Strukturen der Syntax 9783110813623, 9783110152418

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Strukturen der Syntax
 9783110813623, 9783110152418

Table of contents :
Vorbemerkungen des Übersetzers
Vorwort
1. Einleitung
2. Die Eigenständigkeit der Grammatik
3. Eine elementare Sprachtheorie
4. Phrasen-Struktur
5. Grenzen der Phrasen-Struktur-Beschreibung
6. Über die Ziele der Sprachtheorie
7. Einige Transformationen im Englischen
8. Die Erklärungs-Stärke der Sprachtheorie
9. Syntax und Semantik
10. Zusammenfassung
11. Anhang I: Notationen und Terminologie
12. Anhang II: Beispiele für Phrasen-Struktur und Transformationsregeln im Englischen
Bibliographie

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JANUA LINGUARUM STUDIA MEMORIAE NICOLAI VAN WIJK DEDICATA edenda curat C. H. VAN SCHOONEVELD Indiana University

Series Minor, 182

STRUKTUREN DER SYNTAX von

NOAM CHOMSKY

1973 MOUTON THE H A G U E · P A R I S

© Copyright 1973 in The Netherlands. Mouton & Co. N.V., Publishers, The Hague. No part of this book may be translated or reproduced in any form by print, photoprint, microfilm, or any other means, without written permission from the publishers.

Übersetzt von Klaus-Peter Lange

LIBRARY OF CONGRESS CATALOG CARD NUMBER: 73-77288

Printed in The Netherlands, by Mouton, The Hague

V O R B E M E R K U N G E N DES ÜBERSETZERS

Über die Bedeutung von Noam Chomskys Syntactic Structures für die Entwicklung der modernen Sprachwissenschaft in den letzten fünfzehn Jahren braucht kein Wort verloren zu werden. Aber vielleicht könnte das relativ weit zurückliegende Erscheinungsdatum der englischen Originalversion (1957) zu der Frage Anlaß geben, ob es jetzt noch nötig sei, durch eine Übersetzung die Aufmerksamkeit auf dieses Buch zu lenken. Was darin von aktuellem Wert ist, ist folgendes: Syntactic Structures bietet dem linguistisch interessierten Studenten noch immer die beste Einführung in die Generative Transformationsgrammatik trotz vieler neuerer Publikationen, die sich ihm als eigentliche Einführungen präsentieren. Dieses Buch war die Einführung in die Generative Transformationsgrammatik par excellence. Wer es genau durchgearbeitet hat, wird in der Bewältigung der späteren Literatur schnell voranschreiten. Es schafft die Einsicht in den Begriff und in das Funktionieren eines generativen Systems, d.h., in das wohl wichtigste logische Werkzeug der gegenwärtigen synchronischen Linguistik. Syntactic Structures ist von exemplarischem Wert für die Art und Weise, wie linguistische Forschung in einem strengen wissenschaftstheoretischen Rahmen stattfinden kann. (Seine Lektüre ist deshalb an einigen Stellen nicht ganz voraussetzungslos.) Es bietet ein klares Beispiel für die Evolution einer linguistischen Theorie. Es zeigt mit großer Deutlichkeit den Prozeß der Theoriebildung über den Weg der Falsifikation und Verifikation. Sein strenger Standard bei der 'Erklärung' sprachlicher Fakten wird inzwischen in linguistischen Kreisen weitgehend anerkannt und befolgt, auch wenn man mit den Einzelheiten der Theorie nicht einverstanden ist.

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VORBEMERKUNGEN DES ÜBERSETZERS

Noch ein Wort zur Übersetzung: Wer einen wissenschaftlichen Text aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt, steht an einem Scheideweg. Entweder er strebt nach stilistischer Glätte, worunter die exakte Wiedergabe des Originalinhalts leidet, oder er bemüht sich um eine möglichst genaue Reproduktion der originalen Gedanken, dann muß sprachliche Eleganz zu kurz kommen. Der Übersetzer hat den letzten Weg gewählt in dem vollen Bewußtsein, daß darunter die Lesbarkeit seines Textes stellenweise gelitten hat. Er tröstet sich aber in der Hoffnung, daß seine Leser ihm bei dieser Entscheidung zustimmen. Universität Mainz Fachbereich Angewandte Sprachwissenschaft

K.-P. L.

VORWORT

Diese Studie handelt von der Struktur der Syntax zugleich im weiteren Sinn (im Gegensatz zur Semantik) und im engeren Sinn (im Gegensatz zur Phonemik und Morphologie). Sie bildet den Teil eines Versuchs, eine formalisierte allgemeine Theorie der Sprachstruktur zu konstruieren und die Grundlagen einer solchen Theorie zu erforschen. Die Suche nach strengen Formulierungen in der Linguistik ist ein viel ernsteres Anliegen als bloßes Interesse an logischen Feinheiten oder der Wunsch, wohlbegründete Methoden der Sprachanalyse zu reinigen. Präzis konstruierte Modelle für die Sprachstruktur können eine wichtige Rolle — sowohl negativ als positiv — im Prozeß der Forschung selbst spielen. Indem wir eine präzise aber unangemessene Formulierung zu einer unannehmbaren Schlußfolgerung treiben, können wir oft die genaue Quelle der Unangemessenheit bloßlegen und — infolgedessen — ein tieferes Verständnis der sprachlichen Daten gewinnen. Um es positiver auszudrücken: eine formalisierte Theorie kann automatisch Lösungen für Probleme bieten, für die sie ausdrücklich gar nicht entworfen worden war. Dunkle und gefühlsverhaftete Begriffe können weder zu absurden Schlußfolgerungen führen noch neue und korrekte liefern, und somit sind sie in zwei wichtigen Punkten nutzlos. Ich glaube, einige jener Linguisten, die den Wert der präzisen und technischen Entwicklung der Sprachtheorie infrage stellten, dürften das produktive Potential, das in der strengen Methode steckt, nicht erkannt haben, nämlich eine vorgeschlagene Theorie streng aufzustellen und sie strikt auf das Sprach-Material anzuwenden, ohne den Versuch zu machen, unannehmbare Folgerungen durch adAoc-Anpassungen oder lose Formulierungen zu vermeiden. Die Resultate, von denen unten berichtet wird, wurden durch den be-

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VORWORT

wußten Versuch erzielt, diesen Kurs systematisch zu verfolgen. Da diese Tatsache durch die informelle Darstellung verdunkelt werden könnte, ist es wichtig, sie hier zu betonen. Insbesondere werden wir drei Modelle für die Struktur der Sprache untersuchen und jeweils versuchen, ihre Grenzen zu bestimmen. Wir werden sehen, daß weder ein bestimmtes sehr einfaches kommunikationstheoretisches Sprachmodell noch ein anderes stärkeres Modell, das einen großen Teil dessen umfaßt, was man jetzt allgemein als 'Analyse unmittelbarer Bestandteile', immediate constituent analysis, kennt, den Zwecken grammatischer Beschreibung eigentlich dienen kann. Die Untersuchung und Anwendung dieser Modelle bringt gewisse Tatsachen über die Sprachstruktur ans Licht und legt verschiedene Lücken in der bisherigen Sprachtheorie bloß; besonders ihr Versagen, wenn Beziehungen zwischen Sätzen wie etwa die Aktiv-Passiv-Beziehung erklärt werden sollen. Wir entwickeln deshalb ein drittes, TRANSFORMATIVES Modell für die Struktur der Sprache, das in wichtigen Punkten stärker ist als das Modell mit unmittelbaren Bestandteilen und derartige Beziehungen in natürlicher Weise erklärt. Wenn wir diese Theorie der Transformationen sorgfältig formulieren und sie frei auf das Englische anwenden, finden wir, daß sie eine Menge Einsichten in eine große Zahl von Phänomenen bietet, für die sie gar nicht eigens entworfen worden war. Kurz, wir finden, daß die Formalisierung tatsächlich den positiven und negativen Dienst leisten kann, der oben erörtet wurde. Während der gesamten Periode meiner Forschungen über dieses Thema genoß ich den Vorteil, mit Zellig S. Harris sehr häufige und lange Diskussionen führen zu können. So viele seiner Ideen und Anregungen sind deshalb in den Text und die Forschungen, auf denen der Text beruht, aufgenommen worden, daß ich keinen Versuch mache, auf sie besonders hinzuweisen. Harris' Arbeit über die Transformations-Struktur, die von einem etwas anderen Standpunkt, als er unten eingenommen wird, ausgeht, ist in den Nummern 15., 16. und 19. der Bibliographie (S. 135) dargelegt. Vielleicht in weniger offensichtlicher Weise ist der Gang meiner Forschungen durch die Arbeiten von Nelson Goodman und W. V.

VORWORT

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Quine stark beeinflußt worden. Den größten Teil des vorliegenden Materials habe ich ausführlich mit Morris Halle diskutiert und habe von seinen Bemerkungen und Anregungen sehr profitiert. Eric Lenneberg, Israel Scheffler und Yehoshua Bar-Hillel lasen frühere Versionen dieses Manuskripts und haben manche wertvolle Kritik und Anregung zu Darstellung und Inhalt vorgebracht. Die Arbeit an der Theorie der Transformationen und der Transformations-Struktur des Englischen, die als Basis für weite Teile der folgenden Diskussion dient, obwohl sie dort nur kurz skizziert wird, wurde hauptsächlich in den Jahren 1951-1955 ausgeführt, als ich Junior Fellow der Society of Fellows an der Harvard Universität war. Ich möchte der Society of Fellows meinen Dank dafür ausdrücken, daß sie mir die Freiheit gab, diese Forschungen weiterzuführen. Diese Arbeit wurde teils von der U.S.A. Army (Signal Corps), der Air Force (Office of Scientific Research, Air Research and Development Command) und der Navy (Office of Naval Research) und teils von der National Science Foundation und der Eastman Kodak Corporation unterstützt. Massachusetts Institute of Technology, Department of Modern Languages und Research Laboratory of Electronics, Cambridge, Mass. 1. August 1956

NOAM CHOMSKY

INHALT

Vorbemerkungen des Übersetzers 5 Vorwort 7 1. Einleitung 13 2. Die Eigenständigkeit der Grammatik 15 3. Eine elementare Sprachtheorie 21 4. Phrasen-Struktur 30 5. Grenzen der Phrasen-Struktur-Beschreibung 40 6. Über die Ziele der Sprachtheorie 58 7. Einige Transformationen im Englischen 72 8. Die Erklärungs-Stärke der Sprachtheorie 101 9. Syntax und Semantik 109 10. Zusammenfassung 125 11. Anhang I: Notationen und Terminologie 128 12. Anhang II: Beispiele für Phrasen-Struktur und Transformationsregeln im Englischen 131 Bibliographie 135

EINLEITUNG

Syntax ist die Erforschung der Prinzipien und Prozesse, durch die Sätze in einzelnen Sprachen konstruiert werden. Die syntaktische Untersuchung einer gegebenen Sprache hat zu ihrem Ziel die Konstruktion einer Grammatik, die als eine Vorrichtung von irgendeiner Art angesehen werden kann, mit der man die Sätze der zu analysierenden Sprache produziert. Weiterhin müssen sich Linguisten mit dem allgemeineren Problem befassen, wie die fundamentalen zugrundeliegenden Eigenschaften erfolgreicher Grammatiken zu bestimmen sind. Das Endergebnis dieser Untersuchungen sollte eine Theorie der Sprachstruktur sein, in der die beschreibenden Vorrichtungen, die in einzelnen Grammatiken Anwendung finden, dargestellt und abstrakt studiert werden, also ohne besonderen Bezug zu einzelnen Sprachen. Einer der Zwecke dieser Theorie ist es, eine allgemeine Methode zu liefern, mit der man eine Grammatik für jede Sprache auswählen kann, wenn eine Sammlung von Sätzen dieser Sprache gegeben ist. Der zentrale Begriff der Sprachtheorie ist der der 'Sprachebene'. Eine Sprachebene, etwa Phonemik, Morphologie oder PhrasenStruktur, ist in ihrem Wesen eine Menge von beschreibenden Vorrichtungen, die zur Konstruktion von Grammatiken zur Verfügung gestellt werden; sie ist eine bestimmte Methode, Äußerungen darzustellen. Wir können die Angemessenheit einer Sprachtheorie bestimmen, indem wir streng und präzis die Form der Grammatik entwickeln, die zu der Menge von Ebenen, die in der Theorie enthalten sind, gehört, und indem wir dann die Möglichkeit untersuchen, einfache und enthüllende Grammatiken dieser Form für natürliche Sprachen zu konstruieren. Wir werden einige verschiedene Konzeptionen der Sprachstruktur in dieser Weise studieren, indem

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EINLEITUNG

wir eine Folge von Sprachebenen von zunehmender Komplexheit betrachten, die zu immer stärkeren Arten grammatischer Beschreibung gehören; und wir wollen zu zeigen versuchen, daß die Sprachtheorie mindestens diese betrachteten Ebenen enthalten muß, wenn sie eine zufriedenstellende Grammatik — speziell des Englischen — liefern soll. Schließlich werden wir andeuten, daß diese rein formale Untersuchung der Sprachstruktur gewisse interessante Implikationen für semantische Studien hat.1

1

Die Begründung für die besondere Orientierung der hier vorgelegten Forschungsarbeit wird unten in § 6 diskutiert.

DIE E I G E N S T Ä N D I G K E I T DER G R A M M A T I K

2.1 Von jetzt ab werde ich unter einer SPRACHE eine (endliche oder unendliche) Menge von Sätzen verstehen, jeder endlich in seiner Länge und konstruiert aus einer endlichen Menge von Elementen. Alle natürlichen Sprachen — in ihrer gesprochenen oder geschriebenen Form — sind Sprachen in diesem Sinn, da jede natürliche Sprache eine endliche Zahl von Phonemen (oder Buchstaben in ihrem Alphabet) hat und jeder Satz als eine endliche Folge von Phonemen (oder Buchstaben) dargestellt werden kann, obwohl es unendlich viele Sätze gibt. Ähnlich kann die Menge von 'Sätzen' irgendeines formalisierten Systems der Mathematik als eine Sprache verstanden werden. Das grundsätzliche Ziel bei der linguistischen Analyse einer Sprache L ist es, die GRAMMATISCHEN Folgen, die Sätze von L sind, von den ungrammatischen Folgen, die nicht Sätze von L sind, zu sondern und die Struktur der grammatischen Folgen zu studieren. Die Grammatik von L wird deshalb eine Vorrichtung sein, die sämtliche der grammatischen Folgen von L erzeugt und keine der ungrammatischen. Eine Möglichkeit, die Angemessenheit einer Grammatik, die für L vorgeschlagen wird, zu testen, ist es festzustellen, ob die Folgen, die sie erzeugt, wirklich grammatisch sind oder nicht, d.h., ob sie von einem, der sie von Hause aus spricht usw., akzeptiert werden. Wir können gewisse Schritte in Richtung auf die Bereitstellung eines Verhaltens-Kriteriums für Grammatikalität tun, so daß dieser Angemessenheitstest ausgeführt werden kann. Für die Zwecke dieser Diskussion hier wollen wir jedoch davon ausgehen, daß wir intuitive Kenntnis von den grammatischen Sätzen des Englischen besitzen, und wollen fragen, welche Art von Grammatik die Aufgabe erfüllen kann, diese Sätze in irgendeiner wirksamen und klärenden Weise hervorzubringen. Wir stehen damit

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DIE EIGENSTÄNDIGKEIT DER GRAMMATIK

vor der bekannten Aufgabe, einen intuitiven Begriff zu erklären — in diesem Fall 'grammatisch im Englischen', und noch allgemeiner: den Begriff 'grammatisch'. Zu beachten ist, daß es genügt, um die Ziele der Grammatik sinnvoll zu setzen, eine Teilkenntnis von Sätzen und Nicht-Sätzen anzunehmen. Das heißt, wir können für diese Diskussion annehmen, daß gewisse Folgen von Phonemen eindeutig Sätze und daß gewisse andere Folgen eindeutig Nicht-Sätze sind. In vielen mittleren Fällen werden wir dann so weit sein, die Grammatik selbst entscheiden zu lassen, wenn nämlich die Grammatik in der einfachsten Weise aufgestellt ist, so daß sie die klaren Sätze ein- und die klaren Nicht-Sätze ausschließt. Dies ist eine bekannte Eigentümlichkeit beim Erklären.1 Eine bestimmte Anzahl von klaren Fällen wird uns dann mit einem Kriterium der Angemessenheit für jede Einzelgrammatik versorgen. Für eine einzelne Sprache — isoliert betrachtet — liefert dies nur einen schwachen Test für Angemessenheit, da viele verschiedene Grammatiken die klaren Fälle angemessen behandeln können. Dies kann jedoch zu einer sehr strengen Bedingung verallgemeinert werden, wenn wir nämlich darauf bestehen, daß die klaren Fälle für JEDE Sprache angemessen von Grammatiken gehandhabt werden, die alle durch dieselbe Methode konstruiert sind. Das heißt: jede Grammatik ist in einer im voraus für alle Grammatiken von einer gegebenen Theorie festgelegten Weise bezogen auf die Sammlung von Sätzen der Sprache, die sie beschreibt. Wir haben dann einen sehr strengen Angemessenheitstest für eine Sprachtheorie, die eine allgemeine Erklärung für 1

Vgl. beispielsweise N. Goodman, The structure of appearance (Cambridge, 1951), S. 5-6. Man beachte: um den Zwecken der Grammatik gerecht zu werden, wenn eine Sprachtheorie schon vorliegt, genügt es, eine Teilkenntnis der Sätze (d.h., eine Sammlung) der Sprache zu haben, da eine Sprachtheorie die Beziehung zwischen der Menge beobachteter Sätze und der Menge grammatischer Sätze bestimmt; d.h., sie wird 'grammatischer Satz' mittels 'beobachteter Satz' definieren, gewisse Eigenschaften der beobachteten Sätze und gewisse Eigenschaften der Grammatiken. Um Quines Formulierung zu benutzen: eine Sprachtheorie gibt eine allgemeine Erklärung für das, was in einer Sprache sein 'könnte' auf der Basis dessen, "was ist plus Einfachheit der Gesetze, durch die beschrieben und extrapoliert wird, was ist". (W. V. Quine, From a logical point of view, Cambridge, 1953, S. 54). Vgl. §6.1.

DIE EIGENSTÄNDIGKEIT DER GRAMMATIK

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den Begriff 'grammatischer Satz' mittels 'beobachteter Satz' zu geben versucht, und für die Menge von Grammatiken, die in Übereinstimmung mit solch einer Theorie konstruiert sind. Dies ist darüber hinaus eine vernünftige Forderung, da wir nicht nur an Einzelsprachen, sondern auch an der allgemeinen Natur der Sprache interessiert sind. Es könnte noch viel mehr über diesen wesentlichen Punkt gesagt werden, aber das würde uns zu weit vom Wege abbringen. Vgl. § 6. 2.2 Auf welcher Basis gehen wir nun wirklich daran, grammatische Folgen von ungrammatischen Folgen zu sondern? Hier will ich nicht versuchen, eine vollständige Antwort auf diese Frage zu geben (vgl. §§ 6,7), sondern ich möchte zeigen, daß verschiedene Antworten, die sich unmittelbar anbieten, nicht richtig sein können. Erstens ist es offensichtlich, daß die Menge der grammatischen Sätze nicht mit irgendeiner einzelnen Sammlung von Äußerungen identifiziert werden kann, die der Linguist bei seiner Feldarbeit erhält. Jede Grammatik einer Sprache wird die endliche und irgendwie zufällige Sammlung von beoabachteten Äußerungen auf eine (wahrscheinlich unendliche) Menge von grammatischen Äußerungen PROJIZIEREN. In dieser Hinsicht spiegelt eine Grammatik das Verhalten des Sprechers wider, der auf der Basis einer endlichen und zufälligen Erfahrung mit Sprache eine unendliche Anzahl von neuen Sätzen hervorbringen und verstehen kann. In der Tat kann jede Erläuterung des Begriffes 'grammatisch in L' (d.h., jede Charakterisierung von 'grammatisch in L' mittels 'beobachtete Äußerung von L') als eine vorgeschlagene Erklärung für diesen grundsätzlichen Aspekt sprachlichen Verhaltens angesehen werden. 2.3 Zweitens darf der Begriff 'grammatisch' nicht mit 'bedeutungstragend' oder 'sinnvoll' in irgendeinem semantischen Sinn identifiziert werden. Satz (1) und (2) sind in gleicher Weise sinnlos, aber jeder Sprecher des Englischen wird anerkennen, daß der erste sehr wohl grammatisch ist. (1) Colorless green ideas sleep furiously. (2) Furiously sleep ideas green colorless.

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DIE EIGENSTÄNDIGKEIT DER GRAMMATIK

In ähnlicher Weise gibt es keinen semantischen Grund, Satz (3) dem Satz (5), oder Satz (4) dem Satz (6) vorzuziehen, aber nur (3) und (4) sind grammatisch Sätze des Englischen. (3) (4) (5) (6)

Have you a book on modern music? The book seems interesting. Read you a book on modern music? The child seems sleeping.

Solche Beispiele legen uns nahe, daß jede Suche nach einer semantisch begründeten Definition für Orammatikalität' vergeblich sein wird. Wir werden in § 7 tatsächlich sehen, daß es TiefenstrukturGründe gibt, weshalb (3) und (4) von (5) und (6) zu unterscheiden sind; doch bevor wir fähig sind, eine Erklärung für Tatsachen wie diese zu finden, müssen wir die Theorie der syntaktischen Struktur ein gutes Stück über die bekannten Grenzen hinaustreiben. 2.4 Drittens darf der Begriff 'grammatisch im Englischen' in keiner Weise mit dem Begriff 'hoher Grad von statistischer Annäherung ans Englische' identifiziert werden. Man kann wohl annehmen, daß weder Satz (1) noch (2) (und sicher auch kein Teil dieser Sätze) jemals in einer englischen Rede vorgekommen sind. Deshalb würden in einem statistischen Modell für Grammatikalität diese Sätze aus identischen Gründen als gleich 'entfernt' vom Englischen ausgeschieden werden. Doch ist (1), obwohl sinnlos, grammatisch, während (2) es nicht ist. Mit diesen Sätzen konfrontiert, wird ein Sprecher des Englischen (1) mit normaler Satzintonation lesen, während er (2) mit auf jedem Wort fallender Intonation lesen wird; nämlich mit genau dem Intonationsmuster, das man jeder Folge von unbezogenen Wörtern gibt. Er behandelt jedes Wort in (2) als selbständige Phrase. Außerdem wird er (1) viel leichter behalten können als (2) und es viel schneller lernen, usw. Dabei mag er niemals ein Wortpaar aus diesen Sätzen in wirklicher Rede verbunden gehört oder gesehen haben. Um ein anderes Beispiel zu wählen: im Kontext I saw a fragile —, dürften die Wörter whale und of die gleiche (nämlich: null) Häufigkeit in der vergangenen sprachlichen Erfahrung eines Sprechers haben, der aber

DIE EIGENSTÄNDIGKEIT DER GRAMMATIK

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unmittelbar erkennen wird, daß nur eine dieser Ergänzungen einen grammatischen Satz abgibt. Wir können natürlich nicht an die Tatsache appellieren, daß Sätze wie (1) in einem genügend weit hergeholten Kontext geäußert werden 'könnten', während (2) es niemals würde, da die Grundlage für die Unterscheidung zwischen (1) und (2) genau das ist, was wir bestimmen wollen. Offensichtlich ist unsere Fähigkeit, grammatische Äußerungen hervorzubringen und zu erkennen nicht auf Begriffe von statistischer Annäherung und dergleichen gegründet. Die Sitte, grammatische Sätze solche Sätze zu nennen, die 'vorkommen können', oder solche, die 'möglich' sind, war hier für einige Verwirrung verantwortlich. Es ist nur natürlich, 'möglich' so zu verstehen, als sei damit 'sehr wahrscheinlich' gemeint, und anzunehmen, daß die scharfe Unterscheidung des Linguisten zwischen grammatisch und ungrammatisch2 durch ein Gefühl motiviert ist, daß er sich, da die 'Realität' der Sprache für eine vollständige Beschreibung zu komplex ist, mit einer schematischen Version zufrieden gibt, indem er 'die Null-Wahrscheinlichkeit und alle extrem niedrigen Wahrscheinlichkeiten durch unmöglich und alle höheren Wahrscheinlichkeiten durch möglich" ersetzt.3 Wir sehen jedoch, daß diese Idee ganz falsch ist und daß eine Strukturanalyse nicht als schematische Zusammenfassung verstanden werden kann, die so entwickelt wird, daß die verschwimmenden Ränder des vollen statistischen Bildes scharf werden. Wenn wir Folgen von gegebener Länge zum Zwecke statistischer Annäherung ans Englische aufreihen, werden wir sowohl grammatische als auch ungrammatische Folgen über die Liste verstreut finden; dort scheint es keine eigene Beziehung zwischen dem Grad der Annäherung und der Grammatikalität zu geben. Trotz des unleugbaren Interesses und der Wichtigkeit seman2

Unten werden wir vorschlagen, diese scharfe Unterscheidung zugunsten des Begriffs der Grammatikalitäts-Ebenen zu modifizieren. Aber das ist für die Fragestellung hier irrelevant. Damit stünden (1) und (2) auf verschiedenen Ebenen der Grammatikalität, selbst wenn (1) ein niederer Grad von Grammatikalität zugeschrieben wird als — sagen wir — (3) und (4); aber sie werden auf derselben Ebene statistischer Entfernung vom Englischen stehen. Dasselbe gilt von einer unbestimmten Anzahl ähnlicher Paare. 3 C. F. Hockett, A manual of phonology (Baltimore, 1955), S. 10.

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DIE EIGENSTÄNDIGKEIT DER GRAMMATIK

tischer und statistischer Sprachstudien scheinen sie keine direkte Bedeutung für das Problem zu haben, wie die Menge von grammatischen Äußerungen zu bestimmen oder zu charakterisieren ist. Ich glaube, daß wir zu dem Schluß gezwungen sind, daß Grammatik autonom und unabhängig von der Bedeutung ist und daß Wahrscheinlichkeitsmodelle keine besondere Einsicht in gewisse Grundprobleme der syntaktischen Struktur geben.4

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Wir kehren zu der Frage der Beziehung zwischen Semantik und Syntax in den §§ 8 und 9 zurück, wo wir argumentieren, daß diese Beziehung nur untersucht werden kann, wenn vorher die Struktur der Syntax auf eigenem Boden bestimmt wurde. Ich glaube, ziemlich dasselbe gilt von der Beziehung zwischen syntaktischen und statistischen Sprachstudien. Wenn die Grammatik einer Sprache vorliegt, kann man den Sprachgebrauch statistisch auf vielfältige Weise untersuchen; und die Entwicklung von Wahrscheinlichkeits-Modellen für den Sprachgebrauch (als von der syntaktischen Struktur der Sprache verschieden) kann sehr lohnend sein. Vgl. B. Mandelbrot, "Structure formelle des textes et communication: deux 6tudes", Word, 10 (1954), 1-27; H. A. Simon, "On a class of skew distribution functions", Biometrika, 42 (1955), 425-440. Man könnte versuchen, eine feinere Beziehung zwischen der statistischen und syntaktischen Struktur zu entwickeln als das einfache Annäherungsgrad-Modell, das wir zurückgewiesen haben. Ich würde mich sicher nicht um den Beweis bemühen wollen, daß solch eine Beziehung undenkbar ist, aber ich kenne keinen Vorschlag in dieser Richtung, der nicht offensichtliche Mängel hätte. Man beachte insbesondere, daß wir für irgendein n eine Kette finden können, deren erste n Wörter als Anfang eines grammatischen Satzes Si auftreten können und deren letzte n Wörter als Endung eines grammatischen Satzes $2 auftreten können, wobei aber Si von Sz verschieden sein muß. Als Beispiel wollen wir die Folge der Form the man who... are here betrachten, wobei... eine VerbalPhrase von beliebiger Länge sein kann. Man beachte außerdem, daß neue aber vollkommen grammatische Folgen von Wortarten auftreten können, z.B., eine Folge von Adjektiven, die länger ist als jede andere, die vorher im Kontext Isaw a — house hervorgebracht wurde. Die verschiedensten Versuche, die Unterscheidung 'grammatisch-ungrammatisch* — wie im Falle von (1) und (2) — auf der Basis der Häufigkeit des Satz-Typs, des Annäherungs-Grades von Wortarten-Folgen usw. zu erklären, werden an zahlreichen Tatsachen wie diesen scheitern.

EINE ELEMENTARE SPRACHTHEORIE

3.1 Indem wir annehmen, die Menge grammatischer Sätze des Englischen sei gegeben, fragen wir nun nach der Art der Vorrichtung, von der diese Menge hervorgebracht werden kann (anders ausgedrückt: welche Art von Theorie angemessen Rechenschaft über die Struktur dieser Menge von Äußerungen ablegen kann). Wir können jeden Satz dieser Menge als Phonemfolge von endlicher Länge ansehen. Eine Sprache ist ein außerordentlich verwickeltes System, und es ist ganz offensichtlich, daß jeder Versuch, die Menge grammatischer Phonemfolgen direkt darzustellen, zu einer Grammatik führen würde, die so komplex ist, daß sie praktisch nutzlos wäre. Aus diesem Grunde (und aus anderen) geht die Sprachbeschreibung mittels eines Systems von 'Ebenen der Darstellung' vor. Anstatt die Phonemstruktur von Sätzen direkt zu bestimmen, stellt der Linguist Elemente 'höherer Ebene' auf wie etwa Morpheme und bestimmt in getrennten Verfahren die Morphemstruktur von Sätzen und die Phonemstruktur von Morphemen. Es ist leicht zu sehen, daß die miteinander verbundene Beschreibung dieser zwei Ebenen viel einfacher sein wird als eine direkte Beschreibung der Phonemstruktur von Sätzen. Wir wollen nun verschiedene Möglichkeiten betrachten, wie man die Morphemstrukturen von Sätzen beschreiben kann. Wir fragen, welche Art von Grammatik notwendig ist, um alle die Folgen von Morphemen (oder Wörtern) zu erzeugen, aus denen grammatische englische Sätze bestehen, und nur diese. Eine Forderung muß eine Grammatik sicherlich erfüllen: daß sie endlich ist. Deshalb kann die Grammatik nicht einfach eine Liste von allen Morphemfolgen (oder Wortfolgen) sein, da es unendlich viele davon gibt. Ein bekanntes kommunikationstheoretisches

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EINE ELEMENTAIRE SPRACHTHEORIE

Sprachmodell schlägt einen Weg vor, aus dieser Schwierigkeit herauszukommen. Angenommen, wir haben eine Maschine, die sich in jedem Zustand aus einer endlichen Anzahl von verschiedenen inneren Zuständen befinden kann, und angenommen, diese Maschine schaltet von einem Zustand zum anderen dadurch, daß sie ein bestimmtes Symbol (sagen wir ein englisches Wort) produziert. Einer von diesen Zuständen ist ein ANFANGSZUSTAND ; ein anderer ist ein ENDZUSTAND. Angenommen, die Maschine beginnt mit dem Anfangszustand, durchläuft eine Folge von Zuständen (indem sie bei jedem Übergang ein Wort produziert) und endet im Endzustand. Dann nennen wir die Folge von Wörtern, die produziert worden sind, einen 'Satz'. Jede solche Maschine definiert also eine bestimmte Sprache; nämlich die Menge von Sätzen, die auf diese Weise produziert werden kann. Jede Sprache, die von einer Maschine dieser Art produziert werden kann, nennen wir eine SPRACHE MIT ENDLICHEN ZUSTÄNDEN, finite state language; und wir können die Maschine selbst eine GRAMMATIK MIT ENDLICHEN ZUSTÄNDEN, finite state grammar, nennen. Eine Grammatik mit endlichen Zuständen kann graphisch in Form eines 'Zustandsdiagramms'1 dargestellt werden. Beispielsweise die Grammatik, die gerade nur die zwei Sätze the man comes und the men come produziert, kann durch das folgende Zustandsdiagramm dargestellt werden:

(7)

_™.

Wir können diese Grammatik so ausweiten, daß sie eine unendliche Anzahl von Sätzen produziert, indem wir geschlossene Schleifen hinzufügen. Dann kann die endliche Grammatik des Unterteils des 1

C. E. Shannon und W. Weaver, The mathematical theory of communication (Urbana, 1949), S. 15 f.

EINE ELEMENTARE SPRACHTHEORIE

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Englischen, die zu den obigen Sätzen noch the old man comes, the old old man comes, ..., the old men come, the old old men come, ... enthält, durch das folgende Zustandsdiagramm dargestellt werden:

(8)

Wenn ein Zustandsdiagramm gegeben ist, produzieren wir einen Satz, indem wir uns einen Weg vom Anfangspunkt links zum Endpunkt rechts bahnen, immer in der Richtung der Pfeile. Beim Erreichen eines bestimmten Punktes im Diagramm können wir jeden Pfad, der von diesem Punkt ausgeht, verfolgen, ob dieser Pfad nun vorher bei der Konstruktion des betreffenden Satzes überquert wurde oder nicht. Jeder Knoten in solch einem Diagramm entspricht also einem Zustand der Maschine. Übergang von einem Zustand zum ändern ist in verschiedener Weise erlaubt, und es kann jede Anzahl von geschlossenen Schleifen von jeder Länge geben. Maschinen, die auf diese Art Sprachen produzieren, sind in der Mathematik als 'Markovprozesse mit endlichen Zuständen' bekannt. Um dieses elementare kommunikationstheoretische Sprachmodell zu vervollständigen, schreiben wir jedem Übergang von Zustand zu Zustand eine Wahrscheinlichkeit zu. Wir können dann die 'Unsicherheit' berechnen, die mit jedem Zustand verbunden ist, und wir können den 'Informationsgehalt' der Sprache als durchschnittliche Unsicherheit definieren, bestimmt durch die Wahrscheinlichkeit, in den entsprechenden Zuständen zu sein. Da wir hier die grammatischen und nicht die statistischen Strukturen der Sprache studieren, geht uns diese Verallgemeinerung nichts an. Diese Sprachkonzeption ist äußerst stark und allgemein. Sollten wir sie übernehmen, so könnten wir vom Sprecher sagen, daß er in seinem Wesen eine Maschine vom betrachteten Typ ist. Beim Produzieren eines Satzes beginnt der Sprecher mit dem Anfangs-

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EINE ELEMENTARE SPRACHTHEORIE

zustand, produziert das erste Wort des Satzes und schaltet in den zweiten Zustand, der die Wahl des zweiten Wortes begrenzt, usw. Jeder Zustand, den er durchläuft, stellt die grammatischen Einschränkungen dar, die die Wahl des nächsten Wortes an diesem Punkt der Äußerung begrenzen.2 Angesichts der Allgemeinheit dieser Sprachkonzeption und ihres Nutzens in so verwandten Disziplinen wie der Kommunikationstheorie ist es wichtig, nach den Konsequenzen zu fragen, die sich ergeben, wenn man diesen Standpunkt in Syntax-Studien einer Sprache wie des Englischen oder eines formalisierten Systems der Mathematik einnimmt. Jeder Versuch, eine Grammatik mit endlichen Zuständen für das Englische zu konstruieren, gerät schon zu Anfang in ernste Schwierigkeiten, wie der I^eser sich selbst leicht überzeugen kann. Doch ist es nicht notwendig, dies an einem Beispiel zu zeigen angesichts der folgenden allgemeineren Bemerkungen über das Englische: (9) Englisch ist keine Sprache mit endlichen Zuständen. Es ist nämlich UNMÖGLICH, nicht nur einfach schwierig, eine Vorrichtung des oben beschriebenen Typs (ein Diagramm wie (7) oder (8)) zu konstruieren, die alle und nur die grammatischen Sätze des Englischen produziert. Um (9) zu beweisen, ist es notwendig, die syntaktischen Eigenschaften des Englischen genauer zu definieren. Wir werden jetzt gewisse syntaktische Eigenschaften des Englischen beschreiben, die darauf hindeuten, daß — bei jeder vernünftigen Einschränkung der Satzmenge der Sprache — (9) als ein das Englische betreffendes Theorem betrachtet werden kann. Um zu der Frage zurückzukehren, die im zweiten Absatz von § 3 gestellt wird, so behauptet (9), es sei nicht möglich, die Morphemstruktur von Sätzen direkt mittels einer solchen Vorrichtung wie eines Zustandsdiagramms zu bestimmen, und daß die Sprachkonzeption der Markovprozesse, wie sie oben skizziert wurde, nicht akzeptiert 2

Das ist im wesentlichen das Sprachmodell, das Hockett in A manual of phonology (Baltimore, 1955), S. 02, entwickelt.

EINE ELEMENTARE SPRACHTHEORIE

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werden kann, wenigstens nicht für die Zwecke der Grammatik. 3.2 Eine Sprache ist dadurch definiert, daß man ihr 'Alphabet' (d.h. die endliche Menge von Symbolen, aus denen ihre Sätze konstruiert werden) und ihre grammatischen Sätze angibt. Bevor wir das Englische direkt untersuchen, wollen wir einige Sprachen betrachten, deren Alphabete nur die Buchstaben a und b enthalten und deren Sätze aussehen, wie in (10i-iii) definiert wird: (10) (i) ab, aabb, aaabbb, ... und, allgemein gesprochen, alle Sätze, die aus n Vorkommen von a, gefolgt von n Vorkommen von b bestehen und nur diese Sätze; (ii) aa, bb, abba, baab, aaaa, bbbb, aabbaa, abbbba, ... und, allgemein gesprochen, alle Sätze, die aus einer Kette, string, X, gefolgt vom 'Spiegelbild' von X (d.h. X umgekehrt) bestehen und nur diese Sätze; (iii) aa, bb, abab, baba, aaaa, bbbb, aabaab, abbabb, ... und, allgemein gesprochen, alle Sätze, die aus einer Kette X aus äs und/oder bs, gefolgt von der identischen Kette X bestehen und nur diese Sätze. Wir können leicht zeigen, daß keine dieser drei Sprachen eine Sprache mit endlichen Zuständen ist. In ähnlicher Weise werden Sprachen wie (10), wo die betreffenden äs und 6s nicht aufeinander folgen, sondern in andere Ketten eingebettet sind, keine Sprachen mit endlichen Zuständen sein können, und zwar unter ganz allgemeinen Bedingungen.3 Aber es ist klar, daß es Unterteile des Englischen mit der Grund8

Siehe mein "Three models for the discription of language", I.R.E. Transactions on Information Theory, Bd. IT-2, Proceedings of the symposium on information theory, Sept., 1956, wegen einer Darlegung solcher Bedingungen und wegen eines Beweises von (9). Man beachte insbesondere, daß die Menge von wohlgeformten Formeln irgendeines formalisierten Systems der Mathematik oder der Logik keineswegs eine Sprache mit endlichen Zuständen darstellt, und zwar wegen paariger Parenthesen oder äquivalenter Einschränkungen.

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EINE ELEMENTARE SPRACHTHEORIE

form von (10) (i) und (10) (ii) gibt. Es seien 5 , S& £3, ... Aussagesätze im Englischen. Dann können etwa folgende englische Sätze vorkommen: (11) (i) If 5i, then Sz. (ii) Either 53, or £4. (iii) The man who said that $5, is arriving today. In (11) (i) können wir nicht or an Stelle von then setzen; in (l 1) (ii) nicht then an Stelle von or; in (11) (iii) nicht are an Stelle von is. In jedem dieser Fälle besteht eine Abhängigkeit zwischen Wörtern auf beiden Seiten des Kommas (d.h., if-then, either-or, man-is). Aber zwischen die von einander abhängigen Wörter können wir in jedem der Fälle einen Aussagesatz Si, $3, S$ einfügen, und dieser Aussagesatz kann in der Tat einer von (l li-iii) sein. Wenn wir also in (11) (i) für Si (11) (ii) nehmen und für 83 (11) (iii), werden wir folgenden Satz bekommen: (12) if, either (lliii), or S4, then S2, und S5 in (lliii) kann wiederum einer der Sätze von (11) sein. Es ist somit klar, daß wir im Englischen eine Folge a + 5 + b finden können, wo es eine Abhängigkeit zwischen a und b gibt, und wir können für S\ eine weitere Folge, die c + Sz + d enthält, auswählen, wo es eine Abhängigkeit zwischen c und d gibt, dann für 52 wieder eine Folge dieser Form auswählen, usw. Eine Menge von Sätzen, die auf diese Weise konstruiert ist (und wir sehen an (l 1), daß für solche Konstruktion verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stehen — (11) gerät nirgends in die Nähe, diese Möglichkeiten zu erschöpfen), wird sämtliche der Spiegeleigenschaften von (lOii) besitzen, die (lOii) aus der Menge der Sprachen mit endlichen Zuständen ausschließen. Wir können also verschiedene Arten von Modellen mit nicht-endlichen Zuständen im Englischen finden. Dies ist eine rohe Andeutung von Linien, entlang denen ein strenger Beweis von (9) geliefert werden kann, nämlich unter der Voraussetzung, daß solche Sätze wie (11) und (12) zum Englischen

EINE ELEMENTARE SPRACHTHEORIE

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gehören, während Sätze, die den erwähnten Abhängigkeiten in (11) widersprechen (z.B.: either Si, then S% usw.), nicht zum Englischen gehören. Man beachte, daß viele Sätze der Form (12) u. dgl. ganz merkwürdig und ungewöhnlich sein werden, (man kann sie oft weniger merkwürdig machen, indem man if durch whenever, on the assumption that, if it is the case that usw. ersetzt, ohne die Substanz der Bemerkungen zu verändern). Aber alles sind grammatische Sätze, geformt durch Prozesse der Satzkonstruktion, die so einfach und elementar sind, daß selbst die rudimentärste englische Grammatik sie enthalten würde. Sie können verstanden werden, und wir können sogar ganz einfach die Bedingungen angeben, unter denen sie wahr sind. Es ist schwierig, sich irgendwelche möglichen Motive vorzustellen, sie aus der Menge grammatischer englischer Sätze auszuschließen. So scheint es ganz klar zu sein, daß keine Theorie der sprachlichen Struktur, die ausschließlich auf Modellen aus Markovprozessen und dergleichen basiert, fähig sein wird, die Fertigkeit eines Sprechers des Englischen zu erklären und davon Rechenschaft abzugeben, nämlich neue Äußerungen hervorzubringen und zu verstehen, während er andere neue Folgen als nicht zur Sprache gehörig zurückweist. 3.3 Wir könnten willkürlich festsetzen, daß Prozesse der Satzbildung im Englischen wie diejenigen, die wir gerade diskutieren, nicht mehr als «-mal durchgeführt werden dürfen, für ein bestimmtes n. Das würde natürlich aus dem Englischen eine Sprache mit endlichen Zuständen machen, wie zum Beispiel auch eine Begrenzung englischer Sätze auf eine Länge von weniger als einer Million Wörter. Solche willkürlichen Begrenzungen dienen jedoch keinem nützlichen Zweck. Der entscheidende Punkt ist, daß es Prozesse der Satzbildung gibt, für deren Behandlung Grammatiken mit endlichen Zuständen wesentlich nicht gerüstet sind. Falls diese Prozesse keine endliche Grenze haben, können wir die eigentliche Unanwendbarkeit dieser elementaren Theorie beweisen. Falls die Prozesse eine Grenze haben, dann wird die Konstruktion einer Grammatik mit endlichen Zuständen nicht eigentlich außer Frage stehen, da es möglich sein wird, eine Liste der Sätze aufzustellen, und eine Liste

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EINE ELEMENTARE SPRACHTHEORIE

ist ihrem Wesen nach eine triviale Grammatik mit endlichen Zuständen. Aber diese Grammatik wird so komplex sein, daß sie von geringem Nutzen oder Interesse sein wird. Allgemein gesprochen: die Annahme, daß Sprachen unendlich sind, ist gemacht worden, um die Beschreibung dieser Sprachen zu vereinfachen. Wenn eine Grammatik keine rekursiven Vorrichtungen hat (geschlossene Schleifen, wie in (8), in der Grammatik mit endlichen Zuständen), wird sie abstoßend komplex sein. Wenn sie aber rekursive Vorrichtungen irgendeiner Art hat, wird sie unendlich viele Sätze hervorbringen. Kurz, der hier vorgeschlagene Ansatz zur Analyse der Grammatikalität mittels Markovprozessen mit endlichen Zuständen, die Sätze von links nach rechts produzieren, scheint genau so sicher wie die in § 2 zurückgewiesenen Vorschläge in eine Sackgasse zu führen. Wenn eine Grammatik dieses Typs alle englischen Sätze produziert, wird sie ebenso gut viele Nicht-Sätze produzieren. Wenn sie nur englische Sätze produziert, können wir sicher sein, daß es eine unendliche Zahl von wahren Sätzen, falschen Sätzen, vernünftigen Fragen usw. geben wird, die sie einfach nicht produziert. Die Grammatik-Konzeption, die gerade zurückgewiesen wurde, stellt gewissermaßen die linguistische Minimaltheorie dar, die ernsthafte Betrachtung verdient. Eine Grammatik mit endlichen Zuständen ist der einfachste Grammatik-Typ, der mit einem begrenzten Aufwand an Apparat eine unendliche Anzahl von Sätzen erzeugen kann. Wir haben gesehen, daß eine solche begrenzte Sprachtheorie nicht angemessen ist; wir sind gezwungen, nach einem stärkeren Grammatik-Typ und einer 'abstrakteren' Form von Sprachtheorie zu suchen. Der Begriff 'Sprachebene der Darstellung', der zu Beginn dieses Abschnittes herausgestellt wurde, muß verändert und herausgearbeitet werden. Zumindest eine sprachliche Ebene kann diese einfache Struktur NICHT haben. Das heißt: auf einer Ebene wird es nicht der Fall sein, daß jeder Satz einfach dargestellt wird als eine endliche Folge von Elementen irgendeiner Art, von links nach rechts von irgendeiner einfachen Vorrichtung erzeugt. Sonst müssen wir die Hoffnung aufgeben, eine ENDLICHE Menge von Ebenen zu finden, von oben nach unten

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geordnet und so konstruiert, daß wir alle Äußerungen erzeugen können, indem wir zunächst die erlaubten Folgen von Elementen der höchsten Ebene, dann die Zusammensetzung jedes Elements der höchsten Ebene mittels Elementen der zweiten Ebene usw., bestimmen und schließlich die Phonem-Zusammensetzung der Elemente der zweit-niedrigsten Ebene festlegen.4 Am Beginn von § 3 schlugen wir vor, daß Ebenen in dieser Weise eingerichtet werden sollten, um die Beschreibung der Menge von grammatischen Phonemfolgen zu VEREINFACHEN. Falls eine Sprache in elementarer Weise von links nach rechts mittels einer einzelnen Ebene beschrieben werden kann (d.h., wenn sie eine Sprache mit endlichen Zuständen ist), dann dürfte diese Beschreibung in der Tat durch die Konstruktion solcher höherer Ebenen vereinfacht werden; aber um Sprachen mit nicht-endlichen Zuständen wie das Englische zu erzeugen, brauchen wir grundsätzlich andere Methoden und einen allgemeineren Begriff von 'Sprachebene'.

4

Eine dritte Alternative wäre es, den Begriff der sprachlichen Ebene als einfache lineare Methode der Darstellung beizubehalten, aber mindestens eine solche Ebene von links nach rechts durch eine Vorrichtung mit größerer Kapazität, als sie ein Markov-Prozeß mit endlichen Zuständen hat, zu erzeugen. Es gibt so viele Schwierigkeiten mit dem Begriff der sprachlichen Ebene, die auf Links-rechts-Erzeugung basiert, sowohl wegen der Komplexheit der Beschreibung als auch wegen des Mangels an Erklärungs-Stärke (vgl. § 8), daß es witzlos erscheint, diesen Ansatz weiterzuverfolgen. Die Grammatiken, die wir unten diskutieren werden und die nicht von links nach rechts erzeugen, entsprechen ebenfalls Prozessen, die weniger elementar sind als die Markov-Prozesse mit endlichen Zuständen. Aber sie sind vielleicht weniger stark als die Art von Vorrichtung, die zur direkten Links-rechts-Erzeugung des Englischen erforderlich wäre. Vgl. mein "Three models for the discription of language" wegen weiterer Diskussion.

PHRASENSTRUKTUR

4.1 Gewöhnlich wird die Sprach-Beschreibung auf der syntaktischen Ebene mittels Bestandteil-Analyse (Zerlegung), constituent analysis (parsing), formuliert. Wir fragen jetzt, welche GrammatikForm durch diese Art der Beschreibung vorausgesetzt wird. Wir werden finden, daß diese neue Grammatik-Form WESENTLICH stärker ist als das Modell mit endlichen Zuständen, das oben zurückgewiesen wurde, und daß der damit verbundene Begriff der "Sprachebene" in grundsätzlichen Punkten anders ist. Als ein einfaches Beispiel der neuen Grammatik-Form, die mit der Bestandteil-Analyse verknüpft ist, wollen wir das folgende betrachten: (13) (i) Satz -+NP+VP (ii) NP -* T + N (iii)

VP -> Verb + NP

(iv) T -> the (v) N -> man, ball usw. (vi) Verb -»· hit, took usw. Wir wollen annehmen, daß wir jede Regel X -> von (13) als die Anleitung 'ersetze X durch Y', rewrite X as Y, interpretieren. Wir werden (14) eine ABLEITUNG, derivation, des Satzes the man hit the ball nennen, wobei die Zahlen rechts in jeder Zeile der Ableitung zu beziehen sind auf diejenige Regel der Grammatik (13), die verwendet wird, um die Zeile aus der vorhergehenden zu konstruieren.1 1

Die numerierten Regeln der englischen Grammatik, auf die auf den folgenden Seiten immer wieder hingewiesen wird, sind in § 12, Anhang II, gesammelt

PHRASENSTRUKTUR

(14) Satz NP + VP T + N + VP + N + Verb + NP the + N + Verb + JV7> the + man + Verb + ATP + man + Art + NP + wan + hü + T + N + man + hit + the + N + man + Aif + the + ball

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(i) (ii) (iii) (iv) (v) (vi) (ii) (iv) (v)

Die zweite Zeile von (14) wird also aus der ersten durch Ersetzung von Satz durch NP + VP in Übereinstimmung mit Regel (i) von (13) gebildet; die dritte Zeile wird aus der zweiten durch Ersetzung von NP durch T + N entsprechend Regel (ii) von (13) gebildet, usw. Wir können die Ableitung (14) in überschaubarer Weise mittels des folgenden Diagramms darstellen :

und richtig geordnet. Die Symbole, die wir in der Diskussion der englischen Struktur verwenden, sind in § 11, Anhang I, aufgeführt. In seinem Aufsatz "Axiomatic syntax: the construction and evaluation of a syntactic calculus", Language, 31 (1955), 109-414, beschreibt Harwood ein System der Wortarten-Analyse, das dem unten für die Phrasen-Struktur entwickelten System in der Form ähnlich ist. Das System, das er beschreibt, würde sich nur mit der Beziehung zwischen T + N + Verb + T + N bzw. the + man + hit + the + ball im Beispiel, das in (13)-(15) diskutiert wird, befassen; d.h., die Grammatik würde die 'Anfangs-Kette' T + N + Verb + T + N und Regeln wie (13iv-vi) enthalten. Es wäre also ein schwächeres System als die elementare Theorie, die in § 3 diskutiert wurde, da es mit einer endlichen Grammatik keine unendliche Sprache erzeugen könnte. Während sich Harwoods formale Erklärung (S. 409-411) nur mit der Wortarten-Analyse befaßt, ist die linguistische Anwendung (S. 412) ein Fall von unmittelbarer BestandteilAnalyse, wobei die Klassen d..m wahrscheinlich als Klassen von Wortfolgen genommen werden. Diese erweiterte Anwendung ist jedoch mit der formalen Erklärung nicht ganz vereinbar. Z. B., keine der vorgeschlagenen Maßnahmen für gutes Passen kann ohne Revision, die unter dieser Neuinterpretation seines Formalismus vorgenommen werden müßte, stehen bleiben.

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PHRASENSTRUKTUR

(15)

Satz

r

NP

rhN

T

the man

VP

rh rhN hit T

Verb NP

l

the

ball

Das Diagramm (15) liefert weniger Informationen als die Ableitung (14), da es uns nicht sagt, in welcher Reihenfolge die Regeln in (14) angewandt wurden. Wenn (14) gegeben ist, können wir (15) eindeutig konstruieren, aber nicht umgekehrt, da es möglich ist, eine Ableitung zu konstruieren, die ebenfalls zu (15) führt, aber mit einer anderen Reihenfolge der Regelanwendung. Das Diagramm (15) behält genau das bei, was in (14) für die Bestimmung der Phrasen-Struktur (Bestandteil-Analyse) des abgeleiteten Satzes the man hit the ball wesentlich ist. Eine Folge von Wörtern dieses Satzes ist ein Bestandteil des Typs Z, wenn wir diese Folge auf einen einzelnen Ursprungspunkt in (15) zurückverfolgen können und dieser Ursprungspunkt mit Z gekennzeichnet ist. So kann hit the ball bis VP in (15) zurückverfolgt werden; hit the ball ist also ein VP im abgeleiteten Satz. Aber man hit kann nicht auf irgendeinen einzelnen Ursprungspunkt in (15) zurückverfolgt werden; man hit ist also überhaupt kein Bestandteil. Wir sagen, daß zwei Ableitungen ÄQUIVALENT sind, wenn sie zum selben Diagramm der Form (15) führen. Gelegentlich wird es uns eine Grammatik erlauben, nichtäquivalente Ableitungen für einen gegebenen Satz zu konstruieren. Unter diesen Umständen sprechen wir dann von einem Fall von 'Konstruktions-Homonymität', constructional homonymity,2 und wenn unsere Grammatik stimmt, 2

Siehe §8.1 wegen einiger Beispiele für Konstruktions-Homonymität.

PHRASENSTRUKTLTR

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dürfte dieser Satz der Sprache zweideutig sein. Wir kommen auf den wichtigen Begriff der Konstruktions-Homonymität weiter unten zurück. Eine Verallgemeinerung ist bei (13) natürlich notwendig. Wir müssen die Anwendung einer Regel auf einen bestimmten Kontext begrenzen können. So kann T durch a ersetzt werden, wenn das folgende Nomen singular ist, aber nicht, wenn es plural ist; in ähnlicher Weise kann Verb durch hits ersetzt werden, wenn das vorausgehende Nomen MAN ist, aber nicht, wenn es MEN ist. Allgemein gesprochen: wenn wir die Ersetzung von X durch auf den Kontext Z—W beschränken wollen, können wir in der Grammatik die folgende Regel festsetzen: (16)

Z+X+W+Z+Y+W

Zum Beispiel im Fall von Verben im Singular und Plural: statt Verb -> hits als zusätzliche Regel zu (13) müßte es (17) NPsing + Verb -> NPsing + hits lauten, wodurch angezeigt ist, daß Verb nur im Kontext NPnngdurch hits ersetzt wird. Entsprechend wird (13ii) als NPSing und NPpi enthaltend neu festzusetzen sein.3 Dies ist eine unmittelbare Siehe mein The logical structure of linguistic theory (mimeographiert); "Three models for the description of language" (oben S. 25, Fn. 3); C. F. Hockett, "Two models of grammatical description", Linguistics Today, Word, 10 (1954), 210-233; R. S. Wells, "Immediate constituents", Language, 23 (1947), 81-117 wegen detaillierterer Diskussion. 3 In einer vollständigeren Grammatik könnte (13ii) also durch eine Menge von Regeln, die die folgenden enthält, ersetzt werden :

«

T+ N + 0(+ Präpositional-Phrase) T+ N + S(+ Präpositional-Phrase)

wobei S das Morphem ist, das für Verben Singular und für Nomina Plural ist (comes, boys) und 0 das Morphem, das für Nomina Singular und für Verben Plural ist (boy, come). Wir werden in dieser Diskussion auf jegliche Erwähnung

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PHRASENSTRUKTUR

Verallgemeinerung von (13). Ein Charakteristikum von (13) muß allerdings erhalten bleiben, wie es in (17) geschieht: nur ein einzelnes Element darf in jeder einzelnen Regel ersetzt werden; d. h., in (16) muß X ein einzelnes Symbol wie T oder Verb sein und nicht eine Folge wie T + N. Wenn diese Bedingung nicht erfüllt wird, werden wir die Phrasen-Struktur des abgeleiteten Satzes aus dem damit verknüpften Diagramm von der Form (15) nicht richtig wiedergewinnen können, wie wir es oben konnten. Wir können jetzt die Form der Grammatik, die mit einer auf der Bestandteil-Analyse basierenden Theorie der Sprachstruktur verknüpft ist, allgemeiner beschreiben. Jede derartige Grammatik ist definiert durch eine endliche Menge von Anfangsketten, initial strings, und eine endliche Menge F von 'Anleitungsformeln', instruction formulas, der Form X -> Y, zu deuten als: 'ersetze X durch Y'. Obwohl X kein einzelnes Symbol zu sein braucht, darf nur ein einzelnes Symbol von X, Y ergebend, ersetzt werden. In der Grammatik (13) war das einzige Mitglied der Menge von Anfangsketten das einzelne Symbol Satz, und F bestand aus den Regeln (i)-(vi); aber wir könnten ausweiten wollen, so daß es beispielsweise Aussage-Satz oder Frage-Satz als weitere Symbole enthält. Wenn die Grammatik [ , F] gegeben ist, definieren wir eine ABLEITUNG als eine endliche Folge von Ketten, die mit einer Anfangskette aus beginnt und deren jede Kette in der Folge aus der vorhergehenden Kette durch Anwendung einer der Anleitungsformeln von F abgeleitet wird. (14) ist also eine Ableitung, und die fünfgliedrige Folge von Ketten, die aus den ersten fünf Zeilen von (14) besteht, ist ebenfalls eine Ableitung. Gewisse Ableitungen sind BEENDETE Ableitungen, terminated derivations, in den Sinne, daß ihre Endkette nicht weiter durch die Regeln F ersetzt werden kann. (14) ist also eine beendete Ableitung, aber die Folge, die aus den ersten fünf Zeilen von (14) besteht, ist keine. Wenn eine Kette die letzte Zeile einer beendeten Ableitung ist, nennen wir sie eine TERMINAL-Kette, terminal string. Also ist the + man + hit + the -\der ersten und zweiten Person verzichten. Die Identifizierung des nominalen und des verbalen Zahl-Affixes ist tatsächlich von fraglichem Wert.

PHRASENSTRUKTUR

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ball eine Terminal-Kette aus der Grammatik (13). Einige Grammatiken der Form [ , F] werden keine Terminal-Ketten haben, aber wir sind nur an Grammatiken interessiert, die welche haben, d. h., die eine Sprache beschreiben. Eine Menge von Ketten wird eine TERMINAL-SPRACHE, terminal language, genannt, wenn sie die Menge von Terminal-Ketten irgendeiner Grammatik [ , F] ist. Jede derartige Grammatik definiert also eine Terminal-Sprache (vielleicht sogar die 'leere' Sprache, die keine Sätze enthält), und jede Terminal-Sprache wird durch eine Grammatik der Form [ , F] produziert. Wenn eine Terminal-Sprache und ihre Grammatik gegeben sind, können wir die Phrasen-Struktur jedes Satzes der Sprache (jeder Terminal-Kette der Grammatik) rekonstruieren, indem wir die damit verknüpften Diagramme der Form (15) berücksichtigen, wie wir oben sahen. Wir können auch die grammatischen Beziehungen in diesen Sprachen mittels der damit verknüpften Diagramme formal definieren. 4.2 In § 3 betrachteten wir Sprachen, genannt 'Sprachen mit endlichen Zuständen', die durch Markovprozesse mit endlichen Zuständen erzeugt wurden. Jetzt betrachten wir Terminal-Sprachen, die durch Systeme der Form [ , F] erzeugt werden. Diese beiden Sprachtypen haben folgende Beziehung zueinander: Theorem: Jede Sprache mit endlichen Zuständen ist eine TerminalSprache, aber es gibt Terminal-Sprachen, die keine Sprachen mit endlichen Zuständen sind.4 Die Bedeutung dieses Theorems liegt darin, daß Beschreibung mittels Phrasen-Struktur wesentlich stärker ist als Beschreibung mittels der elementaren Theorie, die oben in § 3 dargestellt wurde. Als Beispiele für Terminal-Sprachen, die nicht Sprachen mit endlichen Zuständen sind, haben wir die Sprachen (lOi) und (lOii), die in § 3 diskutiert wurden. Die Sprache (lOi), die aus allen und nur den 4

Siehe mein "Three models for the description of language" (oben S. 25, Fn. 3) wegen der Beweise für dies Theorem und für verwandte Theoreme über relative Stärke von Grammatiken.

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PHRASENSTRUKTUR

Ketten ab, aabb, aaabbb,... besteht, kann also von der [ , F]Grammatik (18) produziert werden.

(18)

: Z

F: Z-+ab Z -+aZb Diese Grammatik hat die Anfangskette Z (wie (13) die Anfangskette Satz hat), und sie hat zwei Regeln. Es ist leicht zu sehen, daß jede beendete Ableitung, die aus (18) konstruiert wird, in einer Kette der Sprache (lOi) endet und daß alle derartige Ketten auf diese Weise produziert werden. In ähnlicher Weise können Sprachen der Form (lOii) durch [ , F]-Grammatiken produziert werden. (lOiii) jedoch kann nicht von einer Grammatik dieses Typs hervorgebracht werden, falls die Regeln nicht Kontext-Beschränkungen einschließen.5 In § 3 zeigten wir, daß die Sprachen (lOi) und (lOii) Unterabteilungen des Englischen entsprächen und daß deshalb das Modell der Markovprozesse mit endlichen Zuständen dem Englischen nicht angemessen sei. Wir sehen jetzt, daß das Phrasen-Struktur-Modell in solchen Fällen nicht versagt. Wir haben die Angemessenheit des Phrasen-Struktur-Modells nicht bewiesen, sondern wir haben gezeigt, daß große Teile des Englischen, die mithilfe des Modells von Prozessen mit endlichen Zuständen im strengen Sinn nicht beschrieben werden können, mithilfe der Phrasen-Struktur zu beschreiben sind. Man beachte, daß wir im Fall (18) sagen können, daß in der Kette aaabbb von (lOi) beispielsweise ab ein Z, aabb ein Z und aaabbb selbst ein Z ist.6 Diese einzelne Kette enthält also drei 'Phrasen', von denen jede ein Z ist. Dies ist natürlich eine sehr triviale Sprache. Es ist wichtig zu beachten, daß wir bei der Beschreibung dieser Sprache ein Symbol Z eingeführt haben, das 5

Siehe mein "On certain formal properties of grammars", Information and Control, 2 (1959), 133-167. * Wobei 'ist ein' die Beziehung ist, die in § 4.1 mittels Diagrammen wie (15) definiert wird.

PHRASENSTRUKTUR

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nicht im Satz dieser Sprache enthalten ist. Dies ist die wesentliche Tatsache der Phrasenstruktur, die ihr ihren 'abstrakten' Charakter verleiht. Man beachte auch, daß sowohl im Fall (13) als auch im Fall (18) (wie in jedem System der Phrasen-Struktur) jede Terminal-Kette viele verschiedene Darstellungen hat. Zum Beispiel wird im Fall (13) die Terminal-Kette the man hit the ball durch die Ketten Satz, NP + VP, T + N + VP und alle anderen Zeilen von (14) dargestellt, ebensogut wie durch solche Ketten wie NP + Verb + NP, T -f 7V + hit + NP, die in anderen Ableitungen auftauchen würden, die äquivalent mit (14) sind, und zwar in dem Sinne, wie es dort definiert wird. Auf der Ebene der Phrasen-Struktur wird daher jeder Satz der Sprache durch eine Menge von Ketten dargestellt, nicht durch eine einzelne Kette, wie es auf der Ebene von Phonemen, Morphemen oder Wörtern der Fall ist. So hat die PhrasenStruktur — als sprachliche Ebene genommen — einen grundsätzlich anderen und nichttrivialen Charakter, der, wie wir im letzten Absatz von § 3 sahen, für eine der sprachlichen Ebenen erforderlich ist. Wir können keine Hierarchie unter den verschiedenen Darstellungen von the man hit the ball aufstellen; wir können das System der Phrasen-Struktur nicht in eine endliche Menge von Ebenen aufteilen, von oben nach unten geordnet, mit einer Darstellung für jeden Satz auf jeder dieser Unterebenen. Zum Beispiel gibt es keine Möglichkeit, die Elemente NP und VP als miteinander in Beziehung stehend zu ordnen. Zumindest im Englischen sind Nominalphrasen in Verbalphrasen enthalten, und Verbalphrasen in Nominalphrasen. Die Phrasen-Struktur muß als eine einzelne Ebene angesehen werden, mit einer Menge von Darstellungen für jeden Satz der Sprache. Es gibt eine eineindeutige Beziehung zwischen den richtig gewählten Mengen von Darstellungen und den Diagrammen der Form (15). 4.3 Angenommen, wir können mit einer [ , F]-Grammatik sämtliche der grammatischen Morphem-Folgen einer Sprache erzeugen. Um nun die Grammatik zu vervollständigen, müssen wir die Phonemstruktur dieser Morpheme bestimmen, so daß die Gram-

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PHRASENSTRUKTUR

matik die grammatischen Phonem-Folgen der Sprache hervorbringen kann. Aber diese Bestimmung (die wir die MORPHOPHONEMIK der Sprache nennen möchten) kann auch durch eine Menge von Regeln der Form 'ersetze X durch 7' geschehen, z. B., für das Englische: (19) (i) (ii) (iii) (iv)

walk -> /wok/ take + Vergangenheit -> /tuk/ hit + Vergangenheit -* /hit/ /...D/ + Vergangenheit ->/...D/ + /id/ (wobei D = / t / oder /d/) (v) /... K««/ + Vergangenheit ->/... Ks«/ + /t/ (wobei Ks« ein stimmloser Konsonant ist) (vi) Vergangenheit -> /d/ (vii) take -> /teyk/ usw.

oder etwas dergleichen. Man beachte im übrigen, daß die Reihenfolgen unter diesen Regeln definiert werden muß — z. B., muß (ii) vor (v) oder (vii) kommen, oder wir werden Formen wie /teykt/ für die Vergangenheit von take ableiten. Bei diesen morphophonemischen Regeln haben wir es nicht mehr nötig, nur ein einzelnes Symbol in jeder Regel zu ersetzen. Wir können jetzt die Phrasen-Struktur-Ableitungen ausdehnen, indem wir (19) anwenden, so daß wir einen einheitlichen Prozeß für die Erzeugung von Phonem-Folgen aus der Anfangskette Satz haben. Dies könnte den Eindruck erwecken, als ob der Sprung zwischen der höheren Ebene der Phrasen-Struktur und den unteren Ebenen willkürlich sei. Tatsächlich ist die Unterscheidung nicht willkürlich. Zum einen sind, wie wir sahen, die formalen Eigenschaffen der Regeln X ->· Y, die zur Phrasen-Struktur gehören, von denen der morphophonemischen Regeln verschieden, da wir im Falle der ersteren dafür sorgen müssen, daß immer nur ein einzelnes Symbol ersetzt wird. Zweitens können die Elemente, die in den Regeln (19) auftreten, auf eine endliche Menge von Ebenen aufgeteilt werden (z. B., die der Phoneme und Morpheme; oder vielleicht

PHRASENSTRUKTUR

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die der Phoneme, Morphophoneme und Morpheme), von denen jede in dem Sinne elementar ist, daß eine einzelne Kette von Elementen dieser Ebene mit jedem Satz als seine Darstellung auf dieser Ebene (außer in Fall der Homonymität) verknüpft ist; und jede derartige Kette stellt einen einzelnen Satz dar. Aber die Elemente, die in den Regeln der Phrasen-Struktur auftreten, können nicht in dieser Weise auf höhere oder niedere Ebenen verteilt werden. Wir werden unten sehen, daß es einen noch fundamentaleren Grund gibt, diese Unterteilung in höhere Regeln der Phrasen-Struktur und niedere Regeln, die Morphem-Ketten in Phonem-Ketten verwandeln, vorzunehmen. Die formalen Eigenschaften des Systems der Phrasen-Struktur sind ein interessanter Forschungsgegenstand, und es ist leicht zu zeigen, daß eine weitere Verfeinerung dieser Grammatik-Form zugleich notwendig und möglich ist. So kann man leicht sehen, daß es ganz vorteilhaft wäre, die Regeln der Menge F so zu ordnen, daß gewisse dieser Regeln nur angewandt werden können, nachdem andere angewandt wurden. Zum Beispiel würden wir sicher wollen, daß alle Regeln der Form (17) vor jeder anderen angewandt werden, die uns ermöglicht, NP durch NP + Präposition + NP oder dergleichen zu ersetzen; sonst würde die Grammatik Nicht-Sätze wie the men near the truck begins work at eight produzieren. Aber diese Verfeinerung führt zu Problemen, die uns über das Ziel dieser Studie hinausbringen.

G R E N Z E N DER PHRASEN-STRUKTUR-BESCHREIBUNG

5.1 Wir haben zwei Modelle für die Struktur der Sprache diskutiert: ein kommunikationstheoretisches Modell, das auf einer Konzeption der Sprache als Markovprozeß beruht und in gewissem Sinn der minimalen Sprach-Theorie entspricht, und ein PhrasenStruktur-Modell, das auf Analyse unmittelbarer Bestandteil, immediate constituent analysis, basiert. Wir haben gesehen, daß das erstere den Zwecken der Grammatik sicherlich nicht angemessen ist und daß das letztere stärker ist als das erstere und nicht in derselben Weise versagt. Natürlich gibt es Sprachen (im allgemeinen Sinn), die nicht mit den Mitteln der Phrasen-Struktur beschrieben werden können, aber ich weiß nicht, ob das Englische selbst streng genommen außerhalb solcher Analyse steht. Doch ich glaube, daß es andere Gründe gibt, die Theorie der Phrasen-Struktur als unangemessen für den Zweck der Sprach-Beschreibung zurückzuweisen. Der stärkste mögliche Beweis für die Unangemessenheit einer Sprach-Theorie ist es, wenn man zeigt, daß sie streng genommen auf eine natürliche Sprache nicht angewandt werden kann. Eine schwächere aber vollkommen genügende Demonstration der Unangemessenheit würde es sein zu zeigen, daß die Theorie nur schwerfällig angewandt werden kann; d.h. zu zeigen, daß jede Grammatik, die mit den Mitteln dieser Theorie konstruiert werden kann, äußerst komplex, ad hoc und 'unenthüllend' sein wird, daß gewisse sehr einfache Arten, grammatische Sätze zu beschreiben, den mit ihr verknüpften grammatischen Formen nicht angepaßt werden können und daß gewisse grundsätzliche formale Eigenschaften der natürlichen Sprache nicht dazu verwendet werden können, die Grammatiken zu vereinfachen. Wir können eine Menge Beweismaterial dieser Art zugunsten der These finden, daß die Grammatik-

GRENZEN DER PHRASEN-STRUKTUR-BESCHREIBUNG

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Form, wie sie oben beschrieben wird, und die Konzeption der Sprach-Theorie, die ihr zugrundeliegt, grundsätzlich unangemessen sind. Die einzige Möglichkeit, die Angemessenheit unseres gegenwärtigen Apparats zu testen, ist der Versuch, ihn direkt auf die Beschreibung englischer Sätze anzuwenden. Sobald wir irgendeinen Satz über den einfachsten Typ hinaus betrachten, und besonders wenn wir versuchen, eine Ordnung unter den Regeln, die diese Sätze produzieren, zu definieren, finden wir, daß wir in zahlreiche Schwierigkeiten und Komplikationen hineinrennen. Diese Behauptung zu erhärten, würde einen breiten Aufwand von Mühen und Raum erfordern, und ich kann hier nur beteuern, daß dies ziemlich überzeugend nachgewiesen werden kann.1 Anstatt diesen ziemlich steilen und anspruchsvollen Weg hier einzuschlagen, werde ich mich darauf beschränken, ein paar einfache Fälle zu skizzieren, in denen beträchtliche Verbesserung gegenüber den Grammatiken der Form [ , F] möglich ist. In § 8 werde ich eine selbständige Methode vorschlagen, mit der man zeigen kann, daß die Bestandteil-Analyse als Mittel, englische Satzstrukturen zu beschreiben, unangemessen ist. 5.2 Einer der produktivsten Prozesse, der neue Sätze bildet, ist der Prozeß der Konjunktion. Wenn wir zwei Sätze Z + X + W und Z + -\- W haben und wenn X und wirklich Bestandteile dieser Sätze sind, dann können wir allgemein einen neuen Satz Z — X + and + — W bilden. Beispielsweise können wir aus den Sätzen (20a-b) den neuen Satz (21) bilden. (20) (a) The scene - of the movie - was in Chicago, (b) The scene - of the play - was in Chicago. (21) The scene - of the movie and of the play - was in Chicago. Wenn X und Y jedoch keine Bestandteile sind, können wir dies allgemein nicht tun.2 Zum Beispiel können wir aus (22a-b) nicht (23) bilden. 1

Siehe mein The logical structure of linguistic theory wegen einer detaillierten Analyse dieses Problems. 2 (21) und (23) sind extreme Fälle, bei denen es keine Frage nach der Mög-

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GRENZEN DER PHRASEN-STRUKTUR-BESCHREIBUNG

(22) (a) The - liner sailed down the - river, (b) The - tugboat chugged up the - river. (23) The - liner sailed down the and tugboat chugged up the river. Ähnlich liegt der Fall: wenn Xund Ybeides Bestandteile sind, aber Bestandteile verschiedener Art (d. h., wenn jedes im Diagramm der Form (15) einen einzelnen Ursprung hat, aber dieser Ursprung anders gekennzeichnet ist), dann können wir generell keinen neuen

lichkeit der Konjunktion gibt. Es gibt aber viele weniger klare Fälle. Es ist beispielsweise offensichtlich, daß John enjoyed the book and liked the play (eine Kette der Form NP — VP + and + VP) ein völlig korrekter Satz ist, aber viele würden die Grammatikalität von, z. B., John enjoyed and my friend liked the play (eine Kette der Form NP + Verb + and + NP + Verb — NP) infrage stellen. Letzterer Satz, in dem die Konjunktion über die BestandteilGrenzen hinweggeht, ist viel unnatürlicher als seine Alternative John enjoyed the play and my friend liked it, aber zum vorigen gibt es keine vorzuziehende Alternative. Solche Sätze, bei denen die Konjunktion quer über die BestandteilGrenzen geht, sind auch in allgemeinen durch besondere phonemische Eigentümlichkeiten ausgezeichnet, wie etwa durch extra lange Pausen (in unserem Beispiel zwischen liked und the), durch kontrastierende Betonung und Intonation, durch den Verzicht darauf, Vokale zu reduzieren und Endkonsonanten auszulassen, wie es beim schnellen Sprechen geschieht, usw. Solche Eigentümlichkeiten zeichnen normalerweise das Lesen von nicht-grammatischen Ketten aus. Die vernünftigste Weise, diese Lage zu erklären, scheint eine Beschreibung der folgenden Art zu sein: um völlig grammatische Sätze durch Konjunktion zu bilden, ist es notwendig, einzelne Bestandteile zu konjugieren; wenn wir Bestandteil-Paare konjugieren und dies größere Bestandteile sind (d. h., 'weiter oben' im Diagramm (15)), werden die resultierenden Sätze halb-grammatisch sein; je vollständiger wir die Bestandteil-Struktur durch Konjunktion verletzen, desto ungrammatischer wird der resultierende Satz sein. Diese Beschreibung fordert, daß wir die Zweiteilung in grammatisch und ungrammatisch weiter verallgemeinern, indem wir den Begriff des Grammatikalitäts-Grades einführen. Es ist für unsere Diskussion jedoch unerheblich, ob wir Sätze wie John enjoyed and my friend liked the play als ungrammatisch ausschließen wollen, ob wir sie als halb-grammatisch einschließen oder ob wir sie als völlig grammatisch einschließen, jedoch mit besonderen phonemischen Eigentümlichkeiten. Auf jeden Fall bilden sie eine Klasse von Äußerungen, die von John enjoyed the play and like the book usw. verschieden ist, in denen nämlich die BestandteilStruktur vollkommen erhalten ist; und deshalb gilt unsere Schlußfolgerung, daß die Konjunktions-Regel sich eindeutig auf die Bestandteil-Struktur zu beziehen hat, da diese Unterscheidung in der Grammatik aufgezeigt werden muß.

GRENZEN DER PHRASEN-STRUKTUR-BESCHREIBUNG

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Satz durch Konjunktion bilden. Beispielsweise können wir aus (24a-b) nicht (25) bilden. (24) (a) The scene - of the movie - was in Chicago, (b) The scene - that I wrote - was in Chicago. (25) The scene - of the movie and that I wrote - was in Chicago. Die Möglichkeit der Konjunktion bietet in der Tat eines der besten Kriterien dafür, wie zunächst die Phrasen-Struktur zu bestimmen ist. Wir können die Beschreibung der Konjunktion vereinfachen, wenn wir die Bestandteile derart aufstellen, daß die folgende Regel gilt: (26) Wenn Si und Sz grammatische Sätze sind und Si von S2 nur dadurch unterschieden ist, daß in Si dort X erscheint, wo in Sz erscheint (d. h., 5 = . .X. . und 52 = .. Y..) und X und Bestandteile desselben Typs in Si bzw. 5*2 sind, dann ist £3 ein Satz, wobei $3 das Ergebnis der Ersetzung von X durch X + and + in Si (d. h., S3 = . .X + and + Y..) ist. Obwohl hier zusätzlich genauere Angaben notwendig sind, wird die Grammatik außerordentlich vereinfacht, wenn wir die Bestandteile derart aufstellen, daß (26) sogar annähernd gilt. Das heißt, es ist leichter, das Auftreten von and mittels näherer Angaben zu dieser Regel zu bestimmen als direkt ohne eine solche Regel. Aber wir stehen jetzt vor der folgenden Schwierigkeit: wir können die Regel (26) oder etwas dergleichen wegen gewisser grundsätzlicher Beschränkungen solcher Grammatiken nicht in eine Grammatik [ , F] der Phrasen-Struktur einfügen. Es ist die wesentliche Eigenschaft von Regel (26), daß wir, um sie zur Bildung des neuen Satzes S^ auf die Sätze Si und Sz anwenden zu können, nicht nur die wirkliche Form von 5 und Sz wissen müssen, sondern auch ihre Bestandteil-Struktur — wir müssen nicht nur die endgültige Gestalt dieser Sätze kennen, sondern auch ihre 'Ableitungs-Geschichte'. Dagegen läßt sich jede Regel X -> Y der Grammatik [ , F] auf eine gegebene Kette aufgrund des tatsächlichen Bestandes dieser Kette

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anwenden oder nicht. Die Frage, wie diese Kette schrittweise diese Form erhielt, ist irrelevant. Wenn die Kette X als Unterkette enthält, kann die Regel X ->· darauf angewandt werden; im ändern Fall nicht. Wir können dies noch etwas anders ausdrücken. Die Grammatik [ , F] kann auch als ein sehr elementarer Prozeß betrachtet werden, der nicht von 'links nach rechts', sondern von Oben nach unten' Sätze erzeugt. Angenommen, wir haben die folgende PhrasenStruktur-Grammatik : (27)

: Satz F: Xi -> 7i ~* in

Dann können wir diese Grammatik darstellen als eine Maschine mit einer endlichen Anzahl von inneren Zuständen, einen Anfangsund einen Endzustand eingeschlossen. In ihrem Anfangszustand kann sie nur das Element Satz produzieren, wobei sie in einen neuen Zustand übergeht. Sie kann dann jede Kette Y{ produzieren, wenn Satz -> Yt eine der Regeln von F in (27) ist, wobei sie wiederum in einen neuen Zustand übergeht. Angenommen, daß Yt die Kette ...Xj... ist. Dann kann die Maschine die Kette ... Y}... produzieren, indem sie die Regel Xj -> Y$ "anwendet". Die Maschine geht in dieser Weise von Zustand zu Zustand weiter, bis sie schließlich eine Terminal-Kette produziert, sie ist jetzt im Endzustand. Die Maschine produziert also Ableitungen im Sinne von § 4. Der wichtige Punkt ist, daß der Zustand der Maschine vollständig bestimmt ist durch die Kette, die sie gerade produziert hat (d. h., durch den letzten Schritt der Ableitung); noch spezifischer ausgedrückt: der Zustand ist durch die Untermenge von 'linken' Elementen von F bestimmt, die in der zuletztproduzierten Kette enthalten sind. Aber Regel (26) erfordert eine stärkere Maschine, die auf frühere Ketten in der Ableitung 'zurückschauen' kann, um zu bestimmen, wie der nächste Schritt in der Ableitung zu produzieren ist.

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Regel (26) ist auch in einem anderen Sinn grundsätzlich neu. Sie bezieht sich wesentlich auf zwei verschiedene Sätze 5 und 5*2, aber in den Grammatiken des [ , F]-Typs gibt es keine Möglichkeit, solch eine doppelte Beziehung einzufügen. Die Tatsache, daß Regel (26) nicht in die Grammatik der Phrasen-Struktur eingefügt werden kann, zeigt, daß, selbst wenn diese Form der Grammatik streng genommen auf das Englische nicht unanwendbar ist, sie sicherlich im schwächeren aber hinreichenden Sinn, der oben erwogen wurde, unangemessen ist. Diese Regel führt zu einer beträchtlichen Vereinfachung der Grammatik; tatsächlich liefert sie eines der besten Kriterien dafür, wie Bestandteile zu bestimmen sind. Wir werden sehen, daß es viele andere Regeln desselben allgemeinen Typs wie (26) gibt, die dieselbe doppelte Rolle spielen. 5.3 In der Grammatik (13) gaben wir nur eine Weise an, das Element Verb zu analysieren, nämlich als hit (vgl. (13vi)). Aber selbst wenn die verbale Wurzel feststeht (sagen wir als take), gibt es viele andere Formen, die dieses Element annehmen kann, z. B., takes, has + taken, will + take, has + been + taken, is + being + taken usw. Das Studium dieser 'Hilfsverben' entpuppt sich als sehr entscheidend für die Entwicklung der englischen Grammatik. Wir werden sehen, daß ihr Verhalten sehr regelmäßig und einfach zu beschreiben ist, wenn es von einem Standpunkt betrachtet wird, der ganz verschieden ist von dem oben entwickelten, während es ganz kompliziert erscheint, wenn wir versuchen, diese Phrasen direkt in eine [ , F]-Grammatik einzufügen. Wir wollen zuerst die Hilfsverben betrachten, die unbetont auftreten; etwa has in John has read the book, jedoch nicht does in John DOES read books? Wir können das Vorkommen dieser Hilfsverben in Aussagesätzen bestimmen, indem wir zur Grammatik (13) folgende Regeln hinzufügen: (28) (i) Verb -> Aux + V (ii) V -> hit, take, walk, read usw. 3

Wir kommen auf das betonte Hilfsverb da unten in §7.1, (45)-(47), zurück.

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(iii) Aux -> C(M) (have + en) (be -f ing) (be + en) (iv) M -> will, can, may, shall, must S im Kontext NPsmg(29) (i) C 0 im Kontext Vergangenheit (ii) / soll für jede der Endungen (Affixe) Vergangenheit, S, 0, en, ing stehen, v soll für jedes M oder V oder have oder be (d. h., für jede Nichtendung in der Phrase Verb) stehen. Dann: Af+ v^v + Af#, wobei # als Wortgrenze interpretiert wird.5 (iii) Ersetze + durch # außer im Kontext v — Af. Setze # an den Anfang und ans Ende. Die Interpretation der Notationen in (28iii) ist wie folgt: wir müssen das Element C wählen, und wir können null oder mehr eingeklammerte Elemente in der gegebenen Reihenfolge wählen. In (29i) können wir C in jedes der drei Morpheme verwandeln, indem wir die gegebenen Kontextbeschränkungen beachten. Als ein Beispiel für die Anwendung dieser Regeln konstruieren wir eine Ableitung im Stile von (14), wobei wir die ersten Schritte auslassen. (30) the + the + the + the + book

4

man + man + man + man +

Verb + the + book aus (13i-v) Aux + V + the + book (28 i) Aux + read + the + book (28 ii) C + have -\-en-\-be-\- ing -\- read + the + (28 iii) — wir

Wir gehen hier davon aus, daß (13ii) in der Art von Fn. 3, oben S. 33, ausgeweitet wurde, oder ähnlich. 5 Wenn wir die Grammatik-Theorie sorgfältiger formulierten, würden wir # als Verkettungs-Operator auf der Ebene der Wörter interpretieren, während + der Verkettungs-Operator auf der Ebene der Phrasen-Struktur ist. (29) wäre dann Teil der Definition einer Projektion, die gewisse Gegenstände auf der Ebene der Phrasen-Struktur (im wesentlichen Diagramme der Form (15)) als Wort-Ketten abbildet. Siehe mein The logical structure of linguistic theory wegen sorgfältigerer Formulierung.

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wählen die Elemente C, have + en und be + ing the + man -f S + Aave + en + be + /ng + read + fAe + 000Ä: (29 i) the + man -\- have -\- S # be -\- en % read + ing # the + ooo& (29 ii) — dreimal # /Ae # wa« # Aave -f S # 6e + en -f read + mg # the # 600Ä: # (29iii) Die morphophonemischen Regeln (19) usw. werden die letzte Zeile dieser Ableitung in (31) The man has been reading the book. verwandeln, und zwar in Phonem-Transskription. In ähnlicher Weise kann jede andere Hilfsverb-Phrase erzeugt werden. Wir kommen später auf die Frage weiterer Einschränkungen dieser Regeln, so daß nur grammatische Folgen erzeugt werden können. Man beachte übrigens, daß die morphophonemischen Regeln solche Regeln werden einschließen müssen wie: will + S -> will oder will + Vergangenheit -> would. Diese Regeln können wegfallen, wenn wir (28iii) so ändern, daß entweder C oder M, aber nicht beides, gewählt werden kann. Aber dann müßten die Formen would, could, might und should zu (28 iv) hinzugefügt werden, und gewisse 'Zeitfolge'-Aussagen werden komplexer. Es ist für unsere weitere Diskussion unwesentlich, welche dieser alternativen Analysen übernommen wird. Verschiedene andere kleine Verbesserungen sind möglich. Man beachte, daß wir, um (29 i) in (30) anzuwenden, die Tatsache benutzen mußten, daß the + man eine Nominalphrase im Singular, NPsing, ist. Das heißt, wir mußten zu einem früheren Schritt der Ableitung zurückkehren, um die Bestandteil-Struktur von the + man zu bestimmen. (Die Alternative, (29 i) und die Regel, die NPsing verwandelt, in der Weise zu ordnen, daß (29 i) dem letzteren vorausgeht, ist aus einer Vielfalt von Gründen, von denen einige

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weiter unten erscheinen, nicht möglich.) (29 i) geht also, genau wie (26), über den elementaren Markovschen Charakter der PhrasenStruktur-Grammatik hinaus und kann nicht in die [ , F]-Grammatik eingefügt werden. Regel (29 ii) verletzt die Forderungen der [ , F]-Grammatik noch ernster. Auch sie verlangt Bezugnahme auf die Bestandteil-Struktur (d. h., auf die vorhergehende Ableitungs-Geschichte), und darüber hinaus haben wir keine Möglichkeit, die geforderte Umkehrung mit den Mitteln der Phrasen-Struktur auszudrücken. Man beachte, daß diese Regel auch sonst in der Grammatik nützlich ist, zumindest in dem Fall, wo Afdic Endung ing ist. So spielen die Morpheme to und ing eine sehr ähnliche Rolle innerhalb der Nominalphrase, indem sie aus Verbalphrasen Nominalphrasen machen, wobei sich beispielsweise ergibt: ,*>^ (32)

( To prove that theorem) ,._ , _, . was difficult. 4 / Proving that theorem )

usw. Wir können diese Parallele ausnutzen, indem wir zur Grammatik (13) die Regel

(33)

NP

mg

VP

hinzufügen. Regel (29ii) wird dann ing + prove + that + theorem in proving # that + theorem verwandeln. Eine detaillierte Analyse von VP zeigt, daß diese Parallele in der Tat noch weiter als hier reicht. Der Leser kann leicht feststellen, daß, um die Wirkung von (28iii) und (29) zu kopieren, ohne die Grenzen[eines [ , F]-Systems der Phrasenstruktur zu überschreiten, es notwendig wäre, eine ziemlich komplexe Aussage zu machen. Einmal mehr sehen wir, wie im Fall der Konjunktion, daß eine bedeutende Vereinfachung der Grammatik möglich ist, wenn es uns erlaubt wird, Regeln eines komplexeren Typs als diejenigen, die einem System der Analyse unmittelbarer Bestandteile angehören, zu formulieren. Indem wir

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uns die Freiheit von (29 ii) nahmen, konnten wir die Zusammensetzung der Hilfsverb-Phrase in (28iii) ohne Rücksicht auf die gegenseitige Abhängigkeit ihrer Elemente bestimmen, und es ist immer leichter, eine Folge von voneinander unabhängigen Elementen zu beschreiben als eine Folge von gegenseitig abhängigen. Um dasselbe anders zu fassen: in der Hilfsverb-Phrase haben wir wirklich diskontinuierliche Elemente — z. B., in (30) die Elemente have...en und be...ing. Aber Diskontinuitäten können innerhalb von [ , F]-Grammatiken nicht gehandhabt werden.6 In (28iii) behandelten wir diese Elemente als kontinuierlich und führten die Diskontinuität durch die sehr einfache zusätzliche Regel (29 ii) ein. Wir werden unten in §7 sehen, daß diese Analyse des Elements Verb als Basis für eine weitreichende und äußerst einfache Analyse verschiedener wichtiger Züge der englischen Syntax dient. 5.4 Als drittes Beispiel der Unangemessenheit der Konzeptionen der Phrasen-Struktur wollen wir den Fall der Aktiv-Passiv-Beziehung betrachten. Passivsätze werden durch die Wahl des Elements 6

Wir könnten versuchen, die Begriffe der Phrasen-Struktur so auszuweiten, daß sie auch Diskontinuitäten erklären können. Es ist aber verschiedene Male gezeigt worden, daß bei jedem systematischen Versuch, diesen Kurs zu verfolgen, ziemlich ernsthafte Schwierigkeiten entstehen. Vgl. mein "Systems of syntactic analysis", Journal of Symbolic Logic, 18 (1953), 242-256; C. F. Hockett, "A formal statement of morphemic analysis", Studies in Linguistics, 10 (1952), 27-39; ders., "Two models of grammatical description", Linguistics Today, Word, 10 (1954), 210-233. Oder man könnte versuchen, einige der anderen Mängel der [ , F]-Grammatiken durch eine komplexere Analyse der PhrasenStruktur zu beheben. Ich glaube, solch ein Ansatz ist nicht ratsam, denn er führt nur zu momentanen und fruchtlosen Verfeinerungen. Es scheint offenbar der Fall zu sein, daß die Begriffe der Phrasen-Struktur für einen kleinen Teil der Sprache ganz angemessen sind und daß der Rest der Sprache abgeleitet werden kann durch wiederholte Anwendung einer ziemlich einfachen Menge von Transformationen auf die Ketten, die von der Phrasen-Struktur-Grammatik gegeben werden. Bei dem Versuch, die Phrasen-Struktur-Grammatik so auszuweiten, daß sie die gesamte Sprache direkt erfaßt, würden wir die Einfachheit der begrenzten Phrasen-Struktur-Grammatik und der transformativen Weiterentwicklung verlieren. Dieser Ansatz würde den Hauptzweck der EbenenBildung verfehlen (vgl. den ersten Absatz von § 3.1), nämlich die ungeheuere Komplexheit der tatsächlichen Sprache elegant und systematisch nachzubauen, indem der Beitrag der verschiedenen sprachlichen Ebenen — deren jede für sich einfach ist — zu dieser Komplexheit abgesondert wird.

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be + en in Regel (28iii) gebildet. Aber es sind schwerwiegende Einschränkungen bei diesem Element vorhanden, wodurch es unter den anderen Elementen der Hilfsverb-Phrase zum Sonderfall wird. Zum einen kann be + en nur dann gewählt werden, wenn das folgende V transitiv ist (z. B., was + eaten ist erlaubt, aber nicht was + occurred); dagegen können die anderen Elemente der HilfsverbPhrase mit wenigen Ausnahmen frei mit Verben auftreten. Weiterhin kann be + en nicht gewählt werden, wenn auf das Verb eine Nominal-Phrase folgt wie in (30) (z. B. kann allgemein nicht NP + is + V + en + NP vorkommen, selbst wenn V transitiv ist — wir dürfen nicht Lunch is eaten John bekommen). Weiter: wenn V transitiv ist und gefolgt wird von der Präpositional-Phrase by + NP, dann MÜSSEN wir be -f en wählen (wir dürfen Lunch is eaten by John bekommen, aber nicht John is eating by lunch, usw.). Schließlich beachte man, daß wir bei der Ausarbeitung von (13) zu einer voll entwickelten Grammatik viele Einschränkungen für die Wahl von V mithilfe von Subjekt und Objekt verfügen müssen, um Sätze wie John admires sincerity, Sincerity frightens John, John plays golf, John drinks wine zuzulassen und die 'umgekehrten' Nicht-Sätze7 Sincerity admires John, John frightens sincerity, Golf plays John und Wine drinks John auszuschließen. Aber dieses ganze Netz von Einschränkungen versagt vollständig, wenn wir be + en als Teil des Hilfsverbs wählen. In der Tat gelten in diesem Fall dieselben Auswahl-Abhängigkeiten, aber in umgekehrter Reihenfolge. Das heißt: für jeden Satz NPi — V — NPz können wir den entsprechenden Satz NPZ — is + V + en — by + NP\ haben. Wenn wir versuchen, das Passiv direkt in die Grammatik (13) einzufügen, werden wir alle diese Einschränkungen in der entgegengesetzten Reihenfolge für den Fall, daß be + en als Teil des Hilfsverbs gewählt wird, neu zu 7

Auch hier könnten wir den Begriff der Grammatikalitäts-Ebene, wie er in Fußnote 2, S. 41, vorgeschlagen wird, verwenden. So ist sincerity admires John, obwohl deutlich ungrammatischer als John adfnires sincerity, sicherlich grammatischer als of admires John. Ich glaube, ein brauchbarer Begriff des Grammatikalitäts-Grades kann mit rein formalen Mitteln entwickelt werden (vgl. mein The logical structure of linguistic theory), aber dies geht über die Grenzen der gegenwärtigen Diskussion hinaus. Siehe § 7.5 wegen eines noch stärkeren Beweises dafür, daß im Passiv Umkehrung notwendig ist.

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bestimmen haben. Diese unelegante Verdoppelung sowie die besonderen Einschränkungen zum Element be + en können nur dann vermieden werden, wenn wir die Passiva freiwillig aus der PhrasenStruktur-Grammatik ausschließen und sie durch eine Regel wie die folgende wieder einführen: (34) Wenn Si ein grammatischer Satz der Form NPi — Aux— V— NP2 ist, dann ist die entsprechende Kette von der Form NP2 — Aux + be + en—V—by + NPi ebenfalls ein grammatischer Satz. Zum Beispiel: wenn John — C — admire — sincerity ein Satz ist, dann ist sincerity — C + be + en — admire — by + John (was durch (29) und (19) zu Sincerity is admired by John wird) ebenfalls ein Satz. Wir können jetzt das Element be + en und alle besonderen Einschränkungen, die damit verknüpft sind, aus (28iii) herausnehmen. Die Tatsache, daß be -\- en ein transitives Verb erfordert, daß es nicht vor V + NP auftreten darf, daß es vor V + by + NP (wobei V transitiv ist) auftreten muß, daß es die Reihenfolge der umgebenden Nominal-Phrasen umkehrt, ist in jedem Fall eine automatische Folge von Regel (34). Diese Regel fuhrt also zu einer beträchtlichen Vereinfachung der Grammatik. Aber (34) liegt schon ein gutes Stück jenseits der Grenzen der [ , F]-Grammatik. Wie (29 ii) fordert sie den Bezug auf die Bestandteil-Struktur der Kette, auf die sie angewandt wird, und sie führt eine Umkehrung dieser Kette in strukturell bestimmter Weise durch. 5.5 Wir haben drei Regeln ((26), (29), (34)) diskutiert, die die Beschreibung des Englischen erheblich vereinfachen aber nicht in eine [ , F]-Grammatik eingefügt werden können. Es gibt noch viele andere Regeln dieses Typs, von denen wir einige wenige unten diskutieren werden. Durch weitere Untersuchungen der Grenzen der Phrasen-Struktur-Grammatiken mit dem Blick auf das Englische können wir ganz schlüssig zeigen, daß diese Grammatiken so

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hoffnungslos komplex sein werden, daß sie uninteressant sind, falls wir nicht solche Regeln einführen. Wenn wir die Tragweite dieser zusätzlichen Regeln sorgfältig studieren, sehen wir jedoch, daß sie zu einer ganz neuen Konzeption der sprachlichen Struktur führen. Wir wollen jede solche Regel eine 'grammatische Transformation' nennen. Eine grammatische Transformation T wirkt auf eine gegebene Kette (oder wie im Fall (26) auf eine Menge von Ketten) mit einer gegebenen BestandteilStruktur und verwandelt sie in eine neue Kette mit einer neuen abgeleiteten Bestandteil-Struktur. WIE diese Operation durchgeführt wird, erfordert eine sehr detaillierte Untersuchung, die weit über das Ziel dieser Bemerkungen hinausgehen würde; allerdings können wir in der Tat eine gewisse Transformationsalgebra, die zwar komplex, aber vernünftig und natürlich ist, entwickeln; sie wird die Eigenschaften haben, die wir offensichtlich für die grammatische Beschreibung brauchen.8 An diesen wenigen Beispielen können wir schon einige der wesentlichen Eigenschaften einer Transformationsgrammatik entdecken. Zum einen ist es klar, daß wir eine Anwendungsfolge unter diesen Transformationen definieren müssen. Die Passiv-Transformation (34) beispielsweise muß VOR (29) angewendet werden. Sie muß insbesondere (29i) vorausgehen, so daß das Verbal-Element im sich ergebenden Satz dieselbe Zahl wie das neue grammatische Subjekt des Passiv-Satzes haben wird. Und sie muß (29ii) vorausgehen, so daß letztere Regel auf das neueingefügte Element be + en richtig angewandt werden kann. (Bei der Diskussion der Frage, ob (29 i) in eine [ , F]-Grammatik eingepaßt werden kann, erwähnten wir, daß diese Regel nicht vor der Regel, die NPSing in the + man usw. auflöst, angewandt werden kann. Ein Grund dafür ist nun offensichtlich — (29 i) muß nach (34) angewandt werden, aber (34) 8

Siehe mein "Three models for the description of language" (oben S. 25, Fn. 3) wegen einer kurzen Erklärung der Transformationen und weiterhin The logical structure of linguistic theory und Transformational Analysis wegen einer detaillierten Darstellung der Transformations-Algebra und der TransformationsGrammatiken. Siehe Z. S. Harris, "Cooccurrence and Transformations in linguisiic structure", Language, 33 (1957), 283-340 wegen eines etwas anderen Ansatzes der Transformations-Analyse.

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muß nach der Analyse von NPstng angewandt werden, oder wir werden nicht die richtigen Auswahl-Beziehungen zwischen Subjekt und Verb und dem Verb und dem 'Agens' im Passiv haben.) Zweitens beachte man, daß gewisse Transformationen OBLIGATORISCH, während undere nur FREIGESTELLT, optional, sind. Zum Beispiel muß (29) auf jede Ableitung angewandt werden, oder das Ergebnis wird einfach kein Satz sein.9 Aber (34), die Passiv-Transformation, kann in einem besonderen Fall angewandt werden oder nicht. In beiden Fällen ist das Ergebnis ein Satz. Daher ist (29) eine obligatorische Transformation und (34) eine freigestellte Transformation. Diese Unterscheidung zwischen obligatorischen und freigestellten Transformationen bringt uns dazu, eine grundsätzliche Unterscheidung unter den Sätzen der Sprache zu treffen. Angenommen, wir haben eine Grammatik G mit einem [ , F]-Teil und einem Transformationsteil, und angenommen, der Transformationsteil hat gewisse obligatorische Transformationen und gewisse freigestellte. Dann definieren wir den KERN der Sprache (im Sinne der Grammatik G) als die Menge der Sätze, die hervorgebracht werden, wenn wir obligatorische Transformationen auf die Terminal-Ketten der [ , F]-Grammatik anwenden. Der Transformationsteil der Grammatik wird derart aufgestellt werden, daß Transformationen auf Kern-Sätze angewendet werden können (genauer gesprochen: auf Formen, die Kern-Sätzen zugrundeliegen — d. h., auf TerminalKetten des [ , F]-Teils der Grammatik) oder auf frühere Transformen. Jeder Satz der Sprache wird also entweder zum Kern gehören oder aber von den Ketten, die einem oder mehreren KernSätzen zugrundeliegen, durch die Folge von einer oder mehreren Transformationen abgeleitet sein. Durch diese Betrachtungen werden wir zu einem Grammatikbild geführt, das eine natürliche dreiteilige Anordnung besitzt. Ent9

Aber von den drei Teilen von (29i) ist nur der dritte obligatorisch. Das heißt, Vergangenheit kann nach NP,i„e oder NPpi auftreten. Immer wenn wir ein Element wie C in (29i) haben, das entfaltet werden muß, aber unter Umständen mit verschiedenen Alternativen, können wir die Alternativen ordnen und jede — außer der letzten — freistellen und die letzte obligatorisch machen.

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sprechend der Ebene der Phrasen-Struktur hat eine Grammatik eine Folge von Regeln der Form X -+ Y, und entsprechend den niederen Ebenen hat sie eine Folge von morphophonemischen Regeln derselben Grundform. Zur Verknüpfung dieser zwei Folgen hat sie eine Folge von Transformationsregeln. Also wird die Grammatik etwa folgendermaßen aussehen: (35)

: Satz F: Xi -> Yi Phrasen-Struktur Xn -*·

Ti

Transformations-Struktur T; Zj -> Wi

Morphophonemik •-m ->· W, "m '

Um einen Satz mit einer solchen Grammatik zu produzieren, konstruieren wir eine erweiterte Ableitung, mit Satz beginnend. Indem wir die Regeln von F durchlaufen, konstruieren wir eine TerminalKette, die eine Folge von Morphemen sein wird, obwohl nicht notwendig in den korrekten Reihenfolge. Wir durchlaufen dann die Folge von Transformationen 7 , ... Tj, indem wir alle obligatorischen und vielleicht gewisse freigestellte anwenden. Diese Transformationen können Ketten neu ordnen oder Morpheme hinzufügen oder tilgen. Als Ergebnis bringen sie eine Kette von Wörtern. Wir durchlaufen dann die morphophonemischen Regeln, wobei wir diese Kette von Wörtern in eine Kette von Phonemen verwandeln. Der Phrasen-Struktur-Teil der Grammatik wird Regeln wie (13), (17) und (28) umfassen. Der Transformations-Teil wird Regeln wie (26), (29) und (34) enthalten, richtig formuliert mit Mitteln, die in einer ausgebauten Theorie der Transformationen entwickelt werden müssen. Der morphophonemische Teil wird Regeln wie (19) enthalten. Diese Skizze vom Erzeugungsprozeß von Sätzen muß (und kann leicht) verallgemeinert werden, um das richtige Funktionieren

GRENZEN DER PHRASEN-STRUKTUR-BESCHREIBUNG

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solcher Regeln wie (26), die auf eine Menge von Sätzen wirken, zu erlauben und um darüber hinaus den Transformationen zu erlauben, sich auf Transformen wieder anwenden zu lassen, so daß immer komplexere Sätze produziert werden können. Wenn wir nur obligatorische Transformationen bei der Erzeugung eines gegebenen Satzes anwenden, nennen wir den sich ergebenden Satz einen Kern-Satz. Weitere Forschung würde zeigen, daß wir aus der Phrasen-Struktur und aus den morphophonemischen Teilen der Grammatik ebenfalls ein Gerüst von obligatorischen Regeln herausziehen können, die immer dann angewendet werden MÜSSEN, wenn wir sie im Prozeß der Satz-Erzeugung erreichen. In den letzten Abschnitten von § 4 wiesen wir darauf hin, daß die Phrasen-Struktur-Regeln zu einer Konzeption der sprachlichen Struktur und der 'Darstellungsebene' führen, die grundsätzlich anders ist als diejenige, die von den morphophonemischen Regeln geliefert wird. Auf jeder der niederer Ebenen, die dem unteren Drittel der Grammatik entsprechen, wird eine Äußerung allgemein durch eine einzelne Folge von Elementen dargestellt. Aber die Phrasen-Struktur kann nicht in Unterebenen aufgeteilt werden: auf der Ebene der Phrasen-Struktur wird eine Äußerung durch eine Menge von Ketten dargestellt, die nicht in höhere oder tiefere Ebenen eingeordnet werden können. Die Menge der darstellenden Ketten ist mit einem Diagramm der Form (15) äquivalent. Auf der Transformationsebene wird eine Äußerung sogar noch abstrakter dargestellt, nämlich mittels einer Folge von Transformationen, durch die sie letztlich von Kern-Sätzen abgeleitet wird (genauer: von Ketten, die Kern-Sätzen zugrundeliegen). Es gibt eine sehr natürliche allgemeine Definition von 'sprachlicher Ebene', die alle diese Fälle umfaßt10, und — wie wir später sehen werden — gibt es guten Grund, jede dieser Strukturen als sprachliche Ebene anzusehen. Wenn die Transformations-Analyse richtig formuliert wird, finden wir, daß sie wesentlich stärker ist als die Beschreibung mit den Mitteln der Phrasenstruktur, genau wie letztere wesentlich stärker 10

Vgl. The logical structure of linguistic theory und Transformational Analysis.

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ist als die Beschreibung mittels Markovprozessen mit endlichen Zuständen, die Sätze von links nach rechts erzeugen. Insbesondere können Sprachen wie (lOiii), die jenseits der Grenzen der PhrasenStruktur-Beschreibung mit kontext-freien Regeln liegen, transformativ abgeleitet werden.11 Es ist wichtig zu sehen, daß die Grammatik erheblich vereinfacht wird, wenn wir eine TransformationsEbene hinzufügen, denn es ist jetzt nur notwendig, die PhrasenStruktur direkt für Kern-Sätze bereitzustellen — die TerminalKetten der [ , F]-Grammatik sind genau diejenigen, die den KernSätzen zugrundeliegen. Wir wählen die Kern-Sätze so, daß die Terminal-Ketten, die dem Kern zugrundeliegen, leicht mittels einer [ , F]-Beschreibung abgeleitet werden können, während alle anderen Sätze aus diesen Terminal-Ketten durch einfach zu bestimmende Transformationen abgeleitet werden können. Wir haben verschiedene Beispiele für Vereinfachung, die sich aus der transformativen Analyse ergeben, gesehen und werden unten weitere sehen. Eine umfassende Erforschung der englischen Syntax liefert noch viele weitere Fälle. Ein weiterer Punkt der Grammatiken von der Form (35) verdient Erwähnung, da er offenbar zu einigen Mißverständnissen geführt hat. Wir haben diese Grammatiken als Vorrichtungen zur Erzeugung von Sätzen beschrieben. Diese Formulierung hat gelegentlich zu der Auffassung geführt, daß es eine gewisse Asymmetrie in der grammatischen Theorie gibt, und zwar in dem Sinne, daß die Grammatik mehr den Standpunkt des Sprechers einnimmt als den des Hörers; daß sie mehr mit dem Prozeß der Hervorbringung von Äußerungen befaßt ist als mit dem 'umgekehrten' Prozeß der Analyse und Rekonstruktion von Strukturen gegebener Äußerungen. Tatsächlich sind Grammatiken der Form, die wir diskutiert haben, ganz neutral gegenüber dem Sprecher und dem 11

G soll eine [ , F]-Grammatik sein mit der Anfangs-Kette Satz und mit der Menge aller endlichen Ketten von es und bs als End-Output. Es gibt eine solche Grammatik. G' soll die Grammatik sein, die G als ihren PhrasenStruktur-Teil enthält, ergänzt durch die Transformation T, die auf jede Kette K, die ein Satz ist, wirkt, indem sie sie in K + K verwandelt. Dann wird der Output von G' genau (lOiii) sein. Vgl. S. 36.

GRENZEN DER PHRASEN-STRUKTUR-BESCHREIBUNG

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Hörer, also gegenüber der Synthese und der Analyse von Äußerungen. Eine Grammatik sagt uns weder, wie wir eine bestimmte Äußerung zusammensetzen müssen, noch wie wir eine besondere gegebene Äußerung zu analysieren haben. In der Tat sind diese zwei Aufgaben, die Sprecher und Hörer erfüllen müssen, wesentlich dieselben und sind beide außerhalb der Ziele von Grammatiken der Form (35). Jede derartige Grammatik ist einfach eine Beschreibung einer gewissen Menge von Äußerungen, nämlich von solchen, die sie erzeugt. Aufgrund dieser Grammatik können wir die formalen Beziehungen, die unter diesen Äußerungen gelten, mittels der Begriffe der Phrasen-Struktur, der Transformations-Struktur usw. rekonstruieren. Vielleicht kann diese Frage durch eine Analogie mit einem Teil der chemischen Theorie, die sich mit strukturell möglichen Verbindungen befaßt, verdeutlicht werden. Von dieser Theorie könnte man sagen, daß sie alle physikalisch möglichen Verbindungen erzeugt, genau wie eine Grammatik alle grammatisch 'möglichen' Äußerungen erzeugt. Sie würde als theoretische Basis für die Techniken der qualitativen Analyse und Synthese spezieller Verbindungen dienen, genau wie man sich bei der Untersuchung solch spezieller Probleme wie der Analyse und Synthese von bestimmten Äußerungen auf eine Grammatik stützen könnte.

Ü B E R DIE ZIELE DER SPRACH-THEORIE

6.1 In den §§ 3, 4 wurden zwei Modelle für die Sprach-Struktur entwickelt: ein einfaches kommunikationstheoretisches Modell und eine formalisierte Abart der Analyse unmittelbarer Bestandteile. Jede wurde für unangemessen befunden, und in § 5 schlug ich eine stärkeres Modell vor, das Phrasen-Struktur und grammatische Transformationen in sich vereint und jene Unangemessenheit heilen könnte. Bevor ich nun darin fortfahre, diese Möglichkeit zu untersuchen, möchte ich gewisse Gesichtspunkte klären, die dem ganzen Ansatz dieser Studie zugrundeliegen. Das, was uns bei dieser Diskussion der Sprach-Struktur grundsätzlich beschäftigt, ist das Problem, wie Grammatiken zu rechtfertigen sind. Eine Grammatik der Sprache L ist wesentlich eine Theorie von L. Jede wissenschaftliche Theorie basiert auf einer endlichen Anzahl von Beobachtungen, und sie versucht, die beobachteten Phänomene aufeinander zu beziehen und neue vorauszusagen, indem sie allgemeine Gesetze mittels hypothetischer Konstrukte wie (etwa in der Physik) 'Masse' oder 'Elektron' aufstellt. In ähnlicher Weise basiert eine Grammatik des Englischen auf einer endlichen Sammlung von Äußerungen (Beobachtungen), und wird gewisse grammatische Regeln (Gesetze) enthalten, die mittels der besonderen Phoneme, Phrasen usw. des Englischen (hypothetische Konstrukte) bestimmt werden. Diese Regeln drücken strukturelle Beziehungen unter den Sätzen der Sammlung und der unbegrenzten Anzahl von Sätzen aus, die von der Grammatik über die Sammlung hinaus erzeugt werden (Voraussagen). Unser Problem ist es, Kriterien zu entwickeln und zu klären, mit denen man die richtige Grammatik für jede Sprache auswählen kann, d. h., die korrekte Theorie für diese Sprache.

ÜBER DIE ZIELE DER SPRACH-THEORIE

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Zwei Arten von Kriterien wurden in §2.1 erwähnt. Natürlich wird jede Grammatik gewisse ÄUSSERE BEDINGUNGEN DER ANGEMESSENHEIT zu erfüllen haben; z. B. werden die erzeugten Sätze für den natürlichen Sprecher der betreffenden Sprache annehmbar sein müssen. In § 8 werden wir verschiedene andere äußere Bedingungen dieser Art betrachten. Weiterhin stellen wir eine BEDINGUNG DER ALLGEMEINHEIT für Grammatiken auf; wir fordern, daß die Grammatik einer gegebenen Sprache in Einklang mit einer spezifischen Theorie der Sprach-Struktur konstruiert wird, in der Termini wie 'Phonem' oder 'Phrase' unabhängig von einer bestimmten Sprache definiert werden.1 Falls wir entweder die äußeren Bedingungen oder die Forderung nach Allgemeinheit fallen lassen, wird es keine Möglichkeit geben, unter einer riesigen Anzahl von gänzlich verschiedenen 'Grammatiken', die jeweils mit einer gegebenen Sammlung vereinbar sind, eine Auswahl zu treffen. Aber diese Forderungen zusammen bieten uns — wie wir in § 2. l sahen — einen sehr strengen Angemessenheitstest für eine allgemeine Theorie der Sprach-Struktur und für die Menge von Grammatiken, die sie für bestimmte Sprachen liefert. Man beachte, daß weder die allgemeine Theorie noch die besonderen Grammatiken aus dieser Sicht für alle Zeit festgelegt sind. Fortschritt und Verbesserung können aus der Entdeckung neuer Tatsachen über bestimmte Sprachen oder aus rein theoretischer Einsicht in den Zusammenhang sprachlicher Daten — d. h., aus neuen Modellen für die Sprach-Struktur — resultieren. Auch bewegen wir uns bei dieser Konzeption nicht im Kreis. Jederzeit können wir versuchen, sowohl die allgemeine Theorie als auch die Menge der damit verknüpften Grammatiken, die empirische, äußere Bedingungen der Angemessenheit erfüllen müssen, so präzis wie möglich zu formulieren. 1

Ich nehme an, diese zwei Bedingungen sind dem ähnlich, was Hjelmslev im Sinn hat, wenn er von der ZWECKDIENLICHKEIT, appropriateness, und BELIEBIGKEIT, arbitrariness, der Sprach-Theorie spricht. Vgl. L. Hjelmslev, Prolegomena to a theory of language = Memoir 7, Indiana University Publications in Anthropology and Linguistics (Baltimore, 1953), S. 8. Siehe auch in diesem Zusammenhang Hocketts Diskussion der 'Metakriterien' für die Linguistik ("Two models of grammatical description", Linguistics Today, Word 10, 1954, 232-233).

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ÜBER DIE ZIELE DER SPRACH-THEORIE

Wir haben folgende sehr wesentliche Frage noch nicht gestellt: Welche Beziehung besteht zwischen der allgemeinen Theorie und den besonderen Grammatiken, die aus ihr folgen? Mit anderen Worten, welchen Sinn hat der Begriff 'folgen aus' in diesem Zusammenhang? Genau an dieser Stelle wird unser Ansatz scharf von vielen anderen Theorien der Sprach-Struktur abweichen. Die strengste Forderung, die an die Beziehung zwischen einer Theorie der Sprach-Struktur und besonderen Grammatiken gestellt werden kann, ist, daß die Theorie eine praktikable und mechanische Methode liefert, mit der man die Grammatik wirklich konstruiert, wenn eine Sammlung von Äußerungen gegeben ist. Wir wollen sagen, daß uns solch eine Theorie ein FINDUNGS-VERFAHREN, discovery procedure, liefert. Eine schwächere Forderung würde es sein, daß die Theorie eine praktikable, und mechanische Methode liefert, mit der man entscheidet, ob eine für eine gegebene Sammlung vorgeschlagene Grammatik tatsächlich die beste Grammatik für die Sprache ist, der diese Sammlung entnommen wurde. Von einer solchen Theorie, die sich nicht um die Frage kümmert, WIE diese Grammatik konstruiert wurde, könnte man sagen, daß sie ein ENTSCHEIDUNGS-VERFAHREN, decision procedure, für Grammatiken liefert. Eine noch schwächere Forderung würde es sein, daß uns bei Vorgabe einer Sammlung und zweier vorgeschlagener Grammatiken Gi und G2 die Theorie sagt, welche die bessere Grammatik der Sprache ist, der die Sammlung entnommen wurde. In diesem Fall könnten wir sagen, daß die Theorie ein BEWERTUNGS-VERFAHREN, evaluation procedure, liefert. Diese Theorien können graphisch folgendermaßen dargestellt werden:

(36)

(i)

Sammlung

Grammatik

ÜBER DIE ZIELE DER SPRACH-THEORIE

(ü)

(iii)

Grammatik

ja

Sammlung

nein

Gi

Gi

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G2

Sammlung

Figur (36i) stellt eine Theorie dar, die als Maschine mit einer Sammlung als Input und einer Grammatik als Output vorgestellt wird; also eine Theorie, die ein Hindungs-Verfahren liefert. (36ii) ist eine Vorrichtung mit einer Grammatik und einer Sammlung als Input und den Antworten 'ja' oder 'nein' als Output, denn die Grammatik ist entweder die richtige oder nicht; es stellt also eine Theorie dar, die ein Entscheidungs-Verfahren für Grammatiken liefert. (36 iii) stellt eine Theorie dar mit den Grammatiken GI und G2 und einer Sammlung als Input und dem unter GI und G2 Vorzuziehenden als Output; also eine Theorie, die ein Bewertungs-Verfahren für Grammatiken liefert.2 Der Standpunkt, der hier eingenommen wird, ist der, daß man von einer Sprach-Theorie vernünftigerweise nicht mehr verlangen soll als ein praktikables Bewertungs-Verfahren für Grammatiken. Das bedeutet, daß wir die schwächste von den drei oben beschriebenen Positionen einnehmen. Nach meiner Interpretation der meisten sorgfältigeren Vorschläge zur Entwicklung der SprachTheorie3 versuchen sie die strengste dieser drei Forderungen zu er2

Die Grundfrage wird nicht verändert, wenn wir bereit sind, eine kleine Menge korrekter Grammatiken statt einer einzelnen zu akzeptieren. 3 Z. B., B. Bloch, "A set of postulates for phonemic analysis", Language, 24 (1948), 3-46; N. Chomsky, "Systems of syntactic analysis", Journal of Symbolic Logic, 18 (1953), 242-256; Z. S. Harris, "From phoneme to morpheme", Language, 31 (1955), 190-222; ders., Methods in structural linguistics (Chicago, 1951); C. F. Hockett, "A formal statement of morphemic analysis",

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ÜBER DIE ZIELE DER SPRACH-THEORIE

füllen, d. h., sie versuchen, Methoden der Analyse zu bestimmen, die ein Forscher tatsächlich bei der Konstruktion einer Grammatik einer Sprache direkt aus den Rohmaterialien anwenden könnte, wenn er Zeit hätte. Ich meine, es ist sehr fraglich, ob dieses Ziel überhaupt in irgendeiner interessanten Weise erreicht werden kann, und ich habe den Verdacht, daß jeder Versuch in dieser Richtung in ein Labyrinth von immer weiter ausgearbeiteten und komplexeren analytischen Verfahren führt, die auf viele wichtige Fragen nach dem Wesen der Sprach-Struktur keine Antworten geben werden. Ich glaube, wenn wir unsere Blicke auf das bescheidenere Ziel, ein Bewertungs-Verfahren für Grammatiken zu entwickeln, richten, können wir unsere Aufmerksamkeit klarer auf die wirklich wesentlichen Probleme der Sprach-Struktur konzentrieren und zu Antworten kommen, die eher befriedigen. Die Richtigkeit dieses Urteils kann nur durch die tatsächliche Entwicklung und durch den Vergleich von Theorien dieser verschiedenen Arten festgestellt werden. Man beachte jedoch, daß die schwächste dieser drei Forderungen noch streng genug ist, um die Bedeutsamkeit einer Theorie, die ihr genügt, zu garantieren. Es gibt wenige Gebiete der Wissenschaft, in denen man ernsthaft die Möglichkeit erwägen würde, eine allgemeine, praktikable und mechanische Methode zu entwickeln, um unter verschiedenen Theorien auszuwählen, von denen jede mit den verfügbaren Daten vereinbar ist. Studies in Linguistics, 10 (1952), 27-39; ders., "Problems of morphemic analysis", Language, 23 (1947), 321-343; R. S. Wells, "Immediate constituents", Language, 23 (1947), 81-117 und viele andere Arbeiten. Obwohl FindungsVerfahren das erklärte Ziel dieser Arbeiten sind, finden wir oft bei sorgfältiger Prüfung, daß die Theorie, die tatsächlich konstruiert wurde, nicht mehr als ein Bewertungsverfahren für Grammatiken liefert. Hockett, etwa, bestimmt sein Ziel in "A formal statement of morphemic analysis" als Ausarbeitung "formaler Verfahren, mit denen man von Grund auf bis zur vollständigen Beschreibung des Musters einer Sprache arbeiten kann" (S. 27); aber was er wirklich tut, ist, einige formale Eigenschaften einer morphologischen Analyse zu beschreiben und dann ein 'Kriterium' vorzuschlagen, "durch das die relative Leistungsfähigkeit zweier möglicher morphischer Lösungen bestimmt werden kann; mit diesem können wir die maximal leistungsfähige Möglichkeit auswählen oder jede beliebige von denen, die gleich leistungsfähig, aber leistungsfähiger als alle anderen sind" (S. 29).

ÜBER DIE ZIELE DER SPRACH-THEORIE

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Bei jeder dieser Konzeptionen der Sprach-Theorie haben wir die Art des Verfahrens durch das Wort 'praktikabel' charakterisiert. Diese vage Bestimmung ist für eine empirische Wissenschaft wesentlich. Angenommen beispielsweise, wir hätten Grammatiken zu bewerten, indem wir eine so einfache Eigenschaft wie Länge mäßen. Dann wäre es korrekt zu sagen, wir hätten ein praktikables Bewertungs-Verfahren für Grammatiken, da wir die Anzahl der in ihnen enthaltenen Symbole zählen könnten; und es wäre auch im eigentlichen Sinn korrekt su zagen, daß wir ein Findungs-Verfahren besäßen, da wir alle Folgen aus der endlichen Anzahl von Symbolen, aus denen Grammatiken konstruiert werden, mittels der Länge ordnen können, und wir können jede dieser Folgen darauf prüfen, ob sie eine Grammatik ist, indem wir nämlich sicher sein können, nach einer endlichen Zeitspanne die kürzeste Folge, die sich als Grammatik qualifiziert, zu finden. Aber dies ist nicht die Art von Findungs-Verfahren, die jene im Auge haben, die die strengste Forderung, wie sie oben diskutiert wurde, zu erfüllen versuchen. Angenommen, wir verwenden das Wort 'Einfachheit', wenn wir Bezug nehmen auf die Menge der formalen Eigenschaften von Grammatiken, die wir bei der Auswahl unter ihnen betrachten werden. Dann gibt es drei Hauptaufgaben bei der Art des Programms für eine Sprach-Theorie, wie wir sie oben angeregt haben. Erstens ist es notwendig, die äußeren Kriterien für die Angemessenheit von Grammatiken präzise (wenn möglich mit operationalen und Verhaltens-Tests) zu bestimmen. Zweitens müssen wir die Form der Grammatiken in allgemeiner und eindeutiger Weise charakterisieren, so daß wir Grammatiken dieser Form tatsächlich für besondere Sprachen vorgeschlagen können. Drittens müssen wir den Begriff der Einfachheit analysieren und definieren, den wir bei der Wahl zwischen Grammatiken, die alle von angemessener Form sind, verwenden wollen. Die Erfüllung der zwei letzteren Aufgaben wird es uns ermöglichen, eine allgemeine Theorie der Sprach-Struktur zu formulieren, in der Begriffe wie 'Phonem in L', 'Phrase in L' oder 'Transformation in L' für eine beliebige Sprache L mittels der physikalischen und distributiven Eigenschaften der Äußerungen von L und mittels der formalen Eigenschaften der Grammatiken von

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ÜBER DIE ZIELE DER SPRACHE-THEORIE

L definiert werden.4 Z. B. werden wir die Menge der Phoneme von L als eine Menge von Elementen definieren, die bestimmte physikalische und distributive Eigenschaften haben und in der einfachsten Grammatik für L erscheinen. Wenn eine solche Theorie gegeben ist, können wir versuchen, Grammatiken für tatsächliche Sprachen zu konstruieren, und wir können bestimmen, ob die einfachsten Grammatiken, die wir dann finden werden (d. h., die Grammatiken, die uns die allgemeine Theorie auszuwählen zwingt), die äußeren Bedingungen der Angemessenheit erfüllen. Wir werden fortfahren, unsere Begriffe von Einfachheit und unsere Charakterisierung der Grammatik-Form zu revidieren, bis die Grammatiken, die von der Theorie ausgewählt werden, den äußeren Bedingungen genügen.5 Man beachte, daß diese Theorie uns nicht zu sagen braucht, wie man in irgendeiner praktikablen Weise wirklich daran geht, die Grammatik einer gegebenen Sprache aus einer Sammlung zu konstruieren. Aber sie muß uns sagen, wie eine solche Grammatik zu bewerten ist; sie muß es uns also ermöglichen, zwischen zwei vorgeschlagenen Grammatiken zu wählen. In den vorhergehenden Abschnitten dieser Studie haben wir uns mit der zweiten dieser drei Aufgaben befaßt. Wir haben angenommen, daß die Menge der grammatischen Sätze des Englischen gegeben sei und daß wir einen Begriff von Einfachheit hätten, und wir haben zu bestimmen versucht, welche Art von Grammatik genau die grammatischen Sätze in einfacher Weise erzeugen wird. Um dieses Ziel mit etwas anderen Termini zu formulieren, bemerkten wir oben, daß einer der Begriffe, der in der allgemeinen SprachTheorie definiert werden muß, 'Satz in L' ist. In die Definitionen hineinkommen werden solche Termini wie 'beobachtete Äußerung 4

Die Sprach-Theorie wird somit in einer Metasprache zu derjenigen Sprache formuliert sein, in der Grammatiken geschrieben sind — in einer Metametasprache zu jeder Sprache, für die eine Grammatik konstruiert wird. 5 Wir können in der Tat die Kriterien der Angemessenheit im Laufe der Untersuchung ebenfalls revidieren. Das heißt, wir können zu der Feststellung kommen, daß gewisse Tests nicht auf grammatische Phänomene anwendbar sind. Der materielle Gegenstand einer Theorie ist vor der Untersuchung nicht völlig bestimmt. Er wird teilweise bestimmt durch die Möglichkeit, eine organische und systematische Erklärung von einem gewissen Bereich von Phänomenen zu geben.

ÜBER DIE ZIELE DER SPRACH-THEORIE

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in L', 'Einfachheit der Grammatik von L' usw. Diese allgemeine Theorie befaßt sich dementsprechend damit, die Beziehung zwischen der Menge von grammatischen Sätzen und der Menge von beobachteten Sätzen zu klären. Unsere Untersuchung über die Struktur der ersteren Menge ist vorbereitend und geht von der Annahme aus, daß wir — bevor diese Beziehung klar zu charakterisieren ist — noch viel mehr über die formalen Eigenschaften jeder dieser Mengen wissen müssen. Unten in § 7 werden wir fortfahren, die relative Komplexheit der verschiedenen Weisen, die Struktur des Englischen zu beschreiben, zu untersuchen. Insbesondere werden wir uns mit der Frage beschäftigen, ob die ganze Grammatik vereinfacht wird, wenn wir eine bestimmte Klasse von Sätzen als Kern-Sätze betrachten oder als durch Transformation abgeleitet. Wir kommen so zu bestimmten Entscheidungen über die Struktur des Englischen. In § 8 werden wir zeigen, daß es eigenständige Gründe zugunsten unserer Methode, Grammatiken auszuwählen, gibt, d. h,, wir werden zu zeigen versuchen, daß die einfacheren Grammatiken gewisse äußere Bedingungen der Angemessenheit erfüllen, während die komplexeren Grammatiken, die verschiedene Entscheidungen bei der Zuschreibung von Sätzen zum Kern, usw., enthalten, diesen Bedingungen nicht genügen. Diese Ergebnisse können jedoch nicht mehr als Anregungen sein, solange wir vom verwendeten Begriff der Einfachheit keine strenge Rechenschaft ablegen. Ich denke, solche Rechenschaft kann abgelegt werden, aber das würde über das Ziel der vorliegenden Monographie hinausgehen. Trotzdem sollte es ziemlich klar sein, daß unter jeder vernünftigen Definition von 'Einfachheit der Grammatik' die meisten Entscheidungen über relative Komplexheit, die wir unten treffen, zu halten sein werden.6 6

Siehe mein The logical structure of linguistic theory wegen der Diskussion von Methoden, mit denen man Grammatiken mittels formaler EinfachheitsEigenschaften bewerten kann. Wir leugnen übrigens nicht den Nutzen von selbst nur zum Teil angemessenen Findungs-Verfahren. Sie können dem praktizierenden Linguisten wertvolle Hinweise liefern oder zu einer kleinen Menge von Grammatiken führen, die dann erst bewerten werden können. Unser Hauptpunkt ist, daß eine Sprach-Theorie nicht mit einem Leitfaden für nützliche Verfahren identifiziert werden sollte,

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ÜBER DIE ZIELE DER SPRACH-THEORIE

Man beachte, daß Einfachheit ein SYSTEMIMMANENTES Maß ist; das einzige letztgültige Kriterium bei der Bewertung ist die Einfachheit des ganzen Systems. In der Diskussion spezieller Fälle können wir nur zeigen, wie die eine oder die andere Entscheidung die gesamte Komplexheit berührt. Solch eine Bewertung kann nur versuchsweise durchgeführt werden, da wir durch die Vereinfachung eines Teils der Grammatik andere Teile komplizieren könnten. Nur wenn wir finden, daß die Vereinfachung eines Teils der Grammatik zu entsprechender Vereinfachung anderer Teile führt, fühlen wir, daß wir wirklich auf der richtigen Spur sind. Weiter unten werden wir zu zeigen versuchen, daß die einfachste transformative Analyse einer Klasse von Sätzen tatsächlich sehr oft den Weg zur einfacheren Analyse anderer Klassen ebnet. Kurz, wir werden nie die Frage erörtern, wie man zu der Grammatik gekommen sein könnte, dessen Einfachheit bestimmt wird; z. B., wie man die Analyse der Verbalphrase, die in § 5.3 dargestellt wird, entdeckt haben könnte. Fragen dieser Art sind nicht relevant für das Forschungsprogramm, das wir oben skizziert haben. Man kann zu einer Grammatik durch Intuition, Vermutung, alle Arten von bruchstückhaften methodologischen Hinweisen, Stützung auf Erfahrungen in der Vergangenheit usw. gelangen. Zweifellos kann man organische Rechenschaft von vielen nützlichen Analyse-Verfahren geben, aber es ist fraglich, ob diese streng, erschöpfend und einfach genug formuliert werden können, so daß sie sich als praktikables und mechanisches Findungs-Verfahren eignen würden. Jedenfalls liegt dieses Problem nicht innerhalb der Ziele unserer gegenwärtigen Untersuchung. Unser Endziel ist es, eine objektive und nicht-intuitive Möglichkeit zu liefern, wie man eine bereits dargestellte Grammatik bewerten und mit anderen vorgeschlagenen Grammatiken vergleichen kann. Wir sind also mehr daran interessiert, die Form von Grammatiken (und was das gleiche bedeutet: das Wesen der Sprach-Struktur) zu beschreiben und die empirischen Konsequenzen zu untersuchen, die sich daraus ergeben, daß man noch sollte man von ihr erwarten, daß sie mechanische Verfahren zur Findung von Grammatiken anbietet.

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ein bestimmtes Modell für die Sprach-Struktur übernimmt, als zu zeigen, wie man — im Prinzip — zu der Grammatik der Sprache gekommen sein könnte. 6.2 Wenn wir einmal jede Absicht aufgegeben haben, ein praktikables Findungs-Verfahren für Grammatiken zu entdecken, werden bestimmte Probleme, die Gegenstand intensiver methodologischer Kontroversen waren, einfach nicht mehr auftauchen. Man denke an das Problem der gegenseitigen Abhängigkeit von Ebenen. Es ist richtig gezeigt worden, daß die Sprach-Theorie tatsächlich durch Zirkularität zerstört werden kann, wenn Morpheme mittels Phonemen definiert und zugleich morphologische Überlegungen als relevant für die phonemische Analyse angesehen werden. Doch führt gegenseitige Abhängigkeit von Ebenen nicht notwendig zur Zirkularität. In diesem Fall können wir beispielsweise 'vorläufige Phonem-Menge' und 'vorläufige Morphem-Menge' unabhängig voneinander definieren, und wir können eine Vereinbarkeits-Beziehung entwickeln, die zwischen vorläufigen Phonem-Mengen und vorläufigen Morphem-Mengen gilt. Wir können dann ein Paar einer Phonem-Menge und einer Morphem-Menge für eine gegebene Sprache als ein miteinander zu vereinbarendes Paar einer vorläufigen Phonem-Menge und einer vorläufigen Morphem-Menge definieren. Unsere Vereinbarkeits-Beziehung kann teilweise mittels Einfachheits-Uberlegungen ausgestaltet werden; d.h., wir können die Phoneme und Morpheme einer Sprache als die vorläufigen Phoneme und Morpheme definieren, die — unter anderem — gemeinsam zur einfachsten Grammatik führen. Dies bietet uns einen vollkommen geraden Weg, voneinander abhängige Ebenen ohne Zirkularität zu definieren. Natürlich sagt er uns nicht, wie wir die Phoneme und Morpheme in direkter mechanischer Weise FINDEN können. Aber auch keine andere phonemische oder morphologische Theorie erfüllt diese strenge Forderung wirklich, und es gibt wenig Grund zu glauben, daß sie auf sinnvolle Weise erfüllt werden kann. Jedenfalls, wenn wir unsere Ziele auf die Entwicklung eines Bewertungs-Verfahrens beschränken, bleibt wenig Grund für den Vorwurf, die Ebenen zu vermischen, und es wird nicht schwer

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sein, bei der Definition voneinander abhängiger Ebenen die Zirkularität zu vermeiden.7 Viele Probleme der Morphem-Analyse erhalten ganz einfache Lösungen, wenn wir uns den allgemeinen Rahmen, der oben skizziert wurde, zu eigen machen. Bei dem Versuch, Findungs-Verfahren für Grammatiken zu entwickeln, werden wir natürlich dazu geführt, Morpheme als Klassen von Phonem-Folgen zu betrachten, d. h., als ob sie tatsächlichen phonemischen 'Inhalt' im fast wörtlichen Sinn hätten; Dies führt zu Mißlichkeiten in so wohlbekannten Fällen wie dem englischen took /tuk/, wo es schwierig ist, ohne 7

Siehe Z. S. Harris, Methods in structural linguistics (Chicago, 1951) (z. B., Appendix to 7.4, Appendix to 8.2, Kapitel 9 und 12) wegen Beispielen für Verfahren, die zu gegenseitig abhängigen Ebenen führen. Ich glaube, Fowlers Einwänden gegen Harris' morphologische Verfahren (vgl. Language, 28, 1952, 504-509) kann ohne Schwierigkeit mit einer nicht-zirkulären Formulierung der eben vorgeschlagenen Art begegnet werden. Vgl. C. F. Hockett, A manual of phonology = Memoir 11, Indiana University Publications in Anthropology and Linguistics (Baltimore, 1955); ders., "Two fundamental problems in phonemics", Studies in Linguistics, 7 (1949), 33; R. Jakobson, "The phonemic and grammatical aspects of language and their interrelation", Proceedings of the Sixth International Congress of Linguists, 5-18 (Paris, 1948); K. L. Pike, "Grammatical prerequisites to phonemic analysis", Word, 3 (1947), 155-172; ders., "More on grammatical prerequisites", Word, 8 (1952), 106-121 wegen weiterer Diskussionen über die Interdependenz von Ebenen. Ebenso N. Chomsky, M. Halle, F. Lukoff, "On accent and juncture in English", For Roman Jakobson (Den Haag, 1956), 65-80. Bar-Hillel hat in "Logical syntax and semantics", Language, 30 (1954), 230237 gemeint, daß Pikes Vorschläge ohne die Zirkularität, die viele darin wegen des Gebrauchs rekursiver Definitionen zu spüren glaubten, formalisiert werden können. Er verfolgt diese Anregung nicht in allen Einzelheiten, und ich habe das Gefühl, daß auf diesem Wege wahrscheinlich kein Erfolg möglich ist. Mehr noch: wenn wir uns mit einem Bewertungs-Verfahren für Grammatiken zufrieden geben, können wir gegenseitig abhängige Ebenen nur mit direkten Definitionen konstruieren, wie wir gerade sahen. Das Problem der Interdependenz von Phonem- und Morphem-Ebene darf nicht mit der Frage vermischt werden, ob man morphologische Information braucht, um eine Phonem-Transskription lesen zu können. Selbst wenn morphologische Betrachtungen als relevam für die Bestimmung der Phoneme einer Sprache angesehen werden, kann es trotzdem der Fall sein, daß die PhonemTransskription vollständige 'Lese'-Regeln ohne Bezugnahme auf andere Ebenen liefert. Vgl. N. Chomsky, M. Halle, F. Lukoff, "On accent and juncture in English", For Roman Jakobson (Den Haag, 1956), 65-80, wegen Diskussionen und Beispielen.

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Künstlichkeit irgendeinen Teil dieses Wortes mit dem Vergangenheits-Morphem, das als /t/ in walked /wakt/, als /d/ in framed /freymd/ usw. auftaucht, zu assoziieren. Wir können alle solche Probleme vermeiden, indem wir die Morphologie und Phonologie als zwei getrennte, aber voneinander abhängige Ebenen der Darstellung betrachten, die in der Grammatik durch morphophonemische Regeln wie (19) aufeinander bezogen werden. So wird took auf der morphologischen Ebene als take + Vergangenheit dargestellt, genau wie walked als walk + Vergangenheit dargestellt wird. Die morphophonemischen Regeln (19ii), bzw. (19v), verwandeln diese Morphem-Ketten in /tuk/ und /wokt/. Der einzige Unterschied zwischen diesen beiden Fällen ist, daß (19 v) eine viel allgemeinere Regel ist als (19ii).8 Wenn wir die Idee aufgeben, daß höheren Ebenen buchstäblich aus Elementen der tieferen Ebenen konstruiert werden, was wir — glaube ich — müssen, dann wird es viel natürlicher, selbst solche abstrakten Systeme der Darstellung wie die Transformations-Struktur als sprachliche Ebene aufzufassen (wo jede Äußerung dargestellt wird durch die Folge von Transformationen, durch die sie von einer Terminal-Kette der Phrasen-StrukturGrammatik abgeleitet wird). 8

Hockett gibt in A manual of phonology (1955), S. 15, eine sehr klare Darstellung dieser Begründung von Ebenen. In "Two models of grammatical description", Linguistics Today, Word, 10 (1954), 210-233, weist Hockett eine Lösung zurück, die derjenigen, die wir gerade vorgeschlagen haben, sehr ähnlich ist, und zwar weil "took und take in ihrer Lautgestalt teilweise ähnlich sind, genau wie baked und bake, und auch in derselben Weise ähnlich in der Bedeutung sind; diese Tatsache sollte nicht verdunkelt werden" (S. 224). Aber die Bedeutungs-Ähnlichkeit wird ja in unserer Formulierung nicht verdunkelt, da das Morphem Vergangenheit in der Morphem-Darstellung sowohl von took als auch von baked auftritt. Und die Ähnlichkeit in der Phonem-Gestalt kann ja in der Formulierung der morphophonemischen Regel, die take + Vergangenheit in /tuk/ verwandelt, zum Ausdruck kommen. Wir werden diese Regel bei der tatsächlichen morphophonemischen Bestimmung ohne Zweifel als ey ->· u im Kontext t — k + Vergangenheit formulieren. Damit werden wir die Grammatik durch eine weitere Verallgemeinerung vereinfachen können, die nämlich die Parallele zwischen take— took, shake—shook, forsake—forsook, und noch allgemeiner, stand—stood usw. zum Ausdruck bringt.

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ÜBER DIE ZIELE DER SPRACH-THEORIE

Wir sind nicht wirklich gezwungen, die Hoffnung aufzugeben, ein praktikables Findungs-Verfahren zu entdecken, indem wir entweder die Ansicht übernehmen, daß Ebenen voneinander abhängig sind, oder die Konzeption von Sprach-Ebenen als abstrakten Darstelhmgs-Systemen, die nur durch allgemeine Regeln aufeinander bezogen sind. Nichtsdestoweniger glaube ich, daß sowohl die Vorbehalte gegen die Vermischung der Ebenen als auch die Idee, daß jede Ebene buchstäblich aus Elementen der tieferen Ebene konstruiert wird, fraglos ihren Ursprung in dem Versuch haben, ein Findungs-Verfahren für Grammatiken zu entwickeln. Wenn wir auf dieses Ziel verzichten und klar zwischen einem Leitfaden von anregenden und hilfreichen Verfahren einerseits und einer Theorie der Sprach-Struktur andererseits unterscheiden, dann gibt es wenig Grund, eine von diesen ziemlich zweifelhaften Positionen einzunehmen. Es gibt noch viele andere verbreitete Ansichten, die viel von ihrem Reiz zu verlieren scheinen, wenn wir unsere Ziele in der oben angeregten Weise formulieren. So argumentiert man manchmal, die Arbeit an der Syntax-Theorie sei zu diesem Zeitpunkt verfrüht angesichts der Tatsache, daß viele Probleme, die auf den unteren Ebenen der Phonemik und Morphologie entstehen, noch ungelöst sind. Es ist ganz richtig, daß die höheren Ebenen der SprachBeschreibung von der Ergebnissen, die auf unteren Ebenen gewonnen werden, abhängen. Aber es gibt auch gute Gründe, wonach das Umgekehrte der Fall ist. Z. B. haben wir oben gesehen, daß es sinnlos, ja hoffnungslos sein würde, die Prinzipien der Satz-Konstruktion mittels Phonemen oder Morphemen zu bestimmen, aber nur die Entwicklung solch höherer Ebenen wie der Phrasen-Struktur zeigt, daß diese unnütze Arbeit auf niederen Ebenen nicht unternommen zu werden braucht.9 Ähnlich haben wir gezeigt, daß die Beschreibung der Satz-Struktur durch Bestandteil-Analyse keinen Erfolg 9

Siehe N. Chomsky, M. Halle, F. Lukoff, "On accent and juncture in English", For Roman Jakobson (Den Haag, 1956), 65-80, wegen einer Diskussion der Möglichkeit, daß Betrachtungen auf allen höheren Ebenen, Morphologie, Phrasen-Struktur und Transformationen eingeschlossen, für die Auswahl einer Phonem-Analyse relevant sind.

ÜBER DIE ZIELE DER SPRACH-THEORIE

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haben wird, wenn sie über gewisse Grenzen hinausgetrieben wird. Aber nur die Entwicklung der noch abstrakteren Ebene der Transformationen kann den Weg bereiten für die Entwicklung einer einfacheren und angemesseneren Technik der Bestandteil-Analyse mit engeren Grenzen. Die Grammatik einer Sprache ist ein komplexes System mit vielen und verschiedenartigen Verknüpfungen zwischen ihren Teilen. Um einen Teil einer Grammatik vollständig zu entwickeln, ist es oft nützlich, ja sogar notwendig, ein Bild vom Charakter eines vervollständigten Systems zu haben. Noch einmal: ich glaube, die Vorstellung, daß die Syntax-Theorie die Lösung der phonologischen und morphologischen Probleme abwarten muß, ist völlig unhaltbar, ob sich nun jemand mit dem Problem der Findungs-Verfahren befaßt oder nicht. Ich glaube, sie wurde genährt durch eine falsche Analogie zwischen der Reihenfolge bei der Entwicklung der linguistischen Theorie einerseits und der vermuteten Reihenfolge der Operationen bei der Findung grammatischer Strukturen andererseits.

EINIGE TRANSFORMATIONEN IM ENGLISCHEN

7.1 Nach dieser Abschweifung können wir zur Untersuchung der Konsequenzen zurückkehren, die sich ergeben, wenn man den transformativen Ansatz zur Beschreibung der englischen Syntax wählt. Unser Ziel ist es, den Kern derart zu beschränken, daß die Terminal-Ketten, die den Kern-Sätzen unterliegen, durch ein einfaches System der Phrasen-Struktur abgeleitet werden und die Basis liefern, von der alle Sätze durch einfache Transformationen abgeleitet werden können: durch obligatorische Transformationen im Falle des Kerns, durch obligatorische UND freigestellte Transformationen im Falle von Nicht-Kern-Sätzen. Um eine Transformation eindeutig darzustellen, müssen wir einerseits die Analyse der Ketten, auf die sie angewendet wird, und andererseits die Struktur-Veränderung, die sie an diesen Ketten hervorruft, beschreiben.1 So wird die Passiv-Transformation auf Ketten der Form NP — A ux — V — N P angewandt und bewirkt die Auswechslung der zwei Nominal-Phrasen, indem by vor der Nominal-Phrase am Ende und be + en zu Aux hinzugefügt wird (vgl. (34)). Wir wollen jetzt die Einführung von not oder n't in die Hilfsverb-Phrase betrachten. Am einfachsten läßt sich die Verneinung mithilfe einer Transformation beschreiben, die vor (29 ii) angewandt wird und not oder n't nach dem zweiten Morphem der durch (28iii) gegebenen Phrase, falls diese Phrase wenigstens zwei Morpheme enthält, einsetzt oder nach dem ersten Morphem dieser Phrase, falls sie nur eines enthält. Diese Transformation Tnot wirkt also auf Ketten, die auf eine der folgenden Weisen in drei Bruch1

Wegen einer detaillierten Diskussion der Darstellung von Transformationen in allgemeinen und von bestimmten Transformationen siehe die Literaturangaben in Fußnote 8, S. 52.

EINIGE TRANSFORMATIONEN IM ENGLISCHEN

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stücke zerlegt werden: (37) (i) NP—C—V... (ii) W — C+M— ... (iii) NP—C + have—... (iv) NP—C + be—... wobei die Symbole wie in (28) und (29) gewählt sind und es unwesentlich ist, was anstelle der Punkte steht. Wenn eine Kette gegeben ist, die auf eine dieser Weise in drei Bruchstücke zerlegt ist, dann fügt Tnot hinter dem zweiten Bruckstück der Kette not (oder n't) hinzu. Z. B. angewandt auf die Terminal-Kette they — 0 + can — come (ein Fall von (37ii)), ergibt Tnot'· they — 0 + can + n'f — come (letzlich they can't come); angewandt auf they — 0 + have — en + come (ein Fall von (37 iii)), ergibt sich they — 0 + have — rit — en + come (letztlich they haven't come); angewandt auf they — 0 + be — ing + come (ein Fall von (37 iv)), ergibt sich they — 0 + be -f n't — ing + come (letztlich they aren't coming). Die Regel arbeitet also richtig, wenn wir die drei letzteren Fälle von (37) wählen. Angenommen jetzt, wir wählen einen Fall von (37i), d. h., eine Terminal-Kette wie (38)

John — S— come,

die den Kern-Satz John comes durch (29 ii) ergibt. Angewandt auf (38), liefert Tnot (39)

John — S +

— come.

Wir bestimmen, daß Tnot vor Regel (29ii) angewandt wird, die die Umformung von Af+ v zu v -f- Af # bewirkt. Wir sehen jedoch, daß (29ii) überhaupt nicht auf (39) anwendbar ist, da (39) keine Folge Af + v enthält. Jetzt wollen wir zur Grammatik die folgende obligatorische Transformations-Regel, die nach (29) anzuwenden ist, hinzufügen:

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EINIGE TRANSFORMATIONEN IM ENGLISCHEN

(40) # Af -> # do + Af wobei i/o dasselbe Element ist wie das Vollverb in John does his homework. (Vgl. (29iii) zur Einführung von #.) Was mit (40) bestimmt werden soll, ist, daß do als Träger' einer unangefügten Endung eingeführt wird. Indem wir (40) und morphologische Regeln auf (39) anwenden, leiten wir John doesn't come ab. Die Regeln (37) und (40) ermöglichen es uns jetzt, alle und nur grammatische Formen der Satz-Negation abzuleiten. Danach ist die transformative Behandlung der Negation um einiges einfacher als die alternative Behandlung im Rahmen der Phrasen-Struktur. Der Vorzug der transformativen Behandlung (vor dem Einschluß von Verneinungen in den Kern) würde noch viel deutlicher werden, wenn wir andere Fälle finden könnten, wo dieselben Formulierungen (d.h., (37) und (40)) aus eigenen Gründen verlangt werden. In der Tat gibt es solche Fälle. Man betrachte die Klasse der 'Ja-oder-Nein'-Fragen wie etwa have they arrived, can they arrive oder did they arrive. Wir können alle (und nur) diese Sätze mittels einer Transformation 1q erzeugen, die auf eine Kette mit der Analyse (37) wirkt und die Vertauschung des ersten mit dem zweiten Bruckstück dieser Ketten — im Sinne der Definition dieser Bruchstücke in (37) — hervorruft. Erforderlich ist, daß T9 NACH (29 i) und VOR (29 ii) angewandt wird. Angewandt auf (41) (i) (ii) (iii) (iv)

they — 0 — arrive they — 0 + can — arrive they — 0 -f have — en + arrive they — 0 + be — ing + arrive

welche den Formen (37 i — iv) entsprechen, ergibt Te die Ketten (42) (i) (ii) (iii) (iv)

0 0 0 0

— they — arrive + can — they — arrive + have — they — en + arrive + be — they — ing + arrive

EINIGE TRANSFORMATIONEN IM ENGLISCHEN

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Indem wir auf diese die obligatorischen Regeln (29ii, iii) und (40) und dann die morphophonemischen Regeln anwenden, leiten wir (43) (i) (ii) (iii) (iv)

do they arrive can they arrive have they arrived are they arriving

in Phonem-Transskription ab. Wären die obligatorischen Regeln direkt auf (41) angewandt worden, hätten wir die Sätze (44) (i) (ii) (iii) (iv)

they arrive they can arrive they have arrived they are arriving

abgeleitet. (43 i — iv) sind also die fragenden Gegenstücke zu (44 i _ jv). Im Fall von (42 i) ist do durch die Regel (40) als Träger des unangefügten Elements 0 eingeführt. Wenn C durch Regel (29 i) in S oder Vergangenheit verwandelt worden wäre, würde Regel (40) do als Träger dieser Elemente eingeführt haben, und wir würden Sätze wie does he arrive und did he arrive erhalten. Man beachte, daß keine neuen morphophonemischen Regeln benötigt werden, um die Tatsache, daß do + 0 -> /duw/, do + S -> /daz/ und do + Vergangenheit ^-/did/, zu erklären; wir brauchen diese Regeln ohnehin, um von den Formen von do als Vollverb Rechenschaft abzugeben. Man beachte auch, daß T5 nach (29 i) angewandt werden muß, sonst würde in Fragen die Zahl nicht richtig zugeteilt werden. Bei der Analyse der Hilfsverb-Phrase in den Regeln (28) und (29) betrachteten wir S als Morphem der dritten Person singular und 0 als dasjenige Morphem, das für alle anderen Formen des Subjekts an das Verb angehängt wird. So hat also das Verb S, wenn das Nominal-Subjekt 0 hat (the boy arrives), und das Verb hat 0, wenn das Subjekt S hat (the boys arrive). Eine Alternative, die wir nicht betrachtet haben, wäre gewesen, das Null-Morphem zu be-

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EINIGE TRANSFORMATIONEN IM ENGLISCHEN

seitigen und einfach zu bestimmen, daß KEINE Endung auftritt, wenn das Subjekt nicht dritte Person singular ist. Jetzt sehen wir, daß diese Alternative nicht annehmbar ist. Wir brauchen das 0Morphem oder es wird in (42i) keine Endung geben, die do tragen könnte, und Regel (40) wird somit nicht auf (42i) anwendbar sein. Es gibt noch viele andere Fälle, wo die transformative Analyse zwingende Gründe für oder gegen die Aufstellung von NullMorphemen liefert. Als negativen Fall betrachte man den Vorschlag, intransitive Verben als Verben mit Null-Objekt zu deuten. Aber dann würde die Passiv-Transformation (34) beispielsweise "John — slept — 0" in den Nicht-Satz 0 — was slept — by John -> was slept by John verwandeln. Daher muß diese Analyse der Intransitiva zurückgewiesen werden. Wir kommen auf das allgemeinere Problem der Bedeutung von Transformationen für die Bestimmung der Bestandteil-Struktur in § 7.6 zurück. Der entscheidende Punkt bei der Fragen-Transformation Te ist, daß fast nichts mehr zur Grammatik hinzugefügt werden muß, um sie zu beschreiben. Da sowohl die Aufteilung des Satzes, die sie verlangt, als auch die Regel für das Erscheinen von do schon unabhängig von ihr für die Verneinung gefordert wurden, brauchen wir nur die Umkehrung zu beschreiben, die durch T? bei der Ausweitung der Grammatik auf Ja-oder-Nein-Fragen bewirkt wird. Um es noch anders zu sagen: die Transformations-Analyse bringt die Tatsache an den Tag, daß Verneinungen und Fragen im Grunde dieselbe 'Struktur' haben, und sie kann sich dieser Tatsache bedienen, um die Beschreibung der englischen Syntax zu vereinfachen. Bei der Behandlung der Hilfsverb-Phrase ließen wir Formen mit dem Stark betonten Element do wie in John does come usw. außer Betracht. Angenommen, wir stellen ein Morphem A für deutliche Betonung auf, worauf die folgende morphophonemische Regel anwendbar ist: (45) ,.V.. + A->..V.., wobei " besonders starke Betonung anzeigt.

EINIGE TRANSFORMATIONEN IM ENGLISCHEN

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Wir stellen jetzt eine Transformation TA auf, die dieselbe strukturelle Analyse der Ketten wie T no < (d. h., (37)) verlangt und A zu diesen Ketten an genau der Stelle hinzufügt, wo Tnot die Elemente not oder rft einsetzt. So wie dann T no « Sätze wie (46) (i) John doesn't arrive (aus John # S + n't # arrive, durch (40)) (ii) John can't arrive (aus John # S + can + n't # arrive) (iii) John hasn't arrived (aus John # S + have + rit # en + arrive) ergibt, liefert

die entsprechenden Sätze

(47) (i) John does arrive (aus John # 5 + A # arr/ve, durch (40)) (ii) John can arrive (aus John # S -+- can + # arrive) (iii) John Aas arrived (aus 70/zw # 5" + + A # en -farr/ve). Somit ist TA eine Transformation der 'Bekräftigung', affirmation, die Sätze wie John arrives, John can arrive, John has arrived usw. bekräftigt, und zwar genau in derselben Weise, wie * sie verneint. Dies ist formal die einfachste Lösung, und sie scheint auch gefühlsmäßig richtig zu sein. Es gibt noch andere Fälle von Transformation, die durch dieselbe grundlegende syntaktische Analyse von Sätzen, nämlich (37), bestimmt sind. Man betrachte die Transformation T80, die die Kettenpaare von (48) in die entsprechenden Ketten von (49) verwandelt: (48) (i) John — S — arrive, I — 0 — arrive (ii) John — S + can — arrive, I — 0 + can — arrive (iii) John — S + have — en + arrive, I — 0 + have — en + arrive (49) (i) John — S — arrive — and — so — 0 — / (ii) John — S + can — arrive — and — so ·— 0 4- can — /

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EINIGE TRANSFORMATIONEN IM ENGLISCHEN

(iii) John — S + have — en + arrive — and — so — 0 + have — / Indem wir die Regeln (29 ii, iii), (40) und die morphophonemischen Regeln anwenden, leiten wir schließlich ab: (50) (i) John arrives and so do I. (ii) John can arrive and so can I. (iii) John has arrived and so have I. Tso wirkt auf den zweiten Satz jedes Paares in (48), indem es zunächst das dritte Bruchstück dieses Satzes durch so ersetzt und dann das erste und dritte Bruchstück miteinander vertauscht. (Das Element so ist also ein Pro-FP, und zwar ziemlich in demselben Sinn wie he ein Pronomen ist.) Die Transformation TSo verbindet sich mit der Konjunktions-Transformation, um (49) zu ergeben. Obwohl wir es nirgends genügend detailliert dargestellt haben, ist es klar, daß sowohl die Analyse (37) von Sätzen als auch die Regel (40) fundamental sind. In der Grammatik ist also fast nichts Neues erforderlich, um Sätze wie (50) einzuschließen, die nach demselben zugrundeliegenden Transformations-Muster gebildet werden wie Verneinungen, Fragen und emphatische Bekräftigungen. Es gibt noch einen anderen beachtenswerten Anhaltspunkt für den fundamentalen Charakter dieser Analyse, der es verdient, erwähnt zu werden. Man betrachte die Kern-Sätze (51) (i) John has a chance to live, (ii) John is my friend. Die Terminal-Ketten, die (51) zugrundeliegen, sind (52) (i) John -\-C-\- have + a + chance + to + live (ii) John + C + be + my + friend wobei have in (52 i) und be in (52 ii) Vollverben, nicht Hilfsverben sind. Man sehe nun, wie die Transformationen Tnot, Ta und Tso

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auf diese zugrundeliegenden Ketten angewendet werden. 1not ist auf jede Kette der Form (37) anwendbar, indem es not oder n't zwischen die zweiten und dritten Bruchstücke, wie sie in (37) gegeben sind, einfügt. Aber (52 i) ist in der Tat zugleich ein Fall von (37 i) und (37iii). Daher wird Tnot, auf (52 i) angewandt, entweder (53i) oder (53ii) ergeben: (53) (i) John — C + n't — have + a + chance + to + live (-> John doesn't have a chance to live) (ii) John — C + have + n't — a + chance + to + live (->· John hasn't a chance to live) Beide Formen von (53) sind tatsächlich grammatisch. Darüber hinaus ist have das einzige transitive Verb, für das eine solche zweifache Verneinung möglich ist, wie es auch das einzige transitive Verb ist, das mit den Mitteln von (37) zweifach analysiert werden kann. Das heißt, wir haben John doesn't read books, aber nicht John readsrft books. In ähnlicher Weise wird T? — angewandt auf (52 i) — beide Formen von (54) ergeben, und Tso wird beide Formen von (55) liefern, da diese Transformationen ebenfalls auf der Struktur-Analyse (37) basieren. (54) (i) (ii) (55) (i) (ii)

Does John have a chance to live? Has John a chance to live? Bill has a chance to live and so does John, Bill has a chance to live and so has John.

Aber in allen anderen Fällen von transitiven Verben sind Formen wie (54ii) und (55 ii) unmöglich. Wir haben weder reads John books noch Bill reads books and so reads John. Wir sehen jedoch, daß das anscheinend unregelmäßige Verhalten von have in Wirklichkeit eine automatische Folge unserer Regeln ist. Damit haben wir das Problem gelöst, das in § 2.3 vorlag, wo es um die Grammatikalität von (3) und (5) ging. Nun wollen wir (52 ii) betrachten. Wir haben es nicht gezeigt,

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EINIGE TRANSFORMATIONEN IM ENGLISCHEN

aber es stimmt tatsächlich, daß es in der einfachsten PhrasenStruktur-Grammatik des Englischen nie einen Grund gibt, be in die Klasse der Verben aufzunehmen; d. h., aus dieser Grammatik wird nicht folgen, daß be ein V ist. Ebenso wie eine der Formen der Verbal-Phrase V -f NP ist, ist eine ihrer anderen Formen be + Prädikat. Obwohl also be in (52 ii) kein Hilfsverb ist, ist es trotzdem der Fall, daß von den durch (37) erlaubten Analysen nur (37 iv) für (52 ii) gilt. Daher ergeben die Transformationen T„oi, T?, und Teo, auf (52ii) angewandt, jeweils (zusammen mit (29i)), (56) (i) John — S + be + rft — my + friend (-> John isn't my friend) (ii) S + be — John — my + friend (-> is John my friend) (iii) Bill — S + be — my + friend — and — so — S + be — John (-> Bill is my friend and so is John) Noch einmal: die analogen Formen (z. B., John readsn't books usw.) sind bei wirklichen Verben unmöglich. Ähnlich ergibt John is here anstatt John does be here, wie es bei wirklichen Verben der Fall wäre. Wenn wir versuchen wollten, die englische Syntax völlig mit den Mitteln der Phrasen-Struktur zu beschreiben, würden die Formen mit be und have als grelle und deutliche Ausnahmen erscheinen. Aber wir sahen gerade, daß gerade diese anscheinend herausfallenden Formen automatisch aus der einfachsten Grammatik resultieren, die für regelmäßige Fälle konstruiert wird. So zeigt sich in Wirklichkeit, daß das Verhalten von be und have ein Fall tieferer, zugrundeliegender Regelmäßigkeit ist, wenn wir die Struktur des Englischen vom Standpunkt der Transformations-Analyse betrachten. Man beachte, daß das Vorkommen von have als Hilfsverb in Terminal-Ketten wie John + C + have + en + arrive (die dem Kern-Satz John has arrived zugrundeliegt) nicht derselben zweifachen Analyse unterworfen ist. Diese Terminal-Kette ist ein Fall von (37 iii), nicht von (37 i). Das heißt, sie kann wie in (57 i), nicht wie in (57 ii), analysiert werden.

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(57) (i) John — C + have — en + arrive (NP —C+ have — . . ., d. h., (37iii)) (ii) John — C — have + en + arrive (NP — C — V . . . , d. h.,

Diese Kette ist kein Fall von (37 i), da DIESES VORKOMMEN von have kein V ist, auch wenn gewisse andere Vorkommen von have (z. B., in (52 i)) Vs sind. Die Phrasen-Struktur einer Terminal-Kette ist von ihrer Ableitung bestimmt, indem Bruchstücke auf Knotenpunkte zurückverfolgt werden, in der Art, wie es in § 4. l beschrieben ist. Aber have in (57) ist auf keinen Knotenpunkt, der in der Ableitung dieser Kette mit V bezeichnet ist, zurückzuverfolgen. (52 i) ist jedoch zweifach analysierbar, da das Vorkommen von have in (52 i) auf ein V zurückverfolgt werden kann, und natürlich ist es auch im Diagramm, das der Ableitung der Kette (52i) entspricht, auf ein have zurückzuverfolgen (nämlich auf sich selbst). Die Tatsache, daß (57 ii) keine erlaubte Analyse ist, hindert uns daran, Nicht-Sätze wie John doesn't have arrived, Does John have arrived usw. abzuleiten. In diesem Abschnitt haben wir gesehen, daß sich eine große Vielfalt von anscheinend verschiedenartigen Phänomenen in einer sehr einfachen und natürlichen Weise einordnen lassen, wenn wir den Standpunkt der transformativen Analyse einnehmen, und daß die englische Grammatik infolgedessen viel einfacher und geordneter wird. Dies ist die grundlegende Forderung, die jede Konzeption der Sprach-Struktur (d. h., jedes Modell für die Form von Grammatiken) erfüllen muß. Ich glaube, diese Überlegungen rechtfertigen unsere frühere Behauptung, wonach die Konzeptionen der Phrasen-Struktur grundsätzlich unangemessen sind und wonach die Theorie der Sprach-Struktur entlang der Linien verbessert werden muß, die in dieser Diskussion der Transformations-Analyse vorgeschlagen wurden. 7.2 Wir können die oben gegebene Analyse der Fragen leicht ausweiten, so daß sie Fragesätze wie

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EINIGE TRANSFORMATIONEN IM ENGLISCHEN

(58) (i) What did John eat? (ii) Who ate an apple? enthält, die keine Ja-oder-Nein-Antworten erhalten. Die einfachste Art, diese Klasse von Sätzen in die Grammatik einzufügen, wird sein, eine neue freigestellte Transformation Tw aufzustellen, die auf jede Kette der Form (59)

X—NP—Y

wirkt, wobei X und für jede Kette stehen (insbesondere einschließlich der 'Null'-Kette — d. h., die erste oder dritte Stelle können leer sein). T«, wirkt dann in zwei Schritten: (60) (i)

, , verwandelt die Kette der Form X — NP — in die entsprechende Kette der Form NP — X — Y; d. h., es vertauscht das erste und zweite Bruchstück von (59). Es hat also denselben Transformations-Effekt wie T? (vgl.

(ii) T«>2 verwandelt die sich ergebende Kette NP — X — in who — X — , falls NP ein belebtes NP ist, oder in what — X—Y, falls NP unbelebt ist.2 Wir fordern jetzt, daß T«? nur auf Ketten angewendet werden kann, auf die schon Te angewendet worden ist. Wir bestimmten, daß T9 nach (29 i) und vor (29 ii) anzuwenden ist. Tw wird nun nach Te und vor (29 ii) angewendet, und es ist durch Tff bedingt in dem Sinne, daß es nur auf Formen, die durch Tg gegeben sind, angewendet werden kann. Diese bedingte Abhängigkeit unter Transformationen ist eine Verallgemeinerung der Unterscheidung zwischen obligatorischen und freigestellten Transformationen, die 2

Noch einfacher können wir die Anwendung von T«, auf Ketten X — NP — begrenzen, wo NP die Elemente he, him oder it bedeutet, und wir können TW2 als die Transformation definieren, die jede Kette Z in wh + Z verwandelt, wobei wh ein Morphem ist. In der englischen Morphophonemik werden Regeln wie wh + he ->· /huw/, wh + him -> /huwm/, wh + it -> /wat/ auftreten.

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leicht in die Grammatik eingebaut werden kann und sich als wesentlich erweist. Die Terminal-Kette, die sowohl (58 i) als auch (58 ii) zugrundeliegt (sowie (62) und (64)), ist (61) John — C — eat + an + apple (NP — C—V...), wobei die Striche die Analyse anzeigen, die von Tff gefordert wird. (61) ist also ein Fall von (37i), wie angedeutet. Hätten wir nur obligatorische Transformationen auf (61) anzuwenden, indem wir etwa bei der Weiterentwicklung von C durch (29 i) Vergangenheit auswählten, würden wir (62) # John

eat + Vergangenheit # an # apple # (-> John ate an apple)

ableiten. Wenn wir (29 i) und T9 auf (61) anwenden, leiten wir (63)

Vergangenheit — John — eat + an -f apple

ab, wobei C als Vergangenheit genommen wird. Hätten wir nun (40) auf (63) anzuwenden, indem wir do als Träger von Vergangenheit einführen, würden wir den einfachen Fragesatz (64) Did John eat an apple? erhalten. Wenn wir jedoch Tw auf (63) anwenden, leiten wir zunächst (65) durch T„,i ab, und dann (66) durch Tw2. (65) John — Vergangenheit — eat + an + apple (66) who — Vergangenheit — eat + an -f apple Regel (29ii) und die morphophonemischen Regeln verwandeln dann (66) in (58 ii). Um also (58 ii) zu bilden, wenden wir zunächst T? und dann Tw auf die Terminal-Kette (61) an, die dem Kern-Satz (62) zugrundeliegt. Man beachte, daß in diesem Fall Twi einfach

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EINIGE TRANSFORMATIONEN IM ENGLISCHEN

die Wirkung von T? aufhebt, wodurch das Fehlen der Umkehrung in (58 ii) erklärt ist. Um T«, auf eine Kette anzuwenden, wählen wir zuerst eine Nominal-Phrase und vertauschen dann diese Nominal-Phrase mit der Kette, die ihr vorausgeht. Bei der Bildung von (58 ii) wandten wir T«; auf (63) an, indem wir die Nominal-Phrase John wählten. Wir wollen nun annehmen, daß wir Tw auf (63) anwenden, indem wir die Nominal-Phrase an + apple wählen. Wir analysieren also jetzt (63) für den Zweck dieser Transformation als (67)

Vergangenheit + John + eat — an -\- apple,

als eine Kette der Form (59), wobei Yin diesem Fall null ist. Indem wir T«, auf (67) anwenden, leiten wir zunächst (68) durch TM* ab, und dann (69) durch (68) an + apple — Vergangenheit + John + eat (69) what — Vergangenheit + John + eat (29 ii) ist jetzt noch nicht auf (69) anwendbar, ebensowenig wie es auf (39) oder (42 i) angewendet werden konnte, da (69) keine Unterkette der Form Af+ v enthält. Daher wird (40) auf (69) angewendet, indem es do als Träger des Morphems Vergangenheit einführt. Indem wir die übrigen Regeln anwenden, leiten wir schließlich (58 i) ab. T«,, wie es in (59)-(60) formuliert wurde, wird ebenfalls alle whFragen wie What will he eatl, What has he been eating! erklären. Es kann leicht ausgeweitet werden, so daß es Frage-Sätze wie What book did he read! usw. erfaßt. Man beachte, daß Twi — wie in (61 i) definiert — dieselbe Transformation durchführt wie T?; d. h., es vertauscht die ersten zwei Bruchstücke der Kette, auf die es angewendet wird. Wir haben die Wirkung der Transformationen auf die Intonation bisher nicht diskutiert. Angenommen, wir setzen zwei grundlegende SatzIntonationen fest: fallende Intonationen, die wir mit Kern-Sätzen

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verknüpfen, und ansteigende Intonationen, die wir mit Ja-oderNein-Fragen verknüpfen. Dann ist es zu einem Teil die Wirkung von Tg, eine dieser Intonationen in die andere zu verwandeln; also — im Falle (64) — eine fallende Intonation in eine ansteigende zu verwandeln. Aber wir sahen, daß Twi erst nach Tfl angewendet wird und daß seine Transformations-Wirkung dieselbe wie die von Tq ist. Daher wird Twi eine ansteigende Intonation in eine fallende zurückverwandeln. Es scheint vernünftig, dies als Erklärung für die Tatsache anzugeben, daß die Frage-Sätze (58 i-ii) normalerweise die fallende Intonation von Aussage-Sätzen haben. Es tauchen viele Probleme auf, wenn wir unsere Diskussion auf IntonationsPhänomene ausweiten, und diese Bemerkung ist zu skizzenhaft, als daß sie viel Gewicht hätte; auf jeden Fall legt sie nahe, daß eine solche Ausweitung fruchtbar sein könnte. Zusammenfassend sehen wir, daß alle vier Sätze (70) (i) (ii) (iii) (iv)

John ate an apple. Did John eat an apple? What did John eat? Who ate an apple?

(= (= (= (=

(62)) (64)) (58 i)) (58ii))

aus der zugrundeliegenden Terminal-Kette (61) abgeleitet sind. (70i) ist ein Kern-Satz, da nur obligatorische Transformationen in seine Transformations-Geschichte' eingehen. (70 ii) ist aus (61) durch Anwendung von T? gebildet. (70 iii) und (70 iv) sind noch weiter vom Kern entfernt, da sie aus (61) durch Anwendung von zunächst Tg und dann Tw gebildet sind. Wir werden auf diese Analyse in § 8.2 kurz zurückkommen. 7.3 In § 5.3 erwähnten wir, daß es gewisse Nominal-Phrasen der Form to + VP und ing + VP (to prove that theorem, proving that theorem — vgl. (32)-(33)) gibt. Darunter werden wir Phrasen wie to be cheated und being cheated haben, die von Passiva abgeleitet sind. Aber Passiva sind aus dem Kern ausgeschieden worden. Daher können Nominal-Phrasen des Typs to + VP, ing + VP innerhalb der Kern-Grammatik nicht mehr durch Regeln wie (33) einge-

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führt werden. Sie müssen deshalb durch eine 'NominalisierungsTransformation' eingeführt werden, die einen Satz der Form NP — VP in eine Nominal-Phrase der Form to -f- VP oder ing + VP verwandelt.3 Wir werden auf die Struktur dieser sehr interessanten und verzweigten Menge von Nominalisierungs-Transformationen nicht weiter eingehen, sondern nur kurz eine transformative Erklärung eines Problems, das in § 2.3 auftauchte, skizzieren. Eine der Nominalisierungs-Transformationen wird die Transformation Tad] sein, die auf jede Kette der Form (71) T—N—is — Adj (d. h. »Artikel — Nomen — is — Adjektiv) wirkt und sie in die entsprechende Nominal-Phrase der Form T + Adj + N verwandelt. Sie verwandelt also the boy is tall in the tall boy usw. Es ist nicht schwierig zu zeigen, daß diese Transformation die Grammatik beträchtlich vereinfacht und daß sie in dieser, nicht in der entgegengesetzten Richtung vor sich gehen muß. Wenn wir diese Transformation richtig formulieren, finden wir, daß sie es uns ermöglicht, alle Adjektiv-Nomen-Verbindungen aus dem Kern zu streichen, um sie durch Ta very + Adj einzufügen. Very kann in (75) auftreten und allgemein mit interesting; aber es kann in (73) oder bei anderen Vorkommen von sleeping nicht auftreten. Wenn wir daher die einfachste Analyse von very beibehalten wollen, müssen wir interesting, nicht jedoch sleeping in (72) als Adj aufführen. Wir haben noch nicht die Frage diskutiert, inwieweit die Transformationen eine bestimmte Bestandteil-Struktur verlangen, obwohl wir andeuteten, daß dies notwendig so sein muß; so daß

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insbesondere Transformationen zusammengesetzt werden können. Eine der allgemeinen Bedingungen für die abgeleitete BestandteilStruktur wird die folgende sein: (77) Wenn in der Phrasen-Struktur-Grammatik X ein Z ist und eine Kette Y, die durch eine Transformation gebildet wurde, von derselben strukturellen Form ist wie X, dann ist ebenfalls ein Z. Insbesondere, auch wenn Passiva aus dem Kern ausgeschieden sind, werden wir sagen wollen, daß die 6y-Phrase (wie in The food was eaten — by the man) eine Präpositional-Phrase (PF) im PassivSatz ist. (77) erlaubt dies, da wir aus der Kern-Grammatik wissen, daß by + NP ein PP ist. (77) ist noch nicht mit genügender Genauigkeit bestimmt, aber es kann als eine der Bedingungen für die abgeleitete Bestandteil-Struktur verbessert werden. Jetzt betrachte man wieder (73). Das Wort sleeping ist durch eine Transformation (nämlich (29 ii)) gebildet, und es hat dieselbe Form wie interesting (d. h., es ist ein V + ing), das — wie wir aus der Phrasen-Struktur-Grammatik wissen — ein Adj ist. Daher ist sleeping durch (77) im Transform (73) ebenfalls ein Adj. Aber das bedeutet, daß (73) als Kette der Form (71) analysiert werden kann, so daß Tadi darauf anwendbar ist, indem es die Nominal-Phrase (78) the sleeping child bildet, ebenso wie the interesting book aus (75). Sleeping wird also, obwohl es aus (72) ausgeschlossen ist, als ein Adjektiv erscheinen, das Nomina modifiziert. Diese Analyse der Adjektive (die alles enthält, was gegeben sein muß, wenn man über die wirklich vorkommenden Sätze Rechenschaft legen soll) wird jedoch das Wort sleeping nicht in allen Adjektiv-Stellungen von Wörtern wie interesting, die im Kern verblieben, zulassen. Beispielsweise wird sie sleeping nie in den Kontext very— einführen. Da very niemals Verben modifiziert, wird es in (74) oder (73) nicht vorkommen, und alle Vorkommen von sleeping als

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Modifikator sind aus seinem. Vorkommen als Verb in (74) usw. abgeleitet. Ähnlich wird es Phrasen-Struktur-Regeln geben, die die Verbal-Phrase folgendermaßen analysieren: (79) Aux + seem + Adj genau wie andere Regeln VP in Aux + V + NP, Aux + be + Adj usw. auflösen. Aber sleeping wird durch diese Grammatik, die für die wirklich vorkommenden Sätze offensichtlich die am einfachsten konstruierte ist, nie in den Kontext seems— eingefügt. Wenn wir diese skizzenhafte Beweisführung sorgfältiger entwickeln, kommen wir zu dem Schluß, daß die einfachste Transformations-Grammatik, die für die vorkommenden Sätze konstruiert wird, (80) ausschließt, während sie (81) erzeugt. (80) (i) (ii) (81) (i) (ii)

The child seems sleeping, The very sleeping child. The book seems interesting, The very interesting book.

Wir sehen dann, daß die anscheinend willkürlichen Unterschiede, die in § 2.3 zwischen (3) (— Have you a book on modern music?) und (4) (= 81i)) einerseits und (5) (= Read you a book on modern music!) und (6) (— (80i)) andererseits bemerkt wurden, einen klaren strukturellen Ursprung haben und wirkliche Fälle von Regelmäßigkeit auf höherer Ebene in dem Sinne sind, daß sie aus der einfachsten Transformations-Grammatik folgen. In anderen Worten, ein bestimmtes sprachliches Verhalten, das mit den Mitteln der Phrasen-Struktur unmotiviert und unerklärbar zu sein scheint, erscheint einfach und systematisch, wenn wir den Transformationsstandpunkt einnehmen. Um die Terminologie von § 2.2 zu verwenden: wenn ein Sprecher seine begrenzte sprachliche Erfahrung zu projizieren hätte, indem er Phrasen-Struktur und Transformationen in der einfachsten Weise und in Übereinstimmung mit seiner Erfahrung verwendete, so würde er (3) und (4) als grammatisch einschließen, aber (5) und (6) zurückweisen.

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EINIGE TRANSFORMATIONEN IM ENGLISCHEN

7.4 In (28), § 5.3, zerlegten wir das Element Verb in Aux + V und führten dann einfach die Verbal-Wurzeln der Klasse V auf. Es gibt jedoch eine große Anzahl von produktiven Unterkonstruktionen von V, die Erwährung verdienen, da sie einige grundlegende Punkte in ziemlich klarer Weise ans Licht bringen. Wir wollen zunächst Verb + Partikel-Konstruktionen (V + Prt) wie bring in, drive away, call up betrachten. Es können da Formen wie (82), aber nicht wie (83) auftreten. (82) (i) (ii) (iii) (83)

The police brought in the criminal, The police brought the criminal in. The police brought him in. The police brought in him.

Wir wissen, daß diskontinuierliche Elemente innerhalb der Phrasen-Struktur-Grammatik nicht ohne weiteres gehandhabt werden können. Daher ist es die natürlichste Art, diese Konstruktionen zu analysieren, wenn man folgende Möglichkeit zu (28ii) hinzufügt: (84)

V-+Vi + Prt

und zwar zusammen mit einer Menge von zusätzlichen Regeln, die anzeigen, welches V\ von welchem Prt begleitet werden kann. Um die Möglichkeit von (82 ii) zu erlauben, setzen wir eine freigestellte Transformation Tfe'p fest, die auf Ketten mit der Struktur-Analyse (85)

X—Vi—Prt—NP

wirkt und die Vertauschung des dritten und vierten Bruchstücks der Kette, auf die sie angewandt wird, bewirkt. Sie führt also (82 i) in (82ii) über. Um für (82iii) zu sorgen, um aber (83) auszuschließen, müssen wir anzeigen, daß diese Transformation obligatorisch ist, wenn das NP-Objekt ein Pronomen (Pron) ist. Dafür können wir aber auch eine obligatorische Transformation T^bp aufstellen, die dieselbe strukturelle Wirkung wie T^pp hat, aber auf Ketten mit der Struktur-Analyse

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(86) X — Vi — Prt — Pron wirkt. Wir wissen, daß die Passiv-Transformation auf jede Kette der Form NP — Verb — NP wirkt. Wenn wir bestimmen, daß die Passiv-Transformation vor Tt?„ oder T^p angewendet wird, dann wird sie die Passiva (87) (i) The criminal was brought in by the police, (ii) He was brought in by the police. aus (82) richtig bilden. Die weitere Untersuchung der Verbal-Phrase zeigt, daß es eine allgemeine Verb + Komplement-Konstruktion (V + Comp) gibt, die sich sehr ähnlich wie die eben diskutierte Verb + PartikelKonstruktion verhält. Wir wollen die Sätze (88) Everyone in the lab considers John incompetent. (89) John is considered incompetent by everyone in the lab. betrachten. Wenn wir (89) aus (88) durch die Passiv-Transformation ableiten möchten, müssen wir (88) in die Struktur NPi — Verb — NPz zerlegen, wobei NPi = everyone + in + the + lab und NPz — John. Das heißt, wir dürften das Passiv nicht auf (88) anwenden, sondern auf eine Terminal-Kette (90), die (88) zugrundeliegt: (90)

Everyone in the lab — considers incompetent — John.

wir können jetzt (88) aus (90) durch eine Transformation, die analog zu T^bp ist, bilden. Wir nehmen jetzt an, daß wir zur PhrasenStruktur-Grammatik die Regel (91), neben (84), hinzufügen. (91)

V -* Va + Comp

Dann weiten wir Tfep so aus, daß erlaubt wird, es sowohl auf Ketten der Form (92) als auch auf Ketten der Form (86), wie vorher, anzuwenden.

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EINIGE TRANSFORMATIONEN IM ENGLISCHEN

(92) X—Va — Comp — NP Diese revidierte Transformation TLbp wird (90) in (88) verwandeln. Die Behandlung der Verb + Komplement- und der Verb + Partikel-Konstruktion ist also ganz ähnlich. Besonders erstere ist eine voll entwickelte Konstruktion im Englischen.4 7.5 Wir haben die Rechtfertigung für die besondere Form jeder dieser Transformationen, die wir diskutiert haben, nur eben skizziert, obwohl es sehr wichtig ist, die Frage der Eindeutigkeit dieses Systems zu untersuchen. Ich denke, es kann gezeigt werden, daß es in jedem der oben betrachteten Fälle und in vielen anderen sehr klare und leicht zu verallgemeinernde Einfachheits-überlegungen gibt, die bestimmen, welche Menge von Sätzen zum Kern gehört und welche Arten von Transformationen erforderlich sind, um von den Nicht-Kern-Sätzen Rechenschaft abzugeben. Als ein Beispiel werden wir kurz die Rolle der Passiv-Transformation betrachten. In § 5.4 zeigten wir, daß die Grammatik viel komplexer ist, wenn sie sowohl Aktiva als auch Passiva im Kern enthält, als wenn die Passiva gestrichen und durch eine Transformation wieder eingeführt werden, die das Subjekt und Objekt des Aktiv vertauscht und das Verb V durch is + V + en + by ersetzt. Zwei Fragen 4

Die weitere Untersuchung zeigt, daß die meisten der Verb + KomplementFormen, die durch Regel (91) eingeführt werden, aus dem Kern ausgeschlossen und transformativ aus John is incompetent usw. abgeleitet werden sollten. Dies ist aber ein komplexes Thema, das eine viel detailliertere Ausarbeitung der Transformations-Theorie verlangt, als wir hier geben können. Vgl. meine Arbeiten The logical structure of linguistic theory, Transformational analysis und "A transformational approach to syntax". Es gibt verschiedene andere Eigentümlichkeiten bei diesen Konstruktionen, über die wir viel zu schnell hinweggegangen sind. Es ist keineswegs klar, daß dies eine obligatorische Transformation ist. Bei langen und komplexen Objekten kommt, z. B., They consider incompetent anyone who is unable to... vor. Daher könnte man eher °£ als T^p ausweiten, damit es für diesen Fall sorgt. Es ist interessant, jene Eigentümlichkeiten des grammatischen Gegenstandes zu untersuchen, die diese Transformation notwendig machen oder ausschließen. Dabei ist viel mehr im Spiel als nur die Länge. Es gibt auch noch andere Möglichkeiten für das Passiv, die wir hier wegen Platzmangels nicht betrachten werden, obwohl sie einen interessanten Untersuchungsgegenstand abgeben.

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über Eindeutigkeit bieten sich von selbst an. Erstens fragen wir, ob es notwendig ist, die Nominal-Phrase zu vertauschen, um das Passiv zu bilden. Zweitens fragen wir, ob Passiva hätten als Kern gewählt werden können, um dann daraus Aktiva durch eine 'Aktiv'Transformation abzuleiten. Wir wollen zunächst die Frage der Vertauschung von Subjekt und Objekt betrachten. Ist diese Vertauschung notwendig, oder könnten wir die Passiv-Transformation beschreiben, als hätte sie folgende Wirkung: (93)

NPi — Aux —V— NP2 wird ersetzt durch

— Aux + be + en — V— by + NP2 In dem speziellen Fall John loves Mary würde dann das Passiv John is loved by Mary sein. In § 5.4 argumentierten wir gegen (93) und für die Vertauschung aufgrund der Tatsache, daß wir Sätze wie (94), aber nicht wie (95), haben. (94) (i) John admires sincerity. — Sincerity is admired by John. (ii) John plays golf. — Golf is played by John. (iii) Sincerity frightens John. — John is frightened by sincerity. (95) (i) Sincerity admires John. — John is admired by sincerity. (ii) Golf plays John. — John is played by golf. (iii) John frightens sincerity. — Sincerity is frightened by John. Wir wiesen jedoch darauf hin, daß für diesen Ansatz der Begriff des 'Grammatikalitäts-Grades' entwickelt werden muß, um diesen Unterschied stützen zu können. Ich glaube, daß dieser Ansatz richtig ist und daß es ein eindeutiges Kriterium dafür gibt, daß die Sätze von (94) grammatischer sind als die von (95), die ihrerseits grammatischer sind als Sätze wie Sincerity admires eat usw. Jede Grammatik, die Abstrakta von Eigennamen unterscheidet, würde fein genug

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EINIGE TRANSFORMATIONEN IM ENGLISCHEN

sein, beispielsweise den Unterschied zwischen (94 i, iii) und (95 i, iii) zu charakterisieren, und selbstverständlich muß eine SprachTheorie die Mittel zu dieser Unterscheidung liefern. Da wir uns jedoch in dieser Diskussion nicht mit der Frage der KategorienAnalyse befaßt haben, ist es interessant zu zeigen, daß es ein noch strengeres Argument gegen (93) gibt. In der Tat ist jede Grammatik, die singlar von plural unterscheiden kann, stark genug, uns den Beweis zu ermöglichen, daß das Passiv die Vertauschung der Nominal-Phrasen fordert. Um dies zu erkennen, wollen wir die Verb + KomplementKonstruktion, die in § 7.4 diskutiert wurde, betrachten. Neben (88) und (89) gibt es Sätze wie: (96) All the people in the lab consider John a fool. (97) John is considered a fool by all the people in the lab In § 7.4 sahen wir, daß (96) durch die Transformation T^bp aus der zugrundeliegenden Kette (98) All the people in the lab — consider a fool — John. (NP — Verb — NP) mit dem Verb "consider a fool" als ein Fall von (91) gebildet wird. Wir sahen auch, daß die Passiv-Transformation direkt auf (98) anwendbar ist. Wenn das Passiv Subjekt und Objekt vertauscht, wird es (97) aus (98) als Passiv von (96) korrekt bilden. Wenn wir jedoch (93) als Passiv-Definition nehmen, werden wir den Nicht-Satz (99) All the people in the lab are considered a fool by John. durch Anwendung dieser Transformation auf (98) ableiten. Das Wichtige ist hier, daß wir ein Verb gefunden haben — nämlich consider a fool —, das in der Zahl sowohl mit seinem Subjekt als auch mit seinem Objekt übereinstimmen muß.5 Solche Verben 5

Die Übereinstimmung zwischen a fool und John in (98) ist natürlich eine Stütze für die weitere Transformations-Analyse der Verb + Komplement +

EINIGE TRANSFORMATIONEN IM ENGLISCHEN

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beweisen schlüssig, daß das Passiv auf der Vertauschung von Subjekt und Objekt beruht. Wir wollen jetzt die Frage betrachten, ob Passiva als Kern-Sätze genommen werden können anstelle von Aktiva. Es ist ganz leicht zu sehen, daß dieser Vorschlag zu einer viel komplexeren Grammatik führt. Mit Aktiva als Kern-Sätzen wird die Phrasen-StrukturGrammatik (28) einschließen, wobei be -)- en aus (28iii) herausgenommen ist. Aber wenn Passiva als Kern-Sätze genommen werden, wird be + en in (28iii) aufgeführt werden müssen neben allen anderen Formen des Hilfsverbs, und wir werden spezielle Regeln hinzufügen müssen, die anzeigen, daß — falls V intransitiv ist — es nicht die Hilfsverbform be + en haben kann (d. h., es kann kein is occurred geben), falls jedoch V transitiv ist, muß es be + en haben (d.h., es kann kein Lunch eats by John geben). Wenn wir die zwei Alternativen vergleichen, gibt es keinen Zweifel über relative Komplexität; und wir sind gezwungen, Aktiva nicht Passiva als KernSätze zu nehmen. Man beachte, daß wir im Falle, daß Passiva als Kern-Sätze anstelle von Aktiva gewählt werden, auch in gewisse Schwierigkeiten von ganz anderer Art hineingeraten. Die Aktiv-Transformation müßte auf Ketten der Form (100)

NPi + Aux + be + en — V— by + NP2

angewendet werden, um sie in NPz — Aux— V—NPi zu verwandeln. Sie würde beispielsweise (101) The wine was drunk by the guests. in The guests drank the wine verwandeln, wobei drunk in (101) aus en + drink entsteht. Aber es gibt auch ein Adjektiv drunk, das in (72) neben old, interesting usw. aufgeführt werden muß, da wir He is very drunk, He seems drunk usw. haben (vgl. § 7.3), und dieses Adjektiv wird ebenfalls aus en + drink entstehen. Es zeigt sich Nominalphrase — Konstruktionen, die in Fußnote 4 auf S. 92 erwähnt werden.

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EINIGE TRANSFORMATIONEN IM ENGLISCHEN

dann, daß in dem einfachsten System der Phrasen-Struktur für das Englische auch der Satz (102) John was drunk by midnight. auf einer zugrundeliegenden Terminal-Kette basiert, die in Übereinstimmung mit (100) analysiert werden kann. Mit anderen Worten, es gibt keine Möglichkeit, zwischen der Struktur von (101) und (102) richtig zu unterscheiden, wenn beide als Kern-Sätze genommen werden, denn die Anwendung der 'Aktiv'-Transformation auf (102) ergibt keinen grammatischen Satz. Wenn wir wirklich versuchen, für das Englische die einfachste Grammatik aufzustellen, die einen Phrasen-Struktur- und einen Transformations-Teil enthält, finden wir, daß der Kern aus einfachen, aussagenden, aktiven Sätzen (wahrscheinlich sogar aus einer endlichen Anzahl von diesen) besteht und daß die anderen Sätze einfach als Transformen beschreiben werden können. Von jeder Transformation, die ich untersucht habe, kann gezeigt werden, daß sie nicht-umkehrbar ist, d. h., daß es viel einfacher ist, die Transformation in der einen Richtung als in der anderen durchzuführen, genau wie im Falle der oben diskutierten Passiv-Transformation. Diese Tatsache könnte eine Erklärung für die traditionelle Praxis der Grammatiker sein, gewöhnlich die englische Grammatik z. B. mit der Untersuchung einfacher'Handelnder-Handlung'Sätze zu beginnen und oder mit einfachen grammatischen Beziehungen wie Subjekt-Prädikat oder Verb-Objekt. Niemand würde das Studium der englischen Bestandteil-Struktur anfangen mit Sätzen wie Whom have they nominated, indem er versuchte, ihn in zwei Teile usw. zu zerlegen; und während einige sehr detaillierte Betrachtungen der englischen Struktur (z.B., Bibliographie [33]) keine Fragesätze erwähnen, versäumt es keine, einfache Aussagesätze einzuschließen. Die Transformations-Analyse liefert eine ziemlich einfache Erklärung für diese Asymmetrie (die sonst formal unmotiviert ist) durch die Annahme, daß die Grammatiker auf der Basis einer richtigen Intuition von der Sprache vorgegangen sind.6 6

Bei der Bestimmung, welche der zwei verwandten Formen zentraler ist,

EINIGE TRANSFORMATIONEN IM ENGLISCHEN

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7.6 Ein weiterer Punkt verdient Erwähnung, bevor wir das Thema der englischen Transformationen verlassen. Am Anfang von § 5 bemerkten wir, daß die Regel für die Konjunktion ein nützliches Kriterium für die Bestandteil-Analyse liefert, daß nämlich diese Regel sehr vereinfacht wird, wenn die Bestandteile in einer bestimmten Weise aufgestellt werden. Jetzt interpretieren wir diese Regel als Transformation. Es gibt noch viele andere Fälle, wo das Verhalten eines Satzes bei Transformationen wertvolle, ja zwingende Hinweise auf seine Bestandteil-Struktur liefert. Wir wollen als ein Beispiel folgendes Satzpaar betrachten: (103) (i) John knew the boy studying in the library, (ii) John found the boy studying in the library. Es ist intuitiv deutlich, daß diese Sätze verschiedene grammatische Strukturen haben (dies wird klar, wenn wir z. B. versuchen, not running around in the streets zu (103) hinzuzufügen), aber ich glaube nicht, daß auf der Ebene der Bestandteil-Struktur Gründe gefunden werden können, sie in verschiedenartige Bestandteile zu zerlegen. Die einfachste Analyse ist in beiden Fällen NP — Verb — NP — ing + VP. Aber man beobachte das Verhalten dieser Sätze bei der Passiv-Transformation. Es gibt die Sätze (104), aber nicht die Sätze (105).7 folgen wir also der Argumentation, die von Bloomfield für die Morphologie umrissen wurde: "...wenn Formen teilweise ähnlich sind, kann die Frage entstehen, welche wir am besten als die zugrundeliegende Form betrachten... die Struktur der Sprache kann diese Frage für uns entscheiden, denn wenn wir es auf die eine Weise versuchen, bekommen wir eine unnötig komplizierte Beschreibung, und wenn wir es auf die andere Weise versuchen, eine relativ einfache", (Language, New York, 1933, S. 218). Bloomfield fährt fort daraufhinzuweisen, daß "uns dieselbe Überlegung oft dazu führt, eine künstliche zugrundeliegende Form aufzustellen". Auch wir fanden diese Einsicht bei der Transformations-Analyse nützlich, als wir, z. B., die Terminal-Kette John — C — have + en — be + ing — read einrichteten, die dem Kern-Satz John has been reading zugrundeliegt. 7 Die Sätze von (104) ohne den eingeklammerten Ausdruck werden durch eine zweite 'elliptische' Transformation gebildet, die beispielsweise The boy was seen by John in The boy was seen verwandelt.

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EINIGE TRANSFORMATIONEN IM ENGLISCHEN

(104) (i) The boy studying in the library was known (by John), (ii) The boy studying in the library was found (by John). (iii) The boy was found studying in the library (by John). (105) The boy was known studying in the library (by John). Die Passiv-Transformation kann nur auf Sätze der Form NP — Verb — NP angewendet werden. Daher muß (103ii), um (104ii) zu ergeben, in (106) John — found — the boy studying in the library. zerlegbar sein, und zwar mit dem Nominal-Phrasen-Objekt the boy studying in the library; (103i) wird eine entsprechende Analyse erfahren, da wir das Passiv (l04i) haben. Aber von (103 ii) gibt es auch das Passiv (104iii). Daran erkennen wir, daß (103ii) ein Fall der Verb + Komplement-Konstruktion ist, die in § 7.4 untersucht wurde; d. h., daß es durch die Transformation T°ebp aus der zugrundeliegenden Kette (107) John — found studying in the library — the boy. mit dem Verb found und dem Komplement studying in the library abgeleitet wurde. Die Passiv-Transformation wird (107) in (104iii) verwandeln, genau wie sie es mit (90) und (89) tut. (103 i) jedoch ist kein Transform der Kette John — knew studying in the library — the boy (dieselbe Form wie (107)), da (105) kein grammatischer Satz ist. Indem wir dann die grammatischen Passiva untersuchen, bestimmen wir, daß John found the boy studying in the library (= (103ii)) zweifach zu zerlegen ist, nämlich entweder in NP— Verb — NP mit dem Objekt the boy studying in the library oder in NP — Aux + V— NP— Comp, ein Transform der Kette (107), das das komplexe Verb "found studying in the library" hat. John knew the boy studying in the library (= (103 i)) jedoch erhält nur die erstere dieser Analysen. Das Resultat der Beschreibung von (103) scheint ganz in Übereinstimmung mit der Intuition zu sein.

EINIGE TRANSFORMATIONEN IM ENGLISCHEN

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Als ein anderes Beispiel eines ähnlichen Typs wollen wir den Satz (108) John came home. betrachten. Obwohl John und home NPs sind und came ein Verb ist, zeigt die Untersuchung der Wirkungen von Transformationen an (108), daß es nicht als ein Fall von NP — Verb — NP zu analysieren ist. Es gibt kein Home was come by John aufgrund der PassivTransformation und auch kein What did John cornel aufgrund der Fragen-Transformation Tw, Wir müssen (108) deshalb in irgendeiner anderen Weise zerlegen (wenn wir die Beschreibung dieser Transformationen nicht unnötig komplizieren wollen), vielleicht in NP — Verb — Adverb. Abgesehen von Betrachtungen wie diesen, scheint es keine sehr starken Gründe dafür zu geben, (108) die völlig intuitionswidrige Analyse NP — Verb — NP mit home als Objekt zu came zu verweigern. Ich glaube, man kann sagen, daß eine beträchtliche Zahl der Grundkriterien zur Bestimmung der Bestandteil-Struktur in Wirklichkeit transformativer Art sind. Das allgemeine Prinzip ist das folgende: wenn wir eine Transformation haben, die die Grammatik vereinfacht und in einer großen Zahl von Fällen von Satz zu Satz führt (d. h., eine Transformation, unter der die Menge grammatischer Sätze nahezu geschlossen ist), dann versuchen wir den Sätzen eine Bestandteil-Struktur in der Weise zuzuschreiben, daß diese Transformation immer zu grammatischen Sätzen führt, wobei wir die Grammatik noch weiter vereinfachen. Der Leser wird vielleicht eine gewisse Zirkularität oder sogar eine offensichtliche Ungereimtheit bei unserem Ansatz bemerkt haben. Wir definieren Transformationen wie das Passiv mithilfe spezieller Phrasen-Struktur-Analysen und betrachten dann das Verhalten von Sätzen unter diesen Transformationen, wobei wir bestimmen, welche Phrasen-Struktur diesen Sätzen zuzuschreiben ist. In § 7.5 benutzten wir die Tatsache, daß John was drunk by midnight (= (102)) kein entsprechendes 'Aktiv' hat, als Argument gegen eine Passiv-zu-Aktiv-Transformation. In § 7.6 benutzten wir die Tatsache, daß John came home (= (108)) kein Passiv hat, als

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EINIGE TRANSFORMATIONEN IM ENGLISCHEN

Argument dagegen, es der Bestandteil-Struktur NP — Verb — NP zuzuschreiben. Wenn das Argument jedoch in jedem Falle sorgfältig verfolgt wird, wird klar sein, daß keine Zirkularität oder Ungereimtheit vorliegt. In jedem Falle war unsere einzige Absicht, die Komplexheit der Grammatik zu verringern, und wir haben zu zeigen versucht, daß die vorgeschlagene Analyse eindeutig einfacher ist als die zurückgewiesenen Alternativen. In einigen Fällen wird die Grammatik einfacher, wenn wir eine gewisse Transformation zurückweisen ; in einigen Fällen ist die Wiederzuschreibung von Bestandteil-Struktur vorzuziehen. Wir haben also den Weg verfolgt, der in § 6 umrissen wurde. Indem wir Phrasen-Struktur und Transformationen benützen, versuchen wir eine Grammatik des Englischen zu konstruieren, die einfacher ist als alle vorgeschlagenen Alternativen; und wir verschwenden keinen Gedanken auf die Frage, wie man tatsächlich zu dieser Grammatik auf mechanische Weise anhand einer Sammlung englischer Sätze (egal wie umfangreich) gelangen könnte. Unser schwächeres Ziel der Bewertung, anstelle der Findung, beseitigt jede Furcht vor fehlerhafter Zirkularität in den oben diskutierten Fällen. Die intuitiven Entsprechungen und Erklärungen scheinbarer Unregelmäßigkeiten scheinen mir eine wichtige Stütze für die Richtigkeit unseres Ansatzes zu bieten. Vgl. § 8.

8

DIE ERKLÄRUNGS-STÄRKE DER SPRACHTHEORIE

8.1 Bisher haben wir die Aufgabe des Linguisten darin gesehen, eine Vorrichtung von irgendeiner Art (eine 'Grammatik') hervorzubringen, mit der man alle und nur Sätze einer Sprache erzeugen kann, die — wie wir annahmen — im voraus gegeben sind. Wir haben gesehen, daß diese Konzeption von der Tätigkeit des Linguisten uns auf natürliche Weise dazu führt, Sprachen mittels einer Menge von Darstellungs-Ebenen zu beschreiben, von denen einige sehr abstrakt und nicht-trivial sind. Insbesondere führt sie uns dazu, die Phrasen-Struktur und die Transformations-Struktur als verschiedene Darstellungs-Ebenen für grammatische Sätze auszubauen. Wir gehen jetzt daran, das Ziel des Linguisten mit ganz anderen Mitteln, die von den ebengenannten unabhängig sind, zu formulieren, die jedoch zu ganz ähnlichen Begriffen von sprachlicher Struktur führen. Es gibt in der Sprache und im sprachlichen Verhalten viele Dinge, die über die Tatsache hinaus Erklärung verlangen, daß diese und jene Kette (die keiner je hervorgebracht haben mag) ein Satz ist oder nicht. Es ist vernünftig, von Grammatiken zu verlangen, daß sie Erklärungen für einige dieser Tatsachen liefern. Von vielen Sprechern des Englischen kann z. B. die Phonem-Folge /sneym/ uneindeutig verstanden werden nämlich entweder als a name oder als an aim. Wenn unsere Grammatik ein einebiges System wäre, das nur mit Phonemen zu tun hat, hätten wir keine Erklärung für dieses Faktum. Aber wenn wir die Ebene der morphologischen Darstellung entwickeln, finden wir, daß wir aus ganz eigenen Gründen gezwungen sind, die Morpheme a, an, aim und name aufzustellen, die mit den Phonem-Gestalten /9/, /an/, /eym/ und /neym/ verknüpft sind. Als automatische Konsequenz des Versuchs, die Morphologie

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DIE ERKLÄRUNGS-STÄRKE DER SPRACHTHEORIE

in der einfachsten Weise aufzustellen, finden wir daher, daß die Phonem-Folge /aneym/ auf der morphologischen Ebene uneindeutig dargestellt wird. Allgemein sagen wir, daß ein Fall von KONSTRUKTIONS-HOMONYMITÄT vorliegt, wenn eine bestimmte Phonem-Folge auf mehr als eine Weise auf irgendeiner Ebene analysiert wird. Dies bietet ein Kriterium für die Angemessenheit von Grammatiken. Wir können die Angemessenheit einer gegebenen Grammatik prüfen, indem wir fragen, ob jeder Fall von Konstruktions-Homonymität ein wirklicher Fall von Uneindeutigkeit ist und ob jeder Fall von eigentlicher Uneindeutigkeit wirklich ein Fall von KonstruktionsHomonymität ist.1 Noch allgemeiner: wenn eine bestimmte Konzeption von der Form einer Grammatik zu einer Grammatik einer gegebenen Sprache führt, die dieser Prüfung nicht standhält, können wir die Angemessenheit dieser Konzeption infrage stellen und ebenso die Sprach-Theorie, die ihr zugrundeliegt. Ein vortreffliches Argument für die Errichtung einer morphologischen Ebene besteht also darin, daß sie von der sonst unerklärlichen Uneindeutigkeit von /sneym/ Rechenschaft gibt. Es liegt ein Fall von Konstruktions-Homonymität vor, wenn irgendeine Phonem-Folge uneindeutigdargestelltwird. Angenommen, zwei verschiedene Phonem-Folgen werden auf irgendeiner Ebene ähnlich oder identische analysiert. Dann erwarten wir, daß diese Folgen irgendwie ähnlich 'verstanden' werden müssen, genau wie Fälle doppelter Darstellung in mehr als einer Weise 'verstanden' werden. Beispielsweise sind die Sätze (109) (i) John played tennis, (ii) My friend likes music. 1

Selbstverständlich werden nicht alle Arcen von Uneindeutigkeit mit syntaktischen Mitteln zu analysieren sein. Beispielsweise würden wir von einer Grammatik nicht erwarten, daß sie die Uneindeutigkeiten des Bezugs von son— sun, light (der Farbe, dem Gewicht nach) usw. erklärt. In seinem "Two models of grammatical description", Linguistics Today, Word, 10 (1954), 210-233, verwendet Hockett Begriffe der Struktur-Uneindeutigkeit, um die Selbständigkeit verschiedener linguistischer Begriffe zu zeigen, und zwar auf eine Weise, die dem sehr ähnlich ist, was wir hier vorschlagen.

DIE ERKLÄRUNGS-STÄRKE DER SPRACHTHEORIE

103

auf der Phonem- und auf der Morphem-Ebene ganz verschieden. Aber auf der Ebene der Phrasen-Struktur werden sie beide als NP— Verb — NP dargestellt; dementsprechend ist es offensichtlich, daß sie in gewissem Sinn ähnlich verstanden werden. Diese Tatsache könnte mit den Mitteln einer Grammatik, die nicht über die Ebene der Wörter oder Morpheme hinausgeht, nicht erklärt werden, und solche Fälle bieten eine Motivation für die Errichtung der Phrasen-Struktur-Ebene, die ganz unabhängig von der Motivation ist, die in § 3 vorgetragen wurde. Man beachte, daß auch Überlegungen zu Struktur-Uneindeutigkeiten als Motivation für die Errichtung einer Phrasen-Struktur-Ebene vorgebracht werden können. Ausdrücke wie old men and women und they are flying planes (d. h., Those specks on the horizon are..., My friends are...) sind offensichtlich uneindeutig, und in der Tat werden sie auf der Ebene der Phrasen-Struktur uneindeutig analysiert, jedoch nicht auf tieferer Ebene. Man erinnere sich, daß die Analyse eines Ausdrucks auf der Phrasen-Struktur-Ebene nicht von einer einzelnen Kette geliefert wird, sondern von einem Diagramm wie (15) oder — was gleichwertig ist — von einer bestimmten MENGE von darstellenden Ketten.2 Was wir sagen wollen ist, daß der Begriff 'einen Satz verstehen' teilweise mittels des Begriffs 'Sprach-Ebene' erklärt werden muß. Um einen Satz zu verstehen, ist es also notwendig, zuerst seine Analyse auf jeder sprachlichen Ebene zu rekonstruieren; und wir können die Angemessenheit einer gegebenen Menge von abstrakten Sprach-Ebenen dadurch prüfen , daß wir fragen, ob es uns Grammatiken, die mit Hilfe dieser Ebenen formuliert sind, ermöglichen, 2

Das heißt, von dem, was ich in meinen Arbeiten The logical structure of linguistic theory und "Three models for the description of language" (oben, S. 25, Fn. 3) einen phrase marker nenne. Siehe "Three models..." wegen der Diskussion der Konstruktions-Homonymität von They are flying planes im Rahmen der Phrasen-Struktur-Grammatik. Wenn wir der Phrasen-StrukturGrammatik eine Transformations-Grammatik anfügen, ist dieser Satz jedoch ein Beispiel für Transformations-Uneindeutigkeit, nicht für KonstruktionsHomonymität im Rahmen der Phrasen-Struktur. In der Tat ist es nicht klar, ob es ÜBERHAUPT Fälle von Konstruktions-Homonymität rein innerhalb der Ebene der Phrasen-Struktur gibt, wenn die Transformations-Grammatik einmal entwickelt ist.

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DIE ERKLÄRUNGS-STÄRKE DER SPRACHTHEORIE

eine befriedigende Analyse des Begriffs 'verstehen' zu liefern. Fälle ähnlicher Darstellung auf höherer Ebene und unähnlicher Darstellung auf höherer Ebene (Konstruktions-Homonymität) sind einfach die Extreme, die — falls dieser Rahmen akzeptiert wird — die Existenz höherer Ebenen beweisen. Allgemein gesprochen, können wir keinen Satz völlig verstehen, wenn wir nicht wenigstens wissen, wie er auf allen Ebenen zu analysieren ist, wobei höhere Ebenen wie die Phrasen-Struktur und — wie wir sehen werden — die Transformations-Struktur eingeschlossen sind. Wir konnten die Unangemessenheit einer Theorie der SprachStruktur zeigen, die vor der Phrasen-Struktur halt machte, indem wir Fälle von Uneindeutigkeit und Fälle von Ähnlichkeit des Verstehens vorführten, die auf tieferen Ebenen unerklärt bleiben mußten. Aber es zeigt sich, daß es einen noch größeren Rest von unerklärten Fällen gibt, nachdem auch die Ebene der PhrasenStruktur errichtet und auf das Englische angewendet ist. Die Analyse dieser Fälle beweist die Notwendigkeit der noch 'höheren' Ebene der Transformations-Analyse, und zwar in einer Weise, die von den §§ 5 und 7 unabhängig ist. Ich will nur einige repräsentative Beispiele erwähnen. 8.2 In § 7.6 stießen wir auf einen Beispielsatz (nämlich I found the boy studying in the library = (103ii)), dessen Uneindeutigkeit der Darstellung nicht gezeigt werden konnte, ohne daß man Transformations-Kriterien zur Geltung brachte. Wir fanden, daß nach der einen Interpretation dieser Satz ein Transform durch T^bp aus / — found studying in the library — the boy war und daß er nach der anderen Interpretation in eine NP — Verb — JVP-Konstruktion mit dem Objekt the boy studying in the library zerlegt wurde. Eine weitere Transformations-Analyse würde zeigen, daß der Satz in beiden Fällen ein Transform aus zwei Terminal-Ketten ist, die den einfachen Kern-Sätzen (l 10) (i) I found the boy. (ii) The boy is studying in the library.

DIE ERKLÄRUNGS-STÄRKE DER SPRACHTHEORIE

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zugrundeliegen. Dies ist daher der interessante Fall eines Satzes, dessen Uneindeutigkeit das Ergebnis alternativer TransformationsEntwicklungen aus denselben Kern-Ketten ist. Dies ist jedoch ein ganz kompliziertes Beispiel, das ein ziemlich detailliertes Studium der Art und Weise, wie Transformationen Bestandteil-Struktur zuschreiben, erfordert, und einfachere Beispiele von Uneindeutigkeit mit transformativem Ursprung sind nicht schwer zu finden. Wir wollen die Phrase (111) betrachten, die uneindeutig verstanden werden kann, nämlich mit hunters als Subjekt, analog zu (l 12i), oder als Objekt, analog zu (112ii). (l 11) the shooting of the hunters (112) (i) the growling of lions (ii) the raising of flowers. Auf der Ebene der Phrasen-Struktur ist es nicht gut möglich, diese Uneindeutigkeit zu erklären; alle diese Phrasen werden als the — V + ing — of+ NP dargestellt.3 Mit transformativen Mitteln jedoch gibt es eine klare und automatische Erklärung. Eine sorgfältige Analyse des Englischen zeigt, daß wir die Grammatik vereinfachen können, wenn wir Phrasen wie (111) und (112) aus dem Kern streichen und sie durch Transformation wieder einfuhren. Um von Phrasen wie (112i) Rechenschaft zu geben, werden wir eine Transformation aufstellen, die jeden Satz der Form NP — C — V in die entsprechende Phrase der Form the — V + ing — of + NP verwandelt; und diese Transformation wird derart entworfen, daß das Ergebnis ein NP ist.4 Um von (l 12ii) Rechenschaft zu geben, wer3

Zwar kann (l 11) uneindeutig dargestellt werden, indem shoot entweder als transitives oder intransitives Verb genommen wird, aber das Wesentliche ist hier, daß die grammatische Beziehung in (111) uneindeutig ist (d. h., hunters kann Subjekt oder Objekt sein). Die grammatischen Beziehungen können im Rahmen der Phrasen-Struktur mithilfe der Gestalt der Diagramme (15) usw. definiert werden. Aber mit diesen Mitteln gibt es keinen Grund zu der Annahme, daß ENTWEDER die Subjekt-Verb- ODER die Verb-Objekt-Beziehung in (l 11) gefunden werden kann. Wenn wir die Verben in drei Klassen zerlegen in, transitive, intransitive und entweder transitive oder intransitive, dann wird sogar diese (für sich ungenügende) Unterscheidung verschwinden. 4 Vgl. Fußnote 3 auf S. 86.

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DIE ERKLÄRUNGS-STÄRKE DER SPRACHTHEORIE

den wir eine Transformation aufstellen, die jeden Satz der Form NPi — C — V — NPz in das entsprechende NP der Form the — V + ing — of -i- NP2 verwandelt. Somit wird die erste dieser Transformationen lions growl in the growling of lions verwandeln, und die zweite wird John raises flowers in the raising of flowers verwandeln. Aber sowohl The hunters shoot als auch They shoot the hunters sind Kern-Sätze. Daher wird (111) = the shooting of the hunters zwei verschiedene Transformations-Ursprünge haben; es wird auf der Transformations-Ebene uneindeutig dargestellt werden. Die Uneindeutigkeit der grammatischen Beziehung in (111) ist ein Konsequenz der Tatsache, daß die Beziehung von shoot zu hunters in den zwei zugrundeliegenden Kern-Sätzen verschieden ist. In (112) tritt diese Uneindeutigkeit nicht auf, da weder they growl lions noch flowers raise grammatische Kern-Sätze sind. In ähnlicher Weise wollen wir Paare wie (113) (i) The picture was painted by a new technique, (ii) The picture was painted by a real artist. betrachten. Diese Sätze werden auf ganz verschiedene Weise verstanden, obwohl sie als identisch dargestellt werden, und zwar als NP — was + Verb + en — by + NP auf der Ebene der PhrasenStruktur. Aber ihre Transformations-Geschichte ist ganz verschieden. (113ii) ist das Passiv von A real artist painted the picture. (l 13i) ist durch eine doppelte Transformation aus — sagen wir — John painted the picture by a new technique geformt, nämlich zuerst durch die Passiv- und dann durch die Ellipsen-Transformation (in Fußn. 7 auf S. 97 erwähnt), die den 'Agens' im Passiv ausstößt. Ein absolutes Homonym nach dem Vorbild von (113) ist nicht schwer zu finden. Zum Beispiel kann (114) John was frightened by the new methods. entweder meinen, daß John konservativ ist — neue Methoden erschrecken ihn; oder daß neue Methoden von schreckenden Leuten angewandt wurden, um John zu erschrecken (eine Interpretation,

DIE ERKLÄRUNGS-STÄRKE DER SPRACHTHEORIE

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die die normalere wäre, wenn being nach was eingefügt wäre). Auf der Transformations-Ebene hat (114) sowohl die Analyse von (l 13i) als auch die von (113ii), was von seiner Uneindeutigkeit Rechenschaft gibt. 8.3 Wir können die Argumentation vervollständigen, indem wir ein Beispiel des anderen Extrems bieten; nämlich einen Fall von Sätzen, die auf ähnliche Weise verstanden werden, obwohl sie ganz verschieden in ihrer Phrasen-Struktur und in ihrer Darstellung auf niederer Ebene sind. Wir wollen die folgenden Sätze, die in § 7.2 diskutiert wurden, betrachten: (115) (i) (ii) (iii) ;. ; (iv)

John ate an apple — Aussage Did John eat an apple? — Ja-oder-Nein-Frage What did John eat? / Frage „„ t ,0 — wA-Frage Who ate an apple?

Es ist intuitiv klar, daß (115) zwei Arten von Sätzen enthält, nämlich Aussagen (115i) und Fragen (115ii-iv). Darüberhinaus sind die Fragen intuitiv in zwei Arten unterteilt, nämlich in die Ja-oderNein-Fragen (115ii) und in die wA-Fragen (115iii-iv). Es ist jedoch schwierig, eine formale Basis für die Klassifikation zu finden, die nicht willkürlich und ad hoc ist. Wenn wir z. B. Sätze nach ihrer 'normalen' Intonation klassifizieren, dann werden sich einerseits (115i), (115iii) und (115iv) mit der normalen Aussage-Intonation (fallend) und andererseits (115ii) mit der steigenden Intonation gegenüberstehen. Wenn wir Sätze auf der Basis der Wortstellung klassifizieren, dann werden sich einerseits (115i) und (115iv) mit der normalen NP— Verb — TVP-Stellung und andererseits (115ii) und (l 15iii) gegenüberstehen, bei denen Vertauschung von Subjekt und Hilfsverb auftritt. Trotzdem wird jede englische Grammatik diese Sätze in der Weise aufteilen, wie es in (115) gezeigt ist, und jeder Sprecher des Englischen wird diese Sätze nach diesem Muster verstehen. Sicher muß eine Sprach-Theorie, die es versäumt, Gründe für diese Einteilung zu liefern, als unangemessen beurteilt werden.

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DIE ERKLÄRUNGS-STÄRKE DER SPRACHTHEORIE

Die Darstellung einer Kette auf der Ebene der Transformationen ist durch die Terminal-Kette (oder Ketten) gegeben, von der sie herstammt, und durch die Folge von Transformationen, durch die sie aus dieser zugrundeliegenden Kette abgeleitet ist. In den §§ 7.1-2 kamen wir zu folgenden Schlüssen über die Sätze (115) (= (70)). Jeder dieser Sätze stammt von der zugrundeliegenden TerminalKette (116) John — C — eat + an + apple

(= (61))

ab, die innerhalb der Phrasen-Struktur-Grammatik abgeleitet wurde. (115i) ist aus (116) durch alleinige Anwendung obligatorischer Transformationen abgeleitet; deshalb ist es nach der Definition ein Kern-Satz. (115ii) ist aus (116) durch Anwendung der obligatorischen Transformationen und Te geformt. Sowohl (115iii) als auch (115iv) sind durch Anwendung obligatorischer Transformationen und durch Tff und T«, geformt. Sie unterschieden sich voneinander nur in der Wahl der Nominal-Phrase, auf die Tw angewendet wird. Angenommen, wir bestimmen die Satz-Typen allgemein mittels der Transformations-Geschichte, d. h. mittels ihrer Darstellung auf der Transformations-Ebene. Dann sind die größeren Unterabteilungen von (115) der Kern-Satz (l 15i) einerseits und (115 i-iv) andererseits, die alle Tg in ihrer TransformationsDarstellung haben. Also sind (115ii-iv) alles Fragesätze. (115iii-iv) stellen eine besondere Unterklasse der Fragesätze dar, da sie durch die zusätzliche Hilfstransformation T«, geformt werden. Wenn wir also die einfachste Transformatione-Grammatik für (115) formulieren, finden wir, daß die intuitiv korrekte Klassifizierung der Sätze durch die sich ergebenden Transformatione-Darstellungen dargeboten wird.

SYNTAX UND SEMANTIK

9.1 Wir haben jetzt Fälle von Sätzen gefunden, die in mehr als einer Weise verstanden und auf der Transformations-Ebene (nicht aber auf anderen Ebenen) uneindeutig dargestellt werden, und Fälle von Sätzen, die in ähnlicher Weise verstanden und allein auf der Transformations-Ebene ähnlich dargestellt werden. Dies bietet eine eigene Rechtfertigung und Motivation für die Beschreibung von Sprache mithilfe der Transformations-Struktur und für die Einrichtung der Transformations-Darstellung als sprachlicher Ebene mit demselben fundamentalen Charakter wie ihn andere Ebenen haben. Darüber hinaus bestärkt es die Meinung, daß der Prozeß des 'Verstehens eines Satzes' teilweise mithilfe des Begriffs 'SprachEbene' erklärt werden kann. Im einzelnen: um einen Satz zu verstehen, ist es notwendig, die Kern-Sätze zu kennen, von denen er herstammt (genauer: die Terminal-Ketten, die diesen Kern-Sätzen zugrundeliegen), und die Phrasen-Struktur jeder dieser elementaren Komponenten ebenso wie die Transformations-Geschichte der Ableitung des gegebenen Satzes aus diesen Kern-Sätzen.1 Das allgemeine Problem, den Prozeß des 'Verstehens' zu analysieren, wird somit in gewisser Weise zu dem Problem reduziert, wie das Verstehen von Kern-Sätzen zu erklären ist, da diese als die grundlegenden 'Inhalts-Elemente' angesehen werden, aus denen die gewöhnlichen, komplexeren Sätze des wirklichen Lebens durch Transformations-Ableitung geformt sind. 1

Wenn die Transformations-Analyse sorgfältiger formuliert wird, finden wir, daß die Kenntnis der transformativen Darstellung eines Satzes (die die Phrasen-Struktur der Kern-Ketten, denen der Satz entspringt, einschließt) alles ist, was notwendig ist zur Bestimmung der abgeleiteten Phrasen-Struktur des Transform.

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SYNTAX UND SEMANTIK

Indem wir sagen, daß die syntaktische Struktur gewisse Einsichten in die Probleme der Bedeutung und des Verstehens gewährt, haben wir uns auf gefährlichen Grund begeben. Es gibt keinen Bereich linguistischer Studien, der mehr der Verwirrung ausgesetzt wäre und klare und sorgfältige Formulierung nötiger hätte als jener, der sich mit den Verknüpftungspunkten zwischen Syntax und Semantik befaßt. Die Frage, die wirklich gestellt werden sollte, ist: "Wie werden die syntaktischen Vorrichtungen, die in einer gegebenen Sprache vorliegen, beim tatsächlichen Gebrauch dieser Sprache in Tätigkeit gesetzt?" Anstatt daß man sich mit diesem sehr wichtigen Problem befaßte, war das Studium der Beziehungen zwischen Syntax und Semantik weithin von einer nebensächlichen und falschformulierten Frage beherrscht. Der Punkt war immer, ob für die Entdeckung und Auswahl einer Grammatik semantische Information nötig wäre; und die herausfordernde Frage, die von denen, die hierzu den positiven Standpunkt einnehmen, gewöhnlich gestellt wird, lautet: "Wie kann man eine Grammatik ohne Rücksicht auf Bedeutung konstruieren?" Die Bemerkungen in § 8 über mögliche semantische Folgerungen aus dem Studium der Syntax sollten nicht dahin mißinterpretiert werden, als ob sie die Meinung, daß die Grammatik auf der Bedeutung basiere, stützten. Tatsächlich war ja die Theorie, die in den §§ 3-7 umrissen wurde, vollständig formal und nicht-semantisch. In § 8 haben wir kurz einige Möglichkeiten angedeutet, wie der tatsächliche Gebrauch von vorhandenen syntaktischen Vorrichtungen untersucht werden kann. Vielleicht kann dieses Problem durch eine rein negative Diskussion der Möglichkeit, semantische Begründungen für die Syntax-Theorie zu finden, etwas weiter erhellt werden. 9.2.1 Große Mühe wurde auf den Versuch verwendet, die Frage zu beantworten: "Wie kann man eine Grammatik ohne Rücksicht auf die Bedeutung konstruieren?" Die Frage selbst jedoch ist falsch gestellt, da die stillschweigende Voraussetzung, daß man offensichtlich eine Grammatik MIT Rücksicht auf Bedeutung konstruieren kann, gänzlich ungestützt ist. Man könnte mit gleicher Berechti-

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gung fragen: "Wie kann man eine Grammatik ohne Kenntnis der Haarfarbe des Sprechers konstruieren?" Die Frage, die gestellt werden sollte, lautet: "Wie kann man eine Grammatik konstruieren?" Mir ist weder ein detaillierter Versuch bekannt, eine Theorie der grammatischen Struktur mit teilweise semantischen Mitteln zu entwickeln, noch irgendein spezifischer und strenger Vorschlag, wie man semantische Information bei der Konstruktion oder Bewertung von Grammatiken verwenden könnte. Es ist nicht zu leugnen, daß das 'Gefühl für sprachliche Form' für den Erforscher der sprachlichen Form (d. h., der Grammatik) sehr nützlich ist. Es ist ebenfalls ganz klar, daß es das Hauptziel der grammatischen Theorie ist, dieses dunkle Sichberufen auf das Gefühl durch einen strengen und objektiven Zugang zu ersetzen. Es gibt jedoch wenig Beweise dafür, daß das 'Gefühl für Bedeutung' bei der tatsächlichen Erforschung der sprachlichen Form überhaupt nützlich ist. Ich glaube, die Unangemessenheit der Vorschläge über den Nutzen der Bedeutung bei der grammatischen Analyse ist nur deshalb nicht offenbar, weil sie unklar sind und weil der unglückliche Hang besteht, 'Gefühl für sprachliche Form' mit 'Gefühl für Bedeutung' zu vermischen, zwei Ausdrücke, die nur ihre Unklarheit und ihre Nichterwünschtheit in der Sprach-Theorie gemein haben. Da jedoch solche Meinungen weit verbreitet sind, könnte es der Mühe wert sein, einige von ihnen kurz zu untersuchen, obwohl in diesem Fall eigentlich jener Linguist die Beweislast ganz zu tragen hat, der behauptet, er habe einen grammatischen Begriff mit semantischen Mitteln entwickeln können. 9.2.2 Unter den verbreiteten Behauptungen, wonach die Grammatik von der Bedeutung abhängig sei, finden wir die folgenden: (117) (i) Zwei Äußerungen sind lautlich verschieden, wenn und nur wenn sie in der Bedeutung verschieden sind; (ii) Morpheme sind die kleinsten Elemente mit Bedeutung; (iii) grammatische Sätze sind solche, die semantische Signifikanz haben;

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(iv) die grammatische Subjekt-Verb-Beziehung (d. h., NP — VP als Analyse von Satz) entspricht der allgemeinen 'Struktur-Bedeutung' Handelnder-Handlung; (v) die grammatische Verb-Objekt-Beziehung (d. h., Verb — NP als Analyse von VP) entspricht der StrukturBedeutung Handlung-Ziel oder Handlung-Objekt der Handlung; (vi) ein aktiver Satz und der entsprechende passive sind synonym. 9.2.3 Eine große Anzahl von Linguisten haben die Meinung vertreten, daß lautliche Verschiedenheit mittels verschiedener Bedeutung (Synonymität, um einen gebräuchlichen Ausdruck zu verwenden) definiert werden muß, wie in (l 17i) behauptet wird. Es ist jedoch unmittelbar einleuchtend, daß (l 17i) so nicht als eine Definition der lautlichen Verschiedenheit akzeptiert werden kann.2 Wenn wir der Entscheidung nicht ausweichen wollen, müssen die infragestehenden Äußerungen Zeichen, nicht Typen, sein. Aber es gibt Äußerungs-Zeichen, die lautlich verschieden und identisch in der Bedeutung (synonym) sind, und es gibt Äußerungs-Zeichen, die lautlich identisch und verschieden in der Bedeutung (homonym) sind. Daher ist (117i) in beiden Richtungen falsch. Von links nach rechts wird es wiederlegt durch Paare wie bachelor und unmarried man oder — noch ernstlicher — von vollkommenen Synonymen wie /ekmämiks/ und /iykmamiks/ (economics), adult und adult, /raesm/ und /reysm/ (ration) und viele andere, die sogar innerhalb eines Sprachstils nebeneinander existieren können. Von rechts nach links wird (117i) durch Paare wie bank (of a river) und bank (for savings),3 metal und medal (in vielen Dialekten) und viele weitere 2

Siehe mein "Semantic considerations in grammar", Monograph no. 8 (1955), 141-153, wegen einer detaillierten Untersuchung von (117i). 3 Man beachte, daß wir nicht argumentieren dürfen, bank in the river bank und bank in the savings bank seien zwei Vorkommnisse desselben Wortes, da dies genau die zu untersuchende Frage ist. Zu sagen, daß zwei ÄußerungsZeichen Vorkommnisse desselben Wortes sind, hieße, daß sie lautlich nicht verschieden sind, und wahrscheinlich ist es das, was das Synonymitäts-Kriterium (117i) für uns bestimmen soll.

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Beispiele widerlegt. Mit anderen Worten: wenn wir zwei Äußerungs-Zeichen demselben Äußerungs-Typ aufgrund von (l 17i) zuschreiben, werden wir in einer großen Zahl von Fällen einfach die falsche Klassifizierung erhalten. Eine Behauptung, die schwächer ist als (l 17i), könnte in der folgenden Weise vorgetragen werden. Angenommen, es liegt ein vollständiges phonetisches System vor, das uns bei der Analyse einer Sprache im voraus gegeben ist und garantiert fein genug ist, daß man mit ihm alle phonemisch verschiedenen Äußerungspaare einer Sprache verschieden transskribieren kann. Es soll nun der Fall sein, daß bestimmte verschiedene Zeichen in dieser phonetischen Transskription auf gleiche Weise umgeschrieben werden. Angenommen, wir definieren die 'Mehrdeutigkeit', ambiguous meaning, eines Äußerungs-Zeichens als die Menge von Bedeutungen aller Zeichen, die auf gleiche Weise wie dieses Äußerungs-Zeichen umgeschrieben werden. Wir könnten jetzt (l 17 i) revidieren, indem wir 'Bedeutung' durch 'Mehrdeutigkeit' ersetzen. Das könnte einen Zugang zum Homonymitäts-Problem liefern, falls wir eine sehr große Sammlung hätten, bei der wir ziemlich sicher sein könnten, daß jede phonetisch verschiedene Form eines gegebenen Wortes zusammen mit jeder Bedeutung, die dieses Wort haben könnte, auftritt. Es wäre möglich, diesen Ansatz noch weiter auszuarbeiten, um das Problem der Synonyme in den Griff zu bekommen. Man könnte hoffen, auf diese Weise die lautliche Verschiedenheit zu bestimmen, nämlich durch mühevolle Untersuchung der Bedeutungen von Einheiten, die in einer riesigen Sammlung phonetisch umgeschrieben werden. Die Schwierigkeit, in präziser und realistischer Art und Weise zu bestimmen, wie viele Bedeutungen verschiedene Einheiten miteinander gemein haben, sowie die Ausmaße dieses Unternehmens lassen jedoch die Aussichten eines solchen Ansatzes ziemlich zweifelhaft erscheinen. 9.2.4 Glücklicherweise brauchen wir solch ein weit hergeholtes und ins einzelne gehendes Programm zur Bestimmung lautlicher Verschiedenheit nicht durchzuführen. In der Praxis verwendet jeder Linguist viel einfachere und geradezu nicht-semantische Vorrich-

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tungen. Angenommen, ein Linguist will bestimmen, ob metal und medal in einem englischen Dialekt lautlich verschieden sind. Er wird dann die Bedeutung dieser Wörter nicht untersuchen, da diese Information für diesen Zweck eindeutig irrelevant ist. Er weiß, daß die Bedeutungen verschieden sind (oder er befaßt sich einfach nicht mit dieser Frage), und er will bestimmen, ob die Wörter lautlich verschieden sind oder nicht. Ein sorgfältiger Feldarbeiter würde wahrscheinlich den Paar-Test4 anwenden, entweder mit zwei Informanten oder mit einem Informanten und einem Tonbandgerät. Beispielsweise könnte er eine zufällige Folge von Wiedergaben der Äußerungs-Zeichen herstellen und dann feststellen, ob der Sprecher sie beständig identifizieren kann. Wenn beständig identifiziert wird, kann der Linguist einen noch strengeren Test anwenden, indem er den Sprecher bittet, jedes Wort einige Male zu wiederholen, und indem er dann den Paar-Test aufgrund der Wiederholungen erneuert. Wenn dauernde Unterscheidbarkeit bei der Wiederholung gewährleistet ist, wird er sagen können, daß die Wörter metal und medal lautlich verschieden sind. Der Paar-Test — mit allen seinen Varianten und Verfeinerungen — bietet uns ein klares und operatives Kriterium zur Feststellung lautlicher Verschiedenheit mit gänzlich nicht-semantischen Mitteln.5 4

Vgl. mein "Semantic considerations of grammar", Monograph no. 8 (1955), 141-154; M. Halle. "The strategy of phonemics", Linguistics Today, Word, 10 (1954), 197-209; Z. S. Harris, Methods in structural linguistics (Chicago, 1951), 32 f.; C. F. Hockett, A manual of phonology = Memoir 11, Indiana University Publications in Anthropology and Linguistics (Baltimore, 1955), 146. 5 Lounsbury argumentiert in seinem "A semantic analysis of the Pawnee kinship usage", Language, 32 (1956), 158-194 auf S. 190, daß man sich notwendig auf Synonymität berufen muß, um zwischen freier Variation und Kontrast unterscheiden zu können: "Wenn ein Linguist, der kein Englisch kann, das Wort cat zuerst mit einem aspirierten Verschlußlaut am Ende und dann mit einem präglottalisierten nicht-freigegebenen Verschlußlaut am Ende von meinen Lippen abnimmt, werden ihm die phonetischen Daten nicht sagen, ob diese Formen kontrastieren oder nicht. Erst wenn er mich als seinen Informanten fragt, ob die Bedeutung der ersten Form von der der zweiten verschieden ist, und ich nein sage, wird er mit seiner Laut-Analyse fortfahren können." Als allgemeine Methode ist dieses Verfahren unhaltbar. Angenommen, der Linguist nimmt /ekinamiks/ und /iykinamiks/, /viksln/ und /fiymeyl # faks/ usw. auf und fragt, ob sie in der Bedeutung verschieden sind. Er wird erfahren, daß es nicht der

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Gewöhnlich gelten nicht-semantische Ansätze bei der grammatischen Analyse als mögliche Alternativen zu semantischen Ansätzen, und sie werden als zu komplex — wenn auch als im Prinzip möglich — kritisiert. Wir fanden jedoch, daß zumindest im Falle lautlicher Verschiedenheit genau das Gegenteil wahr ist. Es gibt einen ziemlich geraden und operativen Zugang zur Bestimmung lautlicher Verschiedenheit mittels solcher nicht-semantischer Vorrichtungen wie des Paar-Tests. Es könnte im Prinzip möglich sein, ein semantisch orientiertes Äquivalent zum Paar-Test mit seinen Verfeinerungen zu entwickeln, aber es scheint, daß ein solches Verfahren sehr komplex sein wird, da es die erschöpfende Analyse einer immensen Sammlung erfordert und die Linguisten in den ziemlich hoffnungslosen Versuch verstrickt, zu bestimmen, wie viele Bedeutungen eine gegebene Lautfolge haben kann. 9.2.5 Da ist eine weitere prinzipielle Schwierigkeit, die erwähnt werden sollte, wenn wir den semantischen Ansatz bei der Analyse lautlicher Verschiedenheit diskutieren. Wir fragten noch nicht, ob die Bedeutungen, die verschiedenen (aber lautlich identischen) Zeichen beigelegt werden, identisch oder bloß sehr ähnlich sind. Wenn das letztere der Fall ist, dann haben alle Schwierigkeiten bei Fall ist, und ihnen auf inkorrekte Weise dieselbe Laut-Analyse zuschreiben, wenn er diese Position streng einnimmt. Andererseits gibt es viele Sprecher, die metal nicht von medal unterscheiden, obwohl sie, gefragt, ganz sicher sind, daß sie es tun. Die Antworten solcher Informanten auf Lounsburys direkte Frage nach der Bedeutung würden ohne Zweifel die Sache einfach verdunkeln. Wir können Lounsburys Position annehmbarer machen, indem wir die Frage "haben sie dieselbe Bedeutung?" durch "sind sie dasselbe Wort?" ersetzen. Dadurch werden die Fallgruben der wesentlich irrelevanten semantischen Frage vermieden, aber sie ist in dieser Form schwerlich akzeptabel, da sie auf die Bitte an den Informanten hinausläuft, die Arbeit des Linguisten zu leisten; sie ersetzt einen operativen Verhaltens-Test (wie etwa den Paar-Test) durch das Urteil eines Informanten über sein Verhalten. Die operativen Tests für linguistische Begriffe können vom Informanten Antwort verlangen, dürfen aber nicht seine Meinung über sein Verhalten, sein Urteil über Synonymität, über lautliche Verschiedenheit usw. fordern. Die Meinungen des Informanten können auf allen Arten von irrelevanten Faktoren beruhen. Dies ist eine wichtige Unterscheidung, die sorgfältig beachtet werden muß, wenn die operative Basis der Grammatik nicht trivialisiert werden soll.

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der Bestimmung lautlicher Verschiedenheit ihre Parallele bei der Bestimmung von Bedeutungs-Gleichheit, ja sie werden noch größer wegen der inneren Dunkelheit des Gegenstandes. Wir werden festlegen müssen, wann zwei verschiedene Bedeutungen genügend ähnlich sind, um als 'dieselben' angesehen zu werden. Wenn wir andererseits die Position zu halten versuchen, wonach die beigelegten Bedeutungen immer identisch sind und die Bedeutung eines Wortes ein fester und unveränderlicher Bestandteil jedes Vorkommens ist, dann erscheint der Vorwurf der Zirkularität begründet. Der einzige Weg, eine solche Position aufrechtzuerhalten, scheint es zu sein, die Bedeutung eines Zeichens als 'die Art und Weise, in der Zeichen dieses Typs verwendet werden (oder werden können)', als die Klasse von Situationen, in denen sie verwendet werden können, als Antwort-Typ, den sie normalerweise hervorrufen, oder als etwas dergleichen anzusehen. Aber es ist schwierig, aus einer solchen Konzeption der Bedeutung überhaupt etwas Sinnvolles zu machen, ohne vorher einen Begriff des Äußerungs-Typs zu haben. Es würde sich also zeigen, daß — ganz abgesehen von unseren früheren Einwendungen — jeder Ansatz zur Analyse lautlicher Verschiedenheit mit semantischen Mitteln entweder zirkulär ist oder auf einer Unterscheidung beruht, die festzusetzen beträchtlich schwieriger ist als die Unterscheidung, die er klären soll. 9.2.6 Wie läßt sich überhaupt erklären, daß Formulierungen wie (l 17 i) weithin akzeptiert werden? Ich glaube, es gibt dafür zwei Deutungen. Teilweise ist es die Konsequenz aus der Annahme, daß semantische Ansätze irgendwie unmittelbar gegeben und so einfach sind, daß sie keiner weiteren Analyse bedürften. Jeder Versuch jedoch, eine sorgfältige Beschreibung zu bieten, zerstört diese Illusion schnell. Ein semantischer Ansatz zur Analyse eines grammatischen Begriffs erfordert ein ebenso sorgfältiges und detailliertes Vorgehen, wie es von jedem nicht-semantischen Zugang verlangt wird. Und — wie wir sahen — ein semantischer Ansatz zu lautlicher Verschiedenheit ist mit beträchtlichen Schwierigkeiten verknüpft. Die zweite Quelle für Formulierungen wie (117i) ist, glaube ich, die Verwechslung von 'Bedeutung' mit 'Antwort des Informanten'.

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So finden wir Erläuterungen der linguistischen Methode wie die folgende: "Bei der sprachlichen Analyse definieren wir den Kontrast der Formen auf operative Weise mittels des Unterschieds in den Bedeutungs-Antworten."6 In § 9.2.3. bemerkten wir schon, daß wir — falls wir die Verschiedenheit durch die 'Bedeutungs-Antwort' in direkter Weise bestimmen wollten — an sehr vielen Stellen einfach die falsche Entscheidung treffen würden; und wenn wir versuchen, die Schwierigkeiten, die sofort entstehen, zu vermeiden, kommen wir zu einer Konstruktion, die so kompliziert ist und solche untragbaren Annahmen hat, daß sie kaum als ernsthafter Vorschlag gelten kann. Und in § 9.2.5 sahen wir, daß es offensichtlich noch prinzipiellere Schwierigkeiten gibt. Wenn wir also die zitierte Behauptung wörtlich nehmen, müssen wir sie als inkorrekt zurückweisen. Wenn wir jedoch das Wort 'Bedeutung' in dieser Äußerung weglassen, haben wir einen ganz akzeptablen Hinweis auf Verfahren wie den Paar-Test. Aber es gibt keine Berechtigung, die Antworten, die beim Paar-Test untersucht werden, in irgendeiner Weise als semantisch zu deuten.7 Man könnte sehr wohl einen operativen Test für Reime entwickeln, der zeigen würde, daß bill und pill sich aufeinander beziehen, wie es bill und ball nicht tun. In diesem Test würde es nichts Semantisches geben. Die lautliche Identität ist in ihrem Wesen ein vollständiger Reim, und es gibt nicht mehr Gründe, im Fall von bill und bill eine verborgene semantische Reaktion zu postulieren als im Fall bill und pill. Es ist merkwürdig, daß diejenigen, die sich gegen die Gründung der linguistischen Theorie auf Formulierungen wie (l 17i) wenden, der Mißachtung der Bedeutung angeklagt werden sollen. Es scheint 6

F. Lounsbury, "A semantic analysis of the Pawnee kinship usage", Language, 32 (1956), 158-194, 191. 7 Man sollte sich nicht durch die Tatsache verwirren lassen, daß das Subjekt im Paar-Test gebeten werden kann, die Äußerungs-Zeichen durch Bedeutung zu identifizieren. Es könnte ebensogut gebeten werden, sie durch beliebig gewählte Nummern, durch Sternzeichen usw. zu identifizieren. Wir können einige bestimmte Formulierungen des Paar-Tests nicht eher als Argumente für die Abhängigkeit der grammatischen Theorie von der Bedeutung ansehen als als Argumente, wonach die Linguistik auf der Arithmetik oder auf der Astrologie beruht.

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ganz im Gegenteil der Fall zu sein, daß diejenigen, die eine Variante von (117i) vorschlagen, 'Bedeutung' so weitgefaßt interpretieren müssen, daß jede Antwort auf Sprache 'Bedeutung' genannt wird. Aber diese Ansicht zu akzeptieren, hieße den Ausdruck 'Bedeutung' von jeglichem Wert und jeglicher Signifikanz zu entblößen. Ich glaube, jeder, der den Ausdruck 'Studium der Bedeutung' erhalten möchte, weil er einen wichtigen Aspekt linguistischer Forschung beschreibt, muß diese Identifizierung von 'Bedeutung' mit 'Antwort auf Sprache' zurückweisen und damit auch Formulierungen wie

9.2.7 Der Beweis, daß semantische Begriffe in der Grammatik unnütz sind, ist natürlich unmöglich, genauso wie es unmöglich ist, die Irrevelanz irgendeiner anderen gegebenen Menge von Begriffen zu beweisen. Die Untersuchung solcher Vorschläge scheint jedoch immer nur zu dem Schluß zu führen, daß nur eine rein formale Basis eine feste und produktive Grundlage für die Konstruktion einer grammatischen Theorie bieten kann. Eine detaillierte Untersuchung der semantisch orientierten Vorschläge würde über die Grenzen dieser Studie hinausgehen und ziemlich uninteressant sein, aber wir können kurz einige der klareren Gegenbeispiele zu so geläufigen Anschauungen wie (117) erwähnen. Von Morphemen wie to in / want to go oder von der Trägerattrappe do in Did he comesl (vgl. §7.1) kann man schwerlich sagen, daß sie irgendeine eigenständige Bedeutung haben, und es erscheint vernünftig anzunehmen, daß ein eigener Begriff von Bedeutung — falls klar gegeben — Nicht-Morphemen wie gl- in gleam, glimmer, glow9 Bedeutung von irgendeiner Art zuschreiben könnte. Somit finden wir Gegenbeispiele zur Annahme (117ii), wonach Morpheme als kleinste Bedeutung-tragende Elemente definiert werden. In § 2 haben wir Gründe dafür angeführt, durch die die 'semantische Signifikanz' als allgemeines Kriterium für Grammatikalität, wie in (117iii) vorgeschlagen, zurückgewiesen wird. 8

Siehe L. Bloomfield, Language (New York, 1933), 156; Z. S. Harris, Methods in structural linguistics (Chicago, 1951), 177; O. Jespersen, Language (New York, 1922), Kapitel XX, wegen weiterer Beispiele.

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Sätze wie John received a letter oder The fighting stopped zeigen deutlich die Unhaltbarkeit der Aussage (117 iv), wonach die grammatische Subjekt-Verb-Beziehung die 'Struktur-Bedeutung' Handelnder-Handlung hat, wenn die Bedeutung ernsthaft als ein von Grammatik unabhängiger Begriff genommen wird. Auf ähnliche Weise wird ( 7v), wonach eine Struktur-Bedeutung wie Handlung-Ziel der Verb-Objekt-Beziehung zugeschrieben wird, durch Sätze wie I will disregard his incompetence oder / missed the train ausgeschlossen. Im Widerspruch zu (117vi) können wir Umstände beschreiben, in denen ein 'Quantifikations'-Satz wie Everyone in the room knows at least two languages wahr sein kann, während das entsprechende Passiv At least two languages are known by everyone in the room falsch ist, und zwar bei normaler Interpretation dieser Sätze — z. B., wenn eine Person in Raum nur Französisch und Deutsch kann und eine andere nur Spanisch und Italienisch. Dies zeigt, daß nicht einmal die schwächste semantische Beziehung (tatsächliche Äquivalenz) allgemein zwischen Aktiv und Passiv gilt. 9.3 Diese Gegenbeispiele sollten uns jedoch nicht für die Tatsache blind machen, daß es auffallende Entsprechungen zwischen den Strukturen und Elementen, die bei der formalen, grammatischen Analyse entdeckt werden, auf der einen Seite und spezifisch semantischen Funktionen auf der anderen Seite gibt. Keine der Behauptungen von (117) ist gänzlich falsch; einige sind nahezu wahr. Es scheint also klar zu sein, daß unleugbare — wenngleich unvollkommene — Beziehungen zwischen der formalen und der semantischen Seite der Sprache bestehen. Die Tatsache, daß diese Beziehungen so unexakt sind, legt nahe, daß die Bedeutung als Basis für grammatische Beschreibung relativ nutzlos sein wird.9 Eine sorgfältige 9

Ein anderer Grund für den Verdacht, daß die Grammatik auf samentischer Basis nicht wirkungsvoll entwickelt werden kann, wurde in § 9.2.5 im speziellen Fall der lautlichen Verschiedenheit vorgebracht. Allgemeiner gesprochen, scheint es, daß das Studium der Bedeutung mit so vielen Schwierigkeiten befrachtet ist, selbst wenn die sprachlichen bedeutungtragenden Elemente und ihre Beziehungen einzeln beschrieben sind, daß kein Versuch, die Bedeutung unabhängig von solcher Einzelbeschreibung zu untersuchen, in Frage kommt. Um es noch anders zu sagen: erst wenn das Instrument Sprache und ihre for-

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Analyse jeder Anregung, sich auf die Bedeutung zu stützen, bestätigt dies und zeigt in der Tat, daß wichtige Einsichten und Verallgemeinerungen über die sprachliche Struktur verfehlt werden können, wenn man zu eng vagen semantischen Anhaltspunkten folgt. Wir haben beispielsweise schon gesehen, daß die Aktiv-Passiv-Beziehung nur EIN Fall eines sehr allgemeinen und grundsätzlichen Aspekts der formalen sprachlichen Struktur ist. Die Ähnlichkeit zwischen der Aktiv-Passiv-, Bejahung-Verneinung-, Aussage-Frage-, und anderen Transformations-Beziehungen wäre nicht ans Licht gekommen, wenn die Aktiv-Passiv-Beziehung ausschließlich mit Begriffen wie Synonymität untersucht worden wäre. Die Tatsache, daß Entsprechungen zwischen der formalen und der semantischen Seite bestehen, kann jedoch nicht übersehen werden. Diese Entsprechungen sollten in einer allgemeineren Theorie der Sprache untersucht werden, die eine Theorie der sprachlichen Form und eine Theorie des Sprachgebrauchs als Unterabteilungen enthalten wird. In § 8 fanden wir, daß es offensichtlich ziemlich allgemeine Beziehungs-Typen auf diesen zwei Gebieten gibt, die intensiveres Studium erfordern. Nachdem man die syntaktische Struktur der Sprache bestimmt hat, kann man die Art und Weise bestimmen, in der diese syntaktische Struktur beim tatsächlichen Funktionieren der Sprache angewendet wird. Eine Untersuchung der semantischen Funktion der Ebenen-Struktur — wie in § 8 kurz angedeutet — könnte ein sinnvoller Schritt in Richtung auf eine Theorie der Verknüpfungen zwischen Syntax und Semantik sein. In der Tat wiesen wir in § 8 daraufhin, daß die Wechselbeziehungen zwischen der Form und dem Gebrauch der Sprache sogar gewisse rohe Kriterien der Angemessenheit für die Sprach-Theorie und die Grammatiken, zu denen sie führt, liefern kann. Wir können formale Theorien mittels ihrer Fähigkeiten beurteilen, eine Vielfalt malen Vorrichtungen gegeben sind, können wir und sollten wir die semantische Funktion dieser Vorrichtungen untersuchen (wie, z. B., in R. Jakobson, "Beitrag zur allgemeinen Kasuslehre", Travaux du Cercle Linguistique de Prague, 6, 1936, 240-288); aber wir können offensichtlich keine semantischen Absoluta finden, die vor der Grammatik bekannt sind und die man dazu verwenden kann, die Gegenstände der Grammatik in irgendeiner Weise zu bestimmen.

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von Fakten über die Art und Weise, in der Sätze gebraucht und verstanden werden, zu klären und zu erklären. Mit anderen Worten sollten wir vom syntaktischen Rahmen der Sprache, der von der Grammatik herausgehoben und dargeboten wird, verlangen, daß er fähig ist, die semantische Beschreibung zu unterstützen; und wir werden natürlich diejenige Theorie der formalen Struktur höher einschätzen, die zu Grammatiken führt, die diese Forderung eher erfüllen. Die Phrasen-Struktur und die Transformations-Struktur scheinen die syntaktischen Hauptvorrichtungen zu bieten, die in einer Sprache zur Organisierung und zum Ausdruck des Inhalts zur Verfügung stehen. Die Grammatik einer gegebenen Sprache muß aufzeigen, wie diese abstrakten Strukturen tatsächlich im Falle der fraglichen Sprache realisiert werden, während die Sprach-Theorie versuchen muß, diese Grundlagen der Grammatik und die Methoden, mit denen man Grammatiken bewertet und zwischen ihnen wählt, zu klären. Es ist wichtig zu sehen, daß wir mit der Einführung von Betrachtungen wie die von § 8 in die Metatheorie, die von der Grammatik und Semantik und ihrem Verknüpfungspunkt handelt, den rein formalen Charakter der Theorie der grammatischen Struktur selbst nicht verändert haben. In den §§ 3-7 haben wir die Ausarbeitung einiger grundsätzlicher linguistischer Begriffe mit rein formalen Mitteln umrissen. Das Problem der syntaktischen Forschung bestand für uns darin, eine Vorrichtung zu konstruieren, mit der man eine gegebene Menge grammatischer Sätze hervorbringen kann, und die Eigenschaften der Grammatiken zu untersuchen, die dies wirksam tun. Semantische Begriffe wie Bezug, reference, Signifikanz und Synonymität spielten in der Diskussion keine Rolle. Die skizzierte Theorie hatte natürlich ernsthafte Lücken — insbesondere ist die Annahme, daß die Menge grammatischer Sätze im voraus gegeben ist, sicherlich zu streng, und der Begriff der 'Einfachheit', auf den wir uns offen oder stillschweigend beriefen, wurde unanalysiert gelassen. Weder diese noch andere Lücken können jedoch — meines Wissens — ausgefüllt oder verengt werden, indem diese Theorie auf einer teilweise semantischen Basis errichtet wird.

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In den §§ 3-7 haben wir also die Sprache als ein Instrument oder Werkzeug untersucht, wobei wir ihre Struktur ohne ausdrücklichen Bezug zur Art und Weise, wie dieses Instrument verwendet wird, zu beschreiben suchten. Die Begründung für diese selbstauferlegte Formalitäts-Forderung für Grammatiken ist ganz einfach — es scheint keine andere Basis zu geben, die eine strenge, wirksame und 'enthüllende' Theorie der Sprachstruktur liefert. Die Forderung, daß diese Theorie eine vollständig formale Disziplin sein soll, ist vollkommen vereinbar mit dem Wunsch, sie in einer Weise zu formulieren, daß sich bedeutsame and anregende Verknüpfungen mit einer parallelen Semantik-Theorie ergeben. Worauf wir in § 8 hinweisen wollten, ist, daß von diesem formalen Studium der SprachStruktur als einem Instrument Einsichten in den tatsächlichen Sprach-Gebrauch, d. h., in den Prozeß, wie Sätze verstanden werden, erwartet werden können. 9.4 Um einen Satz zu verstehen, müssen wir viel mehr kennen als die Analyse dieses Satzes auf jeder Sprach-Ebene. Wir müssen auch den Bezug, reference, und die Bedeutung10 der Morpheme oder Wörter, aus denen er zusammengesetzt ist, kennen; natürlich kann hier nicht viel Hilfe von der Grammatik erwartet werden. Diese Begriffe bilden den Hauptgegenstand der Semantik. Wenn man die Bedeutung eines Wortes beschreibt, ist es oft zweckmäßig oder sogar 10

Goodman hat — für meine Begriffe ziemlich überzeugend — dargelegt, daß der Begriff der Bedeutung von Wörtern zumindest zum Teil auf den des Bezugs der Ausdrücke, in denen diese Wörter enthalten sind, reduziert werden kann. Siehe N. Goodman, "On likeness of meaning", Analysis, 10 (1949), 1; ders., "On some differences about meaning", Analysis, 13 (1953), 4. Goodmans Ansatz läuft darauf hinaus, teilweise die Theorie der Bedeutung mit den viel klareren Mitteln der Theorie des Bezugs neu zu formulieren, genau wie vieles in unserer Diskussion als Vorschlag verstanden werden kann, Teile der Theorie der Bedeutung, die mit der sog. 'Struktur-Bedeutung' zu tun haben, mit den Mitteln der völlig nichtsemantischen Theorie der grammatischen Struktur neu zu formulieren. Ein Teil der Schwierigkeit bei der Theorie der Bedeutung ist der, daß 'Bedeutung' danach strebt, als allumfassender Terminus verwendet zu werden, der jeden Aspekt der Sprache, über den wir sehr wenig wissen, einschließt. Falls dies richtig ist, können wir erwarten, daß andere Zugänge zur Sprache im Laufe ihrer Entwicklung verschiedene Aspekte dieser Theorie für sich beanspruchen werden.

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notwendig, sich auf den syntaktischen Rahmen zu beziehen, in den dieses Wort gewöhnlich eingebettet ist; wenn wir z. B. die Bedeutung von hit beschreiben, würden wir zweifellos den Handelnden und den Gegenstand der Handlung mithilfe der Begriffe 'Subjekt' und Objekt' beschreiben, die offensichtlich am besten als rein formale Begriffe analysiert werden, die zur Grammatik-Theorie gehören.11 Wir werden natürlich finden, daß eine große Anzahl von Wörtern oder Morphemen einer einzelnen grammatischen Kategorie semantisch mit teilweise ähnliche Mitteln beschrieben werden, z. B. Verben mittels Subjekt und Objekt, usw. Das überrascht nicht; denn es bedeutet, daß die syntaktischen Vorrichtungen, die in der Sprache vorliegen, ziemlich systematisch verwendet werden. Wir sahen jedoch, daß es ein Schritt von sehr fraglichem Wert ist, diesen ziemlich systematischen Gebrauch allgemein zu nehmen und grammatischen Kategorien oder Konstruktionen 'Struktur-Bedeutungen' zuzuschreiben, so wie 'Lexikon-Bedeutungen' Wörtern oder Morphemen zugeschrieben werden. Eine andere verbreitete, aber zweifelhafte Verwendung des Begriffes 'Struktur-Bedeutung' bezieht sich auf die Bedeutungen sogenannter 'grammatisch fungierender' Morpheme wie ing, ly, Präpositionen usw. Die Behauptung, daß die Bedeutungen dieser Morpheme grundsätzlich andere sind als diejenigen von Nomina, Verben, Adjektiven und vielleicht anderer größerer Klassen, wird oft mit dem Hinweis auf die Tatsache begründet, daß diese Morpheme über eine Folge von Leerwörtern und unsinnigen Silben verteilt werden können, um dem Ganzen die Erscheinung eines Satzes zu geben und als würden sie die grammatische Kategorie der unsinnigen Elemente tatsächlich bestimmen. Beispielsweise wissen wir bei der Folge Pirots karulize efalically, daß die drei Wörter Nomen, Verb und Adverb sind, nämlich mittels der Morpheme s, ize und ly, die ihnen jeweils zukommen. Aber diese Eigen11

Eine solche Beschreibung der Bedeutung von hit würde dann automatisch den Gebrauch von hit in Transformen wie Bill was hit by John, hitting Bill was wrong usw. erklären, falls wir genügend detailliert und allgemein zeigen können, daß Transformen mithilfe der zugrundeliegenden Kern-Sätze 'verstanden' werden.

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schaft unterscheidet die 'grammatischen' Morpheme nicht scharf von den anderen, da in Folgen wie The Pirots karul — yesterday oder give him — water die Leerwörter ebenso als eine Variante der Vergangenheit — im ersteren Fall — bestimmt werden und als the, some usw., aber nicht a, im letzteren Fall. Die Tatsache, daß wir in diesen Fällen gezwungen wurden, statt unsinnigen Wörtern Leerwörter zu geben, wird durch die Produktivität oder 'Endungsoffenheit' der Kategorien Nomen, Verb, Adjektiv usw. im Gegensatz zu den Kategorien Artikel, Verbalendung usw. erklärt. Allgemein gesprochen: wenn wir eine Folge von Morphemen über eine Folge von Leerwörtern verteilen, begrenzen wir die Wahl der Elemente, die an die unausgefüllten Stellen treten können, um einen grammatischen Satz abzugeben. Welche Unterschiede es unter Morphemen in Hinsicht auf diese Eigenschaft auch immer geben mag, diese Unterschiede werden offensichtlich besser mit grammatischen Begriffen wie Produktivität, Freiheit der Kombination und Größe der Ersetzungs-Klasse erklärt als mithilfe irgendeiner angenommenen Bedeutungs-Kategorie.

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ZUSAMMENFASSUNG

In unserer Diskussion haben wir folgende Punkte betont: Das Höchste, was von einer Sprach-Theorie vernünftigerweise erwartet werden kann, ist, daß sie ein Bewertungs-Verfahren für Grammatiken anbietet. Der Theorie der Sprach-Struktur muß eindeutig von einer Anleitung hilfreicher Verfahren zur Entdeckung von Grammatiken unterschieden werden, obgleich eine solche Anleitung zweifellos die Resultate einer Sprach-Theorie in Anspruch nehmen muß, und der Versuch, eine solche Anleitung zu entwickeln, wird wahrscheinlich (wie schon in der Vergangenheit) wesentlich zur Bildung der Sprach-Theorie beitragen. Wenn man diesen Standpunkt einnimmt, gibt es wenig Grund für den Einwand, die Ebenen zu vermischen, für die Annahme, daß Elemente der höheren Ebene buchstäblich aus Elementen der tieferen Ebene konstruiert sind, oder für die Meinung, syntaktische Arbeit sei verfrüht, bevor nicht alle Probleme der Phonemik oder Morphologie gelöst sind. Grammatik wird am besten formuliert als eigenständiges Studium, unabhängig von Semantik. Insbesondere kann der Begriff der Grammatikalität, grammaticalness, nicht mit dem Begriff der Bedeutsamkeit, meaningfulness, identifiziert werden (noch hat er eine spezielle Beziehung — und sei es nur annäherungsweise — zum Begriff des statistischen Grades der Annäherung). Indem wir diese selbständige und formale Untersuchung durchführen, finden wir, daß ein einfaches Sprachmodell wie der Markov-Prozeß mit endlichen Zuständen, der Sätze von links nach rechts produziert, unannehmbar ist und daß ziemlich abstrakte Sprach-Ebenen wie die Phrasen-Struktur und die Transformations-Struktur zur Beschreibung natürlicher Sprachen erforderlich sind. Wir können die Beschreibung des Englischen wesentlich verein-

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ZUSAMMENFASSUNG

fachen und neue wichtige Einsichten in seine formale Struktur gewinnen, wenn wir die direkte Beschreibung mittels PhrasenStruktur auf einen Kern von Basis-Sätzen (einfache, aussagende, aktive, ohne komplexe Verbal- oder Nominal-Phrase) beschränken, wobei wir alle anderen Sätze aus diesen (eigentlich aus den Ketten, die ihnen zugrundeliegen) durch — möglicherweise wiederholte — Transformation ableiten. Und umgekehrt: nachdem wir eine Menge von Transformationen gefunden haben, die grammatische Sätze in grammatische Sätze verwandeln, können wir die BestandteilStruktur einzelner Sätze bestimmen, indem wir ihr Verhalten unter diesen Transformationen bei alternativen Bestandteil-Analysen erforschen. Infolgedessen sehen wir Grammatiken als dreiteilig an. Eine Grammatik hat eine Folge von Regeln, aus denen die PhrasenStruktur rekonstruiert werden kann, und eine Folge von morphophonemischen Regeln, die Morphem-Ketten in Phonem-Ketten verwandeln. Zur Verknüpfung dieser Folgen gibt es eine Folge von Transformations-Regeln, die Ketten mit Phrasen-Struktur in neue Ketten überführen, auf die morphophonemische Regeln angewendet werden können. Die Phrasen-Struktur- und die morphophonemischen Regeln sind elementar in einem Sinne, wie es die Transformations-Regeln nicht sind. Um eine Transformation auf eine Kette anwenden zu können, müssen wir etwas aus der Ableitungs-Geschichte dieser Kette wissen; aber um Nicht-TransformationsRegeln anzuwenden, genügt es, die Gestalt der Kette zu kennen, auf die die Regel angewendet wird. Als automatische Folge des Versuchs, die einfachste Grammatik für dat Englische mithilfe der abstrakten Ebenen, die in der SprachTheorie entwickelt wurden, zu konstruieren, finden wir, daß das anscheinend unregelmäßige Verhalten gewisser Wörter (etwa von have, be und seem) in Wirklichkeit ein Fall von Regelmäßigkeit auf höhere Ebene ist. Wir finden ebenfalls, daß vielen Sätzen auf einer der Ebenen doppelte Darstellungen und vielen Satzpaaren auf einer der Ebenen ähnliche oder identische Darstellungen zugeschrieben werden. In einer bedeutenden Anzahl von Fällen entspricht die doppelte Darstellung (Konstruktions-Homonymität) der Uneindeu-

ZUSAMMENFASSUNG

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tigkeit des dargestellten Satzes, und ähnliche oder identische Darstellung erscheint in den Fällen, wo Äußerungen intuitiv Ähnlichkeit haben. Allgemeiner: es scheint, daß der Begriff 'einen Satz verstehen' teilweise mit grammatischen Mitteln analysiert werden muß. Um einen Satz zu verstehen, ist es notwendig (obwohl natürlich nicht ausreichend), seine Darstellung auf jeder Ebene zu rekonstruieren, die Transformations-Ebene eingeschlossen, wobei die Kern-Sätze, die einem gegebenen Satz zugrundeliegenden gewissem Sinn als 'elementare Inhalts-Elemente' verstanden werden können, aus denen dieser Satz konstruiert ist. Mit anderen Worten: ein Ergebnis des formalen Studiums grammatischer Struktur ist, daß ein syntaktischer Rahmen ans Licht kommt, der die semantische Analyse unterstützen kann. Die Beschreibung der Bedeutung kann sich zu ihrem Nutzen auf diesen zugrundeliegenden syntaktischen Rahmen beziehen, obwohl systematische semantische Betrachtungen offensichtlich bei der erstrangigen Aufgabe, ihn zu bestimmen, nicht von Nutzen sind. Der Begriff der 'Struktur-Bedeutung', der dem der 'Lexikon-Bedeutung' gegenübergestellt wurde, erscheint jedoch sehr verdächtig, und es ist fraglich, ob die grammatischen Vorrichtungen, wie sie in einer Sprache vorliegen, regelmäßig genug verwendet werden, daß man ihnen direkt eine Bedeutung zuschreiben kann. Trotzdem finden wir selbstverständlich wichtige Wechselbeziehungen zwischen der syntaktischen Struktur und der Bedeutung; oder — um es noch anders zu sagen — wir finden, daß die grammatischen Vorrichtungen ganz systematisch verwendet werden. Diese Wechselbeziehungen könnten einen Teil des Gegenstandes einer allgemeineren Sprach-Theorie bilden, die sich mit der Syntax und Semantik und ihren Verknüpfungen befaßt.

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Anhang I NOTATIONEN UND TERMINOLOGIE

In diesem Anhang werden wir eine kurze Aufzahlung der neuen oder weniger üblichen Notations- und Terminologie-Konventionen geben, die wir verwendet haben. Eine Sprach-Ebene ist eine Methode, Äußerungen darzustellen. Sie hat ein endliches VOKABULAR von Symbolen (auf der PhonemEbene nennen wir dies Vokabular das ALPHABET der Sprache), die in eine lineare Folge gebracht werden können, um Symbolzu bilden, und zwar durch eine Operation, die VERKETTUNG genannt und durch + symbolisiert wird. So haben wir auf der MorphemEbene im Englischen die Vokabular-Elemente the, boy, S, Vergangenheit, come usw., und wir können die Kette the + boy + S + come + Vergangenheit bilden (die durch morphophonemische Regeln in die Elementen-Kette /öiboyz # keym/ verwandelt werden würde), die Äußerung the boy came darstellend. Außerhalb der Phonem-Ebene verwandten wir Kursivdruck oder Anführungszeichen für Vokabular-Symbole und Ketten von darstellenden Symbolen; auf der Phonem-Ebene lassen wir das Verkettungs-Symbol 4- weg und verwenden die üblichen Schrägstriche wie im Beispiel oben. Wir verwenden X, Y, Z, W als Variable für Ketten. Gelegentlich verwenden wir einen Bindestrich für das Pluszeichen, um Verkettung zu symbolisieren. Wir tun dies, um auf einen Unterteil der Äußerung, mit dem wir uns gerade eigens befassen, besondere Aufmerksamkeit zu lenken. Manchmal verwenden wir größeren Abstand zum selben Zweck. Keine dieser Notations-Vorrichtungen hat systematische Bedeutung; sie sind einfach zur größeren Klarheit der Darstellung eingeführt. Bei der Diskussion der Transformationen verwenden wir den Bindestrich, um den Unterteil einer Kette anzuzeigen, der durch eine bestimmte Transforma-

ANHANG I

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tion berührt wird. Wenn wir also sagen, daß die Frage-Transformation Tg insbesondere auf eine Kette der Form (118)

NP — have — en + V (vgl. (37iii))

angewendet wird, wobei sie die zwei ersten Bruchstücke miteinander vertauscht, so meinen wir damit, daß sie z. B. auf (119) they — have — en + arrive anwendbar ist, da in dieser Kette they ein NP und arrive ein V ist. Das Transform, wird in diesem Fall (120) have — they — en + arrive sein und letztlich have they arrived?. Eine Regel der Form X -> muß als die Anweisung 'ersetze X durch Y' verstanden werden, wobei X und Ketten sind. Runde Klammern verwenden wir, um anzuzeigen, daß ein Element auftreten kann oder nicht, und Akkoladen, um die Möglichkeit der Wahl unter Elementen anzuzeigen. Somit sind beide Regeln, (121 i) und (121 ii), (121) (i) a^b(c) ,... (11) « Abkürzungen für das Alternativen-Paar : a -> b + c, a -> b. Die folgende Liste bringt die Seitenzahlen für das erste Vorkommen von weiteren speziellen Symbolen. (122)

NP VP T N NPSine

S. 30 S. 30 S. 30 S. 30 S. 33

S S. 46 0 S. 46 Vergangenheit S. 46 Af S. 46 # S. 46

130

ANHANG I

NPpi [Σ,Ρ] A ux V

C Μ en

S. S. S. S. S. S. S.

33 34 46 45 46 46 46

A wh Adj PP Prt Comp

S. 76 S. 83, Fn. 2 S. 86 S. 88 S. 90 S. 91

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Anhang II BEISPIELE FÜR ENGLISCHE PHRASENSTRUKTUR U N D T R A N S F O R M A T I O N S R E G E L N Wir sammeln hier zum leichteren Nachschlagen die Beispiele für englische Grammatikregeln, die eine wichtige Rolle in der Diskussion gespielt haben. Die Zahlen links geben die richtige Ordnung dieser Regeln wieder, wobei wir annehmen, daß diese Skizze der Umriß einer Grammatik der Form (35) ist. Die eingeklammerte Zahl rechts von jeder Regel ist die Nummer dieser Regel in Text. Gewisse Regeln wurden im Licht späterer Entscheidungen oder zur systematischeren Darbietung abgewandelt. PHRASEN-STRUKTUR :

: Satz F: 1. Satz 2. VP 3.

NP

^ NP + VP -* Verb + NP

(13i) (13iii)

->

(S. 33, Fn. 3)

NP„, ^T + N + 0 ^ + + S —»· j he -> wa/j, &z// usw. -

4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.

NPsing

NPpi T N Verb V Aux M

— ff v

-* ^ : + F

->· hit, take, vva/A:, read usw. -> C(M) (Äaw + en) (fo + ing) -»· »v///, caw, may, shall, must

(S. 33, Fn. 3) (S. 33, Fn. 3) (13iv) (13v) (28 i) (28 ii) (28iii) (28 iv)

TRANSFORMATIONS-STRUKTUR I

Eine Transformation ist definiert durch die Struktur-Analyse der

132

ANHANG II

Ketten, auf die sie angewendet wird, und durch die StrukturVeränderung, die sie an diesen Ketten bewirkt.

12. Passiv — freigestellt : Struktur- Analyse: NP — Aux — V — NP Struktur-Veränderung: X\ — Xz — Xs — X\ -»· A4 — X2 + (34) be + en — X3 — by + b 13. lte p — obligatorisch : X—Vi — Prt — Pronomen] (86) Struktur-Analyse: (92) X — V2 — Comp — NP j Struktur- Veränderung: X\ — Xz — Xs — X* -> — freigestellt: (85) Struktur-Analyse: X — Vi — Prt — NP Struktur-Veränderung: wie bei 13 15. Zahl-Transformation — obligatorisch : Struktur-Analyse: X—C—Y S im Kontext NPSing — Struktur0 in anderen Kontexten (29 i) Vergangenheit in jedem Veränderung: Kontext 16. Tnot — freigestellt: NP—C— V ... (37) Struktur-Analyse: NP—C + M— ... NP—C + have— ... NP—C + be—... Struktur- Veränderung: — Xz — Xs^Xi — Xz + n't —

14.

17.

— freigestellt: Struktur- Analyse: wie bei 16 Struktur-Veränderung: Xi — Xz —

(vgl. (45)-(47)) -> Xi — Xz + A —

X* 18. Tg — freigestellt: Struktur- Analyse: wie bei 16 Struktur-Veränderung : Xi — X2 — Xs ~ 19. Tw — freigestellt und abhängig von Tg:

(vgl. (41)-(43)) — Xi — Xs

ANHANG II

l 33

Twi : Struktur- Analyse : X — NP — Υ (X oder Υ k nnen null sein) Struktur- Ver nderung: dieselbe wie bei 18 (60 i) TW2 : Struktur- Analyse : NP — X (60 ii) Struktur- Ver nderung : ΑΊ — Xz -+wh + X\ — Xz wobei wh + belebtes Nomen -> who (vgl. S. 83, Fn. 2) wh + unbelebtes Nomen -> wActf 20. Auxiliar-Transformation — obligatorisch : Struktur- Analyse : X — Af — v — Υ (wobei Af jedes C oder en oder ing ist; v ist jedes M oder K, oder have oder 6e) (29 ii) Struktur- Ver nderung: X\ — X2 — Xz — X\ -> ΑΊ — Xs — Xz # — X\ 2 1 . Wortgrenzen-Transformation — obligatorisch : Struktur-Analyse: r — 7 (wobei X * voder Υ * Af) (29iii) Struktur-Ver nderung: ΑΊ — X2 ->· ΑΊ — # A^ 22. do-Transformation — obligatorisch : Struktur-Analyse: # —Λ/ (40) Struktur- Ver nderung: X\ — Xz -»· ΑΊ —