eines Sozialisationsprozesses zu betrachten. Das bedeutet zum einen, dass die Werte oder Wertvorstellungen einer Person zu großen Teilen tief verankert (internalisiert) und deshalb langfristig wirksam sind. Zum anderen bedeutet es, dass sie stark vom sozialen Umfeld der Person geprägt sind und dass das Lern- und Studierverhalten deshalb letztlich auch durch milieu- oder schichtspezifische Merkmale geprägt werden kann. Die Bandbreite von Werten und Wertvorstellungen reicht von solchen der eigenen Person (Haltungen, Lebensweisen) über die, gegenüber anderen Personen (Normen, Erwartungen), bis hin zu solchen gegenüber Politik und Gesellschaft (ausführlich dazu Krieger 1984). Da die Wertvorstellungen einer Person meist nur indirekt mit konkreten Situationen oder Anforderungen im Studium in Verbindung stehen, kann ihr Einfluss auf das Studierverhalten und damit auch auf Größen, wie den studentischen Workload, zunächst als gering angenommen werden. Sie werden deshalb hier auch nicht stärker in den Fokus der Betrachtung gerückt. Dennoch sollte die Bedeutung von allgemeinen Wertvorstellungen für das Studierverhalten nicht unterschätzt werden, denn bei bestimmten Themen und unter bestimmten

54

D. Großmann und C. Engel

Bedingungen kann für Studierende eine Diskrepanz zu ihren Wertvorstellungen so stark an Bedeutung gewinnen, dass ihre individuelle Studienzufriedenheit beeinträchtigt und dadurch auch ihre Performanzbereitschaft eingeschränkt wird. Solche wertinduzierten Effekte, die letztlich bis zum Umfang des studentischen Workloads durchschlagen können, sind bspw. durch autokratische Lehrstile oder einseitige Themensetzung im Lehrangebot erwartbar. Hinzu kommt, dass nicht alle Wertvorstellungen der Studierenden dauerhaft und stabil sind (dazu Waschulewski 2002, S. 120 ff.). Einige ändern sich im Studienverlauf, andere kommen durch das Studium erst hinzu und bekommen dadurch von den Studierenden eine entsprechend höhere Aufmerksamkeit.

6.2 Affektive Determinanten studentischen Workloads Die affektive Komponente der Einstellung zum Studium beinhaltet Emotionen und Gefühle gegenüber konkreten Gegenständen des Studiums. Solche Gefühle können für die betreffende Person explizit bewusst sein, müssen dies aber nicht (affektive Wahrnehmung). Die gefühlsmäßige Bewertung von Situationen bzw. Gegenständen des Studiums kann grundsätzlich positiv und negativ ausfallen – je nach dem mit welchen Gefühlen sie die betreffende Person verbindet. Beispiele für „Positiv-Gefühle“ sind Begeisterung, Neugier und Bewunderung, während Angst, Ärger und Aversion zum entgegengesetzten Pol gehören. Bei der affektiven Bewertung einer Sache kommt auch die Übereinstimmung bzw. Unvereinbarkeit mit kognitiven Merkmalen der betreffenden Person, bspw. deren Interessen, Motiven, Werten und Überzeugungen zum Tragen. Eine fehlende Übereinstimmung der Sache mit diesen Merkmalen wird von der Person als kognitive Dissonanz empfunden, verbunden mit dem Bestreben, diese aufzulösen (vgl. Festinger 1957, S. 3). Der Einfluss affektiver Faktoren auf den studentischen Workload bestimmt sich grundsätzlich aus dem gefühlsbedingten Maß an Bereitschaft, sich mit Inhalten und Anforderungen des Studiums zu beschäftigen und auseinanderzusetzen: Wie viel Zeit Studierende in konkrete Lern- und Studiertätigkeiten, wie den Besuch von Lehrveranstaltungen, Vor- und Nachbereitungen, Lernen für Prüfungen, Anfertigen von Projekt-/Hausarbeiten etc. investieren, hängt maßgeblich davon ab, welche emotional positiven oder negativen Empfindungen sie mit diesen Dingen verbinden. Im Gegensatz zu den in Teilen der Literatur sowie im Studienund Lehralltag verbreiteten Annahmen, scheint es jedoch keineswegs so, dass der Umfang studentischer Workloads linear zur positiven Empfindung des betreffenden Gegenstandes bzw. Themas zunimmt sowie im umgekehrten Falle

Determinanten des studentischen Workloads …

55

einer negativen Empfindung abnimmt. Erkenntnisse der Lern- und Motivationsforschung zeigen vielmehr auf, dass sich die tatsächliche Zu- bzw. Abnahme des Workload-Umfangs wesentlich komplexer gestaltet und vom Zusammenspiel mit Faktoren insbesondere der kognitiven Einstellungskomponente abhängt (bspw. Beery 1975; Covington und Beery 1976; Covington 2007). Wegen der gebotenen Kürze, kann hier allerdings nur punktuell darauf eingegangen werden. Zur Verdeutlichung soll ebenfalls Covingtons Modell zum Leistungsverhalten im Studium dienen (Covington 2007), wenngleich dies auch auf Grundlage anderer Leistungsmotivationskonzepte möglich wäre, die ebenfalls die Wirkung affektiver und kognitiver Faktoren verbinden (bspw. Heckhausen 1965; davon abgeleitet: Wilcke 1976; Apenburg 1980). Wie oben bereits eingeführt, geht Covington (2007, S. 681, Abb. 3) für sein „Interactive model of achievement dynamics“ u. a. von der Grundannahme aus, dass für Schüler und Studierende höchste Priorität die (Selbst-)Bestätigung der eigenen Leistungsfähigkeit hat (ebd. S. 670). Vor allem Erfolge im Studium bestätigen die eigenen Fähigkeiten, während Misserfolge sie in Frage stellen. Die Angst vor Versagen (fear of failure), bildet deshalb in Covingtons Modell die zentrale affektive Größe für das Verhalten im Studium (ebd., S. 664). Ähnlich wie in Heckhausens (1965) Leistungsmotivationskonzept unterscheidet auch Covington Studierende, die sich vordergründig an Erfolgen orientieren und solchen, die Misserfolg zum Maßstab nehmen. Dies führt jeweils zu einem vorwiegend emotional positiven oder negativen Erleben des Studiums und je nach Ausprägung von bestimmten kognitiven und konativen Einstellungsmerkmalen zu umfangreichen oder geringen zeitlichen Investitionen in das Studium. Erfolgsorientierte Studierende erleben Leistungssituationen demnach emotional positiv: Sie sind von vornherein überzeugt, die Anforderungen erfüllen zu können, verlassen sich auf ihre Fähigkeiten (kognitive Dimension) und frühere Erfolge (konative Dimension). Sollten sie doch mal bei einer Prüfung oder Projektarbeit scheitern, sehen sie sich nicht als Person bzw. ihre Fähigkeiten infrage gestellt. Durch das weitgehend positive Erleben von Leistungssituationen ist ihre Bereitschaft hoch, Zeit ins Studium zu investieren, vor allem wenn dies mit einem ausgeprägten Fachinteresse einhergeht. Misserfolgsorientierte Studierende erleben Leistungssituationen demnach dagegen oft emotional negativ, in Form von Ängsten: Es ist für sie nicht von vornherein klar, ob und wie sie die gestellten Anforderungen erfüllen können. Durch Scheitern sehen sie vor allem ihre Person und Fähigkeiten in Frage gestellt. Früheres Scheitern verstärkt diese Wahrnehmung, während frühere Erfolge sie nicht in gleichem Maße verringern oder aufheben können. Aus ihrem emotional negativen Erleben von Situationen mit Leistungsbezug folgt jedoch

56

D. Großmann und C. Engel

nicht zwangsläufig, dass misserfolgsorientierte Studierende weniger Zeit in das Studium investieren. Der Umfang ihres Workload ist vielmehr davon abhängig, wie sie ihre Ängste durch kognitive Merkmale kompensieren. Basierend auf Analysen von Längsschnittdaten identifiziert Covington drei Kompensationstypen (vgl. Covington 2007, S. 682). Als overstriving students (getriebene Studierende, ebd., S. 684) bezeichnet Covington Studierende, die ausgeprägte Versagensängste und Zweifel an ihrem Erfolg haben, dies jedoch durch ihre kognitiven Fähigkeiten und Selbstvertrauen kompensieren (können). Ihr Anspruch ist nicht nur das Bestehen einer Studienleistung, sondern die beste Leistung von allen abzuliefern. Sie investieren deshalb enorme Zeitbudgets in das Studium11. Failure-avoiding students (versagensvermeidende Studierende, ebd., S. 682) haben ebenfalls große Versagensängste, können sie jedoch nur zum Teil durch ihre Fähigkeiten kompensieren, insbesondere weil ihnen das Selbstvertrauen fehlt. Sie investieren zunächst ebenfalls viel Zeit in das Studium, sind jedoch beim Lernen weniger effizient. Ihre Selbstzweifel führen insbesondere in Phasen der Prüfungsvorbereitung immer wieder zu Lern- und Arbeitsstörungen, können dadurch in eine Spirale aus Misserfolg und zu Prokrastination und damit zu sinkenden zeitlichen Investitionen in das Studium führen. Failureaccepting students (versagensakzeptierende Studierende, ebd., S. 684) schließlich haben aufgegeben, die Bestätigung ihrer Person über Leistungen Studium definieren zu wollen. Ihre zeitlichen Investitionen in das Studium tendieren gegen Null. Es kann damit exemplarisch und recht deutlich gezeigt werden, dass affektive Merkmale der Einstellung zum Studium einen erheblichen Einfluss auf den Umfang des studentischen Workloads haben können. In welcher Intensität und in welche Richtung dieser Einfluss besteht, lässt sich jedoch nur unter Hinzunahme kognitiver und konativer Merkmale der betreffenden Person abschätzen.

6.3 Konative Determinanten studentischen Workloads Die konative Komponente der Einstellung zum Studium bezieht sich auf das Verhalten Studierender im Kontext des Studiums. Sie umfasst sowohl Verhaltensweisen die früher ausgeführt wurden als auch solche, die zukünftig ausgeführt werden können (Verhaltensintention).

11Sogar

deutlich mehr als erfolgsorientierte Studierende (success-oriented students), die kaum Versagensängste haben (vgl. Covington 2007, S. 684 ff.).

Determinanten des studentischen Workloads …

57

In den neueren Auslegungen des Einstellungsmodells wird die konative Komponente meist nicht mehr als integraler Bestandteil der Einstellung betrachtet. Verhalten bzw. die Bereitschaft zu einem bestimmten Verhalten wird vielmehr lediglich als abhängige Variable gesehen, die aus den kognitiven und affektiven Bewertung des betreffenden Gegenstandes bzw. der Situation resultiert (vgl. Kessler und Fritsche 2018, S. 54). Zeitliche Investitionen in das Studium, in Form bspw. von Lernen für Prüfungen oder die Präsenz in Lehrveranstaltungen sowie deren Vor- und Nachbereitungen, ist demnach als Studierverhalten zu betrachten, dessen Dauer und Intensität durch die Bewertung über kognitive und affektive Merkmale der betreffenden Person bestimmt wird. Diese Sichtweise scheint plausibel, vernachlässigt jedoch möglicherweise die Bedeutung früherer Verhaltensweisen für das zukünftige Verhalten. Frühere Verhaltensweisen können einer Person nicht nur als Orientierungsersatz dienen, wenn ihr in einer bestimmten Situation kognitive oder affektive Bewertungsrundlagen fehlen (vgl. Jonas u. a. 2014, S. 230), sie können auch in Kombination mit diesen die Entscheidung für zukünftiges Verhalten bestimmen. So kann davon ausgegangen werden, dass Studierende bei der Entscheidung für die Art und den Umfang ihrer Lern- und Studieraktivitäten auch auf solche Erfahrungen zurückgreifen, die sie aus entsprechendem Verhalten in der Vergangenheit besitzen – auch wenn diese Erfahrungen dabei ebenfalls kognitiv und affektiv bewertet werden.

7 Resümee Mit diesem Beitrag wurde der Versuch unternommen, ein systematisches Modell zu entwerfen, das einen Überblick zu den wesentlichen Determinanten des studentischen Workloads und deren Zusammenspiel gibt. Anlass hierzu gibt die oft noch unterkomplexe und stark formalisierte Sichtweise auf den ­Workload-Begriff in der Lehr- und Studienplanung an deutschen Hochschulen ebenso, wie bestehende Erkenntnislücken und die fehlende Theoriebasierung in der einschlägigen Lern- und Studierendenforschung. Illustriert anhand bestehender Befunde und Erkenntnisse haben wir in diesem Beitrag gezeigt, dass der Umfang des studentischen Workloads im Kern als Resultat von drei bestimmenden Komponenten betrachtet werden kann: Die erste Komponente umfasst formale Vorgaben und Anforderungen des Curriculums und der Lehrenden, die Studierende für einen Abschluss in ihrem Studienprogramm erfüllen müssen und die sowohl die Anlässe, als auch den zeitlichen Mindest- bzw. Standardrahmen für alle Lern- und Studieraktivitäten setzen. Die

58

D. Großmann und C. Engel

zweite Komponente umfasst sozialstrukturelle Faktoren, bspw. unzureichende finanzielle Absicherung des Studiums oder das Studieren mit eigenen Kindern, die für die Studierenden je nach Umfang in Folge notwendiger Erwerbs-, Betreuungs- und/oder Erziehungsarbeit erhebliche Restriktionen bei der für das Studium verfügbaren Zeit bedeuten. Die dritte Komponente umfasst schließlich individuelle Merkmale der Studierenden, wie deren kognitive Fähigkeiten, auf das Studium bezogene Ziele, Interessen und Motive sowie Gefühle (Begeisterung, Ängste etc.), die wesentlich die Art und den zeitlichen Umfang der Lern- und Studieraktivitäten bestimmen, mit denen die formalen Anforderungen des Curriculums und der Lehrenden erfüllt werden. Das skizzierte Modell soll verdeutlichen, dass jede der drei Komponenten zahlreiche Einzelfaktoren umfasst, die Einfluss auf den Umfang des studentischen Workloads nehmen. Darüber hinaus soll es auch zeigen, dass diese Faktoren nicht einfach additiv zu einem hohen oder geringen Workload führen, sondern dahinter ein komplexes Zusammenspiel zwischen ihnen steht, zu dem bisher in Teilen eher Vermutungen als Erkenntnisse bestehen. Das skizzierte Modell kann noch lange kein vollständiges Bild für das Zustandekommen des studentischen Workloads zeigen. So haben wir in unsere Betrachtungen bspw. den Einfluss netzwerk- bzw. peerbedingter Determinanten auf den studentischen Workload nicht näher einbezogen und haben migrationsbedingte Faktoren als einen weiteren wichtigen Aspekt der sozialen Herkunft weitgehend außer Acht gelassen. Auch kann der Beitrag für die Lern- und Studierendenforschung sowie die Workload-Forschung im engeren Sinne zunächst nur wenige konkrete und neue Erkenntnisse liefern. Dennoch kann er dabei helfen, das Lernen und sonstige Aktivitäten von Studierenden im Studium in einem größeren Zusammenhang und systematisch zu betrachten und dadurch bessere und theoretisch fundierte Zugänge zu entsprechenden Fragestellungen zu finden. Für die praktische Lehr- und Studienplanung an den Hochschulen lassen sich aus dem skizzierten Workload-Modell einige Erkenntnisse ableiten. Dort dominiert derzeit noch eine sehr formale Sichtweise auf den Workload der Studierenden, die in ihm vor allem eine Größe zur standardisierten Betrachtung des Aufwands zum Erfüllen der Vorgaben des Curriculums sieht und als Basis für die Vergabe von ECTS-Punkten dient. Empirische Workload-Erhebungen finden oft gar nicht und wenn doch, mit recht dürftigen Instrumenten sowie lediglich auf Programmebene statt und dienen ggf. vordergründig der Einhaltung zeitlicher Belastungsgrenzen. Diese Schwerpunksetzung fokussiert die Workload-Betrachtung in der Lehr- und Studienplanung auf die formalen Vorgaben und Anforderungen des Curriculums während nahezu alle anderen hier aufgezeigten, im studentischen Workload überhaupt erst Varianzen erzeugende Faktoren, weitgehend unberücksichtigt bleiben.

Determinanten des studentischen Workloads …

59

Ein Großteil des Potenzials des Workload-Konzeptes bleibt dadurch ungenutzt. In einer differenzierten Betrachtungsweise sollte studentischer Workload jedoch grundsätzlich als eine durch Heterogenität individueller Merkmale geprägte und deshalb variierende und nur in Grenzen standardisier- und vorhersagbare Größe betrachtet werden (vgl. Großmann 2012, S. 456). In einem nachhaltigen Curricular-Management sowie einer entsprechenden Lehr- und Studienplanung sollten daher regelmäßige ­ Workload-Erhebungen sowohl auf Programmebene, als auch anlassbezogen auf Ebene einzelner Lehr-/Lerneinheiten (bspw. Module) stattfinden. Die Erhebungen sollten zudem nicht einfach einen Soll-/Ist-Abgleich des Workloadumfangs vornehmen, sondern Varianzen und deren Ursachen in die Betrachtung einbeziehen und diese Erkenntnisse in die Gestaltung der Lehr- und Studienplanung eingehen. Hierzu bedarf es einer hinreichenden Differenzierung und theoretischen Fundierung der Instrumente, die für Workload-Erhebungen eingesetzt werden.

Literatur Ajzen, I., und M. Fishbein. 1973. Attitudinal and normative variables as predictors of specific behavior. Journal of personality and Social Psychology 27: 41–57. Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union. 2015. ECTS Leitfaden. https:// ec.europa.eu/education/ects/users-guide/docs/ects-users-guide_de.pdf. Zugegriffen: 5. November 2019. Apenburg, E. 1980. Untersuchungen zur Studienzufriedenheit in der heutigen Massenuniversität, Frankfurt a. M.: Peter Lang. Asmussen, J. 2006. Leistungsmotivation, intrinsische Studienmotivation und Berufsorientierung als Determinanten der Studienfachwahl, In Übergänge im Bildungssystem, Hrsg. Uwe Schmidt, 93–155. Wiesbaden: VS Verlag. Beaty, L., G. Gibbs, und A. Morgan. 2005. Learning orientations and study contracts. In The Experience of Learning: Implications for teaching and studying in higher education, Hrsg. F. Marton, D. Hounsel, und N. Entwistle, 72–86. Edinburgh: University of Edinburgh, Centre for Teaching, Learning and Assessment. https://www. ed.ac.uk/institute-academic-development/learning-teaching/research/experience-oflearning. Zugegriffen: 5. November 2019. Becker, W. und J. Powers. 2001. Student performance, attrition, and class size given missing student data. Economics of Education Review 20, 377–388. Beery, R. G. 1975. Special feature: Fear of failure in the student experience. The Personnel and Guidance Journal 54, 191–203. Berger, R., und B. Baumeister. 2016. Messung von studentischem Workload. In Evaluation von Studium und Lehre, Hrsg. D. Großmann und T. Wolbring, 185–223. Wiesbaden: Springer VS.

60

D. Großmann und C. Engel

Berger, U., und C. Schleußner. 2003. Hängen Ergebnisse einer ­ LehrveranstaltungsEvaluation von der Häufigkeit des Vorlesungsbesuches ab? Zeitschrift für Pädagogische Psychologie 17, 125–131. Blüthmann, I., M. Ficzko und F. Thiel. 2006. Fragebogeninventar zur Erfassung der studienbezogenen Lernzeit (FELZ) in den Bachelorstudiengängen. evaNet-Positionen, 01/2006. http://www.fub.studierbarkeit.de/fileadmin/fub-studierbarkeit/pdf/evp3www_ freie-uni-berlin-2.pdf. Zugegriffen: 5. November 2019. Bong, M. und E. Skaalvik. 2003: Academic self-concept and self-efficacy: How different are they really? Educational Psychology Review 15, 1–40. Covington, M. V. 1998. The will to learn: A guide for motivating young people. Cambridge: Cambridge University Press. Covington, M. V. 2007. A Motivational Analysis of Academic Life in College. In The Scholarship of Teaching and Learning in Higher Education: An Evidence-Based Perspective, Hrsg. R. P. Perry, und J. C. Smart, 661–729. Dordrecht: Springer Netherlands. Covington, M. V., und R. G. Beery. 1976. Self-worth and school learning, New York: Holt, Rinehart and Winston. Eagly, A., R. Ashmore, M. Makhijani, und L. Longo. 1991. What is beautiful is good, but…: A meta-analytic review of research on the physical attractiveness stereotype. Psychological Bulletin 110, 109–128. Esser, H. 2001. Soziologie. Spezielle Grundlagen. Band 6: Sinn und Kultur, Frankfurt a.M.: Campus. Festinger, L. 1957. A theory of cognitive dissonance. Stanford, CA: Stanford University Press. Fishbein, M., und I. Ajzen. 1975. Belief, attitude, intention and behavior: An introduction to theory and research. Reading, Mass.: Addison-Wesley. Greimel-Fuhrmann, B. und A. Geyer. 2003. Students‘ evaluation of teachers and instructional quality–Analysis of relevant factors based on empirical evaluation research. Assessment & Evaluation in Higher Education 28, 229–238. Groß, L. 2011. Themenwechsel und Zeitlücken im Studienalltag. In Die Workload im Bachelor: Zeitbudget und Studierverhalten. Eine empirische Studie, Hrsg. R. Schulmeister und C. Metzger, 129–149, Münster: Waxmann. Großmann, D. 2012. Studienmotivationen und ihr Einfluss auf Evaluationsergebnisse. Soziologie 48(4): 443–457. Großmann, D. 2016. Studienmotivation und Evaluation. Der Einfluss motivationaler Faktoren auf die befragungsbasierte Evaluation von Studium und Lehre. In Evaluation von Studium und Lehre: Grundlagen, methodische Herausforderungen und Lösungsan­ sätze, Hrsg. D. Großmann und T. Wolbring, 123–184. Wiesbaden: Springer VS. Großmann, D., und T. Wolbring. 2016. Stand und Herausforderungen der Evaluation an deutschen Hochschulen. In Evaluation von Studium und Lehre: Grundlagen, methodische Herausforderungen und Lösungsansätze, Hrsg. D. Großmann und T. Wolbring, 3–25. Wiesbaden: Springer VS. Heckhausen, H. 1965. Leistungsmotivation, In Handbuch der Psychologie. 602–702. Göttingen: Hogrefe. Heise, E., R. Westermann, K. Spies und A. Schiffler 1997. Studieninteresse und berufliche Orientierungen als Determinanten der Studienzufriedenheit. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie 11(2), 123–132.

Determinanten des studentischen Workloads …

61

Hillmann, K.-H. 1994. Wörterbuch der Soziologie, 4. Aufl. Stuttgart: Kröner. HRK – Hochschulrektorenkonferenz. 2004. Bologna-Reader. Texte und Hilfestellungen zur Umsetzung der Ziele des Bologna-Prozesses an deutschen Hochschule. Bonn: HRK. Jonas, K., W. Stroebe und M. Hewstone. 2014. Sozialpsychologie. Springer Heidelberg. Kessler, T. und I. Fritsche. 2018. Sozialpsychologie. Wiesbaden: Springer. Kleß, E. 2017. Einstellung von Lehrenden zum Selbststudium. Die Hochschullehre 3/2017, 1–14. Krieger, R. 1984. Wertekonzepte in Psychologischen Disziplinen. In Jugend und Werte: Aspekte einer politischen Psychologie des Jugendalters (Fortschritte der politischen Psychologie), Hrsg. A. Stiksrud, 45–57. Weinheim und Basel: Beltz. Krücken, G. A. Blümel, Albrecht, O. Hüther und I. Steinhardt. 2015. Call for papers. 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Hochschulfroschung: Theoriebildung und Methodenentwicklung in der Hochschulforschung https://www.gfhf.net/assets/2014/12/GfHF_ Jahrestagung_2015_CfP.pdf. Zugegriffen: 16. März 2019. Landwehr, N. und E. Müller. 2008. Begleitetes Selbststudium: didaktische Grundlagen und Umsetzungshilfen, 2. Aufl. Bern: HEP Bildungsverlag. Lüders, M. und S. Eisenacher. 2007. Zeitlicher Studieraufwand im Urteil von Studierenden. In Forschung zur Lehrerbildung. Kompetenzentwicklung und Programmevaluation, Hrsg. M. Lüders und J. Wissinger, 133–150 Münster u. a.: Waxmann. Metzger, C. 2011. Studentisches Selbststudium. In Die Workload im Bachelor: Zeitbudget und Studierverhalten. Eine empirische Studie, Hrsg. R. Schulmeister und C. Metzger, 237–276. Münster: Waxmann. Middendorf, E., B. Apolinarski, K. Becker, P. Bornkessel, T. Brandt, S. Heißenberg und J. Poskowsky. 2017. Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutsch­ land 2012. 20. Sozialerhebungdes Deutschen Studentenwerks. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung. Middendorf, E., B. Apolinarski, M. Kandulla, N. Netz und J. Poskowsky. 2013. Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012. 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung. Pasternack, P., S. Schneider, P. Trautwein, und S. Zierold. 2017. Ausleuchtung einer Blackbox: Die organisatorischen Kontexte der Lehrqualität an Hochschulen. ­HoF-Arbeitsbericht 103. https://www.hof.uni-halle.de/web/dateien/pdf/ab_103.pdf. Zugegriffen: 5. November 2019. Prenzel, M. 1988. Die Wirkungsweise von Interesse: Ein pädagogisch-psychologisches Erklärungsmodell. Opladen: Westdeutscher Verlag. Prenzel, M. 1992. The selective persistence of interest. In The role of interest in learning and development, Hrsg. A. Renninger, S. Hidi, und A. Krapp, 71–98. Hilsdale, N.J.: Lawrence Erlbaum Associates. Rindermann, H. 2007. Intelligenz, kognitive Fähigkeiten, Humankapital und Rationalität auf verschiedene Ebenen. Psychologische Rundschau 58, 137–145. Rosenberg, M. J., und Carl I. Hovland. 1960. Cognitive, Affective and Behavioral Components of Attitudes. In Attitude Organization and Change, Hrsg. M. Rosenberg, C. Hovland, W. McGuire, R. Abelson, und J. Brehm, 1–14. New Haven: Yale University Press.

62

D. Großmann und C. Engel

Schulmeister, R., und C. Metzger. 2011. Die Workload im Bachelor: Ein empirisches Forschungsprojekt. In Die Workload im Bachelor: Zeitbudget und Studierverhalten. Eine empirische Studie, Hrsg. R. Schulmeister und C. Metzger, 13–128. Münster: Waxmann. Schulmeister, R., und C. Metzger. 2018. Das Studierverhalten im Bachelor. http://rolf. schulmeister.com/pdfs/Workload%20und%20Studierverhalten.pdf. Zugegriffen: 5. November 2019. Trapmann, S. 2008. Mehrdimensionale Studienerfolgsprognose: Die Bedeutung kognitiver, temperamentsbedingter und motivationaler Prädiktoren für verschiedene Kriterien des Studienerfolgs. Berlin: Logos. Trautwein, U., O. Lüdtke, H.W. Marsh und G. Nagy. 2009. Within-school social comparison: How students perceive the standing of their class predicts academic ­self-concept. Journal of Educational Psychology: 101, 853–866. Waschulewski, U. 2002. Die Wertpsychologie Eduard Sprangers: eine Untersuchung zur Aktualität der „Lebensformen“. Münster: Waxmann. Wilcke, B.-A. 1976. Studienmotivation und Studienverhalten. Göttingen: Hogrefe. Winther, M. und R. Krempkow. 2013. Kartierung der Hochschulforschung in Deutschland 2013. Bestandsaufnahme der hochschulforschenden Einrichtungen. https://www.gfhf. net/assets/2014/09/Bericht-Kartierung-der-Hofo-2013.pdf. Zugegriffen: 16. März 2019. Wolbring, T. 2012. Class attendance and students‘ evaluations of teaching: Do no-shows bias course ratings and rankings? Evaluation Review 36: 72–96. Wolbring, T. 2013. Fallstricke der Lehrevaluation: Möglichkeiten und Grenzen der Mess­ barkeit von Lehrqualität. Frankfurt: Campus. Daniel Großmann, Mag. Art.,  Jahrgang 1974. Medizinische Berufsausbildung, Fachoberschule mit psychologisch-pädagogischem Schwerpunkt, Studium in Soziologie und Politikwissenschaft (Magister Artium). Wiss. Referent des Prorektors für Lehre und Studium der Universität Leipzig 2007 bis 2010. Seit 2010 wiss. Mitarbeiter für Evaluation an der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie der Universität Leipzig und Lehrbeauftragter am Institut für Soziologie. Mitglied des Zentrums für Quantitative Empirische Sozialforschung (QUANTEL) an der Universität Leipzig. Forschungs- und Interessengebiete sind Methoden der empirischen Sozialforschung mit Fokus auf Evaluationsmethoden und Paneldesigns sowie Lern- und Bildungsforschung. Christin Engel, M.A., Jahrgang 1984. Berufsausbildung als Bürokauffrau. Studium der Soziologie an der Universität Leipzig und Borlänge (Schweden). Seit 2015 wiss. Mitarbeiterin im Bereich Studiengangs- und Lehrevaluation an der Universität Leipzig und Lehrbeauftragte am Institut für Soziologie. Mitglied im Zentrum für Quantitative Empirische Sozialforschung (QUANTEL) der Universität Leipzig. Forschungs- und Interessengebiete sind Methoden der Empirischen Sozialforschung, Evaluation, Evaluationsmethodenforschung sowie Umwelt- und Bildungssoziologie.

Teil II Individuelle Determinanten studentischen Workloads

Der Einfluss von ökonomischen und ideellen Motiven auf den studentischen Workload Justus Junkermann und Ludwig Goldhahn

Zusammenfassung

Der Beitrag untersucht anhand einer Sekundäranalyse mit Primärdaten mit n = 111 Fällen die Einflüsse von ideellen und ökonomischen Motiven auf den studentischen Workload. Es werden drei Arten der Motivation theoretisch hergeleitet und operationalisiert: Ökonomische Motivation, intrinsische ideelle Motivation und extrinsische ideelle Motivation. Der Einfluss dieser auf den studentischen Workload wurde mit mehreren OLS Modellen geprüft. Den eindeutig stärksten positiven Effekt haben hohe ökonomische berufliche Präferenzen auf den studentischen Workload. Dies ist jedoch ebenso von der Operationalisierung abhängig. Erfolgt die Operationalisierung in einem klar ökonomischen Kontext – wie der beruflichen Präferenzen – kann diese ökonomische Motive besser erfassen. Unsere Annahme, dass intrinsische ideelle Motivation einen stärkeren Effekt hat, als extrinsische ideelle Motivation bestätigte sich nicht. Überraschend zeigte sich, dass die individuelle Motiva­ tion im Vergleich zu sozioökonomischen Determinanten des studentischen Workloads deutlich stärkere Effekte aufweist.

J. Junkermann (*)  Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Mainz, Deutschland E-Mail: [email protected] L. Goldhahn  Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Großmann et al. (Hrsg.), Studentischer Workload, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28931-7_3

65

66

J. Junkermann und L. Goldhahn

1 Einleitung In dieser Arbeit soll der Einfluss verschiedener Ausprägungen der Studienmotivation auf den studentischen Workload untersucht werden. Dabei soll gezeigt werden, dass die individuellen Motive ein Studium zu beginnen einen erheblichen Einfluss auf den Umfang an Arbeitszeit haben, die Studierende in das Studium investieren. Dies ist insbesondere von Interesse, da mit der Umstellung von Magister- und Diplomstudiengängen auf Bachelor- und Masterstudiengänge im Zuge der Bologna-Reform konkrete Zielvorgaben für den Workload von Studierenden entstanden sind. Zur Festlegung des Workloads wurde das European Credit Transfer and Accumulation System (ECTS) eingeführt. Je nach Berechnungsweise empfiehlt die Kultusministerkonferenz 35 bis 37 h pro Woche (Kultusministerkonferenz 2010). Dies entspricht ca. 5400 h Lern- und Studierarbeit für den Erwerb eines Bachelor-, beziehungsweise 3600 h für einen Master-Abschluss (vgl. Metzger und Schulmeister 2011, S. 13 f.). Ein Ziel der Workload-Vorgaben ist, die Studiengänge international vergleichbarer zu machen. Aus Gründen der Fairness und der Qualität der Abschlüsse soll der Arbeitsaufwand für einen gesamten Studiengang oder einzelne Lehr-/Lerneinheiten (bspw. Module) möglichst gleich sein. Ob dieser Workload tatsächlich erreicht wird, lässt sich schwer überprüfen, da die Vorgaben nicht nur die Präsenzzeit in Vorlesungen und Seminaren umfassen, sondern auch die Zeit für das Selbststudium. Diese ist nur mit aufwendigen Erhebungsmethoden wie Zeitbudgetstudien möglich. Dies geschieht zudem keineswegs flächendeckend, sondern wird nur stichprobenartig an einigen Universitäten und in einigen Fächern erhoben. Einige Beispiele hierfür sind Erhebungen an den Universitäten Mainz, Hildesheim, Hamburg, Paderborn und Ilmenau (Metzger und Schulmeister 2011). Die Studienmotivation – also die Bewegründe, Interessen und Ziele für die Aufnahme eines Studiums – kann zwischen den Studierenden sehr unterschiedlich sein. Während einige sich von einem Studium für später vor allem ein hohes Gehalt und gute Karrierechancen versprechen, sehen andere im Studium in ers­ter Linie eine Möglichkeit, Wissen zu erwerben und sich persönlich zu bilden und entwickeln. Wieder andere schätzen an einem Studium vor allem das Studentenleben oder haben einfach zu studieren begonnen, weil ihre Eltern das auch schon taten. Es ist davon auszugehen, dass diese verschiedenen Typen der Studienmotivation einen deutlichen Einfluss auf den Workload der Studierenden haben. Diese kann vor allem fachspezifisch variieren. Die Motivation der Studierenden ist daher für die Planung von verschiedenen Studiengängen und Modulen von

Der Einfluss von ökonomischen und ideellen Motiven …

67

zentraler Bedeutung. Ist das Ziel, einen bestimmten Workload der Studierenden für einen Studiengang oder ein Modul zu erreichen, sollte die Studienmotivation der Studierenden unbedingt beachtet werden. Bislang gibt es zu dieser Thematik jedoch nur wenige Forschungsarbeiten (Kyndt et al. 2011). In diesem Beitrag soll deshalb der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich die Art und Ausprägung der Studienmotivation auf den von den Studierenden investierten zeitlichen Aufwand für das Studium auswirkt. Ausgehend von der Rational Choice Theorie werden dazu verschiedene Motivationstypen gebildet. Diese werden in ideelle und ökonomische Motive und extrinsische und intrinsische Studienmotive unterschieden. Diese theoretischen Konstrukte werden anhand der zur Verfügung stehenden Variablen operationalisiert. Die dadurch entwickelten Hypothesen werden mit robust geschätzten OLS-Regressionen überprüft.

2 Theoretische Grundlagen Die Erklärung des Workloads aus verschiedenen Ausprägungen der Studienmotivation lässt sich mit Anleihen bei Elementen der Rational-Choice-Theorie (RCT) modellieren. Die RCT ist eine Handlungstheorie, die auf dem methodo­ logischen Individualismus basiert (Wiesenthal 1987, S. 435). Das heißt, sie geht allgemein davon aus, dass Sachverhalte auf der gesellschaftlichen Makroebene die einzelnen Personen auf der Mikroebene in ihrem Handeln beeinflussen. Die Handlungen dieser vielen einzelnen Personen akkumulieren sich dann wieder und schaffen auf der Makroebene wiederum einen neuen gesellschaftlichen Sachverhalt. Die RCT versucht die Handlungen der einzelnen Personen auf der Mikroebene möglichst genau vorherzusagen. Die grundlegende Annahme dabei ist, dass die einzelnen Personen ihr Handeln an einem individuellen Nutzen ausrichten. Die Individuen treffen bei ihren Handlungsentscheidungen eine rationale Wahl (Rational Choice) in dem Sinne, dass sie die Kosten und Nutzen einzelner Handlungen berücksichtigen. Die RCT geht davon aus, dass Individuen die Kosten und den Nutzen jeder Handlung intern kalkulieren, gleichwohl dieser Prozess nicht zwingend bewusst ablaufen muss (Bamberg et al. 2008). Es gibt verschiedene Ansätze in den Rational-Choice-Theorien. Sie lassen sich grob in eine harte und eine weiche Variante einteilen (Opp 1999), die sich vor allem in ihren Grundannahmen unterscheiden. Vertreter der harten RCT argu­ mentieren, dass nur durch die Erhebung der Kosten epistemologisch korrekte Aussagen getroffen werden können. Dies hat zum einen den Grund, dass die Erhebung des Nutzens und der Kosten sich in einer einfachen Einheit – Geld – messen lässt.

68

J. Junkermann und L. Goldhahn

Der Nutzen ist abhängig von den Präferenzen des Individuums. Die harte RCT geht davon aus, dass die Akteure (zeitlich) stabile Präferenzen besitzen. Je nach Vertreter sind ökonomischer Gewinn und sozialer Status (Weiss und Fershtman 1998) Präferenzen, die als gegeben angenommen werden können. Der Akteur ist demnach in erster Linie ein homo oeconomicus. Diese recht eingeschränkten Präferenz-Annahmen werden darin begründet, dass man durch die Annahme von weiteren oder variablen Präferenzen tautologische Erklärungen für fast jeden sozialen Sachverhalt geben kann. Die Vertreter der weichen RCT gehen dagegen von variablen und verschiedenen Präferenzen der Akteure aus. Diese dürfen jedoch nicht von den Forschenden lediglich angenommen werden, sondern müssen ebenfalls nachgewiesen werden. Dadurch werden die Aussagen widerlegbar. Der Vorteil der weichen RCT besteht vor allem darin, dass sich durch die Annahme instabiler und unterschiedlicher Präferenzen deutlich mehr erklären lässt. Hinzu kommt, dass Nutzen sich erst aus Präferenzen ableiten lässt. Wenn eine Person nicht bestimmte Dinge präferieren würde, hätte sie keinen Grund Handlungen auszuführen, aus denen sie einen Nutzen haben könnte. Eine Präferenz ist also unbedingt notwendig für den Akteur, um aus einer Handlung Nutzen zu generieren. In dieser Arbeit wird sowohl auf Elemente der harten, als auch der weichen Variante der RCT zurückgegriffen, um die verschiedenen Präferenzen der Studie­ r­enden (Studienmotivation) zu operationalisieren und die Varianz im Workload der Studierenden zu erklären. Als Studienmotivation bezeichnen wir im Folgenden die Gesamtheit von Bewegründen, Interessen und Zielen, die eine Person zur Aufnahme eines Studiums gebracht haben. Sie bildet gemeinsam mit den Studierfähigkeiten die kognitive Komponente der Einstellung zum Studium (ausführlich dazu Groß­mann und Engel in diesem Band). Je nach Art und Ausprägung der Studienmotivation erwarten Studierende also auf verschiedene Weise Nutzen aus ihrem Studium ziehen. Etwas zugespitzt kann dies an zwei Beispielen verdeutlicht werden. Person A studiert, um später ein hohes Gehalt zu haben und sich bestmögliche Karrierechancen zu erarbeiten. Dafür braucht sie sehr gute Noten und einen sehr guten Abschluss. Deshalb investiert sie viel Zeit und Arbeit in ihr Studium. Person B hingegen studiert vor allem deshalb, weil sie das Studentenleben mag. In diesem Fall sind gute Noten nicht unbedingt notwendig, es reicht zu bestehen. Die Zeit und der Aufwand für das Studium halten sich deshalb in Grenzen. Aus diesen zugegebenermaßen zwei extremen Fällen ist ersichtlich, dass unterschiedliche Ausprägungen der Studienmotivation einen starken Einfluss darauf haben können, wie viel Zeit und Aufwand in das Studium investiert werden.

Der Einfluss von ökonomischen und ideellen Motiven …

69

Eine weitere wichtige Annahme zur Erklärung des Workloads ist die Grenznutzentheorie. Sie besagt, dass der Nutzen eines Gutes oder einer Handlung mit jeder konsumierten Einheit abnimmt. Isst man beispielsweise ein Eis, würde man vielleicht noch ein zweites Eis essen. Spätestens nach dem fünften Eis dürfte ein weiteres jedoch keine Freude mehr bereiten. Bei Lern- und Studierarbeit handelt es sich meist jedoch um Kosten und nicht um Handlungen, die Freude (Nutzen) erzeugen. Das Lernen und Schreiben von Hausarbeiten ist Mittel zum Zweck. Dieser kann der Erwerb von Wissen oder gute Noten sein. Die Menge des Workloads verhält sich jedoch analog zur Grenznutzentheorie (Hardes und Uhly 2007, S. 134). Will man zum Beispiel in einer Klausur mindestens die Note Zwei erreichen, muss man mindestens 20 h arbeiten. Um die Note Drei zu erreichen müsste man nur 15 h arbeiten. Natürlich geht es oft um das Erreichen der bestmöglichen Note. Man muss jedoch dafür mehr arbeiten. Will man die Note Eins bekommen, müsste man 30 h arbeiten. Zum einen lohnt es sich in die­ sem Beispiel überhaupt nicht mehr als 30 h zu lernen. Zum anderen nimmt der Nutzen für jede Verbesserung mit jeder besseren Note ab. Hinzu kommt noch, dass die Kosten stärker steigen als der Nutzen. So wird der Gesamtnutzen, den eine Stunde Lernen generiert, immer kleiner.

3 Die Motivationstypen Wie oben bereits dargelegt, können Akteure verschiedene Motive und Präferenzen besitzen. Diese können sich in Art und Ausprägung unterscheiden. Es ist anzu­ nehmen, dass die Präferenzen und ihre Stärke bei den wenigsten Akteuren genau gleich sind. Daher ist es, wie bereits Max Weber (1984) ausführt, notwendig Idealtypen zu bilden. Dies darf nicht willkürlich geschehen, sondern muss systematisch und begründet erfolgen. Es wurde in der zugrunde liegenden Erhebung abgefragt, worin für die Studierenden die Beweggründe für die Aufnahme eines Hochschulstudiums bestehen (Studienmotivation). Wir gehen davon aus, dass man dabei zunächst zwei wesentliche Motivationsdimensionen voneinander unterscheiden kann. Das Studium kann zum einen nur Mittel zum Zweck sein oder es kann auch als Selbstzweck dem Akteur Nutzen bringen. Man kann die Motivation also allgemein in intrinsische und extrinsische Motivation aufteilen. Dabei wird auf die Self-Determination Theory Bezug genommen, der diese Unterscheidung entlehnt ist (Vansteenkiste et al. 2006; Deci und Ryan 2002; Kyndt et al. 2011). In der Self-Determination Theory werden drei Grundarten von Motivation unterschieden: Amotivation (die Abwesenheit von Motivation), extrinsische

70

J. Junkermann und L. Goldhahn

Motivation, die von außen auferlegt ist und intrinsische Motivation, bei der die Motivation aus Interesse an der Tätigkeit selbst besteht. Dabei wird die extrinsische Motivation in vier Unterarten eingeteilt: „External Regulation“, bei der die Motivation auf Belohnung und Bestrafung beruht, „Introjected Regulation“, die auf dem positiven Effekt guter Leistungen auf Selbstwert und Ego beruht, „Identified Regulation“, die auf der Anerkennung der Wichtigkeit der Ziele und Werte der Tätigkeit beruht, sowie der „Integrated Regulation“, bei der Ziele und Werte der Tätigkeit vollkommen internalisiert sind (Gagné und Deci 2005, S. 336). Die Self-Determination Theory unterscheidet jedoch hauptsächlich zwischen autonomer und kontrollierter Motivation. Dies bedeutet, kurz gesagt, ob man das Gefühl hat, dass die Motivation von einem selbst kommt oder von außen auferlegt ist. Da es sich bei unserem Vorhaben jedoch um eine Sekundäranalyse von Primärdaten handelt, können wir diese elaborierte Theorie anhand der zur Verfügung stehenden Variablen jedoch nicht ausführlich operationalisieren und beschränken uns deshalb auf die Aufteilung in intrinsische und extrinsische Motivation. Eine intrinsische Studienmotivation bedeutet, dass man das Studium um des Studierens Willen selbst aufgenommen hat. Studierende mit intrinsischer Studienmotivation sind an dem Thema ihres Studiums selbst interessiert und wollen von sich selbst heraus möglichst viel über das Thema lernen. Eine ext­ rinsische Studienmotivation bedeutet, dass Studierende mit ihrem Studium Ziele verfolgen, welche nicht im Lernen selbst begründet sind. Solche Ziele können zum Beispiel ein späteres hohes Einkommen und hoher sozialer Status oder auch einfach das Studentenleben oder soziales Engagement sein. Die intrinsische und extrinsische Studienmotivation schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern verhalten sich additiv. In der Diskussion der RCT wurde bereits dargestellt, dass es ökonomische und ideelle Motive gibt. Ökonomische Motive sind klassischer Weise Geld und sozia­ ler Status. Mit ideellen Motiven sind hier alle Motive gemeint, die ausdrücklich nicht ökonomischer Natur sind. Dies kann im Kontext des Studiums das Streben nach Wissen selbst sein oder aber auch das Ziel die Gesellschaft zu verbessern, anderen zu helfen oder sich politisch zu engagieren. Aus diesen zwei Dimensio­ nen werden die folgenden Typen der Studienmotivation entwickelt: Zunächst fällt ins Auge, dass es nur drei Typen gibt. Dies liegt daran, dass die ökonomische Motivation für das Studium nur extrinsisch ausgerichtet sein kann. Das Studium selbst wird in den allermeisten Fällen nicht bezahlt und hat zudem hohe Opportunitätskosten. Ein Studium aus ökonomischen Motiven zu beginnen, hat meistens den Zweck später mit dem Abschluss ein hohes Gehalt und einen hohen sozialen Status zu erreichen. Es kann daher keinen intrinsischen

Der Einfluss von ökonomischen und ideellen Motiven …

71

ökonomischen Motivationstyp geben. Bei den ideellen Motiven ist dies nicht der Fall. Sie können sowohl intrinsisch als auch extrinsisch sein. Der ideelle intrinsische Typ ist an dem Studium selbst interessiert. Er will möglichst viel lernen, Wissen ansammeln und ist an dem wissenschaftlichen Arbeiten an sich interessiert. Der ideelle extrinsische Typ hingegen verfolgt andere Motive, die nicht in der akademischen Arbeit selbst begründet liegen. Das kann zum Beispiel das „Studentenleben“ sein oder auch soziales oder politisches Engagement. Für ihn sind das Studium und das akademische Arbeiten lediglich ein Mittel zur Umsetzung anderer extrinsischer ideeller Motive. Die Motive erscheinen zwar auf den ersten Blick so, als ob sie sich gegenseitig ausschließen, verhalten sich aber grundsätzlich additiv. Dies lässt sich leicht an einem Beispiel zeigen. Ist man vor allem an einem späteren hohen Gehalt interessiert ist, kann man trotzdem Spaß am Lernen haben und sich sozial engagieren. Umgekehrt wird man, wenn man in erster Linie eine ideelle Studienmotivation hat, später trotzdem ein hohes Gehalt gut finden. Die drei Motivationstypen haben einen unterschiedlichen Einfluss auf die zeitlichen Investitionen der Studierenden in ihr Studium (Workload). Die Lern- und Studierarbeit kann selbst den Nutzen darstellen, wie es beim intrinsisch ideellen Typ der Fall ist, der Freude am Lernen hat, oder Mittel zum Zweck sein, wie es bei den extrinsischen Typen der Fall ist. Ein guter Vergleich ist hier die Zweckrationalität von Weber (1984).

4 Herleitung der Hypothesen Die weiche Version der RCT geht – wie oben beschrieben – davon aus, dass die Akteure aus unterschiedlichen Präferenzen ihren Nutzen ziehen. In Erweiterung hierzu nehmen wir an, dass die Präferenzen unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Da durch die Erfüllung dieser Präferenzen der Nutzen generiert wird, ist die Höhe des Nutzens immer proportional zu der Stärke der Präferenzen. Ist der Workload hilfreich bei der Umsetzung der Präferenzen wird dieser steigen. Es ist daher eine Grundannahme, dass je stärker die Motivation für ein Studium ist, desto höher auch der studentische Workload ist. Für die erste Hypothese wird auf die Präferenzannahmen der harten RCT zurückgegriffen. Diese bestehen lediglich in Eigennutzen: Ökonomischer Gewinn und sozialer Status. Im Gegensatz dazu steht die weiche RCT, die auch ideelle Motive zulässt. Beides schließt sich nicht unbedingt aus, da sich eigennützige und ideelle Motive nicht zwingend in allen Fällen widersprechen müssen. Die erste Hypothese basiert auf der Annahme unterschiedlich starker Präferenzen. Da die harte RCT sehr gut empirisch belegt ist, gehen wir davon aus, dass die

72

J. Junkermann und L. Goldhahn

angenommenen Präferenzen sehr stark sind. Daraus folgt ebenfalls, dass der Nutzen aus ökonomischem Gewinn und sozialem Status aus einem erfolgreich abgeschlossenen Studium sehr hoch ist. Daraus folgt für Hypothese 1: (H1) Ökonomische Motive haben einen größeren Einfluss auf den studentischen Workload als ideelle Motive. Die RCT geht zudem davon aus, dass Handlungen nicht nur anhand ihres Nut­ zens, sondern auch anhand ihrer Kosten ausgewählt werden. Es gibt zwei Arten von Kosten. Die einen sind direkte Kosten, die durch die Handlung selbst anfallen. Im konkreten Fall: Kosten, die für das Studium anfallen. Dies sind die Finanzierung und die Lern- und Studierarbeit – also auch der studentische Workload. Die anderen sind Opportunitätskosten. Das bedeutet, dass wenn sich Handlungen ausschließen, die Opportunitätskosten in dem K ­osten-NutzenVerhältnis der nicht gewählten Handlung bestehen. Als Beispiel für die Opportuni­tätskosten eines Studiums kann hier zum Beispiel Erwerbsarbeit stehen. Ein Studium schließt aus, dass man nebenher Vollzeit arbeitet und dadurch ein höheres Einkommen hat, auf lange Reisen geht oder Ähnliches. Abgeleitet aus der Begründung für Hypothese 1 gehen wir davon aus, dass wenn ökonomische Motive größeren Nutzen in dem Akteur hervorbringen, auch die ökonomischen Kosten stärker ins Gewicht fallen. Da wir annehmen, dass die Motivation bei den Akteuren unterschiedlich ausgeprägt ist, leiten wir daraus Hypothese 1.1 ab: (H1.1) Sind die ökonomischen Motive stärker als die ideellen Motive, dann haben auch die ökonomischen Faktoren einen stärkeren Einfluss auf den Workload. Beim ökonomischen Typ ist der Workload nur Mittel zum Zweck, später mehr Geld zu verdienen und einen höheren sozialen Status zu erlangen. Da in Hypo­ these 1 die ökonomische Motivation als besonders stark angenommen wird, sollte der durch den Workload erzeugte Nutzen höher sein als bei den ideellen Motiven. Dadurch folgt auch, dass der Workload beim ökonomischen Typ besonders hoch sein sollte. Der intrinsische ideelle Typ ist an den Inhalten des Studiums und dem Stu­ dieren selbst interessiert. Für ihn gilt die beschriebene Grenznutzentheorie direkt. Gute Noten sind hier eher ein Nebenprodukt der eigenständigen Beschäftigung mit dem Thema. Der extrinsisch ideelle Typ zieht seinen Nutzen nicht direkt aus seinen Noten oder seiner akademischen Leistung. Das heißt, dass der Workload so ausgerichtet

Der Einfluss von ökonomischen und ideellen Motiven …

73

ist, dass er reicht, um das Studium fortzuführen. Für die Umsetzung extrinsischer ideeller Ziele, wie zum Beispiel soziales Engagement sind gute Noten nicht unbedingt notwendig. Er ist vor allem an dem Status als Student interessiert. Daraus folgt, dass bei ihm der Workload geringer ist als bei den anderen Typen. Aus den hier aufgeführten Auswirkungen der Motivationstypen auf den Workload lässt sich Hypothese 1.2 aufstellen: (H1.2) Der Workload ist bei dem ökonomischen Typ am höchsten, beim intrinsisch ideellen Typ am zweithöchsten und beim extrinsisch ideellen Typ am geringsten.

5 Datengrundlage Es handelt sich um eine Sekundäranalyse mit Daten aus der Leipziger Work­lo­adstudie 2014/15 (ausführlich dazu Berger und Baumeister 2016). Die Erhebung fand an der Universität Leipzig in dem Bachelor- und Masterstudiengang im Fach Soziologie statt. Es wurde zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten erhoben. Die erste Erhebung fand im Sommersemester 2014 (28.–30. KW) statt. Die erste Erhebungswoche war dabei die letzte der Vorlesungszeit und die zweite die erste der vorlesungsfreien Zeit. In diesem Zeitraum finden typischerweise die Klau­suren statt. Der zweite Erhebungszeitraum fand zu Beginn des Wintersemesters 2014/2015 (47.– 49. KW) statt, und zwar in der Mitte des Semesters, wo der Workload erwartungsgemäß niedriger sein sollte. Bei der Erhebung wurden zu beiden Zeitpunkten per zufälliger Auswahl je zwei Gruppen gebildet, die jeweils zwei Wochen lang erhoben wurden. Die zweite Gruppe begann die Erhebung genau eine Woche nach der ersten Gruppe. So dauerten beide Erhebungszeiträume jeweils über drei Wochen an. Die Erhebung erfolgte mit der Tagebuchmethode und einer App (ausführlich dazu Berger und Baumeister 2016) Zusätzlich zur Tagebuchstudie wurden we­itere Merkmale zu Motivation, Soziodemografie, Studienart, Fachsemester und Studienfinanzierung etc. anhand eines Onlinefragebogens erhoben. Die Erhebung von Zeitbudgetstudien ist für die Teilnehmer recht aufwendig, da sie jeden Tag detailliert angeben müssen, was sie gemacht haben. Ein Anreiz zur Teilnahme (Incentivierung) wurde über die Verlosung von Smartphones gesetzt. Bei der ersten Erhebung im Sommer bestand die Grundgesamtheit aus 260 Studierenden und in der zweiten Erhebung im Winter aus 327 Studierenden. 248 Studierende waren in beiden Erhebungen vorhanden. Die Erhebung war als Vollerhebung konzipiert. Die Ausschöpfungsquote betrug im Sommer 42 % (n = 109)

74

J. Junkermann und L. Goldhahn

Tab. 1   Übersicht Studienmotivationstypen Motivation für das Studium

Ökonomisch

Ideell

Extrinsisch

Ökonomischer Typ

Ideeller extrinsischer Typ

Intrinsisch

Ideeller intrinsischer Typ

und im Winter 39 % (n = 127). Nach weiteren Datenbereinigungen1 verbleiben insgesamt n = 112 Fälle für die Analyse. Die Zusammensetzung der Stichprobe wurde anhand von Matrikeldaten (Geschlecht, Fachsemester) geprüft, wobei lediglich der Anteil von Studentinnen – wie häufig in Erhebungen und Befragungen unter Studierenden – als geringfügig überrepräsentiert auffiel.

6 Operationalisierung Die Operationalisierung der Motivation und Präferenzen erfolgte im Rahmen einer Sekundäranalyse, sodass die dargestellten theoretischen Konzepte mit den vorhandenen Variablen und Merkmalen operationalisiert werden müssen. Die Abbildung der theoretischen Konzepte ist daher gewissen Einschränkungen unterworfen, was der Untersuchung jedoch nicht grundsätzlich im Wege steht. Die Studienmotivation wurde in der Leipziger Workloadstudie mittels neun Items erhoben (siehe Tab. 2, Spalte 1), die sich an der Konzeption der Studienmotivation von Großmann (2016; dazu auch Großmann und Engel in diesem Band) und entsprechenden Item-Formulierungen im Deutschen Studierendensurvey (Universität Konstanz) orientieren. Die Teilnehmer konnten dort jeweils auf einer Skala von 1 „Trifft nicht zu“ bis 6 „Trifft zu“ antworten. Für die Operationalisierung der drei Motivationstypen (s. Tab. 1) wurden pro Typ passende Items zugeordnet, mit dem Ziel, daraus jeweils einen Index zu bilden: Ökonomischer Typ • Höheres Einkommen (A301_01) • Tätigkeit mit hohem sozialen Ansehen (A301_03) • Krisensichere Arbeitsstelle (A301_09)

1Es

wurden alle Fälle gelöscht, die weniger als elf Einträge während der Erhebungsphase hatten. Außerdem schlossen wir alle Fälle aus, die bei den Fragen zur Motivation lediglich Fehlwerte aufwiesen.

Der Einfluss von ökonomischen und ideellen Motiven …

75

Tab. 2   Ergebnisse der Hauptkomponentenanalyse (Varimax Rotation) und Reliabititäts­ analyse (Cron. Α) Komponente

Ökonomischer Typ

Extrinsischer ideeller Intrinsischer ideeller Typ Typ Worin sehen Sie für sich den Nutzen des Soziologiestudiums? A301_01 Gute Chan­ cen auf ein höheres Einkommen

0,871

−0,070

0,078

A301_02 Später eine Berufstätigkeit in der wissenschaftlichen Forschung aufnehmen zu können

0,167

0,087

0,860

A301_03 Gute Chan­ cen auf eine Tätigkeit mit hohem sozialem Ansehen

0,852

0,113

0,065

A301_04 Meine Vor- −0,131 stellungen und Ideen verwirklichen zu können

0,542

0,375

0,147

−0,039

0,722

−0,003

−0,006

0,022

A301_07 Anderen Leuten später besser helfen zu können

0,081

0,817

−0,052

A301_08 Zur Verbesserung der Gesellschaft beitragen zu können

0,129

0,841

0,046

A301_09 Eine krisensichere Arbeitsstelle

0,764

0,172

0,171

Eigenvalue

2,571

1,644

1,375

A301_05 Eine gute wissenschaftliche Ausbildung A301_06 Eine allgemein gebildete Persönlichkeit zu werden

Varianzaufklärung in %

28,56

18,26

15,28 (Fortsetzung)

76

J. Junkermann und L. Goldhahn

Tab. 2   (Fortsetzung) Komponente

Ökonomischer Typ

Extrinsischer ideeller Intrinsischer ideeller Typ Typ

Cronbachs α

0,7942

0,6310

0,5233

Durchschnitt Skala (Standardabweichung)

2,76 (6,16)

3,79 (1,04)

4,27 (1,13)

Anmerkungen: Rotationsmethode: Varimax mit Kaiser-Normalisierung. Alle Ladun­g­en > 0,5 sind fett unterlegt. Die Items, die die Berechnungsgrundlage für die Cronbachs α der Indizes sind, wurden unterstrichen. N = 111

Extrinsisch ideeller Typ • Vorstellungen und Ideen verwirklichen (A301_04) • Leuten später besser helfen zu können (A301_07) • Zur Verbesserung der Gesellschaft beitragen (A301_08) Intrinsisch ideeller Typ • • • •

Berufstätigkeit in der wissenschaftlichen Forschung (A301_02) Vorstellungen und Ideen verwirklichen (A301_04) | später verworfen Gute wissenschaftliche Ausbildung (A301_05) Allgemein gebildete Persönlichkeit werden (A301_06) | später verworfen

Für die Indexbildung wurde zunächst eine explorative Hauptkomponentenanalyse (Tab. 2) durchgeführt. Die Ladungszahlen bestätigen im Kern die drei gebildeten Motivationstypen. Vor dem Zusammenfassen wurden die jeweiligen Indizes per Cronbachs α auf interne Konsistenz geprüft. Da einige Items des Index für den intrinsisch-ideellen Typ nur geringe Ladungszahlen aufweisen ( Chron. α > 0,5 allerhöchstens akzeptables Niveau. Für die grundsätzliche Validität des

Der Einfluss von ökonomischen und ideellen Motiven …

77

Tab. 3   Rangskala berufliche Präferenzen Wie wichtig sind Ihnen folgende Aspekte im Bezug auf Ihre berufliche Zukunft? A303_01

Hohes Einkommen

A303_02

Sicherheit des Arbeitsplatzes

A303_03

Gutes Arbeitsklima

A303_04

Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben/ Familie

A303_05

Eigene Ideen verwirklichen können

A303_06

Gute Karriere- bzw. Aufstiegschancen

Typen-Konstruktes sprechen jedoch frühere Untersuchungen. So kommt Daniel Großmann (2012, S. 448, ebd. 2016, S. 151) in seinen Untersuchungen zum Einfluss motivationaler Faktoren auf die Evaluation von Studium und Lehre mit unterschiedlichen Stichproben und ähnlichen Items zu sehr ähnlichen Motivationstypen. Insbesondere die unabhängigen Ergebnisse, die mit sehr ähnlichen Messinstrumenten zu ähnlichen Motivationstypen führen, sind mithin der wichtigste Beitrag zur Validierung des Konstrukts. Für die Operationalisierung des ökonomischen Typs wird eine weitere Variable herangezogen. Diese ist eine Rangskala zu den beruflichen Präferenzen, die in Tab. 3 dargestellt ist. Hierbei haben wir die eindeutig ökonomischen Präferenzen hohes Einkommen, sicherer Arbeitsplatz und gute Karrierechancen (A303_01, A303_02, A303_06) verwendet und einen Index gebildet, indem wir den mittleren Rang berechnet haben und den Index gedreht haben, damit die Interpretation leichter wird:    A30301 + A30302 + A30306 Index berufliche Pr a¨ ferenzen = − 7 ∗ (−1) 3 Je höher der Index ist, desto stärker sind die ökonomischen Präferenzen für den späteren Beruf. Bei der Variable handelt es sich um eine Rangfolge für die Präferenzen des späteren Berufs und nicht wie bei den restlichen Skalen um eine Bewertung auf einer Intervallskala von 1 bis 6. Die Operationalisierung verletzt also hier strenggenommen das Skalenniveau. Die Angaben aller Motivationsitems zusammengezählt haben eine theoretische Spannweite von 9 bis 54, aber nur eine empirische Spannweite von 14 bis 48. Die Zustimmung bei der intrinsisch ideellen Motivation ist eindeutig am höchsten (Ø 4,27) und bei der ökonomischen Motivation am niedrigsten. Der mittlere Rang der ökonomischen beruflichen Präferenzen ist mit 2,59 (SD = 0,68) sehr niedrig

78

J. Junkermann und L. Goldhahn

und auch nur 10 % der Befragten weisen eine ökonomische berufliche Präferenz auf dem ersten Rang auf. Es lässt sich also zusammenfassen, dass die Motivation der Soziologiestudierenden eher ideell als ökonomisch ist. Weiterhin haben wir für die ökonomischen Einflussfaktoren den Anteil der Eigenfinanzierung am Stu­ dium herangezogen. Dazu zählen wir die Einkünfte aus Arbeit, ein Studiendarlehen sowie die persönlichen Ersparnisse der Studierenden. Durch diese Variable lassen sich Hypothese H1 und Hypothese H1.1 untersuchen.

7 Empirische Prüfung der Hypothesen Aufgrund der verschiedenen Operationalisierungen der ökonomischen Präfe­ renzen mussten für die Modellierung des Tests der Hypothesen H1 und H1.2 Anpassungen vorgenommen werden. Es gibt die Operationalisierung über die Motivationsskala und über die beruflichen Präferenzen. Dies ist dem ordinalen Skalenniveau der Variable geschuldet. Das Problem dabei ist, dass die beruflichen Präferenzen nur in ökonomisch und nicht-ökonomisch unterschieden werden und die Motivationsindizes die nicht-ökonomische Motivation nochmals in intrinsisch und extrinsisch aufteilen. Auch die Messung erfolgt einmal mit einer quasi met­ rischen Likert-Skala und einmal mit einer ordinalen Rangvariable. Dadurch wird hier nicht genau das Gleiche gemessen. Die unterschiedlichen Indizes erzeugen entgegengesetzte Ergebnisse. Zur Lösung der Problematik und um den Unterschied zwischen den Modellen zu verdeutlichen, haben wir deshalb vier abgestufte Modelle berechnet (Tab. 4). Zusätzlich haben wir alle Indizes und die beruflichen Präferenzen auf ein Intervall [0,1] skaliert, damit sie sich hinsichtlich ihrer Stärke vergleichen lassen. Alle berechneten Modelle verwenden folgende Kontrollvariablen: • • • • • • • • •

Alter (logarithmiert) Geschlecht (weiblich = 1) Note der Hochschulzugangsberechtigung (1–4 kodiert) Erhebungszeitraum (SoSe 2014 = 1) Anteil der Eigenfinanzierung des Studiums in Prozent (1 = 1 %; 100 = 100  %) Fachsemester Erhebungsmethode (App = 1) Bachelor- oder Master-Studiengang (Master = 1) Motiv, das Studium in der Regelstudienzeit abzuschließen (in Regelstudienzeit = 1) • Studienbegleitende Erwerbsarbeit (1 = Arbeit)

Der Einfluss von ökonomischen und ideellen Motiven …

79

Tab. 4   Prüfung Hypothese H1 und H1.2 mit OLS-Regressionen Modell I.1: Workload gesamt in Stunden

Modell I.2:

Motivationstypen Berufliche Präferenzen (mittlerer Rang)

Ökonomischer 6,954 (12,019) Typ

Modell I.3:

Modell I.4:

Berufliche Berufliche Präferenzen und Präferenzen Motivationstypen ohne öko­ nomische Motivation −1,337 (12,677)

Ideell extrinsischer Typ

7,144 (12,951)

17,223 (12,639) 16,835 (11,814)

Ideell intrinsischer Typ

12,168 (11,410)

14,841 (10,969) 14,577 (10,588)

Berufliche Präferenzen (Mittlerer Rang)

23,439 (11,842)

30,511* (13,469) 30,104* (12,198)

Regelstudienzeit

5,193 (5,437)

4,052 (5,016)

3,787 (5,612)

3,656 (5,4)

Abiturnote

3,637 (5,707)

0,239 (5,443)

2,721 (5,735)

2,649 (5,618)

Frau

8,336 (6,202)

7 (5,739)

8,991 (6,001)

9,016 (5,978)

Arbeit

−6,568 (6,477)

−4,015 (6,514)

−4,537 (6,475)

−4,625 (6,555)

Log(Alter)

1,113 (23,906)

14,976 (23,714)

14,603 (25,069) 14,319 (24,303)

Fachsemester

0,022 (1,755)

Master

−1,266 (8,535)

−1,407 (1,765)

−1,407 (1,81)

14,772**

16,025**

Anteil Eigenfinanzierung

Sommersemester App

0,243 (0,133)

18,188***

0,205 (0,136)

(5,226)

−9,788 (5,107)

−5,478 (1,764)

(5,304)

0,222 (0,138)

−8,311 (9,507)

0,224 (0,14)

−1,396 (1,796)

−8,457 (9,242)

(5,232) 16,035** (5,21)

−11,382* (5,022) −11,731* (4,938) −11,67* (4,912)

Konstante

7,832 (66,304)

R2

0,244

0,251

0,285

0,285

Adjusted-R2

0,125

0,155

0,163

0,173

Fallzahl

n = 97

n = 98

n = 97

n = 97

Anmerkungen: β (Standardfehler),

−11,267 (65,049) −36,17 (70,07)

35,125 (66,903)

Signifikanzen:*p ≤ 0,05 **p ≤ 0,01***p ≤ 0,001

80

J. Junkermann und L. Goldhahn

Die Modelle wurden mit dem Huber-White-Korrekturansatz geschätzt, um Heteroskedastizität entgegen zu wirken.

7.1 Hypothesen H1 und H1.2 Um die Unterschiede der Operationalisierung zu verdeutlichen bilden wir zuerst ein Modell nur mit den drei Motivationstypen (Tab. 4, Modell I.1). Anschließend bilden wir ein Modell nur mit den beruflichen Präferenzen (Tab. 4, Modell I.2). Als nächstes wird nochmals ein Modell mit dem mittleren Rang der beruflichen Präferenzen und den drei Motivationstypen gebildet und analysiert (Tab. 4, Modell I.3). Zum Schluss folgt ein Modell, in dem die beruflichen Präferenzen den ökonomischen Index ersetzen (Tab. 4, Modell I.4). Die Berechnungen zeigen zunächst, dass die Kontrollvariablen einen deutlichen Einfluss haben. Am stärksten wirken sich die Erhebungsmethode per App und der Erhebungszeitraum aus. Im Sommersemester wurde zur Prüfungszeit erhoben, entsprechend ist der Workload deutlich erhöht. Die Studierenden, die ihren Workload mit der App erhoben haben, gaben im Schnitt ca. zehn Stunden weniger Workload an. Dies ist ein Hinweis auf mögliche Probleme mit der Erhebungsmethode (dazu Berger und Baumeister 2016 und ebd. in diesem Band). Studierende, die einen Abschluss in der Regelstudienzeit anstreben, arbeiten wöchentlich ca. 4–5 h mehr. Studentinnen arbeiten durchschnittlich ca. 7–9 h mehr als ihre männlichen Kommilitonen. Masterstudierende arbeiten nur geringfügig weniger als ihre Kommilitonen aus dem Bachelor. Hier fällt vor allem auf, dass der Effekt stärker wird, sobald die beruflichen Präferenzen im Modell mit aufgenommen werden. Hier nimmt die Stärke des Effekts von Model I.1 mit βMaster = −1,266 zu Modell I.4 mit βMaster = −8,457 stark zu, wobei das Fachsemester kaum Einfluss hat. Beim Alter ist der Effekt sogar noch stärker ausgeprägt. In Modell I.1. ist der Einfluss des Alters (βlog(Alter) = 1,113) deutlich schwächer als in den restlichen Modellen (βlog(Alter) > 14). Dies ist durchaus plausibel: Langzeitstudierende, welche keine hohen beruflichen Ambitionen haben, arbeiten weniger für ihr Studium. Erwerbsarbeit während der Vorlesungszeit hat mit ca. 4–6 h einen negativen Einfluss auf den Workload. Dies war zu erwarten, da Studierende die arbeiten weniger Zeit für ihr Studium zur Verfügung haben (ausführlich dazu Apolinarski und Gwosć in diesem Band). Der positive Effekt der Eigenfinanzierung wirkt in dieser Hinsicht dagegen erst einmal kontraintuitiv, lässt sich jedoch gut durch einen Selektionseffekt erklären. Nur Studierende, die ein besonderes Interesse an einem Studium haben, sind bereit dieses ganz oder teilweise selber zu finanzieren. Je besser die Abiturnote ist, desto

Der Einfluss von ökonomischen und ideellen Motiven …

81

weniger arbeiten die Studierenden für ihr Studium. Dieser Effekt ist in Modell I.1 mit ca. 3.,7 relativ stark. Hier zeigt sich der Einfluss der kognitiven Fähigkeiten (Studierfähigkeiten) auf die Effizienz des Lernens und die dafür benötigte Zeit (vgl. Oppermann 2011, S. 53; dazu auch Großmann und Engel in diesem Band). In Modell I.1, welches nur die drei Motivationstypen enthält, werden Hypo­ these 1 und 1.2 klar widerlegt. Die intrinsische Motivation ist mit β = 12,168 deutlich größer als die extrinsische Motivation (β = 7,144). Die ökonomische Motivation ist jedoch mit β = 6,954 am kleinsten. Die ideelle Motivation ist also entgegen Hypothese 1 stärker als die ökonomische. Die in Hypothese 1.2 postulierte Reihenfolge der Motivation (ökonomisch > ­intrinsisch-ideell > extrinsisch-ideell) ist somit ebenso widerlegt. Dass die intrinsisch-ideelle Motivation stärker ist als die extrinsisch-ideelle Motivation, bestätigt sich jedoch deutlich. In den Modellen mit den beruflichen Präferenzen (Modell I.2-I.4) sind die Ergebnisse entgegengesetzt. Die ökonomischen Motive haben einen deutlich positiven und starken Effekt auf den Workload (β = 23,439). Hier wird Hypothese 1 deutlich bestätigt. Das Problem liegt hier jedoch in der Operationalisierung. Während die Motivationstypen ideelle und ökonomische Motive messen, unterscheiden die beruflichen nur in ökonomische und nicht-ökonomische Präferenzen. Hinzu kommt, dass man aus der Theorie ableiten kann, dass die beruflichen Präferenzen die ökonomische Motivation deutlich besser messen, als der Motivationsindex. Da die Präferenzen hier bereits in dem ökonomischen Kontext der Erwerbsarbeit stehen und nicht im Kontext der allgemeinen Motivation, treten sie hier klarer zutage. In Modell I.3 verwenden wir aus diesem Grund die drei Motivationstypen und den mittleren Rang. Es fällt auf, dass der Index für die ökonomische Motivation beinahe Null wird (β =−1,337). Gleichzeitig wird der mittlere Rang der beruflichen Präferenzen deutlich größer (β = 30,511) und zudem auf dem fünf Prozent Niveau signifikant. Die beruflichen Präferenzen erklären also den Workload so gut, dass der Effekt der ökonomischen Motivation gegen Null geht. Aus diesem Grund zeigen wir in Modell I.4 die beruflichen Präferenzen ohne den Index zur ökonomischen Motivation. Dadurch wird der Effekt der ökonomischen Motive am besten dargestellt, während gleichzeitig die ideellen Motive vollständig abgebildet werden können. In dem Modell bleibt der Effekt der beruflichen Präferenzen gleich (β = 30,104) und wird wieder signifikant. Die Reihenfolge der intrinsisch ideellen und extrinsischen ideellen Motivation ändert sich im Vergleich zu Modell I.1. Der Effekt der extrinsisch-ideellen Motivation (β = 16,835) ist hier leicht größer, als der Effekt der intrinsisch-ideellen Motivation (β = 14,577). Die Varianzaufklärung ist bei Modell I.3 und I.4 am größten, wobei Modell I.4 beim korrigierten R2 besser abschneidet (adj. R2 = 0,173).

82

J. Junkermann und L. Goldhahn

Zusammenfassend lässt sich zur Prüfung von Hypothese H1 und H1.2 folgen­ des festhalten. Hypothese H1 lässt sich nur eingeschränkt bestätigen. Sie wird nur bestätigt, wenn man die beruflichen Präferenzen als Operationalisierung für die ökonomische Motivation nimmt. In diesem Kontext bestätigt sich Hypothese H1.2 ebenfalls nur eingeschränkt. Der Effekt der beruflichen Präferenzen ist zwar deutlich höher als die Effekte der intrinsischen und extrinsischen ideellen Motiva­ tion, deren Reihenfolge sich jedoch bei dieser Operationalisierung ändert.

7.2 Hypothese H1.1 Hypothese H1.1 besagt, dass wenn die ökonomischen Motive bei einer Person stärker ausgeprägt sind, als die ideellen Motive, auch ökonomischen Faktoren (Kosten) einen stärkeren Einfluss auf den Workload haben. Es muss demnach überprüft werden, wie stark sich die Kosten in Abhängigkeit von der Motivation auf den Workload auswirken. Der These nach sollten ökonomische Kosten auf den Workload besonders stark wirken, wenn die ökonomischen Motive hoch sind. Dieser Effekt sollte bei den ökonomischen Motiven stärker sein, als bei den ideellen Motiven. Dies lässt sich leicht über Interaktionseffekte prüfen. Die direkten ökonomischen Kosten bilden in unserem Modell der Anteil der Eigenfinanzierung und die Erwerbsarbeit während der Vorlesungszeit ab. Es werden dazu die Interaktionseffekte zwischen diesen Variablen und den Indizes für die Motivation betrachtet. Da der Effekt stark von der Operationalisierung der ökonomischen Motivation abhängig ist, wie wir oben in den Modellen ­I.1-I.4 gezeigt haben, wird hier jeweils ein Modell mit dem Index zur ökonomischen Motivation (Tab. 5, Modell II.1) und ein Modell mit den beruflichen Präferenzen (Tab. 5, Modell II.2) gerechnet. Es werden also zuerst zwei mal vier Interaktionsvariablen gebildet. Wir haben zusätzlich einen weiteren Interaktionseffekt aus der Erhebungsmethode und dem Erhebungszeitraum gebildet, da es Probleme mit der Erhebung per App im Sommersemester 2014 gab. Die Modelle in Tab. 5 zeigen, dass die Hypothese eindeutig falsifiziert wird, da in beiden Modellen der Interaktionseffekt aus Arbeit und intrinsischer Motivation mit ca. 63–70 h einen sehr starken und signifikanten Effekt aufweist. Die Interaktion aus ökonomischen Motiven und Arbeit ist zwar ebenfalls positiv, doch mit β = 29,574 in Modell II.1 bzw. β = 16,802 Modell II.2 deutlich schwächer. Die Interaktion zwischen extrinsisch-ideeller Motivation und Arbeit ist mit β =−43,571 und β =−32,511 zwar negativ, aber der Betrag ist in beiden Fällen größer als bei der ökonomischen Motivation.

Der Einfluss von ökonomischen und ideellen Motiven …

83

Tab. 5   Prüfung Hypothese H1.1 mit OLS-Regressionen Modell II Workload gesamt in Stunden

Modell II.1: Ökonomischer Index

Ökonomischer Typ

3,296 (15,643)

Ideell extrinsischer Typ

31,212* (14,306)

38,985** (13,763)

Ideell intrinsischer Typ

−8,037 (14,274)

−7,049 (12,987)

Berufliche Präferenzen (Mittlerer Rang)

Modell II.1: Berufliche Präferenzen

27,623 (15,945)

Regelstudienzeit

7,943 (5,831)

7,491 (5,656)

Abiturnote

7,573 (5,304)

7,091 (5,478)

Frau

9,994 (5,649)

9,107 (6,324)

Arbeit

−38,897* (19,263)

−28,723 (16,932)

   Beruf × Arbeit

16,802 (32,228)

   Öknonom × Arbeit

29,574 (33,152)

   Intrin × Arbeit

69,861* (26,720)

62,892* (24,243)

   Extrin × Arbeit

−43,571 (24,055)

−32,511 (22,463)

Anteil Eigenfinanzierung

0,533 (0,423)

   Beruf × Anteil Eigenfinanzierung    Ökonom × Anteil Eigenfinanzierung    Intrin × Anteil Eigenfinanzierung    Extrin × Anteil Eigenfinanzierung

−0,020 (0,840)

−0,475 (0,637)

0,004 (0,677)

0,503 (0,440)

−0,491 (0,715) −0,440 (0,683)

0,017 (0,552)

Log(Alter)

23,946 (22,658)

26,012 (25,837)

Fachsemester

−0,270 (1,814)

−1,394 (2,020)

Master Sommersemester App    App x Sommersemester Konstante R2

−3,506 (9,449)

−3,401 (8,612)

−2,173 (5,708)

−5,067 (5,797)

23,492*** (6,071) −22,825* (10,459) −76,145 (64,623)

0,383

−19,677* (9,387)

−85,136 (71,158)

0,395

Adjusted-R2

0,221

0,236

Fallzahl

n = 97

n = 97

Anmerkungen: β (Standardfehler), Signifikanzen:*p ≤ 0,05 **p ≤ 0,01***p ≤ 0,001

84

J. Junkermann und L. Goldhahn

Der Interaktionseffekt aus dem Erhebungszeitraum (SoSe 2014) und der Erhebungsform (App) ist im Betrag sehr hoch (β =−22,825) und der Koeffizient des Erhebungszeitraums wird sehr klein (β =−2,173). Daraus lässt sich schlie­ ßen, dass die große Differenz durch die Erhebungsmethode hauptsächlich durch technische Fehler in der Erhebung im Sommersemester 2014 verursacht wurde. Bei den Interaktionseffekten aus den Motivationen und dem Anteil der Eigenfinanzierung in dem Modell mit dem Index zur ökonomischen Motivation ändern die Effekte das Vorzeichen. Die Interaktionen mit ökonomischer und intrinsisch ideeller Motivation sind negativ und die Interaktion mit der extrinsischen ideellen Motivation ist positiv. Vom Betrag her ist der Effekt der Interaktion mit der intrinsischen ideellen Motivation mit β =−0,475 größer als der Effekt der Interaktionen mit der ökonomischen Motivation und der extrinsischen Motivation (beide nahezu Null). In dem Modell mit den beruflichen Präferenzen als Ope­ rationalisierung für die ökonomische Motivation ist der Interaktionseffekt aus den beruflichen Präferenzen und dem Anteil der Eigenfinanzierung jedoch mit β =−0,491 etwas größer als der Interaktionseffekt der intrinsischen ideellen Motivation mit β =−0,440.

7.3 Zusammenfassung der Prüfung der Hypothesen Es konnte gezeigt werden, dass die Motivation, bzw. die Präferenzen, der Stu­ dierenden einen Einfluss auf ihren Workload haben. Die Motivation der meisten Studierenden ist ideeller Natur. Die wenigsten Soziologie-Studierenden haben starke ökonomische Präferenzen für den späteren Beruf. Es handelt sich dabei höchstwahrscheinlich um einen Selektionseffekt, da das Soziologiestudium und die damit verknüpften Tätigkeitsfelder nicht in erster Linie Studierende mit einer ausgeprägten Status- und Einkommensorientierung anzieht. Bei der Prüfung der Hypothesen 1 sind die Ergebnisse nicht eindeutig. Der Test von Hypothese 1 zeigte, dass der Effekt stark von Art der Operationalisie­ rung abhängig ist. Verwendet man die beruflichen Präferenzen, haben die ökonomischen Motive einen deutlich größeren Einfluss als die ideellen Motive. Studierende denen Erfolg im Beruf wichtig ist, arbeiten deutlich mehr. Verwendet man jedoch den Index zur ökonomischen Motivation, zeigt sich ein gegenteiliger Effekt. Vor Bestätigung oder Widerlegung der These sind also zunächst Messund Operationalisierungsprobleme zu lösen. Einige Gründe sprechen dabei für die für die Operationalisierung über die beruflichen Präferenzen. Berufliche Prä­ferenzen stehen stärker in einen ökonomischen Kontext und bilden so das

Der Einfluss von ökonomischen und ideellen Motiven …

85

Konstrukt möglicherweise besser ab. Darüber hinaus sprechen zahlreiche Details in den Modellrechnungen dafür2. Die Reihenfolge, die in Hypothese H1.2 postuliert wurde, konnte ebenfalls nicht bestätigt werden. Der Workload ist beim ökonomischen Motivationstyp am höchsten, beim intrinsisch-ideellen Typ am zweithöchsten und beim extrinsisch-ideellen Typ am geringsten. Der Effekt der extrinsischen-ideellen ­ Motivation ist in einzelnen Modellen größer, als der Effekt der intrinsischen ideellen Motivation. Zudem ist diese Reihenfolge über verschiedene Modelle nicht robust (siehe Modelle I.1 bis I.4). Die Hypothese 1.1 – Sind die ökonomischen Motive stärker, als die ideellen Motive, dann haben auch die ökonomischen Faktoren einen stärkeren Einfluss auf den Workload – konnte allerdings klar widerlegt werden. Die Eigenfinanzierung des Studiums und studienbegleitende Erwerbsarbeit haben nicht beim ökonomischen, sondern beim intrinsisch-ideellen Motivationstyp den stärksten Einfluss. Eine Erklärung hierfür könnte ebenfalls ein Selektionseffekt sein: Studierende mit besonders hoher intrinsischer Motivation sind eher bereit, für die Finanzierung ihres Studiums zu arbeiten. Personen mit geringer intrinsischer Motivation entscheiden sich dagegen gar nicht erst für ein Studium, wenn sie für dessen Finanzierung hohe Eigenanteile aufbringen müssen.

8 Fazit Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen auf, dass die Motivation der Stu­ dierenden einen starken Einfluss auf den Workload der Studierenden hat. Den stärksten positiven Effekt auf den studentischen Workload zeigen in dieser Untersuchung berufliche Präferenzen, bspw. für ein hohes Einkommen, einen sicheren Arbeitsplatz oder bestmögliche Karrierechancen. Es zeigt sich deutlich, dass die persönlichen Einstellungen der Studierenden einen stärkeren Einfluss auf den zeitlichen Umfang des studentischen Workloads haben, als die Art der Studienfinanzierung und andere sozioökonomische und soziodemografische Merkmale. Die auf theoretischen Annahmen vorgenommene Unterteilung in

2Bspw.

wird der Koeffizient des ökonomischen Indexes, der aus den Motivationsvariablen gebildet wurde, negativ und nahe Null, wenn man die beruflichen Präferenzen als weitere unabhängige Variable in die Modelle miteinschließt. Zudem ist der Effekt der beruflichen Präferenzen äußerst stark und unabhängig davon, ob man den ökonomischen Index in das Modell mit aufnimmt. Dieser Effekt ist sehr robust über mehrere Modelle hinweg zu sehen.

86

J. Junkermann und L. Goldhahn

einen extrinsisch-idellen und intrinsische-idellen Motivationstyp führte zu inkonsistenten Ergebnissen, sodass in dieser Hinsicht keine konkrete Aussagen getroffen werden können. Wenngleich die Stichprobengröße und Messprobleme dabei ein Rolle spielen dürften, bedarf es vor allem bei der theoretischen Modellierung und Operationalisierung weiterer Forschung. Für die Gestaltungspraxis in Studium und Lehre folgt aus den Ergebnissen, dass bei der Planung von Studiengängen und Lehr-/Lerneinheiten stärker die Zusammensetzung der Studienmotivation der Studierenden berücksichtigt werden sollte. Das bedeutet zum einen, regelmäßig einen Überblick zum Spektrum der Studienmotive der Studierenden des betreffenden Studienprogramms zu schaffen. Zum anderen bedeutet dies, dass die Gestaltung des Curriculums und der Didaktik auf motivationale Spezifika eingehen sollten. Ziel sollte eine auf verschiedene Lern-/Studiertypen abgestimmte Lehre und Lehrorganisation sein (vgl. Metzger und Schulmeister in diesem Band), sodass auf die Überforderung von Studierenden mit Motivations- und Leistungsproblemen gezielt eingegangen werden kann, statt einfach das Niveau des Studiengangs zu senken. In jedem Fall gehört dazu jedoch auch, dass sowohl im Rahmen der Studiengangsevaluation, als auch der Lehrevaluation regelmäßig Workload-Erhebungen stattfinden und anhand dessen der formal geplante und tatsächliche Workload abgeglichen wird.

Literatur Bamberg, S., E. Davidov, und P. Schmidt. 2008. Wie gut erklären „enge“ oder „weite“ Rational-Choice-Versionen Verhaltensveränderungen? In Rational Choice: Theoretische Analysen und empirische Resultate, Hrsg. A. Diekmann, K. Eichner, P. Schmidt und T. Voss, 143–169. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Berger, R., und B. Baumeister. 2016. Messung von studentischem Workload. Methodische Probleme und Innovationen. In Evaluation von Studium und Lehre. Grundlagen, methodische Herausforderungen und Lösungsansätze, Hrsg. D. Großmann und T. Wolbring, 185–225. Wiesbaden: Springer VS. Deci, E. L., und R. M. Ryan. 2002. Handbook of self-determination research. Rochester: University Rochester Press. Gagné, M., und E. L. Deci. 2005. Self-determination theory and work motivation. Journal of Organizational Behaviour 26 (4): 331–362. Großmann, D. 2012. Studienmotivationen und ihr Einfluss auf Evaluationsergebnisse. Soziologie 48 (4): 443–457. Großmann, D. 2016. Studienmotivation und Evaluation. Der Einfluss motivationaler Faktoren auf die befragungsbasierte Evaluation von Studium und Lehre, In Evaluation von Studium und Lehre: Grundlagen, methodische Herausforderungen und Lösungsan­ sätze, Hrsg. D. Großmann und T. Wolbring, 123–184. Wiesbaden: Springer VS.

Der Einfluss von ökonomischen und ideellen Motiven …

87

Hardes, H.-D., und A. Uhly. 2007. Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. 9., überarbeitete Auflage. Walter de Gruyter GmbH & Co KG. Kultusministerkonferenz. 2010. Ländergemeinsame Strukturvorgaben für die Akkreditie­ rung von Bachelor- und Masterstudiengängen. (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.10.2003 i. d. F. vom 04.02.2010). https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/ver­ oeffentlichungen_beschluesse/2003/2003_10_10-Laendergemeinsame-Strukturvorgaben. pdf. Zugegriffen: 4. November 2019. Kyndt, E., F. Dochy, K. Struyven, und E. Cascallar. 2011. The direct and indirect effect of motivation for learning on students‘ approaches to learning through the perceptions of workload and task complexity. Higher Education Research & Development 30 (2): 135–150. Metzger, C., und R. Schulmeister. 2011. Die Workload im Bachelor: Ein emprisiches Forschungsprojekt. In Die Workload im Bachelor: Zeitbudget und Studierverhalten. Eine empirische Studie, Hrsg. R. Schulmeister und C. Metzger, 13–128. Münster, Westf: Waxmann. Opp, K.-D. 1999. Contending Conceptions of the Theory of Rational Action. Journal of Theoretical Politics 11 (2): 171–202. Oppermann, A. 2011. Zeitmessung und Zeiterleben-was der studentische Workload (nicht) aussagt. Zeitschrift für Hochschulentwicklung (6): 47–60. Vansteenkiste, M., W. Lens, und E. L. Deci. 2006. Intrinsic versus extrinsic goal contents in self-determination theory: Another look at the quality of academic motivation. Educational psychologist 41 (1): 19–31. Weber, M. 1984. Soziologische Grundbegriffe. 6., erneut durchges. Aufl. Tübingen: Mohr (Uni-Taschenbücher, 541). Weiss, Y., und C. Fershtman. 1998. Social status and economic performance: A survey. European Economic Review 42 (3): 801–820. Wiesenthal, H. 1987. Rational Choice: Ein Überblick über Grundlinien, Theoriefelder und neuere Themenakquisition eines sozialwissenschaftlichen Paradigmas. Zeitschrift für Soziologie 16 (6): 434–449. Justus Junkermann, M.A., Jahrgang 1990. Studium der Soziologie an der Universität Leipzig. Seit 2017 promovierend an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Fachbereich Organisation von Arbeit und Betrieb. Forschungs- und Interessengebiete sind heikle Fragen in Surveys, Agent-Based-Modelling, Meta-Analysen und angewandte Statistik. Ludwig Goldhahn, M.A., Jahrgang 1990. Bachelor- und Master-Studium der Soziologie an der Universität Leipzig. Forschungs- und Interessengebiete sind Methoden der empirischen Sozialforschung, insbesondere mit Fokus auf faktorielle Designs.

Der Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren auf den studentischen Workload Ivo Windrich

Zusammenfassung

Warum arbeiten manche Studenten mehr, andere weniger für ihr Studium? Das Studienfach hat bekanntlich einen deutlichen Einfluss. Aber wie lassen sich Unterschiede im Workload auf individueller Ebene erklären? Hierfür muss man psychologische Ansätze heranziehen. Mit dem akademischen Kontrollbewusstsein wird erfasst, ob Studenten den Erfolg des Studiums unter eigener Kontrolle ansehen. Das Fähigkeitsselbstkonzept beschreibt die Vorstellungen, die eine Person über die eigenen Studierfähigkeiten hat. Als Drittes werden mit der Fehlervermeidung und dem Erfolgsstreben motivationale Faktoren zur Erklärung des Arbeitsaufwands verwendet. In der Untersuchung wird der Datensatz einer Workload-Messung bei Soziologiestudierenden der Universität Leipzig aus dem Jahr 2014 benutzt. Der Einfluss der verschiedenen Persönlichkeitsmerkmale wird in Korrelations- und multivariater Regressionsanalyse untersucht. Es zeigt sich vor allem für die ­Fehlervermeidung ein Effekt. Für das Erfolgsstreben und das Fähigkeitsselbstkonzept sind die Ergebnisse ambivalent. Das Kontrollbewusstsein hat keinen Einfluss auf den Workload.

I. Windrich (*)  Universität Leipzig, Leipzig, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Großmann et al. (Hrsg.), Studentischer Workload, https://doi.org/10.1007/978-3-658-28931-7_4

89

90

I. Windrich

1 Einleitung Für das European Credit Transfer System (ECTS) der Europäischen Union spielt der Arbeitsaufwand von Studierenden eine wesentliche Rolle bei der Punktevergabe. ECTS Credits ergeben sich aus den für einen Studiengang definierten Lernergebnissen und dem zugehörigen Arbeitsaufwand (Europäische Union 2015, S. 10). Dadurch werden Studiengänge europaweit in ihren vermittelten Fertigkeiten und dem zugehörigen Workload vergleichbar gemacht. Hochschulabschlüsse mit derselben ECTS-Punktezahl repräsentieren denselben Arbeitsaufwand, der zur Erlangung des Abschlusses nötig war. Vorgesehen sind 60 ECTS Credits pro akademischem Jahr für ein Vollzeitstudium, was insgesamt 1500 bis 1800 Arbeitsstunden pro Studienjahr entspricht (Europäische Union 2015). Wie Berger und Baumeister (2016, S. 189) vorrechnen, ergibt sich daraus eine vorgesehene Wochenstundenzahl von 32 bis 40 h, je nachdem wie man Ferien und Feiertage einrechnet. Die Annahme, dass der Arbeitsaufwand zur Erlangung bestimmter Lernergebnisse für alle Studierenden gleich ist, ist jedoch stark idealisierend. Der tatsächliche Workload variiert sowohl zwischen verschiedenen Studienfächern als auch innerhalb eines Faches teilweise sehr stark. So lag im 13. Studierendensurvey der AG Hochschulforschung (Uni Konstanz) der mittlere Zeitaufwand für Studierende in den Sozialwissenschaften an Universitäten bei 25,6 h pro Woche für Universitäten und bei 24,1 h pro Woche an Fachhochschulen (Multrus et al. 2017). Ein ähnliches Ergebnis findet sich auch in der Studie von Blüthmann et al. (2006), wo für einen sozialwissenschaftlichen Bachelor-Studiengang eine mittlere Arbeitszeit von 21 h pro Semesterwoche gemessen wurde, wobei der Workload in der Vorlesungszeit im Schnitt bei 30 h pro Woche und in der Prüfungszeit sogar bei über 40 h pro Woche lag. Der mittlere Workload im Bereich Rechtswissenschaften lag beim 13. Studierendensurvey dagegen bei 34,7 Wochenstunden und für Medizin sogar bei 39,5 Wochenstunden (Multrus et al. 2017). Aber auch innerhalb eines Faches kann sich der Arbeitsaufwand von Studierenden unterscheiden. Wie Großmann und Engel in ihrem Beitrag in diesem Sammelband zeigen, wird der studentische Workload im Wesentlichen von drei Faktoren bestimmt. Erstens bilden die formalen Vorgaben vonseiten der EU oder der Kultusministerkonferenz und die daran orientierten Curricula den Rahmen. Zweitens spielen sozialstrukturelle Faktoren eine Rolle. So kann die soziale Herkunft den Arbeitsaufwand von Studierenden beeinflussen, aber auch, ob neben dem Studium familiären Verpflichtungen oder einer Erwerbstätigkeit nachgegangen wird (vgl. den Beitrag von Eva Vögtle in diesem Sammelband).

Der Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren …

91

­ rittens wird der studentische Workload von individuellen Faktoren beeinflusst, D wie etwa das mit dem Studium verbundene Berufsinteresse oder Prüfungsängste. Im Zuge des Bologna-Prozesses wurde die Frage nach der Qualität des Studiums ins Zentrum hochschulpolitischer Diskussionen gerückt. Hierbei geht es unter anderem um das Thema der Studierbarkeit, welches die Frage nach dem angemessenen Workload stellt, aber auch darüber hinaus geht (Steinhardt 2011). Wenn sich zeigt, dass der Workload von Studierenden nicht einfach nur von Studienordnungen vorgegeben werden kann, sondern von individuellen Persönlichkeitsmerkmalen abhängt, so könnte man überlegen, welche Konsequenzen dies für die Gestaltung der Lehre hat um die Studierbarkeit eines Studiengangs auch für verschiedene Persönlichkeitstypen zu gewährleisten. Auch im aktuellen ECTS-Leitfaden wird explizit darauf hingewiesen, dass ECTS Credits immer nur den typischen Arbeitsaufwand widerspiegeln „und dass bei einzelnen Studierenden der tatsächliche Arbeitsaufwand zum Erreichen der Lernergebnisse variieren kann“ (Europäische Union 2015, S. 10). In diesem Beitrag wird anhand einer Stichprobe von Leipziger Soziologiestudierenden der studentische Workload auf individueller Ebene untersucht. Die formalen Rahmenbedingungen und sozialstrukturelle Determinanten werden dabei weniger berücksichtigt. Es geht vielmehr um die Erklärung von Unterschieden im Arbeitsaufwand auf der Ebene der Persönlichkeit. Um diesen Aspekt genauer zu untersuchen werden drei klassische Konzepte aus der psychologischen Persönlichkeitsforschung herangezogen. Zunächst werden dazu die drei grundlegenden psychologischen Konzepte des Kontrollbewusstseins, des Fähigkeitsselbstkonzepts und der Motivation vorgestellt und Hypothesen zum Einfluss auf den Workload abgeleitet. Danach folgt ein Abschnitt zur Methodik der Erhebung, es werden das Erhebungsdesign und der Datensatz beschrieben. Zudem finden sich in Abschn. 3 Ausführungen zu möglichen Verzerrungen bei der Erhebung und insbesondere zur Operationalisierung der Variablen. Im empirischen Abschn. 4 werden deskriptive Aussagen zur Verteilung des Workloads getroffen. Anschließend werden die Hypothesen zunächst bivariat und schließlich in multivariaten Modellen getestet. Die Ergebnisse der empirischen Analyse werden in Abschn. 5 zusammengefasst und diskutiert. Zuvor muss jedoch definiert werden, was unter dem Workload verstanden wird. Mit studentischem Workload ist die Arbeitszeit gemeint, die zum Erreichen der Lernergebnisse im Rahmen des Studiums aufgewendet wird (vgl. Europäische Union 2015, S. 10). Besonders in sozialwissenschaftlichen Fächern wird erwartet, dass die Studierenden sich auch eigenständig mit gesellschaftlich und

92

I. Windrich

politisch relevanten Themen befassen. Wie Berger und Baumeister (2016, S. 188) erörtern, wäre der Workload aber zu unscharf definiert, wenn jede Zeitungsoder Buchlektüre neben dem studentischen Pflichtprogramm in die Bestimmung der Arbeitszeit mit einbezogen würde. Der hier untersuchte studentische Workload ist daher definiert als die Zeit, „die Studierende zum Besuch von Lehrveranstaltungen, zu deren Nach- und Vorbereitung, zum Lernen für Prüfungen, sowie zur Abfassung von Haus- und Qualifikationsarbeiten, inklusive der dafür notwendigen Lektüre, Recherche- und Forschungsarbeiten aufwenden“ (Berger und Baumeister 2016, S. 187).

2 Psychologische Erklärungsansätze In der Lehr- und Lernforschung wird unter anderem untersucht, welche persönlichen und sozialen Faktoren für das Lernverhalten und die schulische Leistung entscheidend sind. Beim Lernverhalten richtet sich dabei ein Teil des Interesses auf den Workload – also auf die für das Lernen aufgewendete Zeit und von welchen Faktoren ihr Umfang bestimmt wird. Es soll im Folgenden vor allem die Frage interessieren, welche Faktoren auf persönlicher Ebene Unterschiede im Workload von Studierenden erklären. Hierfür werden klassische psychologische Ansätze herangezogen und auf die Fragestellung angewendet. Was beeinflusst also wie viel Zeit Studierende in ihr Studium investieren? Eine erste Idee dazu lautet: je besser die Noten sein sollen, desto mehr Zeit wird investiert. Dieser Ansatz wird, wie wir sehen werden, unter dem Konzept des Erfolgsstrebens als motivationales Persönlichkeitsmerkmal erfasst. Es gibt aber zahlreiche weitere psychologische Ansätze, mit denen schulische Leistungen erklärt werden können. Im Folgenden werden daher drei der wichtigsten Theorien vorgestellt. Es werden entsprechende Hypothesen zum Einfluss auf den Workload abgeleitet und grundlegende Zusammenhänge zwischen den Theorien erläutert.

2.1 Kontrollbewusstsein Mit dem (akademischen) Kontrollbewusstsein wird ein psychologisches Konzept beschrieben, welches zentral für die Erklärung von Studierverhalten und Leistung ist (Perry et al. 2007). Eine grundlegende Arbeit dazu stammt von Julian Rotter (1966). Er beschreibt die zugrunde liegende Lerntheorie und erläutert die konzeptionelle Unterscheidung zwischen interner und externer Kontrolle. Die Grundidee

Der Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren …

93

der bei Rotter vorgestellten Lerntheorie besteht darin, dass Menschen Kausalhypothesen zwischen ihrem Verhalten und den Belohnungen (Rotter benutzt den verhaltenspsychologischen Terminus „reinforcement“) aufstellen und diese systematisch prüfen. Je nachdem, ob die Ursache der Belohnung im eigenen Verhalten oder außerhalb davon gesehen wird, spricht Julian Rotter von interner versus externer Kontrolle. Das entscheidende Kriterium zur Differenzierung zwischen den beiden Orten der Kontrolle („locus of control“) ist demnach die Kontingenzüberzeugung: „If the person perceives that the event is contingent upon his own behavior or his own relatively permanent characteristics, we have termed this a belief in internal control“ (Rotter 1966, S. 1). Aufgrund der Wahrnehmung eines Zusammenhangs zwischen dem eigenen Verhalten und Ereignissen, bildet eine Person Erwartungen darüber, welche Ereignisse in der Zukunft aufgrund ihrer Handlungen eintreten können und welche nicht. Diese Erwartungen werden immer wieder aufs Neue geprüft und durch den Erhalt von Belohnungen (Verstärkungen) gefestigt. Gefestigte Erwartungen aus Handlungs-Belohnungs-Sequenzen werden auf ähnliche Situationen verallgemeinert. Die aus der jeweiligen Situation zu erwartenden potenziellen Belohnungen bestimmen schließlich das Handeln der Person. Wird der Ort der Ursache der Belohnung nicht im eigenen Handeln, sondern als außerhalb davon identifiziert, so wird noch zwischen sozial-externaler und fatalistisch-externaler Kontrollüberzeugung unterschieden (vgl. Skinner 1996, S. 552). Bei ersterer untersteht die Ursache der Belohnung „powerful others“, während bei letzterer die Belohnung als glücklicher Zufall angesehen wird. Diese Schicksalsgläubigkeit wirkt sich, wie Rotter (1966) in einem Review mehrerer empirischer Studien erläutert, negativ auf die Erwartungen über zukünftige Belohnungen und damit auf das Lernverhalten aus. Leider ist das Konzept des Kontrollbewusstseins in der psychologischen Theorie und Forschung nicht eindeutig bestimmt. In ihrem Guide to Constructs of Control fasst Ellen Skinner (1996) insgesamt 111 Konstrukte unter einen gemeinsamen Definitionsrahmen. Sie unterscheidet die Ansätze insbesondere danach, ob die Betonung auf der Person selbst, den Mitteln zur Erzeugung der Wirkung oder auf der Wirkung liegt. Es würde an dieser Stelle den Rahmen der Arbeit sprengen auf die Unterschiede in den einzelnen psychologischen Theorien einzugehen. Es soll jedoch kurz auf eine wichtige Weiterentwicklung von Albert Bandura eingegangen werden. Beim Selbstwirksamkeitskonzept von Bandura (1977) liegt die Betonung nicht nur darauf, dass das Individuum einen Kausalzusammenhang zwischen dem eigenen Handeln und der Belohnung sieht, sondern sich auch der Mittel bewusst

94

I. Windrich

ist, also auch weiß wie das Handeln zur Belohnung führt. Bei Bandura werden individuelle Fähigkeiten ins Zentrum der theoretischen Konzeption gerückt, während es bei Rotter um den Ort der Kontrolle geht. Die Selbstwirksamkeitserwartung wird bei Bandura definiert als „the conviction that one can successfully execute the behavior required to produce the outcomes“ (ebd., S. 193). Geringe Kompetenzerwartungen führen zu Vermeidungsverhalten, vorzeitigem Aufgeben und negativen Affekten (vgl. Helmke 1992, S. 33). Damit liegt ein Bindeglied zum Fähigkeitsselbstkonzept (vgl. folgenden Abschnitt) vor. Im Vergleich zum Kontrollbewusstsein nach Rotter weist Bandura (1977, S. 204) darauf hin, dass eine Person auch dann eine niedrige Selbstwirksamkeitserwartung aufweisen kann, wenn sie den potenziellen Outcome als unter eigener Kontrolle betrachtet. Dies ist dann der Fall, wenn die Person zwar den Ort der Kontrolle bei sich sieht, aber sich selbst nicht die nötigen Fähigkeiten zuschreibt den Outcome zu erzeugen. In diesem Fall würde sie Anstrengungen zur Erreichung des Outcomes als nutzlos betrachten. Skinner et al. (1998) erklären und untersuchen den Einfluss des Kontroll­ bewusstseins auf das Lernverhalten und die schulische Leistung. Lernende mit niedrigem Kontrollbewusstsein bezweifeln ihre Kompetenz, wählen daher einfachere Aufgaben und setzen sich geringere Ziele. Sie haben Schwierigkeiten damit Probleme zu strukturieren und Lösungsschritte zu erarbeiten, und in Prüfungssituationen werden sie eher konfus und verlieren die Konzentration. Als Folge verringert sich ihr Arbeitsaufwand, sie erfahren eine kognitive Demotivation („cognitive demobilization“), werden entmutigt, niedergeschlagen und passiv (Skinner et al. 1998, S. 10 f.). Lernende mit hohem Kontrollbewusstsein dagegen suchen sich Herausforderungen und setzen sich hohe und konkrete Ziele. Sie formulieren gutstrukturierte Pläne, zeigen Initiative, betreiben hohen Aufwand und sind beständig. Herausforderungen wirken sich bei ihnen positiv auf Konzentration und Aufmerksamkeit aus. Sie sind insgesamt optimistischer, machen Zukunftspläne und unternehmen aktive Schritte, um mit Misserfolg umzugehen und mehr zu lernen (Skinner et al. 1998, S. 11). Studierende mit hohem akademischen Kontrollbewusstsein sind also der Überzeugung, dass der Erfolg ihres Studiums von ihren eigenen Handlungen abhängt. Sie streben damit stärker den Studienerfolg an und arbeiten mehr dafür. Damit lässt sich folgende Hypothese ableiten: (H1) Ein hohes (akademisches) Kontrollbewusstsein wirkt positiv auf den Umfang des studentischen Workloads.

Der Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren …

95

2.2 Fähigkeitsselbstkonzept Ähnlich der Forschung zum Kontrollbewusstsein ist auch die Selbstkonzeptforschung geprägt von Heterogenität der verwendeten Begriffe und „fehlende[m] Konsens über den Bedeutungsgehalt sogar bei wortlautidentischen Konzepten“ (Helmke 1992, S. 18). Unter einem Selbstkonzept sind ganz allgemein „Vorstellungen zu verstehen, die eine Person von sich selbst hat“ (Pekrun und Zirngibl 2004, S. 192). Zum Selbstkonzept gehören auch Bereiche, die mit dem Studium direkt nichts zu tun haben, wie das soziale, emotionale und körperliche Selbstkonzept. Die Einschätzung der eigenen Wissensbestände und Fertigkeiten in Bezug auf die Leistungsfähigkeit wird daher auch als akademisches Selbstkonzept bezeichnet (Helmke 1992, S. 22). Fähigkeitsselbstkonzepte sind demnach stets bereichsspezifisch konzeptualisiert. Eine Person kann etwa im Bereich Mathematik ein hohes Fähigkeitsselbstkonzept aufweisen, ihre Fähigkeiten im sprachlichen Bereich aber eher gering einschätzen. Von der Ausprägung des Fähigkeitsselbstkonzepts hängt die subjektiv erlebte Schwierigkeit der Aufgaben eines Studiums ab. Wie sehr eine Person sich für die Bewältigung des Studiums engagiert, wird von einer Anstrengungskalkulation (Helmke 1992, S. 31) bestimmt: Personen strengen sich nur für Aufgaben an, für die sie sich unter Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und der subjektiven Schwierigkeit Erfolg versprechen. Die Konzepte des Kontrollbewusstseins und des Fähigkeitsselbstkonzepts stehen theoretisch und empirisch in engem Zusammenhang. Eine Person, die der Ansicht ist, Kontrolle über zukünftige Ereignisse zu besitzen, muss die Mittel zur Herstellung des gewünschten Outcomes kennen und Zugang zu ihnen besitzen (Skinner 1996, S. 559). In Bezug auf das Studium bedeutet dies, dass Studierende sich dann mehr anstrengen, wenn sie eine höhere Wirksamkeitserwartung haben (vgl. Helmke 1992, S. 33). Dies impliziert, dass sie den Erfolg des Studiums unter eigener Kontrolle ansehen und eine positive subjektive Kompetenzüberzeugung haben, also von den eigenen Studierfertigkeiten überzeugt sind. Nun ist es denkbar, dass eine Person zwar ein hohes Fähigkeitsselbstkonzept, gleichzeitig aber ein geringes Erfolgsstreben aufweist. Sie weiß, wie sie ein bestimmtes Ziel erreicht, hat aber kein Interesse an der Umsetzung. In diesem Fall könnte keine Aussage darüber getroffen werden, wie sich die Überzeugungen von den eigenen Fähigkeiten auf den Workload auswirken. Albert Bandura (1989, S. 1176) weist jedoch darauf hin, dass ein hoher Glaube an die eigenen Fähigkeiten mit einer hohen Arbeitsmotivation und damit auch einem höheren Arbeitsaufwand einhergeht. Damit können wir folgende Hypothese formulieren:

96

I. Windrich

(H2) Ein hohes (akademisches) Fähigkeitsselbstkonzept wirkt positiv auf den Umfang des studentischen Workload.

2.3 Motivation Der motivationale Ansatz zur Erklärung von Lernverhalten nach Martin (Covington 1992, 2007) geht auf die „Need Achievement Theory“ von John Atkinson (1957, 1964) und David McClelland (1967) zurück. Kern dieser Theorie sind die beiden Motive Erfolg anzustreben und Misserfolg zu vermeiden. In der ursprünglichen Leistungsbedürfnis-Theorie nach Atkinson wurden die mit Erfolg und Misserfolg verbundenen Emotionen Stolz und Scham als Antrieb für Handlungen angesehen (Covington 2007, S. 664). Bernard Weiner (1974, 1976) nahm eine kognitive Neuinterpretation der Theorie vor, nach der nicht die mit Erfolg und Misserfolg verbundenen Emotionen, sondern die Bedeutung für das Selbstkonzept entscheidend das Handeln bestimmt. Die Leistungsmotivation ist damit ein „by-product of cognitive (rational) processes, and […] emotions such as shame and pride depend on the meaning (cognitions) that individuals attach to their successes and failures“ (Covington 1992, S. 72). Covingtons Ansatz nimmt zwei wesentliche Anpassungen der Leistungsbedürfnis-Theorie vor. Erstens legt seine empirische Forschung nahe (vgl. Covington 2007, S. 678), dass es sich bei den beiden Motiven Erfolg anzustreben und Versagen zu vermeiden nicht um Gegenpole einer Dimension handelt, sondern um zwei unabhängig voneinander existierende Dimensionen. Ob jemand eine starke Motivation hat, Erfolg anzustreben, beeinflusst also nicht, wie stark die Motivation ist Versagen zu vermeiden. Zweitens verknüpft er die Ansätze mit seiner Selbstwert-Theorie (vgl. Covington 1992, Kap. 4). Nach dieser ist für die Entstehung bestimmter Handlungsmotive entscheidend, welche Bedeutung ein Studierender seinem Erfolg oder Misserfolg bezüglich der eigenen Person und den eigenen Fähigkeiten zuschreibt. „In essence […] self-worth theory holds that school achievement is best understood in terms of attempts by students to maintain a positive self-image of competency, particularly when risking competitive failure“ (Covington 1992, S. 74). In Martin Covingtons Ansatz ergibt sich demnach ein vierpoliges Modell des Leistungsbedürfnisses, welches vier Idealtypen von Lernenden definiert (siehe Abb. 1). Entscheidend für die Erklärung von Lernverhalten ist hierbei die Bedeutung, die Erfolg oder Versagen für die Überzeugung von den eigenen Fähigkeiten und das damit verbundene Selbstwertgefühl haben. Das Fähigkeitsselbstkonzept spielt hier eine vermittelnde Rolle

Der Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren …

97

Abb. 1   Vierpoliges Leistungsbedürfnis-Modell nach Martin Covington (2007, S. 677)

zwischen der Motivlage und dem Selbstwert der Person. Betrachten wir die vier Idealtypen im Einzelnen. Das Studierverhalten des Überstrebers ist sowohl von Erfolgsstreben als auch von Fehlervermeidung geprägt. Das Besondere dabei ist, dass das Streben nach Erfolg dem Ziel dient Versagen zu vermeiden. Der Überstreber ist gehetzt von dem Gedanken keine Fehler zu machen und versucht Misserfolg dadurch zu vermeiden, dass er stets bestmöglichen Erfolg hat (Covington 1992, S. 89). Er konstruiert sich sozusagen sein eigenes Hamsterrad, in dem er von einem Erfolg zum nächsten rennt. Sein Workload ist daher typischerweise extrem hoch. Er lernt sehr viel, hat er hohe Studierfähigkeiten und ist von diesen überzeugt. Der Erfolgsorientierte ist im Gegensatz zum Überstreber entspannt. Studierende dieses Typs können ebenfalls viel und sind von ihren Fähigkeiten überzeugt, gehen jedoch mit Versagen gelassener und konstruktiver um. Fehler und Scheitern sind für sie ein Anreiz sich beim nächsten Mal etwas mehr anzustrengen (Covington 2007, S. 688). Der Erfolgsorientierte hat stärker ein

98

I. Windrich

intrinsisches Motiv am Lernen (vgl. Covington 2007, S. 685; sowie McClelland 1967, S. 46), während es dem Überstreber stark um die externen Anreize bei Belohnung und Versagen geht. Der Workload des Erfolgsorientierten ist daher auch eher moderat, er macht nicht übermäßig viel mehr als sein muss. Für den Fehlervermeider spielt Erfolg eine untergeordnete Rolle. Ihm geht es vor allem darum, nicht zu versagen. Aus der Atkinson‘schen Perspektive geht es ihm um die Vermeidung des Schamgefühls, das in Folge von Misserfolgen entsteht. Nach der Selbstwert-Theorie von Covington möchte der Fehlervermeider vor allem die Implikation des Versagens für das eigene Selbstkonzept und Fähigkeitsselbstkonzept vermeiden: „whenever there is no escaping failure, then at least students can try to avoid the implications of failing: that they are stupid and hence unworthy. This means that sometimes students may actually sacrifice their chances for success and settle for failure, if by doing so they can salvage a reputation for ability“ (Covington 1992, S. 74). Seine eher schwachen Studierfähigkeiten versucht der Fehlervermeider durch viel Arbeit auszugleichen. Generell kann für ihn keine eindeutige Vorhersage für den Workload gemacht werden, da es aus der Selbstwertperspektive eine weitere Möglichkeit für diesen Typ gibt sein positives Selbstbild aufrechtzuerhalten. Statt Versagen zu vermeiden, kann er auch die Implikation des Versagens vermeiden, indem er „Self-handicapping“ Strategien anwendet (Covington 1992, S. 85 ff.). Er behält sein Selbstwertgefühl, indem er sich zum Beispiel immer nur sehr einfache Herausforderungen oder indem er sich unschaffbar schwere Aufgaben sucht, sodass er seinen Misserfolg hinterher mit der Schwere der Prüfung rechtfertigt. Im Rahmen eines Studiums sind solche Strategien jedoch nur eingeschränkt umsetzbar, da Prüfungen vom Curriculum vorgegeben und für alle gleich sind. Es ist demnach eher ein hoher Workload für diesen Studiertyp zu erwarten. Studierende des fehlerakzeptierenden Typs haben eingeschränkte Studierfähigkeiten und haben dies verinnerlicht. Sie haben es aufgegeben Erfolg anzustreben oder auch nur Misserfolg zu vermeiden. Ihr Selbstwertgefühl schöpfen sie nicht mehr aus ihren Lernfähigkeiten oder Erfolgen beim Lernen für das Studium (Covington 1992, S. 102), sondern anderen Dingen, meist außerhalb des Studiums. Ihre Arbeitsmotivation und damit auch ihr Workload sind sehr niedrig (Covington 2007, S. 685). Für die beiden Motivationsskalen lassen sich demnach folgende Hypothesen über den Workload ableiten: (H3) Je stärker das Motiv des Erfolgsstrebens ausgeprägt ist, desto höher ist der studentische Workload.

Der Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren …

99

(H4) Je stärker das Motiv der Fehlervermeidung ausgeprägt ist, desto höher ist der studentische Workload.

3 Methodik Im Folgenden werden das Erhebungsdesign und die Durchführung der Arbeitszeiterfassung kurz beschrieben. Für weitere Details zur Erhebung sei auf Berger und Baumeister in diesem Sammelband verwiesen. Danach werden Aussagen zur Datenqualität getroffen und schließlich wird ausführlicher auf die Operationalisierung der psychologischen Variablen eingegangen.

3.1 Erhebung Als Untersuchungsgrundlage dient eine im Jahr 2014/15 am Institut für Soziologie der Universität Leipzig durchgeführten Pilotstudie zur Workloaderhebung. Es kam dabei die Tagebuchmethode zum Einsatz, die mittels Papiertagebuch und einer eigens entwickelten Softwareapplikation (App) für Smartphones umgesetzt wurde. Für die Erhebung trugen die Studierenden bis auf eine Viertelstunde genau in das Tagebuch oder die App die Tätigkeiten ein, denen sie gerade nachgingen. Um einerseits zu prüfen, ob andere Tätigkeiten wie Nebenjobs oder Hobbys den Workload für das Studium beeinflussen, und andererseits um die Datenqualität zu verbessern, wurde die Zeitverwendung in vier Hauptkategorien mit jeweiligen Unterkategorien erfasst. Die Hauptkategorien bestanden aus Präsenzveranstaltungen an der Universität, Selbststudium, Arbeit und andere Aktivitäten (Berger und Baumeister 2016). Beim Papiertagebuch waren die Kategorien auf eine aufklappbare Seite gedruckt und farblich unterschieden. Bei der App konnten die Kategorien einfach über den Touchscreen ausgewählt werden. Ergänzend zur Tagebuch-Erhebung wurde eine Befragung per Online-Fragebogen durchgeführt1. Es wurden dabei pro- und retrospektive Schätzungen des Gesamtworkloads erfragt und weitere individuelle Merkmale erfasst, etwa zur Finanzierung des Studiums, zur Studiensituation und zur Motivation (vgl. Berger und Baumeister 2016).

1An

der begleitenden Befragung konnten auch Studierende teilnehmen, die nicht an der eigentlichen Workloaderhebung beteiligt waren.

100

I. Windrich

Die Erhebung wurde zu zwei Zeitpunkten durchgeführt. Die erste fand im Sommersemester 2014 während der Prüfungszeit statt, die zweite mitten im Wintersemester 2014/15. Es wurden jeweils drei Wochen erhoben, wobei die Teilnehmer zufällig auf die ersten oder letzten beiden Wochen verteilt wurden. Auf diese Weise wurde der Workload über insgesamt 6 Wochen erfasst. Da alle Studierenden der Studiengänge B.A. und M.A. Soziologie in Leipzig angeschrieben und zur Teilnahme am Projekt eingeladen wurden, handelt es sich um eine Vollerhebung der Population der Soziologiestudierenden in Leipzig, welche jedoch von Ausfällen gekennzeichnet ist.

3.2 Datenqualität Obwohl durch Inzentivierung zur Teilnahme an der Studie angeregt wurde2, haben erwartungsgemäß nicht alle Studierenden teilgenommen. Die Ausschöpfungsquote für den Sommer 2014 liegt bei 42 %, die für die Erhebung im Herbst bei 39 % (Berger und Baumeister 2016, S. 212). Hierbei liegen aber nur für etwa 60 % der Teilnehmer auch vollständige Datensätze vor, was die Ausschöpfungsquote mit verwertbaren Fällen auf ein Viertel der Gesamtpopulation verringert. Die Workload-Erhebung enthält insgesamt n = 265 Fälle. Etwas mehr als die Hälfte davon (n = 153) haben sowohl an der begleitenden Online-Befragung als auch an der Zeiterfassung per Tagebuch teilgenommen, wobei 76 das Papiertagebuch und 77 die Smartphone-App verwendeten. Bei der Erhebung mittels App gab es anfangs technische Schwierigkeiten (dazu Berger und Baumeister 2016, S. 211), was vermutlich Ursache dafür ist, dass einige ungültige Fälle mit zu wenigen Einträgen vorliegen. Bereinigt um Fälle, die den Online-Fragebogen nicht oder nicht vollständig ausgefüllt haben (n = 14) und weniger als 11 Tagebucheinträge haben (n = 27), verbleiben n = 112 Fälle für die Untersuchung, von denen n = 74 das Papiertagebuch und n = 38 die App verwendeten. Da sich nicht alle Studierenden an der Studie beteiligten, ist es möglich, dass ein selection bias die Workloadmessung systematisch verzerrt hat. So ist denkbar, dass überwiegend motivierte und engagierte Studierende an der Erhebung teilnahmen, deren Workload im Schnitt höher liegt als der durchschnittliche Wert in der Gesamtpopulation. Nach Berger und Baumeister (2016, S. 191 ff.) sind

2Es

wurden mehrere Smartphones und Tablets über eine Tombola verlost.

Der Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren …

101

zudem Verzerrungen bei der Messung selbst denkbar. Es könnten Effekte sozialer Erwünschtheit aufgetreten sein, sodass die angegebenen Werte über dem tatsächlichem Workload-Niveau liegen. Außerdem sind Ermüdungserscheinungen denkbar, da über einen längeren Zeitraum regelmäßig genaue Angaben zur Zeitverwendung notiert werden sollten. Schließlich könnte die regelmäßige Messung Selbstevaluierungsprozesse angeregt und somit zu Anpassungen im Lernverhalten der Studierenden geführt haben, sodass die Erhebung selbst zu erhöhtem Workload geführt hat. Ausgehend von diesen möglichen Verzerrungen bei der Messung können wir davon ausgehen, dass der gemessene Workload den tatsächlichen in der Population eher überschätzt. Es zeigte sich zudem, dass das Erhebungsinstrument Einfluss auf die Messung hatte (vgl. Abschn. 4.1). Da bei der Messung mittels App die jeweilige Kategorie über das Menü ausgewählt und die Zeit automatisch erfasst wurde, könnte für diese Methode gegenüber dem Papierfragebogen eine höhere Validität der Daten erwartet werden. Wird die Validität jedoch mit der Zahl der Einträge gemessen, so zeigt sich eine bessere Datenqualität für den Papierfragebogen (vgl. Berger und Baumeister 2016, S. 215 f.). Bei der App lagen einige Datensätze mit zu wenigen Einträgen vor, welche somit als fehlerhaft eingestuft werden müssen.

3.3 Operationalisierung Über den Online-Fragebogen wurden mehrere Items erhoben, welche für die in diesem Beitrag betrachteten theoretischen Konzepte verwendet werden können (siehe Tab. 1). Das Kontrollbewusstsein wird mit einem Item operationalisiert, bei dem die Zustimmung zur Aussage „Ich mache mir oft Sorgen, ob ich mein Studium überhaupt schaffe.“ auf einer sechsstufigen Skala von 1 für „trifft nicht zu“ bis 6 für „trifft zu“ gewählt werden konnte. Die Aussage hat sicherlich auch eine stark emotionale Komponente, dennoch bringt sie zum Ausdruck, ob die Person den Erfolg des Studiums unter eigener Kontrolle sieht oder nicht. Um das Kontrollbewusstsein abzubilden wurden die Werte umgepolt. Für das Fähigkeitsselbstkonzept waren im Datensatz mehrere Items vorhanden, bei denen die Zustimmung ebenfalls auf einer 6er-Skala von 1 für „trifft nicht zu“ bis 6 für „trifft zu“ gemessen wurde. Inhaltlich erfassen die Items Konzentrationsfähigkeit, Lern- und Merkfähigkeit sowie Organisationstalent (siehe Tab. 1). Die fünf Items werden zur Abbildung des Fähigkeitsselbstkonzepts ungewichtet zusammengefasst. Die interne Konsistenz des so gebildeten Index weist mit einem Cronbachs‘ Alpha von 0,84 einen guten Wert auf.

102

I. Windrich

Tab. 1   Operationalisierung der unabhängigen Variablen Theoretisches Konzept

Operationalisierung

Kontrollbewusstsein

„Ich mache mir oft Sorgen, ob ich mein Studium überhaupt schaffe.“a

Fähigkeitsselbstkonzept

„Ich kann über längere Zeit konzentriert lernen und eine Arbeit zu Ende führen.“ „Mir fällt es leicht, fachbezogene neue Inhalte und Fakten zu lernen und zu behalten.“ „Ich kann meinen Lernstoff gut organisieren und einteilen.“ „Ich lasse mich beim Lernen leicht von anderen Dingen ablenken.“ a „Ich kann mich beim Lernen über eine längere Zeit anstrengen.“

Erfolgsstreben

„Mir ist es sehr wichtig, ein gutes Examen zu erreichen.“

Fehlervermeidung

„Inwieweit fühlen Sie sich in Ihrem Studium persönlich belastet durch …“ … „bevorstehende Prüfungen?“ … „zeitlichen Druck durch viele Prüfungstermine/Leistungsnachweise?“

aItem

wurde in die Richtung des theoretischen Konzepts umgepolt

Die motivationale Variable Erfolgsstreben kann über die Aussage „Mir ist es sehr wichtig, ein gutes Examen zu erreichen.“ abgebildet werden. Die Skala zur Messung der Zustimmung reichte bei diesem Item ebenfalls von 1 für „trifft nicht zu“ bis 6 für „trifft zu“. Für das Motiv der Fehlervermeidung stehen inhaltlich zwei Items zur Verfügung3: „Inwieweit fühlen Sie sich in Ihrem Studium persönlich belastet durch … bevorstehende Prüfungen?“ und „… zeitlichen Druck durch viele Prüfungsleistungen/Leistungsnachweise?“. Diese wurden ebenfalls auf einer sechsstufigen Skala mit 1 für „überhaupt nicht“ und 6 für „sehr stark“ gemessen. Für den Index zur Fehlervermeidung werden die beiden Items ungewichtet, per ­arithmetischem

3Inhaltlich

passten zudem zwei weitere Items zur Studiengangsevaluation: „Wie stark ist Ihr Soziologiestudium aus Ihrer Sicht charakterisiert durch … hohe Leistungsanforderungen?“ sowie „… Konkurrenz zu anderen Studierenden?“. Reliabilitätsanalysen sprachen jedoch gegen die Aufnahme dieser Items in den Index "Fehlervermeidung".

Der Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren …

103

Mittel zusammengefasst. In der Reliabilitätskontrolle zeigt sich für den so gebildeten Index ein zufriedenstellendes Cronbachs‘ Alpha von 0,774.

4 Auswertung Im Folgenden werden die Ergebnisse der Datenanalyse besprochen. Dazu werden zunächst Aussagen zur Verteilung des studentischen Workloads getroffen und strukturell oder technisch bedingte Einflüsse aufgezeigt. Anschließend werden die aus der Theorie hergeleiteten Hypothesen zunächst bivariat über Pearson-Korrelationen und anknüpfend multivariat anhand von OLS-Regressionsmodellen geprüft.

4.1 Verteilung des Workloads Da es sich bei der Arbeitszeit theoretisch um eine stetige Variable handelt, lässt sich ihre Verteilung als Kerndichte schätzen. Abb. 2 zeigt die Verteilung des studentischen Workloads als geschätzte Kerndichte, getrennt nach Geschlecht. Die Kurven verlaufen nahezu parallel, gleichwohl Frauen fast durchweg höhere Workload-Zeiten angaben. Im Mittelwert unterscheiden sich die Geschlechter jedoch nicht (t = −0,45; p = 0,65). Die erfasste Arbeitszeit pro Woche ist rechtsschief verteilt. Die Werte streuen zwischen 7,4 und 58,5 h, wobei der Mittelwert bei 24,3 h liegt. Dieser Wert bestätigt bisherige empirische Ergebnisse (Multrus

4Anzumerken ist an dieser Stelle, dass es sich nicht explizit um die Messung von Fehlervermeidung handelt. Bei dem zugrunde liegenden Datensatz handelt es sich um eine explorative Studie und die erhobenen Items wurden nicht explizit aus Theorien hergeleitet. Es ist aber plausibel davon auszugehen, dass ein Index aus der empfundenen Belastung und zeitlichem Druck durch Prüfungen als Proxy-Variable für die Dimension der Fehlervermeidung angesehen werden kann. Wie in Abschn. 2.3 erläutert, ist Misserfolg weder für den erfolgsorientierten Typ noch für den Fehlerakzeptierer von Bedeutung. Der erfolgsorientierten Typ hat eher eine intrinsische Motivation am Studieren und macht sich nichts aus Fehlern in Prüfungen, und der Fehlerakzeptierer hat sich mit Misserfolg in Prüfungen abgefunden. Beide sollten sich also eher wenig durch Prüfungen und Zeitdruck belastet fühlen. Umgekehrt fühlen sich Studierende, die auf der Fehlervermeidung hoch scoren, vom möglichen Versagen in Prüfungen getrieben (vgl. Covington 2007, S. 683). Dies gilt insbesondere für die Überstreber. In den folgenden statistischen Auswertungen wird daher von der Validität dieser Operationalisierung ausgegangen.

104

I. Windrich

Abb. 2   Kerndichte Workload

et al. 2017; Blüthmann et al. 2006). Für sozialwissenschaftliche Fächer wird häufig ein deutlich geringerer Wert als die administrativ vorgesehenen 32 bis 40 Arbeitsstunden pro Woche gemessen (vgl. Berger und Baumeister 2016, S. 190). Dazu sei aber auch angemerkt, dass Studierende der Sozialwissenschaften an Universitäten mit durchschnittlich 8,3 Wochenstunden den im Vergleich zu anderen Studiengängen höchsten zeitlichen Umfang für Erwerbstätigkeit aufweisen (Multrus et al. 2017, S. 23). Auch die Leipziger Soziologiestudierenden investieren im Schnitt 8,1 h pro Woche in studienbegleitende Erwerbstätigkeiten. In Tab. 2 sind die Verteilungen der Einflussvariablen Erhebungsinstrument, Studiengang und Geschlecht sowie zugehörige Mittelwerte und Standardabweichungen der erfassten Arbeitszeit aufgeführt. Für das Papiertagebuch liegen aufgrund der technisch bedingten Ausfälle bei der App mehr gültige Fälle vor. Da es zum Bachelorstudiengang deutlich mehr Zulassungen gibt als zum Master, studieren die meisten Teilnehmer im Bachelor. Außerdem ist der Anteil an Frauen größer als der der Männer. Im Wintersemester sind mehr als zwei Drittel der Studierenden, für die verwertbare Daten vorliegen, weiblich.

Der Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren …

105

Tab. 2   Workload in Stunden pro Woche nach Instrument, Studiengang, Geschlecht Erhebungszeitraum Sommersemester 2014 n Papier

36

% 78,3

Wintersemester 2014/15

Mittel

SD

n

33,0

13,6

38

% 57,6

Mittel

SD

20,6

7,7

App

10

21,7

20,7

10,4

28

42,4

19,4

11,2

Bachelor

40

87,0

31,2

14,1

51

78,5

19,7

8,9

Master

6

13,0

24,6

11,3

14

21,5

22,3

10,4

Männer

19

41,3

29,5

13,2

19

28,8

17,7

9,3

Frauen

27

58,7

30,9

14,5

47

71,2

21,0

9,2

Gesamt

46

100,0

30,3

13,9

66

100,0

20,1

9,3

Quelle: Workload-Erhebung; n = 112; eigene Berechnungen; Hinweis: beim Studiengang gibt es im Wintersemester einen Fehlwert

Beim Vergleich der Erhebungszeiträume (Tab. 2) erkennen wir einen deutlichen Einfluss auf den Workload. Der Mittelwert im Sommersemester liegt rund zehn Stunden über dem Mittelwert im Wintersemester (t = 4,68; p