Studenten und Politik 1918-1933: Der Fall Freiburg im Breisgau 9783666359521, 9783647359526, 3525359527, 9783525359525

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Studenten und Politik 1918-1933: Der Fall Freiburg im Breisgau
 9783666359521, 9783647359526, 3525359527, 9783525359525

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Studenten und Politik 1918—1933 Der Fall Freiburg im Breisgau VON WOLFGANG KREUTZBERGER

G Ö T T I N G E N · V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T · 1972

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

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ISBN 3-525-35952-7 © Vandenhoeck &Ruprecht, Göttingen 1972. - Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. - Satz und Druck: Guide-Druck, Tübingen. Bindearbeit: Hubert Sc Co., Göttingen

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

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Vorwort Die vorliegende Studie ist aus einer Dissertation an der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg i. Br. hervorgegangen. Die Anregung dazu verdanke idi Prof. Dr. Hans-Günter Zmarzlik, der die Entstehung mit viel Geduld verfolgt hat. Dank für nützliche Hilfe schulde ich den Beamten verschiedener Archive, besonders des Archivs der Universität Freiburg, des Generallandesarchivs Karlsruhe und des Bundesarchivs, Abt. Frankfurt. Freundliches Entgegenkommen bewies mir auch Dr. Albin Angerer vom Institut für Hochschulkunde, Würzburg. Den Herausgebern bin ich für die Aufnahme dieser Studie in ihre Reihe und für fördernde Hinweise verpflichtet. Das meiste aber schulde ich meiner Frau Christa, ohne deren Kritik und Ermutigung das, was die Arbeit an Wert besitzen mag, nicht zustande gekommen wäre. Erlangen, im Frühjahr 1972

Wolfgang Kreutzberger

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Inhalt ELinleitung

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I. Formen und Tendenzen der Einwirkung von Professoren auf das politische Bewußtsein der Studentenschaft 1. 2. 3. 4.

Politisdi engagierte Hochschullehrer Wissensdiaftsbegriff und Politik Akademisdi-patriotisdie Feiern Die Universität in der Republik

III. Die Sozialstruktur der Studentensdiaft und ihre politische Bedeutung

30 33 37 40 45 52

1. Statistischer Überblick 2. Herkunft und politisches Potential der Studentenschaft a) Herkunft aus der Beamtenschaft b) Die „mittelständisch“ geprägte Studentenschaft c) Freiberufliches Elternhaus d) Arbeiterkinder e) Frauenstudium f) Konfessionelle Struktur und Nationalsozialismus

52 62 63 64 66 68 69 71

IUI. Studentische Vereinigungen an der Universität: Zum politischen Bewußtsein der Akteure studentischer Politik

75

1. Rechtliche Grundlagen: „Akademisches Bürgerrecht“ und „Akademische Disziplin“ 77 2. Die Stellung der Universität zu den studentischen Vereinigungen . 78 3. Inhalte und Funktionen der Korporationserziehung 81 4. Die waffenstudentisdhen Verbindungen 83 a) Die Burschenschaften 83 b) Der Verein Deutscher Studenten 86 c) Die Corps 86 d) Die studentische Mensur 88 e) Der korporationsstudentische Antisemitismus 91 f) Der Hochsdiulring Deutscher Art 97 g) Die Großdeutsdie Studentengemeinsdiaft 101 5. Die Hochschulgruppe des Stahlhelm 103 6. Der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund 104 7. Die katholischen Verbindungen .114 8. Die parteipolitischen Gruppen der Mitte und Linken 118 7

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IV. Der Allgemeine Studentenausschuß: Studentenvertretung zwischen Hochschule und Politik 1. Tradition und Relevanz der studentischen Reformbewegung

127

. . .

127

2. Die hochschulpolitische Stellung des Studentenausschusses . . . . a) Zur Vorgeschichte des AStA b) Zur Struktur der Studentenvertretung c) Die Stellung des Studentenausschusses an der Hodischule d) Die Entwicklung eines hochsdiulpolitischen Konflikts 1931/32 . . . . 3. Das „politische Mandat“ der Studentenschaft a) Vorbemerkung b) Das politische Mandat im Selbstverständnis der Deutschen Studentenschaft c) Zur Entstehung der Freiburger Studentenschaftssatzung von 1926 . . d) Die Wahlen zum Studentenausschuß 1928—1932 e) Die Ausübung des politischen Mandats durch den Studentenausschuß . f) „Arbeitsdienst“ und „Wehrsport“ der Studentensdiaft

133 133 134 137 141 144 144

V. Der Epilog: Übergang ins J a h r 1933

145 148 153 160 166 171

Schlußbemerkungen

176

Verzeichnis der Abkürzungen

181

Anmerkungen

182

Anhang I : Die Satzungen der Freiburger Studentenschaft (Auszug) . . . .

225

Anhang I I : Literaturbericht zur Studentenschaftsgeschichte der Weimarer Republik

226

Quellen- und Literaturverzeichnis

233

Register

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Verzeichnis der Texttabellen Tab. 1: Gliederung der im SS 1928 in Freiburg Immatrikulierten nach dem Studienalter. Tab. 2: Verteilung der im SS 1928 in Freiburg Immatrikulierten nach Fachgruppen, Gesdilecht u. Konfession. Tab. 3: Die Frequenz der Universität Freiburg i. Br. vom WS 1918/19 bis zum WS 1933/34. Tab. 4: Die soziale Herkunft der Freiburger Studierenden deutscher Staatsangehörigkeit im SS 1928. Tab. 5: Die Gliederung der reichsangehörigen Freiburger Studentenschaft im SS 1928 nach Berufsgruppenherkunft. Tab. 6: Die studentischen Vereinigungen an der Universität Freiburg i. Br., Stand WS 1930/31. Tab. 7: Ergebnisse der AStA-Wahlen an der Universität Freiburg i. Br. 1919—1932. Tab. 8: Die Wahlen zum Studentenausschuß in den Jahren 1927, 1928, 1930 und 1931 (nach Abstimmungslokalen u. in % der abgegebenen Stimmen).

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S. 54 S. 55 S. 57 S. 59 S. 60 S. 76 S. 155 S. 157

Einleitung Die hier vorliegende Studie will an einem unauffälligen Beispiel — der Studentenschaft der Universität Freiburg i. Br. — Bedingungen, Erscheinungsformen und Entwicklungstendenzen des politischen Bewußtseins von Studenten in den Jahren der Weimarer Republik untersuchen. Von den Arbeiten, die bisher in der Bundesrepublik über die Weimarer Studentenschaft erschienen sind1, unterscheidet sie sich zunächst durch die Beschränkung auf eine einzelne Hochschule und damit durch den genaueren Blick auf das Milieu politischen Denkens und Handelns der Studentenschaft. Soll eine solche Untersuchung mehr als bloßes Komplement der betreffenden Hochschulgeschichte sein, soll sie nicht nur ein empirisches Defizit aufarbeiten, eine „Forschungslücke“ schließen, sondern exemplarischen Charakter haben — dann müssen ihre Ergebnisse so formuliert sein, daß sie allgemeinere Gültigkeit beanspruchen können. Dies in doppelter Richtung: einmal, indem sie der Anwendung bestehender Interpretationsmuster auf den konkreten Fall zu verdanken und damit jene zu verifizieren geeignet sind; sodann, indem an ihnen akzeptierte Maßstäbe der Bewertung aufs neue fragwürdig und damit der Präzisierung, Korrektur oder Totalrevision offen werden. Das Verständnis des Forschungsprozesses als einer eher kumulativ verfahrenden wissenschaftsinternen Bewegung muß in einer „kritischen Studie“ ergänzt und wohl auch berichtigt werden durch die Einsicht, daß Forschung aus einem sich jeweils erneuernden Zusammenhang von „Erkenntnis und Interesse“ hervorgeht. Sie ist insofern nicht nur individuell erbrachte Leistung, sondern durch die gesellschaftliche Lage der Forschenden ebenso bedingt wie durch die gesamte Organisation der gesellschaftlichen Verhältnisse und die Richtung ihrer Veränderung. Auf den folgenden Seiten soll diese These anhand einiger Grundmuster der Weimar-Interpretation erläutert werden. Einerseits soll auf die Abhängigkeit dieser Interpretation von einem in bestimmter Weise verarbeiteten Erfahrungshorizont der Bundesrepublik hingewiesen, zum andern auf ihre Konsequenzen für die Beurteilung der politischen Bedeutung von Hochschule und Studentenschaft eingegangen werden. Das kann nur stichwortartig und relativ abstrakt geschehen. Doch besteht der Nutzen dieses Vorgehens darin, daß gewissermaßen im Negativ die Bestimmung des historischen und normativen Bezugsrahmens vorbereitet wird, der dem Hauptteil dieser Arbeit — freilich nicht jeder Einzelheit — zugrunde liegt. Positiv sollen seine Kategorien sodann entfaltet werden durch die historisch rückgewendete Reflexion von Problemstellungen, welche die Entwicklung der Bundesrepublik in den letzten Jahren kritisch nahegelegt hat. Wie in diesem Rahmen die emphatische Verbindung von „Studentenschaft und Politik“ zu interpretieren ist und welche Probleme sich grundsätzlich und

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durch die Blickrichtung auf eine bestimmte Hochschule dabei ergeben, wird abschließend zu erörtern sein. Die meisten der bisher in der Bundesrepublik erschienenen Arbeiten zur Studentenschaftsgeschichte der Weimarer Ära entstanden vor dem Hintergrund einer stabilen, in ihrer demokratischen Legitimität kaum angezweifelten politischen Ordnung und einer trotz aller Reformrhetorik praktisch unangefochtenen traditionellen Hochschulstruktur. Die langjährige Wiederaufbaukonjunktur hatte — zumal im Vergleich mit dem Gegenbild des „Ostens“ — eine Identifikation von wirtschaftlicher Prosperität und „freiheitlicher Demokratie“ nahegelegt. So hatte sie auch eine unreflektierte Loyalität jenen politischen Eliten und Institutionen gegenüber begünstigt, die das auf die „pluralistische“ Verteilung des Sozialprodukts tendenziell reduzierte „Gemeinwohl“ verwalteten. Selbst oppositionellen Gruppen — wie sie sich in den ,single-purpose-movements' gegen die Wiederbewaffnung, die atomare Ausrüstung der Bundeswehr und die ersten Notstandsgesetzentwürfe artikulierten — galt es als ausgemacht, daß der Adressat des von ihnen zu erzeugenden öffentlichen Drucks das Parlament und das etablierte Parteiensystem sei. Der Zweck dieser Opposition war die Abwehr restaurativer Tendenzen in Teilen des Herrschaftsapparats, d. h. die Erhaltung des politischen und verfassungsrechtlichen Status quo. Nur einer Minderheit diente sie darüber hinaus zur Erinnerung an uneingelöste Möglichkeiten des Grundgesetzes (etwa des Art. 15) und der Verbesserung der Wahlchancen linker Splittergruppen, die sich als proletarische Alternativ- und Korrektivparteien zur immer konformistischeren SPD bereithielten. Im Windschatten dieser Konzentration politischen Denkens und Handelns auf den autoritär-wohlfahrtsstaatlich eingefärbten parlamentarischen Rechtsstaat befanden sich die gesellschaftlichen Basisinstitutionen. Die Forderung nach Demokratisierung der Zentren industrieller Produktion und der Ausbildungsstätten lag außerhalb des Blickfeldes einer Öffentlichkeit, deren „Strukturwandel“ damals noch akademisches Geheimwissen war2. So blieb auch die selbst nach Maßstäben wissenschaftlicher und technokratischer Effizienz unzureichende und überalterte Organisation der westdeutschen Universität innerhalb und außerhalb ihrer „Mauern“ weithin unbestritten, sie konnte jedenfalls von Reformansätzen, die zum geringsten Teil auf Demokratisierung zielten, nicht wesentlich berührt werden. Dies umso weniger, als das wirtschaftliche Wachstum bis Mitte der 60er Jahre noch ohne durchgängige und damit die Hochschulen intensiv einbegreifende staatliche Planung und Lenkung bestimmter Ausbildungserfordernisse zu erzielen war. Nichtsdestotrotz war die von den Hochschulen — und hier besonders den Universitäten — proklamierte Autonomie gegenüber partikularen politischen und gesellschaftlichen Interessen, die Behauptung einer unpolitischen Sphäre reiner Wissenschaft fiktiv. Eine starke verwaltungstechnische, rechts- und zum Teil fachaufsichtliche Abhängigkeit der Hochschulen vom Staat, ihre weitgehende Konformität gegenüber der quasioffiziellen Ideologie des „freien Westens“ und die vielfach erfolgende Einbindung ihrer Forschung in den Komplex staatlicher und privatwirtschaftlicher 10 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Interessen bildeten Elemente einer „Politisierung“, die von den Hochschulen nicht als solche wahrgenommen wurden. Denn unter diesen Begriff wurden primär die Erfahrungen der Hochschulen in der Endphase der Weimarer Republik und im „Dritten Reich“ subsumiert; Erfahrungen, die gefaßt wurden als terroristische Bedrohung und Zerstörung eines bis dahin im großen und ganzen intakten Bezirks wissenschaftlicher Rationalität und akademischer Gemeinschaft3. Diese hier nur äußert grob skizzierte Situation bestimmte weitgehend das Erkenntnisinteresse der westdeutschen Wissenschaft am Scheitern der Weimarer Republik 4 . Der Prozeß, der dahin geführt hatte, wurde wesentlich als Versagen eines „Regierungssystems“ gedeutet, dem es nicht gelungen war, den „Sinn“ seiner Institutionen — hier vor allem des Parlaments und der Parteien — einsichtig zu machen. Der ideologischen Verhärtung der Parteien und ihrer wie anderer auf die staatliche Politik einwirkenden Kräfte Unfähigkeit, Parlament und Regierung instrumentell „richtig“ zu gebrauchen, wurde es zugeschrieben, daß die Republik nicht durch einen ausgewogenen Pluralismus Stabilität, Effektivität und zureichende Befriedigung aller relevanten Interessen zu gewährleisten vermocht hatte. Eine statisch gedachte „Struktur der Demokratie“ präjudizierte die Analyse gesellschaftlicher Prozesse, deren antagonistischer Charakter nur insoweit in Rechnung gestellt wurde, als er sich institutionell, organisatorisch oder programmatisch auf die Verfassungsstruktur oder bestimmte Staatsaktionen beziehen ließ. Wohl wurden Kompromißhaftigkeit und innere Widersprüchlichkeit der Weimarer Verfassung erkannt und diese Tatsache — außer auf ihre „improvisierte“ Entstehung — auf die Fortexistenz traditioneller staatlicher und gesellschaftlicher Machtpositionen und -eliten zurückgeführt. Doch hatte die weitgehende Ausblendung der Bedingungen gesellschaftlicher Reproduktion aus der herrschenden politischen Theorie zur Folge, daß die Formen ökonomischer Herrschaft primär in Gestalt einseitig wirkender „Einflüsse“ im politischen „Raum“ ins Blickfeld traten und damit nur einen peripheren Bestandteil im allgemeinen Entwicklungsprozeß der Weimarer Republik bildeten, wie er von Bracher in der Kette Machtverschiebung-Machtverlust-Machtvakuum-Machtergreifung zu fassen versucht wurde. Gewiß wäre es ganz verfehlt, historisch relevante und fortab unentbehrliche Erkenntnisse gering zu achten, die in diesem Raster zutage treten konnten. Spiegelt der Formalismus, der es kennzeichnet, aber nicht zugleich etwas von dem für die Bundesrepublik konstitutiv gewordenen Pragmatismus, dem Fragen sozialer Beziehungen zwischen Menschen und ihrer Selbstbestimmung zunächst in ihrer Auswirkung auf politische Machtverhältnisse wichtig wurden? So war es denn kein Zufall, sondern eine durch diese Machtverhältnisse stets neu bestätigte Tradition, daß die am Beginn der ersten deutschen Republik stehende Revolution lange Zeit verdrängt wurde, genauer: dasjenige an ihr, was über eine bloße Neuverteilung der Macht hinausging und mit der Weimarer Verfassung veder ineins zu setzen noch durch sie „überflüssig“ geworden war5. Es wurde auf diese Weise nicht deutlich, daß die innenpolitische Linie einer formalen 11 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

„Mitte“, worin die Bundesrepublik an die Weimarer Koalition anknüpfte, von dem oft konstatierten „Mangel an Ausstrahlung“ des Weimarer Staates nicht zu trennen war. Statt den Widerspruch zu meinen zwischen den Versprechungen der Demokratie und den realen Entfaltungsmöglichkeiten, die sie für ihre Bürger hervorbrachte, zielte diese Bezeichnung auf die angebliche Unfähigkeit der Republik, durch symbolische Selbstdarstellung ihre Bürger emotional an sich zu binden. In solcher Betrachtung bleibt das, was als Pathos der Demokratie doch nur Werk einer sich zunehmend herrschaftsfrei reproduzierenden und auf gemeinsame geschichtliche Ziele hin verständigenden Gesellschaft sein könnte, eingebannt in die Aura des Staatlichen als einem aus sich selbst heraus sinnfälligen Bezirk politischer Werte und Institutionen. Auf ihn beziehen sich staatsbürgerliche Tugenden und Kenntnisse, deren Fehlen oder Abwertung im „antidemokratischen Denken“ man beklagt, in nicht grundsätzlich anderer Weise als unter konstitutionell-monarchischen Verhältnissen der treue Untertanensinn. Wenn Sontheimer in seiner schon klassisch gewordenen Studie6 unzweifelhaft geistesgeschichtliche Zusammenhänge, Tradition und innere Struktur des gesellschaftlichen Irrationalismus der Weimarer Rechten detailliert herauszuarbeiten vermochte, so griff doch das ideengeschichtliche Verfahren, aller „praktischen“ Intention des Verfassers unerachtet, zu kurz. Nicht das abstrakte Votum für oder wider den parlamentarischen Parteienstaat begründet das relative historische Recht politischen Denkens und Verhaltens, sondern seine in einer bestimmten historischen Situation konkretisierte Funktion für geschichtliche Ziele, die sich nicht-in der Erhaltung oder Beseitigung politischer Apparaturen erschöpfen. Als „antidemokratisch“ ist es zu bewerten auch nach Maßgabe jener Teilhabechancen, die der Staat und die jeweilige „private“, in Wahrheit politisch vermittelte Soziallage den Bürger wirklich einlösen lassen. Eine von Sontheimer nahegelegte historische Schlußfolgerung bleibt allemal bestreitbar: als sei nämlich das Scheitern der Weimarer Republik gewissermaßen die Summe aus den individuell antidemokratischen Attitüden ihrer Bürger gewesen. Diese These läßt ihnen die Ehre einer Selbstbestimmung, die in den objektiven sozialen Verhältnissen schwerlich eine Stütze besaß und von den liberal-demokratischen Verfassungsformen nicht weniger beschnitten als formal garantiert wurde. Es liegt nahe, anzunehmen, daß die hier kritisch berührten Aspekte der Weimar-Deutung Konsequenzen für die Beurteilung der politischen Rolle der Hochschulen und akademischen Intelligenz in der Weimarer Republik hatten. Richtiger wäre es wohl zu sagen, daß da, wo eine solche Beurteilung vor 1965 — selten genug — überhaupt versucht wurde, andere Deutungsmuster ausschieden, während die genannten Postulate „pluralistische Demokratie“ und „antidemokratisches Denken“ eher implizit Anwendung fanden. Erst mit der 1967 einsetzenden „Studentenrebellion“ gewann die These an deutlicherer Artikulation, daß „die Zerstörung des demokratischen Systems von Weimar in nicht geringem Maße auch in den deutschen Hochschulen und innerhalb der deutschen Studen12 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

tenschaft vorbereitet und vollzogen wurde“ 7 . Diese Verdeutlichung bezog sich allerdings eher auf Möglichkeiten aktueller Nutzanwendung gegen einen „linken Faschismus“ als auf die Klärung der spezifischen Vermittlungen zwischen Hochschule und Politik. Die gemeinte Verantwortlichkeit von Professoren und Studenten für die politische Entwicklung von Weimar stand nach wie vor nur zwischen den Zeilen der Beschreibung ihrer Mithaftung als staatsbürgerlicher Individuen für die Verbreitung antidemokratischen Denkens. Wie gerade das Denken dieser zahlenmäßig kaum ins Gewicht fallenden Gruppen mit der Durchsetzung der faschistischen Herrschaft in Deutschland zusammengebracht werden konnte, blieb dunkel. Suchte man den Zusammenhang — etwa was die radikalen völkischen Studenten angeht — in deren Bedeutung als präsumptiven Mitgliedern gesellschaftlicher Eliten, so war damit eher das Verhalten der akademischen Intelligenz im „Dritten Reich“ als ihr Beitrag zum Sturz der Weimarer Republik erklärt. Vernachlässigt oder unterbewertet mußte im EliteTheorem überdies die Tatsache bleiben, daß antidemokratisches Denken vielfach gerade dem Verlust oder der Herabstufung herkömmlicher bildungselitärer Positionen und ihres gesellschaftlichen Einflusses parallel ging. Es scheint daher beinahe, als habe die mit der Restauration der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik erfolgte Neubefestigung des akademischen Prestiges rückwirkend Erfahrungen eben dort in den Schatten gerückt, wo man ihrer durchaus selbstkritisch und in demokratischer Absicht habhaft zu werden versuchte. Ganz ähnlich scheint die eingangs für die Bundesrepublik festgestellte Diskrepanz zwischen politischer Demokratie und heteronom bestimmter Arbeit in den gesellschaftlichen Basisinstitutionen — bei deren gleichzeitiger abstrakter Verpflichtung auf „die“ Demokratie — Illusionen hinsichtlich des notwendig demokratischen Charakters von „geistiger Verantwortung“ oder „wissenschaftlicher Rationalität“ begünstigt zu haben8. Die Bestimmung ihrer konkreten gesellschaftlichen Vermittlung und Wirkungsweise und damit ihrer Konsequenz für Bestand oder Untergang der Weimarer Reput'ik mußte um so unnötiger erscheinen, als die Parallelität von „Vernunft“ und liberal-demokratischer Rechtsstaatlichkeit Weimarer Prägung ungeprüft unterstellt wurde. Folglich bildete in solcher Vorstellung der „Abfall von der Vernunft“ — Vernunft gefaßt als Summe rationaler „Spielregeln“ und Verhaltensmuster — das treibende Moment einer gesellschaftlichen Kettenreaktion, die in der Hochschule entweder ihren bedenklichen Anfang oder ihr katastrophisches Ende nahm. Außer Beachtung blieb dabei ein Doppeltes: daß die Hochschule weder ihrer sozial einseitigen Besetzung, noch ihren Sozialisationsformen und ihrem politischen Selbstverständnis nach jemals ein Vergleichsfeld zur Demokratie in ihrer idealen, auf herrschaftsfreie Kommunikationsformen und gesamtgesellschaftliche Bedürfnisbefriedigung zielenden Gestalt war; daß ferner die Verpflichtung der Hochschulen auf den bestehenden Staat von Weimar — statt auf die Aufgabe seiner demokratischen Verbesserung — kritische Rationalität verkürzt hätte um die Einsicht in jene Prozesse, welche die liberale Demokratie sozialökonomisch und nicht primär „geistig“ hinfällig werden lassen. 13 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Immerhin: die Behauptung, daß wissenschaftliche Rationalität und politische Demokratie eine Gleichung bildeten, bewahrte — wiewohl historisch unzutreffend —einen Anspruch, den es in kritischer Absicht festzuhalten gilt. Ihm entzöge sich eine Theorie, die Hochschule und Politik funktionalistisch scheidet und daher notwendig von der politischen Relevanz der bestehenden gesellschaftlichen Funktionszusammenhänge in Forschung und Ausbildung der Hochschulen absieht. Eine Kritik, die unabhängig von den Inhalten der Weimarer Studentenpolitik den Begriff der „Politisierung“ der Hochschulen ausschließlich mit der Vorstellung einer dadurch bewirkten irrationalen Durchbrechung sachgemäßer Arbeitsteilung besetzt, übersieht, daß Ziele und Kriterien der bisher betriebenen Wissenschaft im großen und ganzen von den herrschenden Motiven der gesellschaftlich herrschenden Gruppen definiert wurden und daher objektiv keineswegs unpolitisch waren. Zwar mag man zugeben, daß die Ignoranz der nationalsozialistischen Studentenbewegung gegenüber den in jeder modernen Gesellschaft zu erfüllenden Leistungsaufgaben der Hochschule, ihr mit den Hochschulfunktionen unvermittelter politischer Aktionismus das Beharren auf „politikneutraler“ wissenschaftlicher Rationalität als realitätsgerechtes Verhalten erscheinen ließen. Doch wäre damit das Problem nur verschoben, weil Wissenschaftsbegriff und Ausbildungspraxis der Hochschule, denen die Studenten passiv unterlagen, selbst mitverantwortlich für die „Fremd-Politisierung“ waren. Im halkyonischen Frieden, den die westdeutschen Hochschulen lange Jahre erlebten, blieb dieser Gesichtspunkt allerdings ohne praktische Dringlichkeit und damit auch die Erwägung, ob nicht das Maß bewußter Partizipation der wissenschaftlich Arbeitenden am Kontinuum gesellschaftspolitischer Entscheidungsvorgänge eine wichtige Voraussetzung dafür ist, daß ihren eigenen Intentionen und Bedürfnissen Rechnung getragen wird. Die hier ideologiekritisch bestrittenen Aspekte der Weimar-Deutung — historische Rückschlüsse aus für selbstverständlich gehaltenen Paradigmen über demokratische Leistung und Legitimität des bestehenden politischen Systems — wurden durch die Entwicklung der Bundesrepublik seit 1965 beträchtlich in Mitleidenschaft gezogen. Die Tatsache, daß die erste ernsthaftere wirtschaftliche Struktur- und Konjunkturkrise zur Aktivierung eines nicht unbeträchtlichen autoritär-neofaschistischen Potentials, kurzfristig zur Verabschiedung jeder nennenswerten parlamentarischen Opposition im Bundestag und längerfristig zu dessen relativer Entmachtung führte, zeigte die Kurzschlüssigkeit der bisherigen Regierungslehre in ihrer mehr institutionellen oder mehr gruppen-pluralistischen Fassung. Die „staatserhaltende“ Propaganda der NPD, Äußerungen führender Politiker der etablierten Parteien und Umfragen in der Bevölkerung bestätigten gleichermaßen die Richtigkeit von Adornos Wort, wonach das Fortleben des Faschismus in der Demokratie wahrscheinlicher und gefährlicher sei als eine erneute explizite Wendung gegen die Demokratie*. Auf jeden Fall erwies sich, daß ein Grundsatzkonsens der formal nach liberal-demokratischem Muster bestellten und kontrollierten Herrschaftseliten und ihr Konfliktspiel um Macht- und Sozialproduktsanteile nicht ohne weiteres als 14 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Garanten gesamtgesellschaftlicher Krisenfreiheit angesehen werden konnten und daß politische „Stabilität“ eher Folge denn Voraussetzung solcher Krisenfreiheit war. Die nun einsetzende technokratische Transformation der pluralistischen ratio, d. h. die Aggregierung ständig neuer Herrschaftsinstrumente für Zwecke präventiver ökonomischer und sozialpsychologischer „Vermeidungsstrategien“, erschütterte die gängige These, daß autoritäre Entwicklungen im politischen Apparat primär als Reaktion auf anti-institutionelle Massenbewegungen denkbar und als solche womöglich gerechtfertigt seien. Gewiß blieben Konfliktpotentiale zwischen politisch-administrativen und gesellschaftlichen (vor allem ökonomischen) Herrschafts- und Funktionsgruppen bestehen und bewirkten, sofern sie im einzelnen aktualisiert wurden, das Fortleben des Scheins pluralistischer Interessengegensätzlichkeit und -ausbalancierung. Doch berührten sie nicht die grundsätzliche Identität zwischen politischen und wirtschaftlichen Kadern hinsichtlich der Stabilisierung der eigenen Position und der Bindung politischer „Prioritätsentscheidungen“ an die Logik der kapitalistischen Ökonomie. Der in letzter Konsequenz noch immer klassengebundene Charakter der über die politischen Legitimationskanäle geleiteten gesellschaftlichen Interessen- und Bedürfnisbefriedigung erweist sich u. a. daran, daß die Einkommensverteilung und -entwicklung — selber Konsequenz einer Fülle anderer Ungleichheiten — nur wenigen erlaubt, sich den sozialen Kosten privater Gewinnmaximierung zu entziehen; die große Masse der Bevölkerung bleibt eingespannt zwischen tiefgreifenden Strukturdefekten gesellschaftlicher Koordination und Innovation im Großen und weitgehend auf Konsummöglichkeiten beschränkte Individualentschädigungen im Kleinen. Nicht zuletzt durch die antiautoritäre Studentenbewegung ist in einer breiteren Öffentlichkeit das Bewußtsein dafür geweckt worden, daß die Scheidung zwischen vorpolitischen, ademokratischen Bereichen und einem eigentlichen staatlichen Aktionsfeld mit demokratischen Legitimitätserfordernissen endgültig illusorisch geworden war. Doch hat eine gegenläufige technokratische Entpolitisierung, die mit Fetischen wie „Sachzwang“, „wirtschaftliches Wachstum“ u. ä. arbeitet, verhindert, daß die dadurch aufgeworfenen Probleme mit anderen als den vorgegebenen systemkonformen Maßstäben interpretiert und angegangen wurden10. Vor allem ist die Analyse der Ursachen und Intentionen der Studentenbewegung selbst und mit ihr auch die Frage nach dem Verhältnis von Hochschule und Politik diesem Horizont verhaftet geblieben. Dadurch, daß die systemkritische Dimension der Studentenbewegung, vor allem aber die innere Konsistenz ihrer Kritik am politisch-ökonomischen System der Bundesrepublik weithin . ignoriert wurde, war es möglich, den Protest entweder zu psychologisieren oder ihn als Resultat verspäteter technokratischer Reform der Hochschulen zu qualifizieren. Im ersten Fall erschien die Studentenbewegung als ohnmächtige, durch den Generationenkonflikt freilich subjektiv verschärfte Rebellion gegen angeblich sachgesetzliche Notwendigkeiten der „Industriegesellschaft“ und die mit ihrem Konkurrenz- und Leistungsdruck einhergehenden psychischen Versagungen. Je mehr dem Protest damit eine eigene Legitimität abgesprochen wurde, 15 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

desto mehr mußte doch den Sozialisationsinstitutionen und den politischen Apparaten zur Aufgabe gemacht werden, seine Dimensionen durch frühzeitige Isolierung, Kanalisierung und Entschärfung in systemkonformen Grenzen zu halten. Gerade die „widersprüchliche, historisch obsolete Binnenstruktur der deutschen Universitäten“ (Kadritzke) mußte aber als denkbar ungeeignet erscheinen, die Anpassung an vorstrukturierte Leistungserfordernisse in den Bürokratien und Produktionszentren der spätkapitalistischen Gesellschaft zu erleichtern. Die unklar gebliebenen Schibboleths der Nachkriegsuniversität — „Autonomie“, „Einheit von Forschung und Lehre“, „Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden“ — mußten beseitigt, zugleich mußte auf die Überfüllung der Hochschulen, die Verlängerung der Studienzeiten, die Orientierungslosigkeit und Rückständigkeit des Lehrangebots und die dysfunktionalen Konsequenzen professoraler Selbstherrlichkeit eine Antwort gefunden werden. Zu Beginn der Studentenbewegung Mitte der sechziger Jahre meinte man mit Vorliebe, die Protestursache in eben dieser Hochschul- und Studienstruktur erblicken und mit ihr erledigen zu können. Erst als sich herausstellte, daß gerade die Tendenzen technokratischer Reform der Universitäten — administrative Verkürzung der Studienzeit, inhaltliche Reglementierung der Studiengänge, politische Disziplinierung der Studentenvertretung und -gruppen — die konfliktauslösenden Momente bereitstellten, trat die These vom technologiefeindlichen, utopisch-anarchistischen Charakter der Studentenbewegung in den Vordergrund. Zugleich häuften sich die Versuche, den Protest als Werk machtbesessener elitärer Minderheiten oder als Ausgeburt abstiegsbedrohter Abkömmlinge des Bildungsbürgertums erscheinen zu lassen und damit den herrschaftsbestimmten Charakter des gesellschaftlichen Systems ebenso wie die allgemeine, nicht auf die philosophischen Fakultäten beschränkte Funktionalisierung wissenschaftlicher Ausbildung zu verleugnen. Unbestreitbar hat der einsetzende Rationalisierungsdruck vor allem für das Studium in der philosophischen Fakultät die weitestreichenden Konsequenzen gehabt und dort das größte Potential auch jugendspezifischer Sensibilität in Bewegung gebracht. Das nie grundsätzlich widerrufene, wenngleich historisch meist folgenlose Humboldtsche Modell der lebenspraktischen kritisdien Funktion von Wissenschaft wirkte sich nun zumal für Studenten der philosophischen Fakultät dahingehend aus, Herrschaftsverhältnisse und politische Entscheidungen der wissenschaftlichen und demokratischen Legitimationskontrolle zu unterwerfen. Familiäre Sozialisationsbedingungen, die eine hohe Studienmotivation und eine relativ geringe Statusaspiration begünstigten, wiesen in die gleiche Richtung. Die in der Studentenbewegung entwickelten Formen expressiver Diskussion und Aktion begünstigten Gefühle personaler und kollektiver Selbstverwirklichung und damit das Bewußtsein, Gegenmodelle zu herrschaftstechnisch motivierten Isolierungs- und Entpolitisierungsstrategien entwickeln zu können. So wenig also die alte Universitätsstruktur an sich, sondern erst der technokratische Eingriff in diese den Protest hervorgebracht hat, so wenig ist er durch 16 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

den Entzug von Privilegien und liberalen Freiheiten der Studentenschaft und die damit einhergehenden psychischen Belastungen allein zu erklären. Seine spezifischen politischen Inhalte erfuhr er erst durch die beobachtete Diskrepanz zwischen der liberal-demokratischen Legitimationsgrundlage und der realen Entwicklungstendenz von Politik und Gesellschaft in der Bundesrepublik. Über die liberale Kritik an Rückständen des deutschen Obrigkeitsstaates, wie sie sich etwa in der Minderbewertung der Opposition oder der Praxis der Konfliktverschleierung festmachen ließen, drängte die Studentenbewegung hinaus durch die Erfahrung des internationalen Charakters sowohl ihrer selbst wie der gesellschaftlichen Involutionstendenzen. Besonders die Befreiungsbewegungen der „Dritten Welt“ wurden für die Studentenbewegung zum Zeichen dafür, daß traditionelle Politik unterdrückten Völkern nur in Gestalt der Repression und Ausbeutung begegnet und daß ihr nur durch die Konstituierung eines revolutionären geschichtlichen Subjekts Einhalt zu gebieten ist. Die durch objektive Umstände auf den Protest beschränkte Solidarisierung mit den Sozialrevolutionen der Dritten Welt wie auch mit den Lohnabhängigen des eigenen Volkes hatte daher im Kern den Zweck, gegen die statischen Rituale formaldemokratischer Prozesse das Bewußtsein ihrer historischen Relativität zu mobilisieren“. Es ist Lier nicht der Ort, auf problematische Aspekte und Wirkungen der antiautoritären Studentenbewegung einzugehen, die der diffusen Vielfalt in sie eingehender Motive, aber auch den Reaktionsweisen der gesellschaftlich herrschenden Gruppen zu verdanken waren. Wichtig bleibt, festzuhalten, daß gerade ihre politisch bewußtesten Teile den Vorwurf des „Linksfaschismus“, der gegen sie erhoben wurde, am wenigsten rechtfertigten12. Die herrschaftstechnische Funktion dieses Vorwurfs war schwerlich zu übersehen: vor der angeblichen Gefahr einer Diktatur elitärer Minderheiten wurde die passive Identifikation mit der „demokratischen Mitte“ bereits zum ausreichenden Beweis demokratischen Verhaltens. Doch schloß das nicht aus, daß gerade liberale Kritiker ernstlich in mehr oder minder militanten Demonstrationen, Aktionen und Spielregel-Durchbrechungen die Einbruchstelle für Anarchismus, Faschismus und Barbarei erblickten. Rechtliche Ordnungen und politische Institutionen erschienen diesen Kritikern als abgelöst von ihren historischen Entstehungsbedingungen und formalisiert zu einem Regelsystem von derart unverbrüchlicher Geltung, daß jeder inhaltlich bestimmten Opposition die Grenze ihrer Legitimität mit der Fassungskraft dieser Regeln gesetzt war. Nicht die mit Hilfe der Regeln tabuisierten Grundlagen der autoritären Entwicklung durften angegriffen werden, sondern nur offenkundige, durch wen auch immer erfolgende Regelverletzungen, gegen die umso starrer am Geltungsanspruch des Rechtsstaats und der demokratisch-parlamentarischen Verfahrensweisen festzuhalten war. Selbst wo die inhaltlichen Ziele der außerparlamentarischen Opposition als genuin demokratisch anerkannt wurden, waren die Methoden ihrer Artikulation und Durchsetzung dem Vorwurf ausgesetzt, aufs neue Weimarer Verhältnisse zu schaffen und dem Faschismus den Boden zu bereiten. Ein völlig undifferenzierter Begriff von Gewalt und die abstrakte Ablehnung der Gewalt unter allen denkbaren 17 2

Kreuzberger, Studenten und Politik

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Umständen führte zur Identifikation sozialistischer Minderheiten mit gewissen Frühformen des Faschismus. Die Politikern und Publizisten geläufige Gleichsetzung von „Rot und Braun“, die These, daß Rechts- und Linksradikalismus sich stets gegenseitig „hochschaukelten“, wies als vermeintlicher Erfahrungssatz der Weimarer Epoche in ähnliche Richtungen13. An den Hochschulen selbst war es vornehmlich die Furcht vor der „Politisierung“, die zu solchen Gleichungen führte. Daß man im SDS und seinen Sympathisanten unter Vernachlässigung aller ideologisch konträren Positionen und anderen Differenzen den NSDStB wiedererstanden und an ihm die noch „unbewältigte Vergangenheit“ nachholen zu müssen glaubte, paßt ins Bild einer historischen Legende, deren diskriminierender Effekt nur allzu offenkundig war. Indem sich „wertfreie“ Wissenschaft zum einzig konsequenten Gegner des Faschismus stilisierte, wurden durch sie die sozialistischen „Ideologen und Utopisten“ in die Nähe des wissenschaftsfeindlichen Faschismus gerückt14. Vielfach kurzschlüssige Abwehrpolemiken, die sich aller beanspruchten Wertfreiheit zum Trotz durch die Vermischung empirischer Prüfung und politisch wertender Interpretation auszeichneten, ignorierten, daß es sich bei den Aktionen der Studentenbewegung und ihrer Begründung gerade um den Versuch einer Gegenpolitisierung zu der vorgängigen politisch-ökonomischen Funktionalisierung der Hochschulen handelte. Die Integration von wissenschaftlicher Forschung und Ausbildung in den Produktionsprozeß sollte nicht naturwüchsig, d. h. vorstrukturiert durch die gegebenen Herrschaftsverhältnisse erfolgen, sondern an die Reflexion der privatwirtschaftlichen Ausrichtung und politischen Vermitteltheit dieses Prozesses gebunden werden. Wenn somit die politischen Frontstellungen in der Bundesrepublik in der zweiten Hälfte der 60er Jahre die kritische Revision des Demokratiebegriffs nur bei einer Minderheit zuließen und das liberale Bezugsmodell trotz der eingetretenen Veränderungen als Legitimationsbasis erhalten blieb, so war doch die Sensibilität für Probleme der Interdependenz politischer und gesellschaftlicher Prozesse entschieden gewachsen. Insbesondere mußte sich jedem, der die Dialektik von Studentenprotest und gesellschaftlich-politischer Entwicklung selbst erfahren hatte, die Frage stellen, ob Bonn nicht insofern Weimar sei, als auch damals antiparlamentarische Bewegungen und liberal-demokratische Herrschaftsform in unlöslichem Zusammenhang standen. Wer die Formalisierung demokratischer Prozesse, d. h. ihre Abschirmung vor gesellschaftlichen Grundkonflikten, als Ursache für die Polarisierung radikaler Bewegungen gegen die parlamentarische Demokratie und für deren autoritäre Transformation ansah, dem mußten historische Deutungen von Weimar fragwürdig werden, die aus dem Untergang der Republik im Faschismus die Apologie ihrer Existenz als parlamentarischer Demokratie herleiteten. Er konnte die Verantwortung für die Heraufkunft des Faschismus nicht allein bei den irrational revoltierenden Mittelschichten, der linken Systemopposition oder gar verdinglichten und isolierten „Faktoren“ wie dem Versailler Frieden, der Inflation, der Wirtschaftskrise oder dem greisen Hindenburg suchen, sondern mußte das durch die liberale 18 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Demokratie definierte Verhältnis von Politik und Ökonomie in die Analyse einbeziehen. Dies in Umrissen zu versuchen, um damit einen Bezugsrahmen für die Interpretation des Verhältnisses von Student und Politik zu gewinnen, soll im folgenden die Aufgabe sein15. Die deutsche Geschichte kennt nicht die demokratische Revolution der Nation, sondern nur eine Folge von „Revolutionen von oben“, die teils der Modernisierung, teils — vermittelt über das erste — der Stabilisierung gegebener Herrschaftspositionen dienten. Die Merkmale der „Verspätung“ der deutschen Verhältnisse vermochten sie nicht zu beseitigen, sondern jeweils nur auf neuer Stufe zu reproduzieren. Das Kaiserreich war gekennzeichnet durch den grundlegenden Widerspruch, der zwischen Höhe und Beschleunigung der industriellen Entwicklung und der Rückständigkeit der politischen Herrschaftsform bestand. Im Unterschied zu den früher zur Reife gelangten Nationalstaaten bürgerlichen Charakters war das Parlament auf die formelle Kontrolle einer Verwaltung beschränkt, die fest in der Hand der junkerlichen Kaste geblieben war. Diese verteidigte mit Hilfe ihrer Verfügung über den Staatsapparat eine ökonomisch brüchige Position und wurde dabei — seit der „zweiten Reichsgründung“ 1878/ 79 — von der für die militärischen Grundlagen des Staates unentbehrlichen Schwerindustrie unterstützt. Die städtischen Mittelschichten waren zwar Nutznießer und loyale Stütze dieses semi-absolutistischen Staates, bildeten aber gegenüber den oppositionell gesinnten, in geschlossenen Milieus lebenden Teilen des Volkes mit sozialistischer und katholischer Gesinnung eine zu schmale Basis politischer Legitimität. Die Folge war eine Hypertrophie des repressiven, in Bürokratie und Militärwesen repräsentierten Staatsapparats, der sich nur im Zusammenhang mit sozialimperialistischen Funktionen zu rechtfertigen vermochte. Der von diesem im Verein mit der hochkonzentrierten Industrie betriebene Imperialismus entbehrte aber der Grundlage in einem Nationalbewußtsein, das den Staat als sein Produkt und mithin als Ausdruck freiheitlicher Selbstbestimmung betrachten konnte. Die Niederlage dieses Imperialismus im Ersten Weltkrieg bewirkte daher zunächst das plötzliche und beinahe lautlose Verschwinden des imperialen Herrschaftsapparats, obgleich doch die politischen Träger der Opposition lange vor 1914 Tendenzen zur Einfügung in den gegebenen staatlichen Rahmen gezeigt hatten. Wiewohl der Krieg die bis dahin grundsätzlich anerkannten rechtsstaatlichen Tabuschranken kapitalistischer Verkehrswirtschaft durchbrochen und der diskriminierenden Ausnahmebehandlung breiter Volksmassen ein Ende gesetzt hatte, gelang es der Revolution nicht einmal, die bürgerliche Demokratie in konsequenter Fassung durchzusetzen. In Fortführung der Burgfriedenspolitik von 1914 und der im Herbst 1918 eingeleiteten Parlamentarisierung von oben betrieb die SPD eine Koalitionspolitik, die — im Interesse ihrer bürgerlichen' Partner — sowohl die administrativen und militärischen Führungskader der Vergangenheit weitgehend unangetastet ließ als auch staatliche Eingriffe in die Zentren ökonomischer Herrschaft verhinderte. Daß die Sozialdemokratie bürgerlichen Ordnungsbildern verhaftet und daher 19 2·

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unfähig war, ihre in der ungewollten Revolution manifeste Machtposition für erste Schritte zur bewußten Beherrschung des Staats- und Wirtschaftsapparats einzusetzen, war freilich nur ein Grund dafür, daß mit der Demokratie von Weimar eine konservative, gemessen am sozialökonomischen Entwicklungsstand anachronistische Form politischer Herrschaft etabliert wurde. Ein hochentwickelter Industrie- und Verwaltungsstaat war nicht ohne revolutionäre Konzepte zu erobern, die der Komplexität und Verflechtung von Staat und Gesellschaft Rechnung trugen. Der deutschen Arbeiterbewegung fehlten dazu 1918 sowohl das Konzept wie eine entsprechende Organisation und die personellen Resourcen. Die Sozialdemokratie als ihre traditionelle politische Vertretung unternahm allerdings auch nidits, um die Entwicklung solcher Bedingungen zu fördern; im Vertrauen auf die parlamentarische Durdisetzung ihrer Ziele zerstörte sie sogar die Ansätze, die in den Arbeiter- und Soldatenräten und der Betriebsräteorganisation zutage traten. Tatsädtlidi — und vorhersehbar — war in der Nationalversammlung keine Mehrheit für die versäumten revolutionären Maßnahmen zu finden. Sie ratifizierte lediglidi eine Reihe grundlegender Kompromisse zwischen Sozialdemokratie und Heer, Gewerksdiaften und Unternehmern, Parteien und Bürokratie, Reichs- und Länderbürokratien, schließlidi innerhalb der „Weimarer Koalition“ selbst. Soweit die Zusammensetzung der Nationalversammlung noch die politische Stärke der sozialistischen Parteien reflektierte, resultierten daraus zwar sozialstaatliche Programmpunkte der Verfassung, die aber insofern bloße Versprechungen bleiben mußten, als bereits das Zustandekommen der Verfassung die Festigung des gesellsdiaftlich-ökonomisdien Status quo signalisierte. Nachdem der Versailler Friede nicht nur dem deutsdien Kapitalismus die imperialistische Basis entzogen, sondern auch fühlbare Eingriffe fremder Mächte in die innerdeutschen Verhältnisse ermöglidit hatte, bildete das verletzte Nationalgefühl die ideologische Basis, auf der sich die alten Mächte mit denjenigen bürgerlidier Sdiichten treffen konnten, die bei Kriegsende nodi bereit gewesen waren, sich neuen Zielen zuzuwenden. Nunmehr begannen sie, die Niederlage im Krieg und den spürbaren Wedisel ihrer Lebensbedingungen als Folge statt als Ursache des Systemwedisels anzusehen und die ohne konsequente Linie operierende SPD als die eigentliche „Systempartei“ zu betrachten. Das gab den reaktionären Kräften in Verwaltung, Militär, Industrie und Großgrundbesitz den Mut zu mehreren, allerdings verfrühten Versuchen, das Rad der Entwicklung zurückzudrehen, d. h. politisdie Verfassung und ökonomisdie Herrschaftspositionen wieder bruchlos einander anzupassen. Soldie Versudie wurden begünstigt durch die putschistisdie Taktik der KPD, welche die in der Revolution eingetretene Spaltung der Arbeiterbewegung vertiefte. Das Ergebnis der Periode von 1920 bis 1923 war, daß es der Arbeiterbewegung zwar nidit gelang, von der politisdien zur ökonomisdien Demokratie fortzuschreiten, daß aber umgekehrt auch ihren Gegnern versagt blieb, die politisdie Macht ausschließlich an das Interesse der ökonomisdi Herrschenden zu binden. Die Struktur des „pluralistischen“ Interessenkompromisses, der sich seit 20 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

1924 für die folgenden Jahre überwiegender Konjunktur herausbildete, garantierte die relative Befriedigung der organisierten und organisationsfähigen Interessen von Kapital und Arbeit; sie vermochte aber nicht, die im Krieg und in der Inflationsphase radikal zerstörte materielle Basis der städtischen Mittelschichten zu erneuern. Deren Interessen waren zwar in Gestalt der bürgerlichen Parteien im Parlament repräsentiert, ohne doch einen entsprechenden Einfluß auf die sich tendenziell verselbständigende Bürokratie ausüben zu können. Der wachsende Interventionismus der staatlichen Bürokratie blieb an die in dieser Phase wesentlich durch Konzentration und Rationalisierung gekennzeichneten kapitalisischen Verwertungsbedingungen gebunden und befriedigte daher am wenigsten die Bedürfnisse der städtischen und agrarischen Kleinproduzenten, die auf subventionierende Maßnahmen des Staates am dringlichsten angewiesen waren. Die Schaffung wirtschaftlicher Splitterparteien auf Kosten der bestehenden, stark interessendifferenzierten bürgerlichen Parteien, stellte den ohnmächtigen Versuch dar, ein Gegengewicht zu den Einflußkanälen zu schaffen, mit deren Hilfe Großindustrie und Großgrundbesitz sich gegenseitig stützten und die Richtung politischer Entscheidungen zu bestimmen suchten. Insofern bildete die Periode der Stabilisierung die Inkubationsphase des faschistischen Potentials, für das sich der kleine, aber organisatorisch stabile Partei- und Wehrverband der NSDAP bereithielt. Auch für die Parteien der „Weimarer Koalition“ blieb die Scheidung der im Parlament repräsentierten Interessendemokratie von einer im Kern antidemokratischen Exekutive nicht ohne Folgen. Bei ihnen, die schon frühzeitig ihre Hoffnung auf die selbstwirkende Kraft des Rechts, der Sozialreform und der Erziehung gesetzt und dabei im einzelnen nicht wenig geleistet hatten, verstärkte sich die Tendenz zu konservativer Wahrung des errungenen politischen Besitzstandes, zur bürokratischen Heiligung der Organisation, zur Oligarchisierung und schließlich zur nationalen Parole als dem kleinsten gemeinsamen Nenner, mit dessen Hilfe Frustrationen der Anhänger auf vermeintlich allseitig nützliche Weise kanalisiert werden konnten. Tatsächlich wurde aber damit nur die innenpolitische Stellung der Reichswehr gestärkt und die innenpolitische Manipulation des Versailles-Komplexes, wie sie in der einseitigen Verquickung der ökonomischen Probleme Deutschlands mit den Reparationslasten in Erscheinung trat, gefördert. Je mehr die 1929 einsetzende Krise die ökonomische Aktionsfähigkeit der Klassen schwächte, je schärfer die Interessendivergenzen zwischen Groß- und Kleinproduzenten, zwischen verschiedenen Produktionszweigen, zwischen Gläubigern und Schuldnern, Besitzenden und Lohnabhängigen, Lohnempfängern und Arbeitslosen in den verschiedenen Parteien sich gestalteten, desto stärker mußte das Gewicht „nationaler“ Organisationen wie der Wehrverbände und der diktatorischen Exekutive werden. Insbesondere im Bürgertum, dessen Parteien ihre Massenbasis am schnellsten verloren bzw. ihre Aktionsfähigkeit durch die Heterogenität der von ihnen repräsentierten Interessen einbüßten, mußte das Parlament als entscheidungsun21 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

fähiger „Interessentenhaufen“ an Gewicht rapide verlieren und der Ruf nach dem „starken Staat“ lautwerden. Sah die Großbourgeoisie im Parlament in erster Linie den Ausdruck der Störung ihres eigenen Interesses durch das Klasseninteresse der Arbeiterschaft, so bedeuteten die demokratischen Rechte denjenigen bürgerlichen Schichten von Anbeginn an wenig, denen die politische Vertretung im Reichstag keine ausreichende Befriedigung ihrer sozialen Interessen bzw. politische Absicherung ihrer ohnedies schwachen ökonomischen Kampffähigkeit verbürgte. Vom parlamentarisch organisierten Verteilerstaat strukturell benachteiligt, verlangten sie die Hilfe eines autoritären Staates in dem Augenblick, als die ökonomische Krise diesen zu solchen Leistungen unfähig machte. Zwar gelang mit den Präsidialkabinetten die Zentralisierung der wirtschaftspolitischen Macht bei der Exekutive, aber dies nicht nur auf Kosten der Arbeiterschaft, sondern auch weiter bürgerlicher Kreise, deren fortschreitende „Proletarisierung“ der Preis für die kapitalistische Lösung der Krise war. Da das subjektive Bewußtsein des absinkenden Bürgertums an die ökonomische Rolle des Arbeitgebers bzw. Selbständigen und an den hierarchischen Status des Angestellten bzw. Beamten fixiert blieb; da im Zeichen struktureller und konjunktureller Arbeitslosigkeit dem individuellen Ruin nicht die Einreihung in proletarische Organisationen folgen konnte; da diese Organisationen ökonomisch und politisch geschwächt, gespalten und keine sozialistische Alternative zur zerfallenden Demokratie zu entwickeln imstande waren — fand der Protect gegen das Regime autoritär ermächtigter Fachbürokraten und die Chaotik kapitalistischen Wirtschaften seinen Ausweg im Machtanspruch der faschistischen Partei. Deren Antimarxismus war nur der konsequente Ausdruck davon, daß die Arbeiterbewegung weder der Krise eine sozialistische Wendung geben, noch auf ihre politische Interessenvertretung im Rahmen der bürgerlich-parlamentarischen Ordnung prinzipiell Verzicht leisten konnte. Die teilweise Übernahme faschistischer Propagandatechniken und -inhalte durch Organisationen der Arbeiterbewegung konnte an dem Glauben der faschistischen Anhängerschaft nichts ändern, als sei der Marxismus die Wurzel des gegenwärtigen Übels. So sehr unter den Massen, die dem Nationalsozialismus folgten, verworren Impulse lebendig waren, wie sie 1918/19 in einer kurzen geschichtlichen Stunde sich durchzusetzen schienen, so wenig prädisponierte sie ihr grundsätzliches Verhältnis zur Politik zum Adressaten sozialistischer Programme. Besonders die städtischen und ländlichen Kleinproduzenten betrachteten sich als Repräsentanten einer quasi natürlichen Ordnung, in die der Antagonismus der gesellschaftlichen Hauptklassen nur zerstörend einbrechen konnte. Unpolitisch sein, bedeutete für sie das Gleiche wie Einverständnis mit jeder politischen Ordnung, die dem „Mittelstand“ die Garantie einer statischen Existenz verbürgte. Im System der Interessendemokratie, die ihr labiles Gleichgewicht dem gezähmten Antagonismus von Kapital und Arbeit verdankte, mußte Politik dem „Mittelstand“ als etwas Fremdes und Feindliches begegnen; gerade diejenigen politischen Kräfte, die programmatisch darauf-hinzielten, einer von der Ökonomie abgehobenen Politik ein sozialistisches Ende zu 22 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

setzen, erschienen ihm als eigentlicher Störenfried und Verursacher von Politik schlechthin. In dem Maße, wie die Zuspitzung ihrer ökonomischen Lage die abwartende Indifferenz der Unpolitischen unmöglich machte, schlössen sie sich einer Bewegung an, die organisatorisch die Politik in extremster, d. h. nicht an die spezifischen Bedürfnisse von Klassenorganisationen gebundener Form vorstellte und inhaltlich die Abschaffung von Politik zugunsten einer natürlichen, ungeschichtlichen „Volksgemeinschaft“ proklamierte. So sehr objektive Tendenzen sozialistische Anklänge in die Ideologie der bürgerlichen Mittelschichten einfließen ließen, — indem diese sich letztlich doch dem Gedanken an die Möglichkeit bewußter Gestaltung der gesellschaftlichen Existenz des Menschen versagten, blieben sie gebunden an eben jene scheinhafte „Natur“ der Ökonomie, die ihnen Expropriierung und Ausbeutung eingetragen hatte. Die politische Entwicklung der akademischen Intelligenz in der Weimarer Republik zeigt, daß ihre Herkunft aus den bürgerlichen Mittelschichten das bestimmende Moment ihres Verhaltens darstellte, wenngleich es jeweils besondere Vermittlungen waren, welche die im Ergebnis konvergierenden politischen Einstellungen des akademischen Bürgertums aus dem übrigen Bürgertum heraushoben1“. Die ökonomische Position des Bildungsbürgertums, wie sie das 19. Jahrhundert gekannt hatte, war durch den Wandel der industriellen Struktur im Organisierten Kapitalismus zerstört worden. Die früher durch eine weitgehende materielle Unabhängigkeit gestützte bildungselitäre Funktion der Repräsentation nationaler Kulturwerte entbehrte fortab der gesellschaftlichen Basis und geriet in wachsende Abhängigkeit von der Bereitschaft der politisch und ökonomisch herrschenden Schicht, sich bildungshumanistischer Elemente zur Rechtfertigung der bestehenden Herrschaftsordnung zu bedienen. Die Vermehrung der im engeren Sinn unproduktiven Tätigkeiten vor allem in der staatlichen Verwaltung, die mit der Veränderung der Staatsfunktionen einherging, erweiterte zwar quantitativ das Feld akademischer Berufspositionen, bedeutete aber im Selbstverständnis der Betroffenen einen qualitativen Rückschritt wenistens dann, wenn diesem Staat nur noch der Rang eines Instruments oder Spielballs gesellschaftlich-materieller Interessen zukam. Das war in den Augen der akademisch Gebildeten spätestens mit der Etablierung der Weimarer Demokratie der Fall, die der „staatsfeindlichen“ Arbeiterbewegung einen zwar schwankenden, aber verfassungsmäßig garantierten politischen Einfluß verlieh. So wenig die Revolution die Existenz des Berufsbeamtentums grundsätzlich'anzutasten vermocht hatte, so sehr war sein gesellschaftliches Prestige durch die Abhängigkeit von Parteienkoalitionen, die Einführung des „politischen Beamten“ und die Verschlechterung seiner materiellen Lage gesunken. Mehr noch als die Staatsbeamten war die für das „Akademikertum“ insgesamt keineswegs repräsentative technische und ökonomische Intelligenz vom Wechsel der ökonomischen Lagen abhängig. Die Verwissenschaftlichung der Produktion hatte noch nicht in dem für die Gegenwart typischen Maß alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ergriffen und damit das allgemeine Bild von Aufgabe und Inhalt der Wissenschaft verändert. Die Produktionsintelligenz 23 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

blieb ihrem Selbstbewußtsein nach umso mehr an die ihrerseits brüchigen Statusmerkmale des herkömmlichen „Akademikers“ fixiert, je ähnlicher ihre Stellung trotz gewisser Privilegien derjenigen der übrigen Lohnarbeiter wurde. Äußerlich vergleichsweise am wenigsten hatte sich seit den Tagen der liberalen Honoratiorengesellschaft die Situation der freiberuflich tätigen Akademiker geändert, deren Selbstbewußtsein an einem in der Regel streng gehandhabten Standeskodex eine Stütze fand. Doch war die Erhaltung dieser Situation — ähnlich wie diejenige der handwerklichen und bäuerlichen Kleinproduzenten — an eine Fülle staatlicher Schutzmaßnahmen gebunden, die zumal in der Krise den Interessen ökonomisch und politisch überlegener Berufszweige und Klassen geopfert wurden. Allen diesen Gruppen war gemeinsam, daß sie kein ihrer gesellschaftlichen Zwischenlage realistisch Rechnung tragendes Bewußtsein ausgebildet hatten und auch schwerlich ausbilden konnten. Denn einerseits übten ihre Angehörigen vielfach ökonomisch nidit unmittelbar produktive Tätigkeiten aus; den vornehmlich dem ökonomischen Gewicht folgenden Kompromissen der pluralistischen Demokratie waren sie damit nur unzulänglich integriert. Andererseits verschloß sich ihnen die sozialistische Alternative sowohl wegen des ideologischen Gehalts ihrer Bildungstradition als auch wegen ihrer isolierten Stellung in der Berufspraxis und am Arbeitsmarkt. So konnte die strukturell und konjunkturell bedingte Arbeitslosigkeit oder Minderbeschäftigung der Akademiker selbst dann schwerlich zur Eingliederung in sozialistische Organisationen führen, wenn diese einer politisch glaubwürdigen Strategie fähig gewesen wären. Da auch die Orientierung der meisten Akademiker an der ministeriellen Bürokratie als dem traditionellen Exponenten staatlicher Macht keine wirkliche Verbesserung ihrer Lage erbringen konnte, war die Zuwendung zur faschistischen Massenbewegung nicht eine Frage des „Ob“, sondern des „Wieviel“. Demgegenüber abstrakt an eine demokratische Qualität des politischen Bewußtseins akademischer Bürger im Sinne der liberalen Staatsbürgerrolle appellieren zu wollen, mußte vergebliches Bemühen sein. Denn zu ihrer Ausübung fehlte nicht nur das politische Gegenüber, die im Parlament zentrierte Entscheidungsgewalt über die Interessen von „Besitz und Bildung“, sondern auch die soziale Basis, eine Sphäre persönlicher und beruflicher Selbstbestimmung, die einst Bewegungsfreiheit in einer politisch fungierenden Öffentlichkeit erlaubt hatte17. Nur in der Konsequenz einer Neubestimmung der eigenen sozialen Rolle — vermittelt über die Funktionen der Hochschule in wissenschaftlicher Forschung und Ausbildung — wäre die Verteidigung demokratisdier Freiheiten durch die Akademikerschaft denkbar gewesen; nur als Konsequenz der Einsidit, daß Wissensdiaft als gesellsdiaftlich funktionalisierte von der herrschaftlichen Struktur dieser Gesellschaft im Kern betroffen wird, hätte den relativen gesdiichtlidien Wert der im Parlamentarismus verkörperten antagonistisdien Demokratie erfahrbar gemadit. So erscheint die Hodischule als eigentlidier Brennpunkt, in dem die Alternativen des politischen Bewußtseins der Akademiker siditbar werden, wenngleidi in ständiger Interdependenz mit den Entwicklungstendenzen der poli24 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

tisch-gesellschaftlichen Lage, in die sie eingebettet ist. Bei der Analyse der politischen Rolle der Studentenschaft, die an direkt politisch wirkenden sozialen Prozessen nur mittelbar beteiligt ist, kann sich das Erkenntnisinteresse weniger noch als bei den beruflich voll integrierten Akademikern primär darauf richten, in welchem Umfang ihre politischen Einstellungen und Aktionen zum Sturz der Weimarer Republik beigetragen und in welcher Weise sie einem „Staatsbürgerbewußtsein“ widersprochen haben, dessen Effektivität für den Bestand der Republik zumindest zweifelhaft ist. Vielmehr ist darauf zu achten, ob und in welcher Weise sich im sozialen Eigenverständnis und der politischen Artikulation der Studenten das Bewußtsein der wissenschaftlichen Vermittlung gesellschaftlicher und der gesellschaftlichen Vermittlung politischer Prozesse niedergeschlagen hat, ob und in welcher Weise der Zusammenhang privater und öffentlicher Rollen konzipiert worden ist, und schließlich: welches politische Potential die an der zeitgenössischen Hochschule wirksamen Sozialisationsfaktoren hervorgebracht haben. An der Ausrichtung des systemkritischen Potentials, das die Studentenschaft mehr als andere soziale Gruppen unter gewissen Bedingungen zu entfalten imstande ist, lassen sich längerfristige Tendenzen und Alternativen der politischen Entwicklung wissenschaftlicher Intelligenz testen. Unter modernen Bedingungen ist ein zentrales Kriterium dieses Potentials in dem zu sehen, was Jürgen Habermas als den „sozialen Wandel akademischer Bildung“ beschrieben hat18. Er gründet sich auf die Tatsache, daß seit gut einem Jahrhundert die wirtschaftlichen Produktionsverfahren durch die Anwendung der Methoden und Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung revolutioniert worden sind und dieser Vorgang tendenziell auf alle Bereiche der Gesellschaft übergreift, die unter einem vorgegebenen Systemzweck wissenschaftlich analysiert werden können. Idealtypisch heißt das: „Alle Arbeit hat die Gestalt einer durch Wissenschaft ermöglichten technischen Verfügung über vergegenständlichte Prozesse angenommen. Die fundamentale Bedeutung, die demnach die modernen Wissenschaften als bestimmende Faktoren des gesamten Lebens errungen haben, zwingt die Wissenschaft selbst und ihre Institutionen dazu, die Reflexion der Interdependenz von wissenschaftlich-technischer Gestaltung und gesellschaftlicher Wirklichkeit in ihren Begriff und ihre Aufgaben einzuschließen“19. Wo dies geschieht, ändert sich mit dem Begriff von Wissenschaft auch notwendig der der akademischen Bildung: Die „Orientierung im Handeln“ — vom Neuhumanismus betrachtet als Ergebnis der ethischen Haltung des Individuums, der inneren Formung der „Persönlichkeit“ durch ihre Beschäftigung mit einer kosmologisch gedachten Wissenschaft — erfährt eine neue Dimension; sie wird, achtet man auf die objektiven Folgen des Prozesses wissenschaftlicher Forschung und Ausbildung für eine durch Interessenkonflikte gekennzeichnete Gesellschaft, nolens volens „durch und durch politisiert“20. Zwar kann auch eine politisch aufgeklärte Wissenschaft als Produktivkraft nicht aus sich selbst heraus eine Gesellschaft verändern, deren Produktionsverhältnisse ihre Verwertung bestimmen. Doch ist sie notwendige Voraussetzung für das soziale und 25 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

politische Handeln einer akademischen Intelligenz, die sich — bei Differenzierung ihrer je spezifischen Funktionen in der Sphäre der Produktion und Distribution, der öffentlichen und halböffentlichen Verwaltung, der Kommunikation, der freien Berufe und des Bildungswesens — am Postulat einer politisch interpretierten Humanität orientiert, d. h. am Ziel einer möglichst herrschaftsfreien, auf Wohlfahrt und Glück des Individuums gegründeten gesellschaftlichen Willensbildung. Der an einem solchen utopischen Ziel orientierte Bildungsbegriff setzt den historischen Abbau des Dualismus von Politik und gesellschaftlichen Teilfunktionen freilich voraus, ebenso eine relative Emanzipation der Bildungsinstitutionen von der bloß formalen Rationalität kapitalistischen Wirtschaftshandelns und bürokratischen Reglements. Nun hat zwar die Hochschule der. ersten Bedingung dadurch vorgearbeitet, daß sie mit der Entwicklung technischer Verwertung zugänglicher Wissenschaften die Grundlagen für die Expansion der gesellschaftlichen Produktivität und die objektive Möglichkeit der staatlich vermittelten sozialtechnischen Planung geschaffen hat. Sie ist aber andererseits relativ frühzeitig zum Objekt solcher planender Verfügung geworden und dies eher in einer durch die gesamtgesellschaftliche Verfassung als den eigenen Bildungsanspruch bestimmten Weise. „Für die spezifischen gesellschaftlichen und politischen Formen der betriebsförmigen Entwicklung der deutschen Universität wurde . . . die für das Wilhelminische Deutschland charakteristische Verbindung von nationalem Obrigkeitsstaat und Refeudalisierung vieler sozialer Beziehungen und Institutionen mit der Entfaltung der hochkapitalistischen Industriegesellschaft ausschlaggebend.““ Grundlegende Widersprüche zwischen den idealistischen Bestandteilen ihrer Tradition und den Veränderungen ihrer Struktur im Forschungs- und Ausbildungsbetrieb, die sich damit einstellten, hat die Universität nur ideologisch verarbeiten können: den Widerspruch zwischen der fortschreitenden Fremdbestimmung ihrer Forschung und ihrem Verständnis von der Freiheit der Wissenschaft; zwischen ihrer Auffächerung in betriebsförmige Institute und dem Postulat der Einheit der Universität; zwischen der Hierarchisierung und Differenzierung von Forschung und Lehre und der These von der Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden; zwischen den Ausbildungsanforderungen durch Staat und Wirtschaft und ihrem traditionellen, von allen besonderen Zwecken freien Bildungsanspruch; zwischen der wachsenden wissenschaftlichen Spezialisierung und ihrem Festhalten am Lehrstuhl- und Ordinarienprinzip als der Grundlage der Zunftkorporation und ihrer Selbstverwaltung“. An solchen Widersprüchen zerbrach das offizielle Bildungsideal der deutschen Universität, dessen aufklärendes, auf gesellschaftliche Wirksamkeit zielendes Moment seit je prekär, d. h. an die Fiktion eines antikapitalistischen Kulturstaates geknüpft war23. Auch wenn die Behauptung der fortdauernden Gültigkeit und Wirksamkeit dieses Ideals den Anspruch der akademisch Gebildeten auf besondere ständische Geltung rechtfertigen half, so wurde es in der Praxis doch mehr und mehr ersetzt durch eine pragmatistische, hochbürgerlichen Verhaltenserwartungen entspre26 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

chende Leistungsethik einerseits, die Pflege einer gesellschaftlich vermeintlich exterritorialen, durch Erlebnistiefe und innere Werte ausgezeichneten Personalität andererseits. Beides konnte im Individuum, aber mehr noch in der Ideologie der Universität als Institution komplementär auftreten; beides war für die Einpassung der hierarchisch strukturierten Hochschule in den obrigkeitlichen Machtstaat günstig. So präjudizierte die Universität durch ihre Struktur, das Verständnis ihres Wissenschafts- und Lehrbetriebs, ihre Kommunikationsformen und ihren Bildungsbegriff die Ausbildung einer politischen Mentalität der Akademiker, die Habermas als „eine eigentümliche Legierung aus bildungshumanistischer Innerlichkeit und staatstreuer Autoritätsbereitschaft“ umschreibt24. Umgekehrt war die sozial gleichartige Herkunft der Professoren- und Studentenschaft aus den bürgerlichen Mittelschichten und ihr Durchgang durch die vom bürgerlichen Bildungshumanismus bestimmten Gymnasien einem Verständnis akademischer Ausbildung abträglich, das deren oben umrissene Bedeutung für die gesellschaftliche Reproduktion in demokratischer Richtung hätte wirksam werden lassen25. Wie indirekt und vermittelt auch immer die Hochschulen und hier gerade die Universitäten gesellschaftlichen Interessen und Verwertungszusammenhängen eingebunden waren — nur die bewußte Reflexion eines bis dahin naturwüchsig stattfindenden Prozesses hätte ihnen erlaubt, „das Unpolitische als Wesensmerkmal“ abzustreifen“. Ohne eine im oben beschriebenen Sinn erfolgende „Politisierung“ der Hochschulen konnte das akademische Bürgertum seine soziale Position schwerlich in einer Weise reflektieren, die der Verteidigung, geschweige denn dem sozialen Ausbau der Weimarer Demokratie günstig war, solange beides noch auf der Tagesordnung stand. Vor dem Hintergrund dieser Zusammenhänge soll in der vorliegenden Arbeit der Versuch unternommen werden, am Beispiel einer Universität den Artikulationen des akademischen und politischen Selbstverständnisses der dort ausgebildeten Studentenschaft nachzugehen, die Beziehung beider zu erörtern und die auf die Studentenschaft einwirkenden individuellen, kollektiven und institutionellen Sozialisationseinflüsse aufzuzeigen. Die Art und das Ausmaß, in dem das vorherrschende politische Selbstverständnis der Universität das Bewußtsein ihrer Studentenschaft prägte, besonders aber auch die Momente der Abweichung, müssen in Korrelation gesehen werden mit denjenigen Einflüssen, die von der Politik und der sozialökonomischen Entwicklung her das Verhalten der Studentenschaft bestimmten. Der in dieser Arbeit zukünftig im engeren Sinn verwandte Begriff des „akademischen Bürgers“ meint daher ein Dreifaches: den Aspekt der Mitgliedschaft der Studenten in der akademischen Korporation und der Teilhabe an ihrem Eigen Verständnis; den ihrer Herkunft und spezifischen Unterscheidung vom allgemein „bürgerlichen“ Milieu; schließlich den der über private Rollen hinausweisenden politischen Beteiligung. Eine grundsätzliche Schwierigkeit des eingeschlagenen Verfahrens besteht darin, daß die behaupteten politischen, ökonomischen und wissenschaftstheoretischen Zusammenhänge nicht selbst Gegenstand einer Fallanalyse werden, da 27 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

sie am Beispiel einer einzelnen Hochschule teils unzureichend, teils überhaupt nicht ermittelt werden können. Wesentliche Komplexe, die das Verständnis der Hochschule zu Staat und Gesellschaft berühren, wie ζ. Β. die Hochschulreform, die wirtschaftliche Situation der Studenten, ihr im engeren Sinn wissenschaft­ liches Selbstverständnis, signifikante Fakultätsunterschiede, können nur am Rande und pauschal behandelt werden, weil dazu bezeichnenderweise Quellen kaum vorliegen. Die angesprochenen Zusammenhänge treten daher vornehmlich in der Spiegelung von Bewußtseinsinhalten der Professoren- und Studentenschaft auf, deren Interpretation ihrerseits auf gewisse apriorische Setzungen und summarische Feststellungen zurückgreifen muß. Dieser hermeneutische Zirkel ist ebenso wenig zu vermeiden wie der Eindruck, als werde hier doch wieder ein „antidemokratisches Denken“, nur in veränderter Fassung, zum bewegenden Prinzip geschichtlichen Handelns erhoben. In Wahrheit geht es darum, in möglichst differenzierter Analyse eine Stufe in der Genese des politischen Bewußtseins akademisch gebildeter Bürger zu erfassen und nachzuweisen, welche objektiven gesellschaftlichen Tendenzen sich darin niederschlagen oder — oft noch bezeichnender — darin verdrängt und ausgeklammert werden. Eine andere Frage ist es, ob die Einleitung und Durchführung dieses Vorhabens, das die Entwicklungsschritte des Verfassers in vielfältiger und nicht überall kongruenter Weise erkennen läßt, als geglückt, d. h. als Fortschritt gegenüber dem bisherigen Interpretationsstand bezeichnet werden können. Die Wahl der Universität Freiburg für den vorliegenden Versuch, auf d)

6,30

weibliche Studenten

Fächer der phil. Fak. (einschl. Geographie)

2,79

27,39

Jura

Zahnmedizin

7,02 %

insgesamt

Katholische Theologie

Es studieren:

Tab. 2: Verteilung der im SS 1928 in Freiburg Immatrikulierten nach Fachgruppen, Geschlecht und Konfession*

Die konfessionelle Gliederung der Freiburger Studentenschaft zeichnete sich dadurch aus, daß die katholischen Studenten (gemessen am Rd.) stark überrepräsentiert waren (im SS 1928 44% der Gesamtstudentensdiaft gegenüber 29% im Rd.) und den protestantischen in etwa die Waage hielten. Allerdings differierte, wie Tab. 2 zeigt, die konfessionelle Verteilung auf die verschiedenen Fakultäten beträchtlich. Ihrer regionalen Herkunft nach dürften die katholischen Studenten zu etwa gleichen Teilen aus dem südbadischen Einzugsgebiet der Universität, aus dem Rheinland und Westfalen sowie aus den übrigen katholischen Kernlandschaften Deutschlands gestammt haben. Stärker als im Rd. waren in Freiburg auch Studierende jüdischen Glaubens vertreten (im SS 1928 7,4% der Studentenschaft gegenüber 4,4 % im Rd.); dabei fällt der hohe Anteil der Studentinnen unter ihnen ebenso ins Auge wie ihre Konzentration auf die Rechtsund Staatswissenschaftliche und die Medizinische Fakultät. c) Die Entwicklung der Fakultätsfrequenzen Die prozentuale Verteilung der Studentenschaft auf die verschiedenen Fakultäten gestaltete sich in Freiburg etwas anders als im Rd. des jeweiligen Semesters: die Medizinische Fakultät wies im Vergleidi mit dem Rd. ein Plus von rund 7 % auf Kosten des Anteils der Pliilosophisdien und der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät auf. Dagegen entspradi die Zu- und Abnahme der jeweiligen Fakultätsziffern in den Jahren 1918 bis 1932, wie kaum anders zu erwarten, prozentual recht genau den Tendenzen des Rd. Hier kann auf die Gründe der Veränderung der Studentenzahlen allgemein wie der Wahl der verschiedenen Studienrichtungen nicht näher eingegangen werden; sie sind das komplexe Ergebnis demographischer Daten, ökonomisdier und organisationssoziologischer Entwicklungen, politischer Veränderungen, sozialer Attitüden und der Struktur des Bildungssystems6. Ansdieinend hat jedoch die von der ökonomischen Situation diktierte Lage am Berufsmarkt und ihre Perzeption durch die Individuen im groben die Entwicklung des Hodischulbesudis gesteuert. Auch die Freiburger Entwicklung liefert dafür allgemeinste Flinweise (Tab. 3). Sieht man von der besonderen Nachkriegssituation ab, als Medizin, Jura, aber audi Volks- und Betriebswirtschaft bevorzugt wurden, so brachte die „geborgte“ Konjunktur zwisdien 1924 und 1927 neben dem Rückgang im allgemeinen Besuch der Universität eine Abfladiung der extremen Spitzen in Medizin und Jura mit sidi. In diesen Jahren stieg die Zahl der Jurastudenten und der Studenten fürs höhere Lehramt in der Pliilosophisdien und der Mathematisch-Naturwissensdiaftlidien Fakultät von einem Tiefpunkt im SS 1923 langsam aber stetig an; ein Prozeß, der sich in den ersten Jahren der Wirtsdiaftskrise beschleunigte, ehe die staatliche Personalpolitik die Berufsaussichten in diesen Studienriditungen nidit besser als in der Wirtschaft selbst erscheinen ließ. Daher gewann seit 1930 die Medizinisdie Fakultät einen immer größeren Anteil an der Studentensdiaft und erreidite ihr absolutes Maximum im SS 1932, obgleich zu diesem Zeitpunkt mit den sdiwadien Geburtsjahrgängen des Weltkriegs der allgemeine Rückgang im Hochschulbesudi schon eingesetzt hatte. Die be56 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

57

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

2118 2557 4047 3572 3984 3301 3931 3138 3667 2985 3080 2546 2913 2374 3020 2507 3147 2477 3260 2699 3829 3168 4055 3470 4034 3397 3885 3459 3550 3211 3143 3004

1918/19 Zw.sem. 19 1919 1919/20 1920 1920/21 1921 1921/22 1922 1922/23 1923 1923/24 1924 1924/25 1925 1925/26 1926 1926/27 1927 1927/28 1928 1928/29 1929 1929/30 1930 1930/31 1931 1931/32 1932 1932/33 1933 1933/34

320 329 303 290 283 268 379 259 349 260 342 231 312 236 266 241 283 233 282 252 269 249 267 247 273 239 269 264 287 271 311 299

Theol.

Rechts- und Staatswiss. Jura Volks- u. Betr.wirtschaft 373 165 404 404 1105 380 1128 1340 1022 761 563 558 473 876 486 634 414 1160 921 818 339 604 301 841 356 601 297 887 286 633 174 893 240 721 '48 1049 209 752 144 1010 135 727 120 896 135 127 580 813 142 140 552 658 157 528 151 502 147 451 123

Mediziir». allg. Med. 608 668 1256 1122 1272 993 1058 855 901 786 698 585 552 485 601 535 613 501 634 564 873 773 1036 966 1152 1050 1187 1182 1248 1197 1198 1168

Nach: Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, Bd. 40. 1919 bis 53. 1934.

130 115 466 445 517 413 528 417 485 368 380 322 375 300 436 349 446 330 505 394 698 540 859 718 919 754 909 779 828 709 656 618

insgesamt davon weibl.

Semester Fak. Zahnmed. 42 60 104 149 146 132 144 111 89 69 58 49 27 31 27 46 59 62 71 69 107 116 157 163 194 174 222 229 232 245 247 254 301 337 467 467 415 415 469 384 420 382 364 317 387 316 424 355 459 376 579 447 660 544 734 596 767 644 651 545 496 396 362 327

Philos.

Math.-Nati urwiss. Fak. (einschl. Gisogr., Pharm., Forstwisserischaft) 309 355 432 416 428 471 557 498 546 440 453 443 478 401 505 432 524 478 561 498 662 590 716 651 617 583 601 547 441 423 380 355

Tab. 3: Die Frequenz der Universität Freiburg i. Br. vom WS 1918/19 bis zum WS 1933/34 (Immatrikulierte)*

ständigste Tendenz zeigte die katholische Theologische Fakultät, die nach einem Höhepunkt in der Inflationsperiode bis 1932 einen nahezu unveränderten Besuch aufwies. d) Die soziale Herkunft der Studenten Die folgende Beschreibung der im engeren Sinn sozialen Struktur der Freiburger Studentenschaft stützt sich ausschließlich auf die für das SS 1928 in der Deutschen Hochschulstatistik gegebenen Zahlen, da nur für dieses Semester eine ausreichende Untergliederung der Freiburger Studentenschaft vorliegt. Da sich signifikante Veränderungen der sozialen Sdiichtung der Studentenschaft im Rd. für die folgenden Jahre nicht nachweisen lassen (sieht man von einem leiditen Rückgang der Gruppe „selbständige Handwerksmeister und Kleingewerbetreibende“ ab), darf das von Freiburg gezeichnete Bild als einigermaßen stabil angesehen werden. Nicht auszusdiließen ist jedoch, daß die starke Zunahme der Medizinstudenten bis zum SS 1932 in dieser Fakultät und vermittelt über sie in der Gesamtstudentenschaft eine gewisse Verschiebung zugunsten der „Mittelschicht“ bewirkte. Die Schichteneinteilung der Deutsdien Hochschulstatistik (vgl. Tab. 4) mußte hier übernommen werden, da ihre Übersetzung in heute gebräudilidie feinere Raster nidit möglich ersdiien7. Nadi heutigen Begriffen würden jedenfalls sehr viel weniger Berufspositionen zur Oberschicht zu zählen und Mittel- und Unterschicht mehr zu differenzieren sein, als es in der Deutschen Hodischulstatistik geschehen ist. Die Fragwürdigkeit bloßer Berufskriterien und die Vermengung ökonomischer und außerökonomischer Bewertungsmaßstäbe bleiben dabei nodi ganz außer Betracht. Die Tabellen 4 und 5 geben ein Bild von der sozialen Herkunft (Vaterberuf) der reichsangehörigen Freiburger Studierenden im SS 1928, einmal im Hinblick auf die Zugehörigkeit der Väter zur Ober-, Mittel- oder Untersdiicht, sodann im Hinblick auf ihre Zugehörigkeit zu bestimmten Wirtsdiaftsbereichen. Die stärkere Repräsentation der Obersdiicht gegenüber dem Rd. (40 % gegenüber 34 %) erklärt sich wesentlidi aus der größeren Zahl von Akademikern unter den Vätern Freiburger Studierender, hier wiederum der freiberuflich Tätigen. Die anomal starke Stellung der Medizinischen Fakultät drückt sich darin aus. Da die Schichteneinteilung sehr grob gefaßt ist und heterogene Elemente zusammenbindet, ericheint für die Ermittlung der soziokulturellen Herkunft der Studentenschaft aufschlußreicher die Einteilung der Väter nach ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten gesellsdiaftlich-ökonomischen Tätigkeitsbereichen. Zwar stellen sich dadurch keine neuen „Mentalitätsgruppen“ her — der Amtmann hat mit dem Staatssekretär wohl kaum mehr gemein als der Arbeiter mit dem Manager der Vertriebsabteilung. Doch läßt sidi so der Kernbereich der alten ständischen Gesellschaft deutlicher vom Sektor der industriellen Produktion sondern, der die Basis des gesellsdiaftlidien Fortschritts bildet, wieviel im ökonomischen Sinn „unproduktive“ Tätigkeit auch in ihm verrichtet wird. 58 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

59

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

22,68

3,99 50,73 0,48

24,07

4,75 56,92 1,32 1,78 3,10 0,22

(3691)

Ν = 10ΰ%>

(263)

9,13 79,48 5,32 6,84 12,16

20,92

28,89

0,39

20,15

1,14 8,36

1,14

1,90

4,18

%

(1030)

4,07 55,69 0,59 0,97 1,56 0.19

27,93

2,92

0,97

19,80

4,57 42,56

7,69

0,97 1,95

10,00

17,38

%

Jura

(204)

6,87 60,78 1,96 0.49 2.45

33,33

1,96

0,49

18,13

9,32 - 36,77

7,35

2,46 1,96

6,37

9,31

%

(815)

0,24

3,69 44,17 0,12 0.62 0.74

24,54

2,57

1,47

11,90

5,65 54,85

6,63

1,59 1,23

22,21

17,54

%

Volks- u. Allg. Betriebsw .Med.

(103)

2,92

0.97 0.97

6,79 70,87

26,22

0,97

13,59

23,30

0,98 25,24

2,91

9,71

11,65

%

Zahnmed.

(680)

0,15

499

4,70 63,84 2,64

20,16

6,03

0,89

32,06

4,27 31,02

2,20

1,32 0,74

4,70

17,79

Phil, einschl. Geogr. %

(4751

4 ?!

5,27 57,68 1,05

21,05

3,78

0,64

26,94

4.63 38,11

6,10

1,47 0,64

9,69

15,58

o/o

Math.Naturw.

Errechnet nach den absoluten Zahlen der Deutschen Hochschulstatistik, H. 1, Sommerhalbjahr 1928, 20 f., 358 f.

(669)

0,48

1,04

5,29

4,94 48,79

4,58 39,76

1,04

7,28

5,34

1,33

1,45 1,04

1,24 1,47

21,98

11,96

10,65

21,48

22,12

%

16,48

%

Insgcsami: Weiblich Theol.

mittl. Beamte freiberuflich ohne ak. Bildung mittl. u. kleine Landwirte sonst. Handel, selbst. Handw. u. Kleingew. sonst. Privatangestellte Mittelsch. insg. unt. Beamte Arbeiter u. Geh. Untersch. insg. Sonstige

höh. Beamte freiberufl. mit ak. Bild. Offiziere, höh. Milit.beamtc Großlandwirte Besitzer, Direktoren von Fabr., AGen u. GmbH Privatangest. in leit. Stellung Oberschicht insg.

Berufsstellung des Vaters

Tab. 4: Die soziale Herkunft der Freiburger Studierenden deutsdjer Staatsangehörigkeit im SS 1928*

(1151

0,88

0,87 43,47 0,88

10,43

3,48

1,74

26,95

1.74 55,65

0,87

1,74 7,83

2,60

40,87

%

Forstwiss.

61

(778051

3

1 99

6,90 60,04 1,62

19,10

4,26

1,50

28,28

4.43 34.23

5,07

1,30 1,44

6,96

15,03

Reichsdurchschnitt

60

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

24,07

11,98

6,76

16,45

0,22

28,36

„alter Mittelstand“

Freie Berufe

Landwirtschaft

Industrie

Sonstige

darunter Akad.

34,97

16,21

2,08

13,00

22,68

46,03

%

6,08

17,11

30,03

2,29

20,92

29,65

%

29,12

0,19

17,30

4,87

10,97

27,93

38,74

%

Jura

20,09

24,03

3,92

6,86

33,33

31,86

%

Wirtschaft

41,10

0,24

16,59

3,80

23,68

24,54

31,15

%

Betriebs- Med.

Volks- u. Allg.

22,33

2,92

11,65

0,97

23,29

26,22

34,95

%

med.

Zahn-

23,08

0,15

13,52

6,77

5,59

20,16

53,81

%

Geogr.

einschl.

Phil. Forst-

26,10

19,16

4,42

10,33

21,05

45,04

%

42,60

3,48

11,31

4,34

10,43

70,44

%

Naturw. wiss.

Math.-

Errechnet nach den absoluten Zahlen der Deutschen Hochschulstatistik, H. 1, Sommerhalbjahr 1928, 20 f., 358 f.

40,52

%

Insgesamt Weiblich Theol.

Beamte

des Vaters

Berufsgruppe

Tab. 5: Die Gliederung der reichsangehörigen Freiburger Studentenschaft im SS 1928 nach Berufsgruppenherkunft*

23,35

2,12

18,39

5,70

8,46

19,10

46,23

%

schnitt

durch-

Reichs-

Selbst wenn man die Veränderung des Umfangs und der Funktionen der Staatsbürokratie in Rechnung stellt, muß der hohe Anteil, den die Beamten (einschließlich Geistlichen und Offizieren) mit 40 % an der Herkunft Freiburger Studenten haben, überraschen. Die Differenz zum Rd. (46 %) ist in erster Linie dem geringeren Prozentsatz mittlerer Beamter zuzuschreiben und ist im wesentlichen die Folge der quantitativ schwachen Stellung der Philosophischen Fakultät. Der „alte Mittelstand“ (Handwerk, Kleingewerbe, Handel) macht ein Viertel unter den Vätern Freiburger Studierender aus (ein Fünftel im Rd.). Zusammen mit den freiberuflich Tätigen (v. a. Ärzten und Rechtsanwälten) und den Landwirten machen diese Gruppen, deren Angehörige natürlich von Fall zu Fall in der kapitalistischen Ökonomie funktionell integriert und die auf jeden Fall von ihrer Entwicklung betroffen sind, fünf Sechstel unter den Vätern Freiburger Studenten aus. Dagegen gehören dem industriellen Sektor im engeren Sinn nur 16 % der Väter an, auch wenn man ihm alle als „Angestellte“ und „Arbeiter und Gehilfen“ Aufgeführten zurechnen wollte. Hier wird die Interpretation anzusetzen haben; doch soll zuvor noch eine Differenzierung nach Fakultäten geschehen. Die Rechts- und Staatswissenschaftliche und die Medizinische Fakultät werden dabei nach Fachgruppen aufgegliedert, um die soziale Struktur jener Studienrichtungen besser hervortreten zu lassen, die als „Arsenal der Herrschaft“ bzw. „Reservat der Oberschicht“ bezeichnet worden sind8. Die Theologische Fakultät weist den geringsten Ober- und den größten Unterschichtenanteil aller Fakultäten auf. Die geringe Repräsentation der Oberschicht erklärt sich aus dem Ausfall der Berufsvererbung der Beamten, Rechtsanwälte und Ärzte, die in den anderen Fakultäten keine geringe Rolle spielt. Daß unter den Berufsgruppen der landwirtschaftliche Bereich dominiert — mehr als ein Viertel der Väter sind mittlere und kleine Landwirte — stimmt mit der Vorstellung zusammen, daß sich der katholische Klerus traditionell in hohem Maß aus ländlichen Bezirken rekrutiert; dort dürfte auch ein großer Teil der „Arbeiter und Gehilfen“ unter den Vätern tätig sein. Die soziale Position und die Tätigkeit der Väter von Freiburger Jurastudenten entspricht annähernd den Daten für die Freiburger Gesamtstudentenschaft. Das leichte Plus der Oberschicht, das hier festzustellen ist, rührt von einer geringen Überrepräsentation der oberen Beamtenschaft und wirtschaftlicher Spitzenpositionen her. Es ist deshalb bemerkenswert, weil der geringe Prozentsatz der Studentinnen und der relativ hohe katholischer Studierender in dieser Fakultät (Tab. 2) eine andere Erwartung nahelegen. So ist zu schließen, daß die katholischen Studenten dieser Fachrichtung sich mehr als diejenigen anderer Fakultäten aus Oberschichtenkreisen rekrutieren. Unter den Vätern der Volks- und Betriebswirtschaftsstudenten ist die Mittelschicht leicht überdurchschnittlich vertreten. Daß hier die Beamtenkinder stark unterrepräsentiert sind und statt dessen die Sektoren Handwerk, Gewerbe, Handel und Industrie unter den Väterberufen hervorstechen, erstaunt wenig. Die Studenten der allgemeinen Medizin stammen zur guten Hälfte aus der 61 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Oberschicht; über 40°/o der Väter sind Akademiker, davon ist die Hälfte freiberuflich tätig. Der Gegensatz zu den Studenten der Zahnmedizin ist besonders kraß: deren Väter gehören zu über zwei Dritteln der Mittelschicht an. Die Berufsvererbung ist allerdings auch hier bemerkenswert: die meisten der 23 % Freiberuflichen dürften Zahnärzte und Dentisten sein. Ebenfalls oberhalb des Freiburger Durchschnitts — nahe bei zwei Dritteln — liegt der Anteil der Mittelschicht an der Herkunft der Studenten in der Philosophischen Fakultät; mehr als die Hälfte davon sind mittlere Beamte. Hier zeigt sich deutlich die Funktion der Philosophischen Fakultät, Medium des intergenerativen sozialen Aufstiegs innerhalb der Beamtengruppe zu sein, vor allem aus dem mit geringem Prestige ausgestatteten Volksschullehrerstand in die Reihen akademisch gebildeter Philologen. Da auch die höheren und die unteren Beamten überdurchschnittlich vertreten sind, ergibt sich für die Studenten dieser Fakultät ein nur bei den Studenten der Forstwirtschaft übertroffener Anteil der Beamtengruppe von 54 %. Eine ähnliche Tendenz, die allerdings nicht zu belegen ist, dürfte für die Herkunft der künftigen Lehrer in der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät charakteristisch ein; dafür spricht in erster Linie der auch in dieser Fakultät hohe Anteil der Beamtenkinder (45%). Daß die Oberschicht hier stärker als in der Philosophischen Fakultät in Erscheinung tritt, weist jedoch darauf hin, daß die Studenten der Pharmazie und Chemie anderen Berufskreisen entstammen als die Studenten fürs Lehramt; eine Affinität von Herkunftsbereich und Studienfach drückt sich jedenfalls in der starken Repräsentation des industriellen Sektors (bis hinab zu den 3,15 % Arbeiterkindern) aus. 2. Herkunft und politisches Potential der Studentenschaft Die Schlußfolgerungen, die aus dem bisher Dargestellten zu ziehen sind, können nur hypothetischen Charakter haben. Denn ganz abgesehen davon, daß wichtige Indikatoren für die Beurteilung von Sozialisationseinflüssen — etwa die Art der Schulbildung Freiburger Studenten oder die Größe ihres Herkunftsorts — nicht zu ermitteln waren, fehlte jede Möglidikeit quantitativ-empirischer Kontrolle der hier vermuteten Beziehungen zwisdien Herkunft und Sozialverhalten. Genau genommen handelt es sich garnicht um Schlüsse aus den ermittelten Daten selbst, sondern um deren Interpretation im Licht vorliegender, empirisch gestützter Theorien über das Sozialverhalten bestimmter Schichten und Gruppen. Es sei ohne weiteres zugestanden, daß es dieser Interpretation an Differenziertheit und Präzision mangelt und daß das Verfahren eklektische Züge trägt. Dennoch bleibt es nützlich, Hinweise darauf zu liefern, in welcher Richtung Herkunftsmilieu und akademisches Studium zusammenwirken und wie dabei Probleme entstehen, die in bestimmten Gesellschaftsbildern auftreten und politische Potentiale freisetzen. Die Geschichte der Weimarer Studentenschaft legt es nahe, dabei besonders auf Affinitäten zum Nationalsozialismus zu achten. 62 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Es bedarf eigentlich keines besonderen Hinweises, daß die soziale Herkunft der Studentenschaft sich fundamental von dem Bild unterscheidet, das die Aufgliederung der erwerbstätigen Bevölkerung bietet. Von dieser gehört weit über die Hälfte dem industriellen Produktions- und Dienstleistungsapparat zu: sie signalisiert somit die säkulare Entwicklung Deutschlands zum klassenantagonistisch geprägten Industriestaat. Dagegen umfaßt die entsprechende Gruppe unter den Vätern von Freiburger Studierenden gerade ein Sechstel der Gesamtzahl, darunter nicht einmal die Hälfte Arbeiter und einfache Angestellte (von denen eine nicht zu ermittelnde Zahl überdies in anderen als industriellen Funktionen tätig ist). Selbst wenn man berücksichtigt, daß nicht wenige Beamte und Freiberufliche dem Distributions- und Kommunikationssektor zugehören und insofern einen Teil des mit der Industriegesellschaft sich bildenden „neuen“ Mittelstandes ausmachen, bleibt festzuhalten, daß die überragende Mehrheit der Freiburger Studenten aus einem Milieu stammt, das noch weitgehend von den Traditionen der frühbürgerlichen Gesellschaft beherrscht ist. a) Herkunft aus der Beamtenschaft Die größte Gruppe innerhalb dieser Mehrheit stellen die Kinder von Beamten dar, hier besonders die von Beamten des mittleren Dienstes (rund ein Fünftel der Gesamtstudentenschaft), für deren Statusbewußtsein das „Quäntchen Anteil . . . an der . . . staatlichen Machtfülle“ seit je von besonderer Bedeutung ist1. Zwar ist zu berücksichtigen, daß ein großer Teil dieser Beamten nicht in den für die Beamtenmentalität charakteristischen Verwaltungspositionen oder im verwandten Justizapparat, sondern im Ausbildungssektor tätig ist. Doch kann jedenfalls für die älteren Generationen in der Weimarer Republik noch vorausgesetzt werden, daß das latente Spannungsverhältnis zwischen „Schulmännern“ und Staatsbürokratie und auch die Statuskonkurrenz innerhalb der Lehrerschaft verschiedener Stufen überbrückt ist durch eine gemeinsame gouvernementale Einstellung und ideologische Orientierung an Sekundärtugenden wie Pflicht, Ehre, Gehorsam, Ordnung, Pünktlichkeit. Daß die staatliche Autorität und Macht für die Beamten der zentrale Bezugspunkt ihres Selbstbewußtseins ist, beinhaltet ihre distanzierte bis abwehrende Haltung gegenüber gesellschaftlichen Kräften, die sich des staatlichen Apparats zur Durchsetzung ihrer Ansprüche bedienen wollen. Die Distanz ist umso größer, je weniger dieser Vorgang sich über die den Beamten einschließenden „arcana imperii“ abspielt, je mehr er also über die weniger kalkulierbaren Medien der Öffentlichkeit und Massenaktion vor sich geht. Der Konservatismus des Beamtentums ist dabei, wie neuere Studien festgestellt haben, „nicht absolut auf bestimmte inhaltliche Maßstäbe gerichtet“, sondern weitgehend „Konformität mit der jeweils herrschenden Gruppenmeinung“2. Auf die Weimarer Situation bezogen heißt das, daß die innere Loyalität der Beamten gegenüber der Republik sich an der Stabilität des Regiments der Weimarer Parteien und ihrer Entsprechung gegenüber herkömmlichen Maßstäben staatlicher Autorität bemißt. Bis zu einem gewissen Grad sind sie indifferent 63 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

zur gesellschaftspolitischen Programmatik dieser Parteien. Sollten also die Beamtenkinder unter den Studenten — wofür die traditionelle Meinung ebenso wie jüngere Untersuchungen sprechen — die Ordnungsbilder ihrer Väter in hohem Umfang übernommen haben, so würde das nicht ohne weiteres eine ablehnende Stellung zur Republik bedeuten, wohl aber Labilität in Situationen, in denen die staatliche Kontrolle nicht gewährleistet erscheint. Eine auf individueller und kollektiver Initiative, Spontaneität und Flexibilität beruhende demokratische Politik, aber auch eine faschistische Massenagitation werden in diesem Segment der Studentenschaft geringere Unterstützung als in der übrigen Studentenschaft finden. Allerdings werden umso weniger die Aktionsformen der Nationalsozialisten und umso mehr ihre Propaganda vom „starken Staat“ auf Beachtung stoßen, als die Legitimität der „Interessendemokratie“ im öffentlichen Bewußtsein zerbröckelt und die faschistische Partei in die verbleibende staatliche Hülle hineinzuwachsen scheint. Die Einpassung in den angeblich legal transformierten totalitären Staat wird dann desto leichter vor sich gehen, je mehr er ständische Kriterien gesellschaftspolitisch in den Vordergrund rückt. Sie lassen dem Beamtentum, auf das kein geringer Prozentsatz der Beamtenkinder wiederum zusteuert, eine durch gesellschaftliche Veränderungen unbehelligte Position als gesichert erscheinen3.

b) Die „mittelständisch“ geprägte Studentenschaft Nächst dem Beamtentum ist es der sogenannte „alte“ Mittelstand aus Handwerk, Kleingewerbe und Handel, also zum guten Teil die seit Inflation und Wirtschaftskrise eigentlich existenzbedrohte untere Mittelschidit4, die in der Herkunft der Freiburger Studenten besonders hervortritt. Rechnet man, wie die ähnliche ökonomische Situation es nahelegt, die 5 % mittleren und kleinen Landwirte dieser Gruppe zu, so bildet sie ein knappes Drittel von den Vätern der Studierenden. Deren Fixierung an die Standards ihrer Herkunftsschicht ist umso wahrscheinlicher, als dort „die Familie . . . als Lebensrahmen den auflockernden Einflüssen modernen Lebens im Besitzmittelstand am stärksten widerstanden“ hat, so daß „die Familien- und Heimkultur im besten sowohl als im spießigsten Sinne noch weitgehend den gesamten Lebensduktus bestimmt“5. Bis in die neuesten Sozialideologien hinein verbindet sich mit einem solchen Zustand das Attribut „gesund“. Dem Mittelstand selbst ist er Ausweis seiner moralischen Überlegenheit gegenüber denjenigen Kräften der Gesellschaft, die ihn, gestützt auf die Madit des Produktionsmittelbesitzes bzw. der Massensolidarität, zwischen sich in die wirtsdiaftliche und politische Defensive drängen. Der „gesunde Mittelstand“, wie verarmt und verunsichert er auch sei, bewahrt sich das Standesbewußtsein selbst da, wo er in die „Angestelltenkultur“ des industriellen Sektors hinübergleitet; denn deren „verschollene Bürgerlichkeit“ läßt sich nicht in eine Dialektik mit den herrschenden Zuständen ein'. Die Bewahrung einer „bürgerlichen“ Mentalität scheint erst recht erfordert, wenn der Kampf um den Statuserhalt zum akademischen Studium hinführt. Der früher auf die Affinität von Besitz und Bildung in der gesellschaftlichen 64 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Schichtung zurückgehende hohe Anteil des gewerblichen Mittelstands an den Herkunftsgruppen der Studentenschaft gewinnt nunmehr, da diese Brücke zu zerbrechen beginnt, eine noch schärfer auf das Sozialprestige zentrierte Bedeutung. Wenn es vor allem der „Kampf gegen den Klassenkampf“ ist, der das Selbstverständnis des alten Mittelstands charakterisiert, dann ist der nächstliegende Weg, ständische Ansprüche zu konservieren, ein akademisches Studium. Max Weber schreibt dazu schon 1917: „Unterschiede der ,Bildung' sind heute, gegenüber dem klassenbildenden Element der Besitz- und ökonomischen Funktionsgliederung, zweifellos der wichtigste eigentlich ständebildende Unterschied.“ Sie sind „eine der allerstärksten rein innerlich wirkenden sozialen Schranken. Vor allem in Deutschland, wo fast die sämtlichen privilegierten Stellungen innerhalb und außerhalb des Staatsdienstes nicht nur an eine Qualifikation von Fachwissen, sondern außerdem von allgemeiner Bildung' geknüpft (sind)“7. Den Anspruch nationaler Repräsentanz teilt der alte Mittelstand mit denjenigen, deren vermeintliche „Allgemeinbildung“ ihnen die Vertrautheit mit den tieferen Gründen des deutschen Volkswesens bescheinigt und die Gesellschaft und Politik unter standesspezifisch-moralischen eher als analytischen Gesichtspunkten zu betrachten geneigt sind8. Je weniger allerdings die Hochschule die Vermittlung eines einheitlichen, nach außen als solcher wirkenden Bildungskanons leistet, je mehr die ökonomische Lage des Akademikertunis mit seinen Berufsaussichten sich verschlechtert, je diffuser schließlich der Bereich beruflicher Funktionen wird, in denen Akademiker tätig sind — desto weniger ist mit dem akademischen Studium eine „standesgemäße“ Lebensführung in Aussicht gestellt. Auf der Suche nach emotioneller Sicherheit kommt der alte Mittelstand zur Universität und damit vom Regen in die Traufe. Mag auch die ökonomische „Proletarisierung“ des Akademikertunis (Beamtenabbau, Gehaltskürzung, Einkommensminderung, Mehrfachbeschäftigung, Arbeitslosigkeit etc.) das Ressentiment und die Aggressivität beschleunigen — die Zerstörung des akademischen Standesprestiges, der gewissermaßen zum Standbein gewordenen zweiten Stütze altbürgerlicher Selbstbehauptung scheint keine minder wichtige Ursache der Radikalisierung zu sein. Ob „Minderbewertung“ oder „Überschätzung geistiger Arbeit“ — bei solchen in der Weimarer Republik je nach Bedarf eingesetzten Parolen geht es allemal um die Behauptung elitärer Ansprüche, die an politischen Maßnahmen und ökonomischen Entwicklungen zuschanden zu werden drohen. Dabei ist offenkundig, daß gemessen am allgemeinen Rückgang der Produktivität in der Wirtschaftskrise akademische Berufspositionen eher unterproportional von den Folgen betroffen sind und daß die Minderbeschäftigung oder Arbeitslosigkeit bestimmter akademischer Berufsgruppen nicht weniger in der ständischen Inflexibilität der Ausbildungsstruktur als in unmittelbar ökonomischen Faktoren begründet ist9. Da sich der Mittelstand den sozio-ökonomischen Organisationsprinzipien, welche die bürgerlich-kapitalistische Demokratie erfordert, nicht ausreichend anpassen kann und die Alternative einer sozialistisch verfaßten Gesellschaft sei65 5 Kreuzberger, Studenten und Politik © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

nem Begriff von Selbständigkeit ebenfalls keinen Raum läßt, prädisponiert ihn seine emotionale Stellung zur Politik zum primären Adressaten des Nationalsozialismus10. In der äußeren Machtgeltung der Nation und ihrer inneren „organischen“ Gliederung — beides die Leistung eines „stärkeren“ als des bestehenden Staates — erhofft er sich die Wiederherstellung eines kollektiven Selbstwertgefühls. Bei der akademischen Jugend, die ihm entstammt, verselbständigt sich diese Zielsetzung bis zu einem gewissen Grade, weil ihr ökonomisches Interesse weder ähnlich ausgebildet noch einfach dem ihrer Herkunftsschicht dekkungsgleich ist. Vom Gedanken „nationaler Ehre“ wie von der Vorstellung einer aller antagonistischen Spannungen ledigen „Volksgemeinschaft“ fühlt sie sich angezogen, weil darin — ihr selbst unbewußt und der ideologischen Verzerrung wegen unkenntlich geworden — die demokratische Idee einer über Partialinteressen hinausgehenden freien und würdigen Selbstverständigung der Nation nachklingt. Den älteren Akademikern, besonders auch der Professorenschaft, sind bei der Identifikation mit dem „Volk“ deutliche Grenzen gesetzt; sie sehen ihr spezifisches Interesse in der Wiederherstellung des Status quo ante und sich selbst insofern vielfach als „nationale“ Bundesgenossen nationalsozialistischer Studenten, deren „Idealismus“ in sozialen Fragen sie wohlwollend belächeln. Dagegen zeigen sich viele der um 1930 an die Hochschulen strömenden Studenten einer „Bewegung“ gegenüber aufgeschlossen, deren vermeintlich sozialistische Agitationsformen die Vorstellungswelt sozialgeschiditlicher Residuen zum utopischen Inhalt zukünftiger Politik avancieren lassen11. c) Freiberufliches Elternhaus Ein Wort soll auch gesagt werden über jene Studenten, deren Väter freiberuflich tätig sind (ein gutes Zehntel der Gesamtstudentenschaft) und die selbst, wie die meisten Medizin- und eine große Zahl der Jurastudenten, freien Berufen zustreben12. Es darf angenommen werden, daß solche Berufsvererbung zugleich eine hohe Integration des Studenten in seiner Familie und deren Wertstruktur anzeigt. Ehe noch dem Studenten spezifische berufsständische Ethiken und funktionale Fähigkeiten im Ausbildungsgang der Universität und danach im beruflichen Sozialisierungssystem vermittelt werden, kann daher bei dieser Gruppe mit einer relativ ausgeprägten gesellschaftlichen und politischen Orientierung gerechnet werden. Ihre überproportionale Vertretung in den Korporationen ist dafür nur ein besonders ins Auge fallendes Indiz.. Verglichen mit der im Beamtentum vorgefundenen Ordnungsidee ist bei den freien Berufen eher ein kompetitives Verhaltensschema zu erwarten. Dieses verdankt sich allerdings noch der Herkunft der freien Berufe aus der liberalen Honoratiorengesellschaft; es weicht in dem Maß dem Ruf nach staatlichem Schutz, nach Konkurrenzbeschränkung und Einkommensgarantie, als der industrielle Entwicklungsprozeß Inhalt und Funktion dieser Berufe, vor allem der Rechtsanwälte und Ärzte tangiert13. Die sowohl durch das Eigenverständnis dieser Berufe wie die auf sie gerichteten Erwartungen der Gesellschaft prekäre halb-öffentliche Stellung wirft für 66 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

„die soziale Kontrolle der beruflichen Leistungen . . . besondere Probleme auf“. „Die freiberuflich Tätigen sind weder einer bürokratischen Organisation eingeordnet, noch können ihre Leistungen . . . durch den Abnehmer, den Klienten oder Patienten, hinreichend kontrolliert werden . . .“ Rüschemeyer, der diese Feststellung trifft, weist auf mehrere Alternativmechanismen solcher Kontrolle hin, nämlich: Einkommen und Prestige zur Erleichterung der „Gemeinwohlorientierung“, Kontrolle staatlicher Institutionen und beruflicher Standesorganisationen, schließlich ein „verinnerlichtes Berufsethos“14. So wenig der Nutzen solcher Mechanismen bestritten werden kann — im Fall tiefgreifender gesellschaftlicher und politischer Konflikte über die Interpretation etwa von „Gerechtigkeit“ oder „Krankheit“ oder über die Organisation des Rechts- und Gesundheitswesens — erlangt die in der Berufsrolle idealiter angelegte „Gemeinwohlorientierung“ leicht einen defensiven Charakter. Sie kann ideologisch zum Schild werden, hinter dem durchaus partikulare Interessen in einer gesellschafts- und fortschrittsfeindlichen Weise verteidigt werden. So findet in objektiven Erfordernissen des Berufs der ideologische Anspruch eine Stütze, Träger des Idealismus, der Selbstlosigkeit und der freien Persönlichkeit in einer materialistischen und kollektivistischen Welt zu sein15. Er begründet nicht nur den „Widerstand . . . gegen alles, was die traditionelle Ordnung zu verändern droht“16, sondern färbt das Bild der gesellschaftlichen Wirklichkeit selbst in Richtung auf diese traditionellen Muster um. Das Selbstverständnis der „akademischen Bürger“, wie es im ersten Kapitel ansatzweise entwickelt wurde, zeigt, wie sehr diese Tendenz den Universitätsangehörigen generell eigen ist. Die Professoren, wiewohl Staatsbeamte, sind doch bürokratischer Kontrolle weitgehend entzogen und primär der Zunft und dem eigenen 'Gewissen verantwortlich; die Studenten orientieren ihr aktuelles Verhalten an Berufsrollen, die im universitären Sozialisationsprozeß vorgestellt werden, ihre Standesethik trägt der freiberuflichen durchaus vergleichbare Züge17. Beide Gruppen sind dem wirtschaftlichen Prozeß nur mittelbar und reaktiv integriert und gleichen auch insofern den klassischen freien Berufen. Der Entwicklung der Produktivkräfte stehen sie daher eher indifferent gegenüber, obgleich diese doch Voraussetzung sowohl der Massendemokratie wie des sozialen Funktionswandels akademischer Bildung ist. Sie sehen zunächst, daß das akademische Prestige bedroht ist durch die mit der zunehmenden Verwissenschaftlichung vieler Lebensbereiche gegebene Ausbreitung der Halbbildung und Funktionsverkehrung des sogenannten „Berechtigungswesens“18. Diejenigen, welche dem „Stand der Gebildeten“ ehemals zentral zugehörten, reagieren darauf mit umso heftigerer Betonung bildungsständischer Geltung. Je hinfälliger deren Voraussetzungen in der Wirklichkeit werden, desto stärker die Notwendigkeit, das zugrunde liegende Motiv ökonomischer Konkurrenz zu verhüllen. Je lebensferner bestimmte Bildungsinhalte sind, desto eher taugen sie dazu, als Ausweis idealistisch-interesselosen „deutschen Geistes“ gegen „internationalistischjüdischen Intellekt“ und „Kulturbolschewismus“ zu dienen. Der Irrationalismus dieser Konstruktion muß durch eine hohe Emotionalität gegen die Wirklichkeit 67 5·

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und bessere Einsicht verteidigt werden; er erlaubt aber — paradox genug — den Anschluß an eine Bewegung, deren bildungsfeindliche Tendenzen sich nicht zuletzt der Tatsache verdanken, daß gesellschaftliche Privilegien ein Jahrhundert lang auch und gerade durch Bildung vermittelt waren. d) Arbeiterkinder Gehorcht mithin die übergroße Mehrheit der Studierenden Wertmaßstäben, die aus der vorindustriellen Epoche stammen, so kann selbst von den wenigen Arbeiterkindern (in Freiburg 1,78 % der Studentenschaft) nicht ohne weiteres vermutet werden, daß sie sich diesen Maßstäben entziehen. Mehr noch als auf den Kindern einfacher Angestellter (4,75 %) lastet auf ihnen der Anpassungsdruck, den der individuelle Aufstieg durch die Erziehungsinstitutionen der Mittelklasse mit sich bringt19. Diese Anstrengung steht im Widerspruch zu der für Arbeiterhaushalte typisch gültigen Lebensperspektive, die in der Regel langfristige Investitionen für eine Ausbildung nicht erlaubt. Sie muß gegen ein in der Arbeiterschaft tief eingewurzeltes, durch historische Erfahrung stets von neuem aktualisiertes „dichotomisches Gesellschaftsbild“ durchgesetzt werden; gültige Einsichten dieses Gesellschaftsbildes gehen unter dem Zwang zur Anpassung nur zu leicht verloren. Die Verteilung der Arbeiterkinder auf die verschiedenen Fakultäten zeigt, daß ihre Zahl dort am geringsten ist, wo die Karrieren mit dem hödisten Prestige angestrebt werden: in der Rechts- und Staatswissensdiaftlichen und der Medizinischen Fakultät. Dagegen sind sie (vom Sonderfall der KatholischTheologischen Fakultät abgesehen) dort relativ am häufigsten anzutreffen, wo die breiteste Straße des Aufstiegsstrebens auch für die untere Mittelschicht verläuft: in der Philosophischen und der Mathematisdi-Naturwissenschaftlichen Fakultät. Eine Ausnahme machen Volks- und Betriebswirtsdiaft, unter deren Studenten der geringste Anteil Arbeiterkinder überhaupt festzustellen ist. Abgesehen von wenig günstigen Aussichten, die in höheren Rängen der Wirsdiaftshierarchie gerade für Arbeiterkinder bestehen, spridit das deutliche Überwiegen der Studenten fürs Lehramt unter ihnen möglicherweise für eine Überanpassung, die ihnen das Milieu der höheren Schule, erste Erfahrung gelingenden Aufstiegs, als Heimat erscheinen läßt. Die „Wirtsdiaftshilfe der Deutschen Studentenschaft“ (gegr. 1921) folgt zwar dem Auftrag der Reichsverfassung, daß „geeigneten“ Kindern unbemittelter Eltern der Aufstieg ermöglidit und somit einer, wie gerne formuliert wurde, „plutokratischen“ Auslese entgegengewirkt werden soll. Sie ist aber weit entfernt davon — und finanziell auch nicht in die Lage versetzt —, auf dem Weg über die akademisdie Ausbildung eine langfristige soziale Umschiditung anzustreben. Die Definition, daß nur den „Tüditigsten“ und den „hochwertigsten Persönlichkeiten“ die Mittel des Studentenwerks zur Verfügung stehen sollten, und dies ungeachtet ihrer sozialen Herkunft, impliziert einen bestimmten Begabungsbegriff, der eine soldie Zielsetzung ausschließt. Jedenfalls bedeutet er im Effekt eine Bevorzugung derjenigen Schiditen, deren „Eignung“ mit Hilfe 68 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

der traditionell geprägten Beurteilungskriterien als erwiesen gilt. So heißt es im Geschäftsbericht des Deutschen Studentenwerks von 1931: „Es ist eine unumstößliche Tatsache, daß die Differenzierung des Einzelwesens schon in seinen Grundanlagen, vor allem aber in seiner Bildungsfähigkeit und der Intensität seines Willens und seines Charakters, eine sehr große“ ist. „Jeder Kenner des Problems muß zugeben, daß der hohe Grad der Grundanlagen, der allein zum Beschreiten des akademischen Weges berechtigt, einen ungewöhnlichen Seltenheitswert besitzt. Es kommt hinzu . . ., daß durch die Umschichtungen des Vermögens und Einkommens in den letzten 20 Jahren gerade auch in Deutschland breiteste Schichten des alten geistigen Mittelstandes in die vermögenslosen Schichten abgesunken sind, während andererseits vielfach eine neue Mittelschicht des Wohlstandes vorhanden ist, die nicht einmal die alten kulturellen Erbmassen in sich trägt, die jene abgesunkenen Schichten oft in so reichem Maße auszeichnen.“20 Studenten aus den Mittelschichten bilden daher in der „Darlehenskasse der Deutschen Studentenschaft“ (gegr. 1922) einen eher noch höheren Prozentsatz als in der gesamten Studentenschaft; auch in der „Studienstiftung des Deutschen Volkes“ (gegr. 1925) sind 1929 nur 15 % der Geförderten Arbeiterkinder, wobei, vermittelt über die Empfehlungen der höheren Schulen, Studenten für das höhere Lehramt bevorzugt gefördert werden21. Fixiert auf die unmittelbar ökonomischen Ursachen der „Überfüllung“ der Hochschulen und beherrscht von der Furcht vor den Folgen einer den Marktwert aller Akademiker drückenden „Überproduktion“ an Ausbildung nehmen die Förderungsinstanzen schließlich zu der 1931 gewiß absurden Forderung Zuflucht: „daß der Tüchtige sich selbst Bahn breche“ und dies auf dem weit geeigneteren „außerakademischen Wege der Bewährung im praktischen Handeln“22. Die im individuellen Appell sich ausdrückende Hinnahme der gesellschaftlich-ökonomischen Ursachen der Krise zeigt, daß denkmögliche, freilich politisch durchzusetzende Alternativen zur bestehenden Herrschaftsordnung im Bewußtsein verschüttet sind — somit auch die Perspektive einer rational zu planenden, menschliche Kosten mindernden gesamtgesellschaftlichen Bedürfnisartikulation und -befriedigung, die zugleich Begabungen optimal zu entfalten und zu nutzen erlauben würde. Die Folge und wohl auch Absicht solcher Enthaltung von einer politischen Betrachtung der Dinge ist eine „Auslese“, die der aufwärts gerichteten Mobilität der Mittelschichten genügen mag. Indem sie Arbeiterkindern jedoch durch die Konstruktion des sekundären Schulwesens und der Hochschule den Aufstieg nur um den Preis ihrer Anpassung an die herrschenden Standards erlaubt, hilft sie, das bestehende Status- und Prestigesystem zu zementieren. e) Frauenstudium Ähnliche Feststellungen über die in den herrschenden Verhältnissen liegenden Beschränkungen für den Zugang einer Sozialgruppe zur Hochschule und die ihr dort begegnenden Schwierigkeiten lassen sich für die studierenden Frauen

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treffen. Audi ihre Rolle an der Hodisdiule ist weniger definiert durch ihr wohlverstandenes Eigeninteresse als durch die traditionellen Erwartungen, denen sie sowohl in ihrer Herkunftssdiidit als in den Bildungsinstitutionen unterworfen sind. Die Freiburger Statistik bietet einige sdilagende Belege für dieses neben der horrenden Unterrepräsentation der Arbeiterkinder „ehrwürdigste“ Problem der deutschen Hochschulstatistik. Das gilt für die Feststellung, daß sich fast zwei Drittel der Studentinnen in der Medizinischen und der Philosophischen Fakultät immatrikulieren und damit Berufen zuwenden, die nach der communis opinio dem „weiblichen Wesen“, d. h. seiner Eignung für „Pflege und Hege“, am ehesten angemessen sind. Es gilt auch für die Beobachtung, daß Studentinnen in weit stärkerem Maß aus der Oberschicht stammen als Studenten (49 % gegenüber 38 %) und hier insbesondere aus der Gruppe der höheren Beamten (22 % gegenüber 15 % im SS 1928). Ob der höhere Anteil der Oberschicht unter den Studentinnen zu diesem Zeitpunkt einen fortgesdirittenen Abbau des „Frauenstereotyps“ in dieser Schicht signalisiert oder nur eine kultiviertere Form davon, muß hier dahinstehen. Daß nach neueren Untersuchungen Mädchen aus Akademikerfamilien mit gutem Einkommen besonders stark zur Identifikation mit dem traditionellen Begriff des Weiblichen neigen, deutet aber in die Richtung, daß der Erwerb einer „allgemeinen Bildung“ hier vielfadi als in der Obersdiiditenehe besonders erwünschte Ausstattung der Frau angesehen und erstrebt wird 23 . Der höhere Anteil der Obersdiidit an der Herkunft der Studentinnen verdankt sich natürlich auch den besseren finanziellen Möglichkeiten dieser Schicht. Soweit in den Mittelschiditen einem Kind das Studium ermöglicht wird, gilt die Anstrengung eher dem Sohn als der Tochter. Die im allgemeinen bessere finanzielle Ausstattung der Studentinnen zeigt sich in Freiburg ζ. Β. daran, daß im SS 1928 nur 19 % von ihnen aus Baden, d. h. studienortnahen Gebieten stammen, dagegen 27 % der Studenten. Allen Studentinnen aus Familien, in denen der Hochsdiulbesuch nidit Tradition ist — also aus Familien von Niditakademikern, von Katholiken und Arbeitern (vgl. die Spalte Studentinnen in Tab. 2 und 4) — „verlangt das Studium einen doppelten oder sogar dreifachen Bruch mit dem Herkommen“ ab: „mit der Tradition der Konfession, mit den typischen · Verhaltensmustern der Herkunftsschicht und sdiließlich mit den geschlechtsspezifischen Rollenzumutungen“24. Gerade die letzteren sind die für die Studentin am schwersten zu überspringende Barriere: obwohl sie sich durch die Tatsache ihres Studiums oft von den Vorstellungen ihrer Herkunftssdiidit löst, bleibt sie doch dem in einem langwierigen Erziehungsprozeß internalisierten Geschlechtsstereotyp verhaftet. Dann betrachtet sie „die Familie unbedingt als kleinste und wichtigste Zelle im Staat“ und reditfertigt ihr eigenes Studium nur als das Mittel, das ihr durch Ausbildung ihrer „Fähigkeiten nach der ihr eigenen Riditung . .. ein möglichst hochwertiges Glied der Volksgemeinsdiaft zu werden“ erlaubt. Oder sie verlangt nicht Gleidibereditigung, sondern „Gleidiwertung“ der Frau als der „Leben- und Leibbauenden“ und interpretiert daher ihr Studium als die „Verwirk70 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

lichung des Mütterlichen im Geistigen“25. So kommt sie der Polemik jener Kommilitonen halb entgegen, die — oft unter ausdrücklicher Erwähnung des Konkurrenzmotivs — die Studentin auf ihren „physiologischen Beruf“ einschränken und ihr ausschließlich den Platz als „Seele und Königin der Familie“ anweisen möchten. Der NSDStB fordert kurzerhand die Ausgliederung der Frauen aus Studium und Beruf, um sie ihrer „einzig und allein in der Stellung als Mutter“ zu erfüllenden „Aufgabe, die völkische Art zu erhalten“, zuzuführen. Wer sich unter den Studentinnen dieser Rollenzumutung nicht beugen will, muß damit rechnen, daß alle denkbaren Vorurteile gegen sie mobilisiert und ihr „Einbildung und die vorlaute und gewöhnliche Art, sich zu benehmen und zu kleiden“, angelastet werden26. Leicht geschieht es, daß die Studentin unter solchem Druck das ihr eigenes Sachengagement hemmende männliche Urteil über ihr Tun weitgehend akzeptiert oder zumindest, es antizipierend, ihr Tun danach einrichtet. Das bedeutet natürlich, daß sie — mit der nicht seltenen Ausnahme emanzipierter und nach links tendierender jüdischer Studentinnen (1928 sind 13 % der Studentinnen formell jüdischer Konfession) — alle Konzepte ablehnt, wie sie zu dieser Zeit die radikaleren Sozialisten vertreten: „Kameradschaftsehe“, Kampf für die Freigabe der Abtreibung, Öffnung aller Berufe für die Frau und schließlich die Herstellung einer sozialistischen Gesellschaft, die der Frau Verselbständigung und Gleichberechtigung bringen soll. Studentinnen, die solche Forderungen erheben, wird von nationalkonservativer Seite vorgeworfen, daß sie „sich öffentlich als Dirne produzieren“27. Durchschnittlich weniger als die Studenten werden Studentinnen allerdings auch dem Nationalsozialismus gegenüber aufgeschlossen sein; einmal ihrer stärkeren Abkunft aus der Oberschicht wegen und dann, weil die Nationalsozialisten Gegner selbst der bürgerlichen, im Grunde unpolitischen Frauenemanzipation sind. Es ist anzunehmen, daß die Frauenfeindlichkeit der NSDAP größeres Gewicht für die Wahlentscheidung der Studentinnen hatte als bei den Wählerinnen allgemein. Nimmt man die AStA-Wahlen als Indiz politischer Orientierung der Studentinnen und berücksichtigt man, daß sie seltener als Studenten Korporationslisten wählen, so steht zu erwarten, daß Studentinnen eher auf einer mittleren Linie wählen werden als ihre Kommilitonen. Diese Erwartung sieht sich von den seltenen Darstellungen des AStA-Walilverhaltens von Studentinnen bestätigt: Studentinnen unterstützen eher demokratische und nationalkonservative Gruppen als die nationalsozialistischen oder kommunistischen Listen28. f) Konfessionelle Struktur und Nationalsozialismus Die bisherigen Ergebnisse gelten, obwohl im Zusammenhang mit den Freiburger Daten dargestellt, für die Gesamtheit der Universitätsstudenten im Reichsgebiet. Sie lassen eigentlich erwarten, daß der Nationalsozialismus in Freiburg ähnlich wie im Rd. die in der Studentenschaft herrschenden schicht71 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

spezifischen Mentalitäten zu seinen Gunsten ausbeuten kann. Tatsächlich aber gelingt es dem NSDStB — sieht man von der irregulären Wahl im SS 1932 ab — in Freiburg nicht, jemals mehr als 25 % der abgegebenen Stimmen zu erhalten29; unter allen deutsdien Universitäten hat er hier seine schwächste Position. Der leicht über dem Rd. liegende Anteil der Oberschicht an der Studentenschaft kann dafür primär ebenso wenig den Ausschlag gegeben haben wie der sehr hohe Prozentsatz der 1. bis 3. Semester. Zwar wirkt sich für die Mitgliederstärke des NSDStB und sein kontinuierlidies und propagandistisch wirksames Auftreten an der Hochschule der hohe Prozentsatz von Studenten jüngsten Studienalters eher ungünstig aus; auch bedeutet der rasche Eintritt in Korporationen, den viele von ihnen vollziehen, eine gewisse Abschirmung gegenüber dem NSDStB. Dodi ist — besonders nadi dem Reidistags-Wahlerfolg der NSDAP im Herbst 1930 — eine dem NSDStB bei AStA-Wahlen abträglidie politisdie Indifferenz oder liberal-konservative Einstellung der Studienanfänger nidit mehr ohne weiteres vorauszusetzen. Und was die Korporationen angeht, so macht der NSDStB ja nidit zuletzt durch die Aushöhlung der Verbindungsloyalität überall seine Fortschritte30. Wo also liegt der Grund für den relativen Mißerfolg des NSDStB in Freiburg? Alles deutet darauf hin, daß er in der konfessionellen Zusammensetzung der Studentensdiaft zu suchen ist und daß erst in zweiter Linie andere Faktoren mitspielen. Der bei den AStA-Wahlen von 1922 bis 1931 um 35 % schwankende Stimmanteil für die Liste der katholisdien Korporationen und Jugendbewegungsgruppen zeigt, daß diese — setzt man einmal eine ungefähr gleidie Wahlbeteiligung der katholisdien und der übrigen Studenten voraus — mehr als drei Viertel der katholischen Studenten konstant an sich binden können. Zwar muß man berücksichtigen, daß katholische Studenten relativ „korporationsfreudiger“ als andere sind und daher die auf die katholische Liste entfallenden Stimmen sich in hohem Maß auch der Verbindungstreue verdanken. Doch kann der Anteil der niditorganisierten katholisdien Studenten an diesen Stimmen kaum unter 30 % liegen, wie ein Übersdilag über die Zahl katholischer Studenten, die Stärke der katholischen Korporationen und die Ergebnisse der AStA-Wahlen im Jahr 1931 ergibt. Selbst wenn sämtlidie organisierten katholischen Studenten gewählt und ihre Stimme der katholischen Liste gegeben hätten, entfielen auf sie nidit mehr als 70 % der für die katholisdien Liste tatsächlidi abgegebenen Stimmen, und immer nodi mindestens die Hälfte der niditorganisierten katholischen Studenten hätte für die katholisdie Liste gestimmt. Die katholischen Studenten madien keinen Versudi, Studenten anderer Konfession (etwa durdi politisdie Argumentation) für ihre Liste zu gewinnen. Andererseits haben sie in der Regel keine Möglidikeit, die in den AStA-Wahlkämpfen propagierte „katholisdie Weltanschauung“ in der praktischen AStAArbeit wirksam und siditbar werden zu lassen; hier entfallen Gratifikationen, wie sie das Zentrum für seine Wähler bereithalten kann. Die Beständigkeit der Anhängerschaft verdankt sich daher primär dem „katholisdien Milieu“, das die organisierten, aber auch die meisten niditorganisierten katholischen Studenten 72 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

umfängt und das für die übrige Studentenschaft relevante soziale und nationale Konfliktspunkte in hohem Maß neutralisiert. Die katholische AStA-Fraktion übernimmt insoweit an der Hochschule die Rolle des Zentrums in der deutschen Politik31. Sie bringt über diese Gleichartigkeit auch eine indirekte Identifikation katholischer Studenten mit der Republik zuwege. Allerdings zeigt das Verhalten der Korporierten in der katholischen Fraktion nicht selten, daß die in der Verbindungszugehörigkeit sich andeutende Mentalität gegenüber dieser Identifizierung durchschlagen kann; bei einem Funktionsverlust des Zentrums, wie er 1933 eintritt, begünstigt sie eine nationalsozialistische „Gleichschaltung“ der Korporationen und damit der Exponenten der katholischen Studentenschaft. Die Zeitschrift „Academia“ des katholischen CV-Studentenverbandes bietet einen guten Einblick in diese Entwicklung. Während sich im Juli 1930 der Verbandsseelsorger noch scharf gegen den Nationalsozialismus ausspricht, deutet sich im April 1932 in verschiedenen Beiträgen eine gewisse Anpassung in politischer Hinsicht an, während die religiöse Ablehnung beibehalten wird, „solange“ die deutschen Bischöfe sie aufrecht erhielten. Im April 1933 kündigen die katholischen Korporationen die Rücknahme des Verbots der Aufnahme von NSDAP-Mitgliedern an, da die höchste Lehrautorität, die Bischöfe, ihre Bedenken aufgegeben hätten. Danach brechen alle Dämme gegen den Nationalsozialismus32. Für die Zeit vor 1933 gilt jedoch Lepsius' Feststellung für die katholischen Studenten nicht minder als für Katholiken generell: „Der für die Protestanten charakteristische plötzliche Umschlag der Orientierung von schichtspezifischen zu nationalen Ordnungsvorstellungen wird bei den Katholiken durch die Konfessionskriterien vermittelt, verzögert, gehemmt.“33 Ein Blick auf andere Universitäten, die einen ebenso hohen oder höheren Prozentsatz katholischer Studierender wie Freiburg aufweisen, zeigt, daß auch dort die Erfolge des NSDStB geringer als im Rd. sind. Jedoch besteht offensichtlich keine einfache Korrelation zwischen Katholizismus und Resistenz gegenüber dem NSDStB. So scheint es, als ob die Frequenzschwankung der betreffenden Universität zwischen Sommer- und Wintersemester von Bedeutung sei: eine relativ gleichmäßige Frequenz deutet auf eine ausgeprägte regionale Verwurzelung und zugleich eine stärkere Mittelschichtenprägung der Studentenschaft; dem NSDStB bieten sich hier außerdem bessere Möglichkeiten eines längerfristigen Aufbaus seines Anhängerpotentials34. Stichhaltiges läßt sich darüber allerdings kaum ausmachen, denn die zahlreichen preußischen Universitäten (darunter solche mit hohem Anteil katholischer Studenten) hatten seit der Abstimmung über das preußische Studentenrecht im Jahr 1927 keine staatlich anerkannte Studentenvertretung mehr. Die dort abgehaltenen Wahlen zu den sog. „Freien Studentenschaften“, an denen die Katholiken vielfach nicht beteiligt waren, geben daher für unsere Frage keinen Aufschluß. Besser steht es mit der umgekehrten Behauptung: Je höher der protestantische Anteil an der Studentenschaft und je stärker sich diese aus einer mittelständischen Umgebung der Universität rekrutiert, desto höher wird der Prozentsatz nationalsozialisti73 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

scher Stimmen bei den AStA-Wahlen sein. Erlangen (etwa 70 % Protestanten, 68 % NSDStB-Stimmen im WS 1930/31) ist das markanteste Beispiel. Auch da, wo der Anteil der Mittelschicht an der Studentenschaft unter dem Rd. liegt, die Bedingungen einer relativ starken lokalen und protestantischen Prägung aber erfüllt sind, können die Erfolge des NSDStB beträchtlich sein. In Baden bildet Heidelberg in dieser Richtung das Gegenbeispiel zu Freiburg: Bei einem gleichen Anteil der Oberschicht an der Studentenschaft (jeweils 40 %) unterscheidet sich diese von Freiburg durch die landsmannschaftliche Zusammensetzung (SS 1928: 4 0 % Badener gegenüber 2 6 % ) und den konfessionellen Schwerpunkt (SS 1928: 63 % Protestanten gegenüber 46 % ) . Wie wenig dem in solchen Voraussetzungen begünstigten Erfolg des NSDStB durch die politische Einstellung der Professorenschaft allein entgegengewirkt werden kann, zeigt gerade das Beispiel der Universität Heidelberg: gerühmt als „Musteruniversität“ der neuen Demokratie, als „akademische Hochburg des neuen Deutschland“35, erreicht der NSDStB dort 1929 doch 23 %, 1930 37 % und im Januar 1933 — nach der Wiedererrichtung der im nationalsozialistischen Terror gegen Emil Gumbel zusammengebrochenen Studentenvertretung — 46 % der Stimmen. Freilich zeigt eine genauere Analyse der Geschichte der Universität Heidelberg in der Weimarer Republik, daß ein paar der DDP nahestehende Professoren (Eberhard Gothein, Alfred Weber, Martin Dibelius, Gerhard Anschütz, Willy Hellpach) oder SPD-Mitglieder wie Gustav Radbruch und Emil Lederer die vielen konservativen und einige offen reaktionäre Professoren nicht aufwiegen. Die Entwicklung des Falles Gumbel in den Jahren 1924/25, 1930/31 und 1932 beleuchtet scharf die Problematik und Konsequenzen der Auffassung, daß Stilund Taktfragen Ausmaß und Inhalt politisdier Erörterungen im Umkreis der Universität bestimmen müßten und jeder Verstoß gegen diese Grenzen „Sensationslust und Demagogie“ und ein „Vergehen gegen den Geist des Standes und der Korporation“ sei36. Trotz des „deutschnational-restaurativen“ Klimas an der Universität Freiburg (Hellpach) bleiben hier die Voraussetzungen für den NSDStB wesentlich ungünstiger als in Heidelberg. Die Analyse der politischen Aktivität der Studentenschaft wie des in ihren Organisationsformen sich ausdrückenden sozialen Selbstverständnisses macht freilich deutlich, wie gering auch hier das aktiv demokratische Potential veranschlagt werden muß. Wo sich aber eine Option für die Demokratie artikuliert, geschieht das in der Regel ohne ein Bewußtsein von den Konsequenzen, die aus verwirklichter Demokratie für die Neudefinition der sozialen Rolle „akademischer Bürger“ hervorgehen müßten.

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III. Studentische Vereinigungen an der Universität: Zum politischen Bewußtsein der Akteure studentischer Politik In den Jahren zwischen 1919 und 1932 verdoppelte sich die Zahl studentischer Vereinigungen an der Universität von 40 auf über 80. Diese Entwicklung war teilweise der Liberalisierung des studentischen Vereinsrechts zuzuschreiben, wodurch die Existenz politischer Studentengruppen erleichtert wurde, in erster Linie jedoch der Initiative von Studenten, die aus den verschiedenen Richtungen der Jugendbewegung stammten. Weniger stark vermehrten sich die Verbindungen traditionellen Charakters; nach wie vor aber umfaßten sie den größten Teil der organisierten Studentenschaft, im WS 1930/31 etwa drei Viertel davon (vgl. Tab. 6). Die politischen Gruppen, von denen die meisten überdies nur sehr diskontinuierlich bestanden, fielen demgegenüber mit einem Anteil von 10 % an der organisierten Studentenschaft zahlenmäßig kaum ins Gewicht, sieht man von Arbeitsgemeinschaften ab, an denen sich verschiedene Verbindungen oder Gruppen korporativ beteiligten. Insgesamt erfaßten die studentischen Vereinigungen nur etwas mehr als 40 % der immatrikulierten Studentenschaft, wobei diese für das WS 1930/31 ermittelte Relation noch recht günstig für sie ausfällt. Denn zweifellos bestimmten in den Sommersemestern die nichtorganisierten Studenten und vor allem Studentinnen noch deutlicher das Bild der Gesamtstudentenschaft als in den Wintersemestern. Wenn den studentischen Vereinigungen trotz ihrer quantitativ schwachen Stellung in der Studentenschaft in dieser Arbeit breiter Raum gegeben wird, so deshalb, weil sie inner- und außerhalb des Studentenausschusses ausschließlich Träger politischer Artikulation und Aktion der Studentenschaft waren, jedenfalls die einzigen, die dem Historiker greifbar sind. In ihren verschiedenen Organisationszielen erhellen sie die Interdependenz von politischem und akademischem Selbstverständnis der Studentenschaft und diejenigen Momente, die im Herkunftsmilieu ihrer Mitglieder begründet liegen. Ihre unterschiedliche Stellung in der Universität sagt auch etwas aus über das Bild des Studenten, das diese ihrer eigenen Bemühung um ihn zugrunde legt. Es wird darauf verzichtet, die Interpretation an eine Theorie der sozialen Gruppe zu binden, und statt dessen versucht, aus dem nicht übermäßig reichlichen, sehr ungleichmäßig gelagerten Material, das zur Verfügung steht, ein möglichst differenziertes Bild der verschiedenen Gruppencharaktere zu gewinnen. Dabei wird nicht übersehen, daß die Beschreibung der Merkmale einer Gruppe oder einer Gruppe von Verbindungen keineswegs auf das Verhalten ei75

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Tab. 6: Die studentischen Vereinigungen an der Universität Freiburg i. Br. (Stand: WS 1930/31. Ermittelt und teilweise geschätzt nach den Angaben in den Zeitschriften der Korporationsverbände, den Verbindungsakten des UAF, den Angaben de'S Freiburger Universitätsführers und in: Das Akademische Deutschland, Hg. M. Doeberl u. a., II, Berlin 1931, 762 ff.) Charakter der Vereinigung bzw. des Verbandes A. Schlagende Verbindungen Corps im Kösener S. C. Bursdienschaften in der D. B. Landsmannschaften i. d. D. L. Turnerschaften im V. C. Sonstige Sdilagende Verbindungen insgesamt

Anzahl der Zahl der Gruppen bzw. aktiven Verbindungen Mitglieder

B. Nichtschlagende Verbindungen 1. Katholisdie Verbindungen Cartellverband der kath. dten. Studentenverbindungen (C. V.) Kartellverband der kath. Studentenvereine Dtls. (K. V.) Wissenschaftl. kath. Stud.vereine Unitas Kath. Dte. Bursdienschaft

5 4 2 2 14 27

75 150 55 45 200 525

Aktive Mitglieder in % der Gcsamtstudentensch. 2,2 4,4 1,6 1,3 5,8 15,3

7

200

5,8

7 3 1

4,1 2,9 0,6 13,4

Katholisdie Verbindungen insgesamt

18

140 100 20 460

2. Sonstige nichtschl. Verbindungen Evangelische Verbindungen Jüdisch-„parität.“ Verbindungen Jüdisch-konfess. Verbindungen Weitere Verbindungen Sonstige Verbindungen insgesamt

2 2 2 4 10

27 30 18 30 105

0,7 0,9 0,5 0,9 3,0

C. Gruppen ohne Verbindungscharakter Katholisch-konfess. Gruppen Evgl.-konfess. Gruppen Geselligkeits- und Sportvereinigungen Ohne Verbindungsdiarakter insgesamt

6 2 12 20

125 15 100 240

3,6 0,4 2,9 6,9

1 1 1

10 25 30

0,3 0,7 0,9

1 1 1 1 1 8

10 20 10 20 10 135

0,3 0,6 0,3 0,6 0,3 4,0

83

1465

42,6

D. Politische Studentengruppen 1. Gruppen auf der Rechten Hodischulgruppe der DVP Stahlhelm-Hochschulgruppe NSDStB 2. Gruppen auf der Mitte und Linken Studentengruppe der DDP Student. Zentrumsgruppe Dter. Pazif. Studentenbund Sozialist. Studentengruppe Rote (kommun.) Studentengruppe Polit. Studentengruppen insgesamt Studentische Vereinigungen insgesamt 76

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nes jeden ihrer Mitglieder zutreffen muß. Doch ist es einer Untersuchung wie der vorliegenden nicht möglich, den Grad der Gruppenintegration und -disziplin auch nur annähernd zu bestimmen oder die Motive des Anschlusses an eine Gruppe kontrolliert zu erforschen. Hier muß vielfach Lebenserfahrung aushelfen. Von den studentischen Vereinigungen, die im Lauf der Jahre 1918 bis 1933 an der Universität bestanden, können nur die wichtigsten behandelt werden. Kriterien der Auswahl sind einmal die Stärke der Gruppen (zugleich ein Indiz ihrer kontinuierlichen Existenz), zum andern ihre politische Aktivität, hier besonders ihr Einfluß auf Art und Richtung der Politik des Studentenausschusses.

1. Rechtliche Grundlagen: „Akademisches Bürgerrecht“ und „Akademische Disziplin“ Die Gründung und Tätigkeit aller studentischen Gruppen unterlag den „Akademischen Vorschriften“1. Diese definierten zwar auch, was als „akademisches Bürgerrecht“ der nichtorganisierten Studenten zu gelten habe; jedoch waren sie schon ihres Alters wegen — sie gingen auf ein Gesetz von 1868 zurück — weitgehend auf den Typus und das Selbstverständnis des traditionellen Verbindungsstudenten zugeschnitten. Die letzte Fassung stammte aus dem Jahr 1908, als das Kultusressort — damals noch im Justizministerium — versuchte, die entstehenden katholischen Verbindungen und politischen Studentengruppen möglichst strikt zu disziplinieren2. Diese Fassung wurde vom Kultusministerium im Einvernehmen mit den Senaten und Studentenausschüssen der badischen Hochschulen 1920 revidiert, um den durch die Revolution veränderten politisdien Verhältnissen Rechnung zu tragen. Dem diente vor allem die neue Bestimmung, daß studentische Vereinigungen nicht verboten oder von der Zulassung an der Universität ausgeschlossen werden dürften, solange sie „bestimmte, mit dem Strafgesetz vereinbare politische, sozialpolitische oder religiöse Zwecke“ verfolgten (§ 31); desgleichen der Fortfall der früheren Bestimmung, daß der Senat Studenten die Teilnahme an nichtstudentischen Vereinigungen, etwa politischen Parteien, verbieten könne. Den durch die Weimarer Reichsverfassung garantierten politischen Rechten des Staatsbürgers (insbesondere seiner Vereinigungsfreiheit, Art. 124) wurde jedoch in den Vorschriften für die Studenten nur eingeschränkt praktische Wirksamkeit zugestanden. In der Praxis und der staatsrechtlichen Literatur wurde unter dem Gesichtspunkt des „besonderen Gewaltverhältnisses“ eine spezifisch akademische Anstaltsdisziplin und damit eine Beschränkung politischer Grundrechte für zulässig erachtet3. Die badischen Vorschriften von 1920 ließen zwar offen, ob sie sich auf diese, im demokratischen Rechtsstaat problematische Interpretation stützten; indem sie aber der akademischen Disziplin „die Aufgabe, die Ordnung, Sitte und Ehre des akademischen Lebens aufrechtzuerhalten“, zuwiesen (§ 25), beharrten sie auf einem Begriff studentischer Lebensführung, der so oder so nicht demokratisierbar war. 77 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Die neue Stellung der Studentenschaft an der Hochschule fand zwar Berücksichtigung in der Beteiligung von Vertretern des AStA am akademischen Disziplinargericht (§ 39), nicht jedoch in einer Neuinterpretation der Rolle des Studenten an der Hochschule überhaupt. Der Katalog möglicher Verstöße gegen die Disziplin (§ 35) zwängte ihn in das Schema des Untergebenen und des zu pennalistischen Ausschreitungen geneigten Korporationsstudenten4. Der Willkür der Auslegung und damit praktisch den Maßstäben eines akademischen Standeskodex blieb überlassen, was als „Verletzung nationalen und sozialen Empfindens“ (§ 35) oder als Gefährung des „Friedens in der Studentensdiaft“ (§ 31) zu gelten habe. Das alt-neue Disziplinarrecht wurde von den Studenten — mit Ausnahme der Sozialistischen Studentengruppe — ohne merklichen oder gar grundsätzlichen Widerspruch akzeptiert 5 . Das lag vermutlich daran, daß sie — so sehr auch unter ihnen nach 1918 der alte Maßstab der „Satisfaktionsfähigkeit“ an unbestrittener Geltung einbüßte — doch an einen spezifisch studentisch-akademischen Ehrbegriff fixiert blieben; dessen vag „idealistisdie“ Begründung ließ sie eine auf Sdiulverhältnisse zugeschnittene Anstaltsordnung willig in dem Bewußtsein ertragen, das dort Geforderte als akademisdie Elite notwendig von sich aus zu erbringen“. 2. Die Stellung der Universität zu den studentischen Vereinigungen Die Haltung der meisten Professoren und der akademisdien Behörden zu den Korporationen herkömmlidien Stils war geeignet, diese ideologische Verbrämung eines obrigkeitlichen Relikts zu fördern. Einerseits galt dem öffentlichen Auftreten der Verbindungen und den darin nicht selten zum Vorsdiein kommenden feudalen Allüren die besondere Aufmerksamkeit des akademisdien Disziplinarbeamten; ein Gutteil der angedrohten Strafen diente dazu, den „Geist der Zucht und Gesittung, der Ordnung und friedlichen Eintradit“ unter ihnen aufrechtzuerhalten1. Andererseits betraditeten nidit wenige Professoren, zumal wenn sie selbst einer Verbindung angehörten, allein die Korporationen als zum originären Bild der deutsdien Hodisdiule gehörig. Gegenüber dem „Individualleben der romanisdien Studentenwelt . . . mit seinen sittlidien Folgen“ ersdiien hier die Korporation „als große Wohltat und als treffliche Sdiule für den jungen Mann“, in der man „Sidierheit im Auftreten nadi außen, Haltung, Disziplin gegen sich selbst und andere“ gewinne2. Daß die ihrer eigenen Rolle an der Hodisdiule oft nochungewissen Studentengruppen der politisdien Parteien dem „Komment“ der Korporationen keine traditionell legitimierten Kornmunikationsformen entgegenzusetzen hatten, war ein widitiger Grund für die hodischulpolitisdie Unterstützung, die die Korporationen bei den Universitätsbehörden fanden. Selbst ein Kritiker der politisdien Rolle des Korporationsstudententums wie Friedrich Meinecke sdirieb — von den Verhältnissen an der Berliner Universität ausgehend —, daß die reditsstehenden Korporationen sidi 78 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

„sehr viel pünktlicher, exakter, zuverlässiger..., mit mehr Akkuratesse, mit mehr äußerer Kultur und Erziehung als die Linksleute“ benähmen*. Die bei Stiftungsfesten und sonstigen gesellschaftlichen Anlässen sich ausdrückende „Verbundenheit“ der Universität mit den Verbindungen zeigte sich auch in einer recht weitgehenden Toleranz gegen Äußerungen des korporationsstudentischen Antisemitismus und in der Verteidigung der Mensurgebräuche gegen politische Kritik und staatliche Eingriffe. Im Gegensatz zu den Korporationen konnten die politischen Studentengruppen nicht auf das Wohlwollen der Universität rechnen. Ausnahmen bildeten lediglich diejenigen Professoren, die selbst parteipolitisch engagiert waren, so Kantorowicz, der die demokratische Studentengruppe förderte, oder v. Below, der in engen Beziehungen zur Hochschulgruppe der DNVP stand, sie allerdings als Gruppe mit „vaterländischer“ Zielsetzung ansah. Noch wenige Monate vor Kriegsende hatte es zwar der damalige Rektor Finke als unvermeidlich angesehen, daß künftig die Politik „mehr als früher die akademische Jugend beherrschen“ werde. Jedoch sollte diese Zuwendung nach seinem Willen in einer Form geschehen, die sich nicht grundsätzlich von der Staatsbürgerrolle im Obrigkeitsstaat und damit vom herkömmlichen Politikverständnis der Korporationen unterschied: „mit der Gleichheit verbinden wir die Autorität, mit der Freiheit den freiwilligen Gehorsam. Nicht jedem das Gleiche, sondern jedem das Seine“4. Wer die Politik als etwas „Beherrschendes“ begriff, dem mußte eine politische Beteiligung der Studenten, die sich — etwa in politischen Parteien — organisiert zur Wirkung bringen will, nicht nur als aussichtslos, sondern auch als überflüssig oder gar schädlich erscheinen. Nach der Revolution und der Einrichtung eines demokratischen Verfassungslebens sahen sich die Studenten zwar oft Appellen ihrer Professoren zu „opferwilliger Mitarbeit“, zur „Teilnahme am deutschen Aufbauwerk“ ausgesetzt und an die „Pflicht“ erinnert, „mitzuwirken an den Geschicken der Gesamtheit“. Nicht zufällig jedoch spielte gerade der Mediziner Erich Opitz (geb. 1871) auf die alte, zum konservativen Zitatenschatz gehörende Fabel des Menenius Agrippa an, wonach „wir alle Zellen eines Körpers sind, der von seinem Leide nur genesen kann, wenn alle Zellen ihre Aufgabe willig erfüllen, jede an ihrem Platz“. Sie zeigt, daß die zelebrierte „Liturgie staatsbürgerlicher Verantwortung“ (Habermas) letztlich doch keinen anderen Zweck hatte, als den Studenten auf „das Seine“, nämlich das Fachstudium zu verweisen5. Was dieses Fachstudium einigermaßen brüchig überwölbte, das Postulat akademischer Gesinnungsgenossenschaft, ließ den Professoren politische Auseinandersetzungen in der Studentenschaft als etwas bloß „Äußeres“ erscheinen. Wenn solche Differenzen sich allerdings an der Parteipolitik orientierten, erhielten sie vor der zum Ideal stilisierten menschlichen Nähe der Hochschulgemeinschaft leicht den Charakter des Gefährlichen und Verdummenden, des „Agitatorischen“ und „Propagandistischen“6. Die Furcht, die Artikulation politischer Kontroversen werde das Akademische und damit die Wissenschaft selbst zugrunde richten, führte dazu, daß die Uni79 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

versität zwischen Studentengruppen verschiedener politischer Parteien und damit verschiedener ideeller Abkunft und Rationalitätsstufe kaum einen grundsätzlichen Unterschied mehr machen konnte. So äußerte sich der politisch gewiß nicht indifferente Ludwig Aschoff mehr als einmal in folgender Weise: „Die Zulassung der politischen Verbände hat den Sinn der civitas academica und die für das Studium notwendige ruhige Betrachtung der Dinge gestört. Ich weiß, daß ich mit dieser Ansicht nicht allein stehe . . . Es scheint mir an der Zeit, daß die Studentenschaft selbst den Willen kundtut, von allen parteipolitischen Verbänden — gleichgültig welcher Art — wieder befreit zu werden. Voraussetzung ist selbstverständlich die gleiche und geredite Behandlung jeglicher politischer Strömung, ob sie der Regierung genehm ist oder nidit“7. Der Begriff der Universität von Wissensdiaft stand, so scheint es, in keinem stärkeren Spannungsverhältnis zu dem gewiß „agitatorisch“ und „propagandistisch“ vorgehenden NSDStB als zu den Studentengruppen der Mitte und Linken. Wie anders ist es zu verstehen, wenn der Rektor auf eine Besdiwerde des Synagogenrats Freiburg, der NSDStB diskriminiere deutsdie Bürger jüdischer Abstammung, nur erwidern ließ: man verurteile „die Art und Weise der Werbung einzelner politischer Korporationen“8? Denn weder war der Antisemitismus ein Spezifikum politischer Studentengruppen noch die Mitte und Linke überhaupt mit ihm in Verbindung zu bringen. So verurteilte die Universität hier auch nicht primär den Antisemitismus, sondern alles, was ihrer Auffassung nach den „Universitätsfrieden“ zu stören geeignet war. Weniger speziell auf Freiburg bezogen als im großen Überblick kann man sogar sagen, daß die Universitären dem NSDStB wegen seines Einflusses auf die Studentensdiaft und wegen der Affinität seiner Ideologie zum nationalen Konservatismus eine Duldsamkeit und Vorsidit entgegenbrachten, die sie etwa kommunistisdien Studenten nidit gleidiermaßen bewiesen9. Wenn die Universität Freiburg den politisdien Hodisdiulgruppen, die nach dem Krieg entstanden, die Zulassung in der Regel audi nidit verweigern konnte, so tat sie dodi alles, um ihren illegitimen Status herauszustellen und sie zugleich unter Kontrolle zu halten. Die Aufsidit des Rektors über die Anschlagbretter der studentisdien Gruppen erlaubte eine Zensur über die auszuhängenden Texte10. Mehrere Senatsbeschlüsse zwisdien den Jahren 1919 und 1932 trafen Vorsorge, daß für politische Zwecke und Gruppen keine Hörsäle der Universität zur Verfügung gestellt wurden mit Ausnahme der Vorträge des Amtes der Studentensdiaft für politische Bildung; eine Diskussion unter den allein zugelassenen Studenten und Professoren sollte audi dann nidit möglich sein“. Flugblätter sollten auf dem Boden der Universität außer unmittelbar vor AStA-Wahlen ebenfalls nicht verteilt werden12. Zur Repräsentation studentisdier Vereinigungen bei offiziellen Veranstaltungen der Universität waren politisdie Hodisdiulgruppen nidit zugelassen13. Ein Verbot, Uniformen zu tragen, trat auf dem Gebiet der Universität mit dem allgemeinen Verbot der SAund SS-Uniformen in Baden am 13. 6. 30 in Kraft, wurde nadi der Aufhebung dieses Verbots für die Universität erneuert und offiziell erst am 6. 4. 33 aufge80 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

hoben. Das Tragen politischer Abzeichen wie desjenigen der NSDAP, des Stahlhelm, der Rotfront oder Eisernen Front wurde nicht beanstandet14.

3. Inhalte und Funktionen der Korporationserziehung Die Darstellung geht nun von den Bedingungen, unter denen verschiedenartige Vereinigungen an der Universität agieren konnten, über zu ihrer internen Struktur und politischen Orientierung, und zwar in der Reihenfolge: rechtsstehende, das sind vor allem die schlagenden Korporationen; parteipolitische Gruppen der Rechten; katholische Korporationen; parteipolitische Gruppen der Mitte und Linken. Zuvor aber sind einige Bemerkungen über die Funktion der Korporationen an der Hochschule und ihre soziale Rolle am Platz. Sie gelten im wesentlichen auch für die katholischen Korporationen (die vorwiegend von Theologiestudenten gebildeten Unitas-Vereine ausgenommen) und beziehen sich auf die Verhältnisse der Weimarer Zeit, wenngleich manches auch heute noch Gültigkeit hat1. Die fachwissenschaftliche Aufspaltung der Hochschule und ihre soziale Indienstnahme scheint sie immer mehr zum Verzicht auf eine in wissenschaftlicher Erkenntnis unmittelbar gegründete Bildungsfunktion zu drängen. Als „Massenuniversität“ hält sie den Anspruch, „Gemeinschaft“ zu sein, schon lange nur noch ideologisch fest. Hier bieten sich die Korporationen als institutionelle Hilfen zur Selbstverständigung des Studenten an. In der Tat arbeiten sie der krassen Isolierung vieler Studenten entgegen, allerdings mit Mitteln, die der „trüben Resignation, in der geistige Verantwortung kaum entstehen“ kann, nur scheinbar abhelfen2. Die Korporationen in ihrer von der Universität (früher mehr als heute) gebilligten Gestalt und Funktion sind die Frucht der vergeblichen Hoffnung, es ließe sich das „Ergebnis der aufgeklärten und ihrer geistigen Möglichkeiten bewußten Persönlichkeit. . . auch unter Verwendung außerrationaler Mittel ein für alle Mal hervorbringen“. Dem dient „die Umdeutung der Reflexion in eine Charakternorm, auf welche als anthropologisch oder ethisch höhere Seinsform dann die Bildungsbemühung verpflichtet wird“3. Die Ignorierung der historischen Bedingtheit solcher Charakterwerte bedeutet jedoch eine Fixierung auf konservative Werte und Herrschaftsansprüche, die in ausdrücklichem Gegensatz zu jedem „Intellektualismus“ sich der Begründung durch die Vernunft entziehen. Bildung schrumpft unter diesen Umständen leicht zu einem Bündel vornehmlich geisteswissenschaftlicher Bildungsgüter, die, gegenüber dem Fachstudium als „Allgemeinbildung“ deklariert, ein Statussymbol des „Akademikers“ bilden und seinem sozialen Führungsanspruch die Weihe des „Geistigen“ geben. Indem dieses Bildungsideal „weitgehend von Berufstätigkeit und Berufsfunktion der Akademikerschaft absieht und somit gar nicht mehr versucht, den erhobenen Elite-Anspruch funktional zu rechtfertigen“4, wird es für die Korporationen umso wichtiger, Ideal und Anspruch durch eine ständische Gliederung

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der Studentenschaft bereits an der Universität abzustützen und als reell wirksam vorzustellen. Innerhalb der Korporation geschieht das zunächst mit Hilfe einer hierarchisdien Ordnung, die quer zu aller spontanen „Freundschaft“ und „Lebensgemeinschaft“ steht, welche die Korporationen zu ihren Vorzügen rechnen. Beides zählt gewiß auch zu den subjektiven Motivationen der Eintretenden, wiewohl die erstrebte „Gleichgesinntheit“ lange Zeit durch eine sdiematisdie Auswahl nach Besitz und Herkunft vorweggenommen und auch sonst vielfach die Voraussetzung, nicht das Ergebnis einer ohnehin stark schabionisierten Selbsterziehung war. Mag Gleichheit auch im informellen Ablauf des Korporationslebens, in dem also, was es mit alltäglichen Lebensfunktionen verbindet, anzutreffen sein — da, wo die Korporation ihre auszeichnende Selbstverständigung vollzieht und die Höhepunkte ihres Daseins ansiedelt — beim Kommers und Stiftungsfest ζ. Β. — regiert die Autorität: sei es die personifizierte der „Burschen“ über die „Füxe“, der „Alten Herren“ über beide, sei es die abstrakte des Verbindungsziels über alle. Die Ziele der Korporation — Freundsdiaft, Gemeinschaft, Ehre, Glaube, Vaterland — werden durch einen schulmäßig weitergegebenen Lebenskanon, ein Ritual, das die Gesinnung prägt, an die Tradition gebunden. Ihre Interpretation folgt einem schlediten Kompromiß zwischen dem traditionellen Selbstverständnis des Offizierskorps und dem Bodensatz einer formalisierten humanistischen Bildung, deren ursprüngliche Intention durch die undialektische, wesentlich submissive Beziehung des Subjekts zum Kollektiv ins Gegenteil verkehrt wird. Gerade die „selbstlose“, i. a. W. kritiklose oder wider bessere Einsicht erfolgende Unterordnung unter die Ziele der Korporation ersdieint dem Korporierten als Grundlage seines elitären Ansprudis nach außen: weil er von sich „Opfer“ fordert, die erst in der Anerkennung durch Dritte ihren Sinn erhalten. Daher der „Ehrenstandpunkt“ der Korporationen (hier weidien die konfessionellen Verbindungen etwas ab), ihre Eifersudit untereinander und ihre gemeinsame latente Verachtung für „Kamele“, „Finken“ und „Wilde“, d. h. die nichtkorporierten Studenten; daher auch ihr Imponiergebaren, das sich durch Bänder, Fahnen, Farben und Vollwichs kundtut. Die „geistige Inzucht“ der Korporationen sah schon Max Weber in erster Linie durch die „Alten Herren“ gefördert. Das Protektions- und Konnexionswesen, mit dessen Hilfe sie einen Einfluß auf die Rekrutierung der Verbindungen wie deren innere Entwicklung behalten, verfolgt den doppelten Zweck, objektiv bürokratische und wirtsdiaftliche Maditstellungen bei einer bestimmten Schicht mit ausgeprägtem Solidaritätsgefühl zu konservieren und subjektiv den Alten Herren das Gefühl der Bestätigung ihrer Lebensauffassung zu vermitteln. Diese soziale Verflechtung der Korporationen mit Alten Herren, die oft Positionen von einigem Prestige einnehmen, trägt nicht wenig zur Abstützung der eigentlich als Selbstzweck deklarierten Verbindungsautorität bei. Ihr zu folgen, erhält dann den Charakter einer Vorübung für eine allenthalben, vor allem in der Politik gültige Lebensordnung. Ihre Verinnerlidiung beim Individuum dis82 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

poniert es daher politisch für die Traditionen des autoritären Machtstaates und des kollektiven Nationalstolzes. 4. Die waffenstudentischen Verbindungen Die schlagenden Verbindungen bildeten den stabilen Kern der rechtsstehenden Studentenschaft. Ihr politisches Bewußtsein fand typische Ausprägungen bei den Burschenschaften, dem VDSt und den Corps. Die politische Einstellung der übrigen schlagenden Verbindungen — auch nichtschlagender wie des evangelischen Wingolfs und Schwarzburgbunds — bewegte sich auf der Skala zwischen dem VDSt und den Corps; sie werden hier nicht weiter berücksichtigt. a) Die Burschenschaften1 Die Frequenz der 4 Freiburger Burschenschaften zusammen bewegte sich in den Jahren 1919 bis 1933 zwischen 100 und 160 Aktiven; sie waren damit der stärkste waffenstudentische Verband in Freiburg. Die meisten ihrer Mitglieder stammten aus Nord- und Ostdeutschland, d. h. dem protestantischen Bürgertum Preußens mit seiner starken Affinität zu den politischen Parteien der Rechten. Überproportional, gemessen am Durchschnitt der Gesamtstudentenschaft, waren in den Burschenschaften Medizin- und Jurastudenten vertreten (auch unter den Väterberufen fällt die hohe Zahl der Mediziner und Juristen auf), unterdurchschnittlich Studenten der philosophischen Fakultät. Das Interesse an der AStA-Politik war in den Burschenschaften rege, meist hatten sie mehrere Vertreter im AStA. Doch besteht der Eindruck, daß es ihnen eher auf eine vom Prestige erforderte Delegation in eine Instanz ankam, die von den Universitätsbehörden vornehmlich angesprochen wurde, und auf ein Training in verwaltenden und repräsentativen Aufgaben, das vielen ihrer Mitglieder von lebenspraktischem Nutzen erscheinen mochte. Ihre Beteiligung diente auch eher der Durchsetzung der vor allem von den Korporationsverbänden geprägten DSt-Politik im örtlichen Studentenausschuß als der Herstellung einer lokalen studentischen Öffentlichkeit, die im AStA, jedenfalls der ursprünglichen Idee nach, ihre Artikulation finden sollte. Die Burschenschaften betrachteten sich als „politische“ Verbindungen in dem Sinn, daß sie sich als bevorzugte Erben der deutschen Einheitsbewegung fühlten und sich die „stärkste Ausprägung des nationalen Gedankens und schärfste Bekämpfung aller Schädlinge am Volkskörper“ zur Aufgabe machten. 1919 waren daher die Burschenschaften an der Bildung einer Einwohnerwehr, 1920 an der Gründung einer Ortsgruppe des „Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes“ beteiligt2. Umgekehrt wurde im WS 1924/25 zwei aktiven Mitgliedern einer Burschenschaft der Austritt nahegelegt, weil sie sich dem Reichsbanner SchwarzRot-Gold und damit Bestrebungen angeschlossen hatten, die nach Ansicht des Altherren-Ausschusses der betreffenden Verbindung den Idealen der Burschenschaft zuwiderliefen3. 83 6·

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Traditionell beschränkte sich burschenschaftliche Politik auf eine politische Bildung, die nicht die Studentenschaft, sondern nur die eigenen Mitglieder als Zielöffentlichkeit kannte und daher der Anfechtung von „außen“ weitgehend enthoben blieb. Letzte Absicht dieser Bildung war nicht „aktives Eingreifen in das politische Getriebe“, sondern eine „bewußte innere Ausrichtung“ des Burschenschafters; bei aller Politisierung, hieß es 1919, „bleibt unser Wunsch der alte Staatsgedanke der vorigen Zeit: nicht ,ich will', sondern ,du sollst' ist das politische Gebot“4. Implizit wurde die politische Erziehung der Mitglieder durch die Funktionen des Verbindungslebens, explizit durch die „Kränzchen“ (Diskussionsabende) der einzelnen Burschenschaften und die Vortragsabende der Vereinigung Alter Bursdiensdiafter ausgeübt. Im Rahmen dieser Veranstaltungen sprachen außer Mitgliedern der Bursdienschaft vornehmlich Dozenter der Universität, ehemalige und aktive Offiziere, bisweilen auchHonoratioren der Stadt und Landtagsabgeordnete der DNVP und DVP. Die Themen galten primär bestimmten Fragen der Außen- und „Volkstums“politik (Versailles, Reparationen, Grenzfragen und Auslandsdeutschtum, Militärgesdiichte und -politik, Kolonialpolitik). Sie hatten den Vorzug, am ehesten unter den burschensdiaftlichen Begriff des Politischen zu fallen, d. h. als „nationale“ Fragen scheinbar unstrittig zu sein und parteipolitisdie Kontroversen in der Bursdiensdiaft eher auszusdiließen als die, freilidi nicht ganz ausgeklammerte, Diskussion innenpolitisdier Themen (Wirtschafts- und Sozialpolitik, Entwicklung der Parteien und des Verfassungslebens). Stand die Behandlung außenpolitischer Fragen vielfach im Zeichen der „Geopolitik“, so geschah die der Innenpolitik in Anlehnung an Autoren der „konservativen Revolution“5. Besonderes Interesse brachten die Burschensdiaften der sog. „Judenfrage“ entgegen, d. h. der rassistischen Interpretation politischer und kultureller Tatsachen; die „theoretisdie Grundlage“ dafür bildeten nicht zuletzt Geschenke aus der Altherrensdiaft an burschensdiaftlidie Bibliotheken, deren Titel etwa „Der falsdie Gott“, „Judas Sdiuldbudi“ oder „Die Sünde wider das Blut“ lauteten. Erst um 1930 wurde die Rassenhygiene rezipiert, doch blieb, obwohl „über ihre Notwendigkeit kein Zweifel bestand“, Art und Möglidikeit ihrer Verwirklichung umstritten6. Soweit Referate und Diskussionen über politisdie Themen zu den Pflichtübungen der aktiven Studenten der Bursdiensdiaftcn gehörten, ließ ihr in der Regel junges Studienalter und dilettantisches Verhältnis zum gesdiiditlidien und politisdien Wissensstoff eine kompetente Behandlung der ohnehin fragwürdigen Themen nidit erwarten. Eine Beeinflussung durdi die Ansdiauungen der Alten Herren kann als wahrsdieinlidier gelten als eine Korrektur durdi die Universitätswissensdiaft. War diese Art politisdier Bildung ihrer Inhalte wegen problematisdi, so nodi mehr ihrer möglidien Wirkung wegen, obgleidi beides vermittelt war. Als Vorbereitung staatsbürgerlidi-nationalen Handelns interpretiert, mußte sie doch von nicht wenigen nur als Bestandteil eines traditionell legitimierten Pfliditenkatalogs des Bursdienschafters angesehen werden. Sie teilte so, weil sie der Bewährung und Korrektur sowohl in einer antagonistischen Diskus84 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

sion wie im politisch-sozialen Prozeß bewußt entzogen blieb, das Schicksal der „Allgemeinbildung“: Ausstattung der „Persönlichkeit“ statt Quelle ihres Anspruchs auf eine geschichtlich wirksame, nicht eingebildete Autonomie zu sein. Ein verworrenes Gefühl davon mochte die jungen Burschenschafter beherrschen, wenn sich bei ihnen in den Jahren nach dem Krieg und wieder ab 1929 Tendenzen geltend machten, politische Bildung in „Praxis“ zu überführen, sei es durch antisemitische Symbolhandlungen, durch Teilnahme an der „Wehrsportertüchtigung“ oder durch Eintritt in den als „Frontabschnitt“ der NSDAP sich ausweisenden NSDStB. Solcher Tendenzen wegen kam es zu Spannungen mit der Altherrenschaft der Verbindungen, die darauf insistierte, „daß der Begriff .Politisierung der Studentenschaft' nicht in einer äußeren Propaganda, sondern . . . im Erziehungsproblem zu wetterfesten Menschen wurzelt, denen . . . das Aufgehen im Vaterlandsdienste als oberstes Ziel vor Augen schwebt“7. Dahinter stand die Sorge, die Teilnahme von Burschenschaftern an radikalen Bewegungen oder gar die Bindung der Burschenschaften in corpore an solche Bewegungen werde die Disziplin und damit das Fundament des korporativen Zusammenhalts schwächen. In den Worten Aschoffs auf einem Verbindungsabend 1932: „Weil eine jede Korporation in ihrem Erziehungsziel so selbständig ist und doch wieder dem Gesamtwohl dient, kann sie sich einen Eingriff in ihre eigene Freiheit nicht gefallen lassen . . . Gibt sie diese Erziehungsgrundsätze auf oder gestattet sie, daß eine andere Macht über diese die Herrschaft gewinnt, so verliert sie das Recht auf Name und Sinn einer . . .Korporation.“8 Weit eher als eine angreifbare politische Bindung der Korporationen nach außen erschien den Alten Herren die Beschränkung des Politischen auf die interne Korporationserziehung als die beste Garantie, den politischen und sozialen Anspruch des akademischen Bürgertums ideologisch abzusichern: durch Berufung auf charakterliche Qualitäten, denen die salus publica wie selbstverständlich das oberste Gesetz ist. Den wachsenden Einfluß des Nationalsozialismus nach 1929 und besonders den des NSDStB betrachtete die Mehrheit der Alten Herren deshalb mit Mißtrauen und Sorge, wenn ihnen auch keine Formel zur Verfügung stand, um die Ziele des NSDStB vor den Burschenschaften grundsätzlich zu diskreditieren9. Denn einige Faktoren, die kaum durch individuelle Beeinflussung aus der Welt zu schaffen waren, machten die Burschenschaften — wie ganz ähnlich den VDSt oder die Turnerschaften — anfällig für eine nationalsozialistische „Unterwanderung“. Die ständige Projektion „nationaler Verantwortung“ und „Tatbereitschaft“, welche die politische Erziehung der Burschenschaften begleitete, erschien im Nationalsozialismus überboten und durch eine aktionistische Praxis des NSDStB an den Hochschulen bereits eingelöst. Es galt also nur, hemmende Korporationsfesseln zu sprengen, die in der Wirtschaftskrise anachronistischer noch als zuvor anmuteten und kaum durch materielle Verheißungen erleichtert werden konnten. Als sozial stark „mittelständisch“ geprägte Verbindungen bedurften die Burschenschaften einer politischen Integrationsideologie vergleichsweise eher als die stärker von den intakten Teilen des Besitzbürgertums her bestimmten Corps. Dem Nationalsozialismus hat85 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

ten sie deshalb nicht nur wenig entgegenzusetzen — sie hatten ihm vielmehr mit der Ideologie der „Volksgemeinschaft“ als der Basis des nationalen Machtstaates und mit der Konstruktion eines antisemitischen Gegenbildes selbst vorgearbeitet. b) Der Verein Deutscher Studenten (VDSt)10 „Drüben reckt im geraubten deutschen Land das Straßburger Münster seine Schwurfinger in die Höhe, ruft nach deutschen Menschen, die hier deutsches Erbe wahren sollen . . . Viel hoffnungsfrohe Arbeit ist hier zu leisten und wird auch geleistet“11. So warb der Freiburger VDSt für den Besuch der „Grenzlanduniversität“ Freiburg und für den Eintritt in seine kleine Verbindung, die selten mehr als 20, bisweilen unter 10 aktive Mitglieder aufwies. Neben den Burschenschaften zählt sie zum Typ jener Verbindungen, die sich politische Erziehung ihrer Mitglieder zur Aufgabe machten. Jedoch wollte er nicht nur „Männer erziehen, denen in allen Lebenslagen das Wohl des deutschen Volkes als oberste Richtschnur ihres Handelns gilt“; er betrachtete es darüber hinaus als seine Aufgabe, in der Studentenschaft und „allgemein in den gebildeten Schichten des deutschen Volkes das Gefühl der Verantwortung der Nation gegenüber (zu) stärken“12. Stärker als die Burschenschaften trat er daher öffentlich in Erscheinung: Seine politischen Vortragsabende wurden auch von anderen Verbindungen besucht; von allen waffenstudentischen Verbänden unterhielt er die vielleicht engsten Beziehungen zur Professorenschaft der Universität (v. Below war Ehrenmitglied), zu den in Freiburg lebenden pensionierten militärischen Exzellenzen, zum großherzoglichen Haus, zu den rechtsstehenden Parteien (für die er bisweilen Wahlhilfe leistete), zum Alldeutschen Verband (dessen Ortsvorsitzender Ludwig Schemann ebenfalls Ehrenmitglied war) und zum Verein für das Deutschtum im Ausland. Nimmt man die Überlegenheit der Akademischen Blätter über die Burschenschaftlichen Blätter, was Vielseitigkeit und Informationsreiditum angeht, als Indiz, so unterschied sich die politische Erziehungsarbeit des VDSt vielleicht im Niveau von der der Burschenschaften, kaum aber der Tendenz nach; allenfalls legte der VDSt größeres Gewicht auf die Diskussion sozialpolitischer Themen und der „Rassenhygiene“13. Obgleich der Freiburger VDSt — wie der Gesamtverband (Kyffhäuser-Verband der VDSt) — bis 1933 den Wahlspruch „Für Kaiser und Reich“ nicht ausdrücklich widerrief, besteht doch kein Zweifel, daß nach 1930 auch bei ihm die „revolutionäre“ Strömung des Nationalsozialismus die restaurative zurückdrängte14. Bei dem relativ geringen Gewicht, das die aus politischen Diskussionszirkeln entstandenen und später von der Jugendbewegung stärker beeinflußten Vereine Deutscher Studenten dem traditionellen Verbindungsleben beimaßen, scheint es zu ähnlichen internen Spannungen wie bei den Burschenschaften wegen dieser Tatsache nicht gekommen zu sein. c) Die Corps15 Unter den schlagenden Verbindungen kamen den Burschenschaften numerisch am nächsten die 5 Freiburger Corps mit zusammen zwischen 70 und 130 akti86 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

ven Mitgliedern. Wie bei jenen stammten die meisten nicht aus Süddeutschland (außer in der nach dem Krieg aus Karlsruhe zugewanderten Forststudentenverbindung Hubertia), nur etwa ein Viertel stammte aus dem preußischen Rheinland. Über die Hälfte studierte Jura, etwa ein Fünftel Medizin, maximal 3 % Fächer der philosophischen Fakultät. Der Anteil der Söhne aus der industriellen oder landwirtschaftlichen Besitzerschicht lag mit 10—15 % etwa doppelt so hoch wie in der Gesamtstudentenschaft16. In der AStA-Politik spielten die Corps nur in den ersten Jahren nach dem Krieg eine größere Rolle, als es den Anschein hatte, sie würden ihre Beschränkung auf das reine Verbindungsleben ohne allen wissenschaftlichen oder politischen Bildungsanspruch aufgeben. In späteren Semestern jedoch bereitete den Corps offensichtlich „eine ziemliche Verbrüderung und ein reichlich lascher Betrieb“, ein „herausforderndes Benehmen“ und die Durchsetzung eines „offizielleren und korrekteren Tons“ unter den Verbindungen mehr Sorge als Fragen der studentischen oder allgemeinen Politik17. Die Erschütterung der politischen und gesellschaftlichen Position derjenigen Schichten, aus denen sich die Corps traditionell rekrutierten, durch die Revolution von 1918/19 stellte die Corps vor die Frage, ob sie die intellektuell besonders anspruchslose und zugleich exklusive Männlichkeitsschulung fortsetzen könnten, die den Corpsstudenten zum „Idealbild der Wilhelminischen Ära“ und zum beneideten und mehr oder minder offen imitierten Vorbild anderer Verbindungen gemacht hatte18. Eine grundsätzliche Kritik am „corpsstudentischen Ideal“ der Vorkriegszeit hat es nach 1918 in den Freiburger Corps nicht gegeben: daß die Grundlagen der Corpserziehung Fechtboden, Mensur und Kneipe bleiben, daß die Corps vom „deutschen Gedanken“ ausgehen und Parteipolitik in ihren Reihen ausschließen müßten, war die einhellige Überzeugung. Die Auffassungen aber, ob und in welcher Richtung die Corpserziehung ergänzt werden solle, gingen auseinander. Vor allem in der Altherrenschaft war man der Meinung, daß gerade in einer Zeit der Massenbewegungen, „in einer Zeit des krassesten Egoismus und sprödesten Realismus, wo das Gute und Schöne im menschlichen Leben mit roher Gewalt unterdrückt wird“, eine Erziehung junger Studenten zu „Persönlichkeiten“ das Gebot der Stunde sei; deshalb solle das Corps sein „Innenleben . . . frei und rein halten“ von Politik und politischer Diskussion. Die „vaterländische Pflicht“ bestünde jetzt gerade darin, „aus sich selbst im Stillen eine ganz große und hochwertige Persönlichkeit zu entwickeln“, statt sich „vorwitzig und unreif“ mit politischen Dingen zu befassen. Diese Richtung vertraute darauf, daß auch Politik das Werk und ihr Erfolg der Ausweis einer „ganz starken Persönlichkeit“ sein müsse; dieser, dem „großzügig deutschen Mann der Tat“ sich hinzugeben, von ihr sich „in Reihe und Glied“ stellen zu lassen, sollte zu gegebener Zeit der Beweis des corpsstudentischen Patriotismus sein19. Eine andere Auffassung — nicht minder elitär, doch aggressiver — ging dahin, daß eine politische Bildungsarbeit in den Corps deren Mitglieder zu einem politischen Urteil befähigen müsse, damit „die nach Erziehung in der Familie 87 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

und Gesinnung besseren Elemente nicht von dem Einfluß auf das Staatsleben ausgeschaltet“ würden. Eine intensive Fach- und Allgemeinbildung solle die Corpsstudenten als „geistige Führer“ einst instand setzen, die „irregeleiteten Massen“ zu den Idealen „Treue, Ehrlichkeit und Opferbereitschaft“ zurückzuführen20. Eine „völkische“ Variante dieses Standpunkts stellte das „Promemoria“ Freiburger Corpsstudenten dar, dessen Forderungen sie 1921 auf dem Kösener Kongreß der Corps vergeblich durchzusetzen suchten21. Es trat für einen engen Anschluß der Corps an den Deutschen Hochschulring und seine Zielsetzungen ein. Aus dem Bewußtsein, „daß unseres Volkes Kraft in seinem Volkstum wurzelt und unsere völkische Eigenart das Band ist, das uns alle eint“, betonten seine Verfasser die Notwendigkeit, Klassengegensätze zu beseitigen. Allerdings sahen sie nicht die Abschaffung sozialer Ungerechtigkeit als den ersten Schritt dazu an, sondern eine psychologische Einstimmung und die Bereitsdiaft der Studenten, „das werktätige Volk wieder national denken zu lehren“, d. h. praktisch, ihm ein Führer-Gefolgschafts-Modell (Verantwortung hier, Unterordnung dort) als natürlich vorzustellen. Freilich schien der Erfolg einer solchen Politik den Verfechtern des Promemorias daran gebunden, daß „Dumpfheit und Genußsucht“ aus dem Corpsleben verschwänden22. Politische Diskussionsabende der Corps, deren Fazit die Empfehlungen des Promemorias waren, sollten, angesichts des Widerstands vor allem aus den Reihen der Alten Herren gegen „das Zuviel an neuen Sachen“, keinen längeren Bestand haben“. Überhaupt scheint es, als habe die Altherrenschaft in den Corps einen bestimmenderen Einfluß auf die Richtung des Verbindungslebens ausgeübt als in anderen Verbänden. Trotz der nationalistisch-militaristischen, autoritären und antisemitischen Einstellung, die hinter der programmatischen politischen Abstinenz der Corps stand und von der Altherrenschaft gefördert wurde, gelang es gegen deren Widerstand dem Nationalsozialismus, wenigstens in Gestalt des NSDStB, nicht, in den Corps ähnliche Wirkungen wie in anderen schlagenden und nichtschlagenden Verbindungen zu erzielen. Der Aufforderung eines ihrer nationalsozialistischen Mitglieder, sich als „Willens- und Tatgemeinschaft“ zu begreifen und im „Einsatzwillen“ der „Volksgemeinschaft“ zu dienen24, begegnete daher die Mehrheit der Corpsstudenten mit vornehmer, wenngleich letztlich wirkungslos-passiver Reserve. Drei gemeinsame Merkmale der waffenstudentischen Verbindungen, die in der Weimarer Zeit von politischer Relevanz waren, seien im Folgenden noch erörtert: ihre Praktizierung und Verteidigung der Mensur als Ausdruck akademischer Standesehre, ihr Antisemitismus und ihre Beteiligung an der „völkischen“ Sammlungsbewegung in der Studentensdiaft, dem „Hochschulring Deutscher Art“, später der „Großdeutschen Studentengemeinschaft“. d) Die studentische Mensur Schon lange vor dem ersten Weltkrieg war in Deutsdiland der akademische Ehrbegriff, vor allem wo er in Duell und Mensur zutage trat, pädagogisch-mo88 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

ralisch, politisch und juristisch kritisiert worden — durchaus vergeblich. Zwar hatten die schlagenden Verbindungen, besonders nach der Entscheidung des Reichsgerichts vom 6. März 1883, die die Mensur als Zweikampf mit tödlichen Waffen dem Duell gleich- und unter Strafe stellte, den sportlichen Charakter der Mensur hervorgehoben und die „Bestimmungsmensur“, die keine Beleidigung mehr voraussetzte, zur Regel gemacht. Dennoch blieb kein Zweifel, daß die studentische Mensur „den Ehrbegriff der Duellanten historisch zur Voraussetzung und pädagogisch zum Ziel“ hatte. Soziologisch war sie durch die Nähe des Waffenstudententums zum Offizierskorps und dessen Ehrenkodex gestützt, politisch durch Allerhöchste Billigung abgeschirmt und juristisch durch Gewährung einer „privilegierten Illegalität“ (Radbruch) praktisch sanktioniert25. Nach dem Weltkrieg, als die Umwälzung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse einer bisher weitgehend naiv geübten Kastenkonvention den Garaus zu machen drohte, gab es Versuche der schlagenden Verbindungen, die Mensur ethisch für jedermann plausibel zu unterbauen, um sie dadurch weniger anstößig zu machen26. Meist trat jedoch in der Verteidigung der Mensur ihr elitäres Fundament, durch Ressentiment verstärkt, nur noch deutlicher in Erscheinung. Was angeblich nur eine „Gefühlsangelegenheit“ war und „Geltung in sich selbst“ hatte, das sollte doch zugleich eine Anklage gegen alle sein, die „ihr Dasein auf Schwachheit und materialistische Berechnung und Raffgier aufbauen, denen der Bauch und die Futterkrippe die höchsten Güter des Daseins versinnbildlichen und (die) deshalb ankämpfen müssen gegen den Strebenden, der sich erdreistet, ein Kerl sein zu wollen“. Der Kampf gegen die Mensur bedeutete danach „das Herabzerren der sich selbst gestaltenden Persönlichkeit in den Brei der Massen“, in die „demokratische Verantwortungslosigkeit“. Die „vorbildliche Ehrenauffassung“ der alten Oberschicht sollte ungeschmälert bewahrt werden als Gegenpol zur Ehrlosigkeit des gemeinen Volks, die man hinlänglich belegt glaubte durch das „Wegwerfen der Waffen, Schmachfriede, Schuldlüge, Wehrlosigkeit, Entartung, Sittenverfall“27. Aus diesem Grund und um der Kritik, die in der Presse und den Parlamenten am Verhalten der schlagenden Verbindungen geübt wurde, zu begegnen und Einfluß auf eine Reform des Straf rechts zu gewinnen, wurde im August 1919 der „Allgemeine Deutsche Waffenring“ (ADW) gegründet; dem bereits Anfang 1919 gegründeten Freiburger Waffenring traten 22 Verbindungen bei28. Ebenfalls im August 1919 forderte das badische Kultusministerium die Hochschulen des Landes auf, „die Studentenschaft auf die sozial und politisch schädlichen Wirkungen eines provokatorischen Auftretens . . . eindringlich hinzuweisen und auf sie einzuwirken, der Schwere unserer Tage und dem Empfinden weiter Volkskreise durch ihr Verhalten Rechnung zu tragen“. 1920 verbot der akademische Disziplinarbeamte der Freiburger Universität — „mit Rücksicht auf das Empfinden und die Anschauungen des Publikums“ — den schlagenden Studenten, sich mit frischen Mensurschmissen oder auffallenden Wickelverbänden in der Öffentlichkeit sehen zu lassen29. Zur staatsanwaltschaftlichen und gerichtlichen Verfolgung der Mensur kam es in Baden jedoch erst nach diesbezüglichen 89 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Anträgen des Zentrums im Landtag (April 1924 und Februar 1926) und einer erneuten Entscheidung des Reichsgerichts vom 15. 5. 26, das die Entscheidung von 1883 und damit die Strafbarkeit der Mensur aufrecht erhielt30. Dem badischen Kultusministerium war weniger an einer Strafverfolgung der Mensur als an einer klaren rechtlichen Regelung in einem neuen Strafgesetzbuch und einer einheitlichen justiziellen Praxis in ganz Deutschland gelegen31. Auch die badischen Gerichte, durch höchstrichterliche Rechtsprechung zur Verurteilung von Studenten, die auf der Mensur getroffen und angezeigt wurden, gezwungen, ließen deutlich erkennen, daß sie den vom Justizministerium angeordneten Verfolgungszwang mißbilligten32. Der Rektor der Freiburger Universität, Immisch, prangerte die Mensurverfolgung 1924 als „Ausnahmerecht gegen die Gesamtheit(!) der Studierenden“ an33. Er machte sich, wenn er auf die Straflosigkeit degoutanter öffentlicher Boxkämpfe hinwies, ein oft verwendetes Argument der schlagenden Verbindungen zu eigen, die die Mensur demgegenüber als Ausdruck einer noblen sportlichen Gesinnung, freilich auch als „besonderes Symbol der akademischen Ritterlichkeit und Männlichkeit“ priesen34. Nach der Entscheidung des Reichsgerichts von 1926 beschloß der Senat der Universität, bei Reichstag und Reichsrat auf eine die Straffreiheit der Mensur sichernde Fassung des neuen Strafgesetzbuches zu dringen35. Auch die Freiburger schlagenden Verbindungen glaubten, einen gewissen Druck auf die badische Regierung ausüben zu können. Anfang des WS 1926/27 drohten u. a. drei Burschenschaften, sie würden die Universität Freiburg verlassen, wenn sie wegen der Verfolgungsmaßnahmen der badischen Behörden ihre Traditionen und Ideale nicht mehr pflegen könnten. Der Rektor versäumte nicht, das Ministerium auf die Möglichkeit einer sinkenden Frequenz der Universität und eine Minderung ihres Rufes hinzuweisen, falls das Mensurverbot in Baden aufrecht erhalten werde. Selbst der Freiburger Oberbürgermeister — Mitglied des Zentrums und einer katholischen KV-Verbindung — sah vitale Interessen der Stadt, des Landes und seiner Partei gefährdet. Er intervenierte beim Rektor der Universität, beim badischen Staatspräsidenten und beim Vorsitzenden der Zentrumsfraktion im badischen Landtag, um eine Aufhebung des Mensurverbots zu erwirken36. Das Justizministerium, ohnehin von den Behörden der anderen deutschen Länder nur lau unterstützt, entschloß sich zum Rückzug. Im Januar 1927 konnte der Freiburger Rektor den Verbindungen mitteilen, daß der Staat die Verfolgung der Mensur aus eigenen Stücken eingestellt habe und nur noch auf Anzeigen von privater Seite hin einzugreifen gezwungen sei37. Die eklatante Differenz zwischen dem politisch an sich nichtigen Problem und seiner emotionalen Wirkung ist auffällig. Die Unmöglichkeit, dem zwischen Recht, Politik und zopfigem Brauchtum angesiedelten Phänomen der Mensur mit rein juristischen Lösungen beizukommen, rührte daher, daß hinter den vorgeschobenen Begründungen ihrer Gegner und Befürworter (ihre Straf rechtswidrigkeit bzw. ihre medizinische Unschädlichkeit) der eigentliche Streit darum ging, ob ein traditionelles Mittel zur Züchtung einer Standesgesinnung erhalten oder beseitigt werden sollte. Für die schlagenden Verbindungen war es nicht der un90 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

bedeutendste Ausweis der „nationalen Revolution“ von 1933, daß ein Gesetz vom 26. Mai 1933 (§ 210 a des StGB) die Mensur straffrei erklärte. In Freiburg wurden schon zu Beginn des SS 1933 in Anwesenheit des Rektors, von Professoren und Vertretern der Behörden öffentlich Mensuren ausgetragen38. Dieser Erfolg bestärkte die waffenstudentischen Verbindungen in dem Glauben, daß es die gleichen „nationalen Regungen“, der gleiche „Wehrwille“ seien, die sie mit dem Nationalsozialismus teilten und die nunmehr der „Entfremdung von allen männlichen Tugenden, vor allem (von) der Freude an den Waffen“ entgegenwirken würden'9. Zwar wurde wenig später die Mensur erneut als feudales Relikt verpönt und zugunsten der allgemeinen „Wehrertüchtigung“ mehr oder minder systematisch unterdrückt40. Doch ist ihr objektiver Zusammenhang mit imperialistischen und sozialdarwinistischen Bestandteilen der nationalsozialistischen Ideologie (der Krieg als „große Mensur“ der Völker“, biologische Ertüchtigung als Garant sozialer und politischer Herrschaft42) ebenso wenig zu leugnen wie andererseits ihre Nähe zu rückständigen Idealen der feudalen Standesgesellschaft. e) Der korporationsstudentische Antisemitismus Eine ganz ähnliche Kombination destruktiv-biologistischer und defensiv reaktionärer Elemente stellte auch der akademische Antisemitismus dar, der in den schlagenden Korporationen am sichtbarsten in Erscheinung trat, ehe ihn der NSDStB zum Zentrum seiner propagandistischen Anstrengungen in der Studentenschaft machte. Die Plötzlichkeit, Heftigkeit und Verbreitung, mit der er unmittelbar nach dem Zusammenbruch Deutschlands im Weltkrieg das politische Bewußtsein der deutschen Studentenschaft beherrschte, scheint nur erklärbar, wenn man seine Inkubation weit in die Vorkriegszeit zurückdatiert. An vier Entwicklungslinien ist hier besonders zu denken: 1. Mit der antiliberalen Wendung der deutschen Politik am Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts gewann der vor allem religiös und kulturell begründete Antisemitismus der preußischen Konservativen öffentliche Reputation und Bedeutung. Eine Übernahme ihrer Kritik an Juden, die sich nicht dem Milieu anpaßten, stellte es dar, wenn seit Beginn der 80er Jahre die Corps und später auch die anderen schlagenden Verbindungen Studenten jüdischen Glaubens nicht mehr aufnahmen und sie damit für „nicht couleurfähig“ erklärten. Diese Praxis war primär eine Folge der Feudalisierung der Verbindungen (wie des Besitz- und Bildungsbürgertums überhaupt), d. h. ihrer Anpassung an die Mentalität des Adels, der hohen Bürokratie und des Militärs vor allem in Preußen. 2. Dieser Antisemitismus gesellschaftlicher Distanz überwog selbst in der Tiefkonjunkturperiode bis 1895 an den deutschen Hochschulen entschieden den aggressiven kleinbürgerlichen Antisemitismus, dessen ökonomische Ursachen das Akademikertum damals noch weitgehend unberührt ließen. Nur in Berlin, wo Juden und jüdischer Reichtum (in starker Identität mit dem liberalen Besitzbürgertum) auffallend in Erscheinung traten, gewann diese Spielart des 91 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Antisemitismus, die mit der Ablehnung der Judenemanzipation und -assimilation tendenziell die der modernen Kultur und Gesellschaft überhaupt einschloß, in Gestalt des „Vereins Deutscher Studenten“ (gegr. 1880) größere und längerwirkende Bedeutung in der Studentensdiaft. 3. Die wirtsdiaftliche Konsolidierung im Zeichen des Imperialismus drängte die speziell antisemitische Problematik zugunsten eines integrativen Nationalismus zurück, der die antisemitische Substanz freilich latent bewahrte. Unter dem Eindruck der alldeutschen Propaganda entfalteten die deutschen studentischen Verbände, allen voran die VDSt und die Burschenschaften, eine „großdeutsche“ Aktivität, die sie in enge Berührung mit den radikal nationalistischen und rassenantisemitischen österreichischen Burschenschaften und „wehrhaften Vereinen“ brachte. Deren Antisemitismus war die Kehrseite ihres unter den Bedingungen der k. u. k.-Monarchie frustrierten Nationalismus, dessen „völkische“ Inhalte sie mit den reichsdeutschen Studenten gemein hatten. Vor 1914 stellte der reichsdeutsche Imperialismus eine Barriere gegen die offene und weitreichende Rezeption auch des antisemitischen Gegenbildes dieses Nationalismus oder wenigstens seine Praktizierung im „Radauanrisernitismus“ dar; der deutsdie Zusammenbrudi im Weltkrieg bradite jedoch zutage, daß es jederzeit als Erklärungssdiema nationaler „Erniedrigung“ mobilisierbar war, wie ζ. Β. die antisemiti­ sche Variante der Dolchstoßlegende beweist43. 4. Ein weiteres, den akademischen Antisemitismus der Nadikriegszeit mindestens begünstigendes Moment war die Veränderung der Struktur der Studentenschaft und der Funktion akademisdier Bildung im Kaiserreidi. Die Zahl allein der Universitätsstudenten stieg zwisdien 1871 und 1914 um mehr als das Dreifache, ein Beweis dafür, daß der wissenschaftlichen Ausbildung eine vorher nicht gekannte Bedeutung für die Reproduktion des gesellschaftlichen Lebens zukam. In der gleidien Zeit sank der prozentuale Anteil der Studenten aus akademischem Elternhaus beträchtlidi zugunsten des Anteils von Studenten, die aus der niditakademisdien besitzbürgerlichen Obersdiidit und der Mittelschicht (v. a. Beamte) stammten44. Zusammen mit dem Anstieg der Gesamtstudentenzahlen ist diese Veränderung der sozialen Struktur der Studentensdiaft Indiz dafür, daß akademisdie Bildung und Ausbildung zum Mittel des sozialen Aufstiegs und Symbol seines Erfolgs geworden war. Als „ständisch widitiger Besitz“ (M. Weber) wurde Bildung nunmehr vielfadi als bloßer Anspruch einem der Berufskarriere dienenden extensiven Faktenwissen zugeordnet, statt als je neue gedanklidie Leistung der Lebensorientierung zu fungieren. Leidit naiimen ihre Stelle vorfabrizierte Elemente der Halbbildung ein, deren geschiditlidi lange Zeit bedeutsamstes der Rassenantisemitismus war. Sein Entwurf einer verflachten Gesdiiditsspekulation, in die das Judentum als alles erklärendes und bedingendes Symbol einging, fand kaum Widerstand bei den Trägern der „klassischen“, d. h. der neuhumanistisdien Bildung. Dies um so weniger, als jene, durch Wirtschaft und Politik aus ihrer repräsentativen Stellung als Deuter und Wegweiser der nationalen Gesdiidite verdrängt, Bildung zunehmend als „inneren Wert“ behandelten, den es vor der Verfallsgeschichte der äußeren Welt zu 92 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

retten galt. Unter begünstigenden politischen, wirtschaftlichen und sozialpsychologischen Konstellationen konnte diese Haltung aggressive Züge annehmen: wenn an die Stelle bloßer Indifferenz gegenüber der Politik deren Dämonisierung als Verschwörungszusammenhang trat und damit ein großer Schritt in der Richtung der antisemitischen Weltbilder vollzogen wurde. Eine solche Konstellation stellten die Jahre nach dem Weltkrieg und später die der Weltwirtschaftskrise dar. Das im Krieg gewachsene Potential nunmehr ungerichteter Aggressivität, das Ressentiment einer aus der politischen Führung wenigstens partiell verdrängten Klasse, die sozialen Umschichtungen im Bürgertum, politische Orientierungslosigkeit der Mittelschichten angesichts des sich verschärfenden Widerspruchs zwischen der liberalen Ideologie und der gesellschaftlichen Wirklichkeit — dies und anderes wirkte zusammen, um den Antisemitismus zu bisher nicht gekannter Virulenz gedeihen zu lassen. Er war Indiz dafür, daß die entstandene Situation weithin nicht begriffen wurde und nicht adäquat verarbeitet werden konnte. In der akademischen Jugend war der Antisemitismus zunächst eine Übernahme aus der „völkischen“ Ideologie des Mittelstandes, deren geschichtliche und soziale Abstraktheit am Gegenbild des Juden vorgeblich konkretisiert wurde. Indem er, physisch existent, zum Übel an sich erklärt wurde, wurde umgekehrt die „Volksgemeinschaft“, als das absolut Gute, geschichtliche Möglichkeit: Sie war dann das nicht mehr und zugleich das noch nicht Seiende. Obgleich ihre Vorstellung nur das ideologische Selbstbild des Mittelstandes, seine moralische Selbsteinschätzung wie seinen sozialen Geltungsanspruch reproduzierte und durch keine empirischen Merkmale gestützt wurde, erschien ihre geschichtliche Verwirklichung nur eine Frage der Beseitigung des Jüdischen45. Seiner angeblichen moralischen Minderbürtigkeit und nicht objektiven Prozessen der Politik und Gesellschaft wurde folglich zugeschrieben, was den Begriff der Volksgemeinschaft als ideologischen hätte enthüllen können: Parteileben und Klassenkampf ebenso wie die individuelle Konkurrenzsituation, der sich der Mittelstand und mit ihm weite Teile des Akademikertums täglich spürbarer ausgesetzt sahen. Eine Variante des moralischen Anspruchs des Mittelstandes wie seiner Ideologie fürs Privileg stellte die Berufung des Akademikers auf den „idealistischen“ Charakter seiner Bildung dar. Je weniger seine materielle Stellung diesen Anspruch honorierte, umso schroffer betonte er die Scheidung zwischen „selbstlosem Idealismus“ hier und „raffgierigem Materialismus“ dort: in der Figur des Kriegsgewinnlers, des Wucherers und Schiebers erhielt dieser angebliche Gegensatz Plastizität, im ihr zugeordneten „Ostjuden“ den Charakter allgegenwärtiger Gefahr. So losgelöst von jeder konkreten Erfahrung im Umgang mit Juden die Bildung des antisemitischen Syndroms in der Regel auch erfolgte — innerhalb der Studentenschaft hatte seine Äußerung in antisemitischen Symbolhandlungen gegen jüdische Kommilitonen den objektiven Zweck, eine im Grunde magische Projektion als real einlösbar zu erweisen. Für die schlagenden Verbindungen im besonderen hatten solche Symbolhandlungen wesentlich integrative 93 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Funktion. Sie setzten auch, allerdings verschärft, den Antisemitismus sozialer Distanz aus der Vorkriegszeit fort und mochten überdies, gleichsam am erlaubten Objekt, Ersatzhandlungen für Praktiken sozialer Abhebung (Verruf usw.) überhaupt sein, die den Korporationen nicht mehr in der gleichen Selbstverständlichkeit wie früher zu Gebote standen. In den Jahren 1919 bis 1921 nahmen sämtliche Verbände schlagender Verbindungen rassenantisemitische Bestimmungen in ihre Satzungen auf, wonach Studenten jüdischer Abstammung nicht mehr in diesen Verbindungen rezipiert werden konnten — Kodifikation einer bereits bestehenden Übung. EinzelneVerbände verlangten einen regelrechten „Ahnennachweis“ aller Neueintretenden oder stellten ihren Verbindungen anheim, festzustellen, „inwieweit die Aufzunehmenden frei von jüdischem oder farbigem Blut sind“46. Auch das sog. Waidhofener Prinzip der österreichischen Burschenschaften (verkündet 1896), das verlangte, Juden wegen des „tiefen moralisdien und physischen Unterschieds“ zwischen ihnen und den „Ariern“ keine Genugtuung mit der Waffe zu geben, wurde von einzelnen Verbänden und Verbindungen übernommen. In Freiburg führten diese Besdilüsse, vor allem in den Burschenschaften, zu lebhaften Kontroversen zwischen den aktiven Mitgliedern der Verbindungen und den Alten Herren, deren Mehrheit zwar die Nichtaufnahme jüdischer Studenten billigte, aber die provozierende Fassung (teilweise auch die rassentheoretische Begründung) der Beschlüsse und ihre allzu demonstrative Ausführung ablehnte“. Die antisemitische Einstellung der schlagenden Verbindungen drückte sich immer wieder in Akten der Diskriminierung jüdisdier Studenten, besonders aber der jüdischen Verbindung Ghibellinia (seit SS 1925 Neo-Friburgia) aus: der Verband Freiburger Korporationen duldete sie kaum unter seinen Mitgliedern und löste sich 1921 vornehmlich ihrer Mitgliedsdiaft wegen auf; der Waffenring, der sie nicht aufgenommen hatte, bedrohte sie 1920 mit dem (verbotenen) „Verruf“ und lehnte es, ebenso wie einzelne Korporationen, mehrmals ab, mit ihr zusammen bei Universitätsfeiern und -Veranstaltungen aufzutreten; Lokalen und Geschäften, die von ihr besucht wurden, wurde mit dem Boykott der anderen Verbindungen gedroht48. Die Verbindung Ghibellinia gehörte dem 1896 gegründeten „Kartellconvent der Verbindungen deutscher Studenten jüdischen Glaubens“ (KC) an, der auf den Hochschulen die Ziele des „Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ verfocht und sowohl gegen zionistische Bestrebungen unter jüdischen Studenten wie gegen den korporationsstudentischen Antisemitismus gerichtet war. Er verdankte seine Existenz der Diskrepanz zwischen der Assimilationswilligkeit deutscher Juden und der faktischen Isolierung, der sie in ihrer gesellsdiaftlidien Umgebung vielfach ausgesetzt waren49. Der KC glaubte, seine Ziele nicht erreichen zu können, „ohne den bestehenden Verhältnissen an den deutschen Universitäten Rechnung zu tragen“, d. h. nidit ohne die Übernahme der Gebräuche des Verbindungsstudententums (Schlagen, Farbentragen usw.). Die Wahl der Mittel, durch die „das Selbstvertrauen, die Selbstsidierheit und die Selbstaditung“ der jüdischen Studenten gestärkt und „die Anerkennung der 94 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Gleichwertigkeit oder wenigstens die bisher fehlende Achtung“ erzwungen werden sollte, war freilich selbst ein Tribut an Tendenzen im deutschen Bürgertum, denen sich der akademische Antisemitismus verdankte 50 . Damit auch Beispiel einer Überanpassung, die viele Juden vergessen ließ, daß ihre rechtliche wie soziale Freiheit nur Teil einer allgemeinen, politisch durchzusetzenden Emanzipationsbewegung in der modernen Gesellschaft sein konnte. In diese Richtung zielte jedenfalls die Kritik, die am KC durch die überwiegend aus jüdischen Studenten bestehenden „Freien Wissenschaftlichen Vereinigungen“ und sozialistischen Studentengruppen geübt wurde. Beide bildeten nach 1918 vielfach den Kern der republikanischen Minderheit an den deutschen Hochschulen, der sich die KC-Verbindungen hauptsächlich des verschärften Antisemitismus und seiner inneren Beziehung zur Republikfeindschaft wegen anschlossen. Primär lag ihnen, wie die Verbindungsberichte der Ghibellinia-Neo Friburgia in den KC-Blättern zu beweisen scheinen, an dem „gewohnten korrekten Ton“ in der Studentenschaft. So trat die Neo-Friburgia 1931 mit der Gründung eines „Entpolitisierungsblocks“ in Konkurrenz zur Republikanischen Studentengruppe, da sie von dieser ihre korporativen Interessen nicht genügend gewahrt glaubte51. „Auf dem Boden deutsch-vaterländischer Gesinnung“ nahm die Verbindung Ghibellinia nach dem Krieg „den Kampf gegen den Antisemitismus in der deutschen Studentenschaft und die Erziehung ihrer Mitglieder zu selbstbewußten Juden“ wieder auf52. Die Universitätsbehörden verhielten sich ihr gegenüber zunächst nicht anders als gegen andere Korporationen. 1922 besuchte der Rektor Rachfahl ihr 25. Stiftungsfest und erklärte es dort als seine „oberste Aufgabe, die Fühlung mit allen Kreisen der Studentenschaft namentlich in der heutigen Zeit schärfster Gegensätze zu suchen“53. Wie wenig solche verbalen Bekundungen über das Verhalten der Universität in konkreten Situationen etwas besagen mußten, zeigte sich in den Jahren 1924 bis 1927. Als zu Beginn des SS 1924 Mitglieder der Ghibellinia in Disziplinarverfahren verwickelt wurden, weil sie in einem übel beleumundeten Lokal randaliert hatten, nahmen das die meisten übrigen Verbindungen, voran der Waffenring, zum Anlaß, die Ghibellinia zunächst zur Suspension, dann zur Auflösung zu zwingen. Das Entstehen einer Nachfolge-Verbindung — der Neo-Friburgia, die die Satzung und Altherrenschaft von der Ghibellinia übernahm, aber die Farben änderte — suchten die gleichen Verbindungen (und mit ihnen die Mehrheit des AStA) mit verschiedenen, stets wechselnden Begründungen zu verhindern. Alles — u. a. auch die Schwierigkeiten, die der neugegründeten „paritätischen“, d. h. nicht rein jüdischen Verbindung Guestphalia von anderen Korporationen damals gemacht wurden54 — läßt darauf schließen, daß antisemitische Motive hinter der Forderung des Waffenrings und der AStA-Mehrheit standen, die Neo-Friburgia solle zunächst eine unbefristete „Karenz-Zeit“ einhalten, d. h. das öffentliche Farbentragen unterlassen, die Lokale der übrigen Verbindungen meiden, den akademischen Feiern fernbleiben und jeden Kontakt mit Mitgliedern der früheren Verbindung Ghibellinia abbrechen. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, übten die Korporationen des Waffenrings einen Lokalboykott aus, sorgten sie 95 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

dafür, daß die Verbindung Neo-Friburgia von den Veranstaltungen des AStA ausgeschlossen wurde und weigerten sie sich, bei Universitätsfeiern zu chargieren, falls die Neo-Friburgia dazu eingeladen würde55. Die Universitätsbehörden taten gewiß nicht alles in ihrer Macht Stehende, um die Studentenschaft zur Toleranz zurückzuführen. Vielmehr gewinnt man den Eindruck, daß sie selbst sich an dem unwürdigen Kleinkrieg gegen die jüdische Verbindung beteiligten, wenn sie an die „ethische Entrüstung“ der Korporationen noch fast drei Jahre nach dem auslösenden Vorfall zu glauben vorgaben, deren Vorgehen als „akademisdie Gepflogenheit“ anerkannten und dem Ministerium erklärten, „faßbare Fälle“ des Lokalboykotts seien ihnen nicht bekannt geworden, obgleich doch die Neo-Friburgia seit dem SS 1925 immer wieder dem Rektorat die boykottierenden Verbindungen genannt hatte56. Besonders übel vermerkten die akademischen Behörden, daß ihr Verhalten in den KC-Blättern kritisch erörtert wurde und daß der Gesdiäftsführende Ausschuß des KC sich dieser Kritik in einer 18seitigen Beschwerde an das Kultusministerium ansdiloß57. Darin hieß es — nach den Akten zu urteilen zwar übertreibend, aber im Kern durdiaus zu Redit —, daß „die Mehrheit der Studentenschaft, die in ihrem Maditbewußtsein glaubt, eine ihr aus antisemitischen Gründen unbequeme Verbindung mit Gewalt und Terror unterdrücken zu dürfen, die amtliche oder halbamtliche Organe der Universität (den AStA) für diesen Zweck mißbraudit (und) sidi reditswidrig eine Disziplinargewalt anmaßt, . . . daran von den Universitätsbehörden nidit gehindert wird, sondern Duldung erfährt . . .“ Diese hätten „weder den ernstlidien Willen noch die Kraft gezeigt, den akademisdien Frieden wiederherzustellen und dem Redit zum Siege zu verhelfen, sondern wollen offenbar unter keinen Umständen mit der auf ihre Macht pochenden Mehrheit der Studentensdiaft in Konflikt geraten“. An „keiner anderen Hochsdiule haben die akademischen Behörden solchem Treiben so tatenlos zugesehen oder es gar unterstützt“. Ganz im Gegensatz zu der Eile, die die Universität zur gleidieri Zeit bei der Unterstützung der waffenstudentischen Verbände in der Mensurfrage an den Tag legte, erfolgte, ihre Stellungnahme zur Beschwerde des KC erst ein halbes Jahr danadi und nachmehrmaliger Aufforderung durdi das Ministerium, auf dessen Drängen hin im Frühjahr und Sommer 1927 der Konflikt beigelegt wurde. Trotz der 1927 abgegebenen Zusicherung des Waffenrings kam es auch später (SS 1928, WS 1928/29) zu Boykottandrohungen einzelner Verbindungen gegen die Neo-Friburgia58. Jedodi begegnete die Universität dem jetzt mit der Androhung disziplinarischer Strafen und setzte auch alles daran, bei den Universitätsfeiern ein gemeinsames Auftreten aller Korporationen zu erreichen59. „Ernsteste Reditsbedenken“ meldete der Rektor im SS 1932 gegen den Beschluß des Waffenrings an, allen Universitätsfeiern, bei denen jüdische Korporationen chargieren würden, fernzubleiben; und er ergänzte diesen mehr formalistischen Einwand vor der Langemarckfeier 1932 durdi das Argument, „daß der Geist von Langemarck durdi das gegen die Juden gerichtete Verhalten des Waffenrings geradezu geschändet und ins Gegenteil verkehrt würde“60. Sdiwerlidi 96 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

kann man in diesem Appell an eine nationalistische studentische Solidarität die geeignete, nötige, öffentlich aber nie erfolgte Distanzierung der Universität von der intellektuellen und moralischen Insuffizienz des waffenstudentisdhen Antisemitismus erblicken. Soweit zu sehen, ist dem rassischen Antisemitismus der Studentenschaft von den Freiburger Professoren nur der Dogmatiker Krebs mit deutlichen Worten entgegengetreten; allerdings nicht, ohne zugleich Einwände gegen die Rolle der Juden in den von ihm verurteilen liberalistischen und sozialistischen Bewegungen zu artikulieren und damit die gesellschaftlich-politischen Wurzeln des Antisemitismus indirekt zu bestätigen61. f) Der Hochschulring Deutscher Art Die gemeinsame ideologische Agentur und hochschulpolitische Interessenvertretung der Verbindungen (ausgenommen einen Teil der katholischen) war in Freiburg wie an anderen Hochschulorten der „Hochschulring Deutscher Art“ (HDA), dem auch eine nicht näher zu bestimmende Zahl nichtkorporierter Studenten angehörte62. Hervorgegangen war er aus mehreren Gruppen, die sich im Lauf der Jahre 1919/20 gebildet hatten. Nicht über das Jahr 1919 hinaus bestand der „Akademische Deutschbund für Ordnung und Freiheit“. Seine politische Zielsetzung ist nur insofern eindeutig, als er „Ordnung“ im Sinne der Abwehr der Revolution und der Einberufung einer Nationalversammlung an erster Stelle des Programms nannte, das in der am 14. Januar 1919 von „vielen hundert Studenten und Studentinnen aller Parteien und Stände“ besuchten Gründungsversammlung verabschiedet wurde. Die vom Akademischen Deutschbund geplanten politischen Vortrags- und Debattierabende kamen entweder nicht zustande oder entsprachen — trotz der Erwartungen, die der Name der Vereinigung weckte und ihre Satzung („Pflege nationalen Geistes, Eintreten für deutsche und staatliche Erziehung“) zu bestätigen schien — nicht den Wünschen der rechtsstehenden Studentenschaft63. Denn bereits anderthalb Monate später, Ende Februar 1919, wurde eine „Nationale (auch: Deutschnationale) Studentenvereinigung“ gegründet, deren Mitglieder ausschließlich der DVP und DNVP nahestanden, die ihr Leben aber hauptsächlich dem Interesse der waffenstudentischen Korporationen an ihr verdankte. Ein Aufruf zu einer Versammlung am 9. Mai 1919, auf der v. Below einen Werbevortrag hielt, läßt klar erkennen, daß sie „die Ideale und Parteiziele der rechtsstehenden Parteien“ an der Hochschule verbreiten wollte64. Wenn sie im Februar 1921 in dem „überparteilichen“ HDA aufgehen konnte, so ist das ein Indiz mehr für den — jedenfalls in ideologischer Hinsicht — fiktiven Charakter der parteipolitischen Neutralität, die alle „nationalen“ Vereinigungen, angefangen bei den schlagenden Verbindungen, für sich in Anspruch nahmen65. Ebenfalls 1919, im Oktober, wurde die „Fichte-Hochschulgemeinde“ gegründet, die wie ihre Entsprechung an anderen Hochschulen das für die frühe Geschichte der DSt so wichtige Element der Jugendbewegung in den HDA einbrachte“. Bei der „Erhaltung und Verbreitung deutschen Selbstbewußtseins und nationaler Zuversicht im Alltagsleben“, der „Heranbildung vorurteilsfreier, 97 7 Kreutzberger, Studenten und Politik

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schaffensfreudiger und zukunftsfroher Glieder unseres Volkes“ war der Hochschulgemeinde prinzipiell jeder willkommen, der „im deutschen Volkstum wurzelt“. Nicht ausgesprochen antisemitisch, wollte sie doch „alle Einflüsse bekämpfen, die die deutsche Eigenart, wie sie sich in Taten und Werken unserer großen Männer offenbart und entwickelt hat, herabzuwürdigen oder zu verflachen drohen“67. Die Logik dieses Programmsatzes beweist freilich, daß die „deutsche Eigenart“ von der Hochschulgemeinde nicht inhaltlich bestimmt, sondern nur an der „Größe“ von Personen festgemacht werden konnte, deren notwendig widersprüchliche Vorbildlichkeit wiederum allein in ihrem Deutschtum zusammengebracht wurde. Den sozialromantischen Vorstellungen der Hochschulgemeinde (Versöhnung aller „Stämme und Klassen“ jenseits aller „engherzigen Gegensätze der Parteien“) mißtrauten insbesondere die waffenstudentischen Verbindungen, die sich von ihrem „demokratischen Fahrwasser“ fernhalten wollten und im SS 1920 eine „Nationale Arbeitsgemeinschaft“ bildeten68. Diese nach dem Vorbild anderer Hochschulen in einen Hochschulring Deutscher Art umzuwandeln, scheiterte während des SS 1920 noch am Widerstand einiger katholischer Verbindungen, auf deren Teilnahme man zunächst nicht verzichten wollte. Sie setzten sich gegen den Versuch zur Wehr, eine antisemitische Bestimmung über die Mitgliedschaft, die derjenigen des Waffenrings entsprach, in die Satzung aufzunehmen69. Dennoch trat die Freiburger Nationale Arbeitsgemeinschaft im Juli 1920 anläßlich des Deutschen Studententags (Mitgliederversammlung der DSt) dem dort begründeten Deutschen Hochschulring bei und nannte sich seit dem WS 1920/21 Hochschulring Deutscher Art, zu dessen Gunsten sich die Vereinigung Freiburger Korporationen im Februar 1921 auflöste. Der HD Α wollte „alle nationalgesinnten Studenten und Studentinnen deutscher Abstammung an der Universität Freiburg zusammenfassen zu einem festen Block für deutsche Art und deutsches Wesen gegen die zerstörenden Kräfte des Internationalismus jeder Färbung“70. Ihm traten — trotz der offen antisemitischen und latent antikatholischen Tendenz des Hochschulrings — auch eine Anzahl katholischer Korporationen bei, so daß er auf dem Höhepunkt seines Einflusses 1923 etwa 40 Verbindungen und einen Teil der Freistudentenschaft umfaßte. Primär hatte der HDA die Funktion, eine gemeinsame Vertretung der Verbindungen im AStA sicherzustellen und diesen in der Periode des Streits um eine „nationalkulturelle“ oder „völkische“ Verfassung der DSt auf der Seite der „völkischen“ DSt-Mehrheit zu halten. Später war der HDA Sprachrohr des Widerstands der DSt gegen eine „national-kulturelle“ Verfassung der Freiburger Studentenschaft, wie sie auf den Druck des badischen Kultusministeriums hin im SS 1926 vom AStA angenommen wurde71. Sein Ziel, „gemeinsame Arbeit auf allen unser Volk, seine Geschichte und Kultur betreffenden Gebieten“ zu leisten, verfolgte der HDA in den ersten Semestern seines Bestehens durch zahlreiche Vorträge, die er sich von „maßgebenden Persönlichkeiten“ halten ließ72. Dazu zählten insbesondere Mitglieder des dem Deutschen Hochschulring eng verbundenen Spandauer „Politischen Kollegs“ (Martin Spahn, Eduard 98 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Stadtler u. a.) 73 . Sie waren auch die Hauptredner auf der „Schulungswoche“ des Freiburger Hochschulrings im Juni 1921 — äußerlich dem Höhepunkt seines Wirkens74. Das ursprüngliche Ziel des Hochschulrings, für die gesamte „völkisch“ eingestellte Studentenschaft eine gemeinsame Schulung durchzuführen, scheiterte jedoch auf die Dauer an der Heterogenität seiner Mitglieder, insbesondere an den Traditionen von Verbänden wie der Burschenschaft oder dem VDSt, die ihre Mitglieder vorwiegend für die eigene politische Bildungsarbeit beanspruchten, und am Nachlassen des politischen Interesses überhaupt. Von den Professoren erfuhr er keine nennenswerte Förderung, bisweilen gar Kritik75. Innerhalb des Gesamtverbandes spielte er, nach der Verbandszeitschrift „Deutsche Akademische Stimmen“ zu schließen, keine bedeutendere Rolle. Sein Ziel, Stellvertretung für die gesamte „nationale“ Studentenschaft zu sein, erreichte der HDA daher in erster Linie dann, wenn er die selbstgestellte Aufgabe, durch „gemeinsame Feiern großer vaterländischer Gedenktage“ die Symbole nationalen Selbstbewußtseins zu pflegen, wahrnahm76. Vor diesem Anspruch ist die Auseinandersetzung zu sehen, die sich — unter großer Aufmerksamkeit der deutschen Presse — in den ersten Wochen des WS 1921/22 zwischen v. Below, Mitglied im Förderkreis des Deutschen Hochschulrings77, und den im HDA zusammengeschlossenen Teilen der Studentenschaft einerseits, Kantorowicz und den republikanischen Studenten andererseits abspielte. Über den eigentlichen Anlaß, Kantorowiczs Bismarck-Deutung, ging sie bald hinaus und enthüllte nahezu alle Motive, die im Politikverständnis des national-konservativen Akademikertums versammelt waren. Kantorowicz hatte am 13. November 1921 in den „Basler Nachrichten“ eine Besprechung von Robert Riemanns „Schwarz-Rot-Gold“ veröffentlicht, in der er die verhängnisvolle Wirkung Bismarcks auf die deutsche politische Moral kritisierte — auf einer Argumentationslinie, die von Ludwig Bamberger bis zu Erich Eyck reicht78. Bismarck, so Kantorowicz, sei das Zentrum eines von den Schulen, den Universitäten und hier besonders den Studentenverbindungen gepflegten bürgerlichen Geschichtsbildes, das „personalistisch, militaristisch, nationalistisch (meist alldeutsch), beschränkt europäisch, der Gegenwart abgewandt und oft byzantinisch“ genannt werden müsse. Bei aller Ehrfurcht vor Bismarcks „Riesengestalt“ müsse jedoch der Kultus um den „Menschenzerstörer“ und „Verführer des deutschen politischen Charakters“ ein Ende finden, wenn der Kampf, der „Mann für Mann“ gegen das „Marterwerkzeug von Versailles“ geführt werden müsse, moralische Glaubwürdigkeit gewinnen solle. Diese durchaus patriotisch motivierte und die Größe Bismarcks auch in der Negation noch bestätigende Kritik löste in der deutschnationalen Breisgauer Zeitung (16. und 20. 11.) zwei scharfe anonyme Angriffe auf Kantorowicz aus, deren Urheber, wie bald jedermann wußte, Georg v. Below war79. „Jeder Deutsche“, so schrieb er wenig später zu seiner Rechtfertigung, „wird es mir nachfühlen, daß ich nicht gern mit meinem Namen mit jemand öffentlich streite, der, wenngleich nicht juristisch, so doch moralisch unser Vaterland preisgibt“80. Diesen Vorwurf 99 7*

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griff am 20. November die juristische Fachschaft auf, als sie die Frage an die rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät richtete, ob sie es billige, daß Kantorowiczs Artikel „dem Ausland wiederum bestes Propagandamaterial in die Hände spielt und infolgedessen geeignet ist, Deutschlands Kampf gegen den Versailler Vertrag ungeheuer zu erschweren“. 15 der (außer Kantorowicz) 17 Mitglieder der Fakultät antworteten darauf am 23. November inoffiziell in dem Sinn, daß sie Kantorowiczs Auffassungen und den Ort ihrer Veröffentlichung mißbilligten81. Am gleichen Tag demonstrierten Studenten vor Kantorowiczs Vorlesung; sie erreichten, daß für den 24. November eine Studentenvollversammlung einberufen wurde. Der Rektor verbot zwar Kantorowicz, dort zu erscheinen92. Doch verteidigte sich dieser vor der Vollversammlung persönlich und so überzeugend, daß die Mehrheit der Versammlung eine Resolution faßte, die feststellte: die Studenten könnten nicht ein Recht für sich in Anspruch nehmen, „die private politische Betätigung ihrer Lehrer außerhalb der Hochschule mit Mißfallen oder Beifall zu begleiten“83. Daß die Versammlung diese formalistische und letztlich unpolitische Position einnahm, bedeutete — obwohl weder Kantorowicz politisch gedeckt, noch sein Bismarck-Artikel als wissenschaftliche Leistung verteidigt worden war — schon einen Erfolg für Kantorowicz und die ihn unterstützenden Studenten; v. Below und der HD Α empfanden denn auch diese Vorgänge als Niederlage und verschärften den Kampf gegen Kantorowicz. v. Below selbst führte das antisemitische Motiv in die Auseinandersetzung ein, das fortab aus den fast täglichen Zuschriften an die Breisgauer Zeitung nicht verschwand84. 28 Verbindungen, darunter eine katholische, schlossen sich v. Belows Attacke gegen den von Kantorowicz mitbegründeten Republikanischen Lehrerbund und dessen „demokratische Geschichte“ (Geschichtsauffassung) an, als sie jede Gemeinschaft mit denen aufkündigten, „die in parteipolitischer Verblendung den Blick verloren haben für die bleibenden Verdienste der Großen unseres Volkes“. Auch Bismarck, so erklärten sie, sei „eine Verkörperung der deutschen Volksseele und somit in die Reihe derer eingegliedert, die uns mit den Wurzeln unserer Kraft unlöslich verbinden“85. Zur Verteidigung dieses Standpunktes hielt Eduard Stadtler86 am 12. Dezember 1921 auf Einladung des HDA einen öffentlichen Vortrag über „Bismarcks Schatten“, in dem er den Begriff einer am Primat der Außenpolitik orientierten Staatskunst benutzte, um die Weimarer Politiker als Dilettanten, die auf dem mißtönenden Klavier des vom Westen importierten Parlamentarismus sich vergeblich genug abmühten, zu verhöhnen87. So mündete, was als ums Vaterland besorgt sich zeigende Kritik am Verhalten eines einzelnen begonnen, als Bedrohung wissenschaftlicher Freiheit und persönliche Diskriminierung sich fortgesetzt hatte, in die Verurteilung des politischen Systems als solchem. In diesem Sinn war der Kampf gegen Kantorowicz in der Tat ein „Kampf um die Sache“, wie ein Student „im Namen zahlreicher Gruppen nationaler Studenten“ abschließend in der Breisgauer Zeitung versicherte. Was auf den Seiten dieser Zeitung und mancher Verbindungszeit100 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

schrift88 — in Vorwegnahme einiger nationalsozialistischer Stilmittel — unsachlich und diffamierend ausgebreitet worden war, betrachtete dieser Student arglos als Beweis dafür, „daß den alten festlichen Gebräuchen studentischer Feierlichkeit [i. e. den Bismarckfeiern] ein ernster Kern zugrunde liegt, fähig, auch strengerer Prüfung zu widerstehen, und geeignet, beachtet zu werden, wenn im Auslande von deutschem Idealismus die Rede ist“89. Eine je nachdem erbittert oder enthusiastisch, vorerst jedenfalls bloß verbal geführte Kampagne wurde hier als „schärfere Probe“ oder „strengere Prüfung“, d. h. als politische Bewährung eines sonst „theoretisch“ bleibenden Patriotismus verstanden. Später verhalf es dem Stahlhelm und NSDStB bei tradionsmüden Verbindungsstudenten zu Erfolgen, daß sie dieser Illusion entgegenkamen und, indem sie die Grenzen der verbindungsstudentischen Disziplin durch das eigene Marschlied lockerten, Krakeel als „Politisierung“ ausgaben.

g) Die Großdeutsche Studentengemeinschaft Es wurde schon gesagt, daß eine der wichtigsten Funktionen des HDA die Interessenvertretung der Verbindungen im AStA und ihre Abstimmung mit der Politik der DSt-Spitze war. Beides war nicht immer in Einklang zu bringen. Bei aller Gegnerschaft gegen „Ostjuden und andere Fremdkörper“ glaubten die Verbindungen des HDA doch, den AStA nicht allein als Forum zur Unterstützung des in Preußen 1926/27 geführten Kampfes um die Zugehörigkeit der auslandsdeutschen „arischen“ Studentenschaften zur DSt rechtfertigen zu können. Sie wollten „in sachlicher Arbeit das Erreichbare erreichen und nicht in falschem Idealismus mehr aufs Spiel setzen, als wir verantworten können“80. Wie den Korporationen — unter dem Einfluß des damals vergleichsweise ruhigen politischen Klimas in den badischen Studentenschaften — der Verlust der staatlichen Anerkennung der Studentenvertretung um der Reinerhaltung des „völkischen“ Prinzips willen ein zu hoher Preis erschien, waren sie auch nicht bereit, sich durch ihre Mitgliedschaft im HDA allzuleicht politisch verwundbar zu machen. Es gab sogar Anzeichen für ein wenigstens äußerliches und vorläufiges Sichabfinden mit dem politischen System der Republik: so, wenn die Korporationen im gleichen Jahr 1927 der DSt zur Mäßigung im Kampf gegen den preußischen Kultusminister rieten oder wenn sie den Deutschen Hochschulring verließen, weil dieser es nach 1923 zunehmend als seine Aufgabe betrachtet hatte, „wenigstens mit allen Kräften . . . das Bekenntnis zum heutigen Staat (zu verhindern)“91. Zwar hatten die Verbindungen sich in der Praxis ihrer politischen Bildungsarbeit von keinem solchen Bekenntnis leiten lassen. „Daß man der Zeit und der Geschichte nicht... ins Uhrwerk greifen soll“92, war jedoch eine These, die ihrem ganzen Verständnis von politischem Verhalten — als Akklamation „großer“ geschichtlicher Ereignisse und Persönlichkeiten — und ihrer überwiegend konservativen Grundeinstellung eigentlich besser entsprach, zumindest in der Stabilisierungsphase der Republik, die in manchem eine Restauration der Vorkriegsverhältnisse zu bringen schien. 101 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Als Anfang Mai 1927 der Freiburger HDA aus dem Deutschen Hochschulring austrat und die ihm angehörenden Verbindungen sich zur „Großdeutschen Studentengemeinschaft“ (GStG) zusammenschlossen, da hatten sie sich zwar, wie ein Mitglied der DVP-Hochschulgruppe kritisch bemerkte, vom „bedenklichen Ruf“, nicht jedoch von der „einseitigen, völkischen, staatsverneinenden Einstellung“ des Hochschulrings gelöst93. Richtschnur blieb ihnen das „innere Gefühl“ gemeinsamer Abstammung und der Kampf gegen „alles Volksfremde“, das parasitär im deutschen Volk „schon Wurzel gefaßt hat“ und nur „über eine verantwortungsbewußte Lebensführung des Einzelnen“ an der Ausbreitung gehindert werden konnte94. Diese zusammen mit den „hergebrachten akademischen Formen“ zu verteidigen gegen eine „marxistische Verseuchung des Akademikers, der dereinst berufen sein wird, Führer seinem Volk zu sein“, betrachtete die Großdeutsche Studentengemeinschaft als ihre oberste Aufgabe95. Das verlangte von ihr das Eintreten „für die völlige Unabhängigkeit der Hochschulen von den stets wechselnden parteipolitischen Strömungen innerhalb der Parlamente“. Und zwar nicht allein deshalb, weil „nur Hochschulen im Sinne autonomer Selbstverwaltungskörper die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung garantieren“ könnten — eine halbe Wahrheit —, sondern auch, weil es mit den Hochschulen eine Keimzelle parteifreier, „sachlicher“, „nationaler“ Politik zu erhalten galt96. Aus diesem Grund forderten die Verbindungen der Großdeutschen Studentengemeinschaft vom Senat ein Verbot der parteipolitischen Studentengruppen in der Hochschule, weil sie „künstlich gezogene Parteigrenzen“ in die Studentenschaft einführten und „nicht hervorgegangen sein können aus einer geistigen Bewegung in der Jungakademikerschaft, sondern angesehen werden müssen als etwas künstlich Aufgepropftes, was dadurch um so gefährlicher wird“97. Auf die Sympathie der Universitätsbehörden, denen aber durch die „Akademischen Vorschriften“ die Hände gebunden waren, konnte diese Argumentation sicher rechnen98. An ihr hätte soweit Richtiges sein können, als sie für die Eigenständigkeit einer „Studentenpolitik“ in hochschul- und gesellschaftspolitischen Fragen plädiert hätte; doch hätte das zur Voraussetzung gehabt die grundsätzliche Anerkennung konfligierender Interessen im Medium der Politik und damit der Legitimität politischer Parteien schlechthin. In Wahrheit ging es den Korporationen aber um die Abwehr einer demokratischen Konzeption von Politik überhaupt zugunsten einer traditionellen und als „natürlich“ (eben nicht „künstlich“) definierten Repräsentation akademischer Elitevorstellungen in einem „nationalen“ Bezugsrahmen. Was die Großdeutsche Studentengemeinschaft als „geistige Bewegung“ im Gegensatz zur „parteipolitischen Schablone“ für sich in Anspruch nahm, war fiktiv, wenn man den Begriff als „Bewegung des Gedankens“ versteht. Es war statt dessen die mit Charakterprämien versehene Übernahme der von der DSt und anderen ideologischen Agenturen angebotenen politischen Bildung als Propaganda gegen den Versailler Vertrag und für das „wahre, großdeutsche Reich als Vereinigung gemeinsam wirkender Kräfte“99. „Nationale Gesinnung“ wurde zum einzigen Maßstab, an dem Parteipolitik gemessen und verdammt wurde. 102 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Nur, wo Parteien ihren eigenen Begriff (das Ineins von ideologischen Positionen und Interessenartikulation) aufzuheben vorgaben — sei es als Restauration angeblich überparteilicher und interessenüberhobener Führung durch eine sachverständige, dem „Moloch der Korruption“ nicht ausgelieferte Bürokratie100 (wie die DNVP und z Τ. die DVP und andere bürgerliche Parteien) oder als „Bewegung“ aller Deutschen im Einklang mit dem Führer (wie die NSDAP) — schwand die Distanz zwar nicht der Korporationen als Institution, wohl aber ihrer Mitglieder merklich dahin. Hitler konnte daher auf ein hohes Maß an Entgegenkommen rechnen, wenn er nach dem nationalsozialistischen Erfolg auf dem Grazer Studententag vom August 1931 allen studierenden Parteimitgliedern zur Pflicht machte, ausschließlich auf den Listen des NSDStB zu kandidieren101. Umgekehrt mußte es unter solchen Umständen mehr zur Propaganda für NSDAP und NSDStB ausschlagen, als zum Gelingen des Versuchs, auf der sie tragenden Woge selbst zu reiten, wenn die Nationale Studentenschaft in ihrem Aufruf zur AStA-Wahl 1931 ihre Haltung „nationaler Opposition“ in den Satz faßte: „Nach Jahren des Haders der Parteien und Konfessionen, nach Jahren wirtschaftlicher und seelischer Not, nach Jahren unglückseliger Experimente, ein System zu stabilisieren, das uns nie wesensverwandt werden kann, erwacht in Deutschland eine Bewegung und nimmt ungeheure Ausmaße an, die ,national' zu denken den Mut und festen Willen hat. . .“102

5. Die Hochschulgruppe des „Stahlhelm“ Daß im „Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten“ von allen politischen Kampfbünden der Weimarer Republik „zweifellos der Habitus des Vorkriegsbürgers . . . noch am stärksten vertreten und erhalten“ war, konnte auch die Einfärbung der diesem Typus eigenen Ideologie (Schutz für Eigentum, Sitte, Religion und Vaterland) durch den „Mythos vom Frontkämpfer“ nicht vergessen machen1. In den seit 1926 an den deutschen Hochschulen in Erscheinung tretenden Stahlhelm-Studentengruppen fanden sich daher in erster Linie Studenten, die politisch der DNVP nahestanden und die deren konventionellem Nationalismus durch Simulation des „Kriegserlebnisses“ eine neue politische Qualität zu geben glaubten2. Nach 1929 profitierten die Stahlhelm-Hochschulgruppen, was ihre Zahl und Mitgliederstärke angeht, von Entwicklungen, wie sie mehr noch dem NSDStB zugute kamen: besonders der politischen Ausbeutung der Jugendideologie durch die Parteien der Rechten und dem damit korrespondierenden Bedürfnis der Jugend selbst, angesichts der durchgängigen gesellschaftlichen Krise das Jugendreich zu verlassen und in den politischen Massenorganisationen „Praxis“ zu üben. Die Freiburger Hochschulgruppe des Stahlhelm wurde zu Beginn des SS 1929 gegründet3. Nächst dem NSDStB wies sie die größte Mitgliederzahl unter den politischen Hochschulgruppen auf, allerdings gehörten bis zu 90 % ihrer durchschnittlich 25 Mitglieder zugleich einer Korporation an, vor allem den Burschenschaften. Auch im AStA zählten die Stahlhelm-Studenten zur 103 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Fraktion der Waffnstudenten; da sie diese aber für „besonders stark in liberalistischen Ideen verfangen“ hielten, schlosen sie auch mit dem NSDStB ein „Arbeitsabkommen“ in hochschulpolitischen und „wehrpolitischen“ Fragen ab, eine Harzburger Front im kleinen4. In ihrer Satzung verpflichtete sich die Stahlhelm-Hochschulgruppe der „wissenschaftlichen Fortbildung und der Ergänzung des Fachstudiums durch die notwendigen staatsbürgerlichen Kenntnisse“. Bald jedoch fand man „diese Dinge“ zu schwierig und „unausgesprochen griff daher unter den Kameraden die Meinung Platz, daß wir unsere Zeit doch besser mit anderen Dingen ausfüllen müßten“, nämlich der „eigentlichen Soldatenaufgabe“5. In der Vermittlung des sogenannten „Wehrsports“ an die Verbindungen und seiner Propagierung im Studentenausschuß lag daher auch die besondere Rolle der Stahlhelm-Studentengruppe. Sie war, vor allem in den Korporationen, für alle diejenigen attraktiv, die zwar „Tatmenschen“ sein wollten, dem NSDStB — unakademisch und möglicherweise sogar sozialistisch —, aber mit Zurückhaltung begegneten6. Stahlhelm: das war diesen Studenten die Übertragung der Korporationsmütze ins Politische. Der Stahlhelmführer Seldte, eine blasse Figur, mußte ihnen, als er im WS 1930/31 (vor angeblich 1000 Studenten und 100 Dozenten der Universität) in Freiburg sprach, wie die Verkörperung des idealen Bundesbruders erscheinen: „ein Kerl . . ., ein ganzer Mann . . . Ruhig, knapp, klar, männlich, so stand er vor uns und sprach zu uns. Er entwickelte uns keine intellektuelle, feingeistige, pointiert zugespitzte Rede, sondern er fand Worte, die nicht so sehr den Geist beanspruchten, wie ans Herz gingen . . . Und diese Sprechweise versteht auch der Student, ob farbentragend oder schwarz, ob schlagend oder nicht schlagend.“ Speziell auf die Korporationen war auch die Werbung der Stahlhelm-Hochschulgruppe eingestellt, wenn sie versprach, „den Gedanken der Mensur hochhalten“ zu wollen, weil mit ihr der Student die Ehre seines „ganzen Vaterlandes“ verteidige, und wenn sie den katholischen Korporationen „nationalen Wehrwillen“ bescheinigte wie auch Erfüllung der „schwierigen Aufgabe, das Christentum vor dem Bolschewismus zu schützen“7. 6. Der „Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund“ Verwaltete der „Stahlhelm-Studentenring“ nach dem Zerfall des Deutschen Hochschulrings die nationalkonservativen Bestandteile von dessen Erbschaft, so stellte der „Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund“ (NSDStB) die Fortsetzung der „völkischen“ Tendenzen im Hochschulring dar. Hier ging es nicht um die Wiederherstellung des alten Staates und seiner Klassenverhältnisse, sondern um die an kleinbürgerlichen Wertmaßstäben entwickelte Idee der „Volksgemeinschaft“ mit der Implikation „rassischer“ Purgierung, Integration und Expansion des Volkstums. Diese aus der Jugendbewegung in den Hochschulring eingebrachten Bestrebungen konnten sich dort — vor allem nach dem Fiasko des Hitlerputsches von 1923, an dem führende Mitglieder des Hochschulrings beteiligt waren — in ihrer radikal-aktivistischen Form gegen den Wi104 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

derstand der Korporationen zunächst nicht durchsetzen. Ihre Verfechter gründeten daher 1924 eine „Deutsch-völkische Studentenbewegung“, deren etwa zehn Hochschulgruppen den Stamm des im Februar 1926 von München aus ins Leben gerufenen NSDStB bildeten1. In der Phase der äußerlichen Restabilisierung der bürgerlichen Gesellschaftsordnung, bis etwa 1928, blieben die nationalsozialistischen Studentengruppen an den Hochschulen weitgehend unsichtbar und ihr sporadisches Hervortreten an die Öffentlichkeit ohne weiterwirkenden Erfolg. Oberflächlich gesehen war das einem unzureichenden Organisationsstand und damit korrespondierend einem chronischen Geldmangel zuzuschreiben. Die Partei, zu deren schon damals vorherrschender Linie der dem linken Parteiflügel zuzurechnende Studentenbund in einem gewissen Gegensatz stand, zeigte sich an diesem wenig interessiert, geschweige, daß sie ihn förderte. Ihr ging es in erster Absicht um die Ausschöpfung eines bisher nicht erfaßten Potentials für die Partei- und SA-Formationen, nicht um politische Aktivität an der Hochschule selbst. Der Studentenbund kam dieser Erwartung und Absicht insofern entgegen, als er sich die Vereinigung des „Arbeiters der Stirn und der Faust“ programmatisch zum Ziel setzte und daher seinen Stolz primär aus nützlicher Mitarbeit in der Partei ableitete. Waren aber der Anerkennung der „Intellektuellen“ in der Partei enge Grenzen gesetzt, so noch mehr der Rezeption des kleinbürgerlichen „Sozialismus“ des NSDStB an der von den Korporationen beherrschten Hochschule2. Die Korporationen wollten zwar ihrerseits „völkisch“ orientierte Gesinnungsgemeinschaften sein, waren aber über die abstrakte Negation des „Systems“ hinaus zu keiner parteipolitischen Aktivierung willens und fähig — am wenigsten, wenn sie die Aufgabe akademischer Standesansprüche zu beinhalten schien. Erste Anzeichen eines Wandels in diesem Verhältnis zeigten sich während des Konflikts der DSt mit dem preußischen Kultusministerium in den Jahren 1926/ 27. Damals profilierte sich erstmals der NSDStB als „Kampfgemeinschaft“ und trat er an den Hochschulen aus seiner bisher dominierenden Rolle als völkischer Debattierklub heraus. Gleichzeitig radikalisierte sich die jüngere Mitgliederschaft in den Korporationen, die damit einer Zusammenarbeit mit dem NSDStB geneigter wurden. Zur vollen Auswirkung konnte diese Annäherung aber erst gelangen, als mit B a l d u r . S a c h i r P r o t e g é r Münchener Reichsleitung Bundesführer des NSDStB wurde. Unter seiner Führung vollzog der NSDStB propagandistisch und taktisch die Anpassung an die vorherrschende Mentalität der Korporationen mit dem Ziel, diese und ihr Wählerpotential an den Hochschulen möglichst umfassend für den Nationalsozialismus zu gewinnen und mit ihnen — zu gegebener Zeit freilich auch gegen sie — die Führung der DSt zu erobern und zu behaupten. Organisation und Propaganda des NSDStB glichen sich diesen Zielen an: Die regionale Gliederung des Bundes wurde derjenigen der DSt angepaßt, das vor 1928 wenig rigoros gehandhabte „Führerprinzip“ im Studentenbund straffer durchgesetzt und die verbliebene „linke“ Opposition mit Hilfe Hitlers gezähmt oder ausgeschaltet. Die Zeitschrift des NSDStB — früher unter dem Titel „Der junge Revolutionär“ im Berliner Kampf-Verlag 105 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

der Gebrüder Strasser gedruckt — wurde zunächst in „Akademischer Beobachter“ umbenannt und machte Ansätze zu einer, freilich dürftigen, „geistigen Schulung“ der Studentenbundsmitglieder. Doch gewannen rasch ausschließlich agitatorische Interessen im NSDStB die Oberhand: Zweck der „Bewegung“, die den „Akademischen Beobachter“ im zweiten Jahr seines Bestehens ablöste, war nicht die Schulung einer künftigen „Elite“, sondern allein die „Eroberung der Hochschule für die Partei“, deren Etappen in der „Bewegung“, auf „Stürmer“Art kommentiert, registriert wurden. Es wäre ebenso verfehlt, die Erfolge des NSDStB an den Hochschulen nach 1928 darauf zurückzuführen, daß er lediglich „ausführendes Organ von Parteidirektiven“ gewesen sei3, wie umgekehrt, sie als selbständige Leistung des NSDStB zu überschätzen. Es ist nachgewiesen, daß die NSDAP gegenüber dem Studentenbund nie initiativ geworden ist und lediglich Hitler als charismatische Integrationsfigur an Krisenpunkten des Bundes von ausschlaggebender Bedeutung war. Schirachs Loyalität gegenüber Hitler als Person und Repräsentant einer politischen Linie bewirkte allerdings, daß der NSDStB keinerlei eigenständige Positionen gegenüber der Partei vertrat — sieht man von Resten der „linken“ Opposition oder stärker bildungsbürgerlich orientierten Außenseitern (wie etwa Ernst Anrieh) ab4. Der NSDStB seinerseits war eher Nutznießer als Verursacher der „Faschisierung“ der Studentenschaft. Daß sein Erfolg der Gesamtentwicklung der Partei zeitlich und prozentual um einiges vorauslief, verdankte er zunächst zwei sozialstrukturellen Eigentümlichkeiten der NSDAP, die sie am „Frontabschnitt“ Studentenschaft besonders begünstigen mußten: ihrer stark durch die junge Generation geprägten Wähler- und Mitgliederschaft wie ihrer starken Stellung im gewerblichen und freiberuflichen Mittelstand. Die Sympathien für die Partei als der skrupellosesten Oppositionsbewegung gegen das Weimarer „System“ dürften in der Studentenschaft eher verbreiteter gewesen sein als die für den NSDStB, der herkömmlichen Vorstellungen „akademischen“ Verhaltens so schroff entgegenhandelte. Andererseits dürfte es gerade die permanente Agitation des NSDStB, womit dieser sich „bewußt an die bewährten Propagandaformen der Bewegung“ anlehnte, gewesen sein, die ihn von den konkurrierenden Korporationen unterschied und ihm trotz reaktionärer Implikationen seiner Ideologie in der ökonomisch-politischen Krise der Republik den Anstrich des Revolutionären verschaffte5. Nicht in der Ideologie unterschied sich der NSDStB von den Korporationen — sieht man einmal davon ab, daß er mehr noch als diese auf den Antisemitismus seine Propaganda abstellte und überhaupt „eine schlagwortkräftige Zusammenfassung aller in der Studentenschaft bereits seit Jahren gängigen Ressentiments“ leistete*. Soweit er seinen Erfolg eigenem Zutun verdankte, beruhte dieser auf dem erklärten und mit beträchtlicher Energie durchgesetzten Willen, ohne Beachtung von „Anstands- und Taktfragen“, „folgerichtig, rücksichtslos, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln und mit äußerster Entschlossenheit“ die Hochschule zum politischen Kampffeld wie jedes andere 106 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

zu deklarieren, zumindest aber den Eindruck zu erwecken, als werde schon mit der Dauermobilisierung der Studentenschaft durch Flugblätter, Aufmärsche, Massenkundgebungen, Krawalle und Schlägereien politisch-revolutionär gehandelt7. Wenn es hier auch nicht möglich ist, die Umstände, die den NSDStB bei seiner manipulativen Ausbeutung der Studentenschaft begünstigten, tiefergehend zu erörtern, sei doch soviel bemerkt: Seine politische Ideologie unterschied sich, wie bereits festgestellt, nicht von derjenigen der NSDAP. In einigen Zügen anti-liberalistisch, verriet sie doch alle Widersprüche, die Marcuse dem „Kampf gegen den Liberalismus in der totalitären Staatsauffassung“ nachgewiesen hat8. Sie paßte sich insofern dem widersprüchlichen Gesellschaftsbild der proletarisierten Mittelschichten an, befriedigte aber deren gegen die monopolistischen Konsequenzen der liberalen Konkurrenzwirtschaft gerichteten revolutionären Impulse durch die Praxis des politischen Kampfes, dem sie unterlegt war. Der dem NSDStB in seinem Verhältnis zu den rechtsstehenden Korporationen eigene rüde Opportunismus, seine Wortbrüchigkeit und seine durch keine ideologischen Differenzen .hinreichend gedeckte Monopolisierung „nationaler“ Repräsentation gegenüber der ganzen übrigen Studentenschaft spiegelten nicht nur formal das Verfahren der Führer faschistischer Parteien9. Sie hatten mit diesem gemein die Preisgabe der Spielregeln des „Gib und Nimm“ überhaupt, als deren Opfer sich seine Anhänger empfanden. Der Verzicht auf Toleranz, Kompromißbereitschaft und institutionalisierte Formen der Kommunikation setzte, wo er so breite Attraktivität gewann, eine ernst zu nehmende Hoffnungslosigkeit voraus, im Rahmen traditioneller Verhaltensweise eine angemessene Lebenschance zu wahren. Ideologisch entsprach dem handfesten Durchgreifen der Ruf nach dem „starken Staat“, nach Abschaffung aller Politik als dem Hader der Parteien und „Interessentenhaufen“. Er enthielt, wie sehr er selbst durch rückschrittliche Interessen diktiert war, ein verständliches Moment. Denn die Vorstellung eines Zustands, wo Politik nicht nur Resultante von Interessenkompromissen im Rahmen einer gegebenen ökonomischen Herrschaftsordnung, sondern Medium demokratischer Selbstverständigung einer „Volksgemeinschaft“ ist, konnte als solche legitim sein und ist nicht schon als „antikapitalistische“ diskreditiert10. Deformiert wurde sie jedoch durch den ökonomisch rückgewandten Inhalt dieser Utopie und den Glauben, sie sei mit Mitteln durchzusetzen, die dem Begriff liberaler Selbständigkeit nicht weniger widersprachen als dem sozialistischer Solidarität. Das ungeschichtliche Denken derjenigen, die einmal entstandene Verhältnisse àtoutrix konservieren wollten, vermochte sich geschichtliches Handeln nicht als rationales, theoretisch angeleitetes vorzustellen, sondern nur als Ergebnis schicksalhafter Fügung. Dem ideologisch befangenen Blick mußten daher gerade diejenigen Parteien, welche den gesellschaftlichen Antagonismus offen artikulierten und im Interesse der großen Masse politisch zu überwinden trachteten, als Urheber des Übels der Politik überhaupt erscheinen. Gegen sie war nur anzukommen mit Hilfe einer politischen Kraft, die einerseits programmatisch und organisatorisch selbst „revolutionär“ war, andererseits durch ihre autoritäre Struktur politisches Handeln der Individuen auf 107 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Gehorsam reduzierte bzw. durch Übereignung der Macht an den Führer überflüssig zu machen versprach. So waren zwar die alten Formen unpolitischen Rückzugs auf die Behauptung ständischen Selbstwertgefühls zerbrochen, da sie sich gegenüber der realen politisch-ökonomischen Bewegung als ohnmächtig erwiesen hatten. Die „Politisierung“, der die Mittelschichten und mit ihnen die Studentenschaft nunmehr unterlagen, setzte unter ihnen jedoch kein Potential bewußten, rationaler Einsicht und Kommunikation folgenden politischen Verhaltens frei. Ganz ähnliche Widersprüche offenbaren sich, wenn man den Blick auf die besonderen Bedingungen des nationalsozialistischen Erfolgs an den Hochschulen wirft. Diese präsentierten sich je länger je mehr als Oase der Ruhe inmitten aufgewühlter Leidenschaften und hatten dabei doch keine ihren Überlegenheitsanspruch glaubhaft einlösende, durch geeignete Sozialisationsmuster vermittelte Konzeption von Wissenschaft anzubieten. Hier konnte sich der NSDStB — auf dem Boden der vorentschiedenen Rechtsorientierung der Studentenschaft — mit seiner Kritik an der „liberalistischen“ Wissenschaft als Sachwalter „lebenspraktischer“ Interessen der Studenten empfehlen. Seine eigene Existenz verriet nicht nur die Ineffektivität der „Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden“ und der „Wissenschaftlichkeit“ des Studiums; sie war auch die verzerrte Einforderung eines Lebensbezugs von Wissenschaft, der über die Ausrichtung des Studiums auf fachspezifische — wie allenthalben zu spüren: katastrophisch bedrohte — wirtschaftliche und staatliche Anforderungen hinausging11. Doch war die Konsequenz der sehr pauschalen Kritik des NSDStB am herkömmlichen Wissenschaftsbetrieb nicht die Bemühung um eine sich selbst politisch reflektierende Wissenschaft, d. h. um eine normative Reflexion der gesellschaftspolitischen Bedeutung fachwissenschaftlicher Ergebnisse und um eine empirische Prüfung der geschichtlichen Durchsetzungschancen solcher normativer Bestimmungen. Vielmehr betrieb der NSDStB eine „Fremdpolitisierung“ der Hochschulen in dem Sinne, daß er an der praktischen Relevanz von Lehre und Forschung vorbeiging und seine Energie auf eine damit ganz unvermittelte politische Aktivierung der Studentenschaft richtete. Insofern diese Aktivierung die Absage an Vernunft, Intellekt und Wissenschaft überhaupt und statt dessen die ekstatische Hingabe an die ungeprüfte Autorität der Partei und des Führers beinhaltete, hatte sie freilich destruktive Konsequenzen für Funktionen der Hochschule, wie sie in jeder modernen Gesellschaft zu erfüllen sind. Das Beharren auf politikneutraler fachwissenschaftlicher Rationalität war demgegenüber nicht ohne jedes Recht, aber ohne Potenzen aktiver Überwindung der Ursachen, die den Nationalsozialismus unter Studenten begünstigten. Politikfremdheit der Wissenschaft und Wissenschaftsfeindlichkeit der politisch aktivierten Studenten wirkten nicht nur gegensätzlich, sondern in gewisser Weise auch komplementär. Hier konnten — über das hinaus, was im zweiten Teil dieser Arbeit vorgestellt wurde — nur einige Momente der Sozialpsychologie des faschistischen Erfolgs in der Studentenschaft berührt werden. Wenn der NSDStB die Studen108 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

tenschaft in dem oben beschriebenen Sinn zu „politisieren“ vermochte, so verdankte er das jedenfalls nicht nur der Vorarbeit einer dem mystischen „Erlebnis“ ergebenen völkischen Jugendbewegung. Dem Zynismus seiner Führung und der Partei, die ihn benutzte, entsprach auf der Seite der Anhängerschaft eine profunde Unsicherheit, die vom scheinbar mächtigsten Willen sich die Richtung ihrer Entscheidung vorschreiben ließ. Der Verzicht auf eigenes Urteilen und Wollen, die Bereitschaft zur Selbstpreisgabe an eine Autorität auch wider eigene Neigungen und Interessen mußten nicht notwendig das Ergebnis ideologischer Identifikation mit dem Nationalsozialismus sein. Sie konnten auch der durchaus glaubenslosen Anpassungswilligkeit einer Generation entspringen, deren Lebensgeschichte über Weltkrieg, Revolution, Inflation und Wirtschaftskrise besonders ungünstige Chancen zur Bildung personaler Identität und Selbständigkeit geboten hatte12. Die Freiburger Ortsgruppe des NSDStB wurde Ende des Sommersemesters 1926 gegründet. In ihr ging die seit 1924 bestehende, aber — soweit festzustellen — öffentlich nicht hervorgetretene Hochschulgruppe der „Deutsch-völkischen Studentenbewegung“ auf. In Grundsätzen und Programm („deutsche Abstammung“ der Mitglieder, „Führerprinzip“, Hakenkreuzsymbol, Eintreten für „ein freies und völkisches Großdeutschland“) unterschied sie sich nicht vom späteren NSDStB13. Die Satzungen des Freiburger NSDStB vom SS 1926 und WS 1929/30 gehen auf Mustersatzungen bzw. allgemeine Rahmensatzungen des NSDStB zurück, wie ihr Wortlaut und die ganz ähnlichen Bestimmungen der Satzungen des Heidelberger NSDStB von 1926 und 1929 vermuten lassen. Der Vergleich beider Fassungen läßt die Entwicklung und Taktiken des NSDStB deutlich erkennen. Die Satzung von 1926 betonte die Bindung an die Partei (Beitritt zur NSDAP sollte Voraussetzung der Mitgliedschaft im NSDStB sein) und an den „Nationalsozialismus Adolf Hitlers“. Die „Wege akademischen Kampfes und Meinungsaustausches“, auf denen der NSDStB seinen Zweck — „Vertretung und Verbreitung der Ziele der NSDAP“ — erreichen wollte, waren nicht spezifiert; wenn in der Satzung jedoch eine hochschulpolitische Betätigung des Bundes selbst ausdrücklich ausgeschlossen wurde, da er „grundsätzlich nur politischen Charakter“ habe, so war das eine im damaligen NSDStB zwar mehrheitlich vertretene, aber keineswegs unbestrittene Meinung. Unzweifelhaft war nur, daß der „Sozialismus“ im Vordergrund der politischen Bemühungen des NSDStB zu stehen habe, und das hieß zu dieser Zeit, deutlich zu machen, „daß Arbeiter und Studenten untrennbar zusammengehören“ und der nationalsozialistische Student „unsoziale Zustände aufzudecken“ habe — „wo immer sie auch gefunden werden“! —, da „ein einiges Volk Vorbedingung zum Wiederaufstieg Deutschlands“ sei14. Ganz im Gegensatz zum tatsächlichen Verhalten des NSDStB und mit dem deutlichen Zweck, es rechtlich abzusichern und zu tarnen, zeigt die Satzung vom WS 1929/30 eine sichtliche Anpassung an „akademische“ Maßstäbe. Der NSDStB erklärte sich hier als „parteipolitisch nicht gebunden“ und bestritt 109 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

ausdrücklich, daß er „den Charakter einer Unterorganisation der NSDAP“ habe. Das Sozialistische wurde vollends beschnitten auf die „Propagierung der Idee der Volksgemeinschaft in der deutschen Akademikerschaft“ und das Nationalsozialistische am NSDStB als bloße „Weltanschauung“ ausgegeben15. Unter Berufung auf diesen Passus der Satzung des NSDStB lehnte im SS 1932 der Wahlausschuß den Ausschluß des NSDStB von den AStA-Wahlen ab, den die katholischen und republikanischen Studenten gefordert hatten. Sie beriefen sich darauf, daß der NSDStB in seinem Wahlaufruf geschrieben hatte: er erstrebe „in erster Linie ein Bekenntnis der Freiburger Studentenschaft zum Nationalsozialismus“ und erst in zweiter Linie kämen für ihn „astapolitische Fragen“. Der Wahlausschuß entschied aber, daß die Werbung für eine „Weltanschauung“ nicht in Widerspruch zur Satzung der Studentenschaft stehe, die „konfessionelle und parteipolitische Zwecke“ ausschloß“. Was der NSDStB, außer der Verbreitung seiner „Weltanschauung“, sich satzungsgemäß zur Aufgabe erklärte, paßte ins Selbstbild auch jeder Korporation: „Heranbildung von körperlich, geistig und seelisch starken und gebildeten Persönlichkeiten als kommende Führer des deutschen Volkes“, Förderung der „allgemeinen Bildung“ seiner Mitglieder durch „gemeinsame Bearbeitung von philosophischen, soziologischen, politischen, kulturellen und anderen Spezialthemen“ und „Vertiefung christlich-deutschen Wesens“17. Da das tatsächliche Auftreten des NSDStB der traditionellen Interpretation dieser Ziele so eindeutig widersprach, fällt es schwer zu glauben, daß sie irgendjemand für ernst gemeint halten konnte. Was sich in den (schlagenden) Korporationen spät genug an Widerstand gegen den NSDStB regte, galt daher auch nicht der nationalsozialistischen „Weltanschauung“ an sich, sondern der „unakademischen“ Weise, in der sie, auch gegen Konventionen der Korporationen, vom NSDStB in die Hochschule eingebracht wurde. Wenn er dennoch auf nicht wenige Verbindungsstudenten eine beträchtliche Attraktivität ausübte, dann weist das auf die Brüchigkeit dieser Konventionen hin; sie bildeten keine genügende Barriere gegen die Deutung, daß mit dem „weltanschaulichen Kampf gegen Juden, Marxisten und Zentrumsjünger“ auch der „Schild der ehrwürdigen Tradition reingehalten und in Wirklichkeit eine Schlacht für die Wahrheit, für die Wissenschaft und für den deutschen Geist geschlagen“ werde18. Bis ins Jahr 1928 hinein trat der NSDStB an der Universität Freiburg öffentlich nicht in Erscheinung. Noch im SS 1928, als er bei der ersten AStA-Wahl, an der er sich beteiligte, über 100 Stimmen (4,1 %) erhielt, hatte er nur 7 Mitglieder19. Über seinen Mitgliederstand in späteren Semestern läßt sich nichts Zuverlässiges sagen: zu Beginn des WS 1929/30 gab er selbst eine Zahl von 50 Mitgliedern an, jedoch ist eine Zahl um 30 wahrscheinlicher20; diese Zahl nannte das Blatt der Nationalsozialisten in Oberbaden, „Der Alemanne“ (18. 7. 33), auch für das WS 1932/33. Seine Mitglieder scheint der NSDStB vielfach durch seine öffentlichen Versammlungen gewonnen zu haben; während das individuelle Auftreten von NSDStB-Studenten nicht selten Distanz und Abneigung auslöste, trugen diese Versammlungen und besonders die „Großkundgebungen“ 110 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

zur Herabsetzung der Hemmungsschwelle bei21. Über die Zusammensetzung der Mitgliederschaft des NSDStB (Fakultät, Herkunft etc.) ließ sich nichts ermitteln22; offekundig ist nur, daß ihm zu einem allerdings nicht fixierbaren Prozentsatz Korporationsstudenten angehörten und Studenten aus auslandsdeutschen Gebieten (die „Hochschulgruppenführer“ des NSDStB im SS 1931 und SS 1933 waren Balten; auch der Vorsitzende der „Vereinigung auslandsdeutscher Studierender“ im WS 1931/32 gehörte dem NSDStB an). Neben dem NSDStB bestand auch noch eine „Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen“ (ANSt), die sich jedoch nur ein einziges Mal öffentlich bemerkbar machte, als es im SS 1931 in der Studentenzeitung zu einer Diskussion über Frauenemanzipation kam. Gegen die dort von den kommunistischen Studenten angeblich vertretene „Unsittlichkeitspropaganda“ führte der NSDStB mit Unterstützung der „Arbeitsgemeinschaft“ hauptsächlich seinen Wahlkampf für die Studentenvertretung23. In solchen Zubringerdiensten für NSDStB und Partei sah die „Arbeitsgemeinschaft“ ihre Rolle erfüllt. Während diesen die „nun eben handgreiflich gewordene Tagespolitik“ zukam, sollte die nationalsozialistische Studentin durch „tatkräftige und sachliche Mitarbeit“ ein „einheitliches, organisches System“ wissenschaftlich vorbereiten helfen. War dieses erst „rücksichtslos und mit allen Mitteln“ zur Herrschaft gebracht, begannen nach Auffassung der „Arbeitsgemeinschaft“ die „eigentlichsten und wichtigsten Aufgaben der Frau“, die „ein organischer S t a a t . . . an den Platz stellen“ werde, „an dem sie am wertvollsten wirken kann“24. Ungesagt blieb, daß dieser Platz in den Augen des NSDStB nicht Studium und Berufsarbeit sein sollte. Der NSDStB machte sich die Selbstdarstellung der NSDAP als einer „jungen Bewegung“, als einer vorweggenommenen Volksgemeinschaft zunutze, wenn er betonte, in ihm seien Studenten jeglicher sozialer Herkunft, beider Konfessionen, korporiert oder nichtkorporiert vertreten, „alle geeint durch die Idee des Nationalsozialismus“. Er stilisierte sich als „festgefügte Abwehrfront gegen die Feinde deutschen Blutes, deutschen Gemeinsinns, deutscher Kultur“ und beschrieb damit exakt die Rangfolge seiner Propagandainhalte: den alles beherrschenden Antisemitismus, den gegen den „selbstmörderischen Klassenkampf von Reaktion und Marxismus“ ins Feld geführten nationalen Sozialismus einer „wahren Volksgemeinschaft“ und schließlich die „heilige Sache der Neugestaltung des studentischen Lebens“. Unter dieser letzten, an das Pathos der DStGründergeneration gemahnenden Formel verstand der NSDStB eine „straffe Erziehung zu nationalem Verantwortungsbewußtsein . . . in den Reihen der deutschen Jungakademiker“, nicht etwa hochschulpolitische Ziele, für die erst nach einer „Ersetzung des herrschenden Systems durch den Nationalsozialismus“ Raum geschaffen sein werde und deren allgemeine Richtung der NSDStB mit dem Schlagwort „deutscher Geist an deutschen Hochschulen“ andeutete“. Einstweilen jedenfalls, so wurde den Studenten bedeutet, sei Zugehörigkeit zum Nationalsozialismus und NSDStB gleichzusetzen mit Kampf, dessen heroische Note durch den Hinweis auf Märtyrer der Bewegung, „gemordet von verhetzten Volksgenossen“, unterstrichen wurde28. 111 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

An der AStA-Politik war der NSDStB daher weniger als jede andere Gruppe um ihrer selbst willen interessiert. Als Ausdruck der „demokratisierenden Ideen“ der Nachkriegszeit war sie ihm lediglich Abbild des zum Untergang verurteilten liberalen Parlamentarismus und hatte Existenzberechtigung nur, wo sie politische Erziehungsfunktionen („Stärkung des Wehrgedankens, . . . Erziehung zur Volksgemeinschaft“) wahrnahm, denn „die charakterliche S e i t e . . . ist ziemlich restlos vernachlässigt worden“27. Versuchte der NSDStB, durch seine Amtsführung in AStA-Positionen, satzungswidrige Anträge, aufwendige Wahlkämpfe und die Herstellung einer „Öffentlichkeit“ beifalltrampelnder Zuhörer und beifällige Kommentare im nationalsozialistischen „Alemannen“ den AStA für seine Zwecke zu instrumentalisieren, so hinderte ihn das nicht, ab und zu die Parole „Sachlichkeit der studentischen Politik“ auszugeben. Er verstand darunter die Abwehr aller Versuche zu marxistischer Politisierung der Studentenschaft im Sinne der „Novembermoral“, wie sie die Republik angeblich unternommen hatte, und das Aufgehen „im Dienste einer höheren Sache, eines als wahrhaft erkannten Ideals“28. Das mochte der „Geist von Langemarck“ sein oder die nationalsozialistische „Weltanschauung“, zu ihrer Durchsetzung waren „Rücksichtslosigkeit“ und Mißachtung der Rechte und Anschauungen anderer ohne weiteres erlaubt: „Man kann sie nur ablehnen oder anerkennen . . . Wir Nationalsozialisten verzichten darauf, solche Gegner überzeugen zu wollen. Sie werden eben eines Tages gezwungen werden, sich unserer Anschauung zu beugen.“29 Solche Gegner waren für den NSDStB vor allem Sozialisten, Demokraten, Pazifisten — schlechterdings jeder, der am „System“ von Weimar ein gutes Haar ließ —, aber auch seine intimen Opponenten im AStA, die kommunistischen Studenten. In den Versammlungen dieser Gruppen trat er nicht selten provokativ auf, seine eigenen, von 100 bis 300 Personen (nicht durchweg Studenten) besuchten Veranstaltungen richteten sich in erster Linie gegen sie30. Allianzen ging der NSDStB im AStA und bei der Abhaltung gemeinsamer Kundgebungen31 mit der Stahlhelm-Hochschulgruppe und der Nationalen Studentenschaft ein, doch achtete er darauf, sich von diesen als politische Studentengruppe auch abzuheben und nicht als bloßer Teil der „nationalen Studentenschaft“ integriert zu werden. Aus dem gleichen Grund blieb er den patriotischen Feiern der Universität und Studentenschaft fern, da ihm ein Auftreten in Uniform, mit Parteifahne oder anderen Emblemen versagt war. Nahm er, wie im Fall einer Gedenkstunde des AStA für den einstigen Freiburger Studenten und nationalsozialistischen Freicorps-Partisanen Schlageter im SS 1930, doch daran teil, so deutete er diesen, wie der AStA erklärte, „unpolitischen Akt der Pietät“ als Bekenntnis zum Nationalsozialismus und störte sich nicht daran, daß der AStA „ein solches, den Gemeinschaftsgedanken der hiesigen Studentenschaft zerstörendes Verhalten“ verurteilte32. Im Zentrum der nationalsozialistischen Agitation an der Hochschule stand der Antisemitismus. „Deutschland den Deutschen“ war die Parole, mit der die „Gefährdung des deutschen Volkstums . . . durch Niederrassentum, Entchristlichung und Überfremdung“ als eine die Interessen eines jeden berührende Tat112 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

sache vorgestellt werdensollte 3 3 .Siediente dazu, alle möglichen Akte der Diskriminierung34 als bloße Notwehr, als Antwort auf den „Antigermanismus“35 zu rechtfertigen. Die Methode, eine „weltanschauliche“ Behauptung — daß nämlich die jüdischen Bürger Deutschlands nicht „deutsch“ im wahren Sinne seien — mit „statistischen“ Daten über den jüdischen Einfluß als real belegbar vorzustellen (obgleich doch dieser Einfluß nur unter der paranoiden Voraussetzung selbst als solcher sichtbar werden konnte), fand sich nicht nur in vielen Beiträgen nationalsozialistischer Studenten zur FSZ36 — sie lag auch einer Initiative des NSDStB zugrunde, mit der er im SS 1930 die spätere Rassenpolitik der NSDAP an den Hochschulen einleitete. Wie an anderen Universitäten (u. a. Berlin, Würzburg, Erlangen, Gießen) brachte der NSDStB auch im Freiburger Studentenausschuß einen Antrag ein, der AStA solle sich „für die Beschränkung der jüdischen Studenten (nach biologischen Gesichtspunkten) gemäß dem Hundertsatz der Juden an der Gesamtbevölkerung Deutschlands“ einsetzen37. Zuvor, am 20. 6. 30, hatte er in einer öffentlichen Versammlung, auf der der Volksschullehrer und NSDAP-Landtagsabgeordnete Lenz zum „numerus clausus“ gesprochen hatte, „erdrückendes statistisches Material“ über die „Überjudung“ des öffentlichen und akademischen Lebens vorgelegt und darauf hingewiesen, daß allein 10 % der Freiburger Neuimmatrikulierten des SS 1930 jüdischer Abstammung seien38. Das „erdrückende Material“ wurde auch in einer „Denkschrift“ ausgebreitet, die als Flugblatt in 2500 Exemplaren unter die Studentenschaft verteilt wurde. Nach ihr war die akademische Berufsnot eine Folge davon, daß es Juden, „die vor 1914 noch in Polen oder Galizien saßen, in der deutschen Notzeit.. . verstanden, sich ein Vermögen zu erwerben, das heute ihren Söhnen ein Studium unter besten Bedingungen ermöglicht“, und daß durch das „klettenhafte Zusammenhalten“ und die „systematische Protegierung“ der Juden untereinander die „deutsche Intelligenz aus ihrer Führerstellung verdrängt“ werde. Nicht nur befänden sich deshalb 70 % der akademischen Berufspositionen in Großstädten in jüdischer Hand, auch an den Hochschulen würden „deutschblütige“ Dozenten mehr und mehr ausgepowert und durch jüdische verdrängt. „So werden in einigen Jahrzehnten bei einem weiteren Steigen der jüdischen Machtposition nicht nur die deutschen Studenten ausschließlich von fremdrassigen, fremdgeistigen Deutschen unterrichtet werden, sondern . . . die gesamte deutsche Führerschicht bestände dann aus art- und rassefremden Elementen“. Wer solche Behauptungen irgend plausibel fand und den durch sie provozierten „Futterkrippenneid“ vor sich selber nicht eingestehen konnte, mußte sich mit dem NSDStB gegen „die sittliche Zersetzungstätigkeit, die aus einer vollkommenen Wesensfremdheit . . . hervorgehend unsere Weltanschauung und unser sittliches Gefühl zu zersetzen strebt“, „zu gemeinsamer Abwehr zusammenfinden“39; mußte es auch als einen Beitrag zur Hochschulreform ansehen, wenn der NSDStB jüdische Professoren und „Vertreter volksfeindlicher und zerstörender Ideologien“ nicht auf deutschen Kathedern dulden wollte: weil doch Forschen und Erkennen „seelisches und blutbedingtes Erkennen zu Charakterwerten“ sei40. 113 8 Kreutzberger, Studenten und Politik

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So sahen die Begründungen aus, mit denen der NSDStB seine terroristische Praxis gegen jüdische Hochschullehrer in den Jahren nach 1929 zu legitimieren suchte41. Wo man keinen passenden Juden hatte, wie in Freiburg nach dem Weggang Kantorowiczs, borgte man sich vom Feuer anderer Hochschulen. Daher machte der Freiburger NSDStB am 10. Februar 1931 den „Fall Gumbel“, der in Heidelberg im WS 1930/31 beträchtliche Unruhe verursache hatte, zum Gegenstand einer Protestversammlung, auf der zwei Mitglieder des Heidelberger NSDStB zu den etwa 1000 Teilnehmern, darunter die Hälfte Studenten, sprechen sollten. Als der erste Redner nach wenigen Worten über „diese bemerkenswerte Republik“, die einen „jüdischen Landesverräter“ (Gumbel) zum Professor ernenne, von einem Polizeibeamten aufgefordert wurde, sich zu mäßigen, brach im Saal ein Tumult los, in dem die Versammlung unterging. Mehrere hundert Studenten zogen danach durch die Straßen Freiburgs und kündigten mit „Heil-Hitler“- und „Deutschland-erwache“-Rufen die Entrechtung derer an, die damals die doch meist verbal bleibenden Attacken des NSDStB für den zukunftslosen Radikalismus intellektuell unausgereifter Schreihälse halten mochten“. Das ist auch im günstigen Fall die Erklärung dafür, daß in den öffentlichen Reden Freiburger Professoren des Nationalsozialismus und des NSDStB keine, geschweige denn eine kritische, Erwähnung getan wurde43. 7. Die katholischen Verbindungen Die dominierende Stellung im Freiburger Verbindungsleben hatten die katholischen Verbindungen inne. Zwar konnten sie ihrer Mitgliederzahl nach den übrigen Verbindungen nicht ganz die Waage halten, doch fanden sie Rückhalt bei den nichtkorporierten katholischen Studenten der Universität, in der konfessionellen und politischen Struktur der Bevölkerung, in der katholischen Presse, dem erzbischöflichen Ordinariat und der theologischen Fakultät'. Die ersten katholischen Verbindungen Freiburgs waren in der Zeit des Kulturkampfes entstanden und damals, ebenso wie später weitere Gründungen, auf den Widerstand des liberalen Ministeriums, des Senats und der übrigen Verbindungen gestoßen. Die Inkonsequenz der politischen Haltung der Freiburger katholischen Verbindungen nach dem Weltkrieg rührte nicht zuletzt von den Frontstellungen dieses „akademischen Kulturkampfs“ her: Der Stolz auf ihre katholische „Weltanschauung“ ließ sie Distanz zu den schlagenden, protestantisch-borussisch geprägten Verbindungen auf der „Rechten“ halten; andererseits suchten sie aber auch Gelegenheit, ihre „nationale Zuverlässigkeit“ unter Beweis zu stellen, und sei es im Zusammengehen mit eben diesen Verbindungen*. Den 1930 bestehenden je 7 Verbindungen im „Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen“ (CV) und im „Kartellverband der katholischen Studentenvereine und -Verbindungen Deutschlands“ (KV) gehörten in den Jahren der Weimarer Republik jeweils zwischen 15 und 40 aktive Mitglieder an; etwas weniger besucht waren die (zeitweilig 4) Verbindungen im „Verband der wissenschaftlichen katholischen Studentenvereine ,Unitas' “ 114 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

(UV) und die Verbindung „Normannia“ im „Ring katholisdier deutscher Burschenschaften“3. In der Zusammensetzung nach Fakultäten unterschieden sich vor allem die CV-Verbindungen kaum von den Burschenschaften: Juristen und Mediziner überwogen dort bei weitem. In den KV-Verbindungen waren auch Theologen und Studenten aus der philosophischen Fakultät reichlicher vertreten, in den Unitas-Vereinen bildeten sie die Mehrheit. Die Mitglieder stammten aus allen katholischen Kernlandschaften Deutschlands, besonders aus Westfalen und dem Rheinland, dann auch aus Baden und dem übrigen Süddeutschland. — Acht katholische Verbindungen und eine Reihe weiterer katholischer Vereinigungen waren nach dem Weltkrieg in Freiburg entstanden. Sie verdankten sich vielfach Anstößen aus der Jugendbewegung, die auch auf die zuvor bestehenden Verbindungen eingewirkt hatte, dort aber nach einigen Jahren absorbiert worden war 4 . Am wenigsten galt das für die Unitas-Vereine, die die sozialen Impulse der Jugendbewegung am stärksten bewahrten und deren seit je ausgeprägtes wissenschaftliches Interesse sie auch politischen Fragen rationaler als die meisten anderen Verbindungen begegnen ließ. Dabei mag mitgewirkt haben, daß der hohe Anteil von Studenten der theologischen und philosophischen Fakultät an den Unitas-Vereinen konservative Standesinteressen zurücktreten ließ, die in den von Medizinern und Juristen geprägten Korporationen die politische Mentalität stark beeinflußten. Im AStA hielten sich die Vertreter der Unitas-Vereine, zusammen mit den Studenten aus der katholischen Jugendbewegung (besonders den 1926/27 gegründeten Neudeutschland-Gruppen), meist zu den republikanischen Studenten. Die strenge Disziplin des Unitas-Verbands sorgte für einheitliches und entschiedenes Auftreten5. Demgegenüber war die Haltung der CV- und KV-Verbindungen im AStA zumindest labil. In vielen Fragen gingen sie mit der rechtsstehenden Studentenschaft zusammen und ernteten dafür Kritik in der übrigen katholischen Studentenschaft und der katholischen Presse. Das Bestreben, die katholische „Weltanschauung . . . auch im Leben der Hochschule stark und mächtig vertreten“ zu sehen, bewirkte, daß letztlich die Einheit der katholischen Studenten auch diesen Verbindungen obenan stand. Das „wirklich nationale und vaterländische Empfinden“, so meinten dann auch sie, drücke sich „nicht so sehr in Worten und Protesten als in wirklicher Aufbauarbeit aus“6. Den katholischen Studenten war es nicht zweifelhaft, daß solche „Aufbauarbeit“ nicht gegen den vom Zentrum mitgetragenen Staat erfolgen konnte. Die vielfachen Beziehungen, die Freiburger katholische Verbindungen mit führenden Politikern des Zentrums verbanden7, und der Einfluß des Zentrums auf die Besetzung von Verwaltungspositionen in nahezu allen deutschen Ländern sorgten in der Regel dafür, daß die von den Honoratioren gesetzten Maßstäbe politischen Verhaltens stillschwiegend akzeptiert wurden. Zwar lehnten auch die katholischen Verbindungen und die katholische Fraktion im AStA „Parteipolitik“ in der Studentenschaft nicht weniger ab als die übrigen Verbindungen8. Doch spiegelte sich in ihrem politisch-gesellschaftlichen Selbstverständnis 115 8·

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ziemlich genau der Anspruch wider, den das Zentrum in der deutschen Politik artikulierte: mit der „Bejahung des Staatsgedankens überhaupt“ zugleich die „staatenerhaltenden Ideale des Christentums“ zu schützen9. Diese Ideale waren begründet in gewissen naturrechtlichen Prinzipien der katholischen Soziallelire, die im und gegen den säkularisierten Staat zu behaupten waren, trotz der pragmatischen Koalition des Zentrums mit dessen Trägern, dem Liberalismus und Sozialismus. Nicht primär der Demokratie galt denn auch die Anerkennung oder wenigstens Tolerierung der Republik unter katholischen Verbindungsstudenten, sondern dem Staat als „Träger der Ordnung und Zivilisation“, der auch „ideelle Werte zur Geltung kommen läßt, . . . in erster Linie durch die Religion“10. Weil die republikanische Verfassungsordnung der „rückhaltlose(n) Entfesselung der chaotischen Kräfte“, dem „geistigen und sittlichen Zerfall“ der Revolutionsmonate ein Ende setzen konnte und „Politik der Katholiken und katholische Politik“ ermöglichte, hatte der Staatsbürger die „Pflicht und Schuldigkeit, hier mitzuarbeiten, mehr als andere der Akademiker, der Führer des Volkes sein soll““. Zweierlei deutet sich hier an: Einmal die Distanz zu den kulturellen, sozialen und politischen Emanzipationsbewegungen, die in der Revolution einen neuen Anstoß erhalten hatten; Liberalismus und Sozialismus (gleichgestellt mit Freimaurerei und Freidenkertum) wurden verantwortlich gemacht für „Anarchie“, „Entsittlichung“, „Entchristlichung“ und damit für die Untergrabung der „organischen Volksordnung“. Zum anderen — damit zusammenhängend — die durch die Jugendbewegung nicht weniger als durch die traditionelle katholische Soziallehre geförderte Vorliebe für eine autoritäre politische und soziale Ordnung, in der jeder seinen Platz hat12. Daß diese Vorliebe unter modernen Bedingungen eine Ideologie fürs Klassenprivileg audi wider Willen werden mußte, sah man umso weniger, als man glaubte, die Berufung aufs Subsidiaritätsprinzip, christliche Nächstenliebe und soziale Einfühlung würden den „natürlichen“ Charakter der alten Ständeordnung bewahren oder wiederherstellen können. „Nicht Standesdünkel und Kastengeist, sondern soziales Einfühlen, Achtung vor der sittlichen Würde jedes Berufes, treue Pflichterfüllung auf allen Gebieten, wo man uns hinstellt, das muß das Kennzeichen eines echten Ripuaren sein.“13 Die Feindschaft gegen Liberalismus und Sozialismus, die Furcht vor „asiatischem Bolschewismus und Kulturroheit“14, das vielfach auf einer „Reichs“Mythologie fußende „großdeutsche Empfinden“ und die Partizipation an bürgerlichen Vorstellungen von „Ruhe und Ordnung“ bewirkten, wie besonders das Jahr 1933 zeigte, eine gewisse Anfälligkeit des deutschen Katholizismus für einzelne Punkte der nationalsozialistischen Propaganda15. Dem Nationalsozialismus und im Besonderen dem NSDStB gegenüber fand auch die Freiburger katholische Studentenschaft vor 1933 keine politisch genügende Formel. Die eindeutigste Wendung noch findet sich im Artikel eines katholischen Studenten zur Langemarckfeier 1932. Die „heilige Interessengemeinschaft“ der Kriegstoten verteidigte er gegen die Inanspruchnahme für einen „Wahn“ durch „jene, die 116 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

aus unserer Heimat einen Trümmerhaufen und aus Europa einen Friedhof machen wollen“, „die statt des Aufbauens im christlichen Geiste den Aufruhr, die Zerstörung alles guten Altüberkommenen, die Austilgung von Kreuz und Altar sich zum Ziele setzen“16. Das Zitat zeigt deutlich, daß sich die Abwehr katholischer Studenten wesentlich auf die Erhaltung der Ordnung und die Verteidigung der von der katholischen Dogmatik vorgezeichneten Positionen bezog. Danach war der Nationalsozialismus abzulehnen, weil er die Religion „in eitler Überhebung, auf Grund seines germanischen Sittlichkeits- und Moralgefühls' verstaatlichen und bevormunden“ wollte und weil sein „niedriger Rassenhaß“ mit der christlichen Lehre nicht in Einklang zu bringen sei“. Obwohl der Rassenantisemitismus in einzelnen katholischen Verbindungen nicht ohne jede Resonanz blieb18, war seine Ablehnung wahrscheinlich das stärkste Motiv, das die katholischen Studenten von den Vertretern „völkischer“ Ideologien in der Studentenschaft fernhielt. So scheiterte schon 1920 der Beitritt der katholischen Verbindung zum HDA an dessen antisemitischer Einstellung, obgleich auch sie die „Judenfrage . . . als schicksalsschweres Problem“ ansahen19. Im Dezember 1920 gründeten sie zusammen mit katholischen Nichtkorporierten als Gegengewicht zum HDA und als „machtvolle Vertretung der Interessen der katholischen Studentenschaft auf dem Gebiete der Hochschulpolitik“ den „Hochschulverband katholisch-deutscher Studierender“20. Abgesehen von der Betonung ihrer „in der katholischen Weltanschauung festgeschmiedeten Einheit“ unterschieden sich die Ziele seiner Mitglieder kaum von denen des HDA: unter Abwehr aller „politischen Bestrebungen“ versprach auch er, den „Gedanken der Volksgemeinschaft. . ., vaterländische Gesinnung und das Bewußtsein wirtschaftlichen Aufeinanderangewiesenseins [gegen Streiks] im Volk zu wecken“. Nicht zuletzt aus diesem Grund stieß die Bildung einer katholischen weltanschauungsgruppe außerhalb der HDA bei nicht wenigen katholischen Studenten auf Kritik. Obgleich der Freiburger Erzbischof und die katholische Presse den „Hochschulverband“ unterstützten, gelang es ihm nicht, wie zunächst geplant, an anderen Hochschulen Fuß zu fassen21. Nicht einmal in Freiburg gehörten ihm alle katholischen Verbindungen an: je zwei CV- und KV-Verbindungen traten dem HDA bei, verschiedentlich waren Mitglieder ein und derselben Verbindung Vertreter des Hochschulrings wie des Hochschulverbandes im AStA22. Erst im SS 1926 waren sämtliche katholischen Korporationen aus dem HDA wieder ausgeschieden und auf einer gemeinsamen AStA-Wahlliste der katholischen Studentenschaft vertreten. Andere Funktionen, als Korporierte und Nichtkorporierte in einer Fraktion zu vereinen, konnte der „Hochschulverband“ offenbar ebenso wenig ausfüllen wie seine Nachfolgerin, die im WS 1927/28 gegründete „Kulturgemeinschaft katholischer Studierender“23. Doch liefert die Rechtfertigung der Gründung dieser „Kulturgemeinschaft“ ein weiteres der vielen Zeugnisse dafür, welchem Konformitätsdruck sich die katholischen Studenten ausgesetzt fühlten: sie sei zwar notwendig als eine „Katholikenfront für das Gut unserer Überzeugung“, doch gälten für ihre Mitglieder „nationale Forderungen und Belange... mindestens mit gleicher Kraft“ wie für die übrige Studenten117 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

schaft24. Es erstaunt daher auch nicht, daß beinahe ein stehender Topos in Freiburger und anderen katholischen Verbindungen die Erinnerung daran war, „wieviel heißes katholisches Studentenblut... auf dem Altar des Vaterlandes“ bereits geflossen sei und was Deutschland einem katholischen Verbindungsstudenten wie Albert Leo Schlageter zu verdanken habe“.

8. Die parteipolitischen Gruppen der Mitte und Linken 1 Als parteipolitische Gruppen der Mitte und Linken werden hier diejenigen studentischen Vereinigungen bezeichnet, die in mehr oder weniger engen Beziehungen zu den Parteien der Weimarer Koalition (SPD, DDP, Zentrum) oder der linken Systemopposition (KPD) standen und deren politisches Programm an der Universität vertraten; hinzugerechnet sind soldie Vereinigungen, die sich aus Mitgliedern verschiedener Gruppen der genannten Art zusammensetzten. Von ihren rechten Gegnern im AStA wurden sie pauschal als „Linke“ apostrophiert und damit unter die negativen Politik- und Charakternormen subsumiert, die sich in deren Augen mit „links“ als „internationalistisch“,-„zersetzend“, „jüdisch“ verbanden. Auch die Universität sah, wie schon erwähnt, Studentengruppen der politischen Parteien nur ungern, weil sie es, in den Worten Smends, für „die erste akademische Pflicht gegenüber dem Staate“ hielt, „ihm nicht mit klassenmäßig oder anderweit festgelegter Haltung gegenüberzustehen“, sondern ihm, als einem „Teil des geistigen Ganzen“, in „geistig begründeter“ Weise zu begegnen*. Universitäre Veranstaltungen zur politischen Bildung außerhalb der bestehenden parteipolitischen Gruppen wurden daher auch mit der Überzeugung begründet, daß die Universität „nach ihrer ganzen geistigen Bestimmtheit das Politische ganz von selbst in größere Zusammenhänge hineinstellen und ins Geistige, Ideenhafte, Weltanschauliche erheben“ werde3. Man wollte dort „dem Politischen mit akademischer Voraussetzungslosigkeit gegenübertreten“ und seine „eigenen Gesetze“ aufspüren, die „jenseits aller Ideologien des Programms liegen“4. Die Auffassung vom Staat als einer geistigen Wesenheit, als Ausdruck einer metaphysischen Volksindividualität beinhaltete tendenziell die Ablehnung des Parteienstaates, dessen Notwendigkeit als Konsequenz antagonistischer Klassenverhältnisse zu begreifen war 5 . Sie reduzierte darüber hinaus politisches Verhalten der Individuen auf ein Bildungserlebnis, vor dem alle Beteiligung an Organisationen der Massendemokratie als Preisgabe geistiger Selbständigkeit erscheinen mußte. Das konnte eine Ideologie für jene abgeben, die das Obsoletwerden der realen Funktionen der liberalen Staatsbürgerrolle in innerer Autonomie, durch eine „persönliche politische Stellung“ zu kompensieren suchten; aber auch für andere, die, in der Verfügung über den bürokratischen Apparat, den Einfluß demokratisch organisierter und legitimierter Willensbildung unter Berufung auf den Eigenwert der staatlichen Sphäre und seine Bedeutung fürs Gemeinwohl abzuwehren trachteten. 118 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Nach dem 2. Weltkrieg wurde der Anspruch der parteipolitischen Studentengruppen, „im Verhältnis von unpolitischem Wissenschaftsbetrieb und politischer Verantwortung eine Ergänzungsfunktion zur Universität wahrzunehmen“, von dieser immerhin nicht grundsätzlich negiert*. Dagegen stieß er in der Weimarer Periode auf die hartnäckige Ablehnung einer Universität, deren eigene unreflektierte Interessengebundenheit ihr gerade die Existenz parteipolitischer Hochschulgruppen als Einbruch von „Interessentenhaufen“ in die akademische Sphäre erscheinen ließ, die dort so wenig wie im Staat ihrer Vorstellung zu suchen hatten. Die Motive des Anschlusses von Studenten an die parteipolitischen Gruppen der Weimarer Koalition erscheinen so auch bei Smend recht negativ bestimmt durch opportunistische Rücksichten auf eine Laufbahn in „der koalitionsparteilich beherrschten Verwaltung und Justiz“, auf die „Ämterpatron a g e . . . in den Händen des Zentrums“ oder auf die Teilhabe an der „Konsolidation sozialistischer Staatsbeherrschung“7. Kein Zweifel, daß auch solche Erwägungen eine Rolle spielten, jedoch spricht die geringe Beständigkeit dieser Gruppen, ihre prekäre finanzielle Situation und ihr nicht durchweg parteikonformes Verhalten dagegen, daß das dominierende Motive gewesen oder die Parteien selbst an ihren Hochschulgruppen als Rekrutierungsfeld ihres Nachwuchses konsequent interessiert gewesen wären. Zugehörigkeit zur Partei war in der Regel nur für Funktionäre der entsprechenden Reichsorganisation Voraussetzung8. Innerhalb der Parteien spielten die Studentenorganisationen keine bemerkenswerte Rolle, bei der Sozialdemokratie noch weniger als beim Zentrum oder der stark vom bürgerlichen Akademikertum geprägten Demokratischen Partei. Vom Pragmatismus der Parteiführungen unterschieden sie sich, vor allem in der „Krise des Parteienstaates“ nach 1929, durch eine stärkere Betonung des „weltanschaulichen“ Moments; sie partizipierten damit sowohl an Tendenzen in der breiten Parteimitgliederschaft wie an der Kritik, die von außen und hier vor allem in der Jugend, an den etablierten Parteien geübt wurde. Jedoch waren weder die Punkte kritischen Anstoßes in den Parteien noch die Hilfe der Hochschule gewichtig genug, um im Spannungsfeld von Utopie und Wirklichkeit, von Theorie und Praxis den politischen Studentengruppen eine mehr als marginale Rolle zu ermöglichen. Die „Entideologisierung“, der Verlust an Theorie bestimmte zwar in mancher Weise das praktische Handeln der Parteien, aber noch nicht grundsätzlich den Begriff, den sie sich von ihrer Aufgabe machten. In der Universitätswissenschaft auf der anderen Seite kam gesellschaftliche Praxis günstigenfalls im Sinne des Vorgegebenen, dem Theorie sich einpaßt, in den Blick, nicht als etwas, das theoretischer Anleitung bedarf, um Fortschritte zur Vernunft der Geschichte zu tun. Das mit der Intellektuellenrolle der Studenten als Chance gegebene utopische Moment einer Kritik an den Parteien blieb daher im großen und ganzen an den Kanon der jeweiligen Parteitraditionen gebunden; es führte bei den parteipolitischen Studentengruppen jedenfalls nicht zu einer eigenständigen, die gesellschaftliche Funktion wissenschaftlicher Forschung und Ausbildung in die Reflexion einbeziehende Studentenpolitik. Anders als ähnliche Gründungen verschiedener deutscher Großstädte ver119 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

dankte die „Sozialistische Studentengruppe“ an_der Universität Freiburg ihre Entstehung keinem revolutionären Elan in der Stadt oder Universität, obgleich die Tatsache, daß die akademischen Behörden ihr die Bekanntmachung ihrer Gründungsversammlung in den Räumen der Universität untersagten, darauf schließen lassen könnte9. Sie wurde erst einige Tage nach der „Nationalen Studentenvereinigung“, am 28. Februar 1919, von offensichtlidi linksliberalen Studenten in dem Bestreben gegründet, einerseits der sich ankündigenden Reaktion entgegenzutreten, andererseits die „moralischen Triebkräfte des Sozialismus durch Bereicherung mit Kulturidealen“ zu stärken. Weit entfernt davon, den Sozialismus als Theorie und politische Macht vorbehaltlos zu unterstützen, glaubten diese Studenten doch, in ihm ein Medium gefunden zu haben, das ihrer jugendbewegten Emanzipation von der „materialistischen Gesinnungslumperei“ des Besitzbürgertums zu politischer Konsequenz verhelfen würde. Die Revolution akzeptierten sie insoweit, als sie geeignet erschien, die Verkrustungen des Obrigkeitsstaats zu sprengen und die Sozialdemokratie, wie Naumann es wollte, dem Nationalstaat zurückzugeben: „der Radikalismus muß überwunden werden, aber seine Wirkungen müssen bleiben als Fortschritt in Staat und Gesellschaft“10. Eigentlich revolutionäre Gesinnung wurde bereits im Monat nach der Gründung importiert, als neue Mitglieder aus Berlin in die Gruppe eintraten und dort die Anhänger der SPD gegenüber radikal-klassenkämpferischen Sozialisten offensichtlich in die Minderheit gerieten11. Das entsprach einer allgemeinen Tendenz in den sozialistischen Studentengruppen Deutschlands, wenigstens bis ins Jahr 1922, als sich — nach dem Mord an Rathenau — die meisten Hochschulgruppen, so auch die Freiburger, mit den Anhängern der Demokratischen Partei und des Zentrums in einem Republikanisdien Kartell zusammenschlossen12. Die radikalen Sozialisten schieden nach und nach aus bzw. sammelten sich in marxistischen Arbeitsgemeinsdiaften, die, meist ohne parteipolitische Bindung an die KPD, im wesentlichen deren Programm an den Hochschulen vertraten13. Von allen parteipolitisdien Studentengruppen an der Universität war die sozialistische die einzige, die ununterbrodien von 1919 bis ins Jahr 1933 hinein bestand. Schon aus diesem Grund bildete sie die Hauptstütze für die republikanischen Studenten, wenn sie selbst auch selten mehr als etwa 20 Mitglieder zählte. Über deren Fakultätszugehörigkeit, Herkunft usw. ist leider nichts auszumachen. Nimmt man den Reichsdurchschnitt aller sozialistischen Studentengruppen als Maßstab, so würde sich im Hinblick auf die soziale Herkunft eine deutliche Abweichung von den Werten der übrigen Studentenschaft in Richtung einer stärkeren Repräsentation der Untersdiicht (rund ein. Drittel der Mitglieder) auf Kosten sowohl der Mittel- wie der Oberschidit vermuten lassen14. An der Mitgliederschaft der Sozialistischen Studentengruppe läßt sich die enge Verflechtung mit anderen Vereinigungen ablesen, so der „Akademischen Ortsgruppe des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdisdien Glaubens“ (gegr. 1919), der „Studentengruppe für Pazifismus und internationale Verständigung“ (gegr. 1922) und der „Arbeitsgemeinschaft für Völkerbundsfragen“ 120 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

(gegr. 1924). Anders als etwa in Berlin, Leipzig, Frankfurt oder Heidelberg hatten die sozialistischen Studenten in Freiburg keinen bemerkbaren Rückhalt in der Professorenschaft; auch fehlen Anzeichen dafür, daß ihr Selbstverständnis, „Teil der großen politischen Organisation der Arbeiterschaft“ zu sein, zu engeren Beziehungen mit der Freiburger Sozialdemokratie und Gewerkschaftsbewegung geführt hätte15. Einen Monat nach der Sozialistischen Studentengruppe wurde in Freiburg eine „Studentengruppe der Deutschen Demokratischen Partei“ gegründet (25. März 1919). Mit den „Idealisten in der Sozialdemokratie“ erklärte sie sich darin einig, daß die „Wiederaufrichtung“ Deutschlands „im Geiste der Demokratie“ geschehen müsse, doch lehnte sie ausdrücklich die „materialistische Grundlage“ des Sozialismus ab. Sie glaubte, „gerade in der materialistischen Denkweise der letzten Jahrzehnte den tiefsten Grund unseres physischen und moralischen Zusammenbruchs erblicken“ zu sollen, und teilte damit die moralisierende Selbstkritik, zu der in jener Zeit auch rechtsstehende Korporationen, die sonst kein Jota ihrer Bürgerlichkeit preisgeben wollten, sich bereit fanden. Nicht, so legt die angeführte Formel nahe, eine objektive Analyse der politisch-sozialen Ursachen von Krieg und Revolution führte bei diesen Studenten zum Eintreten für die Demokratie, sondern die Hoffnung, man könne mit ihrer Hilfe im „Geist des Idealismus“ (was immer darunter verstanden wurde) einen Neuanfang setzen. Das politische Programm der DDP wollten sie mit „jugendlichem, frischem und immer neuem Leben“ erfüllen und durch eine gründliche politische Schulung ihre Mitglieder zur „Verjüngung des gesamten öffentlichen Lebens“ befähigen16. In solchen Wendungen des Gründungsaufrufs zeigt sich deutlich der Einfluß der bürgerlichen Jugendbewegung auf die Gruppe, die zunächst sehr starken Zulauf hatte (etwa 50 Mitglieder) und bei den ersten AStA-Wahlen im SS 1919 von allen parteipolitischen Gruppen die meisten Stimmen erhielt. Jedoch war bereits ein Jahr später die Zahl ihrer Mitglieder (vor allem aus der Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät) auf etwa 20 gesunken; Ende des WS 1924/25 löste sie sich auf. Im Frühjahr 1928 wurde ein Anlauf zur Neugründung gemacht, der aber erst im SS 1929 erfolgreich war. Der Gruppe, die sich das Ziel setzte, „in der Studentenschaft demokratische Weltanschauung zu fördern und zu pflegen“, gehörten damals etwa 20 Studenten an; sie wurde durch einen „Förderkreis“, dem neben Gerhart von Schulze-Gaevernitz (geb. 1864) noch zwei ungenannte Freiburger Hochschullehrer beitraten, unterstützt17. Als letzte Studentengruppe der Parteien der „Weimarer Koalition“ wurde die „Studentische Zentrumsgruppe“ im SS 1920 gegründet. Informell bestand sie bereits seit dem SS 1919; die Zahl von rund 200 Mitgliedern im WS 1919/ 2018 legt die Vermutung nahe, daß sie zu diesem Zeitpunkt eher ein politisches Diskussionsforum der katholischen Studentenschaft Freiburgs allgemein war als eine Vereinigung, die die Ziele des Zentrums auf der Hochschule unmittelbar vertrat. Dagegen erklärt die Satzung des SS 1920, die Gruppe wolle „einerseits die Studierenden . . . theoretisch und praktisch ins politische Leben einfüh121 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

ren, sie insbesondere mit den Zielen und der Arbeitsweise der deutschen Zentrumspartei bekanntmachen, andererseits an einer gedeihlichen Entwicklung der Partei mitarbeiten“19. Die Gruppe bezeichnete es als „grundfalsch, wenn Studenten es für unvereinbar mit ihrer geistigen Freiheit und Vorurteilslosigkeit halten, sich mit der Politik einer bestimmten Partei zu beschäftigen“20. Welchen Zweck diese „Beschäftigung“ im einzelnen verfolgen sollte, blieb unausgesprochen, doch konnte darauf hingewiesen werden, daß das Interesse des Zentrums an seinen studentischen Gruppen21 diesen eine größere praktische Wirksamkeit versprach und durch die Beteiligung des Akademikers am „politischen Getriebe“ der „geistigen Bildung im Volksganzen die ihr gebührende Stelle“ wieder erobert werden könne. „ Selbst verständliche Dinge wie die deutsche Treue“ brauchte man als Anhänger einer Partei nicht zu betonen, die „mehr echte nationale Gesinnung“ gezeigt habe als die Rechte mit ihrer „rein negativen Oppositionspolitik“22. Ihre Rolle als politischer Orientierungspunkt der katholischen Studentensdiaft mußte die Zentrumsgruppe in dem Maß einbüßen, wie sich ein Teil der katholischen Korporationen dem HDA näherte und mit dem „Hochschulverband katholischer Studierender“ sich eine Vereinigung anbot, die aus dem Parteipolitischen ins Nationale und Weltanschauliche auszuweichen gestattete. Zwar bestand die Zentrumsgruppe bis ins Jahr 1933 fort und bildete sie die politische Basis für den „linken“ Flügel der katholischen Fraktion im AStA. Daß sie zwei Semester lang als „Arbeitsgemeinschaft für politische Ehtik“ auftrat, ließ aber erkennen, daß auch sie die parteipolitische Bindung abschwächen wollte zugunsten einer stärkeren Betonung des „weltanschaulichen“ Moments. Wie bereits erwähnt, entstand im Juni 1922 ein Kartell der verschiedenen republikanischen Studentengruppen zur Abwehr der reaktionären Bestrebungen in der Studentenschaft. Unmittelbarer Anlaß war die Ermordung Walther Rathenaus. Einen Tag danach, am 25. Juni 1922 fand in Freiburg ein Regimentstag statt, gegen den sich der Protest der sozialistischen Parteien richtete. Auf Korporationshäusern gehißte schwarz-weiß-rote Fahnen wurden von Demonstranten heruntergeholt, die auch zeitweilig die geschlossene Universität besetzten. Während der Rektor und Historiker Rachfahl in seinem Jahresbericht erklärte, die Universität hoffe, „daß diese Vorgänge, unerhört, wie sie in der Geschichte unserer Alma Mater sind, niemals eine Nachahmung in der Folgezeit finden werden“, forderte die Sozialistische Studentengruppe ihrerseits „die Einstellung der nationalistischen Verhetzung vor allem in der historischen Fakultät“; allgemein protestierte sie gegen „ein antisemitisches und reaktionäres Treiben, das die Universität zum Rekrutendepot... aller arbeiterfeindlichen Verbände macht“23. Aus diesem Klima heraus wurde einen Tag nach der Beisetzung Rathenaus der „Deutsche Republikanische Studentenbund“ Freiburg gegründet, der erstmals in der öffentlichen Trauerkundgebung für Rathenau in Erscheinung trat24. Er erstrebte die Zusammenfassung aller Studenten, die „die Weimarer Verfassung nicht nur als Grundlage für die gegenwärtige Politik anerkennen, sondern auch aufrichtig ihrem sozialen und demokratischen Gedanken 122 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

zustimmen“25. Bei dem kleinen Potential ausdrücklicher Anhänger der Republik in der Studentenschaft bedeutete das faktisch, daß der Republikanische Studentenbund, der mit Unterbrechungen und unter wechselnden Namen (Republikanische Studentenschaft, Republikanische Freistudentenschaft, Republikanische Studentengruppe im Deutschen Studentenverband) bis 1933 existierte, eine „Dachorganisation für die“ verschiedenen staatstreuen Gruppen“ wurde2“. Im AStA vereinte er bis ins Jahr 1929 unter der Bezeichnung „Freie Hochschulgruppe“ Vertreter der Demokratischen und sozialistischen Studentengruppe, aber auch einer Reihe jüdischer Vereinigungen, so der KC-Verbindung Ghibellinia/Neo-Friburgia, der „paritätischen“ Verbindung Guestphalia, der „Freien Wissenschaftlichen Vereinigung“ und der „Deutsch-jüdischen Studentengruppe im Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“. Wenn viele jüdische Studenten sich der Demokratischen und der Sozialistischen Studentengruppe anschlossen und dort wie auch in der 1930 gegründeten kommunistischen „Roten Studentengruppe“ bisweilen sogar die Mehrheit der Mitglieder bildeten, wenn schließlich jüdische Vereinigungen korporativ den Republikanischen Studentenbund tragen halfen, dann dokumentierte das zunächst einmal, daß Juden und Gegner einer autoritär-nationalistischen Ideologie an der Hochschule in die gleiche Außenseiterrolle gedrängt waren. Darüber hinaus hatte für die jüdischen Studenten der Eintritt in diese Gruppen die tiefere Bedeutung einer Identifikation mit Ideen und politischen Kräften, von denen sie sich Befreiung aus ihrer Sonderstellung versprechen konnten. Die Parteinahme für den Sozialismus implizierte dabei die Perspektive einer Emanzipation der Gesellschaft überhaupt von Traditionen der Herrschaft, Ausbeutung und Entrechtung. Die Weggenossenschaft mit dem Proletariat schien eine Integrationschance zu bieten, die sich im bürgerlichen Nationalstaat geschichtlich nicht dauerhaft verwirklicht hatte; jüdischen Studenten bürgerlicher Herkunft bot die sozialistische Theorie auch Kriterien, die ihnen ihr persönliches Schicksal im Rahmen der allgemeinen politischen und sozialen Entwicklung zu beurteilen erlaubte. Demgegenüber brauchte die Verteidigung der Republik gegen ihre „völkischen“ Verächter, die jüdische Studenten zum Eintritt in die Demokratische Studentengruppe veranlaßte, nicht in gleicher Stärke dem Entwurf sozialer und demokratischer Selbstbestimmung in der Weimarer Verfassung als ihrer Garantie liberalrechtsstaatlicher Gleichberechtigung zu gelten. Daraus ergab sich eine gewisse Gefahr der Formalisierung des Demokratieverständnisses und seiner Öffnung für autoritäre Momente, der das liberaldemokratische Bürgertum generell ausgesetzt war. Die oft wenig glaubwürdige und zudem politisch fragwürdige Lobpreisung der nationalen „Errungenschaften“ der Republik“ wechselte ab mit der Resignation vor dem „politischen Chiliasmus“ von rechts und links, dem, wie man doch fühlte, das pragmatische Bewußtsein, daß „keiner von uns in der Lage (ist), bessere Rezepte zu verordnen als die Führer unserer Parteien“, nicht gewachsen war28. Wohl übten Anhänger der Republik bisweilen Kritik an der Bürokratisierung der Parteien und der Politik überhaupt, doch richtete sie sich 123 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

meist vage gegen die „Entseelung“ des öffentlichen Lebens und forderte seine „organische“ Erneuerung durch die geplante Reichsreform, die die im Grunde vorausgesetzte Einheit der Deutschen offenbaren und der „Persönlichkeit“ neue Chancen politischer Führung schaffen sollte29. Vorwiegend unter dem Gesichtspunkt einer „organischen Führerauslese“ waren daher auch die Vorschläge republikanischer Studenten zur Hochschul- und Studienreform entwickelt. Zwar liegt dazu aus Freiburg abgesehen von allgemeinsten Hinweisen in Wahlaufrufen kein Material vor, doch lassen sich die Grundzüge erkennen30. Zunächst sollte durch eine soziale Stipendienpolitik der Anteil benachteiligter Volksschichten am Studium und an akademischen Laufbahnen erhöht werden — eine Forderung, die bei Gelegenheit von allen AStAFraktionen erhoben wurde, auf der Rechten meist mit der bezeichnenden, den Vorsatz faktisch aufhebenden Einschränkung, daß dadurch das „akademische Proletariat“ nicht vermehrt werden dürfe. Die republikanischen Studenten hatten diesem Einwand insofern wenig Prinzipielles entgegenzusetzen, weil sie selbst nicht die strukturellen Ursachen der einseitigen Rekrutierung der Studentenschaft zum Ausgangspunkt ihrer Erörterung machten, sondern den Wunsch, individuelle Begabungen aus dem vermeintlich ursprünglichen „Volk“ dem Staatsganzen nutzbar zu machen. Auch hier blieb, wie schon beim Studentenwerk festzustellen war, der Begabungsbegriff an Kriterien gebunden, wie sie die traditionelle „Persönlichkeit“ beinhaltete. Ganz entsprechend sollte auch durch eine geeignete Reform des Studiums, durch Kontrolle und Auslese, das humanistische Ideal wieder gegenüber dem bloßen „Brotstudium“ gekräftigt und so der „akademische Mensch“ zu neuer Entfaltung gebracht werden. Beide Maßnahmen — Begabungsförderung und Studienreform — sollten, verbunden mit der Fachschafts- und Fürsorgearbeit der Studentenschaft, dem Akademiker seine „Verantwortung gegenüber dem Volksganzen“ als der Grundlage seiner berechtigten und notwendigen Führerschaft ins Bewußtsein zurückrufen. Dieses Programm, das ein wohl fragwürdiges, aber immerhin bewußtes Verhältnis zum Studium erkennen ließ, setzten die Republikanischen Studenten dem „die wahrhaft nationale Aufbauarbeit verneinenden Radikalismus“ vor allern der Rechten entgegen31. Da sie jedoch über keine politische und hochschulpolitische Strategie zu seiner Durchsetzung verfügten, ja nicht einmal des Problems ansichtig wurden, daß nur eine solche Strategie ihre Rhetorik konkretisieren und Studenten zum Engagement veranlassen konnte, standen sie diesem Radikalismus einigermaßen hilflos gegenüber. In der Defensive wurden sie erst recht, was ihr Konzept in sich schon nahelegte: Verfechter einer grundsätzlichen „Entpolitisierung“ der Universität, Verteidiger der „Sachlichkeit“, überkommener Wissenschaftlichkeit und akademischen Anstands32. Eine Rolle, welche die angeblich unpolitische Hochschule seit je als ihren Part in der Opposition gegen die Republik und zur Abwehr einer möglichen Demokratisierung gespielt hatte, wurde hier paradoxerweise in der Erwartung übernommen, damit ließe sich den Konsequenzen, die auch aus jener Taktik resultierten, entgegenwirken. Das Potential, das in einer so gearteten Defensive gegen den prinzipiellen und gewalt124 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

tätigen faschistischen Irrationalismus beschlossen lag, war in der gegebenen Situation zweifellos nicht einfach „unpolitisch“, aber als politisches mindestens ambivalent. Denn einerseits suchte es dem Faschismus in der Universität Grenzen zu setzen, andererseits half es den Zusammenhang gesellschaftlicher Phänomene und Entwicklungen verschleiern, der den Faschismus ermöglichte und seine Abwehr im Wirkungsbereich bloß einer gesellschaftlichen Institution (hier der Hochschule) erschwerte oder unmöglich machte. Dies jedenfalls mußte die objektive Konsequenz jeder nur konservierenden, destruktiven Tendenzen perspektivenlos begegnenden Entpolitisierung sein. Die Sozialistische Studentengruppe hatte innerhalb des Republikanischen Studentenbundes den Prozeß der Entpolitisierung über Jahre hinweg mitvollzogen oder ihm wenigstens nicht merklich entgegengewirkt. Sie sah sich besonders seit dem WS 1930/31, als in Freiburg eine „Rote Studentengruppe“ gegründet wurde, der Kritik und Konkurrenz von links ausgesetzt und trat unter der Einwirkung von Mitgliedern, die der SAPD nahestanden, aus der Republikanischen Studentenschaft Freiburgs und dem Deutschen Studentenverband (DStV), der wenig erfolgreichen Gegengründung republikanischer Studenten zur DSt, aus33.Deutlicher als bisher wollte sie herausstellen, daß „nicht die bürgerliche Klassengemeinschaft“, sondern die „Herbeiführung der klassenlosen sozialen Gesellschaft, der wahren Volksgemeinschaft“ ihr Ziel sei. Ihre spezifische Aufgabe an der Hochschule sah sie darin, das „bürgerliche Bildungsmonopol“ zu brechen, d. h. erstens der Studentenschaft mit der marxistischen Theorie eine „Grundlage der wissenschaftlichen Erfassung des sozialen Lebens“ zu vermitteln und zweitens eine soziale Umschichtung der Studentenschaft zugunsten der bisher vom Studium so gut wie ausgeschlossenen Klassen voranzutreiben34. Die Realisierungschance dieses reformistischen Programms und sein Stellenwert im Rahmen einer grundsätzlich festgehaltenen Perspektive der „Umwälzung der kapitalistischen Weltordnung“ blieb zu unentschieden, als daß die sozialistischen Studenten im AStA und in der öffentlichen Agitation mit der Roten Studentengruppe hätten Schritt halten können35. Dabei sahen gerade Studenten vom linken Flügel der SPD, bei aller Kritik an der eigenen Partei, sehr wohl das sektiererisch Abenteuerliche und zugleich Dogmatische am Kurs der KPD, den die kommunistischen Studenten, diszipliniert durch einen autoritär organisierten Reichsverband, ohne Zögern an der Hochschule vertraten39. Das Bild der KPD von der Sowjetunion als dem Land des verwirklichten Sozialismus übernahmen diese ebenso unkritisch wie den Begriff vom „Sozialfaschismus“ der SPD (und der Sozialistischen Studentengruppe); aus solcher Einschätzung der Lage glaubten sie, Koalitionen mit anderen Studentengruppen gegen den Faschismus nur als taktisches Mittel zu deren Zersetzung, als Stufe zur Herbeiführung der „revolutionären Situation“ eingehen zu können. Gerade die vergleichsweise ruhige Freiburger Situation erlaubte ein solches Denken in Freund-Feind-Kategorien, da hier korrigierende Erfahrungen, die an anderen Hochschulen zur Zusammenarbeit der sozialistischen und kommunistischen Studentengruppen geführt hatten, sich nicht eindringlich genug aufdrängen konnten. 125 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Trotz ihres historischen Determinismus37, der sie nicht weniger als ihre Abhängigkeit von der KPD dazu verleitete, den revolutionären Umschlag als gleich hinter der nächsten Ecke wartend vorzustellen, ist in einzelnen Punkten ein Rationalitätsvorsprung der kommunistischen Studenten, der in Problemstellung wie Diktion ihrer Beiträge zur FSZ zutage trat, als ein Erbteil marxistischer Theorie nicht zu verkennen. Anders als die demokratischen Studenten und zum guten Teil auch die Sozialisten antworteten sie auf die „Politisierung“ der Hochschule durch die Nationalsozialisten nicht mit der bloßen Verteidigung einer Institution, deren Verhältnis zur gesellschaftlichen Praxis ihre Studenten für den Faschismus disponierte. Die AStA-Politik, wie sie sich nach 1930 entwickelte, war ihnen immerhin ein Beweis dafür, „wie sehr heute studentische Interessen Fragen der gesellschaftlichen Reform, ja eines radikalen gesellschaftlichen Neubaus geworden sind“. Als Ergebnis dieses Prozesses erwarteten sie sich die Überwindung des Widerspruchs zwischen Wissenschaft und Politik, „gesellschaftlichem und beruflichem Interesse“, „wissenschaftlich-theoretischer und praktischer Arbeit“38. Die Vorstellung der kommunistischen Studenten von der neuen Gesellschaft, der sie sich verpflichtet fühlten, war allerdings geprägt von deren simplifizierender Auslegung als einer „klar überschaubaren gesellschaftlichen Ordnung“ und als der bloßen Beseitigung der „Uneinheitlichkeit“ gesellschaftlicher Zustände39. So richtig es war, in der Produktionsanarchie der hodikapitalistischen Gesellschaft die Ursache dafür zu sehen, daß wissenschaftliche Planung und Technologie an optimaler Entfaltung gehindert waren — die erfolgreiche technische Verfügung über den Prozeß der gesellschaftlichen Reproduktion beinhaltete nicht notwendig die Realisierung einer emanzipierten Gesellschaft und ihre durchgängige Bestimmtheit durch eine demokratische Willensbildung. Das von den kommunistischen Studenten anvisierte, in den vorliegenden Quellen freilich nicht näher erläuterte Rätesystem hätte jedenfalls anderes meinen müssen als die in der Sowjetunion davon stehengebliebenen Fassaden, wenn es solchen Bedürfnissen hätte Rechnung tragen sollen. Es wäre zu veranschlagen gewesen die Gefahr der Desintegration ebenso wie der totalitären Manipulation gesellschaftlicher Interessen, der Zusammenhang ebenso wie die Komplexität und Widersprüchlichkeit gesellschaftlicher Organisation, die im Sozialismus geschichtlich zu bewältigen bleiben. Ob parlamentarische Institutionen, damals wie heute nicht ohne Grund skeptisch beurteilt, bei der Erfüllung solcher Aufgaben entbehrlich sind, bleibt zumindest fraglich — vorausgesetzt, das Verhältnis von Ökonomie und Politik erlaubt ihnen Entscheidungen, die nicht nur „dilatorische Formelkompromisse“ (C. Schmitt) oder Ausfluß von „Vermeidungsstrategien“ (C. Offe) sind, sondern wirkliche Schritte zu materieller Freiheit und Gleichheit aller.

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IV. Der Allgemeine Studentenausschuß: Studentenvertretung zwischen Hochschule und Politik 1. Tradition und Relevanz der studentischen Reformbewegung Auf den ersten Blick muß das Jahr 1919 als ein markanter Einschnitt in der Geschichte der deutschen Hochschule erscheinen: es brachte die Einrichtung Allgemeiner Studentenausschüsse, deren Mitglieder ihr Mandat nicht mehr, wie in den an einigen Hochschulen bereits früher bestehenden studentischen Gesamtausschüssen, einer Delegation durch partikulare studentische Gruppen, sondern einer Wahl durch die Studentenschaft verdankten. Die nach und nach erfolgende, mehr oder minder formelle und rechtlich verbindliche Anerkennung dieser Ausschüsse durch die akademischen und staatlichen Behörden sowie ihr Zusammenschluß in einer Deutschen Studentenschaft vollendete die ein Jahrhundert alten Bemühungen um die Bildung einer studentischen „Allgemeinheit“ und einer legitimierten Repräsentation studentischer Interessen gegenüber Hochschule und Staat1. Konnte die traditionelle Struktur und Selbstinterpretation der deutschen Hochschulen von diesem Vorgang unberührt bleiben? Lag nicht der korporative Zusammenschluß der Studentenschaft und die Artikulation ihrer Interessen und Bedürfnisse auf der Linie einer Entwicklung, die die Alleinverfügung der Ordinarien in den Instituten, Fakultäten und Senaten beenden und den eingetretenen Veränderungen im Personalaufbau, in der Organisation von Forschung und Lehre und der sozialen Funktion der Hochschule Rechnung tragen mußte2? Wie anders als durch eine effektive Mitwirkung der Studentenschaft gerade auch an den zentralen Aufgaben der Hochschule sollten Begriffe wie „Bildung“ und „akademische Freiheit“ ihren ursprünglich intendierten emanzipativen Sinn bewahren oder wiedergewinnen: das Individuum von unreflektierten sozialen Zwängen möglichst umfassend zu befreien und kreatives Denken optimal mit gesellschaftlicher Praxis zu vermitteln? Gehörte nicht überdies die Proklamation studentischer Eigen- und Mitbestimmung prinzipiell in die Reihe jener Bestrebungen zu einer „Fundamentaldemokratisierung“ der Gesellschaft und ihrer Institutionen, die, vor dem Krieg angelegt, in der revolutionären Situation von 1918/19 repräsentative Geltung zu erlangen schienen? Bestanden die hier angedeuteten Zusammenhänge, so zeigte sich doch rasch, daß sie, da von den Beteiligten zumal an den Hochschulen kaum konsequent begriffen, nicht zur Reife gedeihen konnten. Die Chance, tiefergreifende Ver-

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änderungen in der organisatorischen und personellen Struktur sowie dem gesellschaftlichen Bezugspunkt der Hochschulen vorzunehmen, ging, wie auf so vielen anderen Gebieten, ungenutzt vorüber. Den politischen Eliten der Republik, größtenteils nur widerwillige Erben der Revolution, fehlten in der Regel sowohl längerfristige Konzepte, denen solche Veränderungen hätten folgen können, als auch der ernstliche Wille, den massiven Widerstand der Ordinarien als den traditionell legitimierten Sprechern der Hochschulen gegen selbst geringfügige Reformen zu überwinden. Die in den ersten Jahren der Republik dennoch und vor allem in Preußen unternommenen Anläufe zu einer Reform, die sich auf eine Vereinheitlichung des Lehrkörpers, eine erweiterte Mitwirkung der Privatdozenten, Assistenten und Studenten, auf eine Revision der Bildungsinhalte und ihrer Vermittlung beziehen sollte, blieben — zum Teil auch aus querläufigen politischen und finanziellen Gründen — in allem Wesentlichen stecken. Die in sich widersprüchlichen Vorstellungen des preußischen Staatssekretärs und späteren Kultusministers Carl Heinrich Becker gelangten auf dem Gebiet des Schulwesens daher eher zur Durchsetzung als an den Universitäten, die Becker ohnehin für „im Kern gesund“ hielt3. Wären auch die Leiter der staatlichen Hochschulpolitik weniger vom Professorenprestige beeindruckt und zu energischeren Eingriffen bereit gewesen — ihnen hätte doch an den Hochschulen eine ausreichende Zahl kooperationswilliger und -fähiger Partner gefehlt. Denn anders, als es bei der Studenten- und Hochschullehrerbewegung des Jahres 1848/49 der Fall gewesen war, trat nach 1918 trotz mancher Klagen keine wirklich durchgreifende Initiative der an den Hochschulen „Unterprivilegierten“ in Erscheinung4. Als die Ablehnung der Republik durch die weit überwiegende Mehrheit der Studentenschaft klar zutage lag — und diese Einstellung schien sich besonders nach dem Versailler Frieden zu festigen —, kam es sogar zu einer Verkehrung der in der Situation potentiell angelegten Fronten. Den politischen Instanzen mußte die Erweiterung der Selbstverwaltung der Hochschulen und eine effektive Beteiligung der Studentenschaft an ihr solange ein Risiko bedeuten, als beide, Professoren und Studenten, die Gewährung neuer Rechte zu einer weiteren Distanzierung vom bestehenden Staat gebrauchen konnten5. Die Zentrierung der Entscheidungsgewalt in den Hochschulen bei den beamtenrechtlich verantwortlichen Ordinarien (bzw. Institutsdirektoren) erschien als sicherere Garantie systemkonformen Verhaltens der Hochschule als eine relevante Mitbestimmung der Nichtordinarien und Studentenschaft in wichtigen Fragen des Hochschulbetriebs. Diese Strategie honorierte die Hochschullehrerschaft auf längere Sicht durch eine wenigstens äußerliche Anpassung an die Republik, d. h. durch die Zuwendung der herkömmlichen akademischen Staatsloyalität auch an die Träger der republikanischen Staatsmacht6. Andererseits war ihr, wenigstens in den ersten Jahren der Republik, die Existenz studentischer Ausschüsse und die Zuweisung bestimmter zweit- bis drittrangiger Funktionen der Hochschulverwaltung (der sog. „studentischen Angelegenheiten“) an diese Ausschüsse gar nicht unwillkommen als ein Mittel, den doch nicht ganz unangefochtenen Auto128 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

nomieanspruch der Hochschulen durch den Hinweis auf ihren körperschaftlichen Status (an dem nunmehr auch das zahlenmäßig stärkste Element formal beteiligt war) gegenüber Staat und Gesellschaft zu verteidigen. Wie sehr man auch prinzipiell am „aristokratischen“ Charakter der Hochschule festhielt — das gewährte Maß studentischer Selbstverwaltung sollte den Beweis dafür darstellen, daß die Hochschule trotz der Abwehr von Eingriffen eines nicht mehr — wie vermeintlich noch das Kaiserreich — „neutralen“ Staates dem demokratischen Geist der Zeit die notwendigen Konzessionen gemacht hatte7. Realiter war die studentische Selbstverwaltung jedoch weitgehend funktionslos. Das gilt, wenn man sie an der staatsbürgerlichen Idee der im Vorgang der Mitentscheidung antizipierten Mitverantwortung bemißt oder an den Erfordernissen einer „Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden“ und wissenschaftlichenÖffentichkeit, die nicht nur auf emotionalen Beziehungen, sondern auf der Komplementarität von Lehr- und Lernfreiheit basieren. Zumal nach der Ausgliederung der organisationsbedürftigen sozialen Interessen der Studenten in die Studentenwerke verschwand der letzte Rest autonomer Organisation studentischer Bedürfnisse. Nur den Schein davon wahrte die in den verschiedenen Ländern unterschiedlich geregelte Mitwirkung studentischer Vertreter im Senat (nur in Bayern und Sachsen), in den Disziplinargerichten, in den Stipendien-, Gebührerlaß-, Krankenkassen- und Lesehallenkommissionen, in der Wirtschaftshilfe und den Hochschulinstituten für Leibesübung. Die Vorstellungen der großen Mehrheit der Studentenschaft gingen über Mitwirkungsrechte dieser Art allerdings kaum hinaus; die noch 1918 in einem vielbeachteten Buch vertretene Auffassung, daß künftig „grundsätzlich das Selbstverwaltungsrecht des Studenten vor keiner Hochschulangelegenheit haltmachen“ dürfe, wurde später allenfalls noch von sozialistischen Studenten propagiert8. Darin ist das Indiz eines wissenschaftlichen, sozialen und politischen Eigenverständnisses der Studenten zu sehen, das sich nicht allein als Ergebnis der politischen Nachkriegskonstellation begreifen läßt. Vielmehr setzte sich selbst unter den aufgeschlossensten und „demokratischsten“ der Begründer studentischer Selbstverwaltung nach 1918 die letztlich unpolitische, aufs Kulturelle und Individuelle zielende Tradition fort, die unter den Bedingungen der Periode zwischen 1890 und 1914 ihre „freistudentischen“ Vorgänger nicht weniger als die bürgerliche Frauen- und Jugendbewegung geprägt hatte. Die Aktivität des sogenannten Frei- oder Reformstudententums9 seit dem letzten Jahrzehnt des 19. Jhdts. war die Antwort auf den Struktur- und Funktionswandel der Hochschule, der seit der Reichsgründung eingesetzt hatte. Damals waren die machtpolitischen und sozialökonomischen Bedingungen für den betriebsförmigen Ausbau der Universitäten geschaffen, zugleich aber auch die spezifische politische und gesellschaftliche Form fixiert worden, in der die weitere Entwicklung von Lehre, Forschung und Verwaltung verlief. Die Studenten, deren Zahl rapide anwuchs, sahen sich zwei kaum miteinander vermittelten Studienzielen konfrontiert: der Teilnahme an einem intensivierten und spezialisierten Wissenschaftsbetrieb und der Ausrichtung auf ein vielfach bürokra129 9 Kreutzberger, Studenten und Politik

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tisch und wirtschaftlich fremdbestimmtes und nicht selten überaltertes berufsqualifizierendes Examen. Jedes dieser Studienziele mußte verfolgt werden im Rahmen einer dem einzelnen Studenten anonym begegnenden Anstaltsordnung, die auf einem Interessenkompromiß zwischen den Ordinarien und staatlichen Behörden gegründet war. Eine solche Situation war vor allem für die aus der nichtakademischen und nichtbesitzbürgerlichen Mittel- und Unterschicht stammenden Studenten schwer zu bewältigen10. Ihnen blieb die Mitgliedschaft in den feudalisierten Korporationen weitgehend verwehrt und damit neben der Gelegenheit zu erleichtertem persönlichem Kontakt auch die zur genaueren Kalkulation beruflicher Chancen (über die „Alten Herren“) und zur Einübung in die von Staat, Wirtschaft und Hochschulhierarchie gleichermaßen gewünschten Standards sozialen Verhaltens. Demgemäß war die Gründung freistudentischer Vereinigungen, die den fortgeschrittensten Typ „bürgerlichen“ Bewußtseins in der damaligen Studentenschaft repräsentierten, zunächst einmal polemisch gegen die Korporationen gerichtet, deren Erziehungsstil und karrierebewußter Habitus auf ihre Übereinstimmung mit den Zwecken wissenschaftlichen Studiums befragt wurden11. Der Bestreitung des Anspruchs der Korporationen, das Studententum der deutschen Universität angemessen und ausschließlich zu repräsentieren, lag das Ideal der Selbsterziehung durch Bildung und Wissenschaft und die Ablehnung einer Reproduktion der kastenmäßig gegliederten Gesellschaft auf dem Boden der Universität zugrunde. Gerade diejenigen, die ihr Studium in erster Linie der Tatsache verdankten, daß die Hochschule immer ausschließlicher Plattform des individuellen sozialen Aufstiegs wurde, waren die Kritiker einer „engherzigen Nützlichkeitsauffassung“, einer fachwissenschaftlichen Borniertheit, die in ihren Augen nicht geeignet war, den „Mangel einer großen gemeinsamen allumfassenden Lebensanschauung“ zu überwinden12. Jedoch erkannten die Freistudenten — eifrige Leser der Universitätsschriften vom Beginn des 19. Jhdts. — die erfahrungswissenschaftliche Aushöhlung des dort entwickelten philosophischkosmologischen Begriffs von Wissenschaft umso weniger, als sie — insofern Vorgänger der Befürworter einer „Humanistischen Fakultät“ oder eines „Studium Generale“13 — der Vorstellung einer „Allgemeinbildung“ im Sinne einer „synoptischen“ Dachorganisation der Kenntnisse huldigten. Das erstrebte Kulturideal sollte pädagogisch dadurch abgesichert sein, daß dem Studenten in neuen, der Jugendbewegung entlehnten Geselligkeitsformen eine „innere Gebundenheit“, eine feste „Lebensgesinnung“ vermittelt wurde14. So pragmatisch nützlich diese Bestrebungen, der Vereinzelung in der großbetrieblichen Universität entgegenzuwirken, auch waren; so sehr sie gerade den Bedürfnissen der seit der Jahrhundertwende die Hochschulen verstärkt besuchenden Studentinnen entgegenkamen — den „Ruf des Kämpfers und Befreiers im Leben der Universität“ rechtfertigten sie, wie Walter Benjamin sarkastisch bemerkte, nicht15. Gewiß, die Freistudenten initiierten manchen auch heute noch bemerkenswerten Ansatz einer Studienreform; sie erarbeiteten Denkschriften über einzelne Fakultäten, richteten wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaften ein 130 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

und gaben Anregungen zur Ergänzung des nerkömmlichen Studiums durch Einleitungs- und Übersichtskollegs, studienbegleitende Tutorien und anderes mehr. Doch waren das praktische Aushilfen im Rahmen der bestehenden Universität, die keinen Weg zur „Wiederherstellung der alten civitas academica“ wiesen, die der Weimarer Freistudententag von 1906 zum obersten Ziel der Bewegung erhob1“. Die Aufgliederung der Universitätsangehörigen in einen „Lehr-“ und einen „Lernkörper“ widersprach dem diskursiven Charakter des Humboldtschen Bildungs- und Universitätsideals und war nicht geeignet, eine andere als deklamatorische studentische Verantwortung für das Ganze des Universitäts- und Wissenschaftsbetriebs zu begründen. In der Abdichtung der freistudentischen Bildungskonzeption gegen die gesellschaftlichen Voraussetzungen und Folgen einer empirischen Wissenschaftspraxis und gegen die Modalitäten ihres Vollzugs in der sozialen Organisation Universität war die Beschränkung der studentischen Selbstverwaltung auf „studentische Angelegenheiten“, wie sie sich nach dem Krieg durchsetzte, bereits angelegt. Das kann für eine Zeit kein Vorwurf sein, in der Max Webers Resignation vor der Heraufkunft des „Fachmenschentums“ den fortgeschrittenen Stand der Analyse darstellte; gewiß war seine These der säkularen Bürokratisierung keine Anleitung für hochschulpolitisches Handeln der Freistudentenschaft in der hier angedeuteten Richtung17. Die Organisation der sozialen Interessen bedürftiger Studenten in Wohnungsämtern, Bücherbeschaffungs- und Arbeitsvermittlungsstellen und ähnlichen von der Freistudentenschaft geförderten Einrichtungen konnte, als sie noch nicht in mittelbare staatliche Regie genommen war, als Ausdruck eines genossenschaftlichen Bewußtseins gelten, das dennoch den prinzipiell individualistischen Begriff vom Studium nicht berührte. Die ideelle Begründung der studentischen „Selbsthilfe“ bedeutete — für die Zeit eine Selbstverständlichkeit — de facto die Einwilligung, daß das berufsbezogene Studium des Studenten eine von ihm ausschließlich zu verantwortende und zu tragende Angelegenheit sei. Die liberale Vorstellung von der „Eigenverantwortlichkeit“ des einzelnen gegenüber Staat und Gesellschaft blieb unangetastet, wiewohl doch die Nutzung seines Ausbildungspotentials für staatliche und gesellschaftliche Bedürfnisse außer Frage stand. Andererseits glaubten die Freistudenten ihren individuellen sozialen Aufstieg nur legitimieren zu können durch den Nachweis ihrer Verantwortlichkeit gegenüber dem „Volksganzen“, dokumentiert eben in der selbständigen Organisation ihrer sozialen Bedürfnisse und darüber hinaus in einem sozialen Engagement durch die Mitarbeit in Arbeiterunterrichtskursen, der Settlementsbewegung und einer Reihe anderer lebensreformerischer Bestrebungen18. Obwohl dieses Engagement ohne Konnex mit einem wissenschaftlichen Begriff der sozialen Funktion des Studiums entwickelt wurde, wurde es von freistudentischer Seite begründet mit der Aufgabe und Fähigkeit des Gebildeten, „dem Volke ein Führer in allen schweren Lebensfragen“ zu werden, ein „Führer zu lichterer Gestaltung des Daseins“1“. Die Qualifikation zum „Führer“, zur „Persönlichkeit“ sollte Frucht des akademischen Studiums sein; politische und soziale Antagonismen waren durch eine geeignete „staatsbürgerliche“ Bildung — 131 9*

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auf ihre Einführung in das Studium legten die Freistudenten großes Gewicht20 — zu vermitteln bzw. vor dem vage erstrebten „Kulturideal“ in die Sphäre des Uneigentlichen gerückt. Nach dieser Auffassung stellt Gleichheit sich her in dem Maß, wie der Student gelernt hat, „sich umzusehen in allen Schichten des Volkes“, „je mehr er sich dabei von allem Standes- und Bildungsdünkel befreit und als Mensch zu Menschen geht“21. Die individualistische kulturelle Überformung politischer und sozialer Tatbestände durch die Freistundentenschaft bedingte, daß ihr politisches Eigenverständnis in der Schwebe und ihre Stellungnahmen zu politisch brisanten Themen wie dem Antisemitismus der Studentenschaft, der Ausbreitung katholischer Verbindungen und politischer, d. h. vor allem sozialistischer Studentengruppen oder der pazifistischen Bewegung durchaus uneinheitlich blieben22. Zumal da ihre Ziele und Organisationsform in den Hochschulen leicht als „demokratisch“ empfunden und mißbilligt wurden und die meisten Studenten im Sinne des politischen Wahlrechts „unmündig“ waren, erschien es der Freistudentenschaft opportun, eine politisch neutrale und gemäßigt nationale Grundhaltung herauszukehren, um ihr hochschulpolitisches Ziel — die Errichtung einer studentischen Selbstverwaltung23 — nicht zu gefährden. Über solcher Anpassung und bei den anderen Schwächen der Freistudentenschaft, auf die hier hingewiesen wurde, ist doch nicht zu vergessen, daß sie unter den Bedingungen des Wilhelminischen Klassenstaats den Charakter einer Befreiungsbewegung hatte, deren utopisches Moment durch die von der geschichtlichen Situation diktierten objektiven Grenzen der Einsicht nicht erstickt wurde. Freilich kam auf längere Sicht alles darauf an, ob die von der Freistudentenschaft angestrebte Ablösung des akademischen Klassenprivilegs zugunsten eines wissenschaftlich und sozial verantwortungsfähigen Studententums rational geklärt und weiterentwickelt oder ob ihr „Kulturideal“ nationalistisch verengt und ihr Konzept des „akademischen Führertums“ und der „Volksgemeinschaft“ zur Waffe in den Händen der Gegner sozialer Emanzipation werden würde. Wenn nach der Revolution von 1918/19 selbst eine wohlwollende bürgerliche Interpretation das Besondere der Republik in der Symbiose des Geistes von „Potsdam und Weimar“ erblickte und damit subjektiv die Chance der sozialen Demokratie zugunsten eines „vergeistigteren“ Klassenstaats preisgegeben wurde, dann war wenig zweifelhaft, in welche Richtung die Entscheidung der studentischen Gegner dieser Republik fallen würde. Dennoch wäre es einseitig, wollte man den Gründern und Trägern studentischer Selbstverwaltung nach dem Krieg (den Erben der freistudentischen Vorarbeit) eine bewußte Klassenpolitik und bloßes Beharren auf „akademischer“ Abschließung unterstellen, zumal damit die durch die materielle Entwicklung der Gesellschaft — d. h. vor allem den Zerfall der objektiven Bedingungen ihrer „Bürgerlichkeit“ — auf die Orientierung der Studenten ausgeübten Einflüsse unterschätzt würden. Wirft man einen Blick voraus auf das Resultat studentischer Politik gegen Ende der Republik, so erscheint immerhin die Ambivalenz der studentischen Reformbewegung an ihrer Schwelle eine Voraussetzung für die große Wirkung, die der 132 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

NSDStB unter den nichtkorporierten Studenten wie in den Verbindungen ausüben konnte. Denn diese ist erklärlich nicht zuletzt durch die Weise, wie er beide im historischen Prozeß miteinander ringenden Tendenzen — die Stabilisierung des gesellschaftlichen Ungleichgewichts entweder in Richtung auf zunehmende Repression oder auf wachsende Emanzipation — motivationell und propagandistisch zu verbinden wußte. Auch die NSDAP zehrte ja im großen Maßstab von der Verketzerung der Weimarer Demokratie als sowohl „revolutionär“ (ein Werk der Gosse) wie reaktionär (ein Instrument plutokratischer und feudaler Ausbeuter) und konnte die Gegenrevolution folglich nur im revolutionären Gewand zum Sieg führen. Umgekehrt geschah die endliche „Politisierung“ der Studentenschaft durch den NSDStB nur um den Preis des Verschwindens aller jener Momente der Aufklärung und Selbstbestimmung in der Gedankenwelt der Freistudentenschaft und DSt-Gründer, deren ferne Ahnung vielleicht noch die Sehnsucht seiner Anhänger nach einer „volksverbundenen“ lebenspraktischen Wissenschaft, einer „wahren Volksgemeinschaft“ und einer avantgardistischen Rolle akademischer „Führer“ bei ihrer Verwirklichung bestimmte.

2. Die hochschulpolitische Stellung des Studentenausschusses a) Zur Vorgeschichte des AStA In Freiburg wurde der erste Studentenausschuß (auf Delegationsbasis) 1892 begründet, im gleichen Jahr wie eine Vereinigung der Freistudenten. Dem Ausschuß, der in erster Linie mit der Regelung von Prestigestreitigkeiten der verschiedenen Verbindungen befaßt war, saß der (Pro)Rektor der Universität vor; auch der akademische Disziplinarbeamte nahm an seinen Sitzungen bisweilen teil. Er verleugnete insofern nicht die Tradition der Überwachungs- und Disziplinierungsorgane aus der Zeit vor und nach 1848, wenn auch inzwischen jedes politisch-subversive Moment aus den studentischen Vereinigungen verschwunden war. 1894 schränkte das Kultusministerium die Teilnahme der akademischen Behörden an diesem Ausschuß ein und bewilligte erstmals die Erhebung eines Zwangsbeitrags in der Studentenschaft zur Erledigung der allerdings nirgendwo verbindlich fixierten Aufgaben des Ausschusses1. 1905 führte der Streit um die Gründung weiterer katholischer Verbindungen zur Spaltung dieses Ausschusses; bei Kriegsbeginn bestanden schließlich 5 Sonderausschüsse nebeneinander (katholische Verbindungen, übrige Verbindungen, Freistudentenschaft, Klinikerschaft, „jüdischer Ausschuß“). Neben diese Sonderausschüsse trat 1915 ein im wesentlichen auf der Fakultätseinteilung basierender „Kriegsarbeitsausschuß“, der die soziale Arbeit der Freistedentenschaft der Vorkriegszeit gleichsam „national umpolte“. Er beteiligte sich am „Akademischen Hilfsbund“ der Universität, dem „Vaterländischen Hilfsdienst“ der deutschen Studentenschaft und anderen Organisationen, welche die im Feld stehenden Studenten der Universität betreuten, Fürsorge und Kran133 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

kenpflege leisteten, Unterricht für Verwundete organisierten, einen kommunalen Arbeitsdienst einrichteten und nach 1917 auch zunehmend Studenten und Studentinnen zur Munitionsproduktion heranzogen2. Vertreter dieses Ausschusses nahmen im Januar 1918 an der Tagung deutscher Studentenausschüsse in Jena teil, auf der die Gründung eines Gesamtverbandes „Deutsche Studentenschaft“ nach dem Krieg beschlossen wurde; ihr Bericht deutete bereits Zweifel an, ob es gelingen werde, die studentische Politik der Nachkriegszeit von der Vertretung spezifischer Korporationsinteressen und -Standpunkte abzulösen3. Die Universität schien ihrerseits eine solche Tendenz zu fördern. 1917 griff der Rektor in seinem Weihnachtsbrief an die Freiburger Studenten einen Ascherischen Plan vom Jahr 1913 auf und schlug für die Zeit nach dem Krieg die Errichtung eines Gesamtausschusses aus 5 Vertretern der Korporationen und 1 Vertreter der Freistudentenschaft vor, dem die Repräsentation der Studentenschaft bei „akademischen und vaterländischen Anlässen“ obliegen sollte4. Demgegenüber trat der Kriegsarbeitsausschuß auf der Jenaer Tagung für eine paritätische Zusammensetzung der Studentenausschüsse aus Korporierten und Freistudenten ein. In dem für die Kriegsteilnehmer eingeschobenen Zwischensemester im Frühjahr 1919 ergab eine Urabstimmung unter der Studentenschaft (bei geringer Beteiligung der Freistudenten) eine Mehrheit von 60 % für einen im Verhältnis 14 : 8 zugunsten der Korporationen besetzten Ausschuß. Erst nach einer Anfechtung der Ergebnisse durch freistudentische Gruppen (Jugendbewegung, politische Gruppen, Fachschaften) und im Hinblick auf die allgemeine Tendenz an den übrigen deutschen Hochschulen einigte man sich schließlich auf die Preisgabe eines festen Schlüssels und die Besetzung des Ausschusses je nach dem Verhältnis der auf verschiedene Listen entfallenden Stimmen5. Die erste Wahl Anfang Juni 1919 ergab zwar mit einem Verhältnis von 16 : 14 zugunsten des Verbands Freiburger Korporationen ein für die Nichtkorporierten befriedigenderes Bild als frühere Vorschläge, doch zeigte sich bald, daß politische Loyalitäten stärkeres Gewicht besaßen als die herkömmliche Unterscheidung. Anders als nach dem 2. Weltkrieg bildeten Parolen gegen die Korporationen als solche kein zentrales Thema der AStA-Wahlen; auch vermochten sich die nichtkorporierten Studenten selbst — mit Ausnahme der katholischen — nur über die politischen Gruppen eine Vertretung im AStA zu sichern. b) Zur Struktur der Studentenvertretung Die Zahl der Sitze im Studentenausschuß schwankte zwischen 1919 und 1922 beträchtlich (zwischen 20 und 48) und betrug seit 1922 regelmäßig 25. Dem damaligen Sprachgebrauch nach ist unter „Studentenausschuß“ stets die Gesamtheit der in die „Kammer“ der Studentenschaft Gewählten zu verstehen. Der AStA-Vorstand, der in Freiburg zunächst aus 4, dann aus 7 und schließlich aus 8 Mitgliedern bestand, hatte ihr gegenüber nicht, wie in der Regel nach dem 2. Weltkrieg, die Selbständigkeit einer „Exekutive“. Er wurde ebenso wie die „Ämter“ der Studentenschaft und die vom Studentenausschuß zu besetzenden 134 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Sitze in verschiedenen Kommissionen der Universität und Wirtschaftshilfe üblicherweise im Verhältnis der Stärke der einzelnen AStA-Fraktionen besetzt — eine Praxis, die im SS 1931 auch in der Geschäftsordnung verankert wurde, nachdem die Vergewaltigung der demokratisch-sozialistischen Minderheit im Heidelberger Studentenausschuß den badischen Landtag zu einer entsprechenden Aufforderung an das Kultusministerium veranlaßt hatte6. Es wurde auch darauf geachtet, daß nicht dieselbe Gruppe durch mehrere Semester hindurch die gleiche Position innehatte. Das galt selbst für die Position des ersten AStAVorsitzenden und zwar in dem Maße, wie die katholische Fraktion und der HDA (später Großdeutsche Studentengemeinschaft bzw. Nationale Studentenschaft) harmonierten, d. h. wesentlich bis zum Auftreten des NSDStB im AStA. Die politisch interessanteren Positionen (Presseamt, Amt für politische Bildung, Grenzlandamt, Redaktionsausschuß der FS2) wurden seit 1930 zwar nicht ganz ohne Rücksicht auf die politische Einstellung der Kandidaten und die Mehrheitsverhältnisse im AStA besetzt, doch kam es nur selten zu ernsthaften Kontroversen über die Tätigkeit eines solchen Amts oder zu personellen Umbesetzungen7. Die personelle Kontinuität im AStA war erstaunlich groß; das gilt besonders in der Zeit nach 1925 für den AStA-Vorstand und die führenden Mitglieder der katholischen Fraktion. Diese stammten vielfach aus Baden, begannen ihr Studium in Freiburg und machten hier ihr Examen, so daß ihr Einfluß auf die AStA-Politik schon aus diesem Grund größer war als derjenige der meist jüngeren, vorwiegend aus Norddeutschland stammenden Angehörigen schlagender Korporationen oder politischer Studentengruppen. Der eher vorsichtige, gemäßigt konservative Grundzug der Freiburger Studentenschaftspolitik ist u. a. mit dieser Tatsache zu erklären. Gliedert man die AStA-Mitglieder nach der Fakultätszugehörigkeit auf, so ist das starke Vorherrschen der Jurastudenten, und das wieder besonders im Vorstand, unverkennbar. Auch die Medizinstudenten waren überrepräsentiert (besonders in der Fraktion der nichtkonfessionellen Korporationen), während Theologiestudenten begreiflicherweise in der katholischen Fraktion besonders hervortraten, wo auch Studenten aus der philosophischen Fakultät relativ am stärksten vertreten waren. In den politischen Studentengruppen von rechts bis links war das Verhältnis der Fakultäten im ganzen ausgeglichener. Bis zu welchem Grad „idealistische“ Motive der Selbstverwaltung und (hochschul)politische Interessen die Vertreter der verschiedenen Gruppen im AStA leiteten, kann kaum exakt bestimmt werden; es steht aber zu vermuten, daß die Mehrzahl der AStA-Mitglieder entweder von ihren Verbindungen aus Prestigegründen in den Ausschuß „abkommandiert“ wurden oder diesen als Mittel zum Zweck, d. h. als Schule parlamentarischer und verwalterischer Fähigkeiten, betrachteten8. Es überrascht nach dem im Teil II Gesagten wenig, wenn festzustellen ist, daß die Studentinnen, deren Anteil an der Studentenschaft von einem Zehntel (1919) auf ein knappes Fünftel (1928) und schließlich auf rund ein Viertel (1932) stieg, im AStA dennoch stark unterrepräsentiert waren. Die demokrati135 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

sehen und sozialistischen Gruppen wurden eher durch Studentinnen vertreten als die katholische Fraktion. Auf den Kandidatenlisten der rechtsstehenden Studentenschaft tauchten Studentinnen außer in den ersten Semestern nach Einrichtung des AStA, als die Kriegsteilnehmer ihr Studium möglichst rasch abschließen wollten, überhaupt nicht auf. Bei den männerbiindlerischen Korporationen ergab sich diese Tatsache von selbst; mit dem NSDStB teilten sie aber ein ausgeprägtes Frauenstereotyp, das die Arbeit im AStA auch für Studentinnen anderer Gruppenzugehörigkeit wenig anziehend machen mußte. Im WS 1932/33, als bis auf zwei Stimmen der Roten Studentengruppe der NSDStB und die Nationale Studentenschaft den AStA allein beherrschten, gab es keine Frau unter den AStA-Mitgliedern. Zweifellos trugen zur geringen Repräsentation der Studentinnen im AStA auch ihre — verglichen mit den Studenten — stärkere Fluktuationsrate zwischen Sommer- und Wintersemester und ihre durchschnittlich niedrigere Semesterzahl bei. Die Organisationsdichte einer studentischen Gruppe bestimmte die Chance ihrer Repräsentation im AStA nicht unwesentlich. In erster Linie konnten die Korporationen mit dem soliden Wählerreservoir ihrer Mitglieder rechnen, das durch nichtorganisierte „Zuläufer“ ergänzt wurde. Der NSDStB verfügte zwar nur über einen geringen organisierten Mitglieder- und Wählerstamm, jedoch verhalf ihm seine interne Struktur (weniger der unerhebliche Rückhalt in der Reichsorganisation des NSDStB und der NSDAP) zu einer erhöhten „Schlagkraft“ in den Wahlkämpfen zum Studentenausschuß. Demgegenüber war ζ. Β. die Freie Hochschulgruppe, ein Konglomerat aus jüdischen Korporationsstudenten und Vertretern demokratischer und sozialistischer Gruppen, nicht nur durch die vorentschiedene mehrheitliche Rechtsorientierung der Studentenschaft benachteiligt, sondern auch durch die geringe Kontinuität und Homogenität der sie bildenden Gruppen und durch ihre Abhängigkeit von der Resonanz unter den nichtorganisierten Studenten. Nicht zuletzt Vertreter dieser Fraktion klagten deshalb auch immer wieder über die geringe Beteiligung der nichtorganisierten Studenten an den AStAWahlen, ihre mangelnde Bereitschaft, sich selbst an der AStA-Arbeit zu beteiligen und sich für ihre Ergebnisse zu interessieren9. Die Beteiligung an den AStA-Wahlen war nach heutigen Begriffen zwar sehr gut — sie sank nur dreimal unter 50 %, lag seit 1927 um 70 % und bei den Wahlen von 1930 und 1931 beträchtlich darüber —, doch war das teilweise Abglanz eines „staatsbürgerlichen Pflichtbewußtseins“ bzw. Ergebnis politischer Stimuli, die zur Hochschulpolitik nur in einem äußerst mittelbaren Verhältnis standen. Das geringe Engagement in spezifisch hochschulpolitischen Fragen zeigte sich u. a. darin, daß von drei zwischen 1920 und 1932 einberufenen Vollversammlungen der Studentenschaft (WS 1921/22, WS 1930/31 und WS 1932/33) nur die erste, die ein „nationales“ Thema (Fall Kantorowicz) zum Gegenstand hatte, beschlußfähig war. Im AStA selbst kam es, soweit die seit 1926 geführten Protokolle darüber Aufschluß geben, niemals zu einer Analyse dieses Desinteresses. Es beruhte wohl 136 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

weniger, wie ein Angehöriger der katholischen Fraktion in der Studentenzeitung schrieb10, auf der Furcht vieler Studenten vor der Überlagerung der „sachlichen Arbeit“ des Ausschusses durch politische Interessen (dagegen spricht die Entwicklung der Wahlbeteiligung gerade seit der „Politisierung“ des AStA); eher darauf, daß die durch solche Arbeit erstrebte „bestmögliche Vertretung der Studentenschaft“ hochschulpolitisch gegen den Patriarchalismus der Universitätsverwaltung nicht zur Geltung gebracht wurde und sich in pragmatischer Geschäftigkeit erschöpfte. Wenn das Bewußtsein der AStA-Angehörigen wie der Studentenschaft allgemein über eine vage Selbstverwaltungsideologie nicht hinausgelangte11 und sich die verfolgbare Tätigkeit des AStA mehr und mehr auf interne taktische Geplänkel und politischen Resolutionismus beschränkte, dann war das allenfalls zum Teil dem Abtreten der älteren, „im Krieg gereiften“ Studentengeneration zuzuschreiben. Neben der Art und Weise, wie die Studentenschaft ihre gesellschaftliche und politische Rolle verstand, waren es vor allem die strukturellen Bedingungen in der Hochschule (einschließlich der vom Staat gesetzten rechtlichen Schranken studentischer Selbstverwaltung), die dieses Ergebnis hervorbrachten. c) Die Stellung des Studentenausschusses an der Hochschule Unmittelbar nach der Einrichtung des Studentenausschusses im Jahr 1919 begann die Arbeit an einer Satzung, die die hochschulrechtliche und -politische Stellung der Studentenvertretung regeln sollte. Man verfuhr dabei nicht ohne Rücksicht auf die DSt, die in internen Auseinandersetzungen über den Kreis der von ihr zu vertretenden Studenten und in Verhandlungen mit dem preußischen Kultusministerium über die Gestaltung eines „Studentenrechts“ begriffen war. Die am 29. 11. 20 vom Studentenausschuß verabschiedete und am 1. 12. 20 vom akademischen Senat genehmigte Satzung der Freiburger Studentenschaft12 entsprach hinsichtlich des Aufgabenkatalogs der Studentenschaft ziemlich genau der Göttinger Verfassung der DSt vom Juli 1920 und der mit dieser abgestimmten preußischen Verordnung über die Bildung von Studentenschaften vom 18. 9. 20. Grundsätzlich war in ihr der Studentenschaft die Stellung eines „verfassungsmäßigen Glieds der Universität“ (d. h. eigene Rechtsfähigkeit und Teilhabe an der Hochschulverwaltung) zugesprochen. Eine studentische Selbstverwaltung sah sie „vor allem auf dem Gebiete allgemeiner sozialer Fürsorge für die Studentenschaft“ vor13; die Teilnahme an der Verwaltung der Universität begrenzte sie auf „studentische Angelegenheiten wie Zulassung zur Hochschule, Studiengestaltung, Prüfungsbestimmungen, Gebühren- und Stipendienordnung, akademische Disciplin“. Diese Bestimmungen bedeuteten zwar nicht eine volle genossenschaftliche Teilnahme der Studentenschaft an der Universitätsselbstverwaltung, stellten aber doch Ansätze für relevante Funktionen der Studentenvertretung dar. In einer Zeit allgemeiner Notlage der Studenten war die Organisation ihrer sozialen Interessen durch den Studentenausschuß unmittelbar einsichtig. Vom AStA eingerichtete Ämter (Arbeitsvermittlungsamt, Wohnungsamt, Bücheramt, 137 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Wirtschaftsamt) sollten diesem Zweck dienen, doch waren die finanziellen Mittel dafür, da allein aus den Zwangsbeiträgen der Studentenschaft aufgebracht, von Beginn an unzureichend. Überdies bedeutete die Entrichtung solcher Beiträge nicht ohne weiteres, daß ein Bewußtsein der Selbsthilfe-Solidarität in der Studentenschaft lebendig und damit die von den Ideologen des Selbsthilfegedankens geforderte moralische Voraussetzung für die Hilfe von dritter Seite gegeben war. Konsequenterweise hätte jedenfalls die Zweckbestimmung und Verwaltung solcher staatlicher und industrieller Mittel der maßgeblichen Bestimmung der Studentenschaft unterliegen müssen, wenn anders Selbstverwaltung und Selbsthilfe mehr als eine bloß liberal-konservative Verhüllung der wirklichen Verhältnisse hätten sein sollen“. Die in diesen Verhältnissen herrschenden Interessen kamen in der 1921 gegründeten „Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft“ (seit 1929: Deutsches Studentenwerk} und der Art ihrer Beziehungen zu Staat und Industrie in der Tat besser zum Ausdruck als in den praktizierten Formen studentischer Selbstverwaltung. Deren ad-hoc-Charakter wie auch die politischen Konflikte in der DSt ließen freilich die Verselbständigung und zentrale Koordinierung der örtlichen Sozialorganisationen als zwingend erscheinen. Im Gründungsjahr der „Wirtschaftshilfe“, am 21. 6. 21, wurde auch in Freiburg eine vom AStA weitgehend unabhängige „Studentenhilfe* gegründet, die den bis dahin bestehenden „Akademischen Hilfsbund“ der Kriegszeit ablöste15. Im WS 1922/23 gingen alle sozialen Aufgaben des Studentenausschusses an die Studentenhilfe über; der Ausschuß behielt lediglich gewisse Mitwirkungsrechte in ihrem Vorstand und ihren Kommissionen. Bis auf eine kurze Periode zwischen Herbst 1931 und Frühjahr 1932, als NSDStB und Rote Studentengruppe durch Kritik an der Studentenhilfe und die Forderung nach Verstärkung der studentischen Kontrolle um die Palme der sozialsten Gesinnung stritten16, verschwanden soziale Fragen aus der Diskussion im Studentenausschuß; seine Mitwirkungsrechte in der Studentenhilfe trugen offenkundig zur Integration eher bei als zur Initiative und Kontrolle. So wurde die mögliche Entwicklung eines Bewußtseins von der Beziehung zwischen der sozialen und ökonomischen Organisation von Studium und Wissenschaft und ihrer Funktion für Staat und Gesellschaft durch diese, wie auch immer von den Verhältnissen nahegelegte, Aushöhlung des Kerns studentischer Selbstverwaltung blockiert. Die in der Satzung vorgesehene Teilnahme der Studentenschaft an der Verwaltung der Universität, soweit ihre eigenen Angelegenheiten betroffen waren — doch wo war die Studentenschaft im strengen Sinn nicht betroffen? —, war prozessual nirgendwo fixiert. Da Vertreter der Studenten weder in den Senaten noch in den Fakultäten saßen, stand es ganz im Ermessen des Rektors oder der Dekane, auf welche Weise und ob überhaupt sie die Studentenschaft zur Erörterung bestimmter Angelegenheiten hinzuziehen wollten. Eine Forderung des Studentenausschusses vom Januar 1920, der AStA müsse das Recht der Anhörung vor der Ausführung von Beschlüssen akademischer Behörden und der Begründung eigener Anträge in den Beratungen der betreffenden Organe ha138 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

ben, fand beim Akademischen Senat nur ein zurückhaltendes Edio und in der Folge keine Aufnahme in die Satzung der Studentenschaft oder die Geschäftsordnungen der Universitätsorgane17. Zur Zeit der Verabschiedung der Satzung war die in der unmittelbaren Nachkriegszeit selbst auf der (Studentischen Rechten öfters geäußerte Meinung verstummt, man müsse „auf dem Boden der neuen Zeit“ und „in enger Fühlung mit dem Lehrkörper und den Behörden“ eine Neugestaltung des Universitätsstudiums und eine Hochschulreform in Angriff nehmen18. Auch auf dem 2. Deutschen Studententag in Göttingen 1920 hatte “ja die Erörterung der Bildungsziele alle institutionellen Reformforderungen zurückgedrängt, besser: der Zusammenhang von beidem wurde nicht deutlich genug gesehen. Besonders der Vortrag C. H. Beckers, der die Notwendigkeit einer Hochschulreform begründen sollte, belegte den Vorrang einer pädagogisierenden Studienreform gegenüber einer dem angeblich „aristokratischen“ Charakter der Hochschulen widersprechenden durchgreifenden institutionellen Reorganisation19. In Freiburg verhinderte der desolate Zustand der Fachschaften, die großenteils bereits vor dem Krieg eingerichtet worden waren, daß auch nur im reduzierten Horizont der Studienreform studentische Initiative entwickelt werden konnte20. Die in der Studentenschaftssatzung ausdrücklich erwähnte Mitarbeit an der „Studiengestaltung“ und den Prüfungsbestimmungen, d. h. die der Lehrfreiheit komplementäre „Lernfreiheit“ der Studenten konnte daher nicht effektiv in Anspruch genommen werden, hätten sich auch die Fakultäten dazu bereit gezeigt. Im SS 1928 unternahm der AStA durch die Gründung eines „Fachamts“ den Versuch, die Arbeit der Fachschaften zu koordinieren und zu intensivieren21. Der Leiter dieses Amtes sah in den Fachschaften die „Keimzelle der studentischen Selbstverwaltung überhaupt“, weil sie „nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten gewählt“ seien und daher „außerhalb der jetzigen hochschulpolitischen Wirren“ (in der DSt) stünden22. Weiter noch ging ein im SS 1932 von der Medizinerschaft unternommener Vorstoß, der bezweckte, die „parteipolitisch zusammengesetzte Studentenvertretung“ gänzlich durch eine „nach berufsständischen Gesichtspunkten zusammengesetzte“ abzulösen23. Ganz abgesehen davon, daß auch „berufsständische Gesichtspunkte“ eine Affinität zu parteipolitischen haben können, nämlich solchen konservativer Provenienz, ließ jedoch eine Umwandlung des AStA in ein universitäres Fachschaftsgremium zu diesem Zeitpunkt nicht mehr notwendig eine „Entpolitisierung“ des AStA erwarten24. Selbst das zugegeben, war eine Steigerung der spezifisch hochschulpolitischen Effizienz der Studentenschaftsarbeit, deren auf lokaler Ebene erzielte Ergebnisse von nur sehr beschränkter Reichweite sein konnten, nach wie vor an eine tiefgreifende Reorganisation des Ausbildungsbetriebs und der Entscheidungsprozesse der Hochschule gebunden. Tatsächlich scheiterten aber schon geringfügige, beinahe lächerlich zu nennende Initiativen der Studentenschaft, die in solche Richtung wiesen, am beharrenden Widerstand der Universität“. Ein Grund für das Verkümmern der studentischen Initiative auf den Gebieten der Selbstverwaltung und der Hochschulverwaltung kann auch darin ge139 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

sehen werden, daß das Kultusministerium keine Genehmigung für die 1919 und 1920 ausgearbeiteten Satzungen der drei badischen Studentenschaften aussprach und diesen damit die eigentliche rechtliche Verbindlichkeit abging. Baden übernahm auch nicht, wie die meisten Länder, die preußische Verordnung vom September 1920, in der das Kultusministerium die staatlichen Überwachungs- und Eingriffsrechte gegenüber der studentischen Selbstverwaltung unzureichend gewahrt fand26. Diesem Gesichtspunkt und dem Zweck, einer „Politisierung“ der Studentenausschüsse vorzubeugen, diente im April 1925 der Erlaß ministerieller „Richtlinien“, auf deren Grundlage neue Satzungen für alle drei badischen Studentenschaften erstellt werden sollten“. Bestand zunächst die Absicht, die studentische Selbstverwaltung auf die Grundlage der Wirtschaftskörper und Fachschaften zu verlagern, um „auf eine gesunde Mischung der Interessengruppen hinzuwirken und wissensdiaftlich und sozial interessierte Studierende für die Vertretung der Studentenschaft zu gewinnen“28, so blieb es am Ende beim bisherigen Aufbau und bei der rechtlichen Festsdireibung der Entwicklung, die die studentische Selbstverwaltung genommen hatte. Die im Juli 1926 vom Studentenausschuß verabschiedete und unmittelbar darauf vom Senat und Kultusministerium genehmigte „Verfassung“ der Freiburger Studentenschaft29 sprach dieser nidn mehr, wie nochdie alte Satzung, die Stellung eines „verfassungsmäßigen Glieds“ der Universität zu. Sie beließ — von der „Mitarbeit an allen für (!) die Studentenschaft geschaffenen Wirtschaftseinrichtungen“, der Verwaltung des kaum entwickelten „Stipendienwesens“ und der „Handhabung der akademischen Disziplin“ abgesehen — dem Studentenausschuß keine anderen Aufgaben als die „Pflege der Leibesübungen“ und „des geistigen und geselligen Leben zur Förderung der Gemeinschaft aller Universitätsangehörigen“. Die darüber hinaus genannten Ziele der „Vertretung der Gesamtheit der Studierenden“ und „Wahrnehmung der studentischen Selbstverwaltung“ blieben angesichts dessen Hülsen ohne wirklichen Inhalt. Zur Pflege des Sports und der Geselligkeit bedurfte es keiner Zwangsorganisation, es sei denn, eine von allen mit dem Zweck der Hochschule zentral gegebenen Funktionen gereinigte „Gemeinschaft aller Universitätsangehörigen“ sollte durch eine vitalistische und emotionaleVorformung der studentischen „Persönlichkeit“ garantiert werden. Stück 1 der Verfassung sprach ganz offen aus, daß der „Gemeinschaftsgedanke“ an sich der Zweck studentischer Selbstverwaltung sei und daß mit seiner Förderung dem „Wohl der Universität“ am besten gedient sei. Der Studentenausschuß wurde so in die Rolle eines quasi-ständischen Ordnungsfaktors gedrängt, der das von Staat und Hochschule gewünschte Sozialverhalten „in Vertretung der Gesamtheit der Studierenden“ vorstellte. Es ist daher auch nicht erstaunlich, daß es sich der AStA zur Ehre anrechnete, bei Universitätsfeierlichkeiten durch förmliches „Chargieren“ (Auftreten in korporationsstudentischem „Wichs“) die Verbundenheit der Studentenschaft mit der hierarchisch-feudalen Tradition der Hochschule zu dokumentieren. Umgekehrt erscheint es symptomatisch, daß der Rektor, wenn er bei den Jahresfeiern der Universität von der studentischen Selbstverwaltung überhaupt Notiz nahm, 140 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

nur die Organisation des Studentensports für erwähnenswert hielt30. Wenn Professoren sonst öffentlich zu Organisationsproblemen der Studentenschaft sich äußerten, galt ihre Aufmerksamkeit und ihr Lob meist den Korporationen, als deren vornehmliche Vertreter sie auch die Angehörigen des Studentenausschusses ansahen31. Es ist daher begreiflich, daß sich die Universität schockiert zeigte, als es im SS 1932 u. a. über der Frage politischer Werbung auf dem Boden der Universität zum einzigen ernsthafteren Konflikt zwischen akademischen Organen und Studentenvertretung kam, obgleich sich dieser nach heutigen Begriffen in sehr gemäßigten Formen abspielte. d) Die Entwicklung eines hochschulpolitischen Konflikts 1931/32 Seit dem WS 1931/32 entwickelte sich eine zunehmende Spannung zwischen Studentenvertretung und Senat. Als die deutschen Kultusministerien kurzfristig zum WS 1931/32 die Studiengebühren drastisch heraufsetzten, wollte der AStA sich an der Organisation eines einheitlichen Widerstandes der deutschen Studentenschaften gegen diese Maßnahme aktiv und führend beteiligen. Für die Durchführung einer studentischen Vollversammlung, auf der entsprechende Beschlüsse gefaßt werden sollten, verweigerte der Rektor jedoch die Bereitstellung eines geeigneten Raumes in der Universität. Sie fand dennoch an einem — nicht zu ermittelnden — Ort statt und erbrachte, da nicht beschlußfähig, nur ein Meinungsbild, wonach sich 772 Studenten (bei 145 Gegenstimmen und 76 Enthaltungen) für einen Gebührenstreik aussprachen. Der AStA schloß sich dieser Empfehlung an, jedoch ging der Rektor gegen die vom AStA für den ersten Tag benannten „Streikposten“ (drei Mitglieder der Roten Studentengruppe), die vor der Quästur den Versammlungsbeschluß bekanntgeben sollten, disziplinarisch vor. Im Landtag bestätigte der Kultusminister, der auf eine Protestadresse des AStA und der Studentenvollversammlung nicht reagiert hatte, daß er das Vorgehen des Rektors unterstütze und im übrigen die Gebühren nicht herabgesetzt würden. Obgleich in Karlsruhe ein Gebührenstreik der Studenten erfolgreich war und auch in Freiburg die erste Kolleggeldrate nicht an die Professoren ausgezahlt werden konnte, beschloß eine Mehrheit des Studentenausschusses den Abbruch des Streiks, da die Unterstützung der DSt ausblieb und vor allem die katholische AStA-Fraktion anscheinend eine Auseinandersetzung mit den akademischen Behörden wie mit dem dem Zentrum angehörenden Kultusminister Baumgartner scheute32. Im SS 1932 forderte der AStA, gemäß seiner Auffassung, daß die Studienkosten eine „nach sozialen Gesichtspunkten ganz unmögliche Auslese“ bewirkten“, wenigstens eine Herabsetzung solcher Gebühren wie der für die Seminarschlüssel und grundsätzlich die Hinzuziehung eines studentischen Vertreters zu Sitzungen des Senats, in denen die Studentenschaft berührende Angelegenheiten behandelt würden (wie es z. B. an der TH Karlsruhe seit 1927 üblich war). Nach umständlichen Rückfragen an anderen Hochschulen lehnte der Senat beides ab; den Wunsch der Studentenschaft nach einer Mitwirkung in den Senatssitzungen mit der Begründung, „daß die Studentenschaft zur Gel141 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

tendmachung ihrer Belange genügend in den einzelnen Kommissionen und Ausschüssen vertreten“ sei und überdies „die Verfassung einer Technischen Hochschule . . . mit der Verfassung einer Universität... nicht verglichen werden“ könne34. Diese im engeren Sinn hochschulpolitischen Streitpunkte hätten aber kaum zu einem Eklat geführt, wenn nicht eine Verordnung des Senats vom Februar 1932 hinzugekommen wäre, die einen Cordon Sanitaire gegen Politik um die Universität legen sollte. Der wichtigste Teil war die Bestimmung, daß Druckschriften und Flugblätter, die „Meinungskämpfe politischer, sozialpolitischer, religiöser oder weltanschaulicher Art“ zum Inhalt hätten oder zu ihnen Anlaß gäben, in und vor der Universität und ihren Instituten nicht verteilt werden dürften. Einzelpersonen und studentische Vereinigungen sollten disziplinarisch haftbar sein, auch wenn die Druckschriften von außeruniversitären Personen oder Organisationen herrührten. Zulässig war danach allein die Verteilung von Flugzetteln zu den AStA-Wahlen und die Verbreitung der Studentenzeitung35. Ursprünglicher Anlaß dieser Verordnung war die Verteilung eines hektographierten Blättchens der Roten Studentengruppe in der Universität im November 1931, die weder vom Rektor genehmigt war noch von der Polizeibehörde, wie es § 10, Abs. 2 der NotVo zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen v. 28. 3. 31 vorschrieb“. Der AStA wünschte einhellig eine Abänderung der Senatsverordnung, da sie das Recht der politischen Meinungsäußerung zu sehr beschränke und in rechtswidriger Weise eine kollektive Haftung einführe. Er empfahl statt dessen die Einsetzung eines studentischen Redakteurs, der die zur Verteilung kommenden Flugschriften zu prüfen und pressegesetzlich wie disziplinarisch außer den Verfassern zu verantworten haben würde37. Als der Senat an der unveränderten Fassung seiner Verordnung festhielt, griff der AStA zu der im Rahmen seines Selbstverständnisses stärksten Waffe und beschloß, „für die Dauer der zwischen Senat und Studentenschaft bestehenden Spannung grundsätzlich von jeder gemeinsamen Feier fernzubleiben“38. Dieser Beschluß erschien, ehe der Senat von ihm Kenntnis erhielt, in der Freiburger Presse. Vor allem der Bericht eines NSDStB-Vertreters im nationalsozialistischen „Alemannen“ (19. 6. 32) — Rektor Sauer: „ganz besonders unflätig“39 — veranlaßte den Senat am 27. 6. 32 zu einer öffentlichen Gegenerklärung, in der es hieß, „daß die Universität eine Stätte des Studiums und nicht Arena parteipolitischer Kämpfe sei und ausschließlich in dieser Zweckbestimmung vom Volk unterhalten wird. Die Gefahr einer Verschärfung der parteipolitischen Gegensätze sollte an unserer Universität, die sich bisher durch das gute Einvernehmen der Studentenschaft untereinander vor manchen anderen Hochschulen erfreulich ausgezeichnet hatte, vorgebeugt werden“. Nun bestand eine Auffassung zu Recht, die daran festhielt, daß parteilicher Dogmatismus und gar seine bracchiale Durchsetzung wissenschaftlichen Zielen widersprächen und daß ein Verhältnis relativer Distanz zwischen politischer Tagesauseinandersetzung und universitärem Studienbetrieb herrschen müsse. Doch machte die Erklärung des Senats keinen Unterschied zwischen verschiedenen 142 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Modi solcher Distanz und errichtete eine absolute Schranke zwischen sich und „Meinungskämpfen“ jeglicher Art. Ob politische Stellungnahmen der Studentenschaft — waren sie einmal grundsätzlich zugelassen und von der gesellschaftlichen Situation stündlich provoziert — in einer Zeit hochideologischer, d. h. halbwegs konsistente Gesellschaftsbilder ausdrückender Parteiprogrammatiken jenseits der Parteienfronten angesiedelt sein konnten, war hier so wenig reflektiert wie der unterschiedliche Rationalitätsgrad solcher Programme. Solange aber die Universität sich nur als „Stätte des Studiums“ vom politischen Tageskampf abzuschirmen suchte, solange sie keine Anstrengung unternahm, ihre wissenschaftliche Funktion selbst politisch zu reflektieren und als praktische notwendig „parteilich“ ins Spiel zu bringen, konnte sie politische Meinungsäußerungen der Studenten nur nach ihrer parteipolitischen Herkunft klassifizieren und unterschiedslos ablehnen, statt sie nach Inhalt und intellektuellen wie sozialen Konsequenzen im einzelnen zu beurteilen. Sollte die Erklärung des Senats nicht — wie freilich zu vermuten steht — Politik und Studium als inkompatible Dinge überhaupt kennzeichnen, so wäre der notwendige Beweis der beanspruchten Überlegenheit gegenüber bloßer Parteipolitik gewesen, nicht durch bürokratische Verordnung, sondern auf dem Weg inhaltlicher Argumentation wissenschaftsadäquate und wissenschaftsfremde Politisierung zu scheiden. Selbst von einem rein pragmatischen Standpunkt blieb einzuwenden, daß ein dringlicher Anlaß für die Verordnung des Senats in Freiburg nicht vorlag, wie ihr Wortlaut selbst einräumte. Der nationalsozialistische Vorsitzende der DSt, Krüger, sah zunächst in dem Konflikt eine Chance, die Freiburger Studentenschaft, die seit Frühjahr 1932 nicht mehr der DSt angehörte, wieder an diese heranzubringen“. Jedoch schrieb ihm sein Parteigenosse, der Leiter des Kreises VI, daß der Streit mit dem Senat „nicht in unserem Interesse“ liege und daher sofort beigelegt werden müsse“. Obgleich der AStA selbst einige Versuche unternahm, mit dem Senat wieder ins Einvernehmen zu kommen42, mißbilligte seine Mehrheit scharf das Verhalten des NSDStB-„Hochschulgruppenführers“ und zweiten AStA-Vorsitzenden, der beim Rektor den Standpunkt der Studentenschaft preisgegeben und sich dadurch „der Sabotage bei der Wahrung der berechtigten Interessen der Studentenschaft schuldig“ gemacht habe“. In der Tat berührte es merkwürdig, daß ausgerechnet der NSDStB, auf dessen besonderes Drängen hin die Resolution gegen den Senat zustande gekommen war, sich mit dem Rektor arrangiert hatte. Die Vermutung, daß dies mit der Erlaubnis des Rektors zusammenhänge, das seit 1930 in der Universität bestehende Uniformverbov für Ort und Zeit der AStASitzungen aufzuheben, war wohl nicht ganz abwegig“. So endete, was als hochschulpolitisch relevante und durchzufechtende Kontroverse begonnen hatte, durch diese verschieden motivierte, schließlich aber zusammenstimmende Inkonsequenz von NSDStB und Rektor in einer Farce. Am 11. 7. 32 marschierte der NSDStB, mit der SA-Uniform angetan und in Begleitung einer zahlreichen Zuhörerschaft, in den AStA ein. Dort wurde sein Verhalten scharf gerügt, ein Mißtrauensantrag gegen seinen „Führer“ angenommen 143 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

und ein Antrag auf Ausschluß seiner Liste von der AStA-Wahl gestellt45. Das Protokoll sagt dann: „In diesem Augenblick stürmt ein Nationalsozialist in den Hörsal mit den Worten: .Reichsbanner und Rotmord umlagern die Universität'. Eine ungeheure Erregung bemächtigt sich der Versammlung. Herr Förster [NSDStB] springt auf und ruft: ,SA zu mir!'“46. Die Mitte und Linke verließ die Sitzung, nachdem ein NSDStB-Mitglied wegen Tätlichkeit ausgeschlossen worden war. Der Betreffende begab sich zum Rektor und berichtete. Dieser glaubte ihm aufs Wort, daß die Ansammlung vor der Universität aus „lauter Kommunisten“ bestehe47; dennoch sprach er zu den wahrscheinlich arbeitslosen Leuten, „die gar nicht zur Universität gehören und vergebens zur Vernunft gemahnt wurden. Schließlich leerte sich aber doch der Platz ohne Zwischenfall“48. Worte dieser Art beleuchten die Hilflosigkeit einer Universität, deren grundsätzliche Politikabstinenz den Sinn für die Dimensionen politischen Handelns verkümmert hatte und die, indem sie Politik überhaupt nicht wollte, sie schließlich in ihrer krudesten, den Namen Politik verleugnenden Form über die Schwelle lassen mußte.

3. Das „politische Mandat“ der Studentenschaft a) Vorbemerkung Der Begriff des „politischen Mandats der Studentenschaft“ wird hier — abweichend vom üblichen, meist den juristischen Aspekt betonenden Sprachgebrauch — umfassend für eine Fülle von Erscheinungen verwendet, die sich direkt oder indirekt auf die rechtliche, politische und wissenschaftliche Kompetenz der Studentenschaft, zu politischen Fragen Stellung zu nehmen, beziehen. Zum einen sollen darunter die Voraussetzungen, Formen und Inhalte von politischen Erklärungen verstanden werden, die der Studentenausschuß mehrheitlich und in Vertretung der Gesamtstudentenschaft abgegeben hat (politisches Mandat im engeren Sinn); zum andern die Frage der Existenz, Formen und inhaltlichen Bestimmungen einer studentischen Öffentlichkeit, auf die sich die offizielle Ausübung des Mandats beziehen oder auf die es zurückwirken konnte. Der Begriff des studentischen „politischen Mandats“ stammt aus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg. Die Inanspruchnahme eines solchen Mandats wurde damals gerechtfertigt mit einer die Erfahrungen des „Dritten Reiches“ reflektierenden Verantwortung der Universität für die Erhaltung und Vervollkommnung der Demokratie gegen Totalitarismus und Diktatur. Konkretisiert wurde diese Verantwortung durch die Kritik an einer „Wissenschaft im Elfenbeinturm“, einem politisch indifferenten Spezialistentum und durch die Forderung nach einer gesellschaftsbezogenen Orientierung und Demokratisierung des Bildungswesens überhaupt1. Demgegenüber bedeutete es nur eine weitere Präzisierung, wenn die Studentenvertretungen seit Mitte der 60er Jahre politische Erklärungen und Aktionen mit der umfassenden gesellschaftlichen Bedeutung von Hochschule, Wissenschaft und Studium (d. h. dem „Theorie-Praxis-Problem“) in Zusammen144 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

hang brachten und sie als „Resultate einer wissenschaftsbezogenen studentischen Öffentlichkeit“ rechtfertigten, die dem „Interesse der Wissenschaft an der Befreiung der menschlichen Möglichkeiten“ zu praktischer Durchsetzung verhelfen will 2 . Die in den letzten Jahren verbreitete, nicht immer mit dieser Begründung einleuchtend verbundene Ausübung des politischen Mandats durch die Studentenschaft war zugleich die Antwort auf eine v. a. im VDS anzutreffende Tendenz, eine politische Allgemeinvertretungskompetenz für die Studentenschaft, ein „Recht zu politischer Aktion in einem nicht näher zu definierenden Sinne“ in Anspruch zu nehmen. Wenn auch die Meinung kaum zutreffen dürfte, daß die Studentenschaft dies „auf Grund der politischen Momente und Anlässe in der historischen Entstehung und Entwicklung ihrer Zusammenschlüsse“ getan habe, so spielte doch die damit verwandte Vorstellung einer besonderen staatsbürgerlichen Verantwortung der Akademikerschaft eine vage Rolle3. Damit aber befand sich der VDS in einer gewissen Nähe zum Selbstverständnis der DSt-Gründer, von denen sich sagen läßt, daß ihr Begriff des (sinngemäßen) politischen Mandats der hier zuletzt entwickelten Variante verwandt und mit ihren Problemen — wenn auch auf eine eigene, zeitgenössisch bedingte — Weise behaftet war. b) Das politische Mandat im Selbstverständnis der Deutschen Studentenschaft Die „Gründergeneration“ der Deutschen Studentenschaft verstand diese und die in ihr zusammengeschlossenen Studentenschaften der einzelnen Hochschulen nicht zuletzt als eine politische Erziehungsgemeinschaft deutscher Prägung. Tatsache und Inhalt eines politischen Mandats der Studentenschaft war nach dieser Auffassung das Ergebnis eines nationalen Reifeprozesses in Volk und Studentenschaft, der, auf dem Weg über das „Kriegserlebnis“, die im Kaiserreich entstandene Kluft zwischen Volk und Gebildeten wenigstens in zu entwickelnden Ansätzen überbrückt und damit die nationalpolitische Tradition der deutschen Studenten aus der Periode 1817 bis 1849 wieder verfügbar gemacht habe. Nur eine Minderheit in der deutschen Studentenschaft war allerdings in der Lage, den Charakter der studentischen Beteiligung an der Revolution von 1848/49 als soziale Emanzipationsbewegung zu entziffern und aus solcher Analyse Politik als durch konkrete gesellschaftliche Widersprüche bestimmten Interessenwiderstreit zu deuten. Wo aber die Existenz gesellschaftlicher Antagonismen nicht zur Kenntnis genommen wird, kann nicht nur stillschweigend eine Identität des eigenen Interessenbereichs mit dem „Gemeinwohl“ angenommen werden, dieses erhält als „Nationalinteresse“ normative Verbindlichkeit gegenüber jedwedem bloßen „Parteistandpunkt“. Die insgesamt 6 Verfassungen der Deutschen Studentenschaft (einschließlich der sich mit dem Anspruch, Gesamtvertretung der deutschen Studenten zu sein, bekämpfenden Richtungen der Jahre 1922/23)4 belegen, wenn man sie vor dem Hintergrund der politischen Praxis der DSt und der Studentenausschüsse sieht, das Dilemma, das in Unterscheidungen zwischen „sachlicher“ hochschulpoliti145 10 Kreutzberger, Studenten und Politik

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scher Interessenwahrung und Parteipolitik, zwischen dieser und „allgemeiner Politik“, zwischen „politisch“ und „national“ oder „vaterländisch“ lag. Der Würzburger Studententag von 1919 maß der Studentenschaft zwar keine politische Aufgabe zu, weil es ihm weniger auf die Wirkung der Studentenschaft nach außen als auf die „Formung der .Akademikerschaft zu einem kompakten soziologischen Begriff“ ankam5. Jedoch schloß die dort verabschiedete Verfassung lediglich „Parteipolitik“ aus der Arbeit der Studentenschaft aus (§ 3, Abs. 2), womit wenigstens implizit die im „Erlanger Entwurf“ für den Würzburger Studententag geforderte Stellungnahme der Studentenschaft zu „allen vaterländischen . . . Fragen“ erlaubt war. Nur die Praxis konnte lehren, wann akademische Interessenvertretung als in die Sphäre der „Parteipolitik“ tretend angesehen und auf welcher Ebene parteipolitische zu „vaterländischen“ Fragen wurden*. Dieselbe Unklarheit zeichnete die Formel der preußischen StudentenrechtsVerordnung vom September 19207 aus, die auf einen Entwurf des Dresdener ao. Studententages vom Mai 1920 zurückging. Sie setzte den Studentenschaften das Ziel der „Einigung über die Parteien hinaus zur Mitarbeit am kulturellen und wirtschaftlichen Aufbau Deutschlands“ (§ 2 d), wobei „parteipolitische und religiöse Zwecke“ ausgeschlossen sein sollten. Der Verordnung einer politischen, Behörde wird man in demokratischen Verhältnissen unterstellen müssen, daß damit nicht die Ansicht ausgesprochen war, die politischen Parteien seien in sich zu einer gültigen Repräsentation kultureller und wirtschaftlicher Ziele nicht imstande. Immerhin wurde sie in der Folge oft gegen die Existenz politischer Studentengruppen ins Feld geführt, wobei man sich auf C. H. Becker selbst berufen konnte, der sich gegen solche Gruppen ausgesprochen hatte und überhaupt der Auffassung war, die Parteien sollten „den akademischen Boden als heiliges Land . . . betrachten, von dem die Parteipolitik unter allen Umständen ferngehalten werden muß“8. Die zweite Verfassung der DSt vom Göttinger Studententag 1920 begründete das politische Mandat „aus der Grundeinstellung einer immer engeren Verknüpfung der Hochschule und ihrer Volksgemeinschaft“ und verstand darunter die Behandlung „alle(r) die Studentenschaft bewegenden vaterländischen, sozialen und Kulturfragen“ (§ 2, Abs. 2). Diese, von der Verfassung des Erlanger Studententags 1921 (Stück 3) beibehaltene Formel erwies sich, da unspezifisch und beliebig verwendbar, als Quelle dauernder Auseinandersetzungen in den Studentenschaften. Die sog. Göttinger Notverfassung vom Januar 1922 stellte daher den Versuch eines Kompromisses auf kleinster Ebene zwischen der „völkischen“ und der „staatsbürgerlichen“ Richtung in der DSt dar, indem sie jeden Hinweis auf einen politischen Auftrag der Studentenschaft überhaupt unterließ und den „Austrag politischer und weltanschaulicher Gegensätze“ in studentischen Organen grundsätzlich zu unterbinden suchte (Stück 3, Punkt 4). Diese Verfassung fand ebenso wenig die Zustimmung der gesamten Studentenschaft wie die Honnefer Verfassung vom Mai 1922, die die politische Rolle der Studentenschaft in ihrer sozialen und akademischen Selbstverwaltung erfüllt sah 146 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

und in der Förderung des „Gemeinsdiaftsgedankens innerhalb der Studentenschaft“ zugleich ein Stück Arbeit „für die deutsche Kultur und Volksgemeinschaft“ erblickte9. Hier war zwar die Erkenntnis der immanent politischen Funktion sozialer und wissenschaftlicher Tätigkeit der Studentenschaft angedeutet, diese jedoch durch die organizistisdie und nationale Zurichtung um ihre Konsequenz gebracht. Die DSt wurde dadurch zum „Studentenstaat“ und dieser ein subsidiäres Gebilde in einer ständisch geordneten Gesellschaft. Die letzte Verfassung der DSt vom Würzburger Studententag 1922 griff die Formel der Honnefer Verfassung etwas vager auf und setzte der DSt wie den einzelnen Studentenschaften das Ziel, „an den Aufgaben der deutschen Hochschule gegenüber dem deutschen Volke mitzuarbeiten“ (Stück 3, Abs. 1). Eine Denkschrift des auf dem Würzburger Studententag gewählten Vorstandes der DSt (17. 8. 1922) interpretierte das dahin, daß „allgemeine vaterländische und kulturelle Aufgaben ohne weiteres zum Zweck der Hochschule als solcher gehörten“, daß es jedoch „nicht Aufgabe der Einzelstudentenschaften sein kann, sich mit außerhalb der Hochschule liegenden allgemeinen Fragen der staatlidien Politik zu beschäftigen“10. Kann man sagen, daß diese Unterscheidung das Problem zu wirklicher Klarheit geführt hätte? Was möglicherweise dahinter stand, wurde durch eine Entscheidung des „Spruchhofs“ (Schiedsgerichts) der DSt vom Juli 1927 in helleres Licht gerückt. „Die politischen Zustände in Deutschland“, so hieß es da, „bringen es mit sich, daß keine große und allgemeine vaterländische Frage (erwähnt war ζ. Β. die „Erhaltung des Geistes der Wehrhaftigkeit“) dem Gegensatz der Parteien entrückt ist. . . Wollte man diese . . . Fragen der Behandlung durch die Studentenschaft entziehen, so würde man gegen die Satzung und den Sinn der Gründung der ganzen Organisation verstoßen.“ Lediglich Probleme, welche „ausschließlich oder vorwiegend für die Parteien von Interesse und Bedeutung sind, wie etwa die Bildung einer einzelnen Regierung . . ., Unterschiede der Parteien untereinander, Forderungen, die lediglich einzelne Parteien aufstellen“, sollten von der Erörterung in den Organen der Studentenschaft ausgeschlossen sein“. Hier wird angedeutet, daß „politische Zustände“ in Deutschland denkbar seien, die „nationale“ Fragen der parteipolitischen Kontroverse entrückten. Parteien, so legen die Formulierungen nahe, sind partikularistisdie Organisationen, deren Tätigkeit vorwiegend für sie selbst von Belang und einem rational begründeten Urteil nicht zugänglich ist12. Die innere Politik, minderen Ranges, soll ihrer Verfassung und taktisdien Durdiführung nadi dem Primat der Außenpolitik dienen. Die Strittigkeit nationaler Fragen führt nidit zu dem Sdiluß, den Kontroversdiarakter der Politik überhaupt zu akzeptieren und den Dienst, den eine praktisdie Wendung wissensdiaftlidier Erkenntnis durdi die Studentensdiaft einer soldien Politik leisten könnte, neu zu durdidenken. Die Art, wie die nach 1919 gebildeten studentisdien Repräsentationsorgane ihr politisches Mandat auffassen würden, war durch die Entscheidung mitbestimmt, daß nur „deutsche“ Studenten von ihnen vertreten sein sollten. Der 147 10· © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Streit um das „nationalkulturelle“ oder das „völkische“ Prinzip in der DSt war zwar in politischer und moralischer Hinsicht relevant genug; doch spielte er auf dem Boden einer den Gegnern weitgehend gemeinsamen Wissenschaftsauffassung, wonach der — rassisch oder kulturell definierte — deutsche Student auf seinem Weg zur Erkenntnis durch das „deutsche Volkstum nach seiner Geschichte und Wesensart“ geleitet werde13. Ein romantisch eingefärbter Bildungshumanismus, dem „auch der Freiheitsgeist der deutschen Hochschule Geist von deutschem Blut und Geist“ war14, taugte aber wenig dazu, die geschichtlich gegenwärtigen Brücken zwischen Hochschule und Politik, Wissenschaft und gesellschaftlicher Reproduktion zu erkennen. Er verhinderte die Rechenschaft darüber, auf welche neue Weise die einstigen „Kulturwissenschaften“ zum handlungsorientierenden Selbstverständnis der Studenten sowohl wie der Gesellschaft beitragen konnten. Indem die studentische Selbstverwaltung nach 1919 sich mit dem deutschen Studententum zugleich einer deutschen Wissenschaft verschrieb, entschlug sie sich der Interpretation des politischen Mandats als einer möglichen Konsequenz der sozialen Funktion von Wissenschaft und wählte statt dessen einen nationalen Bezugspunkt15. Dieser war zwar durch zeitgeschichtliche Erfahrungen nahegelegt und durch das traditionelle Politikverhalten der „Akademikerschaft“ gerechtfertigt. Der studentisdien Selbstverwaltung ließ er sich bruchlos aber nur einfügen, wenn diese einen auf die zeitgemäße Interpretation der studentischen „Lernfreiheit“ gegründeten wissenschaftlichen und sozialen Impetus an die Macht traditional geprägter Verhältnisse preisgab. c) Zur Entstehung der Freiburger Studentenscbaftssatzung von 1926 Das objektive Gewicht von Verhältnissen, über die die Studentenschaft nicht oder nicht allein verfügte, ist bei der Beurteilung ihrer hochschulpolitischen und politischen Entwicklung nicht zu unterschätzen. Dazu gehört auch der durchaus gouvernementale Stil, in dem die badische Regierung während der Weimarer Republik mit den Studentenschaften der badischen Hochschulen verkehrte. Exemplarisch zeigte er sich schon 1919, als die Regierung die Durchführung eines zweiten Zwischensemesters (wie es an den norddeutschen Hochschulen für die Kriegsteilnehmer abgehalten wurde) ablehnte und eine dahin zielende Resolution einer Freiburger Studentenvollversammlung kurzerhand des „ungeeigneten Tons“ wegen zu beantworten sich weigerte16. Auch die Entstehung der badischen Studentenschaftssatzungen von 1925/26, die einem Oktroi gleichkam, verrät trotz der verständlichen Absichten des Kultusministeriums (vor allem im Hinblick auf die DSt) Züge eines demokratisch zweifelhaften Verfahrens und Interesses. Das Ergebnis dieser Satzungen, hier dargestellt am Freiburger Beispiel, wirft ein Licht auf den Anteil, den die staatliche Politik an der Art und Weise hatte, wie sich das politische Mandat der Studentenschaft entwickelte. Wie bereits bemerkt, stand die badische Regierung der preußischen Studentenschaftsverordnung von 1920 skeptisch gegenüber. Einmal, weil sie darin die staatlichen Kontrollbefugnisse gegenüber der studentischen Selbstverwaltung 148 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

ungenügend entwickelt fand; zum andern, weil die preußische Verordnung den Einzelstudentensdiaften zuviel Freiheit ließ zu „bestimmen, ob, in welchem Umfange und zu welchen Bedingungen vollimmatrikulierte Ausländer an der Studentenschaft... teilnehmen“ durften17. Die immer neuen Krisen der DSt und die unterschiedliche Haltung der deutschen Landesregierungen zu den streitenden Parteien in der Studentenschaft trugen zu einer abwartenden Haltung der badischen Regierung auch im Hinblick auf den Erlaß einer eigenen Studentenreditsverordnung bei. Hinzu kam, daß sidi keine einheitlidie Linie der badischen Studentensdiaften bei den Auseinandersetzungen zwisdien den Anhängern der „völkischen“ und der „nationalkulturellen“ Riditung der DSt, die mit der Abhaltung des Honnefer und Würzburger Studententages (Mai und Juli 1922) ihren Höhepunkt fanden, erkennen ließ. Freiburg war zunächst wie Karlsruhe mehrheitlich gegen die Honnefer nationalkulturelle Riditung, Heidelberg dafür. Im WS 1922/23 verhielten sich Freiburg und Heidelberg neutral und befürworteten eine „Entpolitisierung“ der Studentenschaftsarbeit, die allerdings ein Jahr zuvor mit der Göttinger Notverfassung gescheitert war. Freiburg sdiloß sich im SS 1923, Heidelberg erst ein Jahr später der Würzburger Verfassung und dem völkischen Würzburger DSt-Vorstand an, den Karlsruhe von Beginn an unterstützt hatte18. Ganz entsprediend verhielt sich die badische Regierung wenig konstant bei der Unterstützung der Bemühungen Preußens, durch staatlidien Druck das „nationalkulturelle“ Prinzip in allen Studentensdiaften einheitlich zu gewährleisten. Um den dahingehenden Besdiliissen der Stralsunder Hochschulkonferenz (September 1922) zur Durdisetzung zu verhelfen, sperrte sie zunädist die bis dahin an die DSt abgeführten Beiträge der Einzelstudentenschaften, hob aber diese Maßnahme wenige Monate später, wohl unter dem Eindruck des „Ruhrkampfes“ und der dadurdi in der DSt ausgelösten nationalen Einheitsbewegung wieder auf“. Obwohl man das in der DSt dahin deutete, daß Karlsruhe „nur geringe Neigung“ habe, „sich an dem Vorgehen von Herrn Staatssekretär Dr. Becker gegen die DSt nodi weiter zu beteiligen“ und in der Tat eine gewisse Reserve des verantwortlidien Ministers Hellpadi gegen die preußisdie Politik in dieser Frage unverkennbar ist20, nahm Hellpadi eine durdi Unregelmäßigkeiten bewirkte Kassenprüfung bei der DSt zum Anlaß, die Haushaltsführung der badisdien Studentenausschüsse sdiärfer zu kontrollieren. Er bestritt ihnen unter Hinweis auf die seit 1920 tendenziell sinkende Wahlbeteiligung eine ausreichende Legitimation und drohte mit der Einstellung der Zwangsbeiträge der Studenten, d. h. der de-facto-Auflösung der studentisdien Selbstverwaltung überhaupt21. Das bewies freilidi wenig Einsicht in die Ursadien der Misere: in einem Atemzug rügte der Minister das Desinteresse der Studenten an „ihrer“ Vertretung und gab ein Beispiel von deren mangelnder Autonomie gegen Staat und Hodisdiule. So ist der Erlaß der sdion erwähnten „Riditlinien“ vom April 1925 auch nur zum Teil die Antwort des Ministeriums darauf, daß sich der „völkische“ Kurs der DSt in der Heidelberger Studentenschaft in einer besonders radikalen Weise durchzusetzen begann22. Sie dienten auch dem Zweck einer schärferen mini149 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

steriellen Kontrolle der Studentenschaftsarbeit überhaupt. Die mit der Bekanntgabe der Richtlinien ausgesprochene Forderung, daß die badischen Studentenschaften auf ihrer Grundlage bis Ende des SS 1925 neue Satzungen zu erstellen hätten, war durch die gleichzeitige Sperrung der den Studentenvertretungen zustehenden (und ζ. Τ. der DSt zugute kommenden) Zwangsbeiträge der Studentenschaft unterstrichen worden23. Dieses Vorgehen hat Hellpach später so begründet: er sei sich mit seinem Hochschulreferenten Schwörer einig gewesen, „liberale Motive der Selbstverwaltung aus taktischen Gründen mit der schroffen Form des Ultimatums zu verbinden“, um jegliche von der DSt gesteuerte Obstruktion der örtlichen Studentenschaften zu unterbinden24. Als sich Mitte des SS 1925 abzeichnete, daß die badischen Studentenschaften von der anfänglich eingeschlagenen Politik der prinzipiellen Ablehnung der Richtlinien aus Selbsterhaltungsinteresse abzugehen bereit waren, gab das Ministerium die eingezogenen Gelder für die Verwaltung durch einen von den Hochschulen kontrollierten Vermögensausschuß der Studentenschaft frei und erlaubte auch die Abführung einer gewissen Summe an die DSt25. Während der Vorstand der DSt an einer möglichst einheitlichen Linie der badischen Studentenschaften in der Frage der Satzungen interessiert war und versuchte, ihnen den Rücken gegen das Ministerium zu stärken, erschien dem Minister „jede Schattierung erträglich“, ja das „Farbenspiel örtlicher Differenziertheit“ sogar erwünscht, sobald die Satzungen seinen grundsätzlichen Forderungen Genüge taten: „eine vernünftige, duldsame, Frieden verbürgende Umschreibung des Begriffes .deutsch' und ein praktisch brauchbarer, vor Krisen, Vergewaltigungen, Einseitigkeiten schützender Aufbau der Arbeits- und Beschlußinstanzen.““ Dem ersten Ziel sollte es dienen, wenn die Richtlinien außer für die reichsdeutschen für alle österreichischen Staatsangehörigen — also auch die aus den „arischen“ Studentenschaften Österreichs ausgeschlossenen — automatisch die Mitgliedschaft in den badischen Studentenschaften vorsahen, für die übrigen Auslandsdeutschen nach dem Entscheid des Rektors“. Das zweite Ziel sollte durch eine möglichst weitgehende Dissoziierung der Studentenschaften von der DSt, ihren Verzicht auf ein explizites politisches Mandat und ihre möglichst enge Bindung an die Hochschule und die Kontrolle des Ministeriums erreicht werden. Die Studentenschaften wurden auf „das Wohl der Hochschule (als) oberstes Gesetz“ verpflichtet — wiewohl ihnen die Stellung als verfassungsmäßiges Glied der Hochschule vorenthalten blieb —, und der Minister behielt sich das Recht vor, bei einer nicht näher definierten „Gefährdung der akademischen Ordnung“ den jeweiligen AStA auf Antrag des Senats der Hochschule aufzulösen und neu wählen zu lassen bzw. ihn zu suspendieren oder die studentische Selbstverwaltung gänzlich aufzuheben28. Die DSt erblickte in diesen und anderen, die ministeriellen Aufsichtsrechte im einzelnen betreffenden Bestimmungen nicht nur — zu Recht — „eine wesentliche Verschärfung der Eingriffsmöglichkeiten des Ministeriums“ gegenüber den bestehenden Satzungen und den preußischen, bayerischen und württembergi150 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

sdien Regelungen29. Da sie selbst in den Richtlinien unerwähnt blieb, sah sie darin auch eine Leugnung der nationalen Aufgabe der Studentensdiaft und einen Angriff gegen sich als den Gesamtverband der deutschen Studenten. Nachdem es dem Ministerium gelungen war, im Lauf des Jahres 1925 in Heidelberg und Karlsruhe Satzungen durchzusetzen, die in entscheidenden Punkten den Wünschen der DSt zuwiderliefen, unterließ diese keine Anstrengung, ihre Vorstellungen zunächst in der Freiburger Satzung zur Geltung zu bringen, um danach eine Revision der bereits verabschiedeten Satzungen zu erreichen. Noch im Januar 1926 scheiterte eine von der DSt erstrebte gemeinsame Satzungsvorlage der drei badischen Studentenschaf ten an das Ministerium, die wenigstens den für die DSt selbst wichtigsten Gesichtspunkten Rechnung tragen sollte: der unbedingten Zugehörigkeit dieser Studentenschaften zur DSt und der letzten Entscheidungsbefugnis der Studentenvertretung über die Mitgliedschaft Auslandsdeutscher. Es handelte sich bei dem Vorgehen des Ministeriums nach Ansicht der DSt um „die bewußte Aufrollung des Verfassungskampfes von seiten der damals (1921—23) unterliegenden Partei des sogenannten Deutschen (republikanischen) Studentenbundes“, die das „Prinzip der Eigenbestimmung der Zusammensetzung der Studentenschaft“ durch starre Regelungen der Satzungen aushöhlen wolle30. Anders als in Heidelberg waren in Freiburg die entscheidende Gruppe aber nicht die sozialistischen, demokratischen und jüdischen, sondern die katholischen Studenten, die, soweit sie korporiert waren, sich bisher zur DSt gehalten hatten. Die katholischen Freistudenten waren eher bereit, den Forderungen des Ministeriums nachzugeben und den von der DSt verfochtenen Grundsatz „deutscher Abstammung“ fallen zu lassen. Auch die katholischen Korporationen, denen nodi im SS 1926, als ihre Front unter der Einwirkung der katholisdien Presse und theologischen Fakultät der Universität zu wanken begann, ein burschenschaftliches Mitglied des AStA bestätigte, sie hätten in der Verteidigung der Prinzipien der DSt an der Seite des HDA eine „tadellose Haltung“ gezeigt“, beugten sich sdiließlich dem Druck des Ministeriums. Dieses hatte zwei Satzungsentwürfe, auf die sidi die Fraktionen des HDA und der katholisdien Studenten (und damit die benötigten zwei Drittel des Studentenaussdiusses) geeinigt hatten, abgelehnt und sperrte, „um das Verfahren zu besdileunigen“, im Juni 1926 erneut die Mittel der Studentensdiaft. So kam es in letzter Stunde des SS 1926 durch die Vermittlung des Rektors zu einer Einigung zwisdien der Studentenschaft und dem Ministerium, das in der am 28. 7. 1926 einstimmig verabsdiiedeten und am 7. 8. ministeriell genehmigten Verfassung der Freiburger Studentensdiaft im wesentlichen die Vorstellungen der „Richtlinien“ von 1925 verwirklicht sehen konnte. Zwar sollte der AStA über die Mitgliedsdiaft aller nidit reidisdeutsdien Studenten (einsdiließlidi derjenigen österreidiisdier Staatsangehörigkeit) in erster Instanz entsdieiden, doch war eine Berufung beim Rektor zulässig*2. Weggefallen war die Bestimmung der alten Satzung aus dem Jahr 1920, wonadi der Studentenschaft das Recht der „Stellungnahme zu allgemein vaterländischen, wirtsdiaftlidien und Bil151 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

dungsfragen“ zukam; geblieben war die negative, im Hinblick auf das politische Mandat nicht eindeutige Bestimmung, daß „konfessionelle und parteipolitische Zwecke“ aus der Arbeit des Studentenausschusses ausgeschlossen seien. Der AStA stellte zwar bei der Verabschiedung fest, daß damit „auch rassenpolitische Zwecke ausgeschlossen“ seien; jedoch blieb zweifelhaft, wie extensiv dieser Beschluß auszulegen war, nachdem die Mehrheit des AStA noch zu Beginn des SS 1926 einen Antrag der sozialistischen Gruppe abgelehnt hatte, dem Ministerium positiv mitzuteilen, daß mit „rassenpolitischen“ Fragen jede antisemitische Politik gemeint sei33. Über die in Freiburg verabschiedete Satzung konnte die DSt zwar nicht glücklich sein, sie half ihr aber das Gesicht wahren, insofern der Studentenschaft formell die Zulassung Auslandsdeutscher zum Kreis der Mitglieder übertragen worden und es ihr nach Stück 1 der Satzung gestattet war, „sich einem größeren Verbande wie der Deutschen Studentenschaft anzuschließen“34. Umgekehrt hatte das Ministerium seine Kontrollbefugnisse über die Haushaltspolitik und übrige Tätigkeit des AStA nicht aus der Hand gegeben und sich in der Frage der Mitgliedschaft und der Eliminierung eines expliziten politischen Auftrags der Studentenschaft durchgesetzt. Hellpach meinte später, nicht ohne kritischen Seitenblick auf die Situation in Preußen, wo seit 1927 keine staatlich anerkannten Studentenschaften mehr bestanden, man habe mit dem badischen Studentenrecht „für ganz Deutschland Vorbildliches geschaffen“35. Doch galt das nur insofern, als dadurch die badischen Studentenschaften in gewissem Umfang und bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, als „studentische Politik“ als solche nicht mehr zur Debatte stand, von den Auseinandersetzungen um die politische Rolle der DSt ferngehalten werden konnten. Die auch nach der Verabschiedung der Satzungen fortdauernde Politik der zeitweiligen Geldersperrung, durch die an den Selbsterhaltungstrieb der studentischen Vertretungen appelliert wurde, war aber, anders als Hellpach vielleicht glaubte, auf Preußen mit seinen 12 Universitäten und 4 Technischen Hochschulen nicht übertragbar, wo ähnliche Eingriffe in die studentische Selbstverwaltung an die Existenz der DSt rühren und diese zu äußerstem Widerstand provozieren mußten. Im Licht der politischen Einstellung der Mehrheit der Studentenschaft, wie sie sich besonders kraß ζ. Β. in Heidelberg während der wiederholten Auseinandersetzungen um Emil Gumbel zeigte, war der Versuch des Ministeriums gewiß begreiflich, die Studentenschaft durch die Fassung der Satzungen und Eingriffe in ihre Selbstverwaltung zu disziplinieren — „liberale Motive der Selbstverwaltung“ (Hellpach) wurden dabei aber kaum gefördert. Denn läßt man selbst die schon erwähnte Problematik des — vom Ministerium nie angezweifelten — „deutschen“ Charakters der Studentenvertretung beiseite, so wurde dieser eine Chance zu „sachlicher Arbeit“ in der Hochschule nicht in gleichem Maße gewährt, wie ihr nationalpolitischer Auftrag beschnitten werden sollte. Soweit durch die Satzungen bloß der Ausschluß „parteipolitischer Zwecke“ aus der Studentenschaftsarbeit gefordert wurde, lag es sogar nahe anzunehmen, daß „nationale“ Zwecke der Studentenschaft eben doch gestattet seien und 152 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

zwar in dem Umfang, wie das Ministerium Resolutionen, die sichauf die Revision des Versailler Friedens und seiner Folgeerscheinungen bezogen, unbeanstandet ließ. Das war aber, soweit festzustellen, durchweg der Fall; es ist nicht einmal auszuschließen, daß solche Resolutionen als propagandistische Unterstützung außenpolitischer Forderungen der Reichsregierung willkommen waren. Ein „nationales Empfinden“ unter allen Mitgliedern des Studentenausschusses, das in einem gemeinsamen Urteil über Ursachen, Zusammenhang und Lösungsmöglichkeiten „nationaler“ Probleme resultierte, stellte dennoch eine Fiktion dar. So kann man es auch, um ein Wort Radbruchs abzuwandeln, als die „Lebenslüge“ der damaligen studentischen Selbstverwaltung bezeichnen, daß erwartet und durch die Satzung vorgeschrieben wurde, ein auf offen oder verdeckt parteipolitischer Grundlage gewählter Studentenausschuß werde „unpolitisch-sachliche“ Arbeit verrichten. Denn wäre selbst der Ausschußmehrheit der Verzicht auf ein politisdies Mandat im Sinne „nationaler“ Entschließungen erträglich erschienen, so wäre dessen Anwendung in hochschulpolitischen Fragen nicht weniger brisant und kontrovers gewesen. Es ist bezeichnend, daß die einzige feststellbare Reaktion des Ministeriums auf die Ausübung dieses Mandats durch den Freiburger Studentenaussdiuß sich auf eine auch hochsdiulpolitisch relevante Entschließung bezog. Sie richtete sich gegen die Tatsache, daß im August 1930 der seiner Broschüren und Versammlungstätigkeit wegen umstrittene Heidelberger Privatdozent Emil Gumbel zum apl. Professor ernannt worden war. Der Freiburger AStA schloß sich den Protesten „nationaler Kreise“ an, begrüßte das „im Falle Gumbel sich zeigende Bewußtsein vaterländischer Selbstverantwortung“ und versprach, „diese ideellen Werte auch in der Freiburger Studentenschaft wachsam und stark zu erhalten“. Der Minister wies daraufhin den Senat der Universität an, die Studentensdiaft auf „ihren festgelegten Aufgabenkreis (zu) verweisen, zu dem eine Einflußnahme auf Berufung, Ernennung und Beförderung von Lehrkräften nidit gehört. Der AStA wolle auf die ernsten Folgen von weiteren Verstößen gegen die Verfassung aufmerksam gemacht werden“36. Gerade die Tatsache, daß der hochschulpolitischen Tätigkeit des AStA — nicht allein durch seine Schuld — jene Relevanz und Autonomie abging, die Wahlen zur Studentenvertretung erst zur demokratisdien Entscheidung über den Inhalt einer wirklichen Selbstverwaltung gemadit hätten, drängte die Studentenschaft über ihre bereits bestehende Neigung hinaus auf den Weg eines mit Hochschule und Wissenschaft allenfalls ideologisch vermittelten politischen Resolutionismus. Wenn dagegen von versdiiedenen Gruppen der Studentensdiaft selbst immer wieder die Forderung nach „sachlicher Arbeit“ des Ausschusses erhoben wurde, dann hatte das politische und ideologische Gründe, die der Durchsetzung effektiver Selbstverwaltung ebenfalls wenig günstig waren. d) Die Wahlen zum Studentenausschuß 1928—1932 Für die Zeit nach 1928, der Periode zunehmender politischer Instrumentalisierung des Studentenaussdiusses, liegen nicht nur Wahlprogramme der ver153 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

schiedenen Gruppen vor, an denen sich die Dialektik von „sachlich“, „politisch“ und „national“ im einzelnen studieren ließe37; auch die Ergebnisse der AStAWahlen dieser Periode sind zum Teil so aufgeschlüsselt, daß sich immerhin Vermutungen von einiger Plausibilität über die Korrelation von Wahlbeteiligung, Fakultätszugehörigkeit und Entwicklung der einzelnen Gruppen anstellen lassen. Der Motor der seit dieser Zeit einsetzenden „Wahlkämpfe“ war zweifellos der NSDStB, der die Formen seiner Agitation seinem Selbstverständnis als „Frontabschnitt“ der NSDAP an der Hochschule anpaßte. Indem er den „weltanschaulichen“ Charakter des Nationalsozialismus hervorhob, ihn als eher geistiges Produkt eines begnadeten Einzelnen erscheinen ließ („die neue Weltanschauung des Frontsoldaten Adolf Hitlers [sic!]“38), ihn als „Bewegung der Jungen“ feierte und „national“ und „deutsch“ jedem zweiten Wort beifügte, beherrschte er alle Varianten des Antiparteienaffekts, ohne ihn wie die Nationale Studentenschaft als solchen zum Hauptinhalt seiner Propaganda zu machen. Auch verzichtete er zumindest während des Wahlkampfs darauf, „sachliche Arbeit“ im Rahmen des Studentenausschusses oder der DSt zu fordern wie wiederum die Nationale Studentenschaft, wenn sie „für eine streng sachliche, nationale Hochschulpolitik“ der Studentenschaft eintrat39. Äußerlich wies der Wahlkampfstil der Roten Studentengruppe die größte formale Ähnlichkeit mit dem des NSDStB auf, doch bedingte ihre ideologische Herkunft und extreme Minderheitensituation gleichermaßen eine vom NSDStB unterschiedene Argumentationsweise, d. h. Ansätze zu argumentativem Verfahren überhaupt. Wenn sie wie der NSDStB keinen Hehl daraus machte, daß sie die Zeit für Hochschulpolitik in ihrem Sinn (Kernsatz: „die Universität den Arbeitenden“40) erst mit der Beseitigung des bestehenden politischen und gesellschaftlichen Systems gekommen sah, so waren ihre Initiativen im AStA doch nur mittelbar propagandistisch und jeweils auf wirkliche Interessen vor allem sozial schwacher Studenten bezogen. Auch ihre Erklärung, sie wolle „mit allen denjenigen in gemeinsamer Abwehrfront gegen die Terrorisierung der Hochschule stehen, die bereit sind, den Kampf auch politisch zu führen“, war nicht nur eine Aufforderung an die demokratische und sozialistische Gruppe, sich ihrem (und der KPD) Diktat zu unterwerfen, sondern beinhaltete auch einen Kern zutreffender Kritik an diesen Gruppen41. Einen Satz wie den: man müsse „in Forschung und Lehre den widerstreitenden geistigen Strömungen freien Raum bieten“ und daher müsse „die wissenschaftliche Lehrtätigkeit vor den Sturmfluten politischer Leidenschaften geschützt“ werden, hätte die Rote Studentengruppe kaum unterschrieben4*. Über der Abwehr des NSDStB wollte sie den „Kampf der revolutionären Intelligenz gegen die bürgerliche Akademie“, d. h. die Kritik an der impliziten politischen Funktion positivistischer Wissenschaft nicht vergessen sehen43. Während sich die Sozialisten wenigstens in ihrer Wahlwerbung der Roten Studentengruppe weitgehend anpaßten, sah die Republikanische Studentenschaft ihr Heil in der Beteuerung ihrer „Sachlichkeit“ und ihrer Loyalität gegenüber 154 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

dem „lebensfrohen, neuen Gebilde, dem heutigen Volksstaat“44. Die Betonung der staatlichen Anerkennung der Studentenvertretung als eines Selbstzwecks und der „tatkräftigen Vertretung“ studentischer Interessen als eines Teils „nationaler Aufbauarbeit“ ohne Rücksicht auf die reell dafür bestehenden Chancen stand natürlich in innerem Zusammenhang mit der Einsicht, den Inhalt eines politischen Mandats der Studentenschaft nicht selbst maßgeblich bestimmen zu können. Sie verdankte sich auch dem Wunsch, die katholische Fraktion, deren Korporationsflügel stark in Richtung der Nationalen Studentensdiaft tendierte, durch das eigene Vorbild wenigstens auf eine Linie politischer Neutralität und Abstinenz zu verpflichten. Die katholische Fraktion ihrerseits riditete ihre Wahlkampfanstrengungen wesentlich auf die Integration katholischer Korporations- und Freistudenten, wenngleich sie offen lassen mußte, wie die von ihr — im Gegensatz zu den abgelehnten „Parteieinflüssen“ — zentral hervorgehobene katholische „Weltanschauung“ in der Arbeit des Studentenausschusses einen anderen Niederschlag als den der Loyalität gegenüber dem Zentrum finden sollte. Will man die Frage beantworten, welchen Rückhalt die vor allem vom NSDStB diktierte Politisierung der Wahlkämpfe und der Studentenvertretung in der Studentenschaft fand, so bietet eine genauere Analyse der Wahlergebnisse von 1927 bis 1932 dafür einige Anhaltspunkte. Tab. 7: Ergebnisse der AStA-Wahlen an der Universität Freiburg i. Br. 1919—1932* (1919—1926 in %der Sitze, 1927—1932 in % der abgegebenen Stimmen) Datum

Wahl- Links beteil.

Mitte

VI, 1919

unbek.

6,7 Verb. Frbg. Korp. 53,3 Kath. Freisttidenten Demokr. Studentengr. 10,0 Nat. Stud.vgg. Jugcndbew. u. a. Gr. 10,0 (DVP/DNVP) 6,7 13,3 Klinikersdiaft

X, 1919

43%

Kath. Freistudenten 8,8 Verb. Frbg. Korp. 55,8 Demokr. Studentengr. 11,8 Nat. Stud.vgg. 11,8 Klinikerschaft 11,8

VI, 1920

68%

Kath. Freistudenten Demokr. Studentengr. Jugendbewegimgsgr. Jüdisdie Studenten

II, 1921

67%

Hochschul verband kath. Studierender Freie Hochschulgr. Soz. Studentengr. Jüdisdie Liste Nationaljüd. Stud.

Rechts

9,1 Verb. Frbg. Korp. 47,7 9,1 Nat. Stud.vgg. 9,1 4,5 Klinikerschaft 18,2 2,3 Hochschulring 29,1 Dter. Art 8,3 Chemikersdiaft 4,2 4,2 2,1

50,0 2,1

155 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Datum

Wahl- Links beteil.

Mitte

VII, 1921

37%

Hochschulverband Freie Hochschulgr. Soz. Studentengr. Deutsdijüd. Stud. Nationaljüd. Stud.

29,6 Hochschulring 7,4 Dte. Freistud. 1>9 Jungstud. Ring 3,7 1,9

44,4 9,2 1,9

II, 1922

57%

Hochschulverband Freie Hochschulgr.

30,0 Hochschulring 15,0

55,0

VII, 1922

56%

Hochschulverband Freie Hochschulgr.

32,0 Hochschulring 20,0 Dte. Freistud.

36,0 12,0

II, 1924

50%

Hochschulverband Freie Hochschulgr.

40,0 Hochschulring 12,0 Dte. Freistud.

40,C 8,0

VII, 1925

65%

Kathol. Korpor. Kath. Freistudenten Freie Hochschulgr.

24,0 Hochschulring 12,0 20,0

44,0

VII, 1926

unbek

Kathol. Liste Freie Hochschulgr.

36,0 Hochschulring 20,0

44,0

VII, 1927

69%

Kathol. Liste Freie Hochschulgr. Soz. Studentengr.

38,6 Großdte. Stud. 12,5 Nat. Freistud. 3,1

32,5 13,3

VII, 1928

69%

Kathol. Liste Freie Hochschulgr.

36,6 Nat. Studenten 18,8 NSDStB

40,4 4,2

VII, 1929

70%

Kathol. Liste Freie Hochschulgr. Soz. Studentengr.

34,2 Nat. Studenten 11,4 NSDStB 5,9

40,2 8,3

VII, 1930

79%

Kathol. Liste Republ. Stud. Sozial. Stud.

36,8 Nat. Studentensch . 26,4 11,7 NSDStB 17,4 6,0 Ring nat. Studentinnen 1,7

VII, 1931

85%

Rote Kathol. Liste Studentengr. 4,0 Republ. Stud. Sozial. Stud. Entpolitisierungsblock

VII, 1932

41%

Rote Studentengr. 7,7

Rechts

25,1 34,1 NSDStB 5,7 Nat. Studentensch . 21,4 4,9 4,8 NSDStB 50,5 Nat. Studentensch. 41,9

* nach den Aufstellungen UAF XIV/1—6/1, AMF, FSZ und Breisg. Ztg. v. 15. 7. 32

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157

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Kollegienhaus (73 %) Anatomie (19 %) Chem. Institut (8 %) Insgesamt

Kollegienhaus (63 %) Anatomie (26 %) Chem. Institut (11 %) Insgesamt

Kollegienhaus (52 %) Anatomie (25 %) Chem. Institut (23 %) Insgesamt

1928

1930

1931

4,5 4,6 3,6 4,0

4,6 5,5 5,1 4,9

5,5 7,2 4,5 6,0

3,1 4,2 1,4 3,1 17,2 28,1 11,3 18,8

6,6 5,1 4,5 5,7

10,4 14,1 13,7 11,7

12,3 16,8 7,9 12,5

43,0 25,3 23,0 34,1

43,0 26,3 25,6 36,8

42,2 21,6 20,6 36,6

43,6 23,4 22,1 38,7

13,0 12,2 16,9 13,3

17,3 22,2 28,5 21,4

22,3 30,2 41,6 26,4

36,4 45,8 64,3 40,4

Nation. Freistud. 27,9 43,3 51,6 32,5

19,4 29,9 30,2 25,1

16,8 20,9 12,2 17,4

4,1 4,4 3,8 4,2

NSDStB Nationale Studentensch.

3,4 7,4 5,0 4,8

1,8 1,2 2,3 1,7

Sonst.

* Die Prozentzahlen in Klammern bedeuten den Anteil der in dem betr. Abstimmungslokal abgegebenen Stimmen an der Gesamtzahl der Abstimmenden.

Kollegienhaus (76 %)* Anatomie (14 %) Chem. Institut (10 %) Insgesamt

1927

Rote Sozial. Kathol. Republik. Studentengr. Studentensch. Studentensch. Liste

Tab. 8: Die Wahlen zum Studentenausschuß in den Jahren 1927, 1928, 1930 und 1931 (nach Abstimmungslokalen und in % der abgegebenen Stimmen)

Gliedert man die bei den AStA-Wahlen kandidierenden Gruppen politisch auf in eine Rechte (nichtkonfessionelle Korporationen; Hochschulgruppen der DVP, der DNVP und des Stahlhelm; NSDStB), eine Mitte (katholische Korporationen und Freistudenten; Republikanischdemokratische und Sozialistische Studentenschaft; dazu 1931 der vorwiegend jüdisch getragene „Entpolitisierungsblock“) und eine Linke (Rote Studentengruppe, seit 1931), dann ergibt sich für die Periode zwischen 1927 und 1931 folgendes Bild: Die Rechte insgesamt gewinnt nur geringfügig an Boden. Innerhalb der Rechten steigt der NSDStB gegenüber allen anderen Gruppen, die seit 1928 auf einer gemeinsamen Liste kandidieren, stetig an und gewinnt 1931 54 % aller Rechtsstimmen, das ist ein Viertel der Gesamtstimmenzahl. Die Gewinne des NSDStB gehen dabei sowohl auf Kosten der parteipolitischen Rechtsgruppen wie der Korporationen, deren Stimmpotential zwischen 1927 und 1931 auf etwa die Hälfte sinkt. Die für die Jahre 1928, 1930 und 1931 vorliegenden Abstimmungsergebnisse aus dem Anatomischen Institut, wo zwar nicht alle, aber doch ausschließlich Mediziner abgestimmt haben dürften, zeigen, daß dort die Rechte insgesamt stärker ist als im Freiburger Durchschnitt, aber bei sinkender Tendenz (1927: 55 %, 1931: 52 % ) . Der Anteil des NSDStB innerhalb der Rechten wächst hier besonders steil an; er beträgt 1931 57 %. Im Chemischen Institut, wo außer Medizinern auch ein Teil der Naturwissenschaftler abgestimmt hat, zeigt sich folgende Tendenz: Die Rechte insgesamt hat hier ihre stärkste Stellung, wenngleich ebenfalls stark abfallend (1927: 68 %, 1931: 58 % ) . Der NSDStB gewinnt hier relativ langsam an Boden und erreicht innerhalb der Rechten erst 1931, als die Zahl der Abstimmenden im Chemischen Institut sich verdoppelt (im wesentlichen wohl Mediziner), mit 52 % eine knappe Mehrheit. Im Kollegienhaus, wo das Gros der Abstimmenden der rechts- und staatswissenschaftlichen, philosophischen und theologischen Fakultät angehört sowie ein gewisser Prozentsatz der abstimmenden Naturwissenschaftler und Mediziner in Anschlag zu bringen ist, stellt sich die Situation für die Rechte am ungünstigsten dar: Insgesamt erhält sie dort zwischen 41 % (1927) und 3 7 % (1931) der Stimmen. Parallel zu diesem Absinken der Rechten geht das Sinken der Frequenz in der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät, der man den Großteil dieser Rechtsstimmen zuordnen darf, wenn man ihre Merkmale hinsichtlich Unterschichtenanteil, Frauenstudium und Konfession berücksichtigt. Der Anteil des NSDStB innerhalb der Rechten steigt hier zu Beginn stärker als zwischen 1930 und 1931; in diesem Jahr beträgt er 54 % der Rechtsstimmen. Die Mitte erzielt zwischen 1927 und 1930 jeweils über 50 % der abgegebenen Stimmen; der Stimmanteil der katholischen Fraktion verhält sich dabei zu dem der demokratischen und sozialistischen Gruppen grob wie 2 : 1 . Eine deutliche 158 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Korrelation besteht zwischen dem Prozentsatz von Katholiken in verschiedenen Fakultäten und dem dort erzielten Erfolg der katholischen Liste. Die demokratischen und sozialistischen Listen erreichen die höchsten Prozentzahlen regelmäßig in der Anatomie. Ein Grund dürfte das stärkere Frauenstudium unter den Medizinern sein; ein weiterer, wohl wichtigerer, der besonders hohe Anteil jüdischer Studenten unter ihnen (1928 bekannten sich 12 % der Medizinstudenten zur jüdischen Konfession). Diese Vermutung wird dadurch belegt, daß die genannten Gruppen in der Anatomie 1931 über 7 % an den von jüdischen Studenten getragenen „Entpolitisierungsblock“ verlieren. Die Rote Studentengruppe als Vertreterin der extremen Linken erreicht bei ihrem ersten Auftreten 1931 ziemlich gleichmäßig in allen Abstimmungslokalen 4 %> der Stimmen. Obgleich ihre Gewinne stärker als die Verluste der sozialistischen und demokratischen Studentengruppen sind, verliert die Mitte insgesamt dadurch die Mehrheit der Stimmen und auch die Mehrheit der Sitze im Studentenausschuß. Die Wahlbeteiligung, die sich bis 1929 etwa bei 70 % hält und über 79 % im Jahr 1930 auf 85 % im Jahr 1931 ansteigt, wirkt sich allem Anschein nach nicht einseitig zugunsten einer Gruppe aus. Da die Fluktuation der Freiburger Studentenschaft relativ stark ist, besteht ein sehr hoher Prozentsatz der Abstimmenden aus „Neuwählern“, d. h.Überwechslern von anderen Universitäten und vor allem Studienanfängern. Ihre Wahlentscheidung dürfte einen mindestens ebenso starken Einfluß auf das Wahlergebnis gehabt haben wie die der von der letzten Wahl verbliebenen „Stammwähler“. Es spricht alles dafür, daß sich die Neuwähler, wenn überhaupt, nur in geringem Grad stärker für die Extreme entschieden haben als die Stammwähler. Seit 1927 ist der Anteil der Medizinstudenten an der Gesamtzahl der Studenten in rapidem Anwachsen begriffen. Wenn die Rechte ihren Prozentsatz an der Gesamtzahl der Abstimmenden trotz sinkender Tendenz in allen drei Abstimmungslokalen zwischen 1927 und 1931 halten kann, so ist das nur zu erklären durch das wachsende Gewicht derjenigen Fakultät auf das Gesamtergebnis der Wahlen, in der ihre und vor allem des NSDStB Stellung führend ist. Im Jahr 1932 finden irreguläre Wahlen statt. Die Gruppen, die hier als Mitte bezeichnet werden, beteiligen sich nicht daran, nachdem ihr Antrag auf Ausschluß des NSDStB von der Wahl nicht durchdringt (vgl. o. S. 110). Die Anhänger der Mitte üben, wie aufgefordert, ziemlich vollständig Wahlenthaltung. Rechnet man die von der Rechten und Linken erreichten absoluten Zahlen auf eine Wahlbeteiligung wie die des Vorjahres um, dann ergibt sich, daß inzwischen so gut wie keine Veränderungen in der Stellung der verschiedenen Gruppen in der Studentenschaft eingetreten sind. Als wichtigste Ergebnisse sind festzuhalten, daß in den Wahlkämpfen zwischen 1927 und 1932 vor allem das knapp unter der Hälfte der jeweils Wählenden liegende Stimmpotential der Rechten in Richtung des NSDStB radikalisiert wurde und daß dieser Prozeß besonders deutlich unter Medizinstudenten in Erscheinung trat. Die Steigerung der Wahlbeteiligung bedeutete keinen ein159 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

seitigen Vorteil für die Rechte oder speziell den NSDStB. Die Mitte wurde zwar geschwächt, jedoch stärker in Richtung der radikalen Linken als der Rechten. e) Die Ausübung des politischen Mandats durch den Studentenausschuß Unabhängig von aller inhaltlichen Bestimmung des politischen Mandats der Studentenschaft verlangt seine legitime Ausübung durch die Studentenvertretung die Herstellung einer studentischen Öffentlichkeit, in der Informationen getauscht und bewertet und die Kriterien des Urteils über politische Angelegenheiten diskutiert werden. Wenn die Studentenvertretung sich in Ausübung des Mandats nicht als Gremium empfindet, wo praktische Urteilskraft sich exemplarisch an der Einschätzung gesellschaftlicher Voraussetzungen und Folgen von Wissenschaft versucht, sondern als staatsbürgerliches Repräsentativorgan im engeren Sinn, ist dieser Rückbezug auf eine studentische Öffentlichkeit um so unentbehrlicher (womit über die rechtliche Problematik einer solchen Mandatsausübung noch gar nichts gesagt wäre). Es ist offenkundig, daß den politischen Stellungnahmen des Freiburger Studentenausschusses im Berichtszeitraum eine solche Legitimation nur sehr bedingt zukam. Die politische Bildungsarbeit derjenigen Gruppen, die seine Zusammensetzung bestimmten, war weitgehend intern und ihrerseits mit Sinn und Zweck der Hochschule nicht unmittelbar zusammengebracht. Sie blieb, wie gezeigt wurde, entweder auf gesellschaftliche Elitepositionen (Korporationen) oder auf die Herstellung von Parteiloyalitäten in der Studentenschaft (parteipolitische Studentengruppen) primär bezogen. An der Institutionalisierung einer studentischen Öffentlichkeit waren diese Gruppen teils nicht interessiert, teils — das gilt vor allem für die politischen — durch die Universität gehindert. So ergab es sich beinahe von selbst, daß der Studentenausschuß bei bestimmten Gelegenheiten den Resonanzboden für politische Meinungen abgab, die zum undiskutierten Bestand der ihn konstituierenden Gruppen gehörten. Das vom AStA im WS 1920/21 eingerichtete „Studentische Vortragsamt“, das im SS 1927 durch ein „Amt für politische Bildung“ abgelöst wurde, gelangte wie jenes nie zu einer bemerkenswerten Wirksamkeit. Seine Konzeption litt, wie ähnliche „staatsbürgerliche“ Unternehmungen nach 1945, an einem Nichternstnehmen der sozialen Grundlagen politischen Dissenses: es gehe diesem Amt, so hieß es bei der Gründung, um die „Überwindung aller z. Zt. noch unser gesamtes öffentliches Leben beherrschenden Klassen- und Parteiphrasen“, um „ein Solidaritätsgefühl auch der geistigen Arbeiter . . . zum Aufbau einer wahrhaften Volks- und Kulturgemeinschaft“45. Es ist unter diesen Umständen nicht erstaunlich, daß die wenigen zustandegekommenen Vortragsveranstaltungen, soweit sie nicht lebensreformerischen Einschlag hatten (wie Vorträge über die „Alkoholfrage“ und „Genußmittel“), nationalkonservative Tendenz zeigten, d. h. politische Bildung mit „nationaler Erziehung“ gleichsetzten (wie ζ. Β. ein Vortrag Seeckts am 6. 5. 31 über „Deutsche Wehrfragen“). Außer informellen Veranstaltungen, die sich privater Initiative verdankten 160 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

oder den staatsbürgerlichen und zeitgeschichtlichen Vorlesungen der Universität46 war daher hauptsächliches Organ politischer Meinungsbildung in der Studentenschaft die Studentenzeitung, die diesen Namen allerdings erst seit 1930 voll verdiente. In den „Akademischen Mitteilungen“ (1925ff.) standen der Studentenschaft jeweils nur drei Seiten zur Verfügung; ihre Redaktion lag in den Händen eines Oberrechnungsrats der Universität47. Seit 1927 hatte der Studentenausschuß versucht, eine eigene Zeitung herauszugeben, doch stieß er damit auf den lang andauernden Widerstand des Senats. Die Leitung der im SS 1930 schließlich gestarteten „Freiburger Studentenzeitung“ bestand aus einem dreiköpfigen Ausschuß des AStA, der durch je ein Mitglied der Studentenhilfe und des Senats mit beratender Stimme ergänzt wurde. Nach ersten Schwierigkeiten (man hatte zunächst keinen Vertreter der republikanischen Studenten berücksichtigt) wurde dieser Ausschuß paritätisch besetzt, bis ihn im WS 1932/33 NSDStB und Nationale Studentenschaft allein übernahmen. Ein Überblick über die Verteilung der Stimmen in der FSZ zeigt: Etwa 15 Studenten steuerten mehrmals einen Artikel bei und bestimmten damit weitgehend das Gesicht der Zeitung. Von den politisch relevanten Artikeln sind zuzurechnen: 40 Mitgliedern des NSDStB oder anderen Studenten, die sich offen zum Nationalsozialismus bekannten; 20 nationalkonservativen Studenten, vornehmlich aus dem Stahlhelm-Studentenring; 15 katholischen Studenten (Jugendbewegung und Nichtorganisierte); 15 Studenten mit Neigung oder Zugehörigkeit zur Demokratischen oder Sozialdemokratischen Partei; 10 der Roten Studentengruppe, die ihre Artikel meist als Kollektivarbeiten publizierte. Bei den Buchanzeigen ergibt sich ein noch eindeutigeres Verhältnis zugunsten der Rechten. Die etwa 25 besprochenen oder absatzweise abgedruckten politisch relevanten Schriften stammten bis auf drei von Schriftstellern der parteipolitischen oder ideologischen Rechten; allein Gerhard Ritters „Gneisenau und die deutsche Freiheitsidee“ (seine Reichsgründungsrede 1932) konnte Anspruch auf wissenschaftlichen Charakter erheben. Die vorgestellte belletristische Literatur sagt mehr über emotionale als über ästhetische oder wissenschaftliche Bedürfnisse der Studenten; ganz vorwiegend bestand sie aus dem Heimatroman oder dem historischen Roman. Von diesem zumal versprach man sich „eine Deutung der Geschichte“, die „Übermittlung einer Schau“, eine „Sinngebung“, die man bei der Universitätswissenschaft vermißte48. Da der wesentliche Inhalt der FSZ in dieser Arbeit aufgeschlüsselt Verwendung findet, genügt hier die Bemerkung, daß das allgemeine Niveau nur selten die Propagandaschwelle überstieg und eine Kritik an dieser Tatsache sich eher in der Erörterung von Fragen akademischen Stils und Tons ausdrückte als in substantiellen Entgegnungen48. Die katholischen und schlagenden Verbindungen, auf deren Votum politische Entschließungen im AStA zurückgingen oder angewiesen waren, traten in der Studentenzeitung, so weit sich das feststellen läßt, fast gar nicht in Erscheinung; es wundert daher nicht, daß gerade die Themen, die zum Gegenstand politischer Äußerungen des AStA wurden, in der FSZ nicht oder nicht auf den besonderen Fall bezogen erörtert wurden. 11 Kreuzberger, Studenten und Politik © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

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Aus den genannten Gründen erklärt es sich, daß politische Resolutionen des Studentenausschusses nicht so sehr das Ergebnis einer in der Studentenschaft öffentlich geführten Diskussion als die Übernahme von Initiativen und meist auch Texten waren, die die DSt ausgearbeitet und den Einzelstudentenschaften zum Zweck der Unterstützung und Verbreitung zugeleitet hatte. Auf politischem Gebiet wiederholte sich, was auch sonst für das Verhältnis der örtlichen Studentenausschüsse und der DSt charakteristisch war: die meist älteren, aktiveren, juristisch und wissenschaftlich vielfach beschlageneren, mit politischen Kontakten und Informationen ausgestatteten Mitglieder der DSt-Führungsgremien bestimmten „von oben“ wesentlich den Kurs (wenngleich kaum die Qualität) der Arbeit in den Einzelstudentenschaften. Auch Freiburg, das sich aus schon erwähnten Gründen im ganzen eher distanziert zur DSt verhielt, konnte sich dem nicht entziehen. Allerdings war zur Verabschiedung von Resolutionen des Studentenausschusses, die zum festen Bestand der politischen Kundgebungen aller deutschen Studentenschaften in jener Periode gehören, jeweils die Zustimmung wenigstens eines Teils der katholischen Fraktion nötig und ausschlaggebend, und zwar meist solcher Studenten, deren Loyalität gegenüber dem Korporationsgeist oder dem in der DSt-Spitze vertretenen Verband andere Rücksichten politischer oder hochschulpolitischer Art überwog50. Nun wäre es falsch, wollte man die Tätigkeit des AStA für eine einzige Kette politischer Stellungnahmen halten. In Freiburg ist in dieser Hinsicht zweifellos sehr viel weniger geschehen als in der DSt (für die eine systematische Aufstellung fehlt) oder in den norddeutschen Studentenschaften, wo die Mehrheitsverhältnisse um einiges eindeutiger als in Freiburg waren und seit 1927 mit der staatlichen Anerkennung auch rechtliche Schranken entfielen. Auch ist zu berücksichtigen, daß für die Zeit vom Frühjahr 1921 bis SS 1926, als die Protokolle des Studentenausschusses einsetzten, Nachrichten über den Freiburger Studentenausschuß weitgehend fehlen und daher das Ausmaß der Identifikation von AStA- und DSt-Politik nicht zu bestimmen ist. Da der AStA von 1926 bis ins Jahr 1929 fast ausschließlich mit der Frage seiner Satzung und der Modalitäten seiner Mitgliedschaft in der DSt beschäftigt war, kann eigentlich, sieht man von der unmittelbaren Nachkriegszeit ab, nur in der Periode zwischen 1929 und 1932 von einer kontinuierlicheren Wahrnehmung des politischen Mandats durch ihn gesprochen werden. Man kann dabei im wesentlichen eine „völkische'' und eine „nationale“ Variante unterscheiden. Den ersten Typ repräsentieren jene Resolutionen, die auf die „Reinerhaltung“ der deutschen Studentenschaft abzielten, damit sie „getreu ihrer geschichtlichen Überlieferung den Kampf um die Deutscherhaltung von Land und Volk, vor allem aber auch der hohen Schulen“ führen konnte51. Zu denken ist dabei ζ. Β. an eine Entschließung des Studentenausschusses vom Juli 1920, worin die Reichs- und Landesregierungen aufgefordert wurden, „eine Nachprüfung und evtl. Nichtigkeitserklärung der seit 1914 erfolgten Naturalisation von Ost juden und sonstigen Ausländern in die Wege zu leiten“, um eine Immatrikulation solcher „Elemente“ an deutschen Hochschulen zu verhindern 162 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

oder zu erschweren52. Auch die bereits erwähnte Resolution zum österreichischen Studentenrecht von 1931 gehört in diese Reihe und der gescheiterte Versuch des NSDStB, eine den numerus clausus für Juden befürwortende Resolution des Studentenausschusses herbeizuführen. Die logische Fortsetzung dieser Denkungsart war es, wenn die Studentenschaft sich zum Sachwalter des deutschen Charakters der Hochschulen überhaupt erklärte und gegen Hochschullehrer Stellung bezog, deren „nationale Haltung“ in ihren Augen zu wünschen übrig ließ und die in den hier genannten Fällen auch dem Kriterium „deutscher Abstammung“ nicht genügten. Im Jahr 1921 noch hatte der AStA im Fall Kantorowicz eine eher mäßigende Rolle gespielt. Das dafür ausschlaggebende Moment des „akademischen Lehrern geschuldeten Respekts“ klang auch noch durch, als der AStA im Juni 1926 eine SympathieResolution an die Hannoversche Studentenschaft im Fall Lessing damit begründete, daß „nicht Mangel an Autoritätsempfinden, sondern das Streben nach Reinhaltung der Wissenschaft von undeutschen und unakademischen Tendenzen“ ihn zur Unterstützung des Kampfes gegen Theodor Lessing veranlasse53. Selbst in der Resolution des Studentenausschusses gegen Emil Gumbel vom Februar 1931 fehlte nicht eine Berufung auf die Heidelberger Kollegen Gumbels, die ein „vernichtendes Urteil“ über ihn gefällt und damit die „nationale Jugend . . ., die ein Einvernehmen in der Auffassung über die Ehre unseres Volkes zwischen Lehrenden und Lernenden als notwendig erachtet“, bestätigt hätten54. Während der Rektor einer scharfen Reaktion des Ministeriums auf diese Entschließung dadurch zu begegnen suchte, daß er es als den Vorzug ihres „gemäßigten“ Tons bezeichnete, den radikalen Druck des NSDStB aufgefangen und den einheitlichen Block aus Waffenstudenten und katholischen Korporationen erhalten zu haben, kritisierten die katholischen Freistudenten und der Freiburger Unitas-Verband die Resolution und deren Verabschiedung mit Hilfe katholischer Korporationsstudenten gerade deshalb, weil damit dem Kampf des NSDStB gegen die Staatsautorität Schützenhilfe geleistet worden sei55. Diese Kritik bestritt ebenso wie die früher zitierte des Ministers in erster Linie die formale Kompetenz des Studentenausschusses in dieser Angelegenheit und berührte die vom Studentenausschuß herangezogene „vaterländische Selbstverantwortung“ als solche nicht. Der zweite Typ politischer Entschließungen des Studentenausschusses betraf alle jene Fragen, die mit den unmittelbaren und langfristigeren Folgen des Versailler Vertrags zusammenhingen. Eindeutiger noch als in der Frage der Behandlung jüdischer Studenten und Dozenten befand er sich hier in Übereinstimmung mit den Auffassungen der Professorenschaft, wie aus deren Schriften und Reden hervorgeht. So richteten im Januar 1920 sowohl der AStA wie der Senat die Aufforderung an die Reichsregierung, „daß sie niemals dem Verlangen der Entente Folge leistet, die hunderte deutscher Männer auszuliefern, die für ihr Vaterland in schwerster Zeit in treuer Pflichterfüllung ihr Bestes geleistet haben“5'. Das entsprach vielfältigen Äußerungen der Öffentlichkeit, welche die Reichsregierung 163

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in ihrem Bemühen, die Strafbestimmungen der Artt. 227—230 des Versailler Vertrags hinfällig werden zu lassen, unterstützten. Einig waren sich Senat und AStA auch darin, Ausländer von den deutschen Hochschulen fernzuhalten oder zu verweisen, wenn in deren Heimatstaaten deutsche Staats- oder Volksangehörige diskriminiert würden57. Weitere Resolutionen des AStA galten der französischen Besatzungspolitik („schwarze Schmach am Rhein“), der Besetzung der Ruhr 1923 oder der endlichen Räumung des Rheinlandes 193058. Im ganzen waren sich die verschiedenen Richtungen der Studentenschaft dabei ebenso einig wie bei der Verabschiedung einer Entschließung gegen die „Kriegsschuldlüge“ im Juni 1929, worin der AStA „um der Gerechtigkeit, Menschlichkeit und nationalen Selbstbehauptung willen“ gegen den Versailler Vertrag protestierte und die Erwartung an die Reichsregierung ausdrückte, „eine Wiederherstellung der deutschen Ehre durch nachdrückliches Eintreten für die Beseitigung des Artikels 231 (des „Kriegschuld“Artikels) des Friedensvertrages“ zu bewirken. „Damit erwirkt Deutschland das Recht auf Rückgabe der widerrechtlich entrissenen Gebiete, das Recht auf Selbstbestimmung aller seiner Volksteile... und das Recht auf Wehrhaftigkeit als der wichtigsten Voraussetzung für die Freiheit und Unabhängigkeit jeder Nation.“5» Die Einheit in diesen Fragen war in dem Grad gefährdet, wie der latente innenpolitische Konflikt über den Zusammenhang von Niederlage und Revolution, Versailles und Weimar die Einschätzung konkreter Maßnahmen zur Revision der außenpolitischen Lage Deutschlands bestimmte. Als den preußischen Hochschulen 1929 die Abhaltung offizieller Kundgebungen gegen den Versailler Vertrag auf Grund einer Empfehlung der Reichsregierung untersagt wurde, wurde das in den preußischen Studentenschaften als besonders schmähliches Beispiel der „Erfüllungspolitik“ gebrandmarkt und in Berlin mit schweren, erstmals offen nationalsozialistisch beeinflußten Krawallen beantwortet60. Im Freiburger AStA, der die Kriegsschuld-Resolution vierzehn Tage zuvor noch einstimmig gebilligt hatte, fand sich diesmal nur eine Stimme Mehrheit für einen Protest gegen das preußische Verbot, das als „schwerer Eingriff in die akademische Freiheit“ bezeichnet wurde; dagegen wurde mehrheitlich eine Veröffentlichung dieser Entschließung in der Presse abgelehnt“. Ähnlich zwiespältig verhielt sich der AStA im Februar 1930, als der NSDStB versuchte, die Freiburger Studentenschaft nach dem Vorbild Göttingens, Kiels und Greifswalds zur Identifikation mit dem Volksbegehren der späteren Harzburger Front über ein „Freiheitsgesetz“ zum Youngplan zu bewegen. Das wurde zwar (bei Stimmengleichheit) abgelehnt, da sich die DSt derartigen Bindungen gegenüber noch zurückhaltend zeigte; zugleich aber wurde (gegen die Stimmen der Demokraten und Sozialisten) beschlossen, Listen für eine Adresse an den Reichspräsidenten aufzulegen62. Eine deutliche Radikalisierung verrät die am 9. Dezember 1930 vor der Universitätsbibliothek in Anwesenheit des Rektors, zahlreicher Professoren und Studenten abgehaltene Kundgebung gegen die „Polengreuel in Oberschlesien“, 164 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

auf der eine von der DSt vorgelegte Entschließung angenommen wurde, die „die politische Entrechtung und Knebelung des Deutschtums in Polen und den unerhörten Fanatismus der polnischen Aufständischen“ geißelte, „die unter dem Schutz der polnischen Behörden mit unerhörter Grausamkeit gegen das Deutschtum in Oberschlesien wüten“. Die Reichsregierung wurde aufgefordert, „nicht länger mitanzusehen, wie wehrloses Deutschtum unter den Quälereien rücksichtsloser Chauvinisten leiden muß“. Die Rede, die der ehemalige Corps- und Freicorpsstudent und nunmehrige Stahlhelm-Landschaftsgruppenführer Wenzl auf dieser Kundgebung hielt, gab die politischen Mittel an, wie den deutschen Interessen zur Durchsetzung zu verhelfen sei: nicht Locarno und Völkerbund, nicht Youngplan oder eine andere friedliche Politik könnten hier eine Lösung bringen, sondern allein der „Wille zur Wehr und zur Macht“63. Wenn Wenzl schloß: „Deutschland wird frei sein, wenn es frei sein will“, so war das der gleiche aberwitzige Voluntarismus, der 1918 verblendeten Anhängern der Vaterlandspartei die Niederlage leugnen half: „Der Glaube an den Sieg“, so damals ein Freiburger Professor, „schafft den Sieg!“64 Nach der Logik, der solche Sätze folgten, mußte jede von einer anderen politischen Moral oder auch nur einer realistischen Einschätzung der Situation geleitete Auffassung internationaler Beziehungen dem Landesverrat gleichkommen. Es war dann nur natürlich, wenn die Opponenten gegen eine geharnischte Resolution des AStA zur Genfer Abrüstungskonferenz im Januar 1932 von ihren Gegnern als „Lumpen“ tituliert wurden und der nationalsozialistische „Alemanne“ ihnen eine „unglaubliche Verlumpung der Gesinnung und völkische Interesselosigkeit“ bescheinigte65. In der vom AStA mit den Stimmen des NSDStB, der Nationalen Studentenschaft und der katholischen Korporationen angenommenen Entschließung hieß es: „Die deutschen Hochschulen empfinden es als eine nationale Erniedrigung, daß der deutschen Jugend das verboten ist, was bei den kleinsten Völkern der Erde als höchste nationale Pflicht und Ehre gilt, nämlich die Vorbereitung auf den Schutz der Heimat für den Fall einer Bedrohung von außen . . . Wir deutsche Jugend sind bereit, gegebenenfalls für unser Recht und unsere Ehre zu kämpfen. Wir wollen nicht mehr länger als Sklaven leben! Wir fordern Wehrhoheit und Abrüstung der Feindstaaten, wie sie uns auferlegt ist, und fordern damit unsere Freiheit“66. Daß die hier geforderte Freiheit so wenig mit jener zu tun hatte, von der die Inschrift der Freiburger Universität sagt, sie stamme aus der Wahrheit, läßt die Problematik eines so ausgeübten politischen Mandats noch einmal schlaglichtartig erkennen. „Akademische Freiheit“, sofern sie überhaupt im politischen Handeln der Studentenschaft mitgemeint war, hieß hier nicht Teilnahme an einer Bestimmung von Wissenschaft, die sich unbegriffenen Zwängen traditionaler Herrschaft und Gewalt zugunsten eines menschenwürdigen Lebens entgegensetzt — wie es dem Pathos okzidentaler Wissenschaft immerhin einmal eigen war; sondern gerade Verzicht auf solche Selbstbestimmung zugunsten der Hingabe an einen Aktivismus, der keine andere Perspektive als die irrationaler Gewaltverhältnisse kennt. Wenn die hier wiedergegebenen Stellungnahmen der 165 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Studentenschaft politische Erfahrungen auf eine Weise reflektierten, die sie — im Sinne eines „pathologischen Lernens“ (K. W. Deutsch) — von den Urhebern dieser Politik so wenig wie von einer breiten Öffentlichkeit unterschied, dann wirft das zwar ein Licht auf die objektiven Grenzen, denen die Einsicht akademischer Bürger so gut wie anderer unterworfen war. Es macht aber die Überlegung nicht entbehrlich, auf welche Weise der von der Studentenschaft erhobene Anspruch, der Verantwortung von Hochschule und Wissenschaft gegenüber dem Volk zu genügen, anders und besser hätte eingelöst werden können als durch die Forderung nach rassischer und nationaler Disziplinierung im Zeichen eines angeblichen Primats der Außenpolitik. Wie diese Forderung bereits vor dem Januar 1933 tendenziell den Begriff des Studentseins selbst zu verändern begann und zwar in Richtung der beiden ersten Bestandteile der Heideggerschen Formel von 1933 („Arbeits-, Wehr- und Wissensdienst“) soll abschließend noch erläutert werden. f) „Arbeitsdienst“ und „Wehrsport“ der Studentenschaft Die Beteiligung der Studentenschaft an der ursprünglich aus Kreisen der Jugendbewegung entwickelten Konzeption der Arbeitslager und des Arbeitsdienstes“ gegen Ende der Weimarer Republik war in manchem noch ein Abglanz jenes sozialen Pathos, das zweifellos ein wesentlicher Antrieb der Gründergeneration der DSt gewesen war. Die von der Freistudentenschaft der Vorkriegszeit gehegte Vorstellung, daß soziales Denken und Handeln primär individuelle Hinwendung zum Volksgenossen meine, die sich aus der eigenen privilegierten und zur Einsicht befähigenden Stellung verpflichtend ergebe, hatte sich im Krieg verstärkt. Viele Studenten und Abiturienten hatten als Offiziere eine Form fürsorgender Kameradschaft kennengelernt, von der sie glauben mochten, sie biete einen Ersatz für die kollektive Austragung sozialer Konflikte. Wenn sich daher die Studenten nach dem Krieg, in Anpassung an die veränderten Klassenverhältnisse, nicht scheuten, als „geistige Arbeiter“ eine grundsätzliche Solidarität mit der Arbeiterschaft überhaupt zu bekunden, dann bedeutete das in der konkreten Situation der Revolution, der Streiks und der Unruhen doch keineswegs eine Identifikation mit den Formen politischer und sozialer Interessendurchsetzung, die für die Arbeiterbewegung typisch und erforderlich waren. Vielmehr stellte die bezahlte Teilnahme vieler Studenten an den Zeitfreiwilligenregimentern und der Technischen Nothilfe (einer gegen Streiks eingesetzten Freiwilligenorganisation) oft eine dezidierte Parteinahme gegen die Arbeiterschaft dar*8. Weder die aus der Vorkriegszeit überkommenen und nach dem Krieg vom AStA und einzelnen Organisationen (u. a. der Burschenschaft) zunächst weitergeführten „Arbeiterunterrichtskurse“69' noch die — in Freiburg unter dem Reichsdurchschnitt liegende — individuelle Werkarbeit von Studenten konnten an dem Mißtrauen der Arbeiter etwas ändern oder an der in der Studentenschaft vorherrschenden Anschauung, daß primär die „Verhetzung“ der Arbeiterschaft durch sozialistische Parteien am Ausbleiben der Volksgemeinschaft die Schuld trage. 166 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Auch wenn, wie in einem Aufruf des AStA vom WS 1920/21, Ressentiments der Arbeiter als nicht ganz unberechtigt erklärt und die Studenten aufgefordert wurden, sich in die „Seele des Arbeiters“ einzufühlen, „in jedem Arbeiter den gleichberechtigten Volksgenossen“ zu sehen, hatte das doch primär den Zweck, den „Parteihader“ zugunsten der nationalen Einheit nach außen überwinden zu helfen. War, so ging die Hoffnung, erst einmal „die vergiftende und verderbliche Frucht der Uneinigkeit“ ausgerottet, so würden „an dem sittlich erneuerten deutschen Volk . . . die von auswärts hereinbrechenden Fluten des Internationalismus und Pazifismus sich brechen“70. Jeder sozialromantischen Interpretation des Werkstudententums stand die statistisch erwiesene Tatsache entgegen, daß gerade Studenten aus den oberen sozialen Schichten am seltensten Werkarbeit leisteten und daß eine möglichst studienkonforme, schmutzige Arbeiten vermeidende (d.h. zumeist: Büro- oder Lehr-)Tätigkeit bevorzugt wurde71. Mit den Jahren gewannen daher neben dem Gesichtspunkt sozialer Versöhnung andere Argumente für die Werkarbeit an Gewicht; man pries jetzt ihren Wert für die körperliche Ertüchtigung und die Bekämpfung der mit den bisherigen Formen des Studiums gegebenen „Überintellektualisierung“72. Mit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise war an individuelle Werkarbeit alten Stils ohnehin kaum mehr zu denken; die Arbeitslosigkeit gerade junger Menschen ging parallel mit einer „Überfüllung“ der Hochschulen, deren traditionelle Sozialisationsmuster als immer wirklichkeitsfremder empfunden wurden. Da ergab es sich beinahe von selbst, daß sozial heterogen zusammengesetzte, geistige und körperliche Schulung vereinende Arbeitslager als eine „sinnvolle Lebensform neben der Hochschule“, als Alternative zu deren „unbefriedigender geistiger Situation“ weitere Verbreitung fanden73. Noch bevor die Reichsregierung im SS 1931 durch Notverordnung die Grundlagen für einen freiwilligen Arbeitsdienst geschaffen hatte, sahen politische und paramilitärische Großorganisationen eine Möglichkeit, sich dieses Instruments für eigene Zwecke zu bedienen74. Audi in der DSt (vor allem aber im Deutschen Studentenwerk) war seit längerem über Sinn und Wert des Arbeitsdienstes diskutiert worden. So hatten sich ζ. Β. die südwestdeutsdien Studentenschaften auf einem Kreistag der DSt zu Beginn des WS 1930/31 verpflichtet, „für den Gedanken des freiwilligen Arbeitsdienstes und der Arbeitskolonien zu werben“75. In den Sommerferien 1931 fand ein Arbeitslager der badisdien Studentenschaften in Egringen/Südbaden statt, das wie ein ähnlidies der DSt in Obersdllesien als „Grenzlandlager“ aufgezogen wurde. Wenn das Ministerium die Verwendung von Mitteln der Studentenschaft für diesen Zweck nicht gestattete, so war das — neben der Rücksidit auf gesetzliche Bestimmungen zum Freiwilligen Arbeitsdienst — wohl der Sorge zuzuschreiben, hier werde eine völkisch-aggressive Ideologie, staatlich gefördert, Verbreitungsmöglidikeiten erhalten76. Von Seiten der sozialistisdien Studenten wurde eher die Befürditung geäußert, der freiwillige Arbeitsdienst der Studenten werde die Spannungen zu arbeitslosen und anderen Arbeitern verschärfen, doch ging die mehrheitliche Meinung dahin, die Arbeitslager würden kaum Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben, 167 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

um so mehr aber symbolischen und erzieherischen Wert besitzen“. Die im ganzen sachliche Diskussion des Vorhabens spricht jedenfalls dafür, daß das Arbeitslager der Freiburger Studentenschaft kein nationalsozialistisches Schulungslager wurde. Darauf deutet auch, daß die im August 1931 an den NSDStB übergegangene DSt-Führung den badischen Beauftragten für die Arbeitslagerbewegung abberief, weil er mit anderen am Arbeitsdienst interessierten Organisationen — so dem Reichsbanner, dem Jungdeutschen Orden und den Volkshochschulen — Kontakt aufgenommen hatte. Der Freiburger Studentenausschuß seinerseits zeigte sich erst nach einigem Zögern bereit, die für den Arbeitsdienst gesammelten freiwilligen Beiträge der Studenten an den neuen Beauftragten der DSt abzuführen78. Wo die DSt Arbeitslager unter vollständiger Direktion hatte, erhielten sie im Lauf der Jahre 1931/32 mehr und mehr den Zuschnitt von paramilitärischen Ausbildungsstätten oder Schulungskursen für den „Einsatz“ der Teilnehmer an den Hochschulen79. Je mehr die staatliche Arbeitsdienstpolitik unter Papen und Schleicher den Gesichtspunkt der „Heranführung der Jugend an den Staat“ betonte und das in der rechtsstehenden Studentenschaft wenig attraktive sozialpädagogische Moment durch wehrsportliche Angebote ersetzte, umso wichtiger wurde es für den NSDStB, die Kontrolle über die Studentenschaft nicht zu verlieren. Selbst das Deutsche Studentenwerk konnte sich der Tendenz zur Militarisierung des Arbeitsdienstes, den es früher noch als die DSt befürwortet und gefördert hatte, nicht ganz entziehen80. Auch in Freiburg, wo im SS 1931 die Propagierung eines „Arbeitsheeres“ noch ein vereinzelter Vorschlag geblieben war, wurde die Studentenzeitung im WS 1932/33 zum Tummelplatz von Experten, die ihren Vorstellungen, wie „der junge Akademiker soldatischen Geist und Disziplin lernen“ kann, freien Lauf ließen. Mit dem Arbeitsdienst und dem geplanten Werkjahr für Abiturienten verbundene wirtschaftliche und sozialpsychologische Erwägungen wurden als „biologisch und sozialmoralisch unhaltbar“ und „restlos unanständig“ disqualifiziert; „anständig“ sollte Arbeitsdienst allein als „Wehrdienst für das Vaterland“ sein8'. So war, was einmal der Trias von Werkarbeit, geistiger Auseinandersetzung und künstlerischer Geselligkeit bildungspädagogisches Neuland hatte erschließen sollen, herabgefallen auf die primitivierende „Synthese des heimatverbundenen, wehrhaften, kulturbewußten, in den Pionierkünsten erfahrenen Arbeitssoldaten“, im Kern nichts anderes als Hitlers „hart wie Kruppstahl“82. Man kann kaum sagen, diese Entwicklung habe völlig außerhalb der Ansätze sozialen Denkens in der ersten studentischen Nachkriegsgeneration gelegen. Die Mediatisierung der Volksgemeinschaft für das Ziel des nationalen Machtstaats hatte ebenso wie die Reduktion sozialen Verhaltens auf eine individuell „anständige Behandlung“ des Volksgenossen die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Charakter sozialer Probleme in antagonistischen Gesellschaften behindert und für Trugschlüsse anfällig gemacht83. War nicht die Verbindung von Theorie und Praxis auf eine falsche, wissenschaftlich ungedeckte Weise herge168 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

stellt, wenn der „Lebensferne“ der Universitäten und der „Überbildung“ der Studenten einfach durch „tätige Gemeinschaft mit dem Volk“ therapeutisch begegnet werden sollte? Es waren das freilich Lösungen, denen die Beckersche Schul- und Hochschulreform tendenziell ebenfalls zustrebte. Die emotionale und vitalistische Fassung, die sie dem Bildungsbegriff gab, spiegelte sich auch im Studentenrecht durch die Aufwertung des Sports zu einem zentralen Inhalt studentischer Lebensgestaltung. Dem Wandel von humanistischer Intention zu militaristischer Praxis war dieser Aspekt studentischen Selbstverständnisses aber nicht weniger unterworfen als der soziale Gedanke. In der akademischen Sportbewegung der Nachkriegszeit wirkten Traditionen der Jugendbewegung und der von ihr ausgehenden pädagogischen Reformen zusammen mit humanistischen Vorstellungen von der Geburt eines neuen Griechentums, einer „Bildung des harmonischen Menschen . . . mit Gleichgewicht zwischen Seele, Geist und Leib“84. Die Reichsschulkonferenz des Jahres 1920 betonte ebenso wie der Göttinger Studententag im gleichen Jahr den hohen ethischen Wert des Sports, der „in Gemeinschaft mit der Geistesbildung die Jugend zu gesunden, lebensfrohen und willensstarken, ihren Körper bewußt im künstlerischen Sinn selbstgestaltenden Persönlichkeit erziehen“ sollte85. Einen mittelbar politischen Effekt des Sports erhoffte man sich, im Blick auf englische Vorbilder, durch die „Überbrückung der sozialen Gegensätze“ im Verein mit einem Charaktertraining in „Führerschaft und Unterordnung“““. Solchen Gedankengängen entsprach die Aufforderung des Göttinger Studententags an die Kultusministerien, den Sport als Pflichtfach für alle Studenten einzuführen, jedoch wurde dieses Ziel an den meisten Hochschulen nicht erreicht87. Die Ämter für Leibesübungen, die von den Einzelstudentenschaften eingerichtet wurden, vermochten nur einen Teil der Studenten anzusprechen und waren schon deshalb — d. h. von der ideologischen Überlastung des Sports einmal abgesehen — nicht in der Lage, „eine Neugestaltung der akademischen Verhältnisse“ herbeizuführen88. Sehr früh schon wurde die in einem populären Sinn demokratische Zwecksetzung des Sports überlagert durch eine affektgeladene Betonung seines unpolitisch-nationalen Charakters und seines Wertes für die Erhaltung der militärischen Volkskraft89. So erklärte der Marburger Entwurf zur ersten Verfassung der DSt von 1919 „in Anbetracht der fcindlicherseits uns auferlegten Einschränkung der militärischen Ausbildung des Volkes freiwillige Heranbildung zur Wehrhaftigkeit“ zu einer der Aufgaben der Studentenschaft90. Die Freiburger Studentenzeitungen bieten eine Fülle eher komisch anmutender Beispiele dafür, welcher Nutzen für den Aufstieg des deutschen Volkes Sportarten wie Turnen, Fechten, Skilauf, Kanu- und Segelflugsport jeweils zugeschrieben wurde91. Von hier war der Schritt zur Einführung eines spezifischen „Wehrsports“ und zur Einrichtung von „Wehrsportlagern“ nicht weit. Der Deutsche Hochschulring ging darin voran; ihm folgten, nachdem Stahlhelm-Studentenring und NSDStB wachsenden Einfluß an den Hochschulen gewannen, auch die DSt und die sie tragenden Korporationsverbände“. Diese Organisationen gründeten im SS 1930 zur zentralen Koordination des Wehr169 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Sports und der „Kampfaufklärung“ an den Hochschulen das „AkademischWissenschaftliche Arbeitsamt“ (AWA), das sich der Unterstützung des Reichswehrministeriums und auch des Reichsinnenministeriums erfreute93. Im Freiburger Studentenausschuß war noch im Juni 1930 ein Antrag des NSDStB mit knapper Mehrheit abgelehnt worden, der verlangte, der AStA solle untersuchen, „welche Möglichkeiten bestehen, die Studentenschaft der Universität Freiburg theoretisch wie auch praktisch zur Wehrhaftigkeit zu erziehen“94. Jedoch waren zu Beginn des WS 1930/31 neben NSDStB, Stahlhelm und schlagenden Korporationen auch die katholischen CV- und KV-Korporationen bereit, sich an Wehrsportübungen zu beteiligen95. Diese sollten vom studentischen Amt für Leibesübungen organisiert, d. h. „in einen formal äußerst harmlosen und unauffälligen Rahmen“ eingeordnet werden. Der Freiburger NSDStB-Hochschulgruppenführer buchte das als Erfolg und führte ihn darauf zurück, daß der NSDStB inzwischen „recht tief in allen studentischen Verbänden“ sitze, die um ihres Zusammenhalts willen Rücksicht auf seine Forderungen nehmen müßten96. Nach der ersten Übung am 1. 2. 1931, an der etwa hundert Studenten teilnahmen und bei der es allem Anschein nach auch zu Übungen im Handgranatenwerfen kam, verbot der Kultusminister im April 1931 gem. Arn. 177 und 178 des Versailler Vertrags weitere Wehrsportübungen im Rahmen des Studentensports und wies die Auffassung des Senats zurück, „daß der Einführung des Geländesports an der Universität Freiburg politische Bestrebungen nicht zu Grunde lagen und daß dieser neue Sport der Erreichung parteipolitischer Ziele nicht dienen sollte“97. Nachdem das Ministerium so in Freiburg (wie bereits im August 1930 in Heidelberg) die Übernahme des Wehrsports durch AStA und Universität verhindert hatte, wurde er in den folgenden Semestern im Rahmen des AWA der studentischen Verbände durchgeführt98. Dagegen gewannen in der Studentenzeitung erst seit dieser Zeit die Erörterungen darüber an Raum, wie die deutschen Hochschulen wieder „Kraftquellen für eine baldige Entknechtung Deutschlands“ werden, wie sie der „Knochenerweichung und Undichtigkeit“ steuern und dem „Geist von Langemarck“ durch die Vermittlung eines „Wehrkönnens“ in der Studentenschaft zur Auferstehung verhelfen könnten99. Die frühen Begründungen der akademischen Sportbewegung waren, so sehr sie Täuschungen über die Chancen einer hellenischen Renaissance verraten, vorwiegend Ausdruck einer gegen die Schäden der Zivilisation sich richtenden Sehnsucht, die weit über die Hochschulen hinausreichte und eminent sozialpolitischen Wert hatte. Da sie weitgehend ursachenindifferent blieb, war es, wie Kracauer für den Sport der Massen beobachtete, relativ leicht, sie zum Instrument der Entpolitisierung und sozialen Gängelung umzuformen100. Zumal der Studentensport wurde durch seine Verknüpfung mit dem „Wehrgedanken“ zum Mittel derEntindividualisierung und politischen Disziplinierung. Die humanistisch konzipierte, geist- wie körperfreudige „Persönlichkeit“ wurde zum „Degen in der Hand des Volkes“ (W. Flex) und damit vom Subjekt wissenschaftlicher Reflexion zum Objekt politisch und militärisch fremdbestimmter Verfügung. 170 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

V. Der Epilog: Übergang ins Jahr 1933 Wenig von dem, was mit dem Herannahen und dem Vollzug der nationalsozialistischen „Gleichschaltung“ der Universität1 in der Freiburger Studentenschaft geschah, lag völlig außerhalb der Grundmuster Weimarer Studentenpolitik. Was dort Programm geblieben war, ist, soweit das „Leben des Studenten“ betroffen war, stärker in Tatsachen umgesetzt worden, als das für die Gesamtheit des Universitätsbetriebs gilt. Reichte die „Gleichschaltung“ der universitären Lehre und Forschung ziemlich genau so weit, wie es die „Verführbarkeit bürgerlichen Geistes“ zuließ2, so wurde die Studentenschaft einer Reihe von Reglementierungen unterworfen, deren Effektivität nicht allein durch freiwillige Selbstgleichschaltung garantiert war. Entsprechend ging die Initiative von den Aktivisten der „nationalen Opposition“ der Jahre vor 1933 mehr und mehr auf „Amtsträger“ über, die von seiten der Partei und des Staates bestellt und kontrolliert wurden. Autonome Studentenpolitik verschwand oder blieb jedenfalls nur in dem Grade erhalten, als die Heterogenität und Undurchsichtigkeit des faschistischen Herrschaftsapparates ein Lavieren zwischen gegensätzlichen Interessen und persönlichen Rivalitäten der Funktionäre erlaubte3. Die neue Qualität, die das Verhältnis von Student und Politik damit annahm, ist nicht mehr Gegenstand dieser Arbeit. Nicht die Vorbereitung der faschistischen Diktatur, sondern die in der studentischen Politik vor 1933 zum Ausdruck kommende Struktur des politischen Bewußtseins war das Interesse, das sie leitete. Wenn dabei die Handlungs- und Organisationsgeschichte der Freiburger Studentenschaft in ihren großen Zügen ebenfalls zur Darstellung gelangte, so war das ein willkommener Begleitumstand. Ihm ist dadurch Rechnung zu tragen, daß nunmehr noch die Stationen des Übergangs der Freiburger Studentenschaft ins Jahr 1933 nachgezeichnet und die Darstellung, soweit sie Chronik ist, zu einem gewissen Abschluß gebracht wird. Auf irreguläre Weise hatte der NSDStB bei den Wahlen des SS 1932 eine Mehrheit im Studentenausschuß errungen. Dort standen jetzt 2 Vertretern der Roten Studentengruppe 13 des NSDStB und 10 der Nationalen Studentenschaft gegenüber. Die Wahlanfechtung der von der Wahl zurückgetretenen katholischen und sozialistisch-demokratischen Gruppen blieb ohne Erfolg4. Das Ministerium bestätigte die Gültigkeit der Wahl, obgleich das Auftreten des NSDStB sowohl im Studentenausschuß wie während des Wahlkampfes gegen den Geist der Studentenschaftssatzung ganz eindeutig verstieß. Es ist für die Position des Studentenausschusses an der Hochschule sehr bezeichnend, daß das Ministerium

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die Angelegenheit offensichtlich als nicht relevant genug betrachtete, um ihretwegen das Ziel einer vom NSDStB nach „bewährtem“ Vorbild inszenierten Kampagne zu werden. Daß es in Karlsruhe allerdings auch an hochschulpolitischem Augenmaß fehlte, zeigt die Tatsache, daß das Ministerium etwa zur gleichen Zeit eine neue Satzung für die 1931 aufgelöste Heidelberger Studentenschaft in Kraft setzte. Denn es mußte nach den Vorfällen bei der — selbst symbolhaften — Entfernung Emil Gumbels von der Heidelberger Universität im SS 1932 wissen, daß der neugebildete AStA nur nationalsozialistisch beherrscht sein konnte, wie es dann auch der Fall war. In Freiburg blieben mehrere Versuche der damit unterlegenen Gruppen, durch eine Vollversammlung die Auflösung des AStA zu erzwingen, erfolglos: Zunächst sträubte sich der AStA grundsätzlich gegen eine Vollversammlung und sorgte, als er sie schließlich kurzfristig einberief, dafür, daß sie beschlußunfähig war5. Die Studentenzeitung verlor mit der Übernahme der Schriftleitung durch den späteren „Studentenführer“ des WS 1933/34 den letzten Anschein eines „ausgewogenen“ Meinungsbildes; der ausscheidende Schriftleiter (Mitglied des Zentrums), dem sein Nachfolger bei dieser Gelegenheit „alles Gute auf seinem ferneren Lebenswege“ wünschte, konnte im SS 1933 als „national unzuverlässig“ sein Studium nicht fortsetzen6! Der neugewählte AStA trat der nationalsozialistisch beherrschten DSt wieder bei und erklärte damit den auf dem Königsberger Studententag im Juli 1932 gefaßten Beschluß, das „Führerprinzip“ zur Grundlage der DSt und der Einzelstudentenschaften zu machen, für sich verbindlich7. Eine Reaktion des Ministeriums — außer der routinemäßig geübten Sperrung der Freiburger Beiträge an die DSt — blieb hierauf ebenso aus wie auf den Beschluß des AStA, den Wehrsport der studentischen Verbände durch eine Vortragsreihe über Gas- und Luftschutz ideell zu unterstützen8. Am 18. Januar 1933 wurde zum letzten Mal die Reichsgründungsfeier abgehalten, ehe die Feier der Machtergreifung an ihre Stelle trat. Beim akademischen Festakt sprach der Jurist Eduard Kern (geb. 1887), 1934/35 „Führer der Universität“, über — Ironie der Stunde! — den „Rechtsstaatsgedanken im Strafrecht und Strafverfahrensrecht“ und kam zu dem Schluß, daß an ihm, wiewohl liberales Gedankengut aus dem 19. Jhdt., auch in Zukunft nicht gerüttelt werden dürfe*. Jedoch bewiesen bereits die Vorbereitungen zu den Wahlen des 5. März, welch großes Stück, besonders in Preußen, schon aus der rechtsstaatlichen Verfassung gebrochen war. Der AStA verbreitete über die Studentenzeitung einen die NSDAP offen unterstützenden Aufruf zur Reichstagswahl und setzte sich damit eindeutig über die Bestimmungen der Satzung hinweg. Der Hilferuf, den die republikanischen Gruppen dagegen an das Ministerium richteten — „in der festen Überzeugung, daß eine Wendung der Dinge, wie sie an anderen Universitäten eingetreten ist, ebenso wenig in Ihrem wie in unserem Interesse liegt“ — blieb ohne eine Antwort aus Karlsruhe10! Dort, wo im Dezember 1932 mit der Koalition aus Zentrum und SPD die zentrale Säule der 172 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

badischen Politik zerbrochen war, löste das, was in den Monaten Januar bis März 1933 in der Studentenschaft und durch Studenten an den Hochschulen geschah, allem Anschein nach keine Reaktionen mehr aus“. Selbst als die NSDAP am 9. März in Baden die Macht an sich zog, gelang es ihr offenkundig nicht sofort, ihre Anhängerschaft unter den Studenten in den Griff zu bekommen. Dafür spricht jedenfalls der Aufruf, den der nationalsozialistische Kommissar für das Hochschulwesen des Landes, Otto Wacker — mit 34 Jahren wesentlich jünger als alle badischen Kultusminister der Weimarer Epoche — am 26. April an die badischen Studentenschaften richtete: zwar hätten sie „stets in vorderster Linie gestanden im Kampf um Deutschlands Erneuerung“, doch gelte es nun, „die gewonnene Stellung einzurichten, auszubauen und zu sichern nach innen und a u ß e n . . . Das verlangt, daß alle Mitkämpfer sich in beispielloser Ruhe und gläubigem Vertrauen den Führern unterordnen, jedes Einzelvorgehen vermeiden“12. Erste Maßnahme der Nationalsozialisten an der Universität war das in eindeutigem Widerspruch zu den „Akademischen Vorschriften“ stehende ministerielle Verbot der demokratischen, pazifistischen, sozialistischen und kommunistischen Studentengruppen am 27. März 193313. Einige Monate später wurden die Universitäten darüber hinaus angewiesen, Studenten, die sich vor der Machtergreifung dem Nationalsozialismus feindlich erwiesen hätten, zu relegieren; mit anderen Hochschulverwaltungen bestanden Absprachen, daß solche Studenten an keiner Universität aufgenommen würden14. Das Uniformverbot für den NSDStB wurde am 6. April offiziell aufgehoben, nachdem der NSDStB erklärt hatte, „die Absicht, eine Gefährdung zu verhüten“, sei „durch das Verbot der marxistischen Organisationen nunmehr unbegründet“15. Zu Beginn des SS 1933 wurden Studenten, die „im Kampf um die nationale Erhebung“ gestanden hatten, soziale Vergünstigungen eingeräumt; die bisher Geförderten wurden daraufhin überprüft, ob sie „vom Standpunkt der nationalen Richtung aus als unterstützungswürdig angesehen werden können“1*. Anfang April schloß sich der Freiburger „Studentenführer“ — formell wurde das „Führerprinzip“ erst durch die Studentenrechtsverordnung vom 20. Mai eingeführt — der Forderung des Heidelberger Studentenführers Scheel an, einen numerus clausus für jüdische Studenten festzusetzen17. Diese Absicht erfüllte das „Gesetz gegen die Oberfüllung der deutschen Schulen und Hochschulen“' vom 25. April, meist apostrophiert als „Gesetz gegen die Überfremdung“. Am 10. Mai fand wie an anderen Orten auch in Freiburg ein Αutodafé gegen „jüdisch-marxistisches Schrifttum“ statt18. Am 16. Mai wurde das Haus der jüdischen Verbindung Neo-Friburgia, die sich bereits am 20. April hatte auflösen müssen, ohne polizeiliche oder richterliche Genehmigung von Studenten besetzt, am 28. Juni vom Mob (darunter Studenten) gestürmt und geplündert. Eine Untersuchung lehnte das Rektorat in diesem Fall ebenso ab wie im Fall der Verhaftung zweier als kommunistisch geltender Studentinnen auf Veranlassung des Studentenführers19. 173 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Am 21. April war der bereits gewählte Rektor Wichard v. Möllendorff durch Martin Heidegger (geb. 1889) als „Führer der Universität“ ersetzt worden. Zum 1. Mai, dem „Tag der deutschen Arbeit“, als er zusammen mit der Professorenschaft und den Korporationen am öffentlichen Umzug teilnahm, trat Heidegger, vor 1933 nicht politisch aktiv, der NSDAP bei“. Offizielle Rektoratsübergabe war am 27. Mai 1933. Der Rektor des letzten Amtsjahres, Joseph Sauer, dankte der Studentenschaft für die von ihr gezeigte „Disziplin“; im übrigen bewegte er sich vorsichtig zwischen der Erinnerung daran, daß die Universität in den vergangenen Jahren einen „zähen Kampf gegen alle Zersetzungserscheinungen des deutschen Wesens“ geführt habe, dem Versprechen, daß sie sich „in den Dienst des Volkes, der Nation und damit der ganzen Menschheit stellen“ werde und schließlich der Warnung vor allen „impulsiven Improvisationen“ bei der Neuordnung der Hochschule21. Heidegger selbst hielt seine berüchtigte Rektoratsrede, in der er der akademischen Freiheit der Studenten abschwor zugunsten der „drei Bindungen“ des Arbeits-, Wehr- und Wissensdienstes22. Wie den Abschluß der Rektoratsübergabe das Horst-Wessel-Lied gebildet hatte, so wurde mit der Verordnung vom 18. 7. 33 der „deutsche Gruß“ zum Bestandteil des Beginns aller Vorlesungen erhoben“. Noch im SS 1933 wurden Vorlesungen über „Rassefragen“, „Heimatkunde“ und den Arbeitsdienst für alle Studenten verbindlich gemacht; im WS 1933/34 traten Vorträge über „Wehrwissenschaft“ (im Rahmen des obligatorischen Wehrsport-Programms) hinzu24. Allen Parteimitgliedern unter den Studenten wurde der Beitritt zu dem noch immer recht zahlenschwachen NSDStB zur Pflicht erklärt. Die meisten Korporationen leisteten im Lauf des Jahres 1933 Treuegelöbnisse für den nationalsozialistischen Staat25. Dennoch scheint der NSDStB die Studentenschaft nicht in dem von ihm und der Partei gewünschten Maß unter Kontrolle gebracht zu haben: noch in späteren Jahren klagte er über die „Fülle von Kräften der Reaktion“, die gerade Freiburg zu einem Sammelpunkt „weltanschaulich negativer“ Studenten machten26. Darunter verstand er in erster Linie die den „Rassestandpunkt“ ablehnenden katholischen Studenten, aber auch diejenigen, die am klassischen Universitätsbetrieb orientiert blieben und damit den Dozenten das Festhalten an einer „liberalistischen Lehrfreiheit“ erleichterten27. In der Tat haben Freiburger Hochschullehrer in ihren Erinnerungen an diese Epoche auf das Widerstandspotential aufmerksam gemacht, das einer nichtpolitisierten Wissenschaft im nationalsozialistischen Staat eignete28. Nach dem Zusammenbruch dieses Staates aber führte die Konzentration des Interesses auf hochschulrechtliche Sicherung gegen eine mögliche Erneuerung gewaltsam-„totalitärer“ Eingriffe von außen in die Freiheit der Wissenschaft und der Hochschulen zur Verschleierung des ambivalenten Charakters solcher Defensive. Sie galt nun als wissenschaftsgemäß schlechthin. Wo jedoch der „Gegensatz Wissenschaft versus Politik“ nicht nur eine „taugliche Rückzugsposition im Faschismus“ darstellt, sondern „als generalisierter den Faschismus überlebt“, ist er falsch und Verkörperung nicht einfach des Unpolitischen, sondern einer be174 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

stimmten konservativen Politik. Denn es vermag „nur die Reflexion auf gesellschaftliche wie politische Gehalte der Wissenschaft diese Gehalte... zu kontrollieren und dadurch Bedingungen zu schaffen, die es der Wissenschaft erlauben, auf eigenem Boden einer antidemokratischen Politik ebenbürtig entgegenzutreten“29.

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Schlußbemerkungen Am Beispiel der Freiburger Universität und Studentenschaft hat die vorliegende Arbeit das politische Bewußtsein „akademischer Bürger“ in seinen verbalen und organisatorischen Erscheinungsformen nachzuzeichnen unternommen. Es erwies sich dabei, daß die Universität keine aus der Analyse der sozialen Relevanz von Wissenschaft gewonnenen politischen Sozialisationsformen anzubieten hatte, daß vielmehr das Akademische an ihr zu einem nicht exakt bestimmbaren Grad eine Spezifizierung und damit auch Verfestigung allgemein „bürgerlicher“ Einstellungen bewirkte. Es fehlen alle Anzeichen dafür, daß die Universität den politischen und sozialen Illusionen derjenigen Schichten entgegengearbeitet hätte, denen die große Mehrheit der Studentenschaft entstammte. Dem Ziel einer durch die Teilnahme möglichst vieler und möglichst aufgeklärter Bürger an den politischen EntScheidungsprozessen kontrollierten und inhaltlich bestimmten öffentlichen Gewalt war ihr akademisches und politisches Eigenverständnis diametral entgegengesetzt. An folgendes sei noch einmal erinnert: Den im historischen Industrialisierungsprozeß ausgebildeten Funktionszwängen war die Universität noch unvollkommen unterworfen, jedoch leitete sie daraus die Verteidigung ihrer gesellschaftlichen Exterritorialität als Selbstzweck ab und nicht die Aufgabe einer demokratie-theoretisch motivierten kritischen Reflexion gesellschaftlicher Zusammenhänge. Art und Ausmaß ihrer bereits erfolgten Integration in die allgemeine sozialökonomische Entwicklung führten deshalb zu keiner durchgreifenden Korrektur ihres klassischen, „geistesaristokratischen“ Selbstverständnisses. Ihr blieb daher auch die Problematik verborgen, die wissenschaftlich und politisch darin lag, daß ihre Organisationsformen der hierarchischen Struktur staatlicher und wirtschaftlicher Bürokratien weithin angepaßt und ihre Ausbildungsfunktion fast ausschließlich auf familiäre Aufstiegs- und Statusinteressen eines krisenhaft bedrohten Segments der bürgerlichen Gesellschaft zugeschnitten waren. Trotz formaler Eingliederung in die Universitätskorporation war die Studentenschaft eher peripherer Bestandteil dieser Hochschule und diffus partikularisiert bzw. ihren eigenen, durch Wissenschaft allenfalls sekundär bestimmten Gruppenbildungen überlassen. Die besondere Affinität der studentischen Verbindung — als dem dominierenden Typ unter diesen Gruppen — zur Hochschule war vermittelt über einen Begriff akademischer Bildung, der den Hochschulangehörigen das Bewußtsein einer über die industrielle Gesellschaft ständisch hinausgehobenen Elite verlieh; eben dadurch begünstigte er aber auch eine guten Gewissens, weil passiv-unreflektiert erfolgende Anpassung an die von der Klassengesellschaft vorgegebenen Standards sozialen Verhaltens.

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Das kritische Potential, das dem klassischen Bildungsbegriff nicht abzustreiten ist, blieb unausgeschöpft, weil die gesellschaftlichen Bedingungen individueller Autonomie und Freiheit nicht reflektiert wurden. Die Rede vom „akademischen Führertum“ verhüllte daher ideologisch die Tatsache, daß zwar akademische Ausbildung abstrakt von wachsender funktionaler Bedeutung für die Reproduktionsprozesse der Gesellschaft war, daß davon aber keineswegs alle Ausbildungsgänge gleichermaßen betroffen waren und die soziale Situation des durchschnittlichen Akademikers von einem dauernden Verlust an Prestige und Selbständigkeit gekennzeichnet war. Diese Schere zwischen Bewußtsein und gesellschaftlicher Realität förderte das Ressentiment gegen soziale Kräfte und politische Ideen egalitärer Zielsetzung und verstärkte die Tendenz zum Autoritarismus als Wert in sich. Gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse als „Idee“ zu stilisieren, verhieß eine wenigstens „innerliche“ Teilhabe an der ausgeübten Macht: ein Vorgang sozialpsychologischer Rationalisierung, der bereits die politische Kapitulation des Bürgertums vor dem preußischen Militär- und Beamtenstaat begleitet hatte und sich nun innerhalb des Bürgertums wiederholte. Wo Politik allein als Ausdruck einer staatsmännischen Ordnung akzeptiert wurde, mußte der gesellschaftlich dominierende Antagonismus zwischen Kapital und Arbeit ignoriert oder als „Materialismus“ moralisierend gewendet werden; diejenigen, die selbst nicht wirksam als „Interessentenhaufen“ in Erscheinung treten konnten, verlangten nach dem „starken Staat“ und erklärten dieses Verlangen mit ihrem „Idealismus“. Als in der Weltwirtschaftskrise die meisten akademischen Berufspositionen wie auch die Stellung der Mittelschichten, aus denen sich ihre Inhaber rekrutierten, unübersehbar zerrüttet wurden, büßte der bildungshumanistische Fluchtmechanismus an Glaubwürdigkeit ein. Zumal in Gestalt des NSDStB meldete sich auf bisher unbekannte Weise Kritik an einer „unpolitischen“ Hochschule an. Sie ist als „wissenschaftsfeindlich“ oder „wissenschaftsfremd“ nicht zureichend charakterisiert, weil in ihr ein legitimer Protest aufgehoben war gegen eine Hochschule, die den gesellschaftlichen Bezug ihrer Arbeit entweder aussparte oder in der konkreten Verwirklichung, die er gefunden hatte, nicht eingestehen durfte. Seine Richtung erhielt dieser Protest allerdings durch ein Politikverständnis, das nicht geeignet war, eine richtige Einschätzung der konkreten geschichtlichen Wirksamkeit von Wissenschaft in Staat und Gesellschaft und damit des herrschaftlich bestimmten Charakters ihrer Produktion und Verwertung zu fördern. Man darf zwar nicht übersehen, daß im Ruf nach der „Volksgemeinschaft“ auch die Forderung laut wurde, Politik möge über den Kampf der Interessen hinausweisend zum Medium freier Selbstverständigung des Volkes über Formen, Ziele und Inhalte seines Zusammenlebens werden; doch indem die bestehenden gesellschaftlichen Antagonismen einfach hinweggeleugnet, auf individuelle Unzulänglichkeit oder gar auf die Verführung durch „volksfremde“ Minderheiten zurückgeführt wurden, mußte diese Forderung die repressive Erhaltung bestehender gesellschaftlicher Machtverhältnisse begünstigen. Hochschule und Wissenschaft wurden daher nicht in der Weise politisiert, daß ihre 177 12 Kreuzberger, Studenten und Politik

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wissenschaftliche Aufgabe in einen bewußten Bezug zur interessenantagonistischen Gesellschaft gesetzt wurde, sondern dadurch, daß sie auf ihre Übereinstimmung mit den jenseits gesellschaftlicher Konflikte und konkurrierender Konzeptionen von Wissenschaft liegenden Anforderungen „rassischer“ Zucht und Disziplin befragt wurden. Die Alternative zur faschistischen Politisierung der Hochschule — die übrigens weder vor noch nach 1933 vollständig gelang — konnte nicht die „unpolitische“ Hochschule sein, wie sie von der Professorenschaft und den republikanischen Minderheiten in der Studentenschaft, wenngleich aus unterschiedlichen Motiven, angestrebt wurde. Angesichts der längst erfolgten realen Einbeziehung der Hochschulen in den gesellschaftlichen Prozeß konnte nicht das „Ob“, sondern allein das „Wie“ solcher Politisierung zur Debatte stehen. Der Rückzug auf die unpolitische „Sachlichkeit“, worunter die republikanischen Studenten anders als die Mehrzahl der Professoren zugleich die „staatsbejahende“ Anerkennung der Weimarer Republik verstanden wissen wollten, konnte bei den in der Hochschule vorherrschenden politischen Einstellungen zwar eine indirekte Form der Verteidigung demokratischer Freiheiten sein. Er genügte aber nicht, die sozialen Fundamente dieser Einstellungen an den Hochschulen wirksam zu bekämpfen, zumal die republikanischen Studenten den Weimarer Staat überwiegend unter dem Gesichtspunkt seiner ordnungstiftenden Funktion und „nationalen“ Leistung zu bejahen bereit waren. Demokratie wurde hier tendenziell zur „Führerauslese“ reduziert, und nur in der Forderung, daß diese aus allen Schichten des Volkes erfolgen müsse, hielt sich ein Rest plebejischer Opposition gegen die autoritäre Zuschreibung politischer und gesellschaftlicher Machtpositionen an erbliche Eliten. Das Nationalbewußtsein, das vom NSDStB in einer die Unumkehrbarkeit der Geschichte leugnenden rassistischen Fassung vorgetragen wurde, war als spezifisch deutsche Alternative zum westeuropäischen politischen Humanismus von lange her angelegt. Seine auf „Natur“ statt auf das Bild einer freien und gerechten Gesellschaft zielende Begründung verdankte sich derselben „Verspätung“, welche die Ideologie der bürgerlichen „Mittelschichten“ bestimmte. Gerade das Bildungsbürgertum — Vertreter einer an den Werten des „deutschen Volkstums“ ausgerichteten Charakterprägung wie einer autoritäts- und machtfixierten „Staatstreue“ — empfing daher den Stoß durch den Nationalsozialismus „auf der schiefen Ebene“ (Zmarzlik); den'Weg ins „Dritte Reich“ hat es trotz der unverhohlenen Feindschaft gerade führender Nationalsozialisten gegen die „Gebildeten“ als Repräsentanten einer ebenso privilegiensüchtigen wie herrschaftsunfähigen „Bürgerlichkeit“ ohne sonderliches Zögern mitgemacht. Der deutsche Nationalstaat, dessen „völkische“ Fundierung und „großdeutsche“ Erweiterung die Studentenschaft der Weimarer Republik zum Inhalt ihres politischen Denkens machte, ist dadurch, daß er im Faschismus erneut zum Ausgangspunkt imperialistischer Herrschaft wurde, zerstört worden. Die Entstehung zweier gegensätzlicher Gesellschaften auf deutschem Boden war dennoch über Jahre hinweg von Parolen begleitet, die dem traditionellen national178 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

staatlichen Arsenal entnommen waren. Erst die Verfestigung des Status quo — vor dem beunruhigenden Hintergrund einer „Entspannung“, die das seit Hiroshima gewachsene Vernichtungspotential in eine „organisierte Friedlosigkeit“ (Senghaas) einbringt — läßt die gesellschaftspolitischen Konturen der deutschen Teilung ungetrübt hervortreten. Der unerachtet aller Staats- und völkerrechtlichen Theorien hüben und drüben doch weiterhin erhobene „nationale“ Anspruch mag daher leichter als der auf die bessere oder vorbildlichere Gesellschaftsordnung erkannt und damit historisch relativiert werden. Das setzt freilich voraus, daß nicht anstelle eines simplen Antikommunismus oder einer nach außen gerichteten Aggressivität Feindprojektionen gegen diejenigen entwickelt werden, die eine demokratische und humanitäre Defizienz des eigenen politisch-gesellschaftlichen Systems anmelden. Indem Teile der „Neuen Linken“ der Inflationierung des Faschismusbegriffs in weniger analytischer als polemischer Absicht vorgearbeitet haben, sind sie selbst Opfer historischer Vergleiche geworden, die in solcher Aggressionsbereitschaft ihre Nahrung finden. Auch wer nicht den Verdacht hegt, als werde von den anti-autoritär angegriffenen Institutionen in Staat und Gesellschaft die eigene unbewältigte Vergangenheit an einer politischen Richtung abreagiert, deren sie selbst nie verdächtig waren, muß doch zugeben, daß der Begriff des Faschismus auf die studentische Protestbewegung der späten sechziger Jahre nur unter Preisgabe aller seiner Konturen anwendbar ist. Die nationalsozialistische Studentengeneration der Jahre nach 1930 war autoritär, anti-intellektuell, nationalistisch und rassistisch, zudem Teil einer parallel gerichteten, weite Schichten vor allem des Bürgertums umfassenden Massenbewegung; diese erfreute sich der offenen und geheimen Unterstützung von Inhabern staatlicher und gesellschaftlicher Machtpositionen: Wer vom Faschismus redet, soll vom cui bono nicht schweigen. Demgegenüber ist die gesellschaftliche Minderheitssituation und Ohnmacht der anarchistisch-sozialistischen Studentengeneration der Jahre 1967 bis 1969 nicht zu übersehen, desgleichen ihre internationalistische und egalitär-emanzipatorische Zielsetzung. Richtig ist nur, daß es im wesentlichen dieselben bürgerlichen Schichten sind, aus denen sich der studentische Protest beide Male rekrutiert hat: die Kritik an „kleinbürgerlichen“ Zügen der anti-autoritären Bewegung — sichtbar an der mit den gegebenen Machtverhältnissen und Bewußtseinslagen unvermittelten sozialen Utopie, der anarchistischen Attitüde und dem Bedürfnis nach aktionistischer Stabilisierung des Selbstbewußtseins — ist längst in aller Munde. Die anti-institutionelle Wendung setzt, wo sie einem lückenlos geglaubten System der Manipulation gilt und organisatorische Bindungen überhaupt ablehnt, in gewisser Weise Merkmale eines „mittelständischen“ Affekts fort, der einst der Rede vom „materialistischen Kollektivismus“ zugrunde lag. Auch der Glaube an die wirklichkeitsverändernde Kraft „freischwebend“ entworfener Modelle sozialer Organisation und ihrer kurzlebigen Praktizierung in „befreiten“ Hochschulinstituten spiegelt Reste des Mißverstädisses „akademischer Führerschaft“, das in der Weimarer Periode, zumal in ihrer stabilsten Phase, grassierte. 179 12* © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Die weitaus gravierenderen Unterschiede zur Weimarer Studentenpolitik lassen sich jedoch am besten erkennen, wenn man den Begriff der „Politisierung“ der Studentenschaft ins Auge faßt. Bedeutete er für den NSDStB lediglich die Erweiterung des Agitationsfeldes der NSDAP in die Hochschulen hinein (und nur dadurch vermittelt auch deren Bindung an das „Volk“), die Anwerbung neuer Mitglieder für die SA und deren Einsatz gegen die an den Hochschulen isolierten „Novemberlinge“, so bezieht sich die Aktivität der neuen Studentenbewegung auf den ganzen Bereich politischer Sozialisation. Die Einflußnahme auf das Lehrangebot der Universität und die Ablehnung einer bloß administrativen Verordnung dienen dem Zweck, die Durchsetzung von Studieninteressen als politischen Vorgang begreifen zu lernen. Interessenkonflikte in der Hochschule, die ihrem Charakter nach durch das dort bestehende Hierarchiegefälle bestimmt werden, sollen als politische und nicht eo ipso „sachliche“ Kontroversen erfahrbar werden. Die kritische Funktion einer wissenschaftlichen Öffentlichkeit, zu deren Sprecher sich die organisierte Studentenschaft macht, soll grundsätzlich allen politisch-gesellschaftlichen Problemen gegenüber zur Geltung gebracht werden. Die Durchsetzung sozialistischer Gesellschaftstheorie an der Hochschule und ihre Einübung in Gruppen mit intensiver Kommunikation soll der Stabilisierung politischen Verhaltens und der Durchbrechung der universitären Schranke gegenüber den in der Produktion Tätigen dienen. Auch die Formen der action directe, deren äußere Erscheinung eine Beziehung zu faschistischen Bewegungen noch ehestens herstellen lassen, können im Kern als experimentelle Erprobungen diffuser Situationsdeutungen und Ziel-Mittel-Relationen verstanden werden. Sie sind an die Lernfähigkeit der Teilnehmer explizit gebunden und haben nur als Kommunikationsstrategien einen Sinn. Wo studentische Aktionen auf Bedingungen treffen, die eine Rückkoppelung demonstrativer Erfahrung an das Lernen der „Basis“ nicht erlauben, stellen sich leicht autoritäre Dispositionen bei den führenden Aktivisten, Resignation bei den Sympathisanten ein: Das Ende der anti-autoritären Phase der Studentenbewegung ist durch solche Prozesse fehlgerichteter Spontaneität gekennzeichnet gewesen. Daß es nicht das Ende der sozialistischen Studentenbewegung überhaupt wurde, verdankt sich einmal den relativen Erfolgen, welche die anti-autoritäre Studentenpolitik im Interaktionsraum der Hochschule hatte; ferner der Einsicht ihrer reflektierteren Vertreter, daß die strukturellen Grundbedingungen des politisch-ökonomischen Systems nur durch die angestrengte Arbeit des Begriffs eingeholt und bei zukünftigen Aktionen in Rechnung gestellt werden können. Allerdings bleibt der Erfolg der seither theoretisch geführten „Organisationsdebatte“ mit dem Ziel, studentische Interessen nur als Teil der proletarischen zu vertreten, an den experimentellen, d. h. geschichtlicher Erfahrung offenen Charakter der zahlreichen Gründungen und Initiativen gebunden. Andernfalls läuft sie Gefahr, in Kaderorganisationen mit avantgardistischem Selbstverständnis zu versanden und damit sowohl die Interessen derer, denen sie dienen will, falsch einzuschätzen als auch die emanzipatorische Dimension individueller und kollektiver Selbstbestimmung und -Verwirklichung abzuschneiden. 180 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Verzeichnis der Abkürzungen AkBll AMF AMH AP ASSP AStA BB11 Brsg. Ztg. CV DB DCZ DHR DSt DStV FHN Frbg. Tagesp. Frbg. Volksw. Frbg. Ztg. FSZ FUF GLA GStG GWU HDA HZ Jh KC KM KV KZfS MS NSDStB PVS SDS SS UAF VDS VDSt VfZ VSWG WS ZfG

Akademische Blätter (des VDSt) Akademische Mitteilungen der Universität Freiburg Akademische Mitteilungen der Univ. Heidelberg AStA-Protokoll Archiv für Sozialwissenschaft u. Sozialpolitik Allgemeiner Studentenausschuß Burschenschaftliche Blätter Breisgauer Zeitung Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen Deutsche Burschenschaft Deutsche Corpszeitung Deutscher Hochschulring Deutsche Studentenschaft Deutscher Studentenverband Freiburger Hochschulnachrichten Freiburger Tagespost Freiburger Volkswacht Freiburger Zeitung Freiburger Studentenzeitung Freiburger Universitätsführer Generallandesarchiv Karlsruhe Großdeutsche Studentengemeinschaft Geschichte in Wissenschaft u. Unterricht Hochschulring Deutscher Art Historische Zeitschrift Jahrhundert Kartell-Convent der Verbindungen deutscher Studenten jüdischen Glaubens Kultusministerium, hier das badische Ministerium des Kultus u. Unterrichts Kartell-Verband der katholischen Studentenvereine u. -Verbindungen Deutschlands Kölner Zeitschrift für Soziologie u. Sozialpsychologie Maschinenschrift Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund Politische Vierteljahrsschrift Sozialistischer Deutscher Studentenbund Sommersemester Universitätsarchiv Freiburg Verband Deutscher Studentenschaften Verein Deutscher Studenten Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Vierteljahrsschrift für Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte Wintersemester Zeitschrift für Geschichtswissenschaft

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Anmerkungen Anmerkungen zu S. 9—1S

Einleitung 1 Näheres im Literaturbericht zur Studentenschaftsgeschichte der Weimarer Republik, Anhang II, 226 ff. 2 J . Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, Neuwied 1962 (1971 5 ). Zur Anwendung'der Problematik auf die Hochschule vgl. W. Nitsch u.a., Hochschule in der Demokratie, Neuwied 1965. 3 Zu den angesprochenen Aspekten der Nachkriegsentwicklung der westdeutschen Hochschule vgl. u.a.: H. Anger, Probleme der deutschen Universität, Tübingen 1960; E. Baumgarten, Zustand u. Zukunft der deutschen Universität, Tübingen 1963; H. Adam, Studentenschaft u. Hochschule, Frankfurt 1965; S. Leibfried Hg., Wider die Untertanenfabrik, Köln 1967; W. F. Haug, Der hilflose Antifaschismus, Frankfurt 19713. 4 Die Äußerungen des folgenden Abschnitts beziehen sich auf die fortgeschrittensten, d. h. nicht an einem obrigkeitlichen Modell orientierten Interpretationen der Weimarer Entwicklung während der westdeutschen Rekonstruktionsperiode. Paradigmatisch vor allem Th. Eschenburg, Die improvisierte Demokratie, München 1963; E. Fraenkel, Deutschland u. die westlichen Demokratien, Stuttgart 19683; ferner das vielschichtige und schwer auf einen Nenner zu bringende Werk von K. D. Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik, Villingen 19715. In diesen Arbeiten wird kein „Staat über den Parteien“, keine „Politik der Sachlichkeit'' postuliert, wie es, wenngleich inkonsistent und nur für bestimmte Situationen, etwa W. Conze oder W. Besson in ihrer Kritik am Bracherschen Werk getan haben. 5 Zum sozialen Aspekt der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes vgl. jetzt W. Sörgel, Konsensus u. Interessen, Stuttgart 1969; Η. Η. Hartwich, Sozialstaatspostulat u. gesellschaftlicher Status quo, Köln 1970. — Auf die „fragwürdige Traditionsbildung in eigener Sache“, welche die Wertung der Revolution von 1918/19 bestimmte, macht H. G. Zmarzlik aufmerksam: 1918/19 — Eine deutsche Revolution?, in: ders., Wieviel Zukunft hat unsere Vergangenheit?, München 1970, 191. Vgl. auch den Literaturüberblick und die gedrängte Skizze der Revolution bei R. Rürup, Probleme der Revolution in Deutschland 1918/19, Wiesbaden 1968, bes. 6 ff. 6 K. Sontheimer, Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, München 19683. 7 W. Hucke, Vorgeschichte u. Verlauf der nationalsozialistischen „Studentenrevolution“ 1931—1933, Zulassungsarbeit, MS, Marburg 1967, 106. Vgl. im übrigen den Literaturbericht, Anhang IL 8 Vgl. Haug, 100 ff. 9 Th. W. Adorno, Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit, in: ders., Eingriffe, Frankfurt 1963, 126. 10 Vgl. zu diesem Abschnitt: J . Agnoh u. P. Brückner, Die Transformation der Demokratie, Frankfurt 1968; U. Jaeggi, Macht u. Herrschaft in der Bundesrepublik, Frankfurt 1969; C. Offe, Politische Herrschaft u. Klassenstrukturen, in: G. Kress u.

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Anmerkungen zu S. 17—28 D. Senghaas Hg., Politikwissenschaft, Frankfurt 1969, 155 ff.; J . Hirsch, Zur politischen Ökonomie des politischen Systems, ebda, 190 ff.; W.-D. Narr, Theorie der Demokratie, Stuttgart 1971; Der Imperialismus der BRD, Hg-Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED, Frankfurt 1971. 11 Zu den letzten Abschnitten vgl. U. Kadritzke, Rezeption u. Interpretation der Studentenbewegung in der empirischen Sozialforschung, Sozialistische Politik 1, 1969, H. 2, 36 ff.; U. Stolle, Die Studentenbewegung im Urteil bürgerlicher Öffentlichkeit, Das Argument 12. 1970, H. 58, 375 ff. 12 Vgl. hierzu: Die Linke antwortet J . Habermas, Frankfurt 1968, u. J . Habermas, Protestbewegung u. Hochschulreform, Frankfurt 1969, 149 ff. 15 Zum letzten Abschnitt: O. Negt, Politik als Protest, Frankfurt 1971, 75 ff., 102 ff., 159 ff. 14 Vgl. hierzu etwa Ε. Κ. Scheuch, Soziologische Aspekte der Unruhe unter den Studenten, Aus Politik und Zeitgeschichte 18. 1968, H. 36, 3 ff.; ders. Hg., Die Wie­ dertäufer der Wohlstandsgesellschaft, Köln 1968; E. Topitsch, Die Freiheit der Wissenschaft u. der politische Auftrag der Universität, Neuwied 1968; E. Nolte, Sinn u. Widersinn der Demokratisierung in der Universität, Freiburg 1968. 15 Hier wird kein Neuland, aber vielfach verschütteter Boden betreten. Vgl. zum folgenden bereits: A. Rosenberg, Entstehung u. Geschichte der Weimarer Republik. Hg. K. Kersten, Frankfurt 196911; F. Neumann, Demokratischer u. autoritärer Staat, Frankfurt 1967, bes. 31 ff., 248 ff.; O. Kirchheimer, Weimar — und was dann?, in: ders., Politik u. Verfassung, Frankfurt 1967, 9 ff.; H. Heller, Rechtsstaat oder Diktatur?, Tübingen 1930; E. Fraenkel, Zur Soziologie der Klassenjustiz, Darmstadt 1968; P. Sering (d. i. R. Löwenthal), Kapitalismus führt zum Faschismus, Nach druck aus der Zeitsdirift für Sozialismus 1935/36 o. O. u. J . , neuerdings: R. Kühnl, Formen bürgerlicher Herrschaft, Reinbek 1971. 16 Näheres vgl. Kap. II. 17 Habermas, Strukturwandel, 214 ff. 18 J . Habermas, Zum sozialen Wandel akademischer Bildung, in: Leibfried, 10 ff. 19 Kreuznacher Hochschulkonzept der BAK, Bonn 19682, These 3. 20 Habermas, Zum sozialen Wandel, 23. 21 W. Nitsch, Hochschule, Heidelberg 1967, 18. 22 Umfassend zu diesen Fragen: Nitsch u. a., passim. 23 Nitsch, Hochschule, 13 ff, u. die dort genannte Literatur; ferner: W. Strzelewicz u. a., Bildung u. gesellschaftliches Bewußtsein, Stuttgart 1966, 8 ff., u. F. K. Ringer, The Decline of the German Mandarins. The German Academic Community, 1890— 1933, Cambridge Mass. 1969, 81 ff. 24 Habermas, Protestbewegung, 118. 25 K. D. Erdmann schrieb schon 1955 zu Recht: „Für eine Geschichte des Bürgertums und seines politischen Schwundes in der Zeit der Republik würden empirische Untersuchungen über die Universitäten unter der Fragestellung Politik und Wissenschaft ein notwendiger Beitrag sein.“ Wenn er jedoch fortfuhr: „Mit soziologischen Kategorien allein ist hier nicht auszukommen“, dann berührt diese Abwehrgeste merkwürdig, aus prinzipiellen Gründen und wegen des besonderen Umstands, daß solche Kategorien einer historisch arbeitenden Hochschulsoziologie für die Weimarer Republik damals noch weniger als heute entwickelt waren. Vgl. K. D. Erdmann, Die Geschichte der Weimarer Republik als Problem der Wissenschaft, VfZ 3. 1955, 18. 26 W. Abendroth, Das Unpolitische als Wesensmerkmal der deutschen Universität, in: Nationalsozialismus u. die deutsche Universität, Berlin 1966, 189 ff. 27 K. Hirche, Nationalsozialistischer Hochschulsommer, Die Hilfe 37.1930/31, 795 ff.

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Anmerkungen zu S. 30—35 I. C. v. Dietze, Die Wirtschafts- u. Sozialwissenschaften an der Universität Freiburg in den ersten Jahrzehnten des 20. Jhs., in: H. J . Wolff Hg., Aus der Geschichte der Rechts- u. Staatswissenschaften zu Freiburg i. Br., Freiburg 1957, 93. 2 In grotesker Weise tritt dieses Weltbild zutage in einer Gedenkrede auf den ehemaligen Rektor der Freiburger Universität, Wilhelm Süß (1940—1945): „Damals wurden die Dämonen wach, die sich seit Jahrhunderten verkriechen mußten. Und diese Dämonen riefen nun nach Rache. Sie wollten sich rächen für alles, was ihnen angetan worden war . . . für Goethe und Schiller, für Kant, Hegel, Fichte und Schelling . . . für Heine und Stefan George . . . für alles, was das deutsche Volk zum Volk der Dichter und Denker geprägt hatte. — Diese Kräfte liefen nun gegen die Hochschulen Sturm“. A. Ostrowski, W. Süß (1895—1958), Freiburger Universitätsreden, N. F. 28, Freiburg 1958, 10. — Zur Kritik gerade dieser Deutungsvariante des Faschismus vgl. W. F. Haug u. a., Ideologische Komponenten in den Theorien über den Faschismus, Das Argument, 33. 1965, 1 ff., bes. 13 ff.; Haug, Antifaschismus, 33 ff. 3 Vgl. dazu jetzt Ringer, Decline. Über die oben bezeichnete Stellung zum Faschismus vgl. insbesondere die Reden und Resolutionen der Deutschen Hochschultage 1931 und 1932: Mitteilungen des Verb, der Dten. Hochschulen 11. 1931, u. 12. 1932, jeweils H. 9/10. 4 Neuere Untersuchungen zu diesem Problem: J . Habermas u. a., Student u. Politik, Neuwied 19672, 212 ff.; Nitsch, Hochschule, 49 ff. 1

I/1. G. v. Below, Autobiographie, in: S. Steinberg Hg., Die Geschichtswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen, I, Leipzig 1925, 40. Zu v. Belows politischem Wirken jetzt auch K. Töpner, Gelehrte Politiker u. politisierende Gelehrte. Die Revolution von 1918 im Urteil deutscher Hochschullehrer, Göttingen 1970, 178—192 u. passim. Das politische Schrifttum v. Belows ist aufgeführt bei: L. Klaiber, G. v. Below. Verzeichnis seiner Schriften, Beih. 14 VSWG 1929. 6Α. Ε. Hoche, Politische Denkfehler, Dresden 1918; Die französische und die deutsche Revolution, Jena 1920. In seinen Gedichten (u. a. „Deutsche Nacht“, Freiburg 19212) hatte Hoche nach dem Urteil seines politischen Freundes, des Vorsitzenden des Alldeutschen Verbandes in Freiburg und „Rasseforschers“ Ludwig Schemann, „den würdigsten, vielleicht den einzig würdigen dichterischen Ausdruck für Deutschlands Schmach und Elend“ gefunden (L. Schemann, Lebensfahrten eines Deutschen, Leipzig 1925, 268). 7 O. Lenel, Über die Reichsverfassung, Freiburg 1920; Das amerikanische Regierungssystem, Berlin 1922. Biographisches: Autobiographie in: H. Planitz Hg., Die Rechtswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen. I, Leipzig 1924, 133 ff.; E. Bund, O. Lenel, in: J . Vincke Hg., Freiburger Professoren des 19. u. 20. Jhs. Freiburg 1957, 77 ff. 8 Lenel, Reichsverfassung, 37; v. Below, Die Hemmnisse der politischen Befähigung der Deutschen u. ihre Beseitigung, Langensalza 1924, 33. * Einzelbelege erübrigen sich, da dieser Tenor in den genannten Schriften durchgängig festzustellen ist, wenn auch in unterschiedlicher Intensität. Besonders markant G. v. Below, Recht u. Notwendigkeit der Deutschnationalen Volkspartei, Berlin 1919. 10 G. Ritter, Bismarcks Reichsgründung u. die Aufgaben deutscher Zukunft. Rede in der öffentlichen Reichsgründungsfeier 18. 1. 1928 (Sonderdruck der Brsg. Ztg. 20. 1. 1928); Nationale Gesinnung u. politisches Führertum. Rede zur Langemarckfeier 26. 11. 1930, FSZ, WS 1930/31, Nr. 4, 1 f. Zu Ritters politischem Schrifttum vgl. im 5

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Anmerkungen zu S. 35—37

übrigen das Werkverzeichnis in G. Ritter, Lebendige Vergangenheit, München 1958, 313 ff. 11 G. Ritter, Zuschrift zum Thema „Ethik u. Politik“, Wingolfsblätter 48. 1918/19 H. 3, 56. — An diesem noch in den Revolutionsmonaten aufgestellten „Ideal des zukünfigen Nationalstaates“ hat Ritter im Prinzip zeitlebens festgehalten. Vgl. dazu F. Meyer, Politische Geschichtsschreibung u. liberale Weltanschauung. Die Struktur des historisch-politischen Denkens G. Ritters, Zulassungsarbeit, MS, Freiburg 1968; H. G. Zmarzlik, Lebendige Vergangenheit. Eine Würdigung G. Ritters, in: ders., Wieviel Zukunft hat unsere Vergangenheit?, 144 ff. 12 Ritter, Nationale Gesinnung, 2. 13 Vgl. Zmarzlik, Lebendige Vergangenheit, 155 ff. 14 Meyer, Geschichtsschreibung, 80. 15 Zur Biographie: F. Büchner, L. Aschoff, in: Vincke, Freiburger Professoren, 11 ff.; W. Bergfeld, L. Aschoff, 1866—1942, in: Darstellungen u. Quellen zur Gesch. der dt. Einheitsbew. im 19. u. 20. Jh., VI, Heidelberg 1965, 95 ff.; L. Aschoff, Ein Gelehrtenleben in Briefen an die Familie, Freiburg 1968 (der Band gibt ein nur sehr unvollständiges Bild von Aschoffs facettenreicher Persönlichkeit und seinen sehr typischen politischen Reaktionsweisen). — Zum oben angesprochenen Aspekt der „Vertretung“ vgl. ebda, 277: „Ich halte es für wichtig und notwendig, daß wir Gebildeten uns des Volkes in jeder Weise annehmen und seine Rechte und Ansprüche mitvertreten, umgekehrt aber dem Volke die Achtung vor der Tradition, Kultur und religiösen Gesittung anerziehen“ (Brief 16. 10. 1918). 16Ein Passus wie der folgende steht in Aschoffs privaten und öffentlichen Äußerungen nicht allein (vgl. z. B. AMF, SS 25, Nr. 3, S. 25), wenn einige Formulierungen auch mit Rücksicht auf den sehr konservativen Adressaten gewählt sein mögen: „Die nächsten Tage von London werden ja unserm ganzen Volke klarmachen, daß es nun nur mit größter Sparsamkeit . . . sein Leben führen kann. Tut es das aber wirklich, dann kommt auch einst der Tag der Vergeltung... Dann wird Deutschland geläutert und geeint sich aller Welt zum Trotz behaupten. Wenn aber unsere Jugend weiter raucht, wenn sie weiter teure englische Schlipse trägt, wenn wir weiter französische Seife, schweizerische Schokolade, teuren Kaffee für uns nötig erklären, dann gehen wir zugrunde. Solche Entschlüsse sind viel wichtiger als alle Parteiprogramme der politischen Parteien. Viel wichtiger als die Frage Monarchie oder Republik.“ (Aschoff, Gelehrtenleben, 298, 3. 3. 1921.) 17 W. Kahl u. a., Die deutschen Universitäten u. der heutige Staat (Weimarer Tagung deutscher Hochschullehrer 23. u. 24. 4. 1926), Tübingen 1926, 38. 18 L. Aschoff, Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold u. die Burschenschaft, Die Hilfe 31. 1925, 65; Die Republik u. die Geistesarbeiter, ebda, 376 f.; Gedanken am Verfassungstag, ebda, 35. 1929, 446 ff. Über die Haltung Aschoffs in den Jahren 1930/33 gibt der Nachlaß, den Verf. mit freundlicher Genehmigung der Familie einsehen durfte, deutlichere Auskunft als die für die Weimarer Zeit recht unergiebige veröffentlichte Briefauswahl. 19 Gelehrtenleben, 417, 26. 4. 1933. 20 Zu Kantorowiczs akademischer Zurücksetzung vgl. die biographische Skizze von I. Geiss, in: H. Kantorowicz, Gutachten zur Kriegsschuldfrage 1914, Frankfurt 1967, 3 f., 6 f. u. 10. — Antisemitische Wendungen: v. Below, Hemmnisse der politischen Befähigung, 18 ff.; A. Nißle, Richtlinien u. Vorschläge für einen Neuaufbau der Kräfte und Leistungen unseres Volkes, Freiburg 1922, 22; O. de la Camp, Rede zur Bismarckfeier 20. 6. 1923 (UAF II/l—12). — 1931 lehrten in Freiburg 5 jüdische Ordinarien, an allen deutschen Hochschulen etwa 100. Bis 1935 wurden in Freiburg 38 jüdische Habilitierte (wohl vor allem aus der medizinischen Fakultät) entlassen, das waren 185 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Anmerkungen zu S. 37—38 18,8 % des habilitierten Lehrkörpers vom WS 1932/33. Vgl. W. E. Mosse Hg., Entscheidungsjahr 1932, Tübingen 1965, 76 ff.; E. Y. Hartshorne, The German Universities and National Socialism, London 1937, 94. 21 Vgl. u. S. 47. 22 Vgl. u. S. 99 ff. — Außer den oben Genannten verdient Erwähnung der Moraltheologe Franz Keller (geb. 1873), der als Verfechter einer absoluten pazifistischen Gesinnungsethik, einer „heiligen Kritik an den überkommenen patriotischen, nationalistischen, militaristischen Denkschablonen“ in scharfem Gegensatz zu der wenigstens im Krieg vertretenen Position einiger seiner theologischen Fachkollegen an der Universität stand. Mitglied der „Deutschen Friedensgesellschaft“, gehörte er 1932 zu den 18 Unterzeichnern einer Eingabe an das badische Kultusministerium, die sich gegen die Entfernung des kämpferischen Pazifisten Emil Gumbel von der Heidelberger Universität wandte. Vgl. F. Keller, Kriegsächtung u. Friedensrüstung, Freiburg 1929 (Zitat: 29). I/2. 1 An dieser Stelle können zu dem umfassenden und schwierigen Thema nur wenige Marginalien gemacht werden; sie beanspruchen nicht, die Freiburger Wissenschaft der Epoche zu charakterisieren, sondern wollen auf einige Aspekte hinweisen, die auch in den folgenden Abschnitten zu berücksichtigen sind. 2 Darin sah Theodor Litt in einer sonst sehr reflektierten Rede „eine leitende Wertsetzung, eine Grundentscheidung, die in Zweifel zu ziehen oder anzufechten der Hochschule oder besser gesagt: den Hochschullehrern aufs Ganze gesehen niemals in den Sinn gekommen ist und hoffentlich nie in den Sinn kommen wird“. Th. Litt, Hochschule u. Politik, in: Rektoratswechsel an der Universität Leipzig 31. 10. 1931, Leipzig 1931, 47. 3 Ritter, Reichsgründung, 24. 4 Meyer, Geschichtsschreibung, 36. 5 G. v. Below, Die parteiamtliche neue Geschichtsauffassung, Langensalza 1920, 64. * Beispiele aus vielen Bereichen der Wissenschaft von vor 1933 finden sich vor allem in den beiden folgenden Vorlesungsreihen: Deutsches Geistesleben u. Nationalsozialismus,, Hg. A. Flitner, Tübingen 1965; Nationalsozialismus u. die deutsche Universität, Universitätstage 1966 der FU Berlin, Berlin 1966. Zur Kritik an den dort verwendeten Beurteilungskriterien: Haug, Antifaschismus. 7 K. Binding/A. Hoche, Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, Leipzig 1920. Zum ideologiegeschichtlichen Stellenwert dieser Schrift vgl. K. Dörner, Nationalsozialismus u. Lebensvernichtung, VfZ 15. 1967, 127 ff. u. 136. 8 Vgl. z. Β. Binding/Hoche, Freigabe, 27, 32, 54 f. — Aus dem Umkreis der Rassen­ hygiene, von der ein prominenter Vertreter, Eugen Fischer, bis 1927 in Freiburg wirkte — und dort 1924 die Reichsgründungsrede über „Politische Anthropologie“ hielt — stammte auch die Schrift des Hygienikers Alfred Nißle (geb. 1874): Richtlinien und Vorschläge für einen Neuaufbau der Kräfte und Leistungen unseres Volkes, Freiburg 1922. Seit dem WS 1933/34 war Nißle die Pflichtvorlesung für alle Studierenden über „Rassenhygiene“ übertragen. Im strikten Sinn war er allerdings eher Vertreter einer Rassenanthropologie wie der H. F. K. Günthers, die von den Nationalsozialisten den vergleichsweise methodenstrengen Rassenhygienikern vorgezogen wurde. Bis zu welchem Grade die Nationalsozialisten auf wissenschaftliches Niveau zu verzichten bereit waren, zeigt sich auch darin, daß dem Jahrgangsgenossen von Fischer und Nißle, dem a. ο Prof. Konrad Guenther, ab SS 1933 die Pflichtvorle­ sung über „Heimatkunde“ übertragen wurde; das meiste sagt schon sein (AMF, SS 1929, Nr. 7, 119 abgedrucktes) Programm „Volkseinheit durch Heimatlehre“; vgl. auch K. Guenther, Die Heimatlehre vom Deutschtum u. seiner Natur, Leipzig 1932.

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Anmerkungen zu S. 39—41

P. Diepgen, Ein bürgerliches Gelehrtenleben in stürmischer Zeit, Mainz 1966, 81. P. Diepgen, Die deutsche Medizin u. Gynäkologie im Zeitalter der wissenschaftlichen Anfänge von Alfred Hegar, 1852—1864, in: ders., Medizin und Kultur, Stuttgart 1938, 283 f. 11 P. Diepgen, Die Revolution von 1848/49 u. der deutsche Ärztestand, in: ders., Medizin, 257 f., 260. 12 M. Horkheimer, Traditionelle u. kritische Theorie, in: ders., Kritische Theorie, II, Frankfurt 1968, 190. 13 Vgl. etwa die Rede des Freiburger Rektors Paul Uhlenhuth (geb. 1870) zur Verleihung des naturwissenschaftlichen Ehrendoktors an die Zeppelinbauer Eckencr und Dürr (AMF, WS 1928/29, Nr. 7, 119 f.); vor diesem Hintergrund kann es als symbolisch gewertet werden, daß Uhlenhuth bei der Rektoratsübergabe 1928 am neugeschaffenen Ornat des Rektors das Eiserne Kreuz I. Klasse befestigt hatte (Frbg. Tagesp. 14. 5. 28). 14 Die Schwierigkeiten, denen Kantorowicz bei seiner Berufung nach Kiel wegen seines von der offiziellen politischen Position der deutschen Regierung abweichenden Gutachtens zur Kriegsschuldfrage begegnete, geben einen Hinweis darauf, wie sehr ein solches Verhalten erwartet wurde und wie wenig Widerstand sich dagegen regte. Geiss, Einl. zu Kantorowicz, Gutachten, 11 ff. 15 So etwa bei Werner Eucken (geb. 1891) in einem Interview mit der FSZ: Das „Heran- und Hineinführen einer Elite an und in die letzten Bereiche der Wissenschaft dient. . . der Schaffung einer geistigen, geistesaristokratischen Schicht, die sich heute bildet und bilden muß als Gegengewicht zu jeder Massenkultur. Eine Schicht, die aber im Gegensatz zum 18. Jahrhundert sich nicht abschließen darf gegen andere, sondern gerade auf die Pflicht bedacht sein muß, in der Masse die schlummernden Kräfte zu wecken und zu fördern. Dieses Wecken und Hinaufführen ist eine Aufgabe des Professors als Lehrer.“ (FSZ, WS 1931/32, Nr. 5, 1). 16 E. Nolte, Zur Typologie des Verhaltens der Hochschullehrer im Dritten Reich, Aus Politik u. Zeitgeschichte 15. 1965, H. 46, 10. 9

10

I/3. Mitteilungen des Verb, der Dt. Hochschulen 1. 1920/21, 195; 3. 1923, 62. 2 Th. Schieder, Das deutsche Kaiserreich von 1871 als Nationalstaat, Köln 1961, 76 f., 125 ff. Zur Praxis in der Weimarer Republik vgl. K. Sontheimer, Die Haltung der deutschen Universitäten zur Weimarer Republik, in: Nationalsozialismus u. die deutsche Universität, 29 ff. 3 Die wichtigsten Bestimmungen über die Verfassung und Verwaltung der Universität Freiburg i. Br. [Codex Nagler], Freiburg 1928, 89; Reden bei der öffentlichen Feier der Übergabe des Rektorats 51. 1925, 27. 4 Bei Langemarck in Westflandern waren am 10. 11. 1914 deutsche Kriegsfreiwillige, darunter besonders viele Studenten, in einem militärisch sinnlosen Sturmangriff vergeblich und unter hohen Verlusten gegen Stellungen des Gegners vorgegangen. Die Verfehltheit des Unternehmens wurde in keiner der Freiburger Langemarckreden auch nur berührt. — Politische Tendenz: vgl. dazu das Rundschreiben der DSt 18. 10. 1928 (DSt-Archiv, Rep. 4), wo es hieß: „Wenn man am 9. November daran geht, die 10jährige Wirkung der Revolution des Egoismus, die aus den dunkelsten Tiefen menschlicher Verirrung und Menschlosigkeit herausgequollen ist, zu feiern, sollte die DSt die Revolution der Selbstvergessenheit und Treue der Kommilitonen von 1914 erneuern. Der Verherrlichung der Zersetzung und Haltlosigkeit will sie die Pflicht entgegensetzen, die von den Thermopylen bis Langemarck nicht herrlicher erfüllt wurde.“ — Zurückhaltung der Universität: Schreiben des Rektors an das KM vom 4. 4. 1929 (UAF II/1—12). 1

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Anmerkungen zu S. 41—44 5 Das im folgenden über die zyklischen Veranstaltungen der Universität Gesagte gilt mehr oder minder auch für Kundgebungen zu besonderen Gelegenheiten: gegen die Versailler Friedensbedingungen am 10. 5. 1919 (AkBll 34. 1919/20, 54); zur 50Jahr-Feier der Univ. Straßburg am 5. 7. 1921 (BB11 35. SS. 1921, Nr. 5, 176 f.); gegen die Ruhrbesetzung am 18. 1. 1923 (Frbg. Tagesp. 19. 1. 1923); zum Leichenkondukt Schlageters 9. 6. 1923 (Frbg. Volkw. u. Brsg. Ztg. 11. 6. 1923); zur Jahrtausendfeier des Rheinlandes 19. 7. 1925 (Vincke, Aus den Tagebüchern... J . Sauer, in: ders., Freiburger Professoren, 123; UAF II/2—58); zur Rheinlandbefreiungsfeier 1. 7. 1930 (FSZ, SS 1930, Nr. 5, 3; Frbg. Ztg. 2. 7. 1930). • Frbg. Ztg. 19. 1. 1931. 7 Zum Typ der „Kaisers-Geburtstag“-Rede vgl. den satirischen Bericht bei L. Hatvany, Die Wissenschaft des Nichtwissenswerten, München 19142, 41. Auch Ringer (384) weist unter Nennung zahlreicher, teilweise absurder Beispiele hin auf „the determination to derive salutary lessons from scholarship“, die aus den akademischen Reden erkennbar werde. 8 Letzteres, mit Bezug auf Ritters Reden von 1927 und 1932, bei Meyer, Geschichtsschreibung, 31, Anm. 6. — Ein extremes Beispiel terminologischer Verirrung bietet der katholische Historiker Heinrich Finke (geb. 1855): zunächst beschwor er „unsere halbverschollenen Germanenlieder von Siegfried . . ., von Heimdall, von Thor und Odin, die im Weltbrande untergehen“, sodann „die große Passion des Gemartertwerdens“ des deutschen Volkes, bestimmt, einen „neuen Geist“ zu schaffen und es wieder zum „Lehrer der Völker“ werden zu lassen (H. Finke, Unseren Gefallenen zum Gedächtnis, Rede am 29. 3. 1919 in der Aula der Universität Freiburg, Freiburg 1919, 22 f.). Heidnische und christliche Anspielungen auch FHN, WS 1920/21, Nr. 6, 36 und AMF, SS 1927, Nr. 7, 132. 9 AMF, SS 1926, Nr. 5, 38. Über den Stil dieser Gottesdienste und den Charakter der Predigten vgl. z.B. Frbg. Ztg. 27. 6. 1929 u. 26. 6. 1930; Programm des evgl. Gottesdienstes am 25. 6. 1930 (UAF II/l—12). 10 AMF, WS 1927/28, Nr. 5, 86; FHN, SS 1920, Nr. 7/8, 39; Reden bei der öffentlichen Feier der Übergabe des Rektorats 47. 1921, 20. Eine besonders markante militaristische Einfärbung in der Rede des Mathematikers Lothar Heffter (geb. 1862): „Sie (die Studenten) müssen hier auf der Hochschule beginnen, Ihre Stellungen auszubauen und zu befestigen. Hier stehen Sie noch in geschlossenem Verbande: die Hochschuljahre sind Ihr Tag von Langemarck . . . In solchem Kampfe für das Vaterland und für die ideale Lebensauffassung nach dem Vorbild der Langemarckkämpfer stehen mit Ihnen, den Jünglingen, Ihre . . . akademischen Lehrer Schulter an Schulter“ (AMF, WS 1928/29, Nr. 4, 62). 11 AP 30. 11. 1928 u. 3. 12. 1928; AMF, WS 1928/29, Nr. 5, 83 und Nr. 7, 121; Schreiben des VDSt an den Rektor 15. 1. 1929 (UAF II/2—60); Vincke, Aus den Tagebüchern . . . J . Sauer, 133 f.; Gutachten des akad. Disziplinarbeamten für den Rektor 23. 11. 1929 (UAF VII—1). 12 Aktennotiz des Rektors v. 2. 3. 1927. Kultusminister Leers hatte nach einer Beschwerde der republ. Studenten den Rektor darauf hingewiesen, daß „an formalen Bedenken . . . im republikanischen Staat ein offenes Bekenntnis auch einer kleinen Gruppe zur deutschen Republik nicht scheitern“ dürfe (Schreiben 25. 2. 1927, UAF XIV/1 — 1). 13 Nicht alle der wissenschaftlichen Reichsgründungsreden haben im Wortlaut vorgelegen; nur mit dieser Einschränkung gilt das oben Gesagte. 14 So vor allem FHN, WS 1920/21, Nr. 6, 36; AMF, SS. 1926, Nr. 6, 50. 15 FHN, SS 1920, Nr. 7/8, 38 und WS 1920/21, Nr. 6, 36; Brsg. Ztg. 10. 7. 1921; de la Camp 20. 6. 1923 (UAF II/l—12); AMF, SS 1926, Nr. 6, 50, u. SS 1927, Nr. 7, 132; Brsg. Ztg. 30. 6. 1931.

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Anmerkungen zu S. 44—46 16 Auf diese Formel bei Lenel (Regierungssystem, 19) lassen sich die meisten Erwähnungen Bismarcks beziehen. — Zur Geschichte des Bismarckbildes in der Historiographie und der durch sie geprägten akademischen Öffentlichkeit vgl. H. G. Zmarzlik, Das Bismarckbild der Deutschen — gestern und heute, in: ders., Wieviel Zukunft, 120ff, u. M. Stürmer, Bismarck-Mythos u. Historie, Aus Politik u. Zeitgeschichte 21. 1971, H. 3. 17 Fundorte: wie Anm. 15; ferner AMF, WS 1927/28, Nr. 5, 86; SS 1928, Nr. 7, 138 und WS 1928/29, Nr. 4, 62; besonders markant in der politisch und rechtstheoretisch bedeutungsvoll gewordenen, in Jamben gefaßten Reichsgründungsrede des Juristen Fritz Frhr. Marschall v. Bieberstein (geb. 1883), Vom Kampf des Rechts gegen die Gesetze, Stuttgart 1927, bes. 150 ff., 158 ff. 18 Abweichend G. Ritter in seiner Langemarckrede 1930: „Eine Jugend, die den Anspruch erhebt, eine neue, bessere Zeit heraufzuführen, muß vor allem zeigen nicht nur, wie sie gesinnt ist und was sie sich zutraut, sondern was sie weiß und was sie kann“ (FSZ, WS 1930/31, Nr. 4, 1). 19 Wie Anm. 15 und 17; ferner AMF, SS 1927, Nr. 7, 134 und SS 1929, Nr. 7, 117; Finke, Unseren Gefallenen, 22. 20 Auffällig ist der immer wieder herangezogene Vergleich 1648/1806/1918, der eine historische Gesetzmäßigkeit nahelegt; Herzfeld nennt solche „Tiefpunkt-Vergleiche“ typisch für die deutsche Geschichtswissenschaft der 20er Jahre, sie finden sich aber auch und gerade bei historischen Laien (H. Herzfeld, Staat u. Nation in der deutschen Geschichtsschreibung der Weimarer Zeit, in: Festschrift zur 200-Jahrfeier der Columbia University New York, Berlin 1953, 132). 21 AMF, SS 1929, Nr. 7, 117; FHN, WS 1920/21, Nr. 6, 34. — „Vertrauen Sie dem Zeugnis Ihrer akademischen Lehrer, deren Wahrhaftigkeitssinn und Urteilsfähigkeit“, ermahnte der Althistoriker Ernst Fabricius (geb. 1857) die Studenten in seiner Reichsgründungsrede 1921 — um fortzufahren: „Will es uns doch selbst die Brust zersprengen, dieser brennende Schmerz, die tiefe Enttäuschung, das Gefühl der Schmach, der wilde Zorn, die Empörung über die Niedertracht unserer Gegner und den Hader daheim, das sich immer wieder erneuernde Bewußtsein des ungeheuren Unrechts, das dem deutschen Volke von Anfang an geschehen ist und tagtäglich ihm von neuem zugefügt wird“ (FHN, WS 1920/21, Nr. 6, 34). 22 AMF, WS 1928/29, Nr. 7, 120. 23 AMF, WS 1927/28, Nr. 5, 86. 24 FSZ, WS 1930/31, Nr. 4, 2.

I/4. 1 E. Troeltsch, Spektatorbriefe, Tübingen 1924, 7. — In der Vorkriegszeit bildet ein klassisches Beispiel dieses Amalgams die Kontroverse zwischen Max Weber und der Freiburger Professorenschaft anläßlich der Reden, die beim Festkommers zur Einweihung des neuen Universitätsgebäudes 1911 gehalten wurden. Vgl. dazu M. Weber, Max Weber, Tübingen 1926, 414 ff.; Frankfurter Ztg. 31. 10. u. 10. 11. 1911. 2 Von 194 habilitierten Hochschullehrern, die im Personenregister von Schwabe aufgeführt sind, lehrten 14 an der Universität Freiburg (K. Schwabe, Wissenschaft u Kriegsmoral. Die deutschen Hochschullehrer u. die politischen Grundfragen des Ersten Weltkrieges, Göttingen 1969). Aus diesen bestand wohl auch im wesentlichen die „Freie Vereinigung zur Beratung der nationalen Friedensziele“ an der Universität Freiburg (undat. Notiz UAF XXV—14; Schemann, 359). — Außer der Aktivität v. Belows, die an der Universität den „Fall Valentin“ verursachte (vgl. u. S. 99 Anm. 79), bestand der einzige überregional bedeutsame Beitrag Freiburger Professoren zur Kriegspublizi-

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Anmerkungen zu S. 46—48

stik in dem Werk von G. Pfeilschifter Hg., Deutsche Kultur, Katholizismus u. Weltkrieg, Freiburg 1915. Ober die Entstehung des Werks, das in einem Jahr 3 Auflagen mit 16 Td. Expl. erlebte, in 150 Rezensionen besprochen und in 6 Sprachen übersetzt wurde, vgl. Töpner, 143 f. u. Finkes Notiz in Unitas 72. 1932/33, 75. 3 Brüderlichkeitsadresse des Freiburger Akademischen Senats an die Universität Wien (1914), zit. in: Η. Ρ. Bleuel, Deutschlands Bekenner. Professoren zwischen Kai­ serreich u. Diktatur, Bern 1968, 75; undatierter Entwurf des Weihnachtsbriefes der Universität an die im Feld stehenden Studenten (UAF XIV/1—5); Notiz UAF XXV —14. 4 Frbg. Volksw., 23. 11. 1918; Frbg. Tagesp. 13. 11. 1918 u. 14. 11. 1918; Frbg. Tagesp. 12. 11. 1918; J . Schofer, Mit der alten Fahne in die neue Zeit, Freiburg 1926, 115 f.; W. A. Zehnter, Der politische Umsturz in Baden, in: Ekkhart. Kalender für das Badnerland 1. 1920, 82. 6 Da auch die badische Vorläufige Volksregierung dem Großherzog nach dessen Abdankung (22. 11.) eine gleichsam bedauernde Abschiedsadresse widmete (Schofer, 116f.), bedeuteten ähnliche Proklamationen der Universität nicht eo ipso eine monarchistische Kundgebung; selbst die sozialdemokratische Freiburger Volkswacht (6. 12. 1918) fand das Verhalten der Universität nur „unpolitisch“; vgl. auch Frbg. Tagesp. 2. 12. 1918. 6Zitate nach Frbg. Tagesp. 7. 1. 1919. — Zur Biographie Finkes vgl. J . Beckmann, H. Finke 1855—1938, Freiburg 1938; C. Bauer, H. Finke, 1855—1938, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Wirtschafts- u. Sozialgeschichte, Freiburg 1965, 476 ff. 7 Die wichtigsten Bestimmungen, 92; AP 20. 12. 1926, 13. 1. 1927, 17. 1. 1927. Mindestens 1920 und 1921 hatte die Universität neben der badischen auch die schwarzweiß-rote Fahne gezeigt. Verfassungsfeiern (11. 8.) fanden in Freiburg wie an den meisten anderen deutschen Hochschulen nicht statt. 8 Die Stellungnahme des Senats zu dem im Landtag abgelehnten Antrag Königsbergers erfolgte auf Betreiben O. Lenels am 21. 4. 1920 (UAF II/l—1 und FHN, SS 1920, Nr. 1/2, 3). 9 Blatt 1 der Denkschrift der Philos. Fakultät 28. 11. 1930 (GLA 235/4766). 10 Denkschrift betr. die Gründung eines Instituts für politische Wissenschaften 17. 5. 1929 (GLA 235/4766). — Die durchaus gängige Vorstellung von der Universität als „Vorposten deutscher Kultur“, als „geistiger Festung“, als „Kulturbastion“ und „wissenschaftliche Grenzfestung“ (Reden bei der öffentlichen Feier der Übergabe des Rektorats 52. 1926, 35; AMF, WS 1928/29, Nr. 5, 85; FUF, SS 1926, 129) befindet sich in unmittelbarer Nähe zur nationalsozialistischen Terminologie etwa bei E. Anrieh oder in einer Denkschrift des badischen KM v. 13. 12. 1934, wo es heißt, die badischen Hochschulen hätten ihre „ursprüngliche Bedeutung als Angriffspunkte deutscher Kultur und deutschen Denkens“ weitgehend eingebüßt (Stadtarchiv Freiburg XI/21/2). 11 Christoph Emeritus (A. Hoche), Hände weg von den Universitäten! Rede, nicht gehalten im Badischen Landtag am 4. Juli 1919, Freiburg 1919, 15. 12 Im Kleinen Senat (11 Mitglieder) hatten die NichtOrdinarien 2 Vertreter, in den Engeren Fakultäten maximal 4. Das Verhältnis zwischen Ordinarien und allen anderen Habilitierten betrug im SS 1921 79 : 105, im SS 1931 67 : 117. H. Gerber, Der Wandel der Rechtsgestalt der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. seit dem Ende der vorderösterreichischen Zeit, II, Freiburg 1957, 225 f.; Die Selbstverwaltungskörper der deutschen Universitäten nach den Reformen 1919—1921, in: Mitt. des Verb, der Dt. Hochschulen 1. 1920/21, Sonderh. 3, 18 f. Zum Kampf um eine Vertretung der NichtOrdinarien vor 1914 vgl. E. Th. Nauck, Die Privatdozenten der Universität Freiburg i. Br. 1818—1955, Freiburg 1956, 67 ff., 146 f. 13 Emeritus; die offizielle Denkschrift über die Universitätsverhältnisse, verfaßt im Auftrag des Akademischen Senats der Universität Freiburg i. Br. [von O. Lenel], Frei-

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Anmerkungen zu S. 48—53 burg 1919; ferner: Mitt. des Verb. der Dt. Hochschulen 1. 1920/21, 29 ff., 144 ff., Sonderh. 3, 47; 2. 1922, 34 ff., 42 ff.; 3. 1923, 61. 14 D. Schäfer, Mein Leben, Berlin 1926, 96. 15 BBll 42. 1927/28, 198; AP 23. 7. 1928; ferner die Akte über die Besetzung der Direktorenstelle der Universitätsbibliothek (GLA 235/7462). 16 So berechtigt Lenels und Hoches Kritik an dieser Forderung war, so fragwürdig war ihre Behauptung, im Kaiserreich sei die Besetzung von Professuren ohne Rücksicht auf die politische Einstellung der Kandidaten erfolgt. 17 M. Abelein, Die Kulturpolitik des Deutschen Reiches u. der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1968, 27; auch Ringer, 62 ff. 18 Die Zahl der vom Freistaat Baden gewährten Stipendien war gering. 1925/26 gab Baden für Stipendien 21 000 RM aus, 1926/27 39 000 RM (K. Griewank, Staat u. Wissenschaft im Deutschen Reich, Freiburg 1927, 129). Vgl. auch u. S. 68 f. 19 H. Köhler, Lebenserinnerungen des Politikers u. Staatsmannes. 1878—1949, Stuttgart 1964, 120; Frbg. Ztg. 11. 6. 1926; Frankfurter Ztg. 16. 6. 1926; Appell des AStA der Univ. Heidelberg an das KM 12. 11. 1926 (AMH, WS 1926/27, Nr. 3, 28). 20 FHN, WS 1920/21, Nr. 6, 35; Reden bei der öffentlichen Feier der Übergabe des Rektorats 51. 1925, 28; 52. 1926, 33; 53. 1927, 32. 21 Köhler, Lebenserinnerungen, 120; W. Hellpach, Wirken in Wirren. Lebenserinnerungen, II, Hamburg 1949, 134 u. 175. 22 Dies und die folgenden Zitate aus H. Hummel, Studenten, Professoren u. Politik, AMH, SS 1920, Nr. 3, 1 f. 23 1923, auf der Höhe der Inflation, sank die Zahl der nichtbeamteten Lehrkräfte an der Universität Freiburg um 35 % (Nauck, Privatdozenten, 38, auch 55 ff.). 24 W. Hellpach, Triennium Ministrale, in: ders., Prägungen, Heidelberg 1928, 241 f. 25 Vgl. D. Fricke, Zur Militarisierung des deutschen Geisteslebens im Wilhelminischen Kaiserreich. Der Fall Leo Arons, ZfG 8. 1960, 1069 ff. 26 Vgl. Schieder, Kaiserreich, 62; Th. Nipperdey, Die deutsche Studentenschaft in den ersten Jahren der Weimarer Republik, in: A. Grimme Hg., Kulturverwaltung der zwanziger Jahre. Stuttgart 1961, 24; im Zusammenhang mit dem „Wertfreiheitsproblem“: J . Ben-David u. A. Zloczower, Universities and Acadcmic Systems in Modern Societies, Archives Européennes de Sociologie 3. 1962, H. 1, 59 f. 27 So gegen den Heidelberger rechtsextremen Physiker Philipp Lenard (geb. 1862) im Jahr 1922 oder gegen den Freiburger Staatsrechtler Fritz Frhr. Marschall v. Bieberstein 1925. Diesem erteilte Hellpach einen dienstlichen Verweis, weil er in seiner Reichsgründungsrede v. 17. Januar 1925 (vgl. o. S. 47 Anm. 17) „schwere Ausfälle gegen den heutigen Staat und einzelne seiner Repräsentanten“ unternommen habe. Zur Frage des Ursprungs der Verfassungsgewalt hatte Marschall u. a. gesagt: „An dem Gesetzesrecht gemessen, waren objektiv die Willensakte der Usurpatoren, der Herren Ebert, Haase und Genossen, die sich angebliche Gesetzeskraft beilegten, doch nichts als Hochverrat.“ Ungeachtet dieser und einiger anderer Äußerungen, die vor allem in der Theologischen Fakultät beanstandet worden waren, attestierte der Freiburger Akademische Senat Marschall, daß er „bestrebt war, der heutigen Staatsordnung gerecht zu werden“. Hellpach, Wirken, IL 175 f., 386; Marschall v. Bieberstein, 94 ff., 169 ff. 28 Reden bei der öffentlichen Feier der Übergabe des Rektorats 57. 1931, 30; Rektor Otto Immisch (geb. 1862) zur Eröffnung der AMF, SS 1925, Nr. 1 , 1 . Der politische Hintergrund wird noch deutlicher in der Rektoratsrede von Immisch, Academia, Freiburg 1924, 15 f. II/l. 1 2

Th. Geiger, Die soziale Schichtung des deutschen Volkes, Darmstadt 19672, 77. Das rapide Anwachsen der absoluten Zahl der deutschen Universitätsstudenten 191 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Anmerkungen zu S. 53—66 zwischen dem SS 1928 und dem SS 1931 (83 200 : 103 900) war außer auf die gesteigerten Neuzugänge auch zurückzuführen auf die Verlängerung der durchschnittlichen Studienzeit — Folge der schlechten Berufsaussichten für Akademiker und der zunehmend dysfunktionalen Organisation des Studiums an den Hochschulen. 3 Vgl. dazu ausführlich W. M. Kotschnig, Unemployment in the Learned Professions. An International Study of Occupational and Educational Planning, London 1937, bes. 179 ff. 4 Verzeichnis der Vorlesungen an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br., SS 1924 bis WS 1933/34; Reden bei der öffentlichen Feier der Übergabe des Rektorats 47. 1921 bis 53. 1927; Deutsche Hochschulstatistik, H. 1, Sommerhalbj. 1928, 354 f. 5 E. Th. Nauck, Das Frauenstudium an der Universität Freiburg i. Br., Freiburg 1953; L. K. Goetz, Die Studentinnen in der deutschen Hochschulstatistik, Die Frau 36. 1928/29, 228; Deutsche Hochschulstatistik, H. 1—11, Sommerhalbj. 1928—1933. 6 Vgl. dazu Kotschnig, 33 ff.; neuerdings: J . Ben-David, Professions in the Class System of Present-Day Societies, Current Sociology 12. 1963/64, Nr. 3, 246 ff., bes. 265 ff.; ders., Akademische Berufe und Professionalisierung, in: D. V. Glass u. R. König Hg., Soziale Schichtung u. soziale Mobilität, KZfS, Sonderh. 5. 1961, 104 ff.; wichtig besonders für die deutsche Tradition: H. u. W. Kaupen, Der Einfluß gesellschaftlicher, Wertvorstellungen auf die Struktur der deutschen Studentenschaft, KZfS 16. 1964, 125 ff. — Zur Weimarer Situation vgl. die statistischen Materialien in C. Quetsch, Die zahlenmäßige Entwicklung des Hochschulbesuches in den letzten fünfzig Jahren, Berlin 1960; Untersuchungen zur Lage der akademischen Berufe, Hg. Hochschulverwaltungen, H. 1—7, Berlin 1932/33. 7 Vgl. etwa M. Janowitz, Soziale Schichtung u. Mobilität in Westdeutschland, KZfS 10. 1958, 1 ff. 8 R. Michels, Umschichtungen in den herrschenden Klassen nach dem Kriege, Stuttgart, 1934, 68; S. Riemer, Sozialer Aufstieg u. Klassenschichtung, Archiv für Sozialwissenschaft u. Sozialpolitik 67. 1932, 557. II/2.

Geiger, 98, auch 121. W. Kaupen, Die Hüter von Recht u. Ordnung. Die soziale Herkunft, Erziehung und Ausbildung der deutschen Juristen, Neuwied 1969, 89; vgl. bereits E. Kehr, Die Diktatur der Bürokratie, in: ders., Der Primat der Innenpolitik, Hg. H.-U. Wehler, Berlin 19702, 249 f. 3 Vgl. dazu in zeitgeschichtlichem Zusammenhang H. Mommsen, Beamtentum im Dritten Reich, Stuttgart 1966, 20 ff. 4 Die noch immer beste Analyse: E. Grünberg, Der Mittelstand in der kapitalistischen Gesellschaft, Leipzig 1932. 5 Geiger, 85. 6 S. Kracauer, Die Angestellten, Frankfurt 1971, 82; vgl. ferner die vorzügliche Untersuchung von C. Dreyfuß, Beruf u. Ideologie der Angestellten, München 1933. 7 M. Weber, Wahlrecht u. Demokratie in Deutschland, in: ders., Ges. Politische Schriften, Tübingen 19582, 235 f (Sperrung im Original). 8 Zum Zusammenhang der Konzeption der „Bildungselite“ mit der Ausbildung von Volksgeistlehren vgl. H. Weil, Die Entstehung des deutschen Bildungsprinzips, Darmstadt 19672, 172 f. 9 Zum letzterwähnten Gesichtspunkt vgl. Ben-David, Professions, 265 ff. 10 Zur Bedeutung der „Mittelschichten“ für den Nationalsozialismus vgl. Geiger, 109 ff.; S. Neumann, Die Parteien der Weimarer Republik, Stuttgart 1965 (erstmals 1932), 78 ff.; S. M. Lipset, Soziologie der Demokratie, Neuwied 1962, 131 ff.; R. M. 1

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Anmerkungen zu S. 66—69 Lepsius, Extremer Nationalismus, Strukturbedingungen vor der nationalsozialistisdien Machtergreifung, Stuttgart 1966, 9 ff.; H. Lebovics, Social Conservatism and the Middle Classes in Germany 1914—1933, Princeton 1969; A. Schweitzer, Die Nazifizierung des Mittelstandes, Stuttgart 1970, bes. Kap. 1; jüngst: Η. Α. Winkler, Mittel­ stand, Demokratie und Nationalsozialismus, Köln 1972. Natürlich setzen sich auch verschiedene Faschismus-Theorien mit diesem zentralen Punkt auseinander. 11 Vgl. dazu vor allem E. Bloch, Erbschaft dieser Zeit, Frankfurt 1962, 105 £f. („Ungleichzeitigkeiten, berichtet“). 12 Von den 980 rcichsdeutschen Studenten der Medizinischen Fakultät (allg. Medizin und Zahnmedizin) im SS 1928 wollten nur 23 nicht „Arzt“ werden. Von 1049 reichsangehörigen Jurastudenten dieses Semesters wollten 35 % Rechtsanwalt werden, 23 % strebten in den Verwaltungsdienst, 1 6 % ins Richteramt und nur 11 % in die Wirtschaft. 13 Kaupen, Hüter, passim; D. Rüsdiemeyer, Rekrutierung, Ausbildung u. Berufsstruktur. Zur Soziologie in der Anwaltschaft in den Vereinigten Staaten u. in Deutschland, in: Glass u. König, 122 ff.; R. König u. M. Tönnesmann Hg., Probleme der Medizin-Soziologie, KZfS, Sonderh. 3. 1958; F. Naschold, Kassenärzte u. Krankenversicherungsreform, Freiburg 1967, 36 ff. 14 Rüschemeyer, 122 f.; ähnlich H. Stieglitz, Der soziale Auftrag der freien Berufe, Köln 1960, 268 f. 15 Charakteristisch etwa S. Feuchtwanger, Der Staat u. die freien Berufe, Königsberg (1929), 49 f.: „Wo immer freiberufliches Leben sich rührt..., wo immer eine Versittlichung des Erwerbsstrebens, eine Veredelung des Konkurrenzprinzips, wo immer beruflicher Idealismus und Altruismus inmitten einer Welt des Materialismus und Egoismus sich zeigt, habe man davor Achtung.“ 16 Kaupen, Hüter, 114. Diese auf die Anwaltschaft gemünzte Bemerkung gilt nicht minder für die ärztlichen Standesorganisationen und, mutans mutandis, auch für den Deutschen Philologenverband. Vgl. Naschold, 72 ff.; G. Schcfer, Das Gesellschaftsbild des Gymnasiallehrers, Frankfurt 1969, 11 ff. 17 Vgl. etwa die vom Göttinger Studententag 1920 verabschiedete „Ehrenordnung der Deutschen Studentenschaft“, auszugsweise zitiert u. S. 78 Anm. 6. 18 Das Berechtigungswesen, ursprünglich ein Instrument zur Erhaltung sozialer Exklusivität, führt unter den Bedingungen der industriellen Gesellschaft zu dysfunktionalen Konsequenzen. Indem aus Gründen der Qualifikation und des Statuserhalts für immer mehr Berufslaufbahnen Abschlußzertifikate weiterführender Schulen und Hochschulen verlangt werden, sinkt der soziale Indikationswert von Bildung. Gerade weil vor den sozialen Aufstieg die Schranke der „Berechtigung“ gesetzt ist, konzentriert sich „die ganze Energie des Aufstiegsdrängens auf den allerersten Einsatz, auf die schulische Ausbildung, auf die Jagd nach einem Berechtigungsschein von möglichst großer Reichweite“ (Riemer, S. 555). Zur zeitgenössischen Beurteilung vgl. F. Behrend Hg., Vom Sinn u. Unsinn des Berechtigungswesens, Leipzig 1929; neuerdings: R. Meyer, Das Berechtigungswesen in seiner Bedeutung für Schule u. Gesellschaft im 19. Jh., Zschr. für die Ges. Staatswiss. 124. 1968, 763 ff. 19 Vgl. H. G. Rolff, Sozialisation u. Auslese durch die Schule, Heidelberg 1967, bes. 13 ff. 10 Das Deutsche Studentenwerk, Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft 1928—1931, Berlin 1931, 3 f. 21 Die Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft, 1925—1926, Leipzig 1926, 26; dito, 1926—1928, Berlin 1928, 31; K. Hirche, Gedanken über die Studienstiftung, Studentenwerk 4. 1930, H. 4, 134. 22Das Deutsche Studentenwerk, 1928—1931, 4. 13 Kreutzberger, Studenten und Politik © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

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Anmerkungen zu S. 70—78 23 H. Pross, Über die Bildungsdiancen von Mädchen in der Bundesrepublik, Frankfurt 1969, 53 f. 24 Ebda, 52 f. 25 FSZ, SS 1931, Nr. 3, 3 f. (eine Jurastudentin in einer Antwort an den NSDStB und eine katholische Studentin in Erwiderung eines Artikels der Roten Studentengruppe). 26 Zitate aus FSZ, SS 1931, Nr. 2, 1 u. Nr. 4, 4 (NSDStB), Nr. 4, 6 u. Nr. 5, 5 f. (Medizinstudenten). Vgl. auch u. S. 111. 27 FSZ, SS 1931, Nr. 5, 6; zum Standpunkt der Roten Studentengruppe vgl. FSZ, SS 1931, Nr. 1, 2 f. u. Nr. 3, 4. 28 H. Bauer, Die studentische Selbstverwaltung u. die studentischen Gruppierungen an der Universität Hamburg, 1919—1933, Diplomarbeit MS, Hamburg 1971, 73, 93; ebenfalls mit Hamburger Material A. Doherr, Wie wählen Studentinnen?, Die Frau 39. 1931/32, 365 ff. 29 Vgl. Tab. 7; zur Wahl von 1932 s. u. S. 110. 30 Die Entwicklung des NSDStB bei den AStA-Wahlen im Reichsgebiet ist bisher nirgendwo vollständig tabellarisch erfaßt. Ausgewählte Wahlergebnisse und Aufschlüsselungen des Anhänger- und Mitgliederbestandes des NSDStB bei A. Faust, Studenten u. Nationalsozialismus in der Weimarer Republik. Der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund, phil. Diss. MS, München 1971, 474 ff. 31 Lepsius, 31 ff. 32 Academia 43. 1930/31, Nr. 3, 53 ff.; 44. 1931/32, Nr. 11 u. 12; 45. 1932/33, Nr. 12, 351. Vgl. auch u. S. 116 f. 33 Lepsius, 37. 34 Als Beispiele können gelten München (SS 1928: 4 7 % Kath., 5 0 % aus Bayern, davon die knappe Hälfe aus Oberbayern), wo der NSDStB (im WS 1931/32) immerhin auf 3 6 % der Stimmen kam; oder Würzburg (SS 1928: 64% Kath., 6 0 % aus Bayern, davon zwei Drittel aus Franken), wo der NSDStB (im WS 1930/31) 37 % der Stimmen erreichte. 35 Schlagzeile der Berliner „Welt am Morgen“ 29. 11. 1926; W. Hellpach, Triennium, 241. 36 Vgl. Beschluß der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg v. 16. 5. 1925 in der Angelegenheit des Privatdozenten Dr. Gumbel, Heidelberg 1925.

ΙΠ/1. 1 Der genaue Titel: Vorschriften über das akademische Bürgerrecht, die akademische Disziplin u. den Besuch der Vorlesungen durch Nichtakademiker. Erlassen auf Grund der Staatsministerialentschließung v. 9. 4. 1920, Nr. 1583, am 22. 4. 1920. 2 Diese Motivation deutet sich an im Schreiben des KM an den Senat der U. Frbg., 25. 11. 1907 (GLA 235/4790): zwar könne man politische Vereinigungen von Studenten nur verbieten, wenn sie die akademische Disziplin gefährdeten, was bei sozialdemokratischen Gruppen „wohl immer“ der Fall sein werde; doch sei das Anwachsen politischer Studentenvereinigungen wie auch der „von politischen Tendenzen nicht freien“ konfessionellen Verbindungen auf jeden Fall zu bedauern. 3 H. Rotter, Enklave des Rechtsstaats. Studentisches Disziplinarrecht in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1968, 41 ff., 61 ff.; R. Neumann, Studentisches Vereinsrecht, jur. Diss., MS. Freiburg 1958, 91 ff. 4 Der § 35 nennt u. a.: Verletzung der den akademischen Behörden und Lehrern schuldigen Achtung, Ungehorsam gegen behördliche Anordnungen, Verletzungen des Anstandes im Universitätsgebäude, Erregung von Ärgernis durch Unsittlichkeit oder Trunkenheit, Verrufserklärungen, Anwesenheit bei Duellen, Ehrenkränkungen.

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Anmerkungen zu S. 78—80 5 Richtlinien des AStA betr. die neue Disziplinarordnung, 28. 1. 1920 (UAF XIV/ 1—6/1); Satzung der Studentenschaft 29. 11. 1920, § 2 e (Anhang I). * H. Volkmann (Die deutsche Studentenschaft in ihrer Entwicklung seit 1919, Leipzig 1925) druckt im Anhang die 1920 verabschiedete „Ehrenordnung der Deutschen Studentenschaft“ ab. Darin heißt es u. a.: „a) der Beruf des Studenten, ein Jünger der Wissenschaft und demnach an einflußreicher und verantwortungsvoller Stelle ein Diener der Volksgemeinschaft und des Staates zu sein, ist ein erhabener Beruf, b) Dieser Beruf erfordert und die Hochschulerziehung ermöglicht im Individual- und Sozialleben höchstwertige sittliche Persönlichkeiten, c) Der hohen Achtung, die die Besten des eigenen Berufs dem Berufe entgegenbringen und den Forderungen, die sie und die nichtstudentische Öffentlichkeit daraus. . . herleiten, müssen die Maßstäbe entsprechen, die an die Würdigkeit der einzelnen Berufsangehörigen gelegt werden.“ (194). Ähnlich noch eine neuere Rechtfertigung des studentischen Disziplinarrechts: H. Maack, Grundlagen des studentischen Disziplinarrechts, Freiburg 1956, bes. 122; zur Kritik: Nitsch u. a., 184 f., 337 f.; Rotter, 48 ff.

III/2. Reden bei der öffentlichen Feier der Übergabe des Rektorats 53. 1927, 38 f. Finke in seiner Immatrikulationsrede im SS 1918 (AMF, SS 1918, Nr. 1/3, 4 ) ; L. Heffter, Studentenwoh! u. -wehe, AMF, SS 1928, Nr. 6, 115. 3 F. Meinecke, Der Geist der akademischen Jugend in Deutschland, in: ders., Politische Schriften u. Reden, Darmstadt 1958, 342. — Aus Freiburg wird von der Förderung der Korporationen durch den Rektor berichtet bei W. Büdingen, Der Freiburger Senioren-Convent im Geschehen der Zeit u. des studentischen Lebens an der AlbertoLudoviciana, Frankfurt 1931, 412, u. H. Böker Hg., Corpschronik 1914—1920 der Hasso-Borussia, Freiburg (o. J . ) , 31. 4 Immatrikulationsrede SS 1918 (AMF, SS 1918, Nr. 1/3, 4). 5 Zitate aus: Frbg. Tagesp. 7. 11. 1919; AMF, SS 1925, Nr. 1, 1, u. SS 1926, Nr. 6, 50. 6 Vgl. die Geleitworte des Rektors zur Neueröffnung der AMF, SS 1925, Nr. 1, 1, u. der FSZ, SS 1930, Nr. 1, 1; ferner das Schreiben des Senats an das KM 12. 3. 1931 (UAF, XIV/1—6/1). 7 FSZ, SS 1932, Nr. 3, 1. 8 Schreiben v. 13. 2. 1929 (UAF XIV/1—60). 9 Zur lavierenden Politik der deutschen Rektoren gegenüber dem NSDStB und zur „harten Linie“ gegenüber kommunistischen Studenten vgl. die Protokolle u. Beschlüsse der 21. u. 22. außeramtlichen Deutschen Rektorenkonferenz 8. 10. 1932 u. 4. 12. 1932 (UAF VI/1—37); ferner F. Neumann, Das politische Rektorat, i n n e r d e u t sche Student 1. 1933, 14 ff., bes. 19, u. H. Bauer, Studentische Selbstverwaltung, 70 ff. 10 Die wichtigsten Bestimmungen, 95. Beispiele in den Akten der Sozialistischen Studentengruppe und des NSDStB (UAF XIV/1—45 u. ΧI V/1— 60). Ein Fall wie der folgende ist nicht typisch, aber deutet das „Klima“ an: 1923 wurde ein Aushang der Sozialistischen Studentengruppe vom Rektor nicht genehmigt, in dem gegen „die un­ zeitgemäße und provozierende Form“ protestiert wurde, in der die Universität den Leichenkondukt Schlageters geehrt hatte. „Es steht Ihnen“, schrieb der Rektor, „das Recht zu, Ihre abweichende Meinung zu äußern, nicht aber, an den Maßnahmen des Rektors Kritik zu üben, am wenigsten in Ausdrücken wie den von Ihnen gewählten.“ (UAF II/l—17). 11 Die wichtigsten Bestimmungen, 92; Mitteilung des Rektors an den AStA, 18. 11. 1930 (UAF XIV/1—6/1). 12 AP v. 12. 7. 1928; vgl. auch u. S. 141 ff. 1

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Anmerkungen zu S. 80—84 13 Gutachten des Disziplinarbeamten 23. 11. 1929 (UAF VII—1); Antwort der Univ. auf eine Umfrage der U. Halle 12. 12. 1932 (UAF VI/1—37). 14 Bad. Staatsanzeiger 13. 6. 1930; FSZ, SS 1931, Nr, 2, 6; Antwort an U. Halle 12. 12. 1932. III/3. 1 Zur Beurteilung des Korporationsstudententums seien aus der Fülle der Literatur genannt: M. Weber, Wahlrecht u. Demokratie, 266 ff.; W. Mahrholz, Der Student u. die Hochschule, Berlin 1919, 68 ff.; Die Tat 19. 1927/28, Studenten-Sonderh. 12, bes. 916 ff, 934 ff.; G. Kautz, Die Altherrenschaft deutscher Hochschulverbindungen, in: Das Akademische Deutschland, II, Berlin 1931, 171 ff.; W. Flitner, Studentisches Gemeinschaftsleben u. Hochschulreform, Die Sammlung 7. 1952, 116 ff.; E. Weniger, Die Korporationsstudenten als soziologisches Problem, ebda, 125 ff.; H. Anger, Probleme der deutschen Universität, Tübingen 1960, 74 ff.; H. Pross, Studenten, Verbindungen, Politik, in: ders., Vor u. nach Hitler, Olten 1962, 39 ff.; E. Baumgarten, Zustand u. Zukunft der deutschen Universität, Tübingen 1963, 17 ff.; L. E. Finke (d. i. M. Mauke), Gestatte mir Hochachtungsschluck. Bundesdeutschlands korporierte Elite, Hamburg 1963; Κ. Ρ. Tauber, Nationalism and Social Restauration: Fraternities in Postwar Germany, Political Science Quarterly 78. 1963, 66 ff.; Nitsch u. a., 324 ff.; Η. Η. Jescheck, Stellung u. Aufgabe der Korporation in der modernen Universität, Freiburger Universitätsblätter 6. 1967, H. 17, 35; W. Kohlhaas, Wandlungen u. Problematik der studentischen Korporationen in Deutschland, Politische Studien 18. 1967, 297 ff. 2 M. Horkheimer, Verantwortung u. Studium, in: ders. u. Th. W. Adorno, Sociologica II, Frankfurt 1962, 81. 3Nitsch u. a., 326. 4 Ebda, 337. III/4. 1 Die Darstellung stützt sich der Authentizität wegen ausschließlich auf Freiburger Materialien, wenn das auch mit Bruchstückhaftigkeit erkauft wird. Manche „überzogen“ erscheinende Interpretation verdankt sich dem Gesamteindruck aus einer gründlichen Lektüre der Burschenschaftlichen Blätter jener Jahre. Entsprechendes gilt auch für die beiden folgenden Abschnitte (VDSt und Corps). Zum folgenden vgl. Burschenschaftliche Blätter 33. 1918/19 bis 47. 1932/33, jeweils die Notizen aus dem Freiburger Verbindungsleben; A. Wirth Hg., Geschichte der Freiburger Burschenschaft Alemannia 1860—1935, Freiburg 1935; E. Büsing, Geschichte der Burschenschaft Frankonia zu Freiburg, Siegen 1937; Verzeichnis der Mitglieder des Vereins Frankenhaus e.V. zu Freiburg i. Br., o. O. 1937; Semesterberichte der Burschenschaft Frankonia (Archiv der DB, 107). Im Archiv der DB wurde auch Material aus den übrigen Burschenschaften eingesehen, dessen Verwertung aber nicht gestattet wurde. 2 Archiv der DB, 107; 3. Wochenbericht WS 1919/20, Sammelber. vom WS 1919/ 20 u. SS 1920. 3 Wirth, 228 f.; vgl. auch entsprechende Burschentagsbeschlüsse in BB11 39. 1924/25, 212 u. 215. 4 Büsing, 55; Archiv der DB, 107: Bericht des Altherrenausschusses von Ostern 1919. 5 Vgl. die Standardwerke der burschenschaftlichen politischen Erziehung: K. Hoffmann Hg., Burschenschaftliches Handbuch für Politik, Leipzig 1920; H. Laeuen Hg., Volk u. Hochschule, N. F. des Burschenschaftlichen Handbuchs für Politik, Frankfurt 1927; v. Below begrüßte das Handbuch wegen „seiner sachlichen Gediegenheit und der Unwiderlegbarkeit seines Programms“ (Süddte. Ztg. 4. 2. 1921).

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Anmerkungen zu S. 84—87 6Archiv der DB, 107: Bericht 15. 7. 1931. — Außerhalb ihres eigenen Programms beteiligten sich die Burschenschaften wie die meisten anderen schlagenden Verbindungen an den Vortragsabenden und Schulungskursen des HDA und DHR, den Vorlesungen über Grenz- und Auslandsdeutschtum an der Universität und den Tagungen des Vereins für das Deutschtum im Ausland, ferner an den Wehrsportübungen des Stahlhelm oder des „Akademisch-Wissenschaftlichen Arbeitsamtes“ (AWA) der studentischen Verbände. An den Reichsgründungsfeiern der Rechtsparteien nahmen sie regelmäßig teil. 7 Archiv der DB, 107: Bericht des Altherren-Ausschusses von Ostern 1922. 8 FSZ, WS 1932/33, Nr. 4, 2. 9 Es fehlen genaue Angaben über die Zahl im NSDStB organisierter Verbindungsstudenten. 1929 war der NSDStB, wenn man v. Schirach glauben darf, in 3 Burschenschaften, im Wingolf und einer katholischen CV-Verbindung vertreten (B. v. Schirach, Wille u. Weg des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes, München 1929, 8). Burschenschafter war auch einer der beiden Vertreter des NSDStB im AStA des WS 1929/30 und der nationalsozialistische AStA-Vorsitzende des WS 1932/33. Auch Mitglieder des VDSt sind als Hochschulgruppenführer des NSDStB und Vertreter des NSDStB im AStA festzustellen. Vgl. im übrigen die mehr allgemeinen Bemerkungen bei Wirth, 252 f.; H. Menze, Der Freiburger Wingolf, 1911—1961, Festschrift zum 50. Stiftungsfest, Lahr 1961, 23; Die Freiburger Rhenanen 1812—1961, Zum 150. Stiftungsfest Mai 1962, Düsseldorf 1962, 209 ff.; K. J . Heinisch Hg., Rückblick u. Umschau. Gedenkblätter zum 50. Stiftungsfest [der CV-Verbindung Hohenstaufen], o. O. 1955, 46. 10 Die Angaben erfolgen, soweit nicht anders vermerkt, nach den Verbindungsberichten in den Akademischen Blättern 33. 1918/19 bis 47. 1932/33. 11 AkBll 37. 1922/23, 81. 12 § 1 der nach 1918 fortgeltenden Satzung aus dem Jahr 1906 (UAF XIV/1—112). 1 3 Der Verfasser des Abschnitts über „Rassenhygiene“ im politischen Handbuch der VDSt (W. Berensmann u. a., Deutsche Politik. Ein völkisches Handbuch, Frankfurt 1926) und Mitherausgeber der rassenhygienischen Zeitschrift „Eugenik“, O. Frhr. v. Verschuer, gehörte 1921/22 dem Freiburger VDSt an. 14 Vgl. Anm. 9. Der VDSt besuchte Veranstaltungen des Freiburger NSDStB und nahm im SS 1931 auch an einer nationalsozialistisch geleiteten Tagung über den Marxismus teil (AkBll 46. 1931/32, 165). 15 Vgl. Büdingen; Böker; Die Freiburger Rhenanen 1812—1961; Corps Rhenania zu Freiburg i. Br., Blätter für seine Alten Herren und Inaktiven 1920—1933 (unvollständig; ab Aug. 1923 u. d. T. Der Bote vom Oberrhein); Von der Dreisam, Corpsnachrichten von und für Schwaben 1. 1920 bis 3. 1922; Schwabenchronik. Eine Festgabe des Freiburger Schwabenblattes zum 21. Juni 1930; Deutsche Corpszeitung 35. 1918/19 bis 49. 1932/33. 16 Statistische Angaben nach O. Gerlach Hg., Kösener Corpslisten 1960, Oldenburg 1961, 327 ff., 346 f., 367 ff., 387 ff.; H. Fischer u. G. Becker Hg., Mitgliederliste des Corps Suevia zu Freiburg i. Br., 1815—1955, Solingen (1956); Böker, 25, 32; Corps Rhenania, Nr. 116, 120, 134, 140, 146; DCZ 49. 1932/33, 289, 302. 1931 waren von den lebenden Corpsstudenten im Reichsgebiet 36 % Juristen, 24 % Mediziner, 8 % Landwirte, jeweils weniger als 6 % waren in anderen Berufen tätig (A. Lohmann, Chronik des Kösener SC-Verbandes 1918—1933, in: Einst u. Jetzt. Jb. des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung 5. 1960, 24). 17 Der Bote vom Oberrhein, Nr. 153, März 1932, 4. 18 M. Studier, Der Corpsstudent als Idealbild der Wilhelminischen Ära. Untersuchungen zum Zeitgeist 1888 bis 1914, phil. Diss. Erlangen-Nürnberg 1965.

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Anmerkungen zu S. 87—90 19 Zitate nach Böker, 61 f., 68; Corps Rhenania, Nr. 114, Okt. 1920, 11; Der Bote vom Oberrhein, Nr. 141, Nov. 1927, 16, 18. 20 Böker, 5 u. 12; Büdingen, 400. 21 Text: Büdingen, 566—569. 22 DCZ 38. 1921/22, 103. 23 Büdingen, 435 f.; Der Bote vom Oberrhein, Nr. 146, Juli 1929, 4. 24 DCZ 48. 1931/32, 18 ff. Dieser Artikel war eine der ersten pronationaisozialistischen Stellungnahmen in der DCZ; nach dem 30. Januar 1933 signalisierte derselbe Verfasser dort auch als erster die Übergabe der Corps an den Nationalsozialismus (DCZ 50. 1933/34, 30). 25 K. A. Schulte, Art. Zweikampf, in: Staatslexikon, V, Freiburg 19325, 1728ff. (das Zitat dort 1732); K. Peters, Art. Ehre und Ehrenschutz, ebda, II, Freiburg 19586, 1047 ff.; H.-H. Jescheck, Die Behandlung des Zweikampfs in der Strafrechtsreform, Turistenzeitune 12. 1957, 108 ff. 26 Als Beispiel sei genannt U. Dähne, Das Waffenstudententum in der neuen Zeit, Die Tat 19. 1927/28, 927 ff. 27 Zitate in folgender Reihenfolge aus: Handbuch für den deutschen Burschenschafter Hg. M. Droßbach u. H. Hauske, Berlin 19326, 150; U. Kersten (einflußreich in der DSt), Viel Feind, viel Ehr, DCZ 43. 1927/28, 299; K. Hoppmann, Ehrenschutz als akademische Pflicht, BB11 40. 1925/26, H. 6 (Sonderheft: Ehre u. Ehrenschutz), 131. 28 W. Teutloff, Die Geschichte des „Allgemeinen Deutschen Waffenrings“ (A. D. W.), Der Convent 10. 1959, 169 ff.; Schreiben des Frbg. Waffenrings an das Rektorat 6. 2. 1919 (UAF XIV/1—6/1); Satzung des Freiburger Waffenrings in der Fassung 24. 7. 1928 (UAF XIV/1—92). 1927 wurde in Freiburg auch ein Altherren-Waffenring gegründet mit dem Ziel, „die Aktiven bei Mensurschwierigkeiten zu unterstützen“ (Wirth, 264). 29 Ministerialerlaß 22. 8. 1919 (GLA 235/4819); FHN, WS 1920/21, Nr. 2, 12. 30 Erlaß des Justizministeriums an die Staatsanwaltschaften 19. 9. 1924 (GLA 235/4819) u. 15. 7. 1926 (abschriftlich UAF VII—9). 31 Schreiben des KM an das bad. Justizmin. 22. 12. 1924 (GLA 235/4819). 32 BB11 40. 1925/26, 203 f.; DCZ 43. 1926/27, 292; vgl. auch die Berichte der Frbg. Volksw. u. Brsg. Ztg. 19. 11. 1926 über die Verurteilung zweier Freiburger Burschenschafter zu 3 Monaten Festungshaft am 18. 11. 1926. 33 Schreiben an das KM 11. 12. 1924 (GLA 235/4819). 34Denkschrift der Altherren-Verbände der Freiburger Burschenschaften, Corps, Landsmannschaften und Turnerschaften zur Mensurfrage, gerichtet an die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität 10. 7. 1925 (UAF VII—9). 35 Zustimmende Gutachten der Rechts- u. Staatswiss. Fak. u. der Mediz. Fak. 28. 7. 1926, ein aus politischen und theologischen Gründen abratendes der Theol. Fak. 29. 6. 1926 (UAF VII—9). Eine Eingabe der drei badischen Hochschulen an den Reichsrat erfolgte am 25. 11. 1926; ihr schlossen sich bis März 1927 12 Universitäten und 7 Technische Hochschulen an. 36Eingaben der Verbindungen an das Rektorat 5./6. 11. 1926; Schreiben des Rektors an das KM 19. 11. 1926 u. des Oberbürgermeisters an den Rektor 19. 11. 1926 (alle UAF VII—9); Schreiben des Oberbürgermeisters an den Staatspräsidenten u. Justizminister Trunk 19. 11. 1926 u. an den Zentrumsführer Prälat Schofer 19. 11. 1926 (Stadtarchiv Freiburg XI/21/2). Am 14. 12. 1926 gab es auch eine Anfrage zum gleichen Thema im bad. Landtag. 37 Protokoll der Besprechung im Rektorat 21. 1. 1927 (UAF VII—9). — Obwohl Büsing (56) später schrieb: „Gerade der Freistaat Baden konnte den traurigen Ruhm für sich beanspruchen, in der Verfolgung und Bestrafung der Bestimmungsmensuren

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Anmerkungen zu S. 91—96 das meiste geleistet zu haben“ — wurden nach Wirth (304) in Freiburg 1919 bis 1935 jährlich etwa ebenso viele Mensuren geschlagen wie in der Periode zwischen 1900 und 1914. 38 Wirth, 49 f.; G. Schneeberger, Nachlese zu Heidegger. Dokumente zu seinem Leben und Denken, Bern 1962, 26 ff. 39 Wirth, 258. 40 Für Freiburg vgl. L. A. Ricker, Freiburg Verbotszeit, in: Einst u. Jetzt 10. 1965, 70 ff. 41 Böker, 17. 42 Handbuch für den deutschen Burschenschafter, 19329, 64, 113: „Von den Verbindungen ist niemals Auslese nach intellektuellen Gesichtspunkten, sondern vielmehr im Sinne einer rassischen Zucht betrieben worden.“ Die Burschenschaft habe den Zweck, „einen Typus heranzubilden, in dem sich hochwertige, festgeformte menschliche Persönlichkeit mit kämpferischer völkischer Leistungsfähigkeit verbindet“. 4 3 Z u den ersten drei Punkten: P. W. Massing, Vorgeschichte des politischen Antisemitismus, Frankfurt 1959; P. G. Pulzer, Die Entstehung des politischen Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1867—1914, Gütersloh 1966; O. F. Scheuer, Burschenschaft u. Judenfrage. Der Rassenantisemitismus in der deutschen Studentenschaft, Berlin 1927. 44 Vgl. J . Nothaas, Sozialer Aufstieg u. Abstieg im deutschen Volk, München 1930, 31 ff. 45 Vgl. Lepsius, 13 ff.; M. v. Brentano, Die Endlösung — ihre Funktion in Theorie u. Praxis des Faschismus, in: H. Huss u. A. Schröder Hg., Antisemitismus, Frankfurt 1965, 49 ff. 46 Scheuer, S. 53 ff. Das Zitat aus den „Eisenacher Beschlüssen“ der Deutschen Burschenschaft von 1920, ebda, 55. 47 Wirth, 219, 251 f.; Semesterbericht VS 1919/20 u. SS 1920, 20 f., Bericht des AH-Ausschusses 9. Okt. 1920 (Archiv der DB, 107). 48 Beispiele im Archiv der DB, 107, in den Berichten der Ghibellinia-Neo Friburgia im Verbandsorgan KC-Blätter 9. 1919/20 bis 22. 1932/33 und in den Akten der Universität zur Verbindung Neo-Friburgia (UAF XIV/1 —146). 49 Vgl. Η. Μ. Klinkenberg, Zwischen Liberalismus u. Nationalismus im Zweiten Kaiserreich (1870—1918), in: Monumenta Judaica. 2000 Jahre Geschichte und Kultur der Juden am Rhein. Handbuch, Hg. K. Schilling, Köln 19642, 309 ff.; J . Toury, Die politischen Orientierungen der Juden in Deutschland. Von Jena bis Weimar, Tübingen 1966. 50 Zitate: A. Asch, Geschichte des K. C. (Kartellverband jüdischer Studenten) im Lichte der deutschen kulturellen u. politischen Entwicklung, London 1964, 36 f. 51 FSZ, SS 1931, Nr. 5, 1. 52 Satzung der Ghibellinia/Neo-Friburgia, § 2 (UAF XIV/1 —146). — In den ersten Jahren nach dem Krieg hatte die Verbindung zwischen 40 und 60, später zwischen 15 und 30 aktive Mitglieder. 53 KC-Bll 12. 1922/23, 60. 54 Bericht 28. 5. 1925 (Archiv der DB, 107). 55 Dies und das folgende nach der Akte der Neo-Friburgia (UAF XIV/1—146). 56Der Rektor an das KM, 10. 2. 1927 (UAF XIV/1 —146). 57 KC-Bll 16. 1926/27, 21 ff.: Macht oder Recht?; Eingabe an das KM 20. 7. 1926 (UAF XIV/1—146). 58 Beschluß des Waffenrings 4. 7. 1927 (UAF XIV/1—92); Leserbrief eines Geschäftsmanns in der Frbg. Ztg. 17. 12. 1928. 199 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Anmerkungen zu S. 96—98 59 Schreiben der Univ. an das KM 4. 1. 1929 (UAF XIV/1—6/1), u. 4. 4. 1929 (UAF II/l—12). 60 Schreiben des Waffenrings an den Senat 16. 6. 1932 und Antwort des Rektors 21. 6. 1932 (UAF XIV/1—92); Vincke, Aus den Tagebüchern, 133; mehrere Schriftstücke zu den Vorgängen (Kompromißversuche) auch in UAF II/l —12. 61 FHN, WS 1920/21, Nr. 3/4, 16 f.; Frbg. Tagesp. 25. 6. 1932 über einen Vortrag Krebs' vor der studentischen Zentrumsgruppe. 62 Auf die allgemeine Geschichte des Deutschen Hochschulrings (DHR) kann hier nicht eingegangen werden. Vgl. dazu die zeitgenössischen Darstellungen: H. O. Wagner, Der Deutsche Hochschulring, in: H. Sikorski Hg., Wirken u. Werke innerhalb der DSt, Berlin 1925, 41 ff.; W. Schulz, Die Hochschulringbewegung, Berlin 1927; ferner die Darstellungen bei J . Schwarz, Studenten in der Weimarer Republik, Berlin 1971, 168 ff. u. passim; A. Leisen, Die Ausbreitung des völkischen Gedankens in der Studentenschaft der Weimarer Republik, phil. Diss., Heidelberg 1964, 57 ff. 63 Zitate: Frbg. Tagesp. 17. 1. 1919 (Abendausg.); § 2 der Satzung des Akad. Deutschbundes (UAF XIV/1—120). — Der einzig feststellbare Vortrag vor dem Akademischen Deutschbund stammt von dem jungen Eduard Baumgarten, Nationalismus u. Sozialdemokratie, Freiburg 1919. Darin setzte er sich mit den politischen Idealen der Rechten kritisch auseinander. 64 Anzeige der Nationalen Studentenvgg. 27. 2. 1919 (UAF XIV/1—87); Semesterbericht WS 1919/20 u. SS 1920, S. 22 (Archiv der DB, 107); BB11 34. 1919/20 (Winterhalbj.), 85; Wahlaufruf... der deutschnationalen Studentenvereinigung, Freiburg (1919): Diese, heißt es dort, wolle dem „nationalen Ehrgefühl“ als „oberster politischer Tugend“ wieder Geltung verschaffen, die „beelendende Würdelosigkeit“, die „Arbeitsscheu“, „politische Charakterlosigkeit, Meuterei und Landesverrat“ anprangern, insbesondere aber den sozialistischen Hochschulreformplänen und allen wirtschaftlichen Sozialisierungsbestrebungen entgegentreten, überhaupt „allen Maßnahmen, die geeignet sind, den Unternehmungsgeist des Einzelnen zu lähmen“. 65 Während die Parteimitglieder der DNVP unter den Studenten nach 1921 nur noch im HDA, in der GStG und der Stahlhelm-Studentengruppe hochschulpolitisch wirkten, bestand zwischen 1927 und 1930 wieder eine DVP-Hochschulgruppe an der Universität. Von ihren zwischen 10 und 30 Mitgliedern verlangte sie deutsche Abstammung und Muttersprache, „Verantwortlichkeit, selbstlose Pflichterfüllung und Gemeinschaftssinn als Grundlage deutschen Staatsbürgertums“. Darin unterschied sie sich nicht von den waffenstudentischen Verbindungen, die bisweilen an den Diskussionsabenden der Gruppe teilnahmen und mit denen sie im AStA zusammenarbeitete. Die politische Bildung in der DVP-Hrg. („auf der Grundlage des Bekenntnisses zum Nationalliberalismus“) galt vor allem wirtschafts- und außenpolitischen Fragen, gemäß dem doppelten Charakter der DVP als der bevorzugten Partei der Unternehmer und der Partei Stresemanns (Satzung 20. 1. 1927 im UAF XIV/1—141; spärliche Nachrichten über die Gruppe in: Hochschulblätter der DVP, Nr. 7/8, 7; Nr. 11, 4; Nr. 14/15, 8; Nr. 17, 4; Nr. 25, 8; Nr. 34, 10). 66 Im WS 1920/21 hatte die Fichte-Hochschulgemeinde 35 Mitglieder, darunter 16 Studentinnen. — Über die ideologische Bedeutung des Namenspatrons Fichte vgl. in weiterem Zusammenhang H. Lübbe, Politische Philosophie in Deutschland, Stuttgart 1963, 196 ff. 67 § 1 u. 2 der Satzung (UAF XIV/1—44); FHN, SS 1920, Nr. 3, 8; Richtlinien der Fichte-Hochschulgemeinde Freiburg, Punkt 3 (UAF XIV/1—44). 68 Richtlinien, Punkt 2; Semesterbericht WS 1919/20 u. SS 1920, 20 (Archiv der DB, 107). 69 Bericht 15. 6. bis 30. 7. 1920 (Archiv der DB, 107).

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Anmerkungen zu S. 98—100 Aus der Satzung (UAF XIV/1—127). Mit den Begriffen „nationalkulturell“ und „völkisch“ ist in diesem Zusammenhang gemeint die bis 1923 innerhalb der DSt und danach zwischen dieser und dem preußischen Kultusministerium ausgetragene Auseinandersetzung. Es ging darum, ob in die DSt nur die antisemitisch eingestellten Studenten an den deutschen Hochschulen in Österreich, der Tschechoslowakei und Danzig aufgenommen werden sollten oder alle Studenten, die sich zur deutschen Sprache, Geschichte und Kultur bekannten. Vgl. zu Einzelheiten u. S. 148 ff. 72 FHN, WS 1920/21, Nr. 1, 8; Wirth, 219 ff. 73 Zum „Politischen Kolleg“ vgl. H.-J. Schwierskott, A. Moeller van den Bruck u. die Anfänge des Jungkonservativismus in der Weimarer Republik, Göttingen 1961, 92 ff. 74 Themen der Vorträge waren u. a.: Das großdeutsche Problem u. Mitteleuropa; Brüche im deutschen Volkstum; Die völkische Bewegung; Die deutsche Westmark; Die Ostmark; Erfüllungswahnsinn (Wirth, 227; AkBU 39. 1924/25, 85). 75 So heißt es in einem Brief Aschoffs, 22. 2. 1921: Die Studenten „gründen einen Hochschulring Deutscher Art, um damit zu zeigen, daß die Sozialistenvereine und Freischaren und wie sie sonst heißen mögen, nicht deutscher Art sind. Man gründet eine neue Vaterlandspartei und wiederholt alle Fehler der Kriegs- und Vorkriegszeit... ich beklage es tief, daß all dies schöne und herrliche Wollen in so ganz falsche Bahnen gelenkt wird“ (Aschoff, Gelehrtenleben, 295). 76 FHN, WS 1920/21, Nr. 1, 8. 77 Unitas 62. 1921/22, 167. 78 Die folgenden Zitate nach der selbständigen Veröffentlichung: H. U. Kantorowicz, Bismarcks Schatten, Freiburg 1921. 79 Ähnliche Methoden hatte v. Below schon 1916 angewandt, als er den liberalen Historiker Veit Valentin, seinen politischen Gegner, aus der Universität verdrängte. Zur Dokumentation: Der Fall Valentin. Die amtlichen Urkunden. Im Auftrage der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg i. Br. hg. v. F. Rachfahl, München 1920; H. Popert, Veit Valentin, Der Vortrupp 8. 1919, 385 ff.; ders., Freiburger Zustände, Der Vortrupp 9. 1920, 341 ff. 80 Brsg. Ztg. 22. 11. 1921. 81 Brsg. Ztg. 13. 12. 1921. 82 Deutsche Akademische Stimmen 2. 1921/22, Nr. 16, 4. — In der Frbg. Volksw. 1. 12. 1921 („Eine reaktionäre Universitätsbehörde?“) teilte Prof. Königsberger mit, der Senat habe Kantorowicz verboten, „sich in einer Weise politisch zu betätigen, die das Nationalempfinden großer Teile der Professoren und Studentenschaft verletzten könnte“. Später wies, nach einer Meldung der Frankfurter Zeitung 29. 12. 1921, das badische Kultusministerium den Senat darauf hin, „daß es den Schutz der Freiheit der Forschung und Lehre und die staatsbürgerliche Meinungsfreiheit mit allen Mitteln durchführen werde“. 8 3 Frbg. Volksw. 26. 11. 1921. Ähnlich äußerten sich der AStA und der Hochschulverband katholischer Studierender. 84 Brsg. Ztg. 27. 11. 1921. Kantorowicz war aus Posen gebürtiger Jude. 85 Brsg. Zte. 16. 11. u. 30. 11. 1921. 86 Eduard Stadtler war 1919 Gründer der „Antibolschewistischen Liga“, gehörte dem Juni-Klub um Moeller van den Bruck und dem Politischen Kolleg in Spandau an. Später war er Autor der Stahlhelm-Zeitschrift „Die Standarte“ und seit 1929 Bundesführer des „Stahlhelm-Studentenrings .Langemarck'“ und Reichstagsabgeordneter der DNVP. Im Mai 1933 trat er der NSDAP bei. 87 Brsg. Ztg. 14. 12. 1921; Frbg. Volksw. 15. 12. 1921. — Am 16. 12. 1921 hielt 70

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Anmerkungen zu S. 101—104 die Demokratische Studentengruppe eine Gegenkundgebung ab, auf der Kantorowicz über „Weder Postdam noch Versailles“ sprach (Frbg. Volksw. 16. 12. 1921). 88 Vgl. z. Β. AkBll 36. 1921/22, 209, 246 ff. 89 Brsg. Ztg. 15. 12. 1921. 90 Die Vorsitzenden des HDA Freiburg an das Vorstandsmitglied der DSt, Kersten, 25. 4. 1923 (DSt-Archiv, Rep. 114). 91 4. Ortsverbandsrundschreiben des DHR 20. 1. 1927, zit. nach AMF, SS 1927, Nr. 4, 59. Zur gleichen Zeit verließen den Hochschulring die HDA Bonn, Heidelberg, Göttingen, Frankfurt (Hochschulblätter der DVP, Nr. 11, Juli 1927, 3). 92 Aus der Begründung des Austritts: AMF, SS 1927, Nr. 4, 59. 93 AMF, SS 1927, Nr. 6, 115. Ein Jahr später, im SS 1928, gingen DVP-Hochschulgruppe und GStG im AStA als „Nationale Studentenschaft“ wieder zusammen. 94 Aus den „Grundsätzen“ der GStG, 10. 5. 1927 (AMF, SS 1927, Nr. 4, 60 f.). 95 Wahlaufrufe der Nationalen Studentenschaft: FSZ, SS 1931, Nr. 5, 1 u. SS 1932, Nr. 6, 1. 96 Wahlaufruf FSZ, SS 1930, Mr. 5, 1; ähnlich FSZ, SS 1932, Nr. 6, 1. 97 Eingabe an den Senat, 19. 6. 1927 (UAF XIV/1—128). 98 Der Senat bedauerte, der „Anregung eine weitere Folge nicht geben zu können“ (Schreiben an die GStG 27. 7. 1927), zumal eine Mehrheit des AStA gegen die „Forderung auf einen Eingriff in die akademische Freiheit“ protestiert hatte (AP v. 24. 6. 1927). 99 Aus. den „Grundsätzen“ der GStG. 100 Wahlaufruf der Nationalen Studentenschaft FSZ, SS 1931, Nr. 5, 1. Zum Vorwurf der Korruption durch das Parteibuch vgl. H. Heller, Rechtsstaat oder Diktatur?, Tübingen 1930, 16 f, mit dem Resume: „Kein Mythus i s t . . . unwahrer als der Mythus vom Korruptionstöter Diktatur.“ 101 Faust, 316. 102 FSZ, SS 1931, Nr. 5, 1. III/5. 1 Ε. Η. Posse, Die politischen Kampfbünde Deutschlands, Berlin 1931 2 , 29. Als neuere Monographie zum Stahlhelm vgl. V. R. Berghahn, Der Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten, 1918—1935, Düsseldorf 1966; über die Stahlhelm-Hochschulgruppen enthält sie nichts. 2 Zur Geschichte der Stahlhelm-Hochschulgruppen und des 1929 gegründeten „Stahlhelm-Studentenring .Langemarck'“ vgl. H. Aschoff, Stahlhelm-Studentenring „Langemarck“, in: Das Akademische Deutschland, II, Berlin 1931, 601 f.; ders., Die Stahlhelm-Studentenbewegung, in: Der Stahlhelm. Erinnerungen u. Bilder aus den Jahren 1918—1933, I, Berlin 1933, 148 ff., und die Zeitschrift des Stahlhelm-Studentenrings „Der Stahlhelm-Student“ 1. 1929/30 bis 4. 1932/33. Neuerdings Leisen, 151 ff., u. H. P. Bleuel/E. Klinnert, Deutsche Studenten auf dem Weg ins Dritte Reich, 1918— 1935, Gütersloh 1967, 193 ff. 3 Nachrichten über die Gruppe: Der Stahlhelm-Student 1. 1929/30, Nr. 1, 13 f.; Nr. 3, 13; Nr. 9, 19 f.; 2. 1930/31, Nr. 5, 15, Nr. 6/7, 17 f.; 3. 1931/32, 29 f., 179; 4. 1932/33, 73 f. * Der Stahlhelm-Student 1. 1929/30, Nr. 1, 13 und 14; 2. 1930/31, Nr. 6/7, 17. 5 § 1 der Satzung (UAF XIV/1—63); Der Stahlhelm-Student 4. 1932/33, 73 f. 6 Im „Stahlhelm-Student“ wurde dem NSDStB vorgeworfen, daß er durch „Zuchtlosigkeit“ im Kampf um die Freiheit der Hochschulen die Einheitsfront zwischen Professoren und Studenten gefährde und überhaupt verkenne, daß nicht Massen, sondern

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Anmerkungen zu S. 104—108 Persönlichkeiten diesen Kampf entscheiden würden. Vgl. z.B. 1. 1929/30, Nr. 5, 6; 2. 1930/31, Nr. 2, 5; 4. 1932/33, Nr. 3, 54 f. 7 Der Stahlhelm-Student 2. 1930/31, Nr. 5, 15; ebda, Nr. 6/7, 17. ΙΠ/6. I nzwischen liegt die erste Monographie über den NSDStB vor, die viele bisher dunkel gebliebene Fragen und Tatbestände klärt: A. Faust, Studenten u. Nationalsozialismus in der Weimarer Republik. Der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund. Phil. Diss, MS, München 1971 (soll in Kürze im Druck erscheinen). Fausts Ergebnisse, die in dieser Arbeit nicht mehr detailliert Verwendung finden konnten, dekken sich im wesentlichen mit den hier entwickelten Gesichtspunkten. — Eine andere Deutung des NSDStB-Erfolges, als sie hier gegeben wird, bringt die dem Verf. nicht zugängliche Dissertation von U. Dibner, The History of the National Socialist German Student League, Diss., MS, Univ. of Michigan 1969. Dibner an W. Hirche 22. 11. 1968: „Den Erfolg des Bundes kann man größtenteils auf die Zwistigkeitcn und Uneinigkeiten zurückführen, die sich in der DSt entwickelten ( . . . ) . Trotzdem der größte Teil der Studenten das politische Programm der NSDAP ablehnte, bildete der NSDStB eine politische Studentengruppe, welche am klarsten die Unzufriedenheit der deutschen Studenten ausdrückte und somit Mitläufer fand, die anscheinend mehr als willig den NSDStB in den AStA-Wahlen unterstützten.“ — Zum Programm und zur Entwicklung des NSDStB vgl. ferner Leisen, 155 ff., und Bleuel-Klinnert, 196 ff., 216 ff. — M. Franze, Die Erlanger Studentenschaft, 1918—1945, phil. Diss. MS, ErlangenNürnbcrg 1971, bringt interessante Belege über das Verhältnis der Erlanger und anderer Hochschulgruppen zur Münchner Reichsleitung des NSDStB, die in vielen Punkten eine Widerlegung darstellen zu B. v. Schirach, Ich glaubte an Hitler, Hamburg 1967. Auf die UnZuverlässigkeit v. Schirachs und die Widersprüche seiner Darstellung zu seiner früheren Schrift (Wille u. Weg des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes, München 1929) verweist auch H.-C. Brandenburg, Die Geschichte der HJ, Köln 1968, bes. 46 ff., 102 ff. — Die größeren, vor allem der Mythologisierung der „Kampfzeit“ dienenden Selbstdeutungen des NSDStB aus der Zeit nach 1933 bieten kaum Informationen, so z Β. Α. Feickert, Studenten greifen an, Hamburg 1934; G. Krüger, Student u. Revolution, Berlin 1934; H. J . Düning, Der SA-Student im Kampf um die Hochschule (1925—1935), Weimar 1936. 2 Zum Programm des frühen NSDStB jetzt Faust, 50 ff. 3 So W. Hucke, Vorgeschichte u. Verlauf der nationalsozialistischen „Studentenrevolution“ 1931 —1933, Zulassungsarbeit, MS, Marburg 1967, 71. 4 Faust, 103 ff., 228 ff. 5 Zitat: W. Donat, Der Weg des NSD-Studentenbundes, Der Altherrenbund 1. 1938/39, 175. 6 Faust, 470. 7 Zitat: Der junge Revolutionär, Nr. 4, August 1927. 8 Vgl. den gleichnamigen Aufsatz in H. Marcuse, Kultur u. Gesellschaft, I, Frankfurt 1967, 17 ff. 9 Die vergleichsweise schwache Stellung des NSDStB in der Freiburger Studentenschaft läßt diese Züge dort weniger hervortreten als in anderen Studentenschaften und auf der Ebene der DSt. 10 Eine unzureichende Kritik ist daher W. Hock, Deutscher Antikapitalismus, Frankfurt 1960. 11 Diese These ist bereits angedeutet bei L. Krappmann, Die Studentenschaft in der Auseinandersetzung um die Universität im Dritten Reich, in: Nationalsozialismus u. die deutsche Universität, 170 f. 1

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Anmerkungen zu S. 109—111 12 Auf die Gleichzeitigkeit und Gemeinsamkeiten der „politischen“ und der „skeptischen“ Jugend machen — gegen Schelsky — aufmerksam: H. Muth, Die „Skepsis der Jugend“. Historische Betrachtungen zu einer Jugendsoziologie, GWU 10. 1959, 333 ff.; A. Flitner, Soziologische Jugendforschung, Hamburg 1963, 32 f., 99 ff. — Der Typ eines „unpolitischen“ NSDStB-Studenten wird vorgestellt bei W. v. Baeyer-Katte, Das Zerstörende in der Politik, Heidelberg 1958, 46 ff. 1 3 a t z u n g vom 9. 7. 1924 (UAF XIV/1—80). 14 UAF XIV/1—60. Vage Formeln dieser Art tauchen auch später noch in der Propaganda des NSDStB auf, meist verknüpft mit dem antisemitischen Motiv, z.B.: Es gelte, dem gefährlichen Einfluß „volksfremden Kapitals“ durch die „Verstaatlichung von Bank und Börse“ (des sog. „raffenden Kapitals“) zu begegnen (Werbezettel vom WS 1928/29). Noch 1931 traten mit dem Strasser-Flügel sympathisierende „linke“ NSDStB-Mitglieder in Versammlungen der kommunistischen Studenten auf. 15 UAF XIV/1—60. 1 6 F S Z 1 9 3 2 , Nr. 6, 1; WS 1932/33, Nr. 4, 2; Schreiben eines Mitglieds der Nationalen Studentenschaft im Wahlausschuß an den Senat, 2. 8. 1932 (GLA 235/ 8048). 17 UAF XIV/1—60. In der auf der 2. Reichstagung des NSDStB (16. — 18. 1. 1928 in Leipzig) verabschiedeten Rahmensatzung des NSDStB kam die Bindung an die Partei sehr viel deutlicher zum Ausdruck: „Seine Aufgaben sind: a) wissenschaftliche (Bearbeitung von Spezialfragen des Nationalsozialismus), b) propagandistische (Verbreitung nationalsozialistischer Gedankengänge auf der Hochschule), c) erzieherische (Heranbildung des Führernachwuchses für die NSDAP) . . . Seine Ziele sind identisch mit denen der NSDAP.“ (zit. nach Donat, 175). 18 G. A. Scheel [als Heidelberger Hochschulgruppenführer des NSDStB 1932 noch Mitglied des VDSt], Der NSD-Studentenbund, in: R. Benze u. G. Graefer, Erziehungsmächte u. Erziehungshoheit im Großdeutschen Reich als gestaltende Kräfte im Leben des Deutschen, Leipzig 1940, 187. 19 Anzeige vom SS 1928 (UAF XIV/1— 60). 20 Anzeige vom WS 1929/30 (UAF XIV/1—60); die vom NSDStB später (FSZ, SS 1930, Nr. 6, 5) für das WS 1929/30 genannte Zahl von 110 Mitgliedern ist sicher weit übertrieben; laut Frbg. Tagesp. 27. 11. 1929 nahmen an einem geschlossenen Umzug des NSDStB durch die Stadt anläßlich der Langemarckfeier 1929 23 Studenten teil. 21 H. Hildebrandt, Aus der Geschichte des NSD-Studentenbundes, Volk im Werden 3. 1935, 88 f. Ober Mitgliederwerbung in Freiburger Versammlungen: Akademischer Beobachter 1. 1929, H. 6, 115; Die Bewegung 2. 1930, F. 11, 15. 7. 1930, 4. Individuelles Auftreten: hierfür ist symptomatisch folgender Zwischenfall bei der AStAWahl 1930: 2 Mitglieder des NSDStB entreißen einem republikanischen Studenten Flugblätter, in denen das Rowdytum des NSDStB angeprangert wird. Ein Korporationsstudent, der sich darüber empört, wird vom „Hochschulgruppenführer“ des NSDStB geohrfeigt. (Eingabe eines Universitätsbeamten an das Rektorat, 18. 7. 1930, UAF XIV/1— 60; Frbg. Ztg. 18. 7. 1930). 22 4 der 7 Mitglieder des SS 1928 stammten aus der math.-nat. Fakultät, 2 aus der medizinischen und 1 aus der rechts- und staatsw. Fakultät; für die Zeit danach liegen keine Angaben mehr vor. Von den 12 Kandidaten des NSDStB für die AStA-Wahl 1932 gehörten 5 der rechts- und staatsw., 3 der mediz., 3 der philos. und 1 der math.nat. Fakultät an. — Nach Faust, 172 u. 482 ist außer bei Studenten der evgl. Theologie keine Uberrepräsentanz einer Fachrichtung im NSDStB feststellbar. 23 Vgl. Brsg. Ztg. u. Frbg. Volksw. 9. 7. 1931; Wahlaufruf des NSDStB und Offener Brief der katholischen Studentinnenvereine an die ANSt (FSZ, SS 1931, Nr. 5, 1 f.); ferner o. S. 71.

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Anmerkungen zu S. 111—113 24 FSZ, SS 1932, Nr. 5. Über ganz ähnliche Tendenzen in der hamburgischen ANSt berichtet Bauer, Selbstverwaltung, 93 ff. 25 Zitate: Wahlaufruf des NSDStB SS 1928 (Flugblatt UAF XIV/1—6/1), SS 1931 (FSZ, SS 1931, Nr. 5, 1), SS 1932 (FSZ, SS 1932, Nr. 6, 1); ähnlich noch FSZ, SS 1930, Nr. 6, 1 f.; WS 1932/33, Nr. 4, 5. 26 Wahlaufruf SS 1931 (FSZ, SS 1931, Nr. 5, 1). Der von der Studentenschaft hg. Freiburger Universitätsführer des WS 1932/33 brachte (2) einen Nachruf auf den bei einer Messerstecherei umgekommenen „Hochschulgruppenführer“ des NSDStB an der TH Braunschweig, Axel Schaffeld, und wies auf die Kommunisten als seine Mörder hin — das nach Potempa! S c h a f f e l d w a r i n s o n d e r s zweifelhafter Charakter, der beim Konflikt zwischen der TH Braunschweig und dem braunschweigischen Minister Klagges eine unrühmliche Rolle gespielt hatte. Vgl. dazu Mitteilungen des Verb, der Dt. Hochschulen 13. 1933, H. 1/2, 2 ff.; Ε. Α. Roloff, Bürgertum u. Nationalsozialismus 1930—1933. Braunschweigs Weg ins Dritte Reich, Hannover 1961, 86 ff. 2 7 F U F 1 9 3 2 / 3 3 , D e r Freiburger Studentenschaft wurde daher vom NSDStB die auf dem „Führerprinzip“ beruhende, schließlich doch nicht rechtskräftig gewordene Satzung der Rostockor Studentenschaft zur Nachahmung empfohlen, da sie „die nationalpolitische Schulung und Erziehung der Studenten auf völkischer Grundlage, die Pflege des Heimat- und Stammesgedankens, Erziehung zur Volksgemeinschaft, Wehrertüchtigung“ vorsah (Text der Rostocker Satzung UAF VI/1—37). Die Methoden, womit der Rostocker NSDStB der dortigen Studentenschaft die von ihm gewünschte Satzung aufzuzwingen versuchte, schildern R. Carlsen, Der Kampf um die Verfassung der Rostocker Studentenschaft 1932/33, Wiss. Zschr. d. Univ. Rostock, ges.- u. sprachwiss. Reihe 13. 1964, 251 ff., u. Faust, 428 ff. 28 FSZ, SS 1930, Nr. 1, 1; WS 1930/31, Nr. 1, 2; Nr. 3, 2; Nr. 4, 4; WS 1931/32, Nr. 4, 3 f. (Zitat). 29 FSZ, SS 1932, Nr. 4, 2. Kritisch dazu FSZ, SS 1932, Nr. 7, 4: nicht „rationales Handwerkszeug“, sondern „die indiskutable . . . Stimme des Blutes“ sei das Mittel der nationalsozialistischen Argumentation; sie lebe aus dem Ressentiment, ihre zur Schau getragene Ironie stamme „nicht aus gedanklichem, sondern allerhöchstem gefühlsmäßigem Souveränitätsbewußtsein“. 30 Polizeiberichte über Versammlungen des NSDStB (GLA 235/4822). Redner waren entweder NSDStB-Studenten oder Freiburger Nationalsozialisten, ζ. Β. ein Kaufmann oder ein Schuhmacher. — Fälle meist harmloser Versammlungsstörung durch den NSDStB: Frbg. Tagesp. 14. 12. 1929; Frbg. Volksw. 19. 12. 1929; Brsg. Ztg. 26. 1. 1931; Frbg. Volksw. 27. 1. 1931. 31 Am 24. 11. 1930 sprach auf einer gemeinsamen Veranstaltung des Stahlhelm und NSDStB Oberst Hierl (der später den Reichsarbeitsdienst organisierte) über „Wehrfragen,“am 25. 6. 1931 Baidur v. Schirach vor dem NSDStB und der Nationalen Studentenschaft „gegen Kriegsschuldlüge und Tributversklavung“ (jeweils etwa 300 Besucher); auf einer gemeinsamen AStA-WahlVeranstaltung des NSDStB und der Nationalen Studentenschaft am 29. 6. 1932 sprachen vor etwa 2000 Besuchern der Ortsgruppenlciter der Freiburger NSDAP, Leutnant a. D. Ludin (später SA-Führer und Gesandter), und der DNVP-Landtagsabgeordnete und Verleger der Breisgauer Zeitung, Dr. Brühler, zum Thema „Kampf gegen Versailles“. (Polizeiberichtc GLA 235/4822 und 235/5116) 32 FSZ,1930, Nr. 3, 6. 3 3 S oeinWerbezettel des NSDStB vom WS 1928/29, der vom Disziplinarbeamten der Universität beanstandet wurde, weil in ihm »einseitige, ζ. Τ. verfassungsrechtlicher Gleichberechtigung widerstrebende Anschauungen und Forderungen . . . in verletzender Art propagiert“ würden (UAF XIV/1—60).

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Anmerkungen zu S. 113—114 34 So war z. Β. auf einer Einladung des NSDStB zu einem Vortrag über „Marxismus oder Sozialismus? Die Grundlagen des Nationalsozialismus“ vermerkt: „Juden ist der Zutritt verboten!“ — ein in der Gesdiichte der NSDAP von Beginn an verwendetes, offensichtlich gerade seiner Absurdität wegen wirkungsvolles Propagandamittel. 35 Der Ausdruck stammt von Wilhelm Stapel; in der FSZ, SS 1932, Nr. 3, 2, wurde er definiert als „die dem politischen und kulturellen Selbstbehauptungswillen der deutschen Nation ins Gesicht schlagende jüdische Haltung“! 36 FSZ, SS 1932, Nr. 3, 2; Nr. 4, 2 u. 5; Nr. 5, 2 f.; ferner bereits FSZ, SS 1930, Nr. 2, 2 ff.; WS 1930/31, Nr. 3, 2; Nr. 4, 2 f. Am Ende kam es gar nicht mehr darauf an, wie hoch und anerkannt der Anteil der Juden am deutschen Leben sei, sie gehörten eben nicht dazu und sollten daher „mit einem Schlag auf null Prozent gesetzt“ werden (FSZ, SS 1932, Nr. 4, 5). — Die Entgegnungen auf den NSDStB — bis auf eine der Roten Studentengruppe alle von jüdischen Studenten! — verraten Hilflosigkeit. Während die Rote Studentengruppe trotz einer simplifizierenden Beschränkung des Antisemitismus-Problems auf die Periode des Kapitalismus immerhin eine sozialgeschichtlich nicht ganz unzutreffende Deutung vornahm (FSZ, SS 1932, Nr. 5, 1), zeigten sich die jüdischen Studenten empört darüber, daß man sie mit „Niggern und Zulukaffern“ auf eine Ebene stelle, distanzierten sich von jüdischen Intellektuellen wie Tucholsky und verwiesen auf die heroische, geistesaristokratische Lebensführung vieler Juden und ihre nationale Zuverlässigkeit im und seit dem Weltkrieg (FSZ, SS 1932, Nr. 4, 1 f.; Nr. 5, 1 f.). 37 AP v. 26. 6. 1930. Der Antrag wurde als satzungswidrig von der TO abgesetzt. Ebenfalls nicht zur Abstimmung gelangte ein alternativer Resolutionsentwurf der Nationalen Studentenschaft, dessen Tenor sich am Wahlaufruf der Nationalen Studentenschaft zu den AStA-Wahlen des SS 1930 ablesen läßt: „Sowohl aus nationalen wie aus kulturellen Erwägungen heraus wehren wir uns gegen das starke Überhandnehmen 'der Juden in den akademischen Berufen und insbesondere in staatlichen Stellungen, die wir den Einfluß des uns rassefremden Judentums auf unser deutsches Volk ganz besonders auf Grund der Erfahrungen der Nachkriegsjahre für sehr gefährlich halten“ (FSZ, SS 1930, Nr. 5, 1). 38 Die Bewegung 2. 1930, F. 11, 15. 7. 1930, 4 f. (danach auch das folgende); ähnlich für Heidelberg: Der Heidelberger Student, SS 1929, Nr. 7, 55. Vgl. auch K. Hoppmann (promimentes Mitglied der Deutschen Burschenschaft), Über den Stand der Verjudung akademischer Berufe, Berlin 1931. 39 Die Bewegung 2. 1930, F. 11, 5. 40 Leitgedanken zu den Fragen der deutschen Hochschulreform, Die Bewegung 3. 1931, F. 4, 27. 1. 1931, 4; ähnlich schon das nationalsozialistische „Hochschulprogramm“ der 1. Reichstagung des NSDStB (Mai 1927 in Leipzig): Der junge Revolutionär, Nr. 3, Juli 1927. — Auch das 1928 in Göttingen errichtete „Archiv für berufsständische Rassenstatistik“ setzte sich zur Aufgabe, zu beweisen, „daß viele, wenn nicht gar alle Gebiete des Wissens und der Forschung Änderungen in der Auffassung und Richtung erlitten haben oder überhaupt etwas ganz anderes — in den Händen der Vertreter des Judentums — geworden sind“, (zit. nach K. Wippermann, Die Hochschulpolitik in der Weimarer Republik, Politische Studien 20. 1969, 149). 41 Eine Darstellung der prominentesten „Fälle“ bei Faust, 346 ff. 41 Polizeibericht (GLA 235/8047); Frbg. Tagesp. 11 u. 13. 2. 1931; Frbg. Ztg., Frbg. Volksw. u. Brsg. Ztg. 11. 2. 1931. Eine weitere, für den 20. 2. 1931 geplante Versammlung mit den Heidelberger Akteuren wurde polizeilich verboten. 49 Ausnahmen bildeten allein die vorsichtigen und selbst nicht unbedenklichen Anspielungen in den Langemarckreden von Gerhard Ritter und Fritz Pringsheim 1930 und

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Anmerkungen zu S. 114—116 1932. Ritter setzte „Wissen und Können“ über eine an sich wertvolle nationale Gesinnung, auch „jene kampfbereite, selbstbewußte..., die sich neuerdings unter uns so laut zu Wort meldet in scharfem und bewußtem Gegensatz zu der Erschlaffung und Resignation der müden Nachkriegsjahre“ (FSZ, WS 1930/31, Nr. 4, 1 f.). Pringsheim warnte vor einer restaurativen, gar ungeschichtlich-rassistischen Interpretation staatlichen Lebens: „ . . . der Staat ist nicht nur das, was wir gestern waren, ist nicht nur aus Sprache, Blut und Heimatboden erwachsen. Der Staat ist ein Aufbruch zu gemeinsamer Tat; was wir morgen tun werden, vereint uns! (FSZ, WS 1932/33, Nr. 4, 3). III/7 Sinnfällig kam das beim Deutschen Katholikentag 1927 in Freiburg zum Ausdruck: beim Festkommers marschierten über 100 Vertreter Freiburger katholischer Vereinigungen, ζ. Τ. in vollem „Wichs“, unter den Klängen eines Militärmarsches auf die Bühne, ihnen nach, die lange Schleppe unter dem Arm tragend, der Nuntius Pacelli. (Köhler, Lebenserinnerungen, 336.) 2 Zum „akademischen Kulturkampf“ im Kaiserreich vgl. F. Schulze u. P. Ssymank, Das deutsche Studententum von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, München 19324, 381 ff. Zur politischen Haltung der katholischen Korporationsverbände nach 1918 vgl. Leisen, 87 ff. — Im folgenden finden nur aus Freiburg stammende Zeugnisse Verwendung, wie schon bei den schlagenden Verbindungen. 3 Vgl. Tab. 6, o. S. 76. — Daten nach den Verbandsblättern von CV, KV und UV: Academia 31. 1918/19 bis 45. 1932/33; Akademische Monatsblätter 31. 1918/19 bis 45. 1932/33; Unitas 59. 1918/19 bis 73. 1932/33. Ferner J . Oppenhoff Hg., Geschichte des katholischen Studentenvereins Brisgovia in Freiburg i. Br., 1880—1930, Offenburgl930. 4 G. Schalk Hg., Erinnerungsblätter zum 25. Stiftungsfest der katholisch-deutschen Studentenverbindung Hohenstaufen zu Freiburg i. Br., Freiburg 1930, 48 f.; Brisgovenblätter Nr. 8, März 1923, 2 f., u. Nr. 10, April 1924, 1. 5 Besonders die 1922 gegründete Unitas-Lichtenstein entfaltete im AStA eine rege Aktivität. Vom WS 1926/27 bis zum SS 1928, im WS 1930/31, SS 1931 und wieder im SS 1932 stellte sie den AStA-Vorsitzenden. Auf ihr Wirken geht die relativ gemäßigte Stellung des Freiburger AStA in vielen Fragen zurück. 6 Wahlaufrufe der katholischen Fraktion AMF, SS 1928, Nr. 7, 135; SS 1930, Nr. 5, 1; SS 1931, Nr. 5, 1. 7 Mitglieder in CV-Verbindungen waren u. a. der badische Landtagspräsident und spätere Kultusminister Baumgartner, der zeitweilige Reichskanzler Fehrenbach, der badische Vertreter im Reichsrat, Honold; KV-Verbindungen gehörten an der Kölner Oberbürgermeister und Präsident des preußischen Staatsrats, Adenauer, und der Freiburger Oberbürgermeister Bender. 8 AMF, SS 1928, Nr. 7, 135; FSZ, SS 1932, Nr. 6, 1; Bericht aus einer Freiburger CV-Verbindung Academia 32. 1919/20, 36: danach „erscheint es nicht wünschenswert, daß die katholischen Korporationen Parteianhänger des Zentrums heranziehen. Wohl aber ist zu fordern, daß die Verbindung die politischen Auffassungen ihrer Mitglieder in die richtigen Bahnen lenkt“. 9 Freiburger Stiftungsfest-Reden, zitiert nach Academia 40. 1927/28, 162 und 32 1919/20, 132. 10 Academia 40. 1927/28, 162. 11 Reichsgründungsrede eines CV-Studenten AMF, WS 1929/30, Nr. 7, 101; Brisgovenblätter, Nr. 24, Okt. 1930, Beilage, V; Academia 40. 1927/28, 162. 12 Besonders markante Beispiele finden sich in zwei Beiträgen eines Mitglieds der katholischen Jugendbewegung zur FSZ (WS 1930/31, Nr. 5, 1 u. 2), die sich durchaus als Verteidigung der Republik, insbesondere der Politik Brünings verstanden. 1

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Anmerkungen zu S. 116—118 Acadcmia 42. 1929/30, 174 f. Brisgovenblätter, Nr. 24, Okt. 1930, Beilage, II. 15 An den Hochschulen trat die Gegnerschaft zum Positivismus hinzu. So machte 1933, auf dem Stiftungsfest seiner Verbindung, der Dekan der theologischen Fakultät, Krebs, die liberale Wissenschaft für den „religiösen Nihilismus“ verantwortlich. „Mit dem Kampf gegen den Liberalismus auf politischem, wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Gebiet geht Hand in Hand der viel wichtigere Kampf gegen den Liberalismus auf weltanschaulichem, auf sittlichem und religiösem Gebiet. Und dieser muß geführt werden auf den Kampfplätzen des Geistes, auf unseren Hochschulen. Hier mitzuwirken ist jeder deutsche Hochschullehrer und deutsche Hochschulstudent berufen . . . Aber auch unsere katholischen Studentenverbände, die ja gerade im Gegensatz zum weltanschaulichen und moralischen Libertinismus des 19. Jahrhunderts sich zusammengeschlossen haben, . . . sind angetreten auf den Ruf hin, haben sich in Reih und Glied gestellt mit der übrigen, vom neuen Geist erfüllten Studentenschaft, und rufen ihr freudiges: Adsum, hier bin ich, hier marschiere ich mit, der neuen Zeit eines bewußt christlichen Gesamtvolkes entgegen. Gott will es!“ (Academia 46. 1933/34, 93). Vgl. zur Haltung von Krebs jedoch auch o. S. 97. 16 FSZ, WS 1932/33, Nr. 3, 2. 17 FSZ, SS 1931, Nr. 5, 2; Rede des Landtagspräsidenten Baumgartner auf einer AStA-Wahlversammlung am 15. 7. 1930 (Frbg. Tagesp. 17. 7. 1930). 18 Die Satzung der 1930 gegründeten KV-Verbindung Urach verlangte von den Mitgliedern „deutsche Abstammung“ (UAFXIV/1—77). — Vertreter katholischer Korporationen im AStA verhalfen im WS 1931/32 einer Resolution zur Annahme, die es begrüßte, daß das österreichische Studentenrecht „Ostjuden“ die Zugehörigkeit zur deutschen Studentenschaft verweigere, und die Erwartung aussprach, daß der reichsdeutschen Studentenschaft bald ermöglicht werde, diesem Beispiel zu folgen (AP 29. 1. 1932). 19 Brisgovenblätter Nr. 4, April 1921. Was unter diesem Problem zu verstehen war, deutet vielleicht die Zuschrift eines katholischen Studenten in der Frbg. Tagesp. 9. 12. 1920 an: Man versuche, die „befreiende Kraft Christi... hineinzuleiten in das Volksganze, um es emporzuführen aus Verirrung und Demoralisation, um es zu befreien aus Schieber- und Wuchcrtum jeglicher Art“. 20 FHN, WS 1920/21, Nr. 5, 31, dort auch das folgende. 21 W. Glasebock, Katholische Studentenschaft u. völkische Bewegung, München 1923, 9 f. 22 Brisgovenblätter, Nr. 5, Okt. 1921; Nr. 8, März 1923. 23 Die „staatspolitische“ Erziehung, die zunächst beabsichtigt war, übernahm weitgehend der „Görres-Ring“, der 1926 als Gegengewicht zum Deutschen Hochschulring gegründet worden war. Eine Sammlung der wichtigsten Referate der „Schulungswochen“ des Görres-Rings stellt dar G. J . Ebers Hg., Katholische Staatslehre u. Volksdeutsche Politik, Freiburg 1929. Über spätere Tagungen im Okt./Nov. 1931 und Jan. 1932 berichtet Academia 44. 1931/32, 267 f. u. 340 f. 24 Das Zitat (Frbg. Tagesp. 9. 12. 1920) stammt von einem Mitglied derselben CVVerbindung, der im SS 1919 auch Schlageter angehörte. Zwar hatte ihn die Verbindung, als er in den Freicorpskämpfen untertauchte, aus ihren Listen gestrichen, doch wurde er nach seiner Erschießung durch die Franzosen am 26. 5. 1923 auf Antrag der Altherrenschaft posthum reaktiviert und philistriert (Academia 40. 1927/28, 267; P. Stitz, Der CV 1919—1938, München 1970, 89 f). Obgleich Schlageter in Freiburg kaum im eigentlichen Sinn „studiert“ haben dürfte, ließ die Universität bei der Einweihung eines Schlageter-Denkmals auf der Golzheimer Heide im Mai 1931 einen Kranz niederlegen, da sie „als Stätte des Studiums des Gefeierten Wert darauf legt, bei der 13

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Anmerkungen zu S. 118—120 Gedenkfeier genannt zu werden“. (Der Rektor an die Verbindung Schlageters am 25 Frbg. Tagesp. 9. 12. 1920. 30. 4. 1931, UAF II/l—17). III/8. Die Materiallage ist für diesen Abschnitt besonders ungünstig: außer knappen Wahlaufrufen, gelegentlichen Flugblättern und Artikeln in der Studentenzeitung sind nur wenige Aktenblätter des Universitätsarchivs erhalten. Mehr noch als bei anderen Gruppen ist daher die Interpretation bruchstückhaft; sie stützt sich auch auf allgemeinere Eindrücke vom Verhalten der Gruppen in der Studentenvertretung und von der Politik ihrer Reichsorganisationen. 2 R. Smend, Hochschule u. Parteien, in: Das Akademische Deutschland, III, Berlin 1930, 161. 3 Prof. Wilhelm Kapp (geb. 1865), Leiter eines seit 1925 an der Universität eingerichteten „Politischen Kolloquiums“, in AMF, WS 1928/29, Nr. 4, 67. 4 Anzeige der Gründung einer „Politischen Gesellschaft“ unter der Leitung des damaligen Privatdozenten Ernst Forsthoff (Mitglied des Freiburger VDSt). Die Suche nach einer vom menschlichen Bedürfnis und Wollen unabhängigen Gesetzlichkeit des Politischen kulminiert 1933 in dem Satz: „Die Wirklichkeit läßt sich nicht erkennen, sie läßt sich nur noch anerkennen“ (E. Forsthoff, Das Ende der humanistischen Illusion, Berlin 1933, 25). 5 Zu Smends Staats- und Demokratiebegriff vgl. Sontheimer, Antidemokratisches Denken, 98 ff.; W. Schluchter, Entscheidung für den sozialen Rechtsstaat. H. Heller u. die staatstheoretische Diskussion in der Weimarer Republik, Köln 1968, passim. 6 W. Fuchs, Organisationsformen studentischer Politik: AStA, Korporation u. politische Hochschulgruppe, in: H. Baier Hg., Studenten in Opposition, Bielefeld 1968, 193. 7 Smend, 162, 160. 8 Eine Geschichte dieser Reichsorganisationen liegt bisher nicht vor, eine Dissertation von W. Hirche dazu befindet sich in Arbeit. Knappe Skizzen: O. Friedländer, Sozialistische Studentenschaft Deutschlands u. Österreichs, in: Das Akademische Deutschland, II, 606; H. Mendershauscn, Reichsbund Deutscher Demokratischer Studenten, ebda, 605. Zur Sozialistischen Studentenschaft vgl. ferner: U. Baumann u. G. Gebauer, Zur politischen Geschichte der Universität Leipzig, 1921—1923, in: Karl-Marx-Universität Leipzig, 1409—1959, II, Leipzig 122 ff.; Bleuel-Klinnert, 181 ff. Zum Reichsverband deutscher Zentrumsstudenten kurz R. Morsey, Die deutsche Zentrumspartei, 1917—1923, Düsseldorf 1966, 594 f. Siehe auch die im Literaturverzeichnis genannten Zeitschriften der verschiedenen Verbände. » Senatsbeschluß 5. 2. 1919 (UAF XIV/1—45). 10 Zitate: (Aufruf für eine) Allgemeine Studentenversammlung zur Gründung eines Sozialistischen Studentenbundes, 28. 2. 1919, Freiburg (1919); W. Hegar, Der Sozialismus u. die Kopfarbeiter, Freiburg 1919, 12; Baumgarten, Nationalismus u. Sozialdemokratie, 36. 11 Mitteilung des Bezirksamts an den akad. Disziplinarbeamten, 30. 7. 1919 (UAF XIV/1—45); L. Curtius, Deutsche u. antike Welt, Stuttgart 1950, 332. 12 Vgl. jetzt die anschauliche Schilderung eines Beteiligten bei G. W. F. Hallgarten, Als die Schatten fielen. Erinnerungen, Frankfurt 1969, 115 f. 13 In Freiburg bestand 1925/26 eine „marxistische Studentenvereinigung“, der von den akademischen Behörden das Mitteilungsbrett entzogen wurde, als sie, im Rahmen einer Kritik an der Reichsgründungsfeier „jenes Deutschland der Ausbeuter und “Kolonialräuber“ über die Mitglieder der Sozialistischen Studentengruppe schrieb: „die ,Sozialisten' sind bereit, den neuen imperialistischen Kurs der deutschen Bourgeoisie 1

14 Kreuzberger, Studenten und Politik © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

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und den aus ihm entstehenden Krieg durch ihre Mitwirkung (an Regierung und Festen!) heilig zu sprechen!“ (UAF XIV/1—139). 14 Details in Sozialistisch-Akademische Rundschau 2. 1930, Nr. 5, 8 ft. 15 Wahlaufruf FSZ, SS 1932, Nr. 6, 1. — Vor allem in den Jahren bis 1925 läßt sich eine stärkere Unterstützung der Sozialistischen Studentengruppe durch die sozialdemokratische „Volkswacht“ feststellen; Entsprechendes gilt auch für die katholischen Studentengruppen (Frbg. Tagespost) und die rechtsstehenden (Breisgauer Zeitung). 16 Einladung zur Gründung einer Studentengruppe der Deutschen Demokratischen Partei, Freiburg (1919). 17 Satzung 8. 2. 1928 (UAF XIV/1—32); Der Demokratische Student 1. 1929, Nr. 5. 18 Frbg. Tagesp. 10. 2. 1920. 19 UAF XIV/1—3. 20 Studentische Zentrumsgruppe Freiburg: (Aufruf an die) Kommilitonen! Kommilitoninnen! Freiburg (1920). 21 Vgl. Morsey, 594 f. 22 Wie Anm. 20. — 1932 kehrte diese gewiß auch problematische „Staatstreue“ wieder in der Formel: „Es gibt noch Studenten, die sich freudig und stolz zum Brüningschen Grundsatz .Sachlichkeit' bekennen“ (Bericht über eine Versammlung der stud. Zentrumsgruppe, Frbg. Tagesp. 25. 6. 1932). 23 Brsg. Ztg. u. Frbg. Volksw. 26. 6. u. 27. 6. 1922; Reden bei der öffentlichen Feier der Übergabe des Rektorats 49. 1923, 21; Aufruf der Sozialistischen Studentengruppe zur AStA-Wahl, Freiburg (1922). 24 Frbg. Tagesp. 30. 6. 1922. 25 Satzung 28. 6. 1922 (UAF XIV/1 —1). 26Schreiben an das Rektorat, 8. 7. 1930 (UAF XIV/1 —1). 27 Z.B. AMF, SS 1927, Nr. 8, 153: „1918, das deutsche V o l k . . . von furchbarstem Bruderkampf zerrissen, dem Gespött und dem Gelächter der Welt schutzlos preisgegeben, 1927 geachtet und angesehene Großmacht.. ., maßgeblichen Einfluß auf den Gang der Weltgeschichte ausübend. Welchem Deutschen würde nicht das Herz höher schlagen, . . . zumal der Versailler Vertrag in seinen Grundfesten erschüttert ist und dauernd an seiner Revision rüstig weitergearbeitet wird.“ 28 FSZ, WS 1930/31, Nr. 5, 5 f. 29 Vgl. FSZ, SS 1930, Nr. 5, 4 u. Nr. 6, 1; WS 1931/32, Nr. 7, 2; Aufruf der Republ. Studentenschaft zur AStA-Wahl 1930 (FSZ, SS 1930, Nr. 5, 2). 30 Vgl. die „Thesen zur Hochschulreform“ des Reichsbundes Deutscher Demokratischer Studenten, Die Hilfe 36. 1930, 755 ff., und die ähnlichen Gedankengängen folgende „Denkschrift zur Hochschulreform der sächsischen Studentenschaften“, Hg. K. Hoffmann u. A. Seiffert, Leipzig 1930. — Von einem konservativen Standpunkt aus gibt instruktive Überblicke über die Positionen der damaligen Hochschulreformdiskussion M. Doerne, Zum gegenwärtigen Stande der Hochschulreform, Studentenwerk 5. 1931, 202 ff.; ders., Problems of the German Universities, in: W. M. Kotschnig u. E. Prys Hg., The University in a Changing World, London 1932, 70 ff. 31 Wahlaufruf FSZ, SS 1930, Nr. 5, 2. 32 Vgl. die Wahlaufrufe AMF, SS 1928, Nr. 7, 136; FSZ, SS 1930, Nr. 5, 2; SS 1931, Nr. 5, 1; SS 1932, Nr. 6, 2; ferner AMF, SS 1927, Nr. 6, 101; FSZ, SS 1931, Nr. 2, 2 u. Nr. 3, 6. 33 Der Sozialistische Wille in Politik, Wissenschaft u. Hochschule, 2. Hjhr., Nr. 1., Nov. 1930, 14; Der Rote Student 2. 1931, 62, 154. 34 Wahlaufruf der Sozialistischen Studentengruppe FSZ, SS 1930, Nr. 5, 2; ähnlich FSZ, SS 1931, Nr. 5, 2. 210 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Anmerkungen zu S. 125—129 35 Die Versammlungen der zwischen 10 und 20 Mitgliedern umfassenden Roten Studentengruppe waren von bis zu 350 Personen besucht, darunter maximal 100 Studenten. Redner waren entweder Mitglieder der Roten Studentengruppe selbst oder Reichstags- bzw. Landtagsabgeordnete der KPD. (Polizeiberichte GLA 235/4818). 38 Vgl. den Beitrag zum „Problem der proletarischen Einheitsfront“ eines sozialistischen Studenten aus Freiburg und die süffisante Zurückweisung: Der Rote Student 2. 1931, 84 ff. — Die Freiburger Rote Studentengruppe bezeichnete sich einmal als „angeschlossen dem Reichsverband Kommunistischer Studenten Deutschlands“ (Gründungsanzeige vom Anfang des WS 1930/31), ein andermal als „eine selbständige und überparteiliche Organisation freisozialistischer Studenten“ (Schreiben an den Rektor, 5. 1. 1931, UAF XIV/1—121). — Die „Statuten des Reichsverbandes frei-sozialistischer Studenten“ vom März 1931: Der Rote Student 2. 1931, 65 f. 37 Vgl. FSZ, SS 1932, Nr. 5, 1 u. 6. 38 Wahlaufruf der Roten Studentengruppe FSZ, SS 1932, Nr. 6, 1 f. 39 Ebda. IV/1. 1 Zum Studentenrecht: U. Kersten, Das deutsche Studentenrecht, Berlin (1931); E. Plewe, Volks- u. Staatsprinzip im Studentenrecht der Nachkriegszeit, jur. Diss. Jena 1936; W. Schapals, Wesen und Rechtsnatur der Studentenschaft, jur. Diss. Göttingen 1962; unten S. 145 ff. — Zur Gründungs- und Verfassungsgeschichte der DSt vgl. vor allem Schwarz; die beste zeitgenössische Darstellung bietet Volkmann. 2 Der beste Abriß dieser Entwicklung bei Nitsch, Hochschule; dort auch die weitere Lit. 3 Zur Hochschulpolitik der Weimarer Republik, insbesondere Preußens: R. H. Samuel u. R. H. Thomas, Education and Society in Modern Germany, London 1949, 12 f., 123 ff.; Bleuel, 129 ff.; Ringer, 76 ff.; K. Düwell, Staat u. Wissenschaft in der Weimarer Epoche, HZ Beiheft 1. 1971, 31 ff. H. Schelsky, Einsamkeit u. Freiheit. Idee und Gestalt der deutschen Universität und ihrer Reformen, Reinbek 1963, wertet (164 ff.) die Verdienste des langjährigen preußischen Staatssekretärs und Kultusministers C. H. Becker um die „Abwehr des Parteienegoismus“ wohl zu einseitig positiv, dabei fußend auf E. Wende, Carl Heinrich Becker, Stuttgart 1959. 4 K. Griewank, Deutsche Studenten u. Universitäten in der Revolution von 1848, Weimar 1949, 16 ff., 31 ff., 54 ff.; W. Kalischer Hg., Die Universität u. ihre Studentenschaft, Essen 1967, 69 ff. 5 Diesen Gesichtspunkt betont der einstige Staatssekretär im preußischen Kultusministerium: W. Richter, Wissenschaft u. Geist in der Weimarer Republik, Köln 1958, 28 f. * Vgl. etwa die Einschätzung der Situation bei Gast, Studenten, Professoren u. Alte Herren, Mitteilungen d. Verb, der Dt. Hochschulen 8. 1928, 147 ff., oder im Vortrag W. Kahls auf der Weimarer Hochschullehrertagung von 1926: W. Kahl u. a., 3 ff. 7 Th. Nipperdey, Die deutsche Studentenschaft in den ersten Jahren der Weimarer Republik, in: A. Grimme Hg., Kulturverwaltung der zwanziger Jahre, Stuttgart 1961, 23 f.; ähnlich für die Zeit nach 1945: H. Adam, Studentenschaft u. Hochschule, Frankfurt 1965, 38 f. 8 H. Kranold, Studentische Selbstverwaltung, in: H. Roeseler Hg., Studentische Selbstverwaltung, Berlin 1918, 89 f. Vgl. aber schon im selben Band den Vertreter einer älteren Generation: „Wir wollen keinen Studententag, der Proteste wegen der Berufung akademischer Lehrer an die Regierung richtet, der es sich herausnimmt, Behörden abzurüffeln, der Änderungen der Prüfungsordnung erzwingen will, der studentische Verbände kritisiert, Mißtrauens- und Vertrauensvoten ausspricht.“ (F. A. Pinkerneil, Die studentische Selbstverwaltung, in: Roeseler, 82).

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Anmerkungen zu S. 129—132 9 Zur geschichtlichen Bedeutung der Freistudentenschaft: A. Kranold, Das moderne Reformstudententum, in: W. Hausenstein u. A. Kranold, Der deutsche Student einst u. jetzt, München 1920, 43 ff.; W. Mahrholz, Geschichtliche Stellung der Freistudentenschaft, in: Das Akademische Deutschland, II, S. 593 ff,; P. Sysmank, Geschichtlicher Verlauf der freistudentischen Bewegung, ebda, 599 f. 10 Der Anteil der Kinder von Vätern in „nichtakademischen öffentlichen Berufen und niederen wirtschaftlichen Berufen“ an der Studentenschaft stieg zwischen 1871 und 1911 von rund 50 % auf 57 %; nach 1919 betrug er über 60 % (Nothaas, 32). 11 Vgl. die repräsentative Programmschrift jedenfalls der nichtkonfessionellen Freistudentenschaft: F. Behrend Hg., Der freistudentische Ideenkreis, München 1907, 19 ff. 12 W. A. Berendsohn, Die Ethik des studentischen Lebens, Hamburg 1920, 94, 42 (eine Schrift aus der Endphase der selbständigen Freistudentenschaft). 13 G. v. Seile, Die Humanistische Fakultät, o. O. 1921; Nitsch u.a., 278 u. die dort Anm. 16 zum Studium Generale genannte Lit. 14 Behrendsohn, 64. — Auch die Beckerschen Pläne einer Universitäts- und Studienreform nach 1920 gingen davon aus, daß „geistige Gehalte“ durch Gemeinschaftsund Gefühlsbindungen irrational abgestützt werden müßten. Zu den Gefahren einer solchen Auffassung vgl. u. S. 140, 168 f. 15W. Benjamin, Das Leben der Studenten, in: ders., Illuminationen, Frankfurt 1961, 14. Die Schrift gibt eine Rede wieder, die Benjamin als Leiter der Berliner „Freien Studentenschaft“ im SS 1914 gehalten hat. 16 Entschließung des Freistudententags 1906, in: Ssymank, 600. 17 Übrigens hielt Max Weber seine berühmt gewordenen Vorträge über Wissenschaft und Politik als Beruf in einer freistudentischen Vortragsreihe. 18 „ . . . zwischen dem geistigen Dasein eines Studierenden und seinem fürsorglichen Interesse für Arbeiterkinder, ja selbst für Studierende“ bestand „keine Verbindung als ein mit seiner eigenen und eigensten Arbeit verbundener Pflichtbegriff, der ein mechanisiertes Gegenüber: ,hie Stipendiat des Volkes — da soziale Leistung' setzt“ (Benjamin, 12). 19 Berendsohn, 48 f., 29. 20 A. Kranold, 55, 92. — Behrend (32) unterscheidet staatsbürgerliche Bildung streng von politischer Tätigkeit und erklärt lapidar: „Studieren und arbeiten sind die Mittel, um zu erkennen, was für das Vaterland gut i s t . . . In diesem Sinne ist die freistudentische Bewegung eine eminent patriotische, weil sie die Studenten zu tüchtigen, sachlich geschulten, weitsehenden Männern zu erziehen versucht.“ 21 Behrend, 11 f.; Berendsohn, 63. — In dieser Hinsicht mit der freistudentischen Bewegung verwandt, aber durch eine stärker autoritäre Grundtendenz von ihr unterschieden war die von Carl Sonnenschein ins Leben gerufene katholische sozialstudentische Bewegung, aus der einige der bekannteren DSt-Gründer hervorgingen (so Peter van Aubel, Cilly Klein, Heinrich Brüning). Vgl. dazu E. Thrasolt, Dr. C. Sonnenschein, München 1930, 106 ff.; Th. Eschenburg, C. Sonnenschein, in: ders., Die improvisierte Demokratie, München 1963, 110 ff., bes. 124 ff. 22 Helmuth Plessner betrachtet die Tendenz zur kulturellen Oberformung gesellschaftlicher Gegensätze als ein generelles Kennzeichen der „geistigen Schichten“ des Kaiserreichs und bewertet das (im Hinblick auf die kulturellen Leistungen der 20er Jahre, die hier ihre Genese haben) im ganzen positiv: „Vom Leben her und für das Leben verlangten sie eine Erneuerung, geistig und materiell, welche den Anforderungen der industriellen Welt gewachsen war. Stand und Kaste, Eigentumsordnung und Klassengegensatz waren nicht aus den Angeln zu heben. So blieb nur der Weg einer Gesellschaftsreform durch Reform der Kultur . . .“ (H. Plessner, Die Legende von den

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Anmerkungen zu S. 132—137 zwanziger Jahren, in: Staatsverfassung u. Kirchenordnung. Festgabe für R. Smend, Tübingen 1962, 214 f.). 23 Vgl. die „Denkschrift betr. die Regelung der rechtlichen Stellung der Studierenden, der studentischen Vereine und Versammlungen sowie der Studentenausschüsse an den preußischen Landesuniversitäten, hg. vom Freistudentischen Bunde“, Leipzig 1913; teilw. Abdruck bei Kalischer, 107 ff. IV/2. H. Gerber, Der Wandel der Rechtsgestalt der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br., Freiburg 1957, I, 105; E. Th. Nauck, Studenten u. Assistenten der Freiburger Medizinischen Fakultät, Freiburg 1955, 80. 2 Mehrere Stücke UAF XXV-23; Nauck, Das Frauenstudium, 41, 71 f.; Schulze/ Ssymank, 462 f. 3 Bericht der Vertreter UAF XIV/1—5. 4 UAF XIV/1—5. Auch der Rektor des letzten Kriegsjahres, Heinrich Finke, befürwortete eine Organisation des Studentenausschusses nach dem Vertretungsprinzip und unter bevorzugter Berücksichtigung der Korporationen. Vgl. auch o. S. 78. 5 UAF XIV/1—5; Frbg. Tagesp., Abendausg. 3. 4. 1919, u. Morgenausg. 4. 4. 1919. 6Schreiben des AStA an das Rektorat, 25. 5. 1931 (UAF XIV/1—6/1). 7 Im Februar 1931 wurde der dem NSDStB angehörende Leiter des im SS 1927 aus dem „Vortragsamt“ gebildeten „Amtes für politische Bildung“ wegen einseitiger Geschäftsführung abgewählt (AP 22. 1. 1931 und 12. 2. 1931), im SS 1931 das Amt jedoch wieder einem NSDStB-Studenten übertragen (AP 6. 5. 1931). Um die gleiche Zeit wurde der Leiter des „Amtes für Leibesübungen“ ausgewechselt, weil er die Einführung des „Wehrsports“ allzu offenkundig betrieben hatte (AP 12. 1. 1931; Frbg. Tagesp. 14. 2. 1931). Im SS 1931 berief der AStA einen NSDStB-Studenten aus dem Redaktionsausschuß der Studentenzeitung ab, da er in „vollkommen unsachlicher, unwürdiger und gehässiger Weise gegen ein Mitglied der studentischen Gemeinschaft argumentiert“ habe (AP 24. 7. 1931; die Kontroverse: FSZ, SS 1931, Nr. 2, 1, u. Nr. 3, 5 f.). 8 So klingt einmal der Stolz durch, einer „so hohen Behörde“ wie dem AStA anzugehören (FSZ, WS 1930/31, Nr. 1, 2), ein andermal wird auf seine Notwendigkeit „in dieser Zeit des Parlamentarismus“ verwiesen (FSZ, SS 1930, Nr. 5, 1). Glaubte man an die parlamentarischen Funktionen des AStA, so war er natürlich auch von der Kritik am Parlamentarismus betroffen (AMF, WS 1926/27, Nr. 5, 51; FUF, WS 1932/ 33, 3 f.). 1919 jedenfalls wurden die Vorzüge der AStA-Tätigkeit noch recht optimistisch eingeschätzt: „Sie i s t . . . eine hohe Schule der Demokratie und des Parlamentarismus. Alles kann man an ihr lernen und bilden: Wahlkampftechnik, parlamentarische Disziplin und Routine, sachliches Verhandeln, Polemik, Geschäftsordnung, Verwaltungstechnik, Geschäftsführung, praktische Jurisprudenz des täglichen Lebens, Menschenkenntnis, Gewandtheit und politische Grundsätzlichkeit.“ (Mahrholz, Student u. Hochschule, 54). 9 FHN, SS 1920, Nr. 10, 49; WS 1920/21, Nr. 1, 1; AMF, SS 1928, Nr. 2, 31 und Nr. 7, 135 f.; FSZ, SS 1930, Nr. 5, 1. 10 FSZ, SS 1930, Nr. 5, 1. 11 AMF, SS 1928, Nr. 6, 118: „Es entspricht dem demokratischen Gedanken unserer Zeit, daß jede größere Gemeinschaft von Menschen, die durch irgendwelche Ziele vereinigt sind, Führer wählt, die ihre Interessen wahrnehmen sollen.“ 12 Textauszug im Anhang I, 225. 13 Im weiteren Sinn gehörten in den Bereichen der Selbstverwaltung auch die „Pflege des geistigen und geselligen Lebens“, die „Pflege der Leibesübungen“ und die 1

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Anmerkungen zu S. 138—141 „Stellungnahme zu allgemein vaterländischen, wirtschaftlichen und Bildungsfragen'; zu letzterem, dem „politischen Mandat“ der Studentenschaft, vgl. u. S. 145 ff. 14 Vgl. dazu auch Nitsch u. a. 371 f., 416f. 15 Fünf Jahre Freiburger Studentenhilfe, 1921—1926, Freibure 1926, 6 ff. 16 Vgl. AP 4. u. 29. 11., 15. 12. 1931; 24. 2., 4. 5. 1932; FSZ, WS 1931/32, Nr. 3, 1 und Nr. 4, 3 f.; SS 1932, Nr. 2, 4. 17 Vorschläge des AStA für eine Denkschrift an das KM , 17. 1. 1920; Schreiben des Rektors an den AStA 19. 2. 1920 (UAF XIV/1—6/1). 18 Wahlaufruf... der Freiburger Klinikerschaft, Freiburg (1919). Die Klinikerschaft war, wie teilweise auch andere Fachschaften, zu dieser Zeit korporationsfreundlich und politisch eher rechts eingestellt (Archiv der DB, 107, Bericht v. SS 1921). — Auch die Demokratische Studentengruppe forderte 1919 „den organischen Aufbau unserer Hochschule in freiheitlichem Geiste, aber ohne übertriebenen Radikalismus“; d. h. ein Mitbestimmungsrecht der Studenten im Hochschulbetrieb, aber nicht — wie von der Sozialistischen Studentengruppe noch 1922 gefordert — die Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen zur Hochschule, die Beseitigung der Kolleggelder und Gebühren sowie die Aufhebung der Disziplinargerichtsbarkeit. (Wahlaufruf der Demokratischen Studentengruppe..., Freiburg [1919]; Aufruf der Sozialistischen Studentenpartei zur AStA-Wahl, Freiburg i. Br. [1922]). 19 Zu den Diskussionen des Göttinger Studententages 1920 vgl. Das erste Jahr Deutsche Studentenschaft 1919/20, Göttingen 1921; Beckers Vortrag (Warum brauchen wir eine Hochschulreform?), ebda, 100 ff. Vgl. auch C. H. Becker, Vom Wesen der deutschen Universität, Leipzig 1925, 7 f., 38 ff. 20 Bei starker Fluktuation im einzelnen bestanden durchschnittlich etwa 9 Fachschaften an der Universität, für die in den Haushaltsplänen der Studentenschaft zwischen 1926 und 1932 etwa ein Zwölftel der Gesamtmittel vorgesehen war. Vgl. auch Nauck, Frauenstudium, 39 f. 21 Auch auf dem Bonner Studententag 1926 war ein Fachamt gebildet worden, das der Misere der Fachschaftsarbeit auf der Ebene der DSt und der lokalen Studentenschaften begegnen sollte, wie sie z. Β. Volkmann (76 ff.) schildert. Daß eine grundsätzliche Änderung nicht erzielt wurde, wird belegt durch die vom Vorstand der DSt herausgegebene Schrift: Die deutsche Studentenschaft in ihrem Werden, Wollen und Wirken, Berlin (1928), 98 ff., u. das Rundschreiben des DSt-Vorstandes, 13. 7. 1929, Anl. I (DSt-Archiv, Rep. 4). 22 AMF, SS 1928, Nr. 6, 121. 23 Beschluß der Vollversammlung der medizinischen Fachschaft (UAF XIV/1—6/1). 24 In Heidelberg wurde 1931 die Mehrheit der Fachschaften vom NSDStB beherrscht und in vorderster Linie beim Kampf gegen Emil Gumbel beteiligt. In Tübingen verstand es der NSDStB, die dort auf Fachschaftsbasis operierende Studentenvertretung mit deren eigener Zustimmung durch eine auf Grund politischer Listenwahl gebildete zu ersetzen. 25 Vgl. u. S. 141 f. 26 Erlaß v. 21. 12. 1920 (GLA 235/4907). 27 Richtlinien v. 8. 4. 1925; eine veränderte Fassung erschien gedruckt am 16. 5. 1925 (UAF XIV/1—6/2). Vgl. auch u. S. 148 ff. 28 Erlaß v. 8. 4. 1925. 29 Textauszug im Anhang I, 225. 30 Reden bei der öffentlichen Feier der Übergabe des Rektorats 48. 1922, 32; 51. 1925, 26; 52. 1926, 30. “ In der Tat waren die Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden des AStA fast durchweg Korporationsmitglieder. Der Professor, von dem sich der regste 214 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Anmerkungen zu S. 141—143 Kontakt zu der Studentenschaft feststellen läßt, Ludwig Aschoff, war selbst Burschenschafter und an korporationsstudentischen Fragen lebhaft interessiert, wie seine Beiträge in den AMF und der FSZ zeigen. Andere Beiträge von Professoren, die vereinbarungsgemäß an die Studentenzeitung geliefert werden sollten, um den Studenten „die Erfahrung gereifter Menschen [zu] übermitteln“ (FSZ, SS 1930, Nr. 1,1), blieben aus, sieht man vom Abdruck der akademischen Feierreden in den Studentenzeitungen ab. 32 AP v. 4., 10., 29. 11. 1931; Rundschreiben des AStA an die Universitäten, 14. 11. 1931 (DSt-Archiv, Rep. 114); disziplinarische Anzeige des Rektors, 14. 11. 1931 (UAF XIV/1—6/1); Frbg. Tagesp. 16. 11. 1931; Karlsruher Ztg. 1. 4. 1932. — Das Disziplinarverfahren gegen die drei kommunistischen Studenten, die alle aus „gutbürgerlichen“ Familien stammten, endete mit einer Verwarnung. Vgl. auch den interessanten Bericht der Roten Studentengruppe: Die Lehren des Freiburger Gebührenstreiks, Der Rote Student 3. 1932, Nr. 1/2, 4 ff. 33 FSZ, WS 1931/32, Nr. 2, 4. 34 Schreiben des AStA-Vorstandes an den Senat, 27. 5. 1932; Antwort des Senats, 9. 6. 1932 (UAF XIV/1—6/1); ähnlich die öffentliche Erklärung des Senats, 27. 6.1932, die zwischen dem 27. u. 29. 6. 1932 in der Freiburger Presse erschien. 35 Senatsbeschluß v. 12. 2. 1932, bestätigt am 27. 4. 1932 u. 8. 6. 1932 (UAF XIV/ 1—6/1). — Der Senat der Universität Heidelberg hatte schon Mitte 1930 ein ähnliches Verbot ausgesprochen, durchaus ohne Wirkung. Der nationalsozialistisch beherrschte Kreistag VI der DSt (Südwestdeutschland) hatte diese Maßnahme kritisiert und bedauert, daß man die „verzweifelten Akte der Selbsthilfe einer Jugend . . . , die sich von allen Seiten verraten sieht und nirgends Hilfe findet“, als „parteipolitische Hetzereien und Entgleisungen radaulustiger Elemente in der Studentenschaft“ abtue und verurteile (Prot, des Kreistages, 4./5. 7. 1931, DSt-Archiv, Rep. 79). 36 Der Rote Student 2. 1931, 157. — Der „Roten Studentenzeitung“ entsprach das vom NSDStB im SS 1931 verteilte Blatt „Aufbau“ (beide lagen dem Verf. nicht vor), gegen das, soweit festzustellen, Schritte des Senats nicht unternommen wurden. Die sozialdemokratische „Volkswacht“ (20. 6. 1932) sprach deshalb auch die Ansicht aus, daß der Senat wohl kaum in Gefahr stehe, die Meinungsfreiheit der rechtsstehenden Studentenschaft zu beschneiden. 3 7 Der AStA an den Senat am 15. 3. u. 4. 6. 1932 (UAF XIV/1—6/1); AP 17. 6. 1932. 38 Schreiben an den Senat, 18. 6. 1932 (UAF XIV/1—6/1); FSZ, SS 1932, Nr. 5, 7 f. 39 Vincke, Aus den Tagebüchern, 131. — Der Artikel war in der Tat, allerdings noch am wenigsten in den Bemerkungen über den Senat, ein Musterbeispiel nationalsozialistischen Hetzstils und der Auffassung des NSDStB über die für ihn nützlichen Funktionen des AStA. 40 Die Freiburger Studentenschaft war mit Ende des WS 1931/32 aus der DSt ausgetreten (gegen die Stimmen allein des NSDStB), weil sie sich bei ihrem Kampf gegen die Erhöhung der Studiengebühren unzureichend unterstützt fühlte (AP 29. 1. u. 24. 2. 1932). Der tiefere Grund war freilich die grundsätzliche Abneigung eines Teils der katholischen Fraktion wie der demokratischen und sozialistischen Gruppen, der seit August 1931 nationalsozialistisch beherrschten DSt noch länger anzugehören, und die Verärgerung der Korporationsverbände über die Art, wie der NSDStB mit ihnen in der DSt und an manchen Hochschulorten umsprang. 41 Der Vorsitzende der DSt an den Kreisleiter VI, 23. 6. 1932; dessen Antwort, 7. 7. 1932 (DSt-Archiv, Rep. 79). 42 Schreiben des AStA an den Rektor v. 28. 6. 1932 (die Veröffentlichung des AStABeschlusses v. 18. 6. 1932 sei nicht offiziell durch den AStA erfolgt); Erklärung des 215 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Anmerkungen zu S. 143—148 AStA an die Presse v. 1. 7. 1932 (Mißverständnisse hätten zur voreiligen Veröffentlichung des AStA-Beschlusses geführt etc.). 43 AP 11. 7. 1932 (ungenehmigt). 44 Ebda; Vincke, Tagebücher, 131. — Im SS 1933 erhielt Rektor Sauer, dem als katholischem Theologen keine nationalsozialistischen Neigungen nachgesagt werden konnten, doch den Dank der Studentenschaft dafür ausgesprochen, daß er sich dem „nationalen“ Teil der Studentenschaft gegenüber stets „von objektiven Gesichtspunkten“ habe leiten lassen (FSZ, SS 1933, Nr. 1, 1). 45 Vgl. o. S. 110. 46 AP 11. 7. 1932. 47 Die FSZ, WS Ί932/33, Nr. 4, 1 sprach von einer „Ansammlung von zweifel­ haften Elementen“! 48 Vincke, Tagebücher, 131 f. IV/3. 1 Nitsch, u. a. 338 f., 408; Adam 45 f., der allerdings die von Beginn an spürbare Restriktion des politischen Mandats durch die Universitäten betont (42f.); Schapals, 91 ff. 2 U. K. Preuß, Das politische Mandat der Studentenschaft, Frankfurt 1969, 112 f. 3 Zitate: Nitsch u. a., 426. 4 Die Texte dieser Verfassungen im Anhang von Volkmann, 179 ff. 5 Ebda, 14; vgl. auch den „Rückblick“ des ersten DSt-Vorsitzenden O. Beneke, in: Das erste Jahr, 32. 6 Vossische Ztg. 10. 5. 1921: „Jede Stellungnahme in hochschulpolitischen Reformund Bildungsfragen und -arbeiten bedingt heute irgendwie parteipolitische Einstellung. . . . sobald man sich nur irgendwelche Inhalte setzt, nimmt man Partei.“ 7 Text in Kersten, 155 ff., Volkmann, 187 ff. 8 Wende, 125 f.; Das erste Jahr, 106. 9Stück 3, Satz 1 der Verf. der „Deutschen Studentenschaft“ und Stück 2 der Verf. der „Deutschen Gesamtstudentenschaft“. 10 Volkmann, 234. 11 Zit. nach Kersten, 41 f. 12 Vgl. dazu die sehr bezeichnenden Sätze aus einer Berliner Rektoratsrede von 1927: „Wie könnte . . . die Rechtsordnung die staatliche Willensbildung an zentraler Stelle förmlich abhängig machen vom Willen gesellschaftlicher Organisationen, die nach Existenz, Umfang und Charakter die unberechenbarsten aller Massenzusammenhänge darstellen,. . . die ihrer Natur nach durchaus auf Eigennutz gestellt sind und deshalb schon von Hause aus der Einbeziehung in eine organische Staatsgemeinschaft widerstreben, die nicht einmal immer den Staat als solchen bejahen, deren vornehmste Tätigkeit in gegenseitigem Kampfe besteht!“ (H. Triepel, Die Staatsverfassung u. die politischen Parteien, Berlin 1928, 30). 13 E. Rosenfeld Hg., Akademische Jugend u. deutsches Bildungsideal, Berlin 1924, 63. 14 E. Spranger, Über Sinn u. Grenzen einer Hochschulreform. Vortrag auf dem 5. Deutschen Hochschultag in Danzig (5. 10. 1932), Mitt. des Verb, der Dt. Hochschulen 12. 1932, 167. 15 Bei Kersten heißt es (120): „Wie kann eine deutsche Studentenschaft Anteil nehmen an der Verwaltung einer Hochschule oder die Gemeinschaft aller Hochschulangehörigen fördern, wenn diese Hochschule und die Gemeinschaft ihrer Lehrer und Schüler nicht im gemeinsamen Dienst am deutschen Volkstum und an deutscher Art und Wissenschaft verbunden sind!“

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Anmerkungen zu S. 148—152 16 Schreiben des KM, 22. 12. 1919 (UAF XIV/1—6/1). Die Entrüstung des Ministeriums konnte sich allenfalls auf einen Passus der Resolution v. 11. 12. 1919 beziehen, worin die Studentenschaft von der Regierung „größeres Verständnis der Not, in welche die Studentenschaft durch die Zeitverhältnisse gebracht worden ist“, verlangte (Unitas 60. 1919/20, 70). Die Studentenschaft konnte darauf hinweisen, daß sie sich schließlich auf Wunsch der Badischen Vorläufigen Volksregierung an Reservemiliz-Bataillonen und den Einwohnerwehren beteiligt hatte, — eine politische Hypothek, an die sich die Regierung nicht gerne erinnert sah. Vgl. BB11 33. 1918/19, 43 f.; VC-Rundschau 36. 1918/19, 12; Akademische Mitteilungen der Univ. Heidelberg, SS 1920, Nr. 5. 17 Verordnung v. 18. 9. 1920, § 1, Satz 2. Diese Formulierung verdankte sich in erster Linie dem Wunsch der preußischen Regierung, nicht durch eine rechtlich explizite Sanktionierung des „großdeutschen“ Aufbaus der DSt Bestimmungen des Versailler Vertrags, jedenfalls nach dessen französischer Interpretation, zu verletzen. 18 Akademische Mitteilungen Heidelberg, SS 1922, Nr. 4, 18 f.; Deutsche Akademische Rundschau 7. 1922/23, Nr. 3, 15, u. Nr. 8, 14; Volkmann, 150 f.; Prot, des Kreistages VI der DSt v. 26. 1. 1923 (DSt-Archiv, Rep. 79); Prot, der Hauptausschußsitzung der DSt v. 5./6. 5. 1923 (DSt-Archiv, Rep. 220); J . H. Mitgau, Studentische Demokratie, Heidelberg 1927, 54 f., 73. 19 Erlasse v. 24. 10. 1922 u. 30. 1. 1923 (UAF XIV/1—6/1). 20 Rundschreiben des DSt-Vorstandes an die Kreise, 5. 2. 1923 (DSt-Archiv, Rep. 12); Hellpach, Triennium, 241. 21 Erlasse an die Freiburger Studentenschaft v. 5. 12. 1924, 4. u. 20. 2. 1925, an die Heidelberger Studentenschaft (abschriftlich) v. 22. 1. 1925 (UAF XIV/1—6/2). 22 Im WS 1924/25 hatte in Heidelberg eine der NSDAP nahestehende Gruppe die Führung im AStA übernommen, den ersten Fall Gumbel entfesselt, die Haushaltsmittel der Studentenschaft für eigene Zwecke eingesetzt und die Verabschiedung einer „völkischen“ Satzung betrieben. 23 Erlaß v. 8. 4. 1925 (UAF XIV/1—6/1). 24 Hellpach, Triennium, 240. 25 Prot, der Hauptausschußsitzung der DSt v. 23. 5. 1925 (DSt-Archiv, Rep. 220); Erlaß v. 2. 6. 1925 (UAF XIV/1—6/2). 26 Beschluß des 8. Deutschen Studententages in Berlin 1925, zit.: Rundschreiben des Vorstandes der DSt an die Einzelstudentenschaften, 1925/26, Nr. 6 (DSt-Archiv, Rep. 2); Hellpach, Triennium,. 240. 27 § 2 der Richtlinien, der im wesentlichen das Stück 2 der Göttinger Notverfassung wieder aufnahm. 28 Richtlinien, §§ 1, 22, 23. Zur Anwendung dieser in ähnlicher Fassung in die Satzungen übergegangenen Bestimmungen kam es nur bei der Aufhebung der studentischen Selbstverwaltung in Heidelberg anläßlich des 2. Falles Gumbel (Januar 1931). 29 Undatiertes Gutachten des Rechtsamtes der DSt (etwa August/September 1925), 11 (DSt-Archiv, Rep. 2); Schreiben des Vorstandes der DSt an den Kreisleiter VI v. 25. 1., 2. u. 19. 2. 1926 (DSt-Archiv, Rep. 79). 30 Der Vorstand der DSt an den Kreisleiter VI am 2. 2. 1926 (DSt-Archiv, Rep. 79). 31 BBll 40. 1925/26, 285. 32 Stück 2 der Frbg. Verfassung (Anhang I). Von großer praktischer Bedeutung war diese Bestimmung kaum; im SS 1928 studierten 138 Ausländer in Freiburg, davon 76 deutschsprachige, das sind knapp 2 % der Immatrikulierten. 33 AP 28. 7. 1926; AP 4. 5. 1926. Über den aktuellen Anlaß s. o. S. 95 f. 34 Bald nach der Verabschiedung der Satzung kam es im Freiburger Studentenausschuß und zwischen der Mehrheit des Ausschusses und dem Ministerium zum Streit

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Anmerkungen zu S. 152—161 darüber, wie diese Bestimmung („einem größeren Verband wie der DSt“) auszulesen sei. Das Ministerium betrachtete die Studentenschaft nach einem AStA-Beschluii ,. 27. 7. 1927 als aus der DSt ausgetreten und sperrte ständig die im Haushaltsplan des AStA für die DSt eingesetzten Mittel. Andererseits wurde AStA-Vertretern die Teilnahme an den Deutschen Studententagen gelegentlich im Hinblick auf die „damit verbundene Stärkung des deutschen Gedankens“ oder die „bisherige Haltung der Freiburger Studentenschaft in staatspolitischen Fragen“ gestattet (Erlasse v. 13. 7. 1928 u. 7. 11. 1930, beide UAF XIV/1— 6/2). Das bezog sich auf die mehrfache Aufforderung des AStA an die DSt, ihre Politik in der Frage der Zulassung Auslandsdeutscher und der Unterstützung der „völkischen“ Studentenschaften Österreichs zu revidieren (AP 9. 12. 1926, 25. 2., 27. 7. 1927, 8. 7. 1929). Vgl. aber auch o. S. 117, Anm. 18. 35 Hellpach, Triennium, 241. 3 6 A P 12. 2. 1931; Erlaß v. 23. 3. 1931 (GLA 235/8047). — Eine weitere Resolution des AStA zum dritten Fall Gumbel im SS 1932, der mit dem Entzug der Lehrberechtigung für Gumbel endete, blieb dennoch ungerügt. (AP 17. 6. 1932). 37 Vgl. die Bemerkungen zu den einzelnen Gruppen im Teil III; hier kann darauf nur unter dem Aspekt des Wahlkampfs noch einmal eingegangen werden. 38 Wahlaufruf des NSDStB (FSZ, SS 1931, Nr. 5, 1). 39 Wahlaufruf der Nationalen Studentenschaft (FSZ, SS 1930, Nr. 5, 1). 40 Wahlaufruf der Roten Studentengruppe (FSZ, SS 1932, Nr. 6, 2). 41 Ebda; vgl. auch o. S. 125. 42 Wahlaufruf der Sozialistischen Studentenschaft (FSZ, SS 1932, Nr. 6, 1). 43 Vgl. Κ. Α. Wittfogel, Die Wissenschaft der bürgerlichen Gesellschaft, Berlin 1922. Wittfogel hielt am 10. 5. 1932 vor der Roten Studentengruppe einen Vortrag. 44 Wahlaufruf der Republikanischen Studentenschaft (FSZ, SS 1930, Nr. 5, 2). 45 FHN, WS 1920/21, Nr. 3/4, 24 f. Ganz ähnlich um dieselbe Zeit die Denkschrift der DSt (Staatsbürgerliche Erziehung an den deutschen Universitäten, Marburg 1920, 16): „Staatsbürgerliche Erziehung will wissenschaftliche Rechtfertigung des völkischen Geistes, will Vertiefung der geistigen und sittlichen Gesinnung und Pflege nationalen Gemeinschaftsgefühls mit allen Akademikern und allen Volksgenossen.“ — In der oben zit. Nr. der FHN ist auch zu lesen, daß man im AStA angebotenen Kursen der „Reichszentrale für Heimatdienst“ abwartend bis skeptisch gegenüberstand; ein Rückblick auf diese Institution zeigt, wie unberechtigt etwa die Sorge war, hier werde zu weit vom nationalkonservativen Pfad abgewichen. Vgl. dazu J . K. Richter, Die Reichszentrale für Heimatdienst, Aus Politik u. Zeitgeschichte 13. 1963, Nr. 25. 4 6 Die Hörerstatistik dieser Vorlesungen ist nicht ohne Interesse, würde aber stichhaltige Schlüsse nur bei Kenntnis des Inhalts dieser Vorlesungen erlauben. Eines ist jedoch offenkundig: zeitgeschichtliche und Staats- und völkerrechtliche Überblicksvorlesungen fanden größeres Interesse als spezielle Vorlesungen zur Staatsbürgerkunde, zum Versailler Vertrag oder zu Problemen des Grenz- und Auslandsdeutschtums. Die vielberufenen „nationalen Anliegen“ der Studentenschaft erfuhren also nur bei wenigen Präzisierung. 47 Zur Neueröffnung der AMF, deren letzte Folge im SS 1918 erschienen war, schrieb der Rektor 1925, man werde nunmehr „der selbständigen Stellung der Studentenschaft“ entgegenkommen und „Proben des Talents“ der begabteren Kommilitonen aufnehmen (AMF, SS 1925, Nr. 1, 1). Diesem eher literarischen Ehrgeiz entsprach dann ein vorherrschender Stil, in dem das Pathos der Jugendbewegung mit dem der Wilhelminischen Epoche, gegen das es sich einst gewandt hatte, eine seltsame Verbindung einging. 48 FSZ, WS 1932/33, Nr. 3, 5, in einer Besprechung von Beumelburgs „Bismarck gründet das Reich“. Kontroverse Deutungen dieses Interesses am historischen Roman 218 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Anmerkungen zu S. 161—164 in: Historische Belletristik. Ein kritischer Literaturbericht, Hg. Schriftleitung der HZ, München 1928; E. Kehr, Der neue Plutarch. Die .historische Belletristik', die Universtität u. die Demokratie, in: ders., Der Primat der Innenpolitik, 269 ff. 49 Vgl. FSZ, SS 1931, Nr. 3, 5 f., u. Nr. 4, 5; SS 1932, Nr. 6, 4. 50 Verschiedentlich kam es zu Interventionen von CV-Mitgliedern in der DSt-Spitze bei örtlichen Korporationen. So schreibt der DSt-Vorsitzende Schmadel (selbst Mitglied einer Burschenschaft) am 9. 1. 1928 an die GDSt, er werde zu einer Besprechung mit dem Freiburger AStA in der Frage der „arischen“ Studentenschaften Österreichs in Begleitung zweier Angehöriger des CV reisen, welche die in der katholischen Fraktion offenbar herrschende „eigentümliche Anschauung über die Verhältnisse in DeutschÖsterreich“ hoffentlich korrigieren könnten (DSt-Archiv, Rep. 114). 51 Kersten, 126 f. 52 FHN, SS 1920, Nr. 9, 44. 53 AMF, WS 1926/27, Nr. 2, 19. — Theodor Lessing, Professor an der TH Hannover, hatte sich in einem Prager Blatt 1925 außerordentlich kritisch, stark persönlich gefärbt, aber von heute her gesehen nicht unzutreffend über die Aussichten bei einer Wahl Hindcnburgs zum Reichspräsidenten geäußert und damit heftige Krawallszenen der Hannoverschen Studentenschaft gegen sich heraufbeschworen. Vgl. dazu Wende, 252 ff. u. A. Messer, Der Fall Lessing, Bielefeld 1926. 54 AP 12. 2. 1931. 55 Bericht des Rektors an das KM v. 4. 3. 1931 (UAF XIV/1—6/1); Frbg. Tagesp. 14. u. 20. 2. 1931, Frbg. Volksw. 20. 2. 1931. 56 Beschluß des AStA 22. 1. 1920 (UAF XIV/1—6/1). 57 Antrag des AStA an den Senat v. 14. 1. 1920, von diesem am 19. 2. 1920 positiv beschieden (UAF XIV/1—6/1) und vom Ministerium sogar in die „Akademischen Vorschriften“ (§ 5) aufgenommen. Noch die BB11 37. 1922/23, 73 berichten, die Dozentenschaft der Universität habe sich „mit überwältigender Mehrheit“ gegen die Anstellung eines Lektors aus England ausgesprochen, da das nationale Empfinden jedes Paktieren mit den Feinden ausschließe. Vgl. auch FHN, WS 1920/21, Nr. 3/4, 24, u. Nr. 5, 30. — Auf dem Würzburger Studententag 1919 sprach sich vor allem Arnold Bergstraesser gegen eine Politik aus, durch die man sich „moralischer Eroberungen“ und des Einflusses auf die öffentliche Meinung des Auslandes begebe (Das erste Jahr, 229). Grundsätzlicher noch FHN, SS 1920, Nr. 9, 43: „Das Bewußtsein reinen und wahrhaftigen Dienstes an der Wissenschaft gestattet mir, jeden Menschen an mich heranzulassen, ohne in meiner Haltung etwas zu verlieren . . . Wer sich durch äußere Maßnahmen stützen muß, dem mangelt. . . etwas an innerer Kraft, sich aufrecht zu erhalten.“ 58 FHN, SS 1920, Nr. 4, 13, u. Nr. 6, 26, 28; Frbg. Tagesp. 19. 1. 1923; AP 26. 6. 1930; Frbg. Volksw. 2. 7. 1930. 59 AP 25. 6. 1929; AMF, SS 1929, Nr. 7, 117. — Erstmals 1927 hatte die DSt Resolutionen gegen den Art. 231 des Versailler Vertrags den Einzelstudentenschaften vorgeschlagen, die im Hinblick auf die Schlußfolgerungen noch zurückhaltender waren. Vgl. Die DSt in ihrem Werden, 60; Rundschreiben des DSt-Vorstandes v. 15. 6. 1927 zur Kriegsschuldkundgebung am 28. 6. 1927 (DSt-Archiv, Rep. 226). 60 Wende, 267; Bericht der Freien Studentenschaft an der Universität Berlin über die Vorfälle am 28. 6. 1929 (DSt-Archiv, Rep. 4). 61 AP 17. 7. 1929; AMF, SS 1929, Nr. 4, 59; Brsg. Ztg. 18. 7. 1929. Die „nationale“ Studentenschaft sorgte natürlich dafür, daß der Beschluß zum Verbot der Kriegsschuldkundgebung dennoch bekannt wurde. Der nationalsozialistische „Führer“ (Karlsruhe) v. 27. 7. 1929 schrieb, die Frbg. Studentenschaft habe sich damit „in die Reihe der Universitäten gestellt, die gewillt > nd, politische Bevormundung und Unter219 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

Anmerkungen zu S. 164—167 drückung freiheitlicher Gesinnung nicht schweigend hinzunehmen, sondern diesen Regierungsmännern die wahre Ansicht des größten Teils der deutschen Studenten zu zeigen“. 62 AP 25. 2. 1930. 63 Frbg. Ztg. 10. 12. 1930 (Abendausg.); Brsg. Ztg. 11. 12. 1930; Der StahlhelmStudent 2. 1930/31, Nr. 4, 2 ff. 64 Hoche, Politische Denkfehler, 8. — Die Freiburger Polenkundgebung ist natürlich nicht ohne Berücksichtigung der — vor und nach Versailles — äußerst schwierigen Nationalitätensituation und konkreter Vorkommnisse richtig zu werten. Doch ergibt eine Analyse der zahlreichen Beiträge zu den Problemen des Grenz- und Auslandsdeutschtums in der FSZ, daß eine realistische und gerechte Einschätzung der Situation und der deutschen Möglichkeiten so gut wie gar nicht versucht wurde. Sie gehen, mit 2 oder 3 Ausnahmen, sämtlich in die Richtung eines aggressiven Revanchismus und verbinden eine Kritik des „schwächlichen Novemberstaats“ mit geopolitisch gefärbten Expansionsvorstellungen. (Vgl. z.B. FSZ, SS 1930, Nr. 4, 1 u. Nr. 5, 5; WS 1930/31, Nr. 3, 8, u. Nr. 5, 1 f., 5; WS 1931/32, Nr. 6, 6 f.; WS 1932/33, Nr. 2, 3 f., u. Nr. 5, 5.) Dadurch und durch einen deutlich rassistischen Einschlag unterscheiden sich die Artikel der FSZ merklich von denen der AMF, die in der Regel davon ausgingen, das Auslandsdeutschtum möge „im geistigen Anschluß an das gesamtkulturelle Leben des deutschen Volkes zeugungsfähig, produktiv, schöpferisch“ werden (AMF, SS 1928, Nr. 2, 34). Allerdings lassen auch die Artikel der AMF — zumeist aus der Feder des aus dem Elsaß stammenden Professors W. Kapp, der an der Universität Vorlesungen über diese Thematik hielt — die Revision des Versailler Vertrags i. S. einer Deutschland begünstigenden machtpolitischen „Mitteleuropa“-Lösung vordringlich erscheinen. Sie stellen mit ihrer Berufung auf den „Mythos des Volkes“, die „Idee der Volksheit“, ein „geistiges umfassendes deutsches Imperium“ den Übergang zur späteren Behandlung des Gegenstandes relativ leicht her (AMF, WS 1927/28, Nr. 6, 106; SS 1928, Nr. 2, 33; FUF, SS 1928, 70 ff.). 65 Frbg. Tagesp. 21. 1. 1932; Frbg. Volksw. 23. 1. 1932; Der Alemanne 22. 1. 1932. Zu diesen Berichten über die AStA-Sitzung v. 19. 1. 1932 schrieb der Disziplinarbeamte, „das Hinaustragen interner studentischer Differenzen in die Öffentlichkeit“ entspreche nicht „akademischem Interesse“ (Bericht an den Rektor, 23. 1. 1932, UAF XIV/1—6/1). 2 Stahlhelmstudenten, die sich in der betreffenden Sitzung besonders rüde benommen hatten, wurden in einem Disziplinarverfahren freigesprochen (Der Stahlhelm-Student 3. 1931/32, 179). ·· AP 19. 1. 1932. 67 Vgl. E. Rosenstock u. C. D. v. Throta Hg., Das Arbeitslager. Berichte aus Schlesien von Arbeitern, Bauern, Studenten, Jena 1931; G. Keil u. a., Vormarsch der Arbeitslagerbewegung. Berlin 1932; H. Raupach, Junge Mannschaft im Arbeitsdienst, in: W. Vesper Hg., Deutsche Jugend. 30 Jahre Geschichte einer Bewegung, Berlin 1934, 226 ff. 68 In einem vom AStA und Rektor der Universität unterstützten Aufruf der Technischen Nothilfe hieß es sehr bezeichnend: „Andere Stände mögen das Gemeinwohl hinter ihre Sonderinteressen zurückstellen. Eure höhere Bildung verpflichtet Euch zu der Einsicht, daß es jeden Mannes Pflicht ist, Eigeninteressen dem Gesamtwohl unterzuordnen und dem Vaterlande zu helfen, wo es nottut.“ (FHN, SS 1920, Nr. 9, 46). Vgl. auch FHN, WS 1920/21, Nr. 1, 4, u. Nr. 2, 9; Frbg. Volksw. 8. 12. 1920. 69 FHN, WS 1920/21, Nr. 1, 6; BB11 33. 1918/19, SS 1919, Nr. 6, 95. 70 FHN, WS 1920/21, Nr. 8, 49; FHN, SS 1920, Nr. 10, 51 (aus einer Rede des AStA-Vorsitzenden zum 800jährigen Stadtjubiläum). Ähnlich noch FHN, WS 1920/21, Nr. 6, 38, u. Nr. 8, 49 f., 54.

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Anmerkungen zu S. 167—169 71 H. Losch u. J . Griesmeier, Das Werkstudententum in Deutschland, in: Deutsche Hochschulstatistik, H. 3, Sommerhalbj. 1929, XVI ff.; K. Moritz, Ober Persönlichkeitsbildung durch Werkstudententum, phil. Diss. Königsberg 1934, 17. 72 Vgl. z. B. R. Schairer (Geschäftsführer des Deutschen Studentenwerks), Die studentische wirtschaftliche Selbsthilfe, Die Tat 19. 1927/28, 888 ff. 73 Keil, 6 f., 39. 74 K. Hornung, Der Jungdeutsche Orden, Düsseldorf 1958, 113 ff. — Zwischen dem Freiwilligen Arbeitsdienst und der bündischen Arbeitslagerbewegung ist deutlich zu unterscheiden. Bezweckt der erste eine soziale Krisenhilfe, so die andere eine volkspädagogische Wirkung. Vgl. dazu H. Köhler, Arbeitsdienst in Deutschland, Berlin 1967, 189; einen Überblick gibt auch W. Benz, Vom freiwilligen Arbeitsdienst zur Arbeitsdienstpflicht, VfZ 16. 1968, 317 ff. 75 Prot, des Kreistages VI am 29./30. 11. 1930 (DSt-Archiv, Rep. 79). 76 Man vgl. etwa den die Grenzlandarbeit der weitgehend nationalsozialistisch beeinflußten „Artamanen“-Bewegung (Darre, Himmler, Höß waren Mitglieder) preisenden Artikel der FSZ, SS 1930, Nr. 6, 3 f., worin es hieß, die Arbeitslager, im nationalen Geist und als „Schule harter Männlichkeit“ betrieben, führten zur „Einsatzbereitschaft bis zum äußersten“ und zu einer „gemeindeutschen Schicksalsfront“ zwischen Akademikersdiaft, Arbeitern und Bauerntum. — Zum „Bund Artam“ vgl. auch Köhler, Arbeitsdienst, 39 ff. 77 FSZ, SS 1931, Nr. 3, 1 f., u. Nr. 4, 5, 78 Der DSt-Vorstand an den Kreisleiter VI am 18. 1. 1932, der Kreisleiter an den Vorstand am 1. 2. 1932 (DSt-Archiv, Rep. 79); AP 24. 2. 1932; Freigabe der Gelder am 9. 7. 1932 (UAF XIV/1—6/1). 79 Düning, 68 ff.; Faust, 407 ff. 80 Köhler, Arbeitsdienst, 201 ff., 232 ff.; R. Schairer, Das erste Jahrzehnt des Deutschen Studentenwerkes (1921—1932), in: Deutsches Studentenwerk 1921—1961. Festschrift zum 40-jährigen Bestehen, Bonn 1961, 60 f. 81 FSZ, WS 1932/33, Nr. 2, 1, u. Nr. 5, 3 f. (5 Beiträge). — Die tatsächliche Tendenz ging allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Am 27. Juli 1932 wurde ein „Freiburger Bund für freiwilligen Arbeitsdienst und Jungakademikerhilfe“ gegründet, in dem die studentische Arbeitsdienstbewegung aufgehen sollte. Im WS 1932/33 vermittelte er individuelle Arbeit an stellungslose Akademiker (Stadtarchiv Freiburg XI/23/7). 82 Raupach, 233. 83 Die Unfähigkeit zur Verbindung konkreter Beobachtung mit einer historischsoziologischen und ökonomischen Analyse, die Fixierung an ein Führer-GefolgschaftsBild ist besonders auffällig an der von J . H. Mitgau hg. Sammlung: Erlebnisse u. Erfahrungen Heidelberger Werkstudenten, Heidelberg 1925. 84 H. Diergarten, Die körperliche Bildung auf der Hochschule, Die Tat 19. 1927/28, 892. 85 Aus den „Leitsätzen über körperliche Erziehung“ des Göttinger Studententages 1920, zit. nach Diergarten, 895. 86 Ebda, 893, 898. — Eine sehr spezifische, wohl nicht generell gültige polemische Wendung erfuhr dieser Gedanke durch den Vorsitzenden der Akademischen Ausschüsse für Leibesübungen, Prof. M. Hahn: Nach einigen Ausfällen gegen „die einseitige Übung der Sprechwerkzeuge“ durch die Sozialdemokratie hieß es bei ihm: „Ein echter Sportsmann oder Turner ist zur Achtung der wohlerworbenen Rechte seiner Mitmenschen, zur Schätzung der Sachkenntnis, zur Unterordnung unter die anerkannten Führer erzogen, und mehr verlangen selbst die angeblich so anspruchsvollen geistigen Arbeiter auch heutzutage von ihren körperlich arbeitenden Kollegen nicht!“

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Anmerkungen zu S. 169—171 (FHN, SS 1920, Nr. 7/8, 32 f.). Ein Plädoyer für die Beamtenrechte in der Hülle des Sports! 87 E. Stoeckle, Die Entwiddung der Leibesübungen an den deutschen Hochschulen, München 1927. Auch in Freiburg scheint es keinen Pflichtsport gegeben zu haben, trotz einer Abstimmung unter der Studentenschaft im WS 1921/22, die sich mit 1263 : 577 Stimmen dafür aussprach (Schreiben des AStA an den Senat v. 23. 2. 1922, UAF XIV/1—6/1): 88 So der Vorsitzende des Freiburger Akademischen Ausschusses für Leibesübungen, Prof. Aschoff (FHN, SS 1920, Nr 7/8, 33). 89 Dr. Mallwitz (laut ZEIT v. 11. 6. 1965 Begründer der deutschen Sportmedizin) in den FHN, SS 1920, Nr 7/8, 34: „Der Hochflut politischer Strömungen gegenüber muß zur Vermeidung von Mißverständnissen ausdrücklich betont werden, daß wir Turner und Sportler unpolitische Wesen sind“, die „kulturelle Aufgaben“ erfüllen; darunter ist Sport „eins der Mittel zur Rettung des deutschen Volkes aus seiner Erniedrigung“ und für die Studentenschaft eine Voraussetzung zur „Erfüllung ihrer künftigen Führerstellung im deutschen Volksleben“. 90 Zit. nach Volkmann, 178; ähnlich auch FHN, SS 1920, Nr. 7/8, 32. 91Z. B. AMF, WS 1925/26, Nr. 4, 37; WS 1928/29, Nr. 7, 123; FSZ SS 1931, Nr. 4, 8, 10; WS 1930/31, Nr. 1, 3; WS 1931/32, Nr. 6, 6; FUF, SS 1927, 118. 92 Handbuch für den deutschen Burschenschafter, Berlin 1932«, 168 ff.; Faust 139 f. 93 Handbuch für den deutschen Burschenschafter, 1932, 248. Zur Unterstützung des Reichswehrministeriums: Köhler, Arbeitsdienst, 214 ff.; Faust, 416 ff. 94 AP 4. 6. 1930. 95 Der Stahlhelm-Student 2. 1930/31, Nr. 6/7, 17 f.; FSZ, WS 1930/31, Nr. 3, 7; Polizeibericht über die Versammlung des NSDStB mit Oberst Hierl am 24. 11. 1930 (GLA 235/4822). 96Schreiben des Freiburger NSDStB-Hochschulgruppenführers an den Kreisleiter VI des NSDStB (und späteren Reichsstudentenführer) Oskar Stäbel v. 7. 12. 1930, zit. in einem Schreiben des Kultusministers Remmele an den Akademischen Senat der Universität v. 19. 6. 1931 (im Nachlaß Aschoff). 97 Ebda. — Reichsinnenminister Wirth trat im Sommer 1931 bei Remmele für den Geländesport im allgemeinen und das AWA im besonderen ein, weil sie geeignet seien, „die studentische Jugend von der Tages- und Parteipolitik abzuziehen und mehr an den Staat heranzuführen“ (Schreiben v. 25. 6. 1931, GLA 235/5112); noch ein Jahr zuvor hatte das Reichsinnenministerium in einer Denkschrift über die „Wehrbewegung in der rechtsradikalen Studentenschaft“ vor dem nationalsozialistischen Einfluß auf Ideologie und Praxis des Wehrsports gewarnt (Denkschrift v. 25. 6. 1930, zit. in einer Denkschrift über den NSDStB v. 30. 8. 1930, GLA 235/4822). 98 Der Stahlhelm-Student 4. 1932/33, Nr. 3, 73. 99 FSZ, SS 1931, Nr. 2, 3; WS 1931/32, Nr. 4, 1 u. Nr. 5, 6; WS 1932/33, Nr. 3, 4; ferner WS 1931/32, Nr. 2, 5; Nr. 4, 1 f.; Nr. 6, 3; speziell sozialdarwinistisch FSZ, WS 1931/32, Nr. 4, 1; SS 1932, Nr. 4, 6; WS 1932/33, Nr. 5, 2. Kritik an solchen „Wehrmachtsideologien“ allein FSZ, WS 1931/32, Nr. 3, 2. 100 Kracauer, 99 ff. V. 1 Zum geschichtlichen Kontext vgl. K. D. Bracher u. a., Die nationalsozialistische Machtergreifung, Köln 19622, 317 ff., 565 ff.; K. D. Bracher, Die Gleichschaltung der deutschen Universität, in: Nationalsozialismus u. die deutsche Universität, 126 ff. 2 H. Plessner, Die verspätete Nation, Stuttgart 1959; vgl. auch die oben genannten Vorlesungsreihen zum Verhältnis von Universität und Nationalsozialismus und die

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Anmerkungen zu S. 171—174 Studie von K. F. Werner, Das NS-Gesdiichtsbild und die deutsche Geschichtswissenschaft, Stuttgart 1967. 3 Vgl. dazu Franze, Kap. X ff. * Beschwerde vom 1. 8. 1932 (GLA 235/8048); FSZ, WS 1932/33, Nr. 4, 2. 5 Beschwerde der katholischen und sozialistischen Studenten beim Ministerium v. 26. 11. 1932 (GLA 235/8048). 6 FSZ, WS 1932/33, Nr. 3, 1; mündl. Mitteilung der ehem. Sekretärin des AStA. 7 Schreiben an den Senat, 22. 11. 1932 (UAF XIV/1— 6/1); zum Königsberger Studententag 1932 vgl. Bleuel-Klinnert, 227 f.; Faust, 335 ff. 8 AP 25. 11. 1932. 9 Frbg. Tagesp. u. Frbg. Volksw. 19. 1. 1933. 10 FSZ, WS 1932/33, Nr. 7; Schreiben der katholischen und sozialistischen Studenten v. 21. 2. 1933 (GLA 235/8048). 11 Zu dieser Phase der badischen Politik vgl. die vorzügliche Studie von H. Rehberger, Die Gleichschaltung des Landes Baden 1932/33, Heidelberg 1966. 12 Der Heidelberger Student, SS 1933, Nr. 2, 15; auch Schneeberger, 18. — Eine Woche später drohte ein ähnlicher Appell des preußischen Kultusministers Rust (3. 5. 1933) allen Studenten den Ausschluß von der Universität an, die auf eigene Faust gegen politisch mißliebige Professoren vorgehen sollten (zit. bei Hartshorne, 59 f.). 13 Schreiben des Rektors an die betr. Gruppen v. 29. 3. 1933, worin ihnen auch die Abhaltung von „Stehkonventen“ in der Universität untersagt wird (UAF XIV/1-6/1); der Erlaß des KM: GLA 235/4911. 14 Erlasse v. 11. 7. u. 18. 8. 1933 (GLA 235/4911). Für Freiburg liegen keine Zahlen vor; der Heidelberger Rektor nannte 23 Studenten (meist jüdischer Abstammung), die von der Heidelberger Universität entfernt worden seien, weitere 26 wurden als „bereits ausgeschieden“ genannt (Schreiben an das KM v. 31. 7. 1933, GLA 235/4911). 15 Antrag des NSDStB v. 29. 3. 1933 (UAF XIV/1—6/1). 16 FSZ, WS 1933/34, Nr. 1, 6; Aktennotiz über eine Besprechung im Studentenwerk am 27. 4. 1933 (Stadtarchiv Freiburg XI/23/8). 17Schreiben an das KM v. 8. 4. 1933 (GLA 235/8048). 18 A. G. von Olenhusen, Die nationalsozialistische Rassenpolitik u. die jüdischen Studenten an der Universität Freiburg i. Br. 1933—1945, Freiburger Universitätsblätter 3. 1964, H. 6, 72 f.; vgl. auch H.-W. Strätz, Die studentische „Aktion wider den undeutschen Geist“ im Frühjahr 1933, VfZ 16. 1968, 374 ff. 19 Verschiedene Schriftstücke UAF XIV/1—146 und UAF VII-3. 20 Schneeberger, 19 ff. Bei Schneeberger sind auch die übrigen öffentlich registrierten Vorgänge an der Universität Freiburg im Jahr 1933 fast lückenlos dokumentiert. 21 Frbg. Tagesp. 29. 5. 1933. Zum Stichwort „Disziplin“: der nationalsozialistische „Alemanne“ (2. 3. 1933) hatte Sauer angegriffen, weil er es in einer Tischrede anläßlich des sog. Rektoratsessens begrüßt habe, daß es in Freiburg nicht zu den „beschämenden“ Ereignissen anderer Hochschulen gekommen sei; zur Vermeidung dessen habe er einen engeren Zusammenschluß der Universitätsangehörigen befürwortet, was als Aufforderung zu werten sei, „die Universität in eine Abwehrstellung gegenüber dem werdenden neuen Deutschland einzureihen“. 22 M. Heidegger, Die Selbstbehauptung der deutschen Universität, Breslau 1933. 23 FSZ, WS 1933/34, Nr. 1, 5. 24 FSZ, SS 1933, Nr. 2, 2; WS 1933/34, Nr. 2, 5. 25 FSZ, SS 1933, Nr. 2, 2 u. 6; Nr. 3, 3 u. 5; Nr. 5, 5; WS 1933/34, Nr. 1, 2. 26 FSZ, SS 1935, Nr. 1, 1; Die Bewegung 28. 2. 1939, Beilage „Student im Bereich Südwest“, 2.

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Anmerkungen zu S. 174—175 FSZ, WS 1934/35, Nr. 7, 4: SS 1935, Nr. 1, 1 u. 3; Nr. 3,1 u. 3, SS 1933, Nr. 5, 2. G. Ritter, Der deutsche Professor im „Dritten Reich“, Die Gegenwart 1. 1946, 23 ff.; C. v. Dietze, Die Universität Freiburg i. Br. im Dritten Reich, Mitteilungen der List-Gesellschaft, 1960/61, 3. Fase, 95 ff. 29· Haug, Antifaschismus, 120, 118. 27

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Anhang I 1. Satzung der Freiburger Studentenschaft vom 29. 1. 1920* (Auszug)

Allgemeines:

§1 Die vollimmatrikulierten Studierenden deutscher Staatszugehörigkeit oder deutscher Abstammung und Muttersprache bilden die Studentenschaft der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg. §2 Die Freiburger Studentenschaft hat folgende Rechte und Pflichten: a) Wahrnehmung der studentischen Selbstverwaltung, vor allem auf dem Gebiete allgemeiner sozialer Fürsorge für die Studentenschaft. b) Teilnahme an der Verwaltung der Universität in studentischen Angelegenheiten wie Zulassung zur Hochschule, Studiengestaltung, Prüfungsbestimmungen, Gebührenund Stipendienordnung, akademische Disciplin. c) Stellungnahme zu allgemein vaterländischen, wirtschaftlichen und Bildungsfragen. d) Pflege des geistigen und geselligen Lebens zur Förderung der kulturellen und wirtschaftlichen Gemeinschaft aller Angehörigen der Universität. c) Förderung des Zusammengehörigkeitsgefühls unter den Studierenden und Erziehung zur Erfüllung der Pflichten, die sich aus ihrer Eigenschaft als akademische Bürger ergeben. f) Pflege der Leibesübungen, insbesondere durch Heranziehung aller Studierenden zu Veranstaltungen sportlicher und turnerischer Art. Ausgeschlossen sind parteipolitische und konfessionelle Zwecke. §3 Nach erfolgter Begutachtung dieser Satzung durch den akademischen Senat und ihre Genehmigung durch das badische Ministerium des Kultus und Unterrichts ist die Freiburger Studentenschaft verfassungsmäßiges Glied der Universität. * Vom Akademischen Senat genehmigt am 1. 12. 1920 — UAF XIV/1—6/2

2. Verfassung der Freiburger Studentenschaft vom 28. 7. 1926* (Auszug) 1. Begriff und Zweck Stück 1. Die Studentenschaft der Universität setzt sich das Ziel, dem Gemeinschaftsgedanken innerhalb der Studentenschaft durch die Arbeit der Selbstverwaltung zu dienen. Das Wohl der Universität ist für die Studentenschaft und ihre Organe oberstes Gesetz. Der Freiburger Studentenschaft steht es frei, sich einem größeren Verbande wie der Deutschen Studentenschaft anzuschließen.

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Stück 2. 1. Mitglied der Studentenschaft ist jeder immatrikulierte. Studierende deutscher Staatsangehörigkeit. 2. Die Mitgliedschaft steht außerdem zu: a) den Studierenden deutscher Muttersprache aus den abgetrennten Gebietsteilen, die vor dem 11. November 1918 die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen; b) den Studierenden deutscher Muttersprache, die die österreichische Staatsangehörigkeit besitzen; c) den auslandsdeutschen Studierenden. Über die Zugehörigkeit zur Freiburger Studentenschaft gemäß 2 b) und c) entscheidet der AStA. Rücksichten konfessioneller, parteipolitischer und rassenpolitischer Art sind ausgeschlossen. Gegen den Entscheid des AStA ist Berufung an das Rektorat binnen 14 Tagen zulässig. Die Entscheidung des Rektorats ist endgültig. Stück 3. Die Studentenschaft hat folgende Aufgaben: a) Vertretung der Gesamtheit der Studierenden; b) Wahrnehmung der studentischen Selbstverwaltung sowie Mitarbeit an allen für die Studentenschaft geschaffenen Wirtschaftseinrichtungen (vgl. die Satzung der Studentenhilfe Freiburg e. V.); c) Teilnahme an der Verwaltung der Universität in studentischen Angelegenheiten, insbesondere des Stipendienwesens und der Handhabung der akademischen Disziplin nach Maßgabe der hierüber bestehenden Vorschriften; d) Pflege des geistigen und geselligen Lebens zur Förderung der Gemeinschaft aller Universitätsangehörigen; e) Pflege der Leibesübungen der Studierenden. Konfessionelle und parteipolitische Zwecke sind ausgeschlossen. * In: Die wichtigsten Bestimmungen über die Verfassung und Verwaltung der Universität Freiburg i. Br. (Codex Nagler), Freiburg 1928, S. 122—128

Anhang II Literaturbericht zur Studentenschaftsgeschichte der Weimarer Republik Die traditionelle, zumeist vom Korporationsstudententum bestimmte „Studentenhistorie“ ist zwar noch nicht ganz gestorben — darüber belehrt jeder Blick ins Schrifttum der studentischen Traditionsverbände oder die Berichte der „Studentenhistoriker“ in der Zeitschrift „Der Convent“ (1950 ff.) —, hat aber mehr und mehr das Feld anderen Erkenntnisinteressen überlassen müssen. Mit ihr verabschiedet sich ein Kompositum aus antiquarischer Brauchtumspflege, vulgarisierten Persönlichkeitsidealen des deutschen Bildungshumanismus und ethnozentrischen Einstellungen, das in der Vergangenheit weithin die politische Rolle des Korporationsstudententums bestimmt hat. Mit dieser ihrer Rolle in der Politik und Gesellschaft Deutschlands sich kritisch auseinanderzusetzen, sind die Korporationen bisher im großen und ganzen nicht fähig gewesen. Erst in letzter Zeit ist zu spüren, daß in dem Maß, wie ritualisierte Traditionsbeschwörung dem heute auch in den Korporationsverbänden spürbaren Bedürfnis genereller Legitimationskontrolle unterworfen wird, geschichtliche Reflexion im eigentlichen Sinn auch hier einsetzt; das Bewußtsein der in der Gegenwart möglichen Ver-

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änderungen beginnt den Blick auf die von einer statischen Tradition versperrten schwerwiegenden Alternativen der Vergangenheit freizugeben. Immerhin- bleibt es das Verdienst einiger knapper Überblicks- und Detailstudien in korporationsstudentischen Verbandsblättern, die Diskussion über das Verhältnis deutscher Studenten zur Politik in der Weimarer Epoche überhaupt erst einmal angestoßen und — über bloße Apologie hinausgehend — erste Schritte ins Neuland der Fakten und der Deutung getan zu haben. Hier wären etwa zu nennen: H. Schlömer, Studentenschaft u. Weimarer Republik, Unitas 94. 1954, H. 12,11 ff., u. 95. 1955, H. 1, 11 ff.; W. Zorn, Die politische Entwicklung in der Studentenschaft 1918—1933, BB11 69. 1954, 354 ff.; ders., Weimarer Staat u. Studentenschaft, Wingolfsblätter 76. 1957, 72 ff.; E. W. Wreden, Die deutsche Burschenschaft im ersten Nachkriegsjahr 1918/19, BB11 73. 1958, 3 ff. Einen ersten zusammenfassenden Abschluß haben diese Versuche durch eine Arbeit von W. Zorn gefunden: Die politische Entwicklung des deutschen Studententums 1918—1931, in: Darstellungen u. Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im 19. u. 20. Jh. N. F. V, Heidelberg 1965, 223—307; ein „Supplement“ ist angekündigt. Bei Zorn sind allerdings die sozialstrukturellen und institutionellen Bedingungen studentischer Politik nur angedeutet. Nur wenige analytische Gesichtspunkte führen über eine — außerordentlich nützliche — deskriptive Kurzfassung des organisations- und ereignisgeschichtlichen Materials hinaus; Erklärungsmuster überdies, deren Begrifflichkeit („Tragik“, „leidenschaftliche Hingabewilligkeit“, 307) eine zu geringe Distanz zu dem einhält, was sie erklären soll. Man wird diese Kritik nur abgeschwächt gegenüber Zorns jüngster Arbeit zum gleichen Thema üben dürfen: Student Politics in the Weimar Republic, Generations in Conflict, The Journal of Contemporary History V. 1970, 1, 128—143. Einer wohl vorwiegend englischsprachigen Leserschaft vermittelt sie auf knappem Raum die wesentlichen Daten und bezieht auch häufiger Fragestellungen ein, die den sozialgeschichtlichen Rahmen der Weimarer Studentenpolitik betreffen. Zorn wendet sich gegen die „frightening distortions“, die manchem Vergleich zwischen der damaligen und der heutigen Studentenbewegung zugrunde liegen; freilich bleibt seine eigene Meinung darüber, ob nicht nur die Motive (wie schon, in Grenzen, die der Weimarer rechtsstehenden Studentenschaft), sondern auch die Ziele der heutigen Studentenpolitik zu billigen sind, im ungewissen. 1961 feierte das Deutsche Studentenwerk sein vierzigjähriges Jubiläum: Deutsches Studentenwerk 1921—1961, Festschrift zum 40jährigen Bestehen, Bonn 1961; 40 Jahre Deutsches Studentenwerk, Bonn 1962. Auf die Impulse, die zu seiner Gründung führten, gingen zur selben Zeit zwei Studien ein, die sich mit der „idealistischen“ Frühphase studentischer Politik in der Weimarer Republik befaßten. Zunächst ist die sehr umfängliche politikwissenschaftliche Dissertation von J . Schwarz zu nennen (Freiburg 1962); sie liegt jetzt gedruckt vor: Studenten in der Weimarer Republik. Die deutsche Studentenschaft in der Zeit von 1918 bis 1923 u. ihre Stellung zur Politik, Berlin 1971. Sie hält sich in einer gewissen Abhängigkeit von der Deutung, die Arnold Bergstraesser dem Werk der Gründergeneration der Deutschen Studentenschaft und des Deutschen Studenten Werks, der er selbst zugehörte, gegeben hat: Rückblick auf die Generation von 1914, in: R. Tillmanns Hg., Ordnung als Ziel, Festschrift für P. van Aubel, Stuttgart 1954, 7—19. Schwarz hat als erster das Archiv der DSt herangezogen und die studentische Verbandspresse intensiv ausgewertet; er hat dadurch eine Fülle bisher unbekannter Daten über die Frühgeschichte der Weimarer Studentenschaftspolitik zutage gefördert. Seine Arbeit bemüht sich um die Entfaltung eines im wesentlichen von Zorn vorgegebenen, m. E. freilich problematischen Phasenschemas zur Erfassung des Verhältnisses der Studentenschaft zur Politik (national-konservativ-demokratische, nationaldemokratische, völkisch-nationale, völkisch-revolutionäre Phase). Der Gebrauch „quellennaher“ Begriffe, in anderen Worten die Vermischung von Objekt- und Theoriesprache etwa hinsichtlich der Begriffe „demokratisch“, „sozial“, „konservativ“ läßt die Perspektive des Autors unsicher und seine Demokratievorstellung ünkonturiert er-

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scheinen. Das erste schlägt sich nieder in einem Maximum referierter Texte, das zweite in einer etwas unkritischen Identifikation bildungshumanistischer mit demokratischen Attitüden. Ein allein seiner Kürze und Abstraktion wegen deutlicheres Bild von der Ambivalenz der Motive in der Gründergeneration der DSt gibt der Aufsatz von Th. Nipperdey, Die deutsche Studentenschaft in den ersten Jahren der Weimarer Republik, in: A.Grimme Hg., Kulturverwaltung der Zwanziger Jahre, Stuttgart 1961, 19—48. Hier sind allerdings Fakten nicht immer zuverlässig behandelt, und die Gleichsetzung der Initiative einer Minderheit mit dem „Denken und Fühlen, Wollen und Handeln der Generation“ (19) erscheint etwas zu voreilig. Das, was man die „Ideen von 1919“ nennen könnte, weil sie in vielem bloß eine Variante derer von 1914 sind, ist von Nipperdey präzise und verständnisvoll beschrieben. „Ideologiekritisch“ im Sinne eines selbstgestellten Ansprudis (vgl. Nipperdeys Rez. der oben genannten größeren Arbeit von Zorn, HZ 205. 1967, 405) verfährt er dabei nicht eigentlich, weil er die geheime Verwandtschaft scheinbar gegensätzlicher Positionen und ihre gemeinsamen objektiven Bedingungen in Politik und Gesellschaft nicht selbst thematisiert. Die Anfälligkeit mancher Ideen der „staatstreuen“ Minderheit in der Studentenschaft für eine dezisionistische Ausbeutung durdi ihre Gegner, der Prozeß von den „idealistischen“ Anfängen der DSt zum „verführten Idealismus“ derer, die sie zugrunde richteten, das Dr. Faustus-Motiv also, kommt in Nipperdeys anregender Arbeit dadurch nicht genügend zum Ausdruck. Der erste Versuch einer Gesamtdarstellung der politischen Geschichte der deutschen Studentenschaft stammt von A. Leisen, Die Ausbreitung des völkischen Gedankens in der Studentensdiaft der Weimarer Republik. Phil. Diss. Heidelberg 1964. Diese in Aufbau und Absicht sehr übersiditliche Dissertation leidet unter einer gewissen Zufälligkeit des herangezogenen Materials und einer nicht unbeträchtlichen Reihe sachlicher Irrtümer und Fehler im Apparat. Das in ihrem Titel ausgesprochene Vorhaben — die „Ausbreitung des völkisdien Gedankens“ zu untersuchen — wird in der Durchführung einerseits überboten: insofern als sie einen Abriß der Organisations- und Handlungsgeschichte der deutsdien Studenten überhaupt bietet. Andererseits erreicht sie ihr Ziel nicht ganz, da gerade der Prozeß von konservativen zu völkisdien, von völkischen zu nationalsozialistischen Positionen nach seinen bedingenden Momenten und quantitativen Fortschritten in der Darstellung zu kurz kommt. Einen Leisen vergleichbaren Ansatz zeigt auch die eher journalistisch konzipierte Arbeit von H. P. Bleuel u. E. Klinnert, Deutsche Studenten auf dem Weg ins Dritte Reidi, 1918—1935, Gütersloh 1967; sie führt bis zur Auflösung der Korporationen im Dritten Reich. Wie Leisen legen audi Bleuel/Klinnert ihrem Urteil unausgesprodien ein Modell „antidemokratischen Denkens“ zugrunde, wie es Sontheimer zuerst entwickelt hat. Obwohl sie gesellschaftlidie Bezüge der Studentenpolitik — etwa die Wechselwirkung zwischen dieser und den Parteien und anderen politisch-gesellschaftlichen Institutionen — nicht unberücksichtigt lassen, bleibt der den historisch-sozialen Standort fixierende Stellenwert solcher Beziehung ziemlich ungewiß. Was gegen Sontheimers der Absidit nach ideengeschichtliche Analyse antidemokratischen Denkens eingewandt worden ist (vgl. etwa K. Epsteins Rez. HZ 197. 1963, 657 ff. oder in dieser Arbeit o. S. 12): daß sie nämlich sowohl den Träger dieses Denkens soziologisch im Dunkeln lasse wie auch die konkrete Gestalt der Republik, gegen die es sich richtete — muß gegen diese Darstellungen studentischer Politik verstärkt vorgebracht werden. Die Gefahr besteht sonst, daß sich das Urteil über die „völkischen“ Ideologien der Studentenschaft tendenziell auf die Feststellung ihres Mangels an „Staatsbürgerlichkeit“ reduziert oder daß gar, wie es bei Leisen (260 ff.) anklingt, der „Gesinnung“ der Studenten abstrakt Tribut gezollt und der Republik zum Vorwurf gemacht wird, dem Autoritätsbedürfnis dieser Jugend nicht genügend Rechnung getragen zu haben. Trotz dieser notwendig pauschalisierenden Einwände gegen die ersten Gesamtdarstellungen studentischer Politik aus der Feder Zorns, Leisens und Bleuel/Klinnerts kann 228 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

der Wert, den diese Arbeiten auf absehbare Zeit behalten werden, nicht in Zweifel gezogen werden. Eine Auswertung der Aktenbestände deutscher Archive wird geraume Zeit in Anspruch nehmen, die Ausbeute ist ungewiß. Einen Überblick gibt W. Hirche: Quellenlage u. Forschungsstand zur Geschichte der Studentenschaft in der Weimarer Republik, Zulassungsarbeit Heidelberg, MS, 1969, 110 ff. Ohnehin muß die weitere Forschung, ehe an eine neue Gesamtdarstellung zu denken ist, einzelne Aspekte genauer untersuchen, die ζ. Τ. über eine im engeren Sinn politische Fragestellung hinausweisen. Zunächst fehlt es noch an Darstellungen der studentischen Verbände und parteipolitischen Gruppen, wobei neben ihrer Beziehung zur Politik der DSt besonders auf ihre interne Struktur, mögliche regionale Unterschiede, das vorherrschende Gesellschaftsbild, das Verhältnis zu Verbänden, Parteien und Regierungen zu achten wäre. Neuere Darstellungen studentischer Verbände, die den zeitgeschichtlichen Kontext sehr viel besser und adäquater als ältere Arbeiten einbeziehen, berücksichtigen diese Momente noch immer unzureichend und ohne systematischen Anspruch. Zu nennen sind hier: P. Stitz, Der CV 1919—1938. Der hochschulpolitische Weg des Cartellverbandes der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV) vom Ende des 1. Weltkrieges bis zur Vernichtung durch den Nationalsozialismus, München 1970; H. Menze u. H.-M. Tiebel, Geschichte des Wingolf, 1917—1970, Münster 1971. Als besonders hinderlich erwies sich lange Zeit, daß keine Spezialuntersudiung über den NSDStB vorlag. Der Grad seiner Autonomie gegenüber der NSDAP, die Motivation seiner wechselnden Politik gegen die Korporationen, die Koordination der einzelnen Hochschulgruppen und deren Praxis in politischen und hochschulpolitischen Fragen waren weithin unbekannte Größen. Ausführlichere Behandlung — unter Heranziehung der Akten aus dem Würzburger Archiv der ehemaligen Reichsstudentenführung — erfuhr der NSDStB erstmals bei W. Hucke, Vorgeschichte u. Verlauf der nationalsozialistischen „Studentenrevolution“, 1931—1933, Zulassungsarbeit Marburg, MS, 1967. Hucke wendet sein Augenmerk etwas zu einseitig den „totalitären“ Praktiken des NSDStB zu und überschätzt dabei wahrscheinlich den Einfluß der Partei auf den Studentenbund. Größeres Gewicht auf die egalitären Züge des NSDStB scheint M. S. Steinberg zu legen: Sabres, Books and Brown Shirts: The Radicalisation of the German Student, 1918—1935. Diss. MS, Johns Hopkins Univ. 1971 (es lag nur ein Abstract der Arbeit vor). Die Arbeit von U. Dibner, The History of the National Socialist German Student League. Diss. MS, Univ. of Michigan 1969, lag dem Verf. nicht vor (vgl. aber o. S. 105 A. 1). Weitgehende Klarheit über den NSDStB schaffte erst die Diss. von A. Faust, Studenten u. Nationalsozialismus in der Weimarer Republik. Der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund, phil. Diss. MS, München 1971, demnädist gedruckt. In Aufarbeitung eines immensen Materials und unter Einbeziehung der DStGeschichte ebenso wie der sozialstrukturellen Lage hat Faust Aufbau, Kohäsion und Entwicklung des NSDStB auf eine mandimal vielleicht zu breite Weise dargestellt. Der verbandsgeschichtliche Ansatz bedingt allerdings, daß das Verhältnis der Hochschule zum NSDStB weniger klar heraustritt; der Verf. verteidigt „Geist“, „Wissenschaftlidikeit“, „kritische Rationalität“ gegen „Gewalttätigkeit und Irrationalismus jeder Art“ und bewegt sich damit in einem Rahmen, der die Beziehung der Hodischule zum NSDStB und Nationalsozialismus m. E. nicht zureichend problematisiert. Im Hinblick auf die demokratischen und sozialistisdien Minderheiten, für welche die Quellenlage ganz besonders ungünstig ist, wird die Frage nach den spezifischen Begründungen ihrer „Verfassungstreue“ und die Art ihrer Beziehung zur republikanischen „Staatsmacht“ noch zu stellen sein; auch verdienen die von ihnen stärker als von anderen Gruppen angestellten Überlegungen zur Hochschulreform genauere Aufmerksamkeit. Über diese Gruppen arbeitet gegenwärtig W. Hirche. Das Stichwort „Hochschulreform“ wäre auch für eine Darstellung der DSt als Organisation noch einmal aufzugreifen; über dem Interesse an ihrer politischen Rolle ist die Aufmerksamkeit für ihre innere Struktur, ihr Verhältnis zu den Studentenaus-

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Schüssen, -Fachschaften, Hochschulbürokratien, zum Deutschen Hochschulverband, zur Rektorenkonferenz und schließlich zum Deutschen Studentenwerk zurückgetreten. Dieses selbst wäre einer genaueren Untersuchung wert, die über die vorliegenden Festschriften kritisch hinausfragt: Probleme der staatlichen Hochschulpolitik, der bildungsökonomischen Vorstellungen und des dominierenden Bildungsbegriffs überhaupt müßten hier angeschnitten werden; das würde unweigerlich einmünden in umfassendere Fragen nach dem Verhältnis von Hochschule und Gesellschaft und den Voraussetzungen einer demokratischen Politik der Studentenschaft unter den Bedingungen einer mehr und mehr durch Wissenschaft und akademische Ausbildung vermittelten gesellschaftlichen Reproduktion. Die vorzüglich informierte und perspektivenreiche Arbeit von Hirche gibt einen Aufriß dieser Probleme und liefert erste Erklärungsansätze. Ohne Zweifel dienen der Förderung weiterer Forschung unter den hier vorgetragenen Gesichtspunkten auch lokalgeschichtliche Studien. Ein zureichendes Bild über die Politik und das Selbstverständnis der Korporationsverbände und parteipolitischen Studentenbünde läßt sich ohne Berücksichtigung des Verhaltens ihrer Mitglieder auf lokaler Ebene schwerlich gewinnen. Auch die Relevanz der DSt für die deutschen Studenten jener Periode muß vor allem an der Politik der örtlichen Studentenausschüsse abgelesen werden, deren Funktionsfähigkeit ihrerseits von den Motiven und Kräfteverhältnissen der für die Hochschulpolitik ausschlaggebenden politischen Instanzen und akademischen Organe abhängig war. Dringlich erforderlich für die Einschätzung der Bedeutung verschiedener Bildungskonzeptionen und Ausbildungspraktiken für Form und Inhalt studentischer Politik ist schließlich ein Vergleich der Entwicklung an den Universitäten und den Technischen Hochschulen bzw. Fachhochschulen. Hinweise für theoretisch nützliche Fragestellungen in dieser Richtung gibt G. Hortleder, Das Gesellschaftsbild des Ingenieurs, Frankfurt 1970. So steht zu hoffen, daß Studien über die Studentenschaft einzelner Hochschulen nicht nur deutlicher als bisher ermitteln können, was sich an der „Basis“ zugetragen hat, sondern zugleich einen Beitrag zu einer zeitgerechten Hochschulgeschichtsschreibung und zur bisher stark vernachlässigten Geschichte der Kulturpolitik der Weimarer Republik leisten. Die Anregung von R. Smend (Die Göttinger Universität und ihre Umwelt, in: ders., Staatsrechtliche Abhandlungen, Berlin 1955, 440 ff.) — die Anregung, in die Geschichte der deutschen Hochschulen seien die sozialen und politischen Faktoren ihrer Umwelt stärker als bisher einzubeziehen, ist noch kaum aufgenommen worden; es ist auch fraglich, ob das von Smend selbst gegebene Beispiel modernen Verhältnissen gerecht wird. Daß umfangreichere Veröffentlichungen über die Studentenschaft einzelner Universitäten, z. T. im Rahmen einer politischen Gesdiichte der betreffenden Hochschule, bisher lediglich aus der DDR vorliegen, hat seinen Grund sicher auch darin, daß die zeitgeschichtlich relevanten Bestände der Universitätsarchive dort großzügiger (wenngleich wohl nicht ohne politische Rücksicht) bereitgestellt wurden, als das in der Bundesrepublik bisher der Fall war. Umso bedauerlicher ist es, daß diese Arbeiten fast alle unter dem Niveau anspruchsvollerer marxistischer Analyse bleiben und daß jede sich anbietende soziologische, ökonomische oder ideologiekritische Perspektive beharrlich zugunsten einer fruchtlosen „Entlarvung“ des Klassenfeindes ignoriert wird. Das weitgehend unkritische Verhältnis der DDR-Historie zur Rolle der KPD in der Weimarer Republik wirkt auf die Hochsdiulgeschichtssdireibung negativ ein, wenn sie an die dogmatische Überzeugung gefesselt wird, daß „alle damals wirksamen Ereignisse und Ideen in ihrem Verhältnis zur Arbeiterklasse, ihrer Wirtschaft und ihrer Partei betrachtet werden müssen“ (aus U. Steinmetz Hg., Geschichte der Universität Jena, II, 598). Beispielhaft seien hier genannt: 450 Jahre Martin-Luther-Universität HalleWittenberg, II, Halle 1952, 225—239; W. Prokoph, Die politische Seite des „Falles Dehn“. Zum Faschisierungsprozeß an der Universität Halle-Wittenberg, 1931—33, Wiss. Zschr. der M.-Luther-Universität Halle-Wittenberg, ges.- u. sprachwiss. Reihe

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16. 1967, Η. 2/3, 249—271 (relativ differenziert); M. Steinmetz Hg., Geschichte der Universität Jena 1548/58—1958, I, Jena 1958, 515—613, u. II, 1962, 598—610; G. Fließ, Die politische Entwicklung der Jenaer Studentenschaft vom Nov. 1918 bis zum Jan. 1933, phil. Diss. MS, Jena 1959; Karl-Marx-Universität Leipzig 1409—1959, II, Leipzig 1959, 92—119, 120—155; Festschrift zur 500-Jahrfeier der Universität Greifswald, I, Greifswald 1956, 53—155; Geschichte der Universität “Rostock 1419—1969, Festschrift zur Fünfhundertfünfzig-Jahr-Feier, I, Berlin 1969, 157—230; R. Carlsen, Zum Prozeß der Faschisierung u. den Auswirkungen der faschistischen Diktatur auf die Universität Rostock (1932—1935), phil. Diss., MS, Rostock 1966; P. Köppen, Die Universität Rostock in den Jahren der revolutionären Nachkriegskrise (1919 bis 1923/24), phil. Diss., MS, Rostock 1969. Die beiden letzten Arbeiten lagen dem Verf. nicht vor. In der Bundesrepubik sind erst in jüngster Zeit größere Untersuchungen zu einzelnen Studentenschaften erstellt worden. Außer der vorliegenden Arbeit ist zu nennen: H. Bauer, Die studentische Selbstverwaltung u. die studentischen Gruppierungen an der Universität Hamburg 1919—1933, Diplomarbeit Hamburg, MS, 1971; ferner M. Franze, Die Erlanger Studentenschaft 1918—1945, phil. Diss., MS, Erlangen-Nürnberg 1971 (demnächst gedruckt). Die Arbeit von L. Franzf Der politische Kampf an den Münchener Hochschulen von 1929 bis 1933 im Spiegel der Presse, phil. Diss. München 1949, ist heute selbst als Materialsammlung kaum mehr brauchbar. Knappe Skizzen der Entwicklung der Studentenschaft liegen für die Universitäten Kiel und Hamburg vor: Allg. Studentenausschuß Hg., 300 Jahre Studentenschaft Christiana-Albertina-Kiel, Kiel 1965; Die politische Radikalisierung der Kieler Studentenschaft (1915—1933), in: Der politische Student. Nadirichtenblatt des TönniesKreises, Sondernummer, Kiel 1965; E. Hof mann, Die Christian-Albrechts-Universität in preußischer Zeit, in: Geschichte der Christian-Albrechts-Universität Kiel, 1665 bis 1965, 1/2, Neumünster 1965, 9—115, bes. 50 ff., 70 ff. (für die fragwürdige Terminologie dieser Schrift vgl. etwa 76); H. Bauer u. G. Supplitt, Einige Aspekte zur Entwicklung der Hamburger Studentenschaft, 1919—1969, in: Universität Hamburg 1919 —1969, Hamburg 1969, 311—332. Während die Arbeiten aus der DDR sich in der Regel durch eine formale Akribie auszeichnen, sind westdeutsche marxistisch getönte „Gegenfestschriften“, die das harmonistische Geschichtsbild der offiziellen Gedenkschriften und -feiern 'westdeutscher Universitäten mit Recht kritisieren, leider mehr oder weniger Agitationsschriften dilettantischer Machart; so etwa Studentengewerkschaft Bonn Hg., Reaktionäre Herrschaft u. demokratischer Widerstand am Beispiel der Universität Bonn, Detmold 1968; AStA der Universität Hamburg Hg., Das permanente Kolonialinstitut, 50 Jahre Hamburger Universität, Trittau 1969. Für die Geschichte der Studentenschaft geben sie ohnehin wenig her. Die verschiedenen Vorlesungsreihen über das Verhältnis der Universitäten zum Nationalsozialismus enthalten bezeichnenderweise kaum Angaben über lokal geschichtliche Vorgänge; am wenigsten gilt das für die Münchner Vortragsreihe (Die deutsche Universtität im Dritten Reich, München 1966), wo allerdings besonders die „positiven“ Personen und Ereignisse Erwähnung finden. In den wenigen biographischen Werken aus jüngerer Zeit ist von der Studentenschaft ähnlich selten die Rede wie in den früher beliebten Professoren-Memoiren; als Beispiel sei genannt: R. Lennert, Universität u. Studentenschaft im Leipzig der zwanziger Jahre, in: G. Doerry Hg., Politische Bildung in der Demokratie, F. Borinski zum 65. Geburtstag, Berlin 1968, 16— 30. Lennerts Bericht, der sich vornehmlich auf die Zeit von 1923 bis 1928 bezieht, hebt allerdings ohne merkliches Bedauern hervor, wie „unpolitisch“ man damals gewesen sei. Zur Geschichte der Freiburger Universität und Studentenschaft im 20. Jahrhundert liegen bis jetzt keine Darstellungen vor, die den politischen Aspekt als legitimen Be-

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standteil einer solchen Geschichte behandelten. Einzige Ausnahme ist, soweit feststellbar, die Studie A. G. von Olenhusens: Die nationalsozialistische Rassenpolitik u. die jüdischen Studenten an der Universität Freiburg i. Br., 1933—1945, Freiburger Universitätsblätter 3. 1964, H. 6, 71 ff. Eher Erinnerungsbilder als wissenschaftliche Arbeiten sind: F. Pringsheim, Die Haltung Freiburger Studenten in den Jahren 1933—1935, Die Sammlung 15. 1960, 532 ff.; C. von Dietze, Die Universität Freiburg i. Br. im Dritten Reich, Mitteilungen der List-Gesellschaft, 3. Fase. 1960/1962, 95 ff.; G. Ritter, Der deutsche Professor im „Dritten Reich“, Die Gegenwart 1. 1946, 23 ff. Für politische Fragestellungen sind die statistischen und wissenschaftsgeschichtlichen Darstellungen der Reihe „Beiträge zur Freiburger Wissenschafts- und Universitätsgeschichte“ im ganzen wenig ergiebig (für Einzelheiten sind die Arbeiten von Nauck, Vincke und Wolff im Text herangezogen und dort vollständig zitiert worden). So besteht die Quellengrundlage der vorliegenden Arbeit weithin aus den für die Freiburger Studentenschaft relevanten Beständen verschiedener Archive, die jedes für sich eine relativ magere Ausbeute bieten. Für die Politik der Burschenschaften konnten im Archiv der Deutschen Burschenschaft (Frankfurt) zwar die internen Semesterberichte der Freiburger Verbindungen eingesehen werden, doch wurde ihre Auswertung lediglich — und freundlicherweise — von der Burschenschaft Frankonia gestattet. Besonders bedauerlich ist, daß, wie es auch für die deutsche Gesamtstudentenschaft gilt, die Informationen über die parteipolitischen Studentengruppen außerordentlich spärlich sind und den nicht allzu zahlreichen über die Verbindungen nicht die Waage halten können. Nicht zuletzt gilt das für die Beurteilung der Bedeutung und des Wirkens des Freiburger NSDStB, über den im Archiv der ehemaligen Reichsstudentenführung (UB Würzburg) nichts zu finden war. Die reichlichsten Informationen gewährten die für die Zeit zwischen 1926 und 1932 erhaltenen Protokolle des Allgemeinen Studentenausschusses und die verschiedenen Folgen der Freiburger Studentenzeitung. Einige interne Verbindungszeitschriften konnten ebenso herangezogen werden wie die Verbandspresse und zeitgenössische Verbindungsgeschichten; sie sind in Kap. III jeweils zu Beginn der entsprechenden Abschnitte aufgeführt. Schließlich ist noch die „Deutsche Hochschulstatistik“ zu erwähnen, die für das SS 1928 eine Reihe statistischer Werte über die Universität Freiburg vermittelt; für die hier verfolgten Zwecke mußten die dort angegebenen Daten allerdings vielfach neu geordnet und die meist absoluten Zahlen in Prozentzahlen übersetzt werden.

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Quellen- und Literaturverzeichnis A. Ungedruckte Quellen (Archivmaterial) 1. Universitätsarchiv Freiburg (zitiert als UAF mit der entsprechenden Registraturnummer) II/l—1 II/l—12 II/l —17 II/2—58 11/2—60 VI/1—36, 37 VII—1 VII—3 VII—9 X—24 XIV/1 XXV—14 XXV—23

Feierliche Immatrikulation. Gefallenengedenkfeiern. Studentische Feierlichkeiten überhaupt. Schlageterfciern. Rheinlandbefreiungsfeier. Reichsgründungsfeier. Die Konferenzen deutscher Hochschulrektoren. Gestattung öffentlicher Aufzüge durch Studierende. Maßregeln wegen Vorkehr sozialdemokratischer Umtriebe. Die Bestrafung der Mensur nach dem amtlichen Entwurf des StGB. Erhebungen über die wirtschaftliche Lage der Studierenden. Alle über den Studentenausschuß und die studentischen Vereinigungen geführten Akten. Aufrufe, Kundgebungen während des Europäischen Krieges. Vaterländischer Studentendienst im Allgemeinen Vaterländischen Hilfsdienst der Studierenden.

2. Gcnerallandesarchiv Karlsruhe (zitiert als GLA mit der Registraturnummer 235 des ehemaligen badischen Kultusministeriums und der Faszikelnummer) 235/4766 235/4790 235/4818 235/4819 235/4822 235/4907 235/4911 235/4974 235/5116 235/7462 235/8047 235/8048

Staatsbürgerlicher u. völkerrechtlicher Unterricht an den Hochschulen — Geopolitik —, 1910—1950. Regelung des Verbindungs- u. Vereinswesens unter den Studierenden auf den Landesuniversitäten, 1856—1952. Versammlungen Roter Kommunistischer Studentengruppen, 1931— 1951. Studentische Schlägermensuren, 1902—1937. Nationalsozialistische Bewegung an den Hochschulen, 1930—1933. Verfassung der Hochschulen (Generalia) 1908—1951. Akademische Vorschriften für die Universitäten Heidelberg und Freiburg, Teil IX, 1931—1952 (Normalia). Akademische Feierlichkeiten sowie sonstige Veranstaltungen der Hochschulen, 1890—1948. Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund — SA-Hochschulbund, 1931—1937. Direktorstelle an der Universitätsbibliothek Freiburg, 1910—1953. Versammlungen der Studentengruppen in Freiburg über Angelegenheiten der Universität, 1931. Studentenschaft der Universität Freiburg, 1932—1952.

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3. Archiv der ehemaligen Deutschen Studentenschaft (bis 1969 im Besitz des VDS, nunmehr Bundesarchiv Koblenz, Bestandssignatur R 129; zitiert als DSt-Archiv mit der Nummer des entsprechenden Repertoriums) Rep. 2, 4 Rep. 12 Rep. 79 Rep. 114 Rep. 220 Rep. 226

Rundschreiben des Vorstandes der DSt an die Einzelstudentenschaften. Rundschreiben an die Leiter bzw. Geschäftsstellen der Kreise der DSt. Schriftwechsel des Vorstandes der DSt mit dem Kreisamt VI (Südwestdeutschland) . Schriftwechsel des Vorstandes der DSt mit dem Allgemeinen Studentenausschuß der Universität Freiburg. Hochschulpolitische Lage. Verordnungen über Studentenrecht. Politische Propaganda.

4. Protokolle der Kammersitzungen des AStA der Univ. Freiburg (im Besitz des Allgemeinen Studentenausschusses; Protokolle aus den Jahren 1926 bis 1932, zit. als AP mit dem jeweiligen Datum). 5. Archiv der Deutschen Burschenschaft Frankfurt a. M. Archiv der DB, 107: Semesterberichte der Burschenschaft Frankonia-Freiburg. 6. Stadtarchiv Freiburg XI/21/2 XI/23/7 XI/23/8

Förderung der Universität Freiburg. Fürsorge für Studierende, Unterbringung von Studenten. Freiburger Studentenhilfe.

B. Zeitschriften, Zeitungen, Reihen Freiburger Hochschulnachrichten. 3. Folge der Akademischen Mitteilungen: SS 1920 — WS 1920/21. Akademische Mitteilungen. Organ für die Interessen der Studentenschaft an der AlbertLudwigs-Universität in Freiburg i. Br.: SS 1925 — WS 1929/30. Freiburger Studentenzeitung. Hg. von der Freiburger Studentenschaft mit den amtlichen Bekanntmachungen des Akademischen Senats und der Freiburger Studentenhilfe e.V.: SS 1930 — SS 1933. Freiburger Universitätsführer. (Hg. von der Studentenschaft): SS 1926 — WS 1932/33. Reden bei der öffentlichen Feier der Übergabe des Rektorats der Universität Freiburg: 47. 1921 — 53. 1927. Freiburger Volkswacht: 1918—1933 Freiburger Tagespost: 1918—1933 Freibureer Zeitung: 1918—1933 Breisgauer Zeitung: 1918—1933 Der Alemanne: 1931—1933 Burschenschaftliche Bllätter. Zeitschrift der Deutschen Burschenschaft und der Vereinigung der Alten Burschenschafter: 33. 1918/19 — 47. 1932/33. Akademische Blätter. Zeitschrift des Kyffhäuser-Verbandes der Vereine Deutscher Studenten: 33. 1918/19 — 47. 1932/33. Deutsche Corpszeitung. Amtliche Zeitschrift des Kösener SC-Verbandes: 35. 1918/19 bis 49. 1932/33. Academia. Monatsschrift des CV der katholischen deutschen Studentenverbindungen: 31. 1918/19 — 45. 1932/33.

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Akademische Monatsblätter. Organ des Kartellverbandes der katholischen Studentenvereine Deutschlands (KV): 31. 1918/19 — 45. 1932/33. Unitas. Monatsschrift des Verbandes der Wissenschaftlichen Katholischen Studentenvereine .Unitas': 59. 1918/19 — 73. 1932/33. KC-Blätter. Monatsschrift der im Kartell-Convent der Verbindungen deutscher Studenten jüdischen Glaubens vereinigten Korporationen: 9. 1919/20 — 22. 1932/33. Deutsche Akademische Stimmen. Nachrichtenblatt der völkischen Akademikerbewegung des deutschen Sprachgebietes: 2. 1921/22 — 4. 1923/24. Nationalsozialistische Hochschulbriefe. Kampfblatt des NSDStB: 1—2. 1926/27; Forts.: Der junge Revolutionär. 3—9. 1927/28. Die Bewegung. 2. 1930 — 3. 1931. Der Stahlhelm-Student. Zeitschrift des Stahlhelm-Studentenrings .Langemarck': 1. 1929/30 — 4. 1932/33. Hochschulblätter der Deutschen Volkspartei. Hg. vom Reichsausschuß der Hochschulgruppen der DVP: 1. 1926 — 6. 1932. Der Demokratische Student. Organ des Reichsbundes Deutscher Demokratischer Studenten: 1. 1929 — 3. 1931. Der freie Student. Organ der sozialistischen Studenten- und Akademikervereinigungen Deutschlands und Österreichs: Febr. — Juni 1924. Sozialistisch-Akademische Rundschau. Organ des Verbandes sozialistischer Studentengruppen Deutschlands und Österreichs: Januar 1929 — März 1930. Sozialistischer Wille in Politik, Wissenschaft und Hochschule. Organ der Sozialistischen Studentenschaft Deutschlands und Österreichs: 1.—6. Halbj., Mai 1930 — Jan. 1933. Der rote Student. Hg. vom Reichsverband Freisozialistischer Studenten: 1. 1930 —· 3. 1932. Mitteilungen des Verbandes der Deutschen Hochschulen: 1. 1920/21 — 13. 1933. Deutsche Hochschulstatistik. Hg. von den Hochschulverwaltungen. H. 1, Sommerhalbj. 1928. Die Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft. 1923—1925, Leipzig 1925; 1925— 1926, Leipzig 1926; 1926—1928, Berlin und Leipzig 1928; 1928—1931 (unter dem Obertitel: Das Deutsche Studentenwerk), Berlin und Leipzig 1931. C. Ausgewählte Literatur* Adam, H., Studentenschaft u. Hochschule, Frankfurt 1965. Agnoli, J . u. Brückner, P., Die Transformation der Demokratie, Frankfurt 1968. Anger, H., Probleme der deutschen Universität, Tübingen 1960. Baumgarten, E., Zustand u. Zukunft der deutschen Universität, Tübingen 1963. Ben-David, J . , Professions in the Class System of Present-Day Societies, Current Sociology 12. 1963/64, Nr. 3, 246—330. ders. u. Zloczower, Α., Univcrsities and Academic Systems in Modern Societies, Archives Europecnnes de Sociologie 3. 1962, 45—84.. Bleuel, Η. Ρ., Deutschlands Bekenner. Professoren zwischen Kaiserreich u. Diktatur, Bern 1968. Bracher, K. D., Die Auflösung der Weimarer Republik, Villingen 19715. Das Akademische Deutschland, Hg. M. Doeberl u. a., 4. Bde. u. Registerbd., Berlin 1930/31. Doerne, M., Problems of the German Universities, in: W. M. Kotschnig u. Elined Prys Hg., The University in a Changing World, London 1932, 53—84. ders., Zum gegenwärtigen Stande der Hochschulreform, Studentenwerk 5. 1931, 202— 211. * Nicht aufgenommen sind die im Anhang II genannten Titel. 235 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35952-6

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PERSONEN- UND SACHREGISTER Adorno, Th. W. 14 Allgemeiner Studentenausschuß (AStA) 112, 127, 133 ff., 171 f. Anrieh, E. 106 Anschütz, G. 74 Antisemitismus — verbindungsstudentischer 42, 79, 84, 91 ff., 98, 117, 132 — des NSDStB 80, 106, 111 ff., 173 Arbeiterkinder, Studium 48 f., 68 f., 124 Arbeitsdienst 53, 166 ff., 174 Aschoff, L. 36, 80, 85, 134 Auslandsdeutsche 111, 164 f. Bamberger, L. 99 Beamtentum 23, 32 f., 63 f., 128 Becker, C. H. 128, 139, 146, 149, 169 Below, G. v. 34, 35, 37, 38, 79, 86,97,99 f. Benjamin, W. 130 Berechtigungswesen 65, 67 Bildung, politische 47, 80, 84 f., 86, 87 f., 97, 101, 131 f., 160 f. Bildungsbegriff 25 ff., 41 f., 92 f., 148, 176 f. Bildungsbürgertum 23 ff., 30 f., 65, 67, 177 Binding, K. 38 Bismarck, O. v. 44, 99 Bracher, K. D. 11 Bundesrepublik, politische Entwicklung 10, 14 f., 178 f. Burschenschaft 36, 42, 83 ff., 90, 92, 94, 99, 103 Cohn, J . 36 Corps 86 ff. Demokratische Studentengruppe 121, 123, 173 Deutsch, K. W. 166 Deutsche Studentenschaft (DSt) 41,98,105, 134,143,145 ff., 149 ff., 162, 167 ff., 172 Dibelius, M. 74 Diepgen, P. 39 Dietze, C. v. 37 Disziplin, akademische 77 f., 89, 133, 137, 140 DNVP-Hochschulgruppe 79, 97 Dragendorff, H. 48 DVP-Hochschulgruppe 97, 102

Elite, akademische 45, 65, 67, 106, 131, 176 f., 179 Eyck, E. 99 Feiern, akademisch-patriotische 40 ff., 47, 96, 112, 172 Finke, H. 46 f., 79 Freistudentenschaft 129 ff., 134, 166 Gebührenstreik 141 Geiger, Th. 52 Gleichschaltung der Universität 171 ff. Gothein, E. 74 Großdeutsche Studentengemeinschaft 101 ff. Günther, H. F. K. 36 Gumbel, E. J . 74, 114, 152 f., 163, 172 Habermas, J . 25 Heidegger, M. 166, 174 Heidelberg, Universität und Studentenschaft 49, 74, 114, 121, 149, 151, 170, 172 Hellpach, W. 49 f., 74, 149 ff. Herkunft der Studenten — soziale 27, 32, 58 ff., 85, 87, 92, 120, 176 — regionale 54, 83, 87, 115 Hitler, A. 44, 105 f., 109, 154, 168 Hoche, A. 38, 43, 46, 47, 49 Hochschulen — in der BRD 10 f., 16, 18, 180 — in der Weimarer Republik 12 ff., 17.6 ff. Hochschullehrer — soziale Herkunft 27, 32 — politische Rolle 30 ff., 49 f., 128 Hochschulpolitik, staatliche 47 ff., 128, 148\ff. Hochschulreform 48, 127, 139 Hochschulring Deutscher Art 92 ff., 104, 117, 169 Hoeniger, H. 46 Horkheimer, M. 39 Hummel, H. 49 f. Immisch, O. 90 Jugendbewegung 75, 97, 104, 109, 115, 117, 121, 130, 166 Kadritzke, U. 15 Kantorowicz, H. U. 37, 79, 99 f., 136, 163

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Kern, E. 172 Königsberger, J . G. 37, 47 Konfessionszugehörigkeit 55 f., 71 ff., 114. ff., 174 Krebs, E. 97 Kriegszieldiskussion 45 f. Krüger, H. 143 Langemarck 41, 96, 112, 116 Lederer, E. 74 Leers, O. 48 Lenel, O. 34, 42 Lessing, Th. 163 Mandat, politisches, der Studentenvertretung 144 ff. Meinecke, F. 78 Mensur 79, 88 ff. Mentalität, politische 27, 52 Mittelschichten, bürgerliche 22 ff., 64 ff., 93, 107, 177 Moellendorff, W. v. 42, 174 Nationalbewußtsein 37 f., 178 f. Nationalsozialismus 62, 64, 66, 71 ff., 85 f., 91, 101, 116 f., 179 NSDStB 71 ff., 80, 85, 88, 91, 103, 104 ff., 133, 136, 138, 142 ff., 154 ff., 163, 170, 171 ff., 177 f. Opitz, E. 79 Papen, F. v. 168 Parteipolitik, Einstellung zur 34 ff., 44, 102 f., 107 f., 115 f., 118 f., 142 f., 145 ff., 154 Pazifismus 37, 44, 112, 120, 132, 165, 173 Rachfahl, F. 95, 120 Radbruch, G. 47, 74, 89 Rassenhygiene 84,· 86, 174 Rathenau, W. 120, 122 Republikanischer Studentenbund 42, 122 ff., 154 f. Revolution 1918/19 19 f., 46, 116, 120 Ritter, G. 35 f., 38, 45, 161 Rosin, O. 46 Rote (kommunistische) Studentengruppe 125 f., 138, 141, 142, 154, 159, 173 Rüschemeyer, D. 67 Satzung der Studentenschaft 139 f., 148 ff. Sauer, J . 142, 174 Scheel, G. A. 173 Schemann, L. 86 Schirach, B. v. 105 f. Schlageter, A. L. 112, 118

Schleicher, K. v. 168 Schwörer, V. 48, 150 Schulze-Gaevernitz, G. v. 121 Seeckt, H. v. 160 Selbstverwaltung, studentische 128 f., 131, 137 f., 140, 148 ff. Seldte, F. 104 Senghaas, D. 179 Smend, R. 118 f. Sonthcimer, K. 12 Sozialistische Studentengruppe 120 f., 122, 125, 132, 171, 173 Spahn, M. 98 Sportbewegung, akademische 140 f., 169 ff. Stadtler, E. 98 f., 100 Stahlhelm-Hochschulgruppe 103 f., 112, 169 Stresemann, G. 44 Studentenbewegung, antiautoritäre 15 ff., 179 f. Studentengruppen, politische 79 ff., 102, 103 ff., 118 ff., 173 Studentenwerk 68 f., 138, 167 f., 173 Studentenzahl, Entwicklung der 52 f., 56 ff. Studentenzeitung 161, 168, 169, 172 Studentinnen 53, 55, 69 ff., 135 f. Studienreform 124, 130 f., 139 VDSt 86, 92, 99 Verbindungen, studentische — allgemein 41 f., 66, 75 ff., 78 f., 81 ff., 100, 130, 134, 161, 170, 174, 176 — jüdische 94 ff., 123, 173 — katholische 72 f., 98, 114 ff., 132, 155 Versailles, Friedensvertrag 40, 46, 128, 163 f., 170 Wacker, O. 173 Wahlen zum Studentenausschuß 136, 153 ff., 171 Weber, A. 74 Weber, M. 65, 82, 92, 131 Wehrsport 104, 169 f., 174 Weimarer Republik — historische Deutung 10 f., 18 ff. — Verfassung 20, 34, 47, 122 Werkstudententum 167 Wissenschaftsbegriff, politische Relevanz 37 ff., 108, 174 f., 177 f. Zentrumsgruppe, studentische 121 f. Zmarzlik, H. G. 178

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