Streitwert-Kommentar [13. überarbeitete und erweiterte Auflage] 9783504382131

Achtung: Neuauflage bereits im Angebot! Der Streitwert spielt in der gesamten Zivilrechtspraxis eine sehr bedeutende R

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Streitwert-Kommentar [13. überarbeitete und erweiterte Auflage]
 9783504382131

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Schneider . Herget Streitwert-Kommentar

Streitwert Kommentar für Zivilprozess und FamFG-Verfahren begründet von

Dr. Egon Schneider fortgeführt von

Kurt Herget bearbeitet von

Norbert Schneider Rechtsanwalt, Neunkirchen-Seelscheid

Ralf Kurpat Vors. Richter am Landgericht Bonn

Norbert Monschau Rechtsanwalt, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Erftstadt

Dr. Julia Bettina Onderka Richterin am Landgericht Bonn

Lotte Thiel Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht Koblenz

13. neubearbeitete und erweiterte Auflage

2011

Zilierempfehlung: Beaibeiter in Schneider/He.get, Streitwert-Kommentar, 13. AufL, Rn....

Bibliografische Information der Deutschtm Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikatinn in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Hcinernann-Ufer 58, 50968 Köln TeL 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-47085-2

©2011 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. jede Verwertung, die nicht

ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zwtimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Ühersetznngen, Mlkroverlilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitong in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorlrel gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgest:altong: Jan P. Lichterdord, Mettmann GesamtlieiSteJlung: Bercker, Kevelaer Ptinted in Gcrmany

Vorwort

Mit Inkrafttreten des FGG-ReformG (BGBl. I 2586) zum 1.9.2010 sahen sich Verlag und Autoren zu einer Neukonzeption des Werkes gezwungen. Durch das FGG-ReformG sind die bisherigen Wertvorschriften in Familiensachen, die in den verschiedenen Gesetzen normiert waren (GKG, ZPO, KostO, RVG und früher auch noch HausratsVO) neu geregelt und in einem einheitlichen Gesetz, dem FamGKG, zusammengefasst. worden. In dem neu geschaffenen FamGKG sind sämtliche Werte, die jetzt nicht mehr Streit- oder Geschäftswerte heißen, zusammengefasst und in zahlreichen Fällen auch grundlegend neu geregelt worden. Hinzu kommt, dass mit dem FGG-ReformG für zahlreiche Verfahren mit familienrechtlichem Bezug, die bislang den allgemeinen Zivilgerichten zugewiesen und damit nach § 3 ZPO zu bewerten waren, jetzt als sonstige Familienstreitsachen (§ 266 FamFG) den Familiengerichten zugewiesen sind. Damit gelten für sie seit dem 1.9.2009 die Wertvorschriften des FamGKG. Dies betrifft insbesondere Verfahren auf Gesamtschuldnerausgleich, Streitigkeiten, die sich aus der Auseinandersetzung des gemeinsamen ehelichen Vermögens ergeben, Nutzungsentschädigungsansprüche für die Zeit nach der Scheidung etc. Aufgrund der vom Gesetz vorgegebenen strikten Trennung zwischen Familiensachen und allgemeinen Zivilsachen werden die familienrechtlichen Werte in einem gesonderten Teil 3 zusammenhängend dargestellt, und zwar auch insoweit, als die Wertvorschriften des FamGKG mit denen des GKG inhaltsgleich sind. Hier konnte zwar überwiegend mit Verweisungen auf die allgemeinen Wertvorschriften gearbeitet werden; allerdings ergeben sich in Familiensachen aufgrund der abweichenden verfahrensrechtlichen Grundlagen stets Besonderheiten, die zu berücksichtigen sind. Gleichzeitig haben Verlag und Autoren anlässlich der neuen Aufteilung entschieden, die bisher im Stichwortverzeichnis enthaltenen Ausführungen zum Streitwert-Verfahrensrecht aus dem Stichwort-ABC herauszunehmen und in einem vorangestellten Allgemeinen Teil (Teil 1) zusammenhängend darzustellen. Damit soll insbesondere die Eigenständigkeit der jeweiligen Wertfestsetzungsverfahren nach GKG, FamGKG, KostO und RVG stärker betont werden, weil sich gerade hier in der Praxis häufig Probleme ergeben und zwischen den Verfahren nicht hinreichend differenziert wird. Bei der Überarbeitung der Stichwörter ist verstärkt darauf abgestellt worden, die unterschiedlichen Bewertungen für den Zuständigkeitsstreitwert, den Gebührenstreitwert und den Rechtsmittelstreitwert gesondert darzustellen und – soweit erforderlich – auch zwischen dem Wert für die Gerichts- und die Anwaltsgebühren zu differenzieren. Gegenüber der Vorauflage haben sich auch die Wertvorschriften in Wohnungseigentumssachen geändert. Aufgrund der WEG-Reform (BGBl. I 2007, 370) richten sich WEG-Verfahren jetzt nach der ZPO. Dies hat zur Folge, dass die Streitwerte nicht mehr nach der KostO, sondern einheitlich nach dem GKG erhoben werden (§ 49a GKG). Darüber hinaus galt es, die seit der Vorauflage ergangene Rechtsprechung zu berücksichtigen. So hat der BGH kurz nach Erscheinen der Vorauflage die V

Vorwort Streitfrage entschieden, dass vorgerichtlich entstandene Anwaltskosten, die im Prozess als Schadensersatz geltend gemacht werden, nicht werterhöhend der Hauptforderung hinzuzurechnen sind, sondern als wertneutrale Nebenforderung (§ 4 ZPO, § 43 GKG) gelten. Hieraus ergab sich dann weitere umfangreiche Rechtsprechung, wie zu bewerten ist, wenn vorgerichtliche Kosten aus bereits erledigten Hauptforderungen geltend gemacht werden. Darüber hinaus sind auch diesmal wieder zusätzliche Stichwörter aufgenommen worden (Stalking, Internet, Vergabesachen, Belästigung per Telefon oder SMS, Beförderung, Bebauungsverpflichtung, Schufa-Eintragung, Eigentumsund Besitzstörung, Restschuldbefreiung, Lebensversicherung, Sprungrevision, und viele mehr). Insgesamt finden Sie in dieser Neuauflage nun über 450 Stichwörter. „Reiter“ am Seitenrand zeigen beim Nachschlagen an, ob man sich im ZPO- oder im FamFG-Teil befindet. Das Werk befindet sich damit wieder auf neuestem Stand. Die Rechtsprechung bis März 2011 konnte berücksichtigt werden. Köln, im April 2011

VI

Die Verfasser

Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Abkürzungs- und Schrifttumsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXI

1. Teil: Verfahrensrecht (Gliederung s. dort) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

2. Teil: Streitwert im ZPO-Verfahren (Stichwortübersicht s. unten) . . .

137

3. Teil: Streitwert im FamFG-Verfahren (Stichwortübersicht s. S. XV) . 1377

Stichwörter im ZPO-Verfahren in alphabetischer Reihenfolge (2. Teil) Seite

Abänderung

. . . . . . . . . . . . Abfindungsvergleich ? Vergleich Abgabe einer Willenserklärung . Abgesonderte Befriedigung . . . Ablehnung von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . Abnahme von Sachen . . . . . . . Abrechnung ? Rechnungslegung Abschluss von Verträgen ? Vertragabschluss Abstandszahlung . . . . . . . . . . Abtretung . . . . . . . . . . . . . . Akkreditiv . . . . . . . . . . . . . . Aktien ? Wertpapiere Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Altenteil . . . . . . . . . . . . . . . Androhung von Ordnungsmittel ? Ordnungsmittel Anerkenntnis und Anerkenntnisurteil . . . . . . . . . . . . . . Anerkennung ausländischer Titel . . . . . . . . . . . . . . . . Anfechtung ? Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen ? Gläubigeranfechtung ? Insolvenzverfahren ? Nichtigkeit eines Vertrages

137

138 139

140 147

148 148 150

151 155

157 161

Seite

Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen . . . . . . . . . . . . Angebot der Gegenleistung . . . Anmeldung zum Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . Annahmeverzug ? Feststellungsklage Anspruchshäufung . . . . . . . . Anstellungsvertrag eines Organs ? Organe, Organmitglieder Antragsänderung ? Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung) Antragsüberschreitung ? Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO Anwaltsbeiordnung ? Beiordnung eines Notanwalts Anwaltsvergütung . . . . . . . . . Anwartschaftsrechte . . . . . . . Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . Arrest . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgebotsverfahren . . . . . . . . Aufhebung von Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . Auflassung . . . . . . . . . . . . . Auflassungsvormerkung . . . . . Auflösung einer GmbH . . . . . . Aufopferung . . . . . . . . . . . . . Aufrechnung . . . . . . . . . . . . Auseinandersetzung ? Aufhebung von Gemeinschaften

162 170 170

172

173 178 180 182 189 191 195 206 209 210 210

VII

Inhaltsverzeichnis

ZPO-Stichwörter Seite

Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters . . . . . . . . . . Ausgleichsanspruch nach § 2050 BGB . . . . . . . . . . . Auskunftsanspruch . . . . . . . . Ausländische Währung . . . . . Auslegung des Klageantrags . . Ausscheiden eines Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschließung . . . . . . . . . . . Ausschlussurteil . . . . . . . . . Aussetzung . . . . . . . . . . . . . Aussonderung . . . . . . . . . . . Automatenaufstellvertrag . . . .

251 252 252 264 266 267 268 273 273 275 275

Bauhandwerkersicherungshypothek . . . . . . . . . . . . . Baulandverfahren . . . . . . . . . Bearbeitungsgebühren . . . . . . Bebauungsverpflichtung . . . . . Bedingte Rechte . . . . . . . . . . Beförderung . . . . . . . . . . . . Befreiung von einer Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . Befriedigung, abgesonderte ? Abgesonderte Befriedigung BEG-Entschädigungsansprüche Behandlungsunterlagen, Einsicht . . . . . . . . . . . . . . . . Beiordnung eines Notanwalts . Belastung ? Auflassung Belästigung . . . . . . . . . . . . . Beleidigung ? Ehrkränkende Äußerung Beratungshilfe . . . . . . . . . . . Bereicherungsansprüche . . . . . Berichtigung ? Grundbuchberichtigung Berufsunfähigkeitsrente . . . . . Berufung ? Rechtsmittel Berufungsrücknahme . . . . . . Beschränkte Haftung ? Haftungsbeschränkung Beschränkt persönliche Dienstbarkeit ? Dienstbarkeit (§ 1090 BGB) VIII

276 278 285 285 287 287

Seite

Beschwerde ? Rechtsmittel Beseitigung . . . . . . . . . . . . Besichtigung . . . . . . . . . . . Besitz . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmungsverfahren nach § 36 ZPO, Zuständigkeit ? Gerichtsstandsbestimmungsverfahren Beweisverfahren ? Selbständiges Beweisverfahren Bewilligung ? Auflassung ? Auflassungsvormerkung ? Löschung Bierabnahmepflicht . . . . . . . Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . Börsenpapiere . . . . . . . . . . Bruchteilsgemeinschaft ? Aufhebung von Gemeinschaften Bürgschaft . . . . . . . . . . . .

. 310 . 313 . 316

. . . .

324 325 326 326

. 327

288

298 299 299

301

302 303

304

307

Darlehen . . . . . . . . . . . . . Dauerwohnrecht ? Wohnrecht Derselbe Streitgegenstand ? Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung) Dienstbarkeit (§ 1090 BGB) . . Dingliche Sicherung . . . . . . Direktanspruch ? Versicherungsschutz Dividende . . . . . . . . . . . . . Drittschuldner ? Pfändung Drittwiderspruchsklage . . . . Duldungsklage . . . . . . . . . . Durchsuchungsanordnung . .

. 338 . 343 . 348

Ehrkränkende Äußerungen . Eidesstattliche Versicherung . Eigentum . . . . . . . . . . . . . Eigentums- und Besitzstörung Eigentumsvorbehalt . . . . . .

. . . . .

. 332

. 336 . 337

. 337

349 355 362 368 371

ZPO-Stichwörter

Inhaltsverzeichnis Seite

Eigentumswohnung . . . . . . . . Einrede, Einwendung . . . . . . . Einstellung der Zwangsvollstreckung ? Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung Einstweilige Anordnungen . . . Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung . . . . . Einstweilige Verfügung . . . . . . Eintragungsbewilligung . . . . . Einwendung ? Einrede, Einwendung Einwilligung wegen Hinterlegung . . . . . . . . . . . . . . . Einzelrichter . . . . . . . . . . . . E-Mail . . . . . . . . . . . . . . . . Energie- und Wasserversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . Enteignungsentschädigung . . . Entlastung . . . . . . . . . . . . . . Entnahmerecht . . . . . . . . . . . Entschädigungsansprüche nach BEG ? BEG-Entschädigungsansprüche Entziehung des Wohnungseigentums ? Wohnungseigentum Erbauseinandersetzung ? Miterbe Erbbaurecht . . . . . . . . . . . . . Erbberechtigung . . . . . . . . . . Erbenhaftung ? Haftungsbeschränkung Erbschein . . . . . . . . . . . . . . Erbteilungsklage ? Miterbe Erbunwürdigkeit . . . . . . . . . . Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . Erledigung der Hauptsache . . . Ersatzvornahme nach § 887 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung des Klageantrags ? Klageänderung Erwerbsverbot . . . . . . . . . . . Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen ? Ordnungsmittel

372 375

379 381 383 399

400 405 406 407 409 411 412

413 415

415

416 417 417 452

454

Fällige Beträge . . . . . . . . . Fälligkeit . . . . . . . . . . . . Feststellung der Erbberechtigung . . . . . . . . . . . . . . Feststellungsklage . . . . . . . Film . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzierungskosten . . . . . Fischereirecht . . . . . . . . . Forderung . . . . . . . . . . . . Forderungsverzicht . . . . . . Freigabe . . . . . . . . . . . . . Freistellung . . . . . . . . . . . Fristsetzung . . . . . . . . . . . Früchte . . . . . . . . . . . . . . Futterkosten . . . . . . . . . . Garantievertrag . . . . . . . . Gebrauchsmuster . . . . . . . Gegendarstellung . . . . . . . Gegenforderung ? Aufrechnung ? Gegenleistung Gegenleistung . . . . . . . . . Gegenseitiger Vertrag . . . . . Gegenvorstellung . . . . . . . Gehörsrüge . . . . . . . . . . . Gemeinschaft ? Aufhebung von Gemeinschaften Genehmigung . . . . . . . . . Genossenschaft . . . . . . . . Gerichtsstandsbestimmungsverfahren . . . . . . . . . . . Gesamthypothek . . . . . . . . Gesamtschuldner . . . . . . . Geschäftsgebühr ? Vorgerichtliche Kosten Geschäftsräume . . . . . . . . Geschäftsschädigende Äußerungen . . . . . . . . . . . . . Geschmacksmuster . . . . . . Gesellschaft . . . . . . . . . . . Gesetzliche Erbfolge . . . . . Gestaltungsklage . . . . . . . Gewerbliche Schutzrechte, Löschung ? Löschung von gewerblichen Schutzrechten

Seite

. . 455 . . 455 . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

457 458 494 495 495 496 498 500 501 503 504 506

. . 506 . . 506 . . 506

. . . .

. . . .

507 510 512 513

. . 514 . . 514 . . 515 . . 517 . . 518

. . 521 . . . . .

. . . . .

524 524 524 533 533

IX

Inhaltsverzeichnis

ZPO-Stichwörter Seite

Gewerblicher Rechtsschutz Gläubigeranfechtung . . . . . Gläubigerrangstreit . . . . . . Grenzregelung . . . . . . . . . Grenzscheidungsklage . . . . Grundbuchberichtigung . . . Grundbucheintragung ? Grundbuchberichtigung ? Löschung von Grundpfandrechten, Vormerkungslöschung Grunddienstbarkeit . . . . . . Grundpfandrecht . . . . . . . Grundschuld . . . . . . . . . . Grundstück . . . . . . . . . . Grundurteil . . . . . . . . . . Güteverhandlung . . . . . . . Guthaben . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

. . . . . . .

. . . . . .

534 584 585 586 587 587

. . . . . . .

589 590 591 593 598 600 601

Haftbefehl . . . . . . . . . . . . .

602 602

Haftungsbeschränkung . . . . . Handelsregisteranmeldung ? Anmeldung zum Handelsregister Handelsvertreter . . . . . . . . . Hauptsacheerledigung ? Erledigung der Hauptsache Hebegebühr . . . . . . . . . . . . Heimfallanspruch . . . . . . . . . Herabsetzung einer vereinbarten Vergütung . . . . . . . . . . Herausgabe . . . . . . . . . . . . . Hilfsantrag . . . . . . . . . . . . . Hilfsbegründungen . . . . . . . . Hilfswiderklage . . . . . . . . . . Hinterlegung . . . . . . . . . . . . Honorarvereinbarung ? Herabsetzung einer vereinbarten Vergütung ? Vereinbarungen zum Streitwert Hypothek . . . . . . . . . . . . . . Hypothekengewinnabgabe . . .

Idealverein . . . . . . . . . . . . . Immissionen . . . . . . . . . . . . X

603

605 607 608 609 631 637 638 643

644 647

648 649

Seite

Informationserzwingungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . Inkassokosten . . . . . . . . . . Insolvenzsicherung . . . . . . . Insolvenzverfahren . . . . . . . Internet . . . . . . . . . . . . . . Inventar ? Pacht Investitionsverpflichtung . . . Irrtumsanfechtung . . . . . . .

Jagdpachtrecht

. . . . .

650 651 651 651 663

. 669 . 669

. . . . . . . . . . 670

Kapitalanleger-Musterverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . Karenzentschädigung . . . . . . Kartellsachen . . . . . . . . . . Kassatorische Klagen . . . . . . Kaufanwartschaftsvertrag . . . Kaufvertrag . . . . . . . . . . . . Kennzeichenstreitigkeit ? Gewerblicher Rechtsschutz Klage und Widerklage . . . . . Klageänderung . . . . . . . . . . Klageerweiterung ? Klageänderung Klagenhäufung ? Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung) Klagerücknahme . . . . . . . . Konkurrenzverbot . . . . . . . . Konkursanfechtung ? Insolvenzverfahren Kosten ? Nebenforderungen Kostenansatz . . . . . . . . . . . Kosten des Rechtsstreits . . . Kostenfestsetzungsverfahren . Kostenwiderspruch . . . . . . . Kraftfahrzeug . . . . . . . . . . Kraftfahrzeugbrief . . . . . . . . Kraftfahrzeugschlüssel . . . . . Kraftloserklärung . . . . . . . . Kreditgebühren . . . . . . . . . Künftiger Schaden . . . . . . .

. . . . . .

672 673 674 674 674 675

. 678 . 689

. 694 . 700

. . . . . . . . . .

701 704 710 715 716 717 719 720 720 721

ZPO-Stichwörter

Inhaltsverzeichnis Seite

Lagerkosten

. . . . . . . . . . . . Landvermessung . . . . . . . . . . Leasing-Vertrag . . . . . . . . . . . Lebensversicherung . . . . . . . . Leibrente . . . . . . . . . . . . . . Leistung an die Erbengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . Leistungsklage . . . . . . . . . . . Leistungsmodalitäten . . . . . . . Lieferung . . . . . . . . . . . . . . Löschung von gewerblichen Schutzrechten . . . . . . . . . . Löschung von Grundpfandrechten, Vormerkungslöschung . .

Mahnverfahren

. . . . . . . . Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung) . . . . . . . . . . . Mietstreitigkeiten . . . . . . . Minderung (ohne Miete) . . . Mitbenutzungsrecht . . . . . Miterbe . . . . . . . . . . . . . Mitverschulden . . . . . . . .

722 722 722 723 725 727 729 731 732 733 733

. . 743 . . . . . .

Nachbarrechtliche Ansprüche Nacherbenvermerk . . . . . . . Nachforderungsklage . . . . . . Nachlassverzeichnis ? Miterbe Nachverfahren ? Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess Namensrecht . . . . . . . . . . . Nebenforderungen . . . . . . . . Nebenintervention . . . . . . . Negative Feststellungsklage ? Feststellungsklage Nicht rechtshängig gewordene Gegenstände . . . . . . . . . . Nichtigkeit eines Vertrages . . Nichtigkeitsklage . . . . . . . . Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit . . . . . . . . . . . Nichtzulassungsbeschwerde . Nießbrauch . . . . . . . . . . . . Notwegrecht . . . . . . . . . . . Novation . . . . . . . . . . . . . Nutzungen . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

751 767 849 850 851 867

. 868 . 869 . 869

. 870 . 870 . 889

. 895 . 896 . 899 . . . . . .

900 907 907 909 911 911

Seite

Öffentliche Zustellung . . . . . 912 Örtliche Zuständigkeit ? Einrede, Einwendung Ordnungsmittel . . . . . . . . . . 913 Organe, Organmitglieder . . . . . 920 Pacht . . . . . . . . . . . . . Personalakten . . . . . . . . Persönliche Dienstbarkeit, beschränkte ? Dienstbarkeit (§ 1090 BGB) Pfandrecht ? Pfändung Pfändung . . . . . . . . . . . . Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ? Pfändung Pflegekosten . . . . . . . . . Pflichtteilsanspruch . . . . . Pflichtteilsergänzungsanspruch . . . . . . . . . . Pflichtteilsrestanspruch . . Positive Beschlussfeststellungsklage . . . . . . . . . Postentgeltpauschale . . . . Prätendentenstreit . . . . . . Provision . . . . . . . . . . . Prozesskostenhilfe . . . . . . Prozesstrennung . . . . . . . Prozess- und Sachleitung . . Prozessverbindung . . . . . . Prozesszinsen . . . . . . . . .

. . . 925 . . . 930

. . . 931

. . . 938 . . . 939 . . . 941 . . . 942 . . . . . . . . .

. . . . . . . . .

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942 942 944 945 945 959 960 962 963

Rangverbesserung . . . . . . Ratenzahlung . . . . . . . . . . Räumungsfristverfahren . . . Reallast . . . . . . . . . . . . . Rechnungslegung . . . . . . . Recht am eigenen Bild . . . . Rechtsbeschwerde . . . . . . . Rechtshängigkeit ? Einrede, Einwendung Rechtsmittel . . . . . . . . . . Rechtswegverweisung . . . . Regressansprüche der Sozialleistungsträger . . . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

970 971 972 973 973 976 976

. . 977 . . 1011 . . 1012 XI

Inhaltsverzeichnis

ZPO-Stichwörter Seite

Rente . . . . . . . . . . . . . . . . Restitutionsklage . . . . . . . . . Restkaufpreisforderung ? Eigentumsvorbehalt Restschuldbefreiung . . . . . . . Rückgängigmachung eines Kaufvertrages . . . . . . . . . . Rückgriffsanspruch der Sozialleistungsträger ? Regressansprüche der Sozialleistungsträger Rückkaufsrecht . . . . . . . . . . Rückstände ? Fällige Beträge Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . Rückübertragung . . . . . . . . . Rückzahlung geleisteten Unterhalts . . . . . . . . . . . . . . . .

1013 1020

1021 1022

1023

1023 1025 1026

Sachurteilsvoraussetzung ? Einrede, Einwendung Schadensersatz . . . . . . . . . . Scheckprozess ? Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess Schenkung . . . . . . . . . . . . . Schiedsgutachten . . . . . . . . . Schiedsrichterliches Verfahren . Schiedsvertrag ? Schiedsrichterliches Verfahren Schlichtungsverfahren . . . . . . Schlussurteil . . . . . . . . . . . . Schmerzensgeld ? Unbezifferte Anträge Schufa-Eintragung . . . . . . . . Schuldbefreiung ? Befreiung von einer Verbindlichkeit Schwarzpreis . . . . . . . . . . . . Selbständiges Beweisverfahren . Sequesterbestellung . . . . . . . Sicherheitsleistung im Prozess . Sicherung . . . . . . . . . . . . . . Sicherungsübereignung . . . . . Siedlungsverhältnis . . . . . . . . SMS, unerwünschte . . . . . . . Sparkassenbuch . . . . . . . . . . XII

1026

1032 1032 1033

1038 1040

1041

1042 1042 1046 1046 1048 1051 1051 1051 1052

Seite

Spesen . . . . . . . . . . . . . . . Sprungrevision . . . . . . . . . . Sprungrevision, Zulassung der Stalking . . . . . . . . . . . . . . Standgeld . . . . . . . . . . . . . Sterilisation . . . . . . . . . . . Streitgenossen . . . . . . . . . . Streithilfe ? Nebenintervention Streitwertvereinbarung ? Vereinbarungen zum Streitwert Stufenklage . . . . . . . . . . . .

Tagebuch

. . . . . . . . . . . . Tankstellendienstbarkeit . . . Tauschvertrag . . . . . . . . . . Teil des Hauptanspruchs . . . Teilanerkenntnisurteil ? Anerkenntnis und Anerkenntnisurteil ? Teilurteil Teilklage . . . . . . . . . . . . . Teilleistungen ? Teilzahlungen Teilungsversteigerung ? Drittwiderspruchsklage ? Zwangsversteigerung Teilurteil . . . . . . . . . . . . . Teilzahlungen . . . . . . . . . . Teilzahlungskredit . . . . . . . Telefax, unerwünschtes . . . . Telefonanrufe, unerwünschte Telefongebühren . . . . . . . . Testament . . . . . . . . . . . . Testamentsvollstreckung . . . Tierarztkosten . . . . . . . . . . Titulierungsinteresse . . . . . . Treuhändereinsetzung . . . . .

Überbau . . . . . . . . . . Überweisungsbeschlüsse ? Pfändung Umsatzsteuer . . . . . . . Umsatzsteuerausweis . . Unbezifferte Anträge . . . Unerlaubte Handlung ? Feststellungsklage

. . . . . . .

1053 1054 1055 1056 1056 1057 1057

. 1061 . . . .

1083 1083 1083 1084

. 1091

. . . . . . . . . . .

1094 1097 1098 1099 1100 1101 1101 1101 1102 1103 1104

. . . . 1105

. . . . 1106 . . . . 1108 . . . . 1109

ZPO-Stichwörter

Inhaltsverzeichnis Seite

Seite

Unfallfinanzierung . . . . . . . . 1120 Unterbrechung des Verfahrens ? Verfahrensruhe Unterlassung . . . . . . . . . . . . 1120 Unzuständigkeit ? Einrede, Einwendung Urheberrecht, Verlagsrecht . . . 1133 Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess . . . . . . . . . . 1133 Urteils- und Tatbestandsberichtigung . . . . . . . . . . . . . . . 1144 Urteilsergänzung . . . . . . . . . . 1145

Vermögensverzeichnis, Errichtung ? Stufenklage Veröffentlichungsbefugnis . . . . 1214 Versicherungsschutz . . . . . . . 1215 Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO 1223 Vertagung ? Prozess- und Sachleitung Verteilungsverfahren . . . . . . . 1229 Vertragsabschluss . . . . . . . . . 1231 Vertragsauflösung . . . . . . . . . 1231 Vertragserfüllung . . . . . . . . . 1234 Verwahrung . . . . . . . . . . . . . 1236 Verweisung . . . . . . . . . . . . . 1236 Verwendungsersatz ? Mietstreitigkeiten Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . 1237 Verzögerungsgebühr . . . . . . . . 1238 Verzugszinsen ? Nebenforderungen Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . 1239 Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils . . . . . 1240 Vollstreckbarerklärung eines Urteils (§§ 537, 558 ZPO) . . . 1241 Vollstreckungsabwehrklage . . . 1242 Vollstreckungsgegenklage ? Vollstreckungsabwehrklage Vollstreckungsklausel . . . . . . 1250 Vollstreckungsschaden . . . . . . 1252 Vollstreckungsschutz . . . . . . . 1254 Vollstreckungsurteil ? Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils Vorbehalt . . . . . . . . . . . . . . 1256 Vor- und Nacherbe . . . . . . . . 1256 Vorerbschaft ? Miterbe Vorgerichtliche Kosten . . . . . . 1257 Vorkaufsrecht . . . . . . . . . . . 1269 Vorläufige Vollstreckbarkeit . . 1271 Vormerkung . . . . . . . . . . . . 1273 Vornahme von Handlungen . . . 1273 Vorrangseinräumung ? Rangverbesserung Vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung ? Feststellungsklage

Veräußerungsverbot . . . . . . . 1147 Verbindung ? Prozessverbindung Verein . . . . . . . . . . . . . . . . 1147 Vereinbarte Vergütung ? Herabsetzung einer vereinbarten Vergütung ? Vereinbarungen zum Streitwert Vereinbarungen zum Streitwert 1149 Verfahrensruhe . . . . . . . . . . . 1150 Verfahrenstrennung ? Prozesstrennung Vergabesachen . . . . . . . . . . . 1151 Vergleich . . . . . . . . . . . . . . 1157 Vergleichsverfahren . . . . . . . . 1179 Vergütungsfestsetzung . . . . . . 1179 Vergütungsvereinbarung, Herabsetzung ? Herabsetzung einer vereinbarten Vergütung ? Vereinbarungen zum Streitwert Verkehrsunfallschadenregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . 1183 Verkehrswert . . . . . . . . . . . . 1208 Verlagsrecht ? Urheberrecht, Verlagsrecht Verlustigerklärung . . . . . . . . . 1213 Vermächtnisansprüche . . . . . . 1213 Vermehrte Bedürfnisse . . . . . . 1214 Vermögensrechtlicher Anspruch ? Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit

XIII

Inhaltsverzeichnis

ZPO-Stichwörter Seite

Vorschusszahlungen . . . . . . . 1273 Vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlös (§ 805 ZPO) . . . . 1274

Währungsumrechnung . . . . . 1274 Wahlschuld . . . . . . . . . . . . Wahlweise Verurteilung . . . . . Wandelung . . . . . . . . . . . . . Wechselnde Klageanträge ? Klageänderung Wechselprozess ? Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess Wechselseitige Rechtsmittel ? Rechtsmittel Wegnahme eingebauter Sachen Werbung, unverlangte . . . . . . Werbung per SMS, unverlangte ? SMS, unerwünschte Werkvertrag . . . . . . . . . . . . Wertbegrenzungen . . . . . . . . Wert einer Sache . . . . . . . . . Wertpapiere . . . . . . . . . . . . Wertsicherungsklausel . . . . . . Widerklage ? Klage und Widerklage ? Rechtsmittel Widerruf . . . . . . . . . . . . . . Widerspruch gegen Grundbucheintragung . . . . . . . . . . . . Wiederaufnahmeverfahren . . . Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . . . . . . . . . . . . Wiederkaufsrecht . . . . . . . . . Wiederkehrende Leistungen . . Willenserklärung . . . . . . . . . Wirtschaftliche Identität . . . .

XIV

1274 1276 1276

1278 1279

1285 1286 1292 1294 1295

1295 1297 1299 1299 1299 1300 1306 1309

Seite

Wohnrecht . . . . . . . . . . Wohnung . . . . . . . . . . . Wohnungsbesetzungsrecht Wohnungseigentum . . . .

. . . .

. . . .

. . . .

1313 1318 1318 1320

Zeugnis ? Willenserklärung Zeugnisverweigerung . . . . . . Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . Zug-um-Zug-Leistung ? Gegenleistung Zulassung zur Sprungrevision ? Sprungrevision, Zulassung der Zurückbehaltungsrecht ? Gegenleistung Zusammenrechnung ? Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung) Zuschlag in der Grundstücksversteigerung ? Zwangsversteigerung Zuständigkeit . . . . . . . . . . . Zuständigkeitsbestimmung ? Gerichtsstandsbestimmungsverfahren Zustimmung zur Sprungrevision ? Sprungrevision Zwangsgeld nach § 888 ZPO ? Ordnungsmittel Zwangsimpfung . . . . . . . . . . Zwangsversteigerung . . . . . . . Zwangsvollstreckung . . . . . . Zwischenfeststellungsklage . . Zwischenstreit und -urteil . . . Zwischenvergleich . . . . . . . .

1349 1351

1358

1361 1361 1366 1372 1372 1376

FamFG-Stichwörter

Inhaltsverzeichnis

Stichwörter im FamFG-Verfahren in alphabetischer Reihenfolge (3. Teil) Seite

Abänderung

. . . . . . . . . . . . 1377

Abfindung ? Unterhaltsverzicht Abstammungssachen . . . . . . Abtrennung aus dem Verbund ? Verbund Abtretung von Versorgungsansprüchen ? Versorgungsausgleichssachen Adoptionssachen . . . . . . . . . Anerkenntnis ? Anerkenntnis und Anerkenntnisurteil (ZPO-Teil) Anerkennung anderer ausländischer Entscheidungen als Ehesachen . . . . . . . . . . . Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen . . . . . . . . . . . . . . Annahme als Kind ? Adoptionssachen Anordnungen nach PsychKG ? Unterbringungssachen Minderjähriger ? Unterbringungssachen Volljähriger ? Kindschaftssachen Anpassung wegen Invalidität/ Tod/Unterhalt ? Versorgungsausgleichssachen Antragshäufung ? Mehrere Ansprüche (Antragshäufung) ? Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung) (ZPO-Teil) Anwendung ausländischen Rechts in Ehesachen ? Auslandsbezug ? Ehesachen Arrest . . . . . . . . . . . . . . . Aufenthaltsbestimmungsrecht ? Bestimmte Kindschaftssachen ? Elterliche Sorge ? Kindschaftssachen

. 1379

. 1386

. 1392

. 1396

Seite

Auffangwert . . . . . . . . . . . . Aufgaben nach dem Jugendgerichtsgesetz . . . . . . . . . Aufgebotssachen . . . . . . . . . Aufhebung der Ehe . . . . . . . Aufhebung der Gütergemeinschaft ? Güterrechtssachen Aufhebung des Annahmeverhältnisses ? Adoptionssachen Aufrechnung . . . . . . . . . . . Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft ? Güterrechtssachen Ausgleich von Kapitalzahlungen/Anspruch auf Abfindung ? Versorgungsausgleichssachen Ausgleichsansprüche nach der Scheidung ? Versorgungsausgleichssachen Auskunft . . . . . . . . . . . . . Auslandsbezug . . . . . . . . . .

. 1410 . 1421 . 1425 . 1429

. 1430

. 1432 . 1438

Beerdigungskosten

. 1403

? Unterhaltssachen Befreiung vom Eheverbot ? Adoptionssachen Befreiung von einer gesetzlichen Unterhaltspflicht . . . Befreiung von einer Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . Begrenztes Realsplitting . . . . Beschränkung oder Wegfall des Versorgungsausgleichs ? Versorgungsausgleichsachen Beschwerde . . . . . . . . . . . . Bestimmte Kindschaftssachen . . . . . . . . . . . . . . Betreuungssachen . . . . . . . . Betreuungsgerichtliche Zuweisungssachen . . . . . . . . . .

. 1441 . 1443 . 1445

. 1448 . 1450 . 1451 . 1458 XV

Inhaltsverzeichnis

FamFG-Stichwörter Seite

Darlehensaufnahme, Genehmigung ? Genehmigung einer Erklärung oder deren Ersetzung Dynamisierter Unterhalt ? Unterhaltssachen ? Vereinfachtes Verfahren auf Festsetzung des Unterhalts Minderjähriger

Ehegattenmitarbeit aufgrund Arbeitsvertrag . . . . . . . . . Ehesachen . . . . . . . . . . . . Ehestörungsklage ? Sonstige Familiensachen Ehewohnungssachen . . . . . . Eidesstattliche Versicherung . Einbenennungsverfahren ? Bestimmte Kindschaftssachen ? Elterliche Sorge ? Kindschaftssachen Einsicht in Abstammungsgutachten ? Abstammungssachen Einstweilige Anordnung . . . . Elterliche Sorge . . . . . . . . . Ersetzung der Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung ? Abstammungssachen XVI

Seite

Ersetzung der Einwilligung zur Annahme als Kind ? Adoptionssachen Ersetzung der Genehmigung einer Erklärung ? Genehmigung einer Erklärung oder deren Ersetzung Ersetzung der Zustimmung des anderen Ehegatten durch das Familiengericht bei der Verhandlung des Gesamtguts ? Genehmigung einer Erklärung oder deren Ersetzung Ersetzung der Zustimmung durch das Familiengericht bei einer Verfügung über das Vermögen im Ganzen ? Genehmigung einer Erklärung oder deren Ersetzung Erwerb oder Veräußerung eines Erwerbsgeschäfts des Minderjährigen ? Genehmigung einer Erklärung oder deren Ersetzung

Beweisverfahren ? Selbständiges Beweisverfahren ? Selbständiges Beweisverfahren (ZPO-Teil) Bewilligung oder Aufhebung von Verfahrenskostenhilfe ? Verfahrenskostenhilfe ? Prozesskostenhilfe (ZPO-Teil) Bürgschaft ? Befreiung von einer Verbindlichkeit

. 1459 . 1460

. 1505 . 1515

. 1517 . 1531

Fälligkeit ? Fälligkeit (ZPO-Teil) Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch . . . . . . . . Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der elterlichen Sorge ? Elterliche Sorge Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe . . Feststellungsverfahren . . . . . . Freiheitsentziehungssachen . . Früchte ? Früchte (ZPO-Teil)

Geldforderung

1548

1550 1551 1554

. . . . . . . . . . 1557 Genehmigung einer Erklärung oder deren Ersetzung . . . . . 1566

FamFG-Stichwörter

Inhaltsverzeichnis Seite

Genehmigung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen ? Unterbringungssachen Minderjähriger Genehmigung . . . . . . . . . . . 1571 Genehmigung einer Vereinbarung über den Versorgungsausgleich . . . . . . . . . . . . . 1572 Gesamtschuldnerausgleichsanspruch . . . . . . . . . . . . . 1573 Geschäfte über das Vermögen des Kindes im Ganzen ? Genehmigung einer Erklärung oder deren Ersetzung Geschenke ? Sonstige Familiensachen Gewaltschutzsachen . . . . . . . 1575 Grundbuchberichtigungsanspruch . . . . . . . . . . . . . 1583 Grundstücksgeschäfte des Kindes ? Genehmigung einer Erklärung oder deren Ersetzung Gütergemeinschaft (Auseinandersetzung) ? Güterrechtssachen Güterrechtssachen . . . . . . . . 1583

Haftungsfreistellung ? Befreiung von einer gesetzlichen Unterhaltspflicht ? Befreiung von einer Verbindlichkeit ? Befreiung von einer Verbindlichkeit (ZPO-Teil) Haupt- und Hilfsantrag ? Hilfsantrag ? Hilfsantrag (ZPO-Teil) Haushaltssachen . . . . . . . . . . 1589 Haustiere . . . . . . . . . . . . . . 1597 Hilfsantrag . . . . . . . . . . . . . 1599 Hilfsaufrechnung ? Aufrechnung ? Aufrechnung (ZPO-Teil

Jugendamtsurkunde

Seite

? Abänderung Jugendgerichtsgesetz ? Aufgaben nach dem Jugendgerichtsgesetz

Kapitalabfindung ? Unterhaltsverzicht Kindergeldabzug ? Kindergeldabzugsberechtigung ? Unterhaltssachen ? Vereinfachtes Verfahren auf Festsetzung des Unterhalts Minderjähriger Kindergeldbezugsberechtigung . 1600 Kindesherausgabe . . . . . . . . . 1605 Kindesmutter, Unterhalt ? Unterhaltssachen Kindschaftssachen . . . . . . . . . 1616 Kindschaftssachen im Verbund ? Verbund Klage und Widerklage . . . . . . . 1617 Kosten ? Nebenforderungen (ZPO-Teil) Kosten des Verfahrens ? Kosten des Rechtsstreits (ZPO-Teil) Kostenvorschuss für ein gerichtliches Verfahren . . . . 1618 Künftige Forderungen ? Unterhaltssachen

Lebenspartnerschaftssachen

. . 1623

Mahnverfahren ? Mahnverfahren (ZPO-Teil) Mehrbedarf ? Unterhaltssachen Mehrere Ansprüche (Antragshäufung) . . . . . . . . . . . . . . 1623 Mehrere Kinder ? Kindschaftssachen XVII

Inhaltsverzeichnis

FamFG-Stichwörter Seite

Nachforderungsklage . . . . . . 1626 Nachlass- und Teilungssachen . 1627 Naturalunterhalt ? Unterhaltssachen Negative Feststellungsklage ? Feststellungsklage (ZPO-Teil) ? Feststellungsverfahren Nutzungen ? Nutzungen (ZPO-Teil) Nutzungsentschädigung Ehewohnungssachen ? Ehewohnungssachen Nutzungsentschädigung bei Haushaltssachen ? Haushaltssachen Pflegschaften

. . . . . . . . . . . 1631 Prozesskostenhilfe ? Prozesskostenhilfe (ZPO-Teil) ? Verfahrenskostenhilfe Prozesskostenvorschuss ? Kostenvorschuss für ein gerichtliches Verfahren

Seite

Schuldrechtlicher Versorgungsausgleich . . . . . . . . . . . . . ? Versorgungsausgleichssachen Selbständiges Beweisverfahren . Sicherheitsleistung . . . . . . . . Sonstige Familiensachen . . . . Sorgerecht ? Bestimmte Kindschaftssachen ? Elterliche Sorge Sozialrechtliche Verfahren/Versorgungsausgleich . . . . . . . ? Versorgungsausgleichssachen Sprungrechtsbeschwerde, Zulassung der . . . . . . . . . . Steuererstattungen und Steuerschulden, Aufteilung von . . . Steuerliche Veranlagung ? Zusammenveranlagung Stufenklage . . . . . . . . . . . . . Stundung und Zugewinnausgleich ? Zugewinngemeinschaft

1649

1649 1652 1654

1660

1660 1662

1664

Teilanerkenntnisbeschluss Realsplitting ? Begrenztes Realsplitting Rechtsbeschwerde . . . . . . . . 1633 Rechtsmittelverfahren . . . . . . 1634 Registersachen . . . . . . . . . . . 1642 Religiöse Kindererziehung ? Elterliche Sorge Rückabwicklung von Zuwendungen ? Sonstige Familiensachen Rückgabeanspruch, Geschenke zwischen Verlobten ? Sonstige Familiensachen

Schadensersatzansprüche des umgangsberechtigten Elternteils . . . . . . . . . . . . . . . . 1644 Schadensfreiheitsrabatt . . . . . 1646 Scheidungssache . . . . . . . . . 1648 XVIII

? Anerkenntnis ? Teilurteil (ZPO-Teil) Titulierung unstreitiger Unterhaltsbeträge ? Geldforderung Trennungsunterhalt ? Unterhaltssachen Trennungsverfahren nach italienischem Recht ? Ehesachen

Übertragung von Vermögensgegenständen ? Zugewinngemeinschaft Übrige Kindschaftssachen . . Umgangspflegschaft . . . . . Umgangsrecht . . . . . . . . . Unbenannte Zuwendungen . Unstreitige Sockelbeträge ? Geldforderung

. . . .

. . . .

1669 1675 1676 1688

FamFG-Stichwörter

Inhaltsverzeichnis Seite

Unterbringungssachen Minderjähriger . . . . . . . . . . . . . . 1689 Unterbringungssachen Volljähriger . . . . . . . . . . . . . . . . 1694 Unterhaltsansprüchen, Überleitung von . . . . . . . . . . . . . 1697 Unterhaltsprivileg ? Versorgungsausgleichssachen Unterhaltssachen . . . . . . . . . 1698 Unterhaltsverzicht . . . . . . . . 1716 Unternehmensrechtliche Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . 1718

Vaterschaftsanfechtung/-feststellung ? Abstammungssachen Vaterschaftsfeststellung und Mindestunterhalt ? Abstammungssachen Verbund . . . . . . . . . . . . . . Vereinfachtes Verfahren auf Festsetzung des Unterhalts Minderjähriger . . . . . . . . . Verfahren in weiteren Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . Verfahrenskostenhilfe . . . . . Verfassungsbeschwerde . . . . Vergleich . . . . . . . . . . . . . Verlöbnis ? Sonstige Familiensachen Vermittlungsverfahren . . . . . Versorgungsausgleichssachen . Vertraglicher Unterhalt . . . . Verzicht, Unterhalt ? Unterhaltsverzicht

Seite

Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen . . . Vollstreckung . . . . . . . . . . . Vollstreckungsabwehrklage . . Vorläufiger Rechtsschutz in Familiensachen . . . . . . . . Vormundschaften . . . . . . . . Vorzeitiger Zugewinnausgleich ? Zugewinngemeinschaft

. 1784 . 1792 . 1800 . 1803 . 1804

Wechselseitige Abänderungsanträge . . . . . . . . . . . . . . 1808 Wiederherstellung des ehelichen Lebens ? Ehesachen ? Sonstige Familiensachen Wiederkehrende Leistungen . . . 1809 Wohnungszuweisungssachen ? Ehewohnungssachen

. 1719

Zahlung . 1735

. 1742 . 1743 . 1745 . 1747

. 1751 . 1754 . 1781

? Geldforderung Zeitpunkt der Wertberechnung . . . . . . . . . . . . . Zinsen . . . . . . . . . . . . . Zugewinngemeinschaft . . . Zusammenveranlagung . . . Zustimmung ? Genehmigung einer Erklärung oder deren Ersetzung Zwangsvollstreckung ? Vollstreckung ? Zwangsvollstreckung (ZPO-Teil)

. . . .

. . . .

. 1811 . 1815 . 1816 . 1827

Stichwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1831

XIX

Abkürzungs- und Schrifttumsverzeichnis

AfP AG AGkompakt AGS Anders/Gehle/Kunze AnwBl. AnwK-RVG/Bearbeiter AP

Bassenge/Roth Baumbach/Hartmann

BauR BayJMBl. BayObLGZ BayVGH BayZ BB BGHZ Binz/Dörndorfer/ Petzold/Zimmermann BlGBW Borth BPatG BRAGOreport

BRAK-Mitteilungen BR-Drucks./BT-Drucks. Bunte

DAVorm DB DGVZ DJ DJZ DNotZ DÖV DR

Archiv für Presserecht Die Aktiengesellschaft Anwaltsgebühren Kompakt Anwaltsgebühren Spezial Streitwert-Lexikon, 4. Aufl. 2002 Anwaltsblatt Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Von Schneider/ Wolf, 5. Aufl. 2010 Arbeitsrechtliche Praxis – Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts FamFG/RPflG, 12. Aufl. 2009 Zivilprozessordnung mit FamFG, GVG und anderen Nebengesetzen. Von Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 69. Aufl. 2011 Baurecht Bayerisches Justizministerialblatt Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen – neue Folge Bayerischer Verfassungsgerichtshof Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern Der Betriebs-Berater Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen GKG – FamGKG – JVEG, 2. Aufl. 2009 Blätter für Grundstücks-, Bau- und Wohnungsrecht Versorgungsausgleich, 5. Aufl. 2009 Bundespatentgericht BRAGOreport, Zeitschrift für Anwaltsgebühren, Streitwert, Gerichtskosten, Erstattung, Rechtsschutz (ab 2004 RVGreport) Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer Drucksache des Deutschen Bundesrates/Bundestages Entscheidungssammlung zum AGB-Gesetz. Bd. 1 ff. für die Zeit ab 1977 Der Amtsvormund Der Betrieb Deutsche Gerichtsvollzieherzeitung Deutsche Justiz Deutsche Juristenzeitung Deutsche Notar-Zeitschrift Die Öffentliche Verwaltung Deutsches Recht XXI

Abkürzungs- und Schrifttumsverzeichnis DRiZ/DRZ DVBl. DWW

Deutsche Richter-Zeitung Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Wohnungswirtschaft

EwiR EzA

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht. Loseblattausgabe Entscheidungssammlung zum Familienrecht

EzFamR FA-FamR/Bearbeiter FamFR FamRB FamRZ FamVerf/Bearbeiter

FPR FRES Friederici/Kemper/ Bearbeiter FuR Gerold/Schmidt/ Bearbeiter GmbHR Göppinger/Börger Groß Gruchot Das Grundeigentum GRUR Hansens/Braun/ Schneider Hartmann Hartung/Römermann/ Schons Hartung/Schons/ Enders Hillach/Rohs Horndasch/Viefhues/ Bearbeiter HRR XXII

Handbuch des Fachanwalts Familienrecht. Von Gerhardt/v. Heintschel-Heinegg/Klein, 8. Aufl. 2011 Familienrecht und Familienverfahrensrecht Familienrechtsberater Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht Verfahrenshandbuch Familiensachen. Von Eckebrecht/Große-Boymann/Gutjahr/Paul/Schael/ v. Swieykowski-Trzaska/Weidemann, 2. Aufl. 2010 Familie, Partnerschaft und Recht Entscheidungssammlung zum gesamten Bereich von Ehe und Familie Familienverfahrensrecht, 2009 Familie und Recht Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Von Gerold/ Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, 19. Aufl. 2010 GmbH-Rundschau. Monatsschrift für Geschäftsführer, Gesellschafter und ihre Berater Vereinbarungen anlässlich der Ehescheidung, 9. Aufl. 2009 Anwaltsgebühren in Ehe- und Familiensachen, 3. Aufl. 2011 Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Hausund Wohnungswirtschaft Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl. 2007 Kostengesetze, 41. Aufl. 2011 Praxiskommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 2. Aufl. 2006 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 2011 Handbuch des Streitwertes in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, 9. Aufl. 1995 Familienverfahrensrecht, 2. Auflage 2010 Höchstrichterliche Rechtsprechung

Abkürzungs- und Schrifttumsverzeichnis HuW HVR

Haus und Wohnung Handelsvertreterrecht. Entscheidungen und Gutachten

JA JblSaar JMBl.NW

Juristische Arbeitsblätter Justizblatt des Saarlandes Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Familienrecht, 5. Aufl. 2010 Juristische Rundschau Juristische Analysen Das Juristische Büro Die Justiz, Amtsblatt des Justizministeriums Baden-Württemberg Justizverwaltungsblatt Juristenzeitung

Johannsen/Henrich JR JurA JurBüro Justiz JVBl. JZ Keidel KGR Kindermann Korintenberg/Lappe/ Bengel/Reimann KostRsp.

FamFG, 16. Aufl. 2009 Schnelldienst zur Zivilrechtsprechung des Kammergerichts Berlin Die Abrechnung in Ehe- und Familiensachen, 2005 Kostenordnung, Gesetz über die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. 18. Aufl. 2010 Kostenrechtsprechung (Loseblatt). Von Friedrich Lappe/Hellstab/Onderka. 5. Aufl. 2005 ff.

LAGE Lappe LM

Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Kosten in Familiensachen. 5. Aufl. 1994 Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs

Madert/von Seltmann

Der Gegenstandswert in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten, 5. Aufl. 2008 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Von Mayer/Kroiß, 4. Aufl. 2009 Monatsschrift für Deutsches Recht Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl. 2000 Gerichtskosten der streitigen Gerichtsbarkeiten und des Familienverfahrens, 12. Aufl. 2011 Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen, 3 Bd. Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz, 8. Aufl. 2011 Familiengerichtliches Verfahren, 1. + 2. Buch, 2. Aufl. 2011

Mayer/Kroiß/Bearbeiter MDR Melullis Meyer MünchKomm.ZPO/ Bearbeiter Musielak Musielak/Borth

NdsRpfl. NJW NJW-RR

Niedersächsische Rechtspflege Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report XXIII

Abkürzungs- und Schrifttumsverzeichnis NVwZ-RR NZA

Rechtsprechungs-Report, Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht

Oestreich/Hellstab/ Trenkle Onderka OLGE

GKG – FamGKG (Loseblatt, Stand 81. Ergänzungslieferung März 2011) Anwaltsgebühren in Verkehrssachen, 3. Aufl. 2011 Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts OLG-Report (2009 eingestellt, alle Jahrgänge über LEGIOS und juris zu erreichen) Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Münster und Lüneburg

OLGR OLGZ OVGE

Palandt/Bearbeiter Prütting/Gehrlein/ Bearbeiter Prütting/Helms/ Bearbeiter

Bürgerliches Gesetzbuch, 70. Aufl. 2011 ZPO, 2. Aufl. 2010

RGZ Riedel/Sußbauer Rpfleger r+s RVGreport

Entscheidungen des Rechtsgerichts in Zivilsachen Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 9. Aufl. 2005 Der Deutsche Rechtspfleger Recht und Schaden RVGreport, Zeitschrift für Anwaltsgebühren, Streitwert, Gerichtskosten, Erstattung, Rechtsschutz

SchlHA

Schleswig-Holsteinische Anzeigen, Justizministerialblatt für Schleswig-Holstein Die Kostenentscheidung im Zivilurteil, 2. Aufl. 1977 Fälle und Lösungen zum RVG, 3. Aufl. 2011 Gebühren in Familiensachen 2010 Familiengerichtskostengesetz, 2009

Schneider Schneider Schneider Schneider/Wolf/ Volpert/Bearbeiter Schulte-Bunert/ Bearbeiter SeuffArchiv

FamFG mit FamGKG, 2009

FamFG, 2. Aufl. 2010

Stein/Jonas/Bearbeiter

Seufferts Archiv für Entscheidungen der Obersten Gerichte Saarländische Rechts- und Steuerzeitschrift Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 13. Aufl. 1993 ff. Zivilprozessordnung, 22. Aufl. 2002 ff.

Teplitzky Thomas/Putzo/ Bearbeiter

UWG-Großkommentar, 1991 ff. Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und den Einführungsgesetzen, 32. Aufl. 2011

Ufita

Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht

SRZ Staudinger/Bearbeiter

XXIV

Abkürzungs- und Schrifttumsverzeichnis VersR Von Eicken/Hellstab/ Lappe/Madert/ Mathias Warneyer BGH Warneyer RG Wieczorek/Bearbeiter WM WRP WuM WuW ZAP ZblJugR ZfV ZIP ZMR Zöller/Bearbeiter

ZSW ZZP

Versicherungsrecht – Juristische Rundschau für Individualversicherung Die Kostenfestsetzung, 20. Aufl. 2011

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Rechtsprechung des Reichsgerichts in Zivilsachen Zivilprozessordnung und Nebengesetze aufgrund der Rechtsprechung kommentiert, 3. Aufl. 1994 ff. Wertpapier-Mitteilungen Wettbewerb in Recht und Praxis Wohnungswirtschaft und Mietrecht Wirtschaft und Wettbewerb Zeitschrift für die Anwaltspraxis Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt Zeitschrift für Versicherungswesen Zeitschrift für die gesamte Insolvenzpraxis Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozessordnung mit FamFG (§§ 1–185, 200–279, 433–484) und Gerichtsverfassungsgesetz, den Einführungsgesetzen, mit Internationalem Zivilprozessrecht, EG-Verordnungen und Kostenanmerkungen, 28. Aufl. 2010 Zeitschrift für das gesamte Sachverständigenwesen Zeitschrift für Zivilprozess

XXV

1. Teil: Verfahrensrecht Gliederungsübersicht Rn. A. Überblick I. Die Bedeutung des Streitwerts . . II. Die verschiedenen Begriffsbezeichnungen 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . 2. Streitwert im Sinne der ZPO . . . 3. Wert des Beschwerdegegenstands . 4. Beschwer . . . . . . . . . . . . . . 5. Streitwert im Sinne des GKG . . . 6. Verfahrenswert . . . . . . . . . . . 7. Geschäftswert . . . . . . . . . . . 8. Gegenstandswert . . . . . . . . . . III. Hinweispflichten 1. Hinweispflichten des Gerichts . . 2. Hinweispflichten des Anwalts . . 3. Hinweis auf die Höhe des Gegenstandswerts . . . . . . . . . . . . . IV. Die Wertfestsetzungsverfahren 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . 2. Wertfestsetzung nach der ZPO . . 3. Wertfestsetzung nach dem FamFG 4. Wertfestsetzung nach den Gerichtskostengesetzen . . . . . . . . 5. Wertfestsetzung nach dem RVG . V. Kostenansatzverfahren . . . . . . . B. Festsetzung des Zuständigkeits-, Bagatell- und Rechtsmittelstreitwerts I. Erforderlichkeit einer Wertermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Festsetzung . . . . . . . . . . . . . III. Anfechtbarkeit und Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bindungswirkung für die Gerichtsgebühren . . . . . . . . . . . V. Eingeschränkte Bindungswirkung bei Verweisung . . . . . . . . . . .

1

10 11 16 19 22 24 26 29 37 39 46 52 55 57 58 62 64

72 78 79 82 87

C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG I. Überblick 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . 97 II. Erforderlichkeit der Festsetzung . 101 III. Wertangabe bei Einreichung der Klage oder eines sonstigen Antrags 107 IV. Abschätzung durch Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . . . . 126 V. Vorläufige Wertfestsetzung 1. Erforderlichkeit einer vorläufigen Wertfestsetzung . . . . . . . . . . 134

Rn. 2. Entbehrlichkeit der vorläufigen Festsetzung . . . . . . . . . . . . 147 3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . 149 4. Unanfechtbarkeit . . . . . . . . . 153 5. Gegenvorstellung . . . . . . . . . 156 VI. Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung . . . . 157 VII. Endgültige Wertfestsetzung 1. Zeitpunkt der Wertfestsetzung . 160 2. Form . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3. Inhalt der Entscheidung . . . . . 179 4. Bindung an die Festsetzung des Zuständigkeitswerts . . . . . . . 202 5. Nachträgliche Abänderungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . 206 VIII. Gegenvorstellung . . . . . . . . . 217 IX. Beschwerde 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . 224 2. Anfechtbare Festsetzungen . . . 226 3. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . 239 4. Beschwerdeberechtigte . . . . . . 243 5. Kein Verlust des Beschwerderechts durch Einverständnis mit der Festsetzung . . . . . . . . . . 247 6. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . 250 7. Beschwerdefrist . . . . . . . . . . 288 8. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . . . . . . . . . . . . . . . . 291 9. Form . . . . . . . . . . . . . . . . 299 10. Aufschiebende Wirkung, Einstellung der Zwangsvollstreckung . . 302 11. Abhilfeverfahren . . . . . . . . . 305 12. Erneute Beschwerdemöglichkeit gegen Abhilfeentscheidung . . . 310 13. Verfahren vor dem Beschwerdegericht . . . . . . . . . . . . . . . 315 X. Weitere Beschwerde . . . . . . . 343 XI. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . 355 XII. Gehörsrüge . . . . . . . . . . . . 356 XIII. Kosten 1. Gerichtskosten . . . . . . . . . . 358 2. Anwaltskosten . . . . . . . . . . 365 XIV. Kostenerstattung . . . . . . . . . 378 XV. Rechtsschutzversicherung . . . . 380 D. Festsetzung des Verfahrenswerts nach dem FamGKG I. Überblick 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . 382 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . 386 II. Erforderlichkeit der Festsetzung . 390 III. Wertangabe . . . . . . . . . . . . 396

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Verfahrensrecht Rn. IV. Vorläufige Wertfestsetzung 1. Erforderlichkeit einer vorläufigen Wertfestsetzung . . . . . . . 2. Entbehrlichkeit der vorläufigen Festsetzung . . . . . . . . . . . . 3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . 4. Unanfechtbarkeit . . . . . . . . 5. Gegenvorstellung . . . . . . . . V. Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung . . . VI. Endgültige Wertfestsetzung 1. Zeitpunkt der Wertfestsetzung . 2. Form . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhalt der Entscheidung . . . . . 4. Nachträgliche Abänderungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . VII. Gegenvorstellung . . . . . . . . VIII. Beschwerde 1. Statthaftigkeit . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit . . . . . . . . . . 3. Beschwerdeberechtigte . . . . . 4. Kein Verlust des Beschwerderechts durch Einverständnis mit der Festsetzung . . . . . . . . . 5. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . 6. Beschwerdefrist . . . . . . . . . 7. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand . . . . . . . . . . . . . 8. Form . . . . . . . . . . . . . . . 9. Aufschiebende Wirkung, Einstellung der Zwangsvollstreckung . 10. Abhilfeverfahren . . . . . . . . . 11. Erneute Beschwerdemöglichkeit gegen Abhilfeentscheidung . . . 12. Verfahren vor dem OLG . . . . . IX. Weitere Beschwerde . . . . . . . X. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . XI. Gehörsrüge . . . . . . . . . . . . XII. Kosten 1. Gerichtskosten . . . . . . . . . . 2. Anwaltskosten . . . . . . . . . . XIII. Kostenerstattung . . . . . . . . . E. Festsetzung des Geschäftswerts nach der KostO I. Überblick . . . . . . . . . . . . . II. Das Festsetzungsverfahren 1. Veranlassung zur Wertfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit . . . . . . . . . . 3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . 4. Form . . . . . . . . . . . . . . . 5. Inhalt der Entscheidung . . . . . III. Abänderung . . . . . . . . . . . IV. Beschwerde 1. Statthaftigkeit . . . . . . . . . . 2. Zulässigkeit . . . . . . . . . . .

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415 428 430 432 435 436 439 448 449 462 473 480 487 490

493 495 527 531 539 542 545 550 555 578 579 580 582 589 601

603

608 612 614 615 616 620 622 627

3. Frist . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wiedereinsetzung . . . . . . . . 5. Form . . . . . . . . . . . . . . . 6. Beschwerdeberechtigung . . . . 7. Verfahren . . . . . . . . . . . . . V. Weitere Beschwerde . . . . . . . VI. Gegenvorstellung . . . . . . . . VII. Gehörsrüge . . . . . . . . . . . . VIII. Kosten . . . . . . . . . . . . . . IX. Kostenerstattung . . . . . . . . . F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG I. Überblick . . . . . . . . . . . . . II. Statthaftigkeit 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtliches Verfahren . . . . . 3. Keine Bindungswirkung nach § 32 Abs. 1 RVG . . . . . . . . . III. Das Festsetzungsverfahren 1. Festsetzung für jede Instanz gesondert . . . . . . . . . . . . . 2. Antragsberechtigung . . . . . . . 3. Zuständigkeit . . . . . . . . . . 4. Antrag . . . . . . . . . . . . . . 5. Fälligkeit der Vergütung . . . . . 6. Form . . . . . . . . . . . . . . . 7. Bezifferung des Antrags . . . . . 8. Begründung . . . . . . . . . . . . 9. Verfahren und Entscheidung . . 10. Bindungswirkung . . . . . . . . 11. Abänderung . . . . . . . . . . . 12. Gehörsrüge . . . . . . . . . . . . IV. Beschwerde 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . 2. Beschwerdeberechtigung . . . . 3. Form . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bestimmter Antrag . . . . . . . 5. Zuständigkeit . . . . . . . . . . 6. Frist . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Wiedereinsetzung . . . . . . . . 8. Wert des Beschwerdegegenstands 9. Zugelassene Beschwerde . . . . 10. Verfahren . . . . . . . . . . . . . V. Gegenvorstellung . . . . . . . . VI. Untätigkeitsbeschwerde . . . . . VII. Weitere Beschwerde . . . . . . . VIII. Rechtbeschwerde . . . . . . . . IX. Kosten 1. Gericht . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwalt . . . . . . . . . . . . . . X. Kostenerstattung . . . . . . . . . XI. Rechtsschutzversicherung . . . G. Abänderung der Kostenfestsetzung nach Streitwertkorrektur (§ 107 ZPO) I. Ausgangslage . . . . . . . . . . .

Rn. 628 632 633 635 636 638 641 643 644 645

654 662 664 674

692 694 702 710 713 719 722 724 727 742 746 748 749 754 758 761 762 766 768 777 785 788 805 806 809 815 816 826 833 835

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Verfahrensrecht Rn. II. Abänderung der Kostenfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sofortige Beschwerde/Erinnerung IV. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . V. Sonstige Rechtsbehelfe nach Fristablauf . . . . . . . . . . . . VI. Rückfestsetzung . . . . . . . . .

. 838 . 843 . 844 . 845 . 848

H. Korrektur der Kostenentscheidung nach Streitwertänderung? . . . . . 850

Rn. I. Bindungswirkung der Wertfestsetzungen I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . 859 II. Staatskasse . . . . . . . . . . . . . 860 III. Anwalt und Auftraggeber . . . . . 862 IV. Kostenfestsetzung . . . . . . . . . 866 V. Nicht am Verfahren beteiligte Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . 870 VI. Rechtsschutzversicherer . . . . . . 872

A. Überblick I. Die Bedeutung des Streitwerts Der Streitwert ist für die gerichtliche und die anwaltliche Praxis in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung.

1

Zum einen entscheidet der Streitwert in Zivilsachen über die Zuständigkeit des Gerichts (Amtsgericht oder Landgericht), § 23 Nr. 1 GVG, sofern nicht eine wertunabhängige Zuständigkeit gegeben ist (§ 23 Nr. 2 GVG). Bei Streitwerten bis 5.000 Euro sind die Amtsgerichte zuständig. Bei höheren Streitwerten sind die Landgerichte zuständig.

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Der Rechtsmittelstreitwert wiederum entscheidet in zahlreichen Fällen darüber, ob ein Rechtsmittel gegeben ist oder nicht. So ist nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Berufung grundsätzlich nur dann zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 600 Euro übersteigt. Gleiches gilt in Familiensachen für die Beschwerde in vermögensrechtlichen Angelegenheiten nach § 58 FamFG (§ 61 Abs.1 FamFG).

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Eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO ist gem. § 26 Nr. 8 EGZPO (zunächst) bis Ende 2011 nur zulässig, wenn der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer den Betrag von 20.000 Euro übersteigt, es sei denn das Berufungsgericht hat die Berufung verworfen.

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Nach der ZPO ist für Beschwerden gegen Entscheidungen über die Kosten ein Wert des Beschwerdegegenstands von mehr als 200 Euro erforderlich (§ 567 Abs. 2 ZPO). Gleiches gilt, soweit § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG für Ehe- und Familienstreitsachen auf die ZPO verweist.

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Darüber hinaus knüpfen in Zivilsachen weitere verfahrensrechtliche Vorschriften an den Wert des Streitgegenstands an. So kann das Gericht nach § 495a ZPO das Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert den Betrag von 600 Euro nicht übersteigt.

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Nach § 15a EGZPO können die Landesgesetzgeber ein obligatorisches Streitschlichtungsverfahren vorschreiben, wenn der Streitwert den Betrag von 750 Euro nicht übersteigt. Teilweise sind nach den hierzu ergangenen Ausführungsgesetzen auch geringere Werte vorgesehen.

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Darüber hinaus hat der Wert Bedeutung für die Abrechnung der Gerichtskosten. Nach allen Gerichtskostengesetzen (GKG, FamGKG und KostO) richten sich die zu erhebenden Gebühren überwiegend nach dem Wert des jeweiligen Verfahrensgegenstands (§ 3 GKG, § 3 FamGKG, § 18 KostO).

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A. Überblick 9

Auch für die Anwaltsgebühren hat der Wert Bedeutung, da sich die Anwaltsgebühren grundsätzlich nach dem Gegenstandswert richten (§ 2 Abs. 1 RVG).

II. Die verschiedenen Begriffsbezeichnungen 1. Überblick 10

Das Gesetz enthält an zahlreichen Stellen Wertvorschriften bzw. Vorschriften, die auf einen bestimmten Wert abstellen. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz zwischen verschiedenen Werten unterscheidet. Hier ist es wichtig, zu differenzieren. In der Praxis werden häufig verschiedene Werte verwechselt, insbesondere beim Gebühren- und Zuständigkeitsstreitwert, wie die den beiden Entscheidungen des BGH von v. 14.4.20041 und vom 21.5.20032 zugrunde liegenden Verfahren anschaulich verdeutlichen. 2. Streitwert im Sinne der ZPO

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In Verfahren nach der ZPO wird auf den Zuständigkeitsstreitwert abgestellt. Sofern keine besonderen Zuständigkeiten gegeben sind, ist das Amtsgericht in erstinstanzlichen Verfahren mit Streitwerten bis einschließlich 5.000 Euro zuständig (§ 1 ZPO, § 23 Nr. 1 GVG), im Übrigen das Landgericht.

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Der Streitwert für die Zuständigkeit eines Verfahrens ist in den §§ 3 ff. ZPO geregelt. Er hat mit den Werten, die sich aus den Gerichtskostengesetzen ergeben, nichts zu tun.

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Der Zuständigkeitsstreitwert – nicht der Gebührenstreitwert – ist auch maßgebend dafür, ob ein Bagatellverfahren nach § 495a ZPO durchgeführt werden kann (§ 2 ZPO).

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Er ist ebenfalls maßgebend dafür, ob ggf. vor Klageerhebung ein obligatorisches Streitschlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO durchzuführen ist (§ 2 ZPO).

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Auch für die Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde (§ 26 Nr. 8 EGZPO) ist auf die Vorschriften der ZPO abzustellen (§ 2 ZPO). 3. Wert des Beschwerdegegenstands

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In zahlreichen Fällen stellen die Verfahrensordnungen für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln auf den Wert des Beschwerdegegenstands ab, so in § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO oder § 61 Abs. 1 FamFG).

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In Zivilsachen ergibt sich der Wert des Beschwerdegegenstands aus den §§ 3 ff. ZPO (§ 2 ZPO). Auch hier ist nicht auf die Wertvorschriften der Gerichtskostengesetze zurückzugreifen (häufige Fehlerquelle).

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Andere Verfahrensordnungen enthalten keine Regelungen zum Wert des Beschwerdegegenstands bzw. zum Wert der Beschwer, wie z.B. das FamFG. Hier dürfte auf die ZPO zurückzugreifen sein. 1 BGH v. 14.4.2004 – XII ZB 224/02, AGS 2004, 390 = WuM 2004, 353 = NZM 2004, 460 = MDR 2004, 931 = MietRB 2004, 258. 2 BGH v. 21.5.2003 – VIII ZB 10/03, AGS 2003, 489 = JurBüro 2004, 207 = AnwBl. 2003, 597 = NZM 2004, 617.

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Verfahrensrecht 4. Beschwer Von dem Wert des Beschwerdegegenstands zu unterscheiden ist die Beschwer. Unter Beschwer ist der Nachteil zu verstehen, der der jeweiligen Partei durch die gerichtliche Entscheidung erwächst, also die Differenz zwischen dem Wert des Antrags und dem Wert der Entscheidung.

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Der Wert des Beschwerdegegenstands beläuft sich dagegen auf den Wert der angefochtenen Entscheidung, soweit sie auch tatsächlich angefochten wird. Der Wert des Beschwerdegegenstands kann daher auch hinter der Beschwer zurückbleiben, etwa im Falle einer Teilanfechtung.

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* Æ Beispiel: Eingeklagt waren 1.860 Euro. Der Beklagte ist zur Zahlung von 860 Euro verurteilt worden und legt wegen eines Teilbetrages von 500 Euro Berufung ein. Der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens beläuft sich auf 1.860 Euro. Die Beschwer des Klägers beläuft sich auf 1.000 Euro (Abweisung der Klage), die des Beklagten auf 860 Euro (Verurteilung). Der Wert des Beschwerdegegenstands beläuft sich dagegen nur auf 500 Euro, da das Urteil nur insoweit angefochten worden ist. Da § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht auf die Beschwer, sondern auf den Wert des Beschwerdegegenstands abstellt, wäre die Berufung also unzulässig, soweit sie nicht zugelassen war.

Die Beschwer hat derzeit aber kaum eine Bedeutung, da die Rechtsmittelverfahren nicht auf die Beschwer, sondern den Wert des Beschwerdegegenstands abstellen. Sie hatte früher größere Bedeutung, als eine Revision lediglich eine Beschwer von 40.000 DM voraussetzte, nicht aber, dass die Revision auch in dieser Höhe durchgeführt wurde, sodass der Wert des Beschwerdegegenstands geringer sein durfte.

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5. Streitwert im Sinne des GKG Auch das GKG spricht vom „Streitwert“. Gemeint ist hiermit aber nicht der Zuständigkeits- oder Rechtsmittelstreitwert nach der ZPO.

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Der Gebührenstreitwert des GKG ist vielmehr in § 3 GKG definiert. Er bemisst sich nach dem „Wert des Streitgegenstands“ und berechnet sich nach den Wertvorschriften des GKG, wobei zum Teil über § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG und § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG wiederum auf die ZPO zurückgegriffen wird.

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6. Verfahrenswert Im Gegensatz zum GKG spricht das FamGKG, das für Familiensachen gilt, nicht vom Streitwert, sondern vom Verfahrenswert. Der Verfahrenswert ist in § 3 FamGKG definiert. Verfahrenswert ist der „Wert des Verfahrensgegenstands“.

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Der Verfahrenswert richtet sich ausschließlich nach den Vorschriften des FamGKG. Hier findet sich keine Verweisung auf die Vorschriften der ZPO, sodass diese hier unanwendbar sind. Lediglich in Einzelfällen wird auf die KostO verwiesen (Rechtsfolgenverweisung).

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A. Überblick 7. Geschäftswert 26

Die KostO, die in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (außer in Familiensachen, § 1 Abs. 2 KostO, § 1 FamGKG) gilt, spricht wiederum vom Geschäftswert.

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Der Geschäftswert ist in § 18 Abs. 1 KostO definiert. Geschäftswert ist der „Wert ..., den der Gegenstand des Geschäfts zurzeit der Fälligkeit hat“.

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Der Geschäftswert bestimmt sich nach den Vorschriften der KostO. Die Vorschriften der ZPO sind hier ebenso wenig anwendbar, wie die des GKG oder des FamGKG. 8. Gegenstandswert

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Das RVG wiederum spricht vom Gegenstandswert. Der Gegenstandwert ist in § 2 RVG definiert. Gegenstandswert ist der „Wert ..., den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat“.

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Soweit es also um die Abrechnung von Anwaltsgebühren geht, ist stets auf den Gegenstandswert abzustellen. Das RVG selbst enthält allerdings nur wenige eigene Reglungen zur Höhe des Gegenstandswerts (§§ 23 Abs. 2, 3, 24 ff., Anm. Abs. 1 zu Nr. 3335 VV RVG).

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Dies beruht darauf, dass das RVG in erster Linie auf die Wertvorschriften des jeweiligen Gerichtskostengesetzes abstellt (§ 23 Abs. 1 RVG).

32

Ergänzend hierzu ordnet § 32 Abs. 1 RVG an, dass die gerichtliche Wertfestsetzung auch für die Anwaltsgebühren bindend ist. Der gerichtliche Streit-, Verfahrens- oder Geschäftswert bestimmt also in der Regel auch den anwaltlichen Gegenstandswert.

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Soweit die anwaltliche Tätigkeit jedoch mit dem der gerichtlichen nicht übereinstimmt, ist insoweit für die Anwaltsgebühren ein abweichender Wert festzusetzen. Dieser Wert bestimmt sich grundsätzlich wiederum nach dem Wert, der für die Gerichtsgebühren maßgebend ist (§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG).

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Darüber hinaus gibt es anwaltliche Tätigkeiten im gerichtlichen Verfahren, für die in den Gerichtskostengesetzen keine Werte vorgesehen sind, z.B. in Beschwerdeverfahren gegen Zwischen- oder Nebenentscheidungen, also z.B. Beschwerden in Richterablehnungsverfahren, Kostenfestsetzungsverfahren, Streitwertfestsetzungsverfahren, etc. Gleiches gilt für Zwangsvollstreckungsverfahren. Hier sind nach den Gerichtskostengesetzen Festgebühren vorgesehen, sodass es für die gerichtlichen Gebühren keine Werte gibt.

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In allen diesen Fällen richtet sich der Gegenstandswert nach den Vorschriften des RVG. So ist der Gegenstandswert in Beschwerde- und Erinnerungsverfahren in § 23 Abs. 2 RVG geregelt, die Gegenstandswerte in der Zwangsvollstreckung finden sich in § 25 RVG, die der Zwangsversteigerung in § 26 RVG, etc.

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Auch hier können die Werte vom Gericht festgesetzt werden. Dazu enthält § 33 RVG ein eigenes Wertfestsetzungsverfahren, das ausschließlich für den Gegenstandswert der anwaltlichen Gebühren gilt (s. Rn. 382 ff.).

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Verfahrensrecht

III. Hinweispflichten 1. Hinweispflichten des Gerichts Eine Verpflichtung des Gerichts, auf den Streit-, Verfahrens- oder Geschäftswert hinzuweisen, besteht grundsätzlich nicht. Lediglich dann, wenn der Wert prozessuale Folgen hat, etwa betreffend die Zuständigkeit des Gerichts, die Zulässigkeit eines Rechtsmittels o.Ä., muss es im Rahmen seiner prozessualen Pflichten darauf hinweisen.

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Im Übrigen kann allerdings eine unrichtige Sachbehandlung darin liegen, wenn das Gericht die Parteien nicht vorab darauf hinweist, dass bestimmte Handlungen oder Maßnahmen unverhältnismäßig hohe Kosten auslösen, die in keinem Verhältnis zum erstrebten Prozesserfolg stehen. Eine Verletzung solcher gerichtlicher Aufklärungs- und Hinweispflichten kann dann dazu führen, dass die entsprechenden Gerichtskosten nach § 21 GKG, § 20 FamGKG, § 16 KostO nicht zu erheben sind.

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2. Hinweispflichten des Anwalts a) Überblick Anders verhält es sich beim Anwalt. Den Anwalt können zwei Hinweispflichten treffen, nämlich – die Pflicht zum Hinweis darauf, dass nach dem Gegenstandswert abzurechnen ist – die Pflicht zum Hinweis über die Höhe des Gegenstandswerts.

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b) Hinweis darauf, dass nach dem Gegenstandswert abzurechnen ist aa) Gesetzliche Regelung Nach § 49b Abs. 5 BRAO muss der Anwalt den Auftraggeber vor Beginn des Mandats darauf hinweisen, wenn sich seine Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnen:

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§ 49b BRAO Vergütung ... (5) 1Richten sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert, hat der Rechtsanwalt vor Übernahme des Auftrags hierauf hinzuweisen.

bb) Nur Hinweisverpflichtung Die Verpflichtung besteht nur zum Hinweis darauf, dass nach dem Gegenstandswert abzurechnen ist. Der Anwalt muss nicht ungefragt über die Höhe des Gegenstandswerts Auskunft erteilen. Das muss er grundsätzlich erst auf Nachfrage oder wenn sich eine Aufklärung des Mandanten aufdrängt (s. Rn. 46 ff.).

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cc) Rechtsfolgen bei Verletzung der Hinweispflicht Lange Zeit war umstritten, ob der Verstoß gegen die Hinweispflicht nach § 49b Abs. 5 BRAO zu Schadenersatzansprüchen führen kann oder ob es sich um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt. N. Schneider

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A. Überblick 43

Während die Rechtsprechung zunächst davon ausging, die Hinweispflicht beinhalte nur eine berufsrechtliche Verpflichtung, habe aber keine zivilrechtlichen Folgen, hat der BGH1 zwischenzeitlich klargestellt, dass der Verstoß gegen die Hinweispflicht nach § 49b Abs. 5 BRAO grundsätzlich zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet.

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In einer weiteren Entscheidung2 hat er dann noch klargestellt, dass die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Hinweis unterblieben sei, den Auftraggeber trifft. Der Anwalt muss lediglich ansatzweise darlegen, wann und wie er den Hinweis erteilt haben will. Es ist dann Sache des Auftraggebers, den Beweis des fehlenden Hinweises zu erbringen.

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Die Darlegungs- und Beweislast für den entstandenen Vertrauensschaden liegt ebenfalls beim Auftraggeber. Er muss also konkret vortragen, wie er sich verhalten hätte, wenn der Hinweis erteilt worden wäre. 3. Hinweis auf die Höhe des Gegenstandswerts

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Grundsätzlich ist ein Anwalt weder dazu verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass für seine Tätigkeit Gebühren ausgelöst werden, noch ist er dazu verpflichtet, auf die Höhe seiner Vergütung hinzuweisen.

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Sofern der Auftraggeber allerdings nach der Höhe der Vergütung fragt, ist der Anwalt verpflichtet, aufzuklären und entsprechende Auskunft zu erteilen.

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Darüber hinaus ist der Anwalt nach der Rechtsprechung auch dann verpflichtet, auf die Höhe seiner Vergütung, insbesondere auch auf die Höhe des Gegenstandswerts hinzuweisen, wenn diese außer Verhältnis zum erstrebten Prozesserfolg steht. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn ersichtlich ist, dass der Auftraggeber nicht mit einem entsprechend hohen Wert und den damit verbundenen Kosten rechnet oder wenn anderweitig erkennbar ist, dass sich der Auftraggeber falsche Vorstellungen über die Höhe des Wertes macht.

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So nimmt die Rechtsprechung dann eine vertragliche Nebenpflicht zur Aufklärung des Mandanten an, wenn der Gegenstandswert ungewöhnlich hoch ist und der Auftraggeber damit nicht rechnet oder wenn die Sache für den Auftraggeber wirtschaftlich nicht sinnvoll ist.3

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Ein solcher Fall ist insbesondere dann anzunehmen, wenn das Gericht den Streitwert offensichtlich fehlerhaft viel zu niedrig festsetzt. Der Mandant ist dann darauf hinzuweisen, dass dieser Wert später abgeändert werden kann und sich bei zutreffender Wertberechnung weitaus höhere Kosten ergeben werden.

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Zu belehren ist auch darüber, wenn sich ein Begehren in anderer Form mit einem geringeren Streitwert erledigen lässt.

* Æ Beispiel: Der Gläubiger ist im Besitz einer Grundschuld über 100.000 Euro und macht noch eine Restforderung von 1.000 Euro gelten, deren Berechtigung der Schuldner bestreitet. 1 BGH, Urt. v. 24.5.2007 – IX ZR 89/06, AGS 2007, 386 = WM 2007, 1390 = NJW 2007, 2332 = FamRZ 2007, 1322 = MDR 2007, 1046 = AnwBl. 2007, 628. 2 BGH, Urt. v. 11.10.2007 – IX ZR 105/06, AGS 2008, 9 mit Anm. Schons = FamRZ 2008, 144 = AnwBl. 2008, 68 = NJW 2008, 371. 3 BGH, Beschl. v. 20.11.2008 – IX ZR 34/06, AGS 2010, 216 = BRAK-Mitt. 2009, 19 im konkreten Fall allerdings abgelehnt.

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Verfahrensrecht Bei einer Klage auf Löschung der Grundschuld bzw. Herausgabe des Briefes droht die „Gefahr“, dass das Gericht den Wert der Klage auf 100.000 Euro festsetzt, sodass sich wegen einer relativ geringfügigen Restforderung ein relativ hohes Kostenrisiko ergibt. Der Mandant ist daher darüber aufzuklären, dass sich sein Begehren auch zunächst einmal im Rahmen einer negativen Feststellungsklage klären lässt, mit der festgestellt werden soll, dass dem Gläubiger keine Forderung mehr zusteht. Dann beläuft sich der Streitwert nämlich nur auf 1.000 Euro, sodass das Kostenrisiko auch entsprechend gering ist.

IV. Die Wertfestsetzungsverfahren 1. Überblick Das Gesetz sieht verschiedene Wertfestsetzungsverfahren vor, je nachdem, zu welchem Zweck die Wertfestsetzung erfolgt.

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Wichtig ist es, diese Wertfestsetzungsverfahren genau zu unterscheiden und stets zu prüfen, nach welchem Verfahren festzusetzen ist. In der Praxis wird dies sehr häufig nicht beachtet, was dann zu erheblichen Problemen bei der Bindungswirkung der Festsetzungen und ihrer Anfechtbarkeit führt.

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* Æ Beispiel:1 Der Antrag des Klägers auf Ablehnung eines Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit war zurückgewiesen worden. Dagegen hatte der Kläger Beschwerde erhoben. Das OLG als Beschwerdegericht hat die Beschwerde zurückgewiesen, den „Streitwert“ auf ein Drittel der Hauptsache festgesetzt und dies mit § 3 ZPO begründet. Was soll diese Festsetzung? Die Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Ablehnung eines Sachverständigen bedarf keiner Mindestbeschwer. Daher ist es nicht erforderlich, einen Wert für den Beschwerdegegenstand festzusetzen. Eine solche Festsetzung wäre überflüssig und sinnlos. Da im Verfahren über die Ablehnung eines Richters im Beschwerdeverfahren Festgebühren erhoben werden, die nicht nach dem Wert abgerechnet werden (Nr. 1812 GKG-KostVerz.), bedarf es daher auch keiner Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG für die Gerichtsgebühren; im Gegenteil ist eine solche Wertfestsetzung unzulässig,2 jedenfalls aber wiederum sinnlos. Lediglich der Anwalt erhält im Beschwerdeverfahren gesonderte Gebühren (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG) und zwar eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG, die sich gem. § 2 Abs. 1 RVG nach dem Gegenstandswert berechnet. Eine gerichtliche Wertfestsetzung für den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit ist aber nur auf Antrag eines Anwalts, seines Auftraggebers oder einer erstattungspflichtigen Partei zulässig (§ 33 Abs. 1 RVG). Es handelt sich hier um ein reines Antragsverfahren. Eine Wertfestsetzung von Amts wegen ist unzulässig. Einen Antrag hatte hier aber niemand gestellt. Abgesehen davon kommt eine Bewertung nach § 3 ZPO nur für den Zuständigkeits- oder Rechtsmittelstreitwert in Betracht. Für die Anwaltsgebühren gilt aber nicht § 3 ZPO, sondern § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG, wonach sich der Wert im Beschwerdeverfahren für den Anwalt nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG richtet. Unweigerlich stellt sich die Frage, was mit der nun einmal getroffenen Wertfestsetzung anzufangen ist. Bindet sie den Anwalt und seinen Auftraggeber? Kann und muss er dagegen vorgehen?

1 Nach OLG München, Beschl. v. 28.5.2010 – 5 W 1403/10, AGS 2010, 403 = MDR 2010, 1012. 2 LG Bonn, Beschl. v. 13.3.2007 – 6 T 309/06.

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A. Überblick All dies lässt sich vermeiden, wenn das Gericht sich bei seiner Wertfestsetzung fragt – ob überhaupt eine Wertfestsetzung erforderlich ist – und wenn ja, in welchem Verfahren und nach welchen Vorschriften.

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Ebenso häufig werden Rechtsmittel zugelassen, die es gar nicht gibt

* Æ Beispiel: Im Verfahren einer Streitwertbeschwerde entscheidet das OLG und lässt wegen der besonderen Bedeutung der zugrunde liegenden Rechtsfrage die Rechtsbeschwerde zu.1 Das Beschwerdegericht hatte hier offensichtlich das Streitwertfestsetzungsverfahren mit dem Kostenfestsetzungsverfahren verwechselt. Während im Kostenfestsetzungsverfahren nach der ZPO die Rechtsbeschwerde gem. § 574 ZPO gegeben ist, sieht das GKG eine solche nicht vor und schließt darüber hinaus in § 68 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG eine Beschwerde an einen obersten Gerichthof des Bundes ausdrücklich aus.

2. Wertfestsetzung nach der ZPO 55

Zunächst einmal sieht die ZPO eine Wertfestsetzung für die Zuständigkeit des Gerichts und die Zulässigkeit eines Rechtsmittels vor (s. § 62 GKG). Gleiches gilt für die Wertfestsetzung betreffend die Verfahrensgestaltung nach § 15a EGZPO oder § 495a ZPO. Diese Wertfestsetzungen haben aber zunächst einmal nur prozessuale Bedeutung.

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Besondere Regelungen zum Wertfestsetzungsverfahren selbst enthält die ZPO – im Gegensatz zu den Kostengesetzen – allerdings nicht. 3. Wertfestsetzung nach dem FamFG

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Auch nach dem FamFG ist eine Wertfestsetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels möglich (s. § 54 FamGKG). Diese Festsetzung hat aber ebenfalls unmittelbar lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung. 4. Wertfestsetzung nach den Gerichtskostengesetzen

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Unabhängig von einer eventuell prozessual erforderlichen Wertfestsetzung sehen die Gerichtskostengesetze jeweils eigene Wertfestsetzungsverfahren vor, die im Wesentlichen jedoch gleich ablaufen.

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Soweit die Gerichtsgebühren nach dem GKG erhoben werden, richtet sich das Wertfestsetzungsverfahren nach den §§ 53 ff. GKG, die Beschwerde nach § 68 und die weitere Beschwerde nach § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 GKG.

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In Familiensachen richtet sich die Wertfestsetzung nach den §§ 55 ff. FamGKG, die Beschwerde nach § 59 FamGKG.

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In Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (außer Familiensachen), in denen sich die Kosten nach der KostO berechnen, richtet sich das Wertfestsetzungsverfahren nach § 31 Abs. 1 KostO, die Beschwerde nach § 31 Abs. 3 KostO und die weitere Beschwerde nach § 31 Abs. 4 Satz 6 i.V.m. § 14 Abs. 4 KostO.

1 So zuletzt KG, Beschl. v. 26.8.2010 – 8 W 38/10, AGS 2010, 550 = MDR 2010, 1493 = MietRB 2010, 325.

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Verfahrensrecht 5. Wertfestsetzung nach dem RVG Für die wertabhängigen Gebühren des Anwalts wiederum ist in § 33 RVG ein gesondertes Wertfestsetzungsverfahren vorgesehen. Dieses Festsetzungsverfahren ist gegenüber den Wertfestsetzungsverfahren für die Gerichtsgebühren subsidiär. Grundsätzlich richtet sich der Wert der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Wert, der für die Gerichtsgebühren gilt (§ 23 Abs. 1 RVG), sodass der Anwalt an den gerichtlichen Wertfestsetzungsverfahren beteiligt und an die dort festgesetzten Werte gebunden ist.

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Ist dies nicht der Fall, dann kommen für ihn und den Auftraggeber und ggf. auch für die Landeskasse und einen erstattungspflichtigen Dritten das besondere Wertfestsetzungsverfahren nach § 33 Abs. 1 RVG mit der Beschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG und der weiteren Beschwerde nach § 33 Abs. 6 RVG in Betracht.

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V. Kostenansatzverfahren Von den Verfahren auf Festsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgebenden Streit-, Verfahrens-, oder Geschäftswerts abzugrenzen ist das Kostenansatzverfahren. Während im Wertfestsetzungsverfahren nur der Wert für die Gerichtsgebühren bestimmt wird, ergibt sich im Kostenansatzverfahren, welche Gebühren daraus erhoben werden. Die vom Gericht getroffene Wertfestsetzung ist für das Kostenansatzverfahren bindend.

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Ergibt sich im Kostenansatzverfahren Streit über den zutreffenden Wert, dann muss das Ansatzverfahren ausgesetzt werden, bis über den Wert entschieden ist. Die Kostenansatzinstanzen sind nicht berechtigt, von einer gerichtlichen Wertfestsetzung abzuweichen.

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Angesetzt werden die Kosten jeweils von dem Gericht, bei dem sie angefallen sind, also die Kosten des ersten Rechtszugs, bei dem das Verfahren im ersten Rechtszug anhängig war (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GKG; § 18 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG; § 14 Abs. 1 Satz 1 KostO) und im Rechtsmittelverfahren von dem Rechtsmittelgericht (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG; § 18 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG; § 14 Abs. 1 Satz 2 KostO).

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Gegen den Kostenansatz kann nach § 66 Abs. 1 GKG, § 57 Abs. 1 FamGKG, § 14 Abs. 1 KostO Erinnerung eingelegt werden.

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Gegen die Entscheidung über die Erinnerung ist die Beschwerde nach § 66 Abs. 2 GKG, § 57 Abs. 2 FamGKG, § 14 Abs. 3 KostO gegeben, sofern der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht im Rahmen seiner Entscheidung über die Erinnerung die Beschwerde zugelassen hat.

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Hat das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden, ist in den Verfahren nach dem GKG und der KostO noch die weitere Beschwerde gegeben, wenn das Landgericht sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat (§ 66 Abs. 3 GKG; § 14 Abs. 5 KostO). In Familiensachen ist eine weitere Beschwerde nicht vorgesehen.

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Eine Rechtsbeschwerde ist nach allen Gerichtskostengesetzen ausgeschlossen.

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Wird nachträglich der Streit-, Verfahrens- oder Geschäftwert geändert, ist ein aufgrund der fehlerhaften Streitwertfestsetzung vorgenommener Kostenansatz

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B. Festsetzung des Zuständigkeits-, Bagatell- und Rechtsmittelstreitwerts zu korrigieren. Das Gericht kann dann ggf. weiter zu erhebende Gebühren nachfordern (§ 20 GKG). Insoweit zu Unrecht vereinnahmte Gebühren sind zurückzuzahlen.

B. Festsetzung des Zuständigkeits-, Bagatell- und Rechtsmittelstreitwerts I. Erforderlichkeit einer Wertermittlung 72

In verschiedenen Fällen knüpfen die Verfahrensordnungen von ZPO und FamFG an die Höhe des Streit- oder Verfahrenswerts an, sodass das Gericht schon aus verfahrensrechtlichen Gründen den Wert ermitteln muss.

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So richtet sich nach dem GVG die Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts in Zivilsachen nach der Höhe des Streitwerts, sofern keine besonderen Zuständigkeiten gegeben sind (§ 23 Nr. 1 GVG). Bei Streitwerten bis 5.000 Euro sind die Amtsgerichte zuständig. Bei höheren Streitwerten sind die Landgerichte zuständig.

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Nach § 495a ZPO kann das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert den Betrag von 600 Euro nicht übersteigt.

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Nach § 15a EGZPO können die Landesgesetzgeber ein obligatorisches Streitschlichtungsverfahren vorschreiben, wenn der Streitwert den Betrag von 750 Euro nicht übersteigt. Die hierzu ergangenen Ausführungsgesetze sehen teilweise auch geringere Streitwerte vor.

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Sowohl in Zivilsachen als auch in Familiensachen entscheidet der Streitwert in zahlreichen Fällen darüber, ob ein Rechtsmittel gegeben ist oder nicht. So ist nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Berufung grundsätzlich nur dann zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 600 Euro übersteigt. Gleiches gilt für die Beschwerde in vermögensrechtlichen Angelegenheiten nach § 58 FamFG (§ 61 FamFG).

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Für Beschwerden gegen Entscheidungen über die Kosten nach der ZPO sowie in Familienstreitsachen (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG) ist ein Wert des Beschwerdegegenstands von mehr als 200 Euro erforderlich (§ 567 Abs. 2 ZPO).

II. Festsetzung 78

Obwohl die ZPO und das FamFG ein gesondertes Wertfestsetzungsverfahren nicht vorsehen, ist es allgemein anerkannt, dass das Gericht eine Wertfestsetzung durch Beschluss aussprechen kann. Das Gesetz geht sogar selbst von dieser Möglichkeit aus (§ 62 GKG, § 54 FamGKG).

III. Anfechtbarkeit und Bindungswirkung 79

Besondere Bedeutung kommt einer solchen Zwischenentscheidung jedoch nicht zu. Nach OLG Karlsruhe1 hat eine solche Festsetzung lediglich den Charakter eines unverbindlichen Hinweises für die Parteien. 1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.5.2006 – 15 W 21/06, JurBüro 2007, 363 = OLGR 2007, 687.

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Verfahrensrecht Eine solche Wertfestsetzung ist daher auch nicht selbständig anfechtbar. Dies gilt unabhängig davon, ob die Wertfestsetzung – für die Zuständigkeit des Gerichts,1 – für die Zulässigkeit des Rechtsmittels, – für die Zulässigkeit eines Verfahrens nach § 495a ZPO2 oder – für die vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nach § 15a EGZPO erlassen worden ist.

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Eine gesonderte Anfechtung ist auch nicht erforderlich, weil insoweit keine prozessuale Bindungswirkung eintritt. Ist das Rechtsmittelgericht hinsichtlich des Streitwerts anderer Auffassung, dann kann es ohne Weiteres seine eigene Rechtsauffassung zugrunde legen und ist durch die vorherige Streitwertfestsetzung daran nicht gehindert (§ 512 ZPO).

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* Æ Beispiele: – Der Kläger klagt auf Herausgabe einer Garage (Monatsmiete 45 Euro). Die Klage wird abgewiesen. Hiergegen legt der Kläger Berufung ein. Das Berufungsgericht setzt den Streitwert für die Zulässigkeit des Berufungsverfahrens auf (12 6 45 Euro =) 540 Euro fest und verwirft die Berufung durch Beschluss als unzulässig. Hiergegen wird Rechtsbeschwerde erhoben. Der BGH ist an die Wertfestsetzung des Landgerichts nicht gebunden, sondern kann den Wert für die Zulässigkeit des Rechtsmittels abweichend beurteilten. Der Wert wäre hier zutreffend nach § 9 ZPO mit 42 6 45 Euro = 1.890 Euro zu bemessen gewesen, sodass der BGH die Entscheidung aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen hat.3 – Das Amtsgericht setzt den Streitwert auf 500 Euro fest und weist die Klage ab, weil ein erforderliches Schlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO nicht durchgeführt worden sei. Hiergegen wird Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht ist nicht an die amtsgerichtliche Wertfestsetzung gebunden. Soweit es einen höheren Wert annimmt, kann es die Entscheidung des Amtsgerichts aufheben und die Sache zurückverweisen oder, soweit entscheidungsreif, selbst entscheiden. Das Landgericht setzt den Streitwert des Verfahrens auf 4.000 Euro fest und weist die Klage als unzulässig ab. Hiergegen wird Berufung eingelegt. 1 OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.10.2006 – 1 W 49/06, AGS 2007, 200 = JurBüro 2007, 145 = MDR 2007, 422; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.5.2006 – 15 W 21/06, JurBüro 2007, 363 = OLGR 2007, 687; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.2.2004 – 5 W 108/04, AGS 2004, 160 = MDR 2004, 709 = OLGR 2004, 416 = NJW-RR 2004, 1222 = FamRZ 2006, 51; OLG Köln, Beschl. v. 17.2.2007 – 26 W 2/97, OLGR 1997, 150 = NJW-RR 1998, 279 = VersR 1998, 387; OLG Bremen, Beschl. v. 1.2.2007 – 2 W 80/06, OLGR 2007, 386; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.3.2003 – 1 W 10/03, AGS 2003, 550 = Justiz 2003, 447 = MDR 2003, 1071 = FamRZ 2003, 1848; OLG München, Beschl. v. 20.5.1998 – 26 W 1563/98, OLGR 1998, 241 = MDR 1998, 1242. 2 OLG Köln, Beschl. v. 12.8.2009 – 16 W 26/09, AGS 2009, 602 = WuM 2010, 96 = MDR 2010, 231 = NZM 2010, 472 = MietRB 2010, 110 u. 111; LG Dortmund 24.2.2006 – 2 T 1/06, NJW-RR 2006, 1222; LG Stuttgart, Beschl. v. 1.4.2008 – 10 T 125/08, NJW-RR 2008, 1167; LG München II, Beschl. v. 20.12.2007 – 6 T 6743/07; a.A. LG München I, Beschl. v. 20.2.2001 – 15 T 2842/01, MDR 2001, 713 = NJW-RR 2002, 425 = BauR 2002, 1609 (Anfechtung analog § 567 Abs. 1 ZPO). 3 S. dazu BGH, Beschl. v. 14.4.2004 – XII ZB 224/02, AGS 2004, 390 = WuM 2004, 353 = 2004, 460 = MDR 2004, 931 = MietRB 2004, 258; BGH, Beschl. v. 21.5.2003 – VIII ZB 10/03, AGS 2003, 489 = JurBüro 2004, 207 = AnwBl. 2003, 597 = NZM 2004, 617.

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B. Festsetzung des Zuständigkeits-, Bagatell- und Rechtsmittelstreitwerts Das Berufungsgericht ist an die Festsetzung des Landgerichts nicht gebunden. Es kann einen höheren Wert annehmen. Soweit die Sache entscheidungsreif ist, kann es selbst entscheiden.1 Im Übrigen ist die Sache zurückzuverweisen.

IV. Bindungswirkung für die Gerichtsgebühren 82

Nach § 62 GKG ist eine Streitwertfestsetzung für die Entscheidung über die Zuständigkeit des Prozessgerichts maßgebend, soweit die Wertvorschriften des jeweiligen Gerichtskostengesetzes nicht von den Wertvorschriften des Verfahrensrechts abweichen. Insoweit besteht also eine Bindungswirkung des Gebührenstreitwerts an die prozessuale Wertfestsetzung. Gleiches gilt, wenn das Rechtsmittelgericht den Wert für die Zulässigkeit des Rechtsmittelgerichts festsetzt (§ 62 GKG, § 54 FamGKG).

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Voraussetzung für die Bindung an die Festsetzung des Zuständigkeitsstreitwerts gem. § 62 Abs. 1 Satz 1 GKG ist, dass in der gerichtlichen Entscheidung auch ein Ausspruch über die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels ergeht. Ist ein solcher Ausspruch nicht erfolgt, hat der Beschluss lediglich Hinweisfunktion und kann vom Gericht jederzeit wieder aufgehoben oder abgeändert werden.2

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Die Frage, ob eine solche Bindungswirkung besteht, ist allerdings im Wertfestsetzungsverfahren nach dem jeweiligen Gerichtskostengesetz auszutragen, nicht im Hauptsacheverfahren.

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Besteht eine Bindungswirkung, dann ist nach dem jeweiligen GKG eine gesonderte Wertfestsetzung unzulässig (vgl. § 63 Abs. 2 GKG). Die prozessual getroffene Wertfestsetzung ist aber auch nicht anfechtbar.

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Besteht keine Bindungswirkung, dann muss der Gebührenwert gesondert festgesetzt werden.

* Æ Beispiele: – Das Landgericht setzt den Streitwert des Verfahrens auf Unterlassung beleidigender Äußerungen zur Bestimmung seiner sachlichen Zuständigkeit nach § 3 ZPO auf 6.000 Euro fest. Diese Entscheidung ist nach § 62 GKG bindend, da sich auch der Wert für die Gerichtsgebühren nach § 3 ZPO bemisst (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG). Eine gesonderte oder gar abweichende Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG ist unzulässig (§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG). – Das Landgericht setzt den Streitwert für die Zulässigkeit der Berufung in einem Räumungsrechtsstreit nach §§ 3, 6, 9 ZPO (auf 42 6 400 Euro =) 16.800 Euro fest. Diese Entscheidung ist nicht nach § 62 GKG bindend, da sich der Wert für die Gerichtsgebühren abweichend nach § 41 GKG bemisst. Daher ist hier eine gesonderte Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG erforderlich.

V. Eingeschränkte Bindungswirkung bei Verweisung 87

Eine eingeschränkte Bindungswirkung besteht im Falle einer Verweisung. Die Bindungswirkung der Streitwertfestsetzung besteht hier allerdings nur in 1 So OLG Koblenz, Beschl. v. 27.7.2010 – 5 U 505/10, AGS 2010, 554 = ErbR 2011, 17 u. 26 = NJW-Spezial 2010, 701 = ZfIR 2010, 867 = JurBüro 2011, 30. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 28.2.2005 – 3 W 84/05, OLGR 2005, 602.

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Verfahrensrecht Höhe des Grenzwerts für die Zuständigkeit des erkennenden Eingangsgerichts.1 Hat das Amtsgericht den Streitwert für die Zuständigkeit auf einen Betrag über 5.000 Euro festgesetzt und anschließend den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das Landgericht verwiesen oder hat das Landgericht den Streitwert auf einen Betrag von unter 5.000,01 Euro festgesetzt und die Sache an das Amtsgericht verwiesen, dann ist diese Wertfestsetzung gem. §§ 62 Satz 1, 63 Abs. 2 GKG für die Berechnung der Gebühren nicht maßgeblich und bindend.

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Soweit nur ein Verweisungsbeschluss ergeht, fehlt es bereits an einem Wertfestsetzungsbeschluss nach § 62 GKG, da die Bewertung des Streitgegenstands nur der Begründung der Verweisung dient und keinen selbständigen Ausspruch beinhaltet. Hatte das verweisende Gericht darüber hinaus vor der Verweisung eine bezifferte Wertfestsetzung durch gesonderten Beschluss vorgenommen, ist diese nicht bindend, weil nach § 62 GKG nur eine Festsetzung des zuständigen Prozessgerichts bindet, also in diesem Fall des Empfangsgerichts.

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Die Bindungswirkung besteht allerdings in Höhe des Grenzwertes für die Zuständigkeit.2 Es sollen widersprechende Streitwertfestsetzungen vermieden werden, wenn und soweit die Streitwertfestsetzung für die Zuständigkeit des Gerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels einerseits und für die Gebührenberechnung andererseits nach denselben Vorschriften zu erfolgen hat. Dadurch soll verhindert werden, dass in derselben Angelegenheit Gebühren nach einem höheren oder auch niedrigeren Wert als dem für die Zuständigkeit bzw. Zulässigkeit des Rechtsmittels maßgeblich erachteten Streitwerts berechnet werden.3 Ein Amtsgericht darf daher nach einer streitwertbezogenen Verweisung nicht über 5.000 Euro festsetzen und ein Landgericht nicht unter 5.000,01 Euro.

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* Æ Beispiele: – Das Amtsgericht setzt den Streitwert auf 8.000 Euro fest und verweist die Sache an das Landgericht. Das Landgericht ist der Auffassung, der Gebührenstreitwert betrage nur 4.000 Euro. Das Landgericht darf jetzt nicht den Wert auf 4.000 Euro festsetzen, da dies der Bindungswirkung der Verweisung widersprechen würde. Es ist andererseits auch nicht an den Wert von 8.000 Euro gebunden, sondern kann niedriger festsetzen. Den Wert von 5.000,01 Euro darf es jedoch nicht unterschreiten. – Das Landgericht setzt den Streitwert auf 4.000 Euro fest und verweist die Sache an das Amtsgericht. Das Amtsgericht ist der Auffassung, der Streitwert betrage 8.000 Euro. Das Amtsgericht darf jetzt nicht den Wert auf 8.000 Euro festsetzen, da dies wiederum der Bindungswirkung der Verweisung widersprechen würde. Es ist andererseits aber auch nicht an den Wert von 4.000 Euro gebunden, sondern kann höher festsetzen. Den Wert von 5.000 Euro darf es jedoch nicht überschreiten.

Unbenommen bleibt es einem Amtsgericht allerdings, einen höheren Wert festzusetzen, wenn der Streitgegenstand nachträglich erweitert wird. 1 OLG Köln, Beschl. v. 26.2.2009 – 2 W 16/09 u. 2 W 17/09, AGS 2009, 244 = OLGR 2009, 680 = ErbR 2009, 264 = JurBüro 2009, 314. 2 OLG Köln, Beschl. v. 21.6.1999 – 12 W 26/99, OLGR 2000, 78; OLG Dresden, Beschl. v. 26.10.2007 – 8 W 1224/07, MDR 2008, 50; OLG Koblenz, Beschl. v. 28.2.2005 – 3 W 84/05, OLGR 2005, 602. 3 OLG Köln, Beschl. v. 21.6.1999 – 12 W 26/99, OLGR 2000, 78.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG I. Überblick 1. Grundsatz 92

Nach § 3 Abs. 1 GKG berechnen sich die Gerichtsgebühren in Zivilsachen grundsätzlich nach dem Wert des Streitgegenstands, dem Streitwert bzw. im Falle eines gerichtlichen Vergleichs über nicht anhängige Gegenstände nach dem Vergleichsmehrwert (Nr. 1900 KV GKG), soweit nichts anderes bestimmt ist.

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Diese Werte hat das Gericht nach § 63 GKG von Amts wegen festzusetzen, damit die hiernach zu berechnenden Gerichtsgebühren angesetzt werden können.

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Die gerichtliche Wertfestsetzung gilt grundsätzlich auch für die Anwaltsgebühren (§ 32 Abs. 1 RVG) und zwar sowohl für den Anwalt, als auch für dessen Auftraggeber (bzw. im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Landes- oder Bundeskasse) sowie für eine erstattungspflichtige Partei.

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Zur Bindungswirkung gegenüber einem Rechtsschutzversicherer oder einem sonstigen Dritten s. Rn. 872.

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Soweit die gerichtliche Wertfestsetzung ausnahmsweise für die Anwaltsgebühren nicht bindend ist, weil sich die Anwaltsgebühren abweichend davon nach einem anderen Wert berechnen, ist insoweit ein Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG auf Festsetzung des Gegenstandswertes zu stellen (s. Rn. 654 ff.). 2. Ausnahmen

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Abweichend von dem Grundsatz des § 3 Abs. 1 GKG gibt es Verfahren, in denen keine Gerichtsgebühren erhoben werden, die also gebührenfrei sind, wie z.B. das Verfahren über die Prozesskostenhilfe einschließlich des Abschlusses eines Mehrvergleichs (Anm. zu Nr. 1900 KV GKG) oder ein Verfahren über die Bewilligung einer Räumungsfrist nach den §§ 721, 794a ZPO. Gebührenfrei sind auch das Streitwertfestsetzungsverfahren einschließlich der Beschwerde und der weiteren Beschwerde (§ 68 Abs. 3 GKG), das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG (§ 11 Abs. 2 Satz 4 RVG) – mit Ausnahme der Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren (§ 1 Abs. 4 GKG). Eine Wertfestsetzung nach § 63 GKG kommt in solchen Verfahren daher nicht in Betracht.

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Anderweitige Bestimmungen i.S. des § 3 Abs. 1 GKG, also Regelungen, nach denen sich die Gerichtsgebühren nicht nach dem Streitwert berechnen sieht das GKG in mehreren Fällen vor. Es werden dann Festgebühren an Stelle der Wertgebühren erhoben. Solche Festgebühren sind vorgesehen – für die Rechtsbeschwerde in Verfahren des gewerblichen Rechtsschutzes (Nrn. 1255, 1256 KV GKG), – für Verfahren auf Vorbereitung der grenzüberschreitenden Zwangsvollstreckung (Nrn. 1510 ff. KV GKG), – für Verfahren der Beschwerde, der weiteren Beschwerde oder der Rechtsbeschwerde (Nrn. 1810 ff. KV GKG), ausgenommen Beschwerden in Arrestund einstweiligen Verfügungsverfahren (Nrn. 1430, 1431 KV GKG) und bestimmten Beschwerden in Vollstreckungssachen, 16

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Verfahrensrecht – zum Teil in der Zwangsvollstreckung nach der ZPO, Insolvenzverfahren und ähnlichen Verfahren (Teil 2 KV GKG; Nrn. 2110 ff. KV GKG), – in isolierten Verfahren über eine Gehörsrüge nach § 321a ZPO, § 4 InSO oder § 3 Abs. 1 Satz 1 SVertO (Nr. 2500 KV GKG). Auch in diesem Verfahren ist eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 63 GKG nicht zulässig, da die Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht gegeben sind. Eine Wertfestsetzung wäre davon abgesehen auch unsinnig, da sich nach den festgesetzten Werten keine Gerichtsgebühren berechnen würden.

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Soweit das Kostenverzeichnis des GKG keine Gebühren oder Festgebühren vorsieht, ist in den entsprechenden Verfahren zwar für den Anwalt nach dem Wert, nämlich dem Gegenstandswert (§ 2 Abs. 1 RVG) abzurechnen. Dies rechtfertigt jedoch keine gerichtliche Wertfestsetzung. Vielmehr darf das Gericht hier nur auf Antrag eines nach § 33 Abs. 1 RVG Antragsberechtigten eine Wertfestsetzung vornehmen. Das Verfahren nach § 33 RVG folgt anderen Regelungen (s. Rn. 872 ff.).

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II. Erforderlichkeit der Festsetzung Voraussetzung für eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 63 GKG ist, – dass überhaupt Gerichtsgebühren nach dem Kostenverzeichnis des GKG erhoben werden und – dass sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Streitwert oder dem – im Gesetz erstaunlicherweise nicht geregelten – Vergleichs-(Mehr-)Wert richten.

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Das Gericht muss daher vor einer amtswegigen Festsetzung stets prüfen, ob überhaupt Gerichtsgebühren angefallen sind und ob sich diese nach dem Streitwert richten. – Ist dies der Fall, dann muss grundsätzlich eine Wertfestsetzung nach § 63 GKG vorgenommen werden. – Ist dies nicht der Fall, dann darf das Gericht keinen Wert von Amts wegen nach § 63 GKG festsetzen. Eine Wertfestsetzung kommt dann allenfalls in Verfahren nach § 33 RVG (s. Rn. 872 ff.) in Betracht.

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Soweit häufig angeführt wird, auch wenn sich die Gerichtsgebühren nicht nach dem Wert richten, müsse doch vom Gericht für die Anwaltsgebühren ein Wert nach § 63 GKG festgesetzt werden, so ist dies unzutreffend. Die Vorschrift des § 63 GKG betrifft nur die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren. Soweit keine wertabhängigen Gerichtsgebühren anfallen, wohl aber wertabhängige Anwaltsgebühren, ist hierfür das gesonderte Verfahren nach § 33 RVG vorgesehen, für das in entscheidenden Punkten ein abweichendes Verfahrensrecht gilt. S. dazu Rn. 872 ff.

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Eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 63 GKG hat daher insbesondere in Prozesskostenhilfeverfahren und in Erinnerungsverfahren zu unterbleiben, da hier gar keine Gerichtsgebühren erhoben werden, sowie in Beschwerdeverfahren und in Vollstreckungsverfahren, soweit hier Festgebühren anfallen.

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Eine dennoch nach § 63 GKG getroffene Festsetzung ist gegenstandslos. – Eine Bindungswirkung nach § 32 Abs. 1 RVG tritt nicht ein, da es keine wertabhängigen Gerichtsgebühren gibt und folglich auch keinen für diese maßgebenden Wert.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

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– Eine Bindungswirkung nach § 33 RVG scheidet aus, da eine von Amts wegen vorgenommene Wertfestsetzung gar nicht erkennen lässt, in welchem Verhältnis die Wertfestsetzung gelten soll und es zudem an dem erforderlichen Antrag fehlt. Da viele Gerichte diese Zusammenhänge nicht erkennen, sollte vorsorglich auch eine zu Unrecht ergangene Wertfestsetzung nach § 63 GKG geprüft werden. Ggf. sollte deren Aufhebung beantragt werden, damit sich im Folgenden nicht auch nur der Anschein einer Bindungswirkung ergibt.

III. Wertangabe bei Einreichung der Klage oder eines sonstigen Antrags 107

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Nach § 61 Satz 1 GKG ist bei Einreichung einer Klage oder eines anderweitigen verfahrenseinleitenden oder -erweiternden Antrags, der Gerichtsgebühren auslöst, grundsätzlich der Streitwert anzugeben. Einer Angabe des Wertes bedarf es nicht, wenn – dieser in einer bestimmten Geldsumme besteht, – im GKG ein fester Wert bestimmt ist oder – der Wert sich aus früheren Anträgen ergibt. Bei Klagen oder Anträgen, die auf Zahlung einer Geldsumme lauten, bedarf es keiner Wertfestsetzung. Diese Variante betrifft insbesondere Zahlungsklagen, Anträge im Mahnverfahren, Klagen auf Freistellung, Vollstreckungsabwehrklagen etc. Ausreichend ist jegliche Geldforderung. Sie muss nicht auf Euro lauten (arg. e. § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG). Feste Streitwerte sind im GKG nicht vorgesehen. Eine Entbindung des Gerichts von der Streitwertfestsetzung nach dieser Variante kommt daher nach der derzeitigen Fassung des GKG nicht in Betracht. Das GKG kennt in Zivilsachen – entgegen häufiger Festsetzungen – auch keine Regelwerte. Der frühere Regelwert für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten (§ 14 GKG a.F.) ist schon seit langem abgeschafft.

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Dagegen kann es in Zivilsachen häufiger vorkommen, dass sich der Streitwert eines Antrags aus vorherigen Anträgen ergibt. Ein solcher Fall wird insbesondere im Rechtsmittelverfahren häufig gegeben sein, wenn auf die erstinstanzliche Wertfestsetzung zurückgegriffen werden kann. Des Weiteren ist ein solcher Fall gegeben, wenn im Verlaufe des Verfahrens Anträge zurückgenommen worden sind, dann aber später erneut gestellt werden. Erforderlich ist, dass der Antrag bereits in demselben Verfahren gestellt worden war. Dass ein Antrag in einem anderen Verfahren bereits gestellt und dort bewertet worden war, entbindet das Gericht nicht, in dem neuen Verfahren eine erneute Wertfestsetzung vorzunehmen.

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Die Angabe des Streitwerts hat insbesondere dann Bedeutung, wenn das Gericht ohne nähere Angaben nicht in der Lage ist, den zutreffenden Streitwert zu ermitteln. Daher sollte z.B. bei Klagen auf Herausgabe von Gegenständen Angaben zu deren Verkehrswert gemacht werden.

* Æ Beispiel: Der Kläger erhebt Klage auf Herausgabe eines PKW. Ohne nähere Angaben zum Wert des Fahrzeugs kann das Gericht den Wert nicht bestimmen. Hier sind nähere Angaben daher erforderlich.

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Verfahrensrecht Wird Räumung verlangt, sind Angaben zum Mietwert erforderlich, da anderenfalls der Räumungsstreitwert nach § 41 Abs. 1, 2 GKG nicht berechnet werden kann. Wird die Durchführung von Instandsetzungsarbeiten einer Mietwohnung oder wird die Duldung von Instandsetzungs- oder Modernisierungsarbeiten verlangt, sind Angaben zur Miethöhe und zur potentiellen Minderung bzw. Mieterhöhung erforderlich, da anderenfalls nach § 41 Abs. 5 GKG der Jahreswert nicht berechnet werden kann.

* Æ Beispiele: Der Vermieter klagt nach Kündigung wegen Eigenbedarfs auf Räumung einer Wohnung. Der Mieter verlangt Instandsetzungsmaßnahmen. In beiden Fällen richtet sich der Streitwert nach der Miete. Im Falle der Räumung gilt der Jahreswert (§ 41 Abs. 2 GKG); im Falle der Instandsetzung der Jahreswert einer möglichen Minderung (§ 41 Abs. 5 Satz 1). Ohne Angabe der Kaltmiete (s. § 41 Abs. 1 Satz 2 GKG) ist eine Streitwertfestsetzung nicht möglich.

Bei Auskunftsklagen sind Angaben zur Höhe des voraussichtlichen Hauptsacheanspruchs zu machen, da auch hier anderenfalls keine zuverlässige Wertfestsetzung möglich ist.

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* Æ Beispiel: Der pflichtteilsberechtigte Abkömmling klagt gegen den Erben auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Auch wenn es für die Schlüssigkeit der Klage nicht erforderlich ist, die Pflichtteilsquote anzugeben, muss diese mitgeteilt werden, da sich der Wert des Auskunftsanspruchs nach der Quote des zu erwartenden Pflichtteils berechnet. Darüber hinaus sind nähere Angaben zum ungefähren oder erwarteten Umfang des Nachlasses zu machen. Anderenfalls ist eine Bewertung nicht möglich.

Werden unbezifferte Schmerzensgeldanträge gestellt, sollte gleichwohl eine ungefähre Größenordnung angegeben werden, damit der Streitwert richtig festgesetzt werden kann.

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Bei Stufenklagen auf Auskunft oder Rechnungslegung, verbunden mit einem unbezifferten Leistungsantrag, sollte der zu erwartende Leistungsanspruch in ungefährer Größenordnung angegeben werden, da sich bei einer Stufenklage gem. § 44 GKG der Wert nach der höherwertigen Leistungsstufe bemisst, auch wenn diese noch nicht beziffert ist.1

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* Æ Beispiel: Der pflichtteilsberechtigte Abkömmling klagt gegen den Erben im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Zahlung eines noch zu beziffernden Betrages. Auch hier werden Angaben zur Pflichtteilsquote und zur Höhe des zu erwartenden Pflichtteils benötigt, das sich der Streitwert gem. § 44 GKG nach dem höheren Anspruch, hier also nach dem Leistungsanspruch, richtet.

Bei nichtvermögensrechtlichen Ansprüchen (z.B. Unterlassung, Widerruf), sollten bereits in der Klageschrift Angaben zu den Wert bildenden Faktoren gemacht werden, damit das Gericht von Vornherein zutreffend festsetzen kann.

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Nach Aufforderung des Gerichts ist auch der Wert eines Teils des Verfahrensgegenstands anzugeben.

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Die Angaben sind schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären. In der Regel bietet es sich an, die Ausführungen zum Streitwert in die

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1 S. das Stichwort „Stufenklage“ Rn. 5029 ff.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG Klageschrift mit aufzunehmen. Es sollte dann unmittelbar im Anschluss an den Klageantrag der Wert angegeben werden und in der Klagebegründung erläutert werden.

Muster: Antrag ... In der mündlichen Verhandlung werden wir beantragen, den Beklagten zu verurteilen, in der Wohnung ... die Fenster im Wohnzimmer instand zu setzen, sodass sie luftdicht abschließen. Streitwert: 720,00 Euro (12 6 60,00 Euro) ... Der Streitwert beläuft sich auf 900 Euro. Maßgebend ist bei einem Anspruch auf Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen gem. § 41 Abs. 5 GKG der Jahresbetrag der möglichen Minderung, die sich ergibt, wenn die Instandhaltungsmaßnahmen nicht durchgeführt werden. Hier wäre wegen der Undichtigkeit der Fenster eine Minderung i.H.v. 10 % angemessen. Ausgehend von einer monatlichen Kaltmiete i.H.v. 600 Euro ergibt sich damit ein monatlicher Minderungsbetrag i.H.v. 60 Euro und somit ein Jahresbetrag i.H.v. 720 Euro. 120

Die Wertangabe kann vom Kläger oder einem anderweitigen Antragsteller jederzeit berichtigt werden (§ 61 Satz 2 GKG).

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Bei der Pflicht zur Angabe des Streitwerts handelt es sich lediglich um eine Ordnungsvorschrift. Unmittelbare Sanktionen sind an die Verletzung der Obliegenheit zur Wertangabe nicht geknüpft.

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Mittelbar können sich allerdings Nachteile ergeben, wenn sich das Gericht infolge der unterlassenen Wertangabe veranlasst sieht, ein Sachverständigengutachten einzuholen (§ 64 Satz 2 GKG) oder wenn es nach § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG einen zu hohen Wert ansetzt und den Antragsteller damit ggf. zu einer Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung nach § 67 GKG (s. Rn. 157) zwingt, die für ihn nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG i.V.m. Nr. 3500 VV RVG Anwaltsgebühren auslöst (s. Rn. 371 ff.).

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Die Wertangabe in der Klage- oder Antragsschrift bindet das Gericht nicht. Sie ist lediglich eine Entscheidungshilfe bei der Festsetzung des vorläufigen Wertes. Das Gericht kann den Wert daher auch abweichend von der Wertangabe des Klägers oder Antragstellers festsetzen.

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Mittelbar nimmt die Rechtsprechung allerdings überwiegend insoweit eine Bindungswirkung an, als der Kläger oder Antragsteller nach einem ungünstigen Ausgang des Verfahrens eine geringere Wertfestsetzung begehrt. So kommt es nicht selten vor, dass der Kläger nach Abweisung der Klage eine Herabsetzung des Streitwertes beantragt, um die zu zahlenden Gerichtskosten und die Kostenerstattung zu verringern. Zwar ist das Gericht bei der endgültigen Wertfestsetzung nicht an die Angaben des Klägers und auch nicht an eine darauf fußende vorläufige Wertfestsetzung gebunden. Die Rechtsprechung misst der Wertangabe nach § 61 GKG jedoch eine maßgebliche Indizwirkung zu, sodass der Kläger ohne weiteres nicht von seiner ursprünglichen Wertan20

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N. Schneider

Verfahrensrecht gabe wegkommt, wenn er nicht sachliche Gründe für eine abweichende Wertfestsetzung vorbringen kann. Ebenso verfährt die Rechtsprechung bei einer Heraufsetzungsbeschwerde des Anwalts der erfolgreichen Partei. Dabei übersieht sie jedoch, dass nicht der Anwalt die Wertangaben nach § 61 GKG abgibt, sondern seine Partei. Der Anwalt muss die Angaben vortragen, die ihm seine Partei an die Hand gibt. Er hat auch keine Möglichkeit, eine vorläufige Wertfestsetzung korrigieren zu lassen. Weder ist eine Beschwerde nach § 32 Abs. 2 RVG i.V.m. § 68 GKG gegen die vorläufige Wertfestsetzung zulässig (s. unten Rn. 157 ff.), noch besteht die Möglichkeit der Beschwerde nach § 67 GKG, da diese nur auf Herabsetzung gehen kann. Der Anwalt muss vielmehr sehenden Auges zunächst eine falsche Wertangabe seiner Partei hinnehmen und hat erst nach Beendigung des Verfahrens die Möglichkeit, diese mit der Beschwerde anzugreifen.

125

IV. Abschätzung durch Sachverständigen Das Gericht kann den Verfahrenswert nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO durch einen Sachverständigen abschätzen lassen, wenn dies erforderlich ist, wenn also das Gericht weder aus eigener Sachkunde noch unter Mithilfe der Parteien in der Lage ist, den zutreffenden Wert zu ermitteln.

126

Die Sachverständigenschätzung ist von Amts wegen einzuholen. Eines Antrags der Parteien bedarf es nicht. Die Anordnung ergeht durch Beschluss.

127

Die Kosten des Sachverständigen trägt grundsätzlich die Staatskasse, da die Schätzung in ihrem Interesse erfolgt.

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Nur ausnahmsweise können die Kosten der Sachverständigenschätzung ganz oder teilweise einer Partei auferlegt werden, nämlich dann, wenn die Abschätzung erforderlich ist, weil die Partei die ihr nach § 63 GKG obliegende Wertangabe unterlassen hat, einen unrichtigen Wert angegeben hat oder durch ein unbegründetes Bestreiten des angegebenen Wertes oder durch eine unbegründete Beschwerde eine solche Wertfestsetzung schuldhaft veranlasst hat (§ 64 Satz 2 GKG).

129

Die Partei muss sich ein Verschulden ihres Anwalts zurechnen lassen. Auch in diesem Fall trifft die Kostenlast allerdings die Partei, nicht den Anwalt.

130

Die Entscheidung über die Kosten der Sachverständigenschätzung hat nach § 64 Satz 1 GKG in dem Beschluss zu erfolgen, mit dem der Wert festgesetzt wird. Ist dies unterblieben, kann ggf. ein Berichtigungs- oder Ergänzungsbeschluss ergehen.

131

Die Kostenentscheidung ist nach § 68 GKG anfechtbar. Soweit Mayer1 und Hartmann2 der Auffassung sind, die Anfechtung könne gem. § 99 ZPO nur zusammen mit der Hauptsache erfolgen, ist dies unzutreffend, weil es sich bei dem Wertfestsetzungsverfahren nicht um ein Verfahren nach der ZPO handelt, sondern nach dem GKG, das eigenständige Verfahrensvorschriften enthält und einen Ausschluss der isolierten Anfechtung einer Kostenentscheidung nicht vorsieht.

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1 Gerold/Schmidt/Mayer, § 32 Rn. 111. 2 Hartmann, KostG, § 64 GKG Rn. 18.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG 133

Soweit sich die Partei nur gegen die Höhe der Kosten wehren will, ist die Erinnerung und die Beschwerde gegen den Kostenansatz nach § 66 GKG gegeben.

V. Vorläufige Wertfestsetzung 1. Erforderlichkeit einer vorläufigen Wertfestsetzung a) Überblick 134

Nach Eingang der Klage oder eines sonstigen Antrags hat das Gericht den Streitwert vorläufig festzusetzen (§ 63 Abs. 1 Satz 1 GKG), sofern wertabhängige Gerichtsgebühren mit Einreichung des Klageantrags oder eines sonstigen Antrags fällig werden.

135

Sinn und Zweck der vorläufigen Festsetzung ist es, dem Kostenbeamten einen Wert vorzugeben, damit hiernach die Gerichtsgebühren erhoben werden können. Daher ist eine vorläufige Wertfestsetzung unzulässig, jedenfalls bedeutungslos, wenn keine Gebühren erhoben werden. Gleiches gilt, wenn die Gebühren noch nicht fällig sind, da sich bis zur Fälligkeit noch Veränderungen ergeben können. Werden wertabhängige Gerichtsgebühren nicht bereits mit Einreichung fällig, dann ist erst bei späterer Fälligkeit festzusetzen.

136

Eine vorläufige Wertfestsetzung ist entbehrlich, wenn Gegenstand des Verfahrens eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder wenn das Gesetz einen Regel- oder Festwert vorsieht, was aber im GKG nicht der Fall ist.

137

Wie der Name bereits sagt, ist der Wert nur vorläufig festzusetzen. Daher hat eine vorläufige Wertfestsetzung nur eine eingeschränkte Bindungswirkung (s. Rn. 123 f., 155). Das Gericht muss daher später noch eine endgültige Wertfestsetzung treffen, selbst wenn sich der Wert nicht ändert.

138

Eine Anhörung der Beteiligten ist nicht erforderlich, da es sich nur um eine vorläufige Festsetzung handelt und die Beteiligten insoweit grundsätzlich nicht in ihren Rechten betroffen sind. Abgesehen davon kann nach § 63 Abs. 3 GKG Gegenvorstellung (s. Rn. 156) oder nach § 67 GKG (s. Rn. 157) Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung erhoben werden.

139

Die vorläufige Wertfestsetzung ist unanfechtbar (s. Rn. 153). Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Wertes können nur im Beschwerdeverfahren nach § 67 GKG (s. Rn. 157) erhoben werden (§ 63 Abs. 1 Satz 2 GKG). Ansonsten sieht das GKG nur eine Anfechtung der endgültigen Wertfestsetzung vor (§ 68 GKG).

140

Möglich ist allerdings eine Gegenvorstellung gegen die vorläufige Wertfestsetzung. Das Gericht ist von Amts wegen verpflichtet, den Streitwert zutreffend festzusetzen (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG). Dies gilt auch für eine vorläufige Wertfestsetzung. Das Gericht ist daher verpflichtet, auf eine begründete Gegenvorstellung den Wert abzuändern, zumal die Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG zu diesem Zeitpunkt nie abgelaufen sein kann. b) Vorläufige Festsetzung bei Antragseinreichung

141

Eine vorläufige Wertfestsetzung setzt die Fälligkeit der Gerichtsgebühr voraus. Diese wiederum ergibt sich aus den §§ 6 bis 9 GKG. Danach gilt Folgendes: 22

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Verfahrensrecht – In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Insolvenzverfahren, in schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren und in Rechtsmittelverfahren des gewerblichen Rechtsschutzes wird die Verfahrensgebühr § 6 Abs. 1 GKG mit der Einreichung der Klage-, der Widerklage, der Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig. Daher muss in diesen Fällen ein Wert vorläufig festgesetzt werden. – In sonstigen Verfahren tritt die Fälligkeit erst unter den Voraussetzungen des § 9 GKG ein, sodass eine vorläufige Wertfestsetzung mit Einreichung des Antrags nicht in Betracht kommt. Im Rechtsmittelverfahren tritt zwar die Fälligkeit der Gebühr nach dem Gesetz bereits mit Einreichung des Rechtsmittels ein. Hier kommt eine Wertfestsetzung aber erst dann in Betracht, wenn die Rechtsmittelanträge gestellt worden sind oder das Rechtsmittel zurückgenommen worden ist, da vorher eine Ermittlung und Festsetzung des Wertes gar nicht möglich ist (s. § 47 Abs. 1 GKG).

142

Ob eine Vorauszahlungspflicht besteht, ist für eine vorläufige Festsetzung nicht entscheidend. Es kommt nur auf die Fälligkeit an. Daher ist auch im selbständigen Beweisverfahren eine vorläufige Wertfestsetzung erforderlich, da die Gebühr der Nr. 1610 KV GKG mit Antragseinreichung nach § 6 GKG sofort fällig wird, auch wenn keine Vorauszahlungspflicht besteht.

143

c) Vorläufige Festsetzung bei Fälligkeitseintritt vor Abschluss des Verfahrens Eine vorläufige Festsetzung ist abgesehen von den Fällen der sofortigen Fälligkeit (Rn. 141 ff.) geboten, wenn im Verlaufe des Verfahrens Fälligkeit eintritt (§ 9 GKG). Auch in den Verfahren, in denen die Gerichtsgebühren nicht bereits mit Antragstellung fällig werden, kann sich eine Fälligkeit vor Beendigung des Verfahrens ergeben, nämlich dann, wenn das Verfahren – sechs Monate ruht, – sechs Monate nicht betrieben worden ist, – sechs Monate unterbrochen war, – sechs Monate ausgesetzt war.

144

In diesen Fällen ist das Verfahren noch nicht erledigt, sodass eine endgültige Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG ausscheidet. Möglich ist in diesen Fällen daher nur eine vorläufige Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 1 GKG.

145

Keine Fälligkeit tritt ein bei Teilentscheidungen, da diese keine abschließende Kostenentscheidung enthalten und auch nicht das Verfahren insgesamt beenden oder erledigen.

146

2. Entbehrlichkeit der vorläufigen Festsetzung Eine vorläufige Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, wenn Gegenstand des Verfahrens – eine bestimmte Geldsumme in Euro ist (s. Rn. 109) oder – wenn das Gesetz einen Fest- oder Regelwert (s. Rn. 111) vorsieht. Grund hierfür ist, dass in diesen Fällen der Kostenbeamte die fällige Gebühr ohne Weiteres selbst berechnen und anfordern kann. N. Schneider

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG 148

Auch wenn eine vorläufige Wertfestsetzung in diesen Fällen entbehrlich ist, kann das Gericht dennoch vorläufig einen Wert festsetzen. Das wiederum ist dann geboten, wenn sich bei Zahlungsansprüchen Bewertungsschwierigkeiten ergeben, etwa wenn die Zusammensetzung der Geldforderung im Hinblick auf § 43 Abs. 1 GKG nicht ohne weiteres ersichtlich ist oder wenn verschiedene Anträge oder Widerklageanträge gestellt werden und die Frage der Zusammenrechnung unklar ist. 3. Verfahren

149

Das Gericht setzt den vorläufigen Wert durch Beschluss fest (§ 63 Abs. 1 Satz 1 GKG).

150

Zuständig für die vorläufige Wertfestsetzung ist der Richter, bzw. das Kollegium, das im Zeitpunkt der vorläufigen Wertfestsetzung in der Sache zuständig ist.

151

Die vorläufige Wertfestsetzung findet ohne Anhörung der Beteiligten statt (§ 63 Abs. 1 Satz 1 GKG). Das ist nicht zu beanstanden, denn der Kläger bzw. der Antragsteller, den die Zahlungspflicht zunächst trifft (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GKG), hat die Möglichkeit, im Rahmen seines Antrags (s. § 61 GKG) zum vorläufigen Streitwert Stellung zu nehmen. Abgesehen davon kann auch die vorläufige Wertfestsetzung jederzeit abgeändert werden (§ 63 Abs. 3 GKG). Zudem besteht die Möglichkeit der Beschwerde gegen die Vorauszahlungsanordnung nach § 67 GKG, sodass der Kläger bzw. der Antragsteller hinreichend geschützt ist.

152

Der Beschluss kann formlos mitgeteilt werden. Eine Zustellung ist nicht erforderlich. 4. Unanfechtbarkeit

153

Die vorläufige Wertfestsetzung ist unanfechtbar.1 Die Beschwerde nach § 68 GKG ist nur gegen die endgültige Wertfestsetzung gegeben.

154

Einwendungen gegen die Höhe eines vorläufig festgesetzten Wertes können daher nur im Beschwerdeverfahren nach § 67 GKG (s. Rn. 157) geltend gemacht werden (§ 63 Abs. 1 Satz 2 GKG). Ansonsten sieht das GKG nur eine Anfechtung der endgültigen Wertfestsetzung vor (§ 68 GKG).

155

Die vorläufige Wertfestsetzung ist auch für den Anwalt über § 32 Abs. 2 RVG nicht anfechtbar.2 Dies ist auch zutreffend, weil durch eine vorläufige Wertfestsetzung für ihn keine Beschwer eintritt. Eine Abrechnung der Anwaltsgebühren ist zu diesem Zeitpunkt mangels Fälligkeit noch nicht möglich (s. §§ 8, 10 RVG). Hinsichtlich einer Vorschussanforderung (§ 9 RVG) wiederum ist der Anwalt aber an eine vorläufige Wertfestsetzung nicht gebunden. Er kann auch Vorschüsse nach einem voraussichtlich höheren Wert anfordern.3 1 OLG Jena, Beschl. v. 5.7.2010 – 4 W 277/10, MDR 2010, 1211; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.7.2009 – 10 W 59/09, AGS 2009, 455 = JurBüro 2009, 542; OVG Münster, Beschl. v. 27.8.2008 – 16 E 1126/08. 2 OLG Köln, Beschl. v. 28.8.2008 – 5 W 36/08, OLGR 2009, 26; OLG Koblenz, Beschl. v. 3.4.2008 – 10 W 166/08, MDR 2008, 1368 = NJW-RR 2009, 499; OLG Dresden, Beschl. v. 27.2.2008 – 4 W 143/08, OLGR 2008, 593 = ZMGR 2008, 285. 3 AnwK-RVG/N. Schneider, § 9 Rn. 62.

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Verfahrensrecht 5. Gegenvorstellung Möglich ist allerdings eine Gegenvorstellung gegen die vorläufige Streitwertfestsetzung. Das Gericht ist von Amts wegen verpflichtet, den Streitwert zutreffend festzusetzen (§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG). Dies gilt auch für eine vorläufige Wertfestsetzung. Das Gericht ist daher verpflichtet, auf eine begründete Gegenvorstellung den Wert abzuändern, zumal die Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG zu diesem Zeitpunkt nie abgelaufen sein kann.

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Muster: Gegenvorstellung gegen vorläufige Wertfestsetzung An das Landgericht ... In Sachen ... ./. ... erhebe ich im eigenen Namen gegen die vorläufige Wertfestsetzung Gegenvorstellung. Zugrunde liegt eine Stufenklage. Das Gericht hat den Streitwert vorläufig mit einem Betrag i.H.v. ... Euro festgesetzt und dabei nur den Wert des Auskunftsanspruchs zugrunde gelegt. Bei einer Stufenklage richtet sich der Streitwert jedoch von vornherein nach sämtlichen Stufen, wobei allerdings gem. § 44 GKG die Werte der einzelnen Stufen nicht zusammengerechnet werden, sondern nur auf den höchsten Wert abzustellen ist (OLG Stuttgart FamRZ 2008, 533 = OLGR 2008, 352; Schneider/Herget/Kurpat, Streitwertkommentar, 13. Aufl. 2011, Rn. 5049 ff. m.w.N.). Dies ist hier der Leistungsantrag, der mit ... Euro zu bewerten ist. Insoweit nehme ich Bezug auf die Wertangabe in der Klageschrift. Rechtsanwalt

VI. Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung Auch wenn eine Beschwerde gegen eine vorläufige Wertfestsetzung nicht zulässig ist, kann die vorläufige Wertfestsetzung inzidenter angegriffen werden, nämlich dann, wenn die weitere Tätigkeit des Gerichts (i.d.R. die Zustellung des Antrags, § 12 Abs. 1 GKG) von der vorherigen Zahlung der Gerichtsgebühr abhängig gemacht wird.

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Gegen diesen Beschluss, mit dem das Gericht seine weitere Tätigkeit von der Einzahlung der Gerichtsgebühr abhängig macht (s. § 12 GKG), kann nach § 67 Abs. 1 Satz 1 GKG Beschwerde erhoben werden.

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Im Rahmen dieser Beschwerde ist die Höhe der angeforderten Gerichtsgebühr zu prüfen und damit auch der Streitwert, nach dem sie berechnet ist. Da die Beschwerde nach § 67 GKG eine Beschwer (allerdings keine Mindestbeschwer) voraussetzt, kann mit ihr nur der Kläger oder ein sonstiger Antragsteller geltend machen, der Wert sei zu hoch festgesetzt. Eine Heraufsetzung des Wertes kann mit dieser Beschwerde nicht erreicht werden.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG Muster: Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung Amtsgericht ... In Sachen ... ./. ... lege ich namens der Klägerin gegen die Anordnung zur Vorauszahlung der Gerichtskosten gem. § 67 GKG Beschwerde ein. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Durchführung notwendiger Instandhaltungsarbeiten des von ihr angemieteten Objekts. Das Gericht hat den Streitwert vorläufig auf ... Euro festgesetzt und danach die 3,0-Gerichtsgebühr nach Nr. 1210 KV GKG angefordert. Bei seiner Wertfestsetzung ist das Gericht von der Höhe der zu erwartenden Kosten der Instandhaltungsmaßnahmen i.H.v. ... Euro ausgegangen. Zutreffend hätte das Gericht gem. § 41 Abs. 5 GKG vom Jahreswert der möglichen Minderung wegen unterlassener Instandhaltung ausgehen und den Wert danach festsetzen müssen. Ausgehend von einer möglichen Mietminderung von ... % und einer monatlichen Kaltmiete ergibt sich ein Jahreswert i.H.v. ... Euro. Auf diesen Wert hätte sich die vorläufige Wertfestsetzung belaufen müssen. Ausgehend von diesem Wert hätte sich lediglich eine 3,0-Gerichtsgebühr i.H.v. ... Euro ergeben. Wir beantragen daher, die Gerichtskostenrechnung entsprechend abzuändern. Rechtsanwalt

VII. Endgültige Wertfestsetzung 1. Zeitpunkt der Wertfestsetzung 160

Nach Beendigung des Verfahrens, also – sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergangen ist oder – sich das Verfahren anderweitig erledigt hat, muss das Gericht grundsätzlich den Streitwert endgültig festsetzen (§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG).

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Eine Teil-Wertfestsetzung ist nicht vorgesehen. Daher ist nach einem Teilurteil folglich auch keine endgültige Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG möglich.1 Das gilt selbst dann, wenn durch ein Teilurteil ein Teil des Streitgegenstands endgültig aus dem Rechtsstreit ausscheidet, etwa im Falle eines Teilurteils gegen einen von mehreren Beklagten. Eine Teilwertfestsetzung macht im Übrigen auch keinen Sinn, weil für das Verfahren nur eine Gebühr insgesamt erhoben wird und keine Teilgebühren anfallen.

162

Ebenso muss das Gericht auch einen eventuellen Vergleichs(mehr)wert festsetzen, wenn ein Vergleich (auch) über nicht anhängige Gegenstände geschlossen worden ist, da insoweit eine gesonderte Gerichtsgebühr nach Nr. 1900 KV GKG entsteht. 1 OVG Magdeburg, Beschl. v. 3.8.2009 – 4 O 153/09, NJW 2009, 3115.

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Verfahrensrecht Einer endgültigen Wertfestsetzung bedarf es lediglich dann nicht, wenn – das Gericht bereits einen Streitwert für die Zuständigkeit des Gerichts oder für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels festgesetzt hat und – dieser Wert nach § 62 GKG auch für den Gebührenstreitwert gilt (§ 63 Abs. 2 GKG).

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* Æ Beispiel:

164

In einem Verfahren auf Widerruf rufschädigender Äußerungen hat das Landgericht den Zuständigkeitsstreitwert gem. § 3 ZPO auf 6.000 Euro festgesetzt. Dieser Wert gilt nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO auch für die Gerichtsgebühren, sodass es einer Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG nicht bedarf.

Ist ein Wert für die Zuständigkeit oder die Zulässigkeit eines Rechtsmittels bereits festgesetzt worden, gilt dieser aber nicht nach § 62 GKG auch für den Gebührenstreitwert, sondern es muss noch ein gesonderter Wert nach § 63 GKG festgesetzt werden.

165

Ein solcher Fall divergierender Werte ist z.B. in Mietsachen gegeben.

166

* Æ Beispiel: Der Vermieter hatte erstinstanzlich eine Mieterhöhung i.H.v. 40 Euro monatlich geltend gemacht. Die Klage ist abgewiesen worden. Er hat daraufhin Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hatte den Streitwert für die Zulässigkeit des Rechtsmittels gem. § 9 ZPO auf 42 6 40 Euro = 1.680 Euro festgesetzt.1 Diese Wertfestsetzung ist für die Gerichtsgebühren nicht maßgebend, da § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht anwendbar ist. Vielmehr gilt hier die vorrangige Regelung des § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG, wonach der Jahresbetrag der geforderten Mieterhöhung maßgebend ist. Das Gericht muss also nach § 63 Abs. 2 GKG den Wert für die Gerichtsgebühren gesondert auf 12 6 40 Euro = 480 Euro festsetzen.

Beendet ist das Verfahren, wenn – eine die Instanz abschließende Entscheidung ergeht, – die Klage oder ein sonstiger Antrag zurückgenommen wird, – das Rechtsmittel zurückgenommen wird, – die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wird oder – die Beteiligten einen Vergleich schließen.

167

Erforderlich ist, dass damit das gesamte Verfahren beendet wird. Ein Teilurteil, eine Teilrücknahme, eine teilweise Erledigung oder ein Teilvergleich reichen nicht, ebenso wenig die Rücknahme nur der Klage oder Widerklage oder eines von mehreren Rechtsmitteln, wenn im Übrigen das Verfahren noch anhängig bleibt. Erledigt ist das Verfahren abgesehen von den Fällen der Beendigung auch dann, wenn es, ohne förmlich beendet worden zu sein, von den Beteiligten nicht mehr betrieben wird.

168

Eine Sonderstellung nimmt die Wertfestsetzung für eine Verzögerungsgebühr (Nr. 1901 KV GKG) ein. Auch diese Gebühr wird nach dem Streitwert berechnet. Hier kann allerdings auch ein geringerer Wert in Betracht kommen, wenn die Verzögerung nur einen Teil des gesamten Verfahrensgegenstands betrifft.2

169

1 S. dazu BGH, Beschl. v. 21.5.2003 – VIII ZB 10/03, AGS 2003, 489 = JurBüro 2004, 207 = AnwBl. 2003, 597 = NZM 2004, 617. 2 S. ZPO-Teil unter dem Stichwort „Verzögerung“ Rn. 5864.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG Der für die Gebühr geltende Wert ist zweckmäßigerweise in dem Beschluss, mit dem die Verzögerungsgebühr verhängt wird, gesondert festzusetzen. 2. Form 170

Die endgültige Wertfestsetzung ergeht durch Beschluss (§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG). Dieser Beschluss kann im Urteil als Nebenentscheidung enthalten sein. Das Gericht kann aber auch einen gesonderten Wertfestsetzungsbeschluss erlassen.

171

Zuständig für die endgültige Wertfestsetzung ist der Richter, bzw. das Kollegium, das in der Sache entschieden hat oder zum Zeitpunkt der Erledigung zur Entscheidung berufen gewesen wäre.

172

Ist das Kollegium an sich zuständig, dürfte es allerdings möglich sein, dass es einem Einzelrichter die Sache überträgt, damit er dann die Streitwertfestsetzung vornimmt.

173

Umgekehrt kann der Einzelrichter die Sache dem Kollegium übertragen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Dieser Fall wird beim Landgericht in der Regel gegeben sein, wenn die weitere Beschwerde wegen besonderer Bedeutung nach §§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 4 GKG zugelassen werden soll.

174

Im Falle einer Verweisung oder einer Abgabe ist das Empfangsgericht zuständig, den Verfahrenswert festzusetzen. Soweit häufig ausgeführt wird, das Empfangsgericht setze auch den Wert des Verfahrens vor dem Ausgangsgericht fest, ist dies in der Sache nicht richtig, da es nur einen einzigen Verfahrenswert gibt und i.d.R. auch nur eine Gerichtsgebühr erhoben wird.

175

Soweit ein vorangegangenes selbständiges Beweisverfahren vor einem anderen Gericht stattgefunden hat als der nachfolgende Rechtsstreit, ist das Gericht des Beweisverfahrens für die Festsetzung des Wertes für die Gebühr der Nr. 1610 KV GKG zuständig und das Prozessgericht für die Festsetzung des Wertes der Gebühr der Nr. 1210 KV GKG.

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Ist ein Mahnverfahren vorangegangen, so ist das Prozessgericht sowohl für die Festsetzung des Wertes der Gebühr nach Nr. 1100 KV GKG zuständig als auch für die Gebühr der Nr. 1210 KV GKG.

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Im Falle einer Trennung setzen die jeweiligen Gerichte, die nach der Trennung zuständig sind, für die getrennten Verfahren den jeweiligen Wert endgültig fest.

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Bei einer Verbindung mehrerer Verfahren geht die Zuständigkeit der Wertfestsetzung auf das Gericht des verbundenen Verfahrens für das gesamte Verfahren über. 3. Inhalt der Entscheidung a) Wertfestsetzung aa) Überblick

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Im Beschlusstenor ist der Wert für die anfallenden Gerichtsgebühren anzugeben. In den meisten Fällen wird nur eine Gerichtsgebühr für das Verfahren im Allgemeinen erhoben, sodass auch nur ein Wert festzusetzen ist. 28

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Verfahrensrecht Setzt sich der Wert für die Gerichtsgebühren aus mehreren Teilwerten zusammen, so insbesondere bei einer objektiven Klagenhäufung (§ 39 Abs. 1 GKG), bei Klage und Widerklage (§ 45 Abs. 1 GKG) oder beschiedenen Hilfsanträgen oder Hilfsaufrechnungen (§ 45 Abs. 2, 3 GKG), reicht es, den Gesamtwert festzusetzen, da auch in diesen Fällen nur eine Gebühr erhoben wird. Die Angabe der Einzelwerte ist eine Frage der Begründung. Andererseits schadet es auch nicht, die Einzelwerte im Beschlusstenor auszuweisen.

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Der Wertfestsetzungsbeschluss ist grundsätzlich – zumindest stichwortartig – zu begründen. Eine Begründung kann unterbleiben, wenn der Wert offensichtlich ist, etwa bei einer bezifferten Geldforderung.

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Eine Begründung ist auch bei übereinstimmendem Rechtsmittelverzicht der Beteiligten entbehrlich, nicht jedoch bei einer im Einverständnis der Beteiligten getroffenen Festsetzung (s. Rn. 247 ff.).

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bb) Mehrere Wertfestsetzungen Soweit ausnahmsweise einmal mehrere Gerichtsgebühren anfallen, ist für jede Gerichtsgebühr der maßgebende Wert festzusetzen.

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Das gilt z.B., wenn ein Mahnverfahren vorausgegangen ist, da es hier zu abweichenden Werten kommen kann.

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* Æ Beispiel: Im Mahnverfahren werden 5.000 Euro geltend gemacht. Der Anspruch wird jedoch nur i.H.v. 4.000 Euro begründet. Darüber wird dann auch entschieden. Da im Mahnverfahren eine gesonderte Gebühr anfällt (Nr. 1100 KV GKG) und diese sich nach einem höheren Wert berechnet als die Gebühr für das streitige Verfahren (Nr. 1210 KV GKG), müssen der Wert für das Mahnverfahren und der Wert für das streitige Verfahren gesondert festgesetzt werden.

Gleiches gilt, wenn zwar nur eine Gebühr anfällt, diese sich jedoch nach unterschiedlichen Sätzen berechnet. Ein solcher Fall kann z.B. in Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren anfallen, wenn sich die Verfahrensgebühr der Nr. 1410 KV GKG teilweise nach Nr. 1412 KV GKG erhöht.

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* Æ Beispiel: Es wird eine einstweilige Verfügung wegen zweier angeblicher Wettbewerbsverstöße beantragt und erlassen. Wegen eines Wettbewerbsverstoßes legt der Antragsgegner Widerspruch ein, sodass es zur mündlichen Verhandlung und einer Entscheidung durch Urteil kommt. Das Gericht muss zum einen die Gebühr für das (gesamte) Verfahren festsetzen, da hieraus die 1,5-Gebühr nach Nr. 1410 KV GKG entsteht. Darüber hinaus muss es den Wert des Verfahrensgegenstands festsetzen, soweit über ihn durch Urteil entschieden worden ist, da sich insoweit die 1,5-Gebühr der Nr. 1410 KV GKG auf 3,0 erhöht. Eine gestaffelte Wertfestsetzung nach Zeitabschnitten wäre untunlich, da sich daraus nicht ergibt, für welche Gebühr welcher Wert gelten soll. S. Rn. 158 ff.

Mehrere Wertfestsetzungen sind auch dann vorzunehmen, wenn neben der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen eine Vergleichsgebühr nach Nr. 1900 KV GKG erhoben wird.

* Æ Beispiel: In einem Rechtsstreit haben die Parteien einen Vergleich auch über eine nicht anhängige Forderung geschlossen. Das Gericht muss jetzt zwei Werte festsetzen. Zum einen muss es einen Wert für das Verfahren festsetzen, da sich hiernach die Gebühr Nrn. 1210, 1211 KV GKG

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG berechnet und eine weitere Gebühr für den Mehrwert des Vergleichs, da hieraus eine 0,25-Gebühr nach Nr. 1900 KV GKG entstanden ist.

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Häufig wird nur ein Wert für den „Vergleich“ festgesetzt. Dies ist unzutreffend und führt zu Missverständnissen. Die Gebühr nach Nr. 1900 KV GKG entsteht nämlich nicht aus dem Vergleichswert, sondern nur aus dem Wert der Differenz zwischen Vergleichswert und Verfahrenswert. Die bloße Festsetzung des Vergleichswerts besagt nichts darüber, inwieweit ein Mehrwert vorliegt. Das Gericht sollte daher in seinem Beschluss ausdrücklich den Mehrwert festsetzen.

* Æ Beispiel: Eingeklagt sind 10.000 Euro. Die Parteien schließen später einen Vergleich über nicht anhängige Gegenstände. Das Gericht setzt den Wert des Vergleichs auf 20.000 Euro fest. Diese Festsetzung ist für sich genommen nichts sagend: – Mit ihr kann gemeint sein, dass der Mehrwert 20.000 Euro beträgt. Dann würde die Vergleichsgebühr der Nr. 1900 KV GKG aus 20.000 Euro berechnet. Es ist nämlich nicht erforderlich, dass der Vergleich sich auch über anhängige Gegenstände verhält. – In den 20.000 Euro Vergleichswert können aber auch die anhängigen 10.000 Euro enthalten sein. Dann wäre die Vergleichsgebühr der Nr. 1900 KV GKG nur aus 10.000 Euro zu berechnen. – Möglich wäre aber auch, dass in den 20.000 Euro Vergleichswert 5.000 Euro anhängige Ansprüche enthalten sind und 15.000 Euro weiter gehende Ansprüche. Dann würde sich die Vergleichsgebühr der Nr. 1900 KV GKG aus dem Wert von 15.000 Euro berechnen. Zweckmäßig ist es daher, ausdrücklich den Vergleichsmehrwert festzusetzen.

cc) Gestaffelte Wertfestsetzungen 188

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Gestaffelte Wertfestsetzungen sind unzulässig, kommen in der Praxis aber regelmäßig vor. Abgesehen davon, dass eine gesetzliche Grundlage für eine solche gestaffelte Wertfestsetzung fehlt, fragt es sich auch, wem eine solche gestaffelte Wertfestsetzung nutzen soll. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG ist der „Wert für die zu erhebenden Gebühren festzusetzen“. Der Kostenbeamte soll nämlich aufgrund des Streitwertbeschlusses ohne Weiteres in der Lage dazu sein, abzulesen, nach welcher Wertstufe er die im Verfahren angefallenen Gebühren anzusetzen hat. An den vom Gericht festgesetzten Streitwert ist er nämlich im Kostenansatzverfahren (§ 19 GKG) gebunden. Wie sich der Wert im Laufe des Verfahrens entwickelt oder verändert hat, ist für die Abrechnung der Gerichtsgebühren dagegen völlig unerheblich. Gestaffelte Wertfestsetzungen nutzen niemandem, sondern führen im Gegenteil nur zu Unklarheiten und Mehrarbeit. Dies mag an folgendem Beispiel verdeutlicht werden:

* Æ Beispiel: Das Gericht setzt im Urteil den Streitwert wie folgt fest: „Der Streitwert wird bis zum ... auf 4.000 Euro festgesetzt und ab dann auf 2.000 Euro.“ Da eine einheitliche Gerichtsgebühr zu erheben ist (Nr. 1210 KV GKG), muss jetzt der Kostenbeamte aus der gestaffelten Wertfestsetzung den Gesamtwert ermitteln, nach dem er die Gebühr Nr. 1210 KV GKG bestimmt. Dies ist ihm aber ohne Weiteres nicht möglich. Es kommen nämlich drei Varianten in Betracht:

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Verfahrensrecht Erste Variante: Ursprünglich war die Klage i.H.v. 4.000 Euro erhoben worden. Später ist sie dann um 2.000 Euro zurückgenommen worden. In diesem Fall beliefe sich der Streitwert des Verfahrens auf 4.000 Euro. Die Gerichtsgebühr wäre aus 4.000 Euro zu erheben. Zweite Variante: Es liegt eine Klageänderung vor. Anstelle der ursprünglich eingeklagten 4.000 Euro ist mit den 2.000 Euro ein völlig neuer Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt worden. In diesem Fall sind die Werte der einzelnen Gegenstände nach § 39 Abs. 1 GKG zu addieren. Es würde somit ein Wert von 6.000 Euro gelten, nach dem sich die Gerichtsgebühr berechnet.1 Dritte Variante: Möglich ist aber auch noch, dass hier die Klage nur zum Teil i.H.v. 1.000 Euro zurückgenommen worden ist und zum Teil (weitere 1.000 Euro) erweitert wurde. In diesem Fall sind wiederum nach § 39 Abs. 1 GKG die Werte sämtlicher einzelner Gegenstände zusammenzurechnen,2 sodass sich jetzt ein Wert von 5.000 Euro ergibt.

Dieses Beispiel belegt, dass eine gestaffelte Festsetzung wertlos ist, da sie keine Aussage über den Gesamtwert trifft, der aber nach § 39 Abs. 1 GKG allein für die Gerichtsgebühren maßgebend ist. Der Kostenbeamte muss also bei einer solchen gestaffelten Wertfestsetzung, wenn er richtig festsetzen will, Rücksprache mit dem Richter nehmen, der nunmehr nochmals festsetzen muss, nämlich den Gesamtwert. Der Urkundsbeamte könnte sich andererseits auch selbst die Arbeit machen, herauszufinden, wie die einzelnen Werte sich zueinander verhalten, also ob sie zusammenzurechnen sind, ob sie identisch sind oder ob sie teilidentisch sind. Dies ist aber nicht Aufgabe eines Urkundsbeamten. Insbesondere kann er unter Umständen rechtlich schwierige Fragen, z.B. ob der Klageänderung derselbe oder ein anderer Streitgegenstand zugrunde liegt, nicht entscheiden. Er darf dies auch nicht. Dies ist dem Richter vorbehalten.

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Häufig wird zur Legitimation der gestaffelten Wertfestsetzung angeführt, diese habe zumindest Bedeutung für die Anwaltsgebühren. Auch dieses Argument greift nicht. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes hat das Gericht nach § 63 Abs. 2 GKG nur den Wert für die Gerichtsgebühren festzusetzen. Eine Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren von Amts wegen sieht das Gesetz nicht vor. Das ist auch nicht erforderlich, weil nach § 32 Abs. 2 RVG insoweit bereits eine Bindungswirkung besteht. Der für die Gerichtsgebühren festgesetzte Wert gilt auch für die Anwaltsgebühren, soweit der Gegenstand der gerichtlichen und der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist. Eine gesonderte Wertfestsetzung von Amts wegen für die anwaltlichen Gebühren ist daher nicht nur unzulässig; sie würde zudem die Gefahr divergierender Entscheidungen mit sich bringen. Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit darf nur auf Antrag festgesetzt werden. So steht es ausdrücklich im Gesetz: § 33 Abs. 1 RVG. Bei diesem Verfahren handelt es sich um ein reines Antragsverfahren, für das zudem besondere Verfahrensvorschriften gelten.

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Eine gestaffelte Wertfestsetzung kommt auch dann nicht in Betracht, wenn das GKG ausnahmsweise mehrere Gebühren (etwa bei Mahnverfahren und streiti-

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1 S. das Stichwort „Mehrere Ansprüche“ Rn. 3653 ff. 2 S. das Stichwort „Mehrere Ansprüche“ Rn. 3653 ff.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG gen Verfahren – s. Rn. 183 ff.) vorsieht bzw. verschiedene Gebührensätze einer Gebühr (z.B. bei einstweiliger Verfügung mit Teilwiderspruch, s. Rn. 185 ff.), sodass es zu sog. Stufenstreitwerten kommen kann. Dann müssten mehrere Werte festgesetzt werden, damit der Rechtspfleger die jeweiligen einzelnen Gebühren berechnen und ansetzen kann. Auch hier ist jedoch eine Festsetzung nach Zeitabschnitten aus den vorgenannten Gründen unzutreffend, weil sie wiederum nicht ermöglicht, den Wert der jeweiligen Gebühr eindeutig zu bestimmen.

* Æ Beispiel: Nach vorherigem Mahnverfahren setzt das Gericht im Urteil den Streitwert wie folgt fest: „Der Streitwert wird bis zum ... (Akteneingang bei Gericht) auf 3.000 Euro festgesetzt und ab dann auf 2.000 Euro.“ Auch eine solche Festsetzung ist falsch. Zutreffend ist sie nur insoweit, als die Gebühr für das Mahnverfahren (Nr. 1100 KV GKG) aus 3.000 Euro zu erheben ist. Hinsichtlich der weiteren Gebühr Nr. 1210 KV GKG ist sie dagegen nichts sagend. War z.B. nur i.H.v. 2.000 Euro Widerspruch eingelegt worden oder hatte der Antragsteller nur hinsichtlich eines Teilbetrags von 2.000 Euro die Abgabe beantragt, dann belief sich der Wert bereits ab Abgabeantrag – und nicht erst ab Akteneingang bei Gericht – nur noch auf 2.000 Euro. War dagegen zunächst uneingeschränkte Abgabe beantragt worden und ist der Antrag dann erst nachträglich beschränkt bzw. eingeschränkt begründet worden, dann bleibt der Wert von 3.000 Euro auch für die Gebühr der Nr. 1210 KV GKG maßgebend, da es für den Anfall der Gebühr auf den Abgabeantrag ankommt.1 Schließlich kommt auch in Betracht, dass die Durchführung des streitigen Verfahrens nur wegen eines Teils beantragt worden war und der Antrag später erweitert worden ist. Wäre etwa die Abgabe nur wegen eines Betrages i.H.v. 1.000 Euro beantragt und der Klageantrag um 2.000 Euro erweitert worden, dann würde sich zwar auch die Gebühr der Nr. 1100 KV GKG nach 2.000 Euro richten und die Gebühr der Nr. 1210 KV GKG nach 3.000 Euro. Eine Anrechnung nach Anm. zu Nr. 1210 KV GKG käme dann aber nur aus einem Wert von 1.000 Euro in Betracht. Daher sollte ggf. auch noch ein Wert für die Gebührenanrechnung nach Anm. zu Nr. 1210 KV GKG mit festgesetzt werden. Zutreffend ist es folglich auch hier, die Werte für die jeweiligen Gebühren festzusetzen und nicht für irgendwelche Zeiträume, die für die Gerichtskosten irrelevant sind.

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Ebenso sind gestaffelte Wertfestsetzungen für einzelne Anträge ohne Aussagekraft, wenn nicht zugleich der Gesamtwert angegeben wird. Das betrifft insbesondere Klage- und Widerklage. Die Festsetzung der einzelnen Werte von Klage und Widerklage alleine besagt nichts, da dies noch nichts über den Gesamtwert aussagt. Die Werte von Klage- und Widerklage können zu addieren sein (§ 45 Abs. 1 Satz 1 GKG). Es kann auch sein, dass nur der höhere Wert gilt, nämlich, wenn derselbe Gegenstand zugrunde liegt (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG). Es kann auch teilweise zu addieren sein, wenn nur eine Teilidentität besteht. Daher bedarf es auch hier immer der Festsetzung des Gesamtwertes. b) Zulassung der Beschwerde

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Neben der Wertfestsetzung muss das Gericht auch darüber entscheiden, ob es nach § 68 Abs. 1 Satz 2 GKG die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Fragen zulässt. 1 Hartmann, KostG, Nr. 1210 GKG-KostVerz. Rn. 23.

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Verfahrensrecht Erforderlich ist es nur, im Tenor eine (positive) Zulassungsentscheidung aufzunehmen. Soweit das Gericht die Beschwerde nicht ausdrücklich zulässt, gilt dies als Nichtzulassung.

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Eindeutiger ist es dagegen, auch in diesen Fällen im Tenor auszusprechen, dass die Beschwerde nicht zugelassen wird, da dies der Klarheit dient und insbesondere zeigt, dass sich das Gericht auch Gedanken über die Zulassungsfrage gemacht hat, womit ggf. überflüssige Berichtigungs- oder Ergänzungsanträge vermieden werden.

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Eines Zulassungsantrags bedarf es nicht. Das Gericht muss von Amts wegen über die Frage der Zulassung entscheiden. Dem „Antrag“ einer Partei oder eines sonstigen Verfahrensbeteiligten kommt insoweit lediglich der Charakter einer Anregung zu.

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Andererseits ist es häufig zweckmäßig, die Zulassung der Beschwerde zu beantragen. So kann es sinnvoll sein, auf die grundsätzliche Bedeutung oder divergierende Rechtsprechung bereits im Wertfestsetzungsverfahren hinzuweisen und dazu vorzutragen, damit das Gericht sich Gedanken über die Zulassung macht. Eine unterbliebene Zulassung kann nämlich grundsätzlich nicht nachgeholt werden (s. Rn. 262 ff.).

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Eine Zulassung ist insbesondere dann geboten, wenn es sich um eine grundsätzliche Bewertungsfrage handelt, die in einer Vielzahl von Fällen auftritt und deren Beantwortung noch nicht abschließend geklärt ist.

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Darüber hinaus ist die Zulassung geboten, wenn das Gericht von der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts oder des Gerichts der weiteren Beschwerde abweichen will oder von Entscheidungen anderer Gerichte und eine grundsätzliche Entscheidung des zuständigen Beschwerdesenats noch nicht vorliegt.

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4. Bindung an die Festsetzung des Zuständigkeitswerts Zu beachten ist, dass eine Bindungswirkung bestehen kann, wenn bereits der Streitwert für die Zuständigkeit des Gerichts festgesetzt ist. Die Bindungswirkung der Streitwertfestsetzung besteht allerdings nur in Höhe des Grenzwerts für die Zuständigkeit des erkennenden Eingangsgerichts.1

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Hat das Amtsgericht den Streitwert für die Zuständigkeit sowie für das Verfahren auf über 5.000 Euro festgesetzt und anschließend den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das Landgericht verwiesen, ist diese Wertfestsetzung ist gem. §§ 62 Satz 1, 63 Abs. 2 GKG nunmehr für die Berechnung der Gebühren maßgeblich und bindend.2 Der Sinn dieser Vorschriften besteht darin, widersprechende Streitwertfestsetzungen zu vermeiden, wenn und soweit die Streitwertfestsetzung für die Zuständigkeit des Gerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels einerseits und für die Gebührenberechnung andererseits nach denselben Vorschriften zu erfolgen hat. Dadurch soll vermieden werden,

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1 OLG Köln, Beschl. v. 26.2.2009 – 2 W 16/09, 2 W 17/09, AGS 2009, 244 = OLGR 2009, 680 = ErbR 2009, 264 = JurBüro 2009, 314. 2 OLG Köln, Beschl. v. 21.6.1999 – 12 W 26/99, OLGR 2000, 78; OLG Dresden, Beschl. v. 26.10.2007 – 8 W 1224/07, MDR 2008, 50 = NJ 2008, 82; OLG Koblenz, Beschl. v. 28.2.2005 – 3 W 84/05, OLGR 2005, 602.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG dass in derselben Angelegenheit Gebühren nach einem höheren oder auch niedrigeren Wert als dem für die Zuständigkeit bzw. Zulässigkeit des Rechtsmittels maßgeblich erachteten Streitwerts berechnet werden.1 204

Die Bindungswirkung der amtsgerichtlichen Streitwertfestsetzung besteht allerdings nur in Höhe des Grenzwertes für die Zuständigkeit; eine Bezifferung des verweisenden Gerichts ist darüber hinaus nicht bindend, weil davon die Zuständigkeit nicht abhängt.

* Æ Beispiel: Das Amtsgericht setzt den Streitwert auf 8.000 Euro fest und verweist die Sache an das Landgericht. Das Landgericht ist der Auffassung, der Streitwert betrage nur 4.000 Euro. Das Landgericht darf jetzt nicht den Wert auf 4.000 Euro festsetzen, da dies der Bindungswirkung der Verweisung widersprechen würde. Es ist andererseits auch nicht an den Wert von 8.000 Euro gebunden, sondern kann niedriger festsetzen. Den Wert von 5.000,01 Euro darf es jedoch nicht unterschreiten.

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Hat das Landgericht den Wert auf unter 5.000 Euro festgesetzt und an das Amtsgericht verwiesen, dann ist das Amtsgericht jedenfalls insoweit gebunden, als es nicht über 5.000 Euro festsetzen darf.

* Æ Beispiel: Das Landgericht setzt den Streitwert auf 4.000 Euro fest und verweist die Sache an das Amtsgericht. Das Amtsgericht ist der Auffassung, der Streitwert betrage 8.000 Euro. Das Amtsgericht darf jetzt nicht den Wert auf 8.000 Euro festsetzen, da dies wiederum der Bindungswirkung der Verweisung widersprechen würde. Es ist andererseits aber auch nicht an den Wert von 4.000 Euro gebunden, sondern kann höher festsetzen. Den Wert von 5.000 Euro darf es jedoch nicht überschreiten.

5. Nachträgliche Abänderungsmöglichkeit 206

Die endgültige Wertfestsetzung kann vom Gericht nachträglich von Amts wegen abgeändert werden (§ 63 Abs. 3 GKG).

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Zur Abänderung berechtigt ist immer das Gericht, das den Wert festgesetzt hat (§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG).

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Darüber hinaus ist auch ein Rechtsmittelgericht berechtigt, den Wert abzuändern, wenn die Sache vor dem Rechtsmittelgericht anhängig ist (§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG). Daher kann – das Landgericht eine Festsetzung des Amtsgerichts, – das Oberlandesgericht eine Festsetzung des Amtsgerichts und des Landgerichts und – der Bundesgerichtshof sowohl eine Festsetzung des Amtsgerichts, des Landgerichts als auch des Oberlandesgerichts abändern.

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Eine Abänderung ist allerdings dann ausgeschlossen, wenn die eigene Wertfestsetzung zwischenzeitlich von einem Rechtsmittelgericht abgeändert worden ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Abänderung aufgrund einer Beschwerde nach §§ 67, 68 GKG erfolgte oder gem. § 63 Abs. 3 GKG von Amts wegen während der Anhängigkeit im Rechtsmittelverfahren. Daher kann 1 OLG Köln, Beschl. v. 21.6.1999 – 12 W 26/99, OLGR 2000, 78.

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Verfahrensrecht – ein Amtsgericht den Wert nicht mehr abändern, wenn das Landgericht, das Oberlandesgericht oder der Bundesgerichtshof die Festsetzung abgeändert hat, – das Landgericht nicht mehr abändern, wenn das Oberlandesgericht oder der Bundesgerichtshof die Festsetzung abgeändert hat und – das Oberlandesgericht nicht mehr abändern, wenn der Bundesgerichtshof die Festsetzung abgeändert hat. Die Abänderungsmöglichkeit besteht grundsätzlich nur innerhalb der Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG, also innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder sich das Verfahren anderweitig erledigt hat.

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Die Frist beginnt im Falle eines Rechtsstreits mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens oder anderweitiger Beendigung. Sie beginnt also im Falle – einer Endentscheidung (Urteil oder Beschluss), sobald diese Entscheidung rechtskräftig geworden ist; wird nach Erlass der Entscheidung allerdings eine Gehörsrüge (§ 321a ZPO u.a.) eingelegt, so beginnt die Sechs-MonatsFrist mit der Entscheidung über die Gehörsrüge; – einer Klage- oder Antragsrücknahme mit Rücknahmeerklärung bzw. Zustimmung, wenn diese erforderlich ist; – einer Rechtsmittelrücknahme mit Rücknahmeerklärung bzw. Zustimmung hierzu, wenn diese erforderlich ist; – einer übereinstimmend erklärten Hauptsacheerledigung mit Abgabe der letzten erforderlichen Erledigungserklärung; – eines Vergleichsabschlusses mit dessen Protokollierung oder im Fall des § 278 Abs. 6 ZPO mit Eingang der letzten Vergleichsannahmeerklärung.

211

Sofern die Hauptsache an ein Rechtsmittelgericht gelangt, kann – und muss – das Rechtsmittelgericht einen fehlerhaft festgesetzten Streitwert der Vorinstanz von Amts wegen abändern (§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG).

212

Eine solche Abänderung des Streitwertes ist unabhängig von der Entscheidung in der Hauptsache. Auch wenn das Rechtsmittelgericht das Rechtsmittel als unbegründet zurückweist, kann und muss es den Streitwert ggf. abändern.

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Der Streitwert kann auch dann geändert werden, wenn das Rechtsmittel unzulässig ist. Auch im Rahmen eines unzulässigen Rechtsmittels ist das Rechtsmittelgericht befasst. Es ist nämlich dafür zuständig, darüber zu entscheiden, ob das Rechtsmittel zulässig ist oder nicht. Im Zusammenhang mit dieser Entscheidung ist es dann auch befugt, den Streitwert zu ändern, da das Verfahren bei ihm anhängig ist.

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Unklar ist, ob das Rechtsmittelgericht auch dann von Amts wegen den Wert abändern darf, wenn das Rechtsmittel unstatthaft ist. Gegen eine Berechtigung zur Abänderung spricht, dass ein gesetzlich nicht gegebenes Rechtsmittel in der Hauptsache auch nicht dazu führen darf, dass die Entscheidung in einem Nebenpunkt abgeändert wird. Andererseits ist das Rechtsmittelgericht dazu berufen, über die Frage der Statthaftigkeit des Rechtsmittels, die ja durchaus strittig sein kann, zu entscheiden.

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Nicht verwechselt werden darf der Fall der Unzulässigkeit des Rechtsmittels mit der Frage, ob das Gericht auch auf eine unzulässige Streitwertbeschwerde berechtigt ist, den Wert abzuändern (s. Rn. 325).

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

VIII. Gegenvorstellung 217 218

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Gegen die endgültige Streitwertfestsetzung des Gerichts kann immer eine Gegenvorstellung erhoben werden. Da der Streitwert von Amts wegen zutreffend festzusetzen und ggf. von Amts wegen abzuändern ist (§ 63 Abs. 3 GKG), muss das Gericht auf eine Gegenvorstellung hin seine Festsetzung oder die einer Vorinstanz (s. § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG) prüfen und, sofern die Gegenvorstellung begründet ist, abändern. Die Gegenvorstellung ist allerdings befristet. Sie muss innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 66 Abs. 3 Satz 2 GKG eingelegt werden, da das Gericht nur in diesem Zeitraum zur Abänderung berechtigt ist. Ist die Gegenvorstellung innerhalb dieser Frist erhoben worden, dann kann und muss das Gericht auch noch nach Ablauf der Sechsmonatsfrist seine Festsetzung ändern.1 Ist der Wert später als einen Monat vor Ablauf der Frist festgesetzt worden, kann noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung Gegenvorstellung erhoben werden. Es kann hier nichts anderes gelten als für eine Beschwerde (§ 68 Abs. 1 Satz 3 GKG). Im Falle der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss als mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als zugestellt (§ 68 Abs. 1 Satz 4 GKG). Die Gegenvorstellung ist kein Rechtsmittel und führt daher – im Gegensatz zur Beschwerde – nicht zur Eröffnung einer weiteren Instanz, sondern wird von dem festsetzenden Gericht endgültig beschieden. Dafür löst eine Gegenvorstellung keine gesonderten Kosten aus, da sie zur Instanz gehört (s. Rn. 360, 368). Die Gegenvorstellung ist auch dann zulässig, wenn eine Beschwerde möglich wäre. Sie ist nicht subsidiär.

Muster: Gegenvorstellung gegen endgültige Wertfestsetzung Landgericht ... In Sachen ... ./. ... erhebe ich im eigenen Namen gegen die Festsetzung des Streitwertes Gegenvorstellung. Begründung: Das Gericht hat den Streitwert für das Verfahren auf den Wert der mit der Klage geltend gemachten 2.500 Euro Renovierungskosten festgesetzt. Bei der Wertfestsetzung hat das Gericht übersehen, dass durch den geschlossenen Vergleich auch die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte und vom Kläger bestrittene Gegenforderung des Beklagten auf Rückzahlung nicht verbrauchter Betriebskostenvorauszahlungen i.H.v. 300 Euro abgegolten worden ist. Gem. § 45 Abs. 3, 4 GKG erhöht sich damit der Streitwert des Verfahrens. Es wird daher beantragt, die gerichtliche Wertfestsetzung auf 2.800 Euro abzuändern. Rechtsanwalt

1 OLG Köln, Beschl. v. 1.7.2008 – 8 W 23/07, AGS 2008, 406.

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Verfahrensrecht

IX. Beschwerde 1. Überblick Neben der Gegenvorstellung als Rechtsbehelf kommt die Beschwerde nach § 68 GKG als Rechtsmittel gegen eine endgültige Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG in Betracht.

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Die Beschwerde ist allerdings nicht nur gegen die endgültige Wertfestsetzung selbst gegeben, sondern auch gegen eine unterlassene Wertfestsetzung. Weigert sich das Gericht, eine endgültige Wertfestsetzung vorzunehmen, obwohl diese geboten ist, kann auch dagegen Beschwerde – Untätigkeitsbeschwerde – eingelegt werden.

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2. Anfechtbare Festsetzungen a) Festsetzung Anfechtbar ist nur eine endgültige Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG. Eine Beschwerde gegen eine vorläufige Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 1 GKG ist nicht zulässig (s. Rn. 153 ff.).

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Anfechtbar ist – vorbehaltlich der Zulässigkeitsvoraussetzungen – stets die erstinstanzliche Festsetzung eines Amts- oder Landgerichts.

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Darüber hinaus ist auch die Festsetzung des Landgerichts als Berufungs- oder Beschwerdegericht mit der Beschwerde anfechtbar.1 Dies gilt sowohl für die Festsetzung des Wertes für die Berufungs- oder Beschwerdeinstanz als auch für eine von Amts wegen vorgenommene Abänderung der amtsgerichtlichen Festsetzung.

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* Æ Beispiele: – In einem Berufungsverfahren setzt das Landgericht den Streitwert für das Berufungsverfahren fest. Eine Beschwerde zum Oberlandesgericht ist möglich. – Im Verfahren über eine Beschwerde im einstweiligen Verfügungsverfahren setzt das Landgericht als Beschwerdegericht den Streitwert für das Beschwerdeverfahren fest. Auch hier ist eine Beschwerde zum Oberlandesgericht möglich. – Im Berufungsverfahren ändert das Landgericht gem. § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG die erstinstanzliche Wertfestsetzung des Amtsgerichts ab. Gegen diese Abänderung der erstinstanzlichen Festsetzung ist ebenfalls die Beschwerde zum Landgericht gegeben. Es handelt sich nicht um eine weitere Beschwerde, da die erstmalige Festsetzung bzw. Abänderung der erstmaligen Festsetzung durch das Landgericht angegriffen wird und nicht eine Beschwerdeentscheidung.

Die zweitinstanzliche Streitwertfestsetzung des Landgerichts kann selbst dann mit der Beschwerde zum Oberlandesgericht angefochten werden, wenn

1 OLG Köln, Beschl. v. 9.9.2009 – 17 W 200/09, OLGR 2009, 848 = MDR 2009, 1408 = AGS 2009, 604 = JurBüro 2009, 645; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.9.2006 – 24 W 45/ 06, ZMR 2006, 858 = OLGR 2007, 97 = MDR 2007, 605; OLG München, Beschl. v. 14.5.2009 – 32 W 1336/09, OLGR 2009, 533 = ZfIR 2009, 485; OLG Schleswig, Beschl. v. 12.8.2008 – 16 W 72/09, SchlHA 2010, 23 = OLGR 2009, 827 = MDR 2009, 1355.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

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der Instanzenzug der Hauptsache wegen § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO beim Landgericht endet.1 Eine Beschwerde gegen eine Wertfestsetzung des Oberlandesgerichts ist nicht möglich, da eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nach § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG nicht statthaft ist. Das gilt auch dann, wenn das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Die Zulassung eines nicht statthaften Rechtsmittels ist nicht möglich und bindet daher den Bundesgerichtshof nicht (s. Rn. 355). Eine Beschwerde gegen eine Wertfestsetzung des Bundesgerichtshofs wiederum kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es darüber kein Beschwerdegericht gibt. b) Unterlassene Festsetzung

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Kommt das Gericht seiner Verpflichtung aus § 63 Abs. 2 GKG, den Streitwert nach Abschluss des Verfahrens festzusetzen, nicht nach oder verweigert es eine Festsetzung, kann gegen die Untätigkeit des Gerichts nach § 68 GKG Beschwerde eingelegt werden. Die Weigerung einer Festsetzung kommt einer Wertfestsetzung auf „Null“ gleich. Hierzu gehört allerdings nicht der Fall, dass sich das Gericht auf eine Bindung nach § 62 GKG beruft (s. Rn. 202). In diesem Fall liegt in der Weigerung der Festsetzung konkludent eine „Festsetzung“ auf den Zuständigkeitsstreitwert. Dieser Fall ist zu behandeln wie eine Wertfestsetzung, sodass die Beschwerde nach § 68 Abs. 1 GKG gegeben ist.

Muster: Untätigkeitsbeschwerde gegen unterbliebene Wertfestsetzung An das ...gericht In dem Rechtsstreit ... ./. ... lege ich gegen die Weigerung des Gerichts, den Streitwert gem. § 63 Abs. 2 GKG festzusetzen, Beschwerde ein. Begründung: Nach § 63 Abs. 2 GKG hat das Gericht den Streitwert durch Beschluss festzusetzen, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergangen ist oder sich das Verfahren anderweitig erledigt hat. Die anderweitige Erledigung ist hier durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingetreten. Dass die Parteien gleichzeitig auf eine Kostenentscheidung verzichtet haben, ist unerheblich und entbindet das Gericht nicht von der Verpflichtung der Streitwertfestsetzung. 1 OLG Koblenz, Beschl. v. 12.2.2008 – 5 W 70/08, MDR 2008, 405 = JurBüro 2008, 254 = OLGR 2008, 443 = AGS 2008, 302.

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Verfahrensrecht Eine Wertfestsetzung ist nur dann entbehrlich, wenn bereits der Streitwert für die Zuständigkeit des Prozessgerichts festgesetzt worden wäre. An einer solchen Festsetzung fehlt es hier jedoch. Rechtsanwalt Eine besondere Begründung bei einer Untätigkeitsbeschwerde ist nicht erforderlich.

235

Eine Beschwer ist ebenfalls nicht erforderlich, da nicht der Festsetzungsbeschluss angefochten wird, sondern sich die Beschwerde gegen die Untätigkeit des Gerichts richtet.

236

Erstrebt der Anwalt eine bestimmte Wertfestsetzung, so sollte die Untätigkeitsbeschwerde wiederum mit einem bezifferten Festsetzungsantrag verbunden werden, damit das Beschwerdegericht ggf. sogleich die zutreffende Wertfestsetzung vornimmt.

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c) Nichtzulassung der Beschwerde Die Nichtzulassung der Beschwerde ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 2 GKG).

238

3. Zuständigkeit Zur Entscheidung über die Beschwerde ist das jeweilige Beschwerdegericht berufen. Zuständiges Beschwerdegericht ist nach § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 2 GKG das nächsthöhere Gericht. Dies wiederum richtet sich nach dem GVG. – Gegen Wertfestsetzungen des Amtsgerichts ist grundsätzlich das Landgericht als Beschwerdegericht zuständig. Lediglich in den Fällen, in denen der Instanzenzug abweichend (Amtsgericht/Oberlandesgericht) geregelt ist, etwa in landwirtschaftsgerichtlichen Verfahren, ist das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht zuständig. – Gegen Wertfestsetzungen des Landgerichts ist immer das Oberlandesgericht Beschwerdegericht, unabhängig davon, ob das Landgericht als erstinstanzliches Gericht, als Berufungs-, oder Beschwerdegericht entschieden hat. Dass im Falle einer Berufungsentscheidung durch das Landgericht der Bundesgerichtshof Revisionsgericht ist, ist insoweit unerheblich. Der Beschwerdezug ist insoweit abweichend geregelt.

239

Ungeachtet der Zuständigkeit des Beschwerdegerichts ist die Beschwerde immer beim Ausgangsgericht einzureichen (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 Satz 5 GKG), da dieses zunächst zu prüfen hat, ob es der Beschwerde abhilft.

240

Die Einreichung beim Beschwerdegericht ist nicht fristwahrend. Wird die Beschwerde beim Beschwerdegericht eingereicht, muss es sie an das Ausgangsgericht abgeben. Der dortige Eingangszeitpunkt ist dann maßgebend.

241

Das Ausgangsgericht kann allerdings – auch wenn es über die Beschwerde nicht zu entscheiden hat – abhelfen. Soweit das Ausgangsgericht in vollem Umfang abhilft und sich das Beschwerdeverfahren damit erledigt, braucht es

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG nicht mehr vorzulegen, da sich dann die Beschwerde erledigt hat. Soweit das Ausgangsgericht der Beschwerde nicht abhilft, hat es sie dem Beschwerdegericht vorzulegen, das dann abschließend entscheidet. 4. Beschwerdeberechtigte 243

Beschwerdeberechtigt ist zunächst einmal jede Partei, also der Kläger (bzw. der Antragsteller) und der Beklagte (bzw. der Antragsgegner). Darüber hinaus sind aber auch alle weiteren Personen beschwerdeberechtigt, die derart am Verfahren beteiligt sind, dass sie für Gerichtsgebühren einzustehen haben oder dass ihnen Anwaltskosten entstanden sind, die sich nach dem vom Gericht festgesetzten Streitwert richten (§ 32 Abs. 1 RVG). Daher kann insbesondere auch ein Nebenintervenient Beschwerde erheben.

244

Beschwerdeberechtigt sind ferner die Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten selbst, soweit sich ihre Gebühren nach dem vom Gericht festgesetzten Streitwert richten (§ 32 Abs. 2 RVG).

245

Auch die Landes- und Bundeskasse ist berechtigt, gegen die Festsetzung des Streitwertes Beschwerde zu erheben. Sie kann zum einen Heraufsetzungsbeschwerde erheben, wenn sie der Auffassung ist, die Gerichtskosten seien zu gering bemessen. Sie kann darüber hinaus Herabsetzungsbeschwerde erheben, wenn sie damit erreichen will, dass sie einem im Wege der Prozesskostenhilfe oder anderweitig beigeordneten Rechtsanwalt nur geringere Gebühren zahlen muss.

246

Personen, die nur mittelbar beteiligt sind, die also als Dritte für Kosten des Rechtsstreits haften, sind nicht beschwerdeberechtigt. Daher ist insbesondere ein Rechtsschutzversicherer nicht beschwerdebefugt. Er kann lediglich seinen Versicherungsnehmer anweisen, dass dieser Beschwerde erhebt. Erzwingen kann er dies jedoch nicht, allerdings begeht der Versicherungsnehmer eine Obliegenheitsverletzung, wenn er der Weisung zur Streitwertbeschwerde nicht nachkommt. S. Rn. 872 ff. 5. Kein Verlust des Beschwerderechts durch Einverständnis mit der Festsetzung

247

Soweit sich eine Partei, ein sonstiger Beteiligter oder ein Verfahrensbevollmächtigter mit der Wertfestsetzung einverstanden erklärt hat, liegt darin noch kein Verzicht auf sein Beschwerderecht.1 Ebenso wenig liegt darin ein Wegfall der Beschwer.

248

Das folgt schon daraus, dass der gerichtliche Streitwert nicht zur Disposition der Beteiligten steht, sondern von Amts wegen stets richtig festzusetzen ist. Bei besserer Erkenntnis kann jeder Beteiligte oder Verfahrensbevollmächtigte innerhalb der Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG die Korrektur des Streitwertes, notfalls im Wege der Beschwerde, verlangen.

249

Anders verhalten dürfte es sich dagegen, wenn ein Prozessbevollmächtigter ausdrücklich auf sein Recht zur Streitwertbeschwerde verzichtet hat. 1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.10.2009 – 4 W 41/09, MDR 2010, 404 = JurBüro 2010, 200; OLG Celle, Beschl. v. 13.5.2005 – 16 W 46/05, JurBüro 2005, 429 = MDR 2005, 1137.

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Verfahrensrecht 6. Zulässigkeit a) Überblick Die Beschwerde gegen eine Wertfestsetzung ist nur zulässig, – wenn der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 200 Euro übersteigt (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG) oder – die Beschwerde von dem Gericht, dessen Wertfestsetzung angegriffen werden soll, in seinem Beschluss, der die Wertfestsetzung enthält, zugelassen worden ist (§ 68 Abs. 1 Satz 2 GKG). Die Zulassung kann auch vom Berufungs- oder Beschwerdegericht ausgesprochen werden, wenn es die erstinstanzliche Festsetzung von Amts wegen abändert.

250

b) Beschwer Voraussetzung ist sowohl bei der wertabhängigen als auch bei der zugelassenen Beschwerde, dass eine Beschwer gegeben ist.

251

Die Beschwer einer Partei setzt grundsätzlich voraus, dass sie zur Zahlung oder Erstattung von Anwalts- oder Gerichtskosten verpflichtet ist und sie einen geringeren Streitwert geltend macht, sodass sie im Falle einer Abänderung geringere Kosten treffen würde. Eventuelle Erstattungsansprüche gegen Dritte haben dabei außer Ansatz zu bleiben, da deren Realisierung ungewiss ist.

252

* Æ Beispiel: Die gesamten Kosten des Verfahrens sind dem Kläger auferlegt worden. Der Beklagte ist beschwert, da er nach dem festgesetzten Streitwert seinem Anwalt die Vergütung schuldet. Die Beschwer fällt nicht dadurch weg, dass er in derselben Höhe einen Erstattungsanspruch gegen den Kläger hat, da nicht feststeht, ob er seine Forderung dort wird realisieren können.

Eine Beschwer der Partei kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass ihr Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Sie ist nämlich nicht von Erstattungsansprüchen Dritter befreit (§ 123 ZPO) und haftet im Falle von Ratenzahlungen oder Aufhebung der Prozesskostenhilfe auf die Gerichts- und Wahlanwaltskosten des eigenen Anwalts.

253

Nur ausnahmsweise kann eine Partei auch einmal durch einen zu geringen Wert beschwert sein, nämlich dann, wenn sie mit ihrem Anwalt eine wertunabhängige Vergütungsvereinbarung getroffen hat und bei einem höheren Streitwert einen höheren Erstattungsanspruch erzielen würde.1

254

Eine Beschwer der Landeskasse kann sich zum einen durch einen zu hohen Streitwert ergeben, nämlich dann, wenn aufgrund dessen eine höhere Vergütung an die beigeordneten Anwälte auszuzahlen ist. Die Landeskasse kann

255

1 OLG Düsseldorf AGS 2006, 188 mit Anm. N. Schneider = MDR 2006, 297; OLG Celle, Beschl. v. 20.1.1992 – 1 Ws 321/91, JurBüro 1992, 761; VGH München, Beschl. v. 20.5.1996 – 2 C 96.526, NVwZ-RR 1997, 195 = BayVBl. 1997, 188; VGH Mannheim, Beschl. v. 24.6.2002 – 10 S 2551/01, NVwZ-RR 2002, 900; OVG Kassel, Beschl. v. 9.4.1976 – IV TE 4/76, DÖV 1976, 607; OVG Bautzen, Beschl. v. 7.1.2004 – 1 E 179/ 03, NJ 2004, 280 = SächsVGl. 2004, 89; VGH Kassel, Beschl. v. 28.1.1975 – II 126/74, KostRsp. VwGO § 146 Nr. 9 = ZMR 1977, 112; OVG Bautzen, Beschl. v. 1.3.2006 – 2 E 324/05 DÖV 2007, 172 = NJ 2006, 280 = NVwZ-RR 2006, 654 = RVGreport 2006, 240; OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.8.2009 – 6 W 182/08, AGkompakt 2010, 26.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG auch durch einen zu geringen Wert beschwert sein, weil sie dann nur geringere Gerichtsgebühren einziehen kann. 256

Der Anwalt wiederum kann nur durch einen zu geringen Wert beschwert sein, da er dann seine Vergütung nur nach dem geringeren Wert abrechnen kann.

257

Ist der Anwalt im Wege der Prozesskostenhilfe oder anderweitig beigeordnet worden, ist gleichwohl auf die Differenz der Wahlanwaltsgebühren abzustellen, da dem Anwalt insoweit ein weiter gehender Anspruch gegen den Auftraggeber zusteht, der unter den Voraussetzungen des § 50 RVG ggf. noch innerhalb der nächsten vier Jahre geltend gemacht werden kann. Abgesehen davon können sich auch Erstattungsansprüche gegen Dritte ergeben (§ 126 ZPO). Daher ist für ihn auch dann eine Beschwer gegeben, wenn die Höchstbeträge des § 49 RVG bereits erreicht sind.

258

Voraussetzung für alle Beteiligten ist stets, dass sich durch die Wertveränderung auch eine Veränderung der daraus berechneten Kosten ergibt. Daher ist keine Beschwer gegeben, wenn lediglich eine Wertänderung innerhalb derselben Gebührenstufe beantragt werden soll.

* Æ Beispiel: Der Anwalt beantragt, den Streitwert von 55.000 Euro auf 65.000 Euro heraufzusetzen. Da die Wertstufe von 50.000 Euro bis 65.000 Euro reicht, würde eine höhere Festsetzung keinen Einfluss auf die Vergütung haben, sodass eine Beschwerde unzulässig wäre.

259

Ebenso ist für die Landeskasse keine Beschwer gegeben, wenn sie eine Herabsetzung des Streitwertes oberhalb der Grenze des § 49 RVG beantragt, da sie ohnehin nie mehr als die Höchstbeträge zahlen muss. c) Zugelassene Beschwerde aa) Überblick

260

Die Beschwerde gegen die endgültige Wertfestsetzung ist wertunabhängig zulässig, wenn sie – vom Amtsgericht oder Landgericht in seinem Streitwertfestsetzungsbeschluss oder – vom Landgericht als Berufungs- oder Beschwerdegericht in seiner von Amts wegen ergangenen Abänderung des erstinstanzlichen Streitwerts zugelassen worden ist (§ 68 Abs. 1 Satz 2 GKG).

261

Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden, selbst wenn das Ausgangsgericht oder das Landgericht als Rechtsmittelgericht im Falle der amtswegigen Abänderung die grundsätzliche Bedeutung zu Unrecht bejaht hat (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 4 GKG). Es muss sich allerdings um eine wirksame Zulassung handeln (s. Rn. 262 ff.). bb) Keine nachträgliche Zulassung

262

Die Zulassung der Beschwerde muss in dem Beschluss, der die Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG enthält, ausgesprochen worden sein (§ 68 Abs. 1 Satz 2 GKG). Eine nachträgliche Zulassung der Beschwerde ist grund42

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Verfahrensrecht sätzlich nicht möglich; ebenso wenig eine Anfechtung der Nichtzulassung (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 4, 2. Halbs. 2 GKG). Das Beschwerdegericht ist an eine unzulässige nachträgliche Zulassung der Beschwerde nicht gebunden. Die Bindungswirkung der Zulassung erstreckt sich nur auf eine zulässige und statthafte Beschwerdezulassung. Soweit also eine nachträgliche Zulassung erfolgt ist, muss das Beschwerdegericht im Rahmen der Zulässigkeit prüfen, ob hier ein Fall vorliegt, in dem die Zulassung „nachgeholt“ werden durfte (s. Rn. 265 ff.).

263

Von einer nicht statthaften nachträglichen Zulassung zu unterscheiden ist eine zulässige Änderung der Ausgangsentscheidung infolge Berichtigung, Ergänzung oder Gehörsrüge. In diesem Fall liegt keine gesonderte nachträgliche Zulassung vor. Vielmehr wird die Zulassung Bestandteil der Ausgangsentscheidung.

264

cc) Berichtigung Analog § 319 ZPO kann ein fehlerhafter Beschluss jederzeit berichtigt werden. Beruht also der fehlende Ausspruch über die Zulassung der Beschwerde auf einem Schreibfehler oder einer ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit, kann dieser Fehler jederzeit analog § 319 ZPO berichtigt und die Zulassung ausgesprochen werden.1 Das Versehen des Ausgangsgerichts muss sich aus dem Zusammenhang der Entscheidung selbst oder zumindest aus den Vorgängen bei der Beschlussfassung ergeben und auch für Dritte ohne Weiteres deutlich sein. Faktisch handelt es sich nicht um eine nachträgliche Entscheidung über die Zulassung, sondern nur um die Korrektur eines Fehlers im ursprünglichen Beschluss.

265

dd) Ergänzung Hat das Gericht übersehen, über die Zulassung zu entscheiden, so ist eine Ergänzung des Beschlusses möglich, wenn die Entscheidung über die Zulassung übergangen worden ist (analog § 321 ZPO). Ein solcher Fall ist insbesondere dann gegeben, wenn die Zulassung ausdrücklich beantragt worden ist, das Gericht aber diesen „Antrag“ übergangen hat.

266

Hat das Gericht die Beschwerde nicht zugelassen, weil es der Auffassung war, es bestehe kein Zulassungsgrund, dann darf es diese jedoch nicht nachholen.

267

Hat das Ausgangsgericht dagegen übersehen, die Frage der Zulassung zu prüfen, weil es irrtümlich davon ausgegangen ist, der Wert des Beschwerdegegenstands von über 200 Euro sei erreicht und die Beschwerde daher ohnehin zulässig, sodass sie nicht gesondert zugelassen werden bräuchte, kommt eine Abänderung oder nachträgliche Zulassung in Betracht. Nimmt das Beschwerdegericht einen Wert von unter 200,01 Euro an, dann muss es die Sache zunächst dem Ausgangsgericht zurückgeben, damit dieses nunmehr die unterbliebene Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde nachholt.2

268

1 BGH, Beschl. v. 14.9.2004 – VI ZB 61/03, AGS 2004, 480 = AnwBl. 2004, 729 = Rpfleger 2005, 51 = NJW 2005, 156 = MDR 2005, 103 = JurBüro 2005, 35 = FamRZ 2004, 1962. 2 BGH, Beschl. v. 27.4.2010 – VIII ZB 91/09, AGS 2010, 518 = NJW-Spezial 2010, 507 = FamRZ 2010, 1248 = MDR 2010, 886.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

* Æ Beispiel: In seinem Wertfestsetzungsbeschluss führt das Amtsgericht aus, einer Zulassung der Beschwerde bedürfe es nicht, da sich die Gebührendifferenz zwischen dem festgesetzten und dem beantragten Streitwert auf mehr als 200 Euro belaufe. Tatsächlich liegt die Differenz unter 200 Euro. Das Landgericht muss jetzt zunächst die Sache an das Amtsgericht zurückgeben, damit dieses nunmehr über die Zulassung entscheidet.

ee) Gehörsrüge 269

Möglich ist die „nachträgliche“ Zulassung auf eine begründete Gehörsrüge hin (§ 69a GKG), wenn also die Nichtzulassung der Beschwerde auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhte.

270

Hat das Gericht über die Nichtzulassung der Beschwerde unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör entschieden, und wird gegen den Beschluss Gehörsrüge eingelegt (§ 69a GKG), so kann das Gericht seine Entscheidung abändern. Ein solcher Fall ist z.B. gegeben, wenn das Gericht den Beteiligten keine Gelegenheit gegeben hat, auf divergierende Rechtsprechung und damit eine zwingende Divergenzzulassung hinzuweisen. ff) Abhilfeentscheidung

271

Ändert das Gericht auf eine Gegenvorstellung hin seine ursprüngliche Wertfestsetzung ab, wozu es nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG innerhalb der Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG berechtigt ist, dann liegt ein neuer Festsetzungsbeschluss nach § 63 Abs. 2 GKG vor, der jetzt auch wieder eine Zulassung enthalten darf. Das gilt insbesondere dann, wenn sich aus der geänderten Rechtsauffassung des Gerichts jetzt erstmals der Zulassungsgrund ergibt.

272

Ein Verstoß gegen § 68 Abs. 1 Satz 2 GKG liegt nicht vor, weil Gegenstand der Anfechtung jetzt nicht der abgeänderte Ausgangsbeschluss ist, sondern der Abhilfebeschluss und dieser enthält die Zulassung, sodass die Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 Satz 2 GKG gegeben sind.

* Æ Beispiel: Das Gericht hat den Streitwert festgesetzt. Eine Beschwerde kommt nicht in Betracht, da die Beschwer von mehr als 200 Euro nicht erreicht ist. Nunmehr wird Gegenvorstellung erhoben. Das Gericht ändert, wozu es nach § 63 Abs. 3 GKG berechtigt ist, den Streitwert ab. Mit seiner Abänderungsentscheidung kann es die Beschwerde zulassen, wenn sich aus der Abänderung jetzt ein Zulassungsgrund ergibt, etwa weil die Abänderung in Divergenz zu anderweitiger Rechtsprechung steht.

d) Zulassungsfreie Beschwerde aa) Überblick 273

Ist die Beschwerde nicht zugelassen, so muss der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigen, also mindestens 200,01 Euro betragen. Dabei kommt es nicht auf die Differenz zwischen dem begehrten und dem festgesetzten Streitwert an, sondern auf die Differenz der Kosten, die sich nach dem festgesetzten und dem begehrten Streitwert ergibt. 44

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Verfahrensrecht – Legt der Anwalt gem. § 32 Abs. 2 RVG die Beschwerde ein, so ist lediglich auf die Differenz seiner Vergütung nach dem festgesetzten und dem beantragten Wert abzustellen. Ist der Anwalt im Wege der Prozesskostenhilfe oder anderweitig beigeordnet worden, ist gleichwohl auf die Differenz der Wahlanwaltsgebühren abzustellen, da dem Anwalt insoweit ein weiter gehender Anspruch gegen die Partei zusteht, der unter den Voraussetzungen des § 50 RVG ggf. noch innerhalb der nächsten vier Jahre geltend gemacht werden kann. Abgesehen davon können sich auch Erstattungsansprüche gegen Dritte ergeben (§ 126 ZPO). – Wird die Beschwerde im Namen einer Partei mit dem Ziel der Herabsetzung des Wertes eingelegt, so ist – zunächst immer die Differenz der Gebühren, die die Partei ihrem Rechtsanwalt schuldet, nach dem festgesetzten und dem beantragten Wert zu berücksichtigen und darüber hinaus, – soweit die Partei als Kostenschuldner (auch Zweitschuldner) für die Gerichtskosten in Betracht kommt, auch die Differenz der Gerichtskosten zwischen den jeweiligen Werten und – soweit die Partei auch noch zur Kostenerstattung an den Gegner verpflichtet ist, auch noch die Differenz des Erstattungsbetrages nach dem festgesetzten und dem begehrten Wert. – Wird die Beschwerde im Namen einer Partei mit dem Ziel der Heraufsetzung des Wertes eingelegt (zur ausnahmsweisen Zulässigkeit s. Rn. 254), so ist auf die Differenz der zu erstattenden Anwaltsvergütung nach dem festgesetzten und dem beantragten Wert abzustellen. bb) Berechnungsbeispiele zum Wert des Beschwerdegegenstands (1) Berechnung des Beschwerdewerts bei vollem Unterliegen mit eigener Kostenerstattungspflicht Ist die Partei unterlegen und hat sie die Kosten des Verfahrens zu tragen, ist wie folgt vorzugehen:

274

Erster Schritt:

275

Zu ermitteln sind zunächst nach dem festgesetzten Wert die – an den eigenen Anwalt zu zahlenden Gebühren, – die ggf. an das Gericht gezahlten oder noch zu zahlenden Verfahrensgebühren (bzw. die der Gegenseite zu erstattenden Verfahrensgebühren, soweit diese sie an die Gerichtskasse bereits gezahlt hat) sowie – die ggf. der Gegenseite zu erstattenden Anwaltsgebühren. Parteikosten und sonstige Auslagen, die wertunabhängig sind, bleiben hier – im Gegensatz zur Berechnung des Beschwerdewerts bei der Kostenfestsetzung - außer Ansatz, da die Abänderung der Wertfestsetzung keinen Einfluss auf deren Höhe haben kann.

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Zweiter Schritt:

277

Gegenüberzustellen sind dann die entsprechenden Positionen, wie sie sich nach der angestrebten Wertfestsetzung ergeben würden.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG

* Æ Beispiel: Der Beklagte war von zwei Gesamtgläubigern verklagt worden. Das Gericht hat ihn antragsgemäß kostenpflichtig verurteilt und den Streitwert auf 15.000 Euro festgesetzt. Der Beklagte erstrebt eine Herabsetzung des Streitwerts auf 10.000 Euro. Es soll geprüft werden, ob eine Beschwerde für den Kläger zulässig ist. A. Abrechnung nach dem festgesetzten Wert (15.000 Euro): I. Eigene Anwaltskosten: 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme: 1.435,00 Euro 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Summe: II. Gerichtskosten: 3,0 Verfahrensgebühr, Nr. 1210 KV GKG III. Den Klägern zu erstattende Anwaltskosten: 1. 1,6-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV RVG 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme: 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Summe:

735,80 Euro 679,20 Euro 20,00 Euro 272,65 Euro 1.707,65 Euro 726,00 Euro 905,60 Euro 679,20 Euro 20,00 Euro

1.604,80 Euro 304,91 Euro 1.909,71 Euro

Gesamtbetrag I–III:

4.343,36 Euro

B. Abrechnung nach dem begehrten Wert (10.000 Euro): I. Eigene Anwaltskosten: 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme: 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Summe:

631,80 Euro 583,20 Euro 20,00 Euro 1.235,00 Euro 234,65 Euro 1.469,65 Euro

II. Gerichtskosten: 3,0 Verfahrensgebühr, Nr. 1210 KV GKG III. Den Klägern zu erstattende Anwaltskosten: 1. 1,6-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV RVG 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme: 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Summe:

588,00 Euro 777,60 Euro 583,20 Euro 20,00 Euro 1.380,80 Euro 262,35 Euro 1.643,15 Euro

Gesamtbetrag I–III:

3.700,80 Euro

Differenz A.–B.:

4.343,36 Euro 3.700,80 Euro 642,56 Euro

Wert des Beschwerdegegenstands: Die Beschwerde ist somit zulässig.

(2) Berechnung des Beschwerdewerts bei eigenem überwiegendem Obsiegen mit eigenem Kostenerstattungsanspruch 278

Sind die Kosten nach Quoten verteilt und überwiegend dem Gegner auferlegt, sodass sich ein eigener Kostenerstattungsanspruch der Partei ergibt, ist anders zu rechnen. 46

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Verfahrensrecht Zunächst sind wiederum die an den eigenen Anwalt zu zahlenden Gebühren in voller Höhe zu berücksichtigen. Der insoweit bestehende Kostenerstattungsanspruch bleibt außer Betracht, da die Kostenerstattung auf die Verpflichtung, den eigenen Anwalt zu bezahlen, keinen Einfluss hat, zumal nicht sicher ist, ob sich der Erstattungsanspruch auch realisieren lässt.

279

Soweit die Partei auch gegenüber der Staatskasse Kostenschuldner ist, sind auch die zu zahlenden Gerichtsgebühren zu beachten.

280

Die von der Gegenseite gezahlten Gerichtsgebühren und die Anwaltskosten der Gegenseite können außer Ansatz gelassen werden, da sich insoweit keine Erstattungspflicht ergibt, sondern im Gegenteil ein eigener Erstattungsanspruch.

281

* Æ Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel; die Kläger hatten die 3,0-Verfahrensgebühr bereits gezahlt; die Kosten sind zu 80 % den Klägern auferlegt worden und zu 20 % dem Beklagten. Der Beklagte erstrebt eine Herabsetzung des Streitwertes von 15.000 Euro auf 12.000 Euro. A. Abrechnung nach dem festgesetzten Wert (15.000 Euro): 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme: 1.435,00 Euro 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RV Summe: B. Abrechnung nach dem begehrten Wert (12.000 Euro): 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme: 1.335,00 Euro 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Summe: Differenz A.–B. Wert des Beschwerdegegenstands:

735,80 Euro 679,20 Euro 20,00 Euro 272,65 Euro 1.707,65 Euro 683,80 Euro 631,20 Euro 20,00 Euro 253,65 Euro 1.588,65 Euro 1.707,65 Euro 1.588,65 Euro 119,00 Euro

Die Beschwerde ist in diesem Fall nicht zulässig.

(3) Berechnung des Beschwerdewerts bei überwiegendem Unterliegen mit Kostenerstattungspflicht

* Æ Beispiel: Der Beklagte war teilweise verurteilt worden. Der Streitwert wurde auf 10.000 Euro festgesetzt. Die Kosten sind zu 20 % dem vorsteuerabzugsberechtigten Kläger und zu 80 % dem Beklagten auferlegt worden. Der Kläger hatte die 3,0-Verfahrensgebühr bereits an die Justizkasse gezahlt. Der Beklagte erstrebt eine Herabsetzung von 10.000 Euro auf 8.000 Euro. Die einzelnen Positionen sind wiederum gegenüberzustellen, wobei beim Kläger wegen dessen Vorsteuerabzugsberechtigung nur die Nettovergütung berücksichtigt werden darf.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG A. Abrechnung nach dem festgesetzten Streitwert (10.000 Euro): I. Eigene Anwaltskosten: 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme: 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Summe:

631,80 Euro 583,20 Euro 20,00 Euro 1.235,00 Euro 234,65 Euro 1.469,65 Euro

II. Gerichtskosten: 3,0 Verfahrensgebühr, Nr. 1210 KV GKG hiervon 80 % III. Dem Kläger zu erstattende Anwaltskosten: 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV RVG 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme: hiervon 80 % ./. 20 % der eigenen Anwaltskosten (1.469,65 Euro 6 20 %) Summe:

588,00 Euro 470,00 Euro 631,80 Euro 583,20 Euro 20,00 Euro 1.235,00 Euro 988,00 Euro – 293,93 Euro 694,07 Euro

Gesamtbetrag I–III:

2.633,72 Euro

B. Abrechnung nach beantragtem Streitwert (8.000 Euro): I. Eigene Anwaltskosten: 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme: 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Summe:

535,60 Euro 494,40 Euro 20,00 Euro 1.050,00 Euro 199,50 Euro 1.249,50 Euro

II. Gerichtskosten: 3,0 Verfahrensgebühr, Nr. 1210 KV GKG hiervon 80 % III. Dem Kläger zu erstattende Anwaltskosten: 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme: hiervon 80 % ./. 20 % der eigenen Anwaltskosten (1.249,50 Euro 6 20 %) Summe:

498,00 Euro 398,40 Euro 535,60 Euro 494,40 Euro 20,00 Euro 1.050,00 Euro

Gesamtbetrag I–III: Differenz A–B: Wert des Beschwerdegegenstands:

840,00 Euro – 249,90 Euro 590,10 Euro 2.238,00 Euro 2.633,72 Euro – 2.238,00 Euro 395,72 Euro

Der Beschwerdewert ist erreicht.

cc) Wert des Beschwerdegegenstands nach Teilabhilfe 282

Wird der Beschwerde teilweise abgeholfen, so ist der verbleibende Wert des Beschwerdegegenstands zu ermitteln. Sinkt der Wert des Beschwerdegegenstands infolge der Teilabhilfe auf 200 Euro oder darunter, wird die Beschwerde 48

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Verfahrensrecht unzulässig.1 Eine Entscheidung des Beschwerdegerichts in der Sache kommt dann nicht mehr in Betracht. Die Entscheidung des Ausgangsgerichts ist vielmehr endgültig. Allerdings kann das Ausgangsgericht die Beschwerde nicht selbst verwerfen. Ihm steht keine Verwerfungskompetenz zu. Die Sache ist auch in diesem Fall dem Beschwerdegericht vorzulegen, wenn die Beschwerde im Hinblick auf die Teilabhilfe und ihre damit eingetretene Unzulässigkeit nicht zurückgenommen wird.

283

Das Beschwerdegericht hat dann nach Hinweis die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, sofern sie nicht zuvor zurückgenommen wird.

284

Das Beschwerdegericht darf in diesem Fall nicht über die Höhe des Streitwerts entscheiden. Es hat auch keine Kompetenz, gem. § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG die Wertfestsetzung von Amts wegen abzuändern.

285

dd) Wert des Beschwerdegegenstands nach Teilrücknahme Wird die Beschwerde vor der Nichtabhilfeentscheidung teilweise zurückgenommen, so richtet sich der für die Zulässigkeit der Beschwerde maßgebende Wert des Beschwerdegegenstands nur nach dem verbleibenden Interesse des Beschwerdeführers. Die Beschwerde kann daher infolge der Teilrücknahme unzulässig werden, nämlich wenn dadurch der Wert des Beschwerdegegenstands auf unter 200,01 Euro sinkt.

286

Wird die Beschwerde dagegen erst nach der Nichtabhilfeentscheidung und Eingang der Akte beim Beschwerdegericht teilweise zurückgenommen, so bleibt eine bis dahin gegebene Zulässigkeit erhalten, selbst wenn dadurch der Wert des Beschwerdegegenstands auf unter 200,01 Euro sinkt.

287

7. Beschwerdefrist Die Beschwerde ist befristet. Sie muss innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG eingelegt werden (§ 68 Abs. 1 Satz 3 GKG). Zur Berechnung der Frist s. Rn. 210 ff.

288

Ist der Wert später als einen Monat vor Ablauf der Sechsmonatsfrist festgesetzt oder abgeändert worden, kann noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung der Wertfestsetzung Beschwerde eingelegt werden (§ 68 Abs. 1 Satz 3 GKG). Im Falle der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss als mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als zugestellt (§ 68 Abs. 1 Satz 4 GKG).

289

In Anbetracht der nach § 68 Abs. 3 GKG vorgesehenen Sechs-Monats-Frist ist eine zeitlich frühere Verwirkung des Beschwerderechts ausgeschlossen.2

290

1 OLG Hamm, Beschl. v. 2.2.1982 – 3 WF 5/82, JurBüro 1982, 582. 2 OLG Hamm, JurBüro 1977, 73; OLG Hamburg, MDR 1964, 931; OLG Frankfurt, Rpfleger 1960, 255.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG 8. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 291

Wird die Frist zur Einlegung der Streitwertbeschwerde versäumt, sei es also, dass die Beschwerde nicht innerhalb der Sechs-Monats-Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG oder nicht innerhalb der Monatsfrist des § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG erhoben worden ist, kann dem Beschwerdeführer vom Oberlandesgericht Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt werden (§ 68 Abs. 2 GKG).

292

Die Wiedereinsetzung wird nur auf Antrag des Beschwerdeführers gewährt. Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kommt nicht in Betracht.

293

Der Beschwerdeführer muss ohne sein Verschulden verhindert gewesen sein, die Frist einzuhalten. Das Verschulden eines Verfahrensbevollmächtigten ist dem Beteiligten zuzurechnen (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. §§ 66 Abs. 5 Satz 2 GKG, 85 Abs. 2 ZPO).

294

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses zu stellen. Innerhalb derselben Frist muss auch die Beschwerde nachgeholt werden. Des Weiteren müssen innerhalb der Frist die Tatsachen, die die Wiedereinsetzung begründen sollen, glaubhaft gemacht werden (§ 68 Abs. 2 Satz 1 GKG).

295

Nach Ablauf eines Jahres seit Ende der versäumten Frist an ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung unzulässig (§ 68 Abs. 2 Satz 2 GKG).

296

Zwar entscheidet über den Wiedereinsetzungsantrag das Beschwerdegericht; da die nachgeholte Beschwerde jedoch zwingend bei dem Gericht einzureichen ist, dessen Entscheidung angefochten wird (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 Satz 5 GKG), gilt dies auch für den Wiedereinsetzungsantrag selbst (§ 68 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. § 66 Abs. 5 Satz 1 GKG).

297

Über die Wiedereinsetzung entscheidet alleine das Beschwerdegericht. Das Ausgangsgericht muss also, wenn es vom Ablauf der Beschwerdefrist ausgeht, ohne eigene Entscheidung die Sache dem Beschwerdegericht vorlegen. Eine Abhilfe durch das Ausgangsgericht ist zunächst nicht möglich. Es handelt sich insoweit um eine Frage der Zulässigkeit der Beschwerde, für die dem Ausgangsgericht keine Entscheidungskompetenz zusteht.

298

Gibt das Beschwerdegericht dem Wiedereinsetzungsantrag statt, hat es die Sache dem Ausgangsgericht zurückzugeben, das nunmehr über die Abhilfe zu entscheiden hat.

Muster: Beschwerde mit Wiedereinsetzungsantrag An das ...gericht In dem Rechtsstreit ... ./. ... lege ich namens des Klägers gegen den Streitwertbeschluss vom ... Beschwerde ein und beantrage gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. 50

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Verfahrensrecht Begründung: I. Wiedereinsetzung (es folgen die Gründe zur schuldlosen Versäumung der Beschwerdefrist mit Glaubhaftmachung) II. Streitwertfestsetzung (es folgen die Gründe zum Angriff der Wertfestsetzung) Rechtsanwalt

9. Form Die Beschwerde kann schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingereicht werden (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 Satz 1, 1. Halbs. GKG). § 129a ZPO gilt entsprechend (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 Satz 1, 2. Halbs. GKG). Einer darüber hinausgehenden besonderen Form bedarf die Beschwerde nicht.

299

Ein bestimmter Antrag ist nicht erforderlich, da das Gericht von Amts wegen zutreffend zu entscheiden hat (§ 63 Abs. 3 GKG). Gleichwohl ist ein Antrag oder eine Begründung sachdienlich, vor allen Dingen, weil anderenfalls ggf. Schwierigkeiten bestehen, im Falle des § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG den erforderlichen Beschwerdewert zu berechnen.

300

Für das Beschwerdeverfahren besteht kein Anwaltszwang, und zwar auch dann nicht, wenn in dem zugrunde liegenden Verfahren Anwaltszwang besteht. Die Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwertes kann daher auch die Partei selbst einlegen.

301

10. Aufschiebende Wirkung, Einstellung der Zwangsvollstreckung Eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts hat keine aufschiebende Wirkung.

302

Allerdings ist ein laufendes Kostenfestsetzungsverfahren auszusetzen, bis über den Streitwert abschließend entschieden worden ist.1

303

Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nicht vorgesehen, da § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG die Vorschrift des § 66 Abs. 7 GKG von einer Verweisung ausdrücklich ausnimmt.2 Ungeachtet dessen kann die Gerichtskasse mit der Beitreibung der Kosten abwarten, bis über den Wert rechtskräftig entschieden ist. Sie ist dazu aber nicht verpflichtet.

304

11. Abhilfeverfahren Auf die Beschwerde hin hat das Ausgangsgericht zunächst zu prüfen, ob der Beschwerde abzuhelfen ist (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 1 GKG).

305

Das weitere Verfahren richtet sich danach, ob und ggf. in welchem Umfang abgeholfen wird:

306

1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2010 – 6 W 21-23/10, AGS 2010, 568; für das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG ist dies in § 11 Abs. 4 RVG ausdrücklich geregelt. 2 KG, Rpfleger 1962, 121.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG – Soweit der Beschwerde in vollem Umfang abgeholfen wird, erübrigt sich die Vorlage an das Beschwerdegericht. – Soweit der Beschwerde nicht abgeholfen wird, ist die Sache alsdann dem Beschwerdegericht vorzulegen, das hierüber entscheidet. – Soweit der Beschwerde teilweise abgeholfen wird, ist zu differenzieren: Bleibt die Beschwerde zulässig, weil – der verbleibende Beschwerdegegenstand den erforderlichen Betrag von 200 Euro immer noch übersteigt oder – die Beschwerde zugelassen worden war, ist sie dem Beschwerdegericht vorzulegen. Ist die Beschwerde unzulässig geworden, – weil der verbleibende Beschwerdegegenstand den erforderlichen Betrag von 200 Euro nicht (mehr) übersteigt und – die Beschwerde auch nicht zugelassen worden ist, muss das Ausgangsgericht dem Beschwerdeführer die Möglichkeit geben, aufgrund der Teilabhilfe seine jetzt unzulässig gewordene Beschwerde zurückzunehmen. Wird die Beschwerde nicht zurückgenommen, muss die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt werden. Das Ausgangsgericht hat keine Verwerfungskompetenz. 307

Das Beschwerdegericht hat den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren. Dazu gehört zumindest, dass die Beschwerde nebst Begründung den übrigen Verfahrensbeteiligten zur Stellungnahme übermittelt wird. Legt ein Verfahrensbevollmächtigter Heraufsetzungsbeschwerde ein, so ist die Beschwerde den Beteiligten unmittelbar zuzustellen und nicht deren Verfahrensbevollmächtigten, da insoweit gegenläufige Interessen bestehen und die Beteiligten unmittelbar mit eigenen Interessen am Verfahren beteiligt sind.

308

Im Verfahren der Streitwertbeschwerde gilt wegen des Grundsatzes der Streitwertwahrheit das Verschlechterungsverbot (reformatio in peius) nicht.1 Das Gericht kann also auch im Abhilfeverfahren entgegen dem Antrag des Beschwerdeführers festsetzen. Es kann auf eine Heraufsetzungsbeschwerde hin den Wert herabsetzen und auf eine Herabsetzungsbeschwerde hin den Wert heraufsetzen.

309

Die Entscheidung über die Nichtabhilfe ist zu begründen. Soweit die Beschwerde neues Vorbringen und neue Argumente enthält, muss der Nichtabhilfebeschluss erkennen lassen, dass sich das Ausgangsgericht damit auseinander gesetzt hat. Inhaltsleere Floskeln reichen dazu nicht aus.2 12. Erneute Beschwerdemöglichkeit gegen Abhilfeentscheidung

310

Gegen die Abhilfeentscheidung kann wiederum Beschwerde oder auch Anschlussbeschwerde erhoben werden.

311

Hilft das Ausgangsgericht der Beschwerde in vollem Umfang ab, kann nunmehr ein anderer Beteiligter durch die Entscheidung erstmals beschwert sein, 1 Anders dagegen im Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG (s. Rn. 800). 2 LG Verden, Beschl. v. 24.6.2010 – 1 T 76/10; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 3.2.2010 – 9 WF 123/09; OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.11.2009 – 11 W 59/09, MDR 2010, 344.

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Verfahrensrecht sodass er hiergegen jetzt Beschwerde einlegen kann. Das gilt auch dann, wenn zwischenzeitlich die Sechs-Monats-Frist abgelaufen ist. Die neue Beschwerde muss dann innerhalb eines weiteren Monats eingelegt werden (§ 68 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 GKG). Voraussetzung ist, dass der Wert des Beschwerdegegenstands mehr als 200 Euro beträgt. Entweder muss also die Abhilfeentscheidung selbst einen Beschwerdegegenstand von mehr als 200 Euro geschaffen haben oder aus dem Zusammenspiel von Ausgangsentscheidung und Abhilfe muss sich zusammen ein Wert des Beschwerdegegenstands von über 200 Euro ergeben.

312

Das Gericht kann in seiner Abhilfeentscheidung aber auch die Beschwerde zulassen (§ 68 Abs. 1 Satz 2 GKG), wenn die Abhilfeentscheidung grundsätzliche Bedeutung hat oder von der Entscheidung anderer Gerichte abweicht.

313

Soweit das Gericht der Beschwerde teilweise abhilft und es die Sache wegen des nicht abgeholfenen Teils dem Beschwerdegericht vorlegen muss, kann der durch die Teilabhilfe erstmals beschwerte Beteiligte Anschlussbeschwerde erheben. Eine Zulassung oder das Erreichen eines bestimmten Wertes ist für die Anschlussbeschwerde nicht erforderlich.

314

Muster: Beschwerde gegen endgültige Wertfestsetzung (Herabsetzungsbeschwerde) Amtsgericht ... In Sachen ... ./. ... lege ich namens des Beklagten gegen die Festsetzung des Streitwertes Beschwerde ein. Begründung: Das Gericht hat den Streitwert gem. § 45 Abs. 3 GKG auf 4.000 Euro festgesetzt, weil es der Ansicht ist, hier liege eine den Streitwert erhöhende Aufrechnung vor. Diese Auffassung ist unzutreffend. Der Wert der Klageforderung auf Zahlung von Anwaltshonorar ist unstreitig mit dem verlangten Betrag von 2.000 Euro festzusetzen. Soweit der Beklagte hilfsweise Schlechterfüllung einwendet und einen Schadensersatzanspruch geltend gemacht hat, liegt kein Fall der Aufrechnung vor. Der Beklagte hatte vielmehr einen „Freihaltungsanspruch“ geltend gemacht. Er hatte eingewandt, dass er aufgrund der fehlerhaften Beratung einen Schadensersatzanspruch habe, der darauf gehe, dass der Kläger die durch seine fehlerhafte Beratung entstandenen Mehrkosten erst gar nicht geltend machen darf (sog. „dolo-agit-Einwand“). Ein solcher Einwand führt aber nicht zu einer Wertaddition nach § 45 Abs. 3 GKG. Es bleibt vielmehr bei dem einfachen Wert der Klageforderung (s. hierzu OLG Düsseldorf, MDR 2001, 113). Rechtsanwalt

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG Muster: Beschwerde gegen endgültige Wertfestsetzung (Heraufsetzungsbeschwerde mit Zulassungsantrag) An das ...gericht ... In Sachen ... ./. ... lege ich in eigenem Namen gegen den Streitwertbeschluss vom ... Beschwerde ein und beantrage, den Streitwert für das Verfahren auf 7.440 Euro festzusetzen. Begründung: Zugrunde liegt eine Räumungsklage, sodass sich der Streitwert gem. § 41 Abs. 2 GKG nach dem Jahreswert der Nutzungen, richtet, der hier mit dem Jahreswert der Miete anzunehmen ist. Davon ist auch das Amtsgericht ausgegangen. Es hat jedoch lediglich die aktuelle Kaltmiete in Höhe 500 von zugrunde gelegt. Es übersieht jedoch, dass hier eine Staffelmietvereinbarung zugrunde liegt. Nach dieser Vereinbarung erhöht sich die monatliche Miete jeweils zum Anfang eines Jahres um 30 Euro. Für den Streitwert des Verfahrens ist daher der höchste Jahreswert der restlichen Mietlaufzeit zugrunde zu legen (BGH, MDR 2006, 384 = NZM 2005, 944; NZM 2007, 935). Da das Mietverhältnis hier auf fünf Jahre befristet war, ist somit der Wert des fünften Jahres (12 6 620 Euro =) 7.440 Euro zugrunde zu legen. Sollte das Gericht der Beschwerde nicht abhelfen, wird beantragt, gem. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 GKG die weitere Beschwerde zuzulassen, Rechtsanwalt

13. Verfahren vor dem Beschwerdegericht a) Zuständigkeit 315

Das Beschwerdegericht entscheidet nach § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde.

316

Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG).

317

Wird eine Entscheidung des Landgerichts angefochten und hatte die Kammer den Wert festgesetzt, dann ist beim Oberlandesgericht der Senat zuständig. Eine Übertragung auf den Einzelrichter sieht das GKG – im Gegensatz zur ZPO (§ 348a ZPO) – nicht vor. Sie ist daher unzulässig.1 1 A.A. Meyer, § 68 GKG Rn. 56.

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Verfahrensrecht Ein Kollegium entscheidet immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 3 GKG).

318

Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 4 GKG).

319

b) Bindungswirkung der Zulassung Das Beschwerdegericht ist an eine Zulassung der Beschwerde durch das Ausgangsgericht gebunden (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 4 GKG).

320

Es hat allerdings zu prüfen, ob die Zulassung wirksam ist, insbesondere, ob sie in dem angefochtenen Beschluss ausgesprochen worden ist. An unwirksame Zulassungen – etwa nachträgliche Zulassungen (s. Rn. 262 ff.) – ist das Beschwerdegericht nicht gebunden.

321

c) Verfahren Das Beschwerdegericht prüft zunächst die Zulässigkeit, insbesondere die Formalien und die Frist in eigener Kompetenz.

322

Es prüft insbesondere auch, ob der erforderliche Beschwerdewert gegeben ist, wenn die Beschwerde nicht zugelassen worden ist.

323

Hat das Ausgangsgericht ersichtlich einen Wert des Beschwerdegegenstands von über 200 Euro angenommen und daher über die Zulassung der Beschwerde nicht entschieden, muss das Beschwerdegericht, wenn es den erforderlichen Wert des Beschwerdegegenstands für nicht erreicht hält, die Sache dem Ausgangsgericht zurückgeben, damit dieses über die Frage der Zulassung im Wege der Beschlussergänzung entscheidet.1

324

Ist der Wert des Beschwerdegegenstands infolge einer Teilabhilfe unter 200,01 Euro gesunken, so hat das Beschwerdegericht die Beschwerde – nach Hinweis – als unzulässig zu verwerfen. Es hat keine Abänderungsmöglichkeit. Insbesondere gilt § 66 Abs. 3 Satz 1 GKG nicht, da diese Abänderungsmöglichkeit eine zulässige Beschwerde voraussetzt.

325

Auch das Beschwerdegericht hat den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren. Verstöße hiergegen können mit der Gehörsrüge nach § 69a GKG geltend gemacht werden, wobei wegen der Möglichkeit der Gegenvorstellung der Gehörsrüge kaum Bedeutung zukommt (s. u. Rn. 341).

326

d) Entscheidung aa) Form Das Beschwergericht entscheidet durch Beschluss. Die Beschwerdeentscheidung kann formlos mitgeteilt werden. Eine förmliche Zustellung ist grundsätzlich nicht erforderlich.

327

Hat das Beschwerdegericht allerdings den Streitwert abweichend vom Ausgangsgericht festgesetzt und ist bereits ein Kostenfestsetzungsbeschluss auf

328

1 BGH, Beschl. v. 27.4.2010 – VIII ZB 91/09, AGS 2010, 518 = NJW-Spezial 2010, 507 = FamRZ 2010, 1248 = MDR 2010, 886.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG der Grundlage der früheren Wertfestsetzung ergangen, dann ist eine Zustellung erforderlich, weil dadurch dann die Frist nach § 107 Abs. 2 ZPO ausgelöst wird. 329

Ebenso ist eine förmliche Zustellung erforderlich, wenn das Beschwerdegericht die weitere Beschwerde zugelassen hat, da diese befristet ist (§ 68 Abs. 1 Satz 6 GKG). bb) Rückgabe wegen fehlender oder mangelhafter Abhilfeentscheidung

330

Fehlt eine Abhilfeentscheidung des Ausgangsgerichts, so liegt darin grundsätzlich ein Verfahrensmangel, der dazu führt, dass die Akten dem Ausgangsgericht zurückzugeben sind, damit es zunächst über die Abhilfe entscheidet. Dies ist keine unnötige Förmelei. Sofern das Ausgangsgericht abhilft, kommt eine Beschwerde nämlich nicht mehr in Betracht. Sofern der Beschwerdewert infolge einer Teilabhilfe unter den Beschwerdewert fällt, wäre die Beschwerde ebenfalls unzulässig.

331

Soweit der Abhilfebeschluss mangelhaft ist, etwa weil er sich mit den mit der Beschwerde vorgebrachten Gründen nicht auseinander setzt, ist die Nichtabhilfeentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Abhilfe dem Ausgangsgericht zurückzugeben.

332

Zu beachten ist, dass in diesem Fall nur die Nichtabhilfeentscheidung aufzuheben ist, nicht auch die Ausgangsentscheidung über die Wertfestsetzung. cc) Zurückverweisung

333

Ist sogar die Ausgangsentscheidung mangelhaft, so kann das Beschwerdegericht auch die Festsetzung des Ausgangsgerichts selbst aufheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die endgültige Wertfestsetzung an das Ausgangsgericht zurückverweisen. Das ist z.B. der Fall, wenn weder der Wertfestsetzungsbeschluss noch die Nichtabhilfeentscheidung eine Begründung enthält.1 dd) Entscheidung in der Sache

334

Entscheidet das Beschwerdegericht in der Sache, besteht keine Bindung an die Anträge der Beteiligten. Insoweit gilt § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Da auch das Rechtsmittelgericht den Streitwert innerhalb der Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG jederzeit von Amts wegen abändern darf, ist es nicht an die Anträge der Beteiligten gebunden.

335

Insbesondere gilt hier nicht das Verschlechterungsverbot (reformatio in peius). Das Beschwerdegericht kann also auch zum Nachteil des Beschwerdeführers entscheiden und den Wert im Falle einer Heraufsetzungsbeschwerde herabsetzen oder im Falle einer Herabsetzungsbeschwerde heraufsetzen (s. Rn. 308).

336

Zu einer Entscheidung in der Sache ist das Beschwerdegericht aber nur berufen, wenn die Beschwerde zulässig ist. Das Oberlandesgericht kann nicht von seinem Abänderungsrecht nach § 63 Abs. 3 GKG Gebrauch machen, da dies eine zulässige Beschwerde voraussetzt. 1 OLG Jena, Beschl. v. 27.3.2000 – 1 WF 56/00, FamRZ 2001, 780.

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Verfahrensrecht ee) Zulassung der weiteren Beschwerde Hat das Landgericht über die Streitwertbeschwerde entschieden, so muss es auch gleichzeitig darüber entscheiden, ob es die weitere Beschwerde zulässt. Nach § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 4 GKG ist die weitere Beschwerde zulässig, wenn das Landgericht sie in seiner Beschwerdeentscheidung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat.

337

Auch hier muss die Zulassung in der Entscheidung, also in der Beschwerdeentscheidung ausgesprochen werden. Eine nachträgliche Zulassung ist nicht möglich. In Betracht kommen allerdings Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung aufgrund einer Gehörsrüge (s. Rn. 262 ff.).

338

ff) Anfechtung Soweit das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden hat, kommt gem. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 GKG die weitere Beschwerde in Betracht, allerdings nur, wenn das Landgericht diese auch zugelassen hat.

339

Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts als Beschwerdegericht ist unanfechtbar, da die weitere Beschwerde nur gegen Entscheidungen des Landgerichts zulässig ist und im Übrigen ohnehin eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht stattfindet (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

340

Möglich ist allerdings, dass das Landgericht und das Oberlandesgericht seine Entscheidung auf eine Gegenvorstellung in Anwendung des § 63 Abs. 3 GKG nachträglich ändern. Darüber hinaus ist eine Berichtigung oder eine Ergänzung möglich.

341

Ebenso ist eine Gehörsrüge nach § 69a GKG möglich, die in der Regel allerdings überflüssig ist, weil innerhalb der Frist des § 66 Abs. 3 GKG eine Gegenvorstellung in Betracht kommt, die zur Änderung der Wertfestsetzung führen kann.

342

X. Weitere Beschwerde Eine weitere Beschwerde kommt nur gegen Beschwerdeentscheidungen des Landgerichts in Betracht (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 GKG).

343

Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht sie zugelassen hat. Die Nichtzulassung ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 Satz 4, Abs. 3 Satz 4 Halbs. 2 GKG).

344

Das Oberlandesgericht ist an die Zulassung der weiteren Beschwerde gebunden (§ 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i.V.m. § 66 Abs. 4 Satz 4, Abs. 3 Satz 4, 1. Halbs. GKG).

345

Eine Mindestbeschwer ist für die weitere Beschwerde nicht erforderlich.

346

Die weitere Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 ZPO gelten entsprechend (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 4 Satz 2 GKG).

347

Die weitere Beschwerde ist befristet. Sie muss innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts eingelegt werden (§ 68 Abs. 1 Satz 6 GKG).

348

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG 349

Im Übrigen entspricht das Verfahren dem der Erstbeschwerde (s. Rn. 224 ff.).

350

Die Beschwerde ist einzulegen beim Landgericht. Die Einlegung der Beschwerde beim Oberlandesgericht ist nicht fristwahrend. Das Landgericht hat die Zulässigkeitsvoraussetzungen der weiteren Beschwerde zu prüfen. Es kann der Beschwerde abhelfen. Soweit es der Beschwerde nicht in vollem Umfang abhilft, hat es die Sache alsdann dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorzulegen.

351

Das Oberlandesgericht entscheidet durch den Senat, unabhängig davon, ob die angefochtene Entscheidung des Landgerichts von einem Einzelrichter erlassen wurde. Die Vorschrift des § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 6 GKG gilt nur für die Erinnerung und Beschwerde, nicht aber für die weitere Beschwerde.1

352

Der Einzelrichter kann das Verfahren der Kammer oder dem Senat übertragen, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 GKG). Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 6 Satz 3 GKG).

353

Die weitere Beschwerde kann nicht darauf gestützt werden, dass das Landgericht es unterlassen habe, die Sache der Kammer zu übertragen.

354

Das Oberlandesgericht entscheidet abschließend durch Beschluss. Eine Zustellung dieses Beschlusses ist grundsätzlich nicht erforderlich. Eine Ausnahme besteht jedoch auch hier, wenn bereits die Kostenfestsetzung erfolgt ist, da dann durch die Zustellung des Beschlusses die Frist des § 107 Abs. 2 ZPO in Gang gesetzt wird.

XI. Rechtsbeschwerde 355

Eine Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) ist nicht statthaft. Das GKG sieht sie nicht vor. Abgesehen davon ist eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes ohnehin ausgeschlossen (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. §§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Darauf hinzuweisen besteht Anlass, da dies vielen Beschwerdesenaten nicht bekannt ist und immer wieder die Zulassung einer Rechtsbeschwerde ausgesprochen wird, die es gar nicht gibt.2

XII. Gehörsrüge 356

Nach § 69a GKG kann Gehörsrüge erhoben werden, soweit der Anspruch auf rechtliches Gehör übergangen worden ist.

357

Die Gehörsrüge hat im Verfahren der Beschwerde oder weiteren Beschwerde gegen die Wertfestsetzung nach § 69a GKG jedoch letztlich kaum Bedeutung, da das Gericht grundsätzlich jederzeit von Amts wegen und auf Gegenvorstellung hin innerhalb der Frist des § 63 Abs. 3 GKG die Wertfestsetzung abändern kann. Es fehlt in diesen Fällen in der Regel an der erforderlichen 1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.10.2009 – 24 W 53/09, JurBüro 2010, 426. 2 S. zuletzt KG, Beschl. v. 26.8.2010 – 8 W 38/10, JurBüro 2010, 593 = ZfIR 2010, 703 = AGS 2010, 550 = MietRB 2010, 325.

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Verfahrensrecht Rechtskraft. Bedeutung hat die Gehörsrüge, wenn die Zulassung übergangen worden ist (s. Rn. 269 f.).

XIII. Kosten 1. Gerichtskosten a) Festsetzungsverfahren Im Verfahren über die Wertfestsetzung werden keine Gerichtsgebühren erhoben. Das Verfahren gehört mit zur Instanz.

358

Hier können lediglich Auslagen anfallen, ggf. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (§ 64 Satz 2 GKG i.V.m. Nr. 9005 KV GKG).

359

b) Gegenvorstellung Die Gegenvorstellung gehört mit zur Instanz und löst keine gesonderte Vergütung aus, abgesehen davon, dass es hierfür gar keinen Gebührentatbestand gibt. Wohl können Auslagen erhoben werden.

360

c) Beschwerdeverfahren Im Beschwerdeverfahren einschließlich des Verfahrens auf Wiedereinsetzung und der Gehörsrüge fallen ebenfalls keine Gerichtsgebühren an (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG).

361

Auslagen können erhoben werden, allerdings nur, sofern die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird (Vorbem. 2 Abs. 1 KV GKG).

362

d) Rechtsbeschwerdeverfahren Im Rechtsbeschwerdeverfahren wird eine Festgebühr i.H.v. 100 Euro nach Nr. 1826 KV GKG erhoben, die sich im Falle der Rücknahme auf 50 Euro ermäßigt (Nr. 1827 KV GKG). Der Ausschluss des § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG greift nicht, da er sich nur auf die (zulässigen) Beschwerden nach § 68 GKG bezieht, nicht aber auf ein unstatthaftes Rechtsbeschwerdeverfahren.1

363

e) Gehörsrüge Gerichtsgebühren löst eine Gehörsrüge nicht aus, da das GKG hierfür keinen gesonderten Gebührentatbestand vorsieht. Der Tatbestand der Nr. 1700 KV GKG ist nicht anwendbar, da die Regelung nicht für die Gehörsrüge nach § 69a GKG gilt, sondern nur für diejenige nach § 321a ZPO und abgesehen davon nach § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG in den Verfahren über die Wertfestsetzung keine Gebühren erhoben werden dürfen.2

1 BGH, Beschl. v. 22.2.1989 – IVb ZB 2/89; OLG Koblenz v. 24.11.1999 – 14 W 635/99, NJW-RR 2000, 1239 = OLGR 2000, 400. 2 S. Rn. 358 ff.

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C. Streitwertfestsetzung nach dem GKG 2. Anwaltskosten a) Festsetzungsverfahren 365

Für den bereits in der Hauptsache beauftragten Anwalt löst die Tätigkeit im Verfahren auf Wertfestsetzung ebenfalls keine Vergütung aus. Diese Tätigkeit gehört für ihn nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG mit zum Gebührenrechtszug.

366

Ist der Anwalt ausschließlich im Wertfestsetzungsverfahren beauftragt, handelt es sich für ihn um eine Einzeltätigkeit, die nach Nr. 3403 VV RVG zu vergüten ist. Der Anwalt erhält eine 0,8-Verfahrensgebühr.

367

Soweit nur ein Antrag auf Festsetzung gestellt wird, könnte ein Fall der Nr. 3404 VV RVG vorliegen, sodass nur eine 0,3-Verfahrensgebühr entsteht. b) Gegenvorstellung

368

Auch eine Gegenvorstellung gehört für den in der Hauptsache tätigen Anwalt mit zur Instanz und löst keine gesonderte Vergütung aus.

369

Lediglich als Einzeltätigkeit, also wenn ein bisher nicht befasster Anwalt nur mit einer Gegenvorstellung beauftragt wird, entstehen gesonderte Gebühren. Es liegt dann eine Einzeltätigkeit nach Nr. 3403 VV RVG vor. Der Anwalt erhält eine 0,8-Verfahrensgebühr.

370

Der Gegenstandswert richtet sich analog § 23 Abs. 2 Satz 1, 3, Abs. 3 RVG nach dem Interesse an der Abänderung. c) Beschwerdeverfahren

371

Im Beschwerdeverfahren können dagegen auch Anwaltsgebühren anfallen.

372

Legt der Anwalt im eigenen Namen Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwertes ein oder verteidigt er sich gegen die Herabsetzungsbeschwerde eines der Beteiligten, so wird er in eigener Sache und im eigenen Namen tätig, sodass es an einem Auftraggeber fehlt und folglich keine Gebühren ausgelöst werden können. Sie können auch nicht über § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO fingiert werden, da eine Kostenerstattung ausgeschlossen ist (§ 68 Abs. 3 Satz 2 GKG).

373

Vertritt der Anwalt dagegen einen Beteiligten, für den er Herabsetzungsbeschwerde erhebt oder für den er sich gegen die Heraufsetzungsbeschwerde eines anderen Beteiligten zur Wehr setzt, löst dies eine einfache Beschwerdegebühr nach Nr. 3500 VV RVG nebst Auslagen und Umsatzsteuer aus (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG).

374

Wird die Nichtabhilfeentscheidung aufgehoben und nach erneuter Nichtabhilfe wieder dem Beschwerdegericht vorgelegt, handelt es sich nur um ein Beschwerdeverfahren, sodass die Gebühren nur einmal anfallen (§ 15 Abs. 1 RVG). Wird dagegen die Festsetzung aufgehoben und gegen die neue Festsetzung erneut Beschwerde erhoben, liegen zwei Beschwerdeverfahren vor (§ 15 Abs. 2 Satz 2 RVG).

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Verfahrensrecht d) Weitere Beschwerde Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist eine eigene Angelegenheit (§ 15 Abs. 5 Satz 2, § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG). Der Anwalt, der seinen Mandanten in diesem Verfahren vertritt, erhält die gleichen Gebühren wie für die Erstbeschwerde, also wiederum eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG nebst Auslagen und Umsatzsteuer.

375

e) Rechtsbeschwerdeverfahren Im (nicht statthaften) Rechtsbeschwerdeverfahren entsteht für den Anwalt eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3502 VV RVG. Der Anwalt, der die Rechtsbeschwerde einlegt, wird diese allerdings wegen Anwaltsverschuldens kaum einfordern können.

376

f) Gehörsrüge Auch eine Gehörsrüge löst grundsätzlich keine gesonderte Vergütung aus (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 RVG), es sei denn, der Anwalt ist ausschließlich mit der Gehörsrüge beauftragt. Dann entsteht eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3330 VV RVG.

377

XIV. Kostenerstattung Eine Kostenerstattung, die ohnehin nur im Beschwerdeverfahren in Betracht käme, ist nach § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG ausgeschlossen. Daher werden insbesondere die in einem Beschwerdeverfahren angefallenen Anwaltskosten nicht erstattet. Diese hat vielmehr jeder Beteiligte selbst zu tragen. Das gilt auch für Auslagen.

378

Dies gilt allerdings nur für statthafte Beschwerden. Ist die Beschwerde nicht statthaft, etwa eine Beschwerde gegen eine vorläufige Wertfestsetzung, greift der Ausschluss der Kostenerstattung nicht. Der Beschwerdeführer hat hier vielmehr die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.1 Wird eine nicht statthafte Rechtsbeschwerde eingelegt, so müsste aus den gleichen Gründen, aus denen eine Gerichtsgebühr erhoben wird, auch eine Kostenerstattung ausgesprochen werden. Der Ausschluss der Kostenerstattung in § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG erstreckt sich nur auf die Verfahren nach § 68 GKG. Die dort nicht geregelte Rechtsbeschwerde wird daher nicht erfasst.2

379

XV. Rechtsschutzversicherung Die Vergütung des Anwalts für eine Herabsetzungsbeschwerde ist vom Versicherungsschutz umfasst. Allerdings ist hier eine gesonderte Deckungsschutzanfrage erforderlich.

1 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 9.12.2010 – 4 W 287/10. 2 S. zum vergleichbaren Fall der unstatthaften Beschwerde Rn. 378.

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D. Festsetzung des Verfahrenswerts nach dem FamGKG 381

Häufig beauftragt der Rechtsschutzversicherer den Anwalt selbst mit einer Herabsetzungsbeschwerde. Zwar ist der Versicherer nicht beschwerdeberechtigt, sondern nur der Auftraggeber. Unterlässt dieser jedoch die Beschwerde, liegt darin eine Obliegenheitsverletzung, die zum teilweisen Verlust des Versicherungsschutzes führt.1

D. Festsetzung des Verfahrenswerts nach dem FamGKG I. Überblick 1. Grundsatz 382

Nach § 3 Abs. 1 FamGKG berechnen sich die Gerichtsgebühren in Familiensachen grundsätzlich nach dem Verfahrenswert bzw. im Falle eines Vergleichs über nicht anhängige Gegenstände (Nr. 1500 KV FamGKG) nach dem Vergleichswert, soweit nichts anderes bestimmt ist.

383

Diese Werte hat das Gericht nach § 55 FamGKG von Amts wegen festzusetzen, damit die hiernach zu berechnenden Gebühren angesetzt werden können.

384

Diese Wertfestsetzung gilt grundsätzlich auch für die Anwaltsgebühren (§ 32 Abs. 1 RVG), und zwar sowohl für den Anwalt, als auch den Auftraggeber (bzw. im Falle der Verfahrenskostenhilfe für die Landeskasse) und auch für einen erstattungspflichtigen Dritten.

385

Soweit die gerichtliche Wertfestsetzung ausnahmsweise einmal für die Anwaltsgebühren nicht bindend ist, weil sich die Anwaltsgebühren abweichend davon berechnen, kann auch insoweit nach § 33 Abs. 1 RVG Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes beantragt werden (s. Rn. 654 ff.). 2. Ausnahmen

386

Abweichend vom Grundsatz des § 3 Abs. 1 FamGKG gibt es Verfahren, in denen gar keine Gerichtsgebühren erhoben werden, die also gebührenfrei sind, wie z.B. die Verfahren über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, einschließlich des Abschlusses eines Mehrvergleichs (Anm. zu Nr. 1500 KV FamGKG). Eine Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG kommt in diesen Verfahren daher erst gar nicht in Betracht.

387

Anderweitige Bestimmungen i.S. des § 3 Abs. 1 FamFG, also Regelungen, nach denen nicht nach dem Wert abgerechnet wird, finden sich im KV FamGKG in folgenden Fällen: – Jahresgebühren in Vormundschafts- und Dauerpflegschaftssachen (Nr. 1311, 1312 KV FamGKG) – Festgebühren in – Vollstreckungssachen, soweit dem FamG die Vollstreckung obliegt (Nrn. 1600 ff. KV FamGKG), – Verfahren mit Auslandsbezug (Nrn. 1700 ff. KV FamGKG), – isolierten Verfahren über eine Gehörsrüge (Nr. 1800 KV FamGKG), 1 S. hierzu ausführlich AG Hamburg, Urt. v. 6.10.1999 – 21a C 288/99, BRAGOreport 2001, 145 = ZfSch 2000, 360.

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Verfahrensrecht – Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren, soweit sie sich nicht gegen eine die Hauptsache abschließende Endentscheidung richten (Nrn. 1910 ff. KV FamGKG). Eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG ist in diesen Verfahren ebenfalls nicht zulässig, da die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Satz 1 FamGKG nicht gegeben sind. Eine Festsetzung wäre davon abgesehen auch unsinnig, da sich nach dem dann festgesetzten Wert keine Gerichtsgebühren berechnen.

388

Zwar berechnen sich in den in Rn. 387 und 388 genannten Fällen die Anwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert (§ 2 Abs. 1 RVG); dies ist aber kein Grund für eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG, auch wenn eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 32 Abs. 1 RVG für die Anwaltsgebühren grundsätzlich bindend ist. Vielmehr ist in diesen Fällen auf Antrag eines Beteiligten eine gesonderte Wertfestsetzung ausschließlich im Verfahren nach § 33 Abs. 1 RVG vorzunehmen, das anderen Verfahrensvorschriften folgt (s. Rn. 654 ff.).

389

II. Erforderlichkeit der Festsetzung Voraussetzung für eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG ist, dass – überhaupt Gerichtsgebühren erhoben werden und – sich die zu erhebenden Gerichtsgebühren nach dem Verfahrenswert oder dem – im Gesetz erstaunlicherweise nicht geregelten – Vergleichs(mehr)wert richten.

390

Das Gericht muss daher vor einer Festsetzung stets prüfen, ob überhaupt Gerichtsgebühren anfallen und diese sich nach dem Verfahrenswert richten. – Ist dies der Fall, muss grundsätzlich eine Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG erfolgen. – Ist dies nicht der Fall, dann darf das Gericht keinen Wert nach § 55 FamGKG festsetzen.

391

Soweit häufig angeführt wird, auch wenn sich die Gerichtsgebühren nicht nach dem Wert richten, müsse doch für die Anwaltsgebühren ein Wert nach § 55 FamGKG festgesetzt werden, so ist dies unzutreffend. Die Vorschrift des § 55 FamGKG betrifft nur die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren. Soweit keine wertabhängigen Gerichtsgebühren anfallen, wohl aber wertabhängige Anwaltsgebühren, ist hierfür das gesonderte Verfahren nach § 33 RVG vorgesehen, für das in entscheidenden Punkten ein abweichendes Verfahrensrecht gilt. S. dazu Rn. 654 ff.

392

Eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG hat daher insbesondere in Vollstreckungsverfahren vor dem FamG zu unterbleiben sowie in Verfahren mit Auslandsbezug und in Verfahren über Beschwerden und Rechtsbeschwerden, die sich gegen Zwischenentscheidungen richten oder gegen den Rechtszug abschließende Entscheidungen, die nicht die Hauptsache betreffen, da hier wertunabhängige Festgebühren erhoben werden (Nrn. 1600 ff.; Nrn. 1700 ff.; Nrn. 1900 ff. KV FamGKG).

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D. Festsetzung des Verfahrenswerts nach dem FamGKG 394

Eine dennoch nach § 55 FamGKG getroffene Festsetzung ist gegenstandslos: – Eine Bindungswirkung nach § 32 Abs. 1 RVG tritt nicht ein, da es keine wertabhängigen Gerichtsgebühren gibt und folglich auch keinen für diesen maßgebenden Wert. – Eine Bindungswirkung nach § 33 RVG scheidet aus, da eine von Amts wegen vorgenommene Wertfestsetzung gar nicht erkennen lässt, in welchem Verhältnis die Wertfestsetzung gelten soll und es zudem an dem erforderlichen Antrag fehlt.

395

Da viele Gerichte diese Zusammenhänge nicht erkennen, sollte vorsorglich auch eine zu Unrecht ergangene Wertfestsetzung nach § 55 FamGKG geprüft werden. Ggf. sollte vorsorglich deren Aufhebung beantragt werden, damit sich im Folgenden nicht auch nur der Anschein einer Bindungswirkung ergibt.

III. Wertangabe 396

Nach § 53 Satz 1 FamGKG hat ein Antragsteller bei Einreichung eines Antrags den Verfahrenswert anzugeben, wenn dieser – nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht, – kein fester Wert bestimmt ist und – er sich auch nicht aus früheren Anträgen ergibt.

397

Die Obliegenheit zur Wertangabe gilt auch bei Einreichung einer Antragserweiterung oder eines Widerklageantrags.

398

Für die Pflicht zur vorläufigen Wertangabe ist es unerheblich, ob die Gerichtsgebühren bereits mit Einreichung anfallen und nach Antragseinreichung eine vorläufige Wertfestsetzung nach § 55 Abs. 1 RVG erfolgen muss (s. Rn. 415 ff.) oder ob die Gebühren erst später fällig werden.

399

Andere Beteiligte als der jeweilige Antragsteller sind zu vorläufigen Wertangaben nicht verpflichtet.

400

Ebenso wenig besteht eine Pflicht zu Wertangaben bei Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet worden sind.

401

Nach Aufforderung des Gerichts ist auch der Wert eines Teils des Verfahrensgegenstands anzugeben.

402

Die Angabe ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären. Sie kann jederzeit berichtigt werden (§ 53 Satz 2 FamGKG).

403

Bei der Pflicht zur Wertangabe handelt es sich lediglich um eine Ordnungsvorschrift. Unmittelbare Sanktionen sind an die Verletzung der Obliegenheit zur Wertangabe nicht geknüpft. Mittelbar können sich allerdings Nachteile ergeben, wenn sich das Gericht infolge der unterlassenen Wertangabe veranlasst sieht, ein Sachverständigengutachten einzuholen (§ 56 Satz 1 FamGKG) oder wenn es nach § 55 Abs. 1 Satz 1 FamGKG einen zu hohen Wert ansetzt und der Antragsteller ggf. Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung nach § 58 FamGKG erheben muss (s. Rn. 436), die zumindest Anwaltsgebühren auslöst (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG i.V.m. Nr. 3500 VV RVG).

404

Soweit der Antrag in einer bestimmten Geldsumme besteht, bedarf es keiner Wertangabe. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine Geldsumme in deutscher oder ausländischer Währung handelt (vgl. auch § 35 FamGKG). Eine 64

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Verfahrensrecht Einschränkung wie in § 55 Abs. 1 Satz 1 FamGKG für eine auf Euro lautende Währung findet sich in § 56 FamGKG nicht. Festwerte kennt das FamGKG nicht, sondern lediglich Regelwerte. Hier wird eine Wertangabe ebenso entbehrlich sein, es sei denn, es ist bereits bei Antragseinreichung ersichtlich, dass ein Fall vorliegt, der vom Regelwert abweicht (s. §§ 44 Abs. 3; 45 Abs. 3; 47 Abs. 2; 48 Abs. 3; 49 Abs. 2; 50 Abs. 3; 51 Abs. 3 Satz 2 FamGKG).

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Dagegen macht die Kostenfreiheit eines Antragstellers nach § 2 FamGKG die Wertangabe nicht entbehrlich. Auch im Falle der Kostenfreiheit eines Beteiligten muss nach § 55 FamGKG ein Wert festgesetzt werden. Selbst wenn vom Antragsteller keine Gebühren erhoben werden, können doch andere Beteiligte später für die Kosten haften.

406

Nach dem Wortlaut des § 53 Satz 1 FamGKG genügt die Angabe des Wertes. Erläuterungen des Wertes und seiner Berechnung sind danach nicht erforderlich. Gleichwohl ist es angebracht, die Umstände darzulegen, aus denen die Wertberechnung folgt. Anderenfalls ist das Gericht zur Prüfung der Angabe und zur ordnungsgemäßen Festsetzung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 FamGKG (s. Rn. 415 ff., 439 ff.) nicht in der Lage.

407

Besondere Bedeutung hat die Vorschrift des § 53 FamGKG bei Einreichung des Scheidungsantrages, da hier zu den Wert bildenden Faktoren des Wertes der Ehesache (Vermögens- und Einkommensverhältnisse – § 43 Abs. 1, 2 FamGKG) vorzutragen ist, damit das Gericht zutreffend bereits einen vorläufigen Wert festsetzen kann.

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Des Weiteren hat die Vorschrift des § 53 FamGKG besondere Bedeutung bei einem Stufenklageantrag. Zweckmäßig ist es, hier bereits mit Antragseinreichung anzugeben, in welcher Größenordnung der Antragsteller die mit dem Leistungsantrag zunächst noch unbezifferten Ansprüche erwartet, da sich der Verfahrenswert eines Stufenklageantrags gem. § 44 FamGKG nach dem höherwertigen Antrag richtet,1 und das in der Regel der noch unbezifferte Leistungsantrag ist. Das Gericht kann anderenfalls den Verfahrenswert nicht verlässlich ermitteln.

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Die Vorschrift des § 53 FamGKG gilt auch im Rechtsmittelverfahren, wobei sie hier allerdings geringere Bedeutung hat. Hier ergibt sich der Verfahrenswert in der Regel aus früheren Anträgen, nämlich den vorinstanzlich gestellten.

410

Längere Ausführungen zum Wert des Beschwerdegegenstands sind im Rechtsmittelverfahren daher in der Regel eher für die Zulässigkeitsfrage geboten soweit für die Beschwerde der Wert des Beschwerdegegenstands mehr als 600 Euro betragen muss (§ 61 FamFG) und die Berechnung nicht einfach und auch nicht offensichtlich ist, etwa wegen Einbeziehung von Kosten und Zinsen aus erledigten Gegenständen.

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Schließen die Beteiligten einen Vergleich über weiter gehende Ansprüche, besteht dem Wortlaut nach keine Pflicht zur Wertangabe, da es sich bei dem Vergleich weder um einen Antrag handelt, noch sich die Vergleichsgebühr nach dem Verfahrenswert richtet, sondern nach dem Vergleichswert. Ungeachtet dessen sollte auch hier der Wert angegeben werden, damit der Wert für

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1 S. das Stichwort „Stufenklage“ im FamFG-Teil Rn. 8223 ff.

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D. Festsetzung des Verfahrenswerts nach dem FamGKG die Gebühr nach Nr. 1500 KV FamGKG festgesetzt werden kann. Hier ergibt auch die Angabe von Teilwerten Sinn. 413

Die Wertangabe kann jederzeit berichtigt werden. Ihr kommt keine Bindungswirkung zu. Allerdings kann sie als Indiz gewertet werden.

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Nach entsprechendem Verfahrensausgang wird häufig versucht, im Nachhinein von einer vorläufigen Wertfestsetzung abzurücken. Im Falle des Obsiegens wird häufig (vom Anwalt) ein höherer Wert beantragt, während im Falle des Unterliegens eine Herabsetzung begehrt wird. Die Gerichte stellen dann in der Regel – und zu Recht – auf die Indizwirkung der vorläufigen Wertangabe ab. Eine nachträgliche Abänderung aus offensichtlichen kostenerstattungsrechtlichen Gründen wird dann von der Rechtsprechung abgelehnt. Von daher sollte der vorläufigen Wertangabe Beachtung geschenkt werden oder der Sinneswandel nachvollziehbar begründet werden.

Muster: Wertangabe (Ehesache) Es wird angeregt, den Verfahrenswert vorläufig auf ... Euro festzusetzen. Der Antragsteller hat monatliche Nettoeinkünfte i.H.v. ... Euro, die Antragsgegnerin i.H.v. ca. ... Euro. Der Antragsteller verfügt über Vermögen i.H.v. ... Euro, die Antragsgegnerin i.H.v. ca. ... Euro.1 1 Soweit Gerichte Abzüge wegen gemeinsamer Kinder vornehmen, bedarf es keiner weiteren Ausführungen, da sich dies bereits aus dem Scheidungsantrag ergibt.

Muster: Wertangabe (Stufenklageantrag, Zugewinn) ... Es wird angeregt, den Wert des Verfahrens auf ... Euro festzusetzen. Mit dem Stufenklageantrag wird Auskunft und Zahlung eines Zugewinnausgleichsanspruchs geltend gemacht. Das Endvermögen des Antragsgegners wird mit ... Euro geschätzt. Anfangsvermögen ist nicht bekannt. Der Zugewinn der Antragstellerin beläuft sich ... Euro, sodass sich eine Differenz i.H.v. ... Euro ergibt. Ausgehend hiervon ist ein Zugewinnausgleichsanspruch i.H.v. ... zu erwarten, sodass dieser Wert für den Klageantrag zu 2) festzusetzen ist. Im Hinblick auf § 38 FamGKG kommt dem Auskunftsantrag zu 1) keine Bedeutung zu. Es wird des Weiteren darauf hingewiesen, dass sich im Falle eines Stufenklageantrags der Verfahrenswert bereits nach dem höheren Wert der Leistungsstufe ergibt, auch wenn diese noch nicht beziffert ist (OLG Hamm, FamRZ 2010, 1106; OLG Naumburg, AGS 2010, 339).

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Verfahrensrecht Muster: Wertangabe (Stufenklageantrag, Unterhalt) Es wird angeregt, den Verfahrenswert auf 16.705 Euro festzusetzen. Die Antragstellerin verlangt laufenden Unterhalt, den sie allerdings noch nicht beziffern kann. Nach den bisherigen Informationen ist davon auszugehen, dass der Antragsgegner ein bereinigtes Nettoeinkommen i.H.v. 3.000 Euro erzielt. Die Antragstellerin demgegenüber verfügt über keine eigenen Einkünfte, sodass ein Unterhaltsanspruch i.H.v. ca. 1.285 Euro monatlich zu erwarten ist. Geltend gemacht wird der Unterhalt für den laufenden Monat sowie für die Zukunft, sodass insgesamt gem. §§ 35, 51 Abs. 1, 2 FamGKG von dem 13-fachen Monatsbetrag auszugehen ist, mithin 16.705 Euro.

IV. Vorläufige Wertfestsetzung 1. Erforderlichkeit einer vorläufigen Wertfestsetzung a) Vorläufige Festsetzung bei Antragseinreichung Nach Eingang eines Antrags hat das Gericht den Verfahrenswert vorläufig festzusetzen (§ 55 Abs. 1 Satz 1 FamGKG), damit hiernach die Gerichtsgebühren erhoben werden können, sofern Gebühren mit der Einreichung des Klageantrags, des Antrags, der Einspruchs- oder Rechtsmittelfrist oder mit Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig werden. Die danach erforderliche Fälligkeit von Gebühren ergibt sich aus § 9 FamGKG. Danach gilt Folgendes: Fälligkeit der Gerichtsgebühren mit Einreichung eines Antrags tritt nur ein – in Ehesachen (§ 121 FamFG) und – in selbständigen Familienstreitsachen (§ 112 FamFG). Hier wird sogar die Zustellung des Klageantrags oder der Antragsschrift von der Vorauszahlung abhängig gemacht (§ 14 Abs. 1 Satz 1 FamGKG), sodass es unbedingt einer vorläufigen Wertfestsetzung bedarf. Wird in diesen Verfahren im Nachhinein der Antrag erweitert, soll keine weitere gerichtliche Handlung vorgenommen werden, bevor aus dem Mehrwert die Gerichtsgebühren eingezahlt sind (§ 14 Abs. 1 Satz 2 FamGKG). Daher bedarf es auch insoweit einer Wertfestsetzung. Wird ein Widerklageantrag gestellt, ist zwar eine Vorauszahlung nicht erforderlich (§ 14 Abs. 2 FamGKG); gleichwohl wird die Gebühr in Ehesachen und selbständigen Familienstreitsachen gem. § 9 FamGKG sofort fällig, sodass es also auch hier einer vorläufigen Wertfestsetzung bedarf. Im Übrigen werden Gerichtsgebühren nur unter der Voraussetzung des § 11 FamGKG fällig. Das gilt auch für Folgesachen. Im Verbund wird nur die Gebühr, die sich aus dem Wert der Ehesache berechnet, sofort fällig. Die Gebühr aus dem Wert von Folgesachen – auch der von Amts wegen einzuleitenden Folgesache Versorgungsausgleich – wird nicht mit Antragseinreichung fällig,1 sodass eine vorläufige Wert1 Schneider/Wolf/Volpert/Klos, § 9 FamGKG Rn. 12; Horndasch/Viefhues/Volpert, Teil 3 Rn. 641; Prütting/Helms/Klüsener, § 9 FamGKG Rn. 2; Binz/Dorndörfer/Petzold/Zimmermann, § 9 FamGKG Rn. 2.

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D. Festsetzung des Verfahrenswerts nach dem FamGKG festsetzung unzulässig ist. A.A. ist Hartmann,1 der durch Auslegung des Wortlauts der §§ 9 und 14 FamGKG die Fälligkeit auch auf Folgesachen erstrecken will, dabei aber übersieht, dass der Gesetzgeber ausweislich seiner Begründung2 zum FGG-ReformG die Fälligkeit in § 9 FamGKG und die Vorauszahlungspflicht in § 14 FamGKG ausdrücklich nur auf die Ehesache und nicht auch auf Folgesachen erstreckt wissen wollte. Wird insoweit dennoch festgesetzt, ändert dies nichts daran, dass sich die Vorauszahlungspflicht nur aus dem Wert der Ehesache ergibt.3 Ggf. ist dann Beschwerde nach § 58 FamGKG zu erheben. 423

In anderen als den in Rn. 417 ff. genannten Verfahren ist daher eine vorläufige Festsetzung nur dann geboten, wenn im Verlaufe des Verfahrens Fälligkeit eintritt (s. Rn. 424 ff.). Anderenfalls ist eine vorläufige Festsetzung nicht erforderlich und sinnlos. Es hat dann nur eine endgültige Wertfestsetzung bei Abschluss des Verfahrens zu erfolgen (s. Rn. 439 ff.). b) Vorläufige Festsetzung bei Fälligkeitseintritt vor Abschluss des Verfahrens

424

Eine vorläufige Festsetzung ist abgesehen von den Fällen der sofortigen Fälligkeit (Rn. 417 ff.) geboten, wenn im Verlaufe des Verfahrens Fälligkeit eintritt (§ 11 FamGKG). Auch in den Verfahren, in denen die Gerichtsgebühren nicht bereits mit Antragstellung festgelegt werden, kann sich eine Fälligkeit vor Beendigung des Verfahrens ergeben, nämlich dann, wenn – eine unbedingte Entscheidung über die Kosten ergangen ist, ohne dass damit das Verfahren abgeschlossen ist, etwa nach einem Versäumnisbeschluss, gegen den Einspruch eingelegt wird (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG), – das Verfahren sechs Monate ruht oder sechs Monate nicht betrieben wird (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 FamGKG) oder – das Verfahren sechs Monate unterbrochen oder sechs Monate ausgesetzt war (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 FamGKG).

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In diesen Fällen ist das Verfahren noch nicht erledigt, sodass eine endgültige Wertfestsetzung nach § 55 Abs. 2 FamGKG ausscheidet. Möglich ist daher nur eine vorläufige Wertfestsetzung.

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Keine Fälligkeit tritt ein bei Teilentscheidungen.

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Im Verbund ist zu differenzieren: Wird im Verbund über einzelne Folgesachen vorab entschieden, tritt dadurch alleine noch keine Fälligkeit ein, damit die Voraussetzungen des § 11 FamGKG noch nicht erfüllt sind. Ergeht allerdings bereits eine Teil-Kostenentscheidung, die hier nach § 150 Abs. 1 FamFG ausnahmsweise möglich ist (arg. § 150 Abs. 5 FamFG), tritt Fälligkeit nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG ein, sodass eine vorläufige (keine endgültige!) Wertfestsetzung zu erfolgen hat.

* Æ Beispiel: Im Scheidungsverfahren ist neben dem Versorgungsausgleich auch die Folgesache Ehegattenunterhalt anhängig. Da zum Versorgungsausgleich noch Auskünfte einzuholen sind, trennt das Gericht den Versorgungsausgleich gem. § 140 Abs. 2 FamFG ab und entscheidet vorab über die Ehesache und die Folgesache Ehegattenunterhalt.

1 Hartmann, KostG, § 9 FamGKG Rn. 3. 2 BT-Drucks. 16/6308, S. 302 zu § 9 FamGKG und zu § 14 FamGKG. 3 S. hierzu N. Schneider, FamRZ 2011, 162.

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Verfahrensrecht a) Das Gericht entscheidet gem. § 150 Abs. 1 FamFG über die Kosten für Ehesache und Versorgungsausgleich. b) Das Gericht entscheidet noch nicht über die Kosten. Für die Ehesache ist bereits ein vorläufiger Wert festgesetzt, da Vorauszahlungspflicht besteht. Für die Folgesache Unterhalt besteht keine Vorauszahlungspflicht, sodass eine vorläufige Wertfestsetzung nicht vorzunehmen war (Rn. 422). Im Fall a) ist mit der Entscheidung jetzt aber die Gerichtsgebühr aus der Folgesache Unterhalt fällig geworden, da eine unbedingte Kostenentscheidung ergangen ist (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG). Es muss daher vorläufig ein Wert festgesetzt werden. Im Fall b) tritt dagegen keine Fälligkeit ein, da das Verbundverfahren noch nicht beendet ist und kein Ausnahmefall des § 11 Abs. 1 FamGKG vorliegt. Eine vorläufige Wertfestsetzung kommt nicht in Betracht.

2. Entbehrlichkeit der vorläufigen Festsetzung Eine vorläufige Wertfestsetzung ist entbehrlich, wenn Gegenstand des Verfahrens eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder wenn das Gesetz einen Regelwert vorsieht. Grund hierfür ist, dass in diesen Fällen der Kostenbeamte die fällige Gebühr ohne Weiteres selbst berechnen und anfordern kann.

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Auch wenn eine vorläufige Wertfestsetzung in diesen Fällen entbehrlich ist, kann das Gericht dennoch vorläufig einen Wert festsetzen. Das wiederum ist dann geboten, wenn sich bei Zahlungsansprüchen Bewertungsschwierigkeiten ergeben, etwa wenn die Zusammensetzung der Geldforderung im Hinblick auf § 38 FamGKG nicht ohne Weiteres ersichtlich ist oder wenn Hilfsanträge oder Widerklageanträge gestellt werden und die Frage der Zusammenrechnung unklar ist. Ebenso bedarf es einer vorläufigen Festsetzung, wenn nicht eindeutig ist, welcher Regelwert gilt.

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3. Verfahren Das Gericht setzt den vorläufigen Wert durch Beschluss fest (§ 55 Abs. 1 Satz 2 FamGKG).

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Die vorläufige Wertfestsetzung findet ohne Anhörung der Beteiligten statt. Das ist nicht zu beanstanden, denn der Antragsteller, den die Zahlungspflicht zunächst trifft (§ 21 Abs. 1 Satz 1 FamGKG), hat die Möglichkeit, im Rahmen seines Antrags (s. § 53 FamGKG) zum vorläufigen Verfahrenswert Stellung zu nehmen. Abgesehen davon kann auch die vorläufige Wertfestsetzung jederzeit abgeändert werden (§ 55 Abs. 3 FamGKG). Zudem besteht die Möglichkeit der Beschwerde gegen die Vorauszahlungsanordnung nach § 58 FamGKG, sodass der Antragsteller hinreichend geschützt ist.

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4. Unanfechtbarkeit Die vorläufige Wertfestsetzung ist unanfechtbar.1 Die Beschwerde nach § 59 FamGKG ist nur gegen die endgültige Wertfestsetzung gegeben.

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Einwendungen gegen die Höhe eines vorläufig festgesetzten Wertes können daher nur im Beschwerdeverfahren nach § 58 FamGKG (s. Rn. 436 ff.) erhoben

433

1 OLG Celle, Beschl. v. 25.10.2010 – 10 WF 313/10, AGS 2010, 614 = FamRZ 2011, 134 = FuR 2011, 59.

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D. Festsetzung des Verfahrenswerts nach dem FamGKG werden (§ 55 Abs. 1 Satz 2 FamGKG). Ansonsten sieht das FamGKG nur eine Anfechtung der endgültigen Wertfestsetzung vor (§ 59 FamGKG). 434

Die vorläufige Wertfestsetzung ist auch durch den Anwalt über § 32 Abs. 2 RVG nicht anfechtbar. Dies ist auch zutreffend, weil durch eine vorläufige Wertfestsetzung keine Beschwer eintritt. Eine Abrechnung der Anwaltsgebühren ist zu diesem Zeitpunkt mangels Fälligkeit noch nicht möglich (s. §§ 8, 10 RVG). Hinsichtlich einer Vorschussanforderung (§ 9 RVG) wiederum ist der Anwalt aber an eine vorläufige Wertfestsetzung nicht gebunden. Er kann auch Vorschüsse nach einem voraussichtlich höheren Wert anfordern.1 5. Gegenvorstellung

435

Möglich ist allerdings eine Gegenvorstellung gegen die vorläufige Wertfestsetzung. Das Gericht ist von Amts wegen verpflichtet, den Verfahrenswert zutreffend festzusetzen (§ 55 Abs. 3 Satz 1 FamGKG). Dies gilt auch für eine vorläufige Wertfestsetzung. Das Gericht ist daher verpflichtet, auf eine begründete Gegenvorstellung den Wert abzuändern, zumal die Frist des § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG zu diesem Zeitpunkt nie abgelaufen sein kann.

Muster: Gegenvorstellung gegen endgültige Wertfestsetzung Amtsgericht ... – Familiengericht – In Sachen ... ./. ... lege ich in eigenem Namen gegen die vorläufige Wertfestsetzung Gegenvorstellung ein. Das Gericht hat den Verfahrenswert für die von der Antragstellerin erhobene Stufenklage auf Auskunft und Trennungsunterhalt vorläufig nur nach dem Wert der Auskunftsstufe (Antrag zu 1) festgesetzt und die Leistungsstufe (Antrag zu 2) unberücksichtigt gelassen. Zutreffend hätte der Wert aber nach dem höheren Leistungsantrag vorläufig festgesetzt werden müssen. Bei einer Stufenklage ist stets der höhere Wert maßgebend (§ 38 FamGKG). Das gilt auch dann, wenn die Leistungsstufe noch nicht beziffert ist. Ihr Wert muss dann geschätzt werden (OLG Hamm, FamRZ 2010, 1106; OLG Naumburg, AGS 2010, 339). .. (ggf. weitere Ausführungen, sofern nicht schon in der Antragsschrift zum Wert vorgetragen worden ist (s. Rn. 396 ff.), auf die Bezug genommen werden kann) ... Rechtsanwalt

1 AnwK-RVG/N. Schneider, § 9 RVG Rn. 62.

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N. Schneider

Verfahrensrecht

V. Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung Auch wenn eine Beschwerde gegen eine vorläufige Wertfestsetzung nicht zulässig ist, kann die vorläufige Wertfestsetzung inzidenter angegriffen werden, nämlich dann, wenn die weitere Tätigkeit des Gerichts (i.d.R. die Zustellung des Antrags, § 14 Abs. 1 FamGKG) von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird.

436

Gegen diesen Beschluss, mit dem das Gericht seine weitere Tätigkeit von der Einzahlung der Gerichtsgebühr abhängig macht (s. § 14 FamGKG), kann nach § 58 Abs. 1 Satz 1 FamGKG Beschwerde erhoben werden.

437

Im Rahmen dieser Beschwerde ist die Höhe der angeforderten Gerichtsgebühr zu prüfen und damit auch der Verfahrenswert, nach dem sie berechnet ist. Da die Beschwerde nach § 58 FamGKG eine Beschwer (allerdings keine Mindestbeschwer) voraussetzt, kann mit ihr allerdings nur der Antragsteller des Verfahrens geltend machen, der Wert sei zu hoch festgesetzt. Eine Heraufsetzung des Wertes kann mit dieser Beschwerde nicht erreicht werden.

438

Muster: Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung Amtsgericht ... – Familiengericht – In Sachen ... ./. ... lege ich namens der Antragstellerin gegen die Anordnung zur Vorauszahlung der Gerichtskosten gem. § 58 FamGKG Beschwerde ein. Das Gericht hat den Verfahrenswert ausgehend von dem beiderseitigen Monatseinkommen der Beteiligten für die Ehesache vorläufig auf ... Euro festgesetzt und ausgehend hiervon eine Gerichtsgebühr i.H.v. ... Euro angefordert. Das Gericht ist von einem zu hohen Nettoeinkommen der Beteiligten ausgegangen. ... (weitere Ausführungen) ... Ausgehend von den tatsächlichen Einkünften der Beteiligten ist daher nur von einem Wert i.H.v. ... Euro auszugehen, sodass nur eine Gerichtsgebühr i.H.v. ... hätte angefordert werden dürfen. Rechtsanwalt

VI. Endgültige Wertfestsetzung 1. Zeitpunkt der Wertfestsetzung Nach Beendigung des Verfahrens, also – sobald eine Entscheidung über den gesamten Verfahrensgegenstand ergangen ist oder – sich das Verfahren anderweitig erledigt hat, N. Schneider

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439

D. Festsetzung des Verfahrenswerts nach dem FamGKG muss das Gericht den Verfahrenswert endgültig festsetzen (§ 55 Abs. 2 FamGKG). 440

Eine Teil-Wertfestsetzung ist nicht vorgesehen. Daher ist nach einem Teilbeschluss folglich auch keine endgültige Wertfestsetzung nach § 55 Abs. 2 FamGKG möglich.

441

Wird im Verbund nach Abtrennung einer oder mehrerer Folgesachen, die nach § 137 Abs. 5 Satz 1 FamFG Folgesachen bleiben, entschieden, ist eine endgültige Wertfestsetzung für das Verbundverfahren ebenfalls nicht möglich. Hier kann allerdings für eventuelle, vorab entschiedenen Folgesachen nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG eine vorläufige Wertfestsetzung zu treffen sein (Rn. 427 f.). Für die Ehesache ist ohnehin schon mit Antragseinreichung vorläufig festzusetzen (Rn. 417).

442

Ebenso muss das Gericht auch einen eventuellen Vergleichs(mehr)wert festsetzen, wenn ein Vergleich (auch) über nicht anhängige Gegenstände geschlossen worden ist, da insoweit eine gesonderte Gerichtsgebühr nach Nr. 1500 KV FamGKG entsteht.

443

Einer endgültigen Wertfestsetzung bedarf es lediglich im Beschwerdeverfahren nicht, wenn das Gericht bereits den Wert für die Zulässigkeit einer Beschwerde festgesetzt hat und dieser nach § 54 FamGKG auch für den Verfahrenswert gilt (§ 55 Abs. 2 FamGKG).

444

Ist ein Wert für die Zulässigkeit der Beschwerde bereits festgesetzt worden, gilt dieser aber nicht nach § 54 FamGKG auch für den Verfahrenswert, muss noch ein gesonderter Verfahrenswert festgesetzt werden.

445

Ein solcher Fall divergierender Werte ist z.B. in Unterhaltssachen gegeben.

* Æ Beispiel: Das minderjährige Kind reicht im Januar 2010 einen Antrag auf Zahlung von monatlichem Unterhalt gegen den Kindesvater ein und beantragt, ihn ab Januar 2010 zu verpflichten, 327 Euro monatlichen Unterhalt (Einkommensgruppe 4) zu zahlen. Der Kindesvater wird antragsgemäß verpflichtet. Er legt Beschwerde gegen die Entscheidung des FamG ein, soweit er zu einer höheren Unterhaltszahlung als monatlich 291 Euro (Einkommensgruppe 2) verpflichtet worden ist. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag 600 Euro überschreitet (§ 61 Abs. 1 FamFG). Für die Berechnung des Beschwerdegegenstands im Rahmen der Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist nicht auf das FamGKG abzustellen, da dies nur für die Gerichtsgebühren gilt. Da eine ausdrückliche Regelung der Berechnung der Beschwer im FamFG fehlt, dürfte eine entsprechende Anwendung der Vorschriften der ZPO über § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG vorzunehmen sein (s. FamFG-Teil Rn. 8422), sodass gem. § 9 ZPO – wie bisher – auf den dreieinhalbfachen Jahresbetrag abzustellen ist und sich somit hier ein Wert i.H.v. (42 + 1) 6 36 Euro = 1548 Euro ergibt. Für die Gerichtsgebühren gilt dieser Wert jedoch nicht. Hier ist gem. § 40 Abs. 1 i.V.m. §§ 35 Abs. 1, 51 Abs. 1, 2 FamGKG auf den Jahreswert zuzüglich der fälligen Beträge abzustellen, also auf 13 6 36 Euro = 468 Euro.

446

Beendet ist das Verfahren, wenn – eine die Instanz abschließende Entscheidung ergeht (§ 38 Abs. 1 FamFG), – der Antrag zurückgenommen wird, – das Rechtsmittel zurückgenommen wird (§ 67 Abs. 4 FamFG), – die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wird oder – die Beteiligten einen Vergleich (§ 36 FamFG) schließen. 72

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N. Schneider

Verfahrensrecht Erledigt ist das Verfahren abgesehen von den Fällen der Beendigung auch dann, wenn es, ohne förmlich beendet worden zu sein, von den Beteiligten nicht mehr betrieben wird.

447

2. Form Die endgültige Wertfestsetzung ergeht durch Beschluss (§ 55 Abs. 2 FamGKG). Dieser Beschluss kann in dem Hauptsachebeschluss enthalten sein. Das Gericht kann aber auch einen gesonderten Wertfestsetzungsbeschluss erlassen.

448

3. Inhalt der Entscheidung a) Wertfestsetzung Im Beschlusstenor ist der Wert für die anfallenden Gerichtsgebühren anzugeben. In den meisten Fällen wird nur eine Gerichtsgebühr für das Verfahren im Allgemeinen erhoben, sodass auch nur ein Wert festzusetzen ist. Gestaffelte Wertfestsetzungen sind auch in Familiensachen nicht zulässig (s. Rn. 188 ff.).

449

Setzt sich der Wert für die Gerichtsgebühren aus mehreren Teilwerten zusammen, so insbesondere im Verbundverfahren (§ 44 Abs. 2 FamGKG) oder bei Klage und Widerklage, beschiedenen Hilfsanträgen oder Hilfsaufrechnungen, reicht es, den Gesamtwert festzusetzen, da auch in diesen Fällen nur eine Gebühr erhoben wird. Die Angabe der Einzelwerte ist eine Frage der Begründung. Andererseits schadet es auch nicht, die Einzelwerte im Tenor auszuweisen.

450

Erforderlich ist der Ausweis der Einzelwerte – zumindest in der Begründung – im Verbundverfahren, wenn aus einzelnen Folgesachen nur ermäßigte Gerichtsgebühren (s. Nrn. 1111, 1122, 1132 KV FamGKG) angefallen sind, da anderenfalls die Gebührenberechnung nicht möglich ist.

451

Soweit ausnahmsweise einmal mehrere Gerichtsgebühren anfallen, ist für jede Gerichtsgebühr der maßgebende Wert festzusetzen.

452

* Æ Beispiel: Der Antragsgegner ist verpflichtet worden, 50.000 Euro Zugewinn zu zahlen. Er beantragt die Zulassung der Sprungrevision. Später nimmt er den Antrag i.H.v. 20.000 Euro zurück. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen. Aus dem Wert der zurückweisenden Entscheidung entsteht eine 1,5-Gebühr nach Nr. 1228 KV FamGKG Aus dem Wert der Rücknahme entsteht dagegen nur eine 1,0Gebühr nach Nr. 1229 KV FamGKG. Das Gericht muss daher zwei Werte festsetzen.

Mehrere Wertfestsetzungen sind auch dann vorzunehmen, wenn neben der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen eine Vergleichsgebühr nach Nr. 1500 KV FamGKG erhoben wird.

* Æ Beispiel: In einem Unterhaltsverfahren haben die Beteiligten einen Vergleich über eine nicht anhängige Zugewinnforderung geschlossen. Das Gericht muss jetzt zwei Werte festsetzen. Zum einen muss es einen Wert für das Verfahren festsetzen, da sich hiernach die Gebühr Nr. 1310 KV FamGKG berechnet und eine weitere Gebühr für den Mehrwert des Vergleichs, da hieraus eine Gebühr nach Nr. 1500 KV FamGKG entstanden ist.

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453

D. Festsetzung des Verfahrenswerts nach dem FamGKG 454

Ebenso ist eine gesonderte Wertfestsetzung erforderlich, wenn eine Verzögerungsgebühr erhoben wird, da sich diese ebenfalls nach dem Verfahrenswert berechnet. Hier kann allerdings auch ein geringerer Wert in Betracht kommen, wenn die Verzögerung nur einen Teil des gesamten Verfahrensgegenstands betrifft.1 b) Zulassung der Beschwerde

455

Neben der Wertfestsetzung muss das Gericht auch darüber entscheiden, ob es nach § 59 Abs. 1 Satz 2 FamGKG die Beschwerde gegen seine Entscheidung wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Fragen zulässt.

456

Erforderlich ist es allerdings im Tenor nur, eine (positive) Zulassungsentscheidung aufzunehmen. Soweit das Gericht die Beschwerde nicht ausdrücklich zulässt, gilt dies als Nichtzulassung.

457

Eindeutiger ist es dagegen, auch in diesen Fällen im Tenor auszusprechen, dass die Beschwerde nicht zugelassen wird, da dies der Klarheit dient und insbesondere zeigt, dass das Gericht sich auch über die Zulassungsfrage Gedanken gemacht hat, womit ggf. überflüssige Berichtigungs- oder Ergänzungsanträge vermieden werden.

458

Eines Zulassungsantrags bedarf es nicht. Das Gericht muss von Amts wegen über die Frage der Zulassung entscheiden. Dem „Antrag“ eines Beteiligten kommt insoweit lediglich der Charakter einer Anregung zu.

459

Andererseits ist es häufig zweckmäßig, die Zulassung der Beschwerde zu beantragen. So kann es sinnvoll sein, auf die grundsätzliche Bedeutung oder divergierende Rechtsprechung bereits im Wertfestsetzungsverfahren hinzuweisen und dazu vorzutragen, damit das Gericht sich Gedanken über die Zulassung macht. Eine unterbliebene Zulassung kann nämlich grundsätzlich nicht nachgeholt werden (s. Rn. 508 ff.).

460

Eine Zulassung ist insbesondere dann geboten, wenn es sich um eine grundsätzliche Bewertungsfrage handelt, die in einer Vielzahl von Fällen auftritt und deren Bewertung noch nicht abschließend entschieden ist.

461

Darüber hinaus ist die Zulassung geboten, wenn das Gericht von der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts abweichen will oder von Entscheidungen anderer Gerichte und eine grundsätzliche Entscheidung des zuständigen Beschwerdesenats noch nicht vorliegt. 4. Nachträgliche Abänderungsmöglichkeit

462

Die endgültige Wertfestsetzung kann vom Gericht nachträglich von Amts wegen abgeändert werden (§ 55 Abs. 3 FamGKG).

463

Zur Abänderung berechtigt ist immer das Gericht, das den Wert festgesetzt hat (§ 55 Abs. 3 Satz 1 FamGKG).

464

Darüber hinaus ist auch ein Rechtsmittelgericht berechtigt, den Wert abzuändern, wenn die Sache vor dem Rechtsmittelgericht anhängig ist (§ 55 Abs. 3 1 S. das Stichwort „Verzögerung“ im FamFG-Teil.

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N. Schneider

Verfahrensrecht Satz 1 FamGKG). Daher kann das OLG eine Festsetzung des FamG abändern und der BGH sowohl eine Festsetzung des FamG als auch des OLG. Eine Abänderung ist allerdings dann ausgeschlossen, wenn die eigene Wertfestsetzung zwischenzeitlich von einem Rechtsmittelgericht abgeändert worden ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Abänderung aufgrund einer Beschwerde erfolgte oder gem. § 55 Abs. 3 FamGKG von Amts wegen während der Anhängigkeit im Rechtsmittelverfahren.

465

Die Abänderungsmöglichkeit besteht grundsätzlich nur innerhalb der Frist des § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG, also innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder sich das Verfahren anderweitig erledigt hat.

466

Die Frist beginnt mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens (§ 45 FamG) oder anderweitiger Beendigung. Sie beginnt also im Falle einer Endentscheidung (§ 38 Abs. 1 FamFG), sobald diese rechtskräftig geworden ist (§ 45 FamFG).

467

Im Verbund hindert ein lediglich gegen eine Folgesache eingelegtes Rechtsmittel nicht den Eintritt der Rechtskraft hinsichtlich der Ehesache und ggf. weiterer nicht angegriffener Folgesachen. Diese werden gem. § 145 Abs. 1 FamFG mit Ablauf der Anschlussrechtsmittelfrist rechtskräftig, sodass dann die Sechsmonatsfrist zu laufen beginnt, während für die angegriffene Folgesache die Frist noch nicht zu laufen begonnen hat.

* Æ Beispiel: Im Scheidungsverbundverfahren wird auch über Versorgungsausgleich und Zugewinn entschieden. Die Ehefrau legt gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich Beschwerde ein. Die Entscheidung über die Ehesache und andere Folgesachen wird mit Ablauf der Frist zur Anschlussbeschwerde (§ 145 Abs. 1 FamFG) rechtskräftig. Mit diesem Zeitpunkt beginnt die Sechsmonatsfrist zu laufen. Nichts anderes gilt, wenn ein Rechtsmittel gegen die Ehesache eingelegt wird. Dass in diesem Fall nach § 148 FamFG die Wirksamkeit der Entscheidung aufgeschoben wird, ändert nichts am Eintritt der Rechtskraft.

* Æ Beispiel: Im Scheidungsverbundverfahren wird auch über Versorgungsausgleich und Zugewinn entschieden. Die Ehefrau legt gegen den Ausspruch zur Scheidung Beschwerde ein. Die Entscheidung über die Folgesachen wird mit Ablauf der Frist zur Anschlussbeschwerde (§ 145 Abs. 1 FamFG) rechtkräftig. Mit diesem Zeitpunkt beginnt die Sechsmonatsfrist zu laufen. Dass die Entscheidung über die Folgesachen noch nicht wirksam wird (§ 148 FamFG) ändert am Eintritt der Rechtskraft nichts.

Ist nach Erlass der Entscheidung eine Gehörsrüge eingelegt worden, so beginnt die Sechsmonatsfrist mit der Entscheidung über die Gehörsrüge, im Falle – einer Klagerücknahme mit Rücknahmeerklärung bzw. Zustimmung, wenn diese erforderlich ist, – einer Rechtsmittelrücknahme (§ 67 Abs. 4 FamFG) mit Rücknahmeerklärung bzw. Zustimmung, wenn diese erforderlich ist, – einer übereinstimmend erklärten Hauptsacheerledigung mit Abgabe der letzten erforderlichen Erledigungserklärung, – eines Vergleichsabschlusses (§ 36 FamFG) mit dessen Protokollierung oder Feststellung (§ 278 Abs. 6 ZPO). N. Schneider

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D. Festsetzung des Verfahrenswerts nach dem FamGKG Bei Tod eines Ehegatten in einer Ehesache mit dem Tod, da hiermit bereits nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 131 FamFG die Erledigung der Hauptsache eintritt. 468

Sofern die Hauptsache an ein Rechtsmittelgericht gelangt, kann – und muss – das Rechtsmittelgericht einen fehlerhaft festgesetzten Verfahrenswert der Vorinstanz von Amts wegen abändern (§ 55 Abs. 3 Satz 1 FamGKG).

469

Eine solche Abänderung des Verfahrenswertes ist unabhängig von der Entscheidung in der Hauptsache. Auch wenn das Rechtsmittelgericht das Rechtsmittel als unbegründet zurückweist, kann und muss es den Verfahrenswert ggf. abändern.

470

Der Verfahrenswert kann auch dann geändert werden, wenn das Rechtsmittel unzulässig ist. Auch im Rahmen einer unzulässigen Beschwerde ist das Rechtsmittelgericht befasst. Es ist nämlich zuständig dafür, zu entscheiden, ob das Rechtsmittel zulässig ist oder nicht. Im Zusammenhang mit dieser Entscheidung ist es dann auch befugt, den Verfahrenswert zu ändern, da das Verfahren bei ihm anhängig ist.

471

Unklar ist, ob das Rechtsmittelgericht auch dann von Amts wegen den Wert abändern darf, wenn das Rechtsmittel unstatthaft ist. Gegen eine Berechtigung zur Abänderung spricht, dass ein gesetzlich nicht gegebenes Rechtsmittel in der Hauptsache auch nicht dazu führen darf, dass die Entscheidung in einem Nebenpunkt abgeändert wird. Andererseits ist das Rechtsmittelgericht dazu berufen, über die Frage der Statthaftigkeit des Rechtsmittels, die ja durchaus strittig sein kann, zu entscheiden und insoweit für die Entscheidung (über die Unzulässigkeit) berufen ist.

472

Nicht verwechselt werden darf dies mit der Frage, ob das Gericht auch auf eine unzulässige Beschwerde gegen den Verfahrenswert berechtigt ist, diesen abzuändern (s. Rn. 573).

VII. Gegenvorstellung 473

Gegen die endgültige Wertfestsetzung des Gerichts kann immer eine Gegenvorstellung erhoben werden.

474

Da der Verfahrenswert von Amts wegen zutreffend festzusetzen und ggf. von Amts wegen abzuändern ist (§ 55 Abs. 3 FamGKG), muss das Gericht auf eine Gegenvorstellung hin seine Festsetzung prüfen und ggf. abändern.

475

Die Gegenvorstellung ist allerdings befristet. Sie muss innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG eingelegt werden, da das Gericht nur in diesem Zeitraum zur Abänderung berechtigt ist.

476

Ist die Gegenvorstellung allerdings innerhalb dieser Frist erhoben worden, dann kann und muss das Gericht auch noch nach Ablauf der Sechsmonatsfrist seine Festsetzung ändern.1

477

Ist der Wert später als einen Monat vor Ablauf der Frist festgesetzt worden, kann noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung Gegenvorstellung erhoben werden. Es kann hier nichts anderes gelten als für eine Beschwerde (§ 59 Abs. 1 Satz 3 FamGKG). Im Falle der formlosen Mittei1 OLG Köln, Beschl. v. 1.7.2008 – 8 W 23/07, AGS 2008, 406.

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Verfahrensrecht lung gilt der Beschluss als mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als zugestellt (§ 59 Abs. 1 Satz 4 FamGKG). Die Gegenvorstellung ist kein Rechtsmittel und führt daher – im Gegensatz zur Beschwerde – nicht zur Eröffnung einer weiteren Instanz, sondern wird von dem festsetzenden Gericht endgültig beschieden. Dafür löst eine Gegenvorstellung keine gesonderten Kosten aus, da sie zur Instanz gehört.

478

Die Gegenvorstellung ist auch dann zulässig, wenn eine Beschwerde möglich wäre. Sie ist nicht subsidiär.

479

Muster: Gegenvorstellung gegen endgültige Wertfestsetzung Amtsgericht ... – Familiengericht – In Sachen ... ./. ... lege ich in eigenem Namen gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes Gegenvorstellung ein. Das Gericht hat den Verfahrenswert für den von der Antragstellerin erhobenen Antrag auf Zahlung laufenden Unterhalts auf 6.000 Euro festgesetzt und ist dabei gem. §§ 35, 51 Abs. 1 FamGKG von dem einjährigen Bezug ausgegangen. Das Gericht hat dabei übersehen, dass § 51 Abs. 1 FamGKG nur die auf die Antragseinreichung folgenden zwölf Monate entfallenden Unterhaltsbeträge erfasst. Bei Antragseinreichung fällige Beträge sind nach § 51 Abs. 2 FamGKG hinzuzurechnen. Da die Antragstellerin auch für den laufenden Monat der Antragseinreichung Unterhalt verlangt hat und der Unterhalt am Ersten eines Monats im Voraus zu zahlen ist, hätte dieser Monatsbetrag hinzugerechnet werden müssen, sodass sich ein Wert i.H.v. 13 6 500 Euro = 6.500 Euro ergibt. Rechtsanwalt

VIII. Beschwerde 1. Statthaftigkeit Neben der Gegenvorstellung als Rechtsbehelf kommt die Beschwerde nach § 59 FamGKG als Rechtsmittel gegen eine endgültige Wertfestsetzung nach § 55 Abs. 2 FamGKG in Betracht.

480

Die Beschwerde ist allerdings nicht nur gegen die endgültige Wertfestsetzung selbst gegeben, sondern auch gegen eine unterlassene Wertfestsetzung. Weigert sich das Gericht, eine endgültige Wertfestsetzung vorzunehmen, obwohl diese geboten ist, kann auch dagegen Beschwerde eingelegt werden.

481

Eine Beschwerde gegen eine vorläufige Wertfestsetzung nach § 55 Abs. 1 FamGKG ist nicht zulässig (s. Rn. 432 ff.)

482

Die Beschwerde ist allerdings nur gegen eine Entscheidung des FamG, also des AG (§ 23a Abs. 1 GVG), gegeben.

483

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D. Festsetzung des Verfahrenswerts nach dem FamGKG 484

Eine Beschwerde gegen eine Wertfestsetzung des OLG ist nicht statthaft, da dessen Entscheidungen nach § 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 7 FamGKG unanfechtbar sind.

485

Das gilt auch dann, wenn das OLG die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Die Zulassung eines nicht statthaften Rechtsmittels ist nicht möglich und bindet daher den BGH nicht (s. unten Rn. 579).

486

Eine Beschwerde gegen eine Wertfestsetzung des BGH wiederum kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es darüber kein Beschwerdegericht gibt. 2. Zuständigkeit

487

Zur Entscheidung über die Beschwerde ist das OLG berufen. Ungeachtet dessen ist die Beschwerde jedoch beim FamG einzureichen (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 4 Satz 4 FamGKG).

488

Die Einreichung beim OLG ist nicht fristwahrend. Wird die Beschwerde beim OLG eingereicht, muss es sie an das FamG abgeben. Der dortige Eingangszeitpunkt ist dann maßgebend.

489

Das FamG kann der Beschwerde allerdings abhelfen, wodurch sich das Beschwerdeverfahren erledigt. Soweit das FamG der Beschwerde nicht abhilft, hat es sie dem OLG zur Entscheidung vorzulegen. 3. Beschwerdeberechtigte

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Beschwerdeberechtigt ist zunächst einmal jeder Verfahrensbeteiligte (§ 7 FamFG), also insbesondere der Antragsteller und der Antragsgegner. Darüber hinaus sind aber auch alle weiteren Personen, die nach § 7 FamFG derart am Verfahren beteiligt sind, dass sie für Gerichtsgebühren einzustehen haben oder dass ihnen Anwaltskosten entstanden sind, die sich nach dem vom Gericht festgesetzten Verfahrenswert richten (§ 32 Abs. 1 RVG). Daher kann insbesondere auch ein Nebenintervenient Beschwerde erheben.

491

Beschwerdeberechtigt sind ferner die Verfahrensbevollmächtigten selbst, soweit sich ihre Gebühren nach dem vom Gericht festgesetzten Verfahrenswert richten (§ 32 Abs. 2 RVG).

492

Auch die Landeskasse ist berechtigt, gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes Beschwerde zu erheben. Sie kann zum einen Heraufsetzungsbeschwerde erheben, wenn sie der Auffassung ist, die Gerichtskosten seien zu gering bemessen. Sie kann darüber hinaus Herabsetzungsbeschwerde erheben, wenn sie damit erreichen will, dass sie einem im Wege der Verfahrenskostenhilfe oder nach § 138 FamFG beigeordneten Rechtsanwalt nur geringere Gebühren zahlen muss.

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Verfahrensrecht 4. Kein Verlust des Beschwerderechts durch Einverständnis mit der Festsetzung Soweit sich ein Beteiligter oder ein Verfahrensbevollmächtigter mit der erstinstanzlichen Wertfestsetzung einverstanden erklärt hat, liegt darin noch kein Verzicht auf sein Beschwerderecht.1 Ebenso wenig liegt darin ein Wegfall der Beschwer. Das folgt schon daraus, dass der gerichtliche Verfahrenswert nicht zur Disposition der Beteiligten steht, sondern von Amts wegen stets richtig festzusetzen ist. Bei besserer Erkenntnis kann jeder Beteiligte oder Verfahrensbevollmächtigte innerhalb der Frist des § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG die Korrektur des Verfahrenswertes, notfalls im Wege der Beschwerde, verlangen.

493

494

5. Zulässigkeit a) Überblick Die Beschwerde gegen eine Wertfestsetzung des FamG ist nur zulässig, – wenn der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 200 Euro übersteigt (§ 59 Abs. 1 Satz 1 FamGKG) oder – die Beschwerde vom FamG in dem angefochtenen Beschluss, der die Wertfestsetzung enthält, zugelassen worden ist (§ 59 Abs. 1 Satz 2 FamGKG).

495

b) Beschwer Voraussetzung ist sowohl bei der wertabhängigen als auch bei der zugelassenen Beschwerde, dass auch eine Beschwer gegeben ist. Die Beschwer eines Beteiligten setzt voraus, dass er zur Zahlung oder Erstattung von Anwalts- oder Gerichtskosten verpflichtet ist und er einen geringeren Verfahrenswert geltend macht, sodass ihn im Falle einer Abänderung geringere Kosten treffen würden. Eventuelle Erstattungsansprüche gegen Dritte haben dabei außer Ansatz zu bleiben, da deren Realisierung ungewiss ist.

496 497

* Æ Beispiel: Die gesamten Kosten des Verfahrens sind dem Antragsteller auferlegt worden. Der Antragsgegner ist beschwert, da er nach dem Verfahrenswert seinem Anwalt die Vergütung schuldet. Die Beschwer fällt nicht dadurch weg, dass er in derselben Höhe einen Erstattungsanspruch gegen den Antragsteller hat, da nicht feststeht, ob er seine Forderung auch wird realisieren können.

Eine Beschwer des Beteiligten ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil ihm Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist. Er ist nämlich nicht von Erstattungsansprüchen Dritter befreit (§ 78 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 123 ZPO) und haftet im Falle von Ratenzahlungen oder Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe auf die Gerichts- und Wahlanwaltskosten. Nur ausnahmsweise kann ein Beteiligter auch einmal durch einen zu geringen Wert beschwert sein, wenn er mit seinem Anwalt eine wertunabhängige Vergütungsvereinbarung getroffen hat und daher auf einen höheren Erstattungsanspruch spekuliert.2 1 S. Rn. 247. 2 S. Rn. 254.

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D. Festsetzung des Verfahrenswerts nach dem FamGKG 500

Eine Beschwer der Landeskasse kann sich sowohl durch einen zu hohen Verfahrenswert ergeben, nämlich dann, wenn aufgrund dessen eine höhere Vergütung an die beigeordneten Anwälte auszuzahlen ist.

501

Die Landeskasse kann auch durch einen zu geringen Wert beschwert sein, weil sie dann nur geringere Gerichtsgebühren einziehen kann.

502

Der Anwalt wiederum kann nur durch einen zu geringen Wert beschwert sein, da er dann seine Vergütung nur nach dem geringeren Wert abrechnen kann.

503

Ist der Anwalt im Wege der Verfahrenskostenhilfe oder nach § 138 FamFG beigeordnet worden, ist gleichwohl auf die Differenz der Wahlanwaltsgebühren abzustellen, da dem Anwalt insoweit ein weiter gehender Anspruch gegen den Auftraggeber zusteht, der unter den Voraussetzungen des § 50 RVG ggf. noch innerhalb der nächsten vier Jahre geltend gemacht werden kann. Abgesehen davon können sich auch Erstattungsansprüche gegen Dritte ergeben (§ 78 Abs. 1 FamFG i.V.m. 126 ZPO). Daher ist für ihn auch dann eine Beschwerde gegeben, wenn die Höchstbeträge des § 49 RVG bereits erreicht sind.

504

Voraussetzung ist stets, dass sich durch die Wertveränderung auch eine Veränderung der daraus berechneten Kosten ergibt. Daher ist keine Beschwer gegeben, wenn lediglich eine Wertänderung innerhalb derselben Gebührenstufe beantragt werden soll.

505

Ebenso ist für die Landeskasse keine Beschwer gegeben, wenn sie eine Herabsetzung des Verfahrenswertes oberhalb der Grenze des § 49 RVG beantragt, da sie ohnehin nie mehr als die Höchstbeträge zahlen muss. c) Zugelassene Beschwerde aa) Überblick

506

Die Beschwerde gegen die endgültige Wertfestsetzung ist wertunabhängig zulässig, wenn das FamG die Beschwerde in seinem Wertfestsetzungsbeschluss zugelassen hat (§ 59 Abs. 1 Satz 2 FamGKG).

507

Das OLG ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden, selbst wenn das FamG die grundsätzliche Bedeutung zu Unrecht bejaht hat (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 3 Satz 2 FamGKG). Es muss sich allerdings um eine wirksame Zulassung handeln (s. Rn. 508 ff.). bb) Keine nachträgliche Zulassung

508

Die Zulassung der Beschwerde muss in dem Beschluss, der die Wertfestsetzung nach § 55 Abs. 2 FamGKG enthält, ausgesprochen worden sein (§ 59 Abs. 1 Satz 2 FamGKG). Eine nachträgliche Zulassung der Beschwerde ist grundsätzlich nicht möglich; ebenso wenig eine Anfechtung der Nichtzulassung (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 3 Satz 2 FamGKG).

509

Das OLG ist an eine unzulässige nachträgliche Zulassung der Beschwerde auch nicht gebunden. Die Bindungswirkung der Zulassung erstreckt sich nur auf eine zulässige und statthafte Zulassung. Soweit also eine nachträgliche Zulassung erfolgt ist, muss das OLG im Rahmen der Zulässigkeit prüfen, ob hier ein Fall vorliegt, in dem die Zulassung nachgeholt werden durfte (s. Rn. 511 ff.). 80

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Verfahrensrecht Von einer nicht statthaften nachträglichen Zulassung zu unterscheiden ist eine zulässige Änderung der Ausgangsentscheidung infolge Berichtigung, Ergänzung oder Gehörsrüge. In diesem Fall liegt keine gesonderte nachträgliche Zulassung vor. Vielmehr wird die Zulassung Bestandteil der Ausgangsentscheidung.

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cc) Berichtigung Nach § 42 FamFG kann ein fehlerhafter Beschluss jederzeit berichtigt werden. Beruht also der fehlende Ausspruch über die Zulassung der Beschwerde auf einem Schreibfehler oder einer ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit i.S. des § 42 FamFG oder § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 319 ZPO kann dieser Fehler jederzeit berichtigt und die Zulassung ausgesprochen werden.1 Das Versehen des FamG muss sich aus dem Zusammenhang der Entscheidung selbst oder zumindest aus den Vorgängen bei der Beschlussfassung ergeben und auch für Dritte ohne Weiteres deutlich sein. Faktisch handelt es sich nicht um eine nachträgliche Entscheidung über die Zulassung, sondern nur um die Korrektur eines Fehlers im ursprünglichen Beschluss.

511

dd) Ergänzung Hat das Gericht übersehen, über die Zulassung zu entscheiden, so ist eine Ergänzung des Beschlusses möglich, wenn die Entscheidung über die Zulassung übergangen worden ist (§ 43 FamFG; § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 321 ZPO). Ein solcher Fall ist insbesondere dann gegeben, wenn die Zulassung ausdrücklich beantragt worden ist, das Gericht aber diesen „Antrag“ übergangen hat.

512

Hat das Gericht die Beschwerde nicht zugelassen, weil es der Auffassung war, es bestehe kein Zulassungsgrund, dann darf es diese jedoch nicht nachholen.

513

Hat das Gericht dagegen übersehen, die Frage der Zulassung zu prüfen, weil es irrtümlich davon ausgegangen ist, der Wert des Beschwerdegegenstands von über 200 Euro sei erreicht und die Beschwerde daher ohnehin zulässig, sodass sie nicht gesondert zugelassen werden bräuchte, kommt eine Abänderung oder nachträgliche Zulassung nicht in Betracht. Nimmt das OLG dagegen einen Wert von unter 200,01 Euro an, dann muss es die Sache zunächst dem FamG zurückgeben, damit dieses nunmehr die unterbliebene Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde nachholt.2

514

* Æ Beispiel: In seinem Wertfestsetzungsbeschluss führt das FamFG aus, einer Zulassung der Beschwerde bedürfe es nicht, da sich die Gebührendifferenz zwischen dem festgesetzten und dem beantragten Verfahrenswert auf mehr als 200 Euro belaufe. Tatsächlich liegt die Differenz unter 200 Euro. Das OLG muss jetzt zunächst die Sache an das FamG zurückgeben, damit dieses nunmehr über die Zulassung entscheidet.

1 BGH v. 14.9.2004 – VI ZB 61/03, AGS 2004, 480 = NJW 2005, 156 = MDR 2005, 103 = JurBüro 2005, 35 = FamRZ 2004. 2 BGH, Beschl. v. 27.4.2010 – VIII ZB 91/09, AGS 2010, 518 = NJW-Spezial 2010, 507 = FamRZ 2010, 1248 = MDR 2010, 886.

N. Schneider

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D. Festsetzung des Verfahrenswerts nach dem FamGKG ee) Gehörsrüge 515

Möglich ist die „nachträgliche“ Zulassung auf eine begründete Gehörsrüge hin (§ 61 FamGKG), wenn also die Nichtzulassung der Beschwerde auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhte.

516

Hat das Gericht über die Nichtzulassung der Beschwerde unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör entschieden, und wird gegen den Beschluss Gehörsrüge eingelegt (§ 61 FamGKG), so kann das Gericht seine Entscheidung abändern. Ein solcher Fall wäre z.B. gegeben, wenn das Gericht den Beteiligten keine Gelegenheit gegeben hat, auf divergierende Rechtsprechung und damit eine zwingende Divergenzzulassung hinzuweisen. ff) Abhilfeentscheidung

517

Ändert das FamG auf eine Gegenvorstellung hin seine ursprüngliche Wertfestsetzung ab, wozu es nach § 55 Abs. 3 Satz 1 FamGKG innerhalb der Frist des § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG berechtigt ist, dann liegt ein neuer Festsetzungsbeschluss nach § 55 Abs. 2 FamGKG vor, der jetzt auch wieder eine Zulassung enthalten darf. Das gilt insbesondere dann, wenn sich aus der geänderten Rechtsauffassung des Gerichts jetzt erstmals der Zulassungsgrund ergibt.

518

Ein Verstoß gegen § 59 Abs. 1 Satz 2 FamFG liegt nicht vor, weil Gegenstand der Anfechtung jetzt nicht der abgeänderte Ausgangsbeschluss ist, sondern der Abhilfebeschluss und dieser enthält die Zulassung, sodass § 59 Abs. 1 Satz 2 FamGKG gewahrt ist.

* Æ Beispiel: Das Gericht hat den Verfahrenswert festgesetzt. Eine Beschwerde kommt nicht in Betracht, da die Beschwer von mehr als 200 Euro nicht erreicht ist. Nunmehr wird Gegenvorstellung erhoben. Das Gericht ändert, wozu es nach § 55 Abs. 3 FamGKG berechtigt ist, den Verfahrenswert ab. Mit seiner Abänderungsentscheidung kann es die Beschwerde zulassen, wenn sich aus der Abänderung jetzt ein Zulassungsgrund ergibt, etwa weil die Abänderung in Divergenz zu anderweitiger Rechtsprechung steht.

d) Zulassungsfreie Beschwerde aa) Überblick 519

Ist die Beschwerde nicht zugelassen, so muss der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigen, also mindestens 200,01 Euro betragen. Dabei kommt es nicht auf die Differenz zwischen dem begehrten und dem festgesetzten Verfahrenswert an, sondern auf die Differenz der Kosten, die sich nach dem festgesetzten und dem begehrten Verfahrenswert ergibt. – Legt der Anwalt gem. § 32 Abs. 2 RVG die Beschwerde ein, so ist lediglich auf die Differenz seiner Vergütung nach dem festgesetzten und dem beantragten Wert abzustellen. Ist der Anwalt im Wege der Verfahrenskostenhilfe oder nach § 138 FamFG beigeordnet worden, ist gleichwohl auf die Differenz der Wahlanwaltsgebühren abzustellen, da dem Anwalt insoweit ein weiter gehender Anspruch gegen die Partei zusteht, der unter den Voraussetzungen des § 50 RVG ggf. noch innerhalb der nächsten vier Jahre geltend gemacht werden kann. Ab82

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N. Schneider

Verfahrensrecht gesehen davon können sich auch Erstattungsansprüche gegen Dritte ergeben (§ 78 Abs. 1 FamFG i.V.m. 126 ZPO). – Wird die Beschwerde im Namen eines Beteiligten eingelegt, wird also eine Herabsetzung des Wertes beantragt, so ist – zunächst immer die Differenz der Gebühren, die der Beteiligte seinem Rechtsanwalt schuldet, nach dem festgesetzten und dem beantragten Wert zu berücksichtigen und darüber hinaus, – soweit er als Kostenschuldner (auch Zweitschuldner) für die Gerichtskosten in Betracht kommt, auch die Differenz der Gerichtskosten zwischen den jeweiligen Werten und – soweit der Beteiligte auch noch zur Kostenerstattung an den Gegner verpflichtet ist, ist die Differenz des Erstattungsbetrages nach dem festgesetzten und dem begehrten Wert maßgebend. bb) Berechnungsbeispiele zum Wert des Beschwerdegegenstands

* Æ Beispiel: Das Gericht hat den Verfahrenswert in einem isolierten Zugewinnverfahren auf 8.000 Euro festgesetzt. Dem Antragsteller war Verfahrenskostenhilfe bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet worden, dem Antragsgegner nicht. Nach mündlicher Verhandlung wird der Antrag durch Beschluss zurückgewiesen. Die Kosten werden nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 91 ZPO dem Antragsgegner auferlegt. a) Der Anwalt will eine Heraufsetzung des Verfahrenswertes auf 10.000 Euro erreichen. b) Der Antragsgegner will eine Herabsetzung auf 6.000 Euro erreichen. c) Der Antragsteller will eine Herabsetzung auf 6.000 Euro erreichen. d) Die Landeskasse will eine Herabsetzung auf 6.000 Euro erreichen. a) Im Fall a) ist für den Anwalt auf die Differenz seiner Vergütung aus dem Wert von 8.000 zu der aus 10.000 Euro abzustellen. Maßgebend sind die Wahlanwaltsgebühren, da er ggf. den Mandanten später auf die weiter gehenden Wahlanwaltsgebühren in Anspruch nehmen kann (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 124 ZPO). Aus dem festgesetzten Wert von 8.000 Euro ergibt sich für den Anwalt folgende Vergütung: 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 8.000 Euro) 535,60 Euro 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 8.000 Euro) 494,40 Euro 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro Zwischensumme 1.050,00 Euro 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 199,50 Euro Gesamt 1.249,50 Euro Aus dem beantragten Wert von 10.000 Euro würde sich dagegen folgende Vergütung ergeben: 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 Euro) 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 10.000 Euro) 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

631,80 Euro 583,20 Euro 20,00 Euro 1.235,00 Euro 234,65 Euro 1.469,65 Euro

Die Vergütungsdifferenz beträgt 220,15 Euro. Die Beschwerde wäre damit zulässig.

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D. Festsetzung des Verfahrenswerts nach dem FamGKG b) Für den Antragsgegner ist im Fall b) nur auf die Differenz der von ihm zu zahlenden Anwaltsvergütung aus dem Wert von 8.000 Euro zu der Vergütung aus 6.000 Euro abzustellen. Auf Gerichtskosten kann er nicht in Anspruch genommen werden und eine Kostenerstattung ist nicht geschuldet. Aus dem festgesetzten Wert ergäben sich für ihn die in Fall a) abgerechneten Anwaltskosten i.H.v. 1.249,50 Euro. Aus dem beantragten Wert von 6.000 Euro müsste er dagegen lediglich folgende Anwaltsvergütung zahlen: 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 6.000 Euro) 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 6.000 Euro) 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

439,40 Euro 405,60 Euro 20,00 Euro 865,00 Euro 164,35 Euro 1.029,35 Euro

Die Differenz beträgt auch hier 220,15 Euro. Die Beschwerde wäre damit zulässig. c) Im Fall c) richtet sich der Wert des Beschwerdegegenstands für den Antragsteller nach der Differenz der Gerichtsgebühren, der Differenz der an den eigenen Anwalt zu zahlenden Gebühren und der Differenz der an den Gegner zu erstattenden Kosten aus den jeweiligen Werten. Die Differenz der an den eigenen Anwalt zu zahlenden Vergütung würde sich ebenso wie für den Antragsgegner (Fall b) auf 220,15 Euro belaufen. Dass ihm Verfahrenskostenhilfe bewilligt ist, ist unerheblich (s. oben Rn. 519). Das Gleiche, also weitere 220,15 Euro, käme noch einmal hinzu für die an den Gegner zu erstattenden Kosten. Des Weiteren käme dann noch die Differenz der Gerichtsgebühren hinzu. Aus 10.000 Euro ergäbe sich eine 3,0-Gebühr, Nr. 1220 KV FamGKG (10.000 Euro) Aus 8000 Euro ergäbe sich dagegen eine 3,0-Gebühr, Nr. 1220 KV FamGKG (8.000 Euro) Dies ergibt eine Differenz i.H.v.

588,00 Euro 498,00 Euro 90,00 Euro.

Damit würde sich der Wert des Beschwerdegegenstands auf (220,15 Euro + 220,15 Euro + 90,00 Euro =) 530,30 Euro belaufen. Die Beschwerde wäre zulässig. d) Im Fall d) würde für die Landeskasse eine Herabsetzung auf 6.000 Euro zu einer Verringerung der an den Anwalt des Antragstellers zu zahlenden Anwaltsvergütung führen. Nach den Beträgen des § 49 RVG ergäbe sich aus 8.000 Euro eine zu zahlende Vergütung i.H.v. 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG, § 49 RVG (Wert: 8.000 Euro) 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG, § 49 RVG (Wert: 8.000 Euro) 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

535,60 Euro 494,40 Euro 20,00 Euro 1.050,00 Euro 199,50 Euro 1.249,50 Euro

Aus dem beantragten Wert von 6.000 Euro ergäbe sich dagegen folgende Anwaltsvergütung: 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG, 49 RVG (Wert: 6.000 Euro) 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG, § 49 RVG (Wert: 6.000 Euro) 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

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439,40 Euro 405,60 Euro 20,00 Euro 865,00 Euro 164,35 Euro 1.029,35 Euro

Verfahrensrecht Es ergibt sich damit eine Differenz i.H.v. 220,15 Euro. Die Beschwerde ist damit zulässig.

Sind die Kosten des Verfahrens nach Quoten verteilt, so darf der Berechnung der Beschwer eines Beteiligten die Kostenerstattungspflicht nur im Verhältnis der festgesetzten Quote zugrunde gelegt werden.

520

* Æ Beispiel:

521

Das Gericht hat den Verfahrenswert in einer Unterhaltssache auf 12.000 Euro festgesetzt. Die Kosten des Verfahrens sind dem Antragsteller zu 20 % und dem Antragsgegner zu 80 % auferlegt worden. Der Antragsteller hatte die 3,0-Gerichtsgebühr nach Nr. 1220 KV FamGKG i.H.v. 657 Euro voraus bezahlt. a) Der Antragssteller will eine Herabsetzung auf 8.000 Euro erreichen. b) Der Antragsgegner will eine Herabsetzung auf 8.000 Euro erreichen. Die Vergütung eines jeden Anwalts aus 12.000 Euro beläuft sich auf: 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

683,80 Euro 631,20 Euro 20,00 Euro 1.335,00 Euro 253,65 Euro 1.588,65 Euro

Ausgehend hiervon ergibt sich für den Antragsteller ein Kostenerstattungsanspruch i.H.v. eigene Anwaltskosten Gerichtskosten Anwaltskosten Antragsgegner Zwischensumme hiervon 80 % ./. eigene Kosten Gegner Gesamt

1.588,65 Euro 657,00 Euro 1.588,65 Euro 3.834,30 Euro 3.067,44 Euro – 1.588,65 Euro 1.478,79 Euro

a) Der Antragsteller würde bei einem Wert von 10.000 Euro lediglich eine Gerichtsgebühr i.H.v. 588 Euro zahlen müssen. Er erhielte also 69 Euro aus der Landeskasse zurück. An seinen Anwalt müsste er bei einem Wert von 10.000 Euro lediglich zahlen. 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

631,80 Euro 583,20 Euro 20,00 Euro 1.235,00 Euro 234,65 Euro 1.469,65 Euro

Die Differenz beträgt

119,00 Euro.

Die Beschwer des Antragstellers beläuft sich somit auf (69,00 Euro + 119,00 Euro =)

188,00 Euro

Eine Beschwerde mit dem Ziel der Herabsetzung auf 8.000 Euro wäre daher für den Antragsteller nicht zulässig. b) Der Antragsgegner würde bei einer Herabsetzung an seinen Anwalt ebenfalls 119,00 Euro weniger zahlen müssen. Darüber hinaus würde sich der Kostenerstattungsanspruch des Antragstellers wie folgt reduzieren:

N. Schneider

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D. Festsetzung des Verfahrenswerts nach dem FamGKG eigene Anwaltskosten Gerichtskosten Anwaltskosten Antragsgegner Zwischensumme hiervon 80 % ./. eigene Kosten Gegner Gesamt

1.469,65 Euro 588,00 Euro 1.469,65 Euro 3.527,30 Euro 2.821,84 Euro – 1.469,65 Euro 1.352,19 Euro

Dies ergibt gegenüber der Kostenerstattung aus 10.000 Euro eine Differenz i.H.v. (1.478,79 Euro – 1.352,00 Euro =)

126,60 Euro

Die Beschwer des Antragsgegners beläuft sich somit auf (119,00 Euro + 188,00 Euro =)

307,00 Euro.

Eine Beschwerde mit dem Ziel der Herabsetzung auf 8000 Euro wäre daher für den Antragsgegner möglich.

cc) Wert des Beschwerdegegenstands nach Teilabhilfe 522

Wird der Beschwerde teilweise abgeholfen, so ist der verbleibende Wert des Beschwerdegegenstands zu ermitteln. Sinkt der Wert des Beschwerdegegenstands infolge der Teilabhilfe auf 200 Euro oder darunter, wird die Beschwerde unzulässig. Eine Entscheidung des Beschwerdegerichts in der Sache kommt dann nicht mehr in Betracht. Die Entscheidung des FamG ist vielmehr endgültig.

523

Allerdings kann das FamG die Beschwerde nicht selbst verwerfen. Ihm steht keine Verwerfungskompetenz zu. Die Sache ist auch in diesem Fall dem OLG vorzulegen, wenn die Beschwerde im Hinblick auf die Teilabhilfe und ihre damit eingetretene Unzulässigkeit nicht zurückgenommen wird.

524

Das OLG hat dann nach Hinweis die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, sofern sie nicht zuvor zurückgenommen wird. dd) Wert des Beschwerdegegenstands nach Teilrücknahme

525

Wird die Beschwerde vor der Nichtabhilfeentscheidung teilweise zurückgenommen, so richtet sich der für die Zulässigkeit der Beschwerde maßgebende Wert des Beschwerdegegenstands nur nach dem verbleibenden Interesse des Beschwerdeführers.

526

Wird die Beschwerde dagegen erst nach der Nichtabhilfeentscheidung und Eingang der Akte beim OLG teilweise zurückgenommen, so bleibt eine bis dahin gegebene Zulässigkeit erhalten. 6. Beschwerdefrist

527

Die Beschwerde ist befristet. Sie muss innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG eingelegt werden (§ 59 Abs. 1 Satz 3 FamGKG).

528

Zur Berechnung der Frist s. Rn. 466 ff.

529

Ist der Wert später als einen Monat vor Ablauf der Sechsmonatsfrist festgesetzt oder abgeändert worden, kann noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung der Wertfestsetzung Beschwerde eingelegt werden (§ 59 Abs. 1 Satz 3 FamGKG). Im Falle der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss als mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als zugestellt (§ 59 Abs. 1 Satz 4 FamGKG). 86

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Verfahrensrecht In Anbetracht der nach § 55 Abs. 3 FamGKG vorgesehenen Sechsmonatsfrist ist eine zeitlich frühere Verwirkung des Beschwerderechts ausgeschlossen.1

530

7. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Wird die Frist zur Einlegung der Verfahrensbeschwerde versäumt, sei es also, dass die Beschwerde nicht innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG oder nicht innerhalb der Monatsfrist des § 55 Abs. 1 Satz 3 FamGKG erhoben worden ist (§ 59 Abs. 1 Satz 2 FamGKG), kann dem Beschwerdeführer vom OLG Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt werden (§ 59 Abs. 2 FamGKG).

531

Die Wiedereinsetzung wird nur auf Antrag des Beschwerdeführers gewährt. Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kommt nicht in Betracht.

532

Der Beschwerdeführer muss ohne sein Verschulden verhindert gewesen sein, die Frist einzuhalten. Das Verschulden eines Verfahrensbevollmächtigten ist dem Beteiligten zuzurechnen (§§ 11, 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).

533

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses zu stellen. Innerhalb der gleichen Frist muss auch die Beschwerde nachgeholt werden. Des Weiteren müssen innerhalb der Frist die Tatsachen, die die Wiedereinsetzung begründen sollen, glaubhaft gemacht werden (§ 59 Abs. 2 Satz 1 FamGKG).

534

Nach Ablauf eines Jahres seit Ende der versäumten Frist an ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung unzulässig (§ 59 Abs. 2 Satz 2 FamGKG).

535

Zwar entscheidet über den Wiedereinsetzungsantrag das OLG; da die nachgeholte Beschwerde jedoch zwingend beim FamG einzureichen ist (§ 57 Abs. 4 Satz 4 FamGKG), muss dies auch für den Wiedereinsetzungsantrag gelten. Das gilt insbesondere dann, wenn die Wiedereinsetzung nur hilfsweise beantragt wird.

536

Über die Wiedereinsetzung entscheidet alleine das OLG. Das FamG muss also, wenn es vom Ablauf der Beschwerdefrist ausgeht, ohne eigene Entscheidung die Sache dem OLG vorlegen. Eine Abhilfe durch das FamG ist nicht möglich. Es handelt sich insoweit um eine Frage der Zulässigkeit der Beschwerde, für die dem FamG keine Entscheidungskompetenz zusteht.

537

Gibt das OLG dem Wiedereinsetzungsantrag statt, hat es die Sache dem FamG zurückzugeben, das nunmehr zunächst über die Abhilfe zu entscheiden hat.

538

8. Form Die Beschwerde kann schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingereicht werden (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 FamGKG). § 129a ZPO gilt entsprechend (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 4 Satz 1, Halbs. 2 FamGKG). Einer darüber hinausgehenden besonderen Form bedarf die Beschwerde nicht.

539

Ein bestimmter Antrag ist nicht erforderlich, da das Gericht von Amts wegen zutreffend zu entscheiden hat (§ 55 Abs. 2, 3 FamGKG). Gleichwohl ist ein

540

1 OLG Hamm, JurBüro 1977, 73; OLG Hamburg, MDR 1964, 931; OLG Frankfurt, Rpfleger 1960, 255.

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D. Festsetzung des Verfahrenswerts nach dem FamGKG Antrag oder eine Begründung sachdienlich, vor allen Dingen, weil anderenfalls ggf. Schwierigkeiten bestehen, im Falle des § 59 Abs. 1 Satz 1 FamGKG den erforderlichen Beschwerdewert zu berechnen. 541

Für das Beschwerdeverfahren besteht kein Anwaltszwang, und zwar auch dann nicht, wenn in dem zugrunde liegenden Verfahren Anwaltszwang besteht. Die Beschwerde gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes kann daher auch der Beteiligte selbst einlegen. 9. Aufschiebende Wirkung, Einstellung der Zwangsvollstreckung

542

Eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Verfahrenswerts hat keine aufschiebende Wirkung.

543

Allerdings ist ein laufendes Kostenfestsetzungsverfahren auszusetzen, bis über den Verfahrenswert abschließend entschieden worden ist.1

544

Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nicht vorgesehen, da § 59 Abs. 1 Satz 5 FamGKG die Vorschrift des § 57 Abs. 6 FamGKG von einer Verweisung ausdrücklich ausnimmt.2 Ungeachtet dessen kann die Gerichtskasse mit der Beitreibung der Kosten abwarten, bis über den Wert rechtskräftig entschieden ist. Sie ist dazu aber nicht verpflichtet. 10. Abhilfeverfahren

545

Auf die Beschwerde hin hat das FamG zunächst zu prüfen, ob der Beschwerde abzuhelfen ist (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 3 Satz 1 FamGKG).

546

Das weitere Verfahren richtet sich danach, ob und ggf. in welchem Umfang abgeholfen wird: – Soweit der Beschwerde in vollem Umfang abgeholfen wird, erübrigt sich die Vorlage an das Beschwerdegericht. – Soweit der Beschwerde nicht abgeholfen wird, ist die Sache alsdann dem Beschwerdegericht, also dem OLG, vorzulegen, das hierüber entscheidet. – Soweit der Beschwerde teilweise abgeholfen wird, ist zu differenzieren – bleibt die Beschwerde zulässig, weil – der verbleibende Beschwerdegegenstand den erforderlichen Betrag von 200 Euro immer noch übersteigt oder – die Beschwerde zugelassen worden war ist sie dem OLG vorzulegen. – Ist die Beschwerde unzulässig geworden, – weil der verbleibende Beschwerdegegenstand den erforderlichen Betrag von 200 Euro nicht (mehr) übersteigt und – die Beschwerde auch nicht zugelassen worden ist, muss das FamG dem Beschwerdeführer die Möglichkeit geben, aufgrund der Teilabhilfe seine jetzt unzulässig gewordene Beschwerde zurückzu1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2010 – 6 W 21-23/10, AGS 2010, 568; für das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG ist dies in § 11 Abs. 4 RVG ausdrücklich geregelt. 2 KG, Rpfleger 1962, 121.

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Verfahrensrecht nehmen. Wird die Beschwerde nicht zurückgenommen, muss die Sache dem OLG vorgelegt werden. Das FamG hat keine Verwerfungskompetenz. Das FamG hat den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren. Dazu gehört zumindest, dass die Beschwerde nebst Begründung den übrigen Verfahrensbeteiligten zur Stellungnahme übermittelt wird. Legt ein Verfahrensbevollmächtigter Heraufsetzungsbeschwerde ein, so ist die Beschwerde den Beteiligten unmittelbar zuzustellen und nicht deren Verfahrensbevollmächtigten, da insoweit gegenläufige Interessen bestehen und die Beteiligten unmittelbar mit eigenen Interessen am Verfahren beteiligt sind.

547

Im Verfahren der Verfahrenswertbeschwerde gilt wegen des Grundsatzes der Verfahrenswertwahrheit das Verschlechterungsverbot (reformatio in peius) nicht.1 Das Gericht kann also auch im Abhilfeverfahren entgegen dem Antrag des Beschwerdeführers festsetzen. Es kann also auf eine Heraufsetzungsbeschwerde hin den Wert herabsetzen und auf eine Herabsetzungsbeschwerde hin den Wert heraufsetzen.

548

Die Entscheidung über die Nichtabhilfe ist zu begründen. Soweit die Beschwerde neues Vorbringen und neue Argumente enthält, muss der Nichtabhilfebeschluss erkennen lassen, dass sich das FamG damit auseinander gesetzt hat. Inhaltsleere Floskeln reichen dazu nicht aus.2

549

11. Erneute Beschwerdemöglichkeit gegen Abhilfeentscheidung Gegen die Abhilfeentscheidung kann wiederum Beschwerde oder auch Anschlussbeschwerde erhoben werden.

550

Hilft das Gericht der Beschwerde in vollem Umfang ab, kann nunmehr ein anderer Beteiligter durch die Entscheidung erstmals beschwert sein, sodass er hiergegen jetzt Beschwerde einlegen kann. Das gilt auch dann, wenn zwischenzeitlich die Sechsmonatsfrist abgelaufen ist. Die neue Beschwerde muss dann innerhalb eines weiteren Monats eingelegt werden (§ 59 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 FamGKG).

551

Voraussetzung ist, dass der Wert des Beschwerdegegenstands mehr als 200 Euro beträgt. Entweder muss also die Abhilfeentscheidung selbst einen Beschwerdegegenstand von mehr als 200 Euro geschaffen haben oder aus dem Zusammenspiel von Ausgangsentscheidung und Abhilfe ergibt sich jetzt zusammen ein Wert des Beschwerdegegenstands von über 200 Euro.

552

Das Gericht kann in seiner Abhilfeentscheidung aber auch die Beschwerde zulassen (§ 59 Abs. 1 Satz 2 FamGKG), wenn die Abhilfeentscheidung grundsätzliche Bedeutung hat oder von der Entscheidung anderer Gerichte abweicht.

553

Soweit das Gericht der Beschwerde teilweise abhilft und es die Sache wegen des nicht abgeholfenen Teils dem Beschwerdegericht vorlegen muss, kann der durch die Teilabhilfe erstmals beschwerte Beteiligte Anschlussbeschwerde erheben. Eine Zulassung oder das Erreichen eines bestimmten Wertes ist für die Anschlussbeschwerde nicht erforderlich.

554

1 Anders dagegen im Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG (s. Rn. 800). 2 LG Verden, Beschl. v. 24.6.2010 – 1 T 76/10; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 3.2.2010 – 9 WF 123/09; OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.11.2009 – 11 W 59/09, MDR 2010, 344.

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D. Festsetzung des Verfahrenswerts nach dem FamGKG Muster: Beschwerde gegen endgültige Wertfestsetzung Amtsgericht ... – Familiengericht – In Sachen ... ./. ... lege ich in eigenem Namen gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes Beschwerde ein. In dem zugrunde liegenden Verfahren hatte die Antragstellerin Zugewinnausgleich i.H.v. 30.000 Euro beantragt. Der Antragsgegner hat später Widerklageantrag gestellt und seinerseits beantragt, die Antragstellerin zur Zahlung von Zugewinnausgleich i.H.v. 20.000 Euro zu verpflichten. Das Gericht hat den Verfahrenswert auf 30.000 Euro festgesetzt, weil es offenbar der Auffassung ist, dass dem Klage- und dem Widerklageantrag derselbe Verfahrensgegenstand zugrunde liege und daher gem. § 39 Abs. 1 Satz 2 FamGKG nur der höhere Wert maßgebend sei. Zutreffenderweise hätte der Gegenstandswert auf 50.000 Euro festgesetzt werden müssen. Beide Anträge sind zu addieren (§ 39 Abs. 1 Satz 1 FamGKG). Es liegt nicht derselbe Verfahrensgegenstand zugrunde. Zwar schließen sich die wechselseitigen Zugewinnausgleichsanträge aus. Es fehlt jedoch an der erforderlichen wirtschaftlichen Identität. Die Werte wechselseitiger Zugewinnausgleichsanträge sind daher zusammenzurechnen. Ich nehme insoweit Bezug auf OLG Stuttgart, FamRZ 2006, 1055 = FamRB 2007, 14; OLG Bamberg, NJW-RR 1995, 258 = FamRZ 1995, 492; OLG München, FamRZ 1997, 41; OLG Köln, FamRZ 1997, 41; OLG Köln, FamRZ 2001, 1386 = MDR 2001, 941; zuletzt OLG Celle, AGS 2010, 614 = FamRZ 2011, 134. Rechtsanwalt

12. Verfahren vor dem OLG a) Zuständigkeit 555

Das OLG entscheidet nach § 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 5 Satz 1 FamGKG durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter.

556

Der Einzelrichter hat die Sache dem Senat zu übertragen, wenn sie besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 5 Satz 2 FamGKG). b) Bindungswirkung der Zulassung

557

Das OLG ist an eine Zulassung der Beschwerde durch das FamG gebunden (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 3 Satz 2 FamGKG).

558

Es hat allerdings zu prüfen, ob die Zulassung wirksam ist, insbesondere, ob sie in dem angefochtenen Beschluss ausgesprochen worden ist. An unwirksame 90

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Verfahrensrecht Zulassungen – etwa nachträgliche Zulassungen (s. Rn. 508 ff.) – ist das OLG nicht gebunden. c) Verfahren Das OLG prüft zunächst die Zulässigkeit, insbesondere die Formalien und die Frist in eigener Kompetenz.

559

Das OLG prüft insbesondere auch, ob der erforderliche Beschwerdewert gegeben ist, wenn die Beschwerde nicht zugelassen ist.

560

Hat das FamFG ersichtlich einen Wert des Beschwerdegegenstands von über 200 Euro angenommen und daher über die Zulassung der Beschwerde nicht entschieden, muss das OLG die Sache dem FamFG zurückgeben, damit es über die Frage der Zulassung im Wege der Beschlussergänzung entscheidet.1

561

Ist der Wert des Beschwerdegegenstands infolge einer Teilabhilfe unter 200,01 Euro gesunken, so hat das OLG die Beschwerde – nach Hinweis – als unzulässig zu verwerfen. Es hat keine Abänderungsmöglichkeit. Insbesondere gilt § 55 Abs. 3 Satz 1 FamGKG nicht, da diese Abänderungsmöglichkeit eine zulässige Beschwerde voraussetzt.

562

Auch das OLG hat den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren. Verstöße hiergegen können mit der Gehörsrüge nach § 61 FamGKG geltend gemacht werden, wobei wegen der Möglichkeit der Gegenvorstellung der Gehörsrüge kaum Bedeutung zukommt (s. unten Rn. 580).

563

d) Entscheidung aa) Form Das OLG entscheidet durch Beschluss.

564

Die Beschwerdeentscheidung kann formlos mitgeteilt werden. Eine förmliche Zustellung ist grundsätzlich nicht erforderlich.

565

Lediglich dann, wenn das OLG den Verfahrenswert abweichend vom FamFG festgesetzt hat und bereits ein Kostenfestsetzungsbeschluss auf der Grundlage der früheren Wertfestsetzung ergangen ist, ist eine Zustellung erforderlich, weil dadurch dann die Frist nach § 113 Abs. 1 Satz 2 oder § 85 FamFG i.V.m. § 107 Abs. 2 ZPO ausgelöst wird.

566

bb) Rückgabe wegen fehlender oder mangelhafter Abhilfeentscheidung Fehlt eine Abhilfeentscheidung des FamG, so liegt darin grundsätzlich ein Verfahrensmangel, der dazu führt, dass die Akten dem FamG zurückzugeben sind, damit es zunächst über die Abhilfe entscheidet. Dies ist keine unnötige Förmelei. Sofern das FamG abhilft, kommt eine Beschwerde nämlich nicht mehr in Betracht. Sofern der Beschwerdewert infolge einer Teilabhilfe unter den Beschwerdewert fällt, wäre die Beschwerde ebenfalls unzulässig.

567

Soweit der Abhilfebeschluss mangelhaft ist, etwa weil er sich mit den mit der Beschwerde vorgebrachten Gründen nicht auseinander setzt, ist die Nichtab-

568

1 BGH, Beschl. v. 27.4.2010 – VIII ZB 91/09, AGS 2010, 518 = NJW-Spezial 2010, 507 = FamRZ 2010, 1248 = MDR 2010, 886.

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D. Festsetzung des Verfahrenswerts nach dem FamGKG hilfeentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Abhilfe dem FamG zurückzugeben. 569

Zu beachten ist, dass nur die Nichtabhilfeentscheidung aufzuheben ist, nicht auch die Ausgangsentscheidung über die Wertfestsetzung. cc) Zurückverweisung

570

Ist sogar die Ausgangsentscheidung mangelhaft, so kann das OLG auch die Festsetzung des FamG selbst aufheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die endgültige Wertfestsetzung an das FamG zurückverweisen. dd) Entscheidung in der Sache

571

Entscheidet das OLG zur Sache, besteht keine Bindung an die Anträge der Beteiligten. Insoweit gilt § 55 Abs. 3 Satz 1 FamGKG. Da auch das Rechtsmittelgericht den Verfahrenswert innerhalb der Frist des § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG jederzeit von Amts wegen abändern darf, ist es nicht an die Anträge der Beteiligten gebunden.

572

Insbesondere gilt hier nicht das Verschlechterungsverbot (reformatio in peius). Das Beschwerdegericht kann also auch zum Nachteil des Beschwerdeführers entscheiden und den Wert im Falle einer Heraufsetzungsbeschwerde herabsetzen oder im Falle einer Herabsetzungsbeschwerde heraufsetzen.

573

Zu einer Entscheidung in der Sache ist das OLG aber nur berufen, wenn die Beschwerde zulässig ist. Das OLG kann nicht von seinem Abänderungsrecht nach § 55 Abs. 3 FamGKG Gebrauch machen, da dies eine zulässige Beschwerde voraussetzt. ee) Keine Anfechtung

574

Die Entscheidung des OLG ist unanfechtbar (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 57 Abs. 7 FamGKG).

575

Das OLG ist allerdings berechtigt, auf eine Gegenvorstellung hin in Anwendung des § 55 Abs. 3 FamGKG seine Beschwerdeentscheidung nachträglich abzuändern.1

576

Darüber hinaus sind eine Berichtigung nach § 42 FamFG, § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 319 ZPO oder eine Ergänzung nach § 43 FamFG, § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 321 ZPO möglich.

577

Ebenso ist eine Gehörsrüge nach § 61 FamGKG möglich, die in der Regel allerdings überflüssig ist, weil innerhalb der Frist des § 55 Abs. 3 FamGKG eine Gegenvorstellung in Betracht kommt, die zur Änderung der Wertfestsetzung führen kann.

1 Eine Abänderungsmöglichkeit des FamG besteht nicht mehr, da nur die eigene Wertfestsetzung abänderbar ist.

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Verfahrensrecht

IX. Weitere Beschwerde Eine weitere Beschwerde ist nicht statthaft. Das FamGKG sieht sie nicht vor. Abgesehen davon schließt das Gesetz sie ausdrücklich aus, da eine Entscheidung des OLG unanfechtbar ist (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. §§ 57 Abs. 7 FamGKG).

578

X. Rechtsbeschwerde Eine Rechtsbeschwerde ist ebenfalls nicht statthaft.1 Das FamGKG sieht sie nicht vor. Abgesehen davon, dass Entscheidungen des OLG unanfechtbar sind (§ 59 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. §§ 57 Abs. 7 FamGKG). Darauf hinzuweisen besteht Anlass, da dies vielen Beschwerdesenaten nicht bekannt ist und immer wieder die Zulassung einer Rechtsbeschwerde ausgesprochen wird, die es gar nicht gibt.

579

XI. Gehörsrüge Nach § 61 FamGKG kann Gehörsrüge erhoben werden, soweit der Anspruch auf rechtliches Gehör übergangen worden ist.

580

Die Gehörsrüge hat im Verfahren der Beschwerde gegen die Wertfestsetzung nach § 59 FamGKG jedoch letztlich keine Bedeutung, da das Gericht jederzeit von Amts wegen und auf Gegenvorstellung hin innerhalb der Frist des § 55 Abs. 3 FamFG die Wertfestsetzung abändern kann. Es fehlt in diesen Fällen in der Regel an der erforderlichen Rechtskraft.

581

XII. Kosten 1. Gerichtskosten a) Festsetzungsverfahren Im Verfahren über die Wertfestsetzung werden keine Gerichtsgebühren erhoben. Das Verfahren gehört mit zur Instanz.

582

Hier können lediglich Auslagen anfallen, ggf. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (§ 56 Satz 2 FamGKG i.V.m. Nr. 2005 KV FamGKG).

583

b) Gegenvorstellung Die Gegenvorstellung gehört mit zur Instanz und löst keine gesonderte Vergütung aus, abgesehen davon, dass es hierfür gar keinen Gebührentatbestand gibt. Wohl können Auslagen erhoben werden.

584

c) Beschwerdeverfahren Im Beschwerdeverfahren einschließlich des Verfahrens auf Wiedereinsetzung und der Gehörsrüge fallen ebenfalls keine Gerichtsgebühren an (§ 57 Abs. 8 Satz 1 FamGKG). 1 S. Rn. 355.

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585

D. Festsetzung des Verfahrenswerts nach dem FamGKG 586

Auslagen können erhoben werden, allerdings nur sofern die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird (Vorbem. 2 Abs. 1 KV FamGKG). d) Rechtsbeschwerdeverfahren

587

Im Rechtsbeschwerdeverfahren wird eine Festgebühr i.H.v. 100 Euro nach Nr. 1923 KV FamGKG erhoben, die sich im Falle der Rücknahme auf 50 Euro ermäßigt. Der Ausschluss des § 59 Abs. 3 Satz 1 FamGKG greift nicht, da er sich nur auf die (zulässigen) Verfahren nach § 59 FamGKG bezieht, nicht aber auf ein unstatthaftes Rechtsbeschwerdeverfahren. e) Gehörsrüge

588

Gerichtsgebühren löst eine Gehörsrüge nicht aus, da das FamGKG hierfür keinen gesonderten Gebührentatbestand vorsieht. Der Tatbestand der Nr. 1800 KV FamGKG ist nicht anwendbar, da die Regelung nicht für die Gehörsrüge nach § 61 FamGKG gilt, sondern nur für die nach § 44 FamFG und abgesehen davon nach § 59 Abs. 3 Satz 1 FamGKG in den Verfahren über die Wertfestsetzung keine Gebühren erhoben werden dürfen.1 2. Anwaltskosten a) Festsetzungsverfahren

589

Für den bereits in der Hauptsache beauftragten Anwalt löst die Tätigkeit im Verfahren auf Wertfestsetzung ebenfalls keine Vergütung aus. Diese Tätigkeit gehört für ihn nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG mit zum Gebührenrechtszug.

590

Ist der Anwalt ausschließlich im Wertfestsetzungsverfahren beauftragt, handelt es sich für ihn um eine Einzeltätigkeit, die nach Nr. 3403 VV RVG zu vergüten ist. Der Anwalt erhält eine 0,8-Verfahrensgebühr.

591

Soweit nur ein Antrag auf Festsetzung gestellt wird, könnte ein Fall der Nr. 3404 VV RVG vorliegen, sodass nur eine 0,3-Verfahrensgebühr entsteht. b) Gegenvorstellung

592

Auch eine Gegenvorstellung gehört für den in der Hauptsache tätigen Anwalt mit zur Instanz und löst keine gesonderte Vergütung aus.

593

Lediglich als Einzeltätigkeit, also wenn ein bisher nicht befasster Anwalt nur mit einer Gegenvorstellung beauftragt wird, entstehen gesonderte Gebühren. Es liegt dann eine Einzeltätigkeit nach Nr. 3404 VV vor. Der Anwalt erhält dann eine 0,8-Verfahrensgebühr.

594

Der Gegenstandswert richtet sich analog § 23 Abs. 2 Satz 1, 3, Abs. 3 RVG nach dem Interesse an der Abänderung.

1 S. Rn. 364.

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Verfahrensrecht c) Beschwerdeverfahren Im Beschwerdeverfahren können dagegen auch Anwaltsgebühren anfallen.

595

Legt der Anwalt im eigenen Namen Beschwerde gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes ein oder verteidigt er sich gegen die Herabsetzungsbeschwerde eines der Beteiligten, so wird er in eigener Sache und im eigenen Namen tätig, sodass es an einem Auftraggeber fehlt und folglich keine Gebühren ausgelöst werden können. Sie können auch nicht über § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO fingiert werden, da eine Kostenerstattung ausgeschlossen ist (§ 59 Abs. 3 Satz 2 FamGKG).

596

Vertritt der Anwalt dagegen einen Beteiligten, für den er Herabsetzungsbeschwerde erhebt oder für den er sich gegen die Heraufsetzungsbeschwerde eines anderen Beteiligten zur Wehr setzt, löst dies eine einfache Beschwerdegebühr nach Nr. 3500 VV RVG nebst Auslagen und Umsatzsteuer aus.

597

Wird die Nichtabhilfeentscheidung aufgehoben und nach erneuter Nichtabhilfe wieder dem OLG vorgelegt, handelt es sich nur um ein Beschwerdeverfahren, sodass die Gebühren nur einmal anfallen (§ 15 Abs. 1 RVG). Wird dagegen die Festsetzung aufgehoben und gegen die neue Festsetzung erneut Beschwerde erhoben, liegen zwei Beschwerdeverfahren vor (§ 15 Abs. 2 Satz 2 RVG).

598

d) Rechtsbeschwerdeverfahren Im (nicht statthaften) Rechtsbeschwerdeverfahren entsteht für den Anwalt eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3502 VV RVG. Der Anwalt, der die Rechtsbeschwerde einlegt, wird diese allerdings wegen Anwaltsverschulden kaum einfordern können.

599

e) Gehörsrüge Auch eine Gehörsrüge löst grundsätzlich keine gesonderte Vergütung aus (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 RVG), es sei denn, der Anwalt ist ausschließlich mit der Gehörsrüge beauftragt. Dann entsteht eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3330 VV RVG.

600

XIII. Kostenerstattung Eine Kostenerstattung, die ohnehin nur im Beschwerdeverfahren, in Betracht käme, ist nach § 59 Abs. 3 Satz 2 FamGKG ausgeschlossen. Daher werden insbesondere die in einem Beschwerdeverfahren angefallenen Anwaltskosten nicht erstattet. Diese hat vielmehr jeder Beteiligte selbst zu tragen. Das gilt auch für Auslagen. Dies gilt allerdings nur für statthafte Beschwerden. Ist die Beschwerde nicht statthaft, etwa eine Beschwerde gegen eine vorläufige Wertfestsetzung, greift der Ausschluss der Kostenerstattung nicht. Der Beschwerdeführer hat hier vielmehr die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.1

1 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 9.12.2010 – 4 W 287/10.

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E. Festsetzung des Geschäftswerts nach der KostO 602

Wird eine nicht statthafte Rechtsbeschwerde eingelegt, so müsste aus den gleichen Gründen, aus denen eine Gerichtsgebühr erhoben wird, auch eine Kostenerstattung ausgesprochen werden. Der Ausschluss der Kostenerstattung in § 59 Abs. 3 Satz 2 FamGKG erstreckt sich nur auf die Verfahren nach § 59 FamGKG. Die dort nicht geregelte Rechtsbeschwerde wird daher nicht erfasst.1

E. Festsetzung des Geschäftswerts nach der KostO I. Überblick 603

In Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit richten sich die Gerichtsgebühren nach der KostO (§ 1 Abs. 1 KostO), soweit keine anderweitigen Bestimmungen getroffen sind, wie z.B. in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, für die das FamGKG gilt (§ 1 Abs. 2 KostO, § 1 FamGKG).

604

Die Gebühren nach der KostO werden nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand des Geschäfts zurzeit der Fälligkeit hat (Geschäftswert), § 18 Abs. 1 Satz 1 KostO.

605

Eine vorläufige Wertfestsetzung kennt die KostO nicht, sondern nur die endgültige Wertfestsetzung. Daher besteht hier auch keine Pflicht zu einer Wertangabe bei Antragseinreichung.

606

Die gerichtliche Wertfestsetzung nach der KostO gilt grundsätzlich auch für die Anwaltsgebühren (§ 32 Abs. 1 RVG). Soweit die gerichtliche Wertfestsetzung ausnahmsweise für die Anwaltsgebühren nicht bindend ist, weil sich diese abweichend davon nach einem anderen Wert berechnen, ist insoweit ein Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG auf Festsetzung des Gegenstandswertes zu stellen. S. dazu Rn. 654.

* Æ Beispiel: Im Erbscheinverfahren vertritt der Rechtsanwalt einen von mehreren Miterben. Der Geschäftswert für die gerichtliche Verfahrensgebühr bemisst sich nach dem Wert des gesamten Nachlasses. Für die Vergütung des Anwalts ist dagegen nur der Anteil seines Mandanten entscheidend,2 sodass auf Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG eine gesonderte Wertfestsetzung vorzunehmen ist.

607

Im Wesentlichen läuft das Wertfestsetzungsverfahren nach der KostO ebenso ab, wie die endgültigen Wertfestsetzungsverfahren nach dem GKG und dem FamGKG, sodass zur Vermeidung von Wiederholungen auf die dortigen Ausführungen Bezug genommen werden kann.

II. Das Festsetzungsverfahren 1. Veranlassung zur Wertfestsetzung 608

Das Gericht hat nach § 31 Abs. 1 Satz 1 KostO den Geschäftswert durch Beschluss festzusetzen, – wenn ein Zahlungspflichtiger oder die Staatskasse dies beantragen oder – wenn es sonst angemessen erscheint. 1 S. zum vergleichbaren Fall der unstatthaften Beschwerde Rn. 601. 2 BGH, Beschl. v. 30.9.1968 – III ZB 11/67, MDR 1969, 36 = NJW 1968, 2334 = Rpfleger 1968, 390.

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Verfahrensrecht Eine grundsätzliche Verpflichtung zur Festsetzung von Amts wegen besteht hier – im Gegensatz zu den Verfahren nach dem GKG oder dem FamGKG – nicht.

609

Erforderlich ist eine Festsetzung immer dann, wenn dies von der Staatskasse beantragt wird, damit hiernach die Gerichtsgebühren erhoben werden können. Ebenso ist eine Festsetzung auf Antrag eines Anwalts oder Beteiligten vorzunehmen.

610

Im Falle eines solchen Antrags ist eine besondere Form oder eine Frist nicht vorgesehen. Auch die Festsetzung nach § 31 KostO betrifft nur den Wert für die zu erhebenden Gerichtsgebühren. Daher kommt eine Festsetzung nicht in Betracht, wenn keine wertabhängigen Gerichtsgebühren anfallen. Für die Berechnung der Anwaltsgebühren bleibt dann nur das Verfahren nach § 33 RVG.

611

2. Zuständigkeit Zuständig für die Wertfestsetzung ist das Gericht, das in der Hauptsache entschieden hat oder das hätte entscheiden müssen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 KostO). Jede Instanz setzt also selbst zunächst einmal den Geschäftswert fest.

612

Hat das Kollegium in der Sache entschieden oder hätte es entscheiden müssen, dann hat es auch über den Geschäftswert zu entscheiden. Eine Einzelrichterzuständigkeit gibt es nach der KostO nicht.

613

3. Verfahren Das Gericht hat die Beteiligten anzuhören. Es kann eine Beweisaufnahme oder gar die Begutachtung durch einen Sachverständigen von Amts wegen anordnen (§ 31 Abs. 2 Satz 1 KostO). Die hiermit verbundenen Kosten können ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegt werden, der durch Unterlassung der Wertangabe, durch unrichtige Angaben oder unbegründetes Bestreiten oder unbegründete Beschwerde die Abschätzung veranlasst hat (§ 31 Abs. 2 Satz 2 KostO).

614

4. Form Die Festsetzung des Geschäftswerts erfolgt durch Beschluss (§ 31 Abs. 1 Satz 1 KostO). Dieser Beschluss kann im Hauptsachebeschluss als Nebenentscheidung enthalten sein. Das Gericht kann aber auch einen gesonderten Wertfestsetzungsbeschluss erlassen.

615

5. Inhalt der Entscheidung Im Beschluss ist der Geschäftswert, der für die zu erhebende Gerichtsgebühr maßgebend ist, beziffert anzugeben.

616

Sind mehrere Gerichtsgebühren angefallen oder wird eine Gebühr zu unterschiedlichen Sätzen erhoben, dann sind die einzelnen Werte gesondert festzusetzen.

617

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E. Festsetzung des Geschäftswerts nach der KostO 618

Der Beschluss ist grundsätzlich zu begründen, damit er für die Beteiligten nachprüfbar ist. Der Beschluss ist insbesondere dann zu begründen, wenn er beschwerdefähig ist.

619

Neben der Wertfestsetzung muss das Gericht auch darüber entscheiden, ob es nach § 31 Abs. 3 Satz 2 KostO die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Fragen zulässt.

III. Abänderung 620

Die Wertfestsetzung des Gerichts kann von Amts wegen abgeändert werden (§ 31 Abs. 1 Satz 2 KostO). Die Änderung ist allerdings nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren anderweitig erledigt worden ist (§ 31 Abs. 1 Satz 3 KostO).

621

Die Abänderung kann auch durch ein Rechtsmittelgericht erfolgen, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache, wegen der Entscheidung über den Geschäftswert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt (§ 31 Abs. 1 Satz 2 KostO).

IV. Beschwerde 1. Statthaftigkeit 622

Gegen den Wertfestsetzungsbeschluss ist grundsätzlich die Beschwerde gegeben (§ 31 Abs. 3 KostO).

623

Anfechtbar ist immer die Erstfestsetzung des Amtsgerichts und des Landgerichts.

624

Die Festsetzung des Landgerichts ist auch dann anfechtbar, wenn das Landgericht den Wert für ein Beschwerdeverfahren festgesetzt1 hat oder es in einem Beschwerdeverfahren erstmals den Wert für das amtsgerichtliche Verfahren nach § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO abgeändert hat.

625

Eine Beschwerde gegen Entscheidungen des OLG ist nicht möglich, da eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes unzulässig ist (§ 31 Abs. 3 Satz 5 i.V.m. § 14 Abs. 4 Satz 3 KostO).

626

Entscheidungen des BGH sind ohnehin mangels Beschwerdegericht nicht anfechtbar. 2. Zulässigkeit

627

Auch nach der KostO ist die Beschwerde nur zulässig, – wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt (§ 31 Abs. 3 Satz 1 KostO) oder – das Gericht die Beschwerde in der angefochtenen Entscheidung zugelassen hat (§ 31 Abs. 3 Satz 2 KostO). 1 OLG München, Beschl. v. 3.4.2006 – 34 Wx 40/06, OLGR 2006, 565 = JurBüro 2006, 427.

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Verfahrensrecht 3. Frist Die Beschwerde muss innerhalb der Frist des § 31 Abs. 1 Satz 3 KostO eingelegt werden, also innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder anderweitiger Erledigung des Verfahrens (§ 31 Abs. 3 Satz 3, 1. Halbs. KostO).

628

Ist der Geschäftswert erst einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder Bekanntgabe des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden (§ 31 Abs. 3 Satz 3, 2. Halbs. KostO).

629

Im Falle formloser Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gemacht (§ 31 Abs. 3 Satz 4 KostO).

630

Die Beschwerde ist beim Ausgangsgericht einzureichen (§ 31 Abs. 3 Satz 5 i.V.m. § 14 Abs. 6 Satz 4 KostO). Die Einreichung beim Beschwerdegericht ist nicht fristwahrend.

631

4. Wiedereinsetzung Wird die Beschwerdefrist versäumt, kann nach § 31 Abs. 4 KostO Wiedereinsetzung gewährt werden.

632

5. Form Die Beschwerde kann schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden (§ 31 Abs. 3 Satz 5 i.V.m. § 14 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 KostO). § 129a ZPO gilt entsprechend (§ 31 Abs. 3 Satz 5 i.V.m. § 14 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 KostO). Einer darüber hinausgehenden besonderen Form bedarf die Beschwerde nicht.

633

Die Beschwerde unterliegt nicht dem Anwaltszwang.

634

6. Beschwerdeberechtigung Beschwerdeberechtigt ist jeder, der durch die Wertfestsetzung betroffen ist, also insbesondere die Verfahrensbeteiligten, die für Gerichts- und Anwaltskosten haften, die Verfahrensbevollmächtigten (§ 32 Abs. 2 RVG) und sonstige am Verfahren Beteiligte, die für Gerichts- oder Anwaltskosten in Anspruch genommen werden können. Auch die Staatskasse ist beschwerdeberechtigt.

635

7. Verfahren Das Ausgangsgericht hat zunächst zu prüfen, ob es der Beschwerde abhilft (§ 31 Abs. 3 Satz 5 i.V.m. § 14 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 KostO). Soweit dies nicht geschieht, hat es die Beschwerde dem Beschwerdegericht vorzulegen (§ 31 Abs. 3 Satz 5 i.V.m. § 14 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 KostO).

636

Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht, in den Fällen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) GVG jedoch das OLG (§ 31 Abs. 3 Satz 5 i.V.m. § 14 Abs. 4 Satz 2 KostO). Nach Eingang der Beschwerde hat das Beschwerdegericht in eigener Kompetenz die Zulässigkeit zu prüfen. Den Beteiligten ist rechtliches Gehör zu gewähren. Das Beschwerdegericht entscheidet durch Be-

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E. Festsetzung des Geschäftswerts nach der KostO schluss. Es hat ferner darüber zu entscheiden, ob es die weitere Beschwerde zulässt (§ 31 Abs. 3 Satz 5 i.V.m. § 14 Abs. 5 KostO).

V. Weitere Beschwerde 638

Gegen die Entscheidung des Landgerichts als Beschwerdegericht ist die weitere Beschwerde gegeben, wenn das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat (§ 31 Abs. 3 Satz 2 KostO). Gericht der weiteren Beschwerde ist dann das OLG.

639

Das OLG ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden, sofern die Beschwerde statthaft ist (§ 31 Abs. 3 Satz 5 i.V.m. § 14 Abs. 4 Satz 4 KostO). An nachträgliche oder anderweitig unzulässige Zulassungen ist das OLG nicht gebunden.

640

Die weitere Beschwerde muss innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts eingelegt werden (§ 31 Abs. 3 Satz 6 KostO). Auch hier besteht die Möglichkeit der Wiedereinsetzung (§ 31 Abs. 4 KostO). Das Verfahren der weiteren Beschwerde folgt im Übrigen den gleichen Grundsätzen wie das Beschwerdeverfahren.

VI. Gegenvorstellung 641

Gegen jede Wertfestsetzung, auch die des Beschwerdegerichts oder des Gerichts der weiteren Beschwerde ist die Gegenvorstellung gegeben, da das Gericht von Amts wegen den Geschäftswert abändern kann (§ 31 Abs. 1 Satz 2 KostO).

642

Die Gegenvorstellung muss innerhalb der Sechs-Monats-Frist des § 33 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 3 KostO oder der Monatsfrist des § 31 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 KostO eingelegt werden.

VII. Gehörsrüge 643

Ist im Wertfestsetzungsverfahren nach § 31 KostO der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden, kann nach § 157a KostO Gehörsrüge erhoben werden. In Anbetracht der Abhilfemöglichkeit nach § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO kommt der Gehörsrüge allerdings keine besondere Bedeutung zu.

VIII. Kosten 644

Sämtliche Verfahren sind gerichtsgebührenfrei (§ 31 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 KostO). Auslagen können erhoben werden, insbesondere im Falle einer Begutachtung durch Sachverständige, s. Rn. 614. Für den Anwalt können dagegen auch Gebühren anfallen. Es gilt das Gleiche wie bei der Festsetzung nach dem GKG, s. Rn. 589 ff.

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Verfahrensrecht

IX. Kostenerstattung Auch im Wertfestsetzungsverfahren nach der KostO einschließlich der Beschwerde und der weiteren Beschwerde ist eine Kostenerstattung ausgeschlossen (§ 31 Abs. 5 Satz 2 KostO). Auch hier gilt das Gleiche wie bei den Verfahren nach dem GKG (s. Rn. 601 ff.). Einstweilen frei.

645

646–653

F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG I. Überblick Die Gebühren des Anwalts richten sich in Zivil- und Familiensachen – mit Ausnahme der Beratungshilfe – gem. § 2 Abs. 1 RVG ausschließlich nach dem Wert, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert).

654

Den Gegenstandswert regelt das RVG in den wenigsten Fällen selbst. Besondere Wertvorschriften finden sich nur in den § 23 Abs. 2, 3, § 24 ff. RVG und in Anm. Abs. 1 zu Nr. 3335 VV RVG. Im Übrigen verweist das RVG auf die für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften (§ 23 Abs. 1 Satz 1 u. 2 RVG). Diese Wertvorschriften gelten auch entsprechend für die Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, wenn der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte (§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG). Ergänzend hierzu ordnet § 32 Abs. 1 RVG an, dass die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren nach § 63 GKG, § 55 FamGKG oder § 31 KostO grundsätzlich auch für die Anwaltsgebühren bindend ist. Der Anwalt muss daher grundsätzlich nach dem gerichtlich festgesetzten Wert abrechnen und der Auftraggeber muss danach die Vergütung bezahlen. Daher bedarf es grundsätzlich auch keiner gesonderten Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren, zumal der Anwalt nach § 32 Abs. 2 RVG mit eigenen Rechten an den gerichtlichen Wertfestsetzungsverfahren ausgestattet ist. Es gibt jedoch Ausnahmefälle, in denen eine Bindungswirkung nach § 32 Abs. 1 RVG nicht greift, nämlich dann, – wenn sich die anwaltlichen Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richten oder – es an einem solchen Wert fehlt.

655

Damit der Anwalt auch in diesen Fällen seine Vergütung berechnen kann und insbesondere für eine eventuelle Kostenerstattung Klarheit über die Höhe des zugrunde zu legenden Gegenstandswerts geschaffen wird, sieht das RVG in § 33 RVG ein gesondertes Wertfestsetzungsverfahren vor, das nur den Gegenstandswert (§ 2 Abs. 1 RVG) für die Anwaltsgebühren betrifft. Dieses Verfahren ist gegenüber den gerichtlichen Wertfestsetzungsverfahren nach den § 63 GKG, § 55 FamGKG, § 31 KostO subsidiär. Es kommt also nur in Betracht, wenn keine Bindungswirkung nach § 32 Abs. 1 RVG besteht. Anderenfalls ist dieses Verfahren nicht statthaft. Im Gegensatz zu den gerichtlichen Wertfestsetzungsverfahren handelt es sich bei dem Verfahren nach § 33 RVG um ein reines Antragsverfahren. Eine Wertfestsetzung von Amts wegen ist nicht zulässig. Daher besteht auch hier keine

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG Möglichkeit einer Gegenvorstellung oder einer Abänderung von Amts wegen wie bei der Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren nach § 63 Abs. 3 GKG, § 55 Abs. 3 FamGKG, § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO. Auch ist hier in den Beschwerdeverfahren das Verschlechterungsverbot (reformatio in peius) zu beachten. 661

Zu berücksichtigen ist ferner, was vielfach übersehen wird, dass es sich um ein Parteienverfahren handelt. Die Wertfestsetzung erfolgt hier – im Gegensatz zu den gerichtlichen Wertfestsetzungsverfahren – nicht für das Verfahren schlechthin, sondern nur für das jeweilige Mandatsverhältnis zwischen dem jeweiligen Anwalt und seiner Partei. So ist es z.B. möglich, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers nach einem anderen Gegenstandwert abrechnet als der des Beklagten und dass für den Verkehrsanwalt wiederum ein anderer Wert gilt. In einem solchen Fall sind dann jeweils – auf Antrag – gesonderte Wertfestsetzungen vorzunehmen.

II. Statthaftigkeit 1. Überblick 662

Voraussetzung für die Statthaftigkeit eines Verfahrens nach § 33 RVG ist, dass Anwaltsgebühren angefallen sind und diese sich nach dem Gegenstandswert berechnen (§ 2 Abs. 1 RVG). Darüber hinaus müssen die anwaltlichen Gebühren auch in einem gerichtlichen Verfahren entstanden sein. Anhängigkeit oder Rechtshängigkeit ist zwar nicht erforderlich; die Tätigkeit muss jedoch vor Gericht entfaltet worden sein, zumindest damit in unmittelbarem Zusammenhang stehen.1

663

Schließlich ist erforderlich, dass es an einem Wert für das gerichtliche Verfahren fehlt oder ein solcher zwar festgesetzt ist, dieser aber nicht für die Anwaltsgebühren gilt. Dabei reicht es aus, dass der Antragsteller geltend macht, der gerichtliche Wert würde nicht für die anwaltlichen Gebühren gelten. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist eine Frage der Begründetheit des Antrags, nicht seiner Statthaftigkeit. 2. Gerichtliches Verfahren

664

Die Gebühren müssen in einem gerichtlichen Verfahren entstanden sein. Eine Wertfestsetzung für außergerichtliche Tätigkeiten kommt nicht in Betracht.

665

Unproblematisch sind die Fälle, in denen die Gegenstände, die das Gericht bewerten soll, gerichtlich anhängig waren.

666

Problematisch sein kann die Statthaftigkeit des Verfahrens nach § 33 RVG dagegen, wenn eine Wertfestsetzung für nicht anhängige Gegenstände erfolgen soll. Grundsätzlich ist dies möglich. Erforderlich ist jedoch, dass das Gericht mit diesen Gegenständen befasst war. Anderenfalls würde der Anwendungsbereich des § 33 RVG ausufern.

667

So kommt also eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG in Betracht, wenn die Parteien nicht anhängige Gegenstände lediglich durch Verhandlungen in ein gerichtliches Verfahren einbeziehen.2 1 LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 28.8.2007 – 7 T 241/07, JurBüro 2008, 89. 2 AG Siegburg, Beschl. v. 25.3.2008 – 107 C 120/07, AGS 2008, 361.

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Verfahrensrecht War ein Vergleich geschlossen worden, der jedoch nicht bestandskräftig geworden ist, etwa weil er wirksam widerrufen wurde, ist das Verfahren nach § 33 RVG ebenfalls zulässig, um den Mehrwert der Gebühren für die anwaltlichen Vergleichsverhandlungen festzusetzen.

668

Gleiches gilt, wenn die Parteien lediglich eine Einigung protokollieren, ohne dass diese die Qualität eines Vergleich i.S. des § 779 BGB hat.

669

Wird ein Vergleich nur außergerichtlich geschlossen und im Hinblick darauf der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, dürfte wegen der engen Beziehung zum Verfahren eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG ebenfalls noch in Betracht kommen.

670

Verhandeln die Parteien dagegen anlässlich eines gerichtlichen Verfahrens lediglich außergerichtlich ohne Beteiligung des Gerichts über nicht anhängige Gegenstände, fehlt es insoweit an einer gerichtsbezogenen Tätigkeit, sodass eine Wertfestsetzung ausscheidet.

671

Ebenso kommt eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 33 RVG nicht in Betracht, wenn dem Anwalt lediglich weiter gehende Aufträge erteilt worden sind, die jedoch nicht ausgeführt wurden.

672

* Æ Beispiel: In einem Rechtsstreit über 10.000 Euro erhält der Anwalt den Auftrag zu einer a) Klageerweiterung um 5.000 Euro. b) Widerklage i.H.v. 5.000 Euro. Zwar richtet sich in beiden Fällen die Verfahrensgebühr des Anwalts (Nr. 3100 VV RVG) nach dem Wert von 15.000 Euro, wobei hinsichtlich der weiteren 5.000 Euro der Ermäßigungstatbestand der Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG greift; die weiter gehenden Aufträge führten jedoch nicht zu einer Tätigkeit vor Gericht, sodass eine Wertfestsetzung insoweit nicht in Betracht kommt.

Grund hierfür ist insbesondere, dass das Gericht in diesen Fällen den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ohne weiteres nicht feststellen kann und ihm somit eine Bewertung nicht möglich ist. Das Gericht müsste ansonsten im Verfahren nach § 33 RVG umfangreiche Ermittlungen zum Umfang des Auftrags und zur anwaltlichen Tätigkeit durchführen. Das ist aber nicht Sinn des weitgehend formalisierten Verfahrens nach § 33 RVG. Solche Wertfestsetzungen sind dem Erkenntnisverfahren vorzubehalten, das im Vergütungsprozess dann inzidenter auch über den Wert der anwaltlichen Tätigkeit entscheidet.

673

3. Keine Bindungswirkung nach § 32 Abs. 1 RVG a) Überblick Weitere Voraussetzung für die Statthaftigkeit eines Verfahrens nach § 33 RVG ist, dass eine Bindungswirkung nach § 32 Abs. 1 RVG fehlt. Das wiederum ist der Fall, – wenn sich die Anwaltsgebühren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder – wenn es an einem solchen Wert fehlt.

674

Mit der ersten Alternative sind diejenigen Fälle gemeint, in denen sich die Gerichtsgebühren zwar nach dem Wert richten und auch ein Wert festgesetzt ist, die Anwaltsgebühren sich jedoch abweichend hiervon berechnen.

675

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG 676

Die zweite Alternative betrifft dagegen die Fälle, in denen es erst gar keine gerichtliche Wertfestsetzung gibt, entweder weil das Verfahren gerichtsgebührenfrei ist oder sich die Gerichtsgebühren, die anfallen, nicht nach dem Wert richten. b) Anwaltsgebühren richten sich nicht nach gerichtlichem Wert aa) Überblick

677

Die Bindung an die gerichtliche Wertfestsetzung gem. § 32 Abs. 1 RVG fehlt, wenn zwar im gerichtlichen Verfahren nach dem Wert abgerechnet wird, dieser Wert aber ausnahmsweise für die Anwaltsgebühren nicht gilt, sondern diese sich nach einem davon abweichenden Wert berechnen.

678

Für die Statthaftigkeit des Antrags nach § 33 RVG ist insoweit nicht erforderlich, dass sich die Gebühren tatsächlich nach einem anderen Wert richten. Ausreichend ist, dass der Antragsteller geltend macht, die Gebühren würden sich abweichend berechnen. Ob es sich tatsächlich so verhält, ist eine Frage der Begründetheit des Antrags, nicht der Statthaftigkeit. bb) Höhere Wertgrenze nach § 22 RVG

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Eine Divergenz zwischen der Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren und für die Anwaltsgebühren kann sich dann ergeben, wenn dem Verfahren ein Gegenstand zugrunde liegt, dessen Wert den Betrag von 30 Mio. Euro überschreitet und der Anwalt mehrere Auftraggeber vertritt. Für die Gerichtsgebühren ist in diesen Fällen ein Höchstwert von 30 Mio. Euro vorgesehen (§ 39 Abs. 2 GKG; § 33 Abs. 2 FamGKG). Bei dem Anwalt kann sich der Höchstwert dagegen auf bis zu 100 Mio. Euro belaufen, nämlich dann, wenn der Anwalt mehrere Auftraggeber wegen verschiedener Gegenstände vertritt (§ 23 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 22 Abs. 2 RVG). Hier kann also eine gesonderte Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren beantragt werden, die dann die Besonderheiten des § 22 RVG berücksichtigt.1 cc) Hilfsantrag- oder Hilfsaufrechnung

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Ein weiterer Fall betrifft die Hilfsaufrechnung oder Hilfsanträge. Während im gerichtlichen Verfahren Hilfsaufrechnung und Hilfsanträge nur berücksichtigt werden, wenn darüber auch entschieden oder ein Vergleich geschlossen wird (§ 45 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 u. 4 GKG; § 39 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, 4 FamGKG), wird hinsichtlich der Anwaltsgebühren zum Teil die Auffassung vertreten, dass für den Anwalt ein abweichender Wert gelte, nämlich dass Hilfsaufrechnung und Hilfsanträge für ihn auch dann zu berücksichtigen seien, wenn nicht darüber entschieden oder ein Vergleich darüber geschlossen werde.2 Unabhängig davon, welcher Auffassung man folgt, ist in diesen Fällen jedenfalls

1 S. BGH, Beschl. v. 2.3.2010 – II ZR 62/06, AGS 2010, 213 = NJW 2010, 1373 = MDR 2010, 718; OLG Dresden, Beschl. v. 27.6.2006 – 10 W 600/06, AGS 2007, 521; OLG Köln, Beschl. v. 26.6.2009 – 18 U 108/07, AGS 2009, 454 = NJW 2009, 3586; OLG Hamm, Beschl. v. 1.3.2010 – 8 U 237/07, AGS 2010, 394. 2 S. das Stichwort „Aufrechnung“ Rn. 1287 ff. und „Hilfsantrag“ Rn. 3082 ff.

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Verfahrensrecht ein Antrag nach § 33 RVG zulässig, weil eine entsprechende abweichende Wertfestsetzung nur im Verfahren nach § 33 RVG erfolgen kann. c) Es fehlt an einem gerichtlichen Wert aa) Überblick Eine Bindung an die gerichtliche Wertfestsetzung fehlt auch dann, wenn im gerichtlichen Verfahren gar keine Gerichtsgebühren anfallen und daher kein Wert nach § 63 GKG, § 55 FamGKG oder § 31 KostO festzusetzen ist. Das wiederum ist der Fall, wenn entweder gar keine Gerichtsgebühren oder Gerichtsgebühren anfallen, die sich jedoch nicht nach dem Wert berechnen.

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bb) Keine Gerichtsgebühren Eine Bindung an die gerichtliche Wertfestsetzung gem. § 32 Abs. 1 RVG kommt dann nicht in Betracht, wenn im gerichtlichen Verfahren gar keine Gerichtsgebühren anfallen und daher kein Wert nach § 63 GKG, § 55 FamGKG oder § 31 KostO festzusetzen ist. Das betrifft z.B. – arbeitsgerichtliche Verfahren nach Abschluss eines Vergleichs (Vorbem. 8 KV GKG), – Verfahren über eine Räumungsfrist nach §§ 721, 794a ZPO, – Verfahren über die Bewilligung, Aufhebung oder Abänderung von Prozessoder Verfahrenskostenhilfe, – erfolgreiche Verfahren über eine Gehörsrüge, – Erinnerungsverfahren, – Verfahren auf Gerichtsstandsbestimmung.

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Da in diesen Fällen keine gerichtliche Wertfestsetzung erfolgt, bedarf es jetzt für die Anwaltsgebühren einer Wertfestsetzung. Diese kann nur im Verfahren nach § 33 RVG erfolgen.

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Kein Fall des § 33 RVG liegt vor, wenn für eine Partei Kostenfreiheit nach § 2 GKG oder § 2 FamGKG besteht. In diesem Fall ist eine Wertfestsetzung nach dem jeweiligen Gerichtskostengesetz zu treffen, die der Anwalt nach § 32 RVG ggf. erzwingen kann.

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cc) Wertunabhängige Gerichtsgebühren Zum anderen fehlt die Bindungswirkung, wenn im gerichtlichen Verfahren zwar Gerichtsgebühren anfallen, diese aber nicht nach dem Wert abgerechnet werden, sondern Festgebühren oder andere Gebühren erhoben werden. Das betrifft z.B. – Beschwerdeverfahren nach den §§ 91a Abs. 2, 99 Abs. 2 ZPO (Nr. 1810 ff. KV GKG; 1910 ff. KV FamGKG), – sonstige Beschwerdeverfahren (Nr. 1812 ff. KV GKG; 1912 ff. KV FamGKG), – Zwangsvollstreckungssachen (Nrn. 2110 ff. KV GKG), – Familiensachen mit Auslandsbezug (Nr. 1710 ff. KV FamGKG), – erfolglose Gehörsrügeverfahren (Nr. 1700 KV GKG; Nr. 1800 KV FamGKG). N. Schneider

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG d) Tätigkeit des Anwalts stimmt mit der gerichtlichen Tätigkeit nicht überein aa) Überblick 686

Schließlich fehlt es an einer Bindungswirkung, wenn die anwaltliche Tätigkeit nicht mit der des gerichtlichen Verfahrens übereinstimmt. In diesem Fall fehlt es einerseits an einem gerichtlichen Wert, weil der festgesetzte Wert andere Gegenstände betrifft. Andererseits gilt der festgesetzte Wert nicht für die Anwaltsgebühren, da die Gegenstände nicht übereinstimmen. bb) Anwaltliche Tätigkeit geht über den gerichtlichen Verfahrensgegenstand hinaus

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Ein solcher Fall, in dem die Werte für Gericht und Anwalt nicht übereinstimmen, liegt vor, wenn die anwaltliche Tätigkeit über den Streit-, Verfahrens- oder Vergleichsgegenstand hinausgeht.

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Das wiederum ist insbesondere dann gegeben, wenn vor Gericht über nicht anhängige Gegenstände lediglich verhandelt wird.1

* Æ Beispiel: Im Räumungsrechtsstreit werden im Termin zur mündlichen Verhandlung Vergleichsgespräche geführt. Dabei beziehen die Parteien auch strittige Fragen der Mietminderung und der Nebenkostenabrechnung mit ein. Eine Einigung kommt jedoch nicht zu Stande. Der Wert des gerichtlichen Verfahrens richtet sich nur nach dem Wert des anhängigen Räumungsantrags. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit berechnet sich dagegen gem. § 22 Abs. 1 RVG aus der Summe der Werte von Räumung, Minderung und Nebenkosten. Insoweit muss das Gericht daher diesen Wert auf Antrag nach § 33 RVG festsetzen.

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Ebenso ist ein Mehrwert der anwaltlichen Tätigkeit gegeben, wenn ein Vergleich geschlossen, aber widerrufen wird.

* Æ Beispiel: Im Räumungsrechtsstreit wird im Termin zur mündlichen Verhandlung ein Vergleich geschlossen, der auch strittige Fragen der Mietminderung und der Nebenkostenabrechnung mit einbezieht. Der Vergleich wird später wirksam widerrufen. Der Wert des gerichtlichen Verfahrens richtet sich auch hier nur nach dem Wert der anhängigen Räumung. Eine Vergleichsgebühr nach Nr. 1900 GKG-KostVerz. fällt nicht an, sodass es insoweit keiner gerichtlichen Wertfestsetzung bedarf. Für den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit sind die Vergleichsgegenstände dagegen wiederum zu beachten, da sie sowohl die Verfahrens- als auch die Terminsgebühr auslösen. Insoweit muss das Gericht daher diesen Wert auf Antrag nach § 33 RVG festsetzen.

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Ein Mehrwert ist auch dann gegeben, wenn lediglich eine Einigung protokolliert wird, die nicht die Qualität eines Vergleichs hat, sodass die gerichtliche Vergleichsgebühr der Nrn. 1900 KV GKG; Nr. 1500 KV FamGKG nicht ausgelöst wird, gleichwohl dafür aber Anwaltsgebühren anfallen.

1 AG Siegburg, Beschl. v. 25.3.2008 – 107 C 120/07, AGS 2008, 361.

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Verfahrensrecht cc) Anwaltliche Tätigkeit bleibt hinter dem gerichtlichen Verfahrensgegenstand zurück Schließlich kann der Wert der anwaltlichen Tätigkeit auch geringer sein als der Wert für die Gerichtsgebühren. Das wiederum kann der Fall sein, wenn der Anwalt nur einen von mehreren Beteiligten vertreten hat oder wenn er vorzeitig aus dem Verfahren ausgeschieden oder erst später im Verfahren beauftragt worden ist.

* Æ Beispiele: Der Auftraggeber ist auf Zahlung eines Betrages i.H.v. 10.000 Euro verklagt worden. Vor der mündlichen Verhandlung kündigt er das Mandat und beauftragt einen anderen Anwalt. In der mündlichen Verhandlung wird die Klage um 5.000 Euro erweitert. Der Wert des gerichtlichen Verfahrens beläuft sich auf 15.000 Euro. Der erste Anwalt kann jedoch lediglich nach einem Wert i.H.v. 10.000 Euro abrechnen, da die Klageerweiterung nach seiner Beauftragung eingereicht worden ist und ihn daher nicht mehr betrifft. Insoweit kann daher eine gesonderte Wertfestsetzung verlangt werden. Der Auftraggeber ist auf Zahlung eines Betrages i.H.v. 10.000 Euro verklagt worden. In der mündlichen Verhandlung wird die Klage um 5.000 Euro zurückgenommen und ein neuer Termin anberaumt. Hiernach kündigt der Auftraggeber das Mandat und beauftragt einen anderen Anwalt. Der Wert des gerichtlichen Verfahrens beläuft sich auf 10.000 Euro. Der zweite Anwalt kann jedoch lediglich nach einem Wert i.H.v. 5.000 Euro abrechnen, da die Klage vor seiner Beauftragung zurückgenommen worden ist und ihn daher nur der geringere Wert betrifft. Insoweit kann daher wiederum eine gesonderte Wertfestsetzung verlangt werden. Der Anwalt vertritt einen von zwei Beklagten, die auf Unterlassung Ruf schädigender Äußerungen verklagt worden sind. Das Gericht setzt den Gesamtstreitwert des Verfahrens auf 30.000 Euro fest. Für die Verfahrensgebühr des Gerichts sowie für die Gebühren des Prozessbevollmächtigten des Klägers gilt der Wert von 30.000 Euro. Da es sich bei den Unterlassungsansprüchen jedoch um verschiedene Gegenstände handelt, ist hinsichtlich der Beklagten zu differenzieren. Hier muss also jeweils ein eigener Wert festgesetzt werden, der dann für den jeweiligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1) und des Beklagten zu 2) maßgebend ist. Auch hier bedarf es also einer gesonderten gerichtlichen Wertfestsetzung. Der Rechtsanwalt vertritt einen von mehreren Miterben im Erbscheinverfahren. Für die gerichtliche Verfahrensgebühr ist der Wert des gesamten Nachlasses maßgebend. Für die Vergütung des Anwalts ist dagegen nur der Anteil seines Mandanten entscheidend.1

Eine gesonderte Wertfestsetzung kann auch dann erforderlich sein, wenn sich verschiedene Gebühren des Anwalts nach unterschiedlichen Werten richten. Dann können gesonderte Festsetzungen erforderlich sein.

* Æ Beispiel: Der Kläger verklagt den Beklagten auf Unterlassung fünf verschiedener wettbewerbswidriger Handlungen. Vor dem Termin wird die Klage hinsichtlich drei der fünf Unterlassungsanträge zurückgenommen. Verhandelt wird nur noch über die verbliebenen zwei Anträge. Der Wert des gerichtlichen Verfahrens richtet sich nach dem Gesamtwert aller Unterlassungsansprüche (§ 39 Abs. 1 GKG). Dieser Wert gilt auch für die Verfahrensgebühr 1 BGH, Beschl. v. 30.9.1968 – III ZB 11/67, MDR 1969, 36 = NJW 1968, 2334 = Rpfleger 1968, 390.

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG der Anwälte (Nr. 3100 VV RVG), nicht dagegen für die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG), für die eine eigene gesonderte Wertfestsetzung wiederum erforderlich ist.

Eine gesonderte Wertfestsetzung kann auch bei einer Stufenklage erforderlich sein.

* Æ Beispiel: Der Kläger verklagt den Beklagten auf Auskunft und eines nach Auskunftserteilung noch zu beziffernden Betrages. Nach mündlicher Verhandlung über die Auskunft wird die Klage zurückgenommen. Der Wert des gerichtlichen Verfahrens richtet sich gem. § 44 GKG, § 38 FamGKG nach dem höheren Wert des Zahlungsantrags (s. „Stufenklage“ Rn. 5049 ff. und im FamFG-Teil Rn. 8223 ff.). Dieser Wert gilt auch für die Verfahrensgebühr der Anwälte (Nr. 3100 VV RVG), nicht dagegen für die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG), die sich nur nach dem Wert der Auskunft richtet. Daher ist für die Terminsgebühr eine eigene gesonderte Wertfestsetzung erforderlich.

Schließlich kann es geboten sein, den Wert von Nebenforderungen festzusetzen, die für die gerichtlichen Gebühren wegen § 43 Abs. 1 GKG, 37 Abs. 1 FamGKG keine Bedeutung haben, wohl aber für die Anwaltsgebühren.

* Æ Beispiel: Eingeklagt sind 10.000 Euro nebst Zinsen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erscheint der Beklagte nicht. Das Gericht weist den Anwalt des Klägers darauf hin, dass der Zinsantrag unschlüssig sei, sodass dieser daraufhin zurückgenommen wird und im Übrigen ein Versäumnisurteil ergeht. Die Gerichtsgebühr berechnet sich gem. § 43 Abs. 1 GKG aus dem Wert der Hauptforderung i.H.v. 10.000 Euro. Gleiches gilt für die Verfahrensgebühr des Anwalts (Nr. 3100 VV RVG) und die 0,5-Terminsgebühr nach Nrn. 3104, 3105 VV RVG. Aus dem Wert der Zinsen ist daneben für den Anwalt aber auch noch unter Berücksichtigung des § 15 Abs. 3 RVG eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG angefallen.1 Dieser Wert ist im Verfahren nach § 33 RVG auf Antrag gesondert festzusetzen.

III. Das Festsetzungsverfahren 1. Festsetzung für jede Instanz gesondert 692

Die Wertfestsetzung muss für jeden Rechtszug gesondert erfolgen. Sie gilt nur für die jeweilige Instanz.

693

Soweit ein Rechtsmittelgericht den Wert festsetzt, kann es dies nur für das Rechtsmittelverfahren selbst, nicht auch für die Vorinstanzen. Es besteht insoweit auch keine Bindungswirkung der Vorinstanz. Allerdings dürfte im Falle einer abweichenden Festsetzung durch die Vorinstanz ein zwingender Grund vorliegen, die Beschwerde oder auch die weitere Beschwerde nach § 33 Abs. 2 Satz 2, Abs. 6 Satz 1 RVG zuzulassen. 2. Antragsberechtigung

694

Der Gegenstandswert wird nach § 33 Abs. 1 RVG nur auf Antrag festgesetzt. Eine Festsetzung von Amts wegen kommt nicht in Betracht. Erforderlich ist daher eine Antragsberechtigung.

1 OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2005 – 17 W 232/05, AGS 2006, 224 = JMBl.NW 2006, 144 = JurBüro 2006, 254 = RVGreport 2006, 104.

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Verfahrensrecht Antragsberechtigt ist zunächst einmal jeder Anwalt. Das betrifft nicht nur den Hauptbevollmächtigten (i.d.R. Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigter), sondern auch – den Terminsvertreter nach Nr. 3401 ff. VV RVG, – den Verkehrsanwalt (Nr. 3400 VV RVG), – den nur mit einer Einzeltätigkeit beauftragten Anwalt (Nr. 3403 VV RVG).

695

Hatte sich der Anwalt in eigener Sache selbst vertreten und hat er nach § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO einen Erstattungsanspruch gegen seinen unterlegenen Gegner erworben, ist er ebenfalls antragsberechtigt. Hat er jedoch keinen Erstattungsanspruch erlangt, dann fehlt für den Antrag das Rechtsschutzinteresse und damit die Antragsberechtigung für die eigene Festsetzung.1 Er kann dann nur eine Festsetzung beantragen, soweit er zur Kostenerstattung verpflichtet ist.

696

Darüber hinaus ist auch immer jede Partei bzw. jeder Beteiligte antragsberechtigt. Auch sonstige Verfahrensbeteiligte, wie z.B. Streithelfer sind antragsberechtigt.

697

Auch ein erstattungspflichtiger Dritter, insbesondere der unterlegene Prozessgegner, ist antragsberechtigt.2

698

Schließlich ist auch die Staatskasse in den Fällen des § 45 RVG antragsberechtigt, also soweit einem der Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt und ein Anwalt beigeordnet worden ist. Ansonsten kann die Staatskasse nicht antragsberechtigt sein, da eine Festsetzung nach § 33 RVG nie auf die Höhe der Gerichtsgebühren Einfluss haben kann.

699

Nicht antragsberechtigt ist der Rechtsschutzversicherer einer Partei.3 Er kann allerdings seinen Versicherungsnehmer zur Antragstellung anweisen. S. hierzu Rn. 872 ff.

700

Auch sonstige Dritte sind nicht antragsberechtigt, selbst dann nicht, wenn sie für die Anwaltskosten aufkommen müssen. So kann z.B. ein vom Vertretenen abweichender Auftraggeber des Anwalts keinen Antrag stellen oder ein Dritter, der kraft materiellen Rechts zu Freistellung der Prozesskosten verpflichtet ist.

701

3. Zuständigkeit Zuständig für den Antrag auf Wertfestsetzung ist das Gericht des Rechtszugs (§ 33 Abs. 1 RVG), also jeweils das Gericht, das in dem Verfahren zuständig war, für das die Wertfestsetzung begehrt wird.

702

Im Falle einer Verweisung ist das Empfangsgericht zuständig, selbst dann, wenn die Tätigkeit des Anwalts nur vor dem Ausgangsgericht stattgefunden hat.

703

1 LAG München, Beschl. v. 4.9.1987 – 2 Ta 152/87, AnwBl. 1988, 72. 2 Ein eventuell bereits anhängiges Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO ist in diesem Fall analog § 11 Abs. 5 RVG auszusetzen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2010 – 6 W 21-23/10, AGS 2010, 568). 3 LAG München, Beschl. v. 23.10.2009 – 7 Ta 309/09, AGS 2010, 148 = NJW-Spezial 2010, 60.

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG

* Æ Beispiel: Die Klage war vor dem LG München eingereicht worden. Dort hatte der Beklagte Rechtsanwalt A in München beauftragt. Das Verfahren ist sodann an das LG Köln verwiesen worden. Daraufhin wurde das Mandat mit Rechtsanwalt A beendet und in Köln Rechtsanwalt B beauftragt. Dort wurde die Klage später erweitert. Da für Rechtsanwalt A nicht der Wert des gesamten Verfahrens gilt, kann er nach § 33 RVG Wertfestsetzung beantragen (s. oben Rn. 691 ff.). Zuständig hierfür ist das LG Köln.

704

Soweit der Rechtspfleger ihm übertragene Geschäfte bearbeitet, ist er nach § 33 RVG zuständig.

705

Soweit in der Sache der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle entschieden hat – etwa in einem Erinnerungsverfahren, ist er auch für die Festsetzung des Gegenstandswertes zuständig.

706

Geht es um die Wertfestsetzung in einem Verfahren vor dem LG oder dem OLG, entscheidet das Gericht über den Antrag auf Wertfestsetzung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter (§ 33 Abs. 8 Satz 1 RVG).

707

Der Einzelrichter hat das Verfahren allerdings der Kammer bzw. dem Senat vorzulegen, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 33 Abs. 8 Satz 2 RVG). Ehrenamtliche Richter sind bei der Wertfestsetzung von der Mitwirkung ausgeschlossen (§ 33 Abs. 8 Satz 3 RVG).

708

Hat der Einzelrichter das Verfahren der Kammer übertragen, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen, oder hat er dies unterlassen, obwohl die Voraussetzungen dafür gegeben waren, so kann hierauf ein Rechtsmittel nicht gestützt werden (§ 33 Abs. 8 Satz 4 RVG).

709

Dem Wortlaut des § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG nach gilt die Einzelrichterzuständigkeit auch für Festsetzungsverfahren vor dem BGH. Da hier im GVG aber kein Einzelrichter vorgesehen ist, läuft diese Regelung insoweit leer. In Wertfestsetzungsverfahren nach § 33 RVG entscheidet daher beim BGH immer der Senat als Kollegium.1 4. Antrag

710

Die Wertfestsetzung nach § 33 RVG erfolgt nur auf Antrag, niemals von Amts wegen (§ 33 Abs. 1 RVG).

711

Der Anwalt sollte in seinem Antrag klarstellen, dass der Festsetzungsantrag nach § 33 Abs. 1 RVG gestellt wird. Das Gericht könnte anderenfalls davon ausgehen, dass eine Wertfestsetzung nach dem GKG, dem FamGKG oder der KostO begehrt wird, was ggf. unzulässig, jedenfalls unbegründet wäre, wenn keine Gerichtsgebühren anfallen oder diese sich nicht nach dem Gegenstandswert berechnen.

712

Klarzustellen ist, in wessen Namen der Antrag gestellt wird und auf welche Wertbeziehung sie sich erstreckt, also wem gegenüber eine bindende Festsetzung erfolgen soll. 1 BGH, Beschl. v. 2.3.2010 – II ZR 62/06, AGS 2010, 213 = NJW 2010, 1373 = MDR 2010, 718; ebenso zur Erinnerung gegen den Kostenansatz BGH, Beschl. v. 13.1.2005 – V ZR 218/04, NJW-RR 2005, 584 = FamRZ 2005, 515.

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Verfahrensrecht 5. Fälligkeit der Vergütung Eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG setzt die Fälligkeit der anwaltlichen Vergütung voraus (§ 33 Abs. 2 RVG). Im Gegensatz zu der Wertfestsetzung nach dem GKG (§ 63 Abs. 1 GKG), sieht § 33 RVG keine vorläufige Wertfestsetzung vor, sondern nur eine endgültige.

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Ein vorzeitig, also vor Eintritt der Fälligkeit gestellter Antrag ist daher unzulässig.

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Daher ist insbesondere ein Antrag unzulässig, den Wert festsetzen zu lassen, um einen Vorschuss berechnen zu können.1 Die Vorschrift des § 33 Abs. 2 Satz 1 RVG spricht ausdrücklich von der fälligen Vergütung. Bis zur Fälligkeit muss der Anwalt daher den Gegenstandswert selbst ermitteln und hiernach angemessene Vorschüsse berechnen, die er dann nach endgültiger Wertfestsetzung gem. § 10 Abs. 2 RVG abrechnen muss.

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Die Fälligkeit der anwaltlichen Vergütung richtet sich nach § 8 Abs. 1 RVG. Danach tritt Fälligkeit ein, wenn – der Auftrag erledigt ist (§ 8 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. RVG), – die Angelegenheit beendet ist (§ 8 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. RVG), – eine Kostenentscheidung ergangen ist (§ 8 Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. RVG), – der Rechtszug beendet ist (§ 8 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. RVG) oder – das Verfahren länger als drei Monate ruht (§ 8 Abs. 1 Satz 2, 3. Alt. RVG).

716

Da hinsichtlich einzelner Vergütungsteile unterschiedliche Fälligkeitszeitpunkte, also Teilfälligkeiten, eintreten können, ist insoweit dann auch zu differenzieren.

717

Zum einen ist nur derjenige antragsberechtigt, der an dem fälligen Vergütungsverhältnis beteiligt ist; zum anderen erfolgt die Wertfestsetzung nur hinsichtlich der Teile, aus denen sich eine fällige Vergütung berechnet.

718

* Æ Beispiele: Vor der mündlichen Verhandlung hat der Auftraggeber dem Anwalt das Mandat gekündigt und einen neuen Anwalt beauftragt. Die Vergütung des ersten Anwalts ist fällig (§ 8 Abs. 1 Satz 1 RVG), da der Auftrag beendet ist. Er kann daher die Wertfestsetzung gegenüber seinem Mandanten und ggf. gegenüber der Landeskasse beantragen, nicht aber der zweite Anwalt, da seine Vergütung noch nicht fällig ist. Daneben kann der Auftraggeber im Verhältnis zum ersten Anwalt ebenfalls die Wertfestsetzung beantragen. Gleiches gilt für die Staatskasse, wenn sie insoweit eintrittspflichtig ist. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Vergütung des ausgeschiedenen Anwalts nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richtet. Das Verfahren wird zum Ruhen gebracht. Nach fünf Monaten wird es wieder aufgenommen und fortgesetzt. Mit Ablauf von drei Monaten nach Ruhen des Verfahrens wird die Vergütung eines gerichtlichen Verfahrens fällig (§ 8 Abs. 1 Satz 2 RVG). Daher ist insoweit jetzt eine Festsetzung des Gegenstandswertes möglich. Dass sich später der Gegenstandswert verändert und weitere Gebühren, etwa eine Terminsgebühr nach einem höheren oder geringeren Gegenstandswert berechnet werden können, bleibt davon unberührt, da der Beschluss nur den Wert der fälligen 1 LAG Kiel, Beschl. v. 23.3.2006 – 2 Ta 54/06, NZA-RR 2006, 320 = NZA 2006, 1007.

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG Gebühren betrifft, nicht aber die der hiernach ausgelösten weiteren oder erstmals fällig gewordenen Gebühren. Hierfür ist dann ggf. eine weitere Wertfestsetzung vorzunehmen.

6. Form 719

Der Antrag muss schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden (§ 33 Abs. 7 Satz 1 RVG). Ansonsten ist eine besondere Form nicht vorgeschrieben. § 129a ZPO ist entsprechend anwendbar (§ 33 Abs. 7 Satz 1, 2. Halbs. RVG).

720

Es besteht weder Anwalts- noch Postulationszwang.

721

Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend (§ 33 Abs. 7 Satz 2 RVG). 7. Bezifferung des Antrags

722

Ein bezifferter Antrag muss nicht gestellt werden. Es ist auch nicht erforderlich, eine Wertvorstellung anzugeben. Im Einzelfall kann es jedoch sinnvoll sein, die eigene Wertvorstellung mitzuteilen.

723

Bedeutung hat eine solche Wertangabe insbesondere für die Berechnung einer eventuellen späteren Beschwer (s. Rn. 777). 8. Begründung

724

Eine Begründung des Wertfestsetzungsantrags ist nicht erforderlich. Sinnvoll und zweckmäßig ist es jedoch, die eigene Wertvorstellung zu begründen, damit das Gericht zutreffend festsetzt. Dies kann überflüssige Beschwerden vermeiden.

725

Sofern sich die Fälligkeit nicht bereits aus den Gerichtsakten ergibt, sollte auch zur Fälligkeit kurz vorgetragen werden.

726

Ggf. sollte im Antrag auch darauf hingewiesen werden, weshalb keine Bindungswirkung einer eventuellen gerichtlichen Wertfestsetzung nach § 32 Abs. 2 RVG besteht. 9. Verfahren und Entscheidung a) Überblick

727

Das Wertfestsetzungsverfahren findet vor dem Richter, Rechtspfleger oder Urkundsbeamten statt, der in der Sache entschieden hat oder der zur Entscheidung berufen gewesen wäre (s. Rn. 702). Das Wertfestsetzungsverfahren wird in den Akten des Hauptsacheverfahrens unter dessen Aktenzeichen geführt. b) Rechtliches Gehöhr

728

Das Gericht hat die Beteiligten anzuhören. Ihnen muss rechtliches Gehör gewährt werden. Zu beteiligen sind allerdings nur diejenigen, die durch die Entscheidung betroffen sind oder im Verlauf des Verfahrens noch betroffen sein können. 112

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Verfahrensrecht Wer Beteiligter und damit anzuhören ist, ergibt sich daraus, in welchem Verhältnis die Wertfestsetzung erfolgen soll. – Beantragt ein Anwalt die Wertfestsetzung, ist seine Partei anzuhören und sofern diese einen Erstattungsanspruch gegen Dritte hat, auch der Dritte. Soweit der Anwalt beigeordnet ist, muss auch die Landeskasse angehört werden. Andere Parteien und Anwälte müssen nicht angehört werden, da die Festsetzung für sie nicht bindend ist.

* Æ Beispiele: Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens beantragt der Anwalt des unterlegenen Beklagten die Wertfestsetzung nach § 33 RVG. Anzuhören ist nur der Beklagte und im Falle der Prozesskostenhilfe die Staatskasse. Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter sind dagegen nicht anzuhören, da eine Festsetzung nach § 33 RVG für sie keine Auswirkungen haben kann. Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens beantragt der Anwalt des obsiegenden Beklagten die Wertfestsetzung nach § 33 RVG. Jetzt ist auch der Kläger anzuhören, da die Wertfestsetzung auch für die Kostenerstattung Bedeutung hat. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers braucht dagegen nicht angehört zu werden, da eine Festsetzung im Verhältnis des Beklagten zu seinem Anwalt für den Anwalt des Klägers keine Auswirkungen haben kann.

– Beantragt eine Partei die Wertfestsetzung gegenüber ihrem Anwalt, ist der Anwalt anzuhören und sofern die Partei einen Erstattungsanspruch gegen Dritte hat, auch der Dritte. Soweit der Anwalt beigeordnet ist, muss auch die Landeskasse angehört werden. Andere Parteien und Anwälte müssen wiederum nicht angehört werden, da die Festsetzung für sie nicht bindend ist.

* Æ Beispiele: Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens beantragt der unterlegene Beklagte den Gegenstandswert gegenüber seinem Anwalt nach § 33 RVG festzusetzen. Anzuhören ist der Anwalt des Beklagten. Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter brauchen dagegen nicht angehört zu werden, da eine Festsetzung im Verhältnis des Beklagten zu seinem Anwalt für den Kläger und seinen Anwalt keine Auswirkungen haben kann. Soweit der Anwalt des Beklagten beigeordnet ist, muss auch die Landeskasse angehört werden. Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens beantragt der obsiegende Beklagte den Gegenstandswert gegenüber seinem Anwalt nach § 33 RVG festzusetzen. Jetzt ist auch der Kläger anzuhören, nicht aber auch dessen Anwalt.

– Beantragt eine Partei die Wertfestsetzung einer anderen Partei gegenüber deren Anwalt, ist die andere Partei und deren Anwalt anzuhören. Soweit der Anwalt der anderen Partei beigeordnet ist, muss auch die Landeskasse angehört werden. Andere Parteien und Anwälte – insbesondere der eigene Anwalt – wiederum müssen angehört werden, da die Festsetzung für sie nicht bindend ist.

* Æ Beispiel: Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens beantragt der unterlegene Beklagte den Gegenstandswert im Verhältnis des Klägers zu dessen Anwalt nach § 33 RVG festzusetzen. Jetzt sind der Kläger und dessen Anwalt anzuhören. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten braucht dagegen nicht angehört zu werden, da eine Festsetzung im Verhältnis des Klägers zu seinem Anwalt keine Auswirkungen auf das Verhältnis des

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG Beklagten zu seinem Anwalt haben kann. Soweit der Anwalt des Klägers beigeordnet ist, muss auch die Landeskasse angehört werden.

730

Wird rechtliches Gehör nicht gewährt, so kann hierauf eine Gehörsrüge nach § 12a RVG gestützt werden, sofern nicht die Beschwerde (s. Rn. 749 ff.) zulässig ist. c) Zulässigkeitsprüfung

731

Das Gericht hat zunächst zu prüfen, ob der Antrag statthaft, zulässig und begründet ist.

732

Es muss also prüfen, ob der Gegenstandswert für eine gerichtliche Tätigkeit in der betreffenden Instanz festgesetzt werden soll, ob eine Antragsberechtigung besteht, ob die Vergütung des Anwalts fällig ist und ob geltend gemacht wird, dass eine Bindungswirkung nach § 32 RVG nicht besteht.

733

Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, ist der Antrag als unzulässig zu verwerfen. Das Gericht darf sich dann mit der Bewertung nicht befassen. d) Form und Inhalt der Entscheidung aa) Form

734

Das Gericht entscheidet über den Festsetzungsantrag durch Beschluss. bb) Inhalt der Entscheidung

735

Soweit das Gericht den Festsetzungsantrag für nicht statthaft oder unzulässig hält, hat es den Antrag zu verwerfen.

736

Hält das Gericht den Antrag zwar für zulässig, kommt das Gericht jedoch zu dem Ergebnis, dass für den Anwalt der für die Gerichtsgebühren geltende Wert maßgebend ist, dass also die vom Antragsteller geltend gemachte Abweichung vom Wert der Gerichtsgebühren nicht vorliegt, dann muss es den Antrag als unbegründet zurückweisen. Es darf dann nicht festsetzen,1 was leider jedoch häufig geschieht.2 Eine Festsetzung führt in diesen Fällen nämlich zu Rechtskraftproblemen.

* Æ Beispiel: Das Gericht hat den Streitwert des Verfahrens bei Haupt- und Hilfsantrag auf 10.000 Euro festgesetzt und den Hilfsantrag nicht berücksichtigt, weil hierüber nicht entschieden worden ist (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG). Der Anwalt beantragt eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG, weil er der Auffassung ist, für seine Tätigkeit sei der Wert des Hilfsantrags mit zu berücksichtigen. Geht das Gericht mit der herrschenden Meinung davon aus, dass der Wert des Hilfsantrags auch für den Anwalt nur dann Bedeutung hat, wenn darüber das Gericht entschieden hat,3 dann muss der Antrag als unbegründet zurückgewiesen werden, weil sich die Anwaltsgebühren nach demselben Wert richten, wie die Gerichtsgebühren.

1 Zutreffend z.B. KG, Beschl. v. 11.6.2007 – 20 U 150/04, KGR 2007, 800 = JurBüro 2007, 488 = RVGreport 2007, 436 = NJ 2008, 83. 2 Selbst beim BGH: S. Beschl. v. 2.3.2010 – II ZR 62/06, AGS 2010, 213 = WM 2010, 823 = NJW 2010, 1373 = MDR 2010, 718 = NJW-Spezial 2010, 315 = FamRZ 2010, 891. 3 S. das Stichwort „Hilfsantrag“ Rn. 3082 ff.

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Verfahrensrecht Würde das Gericht hier – was leider häufig vorkommt – den Wert auf 10.000 Euro festsetzen, dann würde die Wertfestsetzung nach § 33 RVG innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Beschlusses bestandskräftig, während die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren noch innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft oder sonstigem Abschluss des Verfahrens abgeändert werden kann (§ 63 Abs. 3 GKG). In diesem Falle bestünde die Gefahr, dass sich die Bindungswirkungen des § 32 Abs. 1 RVG und des § 33 RVG widersprechen.

cc) Antragsbindung Da es sich um ein Antragsverfahren handelt, spricht vieles dafür, dass das Gericht an Anträge der Beteiligten gebunden ist, sofern solche Anträge gestellt werden (s. Rn. 722).

737

dd) Begründungszwang Der Festsetzungsbeschluss muss begründet werden;1 anderenfalls ist eine Überprüfung der Wertfestsetzung durch das übergeordnete Gericht nicht möglich. Je nach Einzelfall reicht eine stichwortartige Begründung, eine Bezugnahme auf gesetzliche Vorschriften oder einschlägige Gerichtsentscheidungen.

738

ee) Zulassung der Beschwerde Darüber hinaus muss das Gericht auch entscheiden, ob es die Beschwerde gegen seinen Beschluss zulässt (§ 33 Abs. 3 Satz 2 RVG).

739

e) Zustellung Da gegen die Wertfestsetzung grundsätzlich die Beschwerde nach § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG gegeben ist, muss der Beschluss den Beteiligten förmlich zugestellt werden, also auch den Parteien persönlich.2 Eine formlose Mitteilung setzt die Beschwerdefrist nicht in Gang.

740

Eine Zustellung kann auch im Hinblick auf die Kostenfestsetzung erforderlich sein, da hiermit eine eventuelle Antragsfrist des § 107 Abs. 2 ZPO ausgelöst wird (s. Rn. 836 ff.).

741

10. Bindungswirkung Die Bindung einer Entscheidung nach § 33 RVG tritt nur zwischen den Parteien des Festsetzungsverfahrens ein. Die Entscheidung hat keine Reflexwirkung für andere Beteiligte, wenn der Anwalt den Festsetzungsantrag stellt. Dann tritt eine Bindungswirkung nur für und gegen ihn sowie den Auftraggeber ein.

742

Der Anwalt des Klägers ist daher nicht an eine Wertfestsetzung gebunden, die im Verhältnis des Beklagten zu seinem Anwalt ergeht.

743

1 AnwK-RVG/E. Schneider, § 33 Rn. 49. 2 AnwK-RVG/E. Schneider, § 33 RVG Rn. 50; LAG Köln, Beschl. v. 8.8.1991 – 11 Ta 127/91, JurBüro 1991, 1678.

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG 744

Ein Verkehrsanwalt ist nicht an die Wertfestsetzung gebunden, die auf Antrag des Hauptbevollmächtigten ergeht. Er kann einen eigenen Wertfestsetzungsantrag stellen, der ggf. zu einem anderen Ergebnis führen kann, was insbesondere dann der Fall sein kann, wenn nur einer der beteiligten Anwälte Beschwerde einlegen kann.

* Æ Beispiel: In einem Rechtsstreit beantragt zunächst der Verkehrsanwalt die Wertfestsetzung. Das Gericht setzt den Wert auf 4.000 Euro fest. Eine Beschwerde hiergegen seitens des Verkehrsanwalts ist nicht möglich, da der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro nicht übersteigt. Später beantragt der Prozessbevollmächtigte die Wertfestsetzung. Das Gericht setzt den Gegenstandswert wiederum auf 4.000 Euro fest. Hiergegen legt der Prozessbevollmächtigte Beschwerde ein, da dessen Beschwer über 200 Euro liegt. Das Landgericht ändert den Beschluss ab und setzt den Wert auf 7.000 Euro fest. Der Prozessbevollmächtigte kann jetzt nach 7.000 Euro abrechnen; für den Verkehrsanwalt bleibt es dagegen bei dem Wert von 4.000 Euro, da das Wertfestsetzungsverfahren insoweit rechtskräftig abgeschlossen ist.

745

Wird die Wertfestsetzung vom Auftraggeber oder von der Staatskasse beantragt, so sind auf Seiten der Antragsgegner sämtliche Anwälte zu beteiligen, deren Vergütungsansprüche durch die Wertfestsetzung tangiert sein können. Insoweit wirkt dann auch ein Beschluss gegenüber allen Beteiligten, vorausgesetzt selbstverständlich, dass auch allen Beteiligten rechtliches Gehör gewährt worden ist und die Wertfestsetzungsbeschlüsse auch allen Beteiligten zugestellt worden sind (s. Rn. 740). 11. Abänderung

746

Eine Abänderung der Wertfestsetzung von Amts wegen, wie sie bei der gerichtlichen Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 3 GKG, § 55 Abs. 3 FamGKG; § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO in Betracht kommt, ist im Verfahren nach § 33 RVG unzulässig.

747

Daher ist auch ein Rechtsmittelgericht nicht berechtigt, eine vorinstanzliche Wertfestsetzung abzuändern, solange es nicht im Rahmen der Beschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG oder der weiteren Beschwerde nach § 33 Abs. 6 RVG angerufen wird. 12. Gehörsrüge

748

Ist die Entscheidung über die Wertfestsetzung unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergangen und ist eine Beschwerde nicht zulässig, kann gegen die Wertfestsetzung gem. § 12a RVG Gehörsrüge erhoben werden. Da hier – im Gegensatz zu den gerichtlichen Wertfestsetzungsverfahren – eine Abänderung von Amts wegen nicht möglich ist, kommt der Gehörsrüge größere Bedeutung zu als bei den gerichtlichen Wertfestsetzungsverfahren.

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Verfahrensrecht

IV. Beschwerde 1. Überblick Gegen die Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG ist gem. § 33 Abs. 3 RVG die Beschwerde gegeben.

749

Anfechtbar sind allerdings nur Festsetzungen des AG oder des LG.

750

Eine Wertfestsetzung des OLG ist unanfechtbar, da eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes ausgeschlossen ist (§ 33 Abs. 4 Satz 2 RVG).

751

Eine Wertfestsetzung des BGH ist nicht anfechtbar, weil es kein übergeordnetes Beschwerdegericht gibt.

752

Erforderlich ist, – dass der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 200 Euro übersteigt (§ 33 Abs. 3 Satz 1 RVG) oder – dass das Gericht in seiner Entscheidung die Beschwerde zugelassen hat (§ 33 Abs. 3 Satz 2 RVG).

753

2. Beschwerdeberechtigung Der Wertfestsetzungsbeschluss des Gerichts ist nach § 33 Abs. 3 RVG von allen Antragsberechtigten mit der Beschwerde angreifbar. Beschwerdeberechtigt sind – der verfahrensbevollmächtigte Anwalt, – weitere Anwälte, wie z.B. Terminsvertreter, Verkehrsanwalt, – der Auftraggeber, – ein erstattungspflichtiger Dritter, – die Staatskasse in den Fällen des § 45 RVG, also soweit einem der Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist.

754

Voraussetzung ist selbstverständlich eine Beschwer. Diese ist für den Anwalt gegeben, wenn der Wert nach seiner Auffassung zu gering festgesetzt ist und für die Partei oder die Staatskasse, dass der Wert aus ihrer Sicht zu hoch festgesetzt ist.

755

Soweit zum Teil vertreten wird, beschwerdeberechtigt sei nur, wer erstinstanzlich den Antrag gestellt habe,1 ist dies unzutreffend. Auch der Antragsgegner kann Beschwerde einlegen, wenn er durch die Festsetzung beschwert ist. Lediglich sonstige Dritte, gegenüber denen die Festsetzung nicht wirkt, sind nicht beschwerdeberechtigt.

756

* Æ Beispiel: Nach Abschluss des Verfahrens wird auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers der Gegenstand antragsgemäß festgesetzt. Selbstverständlich ist der Kläger jetzt beschwerdeberechtigt, da er die Gebühren seines Anwalts nach dem festgesetzten Wert zahlen muss. Dagegen sind der Beklagte und sein Anwalt nicht beschwerdeberechtigt, da ihnen gegenüber die Festsetzung nicht wirkt.

Sonstige Dritte, die nicht antragsberechtigt sind (s. Rn. 700, 701), können niemals beschwerdeberechtigt sein. 1 So LAG Hamm, Beschl. v. 23.1.2006 – 13 TaBV 1268/05, NZS 2006, 267.

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG 3. Form 758

Die Beschwerde bedarf keiner besonderen Form. Sie kann schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftstelle erklärt werden (§ 33 Abs. 7 Satz 1, 1. Halbs. RVG). Die Vorschrift des § 129a ZPO ist entsprechend anwendbar (§ 33 Abs. 7 Satz 1, 2. Halbs. RVG).

759

Ein Anwaltszwang besteht im Beschwerdeverfahren nicht, da nach § 33 Abs. 7 Satz 1 RVG Anträge und Erklärungen ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftstelle gestellt werden können.

760

Angegeben werden sollte, in wessen Namen die Beschwerde eingelegt wird. Ergibt sich nicht eindeutig, für wen die Beschwerde eingelegt ist, so ist im Zweifel davon auszugehen, dass eine Erhöhungsbeschwerde im Namen des Anwalts eingelegt worden ist und eine Herabsetzungsbeschwerde im Namen der Partei. 4. Bestimmter Antrag

761

Strittig ist, ob ein bestimmter Antrag im Beschwerdeverfahren gestellt werden muss1 oder sich zumindest aus der Beschwerdebegründung ergeben muss, welche Wertfestsetzung beantragt wird.2 Dafür spricht, dass es sich beim Verfahren nach § 33 RVG – im Gegensatz zu den Verfahren nach §§ 63 GKG, 55 FamGKG und 31 KostO – um ein reines Antragsverfahren handelt und dass mangels eines Antrags im Beschwerdeverfahren nicht zu ermitteln ist, ob der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands erreicht ist. Vorsorglich sollte daher im Beschwerdeverfahren immer auch klar gestellt werden, welche Wertfestsetzung beantragt wird, zumindest sollte eine ungefähre Wertvorstellung angegeben werden. 5. Zuständigkeit

762

Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist das jeweilige Beschwerdegericht. Das ist gem. § 33 Abs. 4 Satz 2 RVG das nächst höhere Gericht und in Zivilsachen nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG das OLG. – Gegen Wertfestsetzungen des Amtsgerichts ist daher grundsätzlich das Landgericht als Beschwerdegericht zuständig. Lediglich in den Fällen, in denen der Instanzenzug abweichend (Amtsgericht – Oberlandesgericht) geregelt ist, etwa in Familiensachen und landwirtschaftsgerichtlichen Verfahren, ist das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht zuständig. – Gegen Wertfestsetzungen des Landgerichts ist immer das Oberlandesgericht Beschwerdegericht, unabhängig davon, ob das Landgericht als erstinstanzliches Gericht, als Berufungs-, oder Beschwerdegericht entschieden hat.

763

Ungeachtet der Zuständigkeit des Beschwerdegerichts ist die Beschwerde immer beim Ausgangsgericht einzureichen (§ 33 Abs. 7 Satz 3 RVG), da dieses zunächst zu prüfen hat, ob es der Beschwerde abhilft.

1 So LAG Mainz, Beschl. v. 26.7.2006 – 11 Ta 103/06, AGS 2008, 137 = MDR 2007, 370. 2 LAG Bremen, Beschl. v. 27.8.2004 – 3 Ta 45/04, AGS 2005, 126 = ArbRB 2005, 49.

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Verfahrensrecht Die Einreichung beim Beschwerdegericht ist nicht fristwahrend. Wird die Beschwerde beim Beschwerdegericht eingereicht, muss es sie an das Ausgangsgericht abgeben. Der dortige Eingangszeitpunkt ist dann maßgebend.

764

Das Ausgangsgericht kann allerdings – auch wenn es über die Beschwerde nicht zu entscheiden hat – abhelfen (§ 33 Abs. 4 Satz 2 RVG).

765

6. Frist Die Beschwerde ist fristgebunden. Sie muss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt werden (§ 33 Abs. 3 Satz 3 RVG).

766

Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Zustellung, wird die Frist des § 33 Abs. 2 Satz 3 RVG nicht in Gang gesetzt, insbesondere nicht bei einer nur formlosen Mittelung.1

767

7. Wiedereinsetzung Wird die Beschwerdefrist versäumt, kann dem Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (§ 33 Abs. 5 RVG).

768

Der Beschwerdeführer muss ohne sein Verschulden verhindert gewesen sein, die Frist einzuhalten. Das Verschulden eines Verfahrensbevollmächtigten ist dem Beteiligten zuzurechnen (§ 33 Abs. 5 Satz 1 RVG, 85 Abs. 2 ZPO).

769

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses zu stellen. Innerhalb derselben Frist muss auch die Beschwerde nachgeholt werden. Des Weiteren müssen innerhalb der Frist die Tatsachen, die die Wiedereinsetzung begründen sollen, glaubhaft gemacht werden (§ 33 Abs. 5 Satz 1 RVG).

770

Nach Ablauf eines Jahres seit Ende der versäumten Frist an ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung unzulässig (§ 33 Abs. 5 Satz 2 RVG).

771

Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet zwar das Beschwerdegericht; da die nachgeholte Beschwerde jedoch zwingend bei dem Gericht einzureichen ist, dessen Entscheidung angefochten wird (§ 33 Abs. 7 Satz 3 RVG), gilt dies auch für den Wiedereinsetzungsantrag selbst).

772

Über die Wiedereinsetzung entscheidet alleine das Beschwerdegericht. Das Ausgangsgericht muss also, wenn es vom Ablauf der Beschwerdefrist ausgeht, ohne eigene Entscheidung die Sache dem Beschwerdegericht vorlegen. Eine Abhilfe durch das Ausgangsgericht ist zunächst nicht möglich. Es handelt sich insoweit um eine Frage der Zulässigkeit der Beschwerde für die dem Ausgangsgericht keine Entscheidungskompetenz zusteht.

773

Gibt das Beschwerdegericht dem Wiedereinsetzungsantrag statt, hat es die Sache dem Ausgangsgericht zurückzugeben, das nunmehr nach § 33 Abs. 4 RVG über die Abhilfe zu entscheiden hat.

774

Lehnt das Landgericht als Beschwerdegericht eine Wiedereinsetzung ab, kann dagegen Beschwerde erhoben werden (§ 33 Abs. 5 Satz 3 RVG). Sie muss innerhalb von zwei Wochen eingelegt werden (§ 33 Abs. 5 Satz 4 RVG).

775

Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung durch das OLG ist eine Beschwerde nicht möglich (§ 33 Abs. 5 Satz 6, Abs. 4 Satz 3 RVG).

776

1 AnwK-RVG/E. Schneider, § 33 RVG Rn. 50.

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG 8. Wert des Beschwerdegegenstands 777

Die Beschwerde ist nur dann zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt, es sei denn, die Beschwerde ist vom Ausgangsgericht in seiner Entscheidung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden.

778

Der Wert des Beschwerdegegenstands (nicht der der Beschwer) muss also den Wert von mindestens 200,01 Euro erreichen.

779

Der Wert des Beschwerdegegenstands ist für jeden Beschwerdeberechtigten gesondert zu prüfen.

780

Für den Anwalt kommt es darauf an, welche Mehrvergütung sich ergibt, wenn das Gericht der Beschwerde abhilft und den höheren Wert festsetzt. Es sind dann die Gebühren nach dem bisher festgesetzten Gegenstandswert und die Gebühren nach dem begehrten Gegenstandswert gegenüber zu stellen. Beträgt die Gebührendifferenz mehr als 200 Euro, ist die Beschwerde zulässig; anderenfalls ist sie unzulässig. Es gilt hier nichts anderes als bei der Beschwerde nach § 32 Abs. 2 RVG, § 68 Abs. 1 GKG.

781

Auch hier ist im Falle der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe nicht auf die Beträge nach § 49 RVG abzustellen,1 sondern auf die des § 13 RVG, da sich im Falle der Abänderung oder Aufhebung der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe weiter gehende Ansprüche nach den Beträgen des § 13 RVG noch ergeben können.

782

Abzustellen ist jeweils nur auf die eigene Vergütung des Anwalts. Sind mehrere Anwälte beteiligt, kann allerdings zu addieren sein.

* Æ Beispiel: Das Gericht hat den Gegenstandswert auf 5.000 Euro festgesetzt. Sowohl Prozessbevollmächtigter als auch Verkehrsanwalt begehren einen Gegenstandswert von 7.000 Euro. Für den Prozessbevollmächtigten ergäbe sich ein Mehraufkommen i.H.v. 150 Euro, für den Verkehrsanwalt i.H.v. 100 Euro. Für sich genommen, ist keiner der beteiligten Anwälte beschwerdeberechtigt, weil keiner den Wert des Beschwerdegegenstands erreicht. Eine gemeinsame Beschwerde wäre dagegen zulässig, da dann nach § 5 ZPO die Werte der einzelnen Beschwerdegegenstände zusammen zu rechnen sind.

783

Für den Auftraggeber und die Staatskasse kommt es dagegen immer auf den Gesamtbetrag aller Vergütungen an.

* Æ Beispiel: Das Gericht hat den Gegenstandswert auf 7.000 Euro festgesetzt. Der Auftraggeber ist der Auffassung, der Wert sei lediglich auf 5.000 Euro festzusetzen. Dies ergäbe gegenüber dem Prozessbevollmächtigten ein geringeres Gebührenaufkommen i.H.v. 150 Euro und gegenüber dem Verkehrsanwalt ein geringeres Gebührenaufkommen i.H.v. 100 Euro. Für den Auftraggeber beträgt der Wert des Beschwerdegegenstands 250 Euro.

784

Eine erstattungspflichtige Partei wiederum wird beschwert durch einen höheren Kostenerstattungsanspruch. Daher kommt es hier nicht darauf an, welche Mehr- oder Minderbeträge sich an Vergütungsansprüchen ergeben. Hier muss vielmehr geprüft werden, inwieweit sich die Wertfestsetzung auf die Kosten1 Unzutreffend LAG Mainz, Beschl. v. 17.8.2009 – 1 Ta 183/09, KostRsp. RVG § 33 Nr. 27.

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Verfahrensrecht erstattung auswirkt, also in welcher Höhe die Partei letztlich eine höhere Kostenerstattung an den Gegner zu erbringen hat. Nur dann, wenn der Differenzwert den Betrag von 200 Euro übersteigt, ist für ihn die Beschwerde zulässig. Im Gegensatz zur Beschwerde nach § 68 GKG bleiben hier also Gerichtsgebühren außer Ansatz, da diese von der Wertfestsetzung nach § 33 RVG unberührt bleiben.

* Æ Beispiel: Das Gericht hat den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers auf 7.000 Euro festgesetzt. Der Beklagte ist der Auffassung, der Wert sei lediglich auf 5.000 Euro festzusetzen. Es ergäbe sich dann ein geringeres Gebührenaufkommen i.H.v. 300 Euro. a) Der Beklagte hat die gesamten Kosten des Klägers zu tragen, b) Der Beklagte hat die Kosten des Klägers zu 50 % zu tragen. Im Fall a) ist die Beschwerde zulässig. Im Fall b) beträgt der Beschwerdewert nur 150 Euro, sodass die Beschwerde nicht zulässig ist.

9. Zugelassene Beschwerde Unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstands ist die Beschwerde auch dann zulässig, wenn das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in seinem Festsetzungsbeschluss zugelassen hat (§ 33 Abs. 3 Satz 2 RVG).

785

Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden (§ 33 Abs. 4 Satz 4, 1. Halbs. RVG).

786

Die Nichtzulassung der Beschwerde ist unanfechtbar (§ 33 Abs. 4 Satz 4, 2. Halbs. RVG).

787

10. Verfahren a) Abhilfeverfahren Das Gericht, das den Gegenstandswert festgesetzt hat, kann der Beschwerde abhelfen (§ 33 Abs. 4 Satz 1, 1. Halbs. RVG).

788

Hilft das Erstgericht der Beschwerde nicht ab, legt es die Sache dem Beschwerdegericht vor (§ 33 Abs. 4 Satz 1, 2. Halbs. RVG).

789

Hilft das Erstgericht der Beschwerde ab, kann hiergegen wiederum bei Erreichen der erforderlichen Beschwer ein anderer Verfahrensbeteiligter Erstbeschwerde einlegen.

790

Wird einer Beschwerde teilweise abgeholfen, so ist zu prüfen, ob nach Abhilfe noch der erforderliche Beschwerdewert erreicht ist. Fehlt es daran, wird die Beschwerde unzulässig. S. hierzu Rn. 282.

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b) Verfahren vor dem Beschwerdegericht aa) Zuständigkeit Das Beschwerdegericht entscheidet grundsätzlich durch den Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter, einem RechtsN. Schneider

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG pfleger oder einem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erlassen wurde (§ 33 Abs. 8 Satz 1, 2. Halbs. RVG). 793

Der Einzelrichter hat das Verfahren allerdings der Kammer oder dem Senat vorzulegen, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 33 Abs. 8 Satz 2 RVG).

794

Hat beim LG die Kammer entschieden, so ist der Senat für das Beschwerdeverfahren zuständig. Eine Übertragung auf den Einzelrichter ist nicht vorgesehen. bb) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts (1) Form

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Auch das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluss. (2) Inhalt

796

Soweit das Gericht die Beschwerde als unzulässig ansieht, hat es sie zu verwerfen.

797

Hält das Beschwerdegericht die Entscheidung der Vorinstanz für zutreffend, so ist die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

798

Soweit das Gericht der Auffassung ist, die Beschwerde sei begründet, hat es den festgesetzten Wert abzuändern.

799

Das Beschwerdegericht kann die Entscheidung der Vorinstanz aufheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverweisen, wenn die Festsetzung auf einem schweren Verfahrensfehler beruht. (3) Verschlechterungsverbot

800

Da es sich bei dem Verfahren nach § 33 RVG um ein reines Antragsverfahren handelt, ist das Verschlechterungsverbot (reformatio in peius) zu beachten.1 Das Gericht darf nicht zu Lasten des Beschwerdeführers entscheiden.

* Æ Beispiel: Das Gericht hat den Gegenstandswert auf 5.000 Euro festgesetzt. Dagegen legt der Anwalt Beschwerde ein mit dem Antrag, einen höheren Wert festzusetzen. Das Gericht ist der Auffassung der Gegenstandswert betrage lediglich 3.000 Euro. Das Gericht darf nur die Beschwerde als unbegründet zurückweisen. Es darf nicht den Wert auf 3.000 Euro abändern. Das wäre nur möglich, wenn auch der Auftraggeber (Anschluss-)Beschwerde mit dem Ziel der Herabsetzung erhoben hätte.

(4) Bindung an den Antrag 801

Bedeutung hat die Frage des bestimmten Antrags (s. oben Rn. 722) insbesondere dann, wenn bei einer Heraufsetzungsbeschwerde der tatsächliche Wert hö1 LAG Hamburg, Beschl. v. 20.6.2005 – 8 Ta 5/05, LAGReport 2005, 352; OLG Hamm, Beschl. v. 2.8.2005 – 13 TaBV 17/05, AGS 2006, 301; LAG Köln, Beschl. v. 23.6.2006 – 3 TA 196/06, AGS 2007, 526 = LAGE § 23 RVG Nr. 6a = AE 2006, 305 = RVGreport 2006, 478 = NZA-RR 2006, 598.

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Verfahrensrecht her bzw. bei einer Herabsetzungsbeschwerde der tatsächliche Wert geringer ist als vom Beschwerdeführer beantragt. Fordert man für die Beschwerde einen bestimmten Antrag, dann darf das Gericht in diesen Fällen nicht über den Wert hinausgehen. Das beruht darauf, dass es sich bei der Wertfestsetzung nach § 33 RVG um ein reines Antragsverfahren handelt und eine Festsetzung und Ermittlung von Amts wegen gerade nicht zulässig ist. Es würde letztlich doch wieder auf eine Amtsermittlung hinauslaufen, wenn das Gericht über bezifferte Anträge hinausgehen könnte.

802

Wird kein bezifferter Antrag für erforderlich gehalten, besteht jedoch insoweit eine Bindungswirkung als das Gericht nur die angegriffenen Punkte überprüfen darf. Soweit die Wertfestsetzung nicht angefochten wird, darf das Gericht diese nicht abändern, selbst wenn sie falsch ist.

803

* Æ Beispiel: In der mündlichen Verhandlung zum Scheidungstermin wird auch über den nicht anhängigen nachehelichen Unterhalt verhandelt sowie über den Zugewinn. Eine Einigung kommt jedoch nicht zu Stande. Auf Antrag setzt das Gericht den Mehrwert der Verhandlungen fest. Hiergegen legt der Anwalt Beschwerde ein und begründet dies damit, die Wertfestsetzung für das Verhandeln der Zugewinnausgleichssache sei zu gering. Das OLG als Beschwerdegericht ist nicht befugt, den Wert für die Verhandlungen über den Unterhalt abzuändern, selbst wenn diese Wertfestsetzung unzutreffend sein sollte. Es darf nur über den angefochtenen Teilwert betreffend den Zugewinnausgleich entscheiden.

(5) Zulassung der weiteren Beschwerde Darüber hinaus muss ein Landgericht auch darüber entscheiden, ob es die weitere Beschwerde zulässt (§ 33 Abs. 6 Satz 1 RVG).

804

V. Gegenvorstellung Da das Gericht im Verfahren nach § 33 RVG – im Gegensatz zu den gerichtlichen Wertfestsetzungsverfahren (§§ 63 Abs. 3 GKG, 55 Abs. 3 FamGKG, 31 Abs. 1 Satz 2 KostO) – nicht befugt ist, von Amts wegen jederzeit seine Entscheidung abzuändern, kommt auch eine Gegenvorstellung nicht in Betracht.

805

VI. Untätigkeitsbeschwerde Kommt das Gericht dem Antrag auf Wertfestsetzung nicht nach, sollte daran erinnert und ggf. eine Frist gesetzt werden.

806

Wird dann immer noch nicht über den Gegenstandswert entschieden, ist dies als eine konkludente Ablehnung der Wertfestsetzung anzusehen. Insoweit ist dann ebenfalls die Beschwerde gegeben. Eines Beschwerdewertes bedarf es hier nicht.1

807

Weigert sich das Gericht dagegen, dem Wertfestsetzungsantrag nachzukommen, weil nach seiner Auffassung der für die Gerichtsgebühren festgesetzte

808

1 AnwK-RVG/E. Schneider, § 33 TVG Rn. 76.

N. Schneider

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F. Gegenstandswertfestsetzung nach dem RVG Wert maßgebend ist, so liegt darin die konkludente Ablehnung des Festsetzungsantrags nach § 33 RVG als unzulässig oder unbegründet. Insoweit ist die Beschwerde gegeben, wenn der Beschwerdewert erreicht ist oder wenn das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

VII. Weitere Beschwerde 809

Gegen die Entscheidung des Landgerichts als Beschwerdegericht ist die weitere Beschwerde gegeben. Beschwerdeentscheidungen des OLG sind nicht anfechtbar.

810

Die weitere Beschwerde ist allerdings nur dann zulässig, wenn das Landgericht sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Rechtsfrage in seinem Beschluss zugelassen hat (§ 33 Abs. 6 Satz 1 RVG).

811

Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht und zwar immer in voller Besetzung. Eine Zuständigkeit des Einzelrichters ist im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht gegeben, zumal im Falle der weiteren Beschwerde ohnehin die gesamte Kammer im Beschwerdeverfahren entschieden haben dürfte.

812

Auch die weitere Beschwerde ist befristet und muss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung des Landgerichts eingelegt werden (§ 33 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG). Eine Wiedereinsetzung ist allerdings auch hier möglich (§ 33 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Abs. 5 RVG).

813

Die weitere Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. Die §§ 546 und 547 ZPO sind entsprechend anzuwenden.

814

Wird weitere Beschwerde eingelegt, so muss das Landgericht prüfen, ob es ihr abhilft. Anderenfalls legt es sie dem OLG vor, das dann hierüber entscheidet. Das Verfahren der weiteren Beschwerde entspricht im Übrigen dem der Erstbeschwerde.

VIII. Rechtbeschwerde 815

Eine Rechtsbeschwerde ist nicht vorgesehen und daher unstatthaft.

IX. Kosten 1. Gericht a) Wertfestsetzungsverfahren 816

Das Verfahren über den Antrag auf Wertfestsetzung ist gebührenfrei (§ 33 Abs. 9 Satz 1 RVG). b) Beschwerdeverfahren

817

Das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG ist im Gegensatz zu dem Beschwerdeverfahren nach § 68 GKG, § 59 FamGKG, § 31 KostO nicht gerichtskostenfrei. Die Gebührenfreiheit gilt nur für das Verfahren über den 124

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Verfahrensrecht Antrag (§ 33 Abs. 9 Satz 1 RVG). Für das Beschwerdeverfahren werden Gebühren nach dem GKG (§ 1 Abs. 4 GKG), dem FamGKG (§ 1 Satz 2 FamGKG) oder der KostO (§ 1 Abs. 1 Satz 2 KostO) erhoben. Im Beschwerdeverfahren wird in Zivilsachen und in Familiensachen eine Gerichtsgebühr i.H.v. 50,00 Euro erhoben, wenn die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird (Nr. 1812 KV GKG; Nr. 1912 KV FamGKG).

818

Ist die Beschwerde erfolgreich, werden keine Gerichtsgebühren erhoben.

819

Ist die Beschwerde teilweise erfolgreich, kann das Gericht die Verfahrensgebühr auf die Hälfte reduzieren oder nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese völlig entfällt (Anm. zu Nr. 1812 KV GKG; Anm. zu Nr. 1912 KV FamGKG).

820

Im Beschwerdeverfahren nach der KostO gilt § 131 KostO, es entsteht eine volle Gebühr aus dem Wert des Beschwerdeverfahrens, wenn die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird (§ 131 Abs. 1 KostO). Ist die Beschwerde erfolgreich, werden auch hier keine Gerichtsgebühren erhoben.

821

c) Weitere Beschwerde Im Verfahren der weiteren Beschwerde gilt in Zivilsachen ebenfalls § 1 Abs. 4 GKG i.V.m. Nr. 1812 KV GKG (s. Rn. 818).

822

In Familiensachen gilt wiederum § 1 Satz 2 FamGKG i.V.m. Nr. 1912 KV FamGKG (s. Rn. 818).

823

Im Verfahren der weiteren Beschwerde nach der KostO gilt wiederum § 1 Satz 2 i.V.m. § 131 KostO.

824

d) Rechtsbeschwerde Eine Rechtsbeschwerde ist zwar unzulässig (s. Rn. 815). Wird sie dennoch erhoben, entsteht in Zivilsachen eine Gebühr nach den Nrn. 1829, 1827 KV GKG, in Familiensachen nach Nrn. 1923, 1924 KV FamGKG. In Verfahren nach der KostO dürfte wiederum § 131 KostO gelten.

825

2. Anwalt a) Festsetzungsverfahren Vertritt der Anwalt sich in eigener Sache selbst, entsteht mangels Auftraggebers kein Vergütungsanspruch. Da eine Kostenerstattung hier ausgeschlossen ist (s. unten Rn. 833 ff.), gilt auch nicht § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO.

826

Vertritt der Anwalt die Partei, die sich gegen einen Festsetzungsantrag des gegnerischen Anwalts wehrt, so ist die Tätigkeit auf Wertfestsetzung der Gebühren nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG durch die jeweilige Verfahrensgebühr abgegolten, sofern der Anwalt in der Hauptsache tätig war.

827

Besteht insoweit ein Einzelauftrag – auch wenn der Anwalt einen anderen Anwalt im Festsetzungsverfahren vertritt – entsteht eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV RVG, jedoch nicht mehr als eine Verfahrensgebühr, die in der Hauptsache angefallen wäre (§ 15 Abs. 6 RVG).

828

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G. Abänderung der Kostenfestsetzung nach Streitwertkorrektur (§ 107 ZPO) b) Beschwerdeverfahren 829

Im Beschwerdeverfahren erhält der Anwalt, der sich selbst vertritt, wiederum keine Vergütung. Da auch hier eine Kostenerstattung ausgeschlossen ist (s. unten Rn. 833 ff.), gilt § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO wiederum nicht.

830

Vertritt der Anwalt die Partei, die sich gegen eine Heraufsetzungsbeschwerde des gegnerischen Anwalts wehrt oder vertritt der Anwalt einen anderen Anwalt im Verfahren der Heraufsetzungsbeschwerde, so erhält er eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG, die sich bei mehreren Auftraggebern nach Nr. 1008 VV RVG erhöht.1 c) Weitere Beschwerde

831

Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist eine neue selbständige Angelegenheit (§ 15 Abs. 2 Satz 2 RVG). Es entsteht die gleiche Vergütung wie in Beschwerdeverfahren (s. oben Rn. 829). d) Rechtsbeschwerde

832

Wird unzulässigerweise Rechtsbeschwerde eingelegt, ist auch das eine neue selbständige Angelegenheit (§ 15 Abs. 2 Satz 2 RVG). Es entsteht die Gebühr nach Nr. 3502 VV RVG.

X. Kostenerstattung 833

Eine Kostenerstattung ist im Verfahren der Wertfestsetzung einschließlich der Beschwerde und der weiteren Beschwerde grundsätzlich ausgeschlossen (§ 33 Abs. 9 Satz 2 RVG).

834

Wird unstatthafterweise eine Rechtsbeschwerde eingelegt, dürfte allerdings eine Kostenerstattung vorzunehmen sein. Der Ausschluss der Kostenerstattung betrifft nur die nach § 33 RVG statthaften Verfahren.

XI. Rechtsschutzversicherung 835

Soweit für ein Verfahren Deckungsschutz besteht, ist der Versicherer bei entsprechender Erfolgsaussicht auch verpflichtet, die Kosten für eine Herabsetzungsbeschwerde bzw. die Verteidigung gegen eine Heraufsetzungsbeschwerde eines anderen Beteiligten zu übernehmen.

G. Abänderung der Kostenfestsetzung nach Streitwertkorrektur (§ 107 ZPO) I. Ausgangslage 836

Das Gericht kann die Wertfestsetzung innerhalb von sechs Monaten nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens oder anderweitiger Beendigung von Amts wegen abändern (§ 63 Abs. 3 GKG; § 55 Abs. 3 FamGKG; 31 Abs. 1 1 Zu den Gebühren des Anwalts s. ausführlich N. Schneider, AGS 2003, 13.

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Verfahrensrecht KostO). Das Gleiche gilt bei einer in dieser Zeit eingelegten Beschwerde (§ 68 Abs. 1 Satz 3 GKG; § 59 Abs. 1 Satz 3 FamGKG; 31 Abs. 3 Satz 3 KostO) oder Gegenvorstellung einer Partei oder eines sonstigen Beteiligten. Es kommt daher mitunter vor, dass ein Kosten- oder Vergütungsfestsetzungsbeschluss bereits in Rechtskraft erwachsen ist, bevor die zugrunde liegende Streit-, Verfahrens- oder Geschäftswertentscheidung bestandskräftig geworden ist. Diese Situation hindert das Gericht jedoch nicht, seine Wertfestsetzung nachträglich nach § 63 Abs. 3 GKG, § 55 Abs. 3 FamGKG oder 31 Abs. 1 KostO abzuändern. Vielmehr muss dann die Kostenerstattung korrigiert werden. Sie richtet sich dann nach den neuen Werten.

837

II. Abänderung der Kostenfestsetzung Soweit durch die nachträgliche Abänderung des Streit-, Verfahrens- oder Geschäftswerts die aufgrund der vorherigen Werte durchgeführte Kostenfestsetzung im Nachhinein unzutreffend wird, kann jeder Beteiligte des Kostenfestsetzungsverfahrens gem. § 107 Abs. 1 Satz 1 ZPO1 den Antrag auf Änderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses stellen.

838

Das Gericht berechnet dann auf der Basis der neuen Wertfestsetzung den Erstattungsanspruch neu und setzt entsprechend neu fest. Der ursprüngliche Beschluss wird gleichzeitig aufgehoben.

839

Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszugs (§ 107 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

840

Der Antrag ist nur innerhalb eines Monats ab Zustellung oder Verkündung des abändernden Wertfestsetzungsbeschlusses möglich (§ 107 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

841

Ebenso wie bei der Kostenfestsetzung selbst besteht für den Antrag nach § 107 ZPO kein Anwaltszwang.

842

Muster: Antrag auf Abänderung der Kostenfestsetzung nach § 107 ZPO (Erstattungsberechtigter) An das ...gericht Antrag auf Abänderung der Kostenfestsetzung gem. § 107 ZPO In Sachen ... ./. ... beantrage ich namens meiner Partei, aufgrund des am ...1 zugestellten Streitwertbeschlusses des ...gerichts, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom ... gem. § 107 ZPO abzuändern.2 Begründung: Durch den vorgenannten Streitwertbeschluss hat das ...gericht den Streitwert abgeändert und höher festgesetzt. Danach ergeben sich höhere Kosten meiner Partei, die bei der Kostenfestsetzung/Kostenausgleichung zu berücksichtigen sind. 1 In Familiensachen anwendbar aufgrund der Verweisung des § 85 FamFG (Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit) oder des § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG (Verbundverfahren und Familienstreitsachen).

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G. Abänderung der Kostenfestsetzung nach Streitwertkorrektur (§ 107 ZPO) Eine neue Berechnung der dem Kläger/Beklagten entstandenen Kosten nach dem höheren Wert füge ich bei. Es wird beantragt, auch hinsichtlich der sich aufgrund der Abänderung ergebenden weiteren Kosten die gesetzliche Verzinsung auszusprechen.3 Rechtsanwalt 1 Das Datum ist bedeutsam für die Monatsfrist des § 107 Abs. 2 ZPO. 2 Ein bezifferter Antrag ist nicht erforderlich. Das Gericht muss vielmehr die Kostenfestsetzung oder -ausgleichung aufgrund der neuen Werte nachholen. Ggf. muss es bei einer Kostenausgleichung vom Gegner eine neue Berechnung aufgrund der neuen Werte anfordern. 3 Dieser Antrag ist erforderlich, da ansonsten nur eine Verzinsung der ursprünglich festgesetzten Kosten ausgesprochen werden darf. Streng genommen muss das Gericht zwei Verzinsungszeitpunkte aussprechen, nämlich einen für die ursprünglich festgesetzten Kosten und einen für die weiteren Kosten. Der Anwalt kann das vermeiden, indem er schon bei der ersten Festsetzung seine Kosten nach dem höheren Wert anmeldet, wenn abzusehen ist, dass es auf eine Streitwertbeschwerde zu höheren Werten kommen kann.

Muster: Antrag auf Abänderung der Kostenfestsetzung nach § 107 ZPO (Erstattungspflichtiger) An das ...gericht Antrag auf Abänderung der Kostenfestsetzung gem. § 107 ZPO In Sachen ... ./. ... beantrage ich namens des Klägers/Beklagten, aufgrund des mir am ...1 zugestellten Streitwertbeschlusses des ...gerichts, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom ... gem. § 107 ZPO abzuändern. Begründung: Durch den vorgenannten Streitwertbeschluss hat das ...gericht den Streitwert abgeändert und niedriger festgesetzt. Danach ergeben sich geringere erstattungsfähige Kosten meiner Partei. Eine neue Berechnung der meiner Partei entstandenen Kosten nach dem neu festgesetzten Wert füge ich bei.2 Rechtsanwalt 1 Das Datum ist bedeutsam für die Monatsfrist des § 107 Abs. 2 ZPO. 2 Nur erforderlich bei Kostenausgleichung. Anderenfalls spielen die eigenen Kosten keine Rolle.

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Verfahrensrecht

III. Sofortige Beschwerde/Erinnerung Gegen die Entscheidung im Verfahren nach § 107 ZPO ist gem. der Verweisung in § 107 Abs. 3 ZPO auf § 104 Abs. 3 ZPO die sofortige Beschwerde gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands den Wert von 200 Euro übersteigt. Anderenfalls ist nur die Erinnerung möglich.

843

IV. Rechtsbeschwerde Gegen die Entscheidung über die Beschwerde kommt die Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO in Betracht, wenn das Beschwerdegericht sie in seiner Entscheidung zugelassen hat.

844

V. Sonstige Rechtsbehelfe nach Fristablauf Nach Ablauf der nicht verlängerbaren (§ 224 Abs. 2 ZPO) Frist des § 107 Abs. 2 ZPO kommt eine Änderung der Kostenfestsetzung im Wege des § 107 ZPO nicht mehr in Betracht. Damit sind die Parteien oder Beteiligten jedoch nicht rechtlos gestellt.

845

Soweit sich ein höherer Kostenerstattungsanspruch ergibt, ist ohnehin jederzeit eine Nachfestsetzung aufgrund des höheren Verfahrenswertes möglich. Es ergeht dann lediglich kein einheitlicher Beschluss, sondern ein getrennter Festsetzungsbeschluss über den sich nach dem höheren Wert ergebenden Mehrbetrag.

846

Soweit sich augrund der Wertänderung ein geringerer Erstattungsbetrag ergibt, kann der Erstattungspflichtige nach allgemeinen Vorschriften (§ 717 ZPO oder Bereicherungsrecht) zu viel gezahlte Beträge zurückverlangen. Er muss allerdings klagen, wenn der zu viel gezahlte Betrag nicht freiwillig zurück gezahlt wird.1 Eine vereinfachte Festsetzung ist nach Fristablauf nicht mehr möglich.

847

VI. Rückfestsetzung Nach h.M. ist auch eine sog. Rückfestsetzung möglich, wenn der Kostenschuldner aufgrund eines Kostenfestsetzungsbeschlusses gezahlt hat, der später nach § 107 ZPO abgeändert worden ist.2 Dann ergibt sich der Rückgewähranspruch aus § 717 ZPO und aus Bereicherungsrecht. S. hierzu jetzt auch § 91 Abs. 4 ZPO, der dem Wortlaut nach aber nur für die obsiegende Partei gilt, die im Verlaufe des Rechtsstreits Kosten an die unterlegene Partei gezahlt hat. Gleiches gilt, wenn aufgrund einer Streitwertänderung der Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 107 ZPO abgeändert und ein geringerer Betrag festgesetzt worden ist. Soweit aufgrund des ursprünglichen Kostenfestsetzungsbe-

1 Zöller/Herget, § 107 ZPO Rn. 3. 2 LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 16.9.2009 – 9 Ta 186/09, AE 2010, 117; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.6.2005 – 10 W 15/05, Rpfleger 2005, 696 = MDR 2006, 118 = JurBüro 2005, 599; OLG Koblenz, Beschl. v. 28.7.1988 – 14 W 459/88, JurBüro 1988, 1526 = Rpfleger 1989, 40; s. auch von Eicken/Hellstab/Lappe/Madert/Mathias, Die Kostenfestsetzung, 19. Aufl. 2005, Rn. B 150 m.w.N. zur Rspr.

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G. Abänderung der Kostenfestsetzung nach Streitwertkorrektur (§ 107 ZPO) schlusses unstreitig gezahlt oder anderweitig erfüllt worden ist, kann insoweit auch ein zurückzuzahlender Betrag festgesetzt werden. Ist die Zahlung dagegen streitig, bleibt nur ein Klageverfahren. 849

Die Rückforderung ist analog § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf Antrag mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB zu verzinsen.

Muster: Antrag auf Abänderung und Rückfestsetzung nach § 107 ZPO An das ...gericht Antrag auf Abänderung der Kostenfestsetzung und Rückfestsetzung nach §§ 107, 91 Abs. 4 ZPO In Sachen ... ./. ... beantrage ich namens des Klägers/Beklagten, aufgrund des mir am ...1 zugestellten Streitwertbeschlusses des ...gerichts, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom ... gem. § 107 ZPO abzuändern. und gleichzeitig im Wege der Rückfestsetzung gegen den Kläger/Beklagten die sich danach ergebende Rückforderung festzusetzen und auszusprechen, dass dieser Betrag ab Antragseingang gesetzlich zu verzinsen ist. Begründung: Durch den vorgenannten Streitwertbeschluss hat das ...gericht den Streitwert abgeändert und niedriger festgesetzt. Danach ergeben sich geringere erstattungsfähige Kosten. Eine neue Berechnung der meiner Partei entstandenen Kosten nach dem neu festgesetzten Wert füge ich bei.2 Aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom ... hatte meine Partei an den Klägers/Beklagten die festgesetzten Kosten i.H.v. ... Euro gezahlt. Eine Kopie des Überweisungsträgers füge ich bei. Nachdem der Streitwert durch Beschluss vom ... abgeändert worden ist, ergibt sich aufgrund des neuen Wertes eine geringere Kostenerstattungsforderung des Klägers/Beklagten. Da die ursprüngliche Erstattungsforderung bereits bezahlt ist, wird sich daher nach Neuberechnung der zu erstattenden Kosten ein Rückforderungsanspruch meiner Partei ergeben. Dieser ist gem. §§ 107, 91 Abs. 4 ZPO gegen den Kläger/ Beklagten festzusetzen. Rechtsanwalt 1 Das Datum ist bedeutsam für die Monatsfrist des § 107 Abs. 2 ZPO. 2 Nur erforderlich bei der Kostenausgleichung. Anderenfalls spielen die eigenen Kosten keine Rolle.

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Verfahrensrecht

H. Korrektur der Kostenentscheidung nach Streitwertänderung? Da eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 3 GKG, § 55 Abs. 3 FamGKG, § 31 Abs. 3 KostO noch innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Verfahrens von Amts wegen abgeändert werden kann – und bei einer in diesem Zeitraum rechtzeitig eingereichten Gegenvorstellung oder Streitwertbeschwerde auch noch danach –, kommt es häufig vor, dass eine gerichtliche Wertfestsetzung nachträglich abgeändert wird und sich damit für die bereits ergangene Kostenentscheidung die Kalkulationsgrundlage ändert.

850

* Æ Beispiel: Der Kläger ist mit seinem Klageantrag zu 1) durchgedrungen, während der Klageantrag zu 2) abgewiesen worden ist. Das Gericht hat den Wert beider Klageanträge auf jeweils 5.000 Euro festgesetzt und die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben. Auf die Beschwerde hin wird der Wert für den Klageantrag zu 2) auf 10.000 Euro abgeändert. Ausgehend von dieser Wertfestsetzung wäre eine Kostenentscheidung zutreffend gewesen, wonach der Kläger 2/3 der Kosten zu tragen hat und der Beklagte 1/3.

Das Problem, das sich nunmehr stellt, liegt darin, dass die Kostenentscheidung in der Regel bereits rechtskräftig geworden ist und daher nicht mehr abgeändert werden kann.

851

Zwar kann jetzt eine Abänderung der Kostenfestsetzung nach § 107 ZPO beantragt werden (s. Rn. 836 ff.). An der Kostenentscheidung ändert dies aber nichts.

852

In der früheren Rechtsprechung wurde für diese Fälle zum Teil vertreten, dass hier in analoger Anwendung des § 319 ZPO eine Berichtigung der Kostenentscheidung vorgenommen werden könne. Diese Rechtsprechung hat der BGH jedoch zwischenzeitlich abgelehnt.1

853

Eine planwidrige Regelungslücke, die eine analoge Anwendung der Berichtigungsvorschriften ermöglichte, liegt nicht vor. Es bleibt vielmehr bei der sich im Nachhinein als unzutreffend erweisenden Kostenentscheidung. Im Interesse der Rechtssicherheit ist die Rechtskraft der getroffenen Kostenentscheidung hinzunehmen.

854

Will eine Partei eine zu ihren Ungunsten aufgrund zunächst unzutreffender Wertfestsetzung ergangene fehlerhafte Kostenentscheidung korrigieren lassen, bleibt nur die Möglichkeit der isolierten Kostenbeschwerde, soweit diese ausnahmsweise möglich ist. In Zivilsachen ist die isolierte Kostenbeschwerde lediglich nach § 99 Abs. 2 ZPO (Anerkenntnis), § 91a Abs. 2 ZPO (Erledigung der Hauptsache) und nach § 269 Abs. 5 ZPO (Klagerücknahme) zulässig. Im Übrigen ist sie unanfechtbar. In Familiensachen gilt für Familienstreitsachen das Gleiche (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Lediglich in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Kostenentscheidung stets isoliert anfechtbar, wobei ggf. allerdings der Beschwerdewert des § 61 Abs. 2 FamGKG erreicht sein muss. Im Rahmen einer solchen zulässigen Kostenbeschwerde kann dann die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens beantragt werden, bis über eine Streitwertbeschwerde entschieden ist. Allerdings ist hier eine Streitwertbeschwerde an sich nicht erforderlich, da das Beschwerdegericht im Rahmen der Überprüfung der Kostenentscheidung nach § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG, § 55 Abs. 3

855

1 BGH, Beschl. v. 30.7.2008 - II ZB 40/07, AGS 2008, 471 = FamRZ 2008, 1925 = JurBüro 2008, 655 = MDR 2008, 1292 = NJW-Spezial 2008, 636 = FF 2008, 513.

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I. Bindungswirkung der Wertfestsetzungen Satz 2 FamGKG oder § 31 Abs. 3 Satz 2 KostO ohnehin von Amts wegen befugt ist, den erstinstanzlichen Streit- oder Verfahrenswert abzuändern. 856

Im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG ist sogar ausdrücklich vorgesehen, dass das Verfahren auszusetzen ist, bis über den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit bestandskräftig entschieden ist, wenn dieser bestritten wird (§ 11 Abs. 4 RVG).

857

Soweit eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung nicht in Betracht kommt, besteht nur die Möglichkeit, in der Hauptsache Rechtsmittel einzulegen, damit das Gericht dann zumindest im Rahmen der Hauptsache die Kostenentscheidung korrigieren kann.

858

Insoweit ist es ausreichend, dass lediglich ein Teil der ergangenen Hauptsacheentscheidung angefochten wird. Das Gericht ist auch bei einer Teilanfechtung befugt, die gesamte Kostenentscheidung von Amts wegen zu korrigieren,1 da über die Kosten nach § 308 Abs. 2 ZPO stets von Amts wegen zu entscheiden ist.

I. Bindungswirkung der Wertfestsetzungen I. Überblick 859

Die Festsetzung eines Streit-, Verfahrens- oder Geschäftswerts ist grundsätzlich für alle Beteiligten bindend.2 Daher kann ein Beteiligter in einem nachfolgenden Verfahren – etwa in einem Kostenansatzverfahren, in einem Kosten- oder Vergütungsfestsetzungsverfahren oder in einem Vergütungsprozess – grundsätzlich nicht mit dem Einwand gehört werden, der festgesetzte Wert sei falsch. Soweit möglich, kann allerdings die Wertfestsetzung selbst noch angegriffen werden.

II. Staatskasse 860

Die Staatskasse ist an die gerichtliche Wertfestsetzung gebunden. Sie darf die Gerichtsgebühren nur nach den gerichtlich festgesetzten Werten erheben. Auch im Falle der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe ist die Staatskasse an die Wertfestsetzungen des Gerichts gebunden und muss danach die Vergütung des beigeordneten Anwalts bezahlen. Soweit die Staatskasse mit der Wertfestsetzung nicht einverstanden ist, kann und muss sie aus eigenem Recht gegen die Wertfestsetzung vorgehen, soweit sie beschwert ist.

861

Eine Beschwer der Staatskasse ergibt sich zum einen, wenn das Gericht einen zu geringen Wert festgesetzt hat, da dann die Gerichtsgebühren auch nur nach diesem geringeren Wert erhoben werden können. Zum anderen ist die Staatskasse bei einer zu hohen Wertfestsetzung beschwert, wenn sie hiernach Prozess- oder Verfahrenskostenhilfevergütungen auszahlen muss. 1 Zöller/Vollkommer, § 308 ZPO Rn. 9; Zöller/Heßler, § 524 ZPO Rn. 37. 2 Meyer, § 63 Rn. 21; Hartmann, § 63 Rn. 33.

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Verfahrensrecht

III. Anwalt und Auftraggeber Für den Anwalt ergibt sich die Bindungswirkung an die gerichtliche Wertfestsetzung aus § 32 Abs. 1 RVG, soweit sich der Gegenstandswert seiner Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften richtet (§ 23 Abs. 1 RVG). Er ist an die gerichtliche Wertfestsetzung gebunden, unabhängig davon, ob sie zutreffend ist oder nicht.

862

Dies gilt erst recht, wenn der Wert nach § 33 RVG festgesetzt worden ist. Gleiches gilt für den Auftraggeber des Anwalts. Er schuldet die Vergütung nach dem gerichtlich festgesetzten Wert. Ist der Anwalt mit dem vom Gericht festgesetzten Wert nicht einverstanden, und will er nach einem höheren Wert abrechnen oder ist der Auftraggeber mit dem festgesetzten Wert nicht einverstanden und will er die Vergütung des Anwalts nur nach einem geringeren Wert bezahlen, so muss die Wertfestsetzung selbst angegriffen werden. Die Frage der Wertfestsetzung ist nicht im Vergütungsstreit auszutragen, soweit für die betreffenden Gegenstände eine gerichtliche Wertfestsetzung vorliegt.

863

* Æ Beispiel: Der Anwalt hatte für den Mandanten eine Klage erhoben. Er sollte später die Klage erweitern. Dazu ist es aber nicht mehr gekommen. Den Streitwert des Verfahrens hat das Gericht auf 5.000 Euro festgesetzt. Soweit es im Vergütungsprozess um die Gebühren aus den rechtshängigen Gegenständen der Klage geht, ist das Gericht im Vergütungsprozess an die Wertfestsetzung im Vorprozess gebunden und darf davon nicht abweichen. Soweit es um die Gebühren für die nicht eingereichte Klageerweiterung geht, fehlt es an einer Wertfestsetzung. Diese kommt auch nicht in Betracht (s. Rn. 672). Daher kann das Gericht im Vergütungsprozess diesen Wert selbst feststellen.

Für den Fall des Vergütungsfestsetzungsverfahrens nach § 11 RVG regelt das Gesetz sogar ausdrücklich, dass über den Wert nicht im Vergütungsverfahren zu entscheiden ist, sondern dass das Vergütungsfestsetzungsverfahren auszusetzen ist, bis über den streitigen Gegenstandswert im Wertfestsetzungsverfahren abschließend entschieden worden ist (§ 11 Abs. 4 RVG).

864

Umgekehrt besteht keine Bindungswirkung. So hindert ein rechtkräftig abgeschlossener Vergütungsprozess nicht eine anders lautende Wertfestsetzung und steht auch einer Beschwerde mit dem Ziel einer anders lautenden Festsetzung nicht entgegen.1

865

* Æ Beispiel: Das Gericht hatte im Vorprozess den Streitwert auf 5.000 Euro festgesetzt. Da der Mandant nicht zahlt, klagt der Anwalt seine Vergütung auf der Basis eines Wertes von 5.000 Euro ein und erwirkt ein rechtskräftiges Urteil. Soweit die Frist des § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG noch nicht abgelaufen ist, kann der Anwalt noch Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung einlegen. Wird der Wert auf die Beschwerde hin abweichend höher festgesetzt, kann der Anwalt nachliquidieren. Wird der Wert herabgesetzt, kann der Auftraggeber die zu viel gezahlte Vergütung zurückverlangen. Ggf. muss er Vollstreckungsabwehrklage erheben.

1 KG, Beschl. v. 10.7.1970 – 1 W 6895/70, Rpfleger 1970, 407.

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I. Bindungswirkung der Wertfestsetzungen

IV. Kostenfestsetzung 866

Auch im Kostenfestsetzungsverfahren besteht eine Bindungswirkung an festgesetzte Streit-, Verfahrens- oder Geschäftswerte. Der Erstattungsberechtigte kann seine Kosten nur nach dem gerichtlich festgesetzten Wert erstattet verlangen. Der Erstattungspflichtige muss auf dieser Grundlage zahlen.

867

Unzutreffend ist daher die Entscheidung des OLG Frankfurt.1 Danach soll ein offensichtlich unrichtiger, aber wegen Fristversäumung nicht mehr abänderbarer Streitwertbeschluss den Rechtsanwalt auch im Hinblick auf § 32 Abs. 1 RVG (damals noch § 9 Abs. 1 BRAGO) nicht zu einer Abrechnung nach dem unrichtigen (höheren) Wert berechtigen. Es sollen vielmehr im Kostenfestsetzungsbeschluss die Gebühren des Anwalts nur in der Höhe zu berücksichtigen sein, in der sie der Anwalt nach dem richtigen Wert hätte in Rechnung stellen dürfen. Diese Entscheidung, die glücklicherweise vereinzelt geblieben ist, missachtet die Rechtskraft eines Wertfestsetzungsbeschlusses und die Bindungswirkung einer gerichtlichen Streitwertfestsetzung. Für eine solche Durchbrechung der Rechtskraft besteht auch kein Anlass, da die erstattungspflichtige Partei nach § 63 Abs. 3 GKG, § 55 Abs. 3 GKG, § 31 Abs. 3 KostO sechs Monate Zeit hat, gegen eine unzutreffende Wertfestsetzung Beschwerde einzulegen. Versäumt sie dies, muss sie daraus auch die Konsequenzen tragen.

868

Auch im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO kann der Streit über den zutreffenden Wert nicht ausgetragen werden, sondern nur im zugrunde liegenden Wertfestsetzungsverfahren. Auch insoweit ist analog § 11 Abs. 5 RVG das Festsetzungsverfahren auszusetzen, bis über den Streit-, Verfahrens- oder Geschäftswert abschließend entschieden worden ist.2

869

Von einem Streit über den Wert zu unterscheiden ist die Frage, ob die Gebühren auch nach dem Wert angefallen sind.

* Æ Beispiel: Das Gericht hat den Wert einer Stufenklage wie folgt festgesetzt: Auskunft 1.500 Euro, Zahlung 9.000 Euro. Der unterlegene Beklagte macht im Kostenfestsetzungsverfahren geltend, a) der Wert des Zahlungsanspruchs habe lediglich 6.000 Euro betragen. b) die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) dürfe nur aus 1.500 Euro berechnet werden, da über die Zahlung nicht verhandelt worden sei. Im Fall a) wird der Wert angegriffen. Über diese Frage kann nur im Wertfestsetzungsverfahren nach § 63 GKG bzw. im Beschwerdeverfahren nach § 68 GKG entschieden werden. Ggf. ist das Kostenfestsetzungsverfahren so lange auszusetzen. Im Fall b) wird der Wert als solcher nicht angegriffen. Der Erstattungsschuldner macht lediglich geltend, dass die Terminsgebühr nicht nach dem vollen Wert des Verfahrens angefallen sei. Darüber ist im Festsetzungsverfahren zu entscheiden.

V. Nicht am Verfahren beteiligte Dritte 870

Gegenüber Dritten, nicht am Verfahren beteiligten Personen, besteht keine unmittelbare Bindungswirkung, sondern lediglich eine mittelbare. 1 Beschl. v. 7.12.1998 – 12 W 235/98, OLGR 1999, 43. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2010 – 6 W 21-23/10, AGS 2010, 568.

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Verfahrensrecht Macht eine Partei Freistellungs- oder Schadensersatzansprüche gegen Dritte auf Ersatz der von ihr aufgewandten Prozesskosten geltend, kann der Dritte sich damit verteidigen, dass der zugrunde gelegte Wert unzutreffend sei. Zumindest kann er den Einwand des Mitverschuldens (§ 254 BGB) erheben, wenn die erstattungsberechtigte Partei nicht sämtliche Rechtsmittel im Wertfestsetzungsverfahren ausgeschöpft hat.

871

VI. Rechtsschutzversicherer Ist eine Partei rechtsschutzversichert und muss der Rechtsschutzversicherer sie von den Anwalts- und Gerichtskosten freistellen, dann besteht ebenfalls keine unmittelbare Bindungswirkung, weil der Rechtsschutzversicherer am Wertfestsetzungsverfahren nicht mit eigenen Rechten beteiligt ist.

872

Grundsätzlich muss der Versicherer seinen Versicherungsnehmer allerdings nach den gerichtlich festgesetzten Werten freistellen.1 Er kann ihm lediglich vorwerfen, dass er eine Obliegenheitsverletzung begangen habe, indem er eine unzutreffende Wertfestsetzung nicht angegriffen habe.2

873

Auf eine Obliegenheitsverletzung kann sich der Rechtsschutzversicherer nicht berufen, wenn eine Erhöhungsbeschwerde erhoben worden ist,3 da das Gericht im Wertfestsetzungsverfahren an Anträge nicht gebunden ist und es im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessen liegt, den Streitwert nach unten zu korrigieren, wenn dies geboten ist (s. Rn. 335).

874

Hat der Versicherungsnehmer gegen seine Obliegenheit, die Kosten gering zu halten und mögliche Rechtsmittel gegen unzutreffende Streitwertfestsetzungen zu ergreifen verstoßen, dann schuldet der Rechtsschutzversicherer die Freistellung nur insoweit, als er bei Zugrundelegen des zutreffenden Streitwertes zur Zahlung verpflichtet gewesen wäre.4 Zu beachten ist allerdings, dass die Streitwertbeschwerde in diesen Fällen für den Anwalt des Versicherungsnehmers zusätzliche Kosten ausgelöst hätte, die dann wiederum vom Rechtsschutzversicherer zu tragen gewesen wären.

* Æ Beispiel: Das LG hat den Streitwert auf 8.000 Euro festgesetzt. Zutreffend wäre ein Streitwert von 6.000 Euro. Der Versicherungsnehmer hat es versäumt, Beschwerde einzulegen. Aus 8.000 Euro sind folgende Gebühren angefallen: 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 2. 1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 3. Postengeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 4. 19 % Umsatzsteuer Gesamt

535,60 Euro 494,40 Euro 20,00 Euro 1.050,00 Euro 199,50 Euro 1.249,50 Euro

1 AG Stuttgart, Beschl. v. 30.4.2004 – 9 C 414/04, IVH 2004, 126. 2 AG Hamburg, Urt. v. 6.10.1999 – 21a C 288/99, ZfSch 2000, 360 = BRAGOreport 2001, 145. 3 AG Stuttgart, Beschl. v. 30.4.2004 – 9 C 414/04, IVH 2004, 126. 4 AG Hamburg, Urt. v. 6.10.1999 – 21a C 288/99, ZfSch 2000, 360 = BRAGOreport 2001, 145.

N. Schneider

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875

I. Bindungswirkung der Wertfestsetzungen Aus 6.000 Euro wären lediglich folgende Gebühren angefallen: 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 2. 1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 4. 19 % Umsatzsteuer Gesamt

439,40 Euro 405,60 Euro 20,00 Euro 865,00 Euro 163,35 Euro 1.029,35 Euro

Hätte der Versicherungsnehmer Streitwertbeschwerde erhoben, wären also um (1.249,50 Euro – 1.029,35 Euro =)

220,15 Euro

geringere Kosten im gerichtlichen Verfahren angefallen. Andererseits wären dann aber für die Streitwertbeschwerde Anwaltskosten i.H.v. 1. 0,5-Verfahrensgebühr, Nr. 3500 VV RVG (Wert: 220,15 Euro) 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 4. 19 % Umsatzsteuer Gesamt hinzu gekommen, sodass der Versicherer lediglich i.H.v. (220,15 – 17,85 Euro =)

12,50 Euro 2,50 Euro 15,00 Euro 2,85 Euro 17,85 Euro 202,30 Euro

leistungsfrei geworden ist. Soweit auch Gerichtskosten oder Kosten des Gegners vom Versicherer zu übernehmen waren, sind auch dort die Differenzbeträge zu berechnen; andererseits erhöht sich dann der Gegenstandswert des Streitwert-Beschwerdeverfahrens (§ 23 Abs. 2 RVG) um diese Differenzbeträge.

876

Eine rechtsschutzversicherte Partei ist daher gut beraten, den Rechtsschutzversicherer rechtzeitig über gerichtliche Wertfestsetzungen zu unterrichten und ggf. Weisung einzuholen, ob gegen die Streitwertfestsetzung vorgegangen werden soll.

877–900

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Einstweilen frei.

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N. Schneider

2. Teil: Streitwert im ZPO-Verfahren Abänderung Nach § 323 ZPO kann ein Urteil, das eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen zum Inhalt hat, auf Antrag abgeändert werden, wenn Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachen oder der rechtlichen Verhältnisse ergibt. Gleiches gilt nach § 323a ZPO für die Abänderung von Vergleichen oder sonstigen Urkunden.

901

Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist gering, seitdem Verfahren über familienrechtliche Unterhaltsansprüche sich nicht mehr nach der ZPO richten, sondern nach dem FamFG. Zur Abänderung solcher Unterhaltstitel s. im FamFG-Teil Rn. 6600.

902

Bedeutung haben die §§ 323, 323a ZPO daher jetzt insbesondere nur noch für Schadensersatzrenten, Schmerzensgeldrenten etc.

903

Bei der Streitwertfestsetzung ist in allen Fällen auf die Differenz der ausgeurteilten bzw. sich nach dem Vergleich ergebenden Leistung und der begehrten höheren oder geringeren Leistung abzustellen.

904

Für den Zuständigkeitsstreitwert gilt insoweit § 9 ZPO. Maßgebend ist der 3 1/2-fache Jahreswert, soweit die Abänderung nicht für einen geringeren Zeitraum begehrt wird.

905

Für den Gebührenstreitwert gilt grundsätzlich gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 ZPO das Gleiche.

906

Bei Einreichung fällige Abänderungsbeträge sind in beiden Fällen hinzuzurechnen.

907

Soweit es sich bei der wiederkehrenden Leistung um eine Schadenersatzrente oder eine sonstige Rente i.S. des § 42 Abs. 1 GKG handelt, ist ebenfalls auf die zukünftigen Abänderungsbeträge abzustellen, allerdings jedoch auf den Fünfjahreszeitraum, soweit die Abänderung nicht für einen geringeren Zeitraum verlangt wird.

908

Zu beachten ist, dass häufig, insbesondere bei Schadenersatzrenten jährliche Abänderungen vorgenommen werden, weil sich die „Eckdaten“ jährlich ändern (Einkommensverhältnisse der Hinterbliebenen, anzurechnende Rente, Reduzierung des Zinsanteils bei zu berücksichtigenden Krediten, fiktive Gehaltserhöhung des Verletzten oder Getöteten etc.). Soweit also nur eine jährliche Abänderung gefordert wird oder sich aus den Umständen ergibt, dass nach Ablauf eines Jahres wieder neu abgeändert werden soll, ist ggf. auch nur auf den Jahreswert der begehrten Abänderung abzustellen.

909

Wird wechselseitig Abänderung verlangt, sind die Werte zusammenzurechnen. Es liegt nicht derselbe Streitgegenstand i.S. des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG vor. Zwar schließen sich beide Abänderungsanträge wechselseitig aus; es liegen jedoch wirtschaftlich unterschiedliche Interessen zugrunde. Insoweit kann auf die Rechtsprechung zu wechselseitigen Abänderungsklagen in Familiensachen Bezug genommen werden. S. dazu FamFG-Teil Rn. 6600 ff.

910

N. Schneider

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Abgabe einer Willenserklärung

Abfindungsvergleich S. das Stichwort „Vergleich“.

Abgabe einer Willenserklärung 911

Der Gebührenstreitwert für eine Klage mit dem Antrag, den Beklagten zur Abgabe einer Willenserklärung zu verurteilen, ist nach § 3 ZPO zu bewerten. Es kommt dabei darauf an, wie hoch das Interesse des Klägers an der antragsgemäßen Abgabe der Willenserklärung anzusetzen ist. Für die Bewertung ist wiederum das von dem Kläger verfolgte Ziel, der angestrebte Erfolg, maßgeblich.

912

Allgemeine Bemessungsregeln lassen sich nicht aufstellen; entscheidend ist die Einzelfallbetrachtung. Führt beispielsweise die Abgabe der Willenserklärung mit Eintritt der Rechtskraft den Eigentumserwerb herbei, so wird das Interesse gleich dem Verkehrswert des Übereignungsgegenstandes sein.1 Bei der Bewertung wird daher stets im Vordergrund stehen, welcher Erfolg mit der Abgabe der Willenserklärung unmittelbar verbunden ist.2 – Mit der Klage auf Abschluss eines Mietvertrages wird ein Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung geltend gemacht, sodass auch hier die Streitwertbemessung nach § 3 ZPO erfolgt. Abzustellen ist auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers am angestrebten Vertragsschluss. Dieses Interesse entspricht in der Regel der dreieinhalbfachen Netto-Jahresmiete zuzüglich Umsatzsteuer.3 – Bei einer Klage auf Zustimmung zur Rückabwicklung eines Kaufvertrages wird der Streitwert wirtschaftlich bestimmt durch den Wert des Grundstücks, den Grundstückskaufpreis sowie durch die Zinsen auf den gezahlten Kaufpreis, die als Nutzungen im Falle eines Rücktritts herauszugeben wären.4 – Erstrebt der schenkende Eigentümer eines Grundstücks vom beklagten Miteigentümer die Zustimmung zur Grundbuchberichtigung zugunsten des Beschenkten, richtet sich der Streitwert nicht nach § 6 ZPO, sondern nach § 3 ZPO. Denn in einem derartigen Fall geht es nur mittelbar um das Eigentum an der Sache, primär jedoch um die Abgabe einer Willenserklärung. Das Interesse des Klägers richtet sich nach dem Interesse am Vollzug der Schenkung. Mangels anderer Anhaltspunkte kann dies im Interesse gesehen werden, einen Schadensersatzanspruch des Beschenkten zu vermeiden. Dabei ist der Wert des Geschenks zugrunde zu legen.5

913

Der negativen Feststellungsklage einer Aktiengesellschaft, dass sie nicht verpflichtet sei, den Beklagten Aktien zu einem bestimmten Nenn- und Kurs-

1 Vgl. OLG Brandenburg v. 7.6.2002 – 9 W 5/02. 2 Vgl. KG, WM 1992, 323. 3 Wohl h.M., vgl. OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 685; OLG Hamburg, MDR 1970, 333; OLG Bremen v. 29.1.1993 – 2 W 116/92, juris; OLG Saarbrücken v. 26.11.2009 – 8 W 348/09, AGS 2010, 195; Prütting/Gehrlein/Gehle, ZPO, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 8. 4 BGH v. 21.2.2002 – II ZR 91/00, NJW-RR 2002, 823. 5 OLG Koblenz v. 25.10.2001 – 5 W 642/01, AGS 2002, 65 = ZMR 2002, 346.

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Monschau

Abgesonderte Befriedigung wert anzubieten, entspricht als positives Gegenstück eine Leistungsklage der Beklagten gegen die Klägerin auf Abgabe einer Willenserklärung, die Aktien eben zu diesen Konditionen anzubieten. Auch hier ist nach § 3 ZPO zu bewerten; die Vorschrift des § 6 ZPO findet weder unmittelbar noch analog Anwendung. Fehlen objektive Anhaltspunkte für den wirklichen Kurswert der Aktien, so ist es gerechtfertigt, aus den gegensätzlichen Schätzungen der Parteien einen Mittelwert zu bilden. Von diesem ausgehend ist dann die in der Berühmung der Beklagten liegende Gewinnerwartung und das in der negativen Feststellungsklage ausdrückliche Abwehrinteresse der Klägerin zu berechnen und danach der Streitwert zu beziffern.1 Die Grenzziehung zu nicht zu berücksichtigenden lediglich mittelbaren Auswirkungen ist oftmals schwierig. So nimmt etwa das OLG Frankfurt2 an, bei der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrages habe der Zusatzantrag auf Verurteilung zur Abgabe der Löschungsbewilligung für die Auflassungsvormerkung keinen besonderen Wert, da diese Verpflichtung eine selbstverständliche Folge der Vertragsnichtigkeit sei. Ebenso hat das OLG München entschieden.3 Das ist jedoch unzutreffend. Die Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages hat grundbuchrechtlich noch keine Löschungsbewilligung zum Inhalt. Dazu ist vielmehr (s. § 29 GBO) eine zusätzliche formalisierte Willenserklärung des Beklagten erforderlich, zu deren Abgabe oder Ersetzung er gegen seinen Willen nur durch gerichtliches Urteil gezwungen werden kann. Dies rechtfertigt eine nach § 3 ZPO zu schätzende Werterhöhung.

914

Ist das Ausscheiden eines Kommanditisten aus einer KG unstreitig und klagt der persönlich haftende Gesellschafter deshalb nur auf Verurteilung zur Mitwirkung bei der Anmeldung zum Handelsregister, dann handelt es sich um eine Leistungsklage auf Abgabe einer Willenserklärung. Sie ist nach § 3 ZPO zu bewerten. Maßgebend ist das Interesse des Klägers an der Offenlegung des wirklichen Beteiligungsverhältnisses nach außen.4

915

Abgesonderte Befriedigung Der Wert eines Rechts auf abgesonderte Befriedigung aus §§ 49 ff. InsO bemisst sich nach der für Pfandrechte gültigen Regel des § 6 ZPO,5 die für den Gebührenstreitwert analog anzuwenden ist. Entscheidend ist also der Wert der Forderung des Gläubigers. Vorgehende Pfandrechte bleiben bei der Streitwertbemessung unberücksichtigt.6 Zinsen und Kosten sind Nebenforderungen.7

916

Ist das Recht auf abgesonderte Befriedigung als solches unstreitig, dann kann der Klageantrag darauf gerichtet werden, die Forderung zur Insolvenztabelle

917

1 OLG Köln, JurBüro 1971, 713 = KostRsp. § 3 ZPO Nr. 270. 2 OLG Frankfurt, AnwBl. 1982, 247. 3 OLG München, JurBüro 1984, 1235 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 706 mit Anm. E. Schneider. 4 OLG Köln, DB 1971, 1055: 1/10 der Einlage. 5 RG, JW 1936, 281; RG, JW 1939, 498; OLG Karlsruhe, OLGE 35, 25; OLG Hamm, JurBüro 1984, 1372 = ZIP 1984, 1258 = KostRsp. KonkO § 148 Nr. 25. 6 RG, JW 1939, 498; OLG Karlsruhe, OLGE 35, 25. 7 RGZ 7, 327.

Onderka

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Ablehnung von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen „für den Ausfall“ festzustellen. Für die Streitwertberechnung ist dann der voraussichtliche Ausfall zu schätzen und die nach § 182 InsO maßgebliche Quote nur von dem Teil der Forderung zu berechnen, der voraussichtlich durch das Recht auf abgesonderte Befriedigung nicht gedeckt ist.1 918

Steht die Insolvenzquote noch nicht fest, ist sie zu schätzen. Ist mit einer Quote nicht zu rechnen, ergeben sich keine Besonderheiten, da dann die geringste Gebührenstufe anzusetzen ist.

919

Für den Wert einer Klage auf Feststellung, dass ein Recht auf abgesonderte Befriedigung mangels Entstehung einer Grundschuld nicht begründet worden ist, kommt es darauf an, wegen welcher, wenn auch zunächst nur aufschiebend bedingt vorhandener Forderungen der Beklagte hätte gesichert werden sollen. Der Wert des gem. der Regel des § 6 ZPO damit zu vergleichenden Pfandgegenstandes ist gleich dem Verkehrswert des belasteten Grundstückes unter Nichtberücksichtigung der Vorbelastungen z.B. durch Grundpfandrechte.2

920

Nur auf den Wert des nach § 6 ZPO zu bemessenden höheren Anspruches ist auch abzustellen, wenn eine Insolvenzfeststellungsklage mit einer Klage auf Feststellung des Rechts auf abgesonderte Befriedigung verbunden wird.3 Auszugehen ist also regelmäßig von dem Streitwert des Rechts auf abgesonderte Befriedigung, der nach § 6 ZPO zu bewerten ist.4 Dies gilt auch dann, wenn die Klage zwar formal auf Feststellung der Forderung zur Tabelle beschränkt ist, die gebotene interessengerechte Auslegung des Klagebegehrens jedoch ergibt, dass der Kläger wegen seiner Forderung abgesonderte Befriedigung verlangt.5 Dagegen ist § 182 InsO anzuwenden, wenn mit der Klage nur die Feststellung des Forderungsbetrages, nicht aber die des Absonderungsrechts begehrt wird.6

Ablehnung von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen Literatur: E. Schneider, MDR 1968, 888 (Richterablehnung ist nichtvermögensrechtliche Angelegenheit); Lange, MDR 1974, 275 (vorwiegend für den Verwaltungsprozess); N. Schneider, Befangenheitsablehnung – Gebühren, Streitwert und Kostenerstattung, MDR 2001, 130.

A. Notwendigkeit einer Festsetzung I. Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert 921

Das Verfahren auf Ablehnung eines Richters (§ 42 ff. ZPO) oder Sachverständigen (§§ 406 ff. ZPO) wegen Besorgnis der Befangenheit zählt prozessual zum Verfahren, sodass es einen Zuständigkeitsstreitwert nicht gibt. Eine Beschwerde, eine weitere Beschwerde oder eine Rechtsbeschwerde, so sie denn 1 2 3 4 5 6

RG, JW 1927, 848 Nr. 14; OLG Hamm, JurBüro 1984, 1372. OLG Frankfurt, MDR 1956, 432. OLG Hamm, JurBüro 1984, 1372 = ZIP 1984, 1258 = KostRsp. KonkO § 148 Nr. 25. OLG Hamm, JurBüro 1984, 1372 = ZIP 1984, 1258 = KostRsp. KonkO § 148 Nr. 25. OLG Köln, Beschl. v. 11.12.2006 – 5 W 136/06 = OLGR 2007, 604. KG, OLGE 27, 14.

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N. Schneider

Ablehnung von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen statthaft sind, setzen keine bestimmte Mindestbeschwer voraus, sodass auch insoweit eine Wertfestsetzung nicht in Betracht kommt.

II. Gerichtsgebühren Im Verfahren über die Ablehnung werden keine Gerichtsgebühren erhoben. Das Verfahren ist durch die jeweilige Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen mit abgegolten.

922

Im Beschwerdeverfahren können dagegen Gerichtsgebühren anfallen. Diese werden jedoch nicht nach dem Wert erhoben. Es handalt sich vielmehr um Festgebühren (Nr. 1812 KV GKG). Das Gleiche gilt im Rechtsbeschwerdeverfahren (Nrn. 1825, 1826, 1827 KV GKG).

923

Daher ist eine Wertfestsetzung für die Gerichtgebühren nach § 63 GKG nicht nur überflüssig, sondern unzulässig.

924

III. Anwaltsgebühren Die Tätigkeit des Anwalts im Verfahren auf Ablehnung eines Richters oder Sachverständigen zählt nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG mit zum Rechtszug. Soweit der Anwalt im zugrunde liegenden Verfahren bereits tätig ist, also die jeweilige Verfahrensgebühr des betreffenden Verfahrens bereits verdient hat (erstinstanzlich Nr. 3100 VV RVG, Berufungsverfahren Nr. 3200 VV RVG, Beschwerdeverfahren Nr. 3500 VV RVG, etc.) erhält er für die Tätigkeit im Verfahren über die Ablehnung keine gesonderte Vergütung, es sei denn, dass nur im Verfahren der Ablehnung eine Terminsgebühr entsteht. Dann wäre auch schon für das Ablehnungsverfahren nach § 33 RVG auf Antrag ein gesonderter Wert festzusetzen.

925

Ist der Anwalt dagegen im zugrunde liegenden Verfahren nicht beauftragt, sondern wird er ausschließlich mit der Ablehnung beauftragt, dann handelt es sich für ihn um eine Einzeltätigkeit, die nach Nr. 3403 VV RVG vergütet wird1 und eine 0,8-Verfahrensgebühr auslöst. Diese Gebühr richtet sich nach dem Gegenstandswert (§ 2 Abs. 1 RVG), hier also nach dem Wert des Ablehnungsverfahrens. Dieser Gegenstandswert ist auf Antrag eines beteiligten Anwalts oder seines Mandanten im Verfahren nach § 33 RVG festzusetzen.

926

Das Beschwerdeverfahren löst für alle beteiligten Anwälte eine gesonderte Vergütung aus, da es sich nach §§ 15 Abs. 2 Satz 2, 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG um eine gesonderte Angelegenheit handelt, in der gesonderte Gebühren entstehen (Nrn. 3500 ff. VV RVG). Auch hier ist auf Antrag eines Anwalts oder eines Beteiligten der Wert wiederum im Verfahren nach § 33 RVG festzusetzen.

927

Auch im Rechtsbeschwerdeverfahren erhält der Anwalt eine gesonderte Vergütung (§§ 15 Abs. 2 Satz 2, 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG) und zwar nach Nr. 3502 VV RVG. Je nach Umfang der Rechtsbeschwerde kann sich ein abweichender Wert ergeben, sodass eine gesonderte Wertfestsetzung nach § 33 RVG erforderlich sein kann. Das wäre etwa der Fall, wenn zunächst alle drei Richter einer Kammer abgelehnt worden sind und nach erfolgloser Beschwerde im Wege der Rechtsbeschwerde nur noch die Ablehnung eines Richters weiter verfolgt wird.

928

1 S. AnwK-RVG/N. Schneider Nr. 3403–3304 VV RVG Rn. 23.

N. Schneider

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Ablehnung von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen 929

Soweit eine weitere Beschwerde in Betracht kommt, ist diese nach §§ 15 Abs. 2 Satz 2, 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG für den Anwalt wiederum eine gesonderte Angelegenheit. Es gilt dann das Gleiche wie im Beschwerdeverfahren.

IV. Kostenerstattung 930

Eine Kostenerstattung findet im Ablehnungsverfahren nicht statt. Im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren ist dagegen eine Kostenentscheidung zu treffen, aufgrund der eine Kostenfestsetzung durchgeführt werden kann.1 Wird ein solcher Antrag gestellt und ist die Höhe des zugrunde liegenden Gegenstandswerts strittig, bedarf es zuvor einer Wertfestsetzung nach § 33 RVG. Das Kostenfestsetzungsverfahren ist dann analog § 11 Abs. 4 RVG auszusetzen bis zum bestandskräftigen Abschluss des Wertfestsetzungsverfahrens.

B. Gegenstandswert der Anwaltsgebühren I. Ablehnung eines Richters 1. Überblick 931

Der Streitwert in Verfahren auf Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 42 ZPO) ist umstritten. Die meisten Entscheidungen ergehen hier im Beschwerdeverfahren, da in der Instanz in der Regel keine gesonderten Gebühren entstehen und es einer Wertfestsetzung nicht bedarf (s. Rn. 101 ff.). Dennoch kann auf diese Entscheidungen auch für das Ablehnungsverfahren zurückgegriffen werden, da die Bewertungsgrundsätze die gleichen sind.

932

Die Werte von Ablehungsverfahren, Beschwerdeverfahren und Rechtsbeschwerdeverfahren werden in der Regel identsich sein. Abweichungen können sich nur ergeben, wenn im Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdeverfahren die Ablehnung nur noch in beschränkten Umfang geltend gemacht wird. Das wäre der Fall, wenn zunächst alle Richter einer Kammer abgelehnt werden, die Beschwerde sich aber nur noch auf einen oder zwei bezieht, weil die Ablehnung eines Richters erfolgreich war oder der Richter aus der Kammer ausgeschieden ist und sich damit das Ablehnungsgesuch erledigt hat.

933

Die Wertfestsetzung richtet sich im Ablehnungsverfahren nach § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. § 48 GKG, wobei umstritten ist, ob § 48 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3 ZPO gilt oder § 48 Abs. 2 GKG.

934

Die Wertfestsetzung im Beschwerdeverfahren sowie in einem eventuellen Verfahren der weiteren Beschwerde richtet sich dagegen nach § 23 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 RVG, wobei hier wiederum systemwidrig auf § 48 GKG und § 3 ZPO zurückgegriffen wird.

935

Im Verfahren der Rechtsbeschwerde dürfte zutrffenderweise auch auf § 23 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 RVG zurückzugreifen sein. 1 BGH, Beschl. v. 6.4.2005 – V ZB 25/04, Rpfleger 2005, 481 = NJW 2005, 2233 = MDR 2005, 1016 = AGS 2005, 413 = FamRZ 2005, 1563 = JurBüro 2005, 482.

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N. Schneider

Ablehnung von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen 2. Die vertretenen Ansichten a) Voller Wert der Hauptsache Nach älterer Ansicht war der Wert des Ablehnungsverfahrens dem Wert der Hauptsache gleichzusetzen.1 Als Grund für diese Auffassung wurde angegeben, ebenso wie bei einer Aussetzung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO, handele es sich um ein Verfahren, das den ganzen Rechtsstreit und nicht nur einen quantitativ ausscheidbaren Teil davon betreffe.2

936

Davon hatte der BGH3 dann eine Ausnahme gemacht, wenn die Befangenheit des Richters von der Partei in der Stellungnahme des Richters zu einem bestimmten Einzelanspruch oder zu einem bestimmbaren Teil eines Anspruchs gesehen werde. Verständlich war diese Einschränkung nicht. Ein Richter ist entweder befangen, und dann für den ganzen Rechtsstreit, oder er ist es nicht. Er kann aber nicht für teilurteilsfähige prozessuale Ansprüche wegen Befangenheit ausscheiden.

937

Die aktuelle Rechtsprechung folgt ganz überwiegend der Entscheidung der BGH (Rn. 954). b) Bruchteile Das BayObLG4 ging vom Hauptsachewert aus, gab aber für Konkursverfahren diese Prämisse auf und stellte auf die voraussichtliche Konkursquote ab, also im Ergebnis auf § 148 KO, obwohl der Streitwert des Konkursverfahrens nach § 37 GKG a.F. zu bemessen war.

938

Auch andere Gerichte gingen von Bruchteilen aus. Diese wurden meist mit 1/105 oder 1/36 des Hauptsachewertes beziffert. Das OLG Koblenz7 ging sogar vom einem Drittel der Hauptsache als Regel-Wert aus.

939

Rational zu begründen war keine dieser Quoten des Hauptsachewertes. Letztlich läuft dieses Verfahren auf eine Schätzung nach freiem Belieben hinaus. So

940

1 BGH, Beschl. v. 17.1.1968 – IV ZB 3/68, NJW 1968, 796 = JurBüro 1968, 525; KG, DR 1940, 2032; 1943, 414; OLG Schleswig, JurBüro 1956, 146 = SchlHA 1956, 20; Rpfleger 1962, 425; OLG Frankfurt, MDR 1962, 226; OLG Nürnberg, JurBüro 1966, 876; OLG Hamm, MDR 1978, 582 = JMBl.NW 1978, 87 = JurBüro 1978, 738; so auch BayObLG, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 928 mit abl. Anm. Schneider und Lappe = JurBüro 1988, 916 = NJW 1989, 44 und das OLG München, ZSW 1981, 97 mit abl. Anm. Müller, wenn das Gutachten „in ausschlaggebendem Maße prozessentscheidend ist“; aus jüngerer Zeit erneut das OLG München, OLGR 1994, 263; AnwBl. 1995, 572 = JurBüro 1995, 647 und auch das OLG Düsseldorf, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1180 = AnwBl. 1994, 425 = NJW-RR 1994, 1086. 2 Vgl. OLG Schleswig, Rpfleger 1962, 425; SchlHA 1956, 20 = JurBüro 1956, 146 gegen RG, JW 1897, 348. 3 BGH, NJW 1968, 796 = JurBüro 1968, 525. 4 BayObLG, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 928 mit abl. Anm. Schneider und Lappe = JurBüro 1988, 916 = NJW 1989, 44. 5 BFH, Rpfleger 1977, 250 = KostRsp. GKG § 13 Nr. 5; bestätigt KostRsp. GKG § 13 Nr. 578: 10 % je abgelehntem Richter oder 1/5 (KG, Rpfleger 1962, 153; so zuletzt auch OLG Dresden, Beschl. v. 6.2.1996 – 13 W 206/96, JurBüro1998, 318. 6 OLG Frankfurt, MDR 1980, 145; OLG Zweibrücken, ZSW 1980, 260; OLG Hamburg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 984 = MDR 1990, 58. 7 OLG Koblenz, KostRsp. GKG § 12 Nr. 131 mit abl. Anm. Schneider = MDR 1989, 71 = Rpfleger 1988, 507 = JurBüro 1989, 130.

N. Schneider

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Ablehnung von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen mutet es geradezu willkürlich an, wenn das OLG Koblenz1 die von ihm befürwortete 1/3-Quote für Ablehnungen im Kollegialverfahren erneut aufspaltet, 10 % des Hauptsachewertes pro abgelehnten Richter!2 941

Darüber hinaus soll eine zusätzliche Differenzierung in Betracht kommen, wenn die Befangenheitsrüge auf den Vorwurf geplanter Rechtsbeugung gestützt werde (Erhöhung des Bruchteils) oder wenn die Erfolglosigkeit der Klage oder Rechtsverteidigung auch ohne nähere Prüfung offenkundig sei (Ermäßigung des Bruchteils). c) Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit

942

Insbesondere E. Schneider3 wollte das Ablehnungsverfahren ganz vom Hauptsachewert lösen.4 Dieses Vorgehen sei alleine sachgerecht, denn bei der Richterablehnung handele es sich um eine unter § 48 Abs. 2 GKG (§ 12 Abs. 2 GKG a.F.) fallende nichtvermögensrechtliche Streitigkeit. Dafür sollte vor allem sprechen, dass im Richterablehnungsverfahren grundsätzlich keine Kostenerstattung nach §§ 91 ff. ZPO stattfinde.5

943

Diese Ausführungen von E. Schneider sind durch eine grundlegende Abhandlung Kahlkes6 wesentlich vertieft worden. Kahlke7 hatte herausgearbeitet, dass dem Rechtsuchenden verfassungsrechtlich der Anspruch auf Prüfung und Entscheidung „seines Falles“ durch Personen garantiert ist, die an der Sache nicht beteiligt sind und mit ihr in der Vergangenheit auch nicht befasst waren, mithin die gebotene Neutralität und Distanz besitzen. Die Parteien hätten also ein Recht auf den unbefangenen Richter, das durch das Verfahrensgrundrecht der Richterablehnung in einem besonderen Nebenverfahren mit eigenem Rechtszug verwirklicht werden könne. Streitgegenstand dieses Nebenverfahrens sei der Anspruch auf den gesetzlichen, hier also den unbefangenen Richter. „Dieser Streitgegenstand habe mit der zur Entscheidung anstehenden Hauptsache, einem behaupteten materiellen Anspruch, nichts zu tun. Er gehöre vielmehr dem Verfahrensrecht selbst an.“

944

Ausgehend hievon sollte, in einfach gelagerten Fällen entsprechend den Bewertungsumständen des damalige § 12 Abs. 2 GKG a.F. von einem Ansatz zwischen 1.500 DM und 4.000 DM auszugehen sein. Dadurch sollte die als unangemessene angesehene Konsequenz der auf die Hauptsache abstellenden Gegenmeinung vermieden werden, in einem Prozess mit einer Hauptsache von 20 DM die Richterablehnung mit 20 DM bewerten zu müssen – was die richterliche Tätigkeit der finanziellen Lächerlichkeit preisgebe.

1 OLG Koblenz, KostRsp. GKG § 12 Nr. 131 mit abl. Anm. Schneider = Rpfleger 1988, 507 = MDR 1989, 71 = JurBüro 1989, 130; bestätigt in JurBüro 1991, 1509. 2 Abgesehen davon dass ausgehend von einem Drittel der Hauptsache für die gesamte Kammer, also 33,33 %, nicht nur 10 % auf jeden Richter entfallen, sondern 11,11 %. 3 In der 11. Auflage Rn. 80 ff. 4 Näher dazu Schneider, MDR 1968, 888. 5 Dies entsprach der damals h.M. Seit BGH, Beschl. v. 6.4.2005 – V ZB 25/04, AGS 2005, 413 = NJW 2005, 2233 = MDR 2005, 1016 = FamRZ 2005, 1563 = JurBüro 2005, 482, dürfte eindeutig sein, dass auch hier eine Kostenerstattung erfolgt. 6 ZZP Bd. 95, 1982, S. 288 ff. 7 ZZP Bd. 95, 1982, S. 293.

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N. Schneider

Ablehnung von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen Dabei wurde aber übersehen, dass das Ablehnungsverfahren zum Rechtszug zählt (s.o.), also weder gesonderte Gerichtsgebühren auslöst noch gesonderte Anwaltsgebühren. Die Konsequenz wäre, dass in einem Prozess von 50 Euro die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Vergangenheit plötzlich zu einer Vervielfachung des Streitwertes führen würde. Auch wenn man nur im Beschwerdeverfahren den höheren Wert zugrunde legen würde, würde dies mit § 47 Abs. 2 GKG (§ 23 Abs. 3 RVG) in Widerspruch stehen, wonach das Rechtsmittelverfahren keinen höheren Wert haben kann als das Ausgangsverfahren. Zudem will nicht einleuchten, wieso eine Partei ein wertmäßig höheres Interesse an der Ablehnung eines Richters haben kann als an dem Gewinn des Rechtsstreits.

945

II. Ablehnung eines Schiedsrichters Beim Schiedsrichter (§ 1032 ZPO) war die Rechtslage ebenso unterschiedlich beurteilt wie bei ordentlichen Richtern. Beispielsweise: Hauptsache1 oder § 3 ZPO2 oder nichtvermögensrechtliche Streitigkeit.3 Die Ausführungen zur Ablehnung eines Richters gelten entsprechend.

946

Soweit man von einer nicht vermögensrechtlichen Streitigkeit ausgeht, müsste man im für den Anwalt im Beschwerdeverfahren auf § 23 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG abstellen, der hier für nicht vermögensrechtliche Angelengenheiten sogar einen Regelwert von 4.000 Euro vorsieht.

947

III. Ablehnung eines Sachverständigen Auch hier bestand die gleiche Kontroverse: Hauptsache oder freie Schätzung nach § 3 ZPO oder Bewertung nach § 48 Abs. 2 GKG (§ 12 GKG a.F.)?

948

Bei Ablehnung eines Sachverständigen war nach der einen Ansicht wiederum der Wert der Hauptsache maßgebend4 oder ein Bruchteil (i.d.R. 1/3) davon.5 Beim Sachverständigen ist die Rechtsprechung aber besonders uneinheitlich.

949

Das OLG Hamburg6 hatte den Beschwerdewert des Zwischenstreits über die Ablehnung eines Sachverständigen mit 1/3 des Hauptsachewertes angesetzt,7 der BFH in Anwendung des § 52 GKG (§ 13 GKG a.F.) auf 1/10 der Hauptsache.8

950

1 OLG Hamm, JMBl.NW 1978, 87; OLG Düsseldorf, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 570 mit abl. Anm. Schneider = ZIP 1982, 225 = JurBüro 1982, 761. 2 OLG Düsseldorf, NJW 1954, 1492; OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1; OLG Koblenz, MDR 1989, 71 = JurBüro 1989, 130. 3 OLG Köln, KostRsp. GKG § 12 Nr. 115 = Rpfleger 1987, 166. 4 OLG Nürnberg, JurBüro 1966, 876; OLG München, JurBüro 1980, 1055. 5 So OLG Celle, OLGR 1994, 109; OLG Frankfurt, JurBüro 1980, 279 = MDR 1980, 145; OLG Stuttgart, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 508; OLG Zweibrücken, ZSW 1980, 281 mit zust. Anm. Müller [der aber in ZSW 1981, 97 seine Ansicht geändert hat und jetzt eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit bejaht] = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 506 mit Anm. Schneider; OLG Bremen, JurBüro 1976, 1356; OVG Lüneburg, NJW 1967, 269; so zuletzt OLG Bamberg, Beschl. v. 2.1.2000 – 8 W 79/99 BauR 2000, 773; OLG München, Beschl. v. 28.5.2010 – 5 W 1403/10, AGS 2010, 403 = MDR 2010, 1012; Beschl. v. 14.2.2001 – 1 W 211/11. 6 OLG Hamburg, NJW 1970, 1239. 7 Ebenso OLG Frankfurt, JurBüro 1980, 279. 8 BFH, Rpfleger 1977, 250.

N. Schneider

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Ablehnung von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen 951

Der Wert eines Ablehnungsverfahrens war nach OVG Lüneburg1 unabhängig vom Beweisgegenstand gem. § 3 ZPO immer niedriger als die Hauptsache anzusetzen, weil der Sachverständige prozessual gesehen nur Gehilfentätigkeit ausübe. Auch das OLG Bremen2 bewertete nach § 3 ZPO, und zwar regelmäßig geringer als die Hauptsache, hielt jedoch auch deren Wertansatz für möglich.3

952

Das OLG München4 nahm dann den Hauptsachewert an, wenn die Auswahl des Sachverständigen „angesichts des Umfangs der Begutachtung in ausschlaggebendem Maße prozessentscheidend wirkt.“ Es lag dort so, dass der Gutachter bei Entscheidungsreife wegen des angeblich fehlerhaften Inhaltes des Gutachtens als befangen abgelehnt worden war.

953

Das OLG Köln5 bejahte auch hier eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit und bewertete dementsprechend unabhängig vom Wert der Hauptsache und dem Beweisgegenstand.6

954

Seit der Grundsatzentscheidung des BGH7 dürfte die Diskussion um die Berechnungsmethode beendet sein. Der BGH hat ausdrücklich klargestellt, dass es sich nicht um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit i.S. des § 48 Abs. 2 GKG handele und der Beschwerdewert daher gem. § 3 ZPO auf einen Bruchteil des Hauptsachewertes festzusetzen sei. Im konkreten Fall war der BGH von einem Drittel ausgegangen. Zu berücksichtigen sei nur ein Teil des Hauptsachewerts, weil dies der eingeschränkten Bedeutung und Rolle des Sachverständigen im Prozess entspreche. Sein Gutachten bestimme nicht allein den Ausgang des Verfahrens, sondern diene dem Gericht lediglich als Entscheidungshilfe, indem es ihm die für die Entscheidung notwendigen Fachkenntnisse vermittle. Das Gericht wiederum sei an die Meinung des Sachverständigen nicht gebunden, sondern könne weitere Sachverständige beauftragen. Daran ändere es nichts, dass in vielen Verfahren, in denen es um spezielle und schwierige Fachfragen gehe, die Stellung des Sachverständigen so stark sein mag, dass das Gericht kaum umhin komme, seiner Auffassung zu folgen, weil dies an seiner nach dem Gesetz beschränkten Aufgabe nichts ändere. Die Entscheidung ist jedenfalls in ihrer Grundlage falsch, weil eine Anwendung des § 3 ZPO auf jeden Fall ausscheidet. Zu bewerten ist nämlich nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes auf § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG, der auf § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG verweist. Hier findet sich allerdings eine dem § 3 ZPO vergleichbare Regelung, dass die Wertfestsetzung nach billligem Ermessen vorzumehmen ist, sodass die Entscheidung des BGH, wenn auch mit anderer gestzlicher Grundlage zu berücksichtigen ist. 1 2 3 4

OVG Lüneburg, NJW 1967, 269. OLG Bremen, JurBüro 1976, 1356. Insoweit abweichend von OVG Lüneburg, NJW 1967, 269. OLG München, JurBüro 1980, 1055 (1056) = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 520 = ZSW 1981, 97 mit abl. Anm. Müller. 5 OLG Köln, MDR 1976, 322 = Rpfleger 1976, 226 = VersR 1976, 895; ZSW 1981, 44 mit zust. Anm. Müller (Aufgabe seiner abweichenden Ansicht in ZSW 1980, 261) = JMBl.NW 1981, 66 = KostRsp. GKG § 12 Nr. 35; zust. Lappe, NJW 1982, 1737. 6 Ebenso OLG Köln, Rpfleger 1973, 321 für den Zwischenstreit über eine Zeugenaussageverweigerung. 7 BGH, Beschl. v. 15.12.2003 – II ZB 32/03, AGS 2004, 159 = RVGreport 2004, 278.

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N. Schneider

Abnahme von Sachen Dieser Rechtsprechung gefolgt sind das OLG Düsseldorf1 und das OLG Brandenburg,2 die beide ebenfalls ein Drittel des Hauptsachewertes angenommen haben.

Abnahme von Sachen Der Streitwert der Klage auf Abnahme von Sachen ist nach § 3 ZPO zu schätzen; § 6 ZPO gilt nicht.3 Maßgeblich ist auf den Vorteil des Klägers an der Befreiung vom Besitz abzustellen,4 beispielsweise auf ersparte oder entgangene Lagerkosten.

955

Klagt eine Brauerei auf Feststellung der Verpflichtung zur Abnahme von Bier, das sie herstellt, dann ist bei der Schätzung nach § 3 ZPO nicht von der Gewinneinbuße, sondern von der Umsatzminderung auszugehen.5 In einem langfristigen Lieferungsvertrag über zehn Jahre mit einer jährlichen Abnahme von 63 Hektolitern hat das OLG Bamberg6 auf Umsatz und Gewinn abgestellt. Ein Zuschlag für das Brauereiinteresse an Umsatzstetigkeit ist vertretbar.7

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Bei Lieferverträgen kann der Streit um die Abnahme nach dem Gewinn des Käufers bemessen werden.8

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Wird zugleich auf Zahlung des Kaufpreises geklagt, dann ist der Kaufpreis wertbestimmend.9 In diesem Fall lässt sich aber nicht grundsätzlich sagen, es sei nur der Zahlungsanspruch zu berücksichtigen.10 Die Titulierung der Abnahmeverpflichtung des Käufers ist wirtschaftlich nicht identisch mit der Titulierung der Zahlungspflicht. Im Gegenteil kann der Verkäufer ein erhebliches Interesse daran haben, die Abnahme zu erzwingen, etwa um seine Lagerräume freizubekommen oder keine Vorsorge gegen Diebstahl oder Beschädigung mehr treffen zu müssen.11

958

1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.10.2008 – I-5 W 41/08, 5 W 41/08, BauR 2009, 552. 2 OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.7.2008 – 11 W 24/08, NJW-Spezial 2008, 686 = BauR 2008, 1941 = IBR 2009, 54. 3 BGH, Beschl. v. 11.7.1980 – VIII ZR 107/80, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 499; KG, JurBüro 1960, 166; OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 162; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Abnahme“, S. 28. 4 OLG Stuttgart v. 18.6.1959 – 8 W 132/59, Rpfleger 1964, 162; AG Osnabrück, Beschl. v. 30.10.2000 – 6 C 219/00, JurBüro 2001, 144. 5 OLG Neustadt, MDR 1962, 413. 6 OLG Bamberg, Beschl. v. 14.7.1977 – 3 W 22/77, MDR 1977, 935. 7 OLG Braunschweig, JurBüro 1979, 436. 8 OLG Stuttgart v. 18.6.1959 – 8 W 132/59, Rpfleger 1964, 162. 9 KG, JurBüro 1960, 169; Rpfleger 1962, 154. 10 So Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl. 1993, § 5 Rn. 9; Wieczorek/Gamp, ZPO, 3. Aufl. 1994, § 5 Rn. 16; Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl. 2004, § 5 Rn. 8; Hillach/Rohs, § 27 B Va, S. 144. 11 BGH, Beschl. v. 11.7.1980 – VIII ZR 107/80, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 499; RG, RGZ 57, 400.

Monschau

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Abstandszahlung

Abrechnung S. das Stichwort „Rechnungslegung“.

Abschluss von Verträgen S. das Stichwort „Vertragsabschluss“.

Abstandszahlung 959

Verlangt der Vertragspartner nach Scheitern des Vertrages – z.B. aufgrund einer Widerrufserklärung – die Zahlung einer Abstandssumme, dann ist diese bezifferte Forderung gem. § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG für den Streitwert maßgebend, nicht der Kaufpreis.1 Streiten die Parteien allerdings (auch) um die Wirksamkeit der Vertragsauflösung bzw. über die Modalitäten der Rückabwicklung des Vertrages, sind die vertraglich geschuldeten Leistungen in die Wertberechnung mit einzubeziehen.

Abtretung A. Zuständigkeitsstreitwert 960

Für den Anspruch auf Abtretung einer Geldforderung oder eines (Grund-) Pfandrechts oder anderer Forderungen und Rechte gilt § 6 ZPO. Der Streitwert einer Klage auf Verurteilung zur Abtretung einer Forderung bestimmt sich nach dem Betrag der abzutretenden Forderung.2

961

Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen oder Rechten, die zu wiederkehrenden Leistungen berechtigen geht § 9 ZPO vor.

962

Zinsen bleiben gem. § 4 ZPO außer Ansatz.

963

Bei der Klage eines Erben gegen einen Miterben auf Abtretung einer Nachlassforderung kann sich der Streitwert um einen Betrag der Forderung in Höhe des Miterbenanteils des Beklagten vermindern.3

964

Bei einem Rechtsstreit über die Abtretung einer Hypothek ist der Wert des Streitgegenstandes gem. § 6 ZPO nach dem Nennwert der Hypothek zu bestimmen und nicht nach dem Betrag der zu sichernden Forderung, deren Zahlung zwischen den Parteien streitig ist. Denn die im Grundbuch eingetragene 1 Vgl. LG Münster, AnwBl. 1978, 148 zum Widerruf eines Kreditvertrags. 2 BGH, Beschl. v. 16.7.1997 – IV ZR 166/97, NJW-RR 1997, 1562 (zum Rechtsmittelstreitwert). 3 S. näher dazu E. Schneider, JurBüro 1977, 433 und das Stichwort „Miterben“ (Rn. 4055 ff.).

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Onderka

Abtretung Hypothek hindert den Eigentümer daran, die von der Hypothek eingenommene Rangstelle zu nutzen, z.B. durch Aufnahme eines Kredits.1 Ist die Hypothek dem Kläger bereits verpfändet, dann ist ein geringerer Wert anzusetzen, der nach § 3 ZPO zu schätzen ist.2

965

Für eine Klage auf Abtretung eines wertlosen Grundpfandrechts sind bei der Streitwertbemessung vorgehende Belastungen und Vorpfändungen abzusetzen, weil andernfalls grob unbillige Ergebnisse auftreten könnten. Das Bedenken, der Streitwert könne dann auf Null herabsinken, ist nur formaler Natur; den Streitwert „0“ (nicht zu verwechseln mit fehlender [Null-]Beschwer) gibt es nämlich nicht, sondern nur die unterste Gebührenstufe. Es erscheint richtig und geboten, in solchen Fällen entsprechend der Übung im kaufmännischen Bereich nur einen sog. Erinnerungswert anzusetzen.3

966

Die Klage auf Übertragung des Anteils an einer GmbH richtet sich nicht nach dem Nominalwert des Geschäftsanteils, sondern nach dem Verkehrswert.4 Die Ermittlung des Wertes ist schwieriger als bei Anteilen einer AG, da Aktien an der Börse gehandelt werden und einen Kurswert haben. Sie ist aber dadurch nicht ausgeschlossen und kann je nach der wirtschaftlichen Situation der GmbH unter oder über dem Nominalwert des Anteils liegen. Es ist jedoch kein Aufschlag wegen des Gewinnbezugsrechts zu machen, da dieses Bestandteil des Gesellschaftsanteils und damit bereits ausschlaggebender Faktor bei der Verkehrswertermittlung ist.

967

B. Gebührenstreitwert Für den Gebührenstreitwert gilt über § 23 Abs. 1 RVG, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zunächst einmal der Zuständigkeitsstreitwert.

968

Soweit das GKG allerdings abweichende Bewertungsvorschriften enthält und diese von ihrer Zielsetzung auch auf den Abtretungsstreit übertragbar sind, ist deren Wert zu beachten. So kann z.B. bei einem Streit über die Abtretung von zukünftigen Unterhaltsansprüchen § 42 GKG anzuwenden sein, oder bei einem Streit über die Abtretung eines Räumungsanspruchs § 41 GKG.

969

Inkonsequent und unzutreffend ist die Entscheidung des OLG Karlsruhe,5 wonach zwar für den Zuständigkeitsstreitwert auf § 6 ZPO abzustellen sei, für den Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG jedoch auf die Vorschrift des § 3 ZPO; der Gebührenstreitwert solle sich nach dem zu schätzenden wirtschaftlichen Interesse des Klägers richten, wenn die Werthaltigkeit der Forderung nach dem Klagevortrag zweifelhaft sei. Wenn sich die Risiken einer Durchsetzung der Forderung nicht ohne weiteres abschätzen ließen, solle im Zweifel die Streitwertangabe in der Klageschrift maßgebend sein. In dem entschiedenen Fall belief sich die abzutretende Forderung auf 400.000 DM zuzüg-

970

1 OLG Köln, Beschl. v. 30.10.1968 – 9 W 83/68, JMBl.NW 1969, 274. 2 OLG Kiel, OLGE 31, 5. 3 OLG Köln, Beschl. v. 20.2.1969 – 14 W 58/69, JurBüro 1969, 632 mit Anm. E. Schneider. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.1979 – 17 W 35/79, JurBüro 1980, 606 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 469; ebenso Riedel, JurBüro 1962, 255. 5 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.12.2005 – 15 W 43/05, RVG-Letter 2006, 35.

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Akkreditiv lich Umsatzsteuer = 237 239,43 Euro. Der Kläger hätte lediglich einen Gegenstandswert von 6.000 Euro angegeben, weil die Durchsetzung der Forderung zweifelhaft war. Diesen Wert hatte das OLG festgesetzt. 971

Man kann sicherlich darüber diskutieren, ob infolge der voraussichtlichen Wertlosigkeit der Forderung ein Abschlag vorzunehmen ist. Das muss aber dann sowohl für den Zuständigkeits- als auch für den Gebührenstreitwert gelten, da § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG ausdrücklich auf die Wertvorschriften für die Zuständigkeit Bezug nimmt. Eine Differenzierung zwischen Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert ist nur dort möglich, wo für den Gebührenstreitwert gesonderte Vorschriften enthalten sind (also z.B. in den §§ 41, 42 GKG). Soweit jedoch auf den Zuständigkeitsstreitwert verwiesen wird, können sich hier keine Bewertungsunterschiede ergeben.

Akkreditiv 972

Das Akkreditiv ist ein selbständiges Schuldversprechen i.S.v. § 780 BGB, das eine Bank dem Verkäufer auf Anweisung des Käufers erteilt. Durch das Akkreditiv verpflichtet sich die Bank in eigenem Namen und für Rechnung des Auftraggebers gegenüber dessen Vertragspartner, die im Akkreditiv versprochene Leistung zu erbringen. Es dient einerseits der Zahlungsvermittlung im Außenhandel. Zugleich sichert es sowohl die Kaufpreisforderung des Verkäufers als auch den Verschaffungsanspruch des Käufers. Für die anwaltliche Tätigkeit bei der Beschaffung eines Akkreditivs ist dessen Betrag gleich dem Streitwert.1 Denn nach § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG ist die Vorschrift des § 23 KostO auf den Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren entsprechend anwendbar. Nach § 23 Abs. 1 KostO bestimmt sich der Wert eines Pfandrechts oder der sonstigen Sicherstellung einer Forderung durch Bürgschaft, Sicherungsübereignung oder dergleichen nach dem Betrag der Forderung, sofern nicht der als Pfand oder Sicherung dienende Gegenstand einen geringeren Wert hat. Da ein Akkreditiv der Sicherstellung einer Forderung dient, ist § 23 Abs. 1 KostO einschlägig. Die gleiche Berechnung gilt für den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert bei einem Streit über die Inanspruchnahme der Bank aus der Akkreditiv. Auch hier ist gem. § 6 ZPO (i.V.m. § 48 Abs. 1 GKG) der Betrag des Akkreditivs maßgeblich.

Aktien S. das Stichwort „Wertpapiere“.

1 BGH, JurBüro 1992, 537 = MDR 1992, 616 = NJW 1992, 1990.

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Onderka

Allgemeine Geschäftsbedingungen

Allgemeine Geschäftsbedingungen Literatur: Bunte, Entscheidungssammlung zum AGB-Gesetz, ab Band 1, 1982 ff.; Bunte, DB 1980, 486; Lindacher, MDR 1994, 231.

A. Einleitung Im Bereich der Rechtsstreitigkeiten über Allgemeine Geschäftsbedingungen ist zwischen Klagen nach dem Unterlassungsklagegesetz (UKlaG) und sonstigen Klagen zu unterscheiden. Nach § 1 UKlaG kann der Verwender bzw. Empfehler von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach §§ 307 bis 309 BGB unwirksam sind, auf Unterlassung und – im Falle des Empfehlens – auch auf Widerruf in Anspruch genommen werden. Anspruchsberechtigt sind nach § 3 UKlaG die sog. qualifizierten Einrichtungen, die rechtsfähigen Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen sowie die Industrie-, Handels- und Handwerkskammern. Daneben kann auch in Individualprozessen über die Wirksamkeit von Klauseln aus Allgemeinen Geschäftsbedingungen gestritten werden, beispielsweise weil aus einer Klausel bestimmte Rechte oder Ansprüche hergeleitet werden und nunmehr ihre Wirksamkeit gerichtlich überprüft werden muss.

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B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Individualklagen Individualprozesse oder Streitigkeiten eines Verwenders gegen einen Dritten, der die Geltung einer Klausel öffentlich anzweifelt, unterliegen ohne die Beschränkung des § 48 Abs. 1 Satz 2 GKG den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen. Entscheidend für die Bestimmung des Zuständigkeits- und Gebührenstreitwerts nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG ist das Interesse des Klägers an der Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit der betreffenden Klausel.

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II. Klagen nach dem Unterlassungsklagegesetz Bei Klagen nach dem Unterlassungsklagegesetz bedarf es keiner Festsetzung eines Zuständigkeitsstreitwerts, weil nach § 6 Abs. 1 UKlaG für Klagen nach diesem Gesetz das Landgericht am Ort der Niederlassung bzw. des Wohnsitzes des Beklagten ausschließlich zuständig ist. Die Festsetzung des Gebührenstreitwerts erfolgt im Einzelfall gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO nach freiem Ermessen, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Kläger die Interessen seiner Mitglieder an der Aufrechterhaltung eines redlichen Geschäftsverkehrs und lauteren Wettbewerbs vertritt. Das wirkt sich auf die Höhe des Streitwertes aus, denn es macht einen Unterschied, ob ein Zivilprozess zwischen dem Käufer und Verkäufer über die Geltung einer konkreten Vertragsklausel geführt wird, oder ob einem Unternehmer schlechthin die Verwendung bestimmter AGB-Klauseln untersagt werden soll. Onderka

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Allgemeine Geschäftsbedingungen 1. Grundsätze der Streitwertbestimmung 976

Entscheidend für die Wertfestsetzung ist ausschließlich das Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der gesetzwidrigen Klausel. Das Interesse des Beklagten an der Feststellung der Wirksamkeit der Klausel und die wirtschaftliche Bedeutung des Verbotes, bestimmte Klauseln zu verwenden, müssen dagegen außer Betracht bleiben,1 um die Verbraucherschutzverbände, die im Interesse der Allgemeinheit Prozesse führen, vor Kostenrisiken möglichst zu schützen.

977

Der Streitwert darf 250.000 Euro nicht übersteigen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 GKG). Da mit der Streitwertbegrenzung in § 48 Abs. 1 Satz 2 GKG die früheren Vorschriften (§ 22 AGBG bzw. § 12 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.) inhaltsgleich übernommen wurden, kann auch auf die Rechtsprechung zum AGBG noch zurückgegriffen werden. Der Streitwert muss also im Einzelfall in Relation zum möglichen Höchstwert beziffert werden.

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Nach § 5 UKlaG ist die Vorschrift des § 12 Abs. 4 UWG auf Verfahren nach dem Unterlassungsklagegesetz entsprechend anwendbar. Die wettbewerbsrechtliche Streitwertbegünstigung, wonach es bei der Bemessung des Streitwerts wertmindernd zu berücksichtigen ist, wenn die Sache nach Art und Umfang einfach gelagert ist oder wenn die Belastung einer Partei mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert nicht tragbar erscheint,2 kommt also auch den Anspruchsberechtigten nach § 3 UKlaG zugute. 2. Regelstreitwerte

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Die Rechtsprechung bemüht sich, schon der besseren Handhabung der Fälle in der täglichen Praxis wegen, um Regelstreitwerte.3

980

– Das OLG Stuttgart4 hat sich für einen Regelstreitwert von (umgerechnet) 1.000 bis 1.500 Euro für jede beanstandete Klausel ausgesprochen. – Die Oberlandesgerichte Frankfurt,5 Oldenburg,6 München7 und Naumburg8 nehmen (umgerechnet) 1.500 bis 2.500 Euro an.9 – Ein höherer Wert als 2.500 Euro kommt nur in Betracht, wenn die beanstandete Klausel für ganze Wirtschaftszweige von grundlegender Bedeutung oder ein Großunternehmen betroffen sei.

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Der BGH10 hat in früheren Entscheidungen einen Regelwert von (umgerechnet) 1.500 Euro pro Klausel zugrunde gelegt – ist jedoch der ebenfalls vertrete1 BGH, Beschl. v. 17.9.2003 – IV ZR 83/03, NJW-RR 2003, 1694; BGH, Beschl. v. 18.7.2000 – VIII ZR 12/00, NJW-RR 2001, 352; BGH, Beschl. v. 15.4.1998 – VIII ZR 317/97, NJW-RR 1998, 1465; BGH, Beschl. v. 26.3.1997 – III ZR 296/96, BGHR ZPO § 3 Unterlassungsklage 3; BGH, KostRsp. AGBG § 22 Nr. 2 = NJW-RR 1991, 179. 2 Vgl. dazu das Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“. 3 Kritisch gegen die Annahme von Regelstreitwerten: OLG Hamm, KostRsp. AGBG § 22 Nr. 1 mit Anm. Schneider = JurBüro 1986, 1558. 4 OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.2.1997 – 2 W 6/97, NJW-RR 1997, 891. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.5.1993 – 6 W 46/93, OLGR 1993, 256. 6 OLG Oldenburg, Beschl. v. 10.12.1998 – 1 U 126/98, Nds.Rpfl. 1999, 128. 7 OLG München, Beschl. v. 26.9.1997 – 29 W 2633/97, WuM 1997, 613. 8 OLG Naumburg, Beschl. v. 7.12.1994 – 4 W 150/94, WuM 1995, 547. 9 Ablehnend OLG Celle, Beschl. v. 14.10.1994 – 13 U 78/94, NJW 1995, 890. 10 BGH, Beschl. v. 18.7.2000 – VIII ZR 12/00, NJW-RR 2001, 352.

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Allgemeine Geschäftsbedingungen nen Einschätzung von (umgerechnet) regelmäßig 5.000 Euro je Klausel auch nicht nachhaltig entgegengetreten.1 Nunmehr hat er klargestellt, dass eine Obergrenze von 2.500 Euro pro Klausel nicht überschritten werden sollte.2 Vorbehaltlich der jeweiligen Umstände des Einzelfalls wird man also von einem Ausgangswert von 1.500 Euro bis 2.500 Euro pro angegriffener Klausel ausgehen können.

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C. Rechtsmittel und Beschwer Während es bei der Bestimmung der Beschwer üblicherweise – und so auch bei den Individualklagen gegen vermeintlich unwirksame Klauseln – auf die Person des Rechtsmittelführers und die Frage ankommt, in welchem Umfang er durch das angegriffene Urteil beschwert ist, wird dies bei den Verbandsklagen abweichend gehandhabt. Im Hinblick darauf, dass die Anspruchsberechtigten nach dem UKlaG bei ihren Klagen die Interessen der Allgemeinheit wahrnehmen und sie damit vor Kostenrisiken möglichst geschützt werden sollen, räumt der BGH3 der wirtschaftlichen Bedeutung des Klauselverbotes für den verurteilten Beklagten keine ausschlaggebende Bedeutung ein. Ebenso wie bei der Wertfestsetzung in erster Instanz kann daher im Rahmen der Rechtsmittel von Anspruchsberechtigten nach dem UKlaG von einem Regelstreitwert von 1.500 Euro bis 2.500 Euro pro Klausel ausgegangen werden.

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D. Einzelfälle aus der Rechtsprechung Nachstehend ein Überblick, der Anhaltspunkte für die Bestimmung im Einzelfall geben soll, wobei das jeweilige Alter der Entscheidung zu berücksichtigen ist. Im Sinne einer übersichtlichen Darstellung sind DM-Beträge der älteren Entscheidungen bereits umgerechnet: 1.000 Euro – Gerichtsstandsklausel eines Handwerksbetriebes, dessen Auftraggeber überwiegend in der Nähe wohnen, sodass ein anderer als der in der Klausel vorgesehene Gerichtsstand ohnehin nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommt;4 – Regelwert pro Klausel bei einem mittelständischem Betrieb durchschnittlicher Größe;5 – Beschwer im Berufungsverfahren für zwei vorinstanzlich auf ihren zulässigen Inhalt reduzierte Klauseln.6 1.500 Euro – Bauvertragsklausel im Berufungsverfahren;7 1 Ebenso der 8. Zivilsenat des BGH in seinem Beschl. v. 15.4.1998 – VIII ZR 317/97, NJW-RR 1998, 1465. 2 BGH, Beschl. v. 28.9.2006 – III ZR 33/06, NJW-RR 2007, 497. 3 BGH, Beschl. v. 18.7.2000 – VIII ZR 12/00, NJW-RR 2001, 352. 4 OLG Stuttgart, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 665 = WRP 1984, 112. 5 OLG Karlsruhe, Bunte, Bd. 1 § 22 Nr. 8. 6 OLG Karlsruhe, Bunte, Bd. 3 § 22 Nr. 2. 7 OLG Karlsruhe, Bunte, Bd. 3 § 22 Nr. 1, 2.

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Allgemeine Geschäftsbedingungen – Wert pro beanstandeter Klausel für eine Unterlassungsklage eines Verbraucherschutzverbandes gegen einen Verwender;1 – Wert pro beanstandeter Klausel, wenn lediglich die etwa mittlere Größe des Betriebes des Beklagten und der Umstand zu berücksichtigen sind, dass als Käufer und Betroffene nur Motorradfahrer und damit ein verhältnismäßig kleiner Teil der Allgemeinheit in Betracht kommen;2 – Klausel im Formularmietvertrag, die Pflichten des Mieters von nur untergeordneter Bedeutung betraf.3 2.000 Euro – Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gegen eine unzutreffende Widerrufsbelehrung im Internethandel (pro Fehler anzusetzen).4 2.500 Euro – Regelbewertung für jede beanstandete Klausel;5 – Regelbewertung im einstweiligen Verfügungsverfahren gegen Betriebe mittlerer Größe;6 – Klausel in einem Formularmietvertrag über Wohnraum;7 – Verwendungsverbot einer beanstandeten Bauvertragsklausel auch im nichtkaufmännischen Geschäftsverkehr;8 – Lieferfristklausel, Abnahmeverzugsklausel und Gewährleistungsklausel in den AGB eines Möbelhändlers für jede Klausel;9 – Regelbewertung bei Verbandsklage mit regionaler Auswirkung oder bei mittelständischem Unternehmen.10 3.000 Euro – Richtwert für einstweilige Verfügungsverfahren in Wettbewerbssachen, in denen die Verwendung einer nicht den Anforderungen der §§ 312a Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechenden Widerrufsbelehrung untersagt werden soll.11 5.000 Euro – Einstweiliges Verfügungsverfahren über eine Klausel eines Internethändlers, die in der Widerrufsbelehrung eine Regelung über Rücksendekosten enthält.12 – Beschwer eines Versicherers, eine Klausel zu verwenden, welche die Erstattung der Aufwendungen für ambulante psychotherapeutische Behandlungen beschränkt.13 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

OLG Hamm, KostRsp. AGBG § 22 Nr. 1 mit Anm. Schneider = JurBüro 1986, 1558. OLG Düsseldorf, Bunte, Bd. 1 § 22 Nr. 4. BGH, Beschl. v. 15.4.1998 – VIII ZR 317/97, NJW-RR 1998, 1465. OLG Naumburg, Beschl. v. 18.7.2007 – 10 W 37/07, JurBüro 2008, 149. OLG Stuttgart, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 665 = WRP 1984, 112. LG Rottweil, Bunte, Bd. 1 § 22 Nr. 9. OLG München, Beschl. v. 26.9.1997 – 29 W 2633/97, KostRsp. GKG § 12 Nr. 183 = WuM 1997, 613; Beschl. v. 8.9.1997 – 7 O 18843/96, NJW-RR 1998, 417. OLG Karlsruhe, Bunte, Bd. 3 § 22 Nr. 1, 2. OLG Stuttgart, Bunte, Bd. 1 § 22 Nr. 7. OLG Oldenburg, Beschl. v. 10.12.1998 – 1 U 126/98, OLGR 1999, 96. OLG Celle, Beschl. v. 19.11.2007 – 13 W 112/07, OLGR 2008, 309 = AGS 2008, 250. OLG Hamburg, Beschl. v. 17.2.2010 – 5 W 10/10, juris. BGH, Beschl. v. 17.9.2003 – IV ZR 83/03, NJW-RR 2003, 1694.

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Altenteil 5.500 Euro – Streit über Klausel einer Sparkasse bzgl. Entgelte, Kosten und Auslagen1 7.500 Euro – Beschwer eines Mobilfunkunternehmens, eine Klausel zum Verfall des Restguthabens in einem bestimmten „Zeitfenster“ nicht mehr zu verwenden.2 10.000 Euro – Gewährleistungsausschluss einer Handelsgesellschaft, die zwar kein Großbetrieb ist, deren wirtschaftliche Bedeutung jedoch nicht als gering eingeschätzt werden kann.3 25.000 Euro – Streit über die Empfehlung der Klausel „Änderungen des Umsatzsteuergesetzes berechtigen beide Teile zur entsprechenden Preisanpassung“;4 – Klauselverbot, das beim Verwender zu Zinsverlusten in siebenstelliger Höhe führen kann, da dem Verwender nicht durch eine Wertfestsetzung unterhalb der Revisionssumme die Möglichkeit der dritten Instanz genommen werden darf.5 50.000 Euro – Streit über die Empfehlung der Klausel „Änderungen des Umsatzsteuergesetzes berechtigen beide Teile zur entsprechenden Preisanpassung“.6 150.000 Euro – Streit über die erfolgsunabhängigen Zahlungsverpflichtungen in Ehemäklerverträgen.7 250.000 Euro – Streit über Klausel hinsichtlich Abschlussgebühr in einem Bausparvertrag.8

Altenteil Literatur: Bink, JurBüro 1962, 654; Schneider, MDR 1977, 270 (Bewertung bei hochbetagten Personen).

Wohnrechte sind nach § 3 ZPO zu bemessen.

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Wiederkehrende Leistungen, die keinen gesetzlichen Unterhalt darstellen oder darüber hinausgehen, beurteilen sich nach § 9 ZPO. Das gilt auch für die Leibrente, die keinen Anspruch auf gesetzlichen Unterhalt darstellt.9

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1 OLG Nürnberg, Urt. v. 29.1.2008 – 3 U 1887/07, OLGR 2008, 607 = ZIP 2008, 1958. 2 BGH, Beschl. v. 18.7.2000 – VIII ZR 12/00, NJW-RR 2001, 352 – den Gründen lässt sich entnehmen, dass der Senat selbst den Wert wohl deutlich niedriger angesetzt hätte. 3 OLG Karlsruhe, Bunte, Bd. 1 § 22 Nr. 5. 4 OLG Köln, Bunte, Bd. 1 § 11 Nr. 1 AGBG Nr. 5; OLG Frankfurt, BB 1979, 703 = NJW 1979, 985 = DB 1979, 689 = WPM 1979, 318 hat dafür 100.000 DM festgesetzt. 5 BGH, Beschl. v. 30.4.1991 – XI ZR 298/90, NJW-RR 1991, 1074 = KostRsp. AGBG § 22 Nr. 3. 6 OLG Frankfurt, BB 1979, 703 = NJW 1979, 985 = DB 1979, 689 = WPM 1979, 318; OLG Köln, Bunte, Bd. 1 § 11 Nr. 1 AGBG Nr. 5, hat dafür 50.000 DM angesetzt. 7 OLG Hamburg, WPM 1978, 1358 = MDR 1979, 314. 8 OLG Stuttgart, Urt. v. 3.12.2009 – 2 U 30/09, ZIP 2010, 74. 9 LG Freiburg, Beschl. v. 9.4.1973 – 3 T 14/73, AnwBl. 1973, 169.

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Altenteil 987

Dagegen ist nach § 42 Abs. 1 GKG zu bemessen, soweit vertraglich vereinbarter Unterhalt in der Form einer Leibrente zu zahlen ist.1

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Der Streitwert der Sicherung eines Altenteilsrechts ist nach § 6 ZPO gleich dem Betrag (Wert) der zu sichernden Forderung. Soweit für die Gebührenerhebung der Wert einer vertraglich vereinbarten Altenteilsforderung nicht nach § 9 ZPO, sondern nach § 42 Abs. 1 GKG zu berechnen ist, weil sie sich im Rahmen der gesetzlichen Unterhaltspflicht hält, ist dieser Wert auch für die Sicherung maßgebend.2

989

Der Streitwert einer Klage aus Art. 15 § 9 Preußisches Ausführungsgesetz zum BGB ist nach § 3 ZPO zu schätzen, wobei das Interesse an der Änderung maßgebend ist.3

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Werden Altenteilleistungen nicht ordnungsgemäß erbracht und verlangt der Berechtigte Entschädigung durch Zahlung einer Unterhaltsrente, so bemisst sich der Streitwert nicht mehr nach § 3 ZPO, sondern nach § 9 ZPO.4

991

Für die Frage, ob wegen des hohen Alters des Altenteilers eine Ermäßigung statthaft ist, ist entscheidend, ob die verlangten Leistungen noch eine dem § 9 ZPO entsprechende Dauer haben können oder ob eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit dagegen spricht.5 Die Tatsache, dass die Berechtigte 79 Jahre alt ist, soll es beispielsweise noch nicht rechtfertigen, an Stelle des 12 1/2-fachen Betrages des Jahreswertes gem. § 9 ZPO als Gegenstandswert einen geringeren Wert festzusetzen.6 Die Entscheidung erging zu § 9 ZPO a.F. Nach § 9 ZPO i.d.F. des RpflegeEntlG 1993 gilt nur noch der 3 1/2-fache Jahreswert. Damit wird sich die Rechtsprechung zur Abweichung von § 9 ZPO bei Hochbetagten völlig neu orientieren müssen. Nach der Sterbetafel leben 89-jährige Männer noch 3,45 Jahre und 91-jährige Frauen noch 3,49 Jahre; beides liegt noch im Rahmen des § 9 ZPO. Näheres zu dieser von der Rechtsprechung teilweise noch nicht bewältigten Problematik s. unter dem Stichwort „Rente“ Rn. 4821 ff.

992

Der Tod des Berechtigten während des Rechtsstreits vermindert den Streitwert nicht rückwirkend.

Androhung von Ordnungsmittel S. das Stichwort „Ordnungsmittel“.

1 Noch zu § 17 Abs. 1 GKG a.F.: LG Braunschweig, Beschl. v. 16.1.1959 – 7 T 194/58, Nds.Rpfl. 1959, 64. 2 LG Braunschweig, Beschl. v. 16.1.1959 – 7 T 194/58, Nds.Rpfl. 1959, 64. 3 LG Lübeck, SchlHA 1958, 84. 4 LG Itzehoe, Beschl. v. 27.12.1960 – 1 T 95/60, KostRsp. § 9 ZPO Nr. 2. 5 OLG Celle, Beschl v. 18.4.1961 – 7 W 7/61, MDR 1961, 778; LG Freiburg, Beschl. v. 9.4.1973 – 3 T 14/73, AnwBl. 1973, 169. 6 OLG Nürnberg, Beschl. v. 13.2.1959 – 2 W 261/58, JurBüro 1959, 247.

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Anerkenntnis und Anerkenntnisurteil

Anerkenntnis und Anerkenntnisurteil A. Allgemeines Hier ist zunächst zwischen dem materiell-rechtlichen Anerkenntnis (§§ 780, 781 BGB) und dem prozessualen Anerkenntnis (§ 307 ZPO) zu unterscheiden. Nach heute überwiegender Ansicht ist das prozessuale Anerkenntnis reine Prozesshandlung und enthält keine materiell-rechtliche Komponente.1

993

B. Gebührenstreitwert I. Außerprozessuales Anerkenntnis Wird aus einem abstrakten Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) oder Schuldversprechen (§ 780 BGB) geklagt, dann ist der Forderungsbetrag maßgebend. Da das abstrakte Schuldversprechen oder Anerkenntnis eine neue Verpflichtung konstitutiv begründet, verlieren darin eingerechnete Zinsen (und Kosten) ihre Eigenschaft als Nebenforderung und werden in den Streitwert mit einbezogen.2

994

Ebenso ist zu bewerten, wenn derjenige, der das Schuldanerkenntnis oder das Schuldversprechen abgegeben hat, mit negativer Feststellungsklage dessen Bestand angreift.

995

Die Klage auf Feststellung der Wirksamkeit eines abstrakten Schuldanerkenntnisses oder Schuldversprechens schafft keinen vollstreckungsfähigen Titel. Der Streitwert ist deshalb entsprechend den Bewertungsregeln für positive Feststellungsklagen regelmäßig um 20 % zu ermäßigen (s. das Stichwort „Feststellungsklage“ Rn. 2292 ff.).

996

Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis soll eine bereits bestehende Schuld oder auch nur ein präjudizielles Rechtsverhältnis lediglich bestätigen und die vertraglichen Beziehungen der Parteien beweisrechtlich klarstellen sowie die bei Abgabe bekannten Einwendungen als auch die (spätere) Leugnung der klagebegründenden Tatsachen ausschließen.3 Daneben gibt es Schuldanerkenntnisse, die ohne rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen als bloße tatsächliche Erklärung des Schuldners seine Erfüllungsbereitschaft anzeigen und die Last der Beweisführung verändern.4 In derartigen Fällen ist der Streit um die Wirksamkeit nach § 3 ZPO zu schätzen. Für die Bewertung ist dabei darauf abzustellen, in welchem Maß das konkrete Anerkenntnis dem Gläubiger die Rechtsverfolgung erleichtert.

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1 BGH, Urt. v. 27.5.1981 – IVb ZR 589/80, BGHZ 80, 389 = MDR 1981, 925; Zöller/ Vollkommer, vor § 306 ZPO Rn. 5; MünchKomm.ZPO/Musielak, § 307 ZPO Rn. 4 m.w.N. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 16.12.1997 – 5 W 797/97 = AGS 1999, 43 = JurBüro 1999, 197; Zöller/Herget, § 4 Rn. 11; E. Schneider, Anm. zu OLG Köln, KostRsp. GKG § 22 Nr. 8. 3 BGH, Urt v. 9.7.1986 – VIII ZR 232/85, NJW 1986, 2948 – Bestätigungsvertrag über Vorbehaltseigentum; BGH, Urt. v. 23.3.1983 – VIII ZR 335/81, NJW 1983, 1903 = MDR 1983, 1017; Palandt/Sprau, § 781 BGB Rn. 3, 4. 4 BGH, Urt. v. 5.5.2003 – II ZR 50/01, GmbHR 2003, 954, WM 2003, 1421; BGH, WPM 1974, 411; BGHZ 66, 250; Palandt/Sprau, § 781 BGB Rn. 6.

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Anerkenntnis und Anerkenntnisurteil 998

Hierbei bleiben Zinsen, auch wenn sie in einem deklaratorischen Anerkenntnis mit der Hauptforderung zu einer einzigen Summe zusammengefasst werden, gem. § 43 Abs. 1 GKG (§ 22 Abs. 1 GKG a.F.), § 4 Abs. 1 ZPO unberücksichtigt.1

II. Prozessuales Anerkenntnis 999

Das prozessuale Anerkenntnis ist die nicht notwendigerweise ausdrückliche Erklärung, sich dem Klageanspruch zu unterwerfen und die mit der Klage verbundene Rechtsfolgenbehauptung als begründet anzuerkennen. Durch seine Bezugnahme auf den Anspruch unterscheidet es sich vom Geständnis (§ 288 ZPO), das einzelne Tatsachenbehauptungen zum Gegenstand hat. Im Einzelfall bedarf es einer Abgrenzung des Anerkenntnises von der Erledigungserklärung, insbesondere wenn sich die Erklärung des Beklagten auf eine während des Rechtsstreits erfolgte Erfüllungshandlung bezieht.2 Zweifel, ob in der Erklärung des Beklagten, anerkennen zu wollen, nicht vielmehr eine Zustimmung zu einer Klagerücknahme (§ 269 Abs. 2 ZPO) oder eine Erledigungserklärung (§ 91a Abs. 1 ZPO) verbunden mit einem Anerkenntnis der Kostentragungspflicht3 liegt, sind durch Nachfrage (§ 139 ZPO) aufzuklären. Denn sie könnten beim Kläger zu einer Antragsermäßigung oder zu Einverständniserklärung führen, was den Streitwert ändern würde.

1000

Als Prozesshandlung ist das Anerkenntnis gegenüber dem Gericht zu erklären und für den Beklagten für das gesamte Verfahren bindend. Die Erklärung kann innerhalb eines vorbereitenden Schriftsatzes abgegeben werden, einer Erklärung in der mündlichen Verhandlung bedarf nicht es mehr (§ 307 Satz 2 ZPO).4

1001

Die Abgabe der Anerkenntniserklärung entbindet das Gericht zwar von der Prüfung, ob die Klage schlüssig oder begründet gewesen ist,5 hat aber keinen Einfluss auf den Streitgegenstand selbst. Dies wird schon daran ersichtlich, dass der Beklagte durch die Verkündung des Anerkenntnisurteils im Umfang der Verurteilung materiell beschwert wird.6 Der Streitwert verändert sich folglich bis zur Verkündung grundsätzlich nicht.7

1002

Ist die Anerkenntniserklärung dagegen auf einen Teil des Klagebegehrens beschränkt und kommt es nicht zum Erlass eines Teil-Anerkenntnisurteils, dann ändert sich der Streitwert für das weitere Verfahren, soweit von diesem nur der streitige Teil des prozessualen Anspruch betroffen ist.8 So liegt es 1 OLG Köln, Beschl. v. 30.1.1980 – 2 W 6/80, KostRsp. GKG § 22 Nr. 8 mit Anm. E. Schneider = JurBüro 1980, 578. 2 Vgl. LG Leipzig, Urt. v. 19.12.1996 – 12 S 5051/09, NJW-RR 1997, 571. 3 BGH, Beschl. v. 3.6.1985 – II ZR 248/84, MDR 1985, 914. 4 S. auch OLG Stuttgart, Urt. v. 29.9.2005 – 13 U 99/05, OLGR 2005, 894. 5 Zöller/Vollkommer, § 307 ZPO Rn. 4. 6 Zöller/Vollkommer, § 307 ZPO Rn. 11; Zöller/Heßler, vor § 511 ZPO Rn. 19a. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.1986 – 2 W 136/86, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 867 mit Anm. E. Schneider = JurBüro 1987, 396; OLG Köln, Beschl. v. 2. 8 1978 – 17 W 276/ 78, KostRsp. GKG § 22 Nr. 4; OLG Nürnberg, Beschl. v. 16. 7 2004 – 10 WF 2332/04, MDR 2005, 120. 8 Insoweit zutr. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. 24.5.2006 – 8 Ta 94/06, juris – fehlerhaft jedoch soweit die nachfolgende Klageerweiterung für die Verfahrensgebühr nur mit dem nach Teil-Anerkenntnisurteil reduzierten Wert addiert wird; s. auch das Stichwort „Vergleich“ Rn. 5491 ff.

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Anerkenntnis und Anerkenntnisurteil etwa, wenn der Beklagte einen Teil der Klageforderung anerkennt, das Gericht aber ohne vorherigen Erlass eines Teil-Anerkenntnisurteils Beweis über den nicht vom Anerkenntnis betroffenen Teil der Klageforderung erhebt oder die Parteien sich über diesen – unter Einschluss des anerkannten Teils – vergleichen. Hier sind – soweit für eine gesonderte Festsetzung Anlass besteht – der Gegenstandswert der Beweisaufnahme1 und des Vergleichs2 entsprechend zu reduzieren.

III. Anerkenntnisurteil Während das Anerkenntnisurteil die Instanz insgesamt beendet und auf den Gebührenstreitwert keinen Einfluss hat, führt die Verkündung eines Teil-Anerkenntnisurteils zu einer Reduzierung des Streitwerts für das weitere Verfahren auf den Umfang des Restanspruchs.3

1003

C. Rechtsmittel und Beschwer I. Kostenentscheidung Gem. § 93 ZPO kann das Gericht die Kosten des Rechtsstreits dem obsiegenden Kläger auferlegen, wenn der Beklagte die Klageforderung sofort anerkannt und keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Die Kostenentscheidung ist unabhängig von der Hauptsache, soweit deren Streitwert über 600,00 Euro liegt, mit der sofortigen Beschwerde angreifbar, § 99 Abs. 2 ZPO.4 Der Wert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach dem Interesse an der Erstattung eigener und der Abwendung fremder Kosten (Kosteninteresse) und damit nach den erstinstanzlich insgesamt angefallenen Kosten des Rechtsstreits.

1004

II. Unterliegen des Klägers Erkennt der Beklagte die Klageforderung unter gleichzeitiger Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht an, wird er durch Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil – beispielsweise – zur Werklohnzahlung Zug-um-Zug gegen Beseitigung im Einzelnen benannter Mängel verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die (formelle) Beschwer des Klägers bestimmt sich in diesen Fällen nach der von ihm – zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung (§ 756 ZPO) – zu erbringenden Gegenleistung, im Beispiel also nach den Mängelbeseitigungskosten. Die Reichweite des Zurückbehaltungsrechts, die ein Vielfaches des Werts der Gegenleistung betragen und den Wert der Klageforderung im

1 OLG Köln, Beschl. v. 6.2.1984 – 25 WF 246/83, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 692 mit Anm. E. Schneider = JurBüro 1984, 877; unklar OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.2.1980 – 20 WF 772/80, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 530 mit Anm. E. Schneider = JurBüro 1981, 554 = AnwBl. 1981, 155; s. auch das Stichwort „Beweisaufnahme“. 2 S. hierzu ausführlich unten „D. Vergleich“. 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 11.9.1985 – 2 WF 211/85, JurBüro 1986, 267; Beschl. v. 29.1.1990 – 7 WF 4/90, JurBüro 1990, 771. 4 Zu beachten bleibt aber die Kostenmindestbeschwer von 200,00 Euro, § 567 Abs. 2 ZPO.

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Anerkenntnis und Anerkenntnisurteil Einzelfall übersteigen kann (vgl. etwa § 641 Abs. 3 BGB), bleibt demgegenüber unberücksichtigt. Denn der Kläger erreicht die Durchsetzbarkeit bereits mit dem von ihm aufzuwendenden Betrag.

III. Unterliegen des Beklagten 1006

Für die Ermittlung der mit dem Anerkenntnisurteil für den Beklagten verbundenen (materielle) Beschwer ist nicht auf die in der Vorinstanz gestellten Anträge, sondern darauf abzustellen, ob die ergangene Entscheidung für den Beklagten nachteilig ist und durch das Rechtsmittel die Möglichkeit einer zu seinen Gunsten abweichenden Entscheidung besteht.1 Die Freiwilligkeit der Unterwerfung ist für die Bewertung ohne Bedeutung. Der Gebührenstreitwert für die Rechtsmittelinstanz richtet sich nach dem Umfang der beantragten Überprüfung, also der Differenz zwischen Urteil und Berufungsantrag. Unerheblich ist, dass der Beklagte die Klageforderung anerkannt und in welcher Weise er sonst zum Klagevorbringen Stellung genommen hat.2 Uneinigkeit besteht über die Bestimmung des Rechtsmittelstreitwerts, wenn der Beklagte erstinstanzlich durch Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil verurteilt wird, unbeschränkt Berufung einlegt und diese vor Antragstellung und Begründung zurücknimmt. Die überwiegende Ansicht stellt für die Wertfestsetzung gem. § 47 Abs. 1 Satz 2 GKG (§ 14 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.) auf die materielle Beschwer ab und unterscheidet nicht zwischen dem anerkannten und dem streitig zugesprochenen Teil des Urteilsbetrags.3 Demgegenüber stellt ein Teil der Rechtsprechung und Literatur4 für § 47 Abs. 1 Satz 2 (§ 14 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.) auf die formelle Beschwer des Beklagten ab und legt der Wertfestsetzung allein den streitig zuerkannten Klagebetrag zugrunde. Der Ansatz begegnet schon deswegen Bedenken, weil er einen kostenrechtlich nicht akzeptablen „Nullwert“ nicht auszuschließen vermag. So bliebe der vom (Teil-)Anerkenntnisurteil erfasste Klagebetrag mangels abweichendem Sachantrag des Beklagten auch dann unberücksichtigt, wenn Zweifel an der Wirksamkeit seines Anerkenntnis den Beklagten zur (vorsorglichen) Rechtsmitteleinlegung veranlasst haben, er dieses aber nach (interner) Prüfung vor Antragstellung und Begründung zurücknimmt. S. im Übrigen unter dem Stichwort „Rechtsmittel“.

1 So schon BGH, Urt. v. 5.1.1955 – IV ZR 154/54, NJW 1955, 545. 2 BGH, Beschl. v. 1.10.2003 – XII ZB 202/02, FamRZ 2003, 1922 = FuR 2004, 35; Beschl. v. 15.1.1992 – XII ZB 135/91, NJW 1992, 1513; Musielak/Musielak, § 307 ZPO Rn. 17; Zöller/Vollkommer, § 307 ZPO Rn. 11. 3 BGH, OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.12.1991 – 16 UF 185/81, MDR 1982, 417; OLG Rostock, Beschl. v. 19.4.2004 – 7 U 206/03, OLGR 2005, 17; Stein/Jonas/Roth, § 3 Stichwort „Gebührenstreitwert in der Rechtsmittelinstanz“. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.8.2008 – 24 U 80/08, MDR 2008, 1244; OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001, MDR 2002, 480; vgl. auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.9.2000 – 3 U 268/ 99, MDR 2001, 112 – zu § 14 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.; Binz/Dörndorfer, § 47 GKG Rn. 4; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 Stichwort „Berufung“.

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Anerkennung ausländischer Titel

D. Vergleich Wird der anerkannte Teilanspruch, ohne dass ein Teilanerkenntnisurteil erlassen wurde, in einem sich anschließenden Vergleich abschließend mitgeregelt, soll er in den Vergleichswert aufgrund der Titulierung in voller Höhe mit einzubeziehen sein.1

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Dies begegnet durchgreifenden Bedenken. Denn hat der Beklagte von Beginn an keinerlei Einwendungen gegen den anerkannten Teil der Klageforderung erhoben, liegt im Anerkenntnis kein gegenseitiges Nachgeben, durch das ein Streit oder eine Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis behoben worden wäre.2 Zudem behält das (Teil-)Anerkenntnis – aufgrund seiner Bindungswirkung – auch ohne Erlass eines (Teil-)Anerkenntnisurteils seine Wirkung regelmäßig für den ganzen Prozess unabhängig davon, ob nachfolgend streitig verhandelt worden ist.3 Bei der Bestimmung des Vergleichswerts ist jedoch ein etwaiges Titulierungsinteresse zu berücksichtigen. S. hierzu unter dem Stichwort „Vergleich“ Rn. 5491 ff.

Anerkennung ausländischer Titel Im Verfahren auf Anerkennung ausländischer Titel (vgl. § 328 ZPO) fallen für das Gericht sowohl im Antragsverfahren (Nr. 1510–1512 KV GKG) als auch im Beschwerdeverfahren (Nr. 1520 KV GKG) Festgebühren an, sodass es einer Streitwertfestsetzung nicht bedarf. Der Anwalt erhält im Antragsverfahren die (wertabhängigen) Gebühren nach Nr. 3100 ff. VV RVG, sodass eine gesonderte Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren nach § 33 Abs. 1 RVG erfolgen muss. Maßgeblich für den Wert ist dann der Inhalt des ausländischen Titels. Dabei sind nach § 4 Abs. 1 ZPO und § 40 GKG4 Zinsen nicht zu berücksichtigen, wenn sie nach dem ausländischen Titel nur Nebenforderungen sind.5

Anfechtung S. die Stichwörter „Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen“, „Gläubigeranfechtung“, „Insolvenzverfahren“, „Nichtigkeit eines Vertrages“.

1 OLG Bamberg, Beschl. v. 28.8.1990 – 3 W 27/90, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1011 = KostRsp. BRAGO § 23 Nr. 58 mit Anm. Herget = JurBüro 1990, 1619; OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.7.2004 – 10 WF 2332/04, MDR 2005, 120. 2 Herget, Anm. zu OLG Bamberg, KostRsp. BRAGO § 23 Nr. 58. 3 BGH, Urt. v. 17.3.1993 – XII ZR 256/91, MDR 1993, 1238 = NJW 1993, 1717. 4 BGH, Beschl. v. 17.3.1994 – IX ZB 78/93 = KostRsp. ZPO § 4 Nr. 75. 5 So auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.2.1993 – 20 W 29/93, JurBüro 1994, 117 hinsichtlich des Verfahrens auf Erteilung der Vollstreckungsklausel für einen ausländischen Titel.

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Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen

Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen Literatur: Fechner, JZ 1969, 349; Rebb, BB 1970, 865; Happ/Pfeifer, Der Streitwert gesellschaftsrechtlicher Klagen und Gerichtsverfahren, ZGR 1991, 103; Günther, Zur Bestimmung des Streitwerts und des für die Zulässigkeit der Revision maßgeblichen Beschwer bei aktienrechtlichen Nichtigkeitsklagen und Anfechtungsklagen, EwiR 1995, 103; Brandes, Die Rechtsprechung des BGH zur Aktiengesellschaft, WM 2000, 53; Saenger, Aktienrechtliche Anfechtungsklagen – Verfahrenseffizienz und Kosten, AG 2002, 536. Gliederungsübersicht Rn. A. Aktiengesellschaft I. Rechtsanwendungsgrundsätze . 1009 II. Einzelfälle in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . 1024 III. Streitwertspaltung . . . . . . . . 1030

Rn. B. GmbH . . . . . . . . . . . . . . 1035 C. Genossenschaft . . . . . . . . . 1041 D. Gewerk . . . . . . . . . . . . . . 1046 E. OHG und KG . . . . . . . . . . 1047

Stichwortübersicht Rn. Abberufung eines Geschäftsführers 1039 Aktienbesitz des Klägers . . . . . . 1018 Anfechtung von Wahlhandlungen . 1045 Aufsichtsratsmitglied, Rücktritt, Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . 1025 Auswirkungen der Nichtigerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . 1019 Bilanzsumme . . . . . . . . . 1016, 1024 Einsatz des Vermögens . . . . . . . 1033 Entlastung des Vorstandes . . . . . 1024 Genossenschaft . . . . . . . . . . . 1041 Genossenschaftsanteil . . . . . . . 1043 Geschäftsanteil des Beklagten, Einziehung . . . . . . . . . . . . . . 1030 Geschäftsanteil des Klägers . . 1037, 1043 Geschäftsführer, Abberufung . . . . 1039 Gewerk . . . . . . . . . . . . . . . . 1046 Gewinnverwendung . . . . . . . . . 1026 GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . 1035 Größe der Gesellschaft . . . . . . . 1019 Grundkapital . . . . . . . . . . 1019, 1027 Hauptversammlung, Kosten einer neuen ~ . . . . . . . . . . . . . . 1019 Hilfsbedürftigkeit . . . . . . . . . . 1032

Rn. Interesse der Gesellschaft . . . 1015, 1019 Interesse des Klägers . . . . . 1015, 1018 Interessengegensatz . . . . . . . . . 1017 Jahresabschluss, Nichtigkeit . . . . 1024 Kapitalherabsetzung/-erhöhung . . 1027 Kurswert des Aktiengesetzes . . . . 1024 Mehrzahl von – Anfechtungsgründen . . . . . . . 1020 – Beschlüssen . . . . . . . . . . . . 1021 – Anfechtungsklagen . . . . . . . . 1022 Mittelwert . . . . . . . . . . . . . . 1016 Prozesskostenhilfe . . . . . . . . . . 1032 Regelbewertung . . . . . . . . . . . 1011 Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . 1038 Streitwertermäßigung . . . . . . . . 1034 Streitwertspaltung . . . . . . . . . . 1030 Vermögen, Einsatz . . . . . . . . . . 1031 Vermögensrechtliche Ansprüche . . 1014 Verpflichtungsantrag . . . . . . . . 1044 Vorläufige Streitwertfestsetzung . . 1023 Vorstand, Entlastung . . . . . . . . 1024 Wahl neuer Aufsichtsratsmitglieder 1025 Wirtschaftliche Bedeutung . . . . . 1016 Zustimmung zur Klageerhebung . . 1029

A. Aktiengesellschaft I. Rechtsanwendungsgrundsätze 1009

Mit § 247 AktG steht eine besondere Regelung zur Streitwertbemessung bei Anfechtungsklagen eines Aktionärs gegen Beschlüsse der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft zur Verfügung. Diese gilt auch für die Anfechtung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 251 Abs. 3 AktG), des Beschlusses über die Verwendung des Bilanzgewinns (§ 254 Abs. 2 AktG), der Kapitalerhö162

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Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen hung gegen Einlagen (§ 255 Abs. 3AktG) sowie der Feststellung des Jahresabschlusses (§ 257 Abs. 2 AktG). Gem. § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG bestimmt das Prozessgericht den Streitwert von Streitigkeiten zwischen Aktionären und der Aktiengesellschaft, mithin auch für Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen, unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen.

1010

Dieser sog. Regelstreitwert1 darf nach § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG ein Zehntel des Grundkapitals oder, wenn dieses Zehntel mehr als 500.000 Euro beträgt, 500.000 Euro nur überschreiten, wenn und soweit die Bedeutung der Sache für den Anfechtungskläger eine höhere Bewertung rechtfertigt.

1011

Sinngemäß Anwendung findet diese Regelung auf Klagen, mit der die Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen (§ 249 Abs. 1 AktG), der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 250 Abs. 3 AktG), des Beschlusses über die Verwendung des Bilanzgewinns (§ 253 Abs. 2 AktG) sowie des festgestellten Jahresabschlusses (§ 256 Abs. 7 AktG) geltend gemacht werden.2

1012

Anfechtungsklagen (§ 246 AktG) und Nichtigkeitsklagen (§ 249 AktG), nach zutreffender Ansicht beides Gestaltungsklagen,3 unterscheiden sich im Wesentlichen durch die Fassung des Antrags und der berücksichtigungsfähigen Beschlussmängel (Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründe):

1013

„... wird für nichtig erklärt“ oder „... wird festgestellt, dass ... nichtig ist ...“ Unabhängig von dem Antrag der Gestaltungsklage bleibt der Streitgegenstand auch bei einem Wechsel von der Anfechtungs- zur Nichtigkeitsklage und umgekehrt unverändert.4 Aktienrechtliche Anfechtungsklagen betreffen ebenso wie die Nichtigkeitsklagen immer dann vermögensrechtliche Ansprüche, wenn der Unternehmensgegenstand geschäftlicher Art ist.5

1014

Bei der Streitwertbemessung ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen des klagenden Aktionärs und der beklagten Gesellschaft und einer Fülle von einzelnen Bewertungsumständen6 ein konkreter Wert zu ermitteln. Bisherige Bemühungen der Rechtsprechung, die Streitwertbestimmung auf eine allgemein gültige Berechnungsmethode zurückzuführen, sind nicht überzeugend.7

1015

Weder der Ansatz eines „Mittelwertes“, wonach der Wert des höheren Interesses der Gesellschaft durch die Zahl zu teilen ist, mit der der Wert des

1016

1 Hüffer, § 247 AktG Rn. 4. 2 Vgl. zur weiter gehenden Berücksichtigung auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.8.2008 – 6 W 33/00, OLGR 2000, 472 = AG 2001, 267; LG Düsseldorf, Beschl. v. 14.12.1999 – 10 O 495/99, WM 2000, 528 = AG 2000, 233; Hüffer, § 247 AktG Rn. 3. 3 Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 15 II 2. 4 S. Karsten Schmidt, JZ 1977, 669 ff. 5 BGH, WPM 1982, 359. 6 Höhe des Aktienbesitzes des Klägers, Grundkapital der Gesellschaft, Bedeutung des Rechtsstreits für beide Parteien, wirtschaftliche Auswirkungen einer Nichtigerklärung usw., vgl. E. Schneider, AG 1976, 20. 7 Im Ergebnis, ebenso OLG Schleswig, Beschl. v. 6.10.2008 – 5 W 51/08 = NZG 2009, 434 = SchlHA 2009, 131; Hüffer, § 247 AktG Rn. 8.

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Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen geringeren Interesses des Klägers multipliziert werden muss, um zu demselben Ergebnis zu gelangen,1 noch eine generelle Bemessung nach 1/1000 der Bilanzsumme der beklagten Aktengesellschaft2 erfassen hinreichend die Unterschiedlichkeit der Fallgestaltungen. Dies insbesondere dann, wenn – wie häufig – mehrere Beschlüsse in einer Anfechtungsklage angegriffen werden, die dann jeweils selbständig zu beurteilen sind.3 Auch der Vorschlag, den Streitwert des Anfechtungsanspruchs auf 50 % des Leistungs- oder Schadensersatzanspruches zu reduzieren, weil die Anfechtungsklage lediglich der erleichterten Durchführung der Leistungsklage diene,4 trägt nicht. Denn mit der Orientierung am Streitgegenstand der Leistungsklage wird in Einzelfällen das Interesse der Gesellschaft nicht erfasst. Bei der Bewertung ist aber stets die wirtschaftliche Bedeutung des Ausgangs des Rechtsstreits für beide Parteien zu berücksichtigen.5 1017

Erforderlich ist vielmehr ein Interessenausgleich. Dazu sind die Interessen beider Parteien gegeneinander abzuwägen.6 Die demnach zu Beginn des Rechtsstreits nur vorläufige Wertfestsetzung wird durch während des Verfahrens gewonnene Erkenntnisse beeinflusst, soweit sich diese auf Umstände beziehen, die bereits bei Klageeinreichung (§ 40 GKG) vorlagen.

1018

Hierbei ist das Interesse des Klägers7 grundsätzlich begrenzt durch den Wert seines Aktienbesitzes.8

1019

Neben dem Klägerinteresse ist sodann das Interesse der beklagten Gesellschaft an der Aufrechterhaltung des angefochtenen Beschlusses zu berücksichtigen.9 Es ist in der Regel deutlich höher als das Klägerinteresse und auch maßgebend für die Rechtsmittelbeschwer.10 Wesentlich für die Interessenbezifferung sind die Größe der Gesellschaft und ihr Grundkapital,11 desgleichen die Auswirkungen der Nichtigerklärung auf die finanzielle Situation der Ge1 OLG Hamm, AG 1976, 19; LG Berlin, Beschl. v. 6.11.2000 – 99 O 83/99, AG 2001, 543 = DB 2001, 913. 2 OLG München, BB 1962, 690. 3 BGH, Beschl. v. 6.4.1992 – II ZR 249/90, NJW-RR 1992, 1122 = WM 1992, 1370; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.6.2001 – 5 W 4/01, DB 2001, 2139 = AG 2002, 562, WM 1984, 655 = AktG § 247 Nr. 9 u. Nr. 11 mit Anm. E. Schneider = WPM 1984, 655 u. 1470; OLG München, AG 1962, 346; Schneider, MDR 1985, 355. 4 So OLG Frankfurt, KostRsp. AktG § 247 Nr. 9 = WPM 1984, 655. 5 OLG Hamburg, AG 1973, 279. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.1984 – 5 U 110/83, KostRsp. AktG § 247 Nr. 9 = WPM 1984, 655; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.1984 – 5 U 18/83, KostRsp. AktG § 247 Nr. 11 mit Anm. E. Schneider = WPM 1984, 1470. 7 S. dazu LG Bayreuth, Beschl. v. 22.12.1984 – KH O 67/84, JurBüro 1985, 786 = KostRsp. AktG § 247 Nr. 12 mit Anm. E. Schneider. 8 OLG München, BB 1962, 690; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.1984 – 5 U 18/83, KostRsp. AktG § 247 Nr. 11 mit Anm. E. Schneider = WPM 1984, 1470; a.A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.1984 – 5 U 110/83, KostRsp. AktG § 247 Nr. 9 = WPM 1984, 655, jedoch mit der Einschränkung „zumindest im vorliegenden Fall“. 9 OLG Neustadt, JurBüro 1960, 401; BGH, Beschl. v. 28.9.1981 – II ZR 88/81, KostRsp. AktG § 247 Nr. 8 mit Anm. E. Schneider = ZIP 1981, 1335 = WPM 1981, 1344 = JurBüro 1982, 66, erneut abgedruckt Sp. 218; NJW-RR 1992, 1122 = WM 1992, 1370. 10 BGH, Beschl. v. 28.9.1981 – II ZR 88/81, WPM 1981, 1344 = ZIP 1981, 1335 = KostRsp. AktG § 247 Nr. 8 mit Anm. E. Schneider = JurBüro 1982, 66, erneut abgedruckt Sp. 218. 11 OLG Hamburg, AG 1973, 279; LG Dortmund, AG 1968, 390, 392.

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Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen sellschaft, hierzu zählen die Kosten der Vorbereitung einer neuen Hauptversammlung.1 Für die Bewertung kommt es aber nur auf den Inhalt und den Gegenstand des angegriffenen Hauptversammlungsbeschlusses an, nicht auf die Art oder eine Mehrzahl von Anfechtungsgründen.2

1020

Werden mehrere Beschlüsse der Hauptversammlung angegriffen, ist jeder Beschluss stets gesondert zu bewerten.3

1021

Bei mehreren Anfechtungsklagen gegen denselben Hauptversammlungsbeschluss von Aktionären mit unterschiedlichem Aktienbesitz sind die Streitwerte der einzelnen Klage regelmäßig nicht identisch. Der Gesamtstreitwert für die Gerichtskosten richtet sich nach dem höchsten Einzelstreitwert, für die außergerichtlichen Kosten nach der Höhe des jeweiligen Aktienbesitzes.4

1022

Der nach § 247 Abs. 1 AktG ermittelte Streitwert ist zugleich Grundlage für die nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO maßgebliche Beschwer.5

1023

II. Einzelfälle in der Rechtsprechung Richtet sich die Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse über die Entlastung des Vorstands und die Feststellung des Jahresabschlusses, ist der Streitwert nach den gesamten im Einzelnen Fall gegebenen Verhältnissen unter Berücksichtigung des Interesses der Gesellschaft an der Aufrechterhaltung der angefochtenen Beschlüsse festzusetzen.6 Auszugehen ist gem. § 3 ZPO vom Interesse des Aktionärs am Wegfall der Entlastung und des festgestellten Jahresabschlusses, begrenzt durch den Kurswert seines Aktienbesitzes. Weil dieser Wert mit Rücksicht auf die Urteilswirkung für und gegen alle Aktionäre sowie Vorstand und Aufsichtsrat der Bedeutung der Sache nicht gerecht würde, gebietet § 247 AktG neben dem Umfang des klägerischen Aktienbesitzes die Berücksichtigung des Interesses der Aktiengesellschaft.7 In die Bewertung einzubeziehen sind daher das Grundkapital, die Bilanzsumme und die mit dem Wegfall der Entlastung ver1 OLG Hamburg, AG 1964, 160; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.1984 – 5 U 18/83, KostRsp. AktG § 247 Nr. 11 = WPM 1984, 1470; LG Bonn, AG 1968, 25. 2 BGH, Beschl. v. 11.7.1994 – II ZR 58/94, KostRsp. AktG § 247 Nr. 20 = AG 1994, 469 = DB 1994, 2126 = ZIP 1994, 1355 = NJW-RR 1995, 225 = EWiR § 546 ZPO 1/95, 103; Musielak/Heinrich, § 3 ZPO Rn. 23 unter „Anfechtungsklagen“. 3 BGH, Beschl. v. 6. 4 1992 – II ZR 249/90, NJW-RR 1992, 1122 = WM 1992, 1370; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.1984 – 5 U 110/83, WPM 1984, 655; OLG München, Beschl. v. 18.12.2007 – 7 W 1875/07, GmbHR 2008, 1267; OLG Stuttgart, Urt. v. 23.1.2002 – 20 U 45/01, OLGR 2003, 4 = AG 2003, 165 = NZG 2003, 1170; Schneider, MDR 1985, 355; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16, unter „Anfechtungsklage“. 4 OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.2.2001 – 20 W 1/01, OLGR 2001, 270 = AGS 2001, 251 = AG 2002, 296 = NZG 2001, 522 = DB 2001, 1549. 5 BGH, Beschl. v. 11.7.1994 – II ZR 58/94, GmbHR 1995, 302 = NJW-RR 1995, 225 = AG 1994, 469; OLG Hamm, Urt. v. 19.11.2007 – 8 U 216/07, OLGR 2008, 320 = NZG 2008, 155; OLG Stuttgart, Urt. v. 28.1.2004 – 20 U 3/03, OLGR 2004, 160 = AG 2004, 271. 6 BGH, NJW-RR 1992, 1122 = WM 1992, 1370 – Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat. 7 OLG München, BB 1962, 690; KG, Rpfleger 1962, 154.

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Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen bundene Schmälerung des Ansehens.1 Kommt dem Entlastungsbeschluss nur eine geringe Bedeutung zu, kann der Streitwert für Anfechtung des Beschlusses auf 5.000 Euro beziffert werden.2 Richtet sich die Klage gegen die Feststellung mehrerer Jahresabschlüsse, dann sind die Beschlussgegenstände einzeln zu bewerten und die Beträge gem. § 5 ZPO zusammenzurechnen. 3 1025

Der Streitwert bei einer Anfechtungsklage gegen Beschlüsse der Hauptversammlung einer AG betreffend den Rücktritt eines Aufsichtsratsmitgliedes ist unter Berücksichtigung der Jahresvergütung mit 2.000 DM und betreffend die Wahl eines neuen Aufsichtsratsmitglieds mit 10.000 DM bewertet worden.4

1026

Bei einer Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss über die Zuführung des ausgewiesenen Gewinns in eine Rücklage an Stelle der Ausschüttung ist der Streitwert mit einem Betrag anzusetzen, der zwischen der erstrebten Dividendenausschüttung und dem Reingewinn liegt.5

1027

Die Bewertung einer Nichtigkeitsklage, deren Erfolg zugunsten der klagenden Kleinaktionäre keine unmittelbaren positiven wirtschaftlichen Auswirkungen hat, sollte nicht über 100.000 DM (51.129,19 Euro) liegen – hier Angriff gegen Kapitalherabsetzung und anschließende Barkapitalerhöhung zwecks Sanierung einer Gesellschaft unter Bezugsrechtausschluss. 6

1028

Bei einer Anfechtungsklage gegen die Zustimmung der Hauptversammlung einer AG zum Verkauf von Anteilen an einer anderen Gesellschaft ist gem. § 247 AktG nicht grundsätzlich das höhere Interesse der beklagten Gesellschaft, sondern eine wertende Ermittlung einer Zwischengröße für die Bewertung maßgeblich. Ausgangspunkt ist nach Ansicht des OLG Frankfurt das geringwertigere, unter Berücksichtigung des Aspekts der Rechtssicherheit anzuhebende Interesse des Aktionärs.7

1029

Der Streitwert einer Klage auf Zustimmung des Ehegatten zur Erhebung der Anfechtungsklage bei gemeinschaftlicher Verwaltung von zum Gesamtgut gehörenden GmbH-Anteilen entspricht dem Bruchteil (1/5) des Verkehrswertes des Geschäftsanteils des Klägers.8

III. Streitwertspaltung 1030

Ist nach dem glaubhaften Vorbringen einer Partei zu besorgen, dass die Belastung mit den nach dem Regelstreitwert (§ 247 Abs. 1 AktG) berechneten Kos1 BGH, Beschl. v. 15.3.1999 – II ZR 94/98, AG 1999, 376 = WM 1999, 853 = NJW-RR 1999, 910; OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.1.1995 – 3 W 47/94, AG 1995, 237 = WM 1995, 620. 2 OLG Stuttgart, Urt. v. 23.1.2002 – 20 U 45/01, OLGR 2003, 4 = AG 2003, 165 = NZG 2003, 1170; vgl. auch KG, JurBüro 1967, 686. 3 OLG München, Beschl. v. 7.1.2008 – 7 U 3773/07, AG 2008, 509 = WM 2008, 876. 4 OLG Koblenz, JurBüro 1955, 75. 5 LG Mannheim, BB 1954, 755. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.10.2004 – 25 W 44/02, AG 2005, 122. 7 OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.6.2001 – 5 W 4/01, AG 2002, 562 = DB 2001, 2139. 8 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.1.2002 – 5 W 362/01 – 113, FamRZ 2002, 1034 = FuR 2002, 572 = FÜR 2002, 189.

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Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen ten des Rechtsstreits ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährdet, so kann das Prozessgericht gem. § 247 Abs. 2 und 3 AktG auf Antrag der Partei anordnen, dass ihre Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung von Gerichtskosten und außergerichtlicher Kosten (auch des Gegners) sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwerts bemisst. § 247 Abs. 2 AktG ermöglicht dem Gericht damit die Festsetzung eines bezogen auf die Parteien gespaltenen und für eine Seite ermäßigten Streitwertes.1 Zur Prüfung, ob die gebührenrechtlichen Folgen des Regelstreitwertes zu einer erheblichen Gefährdung der wirtschaftlichen Lage einer Partei – in der Regel des Anfechtungsklägers – führen, ist zunächst der Regelstreitwert gem. § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG zu bestimmen. Danach sind auf Grundlage des festzusetzenden Regelstreitwertes die Prozesskosten zu ermitteln,2 die dem Anfechtungskläger im Falle des vollständigen Unterliegens (§ 91 ZPO) aufzuerlegen wären.3 Von einer ernstlichen Vermögensgefährdung ist auszugehen, wenn ein „vernünftiger Aktionär“ ohne eine Streitwertspaltung von einer gerichtlichen Rechtsverfolgung Abstand nehmen würde, weil die Beeinträchtigung seiner Einkünfte und seines Vermögens aus seiner Sicht in keinem vertretbaren Verhältnis zu dem verfolgten Klageziel steht. Erst dann ist der Regelstreitwert so weit herabzusetzen, dass der Kläger nicht ruiniert wird. Der teilweise Einsatz seines Vermögens wird ihm allerdings zugemutet.4

1031

Es geht dabei auch nicht um die Berücksichtigung einer „Hilfsbedürftigkeit“ i.S. der §§ 114, 115 ZPO, da die Festsetzung eines ermäßigten Streitwertes zugunsten des Anfechtungsklägers nicht den Zweck hat, die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu ersetzen.5

1032

Der Antrag auf Ermäßigung kann zurückgewiesen werden, wenn ohne Weiteres, d.h. ohne Verzögerung des Rechtsstreits, festgestellt werden kann, dass die Klage rechtsmissbräuchlich, völlig mutwillig oder aussichtslos ist.6

1033

Wird dem – auch noch in der Berufungsinstanz möglichen7 – Antrag dagegen stattgegeben, besteht die Ermäßigung in einem Bruchteil des wirklichen Streitwerts.8 Hierbei wirkt die Streitwertermäßigung – den allgemeinen Regeln folgend – nur innerhalb der Instanz.9

1034

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S. dazu ausführlich bei dem Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“. OLG Frankfurt, JurBüro 1976, 347. Hüffer, AktG, § 247 Rn. 12; OLG Nürnberg, KostRspr. PatG § 53 a.F. Nr. 2. OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.8.1984 – 5 U 110/93 u. Beschl. v. 24.1.1984 – 5 U 18/83 u. KostRsp. AktG § 247 Nr. 10 u. Nr. 11 mit Anm. Schneider = WPM 1984, 1470 = BB 1985, 1360: Kostenbelastung in Höhe der Hälfte (!) des Vermögens des Anfechtungsklägers. OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.1984 – 5 U 18/83, WPM 1984, 1470. BGH, Beschl. v. 4.7.1991 – II ZR 249/90, AG 1992, 59 = BB 1991, 1656 = NJW-RR 1992, 484; OLG Düsseldorf, WM 1994, 337; OLG Frankfurt, OLGZ 90, 351; OLG Hamm, Beschl. v. 29.7.1992 – 8 W 28/92, AG 1993, 470 = WPM 1993, 1283; Hüffer, § 247 AktG Rn. 15. OLG Frankfurt, BB 1985, 1360. OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.1984 – 5 U 18/83, KostRsp. AktG § 247 Nr. 11 mit Anm. Schneider = WPM 1984, 1470. BGH, Beschl. v. 12.10.1992 – II ZR 213/91, KostRsp. AktG § 247 Nr. 18 = AG 1993, 85 = MDR 1993, 184 = NJW-RR 1993, 222 = JurBüro 1993, 551; zustimmend Lappe, NJW 1994, 1189; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Anfechtungsklagen“ Rn. 7; Hüffer, AktG, § 247 Rn. 18; a.A. noch OLG Frankfurt, BB 1985, 1360; OLG Hamburg, AG 1973, 279.

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Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen

B. GmbH 1035

Für das Recht der GmbH sollte ausweislich des § 197 RegE 1971 eine dem § 247 AktG entsprechende Vorschrift geschaffen werden. Nachdem eine Aufnahme in das GmbHG ausblieb, ist die aktienrechtliche Regelung nach allgemeiner Auffassung für die GmbH-rechtliche Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage analog anzuwenden.1

1036

Umstritten ist dagegen, ob auch die Streitwertbegrenzung in § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG entsprechende Anwendung findet, wonach der Regelstreitwert des § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG auf ein 1/10 des Grundkapitals, höchstens aber 500.000 Euro begrenzt ist, wenn nicht eine höher zu bewertende Bedeutung für den Anfechtungskläger gegeben ist. Von der überwiegenden Ansicht wird dies mit Hinweis darauf verneint, dass der Ansatz, kleine Aktionäre großer Gesellschaften vor unverhältnismäßig hohen Streitwerten zu schützen, sich nicht auf die GmbH übertragen lasse.2

1037

Der Geschäftsanteil des Klägers begrenzt auch hier den Streitwert der Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage nicht.3 Für den Wert des Geschäftsanteils ist maßgeblich auf den Verkehrswert der Gesellschaftsanteile abzustellen. Bei einer Schätzung auf Grundlage des Buchwerters ist – wenn möglich – der Umfang der stillen Reserven aufzuklären.4 Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte kann von einem Abfindungsguthaben auf den Verkehrswert der Geschäftsanteile geschlossen werden.5

1038

Geht es bei der Nichtigkeitsklage gegen einen GmbH-Beschluss wirtschaftlich nur um das Stimmrecht, dann ist der Streitwert geringer als der volle Anteil des Gesellschafters am Stammkapital anzusetzen.6

1039

Für schlechthin unanwendbar hat das OLG Frankfurt7 die Vorschrift des § 247 AktG in dem Fall erklärt, dass die Anfechtungsklage sich gegen einen Gesellschafterbeschluss richtet, durch den ein Geschäftsführer abberufen wird. Der Wert dieser Klage ist für die Beschwer nach § 9 ZPO und für die Gebühren nach § 42 Abs. 3 GKG (§ 17 Abs. 3 GKG a.F.) zu bemessen. S. näher dazu das Stichwort „Organe“ Rn. 4391 ff.

1040

Die Beschwer des Beklagten bei Stattgabe einer Anfechtungsklage gegen Beschluss über die Einziehung eines Geschäftsanteils richtet sich nach dem 1 BGH, Beschl. v. 5.7.1999 – II ZR 3131/97, NZG 1999, 999 = NJW-RR 1999, 1485; NJW-RR 2002, 823; OLG Frankfurt, JurBüro 1968, 829; OLG München, Beschl. v. 18.12.2007 – 7 W 1875/07, GmbHR 2008, 1267; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Anfechtungsklagen“ Rn. 10; Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 153; Musielak/ Heinrich, § 13 Rn. 23 Stichwort „Anfechtungsklagen“. 2 BGH, Beschl. v. 5.7.1999 – II ZR 3131/97, NZG 1999, 999 = NJW-RR 1999, 1485; OLG Frankfurt, GmbHR 1995, 300; JurBüro 1968, 829; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Anfechtungsklagen“ Rn. 10; Musielak/Heinrich, § 3 Rn. 23 unter „Anfechtungsklagen“; Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 153; a.A. ohne Auseinandersetzung mit dem Streitstand OLG München, Beschl. v. 18.12.2007 – 7 W 1875/07, GmbHR 2008, 1267; Happ/Pfeifer, ZGR 1991, 103 (120); offen lassend BGH, Beschl v. 10.11.2009 – II ZR 196/08, NZG 2009, 1438. 3 KG, Rpfleger 1962, 154. 4 OLG Rostock, Urt. v. 19.12.2007 – 6 U 103/06, OLGR 2009, 97. 5 OLG München, Beschl. v. 18.12.2007 – 7 W 1875/07, GmbHR 2008, 1267. 6 OLG Frankfurt, GmbHR 1956, 92. 7 OLG Frankfurt, NJW 1968, 2112 = JurBüro 1968, 829.

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Kurpat

Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen Interesse an der Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses und damit grundsätzlich nach dem betroffenen Geschäftsanteil. Eine streitgenössische Nebenintervention unterstützender Gesellschafter rechtfertigt aufgrund wirtschaftlicher Identität der Streitgegenstände keine Wertaddition.1

C. Genossenschaft Über die entsprechende Anwendung des § 247 Abs. 1 AktG auf die Anfechtung genossenschaftlicher Beschlüsse besteht kein Streit. Auch hier ist nicht nur das Interesse des Klägers streitwertbestimmend, sondern es ist die Bedeutung der Sache für beide Parteien zu berücksichtigen.2

1041

Insgesamt ist der Streitwert nach freiem Ermessen gem. § 3 ZPO zu schätzen. Dabei sind die gesamten Verhältnisse des Einzelfalles unter Berücksichtigung des Interesses der Genossenschaft an der Aufrechterhaltung des angefochtenen Beschlusses zu berücksichtigen.3

1042

Die Höhe des Geschäftsanteils eines anfechtenden Genossen begrenzt den Streitwert der gem. § 51 GenG erhobenen Anfechtungsklage nicht.4

1043

Der mit der Anfechtungsklage verbundene zusätzliche Antrag auf Feststellung, dass der jeweilige Leiter der Generalversammlung verpflichtet sei, einen näher bezeichneten Antrag zur Abstimmung vorzulegen, ist vom OLG Bamberg5 als nichtvermögensrechtliche Angelegenheit angesehen worden.

1044

Der Streitwert für die Anfechtung von Wahlhandlungen zur Vertreterversammlung einer Genossenschaft bemisst das OLG Schleswig6 im Hinblick auf die gegenüber den Wahlen zum Vorstand oder Aufsichtsrat geringere Bedeutung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Beteiligung des Klägers (Genossenschaftsanteile im Nomialwert von 1.000 Euro) und dem Interesse der Gesellschaft an der Vermeidung einer Wiederholung der Wahl auf 15.000 Euro.

1045

D. Gewerk Die Anfechtungsklage eines Gewerken gegen den Beschluss einer Gewerkenversammlung ist ebenfalls analog § 247 Abs. 1 AktG zu bewerten.7

1 BGH, Urt. v. 30.4.2001 – II ZR 328/00, GmbHR 2001, 576 = MDR 2001, 798 = DStR 2001, 1086 = NJW 2001, 2638. 2 OLG Naumburg, Beschl. v. 14.9.1998 – 12 W 25/98, JurBüro 1999, 310; OLG Bamberg, Beschl. v. 18.2.1980 – 3 W 70/79, JurBüro 1980, 759; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.10.2008 – 5 W 51/08, NZG 2009, 434 = SchlHA 2009, 131; OLG Zweibrücken, Urt. v. 27.6.2006 – 8 U 86/05, OLGR 2007, 750: Hüffer, AktG, § 247 Rn. 3; Musielak/ Heinrich, § 3 ZPO Rn. 23 unter „Anfechtungsklagen“. 3 OLG Naumburg, Beschl. v. 14.9.1998 – 12 W 25/98, JurBüro 1999, 310; OLG Oldenburg, NJW 1953, 1716. 4 OLG Naumburg, Beschl. v. 14.9.1998 – 12 W 25/98, JurBüro 1999, 310; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.4.1951 – 6 W 22/51, JurBüro 1951, 303. 5 OLG Bamberg, JurBüro 1980, 759. 6 OLG Schleswig, Beschl. v. 6.10.2008 – 5 W 51/08, NZG 2009, 434 = SchlHA 2009, 131. 7 BGH, Warneyer 1969 Nr. 277 = MDR 1970, 218 = Rpfleger 1970, 18 = BB 1969, 1453.

Kurpat

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Angebot der Gegenleistung

E. OHG und KG 1047

Auf die OHG und die KG ist § 247 AktG nicht anzuwenden, da es an einer zur GmbH, der Genossenschaft und der bergrechtlichen Gewerkschaft gleichartigen Ausgangslage fehlt. Dort lässt sich die Analogie damit begründen, dass von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen eines einzelnen Klägers auch ein höher zu bewertendes Interesse der juristischen Person an der Aufrechterhaltung des Beschlusses betroffen wird. Diese Voraussetzungen sind bei der OHG und der KG nicht gegeben.1

Angebot der Gegenleistung 1048

Der Streitwert der Klageforderung wird nicht dadurch gemindert, dass der Kläger im Klageantrag die dem Beklagten geschuldete Gegenleistung anbietet. Etwas anderes gilt nur, wenn der Kläger selbst die Gegenforderung, etwa durch Aufrechnung, von der Klageforderung absetzt.2 S. auch das Stichwort „Gegenleistung“.

Anmeldung zum Handelsregister A. Bewertungsgrundsätze 1049

Bei der Klage auf Mitwirkung der Anmeldung zum Handelsregister, beispielsweise auf Verurteilung des Beklagten, eine Eintragung im Handelsregister anzumelden, handelt es sich um eine Leistungsklage auf Abgabe einer Willenserklärung. Der Streitwert ist nach § 3 ZPO zu schätzen.3 In der Regel wird dabei ein Bruchteil i.H.v. 1/10 bis 1/4 des Anteils des klagenden Gesellschafters angesetzt.4

1050

Immer kommt es aber auf die Umstände des Einzelfalles an, etwa darauf, ob die anzumeldende Tatsache zwischen den Parteien streitig ist oder nicht, ob es sich lediglich um eine förmliche Registerbereinigung handelt oder um eine gewichtige, die Rechtsstellung eines Gesellschafters grundsätzlich betreffende Eintragung.5 Deshalb darf nie unter Übergehen der Einzelheiten mit einem „Regel-Bruchteil“ bewertet werden.6

1 BGH, Beschl. v. 21.2.2002 – II ZR 91/00, AG 2003, 318 = NZG 2002, 518 = NJW-RR 2002, 823 – betr. Streit zwischen den Gesellschaftern einer zweigliedrigen KG; Hüffer, AktG, § 247 Rn. 3; Musielak/Heinrich, § 3 Rn. 23 unter „Anfechtungsklagen“. 2 LG Münster, JMBl.NW 1951, 10. 3 Allg. Meinung, vgl. etwa BGH, Beschl. v. 14.10.1987 – IVa ZR 84/87, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 892. 4 S. OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1884 – 4 W 73/83, JurBüro 1984, 856. 5 BGH, Beschl. v. 19.2.1979 – II ZR 71/78, JurBüro 1979, 977 = Rpfleger 1979, 194. 6 BGH, Beschl. v. 14.10.1987 – IVa ZR 84/87, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 892.

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N. Schneider

Anmeldung zum Handelsregister

B. Rechtsprechungsübersicht Der Streitwert einer Klage gegen einen ausgeschiedenen Kommanditisten einer KG, die zu seiner Löschung im Handelsregister erforderlichen Erklärungen abzugeben, ist nicht gleichzusetzen mit der Höhe der eingetragenen Kommanditeinlage.1

1051

Ebenso liegt es, wenn nur eine deklaratorisch bedeutsame Eintragung (als persönlich haftender Gesellschafter) erstrebt wird.

1052

Für den Antrag, den Beklagten zur Mitwirkung bei der Löschung seiner Eintragung als Gesellschafter im Handelsregister zu verurteilen, ist neben dem Streitwert der Klage auf Feststellung des Ausgeschiedenseins kein gesonderter Wert festzusetzen, weil dieser Antrag neben dem Feststellungsantrag keine selbständige Bedeutung hat.2

1053

Die Klage auf Verurteilung, die Änderung einer gemeinsamen Firma zum Handelsregister anzumelden, ist vom OLG Bamberg3 mit 1/10 des Werts des Gesellschaftsanteils des Klägers beziffert worden.

1054

Geht es um die Eintragung als Kommanditist, dann ist nicht vom Buchwert oder steuerlichen Wert des Anteils auszugehen, sondern von dem wirklichen Wert des Kommanditanteils unter Berücksichtigung stiller Reserven. Der so gefundene Wert ist jedoch nur mit einem Bruchteil anzunehmen, weil mit der Klage auf Anmeldung zum Handelsregister keine rechtskräftige Entscheidung über die Zugehörigkeit zur Gesellschaft herbeigeführt werden kann.4

1055

Ist das Ausscheiden eines Kommanditisten aus einer KG unstreitig und klagt der persönlich haftende Gesellschafter deshalb nur auf Verurteilung zur Mitwirkung der Anmeldung zum Handelsregister, dann ist das Interesse des Klägers an der Offenlegung des wirklichen Beteiligungsverhältnisses nach außen wertbestimmend. Dieses Interesse ist gering zu bewerten; im Regelfall ist ein Ansatz i.H.v. 1/10 der Einlage angemessen.5 Es ist höher anzusetzen, wenn der Gegner auf seiner Gesellschafterstellung beharrt (Rn. 1059).

1056

Der Antrag auf Verurteilung des Beklagten, im Handelsregister die Eintragung einer bestimmten Person als Gesamtprokurist neben einem persönlich haftenden Gesellschafter zu beantragen, ist vom OLG Köln6 mit 1/10 des Wertes des Gesellschaftsanteils des Klägers bemessen worden.

1057

Hat ein Kommanditist sich mit einer Einlage von 40.000 DM an einer zum Betrieb einer Apotheke errichteten Kommanditgesellschaft beteiligt und außerdem der Gesellschaft ein Darlehen von 80.000 DM gewährt und hat die Gesellschaft bereits vor Eintragung in das Handelsregister ihre Geschäfte begonnen, so ist für eine Klage des Kommanditisten gegen den persönlich haftenden Gesellschafter auf Mitwirkung bei der Anmeldung der Kommanditgesellschaft zum Handelsregister der Betrag von 10.000 DM als angemessener Streitwert angenommen worden.7

1058

1 2 3 4 5 6 7

OLG Koblenz, Beschl. v. 21.9.1953 – 5 W 478/53, Rpfleger 1956, 147. LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 7.8.1964 – 11 S 110/63, JurBüro 1964, 829. OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1984 – 4 W 73/83, JurBüro 1984, 756. BGH, Beschl. v. 14.10.1987 – IVa ZR 84/87, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 892. OLG Köln, DB 1971, 1055. OLG Köln, Beschl. v. 19.9.1973 – 2 W 113/73, MDR 1974, 53 = VersR 1974, 151. OLG Frankfurt, NJW 1959, 945.

Monschau

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Anspruchshäufung 1059

Auch bei einem Streit darüber, ob ein Kommanditist ausgeschieden ist, kann dessen Einlage nicht als maßgebend angesehen werden. Die Verurteilung, das Ausscheiden eines Gesellschafters zum Handelsregister anzumelden, enthält nämlich keine rechtskräftige Entscheidung darüber, ob der Beklagte der Gesellschaft noch angehört oder nicht (Rn. 1055). Das Eintragungsinteresse ist deshalb zwangsläufig geringer als dasjenige an einer Ausschließungs- oder Feststellungsklage. Die Höhe des Anmeldungsinteresses bestimmt sich wiederum danach, ob der Beklagte die Registeranmeldung verweigert und aus welchen Gründen, insbesondere ob er sich nach wie vor als Gesellschafter ansieht oder nicht. Das Beharren auf der Gesellschafterstellung muss sich in einem höheren Streitwert niederschlagen.1 Denn macht der Beklagte geltend, noch Gesellschafter zu sein, so kommt es für den Kläger nicht nur auf die förmliche Registerbereinigung, sondern auch darauf an, dem Beklagten die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten zu nehmen, die ihm das Handelsregister im Rechtsverkehr zu Lasten der Gesellschaft bieten könnte. Ein solches Interesse kann in der Regel nicht gering veranschlagt werden, wenn es um den vertretungsberechtigten Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft geht.2

1060

Der BGH hat in der in Rn. 1059 angeführten Entscheidung den Streitwert von zweitinstanzlich 25.000 DM auf drittinstanzlich 350.000 DM angehoben – ein verfassungsrechtlich allerdings schon bedenklicher Sprung in der Gebührentabelle, da damit der ursprünglichen Prozesskostenberechnung völlig die Grundlage entzogen wird.

1061

Bei der Berufung eines Kommanditisten, der ein Urteil auf Wiedereintragung der Klägerin als persönlich haftende Gesellschafterin angreift, ist wertbestimmend sein Interesse daran, diese Wiedereintragung zu verhindern. Dabei sind die Machtbefugnisse zu berücksichtigen, die nach außen hin mit einer solchen Eintragung verbunden sind, und die vermögensrechtlichen Auswirkungen gesellschaftlicher Entscheidungen auf die Rechtsstellung der anderen Gesellschafter. Der Streitwert ist nach § 3 ZPO zu schätzen.3

Annahmeverzug S. das Stichwort „Feststellungsklage“ bei Rn. 2277 ff.

Anspruchshäufung 1062

Mehrere Ansprüche gegen denselben Beklagten, die in einer Klage geltend gemacht werden (§ 260 ZPO), sind zusammenzurechnen (§ 5 ZPO). Hinsichtlich der Zuständigkeit gilt das nicht für den Gegenstand der Klage und Widerklage. Für die Gebühren gilt § 45 GKG (§ 19 GKG a.F.). 1 BGH, Beschl. v. 19.2.1979 – II ZR 71/78, JurBüro 1979, 977 = Rpfleger 1979, 194. 2 BGH, Beschl. v. 9.2.1978 – II ZB 1/78, KostRsp. § 3 ZPO Nr. 410 = MDR 1979, 736 = Rpfleger 1979, 194. 3 BGH, Beschl. v. 9.2.1978 – II ZB 1/78, KostRsp. § 3 ZPO Nr. 410 = MDR 1979, 736 = Rpfleger 1979, 194.

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Kurpat

Anwaltsvergütung Anspruchshäufung kann zu unterschiedlichen Prozesslagen führen. S. dazu das Stichwort „Mehrere Ansprüche“.

1063

Anstellungsvertrag eines Organs S. das Stichwort „Organe, Organmitglieder“.

Antragsänderung S. das Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung)“ Rn. 3649 ff., 3659 ff.

Antragsüberschreitung S. das Stichwort „Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO“.

Anwaltsbeiordnung S. das Stichwort „Beiordnung eines Notanwalts“.

Anwaltsvergütung A. Zuständigkeitstreitwert I. Klage des Anwalts Klagt der Anwalt seine Gebühren ein, richtet sich der Wert gem. § 3 ZPO nach dem verlangten Betrag. Auslagen und Umsatzsteuer (Nr. 7000 ff. VV RVG) sind in vollem Umfang zu berücksichtigen. Es handelt sich keineswegs um Nebenforderungen i.S. des § 4 Abs. 1 ZPO.

1064

II. Klage des Auftraggebers gegen den Anwalt 1. Rückzahlung Verlangt der Auftraggeber vom Anwalt Rückzahlung bereits geleisteter Anwaltsvergütung, insbesondere nicht verbrauchter Vorschüsse, richtet sich der Wert ebenfalls nach § 3 ZPO. Maßgebend ist der verlangte Betrag.

1065

2. Abrechnung Verlangt der Auftraggeber lediglich Abrechnung (§ 10 Abs. 2 RVG), so ist das Interesse an der Abrechnung nach § 3 ZPO zu schätzen. Abzustellen sein N. Schneider

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1066

Anwaltsvergütung dürfte auf einen Bruchteil des möglichen Hauptsacheanspruchs (i.d.R. Rückzahlung zu viel gezahlter Beträge oder Vorschüsse). 3. Abrechnung und Zahlung 1067

Verlangt der Auftraggeber im Wege der Stufenklage Abrechnung und eine nach Abrechnung noch zu bezifferte Rückzahlung, so sind die Werte für den Zuständigkeitsstreitwert nach § 5 ZPO zu addieren. S. das Stichwort „Stufenklage“ Rn. 5035 ff.

III. Klage des Auftraggebers gegen Dritte 1. Erstattung 1068

Wird gegen einen Dritten auf Erstattung bereits aufgewandter Anwaltskosten geklagt, richtet sich der Wert ebenfalls nach § 3 ZPO. Maßgebend ist der verlangte Betrag. 2. Freistellung

1069

Wird von einem Dritten Freistellung verlangt, richtet sich der Wert ebenfalls nach § 3 ZPO. S. hierzu „Befreiung von einer Verbindlichkeit“ Rn. 1554 ff. 3. Erstattung oder Freistellung neben Hauptforderung

1070

Werden Anwaltsgebühren neben einer Hauptforderung als Schadensposition mit eingeklagt, handelt es sich um Nebenforderungen i.S. des § 4 Abs. 1 ZPO, soweit die Anwaltsgebühren aus den mit eingeklagten Gegenständen resultieren. Unerheblich ist insoweit, ob Freistellung oder Erstattung verlangt wird.

1071

Soweit Anwaltskosten aus bereits erledigten Schadenspositionen geltend gemacht werden, handelt es sich dagegen um Hauptforderungen. S. hierzu ausführlich „Vorgerichtliche Kosten“ Rn. 5951 ff.

B. Beschwer 1072

Die Beschwer berechnet sich nach den gleichen Grundsätzen wie der Zuständigkeitsstreitwert. Es gelten keine Besonderheiten. Lediglich die Beschwer des Anwalts bei einer Verurteilung zu Abrechnung dürfte geringer zu bewerten sein und sich am Aufwand für die Erstellung der Abrechnung orientieren. S. das Stichwort „Auskunftsanspruch“ Rn. 1408.

C. Gebührenstreitwert I. Zahlungsklage 1. Klage 1073

Der Wert einer Klage auf Zahlung einer Anwaltsvergütung oder auf Rückzahlung geleisteter Vergütungen oder Vorschüsse wird auch für den Gebühren174

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Anwaltsvergütung streitwert nach § 3 ZPO bemessen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG). Das gilt auch für den Anwalt (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG). Stützt der Anwalt seinen Vergütungsanspruch primär auf eine Vergütungsvereinbarung und hilfsweise auf die gesetzliche Vergütung, so handelt es sich nur um eine Hilfsbegründung, nicht um einen Hilfsantrag, sodass dadurch keine Werterhöhung nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG eintritt.

1074

* Æ Beispiel: Der Anwalt klagt auf Zahlung von 3.000 Euro aufgrund einer Vergütungsvereinbarung. Der Beklagte bestreitet die Wirksamkeit der Vereinbarung und ist ohnehin der Auffassung, nichts zahlen zu müssen. Für den Fall, dass die Vergütungsvereinbarung tatsächlich unwirksam sein sollte, verlangt der Kläger die gesetzliche Vergütung, die sich nach seiner Auffassung auf 2.000 Euro beläuft. Der Streitwert beläuft sich nur auf 3.000 Euro, da insgesamt nur ein Zahlungsanspruch i.H.v. maximal 3.000 Euro geltend gemacht wird.

2. „Hilfsaufrechnung“ des Auftraggebers Erklärt der beklagte Auftraggeber gegenüber dem von ihm bestrittenen Vergütungsanspruch hilfsweise die Aufrechnung mit einem auf Freistellung von der Vergütungsforderung gerichteten Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Mandatsführung, handelt es sich nicht um eine Hilfsaufrechnung. Dieser Einwand führt daher nicht zu einer Streitwerterhöhung.1 Der Schaden, den der Auftraggeber geltend macht, besteht dann in einer Verbindlichkeit aus einem aufgedrängten oder nutzlos gewordenen Vertrag, sodass der Anspruch auf die Gegenleistung erst gar nicht geltend gemacht werden kann. Einer Aufrechnung bedarf es daher nicht.2 Für den Rechtsanwalt hat ein entsprechender gegen ihn gerichteter Schadensanspruch unmittelbar den Verlust des Vergütungsanspruchs zur Folge, ohne dass es einer Aufrechnung bedarf.3 Gleiches gilt, wenn der Anwalt ohne Grund gekündigt hat und der Mandant einwendet, an der Leistung des Anwalts kein Interesse mehr zu haben, weil er einen anderen Rechtsanwalt beauftragen und vergüten musste.4

1075

3. Klage und Widerklage Erhebt der Anwalt einerseits Klage auf Zahlung ausstehender Vergütung und klagt der Auftraggeber im Wege der Widerklage andererseits auf Rückzahlung geleisteter Vergütung oder Vorschüsse, sind die Werte nach § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG zu addieren. Gleiches gilt im umgekehrten Fall. Auch wenn in der Regel dem einen Antrag nicht stattgegeben werden kann, ohne den anderen abzuweisen, fehlt es an der erforderlichen wirtschaftlichen Identität, sodass nicht derselbe Streitgegenstand i.S. des § 45 Abs. 1 GKG gegeben ist.

1 BGH, Beschl. v. 9.7.2009 – IX ZR 135/08, WM 2009, 1818 = FamRZ 2009, 1663, AGS 2009, 495 = MDR 2009, 1251 = AnwBl. 2010, 142 = BRAK-Mitt. 2009, 244 u. 286 (hier Verstoß gegen § 49b Abs. 5 BRAO). 2 S. auch BGH, Beschl. v. 19.1.1978 – VII ZR 175/75, BGHZ 70, 240, 245 = NJW 1978, 814 = MDR 1978, 483 = BauR 1978, 224 = WM 1978, 324. 3 BGH, MDR 1977, 476 f.; NJW 1982, 437; NJW 1997, 188 f. 4 BGH, NJW 1995, 1954; NJW 1997, 188; NJW 2004, 2817; s. auch Senat, MDR 2005, 1140; AGS 2009, 6.

N. Schneider

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Anwaltsvergütung

* Æ Beispiel: Der Anwalt hatte einen Vorschuss von 5.000 Euro erhalten. Er klagt auf Zahlung restlicher Vergütung i.H.v. 4.000 Euro, da er von einer Gesamtvergütung i.H.v. 9.000 Euro ausgeht. Der Beklagte beantragt Klageabweisung und verlangt widerklagend 2.000 Euro bereits gezahlter Vergütung zurück, da er der Auffassung ist, insgesamt nur 3.000 Euro zu schulden, also bereits zu viel gezahlt zu haben. Die Werte von Klage und Widerklage sind zu addieren. Der Streitwert beläuft sich auf 5.000 Euro.

II. Abrechnung 1077

Verlangt der Auftraggeber lediglich Abrechnung (§ 10 Abs. 2 RVG), so ist das Interesse an der Abrechnung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO zu schätzen. Abzustellen sein dürfte auf einen Bruchteil des möglichen Hauptsacheanspruchs (i.d.R.) Rückzahlung zu viel gezahlter Beträge oder Vorschüsse.

III. Abrechnung und Zahlung (Stufenklage) 1078

Verlangt der Auftraggeber im Wege der Stufenklage Abrechnung und Rückzahlung zu viel gezahlter Beträge oder nicht verbrauchter Vorschüsse, sind die Ansprüche einzeln zu bewerten. Es gilt dann der höhere Wert (§ 44 GKG). S. „Stufenklage“ Rn. 5035 ff.

IV. Kosten des Rechtsstreits 1079

Anwaltsgebühren, die für die Vertretung im Rechtsstreit anfallen, sind schon deshalb nicht zu bewerten, weil sie nicht Streitgegenstand sind. Sie werden erst zum Streitgegenstand, wenn nur noch die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen sind, etwa im Falle einer übereinstimmenden Hauptsacheerledigung. Dann ist nach § 43 Abs. 3 GKG der Wert der Kosten maßgebend, wobei dieser allerdings den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigen darf.

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Soweit zu diesem Zeitpunkt die genaue Höhe der Anwaltsgebühren noch nicht feststeht, ist deren Wert gem. § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO zu schätzen.

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Für die Gerichtsgebühren wird dieser Wert grundsätzlich keine Bedeutung haben, da das GKG kaum noch Stufenstreitwerte kennt. Eine Wertfestsetzung von Amts wegen nach § 63 GKG hat dann zu unterbleiben. Die Festsetzung erfolgt nur auf Antrag nach § 33 RVG.

* Æ Beispiel: Der Rechtsstreit über 5.000 Euro wurde in der Hauptsache übereinstimmend vor der mündlichen Verhandlung für erledigt erklärt. In der mündlichen Verhandlung werden wechselseitige Kostenanträge gestellt. Die 3,0-Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen wird aus dem Wert von 5.000 Euro erhoben. Die spätere Erledigung hat auf die Gerichtsgebühren keinen Einfluss. Eine Wertfestsetzung nach § 63 GKG für den Kostenstreitwert ist daher unzulässig. Für die Anwälte ist der Kostenstreitwert dagegen von Bedeutung, da hieraus eine Terminsgebühr anfällt. Hier muss das Gericht auf Antrag nach § 33 RVG einen Wert

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N. Schneider

Anwaltsvergütung festsetzen. Der Wert der Kosten berechnet sich nach dem Wert der bislang angefallenen Gerichtskosten (3,0) sowie der bislang angefallenen Kosten beider Anwälte, die ggf. zu schätzen sind.

Nur soweit das GKG noch Stufenstreitwerte vorsieht, etwa bei einem Kostenwiderspruch nach einem Mahnbescheid oder einer einstweiligen Verfügung, ein ist eine entsprechende gestaffelte Wertfestsetzung nach § 63 GKG zulässig und geboten.

1082

* Æ Beispiel: Der Antragsteller hatte einen Mahnbescheid über 5.000 Euro erwirkt. Der Antragsgegner zahlt sofort die 5.000 Euro und legt einen nur auf die Kosten beschränkten Widerspruch ein. Im Mahnverfahren ist die 0,5-Gebühr (Nr. 1100 KV GKG) aus 5.000 Euro entstanden. Im nachfolgenden streitigen Verfahren entsteht die 3,0-Gebühr (Nr. 1210 KV GKG) – auf die die 0,5-Gebühr anzurechnen ist (Anm. zu Nr. 1210 KV GKG) – dagegen nur aus dem Wert der Kosten, der jetzt nach § 63 Abs. 2 GKG festzusetzen ist. Hier ist sogar nach § 63 Abs. 1 GKG eine vorläufige Wertfestsetzung geboten. Der Wert der Kosten berechnet sich nach dem Wert der bislang angefallenen Gerichtskosten (0,5) sowie der Kosten beider Anwälte, die ggf. wiederum zu schätzen sind.

* Æ Beispiel: Der Antragsteller hatte eine einstweilige Verfügung erwirkt. Der Antragsgegner erkennt den Verfügungsanspruch außergerichtlich sofort an und gibt eine Unterlassungserklärung ab. Gegen die Kosten, die ihm durch die Verfügung auferlegt worden sind, legt er Widerspruch ein, über den durch Urteil entschieden wird. Im Verfügungsverfahren ist die 1,5-Gebühr aus dem Wert der Hauptsache entstanden (Nr. 1410 KV GKG). Durch das nachfolgende Verfahren über den Widerspruch erhöht sich die 1,5-Gebühr nach Nr. 1412 KV GKG aus dem Wert der Kosten auf 3,0. Das Gericht muss daher den Wert der Kosten nach § 63 Abs. 2 GKG festsetzen. Der Wert der Kosten berechnet sich nach dem Wert der bislang angefallenen Gerichtskosten (1,5) sowie der Kosten beider Anwälte, die ggf. zu schätzen sind.

V. Vorgerichtliche Kosten 1. Isolierte Klage Werden vorgerichtliche Kosten selbständig eingeklagt, sind sie Hauptforderung. Der eingeklagte Betrag ist maßgebend (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO).

1083

2. Kostenerstattung neben Hauptsache Werden vorgerichtliche Kosten neben dem zugehörigen Hauptsacheanspruch geltend gemacht, handelt es sich in der Regel um Nebenforderungen nach § 43 Abs. 1 GKG, die dem Wert der Hauptsache nicht hinzugerechnet werden.

1084

Soweit aus den Kosten allerdings gesonderte Gebühren anfallen, ist deren Wert nach § 43 Abs. 2 GKG maßgebend.

1085

* Æ Beispiel: Im Termin zur mündlichen Verhandlung weist das Gericht darauf hin, dass die Klage i.H.v. 5.000 Euro zwar schlüssig sei, nicht jedoch der Antrag auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen 1,3-Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) nebst Auslagen und Umsatzsteuer i.H.v. 489,45 Euro. Nach Erörterung wird der Antrag auf Ersatz der

N. Schneider

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Anwartschaftsrechte vorgerichtlichen Kosten zurückgenommen. Im Übrigen beantragt der Kläger ein Versäumnisurteil. Aus dem Wert der Hauptsache (Wert: 10.000 Euro) ist lediglich eine 0,5-Terminsgebühr nach Nrn. 3104, 3105 VV RVG angefallen, da insoweit bei Säumnis des Beklagten lediglich ein Versäumnisurteil beantragt wurde. Die vorgerichtlichen Kosten werden gem. § 43 Abs. 1 GKG nicht hinzugerechnet. Aus dem Wert der vorgerichtlichen Kosten i.H.v. 489,45 Euro ist dagegen die volle 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG angefallen, da diese jetzt alleine betroffen sind und damit den Wert bestimmen (§ 43 Abs. 2 GKG). Insgesamt darf jedoch nach § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr abgerechnet werden, als eine 1,2-Terminsgebühr aus dem Gesamtwert, der sich nach § 43 Abs. 1 GKG nur auf 10.000 Euro beläuft, da beim Gesamtwert die Kosten nicht hinzugerechnet werden dürfen.1 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 Euro) 2. 0,5-Terminsgebühr, Nrn. 3104, 3105 VV RVG (Wert: 10.000 Euro) 243,00 Euro 3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 489,45 Euro) 54,00 Euro (die Begrenzung nach § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als 1,2 aus 10.000 Euro (583,20 Euro) ist nicht erreicht 4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 948,80 Euro 5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

631,80 Euro

20,00 Euro 180,27 Euro 1.129,07 Euro

3. Kostenerstattung aus anderer Hauptsache 1086

Soweit Anwaltsgebühren eingeklagt werden, die sich aus anderweitigen Gegenständen, die nicht (mehr) anhängig sind, ergeben, liegt keine Nebenforderung i.S. des § 43 Abs. 1 GKG vor. Der Wert dieser Anwaltsgebühren ist dann dem Wert der Hauptsache hinzuzurechnen. S. hierzu ausführlich „Vorgerichtliche Kosten“ Rn. 5951 ff.

1087

Dies gilt erst recht, wenn Kosten aus einer völlig anderen Hauptsache in Wege der Klagenhäufung mit eingeklagt werden.

Anwartschaftsrechte A. Einleitung 1088

Eine Anwartschaft ist die Vorstufe zum Erwerb eines Rechts. Dabei werden solche Rechtspositionen als Anwartschaftsrechte bezeichnet, bei denen vom mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass der Veräußerer die Rechtsposition des Erwerbs nicht mehr durch einseitige Erklärung zerstören kann. Die wichtigsten Fallgestaltungen sind der Eigentumsvorbehalt bei Erwerb einer Sache unter einer aufschiebenden Bedingung (§ 449 BGB), die Sicherungsübereignung sowie die Stellung des Grundstückserwerbers zwischen Eintragungsantrag und Grundbucheintragung. 1 OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2002 – 17 W 232/05, AGS 2006, 224 = JurBüro 2006, 254.

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Anwartschaftsrechte

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Wie Ansprüche zu bewerten sind, die aus einem Anwartschaftsrecht abgeleitet werden, hängt vom konkreten Klageantrag ab.

1089

I. Herausgabeanspruch Wird ein unter Eigentumsvorbehalt gelieferter oder zur Sicherheit übereigneter Gegenstand herausverlangt, dann ist § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG anzuwenden. Maßgeblich ist entweder der Wert der herausverlangten Sache oder der geringere Wert der Forderung, wegen derer ein Pfandrecht begründet ist.1

1090

II. Rückübertragungsanspruch Verlangt der Sicherungsgeber vom Sicherungsnehmer die Rückübertragung des Sicherungseigentums mit der Behauptung, dass die zu sichernde Forderung erfüllt sei, so richtet sich der Wert des Anspruchs nach dem Wert der streitigen Forderung, wenn dieser geringer ist als der Wert der Sache. § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG ist auf diese Fälle entsprechend anzuwenden, da das Sicherungseigentum dem Pfandrecht näher steht als dem Volleigentum.2

1091

III. Sicherungsanspruch In der Regel werden aber aus Anwartschaftsrechten nur Sicherungsansprüche oder bedingte Ansprüche hergeleitet. In diesen Fällen ist der Wert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen, wobei die Wahrscheinlichkeit eines Erwerbs des Vollrechts und die Gefahr einer Vereitelung dieses Erwerbs zu berücksichtigen sind. Das Sicherungsinteresse als solches wird in der Regel mit einem Bruchteil des Wertes des zu sichernden Anspruchs angesetzt. Ausnahmsweise kann der volle Wert erreicht werden, wenn dem Kläger oder Gläubiger ohne die verlangte Sicherheit der völlige Ausfall seines Rechts droht. Anhaltspunkte für die Schätzung werden in erster Linie diejenigen Leistungen sein, die der Anwartschaftsberechtigte bereits erbracht hat, beispielsweise eine Kaufpreiszahlung.

1092

* Æ Beispiel:

1093

Lässt der Käufer, um seinen Erfüllungsanspruch zu sichern, dem Verkäufer verbieten, den verkauften Pkw anderweit zu veräußern, stellt das OLG Koblenz3 auf den Wagenwert ab, den es im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf 1/3 reduziert.

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.10.2003 – 24 U 158/01, MDR 2003, 356. 2 BGH, NJW 1959, 939; vgl. auch das Stichwort „Sicherungsübereignung“. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 2 W 161/93, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1165 = JurBüro 1994, 738.

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Arbeitnehmer

Arbeitnehmer Literatur: Schumann, NJW 1961, 2297; E. Schneider, JurBüro 1969, 803.

A. Anzuwendende Vorschriften 1094

Ansprüche von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen sind gem. § 42 Abs. 3 GKG nach dem dreifachen Betrag des einjährigen Bezuges zu bewerten, sofern nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Letzterenfalls ist der geringere Betrag wertbestimmend.

1095

Der Streitwert für arbeitsrechtliche Streitigkeiten aus Arbeitsverhältnissen einschließlich der Änderungsschutzklage1 ist in § 42 Abs. 4 GKG (vormals § 12 Abs. 7 ArbGG) selbständig geregelt. – Änderungsschutzklagen sind als Streitigkeiten um wiederkehrende Leistungen gem. § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG regelmäßig mit dem dreifachen Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistung zu bemessen. Gleichzeitig ist dabei allerdings zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen die in § 42 Abs. 3 GKG geregelte Streitwertobergrenze für Bestandsschutzstreitigkeiten zu beachten. Denn es wäre nicht zu rechtfertigen, dass der Streitwert einer bloßen Änderungsschutzklage den Wert einer Bestandsschutzklage, für die die Kappungsgrenze des § 42 Abs. 3 GKG gilt, übersteigen könnte.2

1096

Der dreifache Betrag der jährlichen Bezüge ist, entsprechend § 42 Abs. 3 GKG, bei Rechtsstreitigkeiten über wiederkehrende Leistungen maßgebend. Im Übrigen gelten andere Wertgrundsätze. Insbesondere sind Bestandsstreitigkeiten höchstens mit dem Betrag des vierteljährlichen Arbeitsentgelts zu bewerten. Auch wenn die auf denselben Kündigungskomplex beruhenden fristlosen und hilfsweise ordentlichen Tat- und Verdachtskündigungen der Arbeitgeberin in vier getrennten Schreiben ausgesprochen worden sind, ist für den diesbezüglich geführten Bestandsstreit der Höchstwert des § 42 Abs 3 Satz 1 GKG zu beachten.3 – Der Vergleichsmehrwert für eine Ausgleichsklausel in dem das Kündigungsschutzverfahren beendenden Prozessvergleich richtet sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Arbeitnehmers an der Aufnahme dieser Klausel in den Vergleich. Hierbei ist auf das Schadensersatzrisiko abzustellen, dem sich der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses bei realistischer Betrachtung ausgesetzt sehen musste.4 Zu berücksichtigen sind konkrete Schadensersatzforderungen bzw. -berechnungen der Arbeitgeberin ebenso wie greifende Grundsätze der eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung. Daher kann auch bei einer grob fahrlässigen Schadenverursachung eine Haftungsobergrenze greifen, wenn im Hinblick auf den konkret einge-

1 A.A. BAG EzA § 12 ArbGG Nr. 64 mit abl. Anm. E. Schneider = KostRsp. ArbGG § 12 Nr. 199 mit abl. Anm. E. Schneider = DB 1989, 1880. 2 LAG Köln v. 7.4.2010 – 6 Ta 96/10 – juris. 3 LAG Nürnberg v. 1.3.2010 – 4 Ta 171/09, juris; LAG Schleswig-Holstein v. 4.6.2009 – 6 Ta 106/09, juris; LAG Rheinland-Pfalz v. 11.6.2007 – 1 Ta 103/07, juris. 4 LAG Nürnberg v. 1.3.2010 – 4 Ta 171/09 – juris.

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Arbeitnehmer tretenen Schaden und das Bruttomonatseinkommen des Arbeitnehmers ein grobes Missverhältnis festzustellen ist.1 – Beantragt der Betriebsrat die Unterlassung der Verletzung grundlegender Mitbestimmungsrechte aus §§ 87 und 99 BetrVG, ist der Streitgegenstand nichtvermögensrechtlicher Natur und sein Wert nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG festzusetzen.2 Dabei stellt der Wert von 4.000,00 EUR keinen Regelwert dar, von dem nur unter bestimmten Umständen abgewichen werden kann, sondern vielmehr einen Hilfswert, auf den nur dann zurückzugreifen ist, wenn alle Möglichkeiten für eine individuelle Bewertung ausgeschöpft sind. Solche Anhaltspunkte ergeben sich u.a. aus der wirtschaftlichen Interessenlage der Beteiligten, aus der Bedeutung, dem Umfang und der Schwierigkeit einer Sache.3 – Bei einem Streit darüber, ob die in einem gerichtlichen Vergleich titulierte Unterlassungspflicht verletzt worden ist, ist der Gebührenstreitwert nicht nach der Höhe des beantragten Ordnungsgeldes, sondern nach dem Wert des Erzwingungsinteresses festzusetzen, wobei als Richtschnur der Wert für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legen ist.4 Dabei kann ein Abschlag erfolgen, weil regelmäßig das Interesse des die Zwangsvollstreckung betreibenden Antragstellers nicht soweit wie das Interesse an der Hauptsache geht.5 Dagegen ist nicht die Höhe des beantragten Zwangsmittels maßgebend.6 Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich der Schuldner gegen die Höhe des festgesetzten Ordnungs- und Zwangsgeldes wendet.7 Wird vor den allgemeinen Zivilgerichten eine negative Feststellungsklage erhoben wegen des Bestehens eines freien, fristlos gekündigten Mitarbeiterverhältnisses, dann ist der Streitwert nach § 3 ZPO zu schätzen.8 Jedoch ist § 42 Abs. 3 GKG Richtlinie, wobei auf die Bruttovergütung, nicht auf die Nettovergütung abzustellen ist.9

1097

Auf Feststellungsklagen, mit denen ein ziffernmäßig genau bestimmbarer Zahlungsanspruch geltend gemacht wird, ist § 42 Abs. 3 GKG unanwendbar.10

1098

B. Begriff Arbeitnehmer i.S. des § 42 Abs. 3 GKG ist jeder unselbständig Beschäftigte, der auch freier Mitarbeiter sein kann.11 1 2 3 4 5 6 7 8

9 10 11

BAG v. 15.11.2001 – 8 AZR 95/01, NZA 2002, 612. LAG Rheinland-Pfalz v. 1.3.2010 – 1 Ta 24/10 – juris. LAG Rheinland-Pfalz v. 1.3.2010 – 1 Ta 24/10 – juris. LAG Köln v. 8.2.2010 – 9 TaBV 76/09 – juris. Vgl. LAG Hamm v. 3.7.2008 – 10 Ta 355/08; OLG Saarbrücken v. 19.8.2009 – 5 W 181/09; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 – Ordnungs- und Zwangsmittelfestsetzung. Vgl. OLG Rostock v. 26.9.2008 – 1 W 82/08. Vgl. Rn. 4379 – Ordnungsmittel. BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 813 = GKG § 17 Nr. 78 = Rpfleger 1986, 239 = JurBüro 1986, 713 = MDR 1986, 669 = NJW-RR 1986, 676; OLG München, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 900 = GKG § 17 Nr. 100 mit Anm. Lappe = NJW-RR 1988, 190; OLG Köln, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1191 = NJW-RR 1995, 318 = OLGR 1994, 268 = AnwBl. 1995, 317 = JurBüro 1995, 255 = JMBl.NW 1995, 82; OLG Celle, OLGR 1994, 298. OLG München, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 900 = NJW-RR 1988, 190. LAG Mainz, AP GKG 1957 § 22 Nr. 1. BGH, KostRsp. GKG § 17 Nr. 78 = MDR 1986, 669 = NJW-RR 1986, 676.

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Arrest 1100

Auch Beamte und Richter sind „Arbeitnehmer“ i.S. des § 42 Abs. 3 GKG.1

1101

Arbeitnehmer ist auch der Geschäftsführer einer GmbH, dessen Beschäftigungsverhältnis auf einem Dienstvertrag beruht.2 Greift der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH mit der Klage nur den Beschluss über seine Abberufung als Geschäftsführer und nicht auch zusätzlich die Beendigung seines Dienstverhältnisses an, so richtet sich im Falle eines Rechtsmittels gegen ein klageabweisendes Urteil der Wert der Beschwer ebenso wie der Streitwert gem. § 3 ZPO nach seinem Interesse, weiterhin Geschäftsführer der Gesellschaft zu sein und damit die Lenkungs- und Leitungsmacht in der Hand zu behalten.3

1102

Leitende Stellung und hohe Vergütung stehen der Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft nicht entgegen.4 Ausschlaggebend ist nur die arbeitnehmerähnliche Stellung. Dementsprechend hat das LG Bayreuth5 den Streitwert einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrages mit dem 3-fachen Jahresbezug bewertet. Ist allerdings der Anstellungsvertrag nach Ablauf einer bestimmten Zeit ordentlich kündbar, dann ist der Gesamtbetrag der Bezüge bis zur Vertragsbeendigung infolge der nächsten ordentlichen Kündigung maßgebend, wenn er geringer als der dreifache Jahresbezug ist.

1103

Nicht zu den Arbeitnehmern rechnen selbständige Unternehmer oder Handwerker, die aufgrund eines Arbeitsvertrages tätig werden; desgleichen nicht die selbständigen Handelsvertreter,6 weil auch ihr Beschäftigungsverhältnis sich nicht nach Dienstvertragsrecht bestimmt.7

Arrest Literatur: Schneider, Der Streitwert des Aufhebungsverfahrens bei Arrest und einstweiliger Verfügung, JurBüro 1977, 1516; Schneider, MDR 1990, 200; Meyer, JurBüro 2003, 525. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . 1104 B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Bruchteilsbewertung . . . . . . 1105 II. Abweichung vom Regelstreitwert . . . . . . . . . . . . . . . . 1110

1 2 3 4 5 6 7

Rn. III. Vollziehungsverfahren . . . . . 1114 IV. Widerspruchs- und Aufhebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . 1117 C. Einzelfälle aus der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . 1122

VG Köln, AnwBl. 1964, 321; a.A. OVG Münster, NJW 1965, 1498. OLG Bamberg, JurBüro 1975, 65. BGH v. 2.3.2009 – II ZR 59/08, BGHR 2009, 845 = AGS 2009, 345. OLG Koblenz, JurBüro 1976, 648: betrifft Gesellschafter einer KG. LG Bayreuth, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 995 = JurBüro 1990, 772. OLG Frankfurt, MDR 1974, 1208 = Rpfleger 1974, 363. S. auch E. Schneider, BB 1976, 1298, 1300.

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Arrest Stichwortübersicht Rn. Ablehnung der Fristsetzung . . . . . 1123 Abwehrinteresse . . . . . . . . . . . 1104 Anwaltsgebühren . . . . . . . . . . . 1116 Arrest und einstweilige Verfügung . 1126 Aufhebungsverfahren . . . . . 1119, 1120 Auslandswohnsitz des Antragsgegners . . . . . . . . . . . . . . . . . 1110 Baulandsachen . . . . . . . . . . . . 1124 Besitzeinweisung, vorläufige . . . . 1124 Dinglicher Arrest . . . . . . . . . . . 1125 Drittwiderspruchsklage gegen Arrestvollziehung . . . . . . . . . 1128 Hauptsacheklage mit ~antrag . . . . 1126 Hauptsachewert . . . . . . . . . . . 1109

Hinterlegung der Lösungssumme . . Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . Kostenpauschquantum . . . . . . . . Lasten des Sicherungsobjektes . . . Mehrere Anträge . . . . . . . . . . . Persönlicher Arrest . . . . . . . . . . Regelbewertung . . . . . . . . . . . Sicherungsinteresse . . . . . . . . . Seeschiff . . . . . . . . . . . . . . . . Vollziehung . . . . . . . . . . . . . . Vorläufige Einstellung der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . Widerspruchsverfahren . . . . . . .

Rn. 1121 1112 1124 1107 1125 1125 1109 1104 1125 1114 1129 1118

A. Einleitung Im Verfahren über einen Antrag auf Anordnung, Abänderung oder Aufhebung des Arrestes ist der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO, § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG zu schätzen. Maßgeblich ist das Interesse des Antragstellers an der Sicherung seiner Forderung, nicht das Abwehrinteresse des Gegners. Ausgangspunkt für die Schätzung ist der Wert der Hauptsache.

1104

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Bruchteilsbewertung Um das Interesse des Antragstellers bewerten zu können, ist zunächst vom Wert der zu sichernden Hauptsacheforderung im Zeitpunkt des Eingangs des Antrags oder des Rechtsmittels (§ 4 Abs. 1 1. Halbs. ZPO, § 40 GKG) auszugehen. Maßgebend ist dann das Interesse des Antragstellers an der Sicherung dieses Anspruchs,1 wobei grundsätzlich kein Bewertungsunterschied zwischen dem dinglichen und dem persönlichen Arrest zu machen ist.2 Soweit mit dem Arrest auch Nebenforderungen gesichert werden sollen, werden diese allerdings bei der Berechnung des Streitwerts nicht berücksichtigt (§ 4 Abs. 1 2. Halbs. ZPO, § 43 GKG).

1105

Der Wert der Hauptsacheforderung ist aber lediglich der Ausgangspunkt für die Bewertung des Antragstellerinteresses. Der Streitwert des Arrestverfahrens ist dem Streitwert des Hauptprozesses nicht gleichzustellen, sondern grundsätzlich niedriger zu bewerten, da das Arrestverfahren nur der vorläufigen Sicherung des Anspruchs und nicht der Befriedigung des Antragstellers dient.3 Entscheidend ist also nicht der Hauptsachestreitwert, sondern das Sicherungsinteresse des Antragstellers.

1106

1 OLG Braunschweig, Beschl. v. 23.3.1995 – 2 UF 39/95, JurBüro 1996, 148; OLG Koblenz, MDR 1994, 738. 2 OLG Koblenz, JurBüro 1992, 191 mit zust. Anm. Mümmler; KG, KGR 1993, 144. 3 OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.2.2000 – 10 WF 7/00, JurBüro 2001, 93; OLG Oldenburg, Beschl. v. 6.6.1995 – 1 W 45/95, NJW-RR 1996, 946; OLG Karlsruhe, Justiz 1973, 281; OLG Braunschweig, JurBüro 1973, 360.

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Arrest 1107

Dieses Sicherungsinteresse ist allein an wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu messen, also an der Bedeutung der Sicherstellung für den Antragsteller. Eventuelle Vollziehungsschwierigkeiten oder mögliche Probleme bei der Ermittlung pfändbaren Vermögens sind dagegen nicht zu berücksichtigen, da sie keinen Bezug zum Antragsverfahren haben.1 Auch das Abwehrinteresse des Gegners bleibt bei der Bewertung unberücksichtigt. Jedoch sind Lasten zu berücksichtigen, die dem Sicherungsobjekt – Grundstück – anhaften.2

1108

Die Angaben eines festen Bruchteils der Hauptsache als Regelstreitwert ist nicht möglich, da jeweils die Umstände des Einzelfalls darüber entscheiden, wie hoch das Interesse des Antragstellers an der Sicherung seiner Forderung einzuschätzen ist. In der Rechtsprechung werden – je nach den Umständen des Einzelfalls – Bruchteile von – 1/4 bis 1/3,3 – 1/3,4 – 1/3 bis 1/25 – sowie vom halben Wert der zu sichernden Forderung angesetzt.6

1109

Es dürfte sich anbieten und insoweit auch der herrschenden Meinung entsprechen, von einer Regelbewertung von 1/3 der zu sichernden Hauptsacheforderung auszugehen und diesen Wert nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu erhöhen oder zu verringern.

II. Abweichung vom Regelstreitwert 1110

Eine Erhöhung des Arrestwertes über den Regelstreitwert hinaus bis hin zum halben Wert der Hauptsacheforderung kann in Betracht kommen, wenn der Antragsgegner im Ausland wohnt und die durch den Arrest gesicherte Forderung das einzige inländische Vermögen ist, das dem Antragsteller noch eine Befriedigungsmöglichkeit bietet.7 Diese Voraussetzung fehlt allerdings, wenn weiteres pfändbares Vermögen vorhanden ist. In einem solchen Fall darf der Streitwert nicht wegen Wohnsitzes im Ausland erhöht werden.8

1111

Ist das Vermögensobjekt, das zur Sicherung herangezogen werden soll, geringwertiger als der anzusetzende Bruchteil des Forderungswertes, dann ist für die

1 2 3 4

5 6 7

8

LG Darmstadt, JurBüro 1976, 1090. OLG Köln, MDR 1963, 510; RGZ 151, 167; RGZ 151, 319. OLG Frankfurt, AnwBl. 1984, 94; OLG Koblenz, JurBüro 1992, 191. OLG Dresden, Beschl. v. 17.10.2007 – 21 WF 0476/06, AGS 2007, 259; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.10.1997 – 18 WF 71/97, OLGR 1998, 386; KG, KGR 1993, 144; OLG Bamberg, JurBüro 1980, 278; OLG Bamberg, JurBüro 1989, 1605; s.a. OLG Neustadt, JurBüro 1964, 350; OLG Köln, VersR 1973, 1032. OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.2.2000 – 10 WF 7/00, JurBüro 2001, 94; OLG Oldenburg, Beschl. v. 6.6.1995 – 1 W 45/95, NJW-RR 1996, 946. OLG Frankfurt, JurBüro 1960, 221; OLG Neustadt, JurBüro 1964, 350; BFH, BB 1982, 1353. OLG Dresden, Beschl. v. 17.10.2007 – 21 WF 0476/06, AGS 2007, 259 (Wertansatz auf 50 % der zu sichernden Hauptforderung); KG, JurBüro 1969, 982; OLG Karlsruhe, KostRsp. GKG a.F. § 18 Nr. 50; OLG Köln, VersR 1973, 1032; OLG Koblenz, JurBüro 1992, 191 mit zust. Anm. Mümmler. OLG Celle, JurBüro 1970, 167.

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Arrest Streitwertberechnung in entsprechender Anwendung von § 6 Satz 2 ZPO nur von dem geringeren Wert des Sicherungsobjekts auszugehen.1 Falsch ist es jedoch, den Streitwert zu erhöhen oder gar auf den vollen Betrag der Forderung festzusetzen, weil nach Arrestanordnung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird.2 Maßgebend ist gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG nur der Zeitpunkt, in dem der Arrestantrag gestellt wird. Insofern kann ein im Laufe des Verfahrens erhöhtes Sicherungsbedürfnis des Antragstellers keine Auswirkungen auf den Streitwert haben.

1112

Nur ausnahmsweise kann sich der Streitwert dem Wert der Hauptsache nähern oder ihn erreichen.3 In Betracht kommt hier insbesondere folgende Fallgestaltungen: – Wenn ohne den Arrest die Vollstreckung ganz vereitelt würde4 – Wenn der Arrest praktisch zur Befriedigung führt,5 sodass mit einem nachfolgenden Hauptverfahren nicht mehr zu rechnen ist – Wenn das Gericht im Arrestverfahren faktisch schon über die Hauptsache entscheiden muss.6

1113

III. Vollziehungsverfahren Der Antragsteller kann mit dem Arrestgesuch bereits den Antrag auf Pfändung einer Forderung verbinden. Wird dann zugleich mit der Anordung des Arrestes dessen Vollzug vorgenommen (§ 929 Abs. 3 Satz 1 ZPO), also die Pfändung einer Forderung ausgesprochen, ist der Streitwert für das Arrestverfahren gem. § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO nach den oben bereits dargestellten Bewertungsgrundsätzen zu schätzen.7

1114

Der Streitwert für das Arrestverfahren selbst wird durch die gleichzeitig erfolgende Vollziehung nicht erhöht. Die Vollziehung des Arrestes hat jedoch – unabhängig ob sie nun zugleich mit der Arrestanordnung oder später erfolgt – einen eigenen Wert. Dieser ist allerdings nur für die Berechnung der Anwaltsgebühren erforderlich, da die Gerichtsgebühren für das Vollziehungsverfahren als Festgebühren (Nr. 2111 KV GKG) anfallen.

1115

Für den Anwalt ist das Arrestvollziehungsverfahren eine eigene gebührenrechtliche Angelegenheit (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 RVG), für die er die Gebühren nach Nr. 3309, 3310 VV RVG erhalten kann. Der Gegenstandswert richtet sich nach § 25 Abs. 1 RVG.8 Danach ist der Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung einschließlich der Nebenforderungen entscheidend. Soll ein bestimmter Gegenstand gepfändet werden, ist dessen Wert maßgebend, wenn

1116

1 OLG Frankfurt, JurBüro 1974, 1437. 2 LG Detmold, JurBüro 1974, 1590. 3 OLG Frankfurt, JurBüro 1960, 220; OLG Köln, JurBüro 1961, 621; OLG Köln, JurBüro 1965, 390. 4 LG Weiden, JurBüro 1973, 1084. 5 KG, Beschl. v. 20.12.1996 – 14 W 8213/96, KGR 1997, 240; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.2.2004 – 2 W 8/04, RVGreport 2004, 278. 6 OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.2.2000 – 10 WF 7/00, JurBüro 2001, 93 (eine Ausnahme gilt jedoch in Unterhaltsverfahren). 7 LG Darmstadt, JurBüro 1976, 1090. 8 Vgl. dazu die Ausführungen beim Stichwort „Zwangsvollstreckung“.

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Arrest er geringer ist als die Vollstreckungsforderung. Nach oben begrenzt wird der Gegenstandswert im Vollziehungsverfahren durch den Wert des Anordnungsverfahrens.1

IV. Widerspruchs- und Aufhebungsverfahren 1117

Die Bewertungsregeln des Anordnungsverfahrens gelten gleichermaßen im Verfahren auf Aufhebung eines Arrestes (§§ 926 Abs. 2, 927, 934 ZPO) und im Widerspruchsverfahren (§ 924 ZPO). Im Einzelnen gilt hier Folgendes:

1118

Das Widerspruchsverfahren (§ 924 ZPO) ist im Regelfall zu bewerten wie das Anordnungsverfahren. Bei einem auf die Kostenfrage beschränkten Widerspruch ist allerdings nur das Kosteninteresse maßgeblich.2 Der Streitwert bemisst sich in solchen Fällen nach den bislang aufgelaufenen Gerichts- und Anwaltskosten der Parteien.

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Auch nach Erlass oder Bestätigung eines Arrestes kann wegen veränderter Umstände, insbesondere wegen Erledigung des Arrestgrundes, die Aufhebung der im Eilverfahren getroffenen Entscheidung verlangt werden. Der Streitwert des Aufhebungsverfahrens nach § 927 ZPO bemisst sich nach dem Interesse des Gläubigers an der Aufrechterhaltung der Arrestanordnung, weil es sich nicht um ein Rechtsmittelverfahren handelt, in welchem das Interesse des Schuldners an der Aufhebung maßgeblich wäre. Er entspricht im Regelfall dem Wert des Anordnungsverfahrens,3 sofern der Wert des angefochtenen Titels sich nicht zwischen Erlass des Arrestes und Aufhebungsantrag verringert hat.4

* Æ Beispiel: Eine Verringerung des zu bewertenden Interesses kann beispielsweise eintreten, wenn ein Unterlassungsgebot durch Zeitablauf gegenstandslos geworden ist oder die Parteien sich mittlerweile außergerichtlich geeinigt haben und deshalb nur noch der formale Bestand der gerichtlichen Anordnung beseitigt werden muss.5

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Bei einem Aufhebungsantrag nach § 926 Abs. 2 ZPO (Versäumung der Frist zur Klageerhebung in der Hauptsache) ist das Aufhebungsverfahren jedenfalls dann geringer als das Anordnungsverfahren zu bewerten, wenn der Arrest inzwischen gegenstandslos geworden ist.6

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Bei Hinterlegung der Lösungssumme (§ 923 ZPO) ist der vollzogene Arrest aufzuheben. Wertbestimmend für dieses Aufhebungsverfahren nach § 934 ZPO ist dann das Beseitigungsinteresse des Antragsgegners, das selbständig zu bemessen ist.7 Die Lösungssumme ist nicht ausschlaggebend.

1 OLG Köln, JurBüro 1994, 113; KG, Beschl. v. 14.12.1999 – 1 W 574/98, KGR 2000, 182; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.5.1999 – 3 W 47/99, OLGR 1999, 330; Schneider/ Wolf, § 25 RVG Rn. 1. 2 OLG Frankfurt, JurBüro 1990, 1210; OLG Frankfurt, JurBüro 1990, 1331; OLG Hamburg, Beschl. v. 2.8.1995 – 8 W 180/95, MDR 1996, 102; OLG München, AnwBl. 1987, 289. 3 OLG Köln, VersR 1973, 1032; OLG Braunschweig, OLGE 41, 240 – für Widerspruch. 4 OLG Celle, AnwBl. 1969, 130. 5 KG, Beschl. v. 21.9.2001 – 5 W 40/01, JurBüro 2002, 479. 6 OLG Hamburg, WRP 1977, 814. 7 Schneider, JurBüro 1977, 1518.

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Arrest

C. Einzelfälle aus der Rechtsprechung S. auch das Stichwort „Einstweilige Verfügung“. Die dort aufgeführten Entscheidungen sind weitgehend auch auf die Bemessung des Arrestes anwendbar.

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Ablehnung einer Fristsetzung Der Wert einer Beschwerde gegen die Ablehnung einer Fristsetzung gem. § 926 Abs. 1 ZPO entspricht dem Verfahrenswert.1

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Baulandsachen Auf das Verfahren der vorläufigen Besitzeinweisung in Baulandsachen ist § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG (i.V.m. § 3 ZPO) entsprechend anzuwenden.2

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Seeschiffe Der Streitwert für den Arrest in ein Seeschiff bestimmt sich nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO auf einen Bruchteil des Hauptsachewerts. Der volle Hauptsachewert ist auch dann nicht anzusetzen, wenn ohne den Arrest die Befriedigung des Antragstellers vereitelt würde. Denn die Gefahr der Vollstreckungsvereitelung ist in den meisten Arrestverfahren bereits gesetzliche Voraussetzung für den Erlass des Arrestes und kann daher nicht das besondere Interesse an der vorläufigen Sicherung des Anspruchs begründen. Bei der Arrestierung eines Schiffs ist die Beschlagnahme für den Antragsteller allerdings meist besonders wirksam. Dies rechtfertigt die Bemessung des Streitwertes mit 3/4 der Hauptsache.3

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Kostenpauschale Die Streitfrage, ob bei Arresten die Kostenpauschale den Streitwert erhöht, kann nicht deshalb dahinstehen, weil das Gericht nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO den Streitwert nach freiem Ermessen bestimmen kann. Denn auch bei Ausübung dieses Ermessens gilt nach § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG, dass Nebenforderungen unberücksichtigt bleiben. Da es sich bei dem Kostenpauschquantum um eine solche Nebenforderung handelt, ergibt sich keine Erhöhung des Streitwertes.4

1125a

Dinglicher und persönlicher Arrest Soweit der Antragsteller zugleich die Anordnung des persönlichen und des dinglichen Arrestes beantragt, ist dies nur einmal zu bewerten. Es handelt sichgebührenrechtlich um dieselbe Angelegenheit, weil es um die Sicherung desselben Anspruchs geht, hinsichtlich dessen der Gläubiger den Entzug pfändbaren Vermögens durch den Schuldner verhindern will.5 1 OLG Frankfurt, ZIP 1980, 1144. 2 OLG Hamburg, NJW 1965, 2404. 3 OLG Hamburg, MDR 1991, 1196 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1059 mit Anm. Schneider – in diesem Fall handelte es sich allerdings bei dem Schiff um den einzigen Vermögensgegenstand des Schuldners. 4 KG, Rpfleger 1962, 121; KG, JurBüro 1965, 224; a.A. OLG Köln, MDR 1962, 60; OLG Düsseldorf, FamRZ 1985, 1156; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.2.2004 – 2 W 8/04, RVGreport 2004, 278; Hartmann, KostenG, § 53 GKG Rn. 7. 5 Hartmann, KostenG, § 53 GKG Rn. 5; OLG Dresden, HRR 1940, 316; a.A. KG, JVBl. 1932, 235: jeder Antrag ist gesondert zu bewerten und dann zusammenzurechnen.

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1125b

Arrest Arrest und einstweilige Verfügung 1126

Werden Arrest und einstweilige Verfügung zugleich beantragt, dann sind beide Anträge isoliert zu bewerten und die Werte dann zu addieren.1 Wird einer der beiden Anträge hilfsweise gestellt, berechnet sich der Streitwert unter Berücksichtigung der in § 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG enthaltenen Grundsätze. Der Wert des hilfsweise geltend gemachten Anspruchs wird mit dem Wert des Hauptanspruchs zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen Arrest und einstweilige Verfügung allerdings denselben Gegenstand – dies ist der Fall, wenn nur der Arrest oder die einstweilige Verfügung in Betracht kommen kann – richtet sich der Streitwert nur nach dem höheren der beiden Werte. Arrest und Hauptsacheklage

1127

Dagegen erfolgt keine Zusammenrechnung der jeweiligen Streitwerte, wenn ein Arrestantrag mit der Hauptsacheklage verbunden wird, weil es sich dann nicht um eine einheitliche Verfahrensart handelt. Es muss eine getrennte Gebührenberechnung durchgeführt werden. Drittwiderspruchsklage

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Eine Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) gegen Maßnahmen aus dem Arrest ist nach § 6 Satz 2 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten, wenn der Pfandgegenstand weniger wert ist als die Arrestforderung.2 Einstellung der Zwangsvollstreckung

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Für ein Verfahren auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einer Arrestentscheidung muss kein Gerichtsgebührenstreitwert festgesetzt werden, da für das Gericht keine Gerichtsgebühren bzw. nur Festgebühren anfallen. Der Gegenstandswert für die Berechnung der Anwaltsgebühren ist nach § 25 Abs. 2 RVG anhand des Interesses des Schuldners am zeitweiligen Aufschub der Vollstreckung zu schätzen. Ausgangspunkt dieser Schätzung ist der Titel, gegen dessen Vollstreckung sich der Antragsteller mit seinem Antrag zur Wehr setzt. Bei der Wertbestimmung kann auf die frühere Rechtsprechung zum Gerichstgebührenwert zurückgegriffen werden. Danach sind Einstellungsanträge in der Regel nur mit 1/5 des Wertes des bekämpften Anspruchs zu bemessen.3 Handelt es sich um die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem einen Arrestbeschluss aufhebenden Urteil, dann ist auf die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Schuldners abzustellen.4

1 KG, JW 1937, 99; OLG München, Bay.JMBl. 1952, 164; a.A. KG JW 1937, 263: getrennte Berechnung der Gebühren. 2 RG, Warneyer 1925 Nr. 43. 3 Vgl. das Stichwort „Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung“. 4 OLG Köln, VersR 1973, 1032.

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Aufgebotsverfahren

Aufgebotsverfahren Literatur: Wagner, JR 1952, 234; Heinemann, DNotZ 2009, 6.

A. Allgemeines Das Aufgebotsverfahren, das für bis zum 31.8.2009 eingeleitete Verfahren in den §§ 946 bis 1024 ZPO geregelt war, ist mit Erlass des FamFG in das Verfahrensrecht der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§§ 433 bis 484 FamFG) eingegliedert worden. Im Hinblick auf die zuweilen erhebliche Dauer des Verfahrens wird die Kommentierung zur alten Rechtslage – unter Hinweis auf die Regelungen im FamFG – für die Übergangszeit fortgeführt. Zum Verfahren nach neuer Rechtslage s. Kommentierung beim Stichwort „Aufgebotssachen“ im FamFG-Teil Rn. 6885.

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Bei dem Aufgebotsverfahren handelt es sich um die öffentliche gerichtliche Aufforderung zur Anmeldung von Ansprüchen oder Rechten (§ 946 Abs. 1 ZPO bzw. § 433 FamFG). Die Unterlassung der Anmeldung führt zu Rechtsnachteilen in Form des Verlustes oder der Minderung nicht angemeldeter Rechte. Folgende Aufgebotsfälle sind in der ZPO geregelt: 1. Ausschluss des Grundstückseigentümers, § 977 ZPO (vgl. §§ 442 bis 445 FamFG), 2. Ausschluss von Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldgläubigern, § 982 ZPO (vgl. §§ 447 bis 453 FamFG), 3. Ausschluss von Vormerkungs-, Vorkaufs- und Reallastberechtigten, § 988 ZPO (vgl. § 453 FamFG), 4. Ausschluss von Nachlassgläubigern, § 989 ZPO (vgl. §§ 454 bis 464 FamFG), 5. Ausschluss des Schiffsgläubigers, §§ 981a, 987a, 1002 ZPO (vgl. §§ 446, 452, 465 FamFG), 6. Kraftloserklärung von Urkunden, § 1003 ZPO (vgl. §§ 466 bis 484 FamFG).

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B. Zuständigkeitsstreitwert Nach § 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 7 GVG sind die Aufgebotsverfahren – wie schon nach alter Rechtslage (§§ 946 Abs. 2 ZPO, 23 Nr. 2h GVG) – vom Streitwert unabhängig den Amtsgerichten zugewiesen. Funktionell zuständig ist der Richer, nach neuer Rechtslage der Rechtspfleger (§ 3 Nr. 1c RPflG).

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Aufgebotsverfahren

C. Gebührenstreitwert I. Antrag auf Erlass eines Ausschlussurteils, § 947 ZPO (vgl. § 434 FamFG) 1133

Mangels besonderer Bewertungsvorschriften ist der Streitwert in allen Fällen nach § 3 ZPO zu schätzen. Die Vorschriften der KostO finden keine Anwendung.1 Abzustellen ist auf das Interesse des Antragstellers.2

1134

Daher ist bei dem Ausschluss des Grundstückseigentümers (§ 977 ZPO bzw. §§ 442 bis 445 FamFG) der Grundgedanke des § 6 ZPO zu berücksichtigen und auf den vollen Verkehrswert des Grundstücks bzw. des betroffenen Miteigentumsanteils abzustellen.3

1135

Hingegen ist bei dem Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung eines Hypotheken-, Grundschuld- oder Rentenschuldbriefes (§ 988 ZPO bzw. §§ 447 bis 453 FamFG) oder bei Sparkassenbüchern, Schuldscheinen und anderen Beweisurkunden oder Legitimationspapieren (§ 1003 ZPO bzw. §§ 466 bis 484 FamFG) ein Bruchteil des Nennbetrages anzusetzen,4 sofern nicht der Wert des Grundstückes noch niedriger ist. Insoweit entspricht es weitgehender Praxis, als Streitwert 10–20 % des Nennbetrages anzusetzen.5 Bezweckt der Antragsteller mit der Löschung der Eigentümergrundschuld, den Grundschuldgläubiger mit seiner Forderung auszuschließen und die volle Verkehrsfähigkeit des Grundstücks herzustellen, soll nach dem LG Potsdam der Nennbetrag der Grundschuld wertbestimmend sein. Dies zumindest dann, wenn nicht bekannt ist, wie hoch und zu wessen Gunsten ein Grundpfandrecht valutiert.6

1136

Bei dem Ausschluss dinglich Berechtigter (§ 988 ZPO bzw. §§ 447 bis 453 FamFG) ist der Wert der Forderung maßgeblich, soweit nicht der Verkehrswert des Grundstücks bzw. Miteigentumsanteils niedriger ist.7

1 Zöller/Geimer, 27. Aufl., vor § 946 ZPO Rn. 8. 2 BGH, Beschl. v. 29.1.2009 – V ZB 140/08, MDR 2009, 229; Baumbach/Hartmann, § 3 ZPO Rn. 13 unter „Aufgebot“; Meyer, Anh. 148 (§ 3 ZPO) Rn. 10 Stichwort „Aufgebotsverfahren“; Musielak/Heinrich, § 3 ZPO Rn. 23 unter „Aufgebotsverfahren“. 3 LG Hildesheim, Nds.RPfl. 1967, 131; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufgebotsverfahren“, Rn. 6; Musielak/Heinrich, § 13 ZPO Rn. 23 unter „Aufgebotsverfahren“; Stein/Jonas/Roth, § 3 ZPO Rn. 47; Zöller/Herget, 27. Aufl., § 3 ZPO Rn. 16 unter „Aufgebotsverfahren“. 4 LG Hildesheim, Beschl. v. 12. 3 1964 – 5 T 120/64, NJW 1964, 1232 = Rpfleger 1965, 241; Wagner, JR 1952, 234. 5 BGH, Beschl. 3.3.2004 – IV ZB 38/03, MDR 2004, 640; OLG Rostock, Beschl. v. 5.8.2009 – 3 W 44/09, OLGR 2009, 969; LG Berlin, Beschl. v. 27.5.1988 – 82 T 176/88, JurBüro 1988, 1367 = Rpfleger 1988, 548; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Aufgebotsverfahren“; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufgebotsverfahren“, Rn. 4, 5; Musielak/Heinrich, § 3 ZPO Rn. 23 unter „Aufgebotsverfahren“. 6 LG Potsdam, Beschl. v. 14.3.2008 – 7 T 142/07, MDR 2008, 653 = AGS 2008, 361. 7 Zöller/Herget, 27. Aufl., § 3 ZPO Rn. 16 unter „Aufgebotsverfahren“; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Aufgebotsverfahren“, Rn. 7.

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Aufhebung von Gemeinschaften

II. Anmeldung entgegenstehender Rechte, § 951 ZPO (vgl. § 438 FamFG) Der Gebührenstreitwert für die anwaltliche Tätigkeit, die auf die Anmeldung von Rechten eines Dritten (§ 953 ZPO) gerichtet ist (Nr. 3324 VV RVG), bestimmt sich entsprechend § 6 ZPO regelmäßig nach dem Wert des angemeldeten Rechts, sofern nicht der Wert des Rechts des Antragstellers geringer ist.1 Dies folgt aus der Gestaltungswirkung des Ausschlussurteils gegenüber den nicht angemeldeten Ansprüchen und Rechten.

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D. Rechtsmittel und Anfechtung Gegen einen den Aufgebotsantrag zurückweisenden Beschluss sowie gegen in das Ausschlussurteil (nunmehr Ausschlussbeschluss) aufgenommene Beschränkungen und Vorbehalte steht dem Antragsteller die sofortige Beschwerde gem. § 952 Abs. 4 ZPO (nunmehr fristgebundene Beschwerde nach §§ 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 58 ff. FamFG) zu. Die Beschwer entspricht bei vollständiger Zurückweisung dem Gebührenstreitwert für das Verfahren, ansonsten dem wertmäßigen Interesse an einem unbeschränkten Ausschluss. Im Übrigen findet ein Rechtsmittel nicht statt (§ 957 Abs. 1 ZPO).

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Nach alter Rechtslage wird das Ausschlussurteil mit seiner Verkündung rechtskräftig und kann nur unter besonderen Voraussetzungen mit der Anfechtungsklage (§ 957 ZPO) angegriffen werden. Hierfür ist das Landgericht, in dessen Bezirk das Aufgebotsgericht seinen Sitz hat, vom Streitwert unabhängig örtlich und sachlich ausschließlich zuständig, § 957 Abs. 2 ZPO.2 Der Gebührenstreitwert richtet sich hier nach dem Interesse des Anfechtungsklägers und damit in der Regel nach dem Wert des ausgeschlossenen Rechts bzw. Anspruchs, ggfs. begrenzt auf den Wert des Rechts des Antragstellers, §§ 3, 6 Satz 1, 2 ZPO.3

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Mit dem neuem Recht ist im Zuge einer Harmonisierung der Rechtsmittelvorschriften die fristgebundene Beschwerde (§ 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 58 ff. FamFG) an die Stelle der Anfechtungsklage getreten. Unverschuldeten Fristversäumnisssen ist mit der Wiedereinsetzung (§ 439 Abs. 4 i.V.m. §§ 17 bis 19 FamFG) und gravierenden Verfahrensfehlern mit der Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 439 Abs. 4 i.V.m. 48 Abs. 2 FamFG) Rechnung getragen worden.

Aufhebung von Gemeinschaften A. Bruchteilsgemeinschaft Eine Bruchteilsgemeinschaft liegt vor, wenn mehreren Personen ein Recht zu ideellen Bruchteilen zusteht. Die Rechtszuständigkeit ist aufgeteilt, nicht 1 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufgebotsverfahren“ Rn. 10. 2 Zöller/Geimer, 27. Aufl., § 957 ZPO Rn. 2. 3 Vgl. auch OLG Stuttgart, Urt. v. 28.4.1955 – 3 U 3/54, juris: Ausschluss betr. 3 Wechsel je 100.000 Reichsmark = 20.000 DM.

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Aufhebung von Gemeinschaften aber der gemeinschaftliche Gegenstand. Es gibt auch kein Sondervermögen wie bei der Gesamthand. 1141

Durch eine Lebensgemeinschaft wird keine Bruchteilsgemeinschaft begründet. Das schließt aber nicht aus, dass die Partner an einzelnen Gegenständen Teilhaber werden. Eine Auseinandersetzung nach Gemeinschaftsrecht soll nach der Rspr. des BGH in Betracht kommen, falls die Partner einen – möglicherweise nur wirtschaftlich – gemeinschaftlichen Wert schaffen wollten.1

1142

Der Wert von Klagen auf Aufhebung der Gemeinschaft oder auf Ausschluss daraus ist nach § 3 ZPO zu schätzen.2

1143

Das Interesse des Klägers ist ausschlaggebend. Abzustellen ist auf sein Interesse an der Verteilung und damit auf den von ihm begehrten Anteil,3 beispielsweise bei der Klage auf Aufhebung einer Bruchteilsgemeinschaft an einem Grundstück durch Teilung in Natur entsprechend einer amtlichen Vermessung.4 Dabei sind Grundstücksbelastungen nicht zu berücksichtigen.5

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Wenn bei der Auseinandersetzung einer Gemeinschaft lediglich über die Art der Teilung gestritten wird, dann bestimmt sich der Streitwert auch nach dem herausverlangten Teil, sodass ein geringerwertiger Auskunftsanspruch bedeutungslos ist.6

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Betreibt ein Miteigentümer die Zwangsversteigerung zum Zweck einer Aufhebung der Eigentümergemeinschaft, dann kann sich ein Miteigentümer dagegen unter Umständen in entsprechender Anwendung des § 771 ZPO mit einer Klage auf Unzulässigerklärung der Teilungsversteigerung wehren.7 Man spricht dann von einer sog. unechten Drittwiderspruchsklage. Der Streitwert bestimmt sich dann nicht nach § 6 ZPO, sondern nach dem Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung der Miteigentumsgemeinschaft durch Verhinderung der Versteigerung. Dieses Interesse ist gem. § 3 ZPO zu schätzen.8 Der Wert entspricht jedoch weder dem Gesamtwert noch seinem Miteigentumsanteil, denn um diese geht es nicht. Wertbestimmend ist vielmehr nur der Zweck der Klage, eine Verschleuderung des Grundstücks durch wertunangemessene Gebote im Versteigerungstermin zu verhindern.9 S. auch das Stichwort „Drittwiderspruchsklage“.

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Bewertungserheblich ist nur das mit der unechten Drittwiderspruchsklage verfolgte unmittelbare Interesse. Daraus folgt, dass der Grundstückswert nicht maßgebend ist, sondern dass vom Anteilswert des Klägers auszugehen ist. Die weiter gehende nachrangige wirtschaftliche Zielsetzung des Klägers ist bewertungsunerheblich, etwa das Bestreben, in der Ausübung eines auf dem Grundstück oder den Grundstücken eingerichteten Gewerbebetriebes 1 2 3 4 5 6 7 8 9

S. z.B. BGHZ 77, 55; 84, 388. OLG Zweibrücken, Rpfleger 1969, 247; OLG Frankfurt, JurBüro 1979, 1195. OLG Frankfurt, JurBüro 1979, 1195. OLG Zweibrücken, Rpfleger 1969, 247. KG v. 1.10.2008 – 1 W 455/08, MDR 2008, 1417 = JurBüro 2008, 652. OLG Schleswig, SchlHA 1979, 57. BGH, FamRZ 1972, 364; 1984, 564. BGH, Beschl. v. 16.1.1991 – XII ZR 244/90, FamRZ 1991, 547. BGH, FamRZ 1991, 547; OLG Saarbrücken, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 387; OLG Hamm, JurBüro 1977, 1616; OLG Karlsruhe, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 586; OLG Saarbrücken, JurBüro 1989, 1598 mit Anm. Mümmler; LG Frankfurt, Rpfleger 1975, 322.

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Aufhebung von Gemeinschaften nicht behindert zu werden. Derartige Fernwirkungen müssen unberücksichtigt bleiben, weil sie nicht dem Bewertungsobjekt anhaften und zu Streitwerten führen könnten, die erheblich über dem Verkehrswert nicht nur des Anteils des Klägers, sondern sogar des Grundstückes selbst liegen könnten. Entgegen der Auffassung des OLG Saarbrücken1 ist das Interesse des Klägers nicht gleich dem Wert seines Anteils, weil ihm durch die Teilungsversteigerung nicht der ersatzlose Verlust seines Anteils droht. Er befürchtet vielmehr einen Zuschlag an den Meistbietenden, der nicht mehr dem wirklichen wirtschaftlichen Anteilswert entspricht. Der Streitwert der unechten Drittwiderspruchsklage muss deshalb unterhalb des Anteilswertes des Miteigentümers angesetzt werden.2 Da das Interesse des Widersprechenden wirtschaftlich lediglich dahin geht, die Versteigerung zu verhindern, um einem Verlust des Grundstücks und damit seines Anteils am Miteigentum unter Wert vorzubeugen, ist der Streitwert in Beziehung zu setzen zu der Differenz zwischen dem Verkehrswert des Grundstücks und dem vom Widersprechenden befürchteten Mindererlös bei einem Zuschlag in der Zwangsversteigerung. Dieser Wert ist dann zu reduzieren auf den befürchteten anteiligen Verlust, der den Widersprechenden treffen kann. Ein ideelles Interesse am Fortbestand der Gemeinschaft, etwa um sich das soziale Umfeld zu erhalten, darf nicht berücksichtigt werden, weil dadurch weder der Verkehrswert noch der mögliche Versteigerungserlös beeinflusst werden kann.3

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Die Teilungsversteigerung nach § 180 ZVG ist auch zulässig zur Verwirklichung des Übernahmerechts aus § 1477 Abs. 2 BGB. In diesem Fall ist das Interesse des Klägers darauf gerichtet, den Hälfteanteil des geschiedenen Ehepartners gegen Wertersatz zu übernehmen. Deshalb ist in solchen Fällen auf den Verkehrswert des zu übernehmenden Hälfteanteils oder auf die Höhe der Abstandszahlung abzustellen. Entgegen OLG Bamberg4 kommt es nicht auf den Wert des dem Kläger schon gehörenden Anteils an.

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Nach Aufhebung einer Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) verläuft die Abwicklung in Stufen.5 Wird dementsprechend geklagt auf 1. Zustimmung zur Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft an bestimmten Gegenständen, 2. Zustimmung zum Verkauf dieser Gegenstände und 3. Zahlung der Hälfte des voraussichtlichen Erlöses, dann sind die Anspruchswerte nicht zu addieren, weil sämtliche Anträge – der Stufenklage vergleichbar – wirtschaftlich eine Einheit bilden. Der Streitwert bemisst sich nach dem Anspruch, der den höchsten Wert hat, und das ist immer der Leistungsanspruch. Der Anteil des klagenden Miteigentümers ist – ebenso wie bei Miterbenstreitigkeiten (s. das Stichwort „Miterbe“ Rn. 4055 ff.) – abzuziehen.6

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1 OLG Saarbrücken, JurBüro 1989, 1598 mit Anm. Mümmler. 2 Zust. Mümmler, JurBüro 1989, 1599; das OLG Hamm, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 402 = JurBüro 1977, 1616, hat rund 1/6 des Anteilswerts angesetzt. 3 Schneider, FamRZ 1991, 547. 4 OLG Bamberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1065 mit Anm. Schneider = JurBüro 1991, 1694. 5 S. dazu ausführlich mit Nachweisen H. Schneider, DGVZ 1985, 51 ff. 6 OLG Köln, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 55.

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Aufhebung von Gemeinschaften

B. Gesamthandsgemeinschaft 1150

Im Gegensatz zur Bruchteilsgemeinschaft ist bei der Gesamthandsgemeinschaft die Rechtszuständigkeit ungeteilt. Es ist gesamthänderisch gebundenes Vermögen geschaffen worden, das vom Vermögen des einzelnen Teilhabers zu unterscheiden ist. Der Gesamthandsanteil bezieht sich auf das Gesamthandsvermögen, nicht auf einzelne Gegenstände oder Rechte an diesen.

1151

Dem BGB sind die folgenden Gesamthandsgemeinschaften zu entnehmen: Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Erbengemeinschaft, Gütergemeinschaft, fortgesetzte Gütergemeinschaft.

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Bei Aufhebung einer Gemeinschaft mit gemeinsamer Berechtigung – z.B. gemeinschaftlicher Bausparvertrag – richtet sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an der Verteilung und damit nach dem von ihm begehrten Anteil.1 Das gesamte Guthaben ist deshalb nicht wertbestimmend, weil dem die wirtschaftliche Betrachtungsweise entgegensteht, die sich insbesondere bei Miterbenstreitigkeiten zwischenzeitlich auch in höchstrichterlicher Rechtsprechung durchgesetzt hat.2

1153

Bei der Erbengemeinschaft werden mehrere Personen kraft Gesetzes durch einen Erbfall gesamthänderisch verbunden. Diese Verbindung ist von vornherein auf Auflösung angelegt. Die zu beachtenden Grundsätze für die Ermittlung des Streitwertes, wenn eine solche Auseinandersetzung mit Hilfe des Gerichts erstrebt wird, sind bei dem Stichwort „Miterbe“ (Rn. 4055 ff.) ausführlich dargestellt. Dort sind insbesondere die zu berücksichtigenden wirtschaftlichen Gesichtspunkte – vornehmlich der Anteil eines mitberechtigten Klägers – herausgearbeitet. Die für Miterbenstreitigkeiten geltenden, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestätigten Bemessungsregeln sind entsprechend auf alle Auseinandersetzungen gemeinschaftlicher Berechtigung anzuwenden.3 Das gilt auch, wenn die Parteien sich vergleichen und im Vergleich die Auflassung von Grundstücken erklären.4

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Hat das Berufungsgericht in einem Verfahren auf Auseinandersetzung einer ungeteilten Erbengemeinschaft in Abweichung von der Teilungsanordnung des Erblassers im Teilungsplan dem Beklagten das Alleineigentum an einer Eigentumswohnung zugesprochen und ansonsten den Parteien die Erträge und Kosten von anderen Eigentumswohnungen hälftig zugewiesen, so bemisst sich die Beschwer des Klägers nach dem Wert des von ihm geltend gemachten Miteigentumsanteils an der Eigentumswohnung sowie dem 3,5-fachen Wert des einjährigen Bezuges der Nutzungen aus den anderen Eigentumswohnungen. Demgegenüber ist der Nutzungsvorteil des Beklagten, der eine Eigentumswohnung trotz eines nur anteiligen Gebrauchsrechts allein nutzt, nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, wenn der Kläger sein eigenes Mitgebrauchsrecht nicht geltend gemacht hat.5

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OLG Frankfurt, JurBüro 1979, 1195. S. dazu E. Schneider, JurBüro 1977, 433. OLG Frankfurt, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 445. OLG Frankfurt, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 445. BGH, Urt. v. 17.3.1998 – IV ZR 205/98, ZEV 1999, 233 = EzFamR ZPO § 9 Nr. 3.

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Auflassung Der Streitwert einer Klage auf Aufhebung der Gütergemeinschaft ist nach § 3 ZPO zu bewerten. Er bemisst sich nicht nach dem Aktivvermögen, sondern nach dem Interesse des Klägers an der Aufhebung.1

1155

Nach § 6 ZPO ist zu bewerten, wenn zwischen den an der Gütergemeinschaft Beteiligten um Besitz oder Eigentum gestritten wird.

1156

Nach BGH2 bestimmt sich der Streitwert der Klage eines Abkömmlings auf Aufhebung der fortgesetzten Gütergemeinschaft nach dem Anteil des Klägers am Gesamtgut, der etwa auf die Hälfte seines Wertes zu ermäßigen ist, weil die Klage nur der Vorbereitung der Auseinandersetzung dient. Das OLG München3 hat den Streitwert auf 1/10 des Wertes des Gesamtgutes angesetzt.

1157

Zum vorzeitigen Ausgleich einer Zugewinngemeinschaft s. das Stichwort im FamFG-Teil „Zugewinngemeinschaft“.

1158

Wird eine Grundstücksgemeinschaft durch Prozessvergleich auseinander gesetzt, so bemisst sich der Vergleichswert nach dem wirtschaftlichen Interesse der die Auseinandersetzung betreibenden Partei. Dies gilt entsprechend für den Vergleichsmehrwert, der festzusetzen ist, weil der Auseinandersetzungsanspruch nicht Klagegegenstand war.4

1159

Auflassung Literatur: Creutzig, NJW 1969, 1334; Waltinger, Rpfleger 1972, 85; Schalhorn, JurBüro 1974, 1365 (Grundstückskauf). Gliederungsübersicht Rn. A. Bewertungsgrundsätze . . . . . . 1160

C. Grundstücksbelastungen

Rn. . . . . 1186

B. Auflassungsgründe – weiter gehende Zweckverfolgung . . . . 1166

D. Gegenleistungen – Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . 1199

A. Bewertungsgrundsätze Die Bewertung erfolgt nach §§ 6, 3 ZPO, wobei vieles streitig ist. Problematisch ist insbesondere, dass häufig der Nominalwert hoch ist und nicht dem wirtschaftlichen Interesse entspricht. Tendenziell legt die Rechtsprechung die Normen daher restriktiv aus, insbesondere dann, wenn der Gebührenstreitwert nach § 62 Abs. 1 GKG, § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG zu bewerten ist. Eine generelle Beurteilung verbietet sich aber. Es kommt auf eine Einzelfallbetrachtung an.

1160

Die Wertbestimmung der Auflassungsklage richtet sich nach dem objektiven Verkehrswert,5 wobei ein vereinbarter Kaufpreis Indizwirkung haben kann. Der

1161

1 OLG Koblenz, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 327; s. weiter BGH, NJW 1973, 51 = JurBüro 1973, 121: 1/2 des Anteilswertes. 2 BGH, JurBüro 1973, 121 = NJW 1973, 51 = Rpfleger 1973, 14. 3 OLG München, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 72. 4 OLG Stuttgart, Urt. v. 10.10.2003 – 13 W 39/03, OLGR 2004, 19. 5 RG, JW 1930, 1083.

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Auflassung objektive Verkehrswert entspricht dem Marktwert, dieser wiederum wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre (s. das Stichwort „Verkehrswert“ Rn. 5708 ff.). Er ist nach § 3 ZPO zu schätzen.1 1162

In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob sich bei einer Auflassungsklage der (Gebühren-)Streitwert ausnahmslos analog § 6 Satz 1 ZPO nach dem Verkehrswert des Grundstücks richtet2 oder aber bei Verweigerung der Auflassung wegen einer geringfügigen Gegenforderung nach deren Höhe.3 Im Grundsatz gilt, dass sich der Streitwert der Klage auf Erteilung der Auflassung nach § 6 ZPO richtet, sodass der Verkehrswert des Grundstücks maßgeblich ist, ohne dass Belastungen abzuziehen wären.4 Allerdings verbietet sich eine generelle Bewertung. Vielmehr ist im Einzelfall bei der Streitwertbemessung zu prüfen, ob die Zugrundelegung des Verkehrswerts dem wahren wirtschaftlichen Interesse des Klägers entspricht.

1163

Wird auf lastenfreie Auflassung eines Grundstücks und zusätzlich auf Löschung einer bereits eingetragenen Eigentümergrundschuld geklagt, dann ist der Grundstückswert Höchstgrenze, da der Kläger nicht mehr als die lastenfreie Übertragung des Grundstückseigentums erreichen kann und will.5 Andernfalls wäre bei Belastung des Grundstücks mit einer gegenüber dem Verkehrswert wesentlich übersetzten Eigentümerschuld deren Nennbetrag maßgebend, obwohl es nur um das Grundstück und damit um dessen realen Verkehrswert geht (argumentum ad absurdum).

1164

Inventar ist hinzuzurechnen, wenn das Eigentum daran erst mit dem Grundstückseigentum übergeht.6

1165

Macht der Kläger einen Anspruch auf Auflassung eines Grundstücks geltend, das inzwischen von dem Beklagten bebaut worden ist, so ist für die Streit1 OLG Nürnberg, JurBüro 1961, 508. 2 OLG Köln, MDR 2005, 298; OLGR Hamm, 2005, 16; OLG Hamm, MDR 2002, 1458; OLG Stuttgart, AGS 2002, 182 mit Verweis auf BGH, NJW-RR 2001, 518, der sich jedoch mit der hier streitigen Frage nicht befasst; Wöstmann in MünchKomm.ZPO, Bd. 1, 3. Aufl. 2008, § 3 ZPO Rn. 35; je m.w.N. 3 OLG Stuttgart v. 21.1.2004 – 12 W 14/04; OLGR Köln 2004, 28; OLG Düsseldorf, AGS 2004, 28; KG Berlin, NJW-RR 2003, 787; BGH, NJW 2002, 684, in dessen Entscheidung es allerdings um die Zustimmung zum Vollzug einer Auflassung ging; OLGR Schleswig 1998, 156; LG Hamburg, MDR 1998, 372; OLG Celle, NJW-RR 1998, das jedoch nicht die umstrittene Restforderung, sondern einen Bruchteil des Verkehrswertes bei der Festsetzung zugrunde legen will. 4 Allg.M., s. z.B. OLG Celle, Nds.Rpfl. 1962, 111; OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 66; JurBüro 1961, 508; OLG Bremen, JurBüro 1973, 1087; OLG Frankfurt/M., JurBüro 1973, 51 = Rpfleger 1973, 62; OLG München, JurBüro 1981, 892 mit Anm. Mümmler = MDR 1981, 501 (dazu E. Schneider, MDR 1982, 267 zu Ziff. 4); OLG Düsseldorf, JurBüro 1987, 395; LG Bayreuth, JurBüro 1977, 1116; 1978, 553; OLG München, OLGR 1994, 264, das der Gegenmeinung, die auf eine wirtschaftliche Betrachtung abstellt (so Lappe Anm. zu KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1109), „beachtliche Argumente“ zugesteht. 5 OLG Köln, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 118 = JurBüro 1988, 1388; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.7.1993 – 9 W 53/93, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 140 = JurBüro 1994, 496 = OLGR 1993, 266. 6 OLG Karlsruhe, OLGE 33, 16; OLG Breslau, OLGE 20, 294.

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Auflassung wertbemessung der Verkehrswert des Grundstücks einschließlich des Gebäudes maßgebend.1

B. Auflassungsgründe – weiter gehende Zweckverfolgung Aus welchem Rechtsgrund die Auflassung verlangt wird, ist belanglos.2

1166

Auch bei einem Rückauflassungsanspruch ist deshalb der Verkehrswert des Grundstücks grundsätzlich gleich dem Streitwert.3 Bei dem Verlangen der Rückauflassung eines ideellen Grundstücksteils ist jedoch nur der entsprechende Teil des Verkehrswerts des gesamten Grundstücks maßgebend. Bei der Auflassungsklage eines Miterben ist der Anteil des klagenden Erben abzuziehen. S. dazu das Stichwort „Miterbe“ (Rn. 4055 ff.).

1167

Klagt ein Mitglied einer Bruchteilsgemeinschaft gegen ein anderes Mitglied der Gemeinschaft auf Auflassung des der Gemeinschaft gehörenden Grundstücks an sich, so richtet sich der Streitwert gem. § 3 ZPO nach dem Anteil des beklagten Miteigentümers. Grundstücksbelastungen sind in diesem Fall nicht zu berücksichtigen.4

1168

Wird zwecks Vollzugs eines Grundstücks-Tauschvertrages auf Auflassung und Entgegennahme der Auflassung geklagt, dann soll damit der Leistungsaustausch bewirkt werden. Der Streitwert bemisst sich deshalb nach dem, was der Kläger zu bekommen hat.5 Das OLG Karlsruhe6 hat den Wert des höherwertigen Grundstücks angesetzt, gleichviel ob der Kläger es bekommen oder leisten soll. Ebenso hat das RG7 ohne nähere Begründung für die Wandelungsklage entschieden (s. das Stichwort „Wandelung“ Rn. 6019 ff.). Das widerspricht jedoch der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und den Bewertungsregeln für den „Tauschvertrag“ und im Grundsatz auch der Bewertung von Wandelungsklagen.

1169

Bezweckt die Klage die Verurteilung des Beklagten zur lastenfreien Umschreibung eines verkauften Grundstücks, dann bemisst sich der Streitwert nach der Höhe der Belastung des Grundstücks. Dabei kommt es nicht auf die nominelle, sondern auf die valutierte Belastung des Grundstücks an.8 Im Einzelfall kann es jedoch auch anders liegen. Geht es nicht nur um die Beseitigung der Lasten, sondern auch um das Grundstück selbst, dann ist dessen Verkehrswert maßgebend (Rn. 1163).

1170

Wird nur auf Entgegennahme der Auflassung durch den Beklagten geklagt, dann ist wertbestimmend das Interesse des Klägers, nicht der Grundstückswert. Es ist nach § 3 ZPO zu schätzen; ein Fall des § 6 ZPO ist nicht gegeben.9

1171

1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG Frankfurt/M., NJW 1961, 2264. OLG Frankfurt/M., Rpfleger 1952, 512. OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1990 – 1 W 130 89, JurBüro 1990, 773. KG v. 1.10.2008 – 1 W 455/08, MDR 2008, 1417 = JurBüro 2008, 652 = AGS 2009, 185. RG 1900, 747. OLGE 33, 16. RGZ 46, 423. OLG Köln, AnwBl. 1969, 53. RGZ 57, 400; KG, OLGE 21, 60; OLG Kiel, OLGE 19, 48 u. DRZ 1932 Nr. 102; OLG München, OLGE 21, 60.

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Auflassung 1172

Das Interesse des Klägers ergibt sich aus den jeweiligen Umständen, z.B. will er von den steuerlichen Lasten, Versicherungsprämien usw. loskommen. Das OLG Bamberg1 nimmt 1/10 des Kaufpreises als Regelwert an.

1173

Geht es nicht um die Auflassung als solche, sondern wird nur ein Vermessungsergebnis für ein neu gegründetes Teilgrundstück angegriffen, dann ist lediglich das Interesse des Klägers an der Beseitigung seiner Verschlechterung durch ein unrichtiges Messergebnis zu bewerten, und zwar durch Schätzung nach § 3 ZPO.2

1174

Der gegen weitere Beklagte gerichtete Anspruch auf Zustimmung zu der begehrten Auflassung hat neben dem Auflassungsanspruch einen eigenen Streitwert. Jedoch sind die Einzelwerte nicht zusammenzurechnen; abzustellen ist nur auf den Verkehrswert des Grundstücks, da der Kläger mit seinem Begehren nicht mehr als das Eigentum am Grundstück erlangen kann.3

1175

Klagt der Kläger auf Verurteilung des Beklagten zur Auflassung und Bewilligung der Eigentumsumschreibung entsprechend einem zwischen den Parteien abgeschlossenen notariellen Vertrag und wird der Beklagte auch antragsgemäß verurteilt, so steht dies nicht entgegen, den Streitwert lediglich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers zu bemessen, etwa wenn es tatsächlich nur darum geht, den Beklagten zu zwingen, den Notar zur Stellung des Umschreibungsantrages zu veranlassen,4 oder wenn der Kläger nur vermeiden will, dass der Beklagte den Notar zum Vollzug des Eigentumserwerbs veranlasst/ermächtigt.5 Diese im Ergebnis zu billigenden Entscheidungen erklären sich durch das Bestreben, grobe Fehler der Prozessbevollmächtigten bei der Antragsfassung gebührenrechtlich unschädlich zu machen.

1176

Das Verlangen, der Beklagte möge dem Notar erklären, der Kaufpreis sei vom Kläger bezahlt, ist keine Auflassungsklage, sodass nicht § 6 ZPO, sondern § 3 ZPO anzuwenden ist.6 In diesem Fall wird auf den eigentlichen Streit der Parteien abzustellen sein, etwa auf den Betrag, von dessen Zahlung der Beklagte die Abgabe der Erklärung an den Notar abhängig macht.

1177

So hat auch das OLG Bamberg7 entschieden und die Klage auf Anweisung des Notars, dem Grundbuchamt die Auflassung zum Vollzug vorzulegen, nach dem streitigen Kaufpreisrest beziffert. Das OLG Bamberg hat es dabei allerdings vermieden, sich mit dem Problem der geringwertigen Gegenleistung (s. unten Rn. 1199 ff.) auseinander zu setzen, und sein Ergebnis mit dem wenig überzeugenden Argument begründet, die für den Eigentumserwerb unerlässliche Eintragung im Grundbuch sei nur eine „Förmlichkeit“, die nicht „das Gewicht“ einer Auflassung habe.

1178

Verklagt ein Miterbe einen anderen Miterben auf Mitwirkung bei der Auflassung eines Nachlassgrundstücks an einen Dritten, so ist der Streitwert gleich 1 2 3 4

OLG Bamberg, JurBüro 1994, 361. OLG Bamberg, JurBüro 1982, 1720. OLG Nürnberg, JurBüro 1963, 170. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.4.1987 – 9 W 33787, JurBüro 1987, 1380; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.10.1989 – 9 W 89/89, NJW 1990, 844 = JurBüro 1990, 388. 5 OLG Düsseldorf, OLGR 1992, 215. 6 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.3.1984 – 10 W 5/84, JurBüro 1984, 1235. 7 OLG Bamberg, Beschl. v. 26.4.1983 – 4 W 7/83, JurBüro 1983, 1071.

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Auflassung dem Wert des Grundstücks.1 Soll an den klagenden Miterben selbst aufgelassen werden, dann mindert sich der Streitwert um dessen Anteil. Klagt der nicht befreite Vorerbe gegen den Nacherben auf Zustimmung zu einem Verkauf eines aus dem Nachlass durch Erbfall erworbenen Grundstücks und zur Auflassung an den Käufer, so ist der Streitwert zu schätzen, § 3 ZPO. Der Wert der Zustimmung zum Verkauf und zur Auflassung kann dem Verkehrswert des Grundstücks entsprechen. Zugunsten des Vorerben eingetragene Belastungen des Grundstücks sind vom Verkehrswert abzusetzen, wenn sie durch den Eintritt der Erbfolge unberührt bleiben.2

1179

Bezieht sich der Auflassungsanspruch des Klägers zwar auf das ganze Grundstück, führt er aber nicht zu einer Löschung des Beklagten im Grundbuch, sondern zu einer Eintragung als Miterbe neben den übrigen Erben, so muss der unbestrittene Anteil des Beklagten für die Streitwertbemessung außer Betracht bleiben.3

1180

Der Wert des Streitgegenstandes bei Klagen eines Nachlassgläubigers gegen einen einzelnen Miterben auf Auflassung und Herausgabe eines Grundstücks ist gleich dem Wert des Grundstücks, nicht nur gleich dem Wert des Anteils des beklagten Miterben.4

1181

Wenn auf Auflassung eines Grundstücks und zugleich auf Aufhebung desjenigen Vertrages geklagt wird, der dem Eigentumswechsel zugrunde liegt, kann das Aufhebungsinteresse wertmäßig das Auflassungsinteresse des Klägers übersteigen.5

1182

Meist wird aber die Aufhebung wegen wirtschaftlicher Identität wertmäßig belanglos sein, auch wenn sie durch einen eigenen Klageantrag verfolgt wird. So liegt es insbesondere bei Verbindung einer Rückauflassungsklage6 mit einer Feststellungsklage auf Bestehen der Auflassungspflicht oder einer Widerklage auf Feststellung ihres Nichtbestehens.7

1183

Wird mit der Auflassung gleichzeitig die Löschung von Hypotheken verlangt, ist ebenfalls nur der Grundstückswert bestimmend.8 Wenn der Auflassungskläger jedoch verlangt, dass der Beklagte auch noch ein auflastendes Grundpfandrecht durch Zahlung an den Inhaber ablöst, ist nach OLG Braunschweig9 der Wert des Grundpfandrechts mit dem Grundstückswert zusammenzurechnen.

1184

Schadensersatzansprüche, z.B. wegen verkauften Inventars, sind werterhöhend zu berücksichtigen.

1185

1 BGH, NJW 1956, 1071. 2 OLG Schleswig, JurBüro 1968, 735. 3 RG, JW 1937, 228; KG, Rpfleger 1962, 155; Einzelheiten bei dem Stichwort „Miterbe“ (Rn. 4055 ff.). 4 OLG Hessen-Kassel, SJZ 1949, 418; OLG Hamburg, Rpfleger 1951, 570; OLG Karlsruhe, OLGE 15, 52; OLG Breslau, OLGE 15, 46. 5 RGZ 73, 273. 6 LG Bayreuth, JurBüro 1977, 1116. 7 RG, JW 1902, 253. 8 RGZ 46, 423; OLG Karlsruhe, OLGE 13, 69. 9 OLG Braunschweig, AnwBl. 1972, 319.

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Auflassung

C. Grundstücksbelastungen 1186

Nach h.M. sind Ansprüche auf Herausgabe oder Auflassung von Grundstücken nach deren Wert ohne Rücksicht auf die auflastenden Grundpfandrechte zu bewerten.1

1187

Dafür spricht, dass bei der Veräußerung von belasteten Grundstücken immer der volle Kaufpreis anfällt. Er wird lediglich – vom Verkäufer selbst oder vom dazu beauftragten Notar – ganz oder teilweise verwendet, um das Grundstück vertragsgemäß lastenfrei zu machen. Das kann so weit gehen, dass der Verkäufer beispielsweise das bebaute Grundstück vor Veräußerung mit dem vollen Kaufpreis zugunsten seiner Bank belastet und der Kaufpreis nur noch in der Ablösung dieser Belastung besteht. Für den Verkäufer hat das den Vorteil, dass er seinem Geld nicht hinterherzulaufen braucht; Zahlungsverzögerungen für den Erwerber sind wiederum wirtschaftlich uninteressant, da er ab Vertragsschluss die (hohen) Kreditzinsen an die Bank bezahlen muss. Wollte man in solchen Fällen die Belastung abziehen, käme selbst bei wertvollen Grundstücken als Streitwert nur die unterste Gebührenstufe in Betracht – ein sich selbst widerlegendes Ergebnis. Kritisch und mit beachtlichen Gegengründen OLG Karlsruhe2 und LG Köln.3

1188

Der Grundsatz, dass dingliche Belastungen – in der Regel eingetragene Grundschulden und Hypotheken – den Verkehrswert nicht mindern, muss jedoch eingeschränkt werden. Es gibt nämlich daneben Belastungen, die den Wert des Grundstücks erheblich beeinträchtigen, aber vom Käufer übernommen werden müssen. Hierher rechnen beispielsweise Wohnrechte, die die wirtschaftliche Nutzung sehr beeinträchtigen, manchmal sogar die größten Schwierigkeiten bei einer vorgesehenen Veräußerung auslösen. Derartige Belastungen dürfen nicht außer Acht gelassen werden, weil sonst der wirkliche Verkehrswert nicht ermittelt würde.4

1189

Die Spannbreite der Streitwertbemessung für die Löschung dinglicher Sicherungsmittel schwankt zwischen 1/3 und 1/10 des Verkehrswertes.5

1190

Der Streitwert einer Klage auf Bewilligung der Löschung einer Tilgungshypothek richtet sich nicht nach deren Nominalbetrag, sondern nach dem Umfang 1 BGH, NJW 1954, 955; KG, Rpfleger 1962, 155; JR 1951, 349; NJW-RR 2001, 518; OLG Braunschweig, AnwBl. 1972, 319; OLG Frankfurt/M., JurBüro 1973, 1086; 1974, 1441; 1979, 1889; KG, Rpfleger 1974, 439 (ausführliche Erörterung), MDR 2001, 56; 2008, 1417; OLG Schleswig, Beschl. v. 9.1.1980 – 7 W 11/79, Rpfleger 1980, 239 = AnwBl. 1980, 255 = SchlHA 1981, 192 = KostRsp. ZPO § 6 Nr. 80 mit krit. Anm. E. Schneider; OLG München, JurBüro 1981, 892 mit Anm. Mümmler = MDR 1981, 501; OLG Karlsruhe, JurBüro 1982, 1402 = AnwBl. 1982, 375; FamRZ 2004, 43; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.11.1986 – 9 W 127/86, JurBüro 1987, 395 = KostRsp. ZPO § 6 Nr. 111; OLG Nürnberg, MDR 1995, 966; einschränkend für Klagen gegen einen Störer OLG Frankfurt/M., JurBüro 1981, 759 = MDR 1981, 589. 2 OLG Karlsruhe, Justiz 1967, 240. 3 LG Köln, NJW 1977, 255 m. abl. Anm. Schömbach, S. 856; ablehnend auch OLG Schleswig, AnwBl. 1980, 255. 4 Ebenso OLG Karlsruhe, JurBüro 1955, 446 – betreffend den Streit um einen Miteigentumsanteil; OLG Bamberg, JurBüro 1976, 1094 (1095) – betreffend die Klage auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung; OLG Bamberg, JurBüro 1992, 629 – betreffend die Auflassung eines bebauten, mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks. 5 Vgl. die Übersicht bei Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 „Löschung“ m.w.N.

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Auflassung der besicherten Restforderung,1 wenn der Fortbestand einer Forderung streitig ist; nur insoweit beansprucht der Kläger noch das Grundpfandrecht. Die Befreiung von der im Grundbuch eingetragenen Summe ist dabei wirtschaftlich von untergeordneter Bedeutung.2 Begehrt der Grundstückseigentümer die Löschung einer Rückauflassungsvormerkung, wirkt der Umstand, dass gleichartige Rechte zugunsten anderer Vormerkungsberechtigter bestehen (5 Geschwister) streitwertmindernd (hier: 1 /10 Grundstückswertes).3

1191

Geht es um die Rückübertragung eines belasteten Erbbaurechts (sog. Heimfallklage), dann ist ebenfalls umstritten, ob die Grundpfandrechte abzuziehen sind.

1192

Auszugehen ist von § 6 ZPO. Da es jedoch nicht um den Grundbesitz als solchen, sondern nur um das Erbbaurecht geht, ist dieses allein wertbestimmend mit der Folge, dass die zur Gebäudefinanzierung aufgenommenen Grundpfandrechte abgezogen werden müssen.4

1193

Einstweilen frei.

1194–1198

D. Gegenleistungen – Zurückbehaltungsrecht Gegenleistungen und Zurückbehaltungsrechte bleiben nach h.M. außer Ansatz.5

1199

Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass es sich nur um einen Grundsatz handelt. Er ist ausnahmsweise dann zu durchbrechen, wenn bei hohem Sachwert der Streit lediglich um eine minimale Gegenforderung geführt wird. In diesem Fall ist für den Gebührenstreitwert einer Auflassungsklage nicht der volle Verkehrswert des Grundstücks analog § 6 Satz 1 ZPO maßgebend, sondern dieser bemisst sich nach § 3 ZPO unter Berücksichtigung der streitigen Forderung.6 Schon aus verfassungsrechtlichen Erwägungen heraus, insbesondere wegen des grundgesetzlich garantierten Justizgewährungsanspruchs (Art. 103 Abs. 1 GG) erscheint in derartigen Fällen eine an den wahren – finanziellen – Interessen der Parteien orientierte Lösung dieser Streitwertpro-

1200

1 OLG Koblenz v. 31.3.2009 – 5 W 143/09, OLGR Koblenz 2009, 580–581 = JurBüro 2009, 430. 2 OLG Koblenz v. 31.3.2009 – 5 W 143/09, OLGR Koblenz 2009, 580–581 = JurBüro 2009, 430. 3 OLG Koblenz v. 31.3.2009 – 5 W 143/09, OLGR Koblenz 2009, 580–581 = JurBüro 2009, 430. 4 Vgl. LG Hannover, JurBüro 1974, 878 gegen OLG Celle, JurBüro 1974, 880; s. auch das Stichwort „Heimfallrecht“. 5 RG, JW 1937, 228; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1952, 512 u. JurBüro 1977, 1137 = MDR 1977, 672; OLG Bremen, JurBüro 1973, 1087; OLG Frankfurt/M., JurBüro 1973, 51 = Rpfleger 1973, 62; JurBüro 1974, 1441; OLGR 1995, 238; OLG Stuttgart, NJW 1975, 394; OLG Bamberg, JurBüro 1978, 427 mit Anm. Mümmler; KostRsp. ZPO § 6 Nr. 123 = JurBüro 1989, 1598; OLG München, JurBüro 1981, 892 mit Anm. Mümmler = MDR 1981, 501 (s. dazu E. Schneider, MDR 1982, 267 zu Ziff. 4); KostRsp. ZPO § 3 Nr. 919 = JurBüro 1988, 775; OLG Karlsruhe, AnwBl. 1982, 375; OLG Nürnberg, MDR 1995, 966 = JurBüro 1995, 646. 6 OLG Stuttgart v. 23.9.2009 – 8 W 392/09, MDR 2009, 1353 = AGS 2009, 603 = NJWSpezial 2009, 755.

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Auflassung blematik geradezu zwingend.1 Das BVerfG hat mit dem Beschluss vom 16.11.19992 entschieden, dass es den Justizgewährungsanspruch der kostenbelasteten Partei im Zivilprozess verletzt, wenn durch eine Festsetzung des Streitwerts weit über dem wirtschaftlichen Wert des Verfahrens bereits die Kosten einer Gerichtsinstanz ihr wirtschaftliches Interesse an einer Rechtsverteidigung übersteigen. 1201

Angesichts dieser Grundsätze ist es nicht vertretbar, auch in diesem Fall uneingeschränkt den Verkehrswert des aufzulassenden Grundbesitzes anzusetzen.3

1202

Das OLG Karlsruhe4 lässt die Frage grundsätzlich offen, berücksichtigt aber die Gegenleistung nicht, soweit sie 1/4 des Verkehrswertes oder mehr ausmacht. Auch das ist abzulehnen, da es nur zu neuen Kontroversen und Abgrenzungsschwierigkeiten führen würde, den Streitwert danach zu berechnen, ob die Gegenleistung im Verhältnis zum Verkehrswert mehr oder weniger geringfügig ist.

1203

Wie Lappe5 mit Recht hervorgehoben hat, kann die Vorschrift des § 6 ZPO im Einzelfall zu untragbaren Ergebnissen führen und zwingt deshalb nicht selten zu einer einschränkenden Auslegung. Der vom OLG Frankfurt/M.6 entschiedene Fall zeigt das deutlich:

1204

Der Kläger hatte gegen den Beklagten auf Herausgabe eines Grundstücks geklagt, dessen Verkehrswert 184.000 DM ausmachte. Der Beklagte verteidigte sich mit einem Zurückbehaltungsrecht wegen einer streitigen Forderung i.H.v. 84 DM. Wenn das OLG Frankfurt/M. dessen ungeachtet den Streitwert mit 184.000 DM ansetzt, so zwingt es dabei in der wirtschaftlichen Konsequenz den Kläger, bei geringfügigen Gegenforderungen auch ungerechtfertigte Ansprüche anzuerkennen, nur um einen Rechtsstreit mit ruinösem Streitwert zu vermeiden. Wird der Grundsatz des § 6 ZPO in derartigen Sachverhalten bis zur sinnlosen und grob unbilligen Konsequenz befolgt, dann wird der eigentliche Streit um die Berechtigung zur Leistungsverweigerung mit einem 1 OLG Stuttgart v. 23.9.2009 – 8 W 392/09, MDR 2009, 1353 = AGS 2009, 603 = NJWSpezial 2009, 755. 2 BVerfG, Beschl. v. 16.11.1999 – 1 BvR 1821/94, NJW-RR 2000, 946. 3 So aber früher OLG Nürnberg, MDR 1995, 966 = JurBüro 1995, 646; OLG Frankfurt/ M., OLGR 1995, 238; Rpfleger 1970, 354; JurBüro 1973, 51 = Rpfleger 1973, 62; OLG Bremen, JurBüro 1973, 1087; OLG Celle, JurBüro 1977, 1137 = MDR 1977, 672; OLG Bamberg, JurBüro 1971, 456; 1975, 650; JurBüro 1982, 886 mit zust. Anm. Mümmler m.w.N.; OLG Bamberg, Beschl. v. 25.4.1989 – 1 W 12/89, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 123 = JurBüro 1989, 1598; OLG München, JurBüro 1981, 892 mit Anm. Mümmler = MDR 1981, 501 (s. dazu E. Schneider MDR 1982, 267 zu Ziff. 4); OLG München, Beschl. v. 3.2.1988 – 8 W 796/88, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 919 = JurBüro 1988, 775; kritisch aber Vollkommer, Rpfleger 1970, 354 und 1973, 62; E. Schneider, JurA 1971, 57 (95 f.); Anm. Lappe zu KostRsp. § 6 ZPO Nr. 39 und 42; ferner OLG Celle, Nds.Rpfl. 1968, 231; OLG Braunschweig, NJW 1973, 1982; OLG Frankfurt/M., JurBüro 1979, 1885; OLG Köln (2. ZS), ZIP 1981, 781 = KostRsp. ZPO § 6 Nr. 78 mit zust. Anm. Lappe; OLG Köln (17. ZS), KostRsp. ZPO § 6 Nr. 83 mit zust. Anm. E. Schneider; OLG Düsseldorf, OLGR 1993, 348. 4 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.8.1988 – 10 W 34/88, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 119 mit Anm. E. Schneider = MDR 1988, 1067 = JurBüro 1988, 1551. 5 Anm. Lappe zu KostRsp. ZPO § 6 Nr. 39. 6 Rpfleger 1970, 354.

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Auflassung derart unverhältnismäßigen Kostenrisiko belastet, dass man schon von einem enteignenden Eingriff in materielle Rechtslagen sprechen kann.1 Ähnliche Fälle können auch bei Erbauseinandersetzungen oder Miterben auftreten.2 Der entscheidende Fehler in der Argumentation der h.M. ist die Verkennung, dass § 6 ZPO über § 48 Abs. 1 GKG für den Gebührenstreitwert nur entsprechend anwendbar ist.

1205

Das ist vom OLG Köln3 in einer grundsätzlichen Entscheidung aufgezeigt worden. Immer wieder wird übersehen, dass § 6 ZPO unmittelbar nur der Berechnung der sachlichen Zuständigkeit und der Rechtsmittelbeschwer dient. Es ist verfehlt, den Gebührenstreitwert unbesehen damit zu identifizieren. Im Gegenteil zeigt § 62 GKG, dass dies nur bei ausdrücklicher Entscheidung über die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels gelten soll. Hohe Werte für Zulässigkeit und Beschwer können sinnvoll sein, um bestimmte Eingangsgerichte zuständig zu machen und Instanzenzüge zu eröffnen. Werden sie jedoch unbesehen auf den Gebührenstreitwert übertragen, dann kann sich dies für die Parteien wirtschaftlich erschwerend, unerträglich oder gar ruinös auswirken. Damit die Verfassungsgrundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes4 nicht verletzt werden, muss § 6 ZPO für den Gebührenstreitwert restriktiv interpretiert werden.

1206

In diese Richtung geht auch eine Entscheidung des OLG Frankfurt/M.,5 wonach der Streitwert der Klage auf Herausgabe eines Grundstücks nicht nach einem starren Schema (= § 6 ZPO!) bewertet werden darf, sondern alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden müssen. Das OLG Frankfurt/M. hat in dieser Entscheidung das Herausgabeverlangen des Eigentümers gegen einen Störer bei unbestrittener Eigentümerstellung unter Abzug der auf dem Grundstück ruhenden Lasten bewertet und damit im Prinzip die formale Anwendung des § 6 ZPO gegeben.

1207

In diesem Sinne hat letztlich auch das OLG Bremen6 entschieden, das den Streitwert einer Klage auf Herausgabe eines Grundschuldbriefes nach den finanziellen Aufwendungen bewertet hat, die der Kläger hätte machen müssen, um das Zurückbehaltungsrecht des Beklagten abzuwenden.

1208

Auch die oben in Rn. 1175 angeführte Entscheidung des OLG Düsseldorf tendiert zur einschränkenden Auslegung des § 6 ZPO, wie in der Anm. von E. Schneider zu KostRsp. ZPO § 6 Nr. 114 herausgestellt worden ist.

1209

Für die restriktive Interpretation spricht ferner die materiellrechtliche Vorschrift des § 273 Abs. 3 BGB. Überträgt man ihren Gedanken auf die unter § 6 ZPO fallenden Klagen, dann führt dies dazu, den Streitwert immer nach der Gegenleistung zu bestimmen, wenn nur diese zwischen den Parteien streitig

1210

1 So Vollkommer, Rpfleger 1970, 354 und Lappe, Anm. zu KostRsp. § 6 ZPO Nr. 65. 2 S. dazu Speckmann, NJW 1970, 1906 ff. und unten das Stichwort „Miterbe“. 3 OLG Köln, Beschl. v. 29.4.1981 – 2 W 17/81, ZIP 1981, 781 = KostRsp. ZPO § 6 Nr. 78. 4 Vgl. etwa BVerfGE 23, 133 f.; 43, 106; 76, 50 f. 5 OLG Frankfurt/M., JurBüro 1981, 759 = MDR 1981, 589. 6 OLG Bremen, Beschl. v. 31.10.1984 – 2 W 125/84, Rpfleger 1985, 77 = JurBüro 1985, 444.

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Auflassung ist und allein über das darauf gestützte Zurückbehaltungsrecht gestritten wird. 1211

Keine akzeptable Lösung dürfte es sein, wenn OLG Frankfurt/M.1 den Kläger auf die negative Feststellungsklage verweist.2

1212

Dass dadurch nur neue Schwierigkeiten ausgelöst würden, zeigt OLG Karlsruhe,3 wonach der Streitwert einer Feststellungsklage auf Berechtigung zur Einbehaltung eines Restkaufpreises für ein Grundstück und Nichtberechtigung der Beklagten, wegen dieses Betrages die Auflassung und Bewilligung der Eintragung in das Grundbuch zu verweigern, gleich dem Verkehrswert des Grundstücks unter Berücksichtigung eines Abzuges von 20 % wegen bloßer Feststellung ist.

1213

Daher ist es begrüßenswert, dass sich das OLG Frankfurt/M.4 der Mindermeinung angeschlossen hat, die eine wirtschaftliche Betrachtungsweise verlangt. Der Sachverhalt dieser Entscheidung ist eigentlich der beste Beweis für die Richtigkeit der Auffassung des OLG Frankfurt/M. Es ging um die Eigentumsverschaffung an einem bebauten Grundstück, dessen Kaufpreis von 215.000 DM unstreitig war. Der Beklagte lehnte die Mitwirkung an der Umschreibung nur deshalb ab, weil er meinte, ihm stünden noch 500 DM für Sonderwünsche und 1.000 DM als Disagio für ein Darlehen zu. Diese allein streitigen Positionen wurden dann durch einen Prozessvergleich erledigt, in dem der Kläger sich verpflichtete, noch 300 DM an den Beklagten zu zahlen. Das Landgericht hatte den Streitwert auf 217.500 DM festgesetzt! Das OLG Frankfurt/M. hat bei der Abänderung darauf hingewiesen, auch bei einer Auflassungsklage müsse berücksichtigt werden, aus welchem Grunde und wegen welcher Forderung die Auflassung verweigert werde. Hervorzuheben ist aus der Begründung der überzeugende Hinweis auf eine entsprechende Anwendung des § 6 ZPO, wonach der geringere Wert des Gegenstandes eines Pfandrechts maßgebend ist und deshalb auch auf die gegenüber dem Grundstückswert geringfügige Gegenforderung abzustellen sei.

1214

In diesem Sinne hat auch das OLG Karlsruhe entschieden. Das Gericht will zwar grundsätzlich für eine auf Auflassung und Eintragungsbewilligung gerichtete Klage von dem vollen Streitwert ausgehen, jedoch dann, wenn die Kläger lediglich die Zustimmung der Beklagten zum Vollzug einer bereits erklärten Auflassung verlagen, die wegen einer umstrittenen Restgegenforderung verweigert wird, den Streitwert nicht nach § 6 ZPO bestimmen, sondern gem. § 3 ZPO unter Berücksichtigung des Wertes der streitigen Gegenforderung schätzen.5

1215

Jedenfalls von der wirtschaftlichen Basis her ist diese Analogie tragfähig. Damit wird durchaus nicht der Grundsatz in Frage gestellt, dass die Streitwertbemessung sich am Antrag des Klägers und nicht an den Einwendungen des Beklagten auszurichten hat. Es darf nur nicht übersehen werden, dass Rechtsgrundsätze keine Naturgesetze sind und wegen ihres Wertgehaltes immer die Möglichkeit von Ausnahmen einschließen. Das ist eine Grundvoraussetzung 1 2 3 4 5

OLG Frankfurt/M., JurBüro 1973, 51. Dagegen Vollkommer, Rpfleger 1973, 62; E. Schneider, MDR 1974, 182. OLG Karlsruhe, AnwBl. 1980, 502. OLG Frankfurt/M., JurBüro 1979, 1885. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.7.2005 – 1 W 33/05, OLGR 2006, 32 = JurBüro 2006, 145.

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Auflassung jeder anpassungsfähigen und am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Methode, die auch im Streitwertrecht nicht aufgegeben werden darf. Es wäre im Ausgangsfall einfach absurd, rein formal auf den Verkehrswert des Grundstückes abzustellen und ohne sachlichen Anlass Prozesskosten anfallen zu lassen, die um mehr als das Zehnfache höher wären als die allein streitige Zusatzforderung des Beklagten. Bemerkenswert ist auch, dass die wirtschaftliche Betrachtungsweise nach allgemeiner Ansicht im zweiten Rechtszug akzeptiert wird. Denn wenn der Beklagte als Berufungskläger nur sein Zurückbehaltungsrecht weiter verfolgt, bestimmt allein dieses den Streitwert.1

1216

Gegen einen unangemessen weiten Anwendungsbereich des § 6 ZPO sind schließlich in zwei Entscheidungen das OLG München und das OLG Celle vorgegangen, indem sie diese Vorschrift auf ihren Wortlaut zurückgeführt haben und sie nur anwenden, wenn auch der Besitz herausverlangt wird, also dann nicht, wenn es um das Eigentum ohne Rücksicht auf die Besitzlage geht.2

1217

Im Fall des OLG München3 ging der Streit um das Eigentum an Kultgegenständen, die im Jahre 1853 zur sakralen Nutzung überlassen worden waren und unstreitig weiterhin bei dem derzeitigen Besitzer verbleiben sollten. Der Kläger wollte lediglich sein Eigentum tituliert haben. Der Wert der Kultgegenstände belief sich auf 1,3 Mio. DM, und darauf hatte die Vorinstanz in Anwendung des § 6 ZPO den Streitwert festgesetzt. Das OLG München hat ihn wegen der unstreitigen Besitzlage auf 40 % des Verkehrswertes reduziert. Im Fall des OLG Celle4 hatte die Klägerin den Beklagten ein noch zu bebauendes Grundstück für 239.680 DM verkauft und eine Auflassungsvormerkung bewilligt. Die Beklagten zahlten bis auf einen Restbetrag von 11.329 DM, der wegen Mängelrügen streitig und von der Klägerin eingeklagt wurde. Widerklagend begehrten die Beklagten Auflassung. Das LG hatte den Streitwert auf 11.329 DM + 239.680 DM = 251.009 DM festgesetzt. Das OLG Celle hat den Gesamtstreitwert auf 11.329 DM reduziert, ebenfalls deshalb, weil nicht um den Besitz gestritten wurde.

1218

Beide Entscheidungen, insbesondere diejenige des OLG Celle, stehen in deutlichem Gegensatz zur h.M., die auch derartige Fälle rein formal nach § 6 ZPO bewerten würde.

1219

1 S. z.B. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 6.12.1978 – 4 U 233/75, AnwBl. 1979, 153 = KostRsp. ZPO § 6 Nr. 66 mit Anm. E. Schneider; BGH, Beschl. v. 18.1.1995 – XII ZB 204/94, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1200 = NJW-RR 1995, 706; ausführlich dazu das Stichwort „Rechtsmittel“. 2 OLG München, Beschl. v. 18.1.1983 – 24 W 232/82, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 96 mit Anm. E. Schneider = JurBüro 1983, 1393; OLG Celle, Beschl. v. 29.4.1983 – 14 U 15/ 83, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 97 = Nds.Rpfl. 1983, 184 = JurBüro 1983, 1391. 3 OLG München, Beschl. v. 18.1.1983 – 24 W 232/82, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 96 mit Anm. E. Schneider = JurBüro 1983, 1393. 4 OLG Celle, Beschl. v. 29.4.1983 – 14 U 15/83, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 97 = Nds.Rpfl. 1983, 184 = JurBüro 1983, 1391.

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Auflassungsvormerkung

Auflassungsvormerkung Literatur: E. Schneider, Der Streitwert der Klage auf Löschung einer Auflassungsvormerkung, MDR 1983, 638.

A. Eintragung einer Vormerkung 1220

Der Streitwert ist zu ermitteln durch freie Schätzung (§ 3 ZPO) des Interesses, das der Kläger an der Sicherung seines Eigentumserwerbs hat.1

1221

Beim Anspruch auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung ist auszugehen von dem Verkehrswert des Grundstücks unter Berücksichtigung von Belastungen, die die wirtschaftliche Nutzung wesentlich beeinträchtigen (Dienstbarkeiten), nicht aber von Hypotheken und Grundschulden.2 S. zu den Belastungen das Stichwort „Auflassung“ Rn. 1186 ff.

1222

Das Interesse am Erwerb der Auflassungsvormerkung kann im Einzelfall den Wert des Grundstücks, auf das sich der Auflassungsanspruch bezieht, erreichen (dieser ist aber obere Grenze).3

1223

Der Ansatz des Grundstückswertes kommt aber nur dann in Betracht, wenn durch die Vormerkung ein unmittelbar drohender völliger Rechtsverlust abgewendet werden soll.4

1224

Soweit solche Umstände nicht vorliegen, ist das Interesse wesentlich geringer und nur mit einem Bruchteil des Grundstückswertes anzusetzen. Wird eine besonders akute Gefährdung des Auflassungsanspruchs nicht dargelegt (§ 885 Abs. 1 Satz 2 BGB), so kann das Interesse nach OLG Frankfurt/M.5 nur mit etwa 1/10 des Grundstückswerts angenommen werden. Ebenso hat das OLG Celle6 entschieden, weil der durch Vormerkung gesicherte Anspruch unstreitig nicht mehr bestand. Das OLG Bamberg7 hat mit 1/4 bewertet, LG Bayreuth8 mit 1/5. Es kommt eben stets auf den einzelnen Fall an. Unter 1/10 zu gehen, dürfte jedoch immer unangemessen sein. Bei all diesen Bruchteilsschätzungen, die sich zwischen 5 %9 und 68 %10 des Verkehrswertes bewegen, bleibt letztlich unklar, wie diese Prozentzahlen gewonnen werden.

1225

So gut wie alle Entscheidungen stellen darauf ab, es gehe nicht darum, dem Verlust des Grundstückes vorzubeugen, sondern zu ermöglichen, über das 1 OLG Kiel, HRR 1941 Nr. 550; OLG Oldenburg, Nds.Rpfl. 1955, 135; OLG Koblenz, Rpfleger 1956, 147; 1957, 316; OLG Schleswig, Rpfleger 1957, 1; OLG Neustadt, Rpfleger 1957, 238. 2 OLG Zweibrücken, Rpfleger 1967, 2; OLG Bamberg, JurBüro 1976, 1094. 3 OLG Schleswig, SchlHA 1966, 85. 4 Zustimmend OLG Bamberg, JurBüro 1976, 1094. 5 OLG Frankfurt/M., JurBüro 1958, 253. 6 OLG Celle, JurBüro 1970, 434 = Rpfleger 1970, 248 = Nds.Rpfl. 1970, 167. 7 OLG Bamberg, JurBüro 1976, 1094. 8 LG Bayreuth, JurBüro 1981, 758. 9 BGH, LM § 3 ZPO Nr. 47. 10 OLG Nürnberg, Beschl. v. 28.10.1969, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 240; hier ging es um die Löschung einer Vormerkung.

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Auflassungsvormerkung Grundstück frei zu verfügen und sich dessen wirtschaftlichen Wert durch Veräußerung nutzbar zu machen. Das aber setzt Verwertungswillen und Verwertungsmöglichkeit voraus. Soweit der Berechtigte darin behindert wird, ist sein wirtschaftliches Interesse im Wesentlichen deckungsgleich entweder mit der Vermeidung unnötigen Zinsdienstes oder mit entgangenem Veräußerungsgewinn.1 Das aber lässt sich mit Zahlen belegen. Und deshalb sollte, was in der Praxis eigentlich nie geschieht, dem Kläger vor der Wertfestsetzung aufgegeben werden, solche Zahlen wenigstens annäherungsweise mitzuteilen.2 Da jetzt eine vorläufige Festsetzung zwingend ist (§ 25 Abs. 1 Satz 1 GKG), wenn auch ohne Anhörung der Partei, sollte ein Kläger seine Betragsvorstellung vorab mitteilen (vgl. § 61 GKG) und notfalls im Verfahren nach § 66 GKG weiter verfolgen. Zur Rechtslage, wenn der Beklagte als Berufungskläger die Abänderung des ihn zur Einwilligung in die Löschung einer Auflassungsvormerkung verurteilenden Urteils in eine Verurteilung Zug um Zug gegen Zahlungen des Klägers an ihn begehrt, s. das Stichwort „Rechtsmittel“.

1226

B. Löschung einer Vormerkung S. dazu auch bei dem Stichwort „Löschung von Grundpfandrechten“.

1227

Der Streitwert einer Klage auf Löschung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück ist vom Gericht gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu schätzen.3 Richtungsweisend ist dabei das Interesse des Klägers an der Möglichkeit zur freien Verfügung über sein Grundstück. Demzufolge ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Gericht 1/4 des Grundstücksverkehrswertes als Streitwert festsetzt.4

1228

Dabei fällt vor allem die derzeitige Wertminderung durch die „praktische Unveräußerbarkeit und Unbelastbarkeit“ des Grundstücks5 ins Gewicht.6

1229

Als Anhaltspunkt für die Schätzung nach § 3 ZPO ist vom Grundstückswert nach Abzug der die wirtschaftliche Benutzbarkeit wesentlich beeinträchtigenden Belastungen auszugehen.7

1230

Der Verkehrswert wird daher so gut wie nie erreicht werden, weil er fast immer höher liegen wird als die zahlenmäßig bewertete Behinderung des Klägers, über das Grundstück frei verfügen zu können.8

1231

1 OLG Köln, Beschl. v. 14.3.1983 – 2 W 15/83, MDR 1983, 495. 2 S. dazu E. Schneider, MDR 1983, 638 u. Anm. zu OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 18.1.1983 – 1 W 53/82, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 628 = AnwBl. 1983, 174. 3 OLG Oldenburg, Nds.Rpfl. 1955, 135; OLG Koblenz, Rpfleger 1957, 316; OLG Schleswig, SchlHA 1958, 7; 1966, 85. 4 BGH, Beschl. 16.10.1997 – IV ZR 114/97, BGHR ZPO § 3 Auflassungsvormerkung 1 = BGHR ZPO vor § 511 Beschwer 16 = EzFamR ZPO § 3 Nr. 53; Festhaltung an BGH, Beschl. v. 14.2.1973 – V ZR 179/72, NJW 1973, 654. 5 OLG Nürnberg, JurBüro 1977, 717 = NJW 1977, 857 = AnwBl. 1977, 251. 6 OLG Bamberg, JurBüro 1976, 1247; OLG München, BB 1976, 1295; OLG Köln, JurBüro 1978, 1054. 7 OLG Zweibrücken, Rpfleger 1967, 2; OLG Bamberg, JurBüro 1976, 1094; OLG Neustadt, Rpfleger 1957, 238. 8 OLG Saarbrücken, JurBüro 1979, 264 = AnwBl. 1979, 114.

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Auflassungsvormerkung 1232

Das OLG Saarbrücken1 hat mit Recht darauf hingewiesen, dass gerade bei Wohnhäusern ein hoher Streitwert unangemessen sei, da der Gebrauchswert bewohnter (vermieteter) Häuser regelmäßig von einer Auflassungsvormerkung nicht berührt wird.

1233

Das OLG Köln2 hält es im Allgemeinen für angemessen, den Streitwert auf etwa 1/10 des Grundstückswerts festzusetzen. Das OLG Bamberg3 hält 1/10 ausnahmsweise für vertretbar, zugleich aber auch für die unterste Grenze. In einer weiteren Entscheidung4 hat das OLG Bamberg ebenfalls mit 1/10 des Grundstückswertes bemessen und als Bewertungsumstände angeführt: Wertangabe in der Klageschrift; geringe Einschränkung der Verfügungsfreiheit und deren wirtschaftliche Folgen für den Kläger; nur formaler Charakter des Löschungsstreits; Verwertungshindernisse nicht vorgetragen.

1234

Das OLG Frankfurt/M.5 geht für den Wert des Anspruchs auf Löschung einer Auflassungsvormerkung von der Höhe derjenigen Nachteile aus, die durch die Löschung wirtschaftlich verursacht werden. Regelmäßig wird in diesem Fall von einem Bruchteil des gesicherten Rechts auszugehen sein, der zwischen 1/2 und 1/10 des Verkehrswertes schwankt.6 Ist die Eigentumsfrage ebenfalls Gegenstand des Prozesses, ist der Wert mit 1/10 des vereinbarten Kaufpreises anzusetzen.

1235

Das OLG Schleswig7 hat 1/6 als Höchstwert bezeichnet. Das OLG Frankfurt/M.8 geht bis zu 1/4; dieser Bruchteil scheint bevorzugt zu werden.9 Ebenso hat entschieden das OLG Celle10 für den Streitwert einer Klage auf Löschung einer im Grundbuch eingetretenen Abtretung der Rechte aus einer Auflassungsvormerkung.

1236

Das OLG Nürnberg11 nimmt für Klagen auf Löschung einer Auflassungsvormerkung den halben Grundstückswert an.

1237

Liegt der Klage die Anfechtung eines Erbvertrages zugrunde, rechtfertigt dies keine höhere Streitwertfestsetzung.12

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12

OLG Saarbrücken, JurBüro 1979, 264 = AnwBl. 1979, 114. OLG Köln, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 622 = MDR 1983, 495. OLG Bamberg, JurBüro 1976, 1247. OLG Bamberg, Beschl. v. 26.3.2006 – 1 W 24/90, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1007 mit Anm. E. Schneider = JurBüro 1990, 1511. OLG Frankfurt/M., Beschl. 23.4.1997 – 9 W 7/97, OLGR 1997, 177. OLG Frankfurt/M., OLGR 2008, 321: ohne Valutierung 20 % des Nennwertes. OLG Schleswig, SchlHA 1966, 85. OLG Frankfurt/M., JurBüro 1962, 526. Ebenso OLG Nürnberg, JurBüro 1977, 717; München, JurBüro 1978, 1564; OLG Saarbrücken, JurBüro 1979, 264 = AnwBl. 1979, 114; OLG Frankfurt, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 628 mit Anm. E. Schneider = AnwBl. 1983, 174; LG Bayreuth, JurBüro 1977, 1764. OLG Celle, Beschl. v. 14.7.1986 – 4 W 100/86, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 835 = JurBüro 1987, 1866. OLG Nürnberg, AnwBl. 1970, 55. BGH, Beschl. 16.10.1997 – IV ZR 114/97, EzFamR ZPO § 3 Nr. 53.

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Auflösung einer GmbH

Auflösung einer GmbH Die Auflösung einer GmbH ist in §§ 60 ff. GmbHG geregelt. Es muss ein Auflösungsgrund bestehen (§ 60 GmbHG). Der Auflösung folgt grundsätzlich ein Liquidationsstadium. Nach Begleichung der Schulden (§ 70 GmbHG) wird das Vermögen nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile verteilt (§ 72 GmbHG). Mit Abschluss der Liquidation (kein Aktivvermögen mehr vorhanden) ist die GmbH beendet und verliert die Rechtsfähigkeit. Die Beendigung ist zum Handelsregister anzumelden (§ 65 GmbHG). Die Eintragung hat allerdings nur deklaratorische Wirkung.

1238

Der Wert einer Klage auf Auflösung einer GmbH (§ 61 GmbHG), auf Feststellung des (Weiter-)Bestehens wegen unwirksamer Auflösung oder auf Feststellung des Nichtbestehens wegen bereits erfolgter Auflösung ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.

1239

Dabei ist das Interesse des Klägers an der Klärung der Frage der Auflösung für die Wertfestsetzung entscheidend.1 Es ist eine Zusammenschau aller konkret in Betracht kommenden Bemessungsfaktoren geboten, z.B. Beteiligungswert, Verlustgefahr, drohende Haftungserweiterung, Höhe des Auseinandersetzungsguthabens, nicht jedoch mögliche Folgewirkungen.2 Zu berücksichtigen ist ggf. auch der Wert des Gesellschaftsanteils, den sich der Beklagte durch Nichtanerkennen der Kündigung zu Unrecht beilegt.3

1240

Da die Auflösung letztlich darauf gerichtet ist, das vorhandene Vermögen der Gesellschaft nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile zu verteilen, ist bei der Schätzung nach § 3 ZPO zunächst vom Verkehrswert des Geschäftsanteils des klagenden Gesellschafters auszugehen.4 Dieser Wert begrenzt den Wert der Auflösungsklage nach oben.

1241

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass ein Urteil, durch welches die Gesellschaft aufgelöst wird, noch keinen vollstreckbaren Titel für den Zugriff auf ein eventuelles Auseinandersetzungsguthaben gibt. Daher gibt für das Interesse des Klägers die Höhe seiner gesellschaftlichen Beteiligung zwar einen Anhaltspunkt, ist aber nicht ohne weiteres mit ihm gleichzusetzen,5 sondern nur ein Bemessungsumstand neben anderen.

1242

Eine Wertfestsetzung auf den vollen Betrag der Stammeinlage kommt in Betracht, wenn die Auflösung der Gesellschaft erstrebt wird, um dem vollen Verlust der bisher ungeschmälerten Einlage vorzubeugen.6 Ansonsten ist regelmäßig nur ein Bruchteil des Wertes der gesellschaftlichen Beteiligung des Klägers anzusetzen.7 Das Gleiche (Bruchteilsbewertung) gilt, wenn nicht die Auflösung an sich, sondern nur ihr Zeitpunkt streitig ist.

1243

1 OLG Hamm, GmbHR 1955, 225. 2 Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 22.6.1982 – 2 W 79/82, BB 1982, 1384 = EWiR § 3 ZPO 1/88, 407 mit Anm. Lappe. 3 OLG München, OLGE 25, 124. 4 OLG Köln, Beschl. v. 14.12.1987 – 2 W 181/87, BB 1988, 365 = EWiR § 3 ZPO 1/88, 407 mit Anm. Lappe; OLG München, GmbHR 1957, 43. 5 RG, JW 1901, 395 Nr. 2. 6 RG, JW 1901, 395; OLG Dresden, OLGE 31, 5. 7 OLG Köln, Beschl. v. 14.12.1987 – 2 W 181/87, BB 1988, 365.

Onderka

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Aufopferung

Aufopferung 1244

Den Streitwert eines auf § 75 Einl. ALR gestützten Rentenanspruchs wegen einer auf eine Zwangsimpfung zurückzuführenden Körperbeschädigung hat der BGH1 nicht nach § 10 Abs. 3 GKG a.F. (jetzt § 42 Abs. 1 GKG), sondern nach § 9 ZPO bewertet. Das hing damit zusammen, dass § 10 Abs. 3 GKG a.F. die privilegierten Ansprüche aufzählte und nur eine analoge Anwendung auf Aufopferungsansprüche in Betracht kam. Diese scheiterte daran, dass § 10 Abs. 3 GKG a.F. in der höchstrichterlichen Rechtsprechung stets eng ausgelegt worden war.

1245

Der gesetzliche Katalog bevorzugter Ansprüche ist inzwischen aufgegeben worden. Die Streitwertvergünstigung erstreckt sich daher auf alle Rentenansprüche „wegen der Tötung eines Menschen oder wegen der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit“. Entsprechend ist auch der Aufopferungsanspruch streitwertmäßig durch § 42 Abs. 1 GKG privilegiert2 und auf den fünffachen Jahresbetrag des Rentenanspruchs festzusetzen, wenn nicht der Gesamtbetrag geringer ist.

Aufrechnung Literatur: Markl, JVBl. 1969, 153; Schumann, NJW 1969, 24; Mattern, NJW 1969, 1087; Rödding, NJW 1968, 1918; Schneider, JurBüro 1965, 689; 1969, 785 u. 1068; DB 1970, 477; MDR 1970, 277; MDR 1970, 371 (zur Kostenentscheidung); MDR 1971, 87; Chemnitz, AnwBl. 1970, 128; Engelhardt, MDR 1970, 649; Diehl, NJW 1970, 2092; Schulz, MDR 1971, 364; Speckmann, MDR 1971, 529; JZ 1971, 51; Merle, MDR 1971, 976; Bettermann, NJW 1972, 2285; Schlicht, BB 1972, 1388; Schmidt, Rpfleger 1972, 164; Frößler, NJW 1973, 337; Mittenzwei, JR 1975, 94; Pfennig, NJW 1976, 1074; Mümmler, JurBüro 1978, 1; Madert, FS für H. Schmidt, 1981, S. 67 ff.; Peters, Unselbständige Rechnungsposten und selbständige Forderungen, Aufrechnung und Verrechnung, JZ 1986, 669; Mümmler, JurBüro 1987, 1615; Schneider, Der Streitwert bei vermeintlicher Primäraufrechnung des Klägers mit Beweisaufnahme über die Aufrechnung, ZAP Fach 24, Seite 142; Schulte, Die Kostenentscheidung bei der Aufrechnung durch den Beklagten im Zivilprozess, Europäische Hochschulschriften, Reihe 2 Band 940; Sonnenfeld/Steder, Streitwertermittlung bei Aufrechnung, Rpfleger 1995, 60; hiergegen Lappe, Eine der Rechtskraft fähige Entscheidung, Rpfleger 1995, 401; Kanzlsperger, Probleme der streitwerterhöhenden Eventualaufrechnung, MDR 1995, 883; Bläsing, Der Streitwert im arbeitsgerichtlichen Verfahren, Diss. 2001, S. 119; Madert, Streitwert der Hilfsaufrechnung, AGS 2002, 170 und 218; N. Schneider, Streitwert und Gebühren bei Vergleichsabschluss unter Einbeziehung einer Hilfsaufrechnung, AGS 2003, 150; E. Schneider, Anwaltsvergütung bei nichtbeschiedener Hilfsantrag oder Hilfsaufrechnung, AGS 2004, 274; Mock, Die Berechnung des Streitwertes bei Klage, Widerklage, Hilfswiderklage und Hilfsaufrechnung, RVHReport 2006, 405; N. Schneider, Streitwert bei Hilfsaufrechnung, AGS 2006, 34; ders. Die Berechnung des Gegenstandswertes bei der Rechtsanwaltstätigkeit bei nicht rechtskraftfähiger Entscheidung über eine Hilfsaufrechnung, AGS 2007, 255; Hansen, Der Streitwert des Berufungsverfahrens nach hilfsweiser Aufrechnung in erster Instanz, RVGReport 2008, 316.

1 BGHZ 7, 335. 2 BGHZ 53, 172 = JurBüro 1970, 389; Hartmann, § 42 GKG Rn. 21; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Aufopferungsanspruch“.

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Onderka

Aufrechnung Gliederungsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . I. Aufrechnung . . . . . . . . . . II. Anrechnung und Verrechnung III. Geltendmachung im Prozess . IV. Haupt- und Hilfsaufrechnung . V. Anzuwendende Vorschriften . B. Zuständigkeitsstreitwert

. . . . . .

Rn. 1246 1247 1249 1253 1256 1258

. . . . 1259

C. Gebührenstreitwert . . . . . . . I. Geltendmachung der Aufrechnung 1. Erfüllungseinwand/Prozessaufrechnung . . . . . . . . . . . . . 2. Verteidigung mit Gewährleistungsrechten . . . . . . . . . . . a) Rücktritt . . . . . . . . . . . . b) Minderung/Freistellung von Vergütung . . . . . . . . . . . c) Vorschuss- und Ersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . d) Vertragsstrafeversprechen . . II. Hauptaufrechnung . . . . . . . . III. Hilfsaufrechnung . . . . . . . . . 1. Eventualverhältnis a) Prozessuale Rügen . . . . . . b) Mehrfache Hauptaufrechnungen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestrittene Gegenforderung . . . 3. Rechtskraftfähige Entscheidung . a) Entscheidung über Aufrechnungseinwand . . . . . . . . .

1260

1264 1268 1271 1272 1275 1283 1284 1287 1288 1290 1292 1293 1297

Rn. b) Entscheidung über Gegenforderung . . . . . . . . . . . . . aa) Unzulässigkeit der (Hilfs-) Aufrechnung . . . . . . . . bb) Fehlende Aufrechnungslage . . . . . . . . . . . . . 4. Umfang der Rechtskrafterstreckung a) Allgemeines . . . . . . . . . . b) Reduktion der Klageforderung c) Mehrfache Aufrechnung . . . IV. Wechsel zwischen Haupt- und Hilfsaufrechnung . . . . . . . . . V. Instanzunterschiede . . . . . . . VI. Besondere Verfahren 1. Negative Feststellungsklage . . . 2. Klagenhäufung . . . . . . . . . . 3. Klage und Widerklage . . . . . . 4. Insolvenzverfahren . . . . . . . . 5. Vollstreckungsabwehrklage . . . 6. Wiederaufnahmeklage . . . . . . D. Rechtsmittel und Beschwer . . . I. Unterliegen des Klägers . . . . . II. Unterliegen des (aufrechnenden) Beklagten . . . . . . . . . . . . . III. Verwerfung des Rechtsmittels . . IV. Rücknahme des Rechtsmittels .

1306 1308 1314

1319 1321 1322 1328 1334 1340 1341 1342 1345 1346 1348 1349 1351 1353 1360 1362

E. Vergleich . . . . . . . . . . . . . 1366 I. Gerichtsgebühren . . . . . . . . 1368 II. Anwaltliche Gebühren . . . . . . 1373

Stichwortübersicht Rn. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . 1269 Abrechnung, Rechnungsposten . . . 1267 Abrechnungssaldo . . . . . . . . . . 1252 Anerkenntnisurteil . . . . . . . . . . 1301 Anrechnung . . . . . . . 1249, 1358, 1375 – hilfsweise erklärte . . . . . . . . . 1355 Anwaltliche Gebühren . . . . . . . . 1373 Aufrechnung – des Klägers mit der Klageforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1266 – eines Dritten . . . . . . . . . . . . 1295 – mehrfache . . . . . . . . . . . . . 1322 – mit mehreren Gegenforderungen . 1357 – verspätet zurückgewiesen . . . . . 1311 Aufrechnungseinwand . . . . . 1297, 1299 Aufrechnungserklärung – außerprozessuale . . . . . . . . . . 1294 – wirksame . . . . . . . . . . . . . . 1302 Aufrechnungsforderung, ungenügend individualisiert . . . . . . . . 1310

Rn. Aufrechnungslage, fehlende . . . . . 1315 Aufrechnungsverbote . . . . . . . . 1313 Aufrechnungswille . . . . . . . . . . 1247 Bedingungsfeindlichkeit . . . . . . . 1256 Berechnungsposten, unselbständige . 1352 Bürge . . . . . . . . . . . . . . 1265, 1295 Darlehensrückzahlung . . . . . . . . 1281 Dienstvertragliche Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 1274 Differenztheorie . . . . . . . . . . . 1251 Einigungsgebühr . . . . . . . . . . . 1374 Einspruch . . . . . . . . . . . . . . . 1304 Einzelforderung . . . . . . . . . . . . 1252 Empfangsbedürftige Erklärung . . . 1247 Erfüllungseinwand . . . 1252, 1254, 1264 Erklärung von Dritten . . . . . . . . 1265 Ersatzvornahmekosten . . . . . . . . 1276 Eventualforderung . . . . . . . . . . 1367 Eventualverhältnis . . . . . . . . . . 1288 – Missachtung . . . . . . . . . 1290, 1306

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Aufrechnung Rn. Fälligkeitsprüfung . . . . . . . . . . 1317 Fehlerhafte anwaltliche Beratung . 1274 Freistellung von Vergütung . . . . . 1272 Gebührenstreitwert . . . . . . . . . 1260 Gegenforderung . . . . . . . . . . . 1356 – bestritten . . . . . . . . . . 1260, 1292 – Inhaber der . . . . . . . . . . . . 1264 – mehrere . . . . . . . . . . . 1286, 1326 – wertmäßig übersteigende . . . . . 1285 Gegenseitigkeit . . . . . . . . . . . 1318 Gerichtsgebühren . . . . . . . . . . 1368 Geschäftsbesorgung, entgeltliche . 1274 Gewährleistungsrechte – Verteidigung mit . . . . . . . . . 1268 – Gegenansprüche . . . . . . . . . 1251 – Streitigkeiten . . . . . . . . . . . 1344 Gleichartigkeit . . . . . . . . . . . . 1312 Haupt- und Hilfsaufrechnung . . 1256, 1284, 1287, 1354 Hauptaufrechnung . . . . 1284, 1287, 1354 – mehrfache . . . . . . . . . . . . . 1290 Hilfserwägungen . . . . . . . . . . . 1308 Hilfswiderklage . . . . . . . . . . . 1261 Insolvenzverfahren . . . . . . . . . 1345 Instanzbezogene Wertfestsetzung . 1371 Instanzunterschiede . . . . . . . . . 1334 Kauf- und Werkvertragsrecht . . . . 1272 Klage und Widerklage . . . . . . . . 1342 Klageforderung bestritten . . . . . . 1323 Klageforderung mit Aufrechnung . 1266 Mangel-/Mangelfolgeschäden . . . . 1280 Mietrechtliche Streitigkeit . . . . . 1273 Minderung . . . . . . . . . . . . . . 1272 Negative Feststellungsklage . . . . 1340 Nichterfüllung des Vertrages . . . . 1275 Prozessaufrechnung . . . . . . . . . 1255 Prozessuale Rügen . . . . . . . . . . 1288 Qualifizierung, fehlerhaft . . . . . . 1270 Rechnungsposten, unselbständig . . 1249 Rechtliche Würdigung . . . . . . . 1248 Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . 1260 Rechtskrafterstreckung, Umfang . . 1319 Rechtskraftfähige Entscheidung . . . . . . . . . . . . . 1293, 1338 Reduktion der Klageforderung . . . 1321

Rn. Rücknahme der Aufrechnungserklärung . . . . . . . . . . . . . 1302 Rücknahme des Rechtsmittels . . . 1362 Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . . 1271 – Rückabwicklung . . . . . . . . . 1251 Sachvortrag, verspätet . . . . . . . . 1316 Saldoforderung . . . . . . . . . . . . 1267 Saldotheorie . . . . . . . . . . . . . 1251 Schadenersatz . . . . . . . . . . . . 1280 – wegen Verzug . . . . . . . . . . . 1282 – wegen Verletzung leistungsbezogener Nebenpflichten . . . . . . . 1281 – wegen einzelner Mängel . . . . . 1276 – wegen Nichterfüllung . . . . . . 1275 Sperrgrenze, § 322 Abs. 2 ZPO . . . 1369 Streitwert bis/nach Übergang der Hilfs- zur Hauptaufrechnung . . . . . . . . . . . . . 1328, 1331 Substantiierung, unzureichende . . 1315 Überzahlung auf Abschlagrechnung 1251 Unzuständigkeit . . . . . . . . . . . 1309 Verfahrensgebühr . . . . . . . . . . 1373 Verfahrensstreitwert . . . . . . . . . 1370 Vergebliche Aufwendungen . . . . . 1276 Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . 1366 Vergleich im Rechtsmittelverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 1371 Verrechnung . . . . . . . . . . . . . 1251 Versäumnisurteil . . . . . . . . . . 1303 Verstoß gegen § 308 ZPO . . . . . . 1300 Verteidigungsmittel . . . . . . . . . 1253 Vertragsstrafeversprechen . . . . . . 1283 Verwerfung des Rechtsmittels . . . 1360 Vollstreckungsabwehrklage . . 1346, 1359 Vorbehaltsurteil . . . . . . . . . . . 1305 Vorgreifliche Entscheidung . . . . . 1299 Vorschuss . . . . . . . . . . . . . . 1276 Vorschusspflicht . . . . . . . . . . . 1262 Vorschusszahlung . . . . . . . . . . 1251 Vorteilsausgleich . . . . . . . . . . 1251 Wertfestsetzung, getrennt . . . . . . 1335 Widerklage . . . . . . . . . . . . . . 1261 Wiederaufnahmeklage . . . . . . . . 1348 wirtschaftliche Betrachtungsweise . 1376 Zurückbehaltungsrecht . . . . 1296, 1298 Zuständigkeitsstreitwert . . . . . . 1259

A. Allgemeines 1246

Im Prozess kann sich der Beklagte mit Einreden und Einwendungen gegen die Klageforderung verteidigen. Beruft er sich erfolgreich darauf, dass die Klageforderung durch eine wirksame Aufrechnung gem. § 389 BGB erloschen ist, wird die Klage als unbegründet abgewiesen. Dabei ist zwischen der Erklärung der Aufrechnung als materiell-rechtliche Gestaltungserklärung (§ 388 BGB) und der Geltendmachung der erklärten Aufrechnung im Prozess zu unterscheiden. 212

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Aufrechnung

I. Aufrechnung Aufrechnung ist die wechselseitige Tilgung zweier sich gegenüberstehender gleichartiger Forderungen. Sie stellt ein einseitiges Rechtsgeschäft dar, dessen Vornahme durch empfangsbedürftige Erklärung gegenüber dem anderen Teil erfolgt. Diese muss für die Herbeiführung materiell-rechtlicher Folgen nicht ausdrücklich abgegeben werden, hinreichend ist eine klare Erkennbarkeit des Aufrechnungswillens. Daher kann in dem Verweis auf eine bereits zu einem früheren Zeitpunkt angeblich erklärte Aufrechnung im Einzelfall deren Wiederholung liegen.1 Aufgrund ihrer endgültigen Wirkung (§ 389 BGB) kann jedoch eine einmal wirksam erklärte Aufrechnung weder wiederholt werden noch kann ihr mit einer weiteren Aufrechnung (sog. Replik der Aufrechnung) entgegnet werden.

1247

Nicht selten wird vorprozessual wie auch innerhalb des Prozesses eine Verteidigung vom Beklagten als „Aufrechnung“ bezeichnet, obwohl sie es nicht ist. Deshalb ist diese Vorfrage stets aufgrund rechtlicher Würdigung zu klären. So reicht es für die Streitwertbestimmung und eine danach im Einzelfall gebotene Wertaddition nicht aus, dass der Beklagte seine Verteidigung irrig als Aufrechnung bezeichnet. Verlangt er beispielsweise Herabsetzung des Kaufpreises wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) oder positiver Vertragsverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB), etwa aufgrund unterlassener Aufklärung über die Ertragsumstände einer Praxis, dann leugnet er, dass die Klageforderung in der geltend gemachten Höhe entstanden ist. Der Streitwert ist dann einfach zu berechnen, auch wenn der Beklagte „nachdrücklich die Aufrechnung erklärt“.2

1248

II. Anrechnung und Verrechnung Abzugrenzen ist die Aufrechnung daher von der – für die Streitwertbestimmung unbedeutenden – Anrechnung und der (vertraglich vereinbarten) Verrechnung. Im Gegensatz zur Aufrechnung, bei der sich zwei selbständige Forderungen gegenüberstehen, sind bei der Anrechnung von einem Anspruch unselbständige Rechnungsposten in Abzug zu bringen.3 Sie ist von Amts wegen zu berücksichtigen, ohne dass es einer dahingehenden Erklärung einer Partei bedarf. Eine nach dieser Maßgabe fehlerhaft erklärte Aufrechnung bleibt wirkungslos. Auch gelangen hier weder Aufrechnungsverbote zur Anwendung noch erwächst die Entscheidung über den Bestand der Einzelposten in Rechtskraft.4

1249

Zur Berechnung der Beschwer bei irrtümlicher Bescheidung als Aufrechnung s. unten Rn. 1270.

1250

1 BGH, Urt. v. 14.6.1994 – XI ZR 127/93, MDR 1994, 1144 = VersR 1994, 1444 = NJWRR 1994, 1203; zust. nur für die außerprozessuale Aufrechnung Zöller/Greger, § 145 ZPO Rn. 11. 2 OLG Köln, Beschl. v. 9.5.1984 – 16 W 36/84, KostRsp. GKG § 19 Nr. 81. 3 MünchKomm.BGB/Schlüter, § 387 Rn. 50. 4 BGH, Urt. v. 20.1.2004 – XI ZR 69/02, MDR 2004, 702 = NJW-RR 2004, 1715; Beschl. v. 10.4.1997 – VII ZR 266/96, NJW-RR 1997, 1157; Urt. v. 13.1.1993 – XII ZR 212/90, MDR 1993, 543; KG, Beschl. v. 21.1.2000 – 4 W 1071/99, JurBüro 2000, 419; Anders/ Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rn. 3; Zöller/Greger, § 145 ZPO Rn. 11.

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Aufrechnung 1251

Fälle der Anrechnung sind die Kürzung einer Auszahlung aufgrund von Vorschusszahlungen,1 die Verteidigung mit Überzahlungen auf Abschlagsrechnungen,2 die Anwendung der Saldotheorie bei der ungerechtfertigten Bereicherung gem. § 818 BGB3 die Schadensermittlung nach der Differenztheorie,4 die Vorteilsausgleichung5 und nach überwiegender Ansicht auch die Rückabwicklung beim Rücktritt vom Vertrag gem. § 346 BGB.6 Zur Verteidigung mit gewährleistungsrechtlichen Gegenansprüchen s. auch nachfolgend Rn. 1268 ff.

1252

Anders als bei der Aufrechnung erfolgt die Tilgung einander gegenüberstehender Forderungen bei der Verrechnung nicht durch einseitige Erklärung, sondern im Wege des Vertrages (Aufrechnungsvertrag), beispielsweise im Fall der Kontokorrentabrede. Stützt der Kläger seine Klage auf einen sich daraus ergebenden Abrechnungssaldo, dann bleiben die verrechneten Einzelforderungen unselbständige Bestandteile. Beruft sich der Beklagte gegenüber der (prozessualen) Geltendmachung einer Einzelforderung auf eine entsprechende Verrechnung, handelt es sich um einen bloßen Erfüllungseinwand.

III. Geltendmachung im Prozess 1253

Im Prozess werden die Rechtsfolgen der Aufrechnung als Verteidigungsmittel (§ 296 ZPO) durch Prozesshandlung geltend gemacht, deren Zulässigkeit und Wirksamkeit sich nach dem Verfahrensrecht bestimmt. Insoweit ist aufgrund des verfahrensgestaltenden Charakters eine ausdrückliche Erklärung erforderlich, da schlüssiges Verhalten nur in den vom Gesetz ausnahmsweise vorgesehenen, hier nicht einschlägigen Fällen (z.B. §§ 39, 138 Abs. 3, 295 ZPO) ausreicht.7

1254

Dabei kann sich die Geltendmachung auf die Bezugnahme einer bereits außerprozessual erklärten Aufrechnung beschränken. Es handelt sich dann um einen bloßen Erfüllungseinwand nach § 389 BGB, der ohne weitere Anhaltspunkte keine Wiederholung der Aufrechnungserklärung darstellt.8

1 RGZ 141, 259; MünchKomm.BGB/Schlüter, § 387 BGB Rn. 50. 2 KG, Beschl. v. 21.1.2000 – 4 W 1071/99, JurBüro 2000, 419 – ungenau als Verrechnung bezeichnet; wohl auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.5.2005 – 5 W 37/04, BauR 2005, 1520 = IBR 2005, 525; Meyer, § 45 Rn. 29. 3 BGH, Urt. v. 16.3.1998 – II ZR 303/96, NJW 1998, 1951; BGH, Urt. v. 24.6.1963 – VII ZR 229/62, NJW 1963, 1870; Palandt/Sprau, § 818 BGB Rn. 50. 4 BGH, Urt. v. 17.7.2001 – X ZR 71/99, NJW 2001, 3535 = BauR 2001, 1903; BGH, Urt. v. 25.9.1958 – VII ZR 181/57, MDR 1958, 1915 = NJW 1958, 1915; Palandt/Grüneberg, § 281 BGB Rn. 20. 5 BGH, Urt. v. 6.6.1997 – V ZR 115/96, MDR 1997, 1671 = NJW 1997, 1378; Palandt/ Grüneberg, Vorb v. § 249 Rn. 71. 6 BGH, Urt. v. 17.5.1994 – IX ZR 232/93, MDR 1994, 907 = NJW 1994, 1790; MünchKomm.BGB/Schlüter, § 387 Rn. 50; a.A. Palandt/Grüneberg, § 387 BGB Rn. 2 unter Verweis auf § 348 BGB. 7 Zöller/Greger, vor § 128 ZPO Rn. 19. 8 BGH, Beschl. v. 1.2.1995 – XII ZR 219/94, MDR 1995, 407; Zöller/Greger, § 145 ZPO Rn. 11; weitergehend BGH, Urt. v. 14.6.1994 – XI ZR 127/93, MDR 1994, 1144 = NJW-RR 1994, 1203; Schneider, JurBüro 1969, 785 und 11. Aufl.

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Aufrechnung Fallen hingegen Aufrechnungserklärung und prozessuale Geltendmachung in einer Handlung zusammen (sog. Prozessaufrechnung), ist deren materiell- und prozessrechtliche Doppelnatur1 zu beachten.

1255

IV. Haupt- und Hilfsaufrechnung Gem. § 388 Satz 2 BGB ist die Aufrechnungserklärung als Gestaltungsgeschäft unwiderruflich und bedingungsfeindlich. Dennoch kann die Aufrechnung im Rechtsstreit hilfsweise für den Fall erklärt werden, dass anderweitig geltend gemachte Einreden nicht durchgreifen oder die Hauptforderung vom Gericht für begründet erachtet wird. Diese sog. Rechtsbedingung beschreibt lediglich ein Erkenntnisproblem hinsichtlich des Bestandes der Hauptforderung zum Zeitpunkt der Erklärung und nicht die Abhängigkeit von einem künftigen ungewissen Ereignis.2

1256

Ob mit der Rechtsverteidigung eine Haupt- oder Hilfsaufrechnung gewollt ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Hierbei ist nicht die Wahl des Ausdrucks, sondern der sachliche Gehalt der Rechtsverteidigung ausschlaggebend.3 Ob Hauptvorbringen und Hilfsvorbringen im Prozess in einem Eventualverhältnis stehen, richtet sich ganz allein nach dem – gem. §§ 139, 278 Abs. 2 ZPO zu erfragenden – Willen der erklärenden Partei.4 Im Zweifel ist von einer nur hilfsweise erklärten Prozessaufrechnung auszugehen.5 S. auch unten Rn. 1287 ff.

1257

V. Anzuwendende Vorschriften Ebenso wie bei der Widerklage ist auch bei der Aufrechnung zwischen Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert sowie Rechtsmittelstreitwert und Beschwer zu unterscheiden. Gesetzlich normiert ist mit § 45 GKG (§ 19 GKG a.F.) nur der Gebührenstreitwert der Hilfsaufrechnung, und zwar in Abs. 3 für den Rechtsstreit und in Abs. 4 für den Vergleich. Dessen Auslegung hat zu zahlreichen Streit- und Zweifelsfragen geführt. Hinzu kam bis zum 30.6.1994 die widersprüchliche Regelung von Haupt- und Hilfsantrag in § 19 Abs. 4 GKG a.F.,6 die von Gerichten zur Auslegung herangezogen wurde. Der Hilfsanspruch ist nunmehr durch das KostRÄndG 1994 der Regelung von Klage und Widerklage angeglichen (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.). Dies ist anlässlich der Neufassung in § 45 GKG beibehalten worden. Bei der Heranziehung älterer Rechtsprechung darf die Neuregelung durch das KostRÄndG 1994 nicht unbeachtet bleiben.

1 Vgl. BGH, NJW 1957, 591; Palandt/Grüneberg, § 388 BGB Rn. 2. 2 MünchKomm.BGB/Schlüter, § 388 Rn. 4; Zöller/Greger, § 145 ZPO Rn. 13 m.w.N. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 24.6.1985 – 14 W 322/85, JurBüro 1985, 147; OLG Köln, Beschl. v. 11.1.1995 – 19 W 15/94, OLGR 1995, 79 = JurBüro 1995, 645; Beschl. v. 30.4.1993 – 19 W 15/93, JurBüro 1994, 495. 4 Kion, Eventualverhältnisse im Zivilprozess, 1971, § 3 I; Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, § 18 II; Merle, ZZP Bd. 83, 1970, 437. 5 Palandt/Grüneberg, § 388 BGB Rn. 3. 6 Vgl. hierzu E. Schneider, NJW 1975, 2107.

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Aufrechnung

B. Zuständigkeitsstreitwert 1259

Auf den Zuständigkeitsstreitwert hat die Geltendmachung der Aufrechnung keinen Einfluss, denn dieser wird durch den Streitgegenstand bestimmt und setzt Rechtshängigkeit des Anspruchs (§ 261 Abs. 1 ZPO) voraus. Da die Gegenforderung mit der Geltendmachung der Aufrechnung nicht rechtshängig wird,1 ist insbesondere für eine Addition von Forderung und Gegenforderung gem. § 5 Satz 1 ZPO kein Raum.2

C. Gebührenstreitwert 1260

Die Bestimmung des Gebührenstreitwertes ist zunächst davon abhängig, ob die Geltendmachung der Aufrechnung primär, also ohne Bestreiten der Klageforderung, oder nur hilfsweise (sekundär) erfolgt. Sodann ist zu unterscheiden, ob die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung bestritten oder unbestritten ist. Denn eine Addition von Klage- und Gegenforderung erfolgt nur, wenn und soweit über die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte und bestrittene Gegenforderung eine der Rechtskraft fähige Entscheidung ergeht, § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.), § 322 Abs. 2 ZPO. Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich an dieser Prüfungsreihenfolge.

1261

Geht der Beklagte von der Rechtsverteidigung zum Angriff über und verfolgt seine zur Aufrechnung gestellten Ansprüche (zugleich) mit der Widerklage, sind die Einzelwerte von Klage und Widerklage – jetzt nach § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 1 GKG .a.F.) – zusammenzurechnen, soweit nicht derselbe Gegenstand betroffen ist.3 Ferner ist zu addieren, wenn eine – für den Fall der Unzulässigkeit der Aufrechnung erhobene – Hilfswiderklage vom Gericht beschieden wird (s. hierzu ausführlich unten Rn. 1287 ff.).

1262

Die Geltendmachung der Aufrechnung löst ebenso wenig wie die Erhebung der Widerklage eine Vorschusspflicht gem. § 12 GKG (§ 65 GKG a.F.) aus. Da erst bei Abschluss der Instanz feststeht, ob über die Gegenforderung rechtskräftig entschieden oder sie durch Prozessvergleich verbraucht wird, kann der Streitwert erst bei Instanzbeendigung endgültig festgesetzt werden, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG (§ 25 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F.).

1263

Die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren ist gem. § 23 RVG auch für die – durch die Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren ausgelösten – anwaltlichen Gebühren maßgeblich. Das gilt auch soweit gerichtliche und anwaltliche Tätigkeit einander nicht entsprechen, etwa wenn der Vortrag zu einer hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung unberücksichtigt bleibt, weil die Klage bereits mangels Schlüssigkeit abzuweisen ist. Dem Begehren, in diesen Fällen (auf Antrag) neben dem Gebührenstreitwert gem. § 33 Abs. 1 RVG einen Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit unter Hinweis auf den mit der Begründung (bzw. Abwehr) der Aufrechnungsforderung verbundenen 1 BGH, Urt. v. 11.11.1971 – VII ZR 57/70, BGHZ 57, 422 = MDR 1972, 318 = NJW 1972, 450; Zöller/Greger, § 145 Rn. 18. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.8.1998 – 28 AR 63/98, MDR 1999, 438; Baumbach/Hartmann, Anh. § 3 Rn. 23; Mattern NJW 1969, 1087 ff.; Musielak/Heinrich, § 3 Rn. 23 unter „Aufrechnung“; Zöller/Herget, § 5 Rn. 9. 3 OLG Schleswig, Beschl. v. 17.3.1986 – 14 W 9/86, JurBüro 1987, 255.

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Aufrechnung Aufwand festzusetzen, ist die Rechtsprechung ganz überwiegend entgegen getreten.1 Eine Berücksichtigung der Aufrechnungsforderung ist dagegen im Verhältnis des Anwalts zu seinem Mandanten denkbar, zumindest dann, wenn der Anwalt weitergehnd mandatiert und vorporzessual entsprechend tätig war.2

I. Geltendmachung der Aufrechnung 1. Erfüllungseinwand/Prozessaufrechnung Wie bereits dargelegt, kann sich der (Wider-)Beklagte im Prozess in unterschiedlicher Weise auf die Folgen der Aufrechnung berufen. Für die Streitwertbemessung bedarf es jedoch keiner Differenzierung danach, ob die Aufrechnung vom Inhaber der Gegenforderung über den Erfüllungseinwand oder als Prozessaufrechnung in den Rechtsstreit eingeführt wird, da die § 45 Abs. 3 GKG (19 Abs. 1 GKG), § 322 ZPO nicht auf die Erklärung der Aufrechnung, sondern nur auf die „Geltendmachung“ von deren Folgen abstellen. Folgerichtig erwächst auch die Bescheidung des bloßen Erfüllungseinwandes bezüglich des Bestehens bzw. Nichtbestehens der außergerichtlich zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung in Rechtskraft.3

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Beruft sich der Beklagte auf die Folgen der von einem Dritten erklärten Aufrechnung, etwa der verklagte Bürge auf die des Hauptschuldners, ändert dies nichts am rechtsvernichtenden Charakter der Einwendung (Tilgungseinwand). Die Uneinigkeit darüber, ob in diesem Fall der Gebührenstreitwert entsprechend § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) zu bestimmen ist, wird streitwertrechtlich daher nicht an dieser Stelle entschieden. Denn problematisch ist nicht die Geltendmachung der Aufrechnung, sondern ob darüber eine der Rechtskraft fähige Entscheidung ergeht, was nicht der Fall ist, da diese nur zwischen den Parteien wirkt (s. hierzu unten Rn. 1295 ff.).

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1 BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – VII ZB 99/07, MDR 2009, 54 = DAR 2009, 175 mit Anm. Jungbauer = AGS 2008, 584 mit Anm N. Schneider; KG Berlin, Beschl. 21.10.2008 – 7 W 59/08 = JurBüro 2009, 86 = AGS 2009, 249; Beschl. 11.6.2007 – 20 U 150/04, JurBüro 2007, 488; OLG Brandenburg, Beschl. v. 14.8.2006 – 13 W 31/05, juris; OLG Hamburg, Beschl. v. 19.8.2009 – 14 W 63/09, JurBüro 2009, 645; OLG Hamm, Beschl. v. 2.1.2007 – 19 U 48/06, MDR 2007, 618 = AGS 2007, 204 mit Anm. E. Schneider; OLG Jena, Beschl. v. 1.7.2008 – 5 U 552/07, MDR 2008, 1426; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.3.2007 – 7 W 1/07, AGS 2007, 470 mit abl. Anm. E. Schneider; OLG Köln, NJWRR 1995, 827 zu § 10 BRAGO; Göttlich/Mümmler/Rehberg/Xanke, RVG, 2. Auflage, Aufrechnung Ziff. 1.2.1; Madert, AGS 2002, 218 (220); LAG Düsseldorf, JurBüro 1994, 359; a.A. LG Hamburg, MDR 1966, 853; LAG Hamm, Beschl. v. 20.5.1999 – 8 Ta 65/ 89, MDR 1989, 852; LAG Köln, Beschl. v. 14.9.2001 – 13 Ta 214/01, NZA-RR 2002, 437 = AnwBl. 2002, 185; LAG Nürnberg, MDR 2005, 120; VGH Baden-Württemberg, AGS 2008, 138; AnwK-RVG/E. Schneider, § 33 Rn. 15, 17 ff.; Hansens, RVG-Report 2008, 154. 2 KG Berlin, Beschl. v. 21.10.2008 – 7 W 59/08, JurBüro 2009, 86 = AGS 2009, 249; Beschl. v. 11.6.2007 – 20 U 150/04, JurBüro 2007, 488; OLG Hamburg, Beschl. v. 19.8.2009 – 14 W 63/09, JurBüro 2009, 645. 3 BGH, Urt. v. 4.12.1991 – VIII ZR 32/91, MDR 1992, 611 = WM 1992, 627 = NJW 1992, 982; OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.1.1989 – 8 W 248/98, OLGZ 1989, 179 = ZMR 1989, 191 = NJW-RR 1989, 841; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rn. 5; Meyer, § 45 Rn. 28; Zöller/Vollkommer, § 322 Rn. 15.

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Aufrechnung 1266

An einer Rechtskrafterstreckung gem. § 322 Abs. 2 ZPO fehlt es auch, wenn sich der Beklagte auf eine (außerprozessuale) Aufrechnung des Klägers mit der Klageforderung beruft. Denn § 322 Abs. 2 ZPO dient dem Schutz des Klägers vor einer erneuten Inanspruchnahme aufgrund der bereits beschiedenen Gegenforderung. Daher fehlt es an einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung über eine Aufrechnungsforderung, wenn die Klage nur deshalb abgewiesen wird, weil der Kläger während des Rechtsstreits außerprozessual die Aufrechnung mit der Klageforderung gegenüber einer (nicht streitgegenständlichen) Forderung des Beklagten erklärt und Letzterer dies im Rechtsstreit geltend gemacht hat.1 Auf diesen Fall ist § 322 Abs. 2 ZPO weder unmittelbar noch analog anzuwenden, weil der aufrechnende Kläger hier – anders als bei Aufrechnung im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage2 – nicht Schuldner derjenigen Forderung ist, die den Gegenstand des Rechtsstreits bildet.

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Ebenso fehlt es an der Geltendmachung, wenn der Kläger mit seiner Zahlungsklage eine Saldoforderung zum Gegenstand macht und hierbei entgegen einer – vorprozessualen – Berechnung des Beklagten eine von diesem eingestellte Gegenforderung nicht berücksichtigt, d.h. in Abzug gebracht hat. Bei der Gegenforderung handelt es sich dann lediglich um einen Rechnungsposten im Rahmen der Abrechnung, hinsichtlich deren Berechtigung die Entscheidung nicht gem. § 322 Abs. 2 ZPO in Rechtskraft erwächst.3 2. Verteidigung mit Gewährleistungsrechten

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Auch bei der Anrechnung stehen sich nicht zwei selbständige Forderungen gegenüber. Vielmehr sind hier von einem Anspruch unselbständige Rechnungsposten in Abzug zu bringen. So werden bei vertraglichen Schuldverhältnissen Gewährleistungsrechte häufig nicht über eigenständige und damit im Wege der Aufrechnung verfolgbare Ansprüche, sondern durch eine Saldierung bei der Berechnung des Hauptanspruches berücksichtigt.

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So liegt beispielsweise beim Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung der Abgrenzung zwischen Aufrechnung und Anrechnung die Frage zugrunde, ob für den Inhalt des Schadensersatzanspruches unabhängig von der Gegenleistung allein auf das Leistungsinteresse des Gläubigers (sog. Austausch- oder Surrogationstheorie) oder auf die Einheit von vertraglich geschuldeter Leistung und Gegenleistung abgestellt und damit der Ersatzanspruch des Gläubigers auf die Nichterfüllung des ganzen Vertrages, d.h. auf die Differenz zwischen Erfüllung und Nichterfüllung der beiderseitigen Verpflichtungen, zurückgeführt wird (sog. Differenztheorie).4 Hat er – wie in der hier zu bewertenden Fallkonstellation (Verteidigung mit Gewährleistungsrechten) – seine Gegenleistung (Vergütung) noch nicht erbracht, kann er seinen aus der Nichterfüllung resultierenden Schaden nach der Differenztheorie berechnen. Das Vertragsverhältnis wandelt sich nach bislang herrschendem Verständnis dann zu einem Abrechnungsverhältnis, in dem die Einzelleistungen und -aufwendun1 BGH, Urt. v. 4.12.1991 – VIII ZR 32/91, MDR 1992, 611 = NJW 1992, 982. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.4.1999 – 9 W 27/99, MDR 1999, 1092 = JurBüro 1999, 496; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.11.1994 – 4 U 85/94, MDR 1995, 643. 3 BGH, Urt. v. 20.1.2004 – XI ZR 69/02, MDR 2004, 702 = NJW-RR 2004, 1715. 4 MünchKomm.BGB/Emmerich, vor § 281 BGB Rn. 26 ff.; Palandt/Heinrichs, § 281 BGB Rn. 20 m.w.N.

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Aufrechnung gen, u.a. die ersparte Gegenleistung (Vergütung), nur noch bloße Rechnungsposten darstellen. Ihre Berücksichtigung bei der Ermittlung eines etwaigen Differenzbetrages stellt danach ein Fall der Anrechnung und nicht der Aufrechnung dar.1 Dem ist nunmehr der BGH (7. Zivilsenat) – unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung – entgegen getreten.2 Danach stehen sich Vergütungsanspruch und Schadensersatzansprüche wegen Nicht- oder Schlechterfüllung als selbständige Forderungen aufrechenbar gegenüber. Die vertraglichen oder gesetzlichen Regelungen zur Aufrechnung und etwaigen Aufrechnungsverboten dürften durch eine gesetzlich nicht vorgesehene Verrechnung nicht unterlaufen werden. Dieser Ansicht haben sich mittlerweile die Oberlandesgerichte Hamm3 und Düsseldorf4 angeschlossen.5 Ob eine eigenständige Forderung zur Aufrechnung gestellt oder nur ein Fall der Anrechnung vorliegt, bedarf im jeweiligen Einzelfall daher einer genauen juristischen Prüfung, ohne dass es dabei auf die von dem Beklagten vorgenommene sprachliche Einordnung ankommt.6 Für die Bestimmung der Beschwer ist weiter zu klären, ob eine fehlerhafte Qualifizierung und Bescheidung des Verteidigungsvorbringens als Aufrechnung in Rechtskraft erwächst und allein deshalb den Beklagten beschwert.7 Ungeachtet dieser Vorfragen darf nicht übersehen werden, dass sich die Bewertungsproblematik bei nur teilweiser Nichterfüllung der dem Kläger obliegenden Leistung oder dem Verlangen des Beklagten nach Aufwendungsersatz oft nicht stellt. Regelmäßig wird hier die Klageforderung als solche nicht in Abrede gestellt, sodass selbst bei einer Qualifizierung als Aufrechnung eine Wertaddition schon aufgrund der bloßen Primärverteidigung ausscheidet.8 Im Einzelnen ist wie folgt zu unterscheiden:

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a) Rücktritt Erklärt der Beklagte, etwa gem. §§ 437 Nr. 2, 440 bzw. 634 Nr. 3, 636 BGB, den Rücktritt vom Vertrag, ist der Vertrag rückabzuwickeln, § 346 Abs. 1 BGB. Dies stellt keine Aufrechnung dar, sodass eine Wertaddition ausscheidet.9 Beruft sich der Beklagte gegenüber der auf Rückzahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung gerichteten Klage auf die Verpflichtung des Klägers

1 BGH, Urt. v. 17.7.2001 – X ZR 71/99, NJW 2001, 3535 = BauR 2001, 1903; BGH, Beschl. v. 5.4.2001 – VII ZR 161/00, BauR 2001, 1928; Urt. v. 19.1.1978 – VII ZR 175/ 75, BGHZ 70, 240; Urt. v. 25.9.1958 – VII ZR 181/57, MDR 1958, 1915 = NJW 1958, 1915. 2 BGH, Urt. v. 23.6.2005 – VII ZR 197/03, MDR 2005, 1344 = WM 2005, 1675 = ZfBR 2005, 673 = NJW 2005, 2771 = BauR 2005, 1477. 3 OLG Hamm, Beschl. v. 30.11.2005 – 17 W 42/05, NJW-RR 2006, 456. 4 OLG Düsseldorf v. 21.8.2009 – 5 W 58/08, BauR 2010, 937; s. aber bereits Beschl. v. 24.5.2005 – 5 W 37/04, MDR 2006, 88 = BauR 2005, 1962. 5 Zust. Keesen, BauR 2005, 1691 (1697); Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., 5. Teil Rn. 180. 6 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Aufrechnung“. 7 Bejahend BGH, Urt. v. 13.12.2001 – VII ZR 148/01, MDR 2002, 601; BGH, Beschl. v. 30.9.1999 – VII ZR 457/98, NJW-RR 2000, 285 = NZBau 2000, 26. 8 E. Schneider, Anm. zu OLG Düsseldorf, KostRsp. GKG § 19 Nr. 87, 88. 9 BGH, Urt. v. 17.5.1994 – IX ZR 232/93, MDR 1994, 907 = NJW 1994, 1790; MünchKomm.BGB/Schlüter, § 387 Rn. 50.

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Aufrechnung zur Nutzungsentschädigung (§ 346 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 1 BGB), handelt es sich nach Auffassung des BGH1 um einen Fall der Anrechnung. § 348 BGB, wonach die sich aus dem Rücktritt ergebenden Verpflichtungen Zug um Zug zu erfüllen sind, steht dem nicht entgegen.2 b) Minderung/Freistellung von Vergütung 1272

Mit der Minderung (§§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB) macht der Beklagte geltend, dass der mit der Klage geltend gemachte Vergütungsanspruch von vornherein nicht in der Höhe entstanden ist, die der Kläger ansetzt. Auch hier wird also nicht aufgerechnet, sondern die Klageforderung anders und geringer berechnet. Greift der Minderungseinwand durch, dann wird im Kauf- und Werkvertragsrecht der Erfüllungsanspruch mit Zugang der Erklärung auf den nach § 441 Abs. 3 BGB bzw. § 638 Abs. 3 BGB zu berechnenden Betrag herabgesetzt. Eine Wertaddition ist ausgeschlossen, da nicht zwei selbständige Forderungen gegenübergestellt und miteinander verrechnet werden, sodass auch nicht über den Bestand einer Gegenforderung (§ 322 Abs. 2 ZPO) rechtskräftig entschieden worden ist.3

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In mietrechtlichen Streitigkeiten ist zu unterscheiden: Verteidigt sich der Beklagte gegenüber der auf Zahlung von Miete gerichteten Klage mit dem Einwand der Mietminderung, scheidet die Annahme einer Aufrechnung aus den vorstehenden Erwägungen aus. Für eine abweichende Ansicht ist auch schon deswegen kein Raum, weil sich die Miete bei Sach- und Rechtsmängeln kraft Gesetzes mindert. § 536 Abs. 1 u. 3 BGB begründen keinen Anspruch, sondern eine rechtvernichtende Einwendung des Mieters.4 Anders liegt es dagegen, wenn der Beklagte sich gegenüber dem Zahlungsanspruch auf minderungsbedingte Überzahlungen nicht streitgegenständlicher Zeiträume beruft. Hier rechnet der Beklagte (werterhöhend) mit einem eigenständigen Bereicherungsanspruch (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) auf.

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Für dienstvertragliche Rechtsverhältnisse und die entgeltliche Geschäftsbesorgung fehlt es an speziellen gewährleistungsrechtlichen Regelungen. Wendet der Beklagte gegenüber der Vergütungsklage ein, die Dienstleistung oder Geschäftsbesorgung sei aufgrund ihrer mangelhaften Ausführung für ihn ohne oder nur von geringem Wert gewesen, liegt darin keine Aufrechnungserklärung. Hier ist, etwa bei einem auf einer fehlerhaften anwaltlichen Beratung beruhenden Gebührenanspruch, für die Annahme einer Aufrechnung kein Raum. Mit dem Einwand stellt der Beklagte dem Zahlungsverlangen keinen eigenständigen Anspruch gegenüber, sondern beruft sich auf eine unzulässige Rechtsausübung des Klägers. Denn der Vergütungsanspruch ist nur in dem Umfang durchsetzbar, in dem er – beispielsweise – ohne die fehlerhafte Bera1 BGH, Urt. v. 17.5.1994 – IX ZR 232/93, MDR 1994, 907 = NJW 1994, 1790. 2 So aber Palandt/Grüneberg, § 387 Rn. 2. 3 Nur im Ergebnis zutreffend OLG Schleswig, Urt. v. 11.4.2000 – 3 U 56/98, AGS 2001, 228, das jedoch zu Unrecht auf die mit der Gegenforderung verbundene gerichtliche und anwaltliche „Mehrarbeit“ abstellt; LG Bayreuth, Beschl. v. 14.7.1989 – 2 O 227/ 89, KostRsp. GKG § 19 Nr. 151 mit Anm. E. Schneider = JurBüro 1989, 1601: auch zum Wert eines den Minderungseinwand berücksichtigenden Prozessvergleichs. 4 BGH, Urt. v. 29.10.1986 – VIII ZR 144/85, NJW 1987, 432; Palandt/Weidenkaff, § 536 Rn. 1.

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Aufrechnung tung entstanden wäre. Damit handelt es sich um einen Fall der Anrechnung, der den durch die Klageforderung bestimmten Streitwert nicht verändert.1 Das gilt auch, soweit der Beklagte ausdrücklich die Aufrechnung mit einem diesbezüglichen Schadensersatzanspruch erklärt, wobei der Ersatzanspruch ohnehin nur auf Freistellung von einer Verbindlichkeit und damit auf eine nicht gleichartige Leistung (§ 387 BGB) gerichtet wäre.2 Anders liegt es jedoch, wenn der Beklagte einen über die fehlerhafte und damit wertlose Beratungsleistung hinausgehenden Schaden geltend macht. c) Vorschuss- und Ersatzansprüche Verteidigt sich der Beklagte mit dem Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (§§ 634 Nr. 4, 281, 283, 311a BGB), war auf Grundlage der Differenztheorie nach bislang herrschender Ansicht von einer Anrechnung auszugehen. Dies zumindest dann, wenn der Beklagte die Werkleistung wegen völliger Wertlosigkeit zurückweist und Schadensersatz wegen Nichterfüllung des ganzen Vertrages beansprucht.3

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Umstritten ist dagegen, ob eine Saldierung der Aktiv- und Passivposten auch vorzunehmen ist, wenn der Besteller das Werk behält und nur Schadensersatz wegen einzelner Mängel, mithin Gewährleistungsrechte aus teilweiser Nichterfüllung des Vertrages, beansprucht. Von Bedeutung ist dies für die Einordnung der Verteidigung mit einem Anspruch auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten (§ 637 Abs. 1 BGB), auf Zahlung eines Vorschusses darauf (§ 637 Abs. 3 BGB) und auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§§ 634 Nr. 4, 284 BGB).

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Die ganz überwiegende Ansicht geht auch hier nur von einer Anrechnung aus und verneint eine nach § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) zur Streitwerterhöhung führende (Hilfs-)Aufrechnung im Sinne des § 387 BGB. Der Unterschied zu dem Schaden, der für den Auftragsgeber mit der völligen Wertlosigkeit der Werkleistung verbunden ist, sei nur quantitativ und nicht qualitativ. Dementsprechend könne der Werkunternehmer auch nur eine reduzierte Ver-

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1 BGH, Beschl. v. 9.7.2009 – IX ZR 135/08, MDR 2009, 1251 = FamRZ 2009, 1663 = AGS 2009, 495; Urt. v. 24.3.1988 – IX ZR 114/87, MDR 1988, 770 = NJW 1988, 3013; Beschl. v. 26.9.1985 – III ZR 26/84, MDR 1986, 131; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.9.2000 – 24 W 53/00, MDR 2001, 113 = AGS 2001, 130; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rn. 6; Meyer, § 45 Rn. 29; die Problematik nicht erkennend und daher unzutreffend OLG Rostock, Beschl. 18.4.2008 – 1 U 12/08, JurBüro 2009, 88. 2 Vgl. BGH, Beschl. v. 9.7.2009 – IX ZR 135/08, MDR 2009, 1251 = FamRZ 2009, 1663. 3 BGH, Beschl. v. 5.4.2001 – VII ZR 161/00, BauR 2001, 1928; Beschl. v. 10.11.1983 – VII ZR 282/83, KostRsp. GKG § 19 Nr. 71; Beschl. v. 19.1.1978 – VII ZR 175/75, BGHZ 70, 240 = NJW 1978, 815; Beschl. v. 10.11.1983 – VII ZR 282/83, KostRsp. GKG § 19 Nr. 71; OLG Celle, Beschl. v. 23.7.2001 – 7 W 42/01, AGS 2001, 277; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.5.2005 – 5 W 37/04, BauR 2005, 1520 = BauRB 2005, 323; Beschl. v. 16.9.1996 – 23 W 26/96, BauR 1997, 888; OLG Hamm, Beschl. v. 7.6.2005 – 19 U 17/04, MDR 2005, 1223 = BauR 1803; OLG Koblenz, Urt. v. 10.1.2002 – 2 U 825/ 01, MDR 2002, 71; OLG Naumburg, Urt. v. 1.3.2000 – 12 U 63/98, BauR 2001, 1615; OLG Nürnberg, Beschl. v. 12.4.1999 – 4 W 1167/99, JurBüro 2000, 80 = MDR 1999, 957; OLG Schleswig, Urt. v. 11.4.2000 – 3 U 56/98, AGS 2001, 228; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rn. 6; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 2576; Zöller/ Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Aufrechnung“.

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Aufrechnung gütung für seine Leistung beanspruchen, sodass auch in diesen Fällen von einem Abrechnungsverhältnis auszugehen sei.1 Dies gelte zumindest für alle baurechtlichen Streitigkeiten. Auch die mit dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30.3.2000 (BGBl. I, 330) verbundene Änderung des § 302 ZPO zwinge nicht zu einer Neubewertung der Problematik. Zwar habe der Gesetzgeber die Möglichkeit einer schnellen Titulierung durch Erlass eines Vorbehaltsurteils erweitern wollen, hierbei aber die sich aus der Anrechnung ergebenden Einschränkungen übersehen.2 1278

Demgegenüber bejaht ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung eine grundsätzlich werterhöhende (Hilfs-)Aufrechnung unter Hinweis darauf, dass der Besteller in diesen Fällen dem aufgrund des Einbehalts der Werkleistung (auch nach der Differenztheorie) verbleibenden vollen Werklohnanspruch mit einem eigenen Anspruch entgegentrete.3 Dem entspricht eine neuere Entscheidung des BGH,4 in der dieser – unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung – die Selbständigkeit und Aufrechenbarkeit der Ansprüche auf Vergütung und Schadensersatz wegen Nicht- oder Schlechterfüllung betont und es insbesondere ablehnt, dass vertraglich oder gesetzlichen Regelungen zur Aufrechnung und etwaigen Aufrechnungsverboten nicht durch eine gesetzlich nicht vorgesehene Verrechnung unterlaufen werden dürften.5 Denn diese gehe in ihrer Grundlage davon aus, dass das streitige Abrechnungsverhältnis vorrangig der Klärung und Ermittlung des Schadens dient. Daher komme der Vergütungsanspruch nur dann als bloßer Verrechnungsposten in Betracht, wenn das gesamte Schuldverhältnis sich durch die Leistungsstörung in ein auf Schadensersatz gerichtetes Schuldverhältnis umgewandelt habe. Ausgehend von der Rechtskraftwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO sei die Annahme einer Aufrechnung mit eigenständigen gewährleistungsrechtlichen Forderungen auch deswegen geboten, weil den Parteien an einer endgültigen

1 BGH, Beschl. v. 5.4.2001 – VIII ZR 161/00, BauR 2001, 1928; Urt. v. 26.4.1991 – V ZR 213/89, MDR 1991, 1197; OLG Bamberg, Beschl. v. 3.7.1987 – 5 W 44/87, JurBüro 1987, 1696; offen lassend Beschl. v. 10.4.1997 – VII ZR 266/96, NJW-RR 1997, 1157 = BauR 1997, 1077; KG, Beschl. v. 21.1.2000 – 4 W 10711/99, JurBüro 2000, 419; OLG Celle, Beschl. v. 23.7.2001 – 7 W 42/01, AGS 2001, 277; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.1.1992 – 5 W 60/91, OLGR 1992, 94; Beschl. v. 15.5.1983 – 5 W 9/83, BauR 1984, 308; OLG Hamm, Beschl. v. 7.6.2005 – 19 U 100/04, JurBüro 2005, 541; Beschl. v. 14.10.1997 – 17 U 15/90, NJW-RR 1992, 448; OLG Koblenz, Urt. v. 10.1.2002 – 2 U 825/01, MDR 2002, 715; OLG Köln, Beschl. v. 18.3.1992 – 19 W 7/92, JurBüro 1992, 683; Beschl. v. 25.10.1978 – 2 U 33/78, JMBl.NW 1979, 71; OLG München, Urt. v. 16.7.2002 – 9 U 1813/02, BauR 2003, 421; Beschl. v. 26.1.1987 – 28 W 3010/86, MDR 1987, 620 = JurBüro 1987, 1199; OLG Naumburg, Urt. v. 1.3.2000 – 12 U 63/98, BauR 2001, 831; OLG Oldenburg, Urt. v. 25.2.2003 – 2 U 232/02, NJW-RR 2003, 879 = BauR 2003, 1079; OLG Schleswig, Urt. v. 11.4.2000 – 3 U 56/98, AGS 2001, 228. 2 OLG Koblenz, Urt. v. 10.1.2002 – 2 U 825/01, MDR 2002, 715; Schmeel, MDR 2003, 601. 3 Zuletzt OLG Düsseldorf v. 21.8.2009 – 5 W 58/08, BauR 2010, 937; s. aber bereits Beschl. v. 24.5.2005 – 5 W 37/04, MDR 2006, 88 = BauR 2005, 1962; OLG Hamm, Beschl. v. 30.11.2005 – 17 W 42/05, NJW-RR 2006, 456. 4 BGH, Urt. v. 23.6.2005 – VII ZR 197/03, MDR 2005, 1344 = NJW 2005, 2771. 5 Zustimmend Keesen, BauR 2005, 1691, 1697; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., 5. Teil Rn. 180.

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Aufrechnung Entscheidung über die von dem Besteller erhobenen Ansprüche gelegen sei, die aber bei einer bloßen Anrechnung – unstreitig – ausbleibe.1 Für die erstgenannte Ansicht spricht, dass eine Wertaddition nach der Ratio des § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) nicht gerechtfertigt ist. Danach sollen Gericht und Anwälte für die auf die Gegenforderung verwandte Mehrarbeit eine zusätzliche Vergütung erhalten. Bei der werkvertraglichen Abrechnung macht es jedoch keinen Unterschied, mit welchen Rechten sich der Besteller gegenüber einem mangelhaften Werk verteidigt, da die bautechnischen Probleme, die zu klären sind, dieselben bleiben.2 Zu unterschiedlichen Wertfestsetzungen führen beide Ansichten ohnehin nur im Ausnahmefall. Denn auch bei Annahme selbständiger, d.h. nicht anrechenbarer Einzelansprüche ist nach der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung eine Werterhöhung dennoch ausgeschlossen, weil wechselseitig dasselbe wirtschaftliche Interesse betroffen ist.3 So etwa, wenn eine streitwertrechtlich unerhebliche Primärverteidigung (z.B. Einwand der fehlenden Fälligkeit oder Minderung, Hauptaufrechnung) vorliegt oder das hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Schadensersatz- oder Vorschussverlangen auf gleicher Mangelgrundlage geltend gemacht wird.4

1279

Eine Anrechnung scheidet aber aus, wenn sich der Beklagte gegenüber der Vergütungsklage mit anderweitigen Schadensersatzansprüchen verteidigt, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der mangelhaften Hauptleistung stehen und über die gesetzlichen Gewährleistungsfolgen hinausgehen.5 Hiervon ist beispielsweise auszugehen, wenn bei Erstellung eines Bauwerks eine Mauer nicht lotrecht gemauert worden ist, sodass sich die Anschlussarbeiten erheblich verteuern. Neben der streitwertrechtlich unerheblichen Minderung des Werklohnanspruchs (s. oben Rn. 1272) kann der Bauherr gegenüber dem verbleibenden Vergütungsanspruch die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen wegen seiner zusätzlichen Aufwendungen bei den Anschlussarbeiten erklären. Insoweit ist eine Wertaddition geboten, denn es handelt sich um Schadensersatz neben der Leistung (§ 280 Abs. 1 BGB). Eine geeignete Abgrenzung zwischen diesen eigenständigen Ersatzansprüchen und den der Anrechnung unterliegenden Abrechnungspositionen kann dadurch erreicht werden, dass zwischen den sog. Mangelschäden und Mangelfolgeschäden unterschie-

1280

1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.5.2005 – 5 W 37/04, BauR 2005, 1520 = BauRB 2005, 323 – betr. den Anspruch auf Erstattung von Ersatzvornahmekosten; Beschl. v. 16.9.1996 – 23 W 26/96, BauR 1997, 888; Beschl. v. 3.7.1984 – 23 W 28/84, JurBüro 1984, 1869 = AnwBl. 1984, 612 – Vorschuss Mangelbeseitigungskosten; OLG Hamm, Urt. v. 5.9.1997 – 12 U 113/96, OLGR 1998, 58; Urt. v. 21.4.1995 – 12 U 25/94, BauR 1996, 437; OLG Oldenburg, Urt. v. 23.2.2000 – 2 U 295/99, BauR 2001, 831 = ZfBR 2001, 269; OLG Schleswig, Urt. v. 31.3.2000 – 1 U 148/98, BauR 2001, 1615. 2 So auch OLG Schleswig, Urt. v. 11.4.2000 – 3 U 56/98, AGS 2001, 228. 3 Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Aufrechnung“. 4 Zutr. so OLG Düsseldorf, a.a.O.; Keesen, BauR 2005, 1691, 1697; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., 5. Teil Rn. 180. 5 OLG Karlsruhe, AnwBl. 1982, 198; OLG Koblenz, Beschl. v. 22.5.2001 – 5 W 347/01, JurBüro 2002, 197 = AGS 2002, 126 = BauR 2003, 584: Aufrechnung mit Aufwendungen über Gewährleistungsfolgen oder Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 BGB (pVv), ohne Zusammenhang mit Mängeln; OLG Köln, Beschl. v. 18.3.1992 – 19 W 7/92, JurBüro 1992, 683 = VersR 1993, 460.

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Aufrechnung den wird. Letztere stehen mit den Hauptleistungspflichten in keinem unmittelbaren Zusammenhang. 1281

Daher ist von einer bloßen Anrechnung auszugehen, wenn sich der Beklagte mit Schadensersatzansprüchen aufgrund einer Verletzung leistungsbezogener Nebenpflichten verteidigt, die für den Abschluss des Vertrages ursächlich waren. Erklärt der Beklagte beispielsweise gegenüber einer auf Darlehen (§ 607 BGB) gestützten Klage (hilfsweise) die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen Verletzung vorvertraglicher oder vertraglicher Aufklärungspflichten des Klägers und macht geltend, bei gebotener Aufklärung hätte er den Vertrag nicht geschlossen, scheidet eine Wertaddition aus.1 Ist eine haftungsbegründende Pflichtverletzung zu bejahen, besteht der Schaden des Beklagten in seiner Belastung mit den Darlehensrückzahlungen. Ausgeräumt wird dieser Schaden durch Befreiung von der Darlehensrückzahlung, sodass sich der Kläger bereits dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ausgesetzt sieht (s. auch oben Rn. 1274).

1282

Keine Anrechnung, sondern (streitwerterhöhende) Aufrechnung liegt vor, wenn der Beklagte sich gegenüber dem Vergütungsanspruch (hilfsweise) mit Schadensersatzansprüchen aufgrund Verzuges (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB – § 636 BGB a.F.) verteidigt. Aufgrund der vollständigen, wenngleich verzögerten Leistungserbringung gelangt die Differenztheorie nicht zur Anwendung.2 Ebenso liegt es, wenn Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) geltend gemacht werden, die nur gelegentlich bei der Werkleistung erfolgte (zB. Diebstahl durch Mitarbeiter des Werkunternehmers zum Nachteil des Bestellers). d) Vertragsstrafeversprechen

1283

Verteidigt sich der Beklagte gegenüber der Werklohnklage (hilfsweise) mit der Aufrechnung einer Gegenforderung aus einem Vertragsstrafeversprechen, liegt kein Fall der Anrechnung vor. Die Vertragsstrafe tritt als eigenständige Verpflichtung neben die synallagmatischen Pflichten und ist daher kein bloßer Rechnungsposten bei der Ermittlung des Vergütungsanspruchs.3

II. Hauptaufrechnung 1284

Von Haupt- oder Primäraufrechnung spricht man, wenn der Beklagte die Klageforderung nicht bestreitet, gleichwohl aber Klageabweisung beantragt, weil der Klageanspruch durch eine von ihm erklärte Aufrechnung mit einer Gegenforderung erloschen sei. Der Beklagte setzt seine Gegenforderung nicht nur hilfsweise, sondern „primär“ ein. Da in diesem Fall nur über den Bestand der Gegenforderung gestritten wird, unterbleibt eine Wertaddition.4 1 BGH, Beschl. v. 26.9.1985 – III ZR 26/84, JurBüro 1985, 1813 = MDR 1986, 131. 2 OLG Dresden, Beschl. v. 29.3.1999 – 17 W 349/99, juris; OLG Hamm, Beschl. v. 7.6.2005 – 19 U 17/04, JurBüro 2005, 542 = MDR 2005, 1223. 3 OLG Nürnberg, Beschl. v. 12.4.1999 – 4 W 1167/99, JurBüro 2000, 80 = MDR 1999, 957; Meyer, § 45 Rn. 28; a.A. OLG Düsseldorf, BauR 1975, 57; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Aufrechnung“. 4 BGH, Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 70/99, NJW-RR 1999, 1736; OLG Bamberg, JurBüro 1970, 788; OLG Celle, JurBüro 1970, 1002; OLG Düsseldorf, MDR 1971, 934;

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Aufrechnung Das gilt auch soweit die Aufrechnung mit einer die Klageforderung wertmäßig übersteigenden Gegenforderung erklärt wird. Eine Werterhöhung im Umfang des weiter gehenden Forderungsteils scheidet aus, da hierüber nicht rechtskräftig entschieden wird, selbst wenn die Gegenforderung in den Entscheidungsgründen in vollem Umfang verneint wird, § 322 Abs. 2 BGB.1 Insbesondere wäre es verfehlt, den überschießenden Teil der Gegenforderung als Hilfsaufrechnung zu bewerten (s. dazu unten Rn. 1325).

1285

Verteidigt sich der Beklagte gegenüber der unstreitigen Klageforderung durch Aufrechnung mit mehreren Gegenforderungen, ist zu unterscheiden. Liegt die Summe aller Gegenforderungen unter dem Wert der Klageforderung oder überschreitet sie diesen nur in einem Umfang, der unter dem Wert der geringsten Gegenforderung liegt, handelt es sich insgesamt um eine Primäraufrechnung. Folglich verbleibt es für die Wertfestsetzung beim Wert der Klageforderung. Erklärt der Beklagte hingegen die Aufrechnung mit mehreren, die Klageforderung jeweils übersteigenden Gegenforderungen, ist nur bezüglich der ersten von einer Primäraufrechnung und im Übrigen von Hilfsaufrechnungen auszugehen.

1286

III. Hilfsaufrechnung Zur Abgrenzung der Hilfsaufrechnung von der wertneutralen Hauptaufrechnung ist die Prozesserklärung der aufrechnenden Partei auszulegen. Hierbei ist nicht die Wahl des Ausdrucks, sondern der sachliche Gehalt der Rechtsverteidigung ausschlaggebend (s. ausführlich oben Rn. 1257). Entscheidend ist, ob der Beklagte neben der Aufrechnung auch den Bestand der Klageforderung in Abrede stellt.2 Für die Ermittlung des Gebührenstreitwertes ist maßgebend, welche Parteierklärung das Gericht zur Entscheidungsgrundlage gemacht hat. Ist es beispielsweise davon ausgegangen, die Klageforderung sei unstreitig, dann steht damit für diese Instanz fest, dass eine den Streitwert nicht erhöhende Primäraufrechnung vorliegt.3

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1. Eventualverhältnis a) Prozessuale Rügen Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung steht nicht schon dann in einem Eventualverhältnis zur Klageforderung, wenn der Beklagte allein das Fehlen von Prozessvoraussetzungen, beispielsweise die internationale Zuständigkeit rügt, aber die materielle Berechtigung der Klageforderung nicht bestreitet.4

1

2

3 4

OLG, Frankfurt, Beschl. v. 18.11.2003 – 2 W 72/03, OLGR 2004, 162; OLG Köln, MDR 1971, 311 = JurBüro 1971, 165; OLG München, JurBüro 1970, 264; NJW 1970, 2219; OLG Nürnberg, KostRsp. GKG a.F. § 22 Nr. 8; OLG Stuttgart, Justiz 1970, 184. Allg. Meinung; BGH, Beschl. v. 24.11.1971 – VIII ZR 80/71, MDR 1972, 234 = NJW 1972, 257; OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.11.2003 – 2 W 72/03, OLGR 2004, 162; Baumbach/Hartmann, § 322 ZPO Rn. 21. BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, JurBüro 2004, 378 AGS 2004, 249 = NZM 2004, 423; OLG Dresden, Beschl. v. 17.8.1998 – 6 W 1072/98, MDR 1999, 119; Hartmann, § 45 GKG Rn. 44. KG, Beschl. v. 18.10.1985 – 21 W 5063, JurBüro 1986, 416. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.7.1998 – 3 W 42/98, MDR 1998, 1249 = NJW-RR 1999, 223; Hartmann, GKG § 45 Rn. 43 unter „Prozessvoraussetzung“; Thomas/Putzo/ Hüßtege, ZPO, § 3 Rn. 19; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Aufrechnung“; a.A. OLG

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1288

Aufrechnung Nach den Motiven zur Gesetzesfassung sollte eine Wertaddition ausscheiden, wenn der „Streit in seinem Kern nur um eine Forderung geht“. Da mit der „bestrittenen Gegenforderung“ in § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 Satz 1 GKG a.F.) der materiell-rechtliche Anspruch gemeint ist – denn die Aufrechnung führt nicht zur Rechtshängigkeit1 –, ist zu folgern, dass von einer Eventualaufrechnung nur auszugehen ist, wenn die Klageforderung auf derselben, nämlich der materiell-rechtlichen, Ebene im Streit steht. Für diesen Ansatz spricht auch der Gleichlauf der Rechtskrafterstreckung, denn scheitern Klage oder Aufrechnung bereits an Zulässigkeitserwägungen, fehlt es an einer materiellen Rechtskrafterstreckung, was bei der Hilfsaufrechnung eine Wertaddition ausschließt (s. dazu unten Rn. 1308 ff.). 1289

Anderenfalls müsste selbst dann eine (werterhöhende) Eventualaufrechnung bejaht werden, wenn nur über das Vorliegen von Prozessvoraussetzungen gestritten wird, die von Amts wegen zu prüfen sind.2 Die Rüge der Wahrung einer Klage- oder Rechtsmittelfrist oder der fehlenden Vollmacht oder der Erkennbarkeit einer Unterschrift usw. würde folglich genügen, um den Streitwert zu verdoppeln.3 b) Mehrfache Hauptaufrechnungen

1290

Eine Hilfsaufrechnung liegt jedoch dann vor, wenn der Beklagte die Klageforderung zwar nicht bestreitet, sich dagegen aber mit mehreren im Eventualverhältnis stehenden Gegenforderungen verteidigt. Dies ist etwa der Fall, wenn der Beklagte gegenüber einem auf Zahlung von 5000 Euro gerichteten unstreitigen Klageanspruch die Aufrechnung mit drei, untereinander hilfsweise gestaffelten (streitigen) Gegenforderungen über jeweils 5.000 Euro erklärt. Hier handelt es sich nur bei der ersten Aufrechnung um eine Primäraufrechnung, während die nachfolgenden (bei einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung) streitwerterhöhend zu berücksichtigen sind.4 S. auch unten bei Rn. 1326.

1291

Bestreitet der Beklagte die Klageforderung nur teilweise und rechnet mit einer Gegenforderung primär gegen den unstreitigen Teil und zugleich hilfsweise gegen den streitigen Teil der Klageforderung auf, so ist die auf das Doppelte der Klageforderung gesetzte Obergrenze (§ 322 Abs. 2 ZPO, § 45 Abs. 3 GKG) derart zu ermitteln, dass zunächst die Klageforderung um den Betrag der Primäraufrechnung reduziert und nur der verbleibende Betrag verdoppelt wird.5 Davon ist die Fallgestaltung zu unterscheiden, dass in unzulässiger Weise mit verschiedenen Teilen eines Anspruchs (Gegenforderung) gegen denselben Teil der Klageforderung aufgerechnet wird (s. unten Rn. 1323).

1 2 3 4

5

Frankfurt, Beschl. v. 27.8.1985 – 21 W 36/85, JurBüro 1985, 1677 mit zust. Anm. Mümmler. BGH, Urt. v. 11.11.1971 – VII ZR 57/70, MDR 1957, 318 = NJW 1972, 450. So in der Tat Mümmler, JurBüro 1985, 1678, 1679. Zweifelnd auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.8.1985 – 21 W 36/85, JurBüro 1985, 1677. BGH, Beschl. v. 6.11.1991 – VIII ZR 294/90, MDR 1992, 307 = Rpfleger 1992, 225; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.8.2009 – 5 W 58/08, BauR 2010, 937; OLG Hamm, Beschl. v. 13.5.1985 – 19 W 24/85, AnwBl. 1986, 204; OLG Karlsruhe, MDR 1989, 921; Hartmann, § 45 Rn. 44. OLG Köln, Beschl. v. 30.4.1993 – 19 W 15/93, OLGR 1993, 157 = JurBüro 1994, 495.

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Aufrechnung 2. Bestrittene Gegenforderung Eine Werterhöhung kommt nach § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) nur in Betracht, wenn neben der Klageforderung auch die Aufrechnungsforderung im Streit steht. Erklärt der Beklagte daher hilfsweise die Aufrechnung mit einer unbestrittenen Gegenforderung, bleibt diese wertmäßig unberücksichtigt.1

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3. Rechtskraftfähige Entscheidung Gem. § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) erhöht sich der Streitwert bei einer Hilfsaufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung nur, soweit über diese rechtskräftig entschieden wird. Erforderlich ist eine der materiellen und nicht nur formellen Rechtskraft fähige positive oder negative Entscheidung über die Aufrechnungsforderung.2 Für die Streitwertberechnung ist daher zu unterscheiden, ob das Gericht bei seiner Entscheidung den Aufrechnungseinwand berücksichtigt und – bejahendenfalls – in einer der Rechtskraft fähigen Weise über den Bestand der Gegenforderung entschieden hat.

1293

Hierbei ist die Rechtskraftwirkung der Entscheidung nicht davon abhängig, ob die geltend gemachte Aufrechnung im oder außerhalb des Prozesses erklärt worden ist. Daher wirkt auch die über den Erfüllungseinwand mitbeschiedene außerprozessuale Aufrechnungserklärung streitwerterhöhend.3

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Da jedoch die Rechtskraft nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits wirkt, bleibt der Einwand des Beklagten, die Klageforderung sei aufgrund der außerprozessualen Aufrechnung eines Dritten erloschen, streitwertrechtlich ohne Folgen. Denn ist der Forderungsinhaber nicht Partei, kann über den Bestand der Gegenforderung nicht endgültig entschieden werden. So beispielsweise, wenn der in Anspruch genommene Bürge gegenüber der Klageforderung einwendet, diese sei bereits aufgrund einer Aufrechnung des Hauptschuldners erloschen.4 Hier besteht auch für eine analoge Anwendung von § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) kein Raum.

1295

Soweit diesse mit Blick darauf befürwortet wird, dass der Prüfungsumfang der gerichtlichen Tätigkeit dem bei einer (hilfsweisen) Aufrechnung durch den verklagten Hauptschuldner entspreche,5 ist dies nicht überzeugend. Einer Werterhöhung für die Gerichtsgebühren stünde schon das gebührenrechtliche Analogieverbot entgegen. Der für die anwaltlichen Gebühren maßgebliche Gegenstandswert wiederum hat der Wertfestsetzung für das gerichtliche Verfahren zu folgen, § 23 RVG (§ 8 BRAGO). Zudem ist die fehlende Berücksichtigung des Arbeitsaufwandes, unabhängig von der grundsätzlichen Eignung

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1 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, JurBüro 2004, 378 = AGS 2004, 249; OLG Hamm, Beschl. v. 6.12.1999 – 22 U 81/99, MDR 2000, 296. 2 BGH, Beschl. v. 30.9.1999 – VII ZR 457/98, NJW-RR 2000, 285 = NZBau 2000, 26; Meyer, § 45 Rn. 33. 3 BGH, Urt. v. 4.12.1991 – VIII ZR 32/91 = MDR 1992, 611 = NJW 1992, 982 – zur Rechtskraft; OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.1.1989 – 8 W 248/98, OLGZ 1989, 179 = NJW-RR 1989, 841; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rn. 5; Zöller/ Vollkommer, § 322 Rn. 15. 4 BGH, Beschl. v. 29.11.1972 – VIII ZR 202/71, NJW 1973, 146: Beschwer. 5 Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Aufrechnung“; ebenso 11. Aufl.

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Aufrechnung dieses Anknüpfungspunktes, 1 kein eigenständiges Phänomen der Hilfsaufrechnung. Beruft sich der Beklagte gegenüber der Klageforderung beispielsweise auf ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 Abs. 3 ZPO, welches unstreitig nicht unter § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) fällt, bleibt der damit verbundene Klärungsaufwand ebenfalls gebührenrechtlich unberücksichtigt. Stellt man bei diesen Konstellationen hingegen die fehlende Entscheidung über die Gegenforderung in den Vordergrund,2 lässt sich deren gebührenrechtliche Bedeutungslosigkeit widerspruchsfrei erklären. a) Entscheidung über Aufrechnungseinwand 1297

Fehlt es bereits an einer Auseinandersetzung mit dem Aufrechnungseinwand, weil schon die Klage unzulässig oder auch ohne Berücksichtung der Aufrechnung in vollem Umfang unbegründet ist,3 bleibt für eine Wertaddition kein Raum.

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Macht der Beklagte in erster Linie Gegenansprüche auf Herausgabe von Sachen geltend, aus denen er ein Zurückbehaltungsrecht ableitet, so ist die zusätzlich erklärte Hilfsaufrechnung streitwertmäßig ebenfalls unbeachtlich, wenn bereits das Zurückbehaltungsrecht bejaht wird.4

1299

An einer (rechtskräftigen) Entscheidung über den Aufrechnungseinwand mangelt es ferner, wenn das Ergebnis seiner Prüfung für die Entscheidung der Klage nur vorgreiflich ist. Dies ist etwa der Fall, wenn der Beklagte gegen eine allein auf Zahlung von Zinsen gerichtete Klage geltend macht, gegenüber der dem Zinsanspruch zugrunde liegenden Hauptforderung die Aufrechnung erklärt zu haben. Hier ist für eine Wertaddition kein Raum.5 Rechtlich entspricht dieser Sachverhalt demjenigen, bei dem im Rechtsstreit allein die Zinszahlungspflicht im Streit steht. Auch dort erfasst die Rechtskraft der Verurteilung zur Zinszahlung oder die Abweisung der Zinsklage nicht die vorgreifliche Entscheidung hinsichtlich des Bestandes der Hauptforderung.

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Das gilt – trotz Auseinandersetzung mit dem Aufrechnungseinwand – auch, wenn das Gericht die Klage aufgrund der Hilfsaufrechnung abweist und hierbei ausdrücklich offen lässt, ob die Klage zulässig und die Klageforderung zunächst entstanden ist. Darin liegt eine Missachtung des Eventualverhältnisses und damit ein Verstoß gegen § 308 ZPO.6 Die (positive) Bescheidung der Gegenforderung wird von der Rechtskraft nicht erfasst.7

1 Vgl. hierzu etwa Lappe, Anm. zu OLG Frankfurt, KostRsp. GKG § 19 Nr. 106; Rödding, NJW 1968, 1917. 2 Vgl. für das Zurückbehaltungsrecht BGH, Beschl. v. 16.4.1996 – XI ZR 302/95, MDR 1996, 960; Zöller/Vollkommer, § 322 ZPO Rn. 15. 3 Zöller/Greger, § 145 ZPO Rn. 13. 4 LG Bayreuth, JurBüro 1980, 1865; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Aufrechnung“. 5 Anders aber KG, Beschl. v. 18.10.1985 – 21 W 5063/85, JurBüro 1986, 416. 6 OLG Oldenburg, Beschl. v. 11.7.1997 – 2 W 88/97, OLGR 1998, 268. 7 BGH, Beschl. v. 14.4.1999 – IV ZR 253/98, NJW-RR 1999, 1157; Urt. v. 25.6.1956 – II ZR 78/55, LM § 322 Nr. 21; OLG Oldenburg, Beschl. v. 11.7.1997 – 2 W 88/97, OLGR 1998, 268; Musielak/Musielak, § 322 ZPO Rn. 83; Zöller/Vollkommer, § 322 ZPO Rn. 21.

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Aufrechnung Verteidigt sich der Beklagte schriftsätzlich mit einer Hilfsaufrechnung, lässt diese dann aber in der mündlichen Verhandlung fallen und erkennt die Klage an, dann verhält sich das daraufhin ergehende Anerkenntnisurteil nicht zu dem (schriftsätzlich) hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Anspruch. Eine Werterhöhung nach § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) scheidet aus.1 Das OLG Hamm begründet dies damit, dass aufgrund „unbestrittener Klageforderung“ über die Hilfsaufrechnung nicht mehr entschieden werden könne und es zudem an einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung fehle, da wegen fehlender Entscheidungsgründe nicht erkennbar sei, dass „neben der Klageforderung über weitere – hilfsweise zur Aufrechnung gestellte – Ansprüche entschieden worden“ ist. Die Entscheidung ist im Ergebnis richtig, in der Begründung unzutreffend.

1301

Ob die in einem vorbereitenden Schriftsatz (§ 129 ZPO) erklärte (Hilfs-)Aufrechnung bereits mit Zugang des Schriftsatzes oder erst mit Geltendmachung in der mündlichen Verhandlung wirksam wird, ist eine Frage der Auslegung. Nach wohl herrschender Ansicht ist bei einer Prozessaufrechnung regelmäßig von einer bloßen Ankündigung auszugehen.2 Teilt man diese Ansicht, fehlt es schon an einer wirksamen Aufrechnungserklärung, die zur Entscheidung hätte anstehen können. Anderenfalls wäre zu prüfen, ob der Beklagte von der hilfsweise erklärten Prozessaufrechnung Abstand nehmen konnte.3 Wird dies bejaht, stand der zur Aufrechnung gestellte Anspruch zum Schluss der mündlichen Verhandlung ebenfalls nicht mehr zur Entscheidung und Ausführungen zur Rechtskraft des Anerkenntnisurteils wären dann überflüssig. Hält man dagegen eine Rücknahme der Aufrechnungserklärung wegen ihrer Gestaltungswirkung für ausgeschlossen, läge nach dem (materiell-rechtlichen) Anerkenntnis des Beklagten notwendigerweise eine Hauptaufrechnung vor und eine Werterhöhung schiede schon aus diesem Grunde aus. Im Übrigen ist der rechtskräftige Inhalt von Urteilen ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe über das Parteivorbringen zu ermitteln.4

1302

Wird über die Klage durch Versäumnisurteil entschieden, bleibt eine zuvor (schriftsätzlich) erklärte Hilfsaufrechnung gleichfalls unberücksichtigt.5 Denn aufgrund der Säumnis des Beklagten in der mündlichen Verhandlung fehlt es an der Geltendmachung des mit dem Schriftsatz nur angekündigten Aufrechnungseinwandes.6 Die bei ausbleibendem Einspruch (§ 338 ZPO) eintretende (materielle) Rechtskraft der Entscheidung erfasst daher nicht die Gegenforderung des Beklagten. Wollte man dies anders sehen, müsste (bei schlüssiger Klage) aufgrund der Geständnisfiktion (§ 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO) eine unstreitige Klageforderung und damit eine wertneutrale Hauptaufrechnung angenommen werden.

1303

1 OLG Hamm, Beschl. v. 17.11.2000 – 34 W 29/00, AGS 2001, 111 mit Anm. Madert. 2 Zöller/Greger, § 129 ZPO Rn. 6 m.w.N. 3 Ablehnend Zöller/Greger, § 145 ZPO Rn. 11; a.A. BGH, Urt. v. 11.11.1971 – VII ZR 57/70, MDR 1972, 318 = NJW 1972, 450; Baumbach/Hartmann, § 145 ZPO Rn. 12. 4 Zöller/Vollkommer, vor § 322 ZPO Rn. 31 m.w.N. 5 KG, Beschl. v. 30.7.2008 – 2 U 110/04, JurBüro 2008, 652; OLG Köln, MDR 1971, 311 = JurBüro 1971, 165; LAG Rheinland, Beschl. v. 15.11.1977 – 1 Ta 104/77, KostRsp. GKG § 19 Nr. 10; Meyer, § 45 Rn. 34; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Aufrechnung“; a.A. Hartmann, § 45 Rn. 47 unter „Versäumnisurteil“. 6 Zöller/Greger, § 129 ZPO Rn. 6 m.w.N.

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Aufrechnung 1304

Legt der Beklagte Einspruch ein, kommt eine Wertaddition nur in Betracht, wenn auch über die Gegenforderung verhandelt und entschieden wird.

1305

Soweit ein Urteil der materiellen Rechtskraft (§ 322 ZPO) nicht fähig ist, wie beispielsweise ein Vorbehaltsurteil im Urkunden- und Wechselprozess (§ 599 ZPO) oder ein Vorbehaltsurteil zur Aufrechnung (§ 302 ZPO), scheidet auch bei einer vom Beklagten zuvor hilfsweise erklärten Aufrechnung eine Streitwerterhöhung aus.1 b) Entscheidung über Gegenforderung

1306

Enthält das Urteil eine Auseinandersetzung mit dem Aufrechnungseinwand, ist damit für die Werterhöhung nach § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) noch nichts entschieden. Denn hierfür bedarf es einer inhaltlichen Entscheidung „über die Gegenforderung“. Unproblematisch ist das in den Fällen, in denen das Gericht die Klage aufgrund der Hilfsaufrechnung ganz oder teilweise abweist, soweit nicht eine Missachtung des Eventualverhältnisses (§ 308 ZPO) vorliegt (s. oben Rn. 1300).

1307

Schwieriger stellt sich die Situation dar, wenn der Aufrechnungseinwand bei der Urteilsfindung ohne Folgen bleibt, weil die Klage trotz Aufrechnung in vollem Umfang zugesprochen wird. Hier ist für die Annahme einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung und damit für die Wertaddition maßgeblich darauf abzustellen, ob sich das Urteil in den Entscheidungsgründen zur Aufrechnungslage verhält. Folgende Fallgestaltungen sind zu unterscheiden: aa) Unzulässigkeit der (Hilfs-)Aufrechnung

1308

Wird die (Hilfs-)Aufrechnung vom Gericht für unzulässig erachtet, fehlt es an einer Entscheidung über die Aufrechnungslage (§ 387 BGB). Der Streitwert erhöht sich nicht.2 Auch dann nicht, wenn das Gericht fehlerhaft eine Unzulässigkeit bejaht3 oder prozessordnungswidrig die Zulässigkeit einer Hilfsaufrechnung offen lässt, weil die Gegenforderung „jedenfalls unbegründet“ sei.4 Ebenso verhält es sich – also keine Werterhöhung –, wenn das Gericht im Urteil in Hilfserwägungen auf die Begründetheit eingeht.5

1309

Die Unzulässigkeit der Aufrechnung kann auf verfahrensrechtlichen und auf materiell-rechtlichen Gründen beruhen. Unterbleibt eine Auseinandersetzung mit der Gegenforderung, weil das Gericht die (Hilfs-)Aufrechnung bereits aus 1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.7.1985 – 22 W 24/85; OLG Hamburg, Beschl. v. 12.5.2000 – 14 U 65/99, OLGR 2001, 20; OLG München, Beschl. v. 11.1.1988 – 28 W 2952/87, JurBüro 1989, 137 = AnwBl. 1989, 106; Meyer, § 45 Rn. 33; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Aufrechnung“. 2 BGH, Beschl. v. 26.9.1990 – VIII ZA 5/90, NJW-RR 1991, 127; Beschl. v. 25.5.1988 – VIII ZR 18/88, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 936 mit Anm. E. Schneider = MDR 1988, 956 = NJW 1988, 3210 = AnwBl. 1988, 588; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.12.1981 – 6 U 10/ 81, JurBüro 1982, 265 mit Anm. Mümmler; OLG Frankfurt, JurBüro 1971, 311; OLG Köln, Beschl. v. 21.9.1987 – 2 U 113/86; Madert, FS für H. Schmidt, S. 77; Zöller/ Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Aufrechnung“. 3 BGH, Beschl. v. 26.9.1990 – VIII ZA 5/90, NJW-RR 1991, 127. 4 BGH, Beschl. v. 25.5.1988 – VIII ZR 18/88, MDR 1988, 956 = NJW 1988, 3210. 5 BGH, Beschl. v. 31.7.2001 – XI ZR 217/01, MDR 2001, 1256 = AGS 2002, 27 = NJW 2001, 3616; OLG Köln, Beschl. v. 21.9.1987 – 2 U 113/86.

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Aufrechnung verfahrensrechtlichen Gründen für unzulässig erachtet, fehlt es bezüglich der zur Aufrechnung gestellten Forderung an einer der materiellen Rechtskraft fähigen Entscheidung. So beispielsweise, wenn das Gericht aufgrund einer kaufmännischen Prorogation (§ 29 Abs. 2 ZPO) – zu Recht oder zu Unrecht1 – von einer örtlichen Unzuständigkeit für eine Entscheidung über die Gegenforderung ausgeht,2 oder eine Auseinandersetzung mit der Gegenforderung aufgrund der Nichtzulassung der (Hilfs-)Aufrechnung im Rechtsmittelverfahren nach § 533 ZPO ausbleibt.3 Hiervon zu unterscheiden ist jedoch die Verfahrenslage, bei der die Aufrechnungsforderung ungenügend individualisiert worden ist. Insoweit ist die Vorschrift des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechend anzuwenden. Eine Klage, die den Gegenstand nicht genügend bestimmt und deshalb als unzulässig zurückgewiesen wird, kann erneut erhoben werden. Deshalb erwächst auch die Nichtberücksichtigung der Aufrechnung wegen fehlender Individualisierung (im Gegensatz zur fehlenden Substantiierung, s. unten Rn. 1315) nicht in Rechtskraft und steht damit einer Wertaddition entgegen.4

1310

Ebenso verhält es sich, wenn die Geltendmachung der Aufrechnung gem. §§ 296, 296a ZPO als verspätet zurückgewiesen wird. Als Verteidigungsmittel unterliegt der Einwand der Aufrechnung den Verspätungsvorschriften.5 Wird dieser vom Gericht für prozessual unzulässig erachtet, ist für eine Wertaddition gem. § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) kein Raum.6 Denn mangels Befassung mit der Gegenforderung fehlt es an einer rechtskräftigen Entscheidung.7 Diese Konstellation ist nicht zu verwechseln mit der Zurückweisung tatsächlichen Vorbringens zur Aufrechnungsforderung als verspätet (vgl. unten Rn. 1316).

1311

Wird die Gleichartigkeit von Klageforderung und Aufrechnungsforderung verneint, ist damit eine rechtskräftige Aberkennung der Gegenforderung nicht verbunden. Die Prozesslage entspricht vielmehr derjenigen bei unzulässiger Aufrechnung. Das Gericht lehnt es ab, sich mit der Aufrechnungsforderung zu befassen, weil es an einer Aufrechnungslage fehle. Eine Wertaddition nach § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) entfällt.8

1312

Schließlich können materiell-rechtliche Gründe der Zulässigkeit einer Aufrechnung widerstreiten. Im Vordergrund stehen hier Aufrechnungsverbote, sei es vertraglicher oder gesetzlicher Art.9 So scheidet eine Werterhöhung aus,

1313

1 Zöller/Greger, § 145 Rn. 19 m.w.N. 2 BGH, Beschl. v. 28.6.1984 – IX ZR 117/83, KostRsp GKG § 19 Nr. 82. 3 BGH, Beschl. v. 11.7.1984 – VIa ZR 95/84 – zu § 530 Abs. 2 ZPO a.F.; Zöller/Greger, § 145 Rn. 15. 4 BGH, Beschl. v. 25.9.1996 – VI ZR 102/96, BGHR ZPO § 546 Abs. 2 Beschwer 15; OLG Köln, Beschl. v. 11.1.1995 – 19 W 15/94, JurBüro 1995, 645; E. Schneider, Anm. zu BGH KostRsp. GKG § 19 Nr. 92; Wenzel, GK-ArbGG § 12 Rn. 89; Zöller/Greger, § 145 Rn. 16a. 5 BGH, Urt. v. 28.5.1990 – II ZR 248/89, MDR 1991, 227; Urt. v. 30.5.1984 – VIII ZR 20/ 83, MDR 1984, 837 = NJW 1984, 1964; Zöller/Greger, § 145 ZPO Rn. 15 m.w.N. 6 OLG Hamm, Beschl. v. 25.3.1999 – 19 W 13/99, OLGR 1999, 178. 7 OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.10.1983 – 17 W 57/83, MDR 1984, 239. 8 OLG Dresden, Beschl. v. 7.1.2003 – 6 W 240/99, JurBüro 2003, 475; Meyer, JurBüro 2004, 300; a.A. Zöller/Vollkommer, § 322 ZPO Rn. 18. 9 BGH, Beschl. v. 26.9.1990 – VIII ZA 5/90, MDR 1991, 240 = NJW-RR 1990, 127.

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Aufrechnung wenn der (Hilfs-)Aufrechnung ein mietvertraglich vereinbarter Aufrechnungsausschluss entgegensteht,1 weil die Gegenforderung gem. § 390 BGB einredebehaftet ist2 oder die Klageforderung aus einer unerlaubten Handlung herrührt, § 393 BGB.3 Gleichgelagert ist der Fall, in dem der (Hilfs-)Aufrechnung gegenüber einer vom Insolvenzverwalter klageweise geltend gemachten Forderung das Aufrechnungsverbot gem. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 KO) entgegensteht.4 bb) Fehlende Aufrechnungslage 1314

Gelangt das Gericht im Urteil zu dem Ergebnis, dass die Klageforderung mangels Aufrechnungslage nicht erloschen ist, ergeht eine den Streitwert erhöhende Entscheidung über die Gegenforderung. Dies gilt nicht nur in dem unproblematischen Fall, dass dem Beklagten der Nachweis der tatbestandlichen Anspruchsvoraussetzungen der Gegenforderung nicht gelungen ist, sondern auch, wenn die Aufrechnung nicht durchgreift, weil es bereits an einem schlüssigen Sachvortrag fehlt.

1315

Verneint das Gericht die Wirksamkeit der Aufrechnung wegen unzureichender Substantiierung des die Gegenforderung betreffenden Sachvortrages, wird die Gegenforderung wegen fehlender Schlüssigkeit rechtskräftig aberkannt.5

1316

Ebenso liegt es, wenn der für die Schlüssigkeit erforderliche Sachvortrag zur Gegenforderung nach § 296 ZPO als verspätet zurückgewiesen wird.6

1317

Wird die Wirksamkeit der Aufrechnung mit der Begründung verneint, die Forderung des Beklagten sei noch nicht fällig, dann erwächst nur die Fälligkeitsprüfung in Rechtskraft. Der Beklagte kann seinen Anspruch später noch geltend machen. Rechtskräftig steht nur fest, dass die Gegenforderung der Klage „zurzeit“ nicht entgegensteht.7 Der Klageforderung darf deshalb auch nur ein nach § 3 ZPO zu schätzender Betrag hinzugerechnet werden (s. das Stichwort „Fälligkeit“).

1318

Verneint das Urteil die Gegenseitigkeit der (hilfsweise) zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung, erwächst in Rechtskraft, dass die Gegenforderung der beklagten Partei jedenfalls nicht im Verhältnis zu der klagenden Partei zusteht, mag sie ihm auch gegen einen Dritten zustehen. Dieser Sachverhalt fällt unter § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.), weil die Rechtskraftwir-

1 OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.4.1997 – 10 U 73/96, WuM 1997, 428. 2 BGH, Beschl. v. 31.7.2001 – XI ZR 217/01, MDR 2001, 1256 = NJW 2001, 3616. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.12.1981 – 6 U 10/81, KostRsp. GKG § 19 Nr. 52 mit Anm. E. Schneider = JurBüro 1982, 265 mit Anm. Mümmler. 4 OLG Oldenburg, Beschl. V. 18.11.1983 – 8 W 123/783, JurBüro 1984, 258 = MDR 1984, 239. 5 BGH, Beschl. v. 24.2.1994 – VII ZR 209/93, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1184 = MDR 1994, 612 = NJW 1994, 1538; OLG Koblenz, Beschl. v. 22.5.2001 – 5 W 347/01, JurBüro 2002, 197 = AGS 2002, 126 = BauR 2003, 584; OLG Köln, Beschl. v. 11.1.1995 – 19 W 15/94, JurBüro 1995, 645; OLG München, Beschl. v. 11.1.1988 – 28 W 2952/87, AnwBl. 1989, 106 = JurBüro 1989, 137; OLG Stuttgart, Urt. v. 5.7.2000 – 9 U 61/00, OLGR 2001, 267; a.A. LG Hannover, Beschl. v. 15.7.1993 – 3 T 96/93. 6 OLG Frankfurt, JurBüro 1984, 88 = MDR 1984, 239; OLG Koblenz, JurBüro 2002, 197; Baumbach/Hartmann, Anh. § 3 ZPO Rn. 20. 7 Zöller/Vollkommer, § 322 ZPO Rn. 18.

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Aufrechnung kung sich auf den gesamten Gegenanspruch erstreckt. Es ist also volle Wertaddition geboten,1 beispielsweise weil die Voraussetzungen für eine Aufrechnung gegenüber dem nach Abtretung neuen Gläubiger der Hauptforderung (§ 406 BGB) nicht vorliegen.2 Rechtskräftig aberkannt werden Gegenansprüche umgekehrt auch dann, wenn sie deshalb als unbegründet bewertet werden, weil sie nicht dem Aufrechnenden allein, sondern nur gesamthänderisch mit einem Dritten zustehen.3 4. Umfang der Rechtskrafterstreckung a) Allgemeines Nach § 322 Abs. 2 ZPO ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht oder aufgrund der vom Beklagten erklärten Aufrechung gem. § 389 BGB nicht mehr besteht, nur bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig. Höher als die Klageforderung kann die – einzelne – Aufrechnungsforderung für die Streitwertbemessung also nicht in Ansatz gebracht werden, § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.).4

1319

Wird die Aufrechnung gegenüber einer (zum Zeitpunkt der erstmaligen Aufrechnungslage) bereits zu verzinsenden Klageforderung erklärt, dann erhöht sich der Umfang der Rechtskraft der Entscheidung und damit der Wert der Hilfsaufrechnung um die bereits aufgelaufenen Zinsen.5 Übersteigt die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung den Betrag des Klageanspruchs, der für begründet erkannt wird, kommt daher auch nur in dieser Höhe eine Aufrechnungswirkung in Betracht. Nur um den verbrauchten Teil der Gegenforderung erhöht sich folglich der Streitwert.6

1320

b) Reduktion der Klageforderung Die durch § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) geschaffene Verknüpfung zwischen Klageforderung und Aufrechnungsforderung bleibt auch dann erhalten, wenn sie streitwertmindernd wirkt, insbesondere wenn die Klage teilweise für erledigt erklärt oder teilweise zurückgenommen wird (§§ 91a, 269 Abs. 1 ZPO), bevor eine Entscheidung unter Berücksichtigung der Hilfsaufrechnung getroffen wird. Die Aufrechnungsforderung darf dann nur bis zur Höhe des verminderten Klagewertes berücksichtigt werden.7

1 KG, Beschl. v. 18.10.1985 – 21 W 5063/85, JurBüro 1986, 416; OLG Celle, Beschl. v. 1.11.1983 – 5 W 28/83, AnwBl. 1984, 31; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.8.1996 – 6 U 8/95, MDR 1996, 1299; OLG Frankfurt, MDR 1971, 311 = JurBüro 1971, 169. 2 OLG Nürnberg, Urt. v. 29.11.2000 – 4 U 2053/99, BauR 2001, 961. 3 Insoweit zutreffend KG, Beschl. v. 18.10.1985 – 21 W 5063/85, JurBüro 1986, 416. 4 OLG Bamberg, Beschl. v. 20.3.1984 – 5 W 30/84, JurBüro 1984, 903; OLG Schleswig, JurBüro 1984, 257 mit Anm. Mümmler. 5 OLG Rostock, Urt. v. 28.1.2010 – 3 U 113/09, juris. 6 OLG Bamberg, JurBüro 1977, 380; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.1993 – 10 W 67/93, Rpfleger 1994, 129 = NJW-RR 1994, 1279. 7 ArbG Würzburg, AnwBl. 1978, 180; Madert, FS für H. Schmidt, S. 70.

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Aufrechnung c) Mehrfache Aufrechnung 1322

Stellt der Beklagte mehrere (bestrittene) Gegenforderungen zur Aufrechnung, ist für den Gebührenstreitwert zunächst danach zu unterscheiden, ob die Klageforderung unabhängig von der Aufrechnungserklärung oder einem darauf beruhenden Erfüllungseinwand in ihrem Entstehungsgrund bestritten oder unbestritten ist.

1323

Bei bestrittener Klageforderung erfolgt die Aufrechnungserklärung ungeachtet der Anzahl der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen notwendigerweise nur hilfsweise, da von dem Beklagten zunächst eine von der Aufrechnung unabhängige gerichtliche Entscheidung über den Bestand der Klageforderung angestrebt wird. Der Umfang der Werterhöhung entspricht daher der Summe der in rechtskraftfähiger Weise entschiedenen Gegenforderungen, berücksichtigt wird also der Wert jeder Gegenforderung bis zur Höhe der (nach der vorherigen Aufrechnung) noch verbliebenen Klageforderung.1

1324

Der gegenteiligen Ansicht, wonach bei mehrfach gestaffelter Hilfsaufrechnung und Entscheidung über alle Gegenforderungen in analoger Anwendung von § 19 Abs. 4 GKG in der bis zum 30.6.1994 geltenden Fassung zur Klageforderung allein der Wert der höchsten Gegenforderung zu addieren sei,2 begrenzt auf die Höhe der Klageforderung,3 ist spätestens durch die mit dem KostRÄndG 1994 verbundene Änderung des § 19 Abs. 4 GKG a.F. der Boden entzogen worden, war jedoch bereits nach vorheriger Gesetzeslage verfehlt.4

1325

Will der Beklagte bei unbestrittener Klageforderung diese mit dem Aufrechnungseinwand zu Fall bringen und erklärt die Aufrechnung nur mit einer Gegenforderung, handelt es sich um den Standardfall der Hauptaufrechnung. Eine Werterhöhung gem. § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) scheidet schon nach dem Wortlaut aus, maßgeblich ist immer der Wert der Klageforderung. Dies gilt auch dann, wenn die zur Aufrechnung gestellte Forderung die Klageforderung im Wert übersteigt und vom Gericht in vollem Umfang für unbegründet erachtet wird. Hier kann eine Werterhöhung nicht mit dem Argument begründet werden, dass der die Klageforderung übersteigende Teil der Gegenforderung hilfsweise zur Aufrechnung gestellt werde. Dem steht entgegen, dass Teilbeträge aus einer auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt gestützten Anspruch nicht, auch nicht durch gestaffelte Hilfsaufrechnungserklärungen, verselbständigt werden können.5

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Stellt der Beklagte hingegen mehrere (rechtlich selbständige) Gegenforderungen zur Aufrechnung, handelt es sich nur bei der ersten um eine Hauptauf-

1 BGH, Urt. v. 30.1.1979 – VI ZR 154/78, BGHZ 73, 249; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.8.2009 – 5 W 58/08, BauR 2010, 937; OLG Köln, Beschl. v. 18.3.1992 – 19 W 7/92, JurBüro 1992, 683; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rn. 9; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Aufrechnung“. 2 So OLG Köln, Beschl. v. 1.9.1978 – 11 U 9/78, JMBl.NW 1979, 70. 3 So OLG Frankfurt, MDR 1980, 567 mit abl. Anm. E. Schneider = JurBüro 1980, 1544 mit abl. Anm. Mümmler. 4 Vgl. hierzu ausführlich E. Schneider, Anm. zu OLG Köln, Beschl. v. 1.9.1978 – 11 U 9/78, MDR 1980, 587; Schneider/Herget, Streitwert-Kommentar, 10. Aufl., Rn. 460 f. 5 BGH, Beschl. v. 1.2.1995 – XII ZR 218/94, MDR 1995, 407; zust. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.8.2009 – 5 W 58/09, BauR 2010, 937.

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Aufrechnung rechnung. Denn die weiteren Gegenforderungen werden nur für den Fall zur Aufrechnung gestellt, dass die Klageforderung – entgegen der Erwartung des Beklagten – nicht bereits durch die erste, die Hauptaufrechnung, erloschen (§ 389 BGB) ist. Damit ist die Klageforderung zum Zeitpunkt der Entscheidung über die zweite Gegenforderung nicht mehr unbestritten, da sie dem auf der Hauptaufrechnung beruhenden Tilgungseinwand ausgesetzt ist.1 Folglich handelt es auch nicht um eine analoge Anwendung des § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.).2 Anders liegt es nur, wenn die Summe der Gegenforderungen in ihrem Wert die Klageforderung nicht übersteigt, da hier die Gegenforderungen notwendigerweise sämtlich primär eingesetzt werden.3

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IV. Wechsel zwischen Haupt- und Hilfsaufrechnung Geht der Beklagte im Verlaufe des Rechtsstreits von der Hilfsaufrechnung zur Primäraufrechnung über, dann sind ab diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Wertaddition nach § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) nach einhelliger Auffassung nicht mehr gegeben.4

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Uneinigkeit besteht darüber, ob der Streitwert bis zum Übergang zur Primäraufrechnung der Wertaddition unterliegt, also beispielsweise die vor dem Übergang angefallene Terminsgebühr nach dem erhöhten Wert zu berechnen ist.

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Während dies nach einer Auffassung unter Hinweis auf den Normzweck des § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) bejaht wird,5 scheidet nach anderer Ansicht eine Wertaddition ausgehend vom Wortlaut des § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) aus.6

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1 BGH, Beschl. v. 12.7.2000 – VIII ZR 2/99, EwiR 2000, 1043; Beschl. v. 1.2.1995 – XII ZR 218/94, MDR 1995, 407; Beschl. v. 6.11.1991 – VIII ZR 294/90, NJW-RR 1992, 316 = JurBüro 1992, 563 = MDR 1992, 307; OLG Bremen, JurBüro 1986, 747; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1985, 278; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.8.2009 – 5 W 58/08, juris; OLG Frankfurt, Rpfleger 1986, 409 = JurBüro 1986, 1388 = NJW-RR 1986, 1063 = JurBüro 1983, 257 mit abl. Anm. Mümmler = AnwBl. 1982, 487; OLG Hamm, AnwBl. 1986, 204; OLG Karlsruhe, MDR 1989, 921 = JurBüro 1989, 1408; OLG Köln, Beschl. v. 27.9.1991 – 19 W 44/91, FamRZ 1992, 1195 = JurBüro 1993, 163; OLG Saarbrücken, KostRsp. GKG § 19 Nr. 125 mit Anm. Schneider; OLG Schleswig, Beschl v. 14.11.1986 – 14 W 5/86, JurBüro 1987, 737; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rn. 8, 9. 2 So aber und deshalb ablehnend Lappe, NJW 1983, 1468. 3 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rn. 7. 4 OLG Dresden, Beschl. v. 17.8.1998 – 6 W 1072/98, MDR 1999, 119; OLG Hamm, Beschl. v. 28.11.2001 – 12 W 28/01, JurBüro 2002, 316 = AGS 2003, 127; OLG München, Beschl. v. 26.3.1987 – 23 W 125/87, JurBüro 1987, 1055 mit Anm. Mümmler = AnwBl. 1988, 646; LAG Hamm, Beschl. v. 19.8.1982 – 8 Ta 193/82. 5 So OLG Dresden, Beschl. v. 17.8.1998 – 6 W 1072/98, MDR 1999, 119; LAG Hamm, Beschl. v. 19.8.1982 – 8 Ta 193/82; LG Bayreuth, Beschl. v. 24.2.1992 – 1 T 7/92, JurBüro 1992, 761 mit zust. Anm. Mümmler; Baumbach/Hartmann, § 3 ZPO Rn. 18; Schneider, JurBüro 1969, 787; 1970, 264; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 ZPO Rn. 19; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Aufrechnung“; Vorauflage Rn. 401. 6 So OLG Hamm, Beschl. v. 28.11.2001 – 12 W 28/01, JurBüro 2002, 316 = AGS 2003, 127; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.7.1998 – 3 W 42/98, MDR 1998, 1249 = NJW-RR 1999, 223; Lappe, NJW 1983, 1468; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rn. 5; Meyer, § 45 Rn. 31.

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Aufrechnung 1331

Dem letztgenannten Ansatz ist zuzustimmen. § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) setzt tatbestandlich die Entscheidung über eine – zu diesem Zeitpunkt – hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung voraus.1 Die Geltendmachung des Anspruchs allein rechtfertigt – anders als bei Klage und Widerklage (§ 45 Abs. 1 GKG bzw. § 19 Abs. 1 GKG a.F.) – noch keine Addition der Streitwerte. Der gegenteilige Ansatz läuft darauf hinaus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen einer Norm nicht mehr zum Zeitpunkt ihrer Anwendung, sondern nur unabhängig voneinander zu einem beliebigen Zeitpunkt im Laufe des Rechtsstreits vorgelegen haben müssen. Offen bleibt auch, warum dann nach dem Übergang von der Hilfs- zur Hauptaufrechnung die Voraussetzungen für eine Wertaddition gem. § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) nicht mehr gegeben sein sollen. Zudem müssten die Gerichtskosten immer nach der Wertaddition berechnet werden, da gem. § 40 GKG (§ 15 GKG a.F.) zumindest zeitweilig ein höherer Streitwert vorlag und die Verfahrensgebühr (Nr. 1210 KV GKG) sich nicht nachträglich vermindert.2

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Der deshalb vereinzelt unternommene Versuch, in der Entscheidung über die Gegenforderung eine „zurückwirkende Bedingung“3 zu erkennen, ist ebenfalls nicht überzeugend. Im Gesetzeswortlaut findet dieser Ansatz keine Stütze, da § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) mit „soweit“ nicht auf ein (zeitlich relatives) „Ob“, sondern auf den der Rechtskraft fähigen Umfang der Werterhöhung abstellt. Dies erhellt auch der Umstand, dass der Gesetzgeber ausweislich § 19 GKG in der Fassung vor dem KostRÄndG 1994 durchaus danach zu unterscheiden wusste, ob sich der Streitwert erhöht, „soweit“ eine Entscheidung über einen Anspruch (§ 19 Abs. 3 Satz 1 GKG) ergeht oder der Wert eines (Hilfs-)Anspruchs bereits maßgebend ist, „wenn“ über ihn entschieden wird (§ 19 Abs. 4 GKG).

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Schließlich zwingt auch der Normzweck des § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) zu keiner abweichenden Beurteilung, denn der gerichtliche Arbeitsaufwand wird maßgeblich davon beeinflusst, ob im Urteil über Klage- und Gegenforderung oder – nach einem Wechsel zur Primäraufrechnung – nur noch über die Gegenforderung streitig zu entscheiden ist. Soweit das für die anwaltliche Tätigkeit nur eingeschränkt gilt, handelt es sich nicht um ein auf die Bewertung der Hilfsaufrechnung beschränktes Phänomen. Denn der Verweisung (§ 23 RVG) auf die für die Gerichtsgebühren geltenden Vorschriften ist immanent, dass damit der anwaltliche Arbeitsaufwand nicht für alle prozessualen Konstellationen vollständig abgebildet wird. Zudem sind vorliegend mit Rücknahme oder Abweisung der Klage (ohne Berücksichtigung der Aufrechnung) Fallgestaltungen denkbar, in denen die anwaltliche Auseinandersetzung mit der Gegenforderung mangels Anwendbarkeit des § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) – nach allen vertretenen Ansichten – unberücksichtigt bleibt.4

1 E. Schneider, MDR 1989, 300 (302); Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rn. 5. 2 Hartmann, KV 1210 Rn. 26. 3 LG Bayreuth, Beschl. v. 24.2.1992 – 1 T 7/92, JurBüro 1992, 761. 4 OLG Hamm, Beschl. v. 28.11.2001 – 12 W 28/01, JurBüro 2002, 316 = AGS 2003, 127; Meyer, § 45 Rn. 34.

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Aufrechnung

V. Instanzunterschiede Nicht selten wird die Rechtslage bei einer Aufrechnung im Prozess in erster Instanz anders beurteilt als in zweiter Instanz. Hier kommen zwei Sachverhalte in Betracht: – So ist denkbar, dass die Klage erstinstanzlich ohne Berücksichtigung der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung abgewiesen, vom Rechtsmittelgericht dagegen erst nach materiell-rechtlicher Auseinandersetzung mit der Gegenforderung für begründet oder unbegründet erachtet wird. – Schließlich kommt in Betracht, dass in erster Instanz die Klage erst nach sachlicher Entscheidung der Gegenforderung abgewiesen oder zugesprochen wird, während das Rechtsmittelgericht bereits die Klageforderung für unschlüssig erachtet.

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Über die Wertfestsetzung besteht in beiden Fällen Uneinigkeit. Im erstgenannten Fall bestimmt sich der Streitwert nach den bereits dargestellten Regeln, d.h. für die 1. Instanz allein nach dem Wert der Klageforderung und für die 2. Instanz unter Berücksichtigung der Werterhöhung gem. § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.). Insbesondere scheidet nach ganz überwiegender Ansicht eine nachträgliche Erhöhung des erstinstanzlichen Streitwerts aufgrund der zweitinstanzlichen Entscheidung über die Gegenforderung aus.1 Vielmehr müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Wertvorschrift ausgehend vom „Grundsatz der nach Instanzen getrennten Wertfestsetzung“2 innerhalb der Instanz erfüllt werden.3

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In der zweiten Fallgestaltung, also bei einer zweitinstanzlich abändernden Entscheidung ohne sachliche Berücksichtigung der Gegenforderung, ist der Streitwert der Vorinstanz nach (der nicht näher begründeten) Auffassung des BGH4 nachträglich auf den Wert der Rechtsmittelinstanz herabzusetzen, wenn das Rechtsmittelgericht das zur Überprüfung stehende Urteil in der Weise (bestandskräftig) abgeändert hat, dass damit über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nicht mehr sachlich entschieden wird.5 Der Entscheidung, die im Widerspruch zu der vom BGH postulierten instanzbezoge-

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1 BGH, Beschl. v. 10.7.1986 – I ZR 102/84, JurBüro 1987, 853 = MDR 1987, 117; KG, Beschl. v. 6.4.1981 – 12 W 740/81, JurBüro 1981, 1232 mit zust. Anm. Mümmler; insoweit zutr. OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.1.1999 – 25 U 40/98, OLGR 1999, 121; OLG München, Beschl. v. 18.8.1989 – 25 U 5725/88, JurBüro 1990, 1337 = MDR 1990, 934; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rn. 11, Hartmann, § 45 Rn. 47 unter „Instanz“; Madert, FS für H. Schmidt, S. 78 f.; Meyer, § 45 Rn. 38; a.A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.7.1980 – 17 W 18/80, JurBüro 1981, 248 mit abl. Anm. Mümmler = AnwBl. 1980, 503. 2 BGH, Urt. v. 10.7.1986 – I ZR 102/84, JurBüro 1987, 853 = MDR 1987, 117. 3 OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001 – 5 U 667/00, MDR 2002, 480 = AGS 2002, 159; OLG Köln, Beschl. v. 22.8.1994 – 13 U 32/94, OLGR 1995, 176 = VersR 1996, 125 = JurBüro 1995, 485; OLG München, Beschl. v. 18.9.1990 – 25 U 5725/88, JurBüro 1990, 1337 = MDR 1990, 934. 4 BGH, Urt. v. 26.11.1984 – VIII ZR 217/83, MDR 1985, 487 = WM 1985, 264. 5 So schon OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.7.1980 – 17 W 18/80, JurBüro 1981, 248 mit abl. Anm. Mümmler = AnwBl. 1980, 503; ebenso Lappe, Anm. zu OLG Saarbrücken, KostRsp. GKG § 19 Nr. 31.

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Aufrechnung nen Wertfestsetzung steht,1 hat sich das OLG Düsseldorf2 unter Hinweis darauf angeschlossen, dass anderenfalls der Kläger mit den Kosten der Hilfsaufrechnung belastet werde, obwohl er nach der Rechtsmittelentscheidung insoweit nicht unterlegen sei. 1337

Dagegen vertritt der überwiegende Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung die Ansicht, dass eine zweitinstanzlich ausbleibende Entscheidung über die Gegenforderung auf die Wertberechnung der Vorinstanz ohne Auswirkungen bleibe.3 Dem ist zuzustimmen.

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Für die Streitentscheidung ist maßgeblich, dass die Wertberechnung gem. § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) nicht instanzübergreifend, sondern für jede Instanz selbständig zu erfolgen hat. Daher bleibt es auf den erstinstanzlichen Streitwert ohne Einfluss, dass es mit der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils durch das Rechtsmittelgericht an einer rechtskräftigen Entscheidung über die Gegenforderung (§ 322 Abs. 2 ZPO) fehlt. Der Streitwert der jeweiligen Instanz richtet sich danach, was in dieser Instanz geschehen ist, nicht danach, wie die vorausgegangene oder nachfolgende Instanz die streitentscheidenden Fragen beurteilt. Für die Werterhöhung bedarf es keiner rechtskräftigen, sondern nur einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung.4 Nur dies trägt dem Wortlaut als auch dem Sinn und Zweck des § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 1 GKG) Rechnung, die durch eine gerichtliche Entscheidung dokumentierte Tätigkeit zur Gegenforderung gebührenrechtlich zu erfassen und zu honorieren. Eine abändernde Entscheidung im Rechtsmittelzug kann nichts daran ändern, dass die Prozessbevollmächtigten in der der vorangegangenen Instanz streitig über die zur Hilfsaufrechnung gestellte Forderung verhandelt haben und das Gericht darüber entschieden hat. Schon aus diesem Grund trägt auch der Einwand von Lappe5 nicht, wonach es im Hinblick auf § 30 GKG (§ 57 GKG a.F.) nach Abänderung des erstinstanzlichen Urteils an einem Entscheidungsschuldner fehlen soll.6

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Zu gleich gelagerten Bewertungsproblemen kommt es, wenn die fehlende sachliche Bescheidung der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung nicht

1 BGH, Urt. v. 10.7.1986 – I ZR 102/84, JurBüro 1987, 853 = MDR 1987, 117 = Rpfleger 1987, 37. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.9.2000 – 9 W 69/00, OLGR 2000, 477 = MDR 2000, 1457. 3 KG, Beschl. v. 23.11.2009 – 8 U 49/09, JurBüro 2010, 85; OLG Celle, Beschl. v. 9.2.1987 – 9 U 154/84, KostRsp. GKG § 19 Nr. 124 mit Anm. Schneider = JurBüro 1987, 1053 mit Anm. Mümmler; OLG Düsseldorf, MDR 1969, 936 = NJW 1970, 57 = JurBüro 1969, 1066 = JVBl. 1969, 276 = Rpfleger 1970, 140; OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.4.2001 – 23 W 50/00, JurBüro 2001, 417 = MDR 2001, 776; OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001 – 5 U 667/00, MDR 2002, 480; OLG Köln, MDR 1971, 311 = JurBüro 1971, 165; OLG Rostock, Urt. v. 28.1.2010 – 3 U 113/09, juris; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.12.1979 – 4 W 16/79, JurBüro 1980, 897 = MDR 1980, 411 = AnwBl. 1980, 155; OLG Schleswig, Urt. v. 12.2.1986 – 9 U 74/85, JurBüro 1986, 1064; ebenso Mümmler, JurBüro 1978, 6; Madert, FS für H. Schmidt, S. 73 ff.; Meyer, § 45 Rn. 38; Schumann, NJW 1982, 1261. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.9.1996 – 16 U 181/93, OLGR 1996, 236; OLG Köln, Beschl. v. 8.8.1994 – 18 U 243/93, MDR 1994, 1152 = JurBüro 1995, 144. 5 Lappe, Rpfleger 1995, 401. 6 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.12.1979 – 4 W 16/79, JurBüro 1980, 897 = MDR 1980, 411; Hartmann, § 30 GKG Rn. 1.

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Aufrechnung auf einer abweichenden rechtlichen Bewertung der Klageforderung, sondern auf einer Rücknahme des Rechtsmittels oder vergleichsweisen Regelung des Rechtsstreits beruht (s. hierzu unten Rn. 1362 ff. und 1371).

VI. Besondere Verfahren 1. Negative Feststellungsklage Stützt der Kläger seine negative Feststellungsklage neben anspruchsleugnenden Einwendungen hilfsweise auch darauf, dass die vom Beklagten behauptete Forderung durch Aufrechnung getilgt sei (§ 389 BGB), sind die Werte von Feststellungsklage und Gegenforderung, Letztere begrenzt auf den Wert des Klagewertes, zu addieren.1

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2. Klagenhäufung Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner in Anspruch genommen und verteidigen sie sich mit einer streitigen Hilfsaufrechnung, kommt eine Erhöhung des Streitwerts nur für diejenigen Streitgegnossen in Betracht, bei denen das Gericht eine Haftung für die Klageforderung bejaht und die Inhaber der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung sind.2 Verteidigt sich dagegen nur einer der gesamtschuldnerisch in Anspruch genommenen Streitgenossen mit einer streitigen Hilfsaufrechnung, soll die Streitwerterhöhung gem. § 45 Abs. 3 GKG nach Ansicht des KG auch im Verhältnis zwischen dem Kläger und nicht aufrechnenden Beklagten gelten.3 Hierfür spreche, dass § 45 Abs. 3 GKG nur allgemein von einer Erhöhung des Streitwertes spreche und der nicht aufrechnende Beklagte gem. § 422 BGB von der Hilfsaufrechnung im Falle ihres Erfolges profitiere.

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3. Klage und Widerklage Der Rechtskraft fähig und damit werterhöhend zu berücksichtigen ist ferner die Entscheidung über die Aufrechnung des Klägers gegen eine vom Beklagten erhobene Widerklage. Es ist dann ein Gesamtstreitwert zu bilden aus der Summe der Werte von Klage, Widerklage und Aufrechnungsforderung (bis zur Höhe der Widerklage), wenn die Aufrechnung hilfsweise erfolgt. Der Wert einer außerdem noch erhobenen Feststellungswiderklage ist dem Streitwert hinzuzurechnen, soweit er durch die Wertsumme der Forderungen noch nicht erfasst ist. Er ist nach § 3 ZPO zu schätzen und richtet sich nach dem Interesse des Widerklägers.4

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Erhebt der Beklagte, der sich gegenüber der unstreitigen Klageforderung mit einer Aufrechnung verteidigt, zugleich Hilfswiderklage für den Fall, dass das Gericht die Aufrechnung für unzulässig halten sollte, ist zu differenzieren.

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1 BGH, Urt. v. 4.12.1991 – VIII ZR 32/91, MDR 1992, 611 = NJW 1992, 982. 2 AG Düsseldorf, Beschl. v. 3.1.2008 – 20 C 180062/06, AGS 2008, 137 mit zust. Anmerkung N. Schneider. 3 KG, Beschl. v. 3.3.2009 – 2 U 258/02, MDR 2009, 586 = JurBüro 2009, 314 = AGS 2009, 400; vgl. aber auch BGH, Urt. v. 1.6.1967 – II ZR 130/65, MDR 1967, 821 = NJW 1967, 2162. 4 OLG Düsseldorf, AnwBl. 1969, 403.

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Aufrechnung Eine Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung rechtfertigt keine Werterhöhung nach § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Ab. 3 GKG a.F.), da diese primär geltend gemacht wird, woran sich durch die Hilfswiderklage nichts ändert. Auch die Beschwer errechnet sich allein nach dem Wert der Klageforderung.1 Der Wert der Hilfswiderklage bleibt, da über sie nicht entschieden worden ist, nach zutreffender Ansicht unberücksichtigt.2 S. hierzu auch unter dem Stichwort „Hilfswiderklage“. 1344

Erachtet das Gericht die Primäraufrechnung demgegenüber für unzulässig und entscheidet über die Hilfswiderklage, sind die Werte von Klage und Widerklage – nunmehr jedoch nach § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.) – zusammenzurechnen, es sei denn, sie betreffen denselben Gegenstand (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG entspricht § 19 Abs. 3 Satz 3 GKG a.F.). Danach scheidet eine Wertaddition dort aus, wo sich das beiderseitige Interesse – wirtschaftlich betrachtet – auf denselben Gegenstand richtet, während eine Zusammenrechnung geboten ist, wo „durch das Nebeneinander von Klage und Widerklage eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht“.3 S. ausführlich unter dem Stichwort „Klage und Widerklage“. Von einer Identität der Gegenstände ist bei gewährleistungsrechtlichen Streitigkeiten immer dann auszugehen, wenn die mit der Hilfswiderklage geltend gemachte Forderung nicht der Aufrechnung, sondern der Anrechnung unterliegen würde, beispielsweise wenn die Klage auf Zahlung von Werklohnzahlung und die Widerklage auf Zahlung von Schadensersatz wegen Mängeln der Werkleistung (§ 634 Nr. 4 BGB) gerichtet ist. Insoweit macht es keinen Unterschied, ob die Gegenforderung einredeweise oder im Wege der Widerklage erhoben wird. In beiden Fällen ist sie nach der Differenztheorie materiellrechtlich nur ein Rechnungsposten desselben Anspruchs.4 S. hierzu auch oben Rn. 1268 ff. und unter dem Stichwort „Klage und Widerklage“. 4. Insolvenzverfahren

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Verteidigt sich der Beklagte mit einer Hilfsaufrechnung, nachdem der Kläger wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten gem. § 179 InsO (§ 146 KO) vom Leistungsantrag zum Feststellungsantrag übergegangen ist, dann ist für die Additionsgrenze des § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) der Wert des Leistungsantrages, nicht derjenige des Feststellungsantrages maßgebend, weil der Wert nach § 182 InsO (§ 148 KO) als reiner Gebührenstreitwert nicht die Rechtskraftgrenze des § 322 Abs. 2 ZPO bei Aberkennung der Gegenforderung bestimmt.5

1 BGH, Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 70/99, NJW-RR 1999, 1736. 2 BGH, Rpfleger 1973, 432; 1972, 363 = MDR 1972, 357; E. Schneider, Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.9.1986 – 23 W 32/86. 3 BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 297/03, NJW-RR 2005, 506; Urt. v. 28.9.2004 – XII ZR 50/94, MDR 1995, 198 = ZMR 1995, 17. 4 OLG Hamm, Beschl. 7.6.2005 – 19 U 100/04, JurBüro 2005, 541; a.A. OLG Schleswig, Beschl. v. 17.3.1986 – 14 W 9/86, JurBüro 1987, 255 mit Anm. E. Schneider, das jedoch die Identitätsformel des RG fehlerhaft anwendet. 5 OLG Schleswig, Beschl. v. 28.3.1979 – 7 W 41/78, SchlHA 1981, 189.

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Aufrechnung 5. Vollstreckungsabwehrklage Der Primäraufrechnung gleich steht die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO), die der Kläger allein auf eine zwischenzeitlich von ihm erklärte Aufrechnung gegenüber der titulierten Forderung des Beklagten (Vollstreckungsgläubigers) stützt. Zwar erfasst die Rechtskraft gem. § 322 Abs. 2 ZPO auch die Entscheidung über die Gegenforderung, soweit über sie entschieden worden ist.1 Für die Geltendmachung der Aufrechnung ist nämlich – bezogen auf die Beteiligten des Rechtsstreits – nur Voraussetzung, dass die Aufrechnung vom Schuldner derjenigen Forderung erklärt wird, die den Gegenstand des Rechtsstreits bildet. Dies ist bei der Vollstreckungsabwehrklage aufgrund der „vertauschten Parteirollen“ der Kläger.2 Für eine Werterhöhung fehlt es jedoch an einem – neben dem Aufrechnungseinwand bestehenden – Streit auch über die titulierte Hauptforderung.3

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Anders verhält es sich folgerichtig, wenn der Kläger bei der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) neben weiteren Einwendungen geltend macht, dass die titulierte Forderung zumindest aufgrund einer von ihm hilfsweise erklärten Aufrechnung erloschen sei. Hier erfasst die Rechtskraft gem. § 322 Abs. 2 ZPO analog auch die Entscheidung über die Gegenforderung und führt zu einer Werterhöhung (auch der Beschwer), soweit über sie entschieden wird.4

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6. Wiederaufnahmeklage Hat im Verfahren über die Zulässigkeit einer Wiederaufnahmeklage der Gegner hilfsweise mit einer Gegenforderung aufgerechnet, so sind nach BGH5 die Werte nicht zusammenzurechnen. Das Urteil nach § 589 ZPO entscheidet nur über die Zulässigkeit der Wiederaufnahmeklage. In diesem Verfahrensabschnitt und im „aufhebenden Verfahren“ ist weder für eine Hilfsaufrechnung noch für eine Hilfswiderklage Raum. Darüber wird daher auch nicht entschieden.

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D. Rechtsmittel und Beschwer Die Rechtsmittelbeschwer bei der Eventualaufrechnung bestimmt sich maßgeblich danach, welche Partei das Rechtsmittel einlegt. Bei der Ermittlung der Beschwer einer für den (aufrechnenden) Beklagten nachteiligen Entscheidung 1 Zöller/Vollkommer, § 322 ZPO Rn. 24. 2 BGH, Urt. v. 4.12.1991 – VIII ZR 32/91, MDR 1992, 611 = NJW 1992, 982; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.4.1999 – 9 W 27/99, MDR 1999, 1092 = JurBüro 1999, 496; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.11.1994 – 4 U 85/94, MDR 1995, 643. 3 OLG Köln, Beschl. v. 12.6.1992 – 13 W 32/92, FamRZ 1992, 1461; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rn. 4. 4 BGH, Beschl. v. 1.2.1995 – XII ZR 218/94, MDR 1995, 407 = ZMR 1995, 199; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.4.1999 – 9 W 27/99, MDR 1999, 1092 = NJW-RR 2000, 368; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.11.1994 – 4 U 85/94, MDR 1995, 643; OLG Köln, Beschl. v. 17.10.2003 – 13 W 54/03, OLGR Köln 2004, 14; Beschl. v. 12.6.1992 – 13 W 32/92, FamRZ 1992, 1461; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rn. 5; Meyer, § 45 Rn. 27. 5 BGH, Warneyer 1970 Nr. 24.

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Aufrechnung ist wiederum eine zwischen Haupt- und Hilfsaufrechnung differenzierende Betrachtung geboten. 1350

Der Gebührenstreitwert des Rechtsmittelverfahrens bestimmt sich richtigerweise zunächst nach der formellen Beschwer des Rechtsmittelführers und erst im Falle einer sachlichen Bescheidung der (hilfsweise) zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung auch unter Berücksichtigung von deren Wert, soweit in einer der Rechtskraft fähigen Weise (§ 322 Abs. ZPO) entschieden worden ist.

I. Unterliegen des Klägers 1351

Für den Kläger ist dessen sog. formelle Beschwer maßgebend. Wertbestimmend ist folglich die Differenz zwischen dem Klageantrag und der Urteilssumme. Ob die Klageabweisung auf fehlender Schlüssigkeit, dem Erfolg einer Hauptaufrechnung oder erst durch eine hilfsweise erklärte Aufrechnung zurückgeht, ist ohne Bedeutung. Er ist in allen Fällen nur in Höhe der Klageforderung beschwert, weil sein Klagebegehren als solches verneint worden ist; es findet deshalb keine Addition statt.1

1352

Eine weiter gehende Beschwer kann sich jedoch ergeben, wenn das Berufungsgericht einer auf Teilzahlung eines Abrechnungssaldos gerichteten Klage in vollem Umfang stattgibt, die Klage aber unter Verkennung des Streitgegenstandes teilweise abweist und damit den Anschein erweckt, unter Missachtung von § 322 Abs. 2 BGB rechtskräftig über eine nur als unselbständigen Berechnungsposten eingestellte Gegenforderung des Beklagten (zum Nachteil des Klägers) entschieden zu haben.2

II. Unterliegen des (aufrechnenden) Beklagten 1353

Für die aufrechnende Partei ist auf deren materielle Beschwer abzustellen, sodass für deren Berechnung im Ergebnis § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) zur Anwendung gelangt.3 Da der Beklagte wegen § 322 Abs. 1 ZPO zur Hilfsaufrechnung keinen Sachantrag stellen muss, fehlt für ihn als Rechtsmittelführer zwangsläufig ein Klageantrag als Bewertungsobjekt. Es kann folglich nur darauf abgestellt werden, welchen nachteiligen rechtskräftigen Inhalt die angefochtene Entscheidung für den Beklagten hat.

1354

Hat der Beklagte sich allein mit einer Hauptaufrechnung verteidigt, entspricht seine Beschwer bei einer der Klage stattgebenden Entscheidung dem Verurteilungsbetrag. Dass im Urteil mit Klage- und Gegenforderung über zwei Forderungen entschieden worden ist, ändert nichts an der materiellen Belastung des Beklagten, der das Entstehen der Klageforderung nicht in Abrede stellt.4

1 2 3 4

BGH, Beschl. v. 7.2.1980 – III ZR 172/79. BGH, Urt. v. 20.1.2004 – XI ZR 69/02, MDR 2004, 702. Zöller/Heßler, § 511 Rn. 23. BGH, Beschl. v. 30.6.2004 – XII ZB 21/03, WuM 2004, 492 = FamRZ 2004, 1714; Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 70/99, NJW-RR 1999, 173; Beschl. v. 24.11.1971 – VIII ZR 80/71, BGHZ 57, 301 = NJW 1972, 257; Zöller/Herget, ZPO, unklar Anders/ Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rn. 3.

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Aufrechnung Dringt der Beklagte mit der Hauptaufrechnung durch, ist allein der Kläger durch die klageabweisende Entscheidung beschwert. Demgegenüber erhöht sich die Beschwer des Beklagten, wenn das Gericht der Klage trotz einer hilfsweise erklärten Aufrechnung stattgibt oder die Klage nur aufgrund der Hilfsaufrechnung abweist. Hier ist der Beklagte, der den Bestand der Klageforderung bestritten hat, einmal um den Wert der Klageforderung und um den Verlust seiner Gegenforderung beschwert. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob der Verlust der (bestrittenen) Gegenforderung auf die mit der Aufrechnung verbundene Tilgungswirkung (§ 389 BGB) zurückgeht oder darauf beruht, dass im Urteil eine Gegenforderung verneint wird.1

1355

Soweit das Rechtsmittel des Beklagten sich allein dagegen richtet, dass ihm seine Aufrechnungsforderung aberkannt worden ist, bestimmt sich der Beschwerdegegenstand2 nur nach der Gegenforderung. Dementsprechend ist auch der Gebührenwert danach zu bemessen.3

1356

* Æ Beispiel: K klagt gegen B auf Kaufpreiszahlung von 10.000 Euro, dieser bestreitet den Abschluss eines Kaufvertrages und erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit einer Gegenforderung i.H.v. 10.000 Euro. B wird zur Kaufpreiszahlung verurteilt, wobei das Gericht den Bestand einer Gegenforderung verneint. B legt Berufung ein und bgründet diese allein damit, dass seine Gegenforderung erstinstanzlich zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sei. Hier stellt B die erstinstanzliche Entscheidung, die für ihn mit einer materiellen Beschwer von 20.000 Euro verbunden ist, nur hinsichtlich der Aberkennung der Gegenforderung zur Überprüfung. Beschwerdegegenstand und Gebührenstreitwert des Rechtsmittelverfahrens belaufen sich daher (nur) auf 10.000 Euro.

In gleicher Weise ist zu bewerten, wenn der Beklagte in der Rechtsmittelinstanz erklärt, an seiner erstinstanzlich erklärten Hilfsaufrechnung nicht mehr festhalten und das Urteil diesbezüglich nicht zur Überprüfung stellen zu wollen.4 Verteidigt sich der Beklagte primär durch Aufrechnung mit mehreren, die Klageforderung jedoch im Wert jeweils übersteigenden Gegenforderungen, sind die der ersten nachfolgenden Gegenforderungen werterhöhend in Ansatz zu bringen, wenn über diese der Rechtskraft fähig entschieden wird. Denn soweit der Beklagte, der mit der ersten, primär zur Aufrechnung gestellten Forderung nicht durchdringt, verteidigt er sich mit den weiteren Forderungen – wie bereits dargestellt (s. oben Rn. 1326) – nur hilfsweise und damit werterhöhend.5

1357

Zuweilen wird vom Ausgangsgericht nicht beachtet, dass die von dem Beklagten (hilfsweise) zur „Aufrechnung“ gestellte Gegenforderung, beispielsweise bei gewährleistungsrechtlichen Einwendungen (s. oben Rn. 1268 ff.), nur einen unselbständigen Rechnungsposten einer materiell-rechtlich gebotenen An-

1358

1 BGH, Beschl. v. 25.9.1996 – VI ZR 102/96, BGHR ZPO § 546 Abs. 2 Beschwer 15: zusätzlich zur Klageforderung jeweils in gleicher Höhe beschwert; BGHZ 48, 212 = NJW 1967, 2162; Beschl. v. 29.11.1972 – VIII ZR 202/71, BGHZ 59, 17 = NJW 1973, 148. 2 Vgl. zum Verhältnis von Beschwer und Beschwerdegegenstand Zöller/Heßler, § 511 Rn. 13. 3 BGH, Beschl. v. 7.2.1980 – III ZR 172/79; Meyer, § 45 Rn. 38. 4 KG, Beschl. v. 23.11.2009 – 8 U 49/09, JurBüro 2010, 85. 5 BGH, Beschl. v. 12.7.2000 – VIII ZR 2/99, EWiR 2000, 1043; Beschl. v. 16.4.1996 – XI ZR 302/95, MDR 1996, 960 = NJW-RR 1996, 828.

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Aufrechnung rechnung darstellt. Bei zutreffender Sachbehandlung bliebe die bloße Verrechnung etwaiger Gegenansprüche für die Beschwer ohne Auswirkungen, da die Entscheidung insoweit nicht gem. § 322 Abs. 2 ZPO in Rechtskraft erwächst. Werden etwaige Gegenansprüche vom Gericht dennoch unter dem Gesichtspunkt der Aufrechnung gewürdigt und umfassend beschieden, nimmt diese Entscheidung gem. § 322 Abs. 2 ZPO an der Rechtskraft des Urteils teil. Ebenso liegt es, wenn den Entscheidungsgründen nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, dass aus materiell-rechtlichen Gründen nur eine Verrechnung gewollt ist. In beiden Fällen ist daher (unter Beachtung der weiteren Voraussetzungen) eine Erhöhung der Beschwer des Beklagten aufgrund des rechtskräftigen Verbrauchs der Gegenansprüche möglich.1 1359

Wird eine Vollstreckungsabwehrklage neben anderen Einwendungen gegen den titulierten Anspruch vorsorglich auch mit einer Aufrechnung begründet, so ist der Kläger im Fall der Klageabweisung in Höhe sowohl der titulierten Forderung als auch der aberkannten Aufrechnungsforderung beschwert.2 Dringt der Vollstreckungskläger mit dem hilfsweise erhobenen Aufrechnungseinwand durch, ist er einfach beschwert. Es ist das Spiegelbild zur Klageabweisung aufgrund erfolgreicher Hilfsaufrechnung des Beklagten.

III. Verwerfung des Rechtsmittels 1360

Nach vorstehender Maßgabe scheidet eine Erhöhung des zweitinstanzlichen Gebührenstreitwerts nach § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) ferner aus, wenn das Rechtsmittel gem. §§ 522 Abs. 1, 552 Abs. 1 ZPO verworfen wird.3 Hier wird nur über die Zulässigkeit des Rechtsmittels, nicht über den Bestand der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung („sie“) entschieden. Es geht allein darum, ob die Rechtsmitteleinlegung Anlass zu einer erneuten Sachprüfung gibt.

1361

Die mit der hilfsweisen Geltendmachung von Ansprüchen nach § 45 Abs. 1 u. 3 GKG (§ 19 Abs. 1 u. 3 GKG a.F.) verbundene Werterhöhung setzt jedoch eine materiell-rechtliche und damit der Rechtskraft zugängliche Entscheidung des Rechtsmittelgerichts über Hilfsanspruch und Gegenforderung voraus.4 Demgegenüber erfasst die aus der Verwerfung resultierende Rechtskraft nur die – erstinstanzliche – Entscheidung über die Gegenforderung.5 Bei abweichender Betrachtung müsste eine Werterhöhung selbst dann bejaht werden, wenn die Möglichkeit eines Rechtsmittels unzweifelhaft nicht eröffnet ist. Ebenso rechtfertigt der Umstand keine Addition, dass der Berufungsanwalt sich in der Berufungsbegründung mit der aberkannten Gegenforderung befasst hat und 1 BGH, Urt. v. 13.12.2001 – VII ZR 148/01, MDR 2002, 601; Beschl. v. 30.9.1999 – VII ZR 457/98, NJW-RR 2000, 285 = NZBau 2000, 26. 2 BGH, Beschl. v. 1.2.1995 – XII ZR 218/94, MDR 1995, 407 = ZMR 1995, 199. 3 KG, Beschl. v. 31.10.1989 – 1 W 3230/89, JurBüro 1990, 387 = MDR 1990, 259; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.9.1996 – 16 U 181/93, OLGR 1996, 236; Hartmann, § 45 Rn. 49; Lappe, Komm. zum GKG, § 19 Anm. 13; Madert, FS für H. Schmidt, S. 77; a.A. Vorauflage; Schneider Anm. zu KostRsp. GKG § 19 Nr. 16; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16, Stichwort „Aufrechnung“. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.9.1996 – 16 U 181/93, OLGR 1996, 236. 5 KG, Beschl. v. 23.11.2009 – 8 U 49/09, JurBüro 2010, 85; Beschl. v. 31.10.1989 – 1 W 3230/89, JurBüro 1990, 387 = MDR 1990, 259; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.9.1996 – 16 U 181/93, OLGR 1996, 236; Meyer, § 45 Rn. 38.

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Aufrechnung hat befassen müssen, um dem gesetzlichen Begründungszwang des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO zu genügen. Konstruktiv entspricht die Rechtsmittelverwerfung der vom Gericht erkannten Unzulässigkeit einer Klageänderung, mit welcher der Kläger einen Hilfsantrag in den Prozess einführen will. Auch hier wird nicht im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.) über die Forderung, genauer den Hilfsanspruch („ihn“), entschieden. Eine Werterhöhung scheidet aus.

IV. Rücknahme des Rechtsmittels Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Findet das Verfahren vor (fristgerechter) Einreichung solcher Anträge sein Ende, ist die Beschwer des Rechtsmittelführers maßgebend, § 47 Abs. 1 GKG (§ 14 Abs. 1 GKG a.F.). Ist der Beklagte erstinstanzlich mit der von ihm hilfsweise erklärten Aufrechnung nicht durchgedrungen, weil das Gericht eine Aufrechnungslage verneint hat, bestimmt sich seine Beschwer nach dem Wert von Klageforderung und Gegenforderung, soweit über Letztere gem. § 322 Abs. 2 ZPO entschieden worden ist (s. oben Rn. 1355). Fraglich ist, ob dies auch gilt, wenn der Beklagte sein Rechtsmittel gegen die Entscheidung zurücknimmt.

1362

Nach Ansicht des BGH1 und – in neuerer Zeit ihm folgend – des OLG Frankfurt2 bestimmt sich der Gebührenstreitwert auf das Rechtsmittel des Beklagten, der die Klage erneut mit der Hilfsaufrechnung angreift, von Beginn an nach der Addition von Klage- und Gegenforderung, ohne dass es hierfür einer zweitinstanzlichen Entscheidung über die Gegenforderung bedürfe, also auch bei einer Rücknahme der Berufung oder Revision noch vor Antragstellung. § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) sei „im Lichte“ von § 47 GKG (§ 14 GKG a.F.) zu „interpretieren“,3 da dem Beklagten abweichend zur ersten Instanz von Beginn an nicht nur an einem Erfolg seiner primären Einwendungen, sondern auch an der Wiederherstellung seiner erstinstanzlich aberkannten Hilfsaufrechnungsforderung gelegen sei. Darüber hinaus könne § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) nicht entnommen werden, dass die danach notwendige Entscheidung über die Gegenforderung in der Rechtsmittelinstanz ergangen sein müsse, um eine Werterhöhung zu rechtfertigen. Hierfür sei vielmehr ausreichend, dass bereits erstinstanzlich eine Entscheidung ergangen sei.

1363

Der Ansatz ist nicht überzeugend. Mit der in der obergerichtlichen Rechtsprechung nahezu einhellig vertretenen Auffassung bleibt der Wert der erstinstanzlich beschiedenen Gegenforderung bei der Rechtsmittelrücknahme unberücksichtigt. Für eine Werterhöhung gem. § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) fehlt es an einer Bescheidung der Gegenforderung durch das Rechtsmittelgericht.4 Unzutreffend ist auch die Annahme, dem Rechtsmittel des Be-

1364

1 Beschl. v. 28.9.1978 – VII ZR 52/78, MDR 1979, 133 = NJW 1979, 388; Beschl. v. 30.6.1978 – I ZR 72/77, JurBüro 1979, 358. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.1.1999 – 25 U 40/98, OLGR 1999, 121. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.1.1999 – 25 U 40/98, OLGR 1999, 121. 4 KG, Beschl. v. 23.11.2009 – 8 U 49/09, JurBüro 2010, 85; JurBüro 1985, 913 mit zust. Anm. Mümmler; OLG Brandenburg, Beschl. v. 7.2.2006 – 13 U 135/05, juris; OLG Celle, Beschl. v. 9.2.1987 – 9 U 154/84, JurBüro 1987, 1053 mit Anm. Mümmler;

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Aufrechnung klagten liege ein – über das erstinstanzlich auf Klageabweisung gerichtetes – hinausgehendes Interesse zugrunde. Hierbei wird verkannt, dass der Beklagte bereits mit einem Erfolg seiner primären Einwendungen eine „Wiederherstellung“ seiner Gegenforderung erreicht, da es ohne Hauptforderung an einer Aufrechnungslage und der damit verbundenen Tilgungswirkung (§ 389 BGB) fehlt. Einer Entscheidung über die Gegenforderung bedarf es für diese Feststellung gerade nicht. Die fehlende zweitinstanzliche Entscheidung kann auch nicht durch einen Rückgriff auf die Entscheidung des Ausgangsgerichts ersetzt werden. Wegen des „Grundsatzes der nach Instanzen getrennten Wertfestsetzung“1 müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Wertvorschrift innerhalb der Instanz erfüllt werden.2 Anderenfalls wären unvermeidbare Wertungswidersprüche die Folge, da eine Werterhöhung auch dann bejaht werden müsste, wenn das Rechtsmittelgericht zwar in der Sache entscheidet, aber hierbei auf die Gegenforderung nicht eingeht.3 1365

§ 47 Abs. 1 Satz 2 GKG (§ 14 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.) rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Dieser bezweckt allein, die Ungewissheit über die Reichweite des vom Rechtsmittelführer beabsichtigten Angriffs zu beheben, indem bei ausbleibender Antragstellung unterstellt wird, dass sich der Beklagte in vollem Umfang gegen die ihn beschwerende Entscheidung gewandt hätte. Dem liegt die – (nur) für den Regelfall zutreffende – Annahme zugrunde, dass Beschwer und unbeschränkter Rechtsmittelantrag wertmäßig einander entsprechen. Eine Werterhöhung im Umfang der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung folgt daraus gerade nicht. Denn gem. § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG (§ 14 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F.) wird der Streitwert – unabhängig vom Umfang der materiellen Beschwer – durch den Wert des Streitgegenstands der ersten Instanz, also „durch das Interesse des Klägers an der Durchsetzung des geltend gemachten Anspruch“ begrenzt.4 Dem widerspricht auch nicht der Vorbehalt des § 47 Abs. 2 Satz 2 GKG (§ 14 Abs. 2 Satz 2 GKG), wonach die Wertbegrenzung auf die formelle Beschwer nicht gilt, wenn der Streitgegenstand erweitert wird. Denn zum Streitgegenstand wird die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung erst mit der (wider)klageweisen Geltendmachung.5 Es kann daher dahinstehen, ob § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) dem

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3 4 5

Beschl. v. 29.11.1984 – 9 U 127/84, JurBüro 1985, 911; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.9.2000 – 9 W 69/00, MDR 2000, 1457; OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001 – 5 U 667/00, MDR 2002, 480 = AGS 2002, 159; OLG Köln, Beschl. v. 22.8.1994 – 13 U 32/94, JurBüro 1995, 485 = VersR 1996, 125; Beschl. v. 8.8.1994 – 18 U 234/93, MDR 1994, 1152 = NJW-RR 1995, 827; OLG München, Beschl. v. 18.9.1989 – 25 U 5725/88, MDR 1990, 934 = JurBüro 1990, 1337; OLG Schleswig, Beschl. v. 10.8.1982 – 9 U 21/82, JurBüro 1982, 1863 mit Anm. Mümmler; OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.11.2004 – 13 U 93/04, NJW-RR 2005, 507; Meyer, § 45 Rn. 38; Mümmler, JurBüro 1979, 843; a.A. Diehl, NJW 1970, 1092. BGH, Urt. v. 10.7.1986 – I ZR 102/84, JurBüro 1987, 853 = MDR 1987, 117. OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001 – 5 U 667/00, MDR 2002, 480 = AGS 2002, 159; OLG Köln, Beschl. v. 22.8.1994 – 13 U 32/94, OLGR 1995, 176 = JurBüro 1995, 485; OLG München, Beschl. v. 18.9.1990 – 25 U 5725/88, JurBüro 1990, 1337 = MDR 1990, 934. OLG München, Beschl. v. 18.9.1990 – 25 U 5725/88, JurBüro 1990, 1337 = MDR 1990, 934; OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001 – 5 U 667/00, MDR 2002, 480 = AGS 2002, 159. BGH, Urt. v. 10.12.1993 – V ZR 168/92, MDR 1994, 840; BGHZ 59, 17 = MDR 1972, 678; OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001 – 5 U 667/00, MDR 2002, 480 = AGS 2002, 159. OLG Rostock, Beschl. v. 3.3.2004 – 3 U 267/03, OLGR 2004, 262.

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Aufrechnung § 47 Abs. 1 GKG (§ 14 Abs. 1 GKG a.F.) als lex speciales vorgeht1 oder einen davon grundverschiedenen Sachverhalt betrifft.2

E. Vergleich Während der Prozessvergleich im Fall der Identität von Vergleichs- und Streitgegenstand streitwertrechtlich keine Besonderheiten aufweist, bedarf der Wert des Vergleichsgegenstandes einer gesonderten Prüfung, wenn mit dem Vergleich auch eine Regelung nicht anhängiger Ansprüche erfolgt.3 Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Beklagte sich vor der vergleichsweisen Erledigung gegenüber der Klageforderung primär oder hilfsweise mit einer Aufrechnung verteidigt hat. Hier ist häufig eine für die Gerichtsgebühren und die anwaltlichen Gebühren gesonderte Wertfestsetzung notwendig.

1366

Unerheblich ist, in welchem Rechtsstreit der Vergleichsabschluss erfolgt. Es genügt die Erledigung der Eventualforderung in einem anderen Rechtsstreit.4 Das gilt auch dann, wenn für die Prüfung der Gegenforderung ein anderes Gericht ausschließlich zuständig wäre.5

1367

I. Gerichtsgebühren Während bis zum KostRÄndG 1994 die vergleichsweise Beendigung auf den Verfahrenswert ohne Einfluss blieb, d.h. dieser sich mangels Entscheidung über die Gegenforderung gem. § 12 Abs. 1 GKG a.F. (§ 48 Abs. 1 GKG) weiterhin nach dem Wert der Klageforderung richtete, wurde mit der Änderung des GKG die vergleichsweise Beendigung der streitigen Entscheidung (weitgehend) gleichgestellt. Diese Regelung wurde vom KostRMoG 2004 in § 45 Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 4 GKG a.F.) übernommen, wonach § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) bei einer vergleichsweisen Erledigung des Rechtsstreits entsprechend anzuwenden ist. Eine Erhöhung des Verfahrenswerts kommt also nur in Betracht, wenn und soweit eine hilfsweise zur Aufrechnung gestellte und bestrittene Gegenforderung durch den Prozessvergleich endgültig erledigt wird, d.h. über ihr Bestehen oder Nichtbestehen zwischen den Parteien eine abschließende Einigung getroffenen worden ist.6

1368

Hierbei ist die Werterhöhung (für den Verfahrenswert) bei vergleichsweiser Regelung einer die Klageforderung übersteigenden, hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung – wie im Falle der streitigen Entscheidung – auf den Umfang der Klageforderung beschränkt. Die Sperrgrenze des § 322

1369

1 So OLG Celle, Beschl. v. 29.11.1984 – 9 U 127/84, JurBüro 1985, 911; KG, Beschl. v. 23.11.2009 – 8 U 49/09, juris; OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001 – 5 U 667/00, MDR 2002, 480 = AGS 2002, 159. 2 So E. Schneider, Anm. zu OLG München, Beschl. v. 18.9.1989 – 25 U 5725/88, KostRsp. GKG § 19 Nr. 160. 3 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.1.1984 – 6 WF 12/84, JurBüro 1984, 736 mit Anm. Mümmler. 4 Insoweit zutr. OLG Hamm, Beschl. v. 29.7.1983 – 26 W 10/83, JurBüro 1983, 1680 = 1984, 256 = Rpfleger 1983, 504. 5 KG, Beschl. v. 8.8.1983 – 12 W 3119/83, Rpfleger 1983, 505 = VersR 1983, 1163. 6 LG Bayreuth, JurBüro 1980, 1219; Madert, FS für H. Schmidt, S. 79.

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Aufrechnung Abs. 2 ZPO gilt gem. § 45 Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 4 GKG a.F.) entsprechend, sodass für den Verfahrenswert (und die anwaltliche Verfahrensgebühr) die Werte der Gegenforderungen jeweils nur bis zur Höhe des Werts der Klageforderung addiert werden dürfen. Denn die Bezugnahme auf § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) setzt den Abschluss eines Vergleichs voraus und stellt die Wertbegrenzung damit gerade nicht (mehr) unter den Vorbehalt einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung. Anderenfalls bliebe auch unverständlich, warum die mit dem Verfahren anfallenden Gebühren sich wegen eines Forderungsteils erhöhen sollen, der selbst bei streitiger Erledigung niemals Verfahrensgegenstand wäre. Verfahrenswert und Vergleichswert müssen daher gesondert berechnet werden.1 1370

Die vom OLG München2 und neuerdings auch vom OLG Saarbrücken3 vertretene Ansicht, wonach sich bei Abschluss eines Vergleichs auch der Verfahrensstreitwert ohne die Begrenzung des § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) erhöhe, vermag nicht zu überzeugen. Der ohne Auseinandersetzung mit der herrschenden Meinung vertretene Ansatz übersieht, dass § 45 Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 4 GKG a.F.) eine Ausnahmevorschrift gegenüber § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) darstellt, bedingt dadurch, dass bei Prozessvergleichen keine Rechtskraftbeschränkung gem. § 322 Abs. 2 ZPO eintreten kann. Mit der gesetzgeberischen Vorgabe, die § 45 Abs. 1 bis 3 GKG (§ 19 Abs. 1 bis 3 GKG a.F.) „entsprechend“ anzuwenden, wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es bei einer vergleichsweisen Regelung an dem nach § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) notwendigen Bedingungseintritt, d.h. einer positiven Entscheidung des Gerichts über die Klageforderung, fehlt.

1371

Wird der Vergleich nach einer abschlägigen Bescheidung der Hilfsaufrechnung erst im Rechtsmittelverfahren geschlossen, so bemisst sich dessen Gebührenstreitwert mangels zweitinstanzlicher Entscheidung über die Gegenforderung allein nach dem Wert der Klageforderung.4 Für die erste Instanz verbleibt es – ausgehend vom Grundsatz der instanzbezogenen Wertfestsetzung – bei der Werterhöhung gem. § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.). Dass die erstinstanzliche Entscheidung nicht rechtskräftig wird, ist unerheblich, da es

1 OLG Bamberg, Beschl. v. 10.8.1982 – 3 W 90/82, JurBüro 1983, 105 mit zust. Anm. Mümmler; OLG Celle, Beschl. v. 20.12.2007 – 2 W 510/06, OLGR 2007 = Nds.RPfl. 2007, 69; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.4.1987 – 9 W 29/87, JurBüro 1987, 1383; OLG Hamm, Beschl. 29.7.1983 – 26 W 10/83, JurBüro 1983, 1680 = Rpfleger 1983, 504; OLG Köln, Beschl. v. 20.12.1978 – 7 W 67/78, MDR 1979, 412; OLG München, Beschl. v. 12.1.1998 – 7 W 3384/97, JurBüro 1998, 260 = MDR 1998, 680; Beschl. v. 11.7.1997 – 21 W 1688/97, OLGR 1998, 15 = AGS 2000, 10, AnwBl. 1999, 132; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aufrechnung“ Rn. 13; Lappe Anm. zu OLG München, KostRsp. GKG § 19 Nr. 14; Madert, FS für Schmidt, S. 80 u. AnwBl. 1988, 247; Meyer, § 45 Rn. 42; Mümmler, JurBüro 1978, 1227; E. Schneider, NJW 1979, 853; wohl auch KG Rpfleger 1983, 505. 2 OLG München, Beschl. v. 20.3.1987 – 15 W 1132/87, AnwBl. 1988, 247 mit abl. Anm. Madert; Beschl. v. 7.6.1978 – 5 W 1412/78, JurBüro 1978, 1226 mit abl. Anm. Mümmler. 3 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28.1.2008 – 4 W 4/08, OLGR 2008, 364: Erhöhung sämtlicher vor dem Vergleich verwirkten Gebührentatbestände ohne Begrenzung auf die Höhe der Klageforderung. 4 OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.11.2004 – 13 U 93/04, NJW-RR 2005, 507.

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Aufrechnung für die Werterhöhung allein einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung bedarf.1 Zu beachten bleibt, dass sich die Gerichtsgebühren bei einer vergleichsweisen Regelung nicht anhängiger Ansprüche um eine 0,25 Gebühr gem. Nr. 1900 KV GKG (entspricht inhaltlich weitgehend Nr. 1653 KV GKG a.F.) erhöhen, berechnet nach dem Unterschied der Streitwerte.2

1372

II. Anwaltliche Gebühren Die Wertbestimmung für die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 KV RVG), sie entspricht weitgehend der früheren Prozessgebühr nach § 31 Nr. 1 BRAGO, folgt gem. § 23 RVG (§ 8 BRAGO) dem Verfahrenswert. Insoweit kann für die Auswirkungen der vergleichsweisen Beendigung des Rechtsstreits auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.

1373

Ferner löst die anwaltliche Mitwirkung beim Abschluss eines Prozessvergleichs oder an den diesem vorausgehenden Verhandlungen u.a. eine Einigungsgebühr gem. Nr. 1000, 1003 VV RVG (entspricht nur teilweise der Vergleichgebühr nach § 23 Abs. 1 BRAGO) aus. Da sich der Gegenstand des Vergleichs und damit die Grundlage der Bewertung grundsätzlich danach bestimmt, worüber der Vergleich geschlossen, d.h. welcher Streit durch den Vergleich beigelegt wird,3 kommt eine Werterhöhung regelmäßig in Betracht, wenn sich die Parteien vergleichen, nachdem der Beklagte gegenüber der (streitigen) Klageforderung die Aufrechnung (mit einer streitigen Gegenforderung) erklärt hat und der Vergleich auch die Gegenforderung erfasst.

1374

Gewährleistungsrechtliche Einwendungen, die nur zur Anrechnung führen und keine Aufrechnung ermöglichen (s. oben Rn. 1268 ff.), erhöhen – wenn ihr Wert den der Klageforderung nicht übersteigt – auch den Vergleichswert nicht.4 Die abweichende Entscheidung des OLG Celle,5 dass sich der Vergleichswert „grundsätzlich nach allen streitigen Ansprüchen bestimme“, übersieht, dass es im Fall der Anrechnung zumindest bis zur Höhe der Klageforderung an einer Gegenforderung fehlt. Diese ergibt sich erst bei einem zugunsten des Beklagten über die Höhe des verlangten Werklohnes hinausgehenden schadensersatzrechtlichen Nichterfüllungsanspruch. Unabhängig davon lägen bei abweichender Betrachtung bezüglich des Werklohnanspruchs und des zur „Aufrechnung“ gestellten Vorschussanspruchs (§ 637 BGB) wirtschaftlich identische Gegenstände vor, sodass eine Werterhöhung dann aus diesem Grunde ausgeschlossen wäre.

1375

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.4.2001 – 23 W 50/00, JurBüro 2001, 417 = MDR 2001, 776 = AGS 2002, 40 = NJW-RR 2001, 1653 – s. auch oben Rn. 594 ff. 2 Hartmann, GKG, KV 1900 Rn. 7. 3 BGH, NJW 1964, 1523; OLG Bamberg, JurBüro 1984, 254 = AnwBl. 1984, 94; OLG Frankfurt, JurBüro 1984, 423; OLG Hamburg, Beschl. v. 29.8.1986 – 2 WF 138/86, FamRZ 1987, 184; KG, KGR 2004, 310; OLG Köln, JurBüro 1996, 476; OLG München, JurBüro 2001, 141; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rn. 4; E. Schneider, Rpfleger 1986, 81; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Vergleich“ – s. auch bei dem Stichwort „Vergleich“. 4 LG Bayreuth, Beschl. v. 14.7.1989 – 2 O 227/89, JurBüro 1989, 1601. 5 OLG Celle, Beschl. v. 23.7.2001 – 7 W 42/01, AGS 2001, 278.

Kurpat

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Aufrechnung 1376

Zu beachten ist, dass auch bei der Bewertung einer vergleichsweisen Regelung über eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten ist. Ist die mitverglichene Gegenforderung nicht oder voraussichtlich nicht realisierbar, dann kann das zu Abstrichen beim Vergleichswert führen. Anzusetzen ist dann der Teilbetrag, der nach den Umständen des Falles für realisierbar gehalten werden konnte.1 S. zu den Einzelheiten unter dem Stichwort „Vergleich“.

1377

Im Übrigen ist wie folgt zu unterscheiden: – Im Falle der Primäraufrechnung ist die Klageforderung unstreitig, sodass eine Wertaddition ausscheidet.2 Vielmehr ist für den Vergleichswert auf die höherwertige Forderung abzustellen. Die Sperrwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO findet hier keine Anwendung, da es mit dem Vergleich an einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung mangelt. – Demgegenüber ist eine Zusammenrechnung von Forderung und Gegenforderung geboten, wenn der Beklagte primär die Aufrechnung erklärt und sich nur hilfsweise mit anderweitigen Einwendungen verteidigt.3 Denn für den Vergleich und damit für den Vergleichswert ist das Eventualverhältnis bedeutungslos, sodass sich die Klageforderung trotz der nur hilfsweise erhobenen anderweitigen Einwendungen als streitig darstellt. – Hat der Beklagte die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung nur hilfsweise erklärt, ist der Vergleichswert immer aus der Summe der verglichenen Ansprüche zu bilden. Hier stehen Klageforderung und Gegenforderung im Streit, der durch die vergleichsweise Einigung beendet wird.4 Der Vergleichswert wird auch hier durch die Sperrwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO nicht begrenzt, da § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) nach einhelliger Ansicht nur für den Verfahrenswert gilt.5

Auseinandersetzung S. das Stichwort „Aufhebung von Gemeinschaften“.

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.10.1980 – 5 U 124/79, MDR 1981, 57; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.9.1984 – 15 W 52/84, Justiz 1985, 139, 140; OLG München, Beschl. v. 11.7.1997 – 21 W 1688/97, AGS 2000, 10; LAG Hamm, MDR 1980, 613. 2 A.A. Meyer, § 45 Rn. 43. 3 KG, Beschl. v. 21.12.1976 – 5 W 1061/76, KostRsp. GKG § 19 Nr. 6. 4 Nur insoweit zutreffend OLG Celle, Beschl. v. 20.12.2006 – 2 W 501/06, OLGR 2007, 198 = Nds.RPfl. 2007, 69. 5 OLG Bamberg, JurBüro 1983, 106; OLG Frankfurt, JurBüro 1980, 413 = MDR 1980, 64; OLG Hamm, JurBüro 1983, 1680 = 1984, 256 = Rpfleger 1983, 504; OLG Köln, JurBüro 1994, 496; 1979, 566; OLG München, Beschl. v. 12.1.1998 – 7 W 3384/97, JurBüro 1998, 260 = MDR 1998, 680; Beschl. v. 11.7.1997 – 21 W 1688/97, AGS 2000, 10 = AnwBl. 1999, 132; OLG Nürnberg, JurBüro 1982, 1380; OLG Saarbrücken, KostRsp. GKG § 19 Nr. 31; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rn. 15; Meyer, § 45 Rn. 43; N. Schneider, AGS 2003, 150 (152); Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Vergleich“; unzutreffend OLG Celle, Beschl. v. 20.12.2006 – 2 W 501/06, Nds.RPfl. 2007, 69, das die Begrenzung (ohne nähere Begründung) auch auf den Vergleichswert erstreckt.

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Kurpat

Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters

Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters Literatur: Schneider, DB 1976, 1298.

Ein Handelsvertreter kann nach Beendigung seines Vertragsverhältnisses unter bestimmten Umständen einen Ausgleich vom Unternehmer nach § 89b HGB verlangen. Für die Bestimmung des Zuständigkeits- und Gebührenstreitwertes ist entscheidend, auf welchem Wege bzw. auf welche Weise er seinen Anspruch geltend macht:

1378

1. Bezifferte Anträge Erhebt der Handelsvertreter gegen den Unternehmer eine bezifferte Zahlungsklage, so entspricht der Streitwert dem geforderten Betrag.

1379

Berühmt sich der Handelsvertreter eines bezifferten Anspruchs, dann bestimmt dessen Höhe auch den Streitwert einer negativen Feststellungsklage des Unternehmers. Denn bei einer leugnenden Feststellungsklage gegen einen bezifferten Anspruch ist im Gegensatz zur positiven Feststellungsklage der volle Wert des aus dem Rechtsverhältnis abgeleiteten Interesses zugrunde zu legen.1

1380

2. Unbezifferte Anträge Bei einem unbezifferten Klageantrag des Handelsvertreters auf Ausgleichszahlung ist der Streitwert unter Berücksichtigung von § 89b Abs. 2 HGB und der generellen Grundsätze für unbezifferte Leistungsanträge nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Entscheidend ist also, welcher Betrag dem Kläger unter Zugrundelegung seines klagebegründenden Sachvortrags zuzubilligen wäre.2

1381

* Æ Beispiel:

1382

Hat der Kläger eines Ausgleichsanspruches seinen unbezifferten Antrag in der Klagebegründung mit 6.000 Euro bewertet, verfolgt er aber im Laufe des Rechtsstreites die Aufrechterhaltung eines zu seinen Gunsten erstrittenen Versäumnisurteils über 10.000 Euro, so ist der Rechtsstreit jedenfalls dann mit 10.000 Euro zu bewerten, wenn das Versäumnisurteil auf der Grundlage des klagebegründenden Sachvortrages ergangen ist.3

Die Schätzung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG gilt auch für die negative Feststellungsklage des Unternehmers, dass dem ausgeschiedenen Handelsvertreter kein Anspruch mehr zusteht.

1383

* Æ Beispiel:

1384

Nach einer Entscheidung des OLG Nürnberg kann, wenn sich ein Vertreter, der bisher jährlich mehr als 30.000 DM verdient hat, nach Auflösung des mehrjährigen Vertretungsverhältnisses eines nicht bezifferten Ausgleichsanspruches nach § 89b HGB berühmt, der Streitwert für eine negative Feststellungsklage auf (umgerechnet) 5.000 Euro festgesetzt werden.4 1 2 3 4

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.9.1997 – 10 W 121/97, OLGR 1998, 39. Vgl. dazu das Stichwort „Unbezifferte Anträge“, Rn. 5277 ff. OLG Köln, Urt. v. 28.3.1973 – 2 U 131/72, VersR 1973, 1065. OLG Nürnberg, JurBüro 1958, 515.

Onderka

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Ausgleichsanspruch nach § 2050 BGB 3. Auskunftsanspruch 1385

Wird ein Auskunftsanspruch über die in den letzten Jahren gezahlte Jahresprovision geltend gemacht oder innerhalb einer Stufenklage vorgeschaltet, dann kann er im Wege einer Schätzung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG mit etwa 1/5 bis 1/4 des Wertes der Ausgleichsansprüche nach § 89b HGB angenommen werden, die er vorbereiten soll.1 Die Bewertungsregeln für Auskunftsklagen sind anwendbar.2

Ausgleichsanspruch nach § 2050 BGB 1386

Bei einer Klage auf Feststellung der Ausgleichspflicht gem. § 2050 BGB (gerichtet auf deren Grund und Höhe oder dahingehend, dass der Ausgleichspflichtige bei der Auseinandersetzung nichts mehr erhalte) ist der Streitwert nach dem Interesse zu bemessen, das der Kläger an der Ausgleichung hat. Es ist also § 3 ZPO und nicht § 6 ZPO anzuwenden.3Die Festsetzung des Wertes nach freiem Ermessen rechtfertigt sich deshalb, weil die Verurteilung für die Beklagten nicht dieselben Folgen hat wie eine Verurteilung zur Leistung nach § 2039 BGB.

1387

Bei der positiven Feststellungsklage ist in der Regel ein Feststellungsabschlag von 20 % vorzunehmen.

Auskunftsanspruch Gliederungsübersicht Rn. A. Zuständigkeitsstreitwert I. Anzuwendende Vorschriften . . 1388 II. Bewertungsgrundsätze . . . . . 1389

Rn. B. Beschwer . . . . . . . . . . . . . 1402 C. Gebührenstreitwert . . . . . . . 1425 D. Rechtsprechung zu Einzelfragen 1427

Stichwortübersicht Aktienrechtlicher ~ . . . . . . . . . Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, s. dort Auslegungsregel der Rspr. . . . . . Benennung eines Lieferanten . . . . Bestehen eines Anspruchs . . . . . Bewertungsskala für Angriffsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . Bezifferung des Leistungsbegehrens Bruchteil, Bewertung nach festen Sätzen . . . . . . . . . . . . . . . – des Leistungsanspruchs . . . . . Eidesstattliche Bekräftigung einer Auskunft . . . . . . . . . . . . .

Rn. 1446

1398 1443 1430 1399 1429 1390 1389

Rn. Einsicht in Geschäftsbücher . . . . 1449 Erbschaftssachen . . . . . . . . . . 1435 Erfüllungs-/Auskunftsinteresse . . 1392 ff. Fehlende Vollstreckungsfähigkeit des Auskunftsurteils . . . . . . . 1421 Geheimhaltungsinteresse . . . . . . 1417 Gewerblicher Rechtsschutz, s. dort GmbH-Gesellschafter . . . . . . . . 1449 Grundbesitz, ~ über Wert . . . . . . 1423 Handelsvertreter . . . . . . . . . . . 1446 Höhe des Leistungsinteresses . . . . 1393 Interesse des Beklagten in der Rechtsmittelinstanz . . . . . . . 1417

1418

1 BGH, Beschl. v. 10.3.1960 – VII ZR 246/59, BB 1960, 796 mit Anm. von Weiher. 2 Vgl. dazu das Stichwort „Auskunftsanspruch“. 3 BGH, Beschl. v. 3.10.1956 – IV ZR 208/56, 1957, Rpfleger 1957, 247.

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Monschau

Auskunftsanspruch Rn. Kostenaufwand für Auskunftserteilung . . . . . . . . . . . . . 1408 f. Miterbe . . . . . . . . . . . . . . . . 1435 Nachlasswert und Sachverständigengutachten . . . . . . . . . . . . 1440 Nichtvermögensrechtlicher Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . 1426 Offenbarungsversicherung . . . . . 1447 f. Pflichtteilsanspruch . . . . . . . . . 1438 Rechtsmittel gegen Verurteilung zur Auskunftserteilung . . . . . . 1406 Rechtsmittelkläger, Auskunftsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . 1405 Revisionsrechtliche Überprüfung der Schätzung . . . . . . . . 1404 Sachverständigengutachten über Nachlasswert . . . . . . . . . . . . 1440 Schadensersatzklage, Übergang . . . 1434

Rn. Schadensfeststellungsklage verbunden mit Auskunft . . . . . . . . . 1433 Stufenklage auf Auskunft und Pflichtteil . . . . . . . . . . . . . . 1441 Teilung einer Gemeinschaft . . . . . 1437 Unstreitiger Teil des Leistungsbegehrens . . . . . . . . . . . . . . 1401 Vermögensverzeichnis . . . . . . . . 1447 Vorlage einer Bilanz . . . . . . . . . 1413 – eines Einkommensteuerbescheides . . . . . . . . . . 1413, 1420 Warenzeichenstreitigkeit . . . . . . 1444 Wertangaben der Parteien . . . . . . 1397 Wettbewerblicher ~ . . . . . . . . . 1442 Zahlungsantrag, Bemessung . . . . . 1394 Zeitaufwand für Auskunft . . . . . . 1408 Zeitpunkt der Bewertung . . . 1394, 1406

A. Zuständigkeitsstreitwert I. Anzuwendende Vorschriften Mangels spezieller Bewertungsvorschriften ist die Auskunftsklage nach § 3 ZPO zu bewerten.

1388

II. Bewertungsgrundsätze Der Anspruch auf Auskunftserteilung gewährt im Falle der Verurteilung keine volle Befriedigung, sondern bereitet die Leistungsklage nur vor. Infolgedessen stellt sich sein Wert auch nur als Bruchteil des Anspruches dar, dessen Geltendmachung er erleichtern soll.1 Das ist der Leistungsanspruch.

1389

Der Wert des Auskunftsanspruchs lässt sich nicht ein für alle Mal auf einen bestimmten Teil des Leistungsanspruchs festlegen. Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalles an.2 Die Praxis ist indessen bemüht, das Interesse des Klägers an der erstrebten Vorbereitung und Klarstellung seines Leistungsanspruches mit möglichst festen Sätzen zu bewerten.

1390

In der Rechtsprechung finden sich verschiedene Angaben: – 1/103 – 1/10 bis 1/5;4 – 1/10 bis 1/4;5 – 1/10 bis 1/5;6

1391

1 2 3 4 5

BGH, FamRZ 1993, 1189. BGH, NJW 1960, 1252 und öfter, z.B. KostRsp. ZPO § 3 Nr. 668 = WPM 1984, 180. OLG Köln, JMBl.NW 1953, 163; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1960, 177. OLG Nürnberg, MDR 1960, 507. OLG Bamberg, KostRsp. GKG § 17 Nr. 86 = FamRZ 1986, 1144 = JurBüro 1987, 266; KG, KGR 1995, 251. 6 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1961, 221.

N. Schneider

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Auskunftsanspruch – 1/10 bis 1/2;1 – 1/5 bis 1/4;2 – 1/5.3 1392

Das Auskunftsinteresse darf jedoch grundsätzlich nicht dem Erfüllungsinteresse gleichgesetzt werden.4 In besonderen Fällen kann das Auskunftsinteresse allerdings bist an den Hauptsachewert heranreichen.

1393

Maßgebend für das zu bewertende Interesse des Klägers an der Erteilung der Auskunft ist die Höhe des Leistungsanspruchs, dessen er sich berühmt. Das ist allgemeine Meinung.5

1394

Der Streitwert des gleichzeitig mit dem Antrag auf Auskunftserteilung geltend gemachten, ziffernmäßig noch nicht bestimmten Zahlungsantrages (Stufenklage) ist dabei nicht nach der Höhe des Betrages zu bewerten, der später, nach erfolgter Auskunftserteilung – wenn diese überhaupt vorgenommen wird – gerechtfertigt erscheint, sondern er ist danach zu bemessen, welche Vorstellung sich der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 4 Abs. 1, 1. Halbs. ZPO) von dem Wert des Zahlungsantrages gemacht hat, was sich aus seinem Klagevortrag ergeben wird.6 Auf subjektive Erwartungen kommt es nicht an, sondern darauf, was nach den vom Antragsteller vorgetragenen Tatsachen objektiv zu erwarten ist. Fehlen entsprechende Darlegungen, sind diese anzufordern (§ 139 ZPO). Kann der Antragsteller mangels entsprechender Kenntnisse und Informationen keine Darlegungen bringen, ist zu schätzen.

1395

Abzustellen ist nicht auf rein subjektive Erwartungen des Klägers, sondern es ist aufgrund rechtlicher Subsumtion nach objektiven Anhaltspunkten für die Zeit der Klageerhebung zu schätzen.7

1396

Das Interesse der Parteien daran, schon mithilfe des Auskunftsanspruchs eine rechtliche Prognose über den Ausgang der Hauptsache zu erlangen, ist unbeachtlich, weil die Auskunftsstufe insoweit nicht zu einer rechtskräftigen Klärung führen kann.8

1397

Wertangaben der Parteien (§ 61 GKG) und wirklicher Wert der Gegenstände, über die Auskunft verlangt wird, haben indizielle Bedeutung.9

1398

Als generelle Auslegungsregel zur Bewertung lässt sich mit der Rechtsprechung10 formulieren: Das Auskunftsinteresse des Klägers ist um so höher zu bewerten, je geringer seine Kenntnisse und sein Wissen über die zur Begründung des Leistungs1 OLG Frankfurt, JurBüro 1973, 766; LG Bayreuth, JurBüro 1979, 1869. 2 KG, Rpfleger 1962, 120; OLG München, MDR 1972, 247; OLG Düsseldorf, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 942 = FamRZ 1988, 1188. 3 OLG Bamberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 978 = JurBüro 1989, 1307; KG, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1197 = KGR 1994, 251. 4 OLG München, MDR 1972, 247, unter Berufung auf BGH, MDR 1962, 564. 5 S. z.B. OLG Köln, JMBl.NW 1953, 163; KG, Rpfleger 1962, 120; KGR 1995, 251. 6 KG, Rpfleger 1962, 120; OLG Celle, JurBüro 1968, 734. 7 OLG Köln, NJW 1960, 2295; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1961, 221. 8 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1086 = WPM 1992, 289. 9 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1961, 221; OLG Bamberg, JurBüro 1989, 1307; desgleichen freiwillige Zahlungen des Beklagten (OLG Celle, JurBüro 1968, 734; 1969, 174). 10 Vgl. z.B. OLG Schleswig, SchlHA 1978, 22; OLG Celle, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 861; OLG Bamberg, KostRsp. GKG § 17 Nr. 86.

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N. Schneider

Auskunftsanspruch anspruchs maßgeblichen Tatsachen sind (s. auch das Stichwort „Rechnungslegung“ Rn. 4615 ff.). Hinsichtlich der dabei zu berücksichtigenden Umstände lässt sich im Anschluss an BGH1 folgende Bewertungsskala für das Angriffsinteresse des Klägers aufstellen: I. Hohe Bewertung, wenn der Kläger seinen Anspruch ohne Auskunft voraussichtlich nicht durchsetzen kann. II. Mittlerer Wertansatz, wenn die Auskunft dem Kläger die Begründung des Zahlungsanspruchs erleichtert. III. Geringer Wertansatz, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für die Bezifferung des Zahlungsanspruchs weitgehend geklärt sind. IV. Geringste Bewertung, wenn dem Kläger die maßgeblichen Unterlagen bereits zur Verfügung stehen und die Auskunft nur noch Kontrollfunktion oder Erhöhung der Übersichtlichkeit bezweckt.

1399

So ist beispielsweise der Auskunftsanspruch in einem Unterhaltsverfahren gegen einen Selbständigen hoch zu bewerten, weil der Auskunftsberechtigte über keine eigenen Erkenntnisquellen verfügt.2 Ebenso liegt es, wenn der Berechtigte ohne die Auskunft nicht einmal weiß, welche Rechte ihm zustehen.

1400

* Æ Beispiel: A hat eine Wohnung an B vermietet. Als Mietdauer sind fünf Jahre vereinbart. B ist zur Untervermietung berechtigt. Nach Ablauf der fünf Jahre hat B, wenn er nicht untervermietet hat, die Wohnung geräumt und renoviert an A zurückzugeben. Bei Untervermietung soll A nach Ablauf der Frist in das Mietverhältnis eintreten; B hat ihm dann die notwendigen Auskünfte zu erteilen und die Unterlagen dazu – Untermietvertrag usw. – auszuhändigen. Nach Beendigung des Mietverhältnisses geschieht nichts. A weiß nicht, ob B die Wohnung selbst nutzt oder untervermietet hat. Er weiß also auch nicht, ob er einen Anspruch auf Räumung gegen B hat oder einen Anspruch auf Mietzinszahlung gegen einen ihm noch unbekannten Mieter. Folglich muss er auf Auskunft klagen, um überhaupt zu erfahren, welche Rechte ihm zustehen. Ohne diese Auskunft ist er faktisch rechtlos gestellt. Das rechtfertigt es, den Auskunftsanspruch sehr hoch anzusetzen.

Umgekehrt sinkt der Auskunftsstreitwert bis auf das bloße Titulierungsinteresse, soweit er einen zwischen den Parteien unstreitigen Teil des Leistungsbegehrens einbezieht.3

1401

B. Beschwer In der Rechtsmittelinstanz kommt es bei der Festsetzung des Wertes für eine Klage auf Auskunft oder Rechenschaftsablegung darauf an, von welcher Partei das Rechtsmittel eingelegt worden ist.4

1402

In der Revisionsinstanz wird die Verwerfungsentscheidung aus § 547 ZPO nur daraufhin überprüft, ob die vorinstanzliche Wertfestsetzung nicht ermessens-

1403

1 2 3 4

BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 613 mit Anm. E. Schneider. OLG Bamberg, FamRZ 1986, 1144 = JurBüro 1987, 266: 1/4. OLG Bamberg, FamRZ 1986, 1144 = JurBüro 1987, 266: 1/10. BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 403.

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Auskunftsanspruch fehlerhaft getroffen worden ist.1 Lässt das Berufungsgericht bei seiner Schätzung wesentliche tatsächliche Umstände außer Betracht, dann entspricht die Ausübung des Schätzungsermessens2 nicht dem Gesetz.3 1404

Je nach Fallgestaltung sind jedoch die Anforderungen an die Konkretisierung tatrichterlicher Feststellungen verschärft, etwa wenn ein Unternehmen verurteilt wird, einem Handelsvertreter für einen Zeitraum von viereinhalb Jahren Auskunft durch Vorlage von Provisionsabrechnungen und Buchauszügen zu erteilen und das Berufungsgericht ohne nähere Begründung die Auffassung vertritt, die erforderlichen Aufwendungen an Arbeitszeit und Kosten würden die Erwachsenheitssumme nicht übersteigen.4 Andererseits muss auch eine beim Rechtsmittelführer vorhandene Geschäftsgewandtheit berücksichtigt werden, wenn sie es ihm möglich macht, eine verlangte Auskunft anhand seiner Unterlagen ohne fremde Hilfe zu erteilen.5

1405

Das Interesse des Klägers als Rechtsmittelführer an der Erteilung einer Auskunft oder Abrechnung ist, wenn er ohne diese voraussichtlich seinen Zahlungsanspruch nicht weiter verfolgen kann, hoch zu bewerten, unter Umständen nicht erheblich geringer als der Zahlungsanspruch selbst.6 Ist in der Rechtsmittelinstanz nicht mehr das Auskunftsbegehren des Klägers im Streit, sondern nur noch das vom Beklagten geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht, dann bestimmt dessen Wert den Streitwert (s. die Stichwörter „Gegenleistung“ Rn. 2508 ff. und „Rechtsmittel“ Rn. 4758 f.).

1406

Bei einem Rechtsmittel des Beklagten gegen eine Verurteilung zur Auskunftserteilung ist der Wert nach dem Interesse zu bemessen, das der Beklagte daran hat, die Auskunft nicht erteilen zu müssen.7 Unberücksichtigt bleibt das Interesse der Parteien, schon im Verfahren über den Auskunftsanspruch eine ihnen günstige Entscheidung über den Hauptanspruch zu erzielen;8 auch Interessen Dritter am Ausgang des Rechtsstreits sind unbeachtlich.9 Für die Berechnung der Beschwer ist auf den Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung abzustellen. Soweit etwa Belege zu dieser Zeit schon vorhanden sind, dürfen die dafür aufgewandten Beschaffungskosten bei der Ermittlung der Beschwer nicht berücksichtigt werden, sowie umgekehrt später anfallende Kosten nicht als bereits im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung erfallen fingiert werden dürfen.10

1407

Ebenso ist zu bewerten, wenn der Rechtsmittelbeklagte sich gegen die Verurteilung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung wendet.11 Ungewöhnlich 1 Ständige Rspr., vgl. z.B. BGH, FamRZ 1989, 730 = NJW-RR 1989, 580; m.w.N. bei dem Stichwort „Rechtsmittel“. 2 Kritisch zum Begriff: Lappe, NJW 1993, 1750. 3 BGH, MDR 1988, 568 = NJW-RR 1988, 693 = FamRZ 1988, 495. 4 BGH, NJW-RR 1989, 738 = MDR 1989, 796. 5 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1061 = EzFamR ZPO § 3 Nr. 21. 6 BGH, MDR 1952, 564. 7 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 526; FamRZ 1988, 494; BGH, FamRZ 1988, 495 = NJWRR 1988, 693 = MDR 1988, 568 = NJW-RR 1988, 693 = FamRZ 1988, 495; BGH, FamRZ 1991, 315 = NJW-RR 1991, 324; EzFamR ZPO § 3 Nr. 13; FamRZ 1991, 317 = EzFamR ZPO § 3 Nr. 14; OLG Zweibrücken, JurBüro 1981, 435; OLG Celle, OLGR 1994, 57; OLG Düsseldorf, OLGR 1994, 70; OLG Köln, JurBüro 1993, 165. 8 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1086 = WPM 1992, 289. 9 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1131 = WPM 1994, 1007. 10 BGH, NJW-RR 1992, 322 = EzFamR ZPO § 3 Nr. 24; EzFamR ZPO § 3 Nr. 22. 11 BGH, NJW-RR 1991, 956 = EzFamR ZPO § 3 Nr. 20; MDR 1992, 1007.

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Auskunftsanspruch und erstaunlich ist, dass trotz dieser einhelligen höchstrichterlichen Rechtsprechung von den Berufungsgerichten ständig gegen diese einfachen Bewertungsgrundsätze verstoßen wird, wie die zahlreichen einschlägigen Entscheidungen des BGH zeigen. Bemessungswesentlich ist, welchen konkreten Aufwand an Zeit und Kosten die Erteilung der Auskunft erfordert.1 Die Rechtsprechung wurde bestätigt vom Großen Senat des BGH2 auf den Vorlagebeschluss vom 11.7.1994;3 s. auch die vorausgegangene Anfrage nach § 132 Abs. 3 GVG.4

1408

Zugleich hat der Große Senat der Auffassung widersprochen, die Beschwer des verurteilten Beklagten dürfe sein Interesse an der Vermeidung einer ihm nachteiligen Kostenentscheidung nicht unterschreiten.5 Die Errechnung der Rechtsmittelbeschwer, die auf den Zeit- und Arbeitsaufwand abstellt, verstößt nicht gegen das GG.6

1409

Es ist nicht zulässig, den Aufwand nach einem Prozentsatz des voraussichtlichen Leistungsanspruchs zu berechnen.7

1410

Lässt das Berufungsgericht bei der betragsmäßigen Schätzung dieses Aufwandes wesentliche tatsächliche Umstände außer Betracht, dann entspricht die Ausübung seines Schätzungsermessens nicht dem Gesetz.8

1411

Einzelheiten:

1412

Die Erstellung eines Bestandsverzeichnisses über den Rückkaufwert und die Gewinnanteile einer Lebensversicherung sowie den Verkehrswert von Betriebsobligationen erfordert keine finanziellen Aufwendungen, die die Berufungssumme übersteigen.9 Ist der Beklagte zur Vorlage einer Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung sowie einer Einkommensteuererklärung verurteilt worden, dann sind Zeit und Kosten für deren Erstellung und Beschaffung wertmäßig zu erfassen.10

1 Zuletzt BGH, Beschl. v. 22.3.2010 – II ZR 75/09, WM 2010, 998 = NJW-RR 2010, 786 = MDR 2010, 766; BGH, Beschl. v. 10.3.2010 – IV ZR 255/08, FamRZ 2010, 891; BGH, Beschl. v. 15.9.2009 – VI ZR 287/08, GuT 2009, 329; BGH, JurBüro 1985, 1180; JurBüro 1984, 382 u. erneut abgedruckt auf Sp. 698; FamRZ 1986, 796; EzFamR ZPO § 3 Nr. 2 mit Anm. E. Schneider; FamRZ 1988, 494; MDR 1988, 568 = FamRZ 1988, 495 = NJW-RR 1988, 693; FamRZ 1988, 1152; FamRZ 1989, 157; FamRZ 1991, 315 = NJW-RR 1991, 324; NJW-RR 1993, 1468; NJW-RR 1992, 697; NJW-RR 1992, 698; FamRZ 1994, 1519; NJW-RR 1994, 1092; NJW-RR 1994, 1271 – in st. Rspr.; OLG Hamburg, FamRZ 1989, 770; OLG Köln, OLGR 1993, 300; KG, OLGR 1995, 189. 2 BGH, NJW 1995, 664 = AnwBl. 1995, 205 = FamRZ 1995, 349; s. auch das Stichwort „Rechtsmittel“ Rn. 4758 f. 3 BGH, MDR 1994, 1035 = NJW 1994, 2176 = ZIP 1994, 1305. 4 BGH, NJW 1994, 1222. 5 So noch BGH, MDR 1994, 518 = NJW 1994, 1740. 6 BGH, MDR 1994, 510 = WPM 1994, 127 = DB 1993, 2481. 7 BGH, EzFamR ZPO § 3 Nr. 4, Bl. 2; BGH, WMP 1989, 1073 = NJW-RR 1989, 738 = MDR 1989, 796 oder Entscheidungsgründe bei der Bemessung der Beschwer zu berücksichtigen (BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1204). 8 BGH, MDR 1988, 568 = NJW-RR 1988, 693 = FamRZ 1988, 495; zum revisionsrechtlichen Prüfungsumfang s. oben Rn. 1402. 9 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 968 = EzFamR ZPO § 3 Nr. 8. 10 BGH, NJW-RR 1992, 322 = EzFamR ZPO § 3 Nr. 24.

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1413

Auskunftsanspruch 1414

Ein Zeitaufwand von nicht mehr als acht Stunden kann bei nicht außergewöhnlichen Einkommensverhältnissen ohne Rechtsfehler mit 300 DM geschätzt werden.1

1415

Der Zeitaufwand des Auskunftspflichtigen kann dabei entsprechend den Regelungen für Zeugen im JVEG bewertet werden.2 Muss der Beklagte seiner Auskunftspflicht persönlich nachkommen, dann kommt es auch nur auf den Aufwand an Zeit und Arbeit für sein eigenes Tätigwerden an, nicht auf die Vergütung, die ein damit beauftragter Dritter verlangen könnte. Kosten für die Zuziehung sachkundiger Hilfspersonen sind in diesem Fall nur zu berücksichtigen, wenn der Auskunftspflichtige ohne sie die geforderte Auskunft nicht sachgerecht zu erteilen vermag.3

1416

Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Berufungsgericht die für eine Gehaltsauskunft eines Polizeibeamten erforderlichen Kosten auf bis zu 300 DM schätzt.4 Tatsächlich sind die Kosten der Gehaltsauskunft eines Beamten kaum messbar, weil er Gehaltsnachweise erhält, insbesondere auch bei jeder Besoldungsänderung.

1417

Daneben kommt in Ausnahmefällen noch ein Geheimhaltungsinteresse des Verurteilten in Betracht,5 beispielsweise bei konkurrierenden Unternehmen, nie jedoch in Unterhaltsprozessen. Das Beklagteninteresse in der Rechtsmittelinstanz ist eigenständig zu bewerten, es ist nicht lediglich die spiegelbildliche Beschwer des Leistungsinteresses des Klägers.6 Ein zu berücksichtigendes Geheimhaltungsinteresse scheidet allerdings aus, wenn der Verurteilte Auskünfte der Art, zu deren Erteilung er verurteilt ist, zu Werbezwecken in seinem Internetauftritt nutzt.7 Die abweichende Entscheidung des OLG Saarbrücken,8 die bei der Verurteilung zur eidesstattlichen Versicherung der Richtigkeit einer erteilten Auskunft oder Rechnungslegung das zu bewertende Interesse des Beklagten als Berufungskläger dem Interesse des Klägers gleichsetzt, ist mit der Rspr. des BGH nicht zu vereinbaren. 1 BGH, EzFamR ZPO § 3 Nr. 2 mit Anm. E. Schneider. 2 BGH, Beschl. v. 10.3.2010 – IV ZR 255/08, FamRZ 2010, 891. 3 Zuletzt BGH, Beschl. v. 22.3.2010 – II ZR 75/09, WM 2010, 998 = MDR 2010, 766 = FamRZ 2010, 1071; BGH, FamRZ 1989, 731; FamRZ 1991, 317; MDR 1994, 507 = BauR 1994, 404 = NJW-RR 1994, 660 – Kosten einer Hilfskraft des verurteilten Architekten; FamRZ 1993, 306 = NJW-RR 1992, 1474 – Kosten für Steuerberater, obwohl sie später ohnehin angefallen wären; FamRZ 1993, 1423 = NJW-RR 1993, 1026 – Kosten berücksichtigt, weil das Urteil teilweise nicht vollstreckungsfähig war; NJWRR 1993, 1027 – keine Berücksichtigung, weil die Zuziehung eines Steuerberaters nur teilweise erforderlich war; NJW-RR 1993, 1028 – Tätigkeit des Steuerberaters war für die Auskunft unerheblich. 4 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1020 = EzFamR ZPO § 3 Nr. 13. 5 BGH, Beschl. v. 22.3.2010 – II ZR 75/09, WM 2010, 998 = NJW-RR 2010, 786 = MDR 2010, 766 = FamRZ 2010, 1071; BGH, Beschl. v. 15.9.2009 – VI ZR 287/08 GuT 2009, 329; BGH, WPM 1984, 180; MDR 1988, 568 = NJW-RR 1988, 693 = FamRZ 1988, 495; FamRZ 1994, 27; FamRZ 1993, 45; NJW-RR 1995, 764. 6 BGH, WPM 1984, 180. 7 BGH, Beschl. v. 22.3.2010 – II ZR 75/09, WM 2010, 998 = NJW-RR 2010, 786 = MDR 2010, 766 = FamRZ 2010, 1071 = ZIP 2010, 1368. 8 OLG Saarbrücken, JurBüro 1985, 1238 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 768 mit abl. Anm. E. Schneider.

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Auskunftsanspruch Auch bei der Verurteilung des Beklagten, die Richtigkeit einer bereits erteilten Auskunft an Eides statt zu versichern, bemisst sich der Streitwert für die Berufung gegen diese Verurteilung nicht nach dem Interesse der klagenden Partei, sondern nach dem Interesse des Beklagten und Berufungsklägers, den Aufwand an Zeit und Kosten abzuwenden, der mit der eidesstattlichen Bekräftigung der bereits erteilten Auskunft verbunden ist.1

1418

Der BGH hat allerdings einmal in einer früheren Entscheidung2 ausgeführt, das Interesse des Beklagten sei in der Regel ebenso zu bewerten, wie das entgegengesetzte Interesse des Klägers, sich durch Erlangung der Auskunft die nachfolgende Geltendmachung eines Zahlungs- oder Herausgabeanspruchs zu erleichtern. Davon ist der BGH in seiner neueren Rechtsprechung abgewichen.3

1419

Genauere Analyse der früheren Entscheidung in WPM 1970, 1276 zeigt jedoch, dass es sich bei der älteren abweichenden Auffassung um ein obiter dictum gehandelt hat; die Entscheidung beruhte nicht auf der Gleichsetzung der Interessen des Klägers und des Beklagten.4 Auch dann, wenn die Auskunftsklage auf Vorlage eines Einkommensteuerbescheides gerichtet ist, richtet sich die Beschwer des verurteilten Beklagten nach dem Aufwand an Zeit und Kosten für die Auskunftserteilung.5

1420

Ohne Belang ist es, ob die Parteien auch über den Grund des Leistungsanspruchs streiten. Die Verurteilung zur Auskunftserteilung schafft hinsichtlich des Leistungsbegehrens keine Rechtskraft und hindert den Beklagten nicht, sein Abwehrinteresse im weiteren Verfahren geltend zu machen.6

1421

Ist das Auskunftsurteil teilweise prozessordnungswidrig tenoriert und hat es deshalb insoweit keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, dann ist auch derjenige Aufwand betragsmäßig zu berücksichtigen, der mit der Geltendmachung der fehlenden Vollstreckungsfähigkeit verbunden ist.7 Das werden in erster Linie die vorzustreckenden Gerichts- und Anwaltskosten sein, die durch die Vollstreckungsabwehr ausgelöst werden.

1422

Legt der Beklagte Berufung ein gegen seine Verurteilung, dem pflichtteilsergänzungsberechtigten Kläger Auskunft über den Wert von Grundbesitz durch Vorlage des Wertgutachtens eines vereidigten Sachverständigen zu erteilen, dann kann sein Abwehrinteresse betragsmäßig nicht geringer sein als die voraussichtlichen Kosten des Wertgutachtens.8 Ist der Beklagte verurteilt worden, den Wert des dem Kläger zustehenden Auseinandersetzungsguthabens durch einen Wirtschaftsprüfer ermitteln zu lassen, dann ist der Streitwert des

1423

1 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1030; BGH, NJW-RR 1991, 1467 = MDR 1992, 302; BGH, MDR 1992, 1007. 2 BGH, WPM 1970, 1226. 3 S. JurBüro 1985, 1180 = WPM 1985, 764. 4 S. ausführlich dazu E. Schneider, Anm. zu KostRsp. ZPO § 3 Nr. 754; ebenso BGH, WPM 1992, 289, 290. 5 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 855 = NJW-RR 1987, 198. 6 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 823 = FamRZ 1986, 796. 7 BGH, FamRZ 1989, 731 = EzFamR ZPO § 3 Nr. 9; BGH, NJW-RR 1992, 322 = EzFamR ZPO § 3 Nr. 24; BGH, NJW-RR 1992, 450 = FamRZ 1992, 535; NJW-RR 1993, 1154 = FamRZ 1993, 1189 – Abwehr einer zweifelhaften extensiven Auslegung von Inhalt und Umfang des Titels. 8 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 866 mit Anm. E. Schneider.

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Auskunftsanspruch Abwehrinteresses seiner Berufung gleich dem voraussichtlichen Vergütungsanspruch des Wirtschaftsprüfers.1 1424

Eine Sondermeinung vertritt das OLG Hamm.2 Es errechnet die Beschwer des verurteilten Beklagten zwar wie die h.M., den Gebührenwert für die Rechtsmittelinstanz aber nach dem Wert des Interesses des Klägers an der Auskunft. Die Auffassung dürfte vereinzelt bleiben.3

C. Gebührenstreitwert 1425

Der Gebührenstreitwert richtet sich erstinstanzlich nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Es gilt das Gleiche wie beim Zuständigkeitsstreitwert. Im Rechtsmittelverfahren gilt § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Beschwer Bezug genommen werden.

1426

Nichtvermögensrechtliche Auskunftsansprüche sind nach § 48 Abs. 2 GKG zu bewerten. Einen solchen Fall hat das OLG Köln4 bejaht, als ein Kläger Einsicht in Personalakten verlangte, die bei einer privatrechtlich organisierten Begabtenförderungsstelle für ihn als Stipendiaten geführt wurden.

1426a

Nicht entscheidend ist, aus welchen Rechtsverhältnissen konkrete Ansprüche entstanden sind. Beispielsweise beruht die Unterhaltspflicht gegenüber einem ehelichen Kind oder unter Ehegatten auf einem nichtvermögensrechtlichen Verhältnis, hat aber gleichwohl vermögenswerte Leistungen zum Gegenstand und ist deshalb als vermögensrechtliche Angelegenheit einzuordnen. Das gilt auch dann für die entsprechenden Auskunftsansprüche nach §§ 1605, 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB.5

1426b

Diese Werte gelten auch für die Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 Satz 1, 3 RVG).

D. Rechtsprechung zu Einzelfragen 1427

Klagt der Kläger zunächst nur auf Auskunftserteilung und geht er nach Auskunftserteilung im Wege der Klageänderung zum Leistungsanspruch über, dann ist der Streitwert einheitlich nach dem Leistungsanspruch zu bewerten; der Wert des Auskunftsanspruches ist nicht hinzuzurechnen.6

1428

Im Prozess über den Zugewinnausgleich soll das Auskunftsverlangen eines Ehegatten keinen eigenen Wert haben, wenn es dem Anspruch auf Ausgleichszahlung als Widerklagebegehren entgegengesetzt wird.7 Das ist falsch. Wie so häufig wird nicht unterschieden zwischen der Frage, welchen Wert ein Gegenstand hat, und der Frage, ob dieser Wert mit dem Wert eines anderen (höheren) Antrags zusammengerechnet wird. Dass ein Auskunftsantrag immer einen Wert hat, dürfte keiner Diskussion bedürfen, und zwar auch dann, 1 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1042. 2 OLG Hamm, OLGR 1993, 262 = JurBüro 1994, 494. 3 Bislang unkritisch übernommen von Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Auskunft“ Rn. 4. 4 OLG Köln, JurBüro 1980, 577. 5 BGH, JZ 1982, 512. 6 OLG Hamm, JurBüro 1986, 745; s. auch Rn. 1434. 7 OLG Zweibrücken, JurBüro 1985, 1360.

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Auskunftsanspruch wenn er nur mit einer Widerklage geltend gemacht wird. Das zeigt sich schon daran, dass aus der Auskunfts-Widerklage gesonderte Gebühren anfallen können, etwa wenn der Anwalt sich nur für die Widerklage bestellt oder über die Widerklage eine Einigung getroffen wird. Der Fehler des Gerichts liegt darin, dass es mit der älteren Rechtsprechung davon ausgegangen ist, die Werte wechselseitiger Zugewinnausgleichsklagen würden nicht addiert, weil der Gegenstand derselbe sei. Das ist falsch und wird heute auch nicht mehr vertreten (s. das Stichwort „Zugewinn“ im FamFG-Teil Rn. 9101 ff.). Daher ist ein widerklagend erhobener Auskunftsanspruch nicht nur gesondert zu bewerten, sondern auch dem Wert der Klage hinzuzurechnen. Gleiches gilt auch dann, wenn einer Unterhalts-Zahlungsklage widerklagend auf Auskunft geklagt wird. Unerheblich ist für die Bewertung des Auskunftsanspruchs, ob es im weiteren Verlauf des Verfahrens noch zu einer Bezifferung des Leistungsbegehrens kommt.1

1429

Auch wenn mit einer Auskunftsklage inzidenter eine Entscheidung darüber erreicht werden soll, ob der zugrunde liegende Anspruch überhaupt besteht, bemisst sich der Streitwert nur nach dem Interesse des Klägers an der Erleichterung der Geltendmachung seines Leistungsanspruchs durch die begehrte Auskunft.2

1430

Das gilt auch für Auskunftsklagen, mit denen die Geltendmachung gesetzlicher Unterhaltsansprüche vorbereitet werden soll.3

1431

Jedoch kann, wenn die Auskunft die Geltendmachung eines Zahlungsanspruches erst ermöglicht, eine erhebliche Wertanhebung gerechtfertigt sein.4

1432

Für den Anspruch auf Auskunftserteilung ist ein besonderer Streitwert festzusetzen, wenn der Auskunftsanspruch mit einer positiven Schadensfeststellungsklage verbunden ist.5

1433

Begehrt der Kläger zunächst nur Auskunftserteilung und geht er erst nach der im Prozess erteilten Auskunft zur Schadensersatzklage über, so bildet der (höhere) Wert der Schadensersatzklage den Streitwert; ein gesonderter Wert für die zunächst allein erhobene Auskunftsklage ist nicht hinzuzurechnen.6 Auch das OLG Köln7 stellt – im Rahmen einer Stufenklage – auf den Wert des Leistungsanspruchs ab, meint dabei, ein zuvor geltend gemachter, dann aber anderweitig befriedigter Auskunftsanspruch sei „obsolet“ geworden.

1434

Bei Erbschaftssachen ist von dem Wert des Nachlasses auszugehen und sodann die Miterbenquote zu bestimmen. Von dem sich hieraus ergebenden Betrag ist der Streitwert für die Auskunftserteilung wiederum mit einem Bruchteil zu bemessen.8 Über die unterschiedlichen Prozesssituationen s. das Stichwort „Miterbe“ (Rn. 4055 ff.).

1435

1 OLG Karlsruhe, Justiz 1985, 353; s. auch das Stichwort „Stufenklage“ Rn. 5071 ff., 5099 ff. 2 OLG Stuttgart, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 266. 3 OLG Schleswig, SchlHA 1978, 22. 4 OLG München, MDR 1972, 247; s. oben Rn. 1398. 5 OLG Stuttgart, NJW 1959, 890. 6 OLG Celle, WRP 1971, 233; s. auch oben Rn. 1427. 7 OLG Köln, KostRsp. GKG § 18 Nr. 41 mit Anm. Herget = OLGR 1993, 255. 8 OLG Schleswig, JurBüro 1960, 263.

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Auskunftsanspruch 1436

Bei der Bewertung des Interesses des Klägers sind Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Bestandes der Erbschaft, die ohne die verlangte Auskunft auftreten würden, zu berücksichtigen.1

1437

Umgekehrt kann ein Auskunftsanspruch streitwertmäßig auch bedeutungslos werden, wenn er nur eine unerhebliche Funktion neben dem Hauptanspruch hat. Wird beispielsweise bei der Teilung einer Gemeinschaft lediglich über die Art und Weise der Teilung gestritten, dann ist wertbestimmend der vom Kläger herausverlangte Teil, und ein geringerwertiger Auskunftsanspruch wird davon absorbiert.2

1438

Diese Grundsätze gelten auch für den Pflichtteilsanspruch.

* Æ Beispiel: Geklagt wird zunächst auf Zahlung des Pflichtteils mit beziffertem Antrag. Nachträglich beantragt der Kläger, die Beklagten zu verurteilen, über den Gesamtnachlass Auskunft zu erteilen und die Richtigkeit der Auskunft zu versichern. Dann liegt keine Stufenklage vor. Die Wertfestsetzung ist nach § 3 ZPO vorzunehmen.

1439

Bei der Festsetzung des Wertes der Ansprüche auf Auskunftserteilung und auf Leistung der Offenbarungsversicherung ist zu berücksichtigen, dass diese Ansprüche der Zahlungsklage nicht gleichgesetzt werden können, da sie im Falle der Verurteilung nicht volle Befriedigung sichern. Sie bereiten eine Zahlungsklage nur vor. ihr Wert stellt deshalb nur einen Bruchteil des Anspruches dar, dessen Geltendmachung er erleichtern soll.3

1440

Nach § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB hat der Pflichtteilsberechtigte auch einen Anspruch, den Nachlasswert durch Sachverständigengutachten bestimmen zu lassen. Dies wird insbesondere bei Kostbarkeiten, Kunstwerken und vor allem bei Grundstücken in Betracht kommen. Die Begutachtungskosten gehen zulasten des Nachlasses (§ 2314 Abs. 2 BGB). Das ändert aber nichts daran, dass auch in diesem Fall das Auskunftsinteresse Bewertungsgegenstand ist und nicht der Betrag der Gutachterkosten, wie OLG München meint.4

1441

Werden der Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB und der Pflichtteilsanspruch durch Stufenklage geltend gemacht, dann ist ebenfalls nur der höchste der verbundenen Ansprüche für den Streitwert bestimmend. Das gilt auch für den Anspruch nach § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Ermittlung des Wertes der Nachlassgegenstände.5

1442

Auch der Streitwert eines wettbewerblichen Auskunftsanspruches ist gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen des Gerichts festzusetzen. Das Interesse des Klägers an der begehrten Auskunft ist maßgebend, da die Auskunftserteilung nur der Erleichterung der Geltendmachung des Leistungsanspruches dient.6

1443

Der Streitwert des Auskunftsanspruchs auf Benennung eines Lieferanten zur Beseitigung einer Lücke im Vertriebsbindungssystem ist höher anzusetzen als 1 2 3 4 5 6

OLG Köln, MDR 1959, 223; KG, JurBüro 1973, 151. OLG Schleswig, SchlHA 1979, 57. OLG Schleswig, JurBüro 1959, 169; RG, JW 1933, 2769. OLG München, JurBüro 1983, 1249. OLG Hamm, JurBüro 1981, 247 = AnwBl. 1981, 69. OLG Celle, BB 1962, 1565.

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Auskunftsanspruch in den Fällen, in denen durch den Auskunftsanspruch nur die Bemessungsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch geschaffen werden soll.1 Bei Warenzeichenstreitigkeiten (seit 1.1.1995: Kennzeichenstreitsachen) war maßgebend für die Bewertung das Interesse des Klägers daran, dass der Beklagte den Gebrauch des beanstandeten Zeichens unterlässt. Bisher geringerer Umsatz aufseiten des Beklagten vermag dieses Interesse des Klägers nicht zu vermindern.2

1444

S. näher dazu bei dem Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“. Aktienrechtliche Auskunftsansprüche sind nach dem Interesse des klagenden Aktionärs an der Erteilung der Auskünfte durch den Vorstand der Aktiengesellschaft zu bewerten.3

1445

S. im Übrigen das Stichwort „Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen“. Der Wert des Auskunftsanspruchs eines Handelsvertreters kann im Allgemeinen mit 1/5 des Wertes der Ausgleichsansprüche angenommen werden, die er vorbereiten soll.4

1446

S. auch das Stichwort „Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters“. Wird auf Auskunft und auf Vorlage eines Vermögensverzeichnisses geklagt und später, nach Erfüllung dieses Anspruchs, im Rahmen des § 254 ZPO auch noch auf Leistung der Offenbarungsversicherung, so ist dieser Antrag besonders zu bewerten.5

1447

Der Streitwert einer Klage auf Auskunftserteilung und Ableistung der materiellrechtlichen Offenbarungsversicherung bemisst sich ebenfalls nach dem Interesse, das der Kläger daran hat, mit einem solchen Anspruch die Begründung des Herausgabeanspruchs zu erleichtern.6 Es ist um so höher zu bemessen, je geringere Kenntnisse der Kläger über die maßgeblichen Tatsachen zur Begründung seines Leistungsanspruches hat.7

1448

Für die Bewertung von Klagen auf Durchsetzung von Informationsrechten gibt es keine speziellen Vorschriften; daher ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Abzustellen ist darauf, welches Interesse mit der Erzwingung der Einsichtnahme verfolgt wird.8 Geht es um eine Gewinnerwartung, dann ist der Streitwert einer Klage eines GmbH-Gesellschafters gegen die GmbH auf Offenlegung der Verhältnisse (Einsicht in die Geschäftsbücher, Geschäftspapiere und Bilanzen zur Feststellung der Umsätze, Auskunft über die Vergünstigung des Aufsichtsrats und der Unternehmensleitung) mindestens nach dem Gewinn zu bemessen, den der Kläger als Folge der Offenlegung erwarten kann, begrenzt nach oben durch den Kurswert der Anteile des Klägers.9

1449

1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG Köln, WuW 1969, 185. OLG Düsseldorf, GRUR 1952, 24. OLG München, BB 1962, 690. BGH, BB 1960, 796. OLG Neustadt, JurBüro 1963, 685. OLG Celle, Rpfleger 1956, 347. OLG Schleswig, SchlHA 1978, 22; s. oben Rn. 1398. OLG Frankfurt, JurBüro 1991, 579 = MDR 1991, 354. OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.8.1961 – 1 W 33/61.

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Ausländische Währung

Ausländische Währung Literatur: Mümmler, JurBüro 1993, 269; Ritter, Prozessrechtliche Fragen in der Übergangszeit der Europäischen Währungsunion, NJW 1999, 1213 ff.

A. Allgemeines 1450

Bildet den Streitgegenstand eine in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld – z.B. bei einer echten Fremdwährungsschuld (§ 244 BGB)1 oder bei der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils oder eines Schiedsspruches –, dann sind diese Geldbeträge in Euro umzurechnen, um den jeweiligen Streitwert bestimmen zu können.

1451

Entsprechend ist zu verfahren, wenn dem Streitgegenstand eine in Deutsche Mark (DM) bezeichnete Geldschuld zugrunde liegt, wie dies bei vor 1999 entstandenen Forderungen der Fall war. Angesichts möglicher Umrechnungsdifferenzen sind gesetzliche Rundungsregelungen bei einer objektiven Klagenhäufung (§ 260 ZPO), auch wenn der Klageantrag auf Zahlung eines Gesamtbetrages lautet, streitgegenstandsbezogen anzuwenden.2 Bezieht sich der Streitgegenstand auf eine Reichsmark bezeichnete Geldschuld, z.B. bei einem Aufgebot eines Sparkassenbuches aus der Zeit vor 1945, ist der Streitwert in Euro unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen Geldentwertung zu bestimmen.

B. Zuständigkeitsstreitwert 1452

Maßgeblich für den Zuständigkeitsstreitwert ist der Umrechnungsbetrag in Euro zum Zeitpunkt der Klage- bzw. Antragseinreichung (Anhängigkeit), § 4 Abs. 1 ZPO. Folglich bleiben nach Anhängigkeit eintretende Veränderungen durch Kursschwankungen, gleich in welche Richtung, unberücksichtigt.3 Für den Zuständigkeitsstreitwert folgt dies für die Zeit nach Rechtshängigkeit zudem aus § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO.

C. Gebührenstreitwert 1453

Im Grundsatz folgt der Gebührenstreitwert dem Zuständigkeitsstreit, d.h. maßgebend ist gem. § 40 GKG (§ 15 GKG a.F.) der Umrechnungsbetrag bei Anhängigkeit.4 Kursschwankungen bleiben auf die Wertbestimmung ohne Einfluss.5 1 RGZ 109, 61; BGH, Urt. v. 22.6.1989 – IX ZR164/88, MDR 1989, 989 = Rpfleger 1989, 473 = NJW 1989, 3155. 2 Vgl. Ritter, NJW 1999, 1213 (1215 ff.). 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.10.1990 – 1 U 248/88, JurBüro 1991, 208 = MDR 1991, 164 = NJW 1991, 643; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Ausländische Währung“ Rn. 2; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Ausländische Währung“. 4 OLG Düsseldorf, NJW-RR 2000, 1594; a.A. KG, NJW-RR 2000, 215: Rechtshängigkeit. 5 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 Stichwort „Ausländische Währung“; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Ausländische Währung“ Rn. 3; a.A. wohl Thomas/Putzo/Hüßtege,

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Kurpat

Ausländische Währung Bei der Berücksichtigung älterer Rechtsprechung ist zu beachten, dass nach § 15 Abs. 1 GKG in der vor dem 1.7.1994 geltenden Fassung für der Wertbestimmung der höchste Wert zwischen Klageeinreichung und Beendigung der Instanz maßgebend war.1

1454

Hingegen war auch nach altem Recht eine im Laufe der Instanz eingetretene Wertminderung auf den Streitwert stets ohne Einfluss, d.h. der höhere Wert bei Beginn der Instanz blieb maßgebend. Dies gilt auch für den Berufungsrechtszug.2 Hieran hat sich durch Neufassung des GKG zum 1.7.2004 nichts geändert.3 Für die Änderungen nach Anhängigkeit s. auch bei dem Stichwort „Änderung des Streitwerts“ Rn. 206 ff.

1455

D. Rechtsmittel und Beschwer Für den Rechtsmittelstreitwert ist ebenfalls gem. §§ 4 Abs. 1, 40 GKG (§ 15 GKG a.F.) auf den die Instanz einleitenden Antrag, folglich auf den Tag des Eingangs der Rechtsmittelschrift abzustellen. Davon abweichend ist als Zeitpunkt der Einlegung der Berufung der Tag des Eingangs der Berufungsbegründung anzusehen, wenn erst darin die Berufungsanträge enthalten sind.4 Zu beachten ist, dass gem. § 47 Abs. 2 GKG (§ 14 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F.) der Rechtsmittelstreitwert bei unverändertem Streitgegenstand durch den Wert des Streitgegenstandes in 1. Instanz begrenzt wird.5 Kurssteigerungen nach Klageeinreichung bleiben daher auch für die Rechtsmittelinstanz streitwertrechtlich ohne Bedeutung. Die gegenteilige Entscheidung des BGH6 ist mit dem Wortlaut des § 47 Abs. 2 GKG (§ 14 Abs. 2 GKG a.F.) nicht in Einklang zu bringen.7

1 2

3 4 5 6

7

§ 3 Rn. 22 unter Berufung auf eine noch zur alten Gesetzeslage (§ 15 GKG idF vor dem 1.7.1994) ergangenen Entscheidung des OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.10.1990 – 1 U 248/88, MDR 1991, 164 = NJW 1991, 643. Vgl. beispielhaft OLG Hamm, Beschl. v. 7.9.1981 – 23 W 442/81, JurBüro 1981, 1860 mit Anm. Mümmler. BGH, VersR 1982, 591; KG, Rpfleger 1973, 36; OLG München, FamRZ 1997, 34; OLG Oldenburg, NJW-RR 1999, 942; a.A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.10.1990 – 1 U 284/ 88, JurBüro 1991, 208 mit abl. Anm. Mümmler = MDR 1991, 164 = Rpfleger 1991, 176 = NJW 1991, 643. Hartmann, § 40 GKG Rn. 3. OLG Düsseldorf, NJW 1971, 147; Zöller/Herget, § 4 ZPO Rn. 4. OLG Hamburg, Beschl. v. 15.1.1981 – 6 U 85/80, JurBüro 1981, 1546; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Rechtsmittel“ Rn. 30. BGH, Urt. v. 4.2.1999 – III ZR 56/98, MDR 1999, 689 = NJW-RR 1998, 1452; BGH, Beschl. v. 5.10.1981 – II ZR 49/81; MDR 1982, 299 = JurBüro 1982, 49 = NJW 1982, 341 – hier noch auf zwischenzeitlich aufgehobenen § 14 Abs. 2 Satz 3 GKG i.d.F. bis zum 30.6.1994 abstellend. Ebenso Hartmann, § 47 GKG Rn. 8.

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1456

Auslegung des Klageantrags

Auslegung des Klageantrags 1457

Klageanträge sind – wie alle Erklärungshandlungen im Prozess (z.B. bei der Aufrechnung) – der Auslegung fähig und bei Unklarheiten auch bedürftig.1 Vorrangig vor der Auslegung ist jedoch immer die Ausübung des Fragerechts (§ 139 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und die Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ZPO.

1458

Angaben zum Gebührenstreitwert nach § 61 GKG (§ 23 GKG a.F.) oder für die Zuständigkeit nach § 253 Abs. 3 ZPO oder für die Rechtsmittelbeschwer nach § 511 Abs. 4 Nr. 2 ZPO dürfen bei der Prüfung, was mit einem textlich unklaren Klageantrag bezweckt ist, als Auslegungsumstand berücksichtigt werden.2

1459

Ergibt die Auslegung eines Antrags, der auf Verurteilung zur Zahlung eines bestimmten Klagebetrages gerichtet ist, dass der Kläger in Wahrheit nur den Unterschiedsbetrag zwischen dieser Summe und einem ihm bereits in einem anderen Verfahren (z.B. Entschädigungsverfahren) zugeteilten Betrag fordert, so ist nur der Unterschiedsbetrag der für die Streitwertfestsetzung maßgebende Streitgegenstand.3

1460

Wird nach Teilleistungen in der mündlichen Verhandlung ein Klageantrag auf Zahlung (nebst Zinsen) „abzüglich am ... geleisteter ..., – Euro“ gestellt, bedarf es – auch für die Streitwertbestimmung – zunächst der Klärung, was damit prozessual ausgedrückt werden soll: teilweise Klagerücknahme oder teilweise Hauptsacheerledigung. Regelmäßig wird davon auszugehen sein, dass der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise für erledigt erklären will.4 Dann ist der Antrag, soweit eine abweichende Leistungsbestimmung des Schuldners nicht ersichtlich ist, weiter dahin zu verstehen, dass die Zahlung zunächst auf die bis zum Zahlungszeitpunkt aufgelaufenen Zinsen und erst dann auf die Hauptforderung (§ 367 Abs. 1 BGB) verrechnet werden soll.

1461

Ergibt sich aus der Klagebegründung, dass die Bezifferung eines Antrages auf Verurteilung zur Zahlung auf einem Berechnungsfehler beruht, dann ist der Streitwert nach dem wirklich gewollten Antrag (Betrag) zu beziffern, der sich bei richtiger Berechnung ergibt.5 Ob die nach § 319 ZPO, § 133 BGB vorzunehmende Auslegung den Streitwert erhöht oder ermäßigt, ist in diesem Fall unerheblich. Die Berichtigung kann auch vom Rechtsmittelgericht vorgenommen werden.6

1462

Bei unbezifferten Klageanträgen, also solche, bei denen der Kläger die Entscheidung über die Anspruchshöhe in das Ermessen des Gerichts stellt (sog. Ermessensanträge), ist der Streitwert gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG zu schätzen. Unabhängig davon kann eine Auslegung des Klageantrags ergeben, dass der Kläger, beispielsweise bei einem Schmerzensgeldverlangen, mit seiner Klage die Zahlung eines Mindestbetrages anstrebt.7 Diesen vom Kläger für 1 2 3 4 5 6 7

S. dazu Zöller/Greger, vor § 128 ZPO Rn. 25. OLG Köln, KostRsp. GKG § 23 Nr. 2. OLG Frankfurt, MDR 1962, 992. OLG Frankfurt, MDR 1977, 56. OLG Oldenburg, Rpfleger 1968, 313. BGH, NJW 1964, 1858. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.11.2009 – 4 W 343/09, juris.

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Ausscheiden eines Gesellschafters angemessen erachteten Mindestbetrag darf das Gericht bei der Streitwertfestsetzung nach überwiegender und zutreffender Ansicht nicht unterschreiten.1 S. ausführlich unter dem Stichwort „Unbezifferte Klageanträge“. Wird auf eine zeitlich unbefristete Auskunft über die Einkommensverhältnisse geklagt, soll der Klageantrag (zur Vermeidung einer Verurteilung zu einer unmöglichen Leistung) auf Auskunft für den Zeitraum bis zur Klageeinreichung ausgelegt und der Streitwert entsprechend (niedriger) beziffert werden.2

Ausscheiden eines Gesellschafters Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert einer Klage auf Feststellung, dass ein Gesellschafter aus der Gesellschaft infolge Kündigung ausgeschieden ist, bemisst sich nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG. Maßgebend ist das Interesse des Klägers an der gerichtlichen Feststellung, dass der Beklagte nicht mehr Gesellschafter ist. Bei der Schätzung ist insbesondere zu berücksichtigen, mit welchem Anteil der Kläger an der Gesellschaft beteiligt ist und inwiefern er daher an dem (geschätzten) Interesse der Gesellschaft an dem Ausscheiden partizipiert.3

1463

Würde der Kläger mit seinem Kapitalanteil auch bei Ausscheiden des Beklagten weiterhin in einer gesellschaftsrechtlichen Bindung bleiben, weil der Kapitalanteil des Beklagten lediglich gegen einen neu zu bildenden Kapitalanteil eines neuen Gesellschafters ausgetauscht würde, dann kann für den Streitwert weder die Höhe des Kapitalanteils des Klägers noch die Höhe des Kapitalanteils des Beklagten maßgebend sein. Das Interesse des Klägers muss vielmehr nach der Veränderung des Ertragswertes seines Kapitalanteils bemessen werden, die bei der vorgesehenen neuen gesellschaftsrechtlichen Verbindung eintreten würde.4

1464

Der Streitwert eines Verfahrens, in dem festgestellt werden soll, dass der Austritt eines Gesellschafters unwirksam ist, bemisst sich gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Interesse des Klägers am Verbleib des Beklagten in der Gesellschaft. Das Bundesverfassungsgericht5 hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es für den Streitwert in den Fällen des Ausscheidens eines Gesellschafters zwar auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers ankomme. Allerdings dürfe der Streitwert nicht außer Verhältnis zu dem vom Kläger erstrebten persönlichen wirtschaftlichen Vorteil stehen. Denn dies bedeute eine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zu den Gerichten.

1465

1 BGH, NJW 2002, 212; OLG München, Beschl. v. 15.6.2007 – 1 W 1743/07, VersR 1995, 1117; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.11.2009 – 4 W 343/09, juris; OLG Zweibrücken, Beschl. 19.1.1998 – 5 W 20/97, JurBüro 1998, 260; Prütting/Gehrlein/Gehle, § 3 Rn. 214; a.A. OLG Koblenz, Beschl. v. 20.1.2004 – 12 W 35/04, juris; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 „Unbezifferte Klageanträge“. 2 OLG Dresden, Beschl. v. 7.8.2001 – 22 WF 803/00, FamRZ 2002, 681. 3 BVerfG, Beschl. v. 31.10.1996 – 1 BvR 1074/93, NJW 1997, 311. 4 OLG Nürnberg, JurBüro 1964, 829. 5 BVerfG, Beschl. v. 31.10.1996 – 1 BvR 1074/93, NJW 1997, 311.

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Ausschließung 1466

Ebenfalls nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen ist der Streitwert eines Verfahrens über die Wirksamkeit der Einziehung eines Geschäftsanteils.1

1467

Den Streitwert einer Klage auf Zustimmung zur Löschung des Beklagten als Kommanditisten aus dem Handelsregister hat das OLG Karlsruhe mit 5.000 Euro bemessen.2 Die wirtschaftliche Bedeutung der Löschung des ausgeschiedenen Kommanditisten im Register sei nämlich für die anderen Gesellschafter in der Regel gering. Für den Kläger habe die Bereinigung des Registers in erster Linie eine optische Bedeutung im Auftreten nach außen (das Register ist auf dem neuesten Stand). Dies gelte auch dann, wenn die Frage des Ausscheidens zwischen den Gesellschaftern streitig sei. Denn das Verhältnis der Gesellschafter untereinander werde durch die Löschung im Register gerade nicht geklärt. S. auch die Stichwörter „Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen“, „Anmeldung zum Handelsregister“ und „Ausschließung“.

Ausschließung Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . 1468 B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert . . . . . . . . . . . . . 1470 I. OHG und KG . . . . . . . . . . 1472 II. GmbH . . . . . . . . . . . . . . 1476

III. Stille Gesellschaft . IV. Genossenschaft . . V. Idealverein . . . . . VI. Erbengemeinschaft . VII. Gemeinschaft . . .

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Rn. 1477 1478 1480 1483 1488

A. Einleitung 1468

Praktische Bedeutung hat vor allem die Ausschließung eines Gesellschafters aus einer Kapitalgesellschaft oder aus einer Personengesellschaft. Es handelt sich dabei um eine eigenständige Form des Ausscheidens aus der Gesellschaft neben dem Austritt des Gesellschafters. Sie zieht ebenso wie diese eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung nach sich.

1469

Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Formen des Ausscheidens besteht darin, dass die Ausschließung gegen den Willen des betroffenen Gesellschafters stattfindet. Durchgeführt wird die Ausschließung aus einer Kapital- oder Personengesellschaft mangels abweichender Satzungsregelung mit einer Ausschlussklage und einem ihr entsprechenden gerichtlichen Gestaltungsurteil. Bei der Entscheidung ist eine Gesamtabwägung aller durch das Urteil betroffenen Interessen erforderlich. Dies ist bei der Streitwertberechnung zu berücksichtigen.

1 BGH, Urt. v. 30.4.2001 – II ZR 328/00, MDR 2001, 1006. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.5.2006 – 15 W 9/06, NJW-RR 2007, 1046.

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Ausschließung

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Der Streitwert ist mangels spezieller Bewertungsvorschrift nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.1 Dies gilt auch für den Streitwert der Feststellungsklage, die auf die Unwirksamkeit eines auf Ausschließung von Gesellschaftern gerichteten Beschlusses abzielt.2

1470

Als Grundsatz gilt, dass für die Bewertung in erster Linie das subjektive Interesse des Klägers am wirtschaftlichen Ergebnis der sich anschließenden vermögensrechtlichen Auseinandersetzung maßgebend ist.3 Dies ergibt sich im Wesentlichen aus dem konkreten Umfang der Beteiligung des Klägers an der Gesellschaft. Soweit der Kläger allerdings Rechte der Gesellschaft geltend macht, können bei der Schätzung auch die damit verbundenen höheren objektiven Interessen berücksichtigt werden.4

1471

I. OHG und KG Der Streitwert einer Ausschließungsklage nach § 140 Abs. 1 (i.V.m. § 161 Abs. 2) HGB ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Dabei ist das Interesse der Kläger an der von ihnen erstrebten Ausschließung des beklagten Gesellschafters maßgebend. Wie dieses Interesse konkret zu bestimmen ist, darüber besteht Streit: – Nach herrschender Meinung bemisst sich das Interesse regelmäßig nach dem (wirtschaftlichen) Wert der Gesellschaftsanteile der Kläger, da es das Ziel der Klage ist, diesen Wert sicherzustellen und zu erhalten.5 Nur bei Vorliegen besonderer Umstände kann es angezeigt sein, den Wert des Streitgegenstandes niedriger als den Wert der Geschäftsanteile anzusetzen,6 z.B. bei Wertminderung des Geschäftsanteils durch Verluste.7 – Nach anderer Auffassung richtet sich das Interesse der Kläger einer Ausschlussklage nicht nach dem Verkehrswert der Anteile, sondern nach dem wirtschaftlichen Wert, den das Ausscheiden nach dem Vorbringen der übrigen Gesellschafter für diese hat. Der Streitwert berechnet sich demgemäß nach dem Schaden, der durch das weitere Verbleiben des Beklagten in der Gesellschaft eintritt bzw. nach den Möglichkeiten, die sich durch das Ausscheiden für die erfolgreiche Arbeit der Gesellschaft ergeben. Erst für die wirtschaftliche Bewertung dieser Umstände sind dann allerdings auch das Gesellschaftsvermögen, die Gewinne der letzten Zeit und der Verkehrswert mit heranzuziehen.8 Aus diesem Grunde kommen die beiden Meinungen in der praktischen Anwendungen vielfach zu ähnlichen Ergebnissen.

1472

Geht das Interesse des Klägers dahin, nach dem Ausschluss der anderen Gesellschafter das Geschäft allein fortzuführen und sich damit mindestens den

1473

1 2 3 4 5 6 7 8

OLG Zweibrücken, Rpfleger 1969, 247; OLG Frankfurt, JurBüro 1979, 1195. OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.1984 – 12 W 254/84, JurBüro 1985, 1083. OLG Frankfurt, JurBüro 1979, 1195. BVerfG, Beschl. v. 31.10.1996 – 1 BvR 1074/93, NJW 1997, 311. OLG Frankfurt, MDR 1957, 138; OLG Frankfurt, JurBüro 1985, 1083. BGHZ 19, 173; OLG Frankfurt, JurBüro 1966, 1068. OLG Hamburg, OLGE 31, 4. OLG Hamm, Rpfleger 1962, 222.

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Ausschließung Geschäftsgewinn zu erhalten, den er in den vorangegangenen Jahren durchschnittlich jährlich erzielt hat, so ist der Streitwert nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt1 auf etwa das Fünffache dieses Jahresbetrages festzusetzen. Dem hat sich das OLG München2 jedenfalls für den Fall angeschlossen, dass die Gesellschaft bei geringem Eigenkapital hohe Gewinne erzielt. 1474

Bei der Bewertung einer Klage des ausgeschiedenen Kommanditisten auf Feststellung, dass die Ausschließung nichtig ist, ist für die Schätzung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht der Kapitalanteil des Beteiligten, sondern das Interesse an dem Ausschluss maßgeblich. Ausgangspunkt ist der Wert der Geschäftsanteile des Klägers (also des Ausgeschiedenen), wobei maßgeblich auf den Verkehrswert abzustellen ist.3

1475

Die Klage auf Eintragung des Ausscheidens eines Gesellschafters aus der Gesellschaft in das Handelsregister (§ 143 Abs. 2 HGB) ist mit 1/4 des Wertes des Anteils des Klägers anzusetzen.4

II. GmbH 1476

Die Ausschließung aus einer GmbH ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten. Soll der Gesellschafter unter Auszahlung seines Geschäftsanteils ausgeschlossen werden, so ist der Wert des auszuzahlenden Anteils bei der Festsetzung des Streitwerts nicht zu berücksichtigen. Bestimmend ist vielmehr der Wert der Anteile der in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschafter, weil es diesen darum geht, sich den Wert ihrer Geschäftsanteile durch Ausschließung des ungeeigneten Gesellschafters zu erhalten und sicherzustellen.5 Der Streitwert wird durch einen Streit um die Ausschließungsbedingungen nicht erhöht.6 Die Anteile der verbleibenden Gesellschafter sind dabei mit ihrem wirtschaftlichen Wert, nicht mit ihrem Nennwert anzusetzen.7

III. Stille Gesellschaft 1477

Die Ausschließung eines Gesellschafters aus einer atypischen stillen Gesellschaft ist ebenfalls nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten.8 Den Streitwert hat das OLG Köln entsprechend der Einlage des stillen Gesellschafters bemessen. Dagegen sollen der Verkehrswert des Unternehmens, das Betriebsvermögen und die Gewinnerwartungen für die Zukunft keine Berücksichtigung finden, wenn der Antrag darauf gerichtet ist, die Nichtigkeit des Beteiligungsvertrages festzustellen. 1 2 3 4

5 6 7 8

OLG Frankfurt, BB 1953, 426. OLG München, MDR 1962, 63 unter Ablehnung von BGHZ 19, 173. BGHZ, 19, 175; OLG Rostock, Urt. v. 19.12.2007 – 6 U 103/06, OLGR 2009, 97. BGH, Rpfleger 1979, 194; diff. OLG Karlsruhe (Beschl. v. 29.5.2006 – 15 W 9/06, OLGR 2007, 591), wonach für die Klage auf Zustimmung des Beklagten zur Löschung seiner Kommanditistenstellung im Handelsregister – unabhängig von dem Wert der Anteile des Klägers – pauschal 5.000 Euro anzusetzen seien, da das wirtschaftliche Interesse an einer solchen Bereinigung des Registers regelmäßig gering sei. BGHZ 19, 175; OLG Frankfurt, MDR 1967, 138; OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1. OLG Neustadt, MDR 1964, 605. OLG Bamberg, JurBüro 1963, 556. OLG Köln, JurBüro 1970, 427.

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Ausschließung

IV. Genossenschaft Der Streit über die Wirksamkeit des Ausschlusses eines Genossen ist grundsätzlich nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen und nach den oben dargelegten Grundsätzen zu schätzen. Ausnahmsweise betrifft der Streit einen nichtvermögensrechtlichen Gegenstand, wenn der Ausschluss auf die Behauptung ehrenrührigen Verhaltens gestützt wird. Dies gilt auch dann, wenn (weitere) vermögenswerte Interessen der Genossen mit im Spiele sind. Der Gebührenstreitwert ist dann nach § 48 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien zu bestimmen.1 Für die Bemessung des Streitwerts einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Ausschließung eines Genossen ist, wenn in einer solchen Klage die Geltendmachung eines vermögensrechtlichen Anspruches erblickt wird, lediglich der wirtschaftliche Wert maßgebend, den ein Anteil an der Genossenschaft für jeden Genossen hat, also der Vorteil, den die Mitgliedschaft als solche für den einzelnen mit sich bringt.2 Hält ein Genosse mehrere Anteile, dann erhöht sich der Streitwert entsprechend.

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V. Idealverein Der Streit um die Wirksamkeit des Ausschlusses eines Mitgliedes aus einem Idealverein wird zumeist im Wege der Feststellungsklage des Mitglieds oder des Vereins vor Gericht ausgetragen. Es handelt sich dabei um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit. Der Streitwert einer solchen Klage ist nach § 48 Abs. 2 GKG nach den gesamten Umständen des Falles festzusetzen.3 Dies mag im Einzelfall einen nicht unerheblichen Begründungaufwand erfordern, ist aber der pauschalen Festsetzung4 auf jeden Fall vorzuziehen. Zu berücksichtigen sind bei der Festsetzung nicht nur das Affektionsinteresse des Mitglieds, sondern auch mögliche wirtschaftliche Vor- und Nachteile der Mitgliedschaft, beispielsweise eine persönliche Haftung als nicht entlastetes Vorstandsmitglied, die Mitgliedschaft als (im Ausnahmefall gegebene) Voraussetzung für die Teilnahme am Wirtschaftsleben etc.5

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* Æ Beispiel: Das OLG Koblenz hat die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Ausschlusses aus einem Idealverein („Porsche-Club“) mit (umgerechnet) 2.000 Euro bewertet.6 Im einstweiligen Verfügungsverfahren hat das OLG Köln7 die Wirksamkeit des Ausschlusses aus einem Verein mit (umgerechnet) 500 Euro bewertet.

Wenn allerdings hinreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung fehlen, sollten die Gerichte nicht mit Begründungshülsen scheinbar genaue Werte fest1 2 3 4 5 6 7

RGZ 163, 202; OLG Celle, JurBüro 1961, 455. OGH, Rpfleger 1948/49, 469; Hartmann, Kostengesetze, Anh. I § 48 GKG Rn. 60. OLG Frankfurt, Rpfleger 1966, 25. Vgl. KG, KostRsp. GKG a.F. § 14 C Nr. 10: in aller Regel unter 3000 DM. OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.7.2003 – 9 W 13/03, JurBüro 2003, 644. OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1989 – 5 W 374/89, JurBüro 1990, 1034. OLG Köln, Beschl. v. 5.10.1983 – 2 W 87/83, MDR 1984, 153.

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1482

Ausschließung setzen, sondern sich am Regelwert des § 52 Abs. 2 GKG (derzeit 5.000 Euro) bzw. § 23 Abs. 3 RVG (derzeit 4.000 Euro) orientieren.

VI. Erbengemeinschaft 1483

Innerhalb einer Erbengemeinschaft kommt der Ausschluss eines Miterben wegen Erbunwürdigkeit (§ 2339 BGB) in Betracht. Die Erbunwürdigkeit wird gem. §§ 2340 Abs. 1, 2342 BGB durch Erhebung einer Anfechtungsklage mit dem Ziel geltend gemacht, dass der Anfall der Erbschaft als nicht erfolgt gilt.

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Seit der Entscheidung des BGH vom 20.10.19691 bemisst die Rechtsprechung den Streitwert gem. § 3 ZPO. Entscheidend sei dabei die Beteiligung des Beklagten am Nachlass und der ihm drohenden finanziellen Einbuße durch die Erbunwürdigkeitserklärung.2 Dies wird damit begründet, dass ein solcher Bewertungsmodus dem Beklagten unter Umständen einen Rechtsmittelweg eröffnet, der nicht gegeben wäre, wenn lediglich auf den Vorteil des Klägers abgestellt würde, der bei einer mehr als zwei Personen umfassenden Erbengemeinschaft geringer als der umstrittene Anteil des Beklagten sein kann.3 Nach anderer Ansicht4 ist für die Bestimmung des Streitwertes nur der vom Kläger erstrebte Vorteil maßgeblich, der sich aus der beantragten Ausschließung des Beklagten aus der Erbengemeinschaft ergibt.

1485

Die Vertreter der ersten Meinung verkennen den Unterschied zwischen Streitwert und Beschwer: Für den Streitwert als Grundlage der Zuständigkeitsbestimmung und der Gebührenberechnung ist bei der Schätzung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG das Interesse des Klägers am Rechtsstreit maßgeblich. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei der Erbunwürdigkeitsklage um eine Gestaltungsklage handelt, die nicht nur die wirtschaftliche Position des Klägers, sondern auch die Stellung des Beklagten als Erbe bzw. Mitglied der Erbengemeinschaft unmittelbar zum Gegenstand hat. Für die Wertfestsetzung ist daher entscheidend, welchen erbrechtlichen Vorteil der Kläger mit dem Wegfall des Beklagten als Erbe bzw. aus der Erbengemeinschaft anstrebt. Dieser Bewertung versperrt dem Beklagten auch kein sonst gegebenes Rechtsmittel. Denn bei Bestimmung der Beschwer des Beklagten ist seine Belastung durch die angefochtene Entscheidung maßgeblich (vgl. das Stichwort „Rechtsmittel“).

1486

Hat die Ausschlussklage gegen einen Erben das Ziel, ein Nachlassgrundstück vom Beklagten herauszuverlangen, wurde der Streitwert früher gem. § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem vollen Wert des Nachlasses5 bzw. nach dem vom Kläger durch erbrechtliche Besserstellung erstrebten Vorteil bemessen.6 1 BGH, Beschl. v. 20.10.1969 – III ZR 208/67, MDR 1970, 124. 2 OLG Frankfurt, JurBüro 1971, 540; OLG Koblenz, Beschl. v. 11.12.1996 – 14 W 739/ 96, MDR 1997, 693. 3 Vgl. dazu Schneider, MDR 1972, 278. 4 Hartmann, Anh. I § 48 GKG Rn. 42; so auch für den Fall der Erbauseinandersetzung OLG Celle, Beschl. v. 23.3.2001 – 22 W 21/01, OLGR 2001, 142. 5 Vgl. OLG Hamburg, Rpfleger 1951, 570; OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 219. 6 BGH, LM § 3 Nr. 16; Speckmann, MDR 1972, 908.

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Aussetzung Der Streitwert in einem auf Auseinandersetzung einer zweigliedrigen Erbengemeinschaft gerichteten Rechtsstreit ist bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf die Punkte zu beschränken, die zwischen den Parteien streitig sind.1

1487

VII. Gemeinschaft S. dazu die Stichwörter „Aufhebung von Gemeinschaften“ und „Wohnungseigentum“, Rn. 6322 ff.

1488

Ausschlussurteil Mit der Aufnahme von Beschränkungen und Vorbehalten im Ausschlussurteil wird nicht entschieden, ob die geltend gemachten bzw. behaupteten materiellen Rechte des Anmeldenden gegenüber dem Antragsteller bestehen. Dies ist nach altem Recht vielmehr dem ordentlichen Zivilverfahren vorbehalten.

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Der Streitwert der Klage auf Beseitigung des im Ausschlussurteil nach § 927 BGB enthaltenen Vorbehalts der Rechte für einzelne Mitglieder einer Erbengemeinschaft entspricht dem vollen Wert des Grundstücks.2 Ein Widerspruch zur neueren Rechtsprechung in Miterbenstreitigkeiten, die den Anteil des Klägers berücksichtigt (s. das Stichwort „Miterbe“), besteht nicht. Denn die Entscheidung des OLG Koblenz beruhte auf der Erwägung, dass die vom Kläger erstrebte Rechtsfolge dahin zielte, sich allein das streitbefangene Grundstück voll anzueignen; es ging also nicht um Grundstücksanteile.

1490

S. auch das Stichwort „Aufgebotsverfahren“ zum alten Recht im ZPO-Teil und zum neuen Recht im FamFG-Teil.

Aussetzung Literatur: E. Schneider, MDR 1973, 542; N. Schneider, AGS 2003, 82.

Die Aussetzung eines Rechtsstreits dient der Entscheidungsharmonie und der sachlich gebotenen Berücksichtigung außerprozessualer Vorgänge bei der Urteilsfindung.3 Anordnung und Ablehnung der Aussetzung unterliegen der sofortigen Beschwerde, § 252 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung steht die Aussetzung in der Regel nicht entgegen.4

1491

Der Streitwert für ein Verfahren über einen Aussetzungsantrages entspricht nicht dem Streitwert des Hauptverfahrens.5 Gegen eine Heranziehung des

1492

1 BGH, Beschl. v. 24.4.1975 – III ZR 173/72, MDR 1975, 741; OLG Bremen, Beschl. v. 16.9.2003 – 2 U 27/03, RVG-Berater 2004, 126; zu den Einzelheiten vgl. das Stichwort „Miterbe“. 2 OLG Koblenz, NJW 1962, 1162. 3 Zöller/Greger, § 148 Rn. 1. 4 BGH, Beschl. v. 8.11.1999 – II ZB 1/99, MDR 2000, 168 = NJW 2000, 1199; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.7.2006 – 2 W 30/06, juris; OLG Hamm, MDR 1971, 495. 5 So noch OLG Düsseldorf, JMBl.NW 1956, 187; OLG Hamm, NJW 1971, 273.

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Aussetzung Streitwerts der Hauptsache spricht bereits, dass mit der Aussetzung keine inhaltliche Ausgestaltung der Sachentscheidung, sondern nur deren Aufschub begehrt wird. Maßgeblich ist vielmehr das nach § 3 ZPO zu schätzende Interesse der antragstellenden Partei an einer Aussetzung, das gilt sowohl für eine Aussetzung nach § 148 ZPO,1 nach § 149 ZPO2 als auch nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG.3 1493

Dieser Maßstab gilt auch für die Bestimmung des Beschwerdewertes,4 ferner für die Bewertung der gesetzlich nicht geregelten Untätigkeitsbeschwerde.5

1494

Nach ganz überwiegender Ansicht ist eine Bruchteilsbewertung von 1/5 in Ansatz zu bringen.6 Dem ist als Regelbewertung zuzustimmen, die Bewertung entspricht derjenigen für den Streit über eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (s. das Stichwort „Einstweilige Einstellung“) und über die Aufnahme eines ruhenden Verfahrens (s. Stichwort „Verfahrensruhe“). Besondere Umstände eines Einzelfalles können jedoch zu einer Bruchteilserhöhung oder -ermäßigung Anlass geben.7 Hierzu dürfte jedoch nicht ausreichen, dass der Beklagte einer Aussetzung unter Hinweis auf eine Entscheidungsreife des Rechtsstreit widerspricht.8 Anders kann es liegen, wenn der Kläger die Glaubwürdigkeit der prozessentscheidenden Aussage des Beklagten durch ein Strafverfahren erschüttern will und den Rechtsstreit bis zu dessen Beendigung ausgesetzt haben will.9 Wird die Aussetzung oder das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf schwebende Musterprozesse begehrt, kann auch

1 BGHZ 22, 283; OLG Nürnberg, JurBüro 1963, 56. 2 OLG Schleswig, Rpfleger 1962, 425; OLG Koblenz, Beschl. v. 23.2.1973 – 6a W 78/73, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 317. 3 OLG Dresden, Beschl. v. 22.4.2003 – 10 UF 660/01, FamRZ 2004, 34. 4 BGHZ 22, 283; KG, Beschl. v. 23.2.2001 – 21 W 1336/00, AGS 2003, 81 mit Anm. N. Schneider; OLG Düsseldorf, FamRZ 1974, 311; OLG Frankfurt, JurBüro 1979, 1073 a.E.; OLG Hamburg, MDR 2002, 479; OLG Köln, MDR 1973, 683 = JMBl.NW 1973, 118; WRP 1982, 236; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aussetzung“ Rn. 2. 5 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.9.2008 – 5 W 46/08, BauR 2009, 1933 mit einem nicht näher begründeten Ansatz von 1/5 der Klageforderung; OLG Rostock, Beschl. v. 4.9.2009 – 3 W 74/09, OLGR 2009, 959: 1.000,00 Euro. 6 OLG Brandenburg, FamRZ 1996, 496; OLG Celle, Beschl. v. 7.1.2003 – 20 W 31/02, juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.4.2002 – 20 W 31/02, InstGE 2, 229; Beschl. v. 2.12.1992 – 18 W 58/92, OLGR 1993, 110; OLG Frankfurt, OLGR 1994, 34; OLG Hamburg, Beschl. v. 30.11.2001 – 12 W 23/91; MDR 2002, 479; OLG Koblenz, Beschl. v. 24.10.2005 – 5 W 656/05, MDR 2006, 289 = AGS 2005, 560; OLG Köln, WRP 1982, 236; OLG Nürnberg, Beschl. v. 12.11.1970 – 3 W 94/70, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 265; BayVGH, AGS 2002, 58; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 12.2.2004 – 11 S 46/04, juris; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Aussetzung“ Rn. 1; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 Rn. 24; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, Anh. § 3 Rn. 25 unter „Aussetzungsantrag“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Aussetzungsbeschluss“; abweichend OLG Jena, Beschl. v. 2.3.2001 – 2 W 53/01, OLGR 2002, 192 = OLG-NL 2001, 238: 1 /10; OLG Koblenz, Beschl. v. 23.2.1973 – 6a W 78/73, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 317: 1/10; OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.7.1970 – 3 W 18/70, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 254: 1/3; einschränkend Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 ZPO Rn. 24: höchstens 1/3. 7 OLG Köln, MDR 1973, 683; OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.3.1965 – 2 W 87/64; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, Anh. § 3 Rn. 25 unter „Aussetzungsantrag“. 8 So aber OLG Hamm, OLGR 1997, 354 und Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Aussetzungsbeschluss“: dann 1/2. 9 OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.3.1965 – 2 W 87/64, KostRsp. ZPO, § 3 Nr. 129.

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Kurpat

Automatenaufstellvertrag auf die Ersparnis von Aufwendungen und der Entlastung vom Prozesskostenrisiko abgestellt werden.1 Auch für einen Antrag auf zeitweilige Aussetzung der Zwangsvollstreckung bemisst sich der Streitwert nicht gem. § 6 ZPO nach dem Betrag der Vollstreckungsforderung, wie vom OLG München2 angenommen wird, sondern nach § 3 ZPO. Er ist also frei zu schätzen, ohne dass hierbei von der Höhe der Gebühren auf die Höhe des Streitwertes geschlossen werden kann.3

1495

Aussonderung Die Streitwertbestimmung bei Klagen von Aussonderungsberechtigten (§§ 47 ff. InsO) und Massegläubigern (§ 53 InsO) hinsichtlich eines dem Schuldner nicht gehörenden Gegenstands aus der Insolvenzmasse aufgrund eines dinglichen oder persönlichen Rechts richtet sich nicht nach § 182 InsO, sondern nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG.4 Maßgeblich ist die Höhe der Forderung oder der geringere Wert des Gegenstandes, an dem das persönliche oder dingliche Recht geltend gemacht wird.

1496

Die Bewertung der Aussonderungsansprüche ist demgemäß so vorzunehmen, dass die konkret verfolgten Rechte entsprechend dem Klageantrag nach den jeweils einschlägigen Bewertungsregeln zu bemessen sind, wobei es sich meist um materiellrechtliche Ansprüche nach § 985 BGB handelt.

1497

Für die Klagen der Massegläubiger gilt dies selbst dann, wenn unsicher ist, ob die Masse zur Deckung ausreicht.5 Jedoch ist der Nominalbetrag der Forderung eines Massegläubigers dann nicht anzusetzen, wenn der Insolvenzverwalter sich ausdrücklich auf Masseunzulänglichkeit beruft und der Kläger zum Feststellungsantrag auf Bestehen einer bezifferten Masseforderung übergeht.6

1498

Automatenaufstellvertrag A. Zuständigkeitsstreitwert Wird eine bezifferte Forderung geltend gemacht, ist ihr Wert maßgebend (§ 3 ZPO). Ist das Rechtsverhältnis selbst Streitgegenstand, etwa bei einer Klage auf Feststellung des Rechts zur Aufstellung von Automaten oder auf Unterlassung, dieses Recht zu beeinträchtigen, dann ist von den voraussichtlichen Gewinnen des Automatenaufstellers der restlichen behaupteten Vertragslaufzeit auszugehen. Dieser hat, um seiner Pflicht zur Wertangabe nach § 253 1 So für das finanzgerichtliche Verfahren BFH, Beschl. v. 18.11.1970 – I B 29-31/70, BB 1971, 598: hier Bruchteilsbewertung mit 1/20. 2 OLG München, NJW 1953, 1716. 3 OLG Köln, Rpfleger 1976, 138. 4 BGH, NJW-RR 1988, 690; Schneider, MDR 1974, 101. 5 OLG Frankfurt, OLGE 31, 6. 6 S. BGH, NJW-RR 1988, 690 zur Revisionsbeschwer.

N. Schneider

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1499

Bauhandwerkersicherungshypothek Abs. 2 ZPO nachzukommen, eine Berechnung darzulegen. Wird auf Feststellung geklagt, dass ein Vertragsverhältnis nicht (mehr) bestehe, ist das Interesse des Klägers zu schätzen.

B. Gebührenstreitwert 1500

Das Rechtsverhältnis, aufgrund dessen Automaten in einen Gaststättenbetrieb eingegliedert werden (Automatenaufstellvertrag), ist kein der Miete oder der Pacht ähnliches Nutzungsverhältnis im Sinne des § 41 GKG. Denn dem Aufsteller geht es nicht um Rechte an einer Fläche oder an einem Raum, sondern um den Einsatz seines Automaten; der Gastwirt wiederum will nicht Fläche oder Raum vermieten, sondern sich am Einspielgewinn beteiligen.1

1501

Beim üblichen Automatenaufstellvertrag handelt es sich um ein Rechtsverhältnis, bei dem für beide Vertragspartner die Gewinnzuteilung im Vordergrund steht. Der Automat wird damit dem Gastwirt nicht etwa zur Nutzung im Sinne von § 41 GKG überlassen, sodass eine Beschränkung des Streitwerts auf höchstens einen Jahresbetrag nicht stattfindet.2

1502

Deshalb ist der Streitwert mangels einer speziellen Vorschrift nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO zu schätzen.

1503

Bewertungsschwierigkeiten ergeben sich selten, weil der Automatenaufsteller in der Regel bezifferte Leistungsklage wegen Schadensersatzes oder entgangenen Gewinns erhebt, sodass sich der Streitwert nach § 3 ZPO richtet und gleich der Höhe der Forderung ist.

1504

Wird auf Feststellung des Rechts zur Aufstellung von Automaten oder auf Unterlassung, dieses Recht zu beeinträchtigen, geklagt, dann ist von den voraussichtlichen Gewinnen des Automatenaufstellers auszugehen. Dieser hat, um seiner Pflicht zur Wertangabe nach § 61 GKG nachzukommen, eine Berechnung darzulegen. Diese muss wenigstens so substantiiert sein, dass eine nachvollziehbare Schätzung nach § 64 GKG möglich ist.

Bauhandwerkersicherungshypothek 1505

Bei einer Klage auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek (§ 648 BGB) richtet sich der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG.3 Auszugehen ist bei der Schätzung vom Wert der zu sichernden Forderung.4 Kosten bleiben gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 1 S. dazu BGH, Urt. v. 22.3.1967 – VIII ZR 10/65; BGHZ 47, 202 ff. = WM 1967, 754. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 18.6.1980 – 14 W 212/80, JurBüro 1980, 1861 = Rpfleger 1980, 487 = VersR 1980, 1123. 3 Soweit das LG Saarbrücken in einer früheren Entscheidung (AnwBl. 1981, 70) den Streitwert nicht nach § 3 ZPO geschätzt, sondern nach Maßgabe des § 6 ZPO bewertet hat, ist diese unzutreffende Auffassung vereinzelt geblieben. Das OLG Bremen hat seine früher (AnwBl. 1976, 441) vertretene Auffassung mittlerweile aufgegeben und folgt nunmehr der h.M. (OLG Bremen, Beschl. v. 22.12.1980 – 2 W 101/80, JurBüro 1982, 1052). 4 KG, Rpfleger 1962, 156; OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 1136.

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Bauhandwerkersicherungshypothek Abs. 2 ZPO nachzukommen, eine Berechnung darzulegen. Wird auf Feststellung geklagt, dass ein Vertragsverhältnis nicht (mehr) bestehe, ist das Interesse des Klägers zu schätzen.

B. Gebührenstreitwert 1500

Das Rechtsverhältnis, aufgrund dessen Automaten in einen Gaststättenbetrieb eingegliedert werden (Automatenaufstellvertrag), ist kein der Miete oder der Pacht ähnliches Nutzungsverhältnis im Sinne des § 41 GKG. Denn dem Aufsteller geht es nicht um Rechte an einer Fläche oder an einem Raum, sondern um den Einsatz seines Automaten; der Gastwirt wiederum will nicht Fläche oder Raum vermieten, sondern sich am Einspielgewinn beteiligen.1

1501

Beim üblichen Automatenaufstellvertrag handelt es sich um ein Rechtsverhältnis, bei dem für beide Vertragspartner die Gewinnzuteilung im Vordergrund steht. Der Automat wird damit dem Gastwirt nicht etwa zur Nutzung im Sinne von § 41 GKG überlassen, sodass eine Beschränkung des Streitwerts auf höchstens einen Jahresbetrag nicht stattfindet.2

1502

Deshalb ist der Streitwert mangels einer speziellen Vorschrift nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO zu schätzen.

1503

Bewertungsschwierigkeiten ergeben sich selten, weil der Automatenaufsteller in der Regel bezifferte Leistungsklage wegen Schadensersatzes oder entgangenen Gewinns erhebt, sodass sich der Streitwert nach § 3 ZPO richtet und gleich der Höhe der Forderung ist.

1504

Wird auf Feststellung des Rechts zur Aufstellung von Automaten oder auf Unterlassung, dieses Recht zu beeinträchtigen, geklagt, dann ist von den voraussichtlichen Gewinnen des Automatenaufstellers auszugehen. Dieser hat, um seiner Pflicht zur Wertangabe nach § 61 GKG nachzukommen, eine Berechnung darzulegen. Diese muss wenigstens so substantiiert sein, dass eine nachvollziehbare Schätzung nach § 64 GKG möglich ist.

Bauhandwerkersicherungshypothek 1505

Bei einer Klage auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek (§ 648 BGB) richtet sich der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG.3 Auszugehen ist bei der Schätzung vom Wert der zu sichernden Forderung.4 Kosten bleiben gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 1 S. dazu BGH, Urt. v. 22.3.1967 – VIII ZR 10/65; BGHZ 47, 202 ff. = WM 1967, 754. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 18.6.1980 – 14 W 212/80, JurBüro 1980, 1861 = Rpfleger 1980, 487 = VersR 1980, 1123. 3 Soweit das LG Saarbrücken in einer früheren Entscheidung (AnwBl. 1981, 70) den Streitwert nicht nach § 3 ZPO geschätzt, sondern nach Maßgabe des § 6 ZPO bewertet hat, ist diese unzutreffende Auffassung vereinzelt geblieben. Das OLG Bremen hat seine früher (AnwBl. 1976, 441) vertretene Auffassung mittlerweile aufgegeben und folgt nunmehr der h.M. (OLG Bremen, Beschl. v. 22.12.1980 – 2 W 101/80, JurBüro 1982, 1052). 4 KG, Rpfleger 1962, 156; OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 1136.

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Bauhandwerkersicherungshypothek GKG unberücksichtigt.1 Maßgebend ist das Interesse des Gläubigers im Zeitpunkt der Antragstellung.2 Wird die Eintragung einer Vormerkung verlangt, sind die wichtigsten Bemessungsfaktoren neben der Höhe der zu sichernden Forderung die Dringlichkeit des Sicherungsinteresses und die Rangwahrung einer Vormerkung. Als Bruchteil wird hier meist ein Bruchteil von 1/4 bis 1/3 der erstrebten Sicherungshypothek angesetzt.3

1506

Zur Eintragung einer Vormerkung aufgrund einer einstweiligen Verfügung gem. §§ 648, 885 BGB s. das Stichwort „Einstweilige Verfügung“. Zur Löschung einer bereits eingetragenen Vormerkung vgl. das Stichwort „Löschung von Grundpfandrechten“.

1507

Streitig ist die Wertbestimmung, wenn die Klage auf Zahlung des Werklohns mit einer Klage auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek verbunden wird: – Nach einer Meinung erhöht dieser zusätzliche Antrag den Streitwert nicht. Es ist lediglich auf die Höhe der Werklohnforderung abzustellen. Da der Sicherungsanspruch nur aus dem Leistungsanspruch folgt, sind beide auf dasselbe Interesse ausgerichtet und verfolgen beide den Zweck, die Befriedigung des Gläubigers zu bewirken. Es handelt sich um einen Anwendungsfall des Additionsverbotes wegen wirtschaftlicher Identität.4 – Die Gegenmeinung5 stellt darauf ab, dass die wirtschaftliche und rechtliche Abhängigkeit des Sicherungs- vom Forderungsanspruch keine Identität der beiden Ansprüche bedeutet, da durchaus unterschiedliche Entscheidungen über sie ergehen könnten. Bereits dies mache deutlich, dass für beide Ansprüche eigenständige Streitwerte anzusetzen und diese nach § 5 ZPO zusammenzurechnen seien, wobei allerdings das OLG München6 den Wert für die Sicherungshypothek auf den vollen Forderungsbetrag festsetzt, während das OLG Düsseldorf7 diese nur mit 1/5 des Forderungsbetrags berücksichtigt.

1508

1 LG Tübingen, BauR 1984, 309. 2 LG Frankfurt, AnwBl. 1983, 556. 3 OLG Bamberg, JurBüro 1975, 940; OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 719; OLG Bremen, Beschl. v. 22.12.1980 – 2 W 101/80, JurBüro 1982, 1052; OLG Celle, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 781; OLG Düsseldorf, JurBüro 1975, 649; LG Leipzig, JurBüro 1995, 26; vgl. auch OLG Saarbrücken, JurBüro 1987, 1218: 1/2 der Forderung einschl. der Kostenpauschale. 4 OLG Köln, VersR 1964, 673; OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 1136; KG, Beschl. v. 12.9.1997 – 4 W 1583/97, BauR 1998, 829; OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.9.2002 – 12 W 42/02, BauR 2003, 131; OLG Nürnberg, Beschl. v. 2.7.2003 – 6 W 2019/03, JurBüro 2003, 594. 5 OLG München, Beschl. v. 27.9.1999 – 28 W 2150/99, BauR 2000, 927; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.1996 – 23 W 19/96, OLGR 1997, 136; OLG Hamburg, Beschl. v. 15.1.2001 – 9 W 101/00, OLGR 2001, 217. 6 OLG München, Beschl. v. 27.9.1999 – 28 W 2150/99, BauR 2000, 927. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.1996 – 23 W 19/96, OLGR 1997, 136.

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Baulandverfahren

Baulandverfahren Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . 1509 B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert . . . . . . . . . . . . . I. Geldentschädigung . . . . . . . II. Enteignung . . . . . . . . . . . . III. Umlegung . . . . . . . . . . . . 1. Enteignungsähnlicher Eingriff .

1510 1511 1515 1518 1519

Rn. 2. Anfechtung des Umlehungsplans . . . . . . . . . . . . . 3. Beteiligung mehrerer Grundstückseigentümer . . . . . . IV. Grenzregelung . . . . . . . . V. Vorzeitige Besitzeinweisung VI. Aufschiebende Wirkung . . . C. Rechtsmittel und Beschwer

. . 1520 . . . .

. . . .

1527 1530 1531 1534

. . 1538

Stichwortübersicht Rn. Aufhebung – des Enteignungsbeschlusses . . . 1516 – des gemeindlichen Umlegungsplans . . . . . . . . . . . . . . . . 1520 Aufschiebende Wirkung . . . . . 1534 ff. Beschwerde gegen Umlegungsplan . 1538 Besitzeinweisung, vorzeitige . . . . 1531 Einbeziehung in Umlegungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 1520 Enteignungsbeschluss, Aufhebung . 1516 Entschädigung . . . . . . . . . . . . 1516 Entschädigungsanträge, unbezifferte 1512 Herausnahme eines Grundstücks . 1523 Höchstbetrag im Klageantrag . . . . 1513

Rn. Leistungsantrag, unbezifferter . . . 1511 Mehrere Grundstückseigentümer 1527 ff. Mindestbetrag im Klageantrag . . . 1513 Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes . . . . . . . . . . . . . . . . 1520 Teilfläche . . . . . . . . . . . . . . 1530 Umlegungsplan . . . . . . . . . . 1518 ff. – Aufhebung . . . . . . . . . . . . . 1538 – Tauschverfahren . . . . . . 1521, 1525 Verkehrswert . . . . . . . . . . . . . 1519 Vorläufiger Rechtsschutz . . . . . 1534 ff. Vorzeitige Besitzeinweisung . . . 1531 ff. Zufahrt . . . . . . . . . . . . . . . . 1523 Zwangsmaßnahmen . . . . . . . . . 1537

A. Einleitung 1509

Das Verfahren in Baulandsachen fällt in den Aufgabenbereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Bei den Landgerichten und den Oberlandesgerichten werden besondere Baulandkammern und Baulandsenate gebildet, denen zwei Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit und ein Verwaltungsrichter angehören. Im Revisionsverfahren gibt es keine besondere Besetzung (vgl. §§ 220, 229, 230 BauGB1). Nach § 221 Abs. 1 BauGB gelten für Streitigkeiten in Baulandsachen die Vorschriften für Klagen in Bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten entsprechend.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 1510

Bei der Bestimmung des Zuständigkeits- und Gebührenstreitwerts ist darauf abzustellen, welches Ziel der Kläger mit seiner Klage verfolgt. Anhand dieses Klageantrages sind die Regelungen zur Streitwertberechnung zu bestimmen.

1 Früher §§ 160, 169, 170 BBauG.

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Baulandverfahren

I. Geldentschädigung Wird mit der Klage eine bezifferte Geldentschädigung verlangt, dann ist für den Streitwert der geforderte Betrag oder der Mehrbetrag gegenüber der bereits bewilligten Summe maßgebend (§ 6 Satz 1 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG). Bei unbezifferten Anträgen auf Zahlung einer Entschädigung gelten auch in Baulandsachen die allgemeinen Bemessungsregeln.1

1511

Der Streitwert einer unbezifferten Leistungsklage bemisst sich nach dem Betrag, der sich als angemessene Entschädigung des Klägers ergibt, wenn von dessen Tatsachenbehauptungen über das den Entschädigungsanspruch auslösende Geschehen und über den Umfang des entstandenen und zu ersetzenden Schadens ausgegangen wird.2

1512

Etwa im Klageantrag bezifferte Mindest- oder Höchstbeträge stellen in jedem Fall die äußerste untere oder obere Grenze für den Streitwert dar. Ausnahmsweise ist der unbezifferte Leistungsantrag in Baulandsachen dann nicht nach den in der Antragsbegründung genannten Höchstbeträgen anzusetzen, wenn sich aus einer vom Antragsteller beigefügten Wirtschaftlichkeitsberechnung eines Architekten ergibt, dass der Zahlenvorschlag nicht als Entschädigungssumme angestrebt sein kann, sondern die Bezifferung lediglich von einem Höchstschaden ausgeht, um an dessen Hand die angemessene und erstrebte Entschädigung zu berechnen.3

1513

Erledigt sich ein unbezifferter Leistungsantrag ohne gerichtliche Entscheidung, dann ist der Streitwert ebenfalls nur nach den Tatsachenbehauptungen des Antragstellers zu bemessen.4

1514

II. Enteignung Bei gerichtlichem Vorgehen im Zuge eines Enteignungsverfahrens (§§ 85 ff. BauGB) richtet sich der Streitwert nach dem objektiven Verkehrswert des von der Enteignung betroffenen Grundstücks (§ 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG).5 Der Streitwert eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung, der die Behörde zur Einleitung eines Enteignungsverfahrens verpflichten soll, wird durch den Wert des Grundstücks bestimmt, das enteignet werden soll.6 Denn der Streit, ob der Eigentümer sein Eigentum im Wege der Enteignung hergeben muss, steht einem Streit, der eine Klage auf Auflassung zum Gegenstand hat, so nahe, dass hier nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG bemessen werden muss.

1515

Nach dem OLG Bremen7 richtet sich der Streitwert eines Antrages auf Aufhebung des Enteignungsbeschlusses auch dann nach dem objektiven Verkehrswert des betreffenden Grundstückes, wenn der Eigentümer vorträgt, die Entschädigung sei zu niedrig. Ein höherer Wert komme nur in Betracht, wenn der Kläger hilfsweise eine höhere Entschädigung beantrage. Diese Entscheidung

1516

1 2 3 4 5 6 7

Vgl. OLG Köln, JurBüro 1970, 606; OLG München, Rpfleger 1968, 361. Vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Unbezifferte Anträge“. OLG Köln, JurBüro 1971, 85. OLG Köln, JurBüro 1970, 606. BGHZ 50, 291. BGH, Beschl. v. 28.9.1967 – III ZR 164/66, NJW 1968, 153. OLG Bremen, Beschl. v. 7.12.1984 – W (B) 1/84 (a), JurBüro 1985, 764.

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Baulandverfahren ist jedoch bedenklich.1 Wenn der Kläger in der Klagebegründung ausführt, die Entschädigung sei zu niedrig berechnet, weil der Verkehrswert des Grundstückes zu gering angesetzt werde, dann kann nicht einfach von dem Betrag ausgegangen werden, den die Enteignungsbehörde festgesetzt hat. Vielmehr muss für den Gebührenstreitwert den Angaben des Klägers gefolgt oder gem. § 64 GKG ein Wertgutachten eingeholt werden. 1517

Bei der enteignenden Belastung eines Grundstückes mit einer beschränkt persönlichen Leitungsdienstbarkeit ist die Beschwer gleich der Differenz der Verkehrswerte des Grundstücks ohne Belastung und mit Belastung.2

III. Umlegung 1518

In Umlegungssachen (§§ 45 ff. BauGB) ist hinsichtlich der Streitwertbestimmung zu differenzieren: 1. Enteignungsähnlicher Eingriff

1519

Geht es dem Antragsteller nicht in erster Linie um die Zuweisung von Ersatzland im Tauschverfahren oder um eine höhere Geldentschädigung, sondern steht der Verlust einer Grundstücksfläche im Vordergrund, sodass der Streitfall enteignungsähnliche Züge trägt, ist der Streitwert entsprechend § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem objektiven Verkehrswert des eingebrachten Grundstücks zu bemessen.3 Diese Ansicht ist insofern zutreffend, als es hier um den totalen Eigentumsverlust geht. Dieselbe Bewertung ist natürlich auch (erst recht) geboten, wenn die Rechtsverfolgung vom Eigentümer betrieben wird. 2. Anfechtung des Umlegungsplans

1520

Geht es dagegen um die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes dem Grunde nach, also etwa darum, ob und auf welche Weise ein Grundstück in die Umlegung einbezogen werden darf oder nicht, dann ist der Streitwert gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach freiem Ermessen zu schätzen.4 Der Tendenz der Verwaltungsgerichte, solche Sachverhalte als nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten einzuordnen, um den Streitwert möglichst niedrig halten zu können,5 ist von den Zivilgerichten mit Recht nicht nachgegeben worden.

1521

Auch die Schätzung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG kann zunächst vom objektiven6 Verkehrswert des von der Umlegung betroffenen Grundstücks ausgehen. Sinn der Umlegung ist es aber nicht, das Eigentum an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken zu nehmen, sondern nur zu 1 Vgl. Anm. Schneider zu OLG Bremen, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 750. 2 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 821. 3 BGH, NJW 1985, 3073; OLG Bamberg, Beschl. v. 29.5.1998 – 9 BAU W 6/98, JurBüro 1998, 542; OLG Düsseldorf, KostRsp. BauG §§ 161, 168 Nr. 6. 4 BGH, Beschl. v. 22.2.1968 – III ZR 140/66, BGHZ 49, 319; BGH, Beschl. v. 13.2.1969 – III ZR 123/68, BGHZ 51, 341; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.3.2006 – 21 U 1/05, JurBüro 2006, 538; OLG Hamburg, NJW 1965, 2404. 5 Vgl. Gelzer, DVBl. 1962, 888, 890. 6 BGH, KostRsp. BBauG §§ 161, 168 Nr. 4.

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Onderka

Baulandverfahren verändern und das Eigentum in veränderter Form fortsetzen zu lassen.1 Angestrebt wird im Regelfall eine Neuordnung wie im Tauschverfahren. Insofern wird bei Verfahren, mit welchen beispielsweise die Einbeziehung von Grundstücken in den Umlegungsplan angefochten oder die Zuweisung einer anderen Ersatzfläche angestrebt wird, nur ein Bruchteil des Grundstückswertes als Streitwert angesetzt. Als Grundsatz gilt hier Folgendes: – Der Streitwert im Umlegungsverfahren beträgt im Regelfall 20 % der vom Umlegungsplan erfassten dinglichen Rechte des Antragstellers, wenn dieser sich nicht gegen die Umlegung als solche wendet, sondern lediglich ein für sich günstigeres Ergebnis der Umlegung erreichen will.2 – Der Streitwert ist allerdings geringer als mit 20 % des objektiven Grundstückwertes festzulegen, wenn das Begehren des Antragstellers wertmäßig noch unter 20 % seiner von der Umlegung betroffenen Rechte liegt.3 – Eine Ausnahme von der Bruchteilsbewertung gilt dann, wenn mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Zuteilung weiteren Grundbesitzes erstrebt wird. Dann kann mindestens der volle Verkehrswert des zusätzlich begehrten Grundstücks angesetzt werden.4

1522

In der Rechtsprechung sind zur Anfechtung von Umlegungsverfahren folgende Fälle entschieden worden:

1523

Geht es dem Antragsteller nur darum, Erschwernisse bei der Zufahrt zu seinem Grundstück zu vermeiden, dann kann der Wert mit 10 % der in die Umlegung einbezogenen Fläche angesetzt werden.5 Wird die Herausnahme eines Grundstücks aus der Umlegung angestrebt, so wird überwiegend ein Bruchteil von 20 % des objektiven Grundstückswertes angesetzt.6 Das OLG Celle7 setzt 20 % bis 33 % des Verkehrswertes an. Die Entscheidungen des OLG Nürnberg8 und des OLG München9 die in solchen Fällen beide vom halben Verkehrswert ausgegangen sind, hat der BGH10 ausdrücklich abgelehnt. Das Rechtsschutzinteresse eines an der Umlegung beteiligten Grundstückspächters kann nicht in Anlehnung an den Grundstückswert, sondern lediglich 1 BGH, Beschl. v. 1.12.1977 – III ZR 139/77, MDR 1978, 648. 2 OLG München, JurBüro 1971, 881; s. auch BGH, NJW 1973, 2202 zur Besitzeinweisung. 3 OLG München, JurBüro 1971, 888. 4 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.3.2006 – 21 U 1/05, JurBüro 2006, 538 unter Bezugnahme auf BGH, Beschl. v. 15.12.1988 – III ZR 187/88. 5 OLG Karlsruhe, AnwBl. 1974, 353. 6 BGH, Urt. v. 22.2.1968 – III ZR 140/66, BGHZ 49, 317; BGH, Beschl. v. 13.2.1969 – III ZR 123/68, BGHZ 51, 341; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.9.1983 – W 2/83, AnwBl. 1984, 202; OLG München, Beschl. v. 18.2.1993 – W 2/93 Bau, OLGR 1993, 240; OLG München, Beschl. v. 12.2.1993 – W 1/93 Bau, OLGR 1993, 187; OLG Bamberg, Beschl. v. 1.7.1983 – 5 W 33/83, JurBüro 1983, 1538; OLG Bamberg, Beschl. v. 29.5.1998 – 9 BAU W 6/98, JurBüro 1998, 542; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.3.2006 – 21 U 1/05, JurBüro 2006, 538. 7 OLG Celle, Beschl. v. 12.10.1994 – 4 W (Baul) 175/94, OLGR 1995, 23. 8 OLG Nürnberg, JurBüro 1965, 154. 9 OLG München, NJW 1967, 1666. 10 BGHZ 49, 320.

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1524

Baulandverfahren in Anlehnung an den Wert des Nutzungsrechtes bemessen werden. Für Mietund Pachtverträge sieht § 41 GKG eine Bewertung in Höhe des einjährigen Entgelts vor. Sofern die Umlegung nicht zur Aufhebung, sondern lediglich zur Umgestaltung des Nutzungsrechtes führt (§ 61 BauGB), kommt sogar noch ein Abschlag hiervon in Betracht.1 1525

Die Beanstandung des Umlegungsplanes mit dem Ziel, das zugewiesene Grundstück gegen ein anderes zu tauschen, damit eine nachteilige Bebauung verhindert werde, ist ebenfalls nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten. Maßgebend ist das Interesse daran, weiterhin ohne Nachbarn zu wohnen. Das OLG Bamberg2 hat den Wert in einer früheren Entscheidung mit mehr als 20 % des Grundstücksverkehrswertes bemessen. Diese Bewertung erscheint zu hoch und ist auch kaum mit der Rechtsprechung zu vereinbaren, wonach sogar die Abwehr des Umlegungsplanes mit dem Ziel, das eigene Grundstück ganz aus der Umlegung herauszuhalten, lediglich mit 20 % des Verkehrswertes beziffert wird.

1526

Ein Verfahren, mit welchem die Eigentümer mit ihrem Klagebegehren den beschleunigten Abschluss eines seit über elf Jahre andauernden Umlegungsverfahrens erstrebten, wurde mit 20 % des Wertes von Grund und Boden der eingeworfenen Fläche einschließlich vorhandener baulicher Anlagen, Anpflanzungen und sonstiger Einrichtungen bewertet.3 3. Beteiligung mehrerer Grundstückseigentümer

1527

Das OLG Köln4 hat in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH bei Beteiligung mehrerer Grundstückseigentümer, die Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt hatten, den Streitwert wie folgt bemessen: Die Werte der Grundstücke der beteiligten Antragsteller sind zunächst zusammengerechnet worden. Von der so ermittelten Wertsumme ist ein Betrag i.H.v. 20 % als Streitwert festgesetzt worden.

1528

Gegen die Streitwertbemessung in Umlegungsverfahren durch Wertaddition gem. § 5 ZPO bei mehreren Antragstellern hat sich das OLG München5 mit der Begründung gewandt, dass überhöhte Streitwerte gegen das Gebot der Chancengleichheit der Parteien verstießen. Der Verfassungsgrundsatz der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit gelte auch im Kostenrecht. Deshalb dürfe die Kostenbelastung des Staatsbürgers nicht außer Verhältnis zu seinem Interesse am Ausgang des Verfahrens stehen. Das OLG München hat dann folgende Grundsätze der Bemessung ausgesprochen: – Im Umlegungsverfahren ist der Streitwert für jeden der beteiligten Grundstückseigentümer oder Rechtsinhaber gesondert festzusetzen. – Er bemisst sich für den einzelnen Grundstückseigentümer oder Rechtsinhaber nach dem Verkehrswert der von ihm nach dem Umlegungsplan ab1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.2.2006 – 21 W 1/06, JurBüro 2006, 539. 2 OLG Bamberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 610 mit krit. Anm. Schneider; ebenfalls – allerdings eher am Rande – erfolgt der Ansatz von 20 % in der Entscheidung des OLG Bamberg vom 29.5.1998 – 9 BAU W 6/98, JurBüro 1998, 542. 3 BGH, Beschl. v. 1.12.1977 – III ZR 139/77, MDR 1978, 648. 4 OLG Köln, JurBüro 1969, 1090. 5 OLG München, NJW 1967, 1666.

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Baulandverfahren zugebenden oder von ihm zu empfangenden Grundstücksteile oder Grundstücke sowie nach dem Wert etwaiger von ihm zu leistender oder zu empfangender Entschädigungszahlungen. – Die durch die Zusammenrechnung aller genannten Posten gewonnene Summe ist zu halbieren. – Für die Gemeinde, die den Umlegungsplan aufgestellt hat, ist als Streitwert die Summe der Streitwerte aller am gerichtlichen Verfahren beteiligten Antragsteller festzusetzen. Die Ansicht, dass für jeden der beteiligten Grundstückseigentümer oder Rechtsinhaber der Streitwert gesondert festzusetzen ist, hat der BGH1 allerdings verworfen. Er hält dem entgegen, das OLG München habe bei seiner abweichenden Auffassung nicht bedacht, dass der einzelne Eigentümer nicht zur Tragung des sich aus einer Zusammenrechnung der Werte ergebenden Streitwerts herangezogen werden könne (§§ 100 Abs. 1, 2 ZPO; §§ 22 Abs. 1, 29 Nr. 1 GKG).

1529

IV. Grenzregelung Der Wert des Beschwerdegegenstandes einer Berufung oder Revision, die sich gegen die Zulässigkeit einer Grenzregelung (§§ 80 ff. BauGB) richtet, ist in entsprechender Anwendung von § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Wert der Teilfläche zu bestimmen, die der Rechtsmittelführer im Wege des Flächenaustausches oder einer einseitigen Zuteilung an einen anderen Eigentümer verlieren soll.2 Denn bei diesen Streitigkeiten geht es darum, ob der Eigentümer eine Teilfläche seines Grundstücks verlieren soll oder nicht.

1530

V. Vorzeitige Besitzeinweisung Der Streitwert für ein gerichtliches Verfahren über eine vorzeitige Besitzeinweisung (§§ 77, 116, 224 BauGB) ist in entsprechender Anwendung des § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG nach dem Interesse des Antragstellers zu bemessen, das gem. § 3 ZPO frei zu schätzen ist.3

1531

Zu dieser Schätzung werden in der Rechtsprechung unterschiedliche Ansichten vertreten: – Den Streitwert des Verfahrens über die Rechtmäßigkeit einer vorzeitigen Besitzeinweisung hat das LG Bayreuth4 mit 1/3 des Verkehrswerts der Fläche bewertet. – Das OLG Hamburg5 bestimmt den Wert dieses Interesses in der Regel mit 1/3 des Wertes der Fläche, auf die sich die Besitzeinweisung bezieht. – Das OLG Nürnberg6 geht ebenfalls vom Verkehrswert der am Verfahren beteiligten Grundstücke aus und hat hiervon 1/4 angesetzt.

1532

1 2 3 4 5 6

BGHZ 49, 320. BGH, Urt. v. 1.7.1968 – III ZR 88/67, BGHZ 50, 291. OLG Hamburg, NJW 1965, 2404. LG Bayreuth, Beschl. v. 12.11.1985 – O 10/85, JurBüro 1986, 586. OLG Hamburg, NJW 1965, 2404. OLG Nürnberg, JurBüro 1965, 155.

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Baulandverfahren 1533

Mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des BGH zum Streitwert in Umlegungsverfahren ist zweifelhaft, ob diese Bruchteilsbewertung überhaupt noch angewandt werden kann. Wenn schon das Umlegungsverfahren als solches nur mit 20 % des Grundstückswertes einschließlich vorhandener baulicher Anlagen bemessen werden darf, dann muss der Streitwert der Besitzeinweisung geringer liegen, jedenfalls dann, wenn es sich um eine vorzeitige Besitzeinweisung handelt. Der BGH1 hat sich auch in den Fällen der vorzeitigen Besitzeinweisung auf 20 % des Wertes des Gegenstandes, um dessen Besitz es geht, festgelegt.

VI. Aufschiebende Wirkung 1534

Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtung aufschiebende Wirkung. Sie entfällt in den gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen. Dann besteht jedoch nach § 80 Abs. 5 Abs. 5 VwGO die Möglichkeit, bereits vor Einleitung des Hauptverfahrens beim Gericht zu beantragen, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anzuordnen. Für Baulandsachen gilt diese Regelung entsprechend und wird bei der vorzeitigen Besitzeinweisung gem. § 224 BauGB praktisch.

1535

Diese Maßnahme vorläufigen Rechtsschutzes muss nach besonderen Grundsätzen bewertet werden. Das OLG München2 hat den Antrag eines Mieters an die Kammer für Baulandsachen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen eine vorzeitige Besitzeinweisung mit dem Wert der Nutzungen eines Jahres angesetzt. Der Senat hat die Bewertung mit dem einjährigen Mietzinsbetrag für solche Fälle als Regel erklärt. Er begründet dies mit entsprechender Anwendung des (jetzigen) § 41 Abs. 1 GKG.

1536

Nach dem LG Bayreuth3 ist der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung gegen die vorzeitige Besitzeinweisung anzuordnen, in der Regel mit 1/3 des Streitwertes für das Verfahren der vorzeitigen Besitzeinweisung zu beziffern, der Rechtmäßigkeitsstreits wiederum mit 1 /3 des Verkehrswertes der Fläche.

1537

Hat ein Beteiligter gegen eine vorzeitige Besitzeinweisung Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, so sind Zwangsmaßnahmen zur Verschaffung des tatsächlichen Besitzes nur mit Zustimmung des Gerichts zulässig, bei dem die Sache anhängig ist. Der Streitwert einer sofortigen Beschwerde gegen eine Entscheidung auf Erteilung oder Verweigerung der gerichtlichen Zustimmung zu Zwangsmaßnahmen ist nach OLG Stuttgart4 in der Regel dem einer Beschwerde gegen die vorzeitige Besitzeinweisung selbst gleichzusetzen.

1 2 3 4

BGH, NJW 1973, 2202; so auch OLG Köln, Rpfleger 1976, 140. OLG München, JurBüro 1972, 52. LG Bayreuth, Beschl. v. 12.11.1985 – O 10/85, JurBüro 1986, 586. OLG Stuttgart, NJW 1970, 1693; die Entscheidung ist an beiden Fundstellen nur mit Leitsatz wiedergegeben, sodass nicht ersichtlich ist, wie das OLG Stuttgart die Beschwerde bewertet.

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Bebauungsverpflichtung

C. Rechtsmittel und Beschwer Der Wert des Beschwerdegegenstandes einer Berufung oder Revision, mit der ein Grundstückseigentümer die Regelung in einem Umlegungsplan aufgehoben sehen will, wonach hinsichtlich der von dem betreffenden Eigentümer eingeworfenen Grundstücksfläche zum Teil eine Landabgabe für Verkehrszwecke, zum Teil die Zuweisung einer anderen Grundstücksfläche sowie die Entrichtung von Ausgleichszahlungen stattfinden soll, ist mit 20 % des Wertes von Grund und Boden der eingeworfenen Fläche einschließlich vorhandener baulicher Anlagen, Anpflanzungen und sonstiger Einrichtungen zu bemessen.1

1538

Bearbeitungsgebühren Nach einem Schadensfall, insbesondere nach einem Verkehrsunfall ist der Geschädigte mitunter mangels eigener Mittel genötigt, einen Kredit aufzunehmen, um die Unfallfolgen beheben zu lassen. Die dadurch anfallenden Finanzierungskosten sind bei der Streitwertbemessung zu berücksichtigen, da es sich um eigenständige Gegenstände handelt.2 Es handelt sich nicht um „Kosten“ im Sinne des Streitwertrechts (s. zu diesem Begriff unten das Stichwort „Nebenforderungen“ Rn. 4014 ff.).

1539

Anderer Ansicht ist das OLG Köln,3 das diese Kosten als Nebenforderung nach den § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG nicht berücksichtigen will.

1540

S. auch das Stichwort „Inkassokosten“, Rn. 3176.

Bebauungsverpflichtung Eine Bebauungsverpflichtung findet sich in Grundstückskaufverträgen, wenn der Verkäufer sicherstellen will, dass das Grundstück überhaupt (innerhalb einer bestimmten Frist) bzw. auf eine bestimmte Art und Weise bebaut wird. Beispielsweise wird eine Gemeinde den Grundstückskäufern Bebauungsverpflichtungen auferlegen, wenn sie mit der Veräußerung des Grundstücks den Zweck verfolgt, einen Gewerbebetrieb anzusiedeln und dadurch ihr Steueraufkommen zu erhöhen oder wenn sie bei dem Grundstücksverkauf sicherstellen will, dass die Einheitlichkeit des Stadtbildes durch eine in etwa gleichzeitige Bebauung eines größeren Baugebiets gewährleistet wird. Ein privater Verkäufer kann beispielsweise das Interesse haben, eine ihm obliegende Bauverpflichtung an einen Grundstückserwerber weiterzugeben.

1541

Die Bewertung einer solchen Bebauungsverpflichtung spielt in erster Linie im Rahmen der Kostenordnung eine Rolle, nämlich bei der Frage, welcher Geschäftswert für den betreffenden Grundstückskaufvertrag anzusetzen ist, um die Kosten des Urkundsnotars zu berechnen.

1542

1 BGHZ 49, 317; BGH, Beschl. v. 13.2.1969 – III ZR 123/68, BGHZ 51, 341. 2 S. auch das Stichwort „Verkehrsunfallschadensregulierung“ Rn. 5789 ff. 3 OLG Köln, JMBl.NW 1974, 46.

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Bebauungsverpflichtung 1543

Die Frage, wie der Wert einer Bauverpflichtung in diesen Fällen zu bemessen ist, die der Erwerber eines Grundstücks gegenüber dem Veräußerer übernimmt, war in Rechtsprechung und Literatur lange umstritten: – Nach einer Auffassung bot der von einer Gemeinde gewährte Preisnachlass gegenüber dem Verkehrswert des verkauften Grundstücks einen tatsächlichen Anhaltspunkt für eine von dem Regelwert des § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO abweichende Schätzung des Werts.1 – Nach anderer Auffassung sollte der Geschäftswert einen Bruchteil der zu erwartenden Baukosten betragen.2 – Wiederum andere setzten einen Bruchteil des Kaufpreises oder des für den Fall der Nichteinhaltung der Bauverpflichtung vereinbarten Rückkaufpreises an.3 – Schließlich wurde die Auffassung vertreten, dass mangels anderer Anhaltspunkte als Geschäftswert der Bauverpflichtung der Regelwert des § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO anzunehmen sei.4

1544

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 24.11.20055 den Geschäftswert nach dem Gesamtwert der Leistungen des Käufers bzw. nach dem (höheren) Verkehrswert des Grundstücks berechnet. Dabei hat der Senat ausgeführt, dass die Übernahme einer Bau- und Selbstnutzungsverpflichtung in einem Grundstückskaufvertrag eine vermögensrechtliche Angelegenheit im Sinne von § 30 Abs. 1 KostO darstelle, auch wenn der Verkäufer nur ein ideelles Interesse an der Erfüllung der Verpflichtung habe. Gewähre der Verkäufer dem Käufer für die Übernahme einer Bau- und Selbstnutzungsverpflichtung einen Preisnachlass, so sei mangels anderer Anhaltspunkte die Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem Verkehrswert des Grundstücks als Wert der übernommenen Verpflichtung anzusetzen. Entspreche Kaufpreis dem Verkehrswert, so sei der Wert der Verpflichtung grundsätzlich mit einem prozentualen Anteil des Kaufpreises unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen.

1545

Soweit die Bebauungsverpflichtung außerhalb des Bereichs der Kostenordnung zum Streitpunkt wird – also beispielsweise bei einer Klage des Veräußerers auf Erfüllung der Bebauungsverpflichtung oder auf Rückabwicklung des Kaufvertrages wegen Nichterfüllung – ist zur Berechnung des Zuständigkeits- und Gebührenstreitwertes nach §§ 3, 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auf den konkreten Klageantrag abzustellen.

1 OLG Zweibrücken, JurBüro 1998, 202. 2 OLG Frankfurt, DNotZ 1968, 383; OLG Frankfurt, DNotZ 1977, 502; OLG Hamm, NVwZ-RR 2004, 814; Lappe, NJW 1998, 1112; Lappe, NotBZ 2005, 339; Wielgoss, JurBüro 2001, 520. 3 OLG Schleswig, JurBüro 1974, 1416; BayObLG, MittBayNot 1993, 226; OLG Celle, OLGR 1995, 252; OLG Oldenburg, Nds.Rpflege 1997, 137; OLG Zweibrücken, FGPrax 1999, 76. 4 OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 132; KG, Rpfleger 1968, 298; OLG Köln, JurBüro 1986, 589; OLG Düsseldorf, DNotZ 1994, 723; OLG Hamm, NVwZ-RR 2004, 811. 5 BGH, Beschl. v. 24.11.2005 – V ZB 103/05, MDR 2006, 714 = JurBüro 2006, 209.

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Onderka

Beförderung

Bedingte Rechte A. Aufschiebende Bedingung Bei bedingten Rechten ist nicht § 9 ZPO, sondern § 3 ZPO Bemessungsgrundlage.1

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Bei der Schätzung nach § 3 ZPO ist die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Voraussetzungen für die Entstehung des künftigen Anspruchs zu berücksichtigen.2 Das kann ein Bruchteil des geltend gemachten Anspruchs, aber im Einzelfall auch der volle Wert sein.3

1547

Entgegen des RG4 ist § 3 ZPO (und nicht § 6 ZPO) auch dann anzuwenden, wenn eine noch nicht fällige Forderung eingeklagt wird.5 Der volle Betrag kommt in diesem Fall als Streitwert nur in Betracht, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die zu titulierende Forderung demnächst auch realisiert werden kann.

1548

Anwartschaftsrechte sind entweder nach § 6 ZPO oder nach § 3 ZPO zu bewerten, je nachdem wie das Klagebegehren lautet (s. dazu das Stichwort „Anwartschaft“).

1549

B. Auflösende Bedingung Steht ein Recht unter einer auflösenden Bedingung, dann ist der Streitwert nach allgemeinen Grundsätzen (in erster Linie nach §§ 3, 6 ZPO) zu bestimmen. Da das Recht voll besteht, ist in der Regel der volle Wert anzusetzen. Im Einzelfall kann allerdings die konkrete Gefahr des Eintritts der auflösenden Bedingung das Recht (teilweise) entwerten und zu einem Abschlag vom Hauptsachewert führen.

1550

Beförderung Bei Streitigkeiten von Beamten im Hinblick auf angestrebte Beförderungen handelt es sich um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, die vor den Verwaltungsgerichten geführt werden. Klagt ein Beamter allerdings gegen seinen Dienstherrn auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung wegen unterlassener Beförderung, so ist dieser Anspruch vor den Zivilgerichten geltend zu machen (§ 839 BGB, Art 34 GG). Bei einem solchen Verfahren berechnet sich die Beschwer bei Klageabweisung nach dem Rechtsgedanken des § 9 ZPO.6 Maßgeblich ist also der 3 1/2-fache Wert der einjährigen Bruttogehaltsdifferenz 1 BGH, MDR 1982, 36; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.11.1960 – 5 W 61/60, KostRsp. ZPO § 9 Nr. 5. 2 RG, JW 1908, 13 Nr. 15. 3 BGH, MDR 1982, 36. 4 RGZ 118, 321. 5 So mit Recht OLG Nürnberg, Beschl. v. 4.7.1961 – 1 W 39/61, Rpfleger 1963, 178. 6 BGH, Beschl. v. 30.4.2008 – III ZR 202/07, MDR 2008, 829.

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Befreiung von einer Verbindlichkeit zwischen der aktuellen Besoldungsgruppe des Klägers und der mit der Beförderung erstrebten maßgebend. 1552

Von dieser Summe ist der für Feststellungsklagen übliche Abschlag von 20 % vorzunehmen. Dies gilt auch dann, wenn (wie regelmäßig bei der öffentlichen Hand als Beklagter) damit zu rechnen ist, dass der Beklagte sich dem Feststellungsausspruch beugen wird, denn auch dann muss die weniger weit tragende, weil in der Hauptsache nicht vollstreckungsfähige Wirkung eines Feststellungsurteils gegenüber dem Leistungsurteil Berücksichtigung finden.1

1553

Der Gebührenstreitwert bestimmt sich in solchen Fällen nach § 52 Abs. 5 GKG. Danach ist in einem Verfahren, das die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betrifft, der Streitwert entweder nach dem 13-fachen Betrag des Endgrundgehalts zuzüglich ruhegehaltfähiger Zulagen oder nach der Hälfte dieses Betrages, die Hälfte des 13-fachen Anwärtergrundbetrags zuzüglich eines Anwärtersonderzuschlags bzw. die Hälfte des vertraglich für die Dauer eines Jahres vereinbarten Gehalts maßgebend. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach § 52 Abs. 5 Satz 1 GKG ergebenden Betrags.

Befreiung von einer Verbindlichkeit Literatur: Weisbrodt, Die Berücksichtigung von Nebenforderungen beim Wert des Freistellungsanspruchs, JurBüro 1995, 115; Görmer, Berücksichtigung von Zinsen und Kosten beim Wert der Befreiungsklage, NJW 1999, 1309; Görmer, Der Streitwert eines Befreiungsanspruchs, JurBüro 2010, 68. Gliederungsübersicht A. Überblick

Rn. . . . . . . . . . . . . 1554

B. Bemessungsgrundsätze I. Leistungsanträge . . . . . . . . . 1556 II. Feststellungsanträge . . . . . . . 1566 C. Rechtsprechung zu Einzelfragen I. Gesamtschuldner . . . . . . . . II. Persönliche und dingliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unterhaltsansprüche . . . . . . IV. Wiederkehrende Versicherungsbeiträge . . . . . . . . . . . . . .

1575 1582 1587 1589

Rn. V. Haftpflichtversicherung . . . . VI. Vermögensabgabe . . . . . . . VII. Lastenausgleich . . . . . . . . VIII. Kosten eines Vorprozesses . . IX. Außergerichtliche Schadensregulierung . . . . . . . . . . . X. Einrede des Befreiungsanspruchs, „Aufrechnung“ mit Befreiungsanspruch . . . . . . XI. Befreiung von einer Nebenforderung . . . . . . . . . . . . .

1590 1594 1595 1596 1597

1598 1599

A. Überblick 1554

Der Wert für einen Anspruch auf Befreiung von einer Verbindlichkeit ist sowohl für den Zuständigkeitsstreitwert, den Rechtsmittelstreitwert und den 1 BGH, Beschl. v. 30.4.2008 – III ZR 202/07, MDR 2008, 829; BGH, Beschl. v. 20.1.2000 – III ZR 304/99; BGH, Beschl. v. 3.5.2005 – IX ZR 195/02.

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N. Schneider

Befreiung von einer Verbindlichkeit Gebührenstreitwert (Gericht und Anwalt) gleichermaßen zu bestimmen. Die Wertfestsetzung richtet sich letztlich immer nach den §§ 3 ff. ZPO, die über § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auch für die Gerichtsgebühren gelten und über § 23 Abs. 1 Satz 1, 3 RVG auch für die Anwaltsgebühren. Zum Teil wird vertreten, dass in bestimmten für die Gerichts- und Anwaltsgebühren – abweichende Bemessungskriterien gelten, nämlich dann, wenn im GKG – insbesondere für wiederkehrende Leistungen – gesonderte Wertvorschriften enthalten sind. Einzelheiten sind hier jedoch strittig.

1555

B. Bemessungsgrundsätze I. Leistungsanträge Der Anspruch auf Befreiung von einer Verbindlichkeit wird, wenn er beziffert ist, nach § 887 ZPO vollstreckt. Der Wert ist nach § 3 ZPO zu schätzen.1

1556

Eine sinngemäße Anwendung privilegierender Vorschriften für den Wert der Gerichts- oder Anwaltsgebühren, z.B. § 42 GKG, scheidet grundsätzlich aus, es sei denn, dass die privilegierenden Tatbestandsmerkmale bei beiden Parteien gegeben sind. Anderenfalls ist auch hier in Ausrichtung auf die §§ 8, 9 ZPO die voraussichtliche Dauer der Leistungen maßgebend, deren Freistellung begehrt wird.2

1557

Zinsen und Kosten des Anspruchs, von dem Befreiung begehrt wird, sind nach zutreffender Ansicht keine Nebenforderung des Befreiungsanspruchs und deshalb bei der Wertfestsetzung zu berücksichtigen, sofern auch insoweit Befreiung verlangt wird.3 Dies hat schon das RG festgestellt.4 Es zählt der Gesamtbetrag, den der Befreiungsschuldner ablösen muss. Zum Sonderfall des Anspruchs auf Befreiung von einer Nebenforderung s.u. Rn. 4179 ff.

1558

Der BGH5 hat die Auffassung des RG zwar aufgegeben und sieht die Zinsen, von denen zu befreien ist, als Nebenforderungen an. Dies ist jedoch unzutreffend, da die Zinsen nur Berechnungsfaktor des einheitlichen Befreiungsanspruchs sind. Der BGH widerspricht sich zudem, da nach seiner eigenen Definition unter „Zinsen“ das vom Schuldner zu entrichtende Entgelt für die Überlassung von Kapital zu verstehen ist.6 Der Befreiungsschuldner hat dem Hauptschuldner aber kein Kapital überlassen; die anfallenden Zinsen sind auch kein Entgelt im Verhältnis des Befreiungsschuldners zum Hauptschuldner. S. ausführlich das Stichwort „Nebenforderungen“, Rn. 4179.

1559

Zinsen werden nur dann Nebenforderungen, wenn der Gläubiger gezahlt hat und der Befreiungsanspruch sich in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat und darauf nunmehr Zinsen verlangt werden.

1560

1 BGH, JurBüro 1975, 325 = NJW 1974, 2128 = Rpfleger 1974, 428. 2 S. BGH, Rpfleger 1974, 428 = NJW 1974, 2128 = JurBüro 1975, 325; OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 162 zu k; KG, Rpfleger 1964, 321; ungenügende Differenzierung bei OLG Oldenburg, FamRZ 1991, 966. 3 S. ausführlich Görmer, JurBüro 2010, 68. 4 RG, DR 1940, 2009; s. ausführlich bei dem Stichwort „Nebenforderungen“, Rn. 4179 ff. 5 BGH, Beschl. v. 6.10.1960 – VII ZR 42/59, MDR 1961, 48 = NJW 1960, 2336 = JurBüro 1961, 91. 6 BGH, NJW 1998, 2060.

N. Schneider

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Befreiung von einer Verbindlichkeit 1561

Der Befreiungsanspruch ist in der Regel1 dem Betrag der Schuld gleichzusetzen;2 z.B. bei der Klage eines ausgeschiedenen Gesellschafters gegen die OHG auf Befreiung von den betragsmäßig feststehenden Gesellschaftsschulden,3 bei der Klage eines Mitgesellschafters gegen einen geschäftsführenden Gesellschafter, dass dieser für einen bezifferten Schaden alleine haften müsse4 oder bei der Klage des Bürgen gegen den Hauptschuldner.5

1562

Unerheblich für die Bewertung ist, ob der Freistellungsberechtigte seinerseits von einem Dritten einen Ausgleich erlangen kann.6

1563

Eine geringere Bewertung wird in Betracht zu ziehen sein, wenn der Beklagte in Vermögensverfall geraten ist oder der Bürge mit großer Wahrscheinlichkeit nicht auf die volle Hauptsumme in Anspruch genommen werden wird.

1564

Jedoch wird dann zu verlangen sein, dass der Kläger sich auf solche Ausnahmen beruft, um sein gemindertes Interesse darzulegen. Dass lediglich der Beklagte dies vorträgt, genügt nicht, weil es für die Schätzung nach § 3 ZPO nur auf den prozessualen Anspruch (Streitgegenstand) ankommt, nicht auf das Verteidigungsvorbringen des Beklagten.

1565

Maßgebender Zeitpunkt für die Wertfestsetzung ist die Einreichung der Klage auf Befreiung (§ 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG). Bis dahin angefallene Zinsen und auch Kosten des Gläubigers, für die Befreiung geschuldet ist, sind mitzurechnen. Künftige Zinsen und Kosten sind zu schätzen.

II. Feststellungsanträge 1566

Diese Bewertungsgrundsätze gelten erst recht, wenn der Kläger die Höhe des Befreiungsanspruchs noch nicht kennt und ihn deshalb – oder aus anderen Gründen, z.B. weil er die Höhe der gegen ihn gerichteten Ansprüche selbst für übersetzt hält – nicht beziffert. Dann muss er auf Feststellung klagen, dass ihm gegen den Beklagten ein (höhenmäßig noch offener) Befreiungsanspruch zusteht.

1567

Der Klageantrag auf Verurteilung des Beklagten zur unbezifferten Freistellung ist der Sache nach ein bloßes Feststellungsbegehren. Der Streitwert richtet sich wiederum gem. § 3 ZPO nur nach dem Interesse des Klägers.

1568

Das gilt auch dann, wenn der Dritte, dessen Ansprüche der Kläger auf den Beklagten abwälzen will, seinerseits seine Regressforderung beziffert. Er kann damit keinen Einfluss auf die Höhe des Streitwertes nehmen, solange der Kläger diese Bezifferung nicht übernimmt oder konkrete Wertangaben daraus herleitet.7 Dass der Dritte sich als Streithelfer des Klägers am Verfahren beteiligt, ändert daran ebenfalls nichts. Denn auch als Streithelfer ist er nicht

1 Nach BAG, MDR 1960, 616, sogar zwingend. 2 BGH, WPM 1990, 659; OLG Köln, Beschl. v. 15.4.1985 – 2 U 37/85, MDR 1985, 769; OLG Bremen, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 241. 3 RG, JW 1898, 2. 4 RGZ 171, 51. 5 OLG Kiel, OLGE 33, 73; OLG München, Rpfleger 1956, 58; OLG Karlsruhe, AnwBl. 1973, 168. 6 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 992 mit Anm. Schneider = WPM 1990, 659. 7 S. OLG Köln, JurBüro 1978, 1062.

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N. Schneider

Befreiung von einer Verbindlichkeit befugt, durch Erklärungen, die der Kläger nicht übernimmt oder die er nicht gelten lässt, die Höhe des Streitwertes zu steuern. Anderenfalls hätte er es in der Hand, beispielsweise über die Rechtsmittelfähigkeit eines Befreiungsanspruches durch seine Berühmungen zu entscheiden. Ein Feststellungsabschlag ist nicht vorzunehmen, wenn der Freistellungsantrag beziffert ist.1

1569

Anders kann es liegen, wenn der Freistellungserfolg zweifelhaft ist.2

1570

Bei unbezifferten Freistellungsansprüchen ist ein Feststellungsabschlag zu machen, weil eine entsprechende Verurteilung nicht vollstreckbar ist.3 Wie bei der positiven Feststellungsklage (s. das Stichwort „Feststellungsklage“ Rn. 2287 ff.) ist ein Abschlag von 20 % angebracht.4 Dabei ist von der voraussichtlichen Höhe der Inanspruchnahme auszugehen, die ggf. nach §§ 3, 287 ZPO zu schätzen ist.

1571

Maßgebender Zeitpunkt ist zwar auch hier gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG der Zeitpunkt der Einreichung der Klage. Erkenntnisse, die sich während des Rechtsstreits zur genauen Höhe der freizustellenden Forderung ergeben, sind jedoch bei der endgültigen Wertfestsetzung heranzuziehen.5

1572

Wird z.B. Freistellung von voraussichtlichen Schadensbeseitigungs- oder Sanierungskosten verlangt, ist nicht der in der Klageschrift gem. § 63 GKG genannte Wert maßgebend, sondern die objektiven Kosten, die zur Erfüllung der Verbindlichkeit voraussichtlich anfallen werden, mögen diese auch erst im Verlauf des Rechtsstreites ermittelt worden sein. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass nach den Bestimmungen der §§ 4 Abs. 1 ZPO, 40 GKG für die Wertberechnung der Zeitpunkt der Klageeinreichung maßgeblich ist. Gerade in solchen Fällen, bei denen der Aufwand zunächst nicht einmal nachvollziehbar geschätzt werden kann, verbietet es sich, der abschließenden Wertfestsetzung den Orientierungsbetrag nach der Klageschrift zugrunde zu legen, der nur zur Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts und zur Bestimmung der Verfahrensgebühr heranzuziehen ist.6

1573

Manchmal wird der sprachlichen Form nach ein Freistellungsantrag gestellt, bei dem es sich in Wirklichkeit um einen schlecht formulierten echten Feststellungsantrag handelt. Er ist nicht vollstreckbar, sodass der Feststellungsabschlag gerechtfertigt ist.

1574

1 OLG Köln, MDR 1980, 769. 2 Lappe, Anm. zu KostRsp. ZPO § 3 Nr. 757; Schneider, MDR 1986, 182. 3 BGH, Beschl. v. 21.12.1989 – VII ZR 152/88, NJW-RR 1990, 958; OLG Frankfurt, JurBüro 1983, 1561; KG, Beschl. v. 7.7.1998 – 4 U 9420/97 und 4 W 1378/90, MDR 1998, 1310 = JurBüro 1998, 648. 4 BGH, Beschl. v. 20.9.1974 – IV ZR 113/74, WPM 1990, 659 = NJW-RR 1990, 958; KG, Beschl. v. 7.7.1998 – 4 U 9420/97 und 4 W 1378/90, MDR 1998, 1310 = JurBüro 1998, 648. 5 KG, Beschl. v. 7.7.1998 – 4 U 9420/97 und 4 W 1378/90, JZ 1998, 800 = MDR 1998, 1310 = JurBüro 1998, 648 = BauR 1999, 277. 6 KG, Beschl. v. 7.7.1998 – 4 U 9420/97 und 4 W 1378/90, JZ 1998, 800 = MDR 1998, 1310 = JurBüro 1998, 648 = BauR 1999, 277.

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Befreiung von einer Verbindlichkeit

C. Rechtsprechung zu Einzelfragen I. Gesamtschuldner 1575

Verlangt ein Gesamtschuldner Befreiung vom anderen, so kommt es auch hier auf die Höhe der verlangten Freistellung an.1 Eine Mithaftung des Klägers spielt nur dann eine Rolle, wenn sie im Klageantrag auch zu Ausdruck kommt. Ob und in welcher Höhe tatsächlich eine Gesamtschuld besteht, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, nicht aber eine Frage des Streitwerts.

* Æ Beispiel: A und B haften dem C als Gesamtschuldner auf Zahlung von 50.000 Euro, und zwar mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB je zur Hälfte. Verlangt A von B die Freistellung i.H.v. 25.000 Euro, beläuft sich der Streitwert auf 25.000 Euro. Er wird den Prozess gewinnen. Verlangt A von B die Freistellung i.H.v. 50.000 Euro, beläuft sich der Streitwert auf 50.000 Euro. Die eigene Haftung des A ist nicht etwa abzuziehen. Er wird den Prozess jetzt allerdings zur Hälfte verlieren.

1576

Zu berücksichtigen sein kann, welchen Gesamtschuldner der Gläubiger voraussichtlich in Anspruch genommen hätte (§ 421 BGB). Bei Eheleuten spricht die Lebenserfahrung dafür, dass er den berufstätigen und damit verdienenden Ehegatten zur Schuldentilgung heranziehen würde (s. unten Rn. 1586). Angesichts dessen kann nur eine Schätzung nach § 3 ZPO dem jeweiligen Fall gerecht werden. Das OLG Düsseldorf2 bemisst die Freistellung mit dem Wert der Forderung, von der freigestellt wurde, aber nur, wenn keine Umstände vorliegen, wegen deren das Interesse geringer bewertet werden muss. Im Ergebnis läuft dies doch auf eine Schätzung nach § 3 ZPO hinaus.

1577

Die anzusetzende Quote des Streitwerts kann bei der Hälfte des noch valutierten Gesamtschuldbetrags liegen, ohne dass dies aber zwingend wäre. Der Streitwert kann auch höher oder niedriger sein. Demgegenüber nimmt das OLG Hamburg3 an, im Hinblick auf die Innenhaftung zu gleichen Teilen (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB) sei lediglich die Hälfte des noch valutierten Darlehens als Streitwert anzusetzen. Auch dieser Entscheidung kann in ihrer Einseitigkeit nicht gefolgt werden. Das OLG Hamburg stützt seine gegenteilige Auffassung auf die Vorschrift des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu gleichen Anteilen verpflichtet sind, zwei Gesamtschuldner also zu je 50 %. Dabei bleibt jedoch außer Betracht, dass der Gläubiger „die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern“ darf (§ 421 Satz 1 BGB – s. allerdings abweichend § 7 Abs. 2 RVG). Wenn daher einer der Gesamtschuldner im Innenverhältnis die gesamte Schuld auf sich nimmt, befreit er zugleich im Innenverhältnis den anderen von der Gefahr, seinerseits auf das Ganze in Anspruch genommen zu werden. Angesichts dessen ist es nicht vertretbar, ausschließlich auf das Innenverhältnis abzustellen.

1578

Die Situation bei Miterbenstreitigkeiten (s. das Stichwort „Miterbe“ Rn. 4055 ff.) ist nicht vergleichbar, weil es dort ausschließlich um das Innenverhältnis geht und kein Drittgläubiger beteiligt ist. Klagt ein Miterbe auf Fest1 OLG Rostock, Beschl. v. 16.6.2008 – 1 W 25/08, 1 W 43/08, JurBüro 2009, 197. 2 OLG Düsseldorf, OLGR 1994, 28 = FamRZ 1994, 57. 3 OLG Hamburg, JurBüro 1980, 278 mit abl. Anm. Mümmler.

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Befreiung von einer Verbindlichkeit stellung der Nichtigkeit eines Vertrages der Erbengemeinschaft, der den Beklagten zum Ankauf eines Nachlassgrundstückes berechtigt, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an der Befreiung von den Verpflichtungen aus dem Vertrag, nicht nach dem entsprechenden Interesse der ganzen Erbengemeinschaft.1 Wird ein Vergleich geschlossen, wonach eine Partei die andere von Schulden freistellt, ist danach zu fragen, in welcher Höhe der Freistellungsanspruch streitig war. Unzutreffend ist es, ohne Weiteres auf den Wert der freizustellenden Forderung abzustellen.

1579

Das OLG Karlsruhe2 hatte den Wert einer Scheidungsvereinbarung, durch die sich der Beklagte verpflichtet hatte, die Klägerin von ihrer Mithaftung aus einem Darlehensvertrag zu befreien und der Klägerin eine entsprechende Freistellungserklärung der Darlehensgläubigerin zu verschaffen, dem Betrag der Darlehensschuld im Zeitpunkt der Vereinbarung gleich gestellt.

1580

Diese generelle Bewertung ist übersetzt. Das OLG Karlsruhe übersieht, dass derjenige Gesamtschuldner, der einen anderen Gesamtschuldner freistellt, nur dessen Anteil zusätzlich übernimmt. Für seinen eigenen Anteil hatte er vor und nach der Übernahme der Verbindlichkeit einzustehen. Der volle Betrag kann daher auf keinen Fall angesetzt werden, wenn unstreitig ist, dass der Freistellungsverpflichtete zu einem bestimmten Teil ohnehin freistellungsverpflichtet ist und die Parteien sich nur über den Anteil des Freizustellenden streiten. Ist dagegen die Freistellung insgesamt streitig, etwa weil der in Anspruch genommene Gesamtschuldner meint, ihm stehe selbst ein Freistellungsanspruch zu, dann ist der Gesamtwert anzusetzen.

1581

* Æ Beispiel: Die Parteien haften als Gesamtschuldner auf Zahlung von 100.000 Euro. Die Ehefrau ist der Auffassung, sie sei freizustellen. a) Die hälftige Freistellung ist von vornherein unstreitig. Der Streitwert beläuft sich auf 50.000 Euro. b) Der Ehemann ist der Auffassung, die Ehefrau hafte für die Schulden insgesamt, also er selbst habe einen Freistellungsanspruch. Der Streitwert beläuft sich jetzt auf 100.000 Euro. c) Der Ehemann ist zunächst der Auffassung, die Ehefrau hafte für die Schulden insgesamt; später stellt er die hälftige Freistellungsverpflichtung von unstreitig. Der Streitwert beläuft sich auf 100.000 Euro, da es nach § 40 GKG auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage ankommt. Sofern ein Teilanerkenntnisurteil über die Hälfte ergeht, berechnen sich allerdings weitere Kosten (etwa eine Einigungsgebühr) nur noch nach dem verbliebenen Teil.

II. Persönliche und dingliche Haftung Die Befreiung von der persönlichen Haftung für eine Hypothek bemisst sich nach dem Nennbetrag der Forderung,3 nicht nach der wahrscheinlichen Inanspruchnahme.4 1 2 3 4

BGH, Rpfleger 1955, 101. OLG Karlsruhe, JurBüro 1974, 1592 = AnwBl. 1974, 394. RG, Gruchot 34, 1137. OLG Karlsruhe, AnwBl. 1973, 168.

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Befreiung von einer Verbindlichkeit 1583

Anderenfalls müsste zur Bezifferung des Befreiungsinteresses, also im Rahmen der Streitwertschätzung (!), geklärt werden, ob und inwieweit das Grundstück Sicherheit für den Gläubiger bietet und mit welchem Ausfall zu rechnen ist1 – Bewertungsumstände, die sich im Schätzungsverfahren praktisch gar nicht ermitteln lassen.

1584

Wird auf Befreiung von der persönlichen und der dinglichen Haftung geklagt, dann ist die Forderung nur einmal anzusetzen; es wird nicht zusammengerechnet.2

1585

Der Wert des Anspruchs eines Gesamtschuldners gegen den anderen auf Freistellung von der Inanspruchnahme aus einem Baudarlehen und der dafür gestellten Hypothek ist nach dem Nennbetrag der Forderung zu berechnen. Eine doppelte Berücksichtigung wegen der persönlichen und der dinglichen Haftung kommt nicht in Betracht (Rn. 1584). Weder die Unwahrscheinlichkeit noch der Umfang einer etwaigen Inanspruchnahme noch der Umstand, dass Gesamtschuldner im Innenverhältnis grundsätzlich zu gleichen Anteilen verpflichtet sind, rechtfertigt einen Abzug vom Streitwert.3

1586

Dass andererseits nicht zwingend der volle Wert der valutierten Gesamtschuld maßgebend sein muss,4 ist bereits dargelegt worden (oben Rn. 1577). Damit würden Ermessensregeln aufgestellt, die nicht mehr fallbezogen wären. Wenn etwa die Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners völlig unwahrscheinlich ist, widerspräche es billigem Ermessen (§ 3 ZPO), so zu bewerten, als drohe die Gefahr voller Inanspruchnahme. Insbesondere bei Scheidungsvereinbarungen kann Anlass bestehen, den Streitwert im Bereich zwischen vollem Gesamtschuldbetrag und Innenverhältnis-Anteil anzusetzen. Nicht einmal der Anteil des Innenverhältnisses wird gerechtfertigt sein, wenn – wie es häufig der Fall ist – die Ehefrau nur „mitunterschrieben“ hat, der Ehemann dagegen der alleinige Verdiener ist; denn dann hätte sich der Darlehensgläubiger im Zweifel ohnehin nur an den Ehemann gehalten und praktisch auch nur halten können. Die Gefahr einer vollen Inanspruchnahme ist daher in solchen Fällen für die Ehefrau immer geringer als für den Ehemann. Das muss bei der Streitwertbemessung berücksichtigt werden können, was wiederum zur Voraussetzung hat, dass keine starren Bewertungsregeln (die Hälfte – das Ganze) festgeschrieben werden.

III. Unterhaltsansprüche 1587

Auch bei Freistellung von gesetzlichen Unterhaltspflichten ist nach § 3 ZPO zu schätzen.5 Im Rahmen der Schätzung ist die Bemessungsvorschrift des § 42 Abs. 1 oder Abs. 2 GKG (§ 17 Abs. 1 oder 2 GKG a.F.) ebenso wenig wie die des § 8 ZPO oder des § 9 ZPO anwendbar; denn es wird in diesem Fall nicht um die Unterhaltsverpflichtung selbst gestritten, sondern um einen selbständigen und andersgearteten Leistungsanspruch.6 Eine analoge Anwendung pri1 2 3 4

So in der Tat RG, DJZ 1912, 1470; 1926, 450; LG Berlin, JVBl. 1938, 110. RG, Recht 1906 Nr. 1955; KG, JurBüro 1968, 466. KG, JurBüro 1968, 466; im Ergebnis ebenso OLG Karlsruhe, AnwBl. 1974, 394. So OLG Karlsruhe, AnwBl. 1974, 394 = JurBüro 1974, 1592 und KG, JurBüro 1968, 466 (467). 5 BGH, JurBüro 1975, 325 = NJW 1974, 2138; OLG Naumburg, JW 1937, 1658. 6 KG, JurBüro 1963, 682; Rpfleger 1964, 321.

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Befreiung von einer Verbindlichkeit vilegierender Vorschriften, etwa des § 42 GKG, kommt nur dann in Betracht, wenn die Tatbestandsmerkmale der Sondervorschrift bei beiden Parteien gegeben sind, beispielsweise wenn ein kraft Gesetzes Unterhaltspflichtiger von einem anderen gesetzlich Unterhaltspflichtigen Befreiung verlangt. Wird der andere jedoch aus einem anderen Rechtsgrund in Anspruch genommen, etwa aus vertraglicher Übernahme oder aus Delikt, dann scheidet eine analoge Anwendung der privilegierenden Vorschrift aus.1 Bei der nach § 3 ZPO vorzunehmenden Schätzung wird im Blick auf die §§ 8, 9 ZPO auf die voraussichtliche Dauer der Zahlungsverpflichtung des Beklagten abgestellt.2 Dadurch kam es in der Vergangenheit regelmäßig zu recht hohen Streitwerten.3 § 9 Satz 1 ZPO i.d.F. des RPflEntlG 1993 sieht nur noch den 3,5-fachen Jahresbetrag vor, womit er sogar noch unter dem „privilegierenden“ Wert des § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG (5-facher Jahreswert) liegt und das Verhältnis von Prozesswert und Gebührenwert „auf den Kopf“ gestellt ist.4 Der Rechtsprechung,5 die § 9 ZPO a.F. wegen der daraus resultierenden hohen Streitwerte nicht anwandte, ist jedenfalls das Argument genommen.

1588

IV. Wiederkehrende Versicherungsbeiträge Der Streitwert einer Klage auf Feststellung von künftig sukzessive fällig werdenden Versicherungsbeiträgen soll sich nach OLG Saarbrücken6 gem. § 9 ZPO nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag richten. Das dürfte unzutreffend sein. Im Freistellungsverhältnis ist alleine auf § 3 ZPO abzustellen.

1589

V. Haftpflichtversicherung Klagt ein rechtskräftig zum Schadenersatz verurteilter Versicherungsnehmer gegen seinen Haftpflichtversicherer auf Befreiung von der Urteilssumme und den zugunsten des Geschädigten festgesetzten Kosten, dann sind die festgesetzten Kosten dem Streitwert hinzuzurechnen. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn der Geschädigte den Deckungsanspruch aufgrund eines Pfändungsbeschlusses und Überweisungsbeschlusses einklagt.7

1590

Auch bei Ansprüchen gegen einen Haftpflichtversicherer auf Befreiung von Forderungen, die der Geschädigte stellt, wird nicht die begünstigende Vorschrift des § 42 Abs. 1 GKG (§ 17 Abs. 1 GKG a.F.) angewandt,8 sondern in Anlehnung an § 9 ZPO geschätzt (s. auch Rn. 1587 f.).

1591

1 BGH, NJW 1974, 2128 = JurBüro 1975, 325; OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 162; KG, JurBüro 1963, 628; ausf. Schneider, ZAP Fach 13, S. 369. 2 BGH, Rpfleger 1974, 428 = NJW 1974, 2128 = JurBüro 1975, 325; OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 162 zu k; KG, JurBüro 1963, 628 = Rpfleger 1964, 321; Schneider, ZAP Fach 13, S. 369. 3 BGH, JurBüro 1975, 325 = Rpfleger 1974, 428 = NJW 1974, 2128: 12,5-facher Unterhalts-Jahresbetrag für ein fünfjähriges Kind. 4 Lappe, NJW 1994, 1189, äußert verfassungsrechtliche Bedenken. 5 Z.B. OLG Saarbrücken, Rn. 1589 f. 6 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.12.2007 – 5 W 296/07, OLGR 2008, 246. 7 BGH, Beschl. v. 21.1.1976 – IV ZR 123/74, MDR 1976, 649 = VersR 1976, 477. 8 BGH, VersR 1952, 64; RGZ 141, 313.

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Befreiung von einer Verbindlichkeit 1592

Bei einem Befreiungsanspruch der Versicherungsgesellschaft (also nicht des Versicherers; s. dazu vorstehend Rn. 1589) sollte sich nach OLG Saarbrücken1 der gem. § 3 ZPO zu schätzende Streitwert nicht nach § 9 ZPO, sondern bei den Sachverhalten der Vorschrift des § 42 Abs. 1 GKG (§ 42 Abs. 2 GKG a.F.) nach dieser richten, also mit dem 5-fachen Jahresbetrag festzusetzen sein.

1593

Diese Auffassung steht allerdings schwerlich in Einklang mit der Rechtsprechung des BGH (s. vorstehend Rn. 1587). Sie vermied damals den hohen Wert, der sich bei mittelbarer Berücksichtigung des § 9 ZPO ergab, würde aber jetzt genau das Gegenteil bewirken (s. Rn. 1588).

VI. Vermögensabgabe 1594

Wird darüber gestritten, ob und in welchem Umfang eine Partei die andere von ihrer Pflicht zur Entrichtung der Vermögensabgabe gegenüber dem Finanzamt freizustellen habe, so bestimmt sich der Wert des Streitgegenstandes nicht gem. § 9 ZPO, sondern es ist von dem Zeitwert der Vermögensabgabe auszugehen.2

VII. Lastenausgleich 1595

Das Klagebegehren auf Freistellung vom Lastenausgleich stellt sich als ein Anspruch auf Feststellung dahin dar, dass der Beklagte verpflichtet sein soll, den Kläger von dessen Verbindlichkeit zu befreien, sodass der Streitwert nach § 3 ZPO und nicht nach § 9 ZPO zu bestimmen ist.3

VIII. Kosten eines Vorprozesses 1596

Der Streitwert eines Freihalteanspruchs bemisst sich neben der Hauptanforderung, von welcher Freihaltung erstrebt wird, auch nach den Kosten eines wegen dieser Hauptforderung geführten Vorprozesses.4

IX. Außergerichtliche Schadensregulierung 1597

Sind nach einem Verkehrsunfall Schadensersatzforderungen hinsichtlich einzelner Positionen abgetreten, etwa an den Autovermieter wegen der Mietwagenkosten oder an den Sachverständigen hinsichtlich seiner Vergütung, so wird deren Wert für den Anwalt des Geschädigten in voller Höhe berücksichtigt. In diesen Fällen liegt lediglich eine Sicherungsabtretung vor, sodass der

1 2 3 4

OLG Saarbrücken, JBlSaar 1967, 107. BGH, JurBüro 1959, 116 = MDR 1958, 914. OLG Neustadt, Rpfleger 1955, 138. BGH, Beschl. v. 21.1.1976 – IV ZR 123/74 – MDR 1976, 649 = VersR 1976, 477; OLG Bremen, Beschl. v. 23.10.2002 – 3 U 94/01 = AGS 2003, 214 mit Anm. N. Schneider = JurBüro 2003, 82; OLG Hamburg, Beschl. v. 23.10.2002 – 3 U 94/01, JurBüro 2003, 82 = AGS 2003, 214; a.A. OLG Hamburg, Beschl. v. 17.9.2007 – 6 W 65/07, OLGR 2008, 183.

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N. Schneider

Befreiung von einer Verbindlichkeit Geschädigte berechtigt bleibt, den abgetretenen Anspruch weiterhin in eigenem Namen als Freistellungsanspruch geltend zu machen, auch wenn er nur Zahlung an den Zessionar verlangen kann.1

X. Einrede des Befreiungsanspruchs, „Aufrechnung“ mit Befreiungsanspruch Wendet ein Schuldner ein, ihm stehe gegen die vom Gläubiger geltend gemachte Forderung ein Schadensersatzanspruch zu, der auf Freistellung dieser Verbindlichkeit gehe, so erhöht dies nicht den Wert. Das gilt auch dann, wenn die Freistellung nur hilfsweise neben anderem Bestreiten geltend gemacht wird. Maßgebend ist der Wert des geltend gemachten Anspruchs. Dies ist z.B. der Fall, wenn sich der Mandant im Gebührenprozess des Anwalts hilfsweise auf die Schlechterfüllung des abgerechneten Mandats beruft. Bei dem vom Mandanten geltend gemachten Ersatzanspruch handelt es sich dann nicht um eine (hilfsweise erklärte) Aufrechnung, sondern um einen Fall, der der „Anrechnung“ von Gegenpositionen vergleichbar ist, und der die Rechtsfolgen des § 45 Abs. 3 GKG nicht auslöst.2

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XI. Befreiung von einer Nebenforderung Verlangt der Gläubiger neben der Hauptforderung (etwa Zahlung) die Freistellung von Zinsen oder Kosten, weil er diese noch nicht gezahlt hat und er daher insoweit nicht Zahlung verlangen kann, handelt es sich auch bei dem Befreiungsanspruch um eine Nebenforderung nach § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG, wenn der entsprechende Zahlungsanspruch als Nebenforderung anzusehen wäre.

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* Æ Beispiel: Der Beklagte schuldet dem Kläger 10.000 Euro aus einem Kaufvertrag hat. Nach Verzugseintritt finanziert der Kläger diesen Betrag und klagt auf Zahlung der 10.000 Euro sowie Befreiung der an den Darlehnsgeber noch zu zahlenden Zinsen, die er noch entrichtet hat, sodass er nicht auf Zahlung klagen kann. Der Anspruch auf Freistellung von den Zinsen ist jetzt Nebenforderung i.S. des § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG.

Gleiches gilt, wenn die Freistellung vorgerichtlicher Anwaltskosten geltend gemacht wird.

* Æ Beispiel: Der Kläger klagt seinen Schaden aus einem Verkehrsunfall ein und verlangt daneben, Freistellung der an seinen Anwalt für die Regulierung noch zu zahlenden Geschäftsgebühr.

Der Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten ist nach § 4 Abs. 2 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG eine Nebenforderung und bleibt unberücksichtigt. 1 AG Biberach, v. 17.9.1987 – 5 C 604/87, DAR 1988, 27 = VersR 1988, 499; AG Tettnang, v. 21.6.1985 – 3 C 297/85, VersR 1986, 776; AG Limburg, Beschl. v. 6.3.2006 – 4 C 118/06, AGS 2007, 100. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.9.2000 – 24 W 53/00 AGS 2001, 130 = MDR 2001, 113 = OLGR 2001, 171; im Anschluss an BGH, Beschl. v. 24.3.1988 – IX ZR 114/87, NJW 1988, 3013.

N. Schneider

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BEG-Entschädigungsansprüche 1601

Anders verhält es sich nur, wenn Freistellung von Anwaltskosten aus bereits erledigten Positionen geltend gemacht wird. S. dazu „Vorgerichtliche Kosten“ Rn. 5950.

Befriedigung, abgesonderte S. das Stichwort „Abgesonderte Befriedigung“.

BEG-Entschädigungsansprüche 1. Gerichtsgebühren 1602

Für die Verfahren vor den Entschädigungsgerichten werden keine Gerichtsgebühren oder Auslagen erhoben (§ 225 Abs. 1 BEG), soweit es sich nicht um eine offensichtlich unbegründete Klage oder eine offenbar mutwillige Rechtsverfolgung handelt (§ 225 Abs. 2 BEG). Die Gebührenfreiheit gilt allerdings nicht für Entschädigungsklagen, die vor anderen Gerichten erhoben werden. Dies verstößt nicht gegen den Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz, da die Beantragung von Prozesskostenhilfe offen steht.1 2. Anwaltsgebühren

1603

Für die Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte ist eine gesonderte Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG erforderlich, da § 227 Abs. 3 BEG nur die Frage der Erstattungsfähigkeit regelt.2 Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG sind die Wertvorschriften des GKG entsprechend anzuwenden.

1604

Der Gegenstandswert einer Klage, mit welcher eine Kapitalentschädigung (z.B. §§ 16 Nr. 3, 29 Nr. 3, 45 BEG) geltend gemacht wird, bemisst sich nach der beantragten Summe (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 6 ZPO).

1605

Wird mit der Klage Entschädigung in Form der Rente geltend gemacht, so ist der Gegenstandswert nach § 42 Abs. 1 GKG zu berechnen (vgl. § 225 Abs. 3 BEG). Maßgeblich ist damit der fünffache Betrag des einjährigen Bezuges,3 soweit nicht der Gesamtbetrag geringer ist. Der Wert berechnet sich nach dem Betrag der Rente in der Höhe, wie sie für den Beginn des Rechts auf Rentenbezug beantragt ist. Soweit sich die Rente später erhöht, ist dies für die Streitwertberechnung nicht von Belang.4 Ebenso sind Rückstände aus der Zeit vor der Rechtshängigkeit nicht zu berücksichtigen.5

1 BVerfG, Beschl. v. 20.3.2000 – 1 BvR 69/00, NJW-RR 2000, 1738. 2 BGH, Urt. v. 9.1.1969 – VII ZR 133/66, BGHZ 51, 290; BGH, Beschl. v. 25.1.1979 – IX ZB 304/78, MDR 1979, 668. 3 BGH LM § 87 BEG Nr. 1; BGH § 14 BEG Nr. 2; OLG Oldenburg, JurBüro 1954, 464; OLG Oldenburg, JurBüro 1955, 325. 4 BGH, Beschl. v. 15.7.1997 – IX ZR 263/96, BGHR BEG § 225 Abs. 3 Streitwert 1; BGH, Beschl. v. 25.1.1979 – IX ZB 304/78, MDR 1979, 668. 5 BGH, Beschl. v. 15.7.1997 – IX ZR 263/96, BGHR BEG § 225 Abs. 3 Streitwert 1.

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Onderka

Beiordnung eines Notanwalts

Behandlungsunterlagen, Einsicht Der Streitwert einer auf Einsicht in ärztliche Behandlungsunterlagen gerichteten Klage ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Das gilt auch für den Gebührenstreitwert (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 23 Abs. 1 Satz 1, 3 RVG).

1606

Maßgebend ist ein Bruchteil des vom Kläger erwarteten bzw. angegebenen Schadensersatzanspruchs.

1607

Eine feste Regel zur Bewertung von Klagen auf Herausgabe von Kopien ärztlicher Behandlungsunterlagen gibt es nicht. Welcher Bruchteil des zu erwartenden Hauptsacheanspruchs angemessen ist, hängt von der Bedeutung der Dokumentation für die Entscheidung des Hauptsacherechtsstreits ab.1

1608

Das OLG Köln2 und das OLG München3 gehen grundsätzlich von 10 % der Hauptsache aus. Das OLG Saarbrücken4 nimmt 10–25 % an. OLG Nürnberg,5 das OLG Düsseldorf6 und das AG Düsseldorf7 gehen dagegen von 20 % des Hauptsacheanspruchs aus. Im Falle eines Rechtsmittels des die Auskunft verlangenden Klägers gilt der Wert auch für die Beschwer. Legt dagegen der zur Herausgabe der Behandlungsunterlagen Verurteilte Rechtsmittel ein, dürften nur auf den Aufwand der Auskunftserteilung abzustellen sein. S. dazu das Stichwort „Auskunftsanspruch“ Rn. 1388 ff.

1609

Beiordnung eines Notanwalts A. Überblick Es kommt vor, dass eine Partei keinen Anwalt findet, der sie zu vertreten bereit ist. Dann muss das Gericht ihr auf Antrag unter den Voraussetzungen des § 78b ZPO einen sog. Notanwalt beiordnen. Geschieht das nicht, so hat die Partei die Beschwerde nach § 78b Abs. 2 ZPO.

1610

B. Gerichtsgebühren Wertabhängige Gerichtsgebühren fallen nicht an, so eine Wertfestsetzung nach § 63 GKG nicht in Betracht kommt.

1 OLG München, Beschl. v. 13.4.2007 – 1 W 1328/07. 2 OLG Köln, Beschl. v. 16.11.2009 – 5 W 32/09, AGS 2010, 100 mit abl. Anm. Riemer = AGS 2010, 247 = VersR 2010, 693. 3 OLG München, Beschl. v. 13.4.2007 – 1 W 1328/07. 4 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 8.1.2007 – 1 W 301/06, MedR 2008, 164. 5 OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.4.2010 – 5 W 620/10, AGS 2010, 501 = RVGreport 2010, 162. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.11.1998 – 3 O 240/98, NJW 1999, 873 = NJW 2001, 920. 7 AG Düsseldorf, Beschl. v. 12.12.2003 – 23 C 11795/03.

N. Schneider

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1611

Beiordnung eines Notanwalts

C. Anwaltsgebühren 1612

Für den Anwalt können dagegen gesonderte Gebühren anfallen, insbesondere im Beschwerdeverfahren.

1613

Ein Teil der Rechtsprechung bewertet den Gegenstandswert dafür mit dem vollen Wert der Hauptsache.1 Begründet wird dies damit, ohne Anwalt sei die Partei im Anwaltsprozess überhaupt nicht in der Lage, ihr Begehren durchzusetzen; es sei deshalb entsprechend den Grundsätzen über die Ablehnung von Sachverständigen2 und Richtern3 der Wert der Hauptsache anzusetzen.

1614

Diese hohe Bewertung ist verfehlt. Parallelen zur Ablehnung von Richtern und Sachverständigen haben schon deshalb keinen Aussagewert, weil die Bemessungsgrundsätze dafür ihrerseits durchaus nicht unstreitig sind und richtiger Ansicht nach eine Orientierung am Wert der Hauptsache verfehlt ist (s. das Stichwort „Ablehnung von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen“ Rn. 921 ff.).

1615

Gewiss geht das Interesse der Partei im Fall des § 78b ZPO dahin, ihren Prozess führen zu können. Aber das ist ihr Endziel, nicht der unmittelbare Gegenstand des Beiordnungsverfahrens. Nur auf diesen (s. § 2 RVG) kommt es aber an. Damit wird die Eigenständigkeit des Verfahrens nach § 78b ZPO verkannt und letztlich das Beiordnungsverfahren mit der Hauptsache des erst zu führenden Rechtsstreits identifiziert. Es handelt sich dabei jedoch um einen Akt der gerichtlichen Fürsorge gegenüber einer Partei, der als solcher mit dem eigentlichen Prozess nichts zu tun hat. Er darf deshalb weder seiner Rechtsnatur noch seiner Bezifferung nach mit der Hauptsache gekoppelt werden, sondern ist als eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit zu bewerten, sodass der Streitwert nach § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG, § 48 Abs. 2 GKG festzusetzen ist.

1616

Die Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3335 VV RVG ist nicht anwendbar und mit der hier gegebenen Interessenlage nicht vergleichbar.

1617

Folgt man dieser Auffassung nicht, dann kommt nur eine Schätzung gem. auf einen geringen Bruchteil des Hauptsachewertes in Betracht.4

Belastung S. das Stichwort „Auflassung“.

1 OLG Bremen, Beschl. v. 18.11.1976 – 5 W 15/76, JurBüro 1977, 91; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 4.4.1977 – 12 W 164/77, JurBüro 1977, 1001. 2 OLG Bremen, Beschl. v. 18.11.1976 – W 15/76, JurBüro 1977, 91. 3 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 4.4.1977 – 1 W 8/77, JurBüro 1977, 1001. 4 So OLG München, Beschl. v. 20.8.2001 – 1 W 2066/01, KostRsp. § 3 ZPO Nr. 1388 = MDR 2002, 724 mit Anm. N. Schneider: 1/3 des Hauptsachewerts.

300

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N. Schneider

Belästigung

Belästigung Der Begriff Belästigung bezeichnet das nachhaltige Einwirken einer oder mehrerer Personen auf eine andere Person (Opfer), wobei entscheidend ist, dass das jeweilige Verhalten vom Opfer als beeinträchtigend oder schädigend wahrgenommen wird. Die Belästigung unterscheidet sich von der unerwünschten Werbung dahingehend, dass der Inhalt der Kontaktaufnahme nicht von Geschäftsinteressen geprägt, sondern rein privat ist.

1618

Die möglichen Begehungsformen der Belästigung sind äußerst vielfältig. Eine Belästigung kann durch persönliche Kontaktaufnahme, telefonisch, durch E-Mail oder SMS oder auch durch Briefe erfolgen. Sie kann gegenüber dem Opfer selbst oder auch gegenüber Dritten (z.B. in Form der üblen Nachrede) stattfinden. Besondere Ausprägungen der Belästigung sind das – zumeist im arbeitsrechtlichen Bereich angesiedelte – sog. Mobbing sowie das sog. Stalking (Nachstellen).

1619

Neben der zivilrechtlichen Seite einer Belästigung, die in Form von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen des Opfers zum Ausdruck kommt, gibt es auch eine strafrechtliche Seite, soweit die Belästigung z.B. den Tatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB), Körperverletzung (§ 223 ff. StGB), Sachbeschädigung (§ 303 StGB) oder Nachstellung (§ 238 StGB) erfüllt.

1620

Die zivilrechtlichen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche, die aus einer Belästigung resultieren, stellen im Regelfall nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten dar, deren Gebührenstreitwert sich nach § 48 Abs. 2 GKG bestimmt. Danach ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen und darf 1.000.000 Euro nicht übersteigen. In Anlehnung an § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG kann sowohl für den Gerichtsgebührenstreitwert als auch für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren von einem Betrag von 4.000 Euro ausgegangen werden. Je nach den Umständen des Einzelfalls ist dieser Betrag dann zu reduzieren bzw. zu erhöhen. Der Zuständigkeitsstreitwert ist nach § 3 ZPO unter Beachtung der Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG nach freiem Ermessen zu schätzen.

1621

* Æ Anmerkung: Ausnahmsweise ist der Streitwert nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO als vermögensrechtliche Streitigkeit zu schätzen, wenn mit dem Unterlassungsanspruch ein wirtschaftliches Interesse verfolgt wird. In Betracht kommen hier insbesondere Fälle von Kreditgefährdung, Verleumdung gegenüber Geschäftspartnern oder dem Arbeitgeber bzw. Belästigungen, die mit unmittelbaren finanziellen Nachteilen verbunden sind.

Soweit aufgrund der konkreten Belästigung Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz getroffen werden, handelt es sich um den Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit. Hinsichtlich der Wertfestsetzung in diesen Fällen wird daher auf die Ausführungen unter dem Stichwort „Gewaltschutzsachen“ im FamFG-Teil Rn. 7737 ff. verwiesen.

1622

Nach Ansicht des OLG Köln übersteigt der Wert einer Unterlassungsverfügung gegen trennungsbedingtes Verfolgungsverhalten (Zusendung von E-Mails und SMS, belästigende Anrufe, Geltendmachung unberechtigter Ansprüche)

1623

Onderka

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Beratungshilfe in der Regel nicht die Grenze von 5.000 Euro, sodass das Amtsgericht für die Entscheidung des Streits zuständig ist.1 1624

Das LG Rostock hat den Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gegen das ständige Nachstellen durch den ehemaligen Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft durch wiederholte Briefe, Geschenke, SMS und Gespräche, wiederholten Aufenthalt in der Nähe und wiederholte Beobachtungen auf 1.000 Euro festgesetzt.2

1625

Hat der Arbeitnehmer vorgetragen, er fühle sich durch ständige Anfeindungen in seinem Persönlichkeitsrecht erheblich benachteiligt, gemobbt und sei deswegen arbeitsunfähig erkrankt, ist eine wesentliche Beeinträchtigung sowohl immaterieller Rechtsgüter als auch materieller Rechtsgüter benannt und sind von den behaupteten Störungen auch erhebliche Auswirkungen auf eine eventuelle Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen, so ist der Gegenstandswert auf den Regelwert des § 23 Abs. 3 RVG (4.000 Euro) festzusetzen.3

Beleidigung S. das Stichwort „Ehrkränkende Äußerung“.

Beratungshilfe 1626

Die Anwaltsgebühren in Beratungshilfesachen sind streitwertunabhängig. In den Nrn. 2500 VV RVG ff. sind ausschließlich Festbeträge vorgesehen. Eine Vergütungsvereinbarung, und sei es auch nur die Vereinbarung der gesetzlichen Gebühren ist unzulässig (§ 3a Abs. 4 RVG; § 8 BerHG).

1627

Wird der Anwalt damit beauftragt, einen Beratungshilfeantrag zu stellen, insbesondere im Falle des § 4 Abs. 2 Satz 3 BerHG, ist die Tätigkeit durch die Beratungshilfegebühren mit abgegolten, wenn Beratungshilfe bewilligt wird. Streitwertfragen stellen sich dann nicht. Wird Beratungshilfe nicht bewilligt, steht dem Anwalt grundsätzlich für den Beratungshilfeantrag eine Vergütung zu. Hier wird man eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG annehmen müssen. Der Gegenstandswert bemisst sich dann nach den Gebühren, die die Landeskasse im Falle der Bewilligung hätte zahlen müssen. Dabei wird es sich angesichts der geringen Beratungshilfegebühren wohl stets um die unterste Streitwertstufe handeln. Es darf nicht auf die gesetzlichen Gebühren abgestellt werden, die der Rechtsuchende als Wahlanwaltsvergütung für die beabsichtigte Rechtssache würde zahlen müssen, denn ob ein Wahlanwaltsauftrag erteilt wird, steht zu diesem Zeitpunkt gar nicht fest. Die Wertvorschrift der Anm. Abs. 1 zu Nr. 3335 VV RVG ist nicht anwendbar und mit der hier gegebenen Interessenlage nicht vergleichbar. 1 OLG Köln, Beschl. v. 8.4.2002 – 11 W 25/02, NJW-RR 2002, 1723 – der Senat hat auch für die einstweilige Verfügung den Wert der Hauptsache angenommen. 2 LG Rostock – 2 T 377/07, 2 T 279/07, n.v. 3 LAG Mainz, Beschl. v. 9.10.2006 – 4 Ta 190/06, AGS 2007, 427.

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Bereicherungsansprüche Legt der Anwalt gegen die Ablehnung der Beratungshilfe Erinnerung ein, löst dies keine Gerichtsgebühren aus, wohl aber eine Anwaltsvergütung (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG i.V.m. Nr. 3500 VV RVG). Die Anm. Abs. 1 zu Nr. 3335 VV RVG ist auch hier nicht anwendbar. Der Gegenstandswert richtet sich nach § 23 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 1 RVG und dürfte sich auf das Kosteninteresse belaufen, also auf die von der Staatskasse voraussichtlich zu übernehmenden Kosten (s. Rn. 1627).

1628

Bereicherungsansprüche A. Einleitung Wird eine Klage auf Bereicherungsrecht gestützt, dann richtet sich der Streitwert danach, was begehrt wird. Die in Betracht kommenden Ansprüche sind zahlreich, z.B. Rückzahlung des Erlangten, Einräumung einer Mitberechtigung,1 Wiedereinräumung des Besitzes, Befreiung von einer Verbindlichkeit2 oder von der persönlichen Haftung,3 Wiedereinräumung einer Rangstelle im Grundbuch, Verzicht auf ein Recht bzw. eine Rechtsposition usw.

1629

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Der Streitwert für Zuständigkeit bzw. Gebührenberechnung ist anhand des Klageantrags zu ermitteln. Im Regelfall ist er nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.

1630

Bei Klagen auf Zahlung oder Abtretung4 ist gem. § 6 Satz 1 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG der verlangte Betrag bzw. der Wert der abzutretenden Forderung maßgebend. Geht der Bereicherungsanspruch auf Herausgabe einer Sache, ist gem. § 6 Satz 1 ZPO deren Wert bestimmend.5

1631

Zinsen und Nutzungen sind nur dann Teil der Hauptforderung, wenn sie Gegenstand eines einheitlichen bereicherungsrechtlichen Gesamtanspruchs sind. Dies ist etwa der Fall beim Anspruch auf Herausgabe des zur Bezahlung einer Nichtschuld nebst Zinsen aufgewandten Betrags oder beim Anspruch auf Zustimmung zur Auszahlung einer aus hinterlegtem Betrag und aufgelaufenen Zinsen bestehenden Hinterlegungsmasse.6 Ist also Geld Gegenstand des Bereicherungsanspruchs, so sind die erlangten Zinsen ebenfalls herauszugeben und damit für die Berechnung des Streitwerts dem Wert der Forderung hinzuzurechnen.7 Gleiches gilt für ersparte Zinsen, wenn das Geld zur Schuldentil-

1632

1 OLG Hamburg, MDR 1959, 753. 2 BGH, WM 1990, 616; BGH, WM 1990, 1324; BGH, NJW 1974, 2128; KG, Beschl. v. 7.7.1998 – 4 U 9420/97, 4 W 1378/98, JurBüro, 1998, 648; OLG Bremen, Beschl. v. 23.10.2002 – 3 U 94/01, AGS 2003, 214 mit Anm. N. Schneider. 3 RG, JW 1927, 1931. 4 BGH, WM 1990, 799. 5 RG, JW 1897, 541; OLG Breslau, OLGE 35, 24. 6 BGH, Beschl. v. 15.2.2000 – XI ZR 273/99, NJW-RR 2000, 1015; RG, JW 1909, 691; RG, HRR 1931 Nr. 252. 7 BGH, Urt. v. 15.2.2000 – XI ZR 76/99, NJW 2000, 1637.

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Berufsunfähigkeitsrente gung verwendet wurde.1 Ansonsten beeinflussen sie als Nebenforderungen gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG den Streitwert nicht. 1633

Bei der Bemessung des Wertes eines Freistellungsanspruchs sind neben der Forderung, von der Freistellung begehrt wird, auch die Kosten eines wegen dieser Hauptforderung geführten Vorprozesses zu berücksichtigen. Denn diese stellen Schadensersatzansprüche dar, die als Haupt- und nicht als Nebenforderungen zu qualifizieren sind.2 Erheben mehrere Gesamtschuldner Klage auf Freistellung von einer Forderung, für die jeder von ihnen gesamtschuldnerisch haftet, findet keine Wertaddition statt.3

Berichtigung S. das Stichwort „Grundbuchberichtigung“.

Berufsunfähigkeitsrente A. Zuständigkeitsstreitwert I. Zahlungsklage 1. Zahlungsklage des Versicherers 1634

Verlangt der Versicherer Beitragszahlung, so gilt § 3 ZPO. Der verlangte Betrag ist maßgebend. Werden auch künftige Beiträge verlangt, gilt § 9 ZPO. Maßgebend sind die verlangten Beiträge, höchstens die der nächsten dreieinhalb Jahre. Fällige und zukünftige Beiträge sind zusammenzurechnen (§ 5 ZPO). 2. Zahlungsklage des Versicherungsnehmers a) Künftige Leistungen

1635

Wird auf künftige Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsrente geklagt, handelt es um wiederkehrende Ansprüche, die nach § 9 ZPO zu bewerten sind.4 Maßgebend sind die verlangten Leistungen, höchstens die der nächsten dreieinhalb Jahre.

1636

Ausgehend von der früheren Fassung des § 9 ZPO nahm die Rechtsprechung den 12 1/2-fachen Jahresbetrag der beanspruchten Leistung an.5 Dem Grunde 1 BGH, Urt. v. 6.3.1998 – V ZR 244/96, BGHZ 138, 160; BGH, Urt. v. 16.7.1999 – V ZR 56/98, NJW 1999, 2890. 2 OLG Bremen, Beschl. v. 23.10.2002 – 3 U 94/01, AGS 2003, 214 mit Anm. N. Schneider. 3 BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 1/04, RVG-Berater 2005, 36. 4 OLG Hamm, Beschl. v. 19.5.1985 – 20 W 45/82; OLG Hamm, Urt. v. 1.7.1981 – 20 U 264/80; OLG Hamm, Beschl. v. 21.7.1986 – 20 U 229/85, JurBüro 1986, 1543; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.4.1992 – 12 W 14/92, AGS 1994, 5 (Anschluss an BGH, Beschl. v. 11.11.1981 – IVa ZR 56/80, NJW 1982, 1399); OLG Köln, Beschl. v. 12.12.1988 – 5 W 101/88, VersR 1989, 378. 5 OLG Hamm, Beschl. v. 19.5.1985 – 20 W 45/82; OLG Hamm, Urt. v. 1.7.1981 – 20 U 264/80.

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Berufsunfähigkeitsrente nach kann diese Rechtsprechung übernommen werden; nach der Neufassung des § 9 ZPO ist insoweit jetzt vom 3 1/2-fachen Jahresbetrag auszugehen. Nach OLG Köln soll ein niedriger Streitwert gem. § 3 ZPO festgesetzt werden können, wenn ein kürzerer Bezugszeitraum absehbar ist.1 Dies erscheint bedenklich, weil mit § 9 ZPO nicht vereinbar. Diese Vorschrift stellt nicht auf eine Wahrscheinlichkeit ab. Eine solche einschränkende Auslegung erscheint auch nicht geboten, da der Kläger den Wert selbst verringern kann, indem er die Klage (zunächst) auf den Zeitraum beschränkt, den er als sicher ansieht. Zu beachten ist, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des OLG Köln noch der 12 1/2-fache Wert galt. In Anbetracht dessen, dass jetzt nur noch vom 3 1/2-fachen Jahreswert auszugehen ist, besteht ohnehin keine Notwendigkeit mehr, den Wert zusätzlich zu begrenzen.

1637

Die Regelung des § 42 Abs. 1 Satz 1, 2 GKG (§ 17 Abs. 2 Satz 1, 2 GKG a.F.) findet auf den Zuständigkeitsstreitwert keine Anwendung.2

1638

b) Fällige und künftige Leistungen Fällige Leistungen sind nach § 3 ZPO mit ihrem vollen Wert anzusetzen.

1639

Werden sowohl fällige als auch künftige Beträge geltend gemacht, so sind die bis zur Klageerhebung angefallenen fälligen Leistungen den künftigen Leistungen (Rn. 1635) hinzuzusetzen (§ 5 ZPO).3

1640

II. Feststellungsklage 1. Feststellung auf Versicherungsleistung Wird lediglich auf Feststellung der Leistungspflicht geklagt, ist wie bei der Leistung zu bewerten (s. oben Rn. 1634 ff.).

1641

Je nach den Umständen ist ein Feststellungsabschlag vorzunehmen. Das OLG Köln4 geht in der Regel von 20 % aus. Hier ist allerdings Zurückhaltung geboten, weil § 9 ZPO bereits einen privilegierten Wert vorsieht. S. „Feststellungsklage“ Rn. 2277 ff.

1642

2. Feststellung auf Fortbestand des Vertrages Wird auf Feststellung des (Fort-)Bestands des Vertrages geklagt, so ist danach zu differenzieren, ob der Versicherungsfall – nach dem Vortrag des Klägers – bereits eingetreten ist oder nicht.

1 OLG Köln, Beschl. v. 12.12.1988 – 5 W 101/88, VersR 1989, 378. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.4.1992 – 12 W 14/92, AGS 1994, 5 (Anschluss an BGH, Beschl. v. 11.11.1981 – IVa ZR 56/80, NJW 1982, 1399; OLG Köln, Beschl. v. 12.12.1988 – 5 W 101/88, VersR 1989, 378. 3 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.4.1992 – 12 W 14/92, AGS 1994, 5 (Anschluss an BGH, Beschl. v. 11.11.1981 – IVa ZR 56/80, NJW 1982, 1399). 4 OLG Köln, Beschl. v. 12.12.1988 – 5 W 101/88, VersR 1989, 378.

N. Schneider

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1643

Berufsunfähigkeitsrente a) Versicherungsfall ist noch nicht eingetreten 1644

Ist der Versicherungsfall noch nicht eingetreten, ist der Wert der Versicherungsbeiträge der nächsten dreieinhalb Jahre zugrunde zu legen, eventuell zuzüglich fälliger Beträge (§ 9 ZPO). Ggf. ist ein Feststellungsabschlag vorzunehmen. b) Versicherungsfall ist eingetreten

1645

Ist der Versicherungsfall bereits eingetreten, richtet sich der Wert nach dem zu erwartenden Bezug, höchstens nach dem Bezug der nächsten dreieinhalb Jahre (§ 9 ZPO); ggf. abzüglich eines Feststellungsabschlags. c) Eintritt des Versicherungsfalls ist noch nicht geklärt

1646

Für eine Feststellungsklage auf Fortbestand einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, bezüglich derer nicht geklärt ist, ob der Versicherungsfall bereits eingetreten ist, soll der Wert mit 50 % des für eine Klage auf Leistung aus dieser Zusatzversicherung maßgeblichen Wertes angesetzt werden.1

1647

Besteht Streit über die Wirksamkeit eines Rücktritts des Versicherers von einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, so ist nach Auffassung des BGH2 der Streitwert – sofern der Versicherungsnehmer zwischenzeitlich den Eintritt des Versicherungsfalles angezeigt hat – mit der Hälfte des Wertes der Leistungsklage anzusetzen. Dabei geht der BGH gem. § 3 ZPO für eine Leistungsklage von dem 5-fachen Jahreswert aus. Offenbar hat er hier § 42 Abs. 1 GKG im Blick. Zugrunde zulegen ist nach seiner Auffassung zum einen die begehrte monatliche Rente und – da mit dem Eintritt des Versicherungsfall auch die Prämienzahlung entfiel – zusätzlich die monatliche Prämie.

1648

Zutreffend dürfte es sein, für den Gegenstandswert einer Feststellungsklage bei strittigem Eintritt des Versicherungsfalls von dem 3 1/2-fachen Jahresbetrag der begehrten monatlichen Rentenleistung sowie der für den Versicherungsfall vorgesehenen Prämienfreistellung auszugehen. Die Rechtsprechung nimmt davon dann einen Feststellungsabschlag von 50 % vor.3

III. Leistungs- und Feststellungsklage 1649

Wird neben einer Klage auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zugleich die Feststellung begehrt, dass der Versicherungsvertrag trotz einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung fortbestehe, so bemisst sich der Streitwert der Feststellungsklage nach dem 3 1/2-fachen Jahresbetrag der Rentenleistung ggf. abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20 % sowie dem Wert der damit verbundenen Beitragsfreistellung (3 1/2-facher Jahresbetrag abzüglich 20 %).4 Die Werte von Feststellung und Leistung sind sodann zu 1 BGH, Beschl. v. 12.2.1992 – IV ZR 241/91, NJW-RR 1992, 608. 2 BGH, Beschl. v. 11.7.1990 – IV ZR 100/90, NJW-RR 1990, 1361 = RuS 1990, 360. 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 6.5.2008 – 1 W 14/08, VersR 2009, 701; OLG Celle, Beschl. v. 3.1.2007 – 8 U 123/06, VersR 2008, 1515 = VuR 2007, 158; ebenso wohl auch BGH, Urt. v. 13.12.2000 – IV ZR 279/99, NJW-RR 2001, 316 = VersR 2001, 601. 4 BGH, Beschl. v. 17.5.2000 – IV ZR 294/99, NJW-RR 2000, 1266 = VersR 2001, 600.

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N. Schneider

Berufungsrücknahme addieren, wobei hinsichtlich identischer Zeiträume wegen wirtschaftlicher Identität ein Additionsverbot besteht.

B. Rechtsmittelstreitwert Für den Rechtsmittelstreitwert gelten die gleichen Grundsätze wie für den Zuständigkeitsstreitwert.

1650

Bei der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung bemisst sich die Beschwer nach dem 3 1/2-fachen Jahresbetrag der begehrten monatlichen Rentenzahlung zuzüglich der monatlichen Prämie, von der der Versicherungsnehmer freizustellen ist. Ist der Eintritt des Versicherungsfalls ungeklärt, ist hiervon ein Abschlag von 50 % vorzunehmen. Ist der Eintritt der Berufsunfähigkeit hingegen geklärt, beläuft sich der Feststellungsabschlag auf 20 %. Für die Wertbemessung der Beschwer ist die Rechtshängigkeit etwaiger Leistungsansprüche bedeutungslos.1

1651

C. Gebührenstreitwert Der Gebührenstreitwert richet sich nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. den §§ 3 ff. ZPO. Es gelten daher die gleichen Grundsätze wie für den Zuständigkeitsstreitwert. Das gilt auch für die Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 Satz 1, 3 RVG).

1652

Fällige und zukünftige Beträge werden auch hier zusammengerechnet (§ 39 Abs. 1 GKG).

1653

Berufung S. das Stichwort „Rechtsmittel“.

Berufungsrücknahme Literatur: Enders, JurBüro 2003, 562; Zenker, NJ 2007, 557.

A. Einleitung Nach Rücknahme der Berufung ergeht von Amts wegen ein Beschluss, in dem der Berufungsführer des Rechtsmittels der Berufung für verlustig erklärt wird und ihm die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt werden (§ 516 Abs. 3 ZPO).

1 BGH v. 1.12.2004 – IV ZR 150/04, NJW-RR 2005, 259 = VersR 2005, 959.

Onderka

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1654

Berufungsrücknahme

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 1655

Gerichtsgebühren fallen für den Beschluss nach § 516 Abs. 3 ZPO nicht an. Die Frage, welcher Gegenstandswert für die Verlustigerklärung im Hinblick auf die Anwaltsgebühren festzusetzen ist, ist umstritten. Dabei muss bei der Lektüre älterer Entscheidungen allerdings beachtet werden, dass früher der Beschluss nach § 515 Abs. 3 ZPO a.F. nur auf Antrag erging und daher eine entsprechende Tätigkeit des Anwalts voraussetzte, die aufgrund des nunmehr von Amts wegen ergehenden Beschlusses nicht mehr erforderlich ist.

1656

Nach einer Ansicht1 ist der Wert des Hauptsacheverfahrens für den Gegenstandswert maßgeblich. Nach anderer Ansicht2 richtet sich der Streitwert nach dem Betrag derjenigen Kosten, die bis zur Rücknahme des Rechtsmittels angefallen sind. Darüber hinaus sei ggf. für die Verlustigerklärung ein eigener, nach § 3 ZPO zu schätzender Wert zu addieren.3

* Æ Beispiel: Der in erster Instanz unterlegene Kläger verlangt mit der Berufung weiterhin die Zahlung von 15.000 Euro. Nach Hinweis des Senates auf die mangelnden Erfolgsaussichten nimmt er die Berufung zurück. Es ergeht ein Beschluss nach § 516 Abs. 3 ZPO. Nach der ersten Meinung gilt für diesen Beschluss ein Gegenstandswert von 15.000 Euro (Hauptsachewert). Nach der zweiten Meinung sind für den Gegenstandswert die bislang angefallenen Kosten (Gerichtsgebühren sowie Anwaltsgebühren für zwei Parteien) zu berechnen.

1657

Da sowohl die Verlustigerklärung als auch die Kostentragungspflicht des Berufungsführers von Amts wegen in demselben Beschluss ausgesprochen werden, kommt nur ein gemeinsamer Gegenstandswert in Betracht. Richtigerweise muss für die Berechnung dieses Wertes nach dem Zeitpunkt der Berufungsrücknahme differenziert werden: – Ist – was in der Praxis allerdings selten sein dürfte – die Berufungsfrist noch nicht abgelaufen, kann dem Beschluss über Verlustigerklärung und Kosten nur der Wert der bisher entstandenen Kosten beigemessen werden. Denn die Verlustigerklärung hat für den Berufungsbeklagten in diesem Fall kein zusätzlich messbares Interesse, da sie sich nur auf das konkrete Rechtsmittel bezieht und eine erneute Berufung innerhalb der laufenden Frist eingelegt werden kann.4 – Ist jedoch die Berufungsfrist im Zeitpunkt der Rücknahme bereits abgelaufen, so bedeutet die Verlustigerklärung, dass der Berufungsbeklagte vor einem erneuten Angriff gegen das erstinstanzliche Urteil geschützt und der Rechtsstreit abgeschlossen ist. Insofern ist es hier gerechtfertigt, den Wert

1 RGZ 155, 382; RG, JW 1883, 269; RG, JW 1894, 85; OLG München, Beschl. v. 27.2.2004 – 19 U 1540/04, MDR 2004, 966; OLG Rostock, Beschl. v. 30.8.2007 – 6 U 1/06, MDR 2007, 1398 = AGS 2008, 305 (hier ging es allerdings in der Sache um den Wert des Berufungsverfahrens und nicht um einen isolierten Wert für das Verfahren nach Berufungsrücknahme); Zöller/Heßler, § 516 ZPO Rn. 27. 2 BGH, Beschl. v. 14.12.1954 – V ZR 8/53, BGHZ 15, 394; OLG Hamm, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 23; OLG Koblenz, Beschl. v. 3.12.1982 – 14 W 651/82, MDR 1983, 414; OLG Koblenz, Beschl. v. 13.7.1995 – 13 UF 375/95, JurBüro 1996, 307. 3 Vgl. BGHZ 15, 394; Herget, Anm. zu KostRsp. BRAGO § 31 Ziff. 1 Nr. 81; Schneider, JurBüro 1970, 899 f.; vgl. auch das Stichwort „Klagerücknahme“. 4 BGHZ 27, 60; BGH, NJW 1994, 737.

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Berufungsrücknahme des Beschlusses nach § 516 Abs. 3 ZPO gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auf den vollen Wert des Berufungsverfahrens zu schätzen. Der praktische Anwendungsbereich für diesen Gegenstandswert ist allerdings gering:

1658

Ist der Anwalt Prozessbevollmächtigter des vorhergehenden Rechtszugs, so erhält er für die Tätigkeit im Rahmen des Beschlusses nach § 516 Abs. 3 ZPO keine eigene Gebühr neben der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, weil diese noch zum Rechtszug gehört (§ 19 Abs. 1 Nr. 9 RVG).1 Die Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren, in welchem der Anwalt bereits vor Rücknahme der Berufung tätig war, berechnet sich natürlich nach dem Wert des Berufungsverfahrens in der Hauptsache (vgl. § 47 GKG). Für den Prozessbevollmächtigten des Berufungsverfahrens ist die Tätigkeit ebenfalls mit der Verfahrensgebühr (Nr. 3200 VV RVG) bzw. – wenn die Rücknahme im Termin erklärt wird – mit der Terminsgebühr (Nr. 3202 VV RVG) abgegolten. Es verbleibt damit nur der Anwalt, für den die Entgegennahme der Rücknahmeerklärung und des Beschlusses nach § 516 Abs. 3 ZPO eine Einzeltätigkeit darstellt. Für diesen muss zur Berechnung der verdienten Gebühren ein eigenständiger Wert für den Beschluss nach § 516 Abs. 3 ZPO festgesetzt werden. Ein spezielles, bei allen Rechtsmitteln auftretendes Problem ist, inwieweit der Berufungsstreitwert künstlich herabgesetzt werden darf, um Kosten zu ersparen, indem vor der Rücknahmeerklärung ein ganz niedrig gehaltener fingierter Sachantrag gestellt wird. Diese Frage wird bei dem Stichwort „Rechtsmittel“ erörtert. Dort finden sich auch Ausführungen zu der Prozesslage, dass eine nur versehentlich eingelegte Berufung zurückgenommen wird. Bewertungskontroversen wie bei der Zurücknahme einer Berufung können auch bei der Klagerücknahme auftreten.2

Beschränkte Haftung S. das Stichwort „Haftungsbeschränkung“.

Beschränkt persönliche Dienstbarkeit S. das Stichwort „Dienstbarkeit (§ 1090 BGB)“.

Beschwerde S. das Stichwort „Rechtsmittel“.

1 OLG Hamburg, Beschl. v. 14.7.2003 – 8 W 152/03, MDR 2003, 1261. 2 Vgl. das Stichwort „Klagerücknahme“.

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1659

Beseitigung

Beseitigung Literatur: Gerold, JurBüro 1959, 364 (Beseitigung eines auf einem zu räumenden Pachtgrundstück errichteten Bauwerks); Schmidt, JurBüro 1961, 379 (Beseitigung von Bauschutt); N. Schneider, JurBüro 2002, 532 (Beseitigung von Parabolantennen).

A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 1660

Gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) ist der Wert des Beseitigungsverlangens nach freiem Ermessen zu schätzen. Wertbestimmend ist das Interesse des Klägers an der Beseitigung, d.h. an der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes.1 Dabei sind insbesondere die wirtschaftlichen Nachteile zu berücksichtigen, die dem Kläger durch den unrechtmäßigen Zustand erwachsen.2 Bei der Störung von Grundeigentum ist der Wertverlust maßgebend, den die Sache durch die Störung erleidet.3 Das Interesse an der Beseitigung ist – soweit mit der Störung keine Substanzbeeinträchtigung einhergeht – wertmäßig nicht identisch mit dem zur Wiederherstellung erforderlichen Aufwand. Der Beseitigungsaufwand ist auch nicht neben dem Wiederherstellungsinteresse zu berücksichtigen.4 Ebenfalls ohne Bedeutung ist – an dieser Stelle – das Abwehrinteresse des Beklagten.5

B. Rechtsmittel und Beschwer 1661

Der Beschwerdewert einer Beseitigungsklage bestimmt sich nach § 3 ZPO6 und ist für den Kläger und den Beklagten in der Regel unterschiedlich zu bemessen. Während die (formelle) Beschwer des vollständig unterliegenden Klägers dem Gebührenstreitwert entspricht, kann die (materielle) Beschwer des unterliegenden Beklagten diesen Betrag übersteigen.7 Denn die Beschwer des Beklagten bestimmt sich nach dessen Interesse, nicht mit dem mit der Beseitigung verbundenen Aufwand belastet zu werden. Diese entspricht daher regelmäßig dem zur Wiederherstellung des nach dem Urteil geschuldeten Zustand erforderlichen Aufwand, den sog. Beseitigungskosten,8 Die auf der Grundlage der 1 BGH, Beschl. v. 17.5.2006 - VIII ZB 31/05, MDR 2006, 1374 = NJW 2006, 2639. 2 KG, JurBüro 1956, 348: Entfernung von Reklameanlage auf Hausdach; OLG Koblenz, Urt. v. 7.1.1998 – 7 U 349/97, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1287 = OLGR 1999, 114. 3 BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, MDR 2006, 1374 = NJW 2006, 2639 – Anbringung einer Parabolantenne. 4 BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, MDR 2006, 1374 = NJW 2006, 2639; a.A. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2001, 160; LG Frankfurt/M., JurBüro 2002, 532 mit abl. Anm. N. Schneider; wohl auch Musielak/Heinrich, § 3 ZPO Rn. 24 unter „Beseitigung“. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.9.2007 – 19 W 57/07, AGS 2008, 92 = NJW-RR 2008, 534. 6 BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, MDR 2006, 1374 = NJW 2006, 2639. 7 Ausführlich BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, MDR 2006, 1374 = AGS 2006, 450 = NJW 2006, 2639; Beschl. v. 26.6.1997 – IX ZR 59/97, WM 1997, 2049. 8 BGH, Beschl. v. 29.1.2009 – V ZR 152/08, Grundeigentum 2009, 514; Beschl. v. 18.12.2008 – V ZR 110/08, juris; Beschl. v. 15.6.2005 – XII ZR 104/02, NZM 2005,

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Beseitigung Kosten einer Ersatzvornahme geschätzt werden können.1 Im Einzelfall kann ein darüber hinausgehendes Interesse am Erhalt des angegriffenen Zustandes zu berücksichtigen sein.2 Hierfür bedarf es der konkreten Darlegung, dass die mit der Beseitigung verbundenen Nutzungs- oder sonstigen Einbußen von dem Beklagten nicht anderweitig (in gleichartiger Weise) kompensiert werden können. Beispielsweise, dass eine unter Verletzung nachbarrechtlicher Abstandvorschriften gepflanzte Hecke unter Beachtung des gebotenen Abstandes umgepflanzt, während eine zu beseitigende Garage aufgrund einer geringen Grundstücksgröße an keiner anderen Stelle des Grundstücks errichtet werden kann. Zur Beschwer bei der Verurteilung zur Beseitigung einer Eigentumsstörung s. auch Rn. 1904 ff., 4143, 4675 ff.

1662

C. Einzelfälle in der Rechtsprechung Für die Bewertung einer auf Beseitigung kredithinderlicher Eintragungen („Schufa-Eintragungen“) gerichteten Klage ist das Interesse des Klägers an der Beseitigung, d.h. in der Regel das Ausmaß etwaiger durch sie drohender Kreditnachteile maßgeblich. Negative Eintragungen können insbesondere zur Herabsstufung der Kreditwürdigkeit eines potentiellen Kreditnehmers führen und erhebliche Krediterschwernisse oder Nachteile bei der Anbahnung anderweitiger Dauerschuldverhältnisse (Miete) mit sich bringen.3

1663

Der Streitwert einer auf Beseitigung von Internet-Inhalten gerichteten Klage richtet sich nach dem Umfang der Beeinträchtigung des sozialen Geltungsanspruchs bzw. der wirtschaftlichen Verhältnisse des Anspruchsstellers. Gegenstand des Beseitigungsverlangen können dabei Angaben innerhalb einer Internetseite (z.B. in facebook, spickmich, ebay etc.) oder die Anmeldung und Unterhaltung von Internetadressen (z.B. Tippfehlerdomains)4 sein. Soweit neben der Beseitigung die Unterlassung künftiger Rechtsverletzungen verlangt wird, ist der höherwertige Unterlassungsanspruch maßgebend. Eine Zusammenrechnung der Werte der Einzelansprüche findet nicht statt (vgl. im Einzelenen unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche“ Rn. 3665).

1664

Wird Beseitigung von Leuchtreklame verlangt, dann ist nach OLG Saarbrücken5 auf die Höhe der monatlichen Nutzungsentschädigung abzustellen, die der Kläger durch die Vermietung der Reklamewand erzielen könnte; dieser Betrag war nach § 9 ZPO a.F. auf die 25-fache Jahresmiete (heute: 3,5-fache Jahresmiete) hochzurechnen.

1665

1 2 3 4 5

677; Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 92/02, MDR 2005, 1194 = NJW-RR 2005, 1011; Beschl. v. 29.4.2004 – III ZB 72/03, WuM 2004, 352; NJW 1994, 735; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Beseitigung“ Rn. 2. BGH, Beschl. v. 29.1.2009 – V ZR 152/08, Grundeigentum 2009, 514; Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZR 107/08, AGS 2009, 240 = NJW-RR 2009, 549. Offenlassend BGH, Beschl. v. 29.1.2009 – V ZR 152/08, Grundeigentum 2009, 514. OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2007 – 3 W 69/06, NJ 2008, 83 (Ls): 10.000,00 Euro; OLG Düsseldorf, ZMR 2007, 108; NJW 2005, 2401. LG Stuttgart, Urt. v. 27.1.2009 – 43 O 101/08 KfH, MMR 2009, 271: 10.000,00 Euro je Domain. OLG Saarbrücken, JurBüro 1980, 280.

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Beseitigung Den Streitwert einer Klage auf Beseitigung eines (18 m langen) Jägerzaunes hat das AG Königstein1 mit 600 Euro bemessen. 1666

Den Streitwert des Anspruchs auf Beseitigung einer Funkantenne hat das LG Hamburg mit 1.000 DM bewertet und dabei u.a. auf die Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks des Gebäudes abgestellt.2

1667

Bei der Bewertung der Klage auf Beseitigung einer Parabolantenne werden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Ansätze vertreten. Während ein Teil ausschließlich auf den mit der Beseitigung verbundenen Aufwand abstellt,3 berücksichtigen andere neben dem Beseitigungsaufwand das Interesse des Hauseigentümers (Vermieters) an der Erhaltung des optischen Gesamteindrucks des Hauses.4 Schließlich wird – entsprechend den vorstehenden Ausführungen – allein auf den Wert der Beeinträchtigung des Hauseigentümers (Vermieters) durch die mit der Anbringung einhergehende optische und/ oder die Gebäudesubstanz verletzende Beeinträchtigung abgestellt.5 Dem letztgenannten Ansatz hat sich – für die gleichlaufende Beschwer des unterliegenden Klägers – nunmehr auch der BGH6 angeschlossen und dem Beseitigungsaufwand eine (mittelbare) Bedeutung nur für den Fall beigemessen, dass die mit der Widerherstellung verbundenen Kosten einen Anhaltspunkt für die Wertminderung des Gebäudes darstellen. Demgegenüber bemisst sich die Beschwer des zur Beseitigung verurteilten Beklagten grundsätzlich nach den für die Beseititung der Parabolantenne erforderlichen Aufwendungen. Im Einzelfall kann jedoch das Interesse des Mieters am Empfang zusätzliche, insbesondere muttersprachlicher Fernsehprogramme werterhöhend berücksichtigt werden.7 S. auch das Stichwort „Mietstreitigkeiten“ Rn. 6984 f.

1668

Zum Streitwert einer Klage auf Räumung eines Grundstücks und Beseitigung darauf befindlicher beweglicher und unbeweglicher Sachen s. ausführlich unter dem Stichwort „Mietstreitigkeiten“ Rn. 3841 ff.

1669

Zur Beseitigung eines Überbaus s. das Stichwort „Überbau“. Zur Beseitigung von gegenwärtigen Besitzstörungen (§ 862 BGB) s. auch unter dem Stichwort „Besitz“.

1670

Verlangt der Kläger aufgrund vertraglicher Beziehungen mit dem Beklagten die Beseitigung von Mängeln gegenständlicher Vertragsleistungen, z.B. der fehlerhaften Ausführung baulicher Leistungen (§ 635 BGB), bestimmt sich der Streitwert nach § 3 ZPO. Maßgebend ist das Interesse des Klägers an einer mangelfreien Leistung und damit der Minderwert der mangelhaften Leistung. 1 AG Königstein, Urt. v. 12.11.2000 – 21 C 365/99, NZG 2001, 112. 2 LG Hamburg, WuM 1991, 359; zum Anspruch selbst s. auch OLG aktuell 1/92 S. 2. 3 LG Kiel, Beschl. v. 18.3.1994 – 1 S 319/93, WuM 1996, 632; LG München, Beschl. v. 12.10.1993 – 20 S 17880/92, 20 S 16565/98, WuM 1993, 745; LG Wuppertal, Urt. v. 9.4.1997 – 8 S 11/97, WuM 1997, 324. 4 LG Frankfurt, Beschl. v. 8.5.2002 - 2-11 T 22/02, JurBüro 2002, 532 = WuM 2002, 378; Schmittmann, JurBüro 1995, 509; LG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2000 – 9 T 40/99, AGS 2000, 135. 5 LG Berlin, Beschl. v. 4.6.1993 – 64 T 75/93, Grundeigentum 1993, 805; LG Bonn, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1137: 1200 DM mit Anm. Herget = WuM 1993, 468; N. Schneider, JurBüro 2002, 532. 6 BGH, Beschl. v. 17.5.2006 - VIII ZB 31/05, MDR 2006, 1374 = NJW 2006, 2639. 7 Offengelassen in BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, MDR 2006, 1374 = NJW 2006, 2639.

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Besichtigung Der Betrag entspricht in der Regel den Kosten der Mängelbeseitigung, da diese – zumindest bei neuwertigen Waren und Leistungen – im Falle der Veräußerung vom Verkehrswert der mangelfreien Sache abgezogen werden (s. auch unter den Stichwörter „Werkvertrag“ und „Kaufvertrag“). Auch bei einer Klage des Mieters auf Beseitigung von Schäden der Mietsache oder – gleich bedeutend – auf Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustandes ist auf das Interesse des Mieters am begehrten Zustand der Sache abzustellen. Dieses Interesse ist nicht ohne weiteres identisch mit den vom Vermieter zur Beseitigung des Mangels aufzuwendenden Kosten.1 Insbesondere rechtfertigt § 538 Abs. 2 BGB es nicht, das Wiederherstellungsinteresse des Mieters mit dem entsprechenden Kostenaufwand des Vermieters wirtschaftlich gleichzustellen. § 538 BGB ist nur eine Privilegierung bei der als vertretbare Handlung anzusehenden Mängelbeseitigung sofort auf Vorschuss bzw. Ersatzvornahmekosten zu klagen. Das ändert nichts an dem zugrunde liegenden Nutzungsinteesse, wie das Beispiel zeigt, dass eine fehlende Schraube (MB-Aufwand 50 Euro) einen Heizungsausfall (Minderung 100 %) verursacht. Soweit eine Mietwohnung betroffen ist, greifen jedoch die Sperrbeträge des § 41 Abs. 1, 2 und 5 GKG (§ 16 Abs. 1, 2 und § 5 GKG a.F.) ein. Der Streitwert darf nicht höher als eine Jahresmiete angesetzt werden, da es in sich widersprüchlich wäre, den Bestandsschutz an einer Wohnung geringer zu bewerten als den Anspruch auf Beseitigung von Mängeln und auf Wiederherstellung des vertragsmäßigen Zustandes.2 Insoweit ist auch der Ansatz abzulehnen, wonach das Mieterinteresse auf den Mietminderungsbetrag für 36 bzw. 42 Monate zu schätzen sei.3 Dafür findet sich im Gesetz kein Anhalt. S. auch unter dem Stichwort „Mietstreitigkeiten“ Rn. 3916 f.

1671

Bei einer auf Beseitigung eines auf dem Grundstück des Klägers verlegten Energieversorgungskabels gerichtete Klage ist das klägerische Interesse an dieser Beseitigung, hilfsweise an der Unterlassung der Benutzung des Kabels, wertbestimmend. Die Bewertung hat sich vorrangig auch an der Wertminderung des betroffenen Grundstücks zu orientieren.4

1672

Besichtigung Literatur: Lützenkirchen, Besichtigungsrechte des Vermieters von Wohn- und Gewerberaum, NJW 2007, 2152.

I. Allgemeines Zuweilen entsteht im Rahmen vertraglicher Nutzungs- oder Leistungsverhältnisse das Bedürfnis einer Vertragspartei, den Vertragsgegenstand zu be1 OLG Schleswig, SchlHA 1991, 202; LG Hamburg, ZMR 1985, 1032 = JurBüro 1985, 1701. 2 OLG Schleswig, SchlHA 1991, 202. 3 LG Hamburg, Beschl. v. 11.5.1984 – 16 T 16/84, ZMR 1985, 1032 = JurBüro 1985, 1701; ZMR 1998, 294 = NZM 1998, 305; LG Berlin, ZMR 1999, 556. 4 BGH, Urt. v. 6.11.1998 – V ZR 48/98, ZfIR 1998, 749; OLG Koblenz, Urt. v. 7.1.1998 – 7 U 349/97, OLGR 1998, 114: 20%ige Minderung bei Wald- und Wiesengrundstücken.

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1673

Besichtigung sichtigen. Dem Wesen nach handelt es sich um einen auf Duldung gerichteten Anspruch, da den zur Ermöglichung der Besichtigung erforderlichen Leistungshandlungen, etwa der Gewährung des Zutritts, nur untergeordnete Bedeutung zukommt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Besichtigung durch den Kläger selbst oder durch Dritte, etwa einen Sachverständigen, erfolgen soll.

II. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 1674

Bei der auf Duldung einer Besichtigung gerichteten Klage bestimmen sich Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.). Dies gilt auch im Zusammenhang mit einem Miet-, Pachtoder sonstigen Nutzungsverhältnis, wenn beispielsweise der Vermieter vom Mieter verlangt, die Mietsache selbst oder über einen Dritten besichtigen zu können. Da es sich um einen Streit über die aus einem Nutzungsverhältnis erwachsenden Verpflichtungen handelt, ist § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) unmittelbar nicht anwendbar.

1675

Das in allen Fällen für den Streitwert maßgebliche klägerische Interesse ist ausgehend vom Zweck der Besichtigung zu ermitteln.

1676

Geht es um eine Besichtigung durch Mietinteressenten, dient sie der Ermöglichung einer Weitervermietung, also dem Abschluss eines Mietvertrages. Hier ist eine Bruchteilsbewertung geboten, bezogen auf die für den Vertragsabschluss geltenden Bewertungsmaßstäbe (s. unter dem Stichwort „Vertragsabschluss“). Insoweit kann das Vermietungsinteresse gem. § 9 ZPO mit dem 3 1/2-fachen des Jahresbetrages der Miete bemessen werden und entsprechend der Bewertung des Auskunftsanspruchs – je nach Dringlichkeit und Bedeutung – ein Bruchteil zwischen 1/10 und 1/5 angesetzt werden. Denn die Besichtigung dient nur der Vorbereitung weiter gehender Ansprüche bzw. Rechtsänderungen, indem sie Auskunft über den Zustand der Mietsache gibt.1

1677

Ähnlich liegt es, wenn es um eine Besichtigung durch Kaufinteressenten und damit um das Verwertungsinteresse des Vermieters geht. Für den Streitwert ist daher auf einen Bruchteil des beabsichtigten Kaufpreises abzustellen.2 Den Mindererlös aufgrund eines (etwaigen) Scheiterns der Kaufverhandlungen heranzuziehen,3 erscheint dagegen wenig sinnvoll. Weder lassen sich das Risiko des Scheiterns und ein daraus – möglicherweise – resultierender Minderlös bei Klageerhebung annähernd einschätzen, noch repräsentiert dieser das Verwertungsinteresse des Klägers.

1678

Dient die Besichtigung durch den Vermieter der Klärung, ob die Mietsache mit Mängeln behaftet oder sonst in ihrer Substanz gefährdet ist, ist Ausgangspunkt das Interesse des Vermieters am Substanzerhalt. Da es sich hierbei um notwendige Vorbereitungen zu etwaig geschuldeten Instandsetzungs- oder zu duldenden Erhaltungsmaßnahmen handelt, ist – zumindest im Bereich des Wohnungsmietrechts – ein Bruchteil des für den Anspruch auf Mängelbeseiti-

1 Vgl. auch Hartmann, Anh. I § 48 GKG (§ 3 ZPO) Rn. 83: 1 Monatsmiete; Lützenkirchen, NJW 2007, 2152 (2156). 2 AG Dorsten, WuM 1979, 15. 3 Lützenkirchen, NJW 2007, 2152 (2156).

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Besichtigung gung nach § 41 Abs. 5 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.) maßgeblichen Wertes geboten.1 Ist die Klage auf Duldung der Besichtigung eines Hausgrundstücks durch einen Sachverständigen zum Zwecke der Wertschätzung gerichtet, ist nach den Grundsätzen für die Bewertung eines Auskunftsanspruchs zu beziffern; maßgebend ist daher das Bewertungsinteresse des Klägers, nicht das Duldungsinteresse des Beklagten.2

1679

Der Streitwert eines Besichtigungsanspruch nach § 101a Abs. 1 Satz 1 UrhG richtet sich nach dem Streitwert der Ansprüche, deren Vorbereitung er dient. Für das Verhältnis vom Besichtigungs- zum Hauptanspruch kann auf die Grundsätze zur Bemessung des Auskunftsanspruch zurückgegriffen werden, der ebenfalls der Vorbereitung des Hauptanspruchs dient und regelmäßig mit 1 /10 bis 1/4 des Hauptsachewertes zu bemessen ist. Im Einzelfall ist darauf abzustellen, in welchem Umfang der Kläger zur Begründung seines Hauptanspruches auf die Auskunftserteilung angewiesen ist.3

III. Rechtsmittel und Beschwer Während sich die Beschwer des Klägers nach dem Wert des Klageantrages und damit nach dem Gebührenstreitwert bestimmt, ist für die Beschwer des Beklagten auf die mit der (ggfs. mehrfachen) Besichtigung verbundene Beeinträchtigung abzustellen. Insofern ist von Bedeutung, ob der titulierte Anspruch auf Vornahme von Besichtigungen Beschränkungen enthält, etwa hinsichtlich der Anzahl und Zeitpunkt.4 Abzustellen ist auf den mit der Besichtigung für den Beklagten verbundenen Zeit- und Kostenaufwand. Hier kann auch Verdienstausfall berücksichtigt werden, der dem Beklagten entsteht, weil er bei der Besichtigung anwesend sein will.5 Die Beschwer wird bei einer zu duldenden Besichtigung durch einen Sachverständigen oder zweimal jährlich durch einen Miteigenümer regelmäßig 600,00 Euro unterschreiten.6

1680

Ist der Beklagte zur Duldung der Wertermittlung seines Grundstücks durch einen Sachverständigen verurteilt worden, bleiben die Kosten der zu duldenden Maßnahme bei der Ermittlung der Beschwer außer Ansatz, da diese dem Kläger als Auftraggeber und Beweisführer obliegen. Zu berücksichtigen ist jedoch auch hier der Verdienstausfall des Beklagten, wenn er wegen der Begutachtung unbezahlten Urlaub nehmen muss. Dagegen bleiben die Kosten für die Zuziehung eines Rechtsanwalts unberücksichtigt, da sich die Auskunftsverurteilung nicht darauf erstreckt, sondern sich in der Pflicht erschöpft, den Zutritt zum Grundstück zu dulden.7

1681

1 So auch Lützenkirchen, NJW 2007, 2152 (2156). 2 OLG Bamberg, Beschl. v. 30.9.1986 – 7 WF 50/86, JurBüro 1987, 427. 3 BGH, Beschl. v. 31.3.2010 – I ZR 27/09; juris; Beschl. v. 25.1.2006 – IV ZR 195/04, FamRZ 2006, 119. 4 BGH, Beschl. v. 31.3.2010 – XII ZB 130/09, MDR 2010, 765; Beschl. v. 12.7.2007 – V ZB 36/07, NZM 2007, 660 = NJW-RR 2007, 1384. 5 BGH, Beschl. v. 22. 4 1999 – IX ZR 292/98, FamRZ 1999, 647 = NJWE-FER 1999, 65; OLG Koblenz, Beschl. v. 24.9.1999 – 5 U 545/99, AnwBl. 2000, 264. 6 BGH, Beschl. v. 31.3.2010 – XII ZB 130/09, MDR 2010, 765 – Miteigentümer. 7 BGH, Beschl. v. 30.10.1991 – XII ZB 127/91, NJW-RR 1992, 188.

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Besitz 1682

Im Einzelfall können auch die mit einer Besichtigung verbundenen Eingriffe in die Bausubstanz, etwa bei einer Ortsbesichtigung durch einen Sachverständigen, (zusätzlich) wertbestimmend sein.1

Besitz Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . 1683 B. Zuständigkeitsstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . II. Wert der Sache . . . . . . III. Besitzeinräumung . . . . IV. Besitzstörung . . . . . . V. Besitzeinweisung . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

1684 1688 1692 1700 1704

Rn. C. Gebührenstreitwert I. Allgemeines . . . . II. Wert der Sache . . . III. Besitzeinräumung . IV. Besitzstörung . . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

D. Rechtsmittel und Beschwer

. . . .

. . . .

. . . .

1706 1708 1709 1713

. . 1716

Stichwortübersicht Rn. Affektionsinteresse . . . . . . . . . 1688 Abnahme, Kaufgegenstand . . . . . 1686 Baulandverfahren . . . . . . . . . . 1705 Befahren von Grundstücken . . . . 1702 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . 1683 Dingliche Belastungen . . . . . . . 1690 Eigenbesitz . . . . . . . . . . . . . . 1683 Einräumung von – Bauträger . . . . . . . . . . . . . 1711 – Mitbesitz . . . . . . . . . . . . . 1698 – an Wohnhaus . . . . . . . . 1710, 1711 Einstweilige Verfügung . . . . . . . 1707 Einweisung in Grundstücksbesitz . 1704 Entziehung von Wohnraumbesitz . 1710 Fremdbesitz . . . . . . . . . . . . . 1683 Gegenleistung . . . . . . . . . . . . 1689 Grundstücksübergabe, Verzögerung 1697 Hauskauf . . . . . . . . . . . . . . . 1712 Herausgabe von Eigentum und ~ . . 1692

Rn. Kfz-Fahrwege . . . . . . . . . . . . . 1702 Leihvertrag . . . . . . . . . . . . . . 1684 Miet-/Pachtverhältnis . . 1695, 1709, 1714 Mitbenutzungsrecht . . . . . . . . . 1687 Mittelbarer ~ . . . . . . . . . . . . . 1683 Parkplätze, Besitzstörung . . . . . . 1702 Störung . . . . . . . . . . . . . . . . 1717 – des Eigentums . . . . . . . . . . . 1703 Streitgegenstand . . . . . . . . 1684, 1707 Ungerechtfertigte Bereicherung . . 1694 Unterlassung der Besitzstörung . . . 1700 Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . 1699 Verletzung von Strafgesetzen . . . . 1701 Verwahrungsvertrag . . . . . . . . . 1684 Vorläufige Besitzübertragung . . . . 1712 Vorlegung einer Sache . . . . . . . . 1686 Wert der Sache . . . . . . . . . . . . 1684 Wohnhaus . . . . . . . . . . . . . . 1712 Verkehrswert . . . . . . . 1688, 1696, 1708

A. Einleitung 1683

Unter Besitz ist die vom Verkehr anerkannte tatsächliche Sachherrschaft einer Person über eine Sache zu verstehen, § 854 BGB. Der Besitzbegriff der §§ 854 ff. BGB schließt den unmittelbaren und mittelbaren Besitz, Eigenbesitz und Fremdbesitz ein.2

1 BGH, Beschl. v. 4.11.1998 – XII ZB III/98, FamRZ 1999, 647 = NJWE-FER 1999, 65; OLG Koblenz, Beschl. v. 24.9.1999 – 5 U 545/99, AnwBl. 2000, 264. 2 RGZ 61, 92.

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Besitz

B. Zuständigkeitsstreitwert I. Allgemeines Gem. § 6 ZPO wird der Zuständigkeitsstreitwert durch den Wert der Sache bestimmt, wenn es auf deren Besitz ankommt. Streitgegenstand ist der Sachbesitz immer, wenn der Klageantrag darauf abzielt, den Besitz zu erlangen oder wiederzuerlangen, selbst wenn der Beklagte nicht Besitzer ist, sondern er dem Kläger den Besitz anderweitig verschaffen soll. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger selbst Eigentümer ist,1 beispielsweise bei dem Verlangen der Herausgabe von Sachen aufgrund eines Leihvertrages oder eines Verwahrungsvertrages.2

1684

Ob der Wert der Sache ebenso maßgeblich ist, wenn allein die Eigentumsübertragung nicht aber die Besitzeinräumung im Streit steht, ist umstritten.3 S. hierzu unter den Stichwörtern „Auflassung“ und „Eigentum“.

1685

Die Erlangung des Besitzes steht nicht im Streit, wenn der Kläger gem. § 809 BGB die Vorlegung einer Sache zum Zwecke der Besichtigung oder Einsicht4 oder nach § 433 Abs. 1 BGB die Abnahme des Kaufgegenstandes verlangt. Hier ist der Wert gem. § 3 ZPO nach dem klägerischen Interesse zu bestimmen.5 S. auch das Stichwort „Abnahme“.

1686

Auch der Streit um ein Mitbenutzungsrecht wird nicht nach § 6 ZPO bewertet, da dieses nicht dem (Mit-)Besitz entspricht. Wertbestimmend ist gem. § 3 ZPO das klägerische Interesse.6

1687

II. Wert der Sache Der Wert der Sache bemisst sich nach ihrem objektiven Verkehrswert, also dem Betrag, der sich bei einer Veräußerung erzielen lässt.7 Dieser Wert ist nach § 3 ZPO zu schätzen,8 wobei der maßgebliche Zeitpunkt derjenige der Einreichung der Klage oder des Rechtsmittels ist, § 4 ZPO.9 Von kostenträch1 LAG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2008 – 1 Ta 190/08, JurBüro 2009, 140 – Herausgabeklage des Leasingnehmers; OLG Hamburg, Rpfleger 1948/49, 419 Nr. 98. 2 S. dazu RGZ 61, 92; OLG Hamburg, OLGE 25, 46. 3 Bejahend KG, JurBüro 1970, 174; OLG Frankfurt, JurBüro 1985, 238, OLG München, Beschl. v. 10.3.1997 – 28 W 2542/96, MDR 1997, 599 = NJW-RR 1998, 142; verneinend OLG Celle, Beschl. v. 29.4.1983 – 14 U 15/83, JurBüro 1983, 1691; OLG München, Beschl. v. 18.1.1983 – 24 W 232/82, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 96 mit Anm. E. Schneider = JurBüro 1983, 1393; Zöller/Herget, § 6 ZPO Rn. 1 m.w.N. 4 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rn. 6. 5 BGH, Beschl. v. 11.7.1980 – VIII ZR 107/80, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 499; KG, JurBüro 1960, 166; OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 162. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.5.2009 – 19 W 28/09, OLGR 2009, 930 = AGS 3009, 499 – Mitbenutzungsrecht eines Ehepartners an dem im Alleineigentum des anderen Ehepartners stehenden Wohnhaus; OLG Nürnberg, Rpfleger 1956, 298; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Besitz“ Rn. 9. 7 BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518; Beschl. v. 12.6.1991 – II ZR 65/91, MDR 1992, 83 = NJW-RR 1991, 1210; OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, Nds.Rpfl. 2007, 331 = AGS 2008, 189; LAG Frankfurt/M., Urt. v. 16.10.2006 – 19 Sa 701/06, juris. 8 OLG Nürnberg, JurBüro 1961, 508; Zöller/Herget, § 6 ZPO Rn. 2. 9 LAG Hessen, Urt. v. 16.10.2006 – 19 Sa 701/06, juris.

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1688

Besitz tigen Ermittlungen ist abzusehen, wenn auf ein für andere Gerichtsverfahren eingeholtes Wertgutachten zurückgegriffen werden kann.1 Der Verkehrswert bestimmt sich nicht ohne weiteres nach einem etwaig vereinbarten Kaufpreis, obschon dieser einen Anscheinsbeweis für die Höhe des Verkehrwerts begründet.2 Ein etwaig vorhandenes Affektionsinteresse bleibt unberücksichtigt.3 1689

Bei der Wertmittlung bleiben Gegenleistungen außer Ansatz, selbst wenn nur über sie gestritten wird.4 S. aber auch nachfolgend Rn. 1708. Dies gilt auch für von den Beklagten in Bezug auf die Sache erhobene Einwendungen, beispielsweise Zurückbehaltungsrechte.5

1690

Die auf Immobiliareigentum ruhenden dinglichen Lasten (Grundschulden, Hypotheken) werden nicht wertmindernd berücksichtig, da bei der Veräußerung das Eigentum entweder lastenfrei übertragen oder nur unter Anrechnung auf den Kaufpreis übernommen werde.6 Anders liegt es jedoch, wenn auf dem Eigentum liegende Rechte Dritter die wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks beeinträchtigen, wie dies etwa bei Nießbrauchs- und Wegerechten der Fall ist.7

1691

S. zu den Einzelheiten der Berechnung auch unter dem Stichwort „Verkehrswert“.

III. Besitzeinräumung 1692

Das Begehren nach Besitzeinräumung umfasst den Anspruch auf Herausgabe des gegnerischen Besitzes sowie auf Verschaffung des von einem Dritten gehaltenen Besitzes.

1693

Der Klage auf Herausgabe einer Sache steht wiederum das Begehren nach Duldung der Wegnahme gleich.8 S. auch unter dem Stichwort „Duldungsklage“. Ist die Klage auf Duldung des Ausbau von Messeinrichtungen der Energieversorgung gerichtet, bestimmt sich der Wert nur dann nach dem Verkehrswert der Messeinrichtung, wenn das Interesse des Klägers nicht auf die Einstellung der Versorgung (durch Ausbau) gerichtet ist.9 S. ausführlich unter dem Stichwort „Energie- und Wasserversorgung“.

1 Vgl. OLG Celle, Beschl. v. 29.9.2009 – 4 W 126/09, OLGR 2009, 1024. 2 OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1990 – 1 W 130/89, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 128 = JurBüro 1990, 773; Hartmann, Anh. I § 48 GKG (§ 6 ZPO) Rn. 4; a.A. OLG Köln, MDR 2005, 299. 3 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rn. 11; Stein/Jonas/Roth, § 6 Rn. 16. 4 OLG Nürnberg, MDR 1995, 966; Zöller/Herget, § 6 ZPO Rn. 2. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.11.1983 – 8 W 46/83, AnwBl. 1984, 94. 6 BGH, NJW-RR 2001, 518; OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1990 – 1 W 130/89, JurBüro 1990, 773; KG, MDR 2001, 56. 7 BGH, JurBüro 1958, 387; OLG Bamberg, JurBüro 1992, 629; OLG Schleswig, Beschl. v. 9.1.1980 – 7 W 11/79, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 80 mit Anm. E. Schneider; Zöller/Herget, § 6 ZPO Rn. 2; a.A. OLG Karlsruhe, Justiz 1967, 240: maßgeblich ist der wirtschaftliche Erfolg. 8 BGH, NJW 1991, 3221; KG, Rpfleger 1971, 227, Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rn. 10; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 6 ZPO Rn. 3. 9 Vgl. LG Chemnitz, Beschl. v. 4.6.2007 – 3 T 443/07, GWF/Recht und Steuern, 2008, 23 – Herausgabeklage der nicht mit der Energieversorgung befassten Netzbetreibergesellschaft.

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Besitz Unerheblich ist, auf welcher materiell-rechtlichen Grundlage der Besitzeinräumungsanspruch beruht. Daher fallen Besitzansprüche aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) ebenso unter § 6 ZPO,1 wie dingliche (§§ 861, 985 BGB) oder obligatorische (z.B. § 433 Abs. 1 BGB) Herausgabeansprüche.2

1694

Davon ausgenommen sind jedoch Besitzeinräumungsansprüche aus Mietoder Pachtverhältnissen, soweit sie nicht wertunabhängig in die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts fallen. Hier bestimmt sich der Wert gem. § 8 ZPO nach dem auf die streitige Zeit entfallenden Nutzungsentgelt, soweit nicht der 3,5-fache Jahresbetrag geringer ist. Dies gilt auch, wenn sich der Beklagte gegenüber dem Herausgabeverlangen mit (angeblichen) Rechten aus einem Miet- oder Pachtverhältnis verteidigt. Wegen der Einzelheiten s. insoweit unter dem Stichwort „Mietstreitigkeiten“.

1695

Die Umstände des Einzelfalls können eine vom Verkehrswert abweichende Bewertung rechtfertigen. So ist etwa beim Verlangen nach Wiedereinräumen des Besitzes eine unbestrittene Eigentümerstellung wertmindernd zu berücksichtigen, die auf dem Grundstück ruhenden Lasten vom Verkehrswert sind abzuziehen.3

1696

Für den Streitwert einer Räumungs- und Herausgabeklage des Käufers ist nicht der Verkehrswert, sondern nur das (geringwertigere) Interesse des Käufers an der alsbaldigen Besitzverschaffung maßgeblich, wenn ein an sich erfüllungsbereiter Grundstücksverkäufer kurzfristig die Übergabe des Grundstücks verzögert.4

1697

Begehrt der Kläger nur die Einräumung von Mitbesitz, bestimmt sich der Wert nach einem Bruchteil des Verkehrswertes. Die Sachherrschaft des Mitbesitzers erfasst zwar die ganze Sache, sie ist jedoch durch gleichen Besitz anderer Personen beschränkt.5 Die infolge der Beschränkung gebotene Bruchteilsbewertung richtet sich beim qualifizierten Mitbesitz nach der Anzahl der Mitbesitzer und beim schlichten Mitbesitz nach den Umständen des Einzelfalles. Im Falle des Teilbesitzes ist auf den Wert des betroffenen Sachteils abzustellen.6

1698

Verlangt der Kläger die Herausgabe einer Urkunde, ist § 6 ZPO nur anwendbar, wenn der Wert des Rechts, wie etwa bei echten Inhaberpapieren, unmittelbar durch den Besitz der Urkunde verkörpert wird. Anderenfalls ist das Interesse an der Innehabung nach § 3 ZPO zu bemessen.7

1699

1 RG, JW 1897, 541. 2 OLG Celle, Beschl. v. 29.9.2009 – 4 W 126/09, OLGR 2009, 1024 – Herausgabeverlangen nach verbotener Eigenmacht; Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, OLGR 2008, 91 = Nds.Rpfl. 2007, 331 = AGS 2008, 189; Zöller/Herget, § 6 ZPO Rn. 3. 3 Insoweit zutr. OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.2.1981 – 22 W 30/80, JurBüro 1981, 759 = MDR 1981, 589. 4 KG, JurBüro 1968, 740. 5 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rn. 4; Hillach/Rohs, S. 187; Thomas/Putzo/ Hüßtege, § 6 ZPO Rn. 3. 6 Thomas/Putzo/Hüßtege, § 6 ZPO Rn. 3. 7 BGH, Beschl. v. 10.10.2001 – VI ZR 120/01, AGS 2002, 230 = NJW-RR 2002, 573; Beschl. v. 25.9.1991 – XII ZB 61/91, FamRZ 1992, 169; OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1996 – 19 W 46/96, MDR 1997, 203 = NJW-RR 381: Schuldschein; LAG Koblenz, Beschl. v. 5.6.2008 – 1 Ta 94/08, AE 2008, 240 (Ls) – Leistungsnachweise zur Abrechnung gegenüber Dritten.

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Besitz

IV. Besitzstörung 1700

Gem. § 862 Abs. 1 BGB kann derjenige, dessen Besitz rechtswidrig gestört wird, die Beseitigung der Störung und Unterlassung künftiger Störungen verlangen. Das Interesse des Klägers an der Beseitigung einer Besitzstörung ist nach § 3 ZPO zu schätzen.1 Hier gilt also nicht § 6 ZPO, der nur dann anzuwenden ist, wenn vom Störer Wiedereinräumung verlorenen Besitzes verlangt wird.2

1701

Beruht das Unterlassungsbegehren auf Besitzstörungen, die unter Verletzung der Strafgesetze begangen und in besonders aggressiver Weise ausgeführt worden sind, ist regelmäßig ein erhöhter Streitwert gerechtfertigt.3 Setzt sich der Beeinträchtigte mit einer einstweiligen Verfügung zur Wehr und wird dadurch (faktisch) ein endgültiger Rechtsschutz erreicht, ist der Streitwert des Verfügungsverfahrens mit einem höheren Bruchteil als gewöhnlich zu bemessen.4

1702

Der Streitwert einer Unterlassungsklage, mit der das Verbot begehrt wird, Grundstücke mit Kraftfahrzeugen zu befahren und sie dort abzustellen, ist ebenfalls gem. § 3 ZPO zu bewerten. Maßgebend ist das Interesse des Klägers an ungestörter Benutzung der Parkplätze, wobei nach Ansicht des OLG Bamberg5 als Bewertungshilfe § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) herangezogen werden könne.6

1703

Richtet sich die Klage gegen die Störung des Eigentums (Geräusche, Behinderungen, unbefugte Inanspruchnahme des Grundstücks usw.), dann ist ebenfalls nicht der Wert der dem Kläger gehörenden Sache (§ 6 ZPO) maßgebend. Vielmehr ist der Streitwert nach § 3 ZPO zu schätzen, wobei darauf abzustellen ist, wie hoch das Interesse des Klägers an der Beseitigung der Störung seines Eigentums anzusetzen ist.7

V. Besitzeinweisung 1704

Streiten die Parteien über eine Besitzeinweisung der klagenden Ersteherin in den Besitz des erstandenen Grundstücks, bemisst sich der Wert gem. § 6 ZPO nach dem Wert des Grundstücks, nicht nach dem des behaupteten Pachtrechts des Schuldners.8

1705

Bestreitet der Kläger dagegen in Baulandsachen nur die Rechtmäßigkeit einer vorzeitigen Einweisung (§ 116 BauGB), ist sein Aufhebungsinteresse gem. § 3 ZPO zu bewerten. Angesichts des vorläufigen Charakters der Verwaltungsmaßnahme ist entsprechend § 53 GKG (entspricht nur teilweise § 20 GKG 1 RGZ 3, 394. 2 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.12.1983 – 2 W 21/83, JurBüro 1984, 284; OLG Hamburg, OLGE 23, 72; Musielak/Heinrich, § 23 unter „Besitzstörungsklage“; Schneider, MDR 1985, 272. 3 OLG Köln, Beschl. v. 25.11.1975 – 2 W 133/75, ZMR 1977, 62 = JMBl. NW 1976, 71. 4 OLG Köln, JMBl. NW 1976, 71: Hälfte des Hauptsachewerts. 5 OLG Bamberg, Beschl. v. 27.1.1971 – 4 U 17/70, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 262. 6 Ebenso OLG Zweibrücken, JurBüro 1984, 284; a.A. Lappe, Anm. zu KostRsp. ZPO § 3 Nr. 262: § 16 GKG a.F. verfolge den sozialen Zweck, Mietprozesse kostenmäßig niedrig zu halten, und gelte daher nicht für Streitigkeiten über Kfz-Fahrwege. 7 RGZ 3, 394. 8 LG Bayreuth, AnwBl. 1966, 403, Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rn. 28.

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Besitz a.F.) eine auf den Grundstückwert bezogene Bruchteilsbewertung geboten, die sich im Hinblick auf die Bewertung des Umlegungsverfahrens1 auf 1/5 beläuft.2 S. auch unter dem Stichwort „Baulandsachen“.

C. Gebührenstreitwert I. Allgemeines Für den Gebührenstreitwert findet sich keine allein auf besitzrechtliche Streitigkeiten zugeschnittene Bewertungsvorschrift. Daher gelangen über § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 GKG Abs. 1GKG a.F.) die §§ 3 ff. ZPO entsprechend zur Anwendung, soweit nicht Sonderregelungen des GKG, etwa § 41 GKG (§16 GKG a.F.), vorgehen. Daher wird zunächst auf die Ausführungen zum Zuständigkeitswert verwiesen, hier insbesondere zum Anwendungsbereich des § 6 ZPO.

1706

Ist der Besitz Streitgegenstand eines einstweiligen Rechtschutzverfahrens (Arrest und einstweilige Verfügung, bestimmt sich (nur) der Gebührenstreitwert gem. § 53 Abs. 1 GKG (§ 20 Abs. 1 GKG a.F.) nach § 3 ZPO. Der Hauptsachewert nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG (12 Abs. 1 GKG a.F.) ist nur Ausgangspunkt des zu bewertenden Sicherungsinteresses des Antragstellers. Die demnach grundsätzlich gebotene Bruchteilsbewertung richtet sich nach dem Umfang der ohne vorläufigen Rechtsschutz drohenden Rechtsgutsgefährdung und der (faktischen) Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung.3

1707

II. Wert der Sache Der für die Zuständigkeit nach § 6 ZPO maßgebliche objektive Verkehrswert der Sache4 kann für den Gebührenstreitwert nur eingeschränkt herangezogen werden. Hier ist bei besitzrechtlichen Klagen auf das vom Kläger angestrebte Rechtsschutzziel und das zugrunde liegende Rechtsverhältnis abzustellen. Denn mit einer rein formalen Anknüpfung an § 6 ZPO besteht insbesondere bei Immobiliarstreitigkeiten die Gefahr, den Zugang zu den Gerichten mit Streitwerten zu erschweren, die in keinem Verhältnis zum „wirklichen wirtschaftlichen Streit der Parteien“ stehen.5 Probleme zeigen sich insbesondere

1 BGH, MDR 1978, 648; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Baulandsachen“ m.w.N. 2 BGH, JurBüro 1974, 186 = MDR 1974, 30 = NJW 1973, 2202; OLG München, Beschl. v. 1.12.2003 – W 8/03 Bau, NVwZ-RR 2004, 711 = BauR 2004, 1044; Hartmann, Anh. I § 48 GKG (§ 3 ZPO) Rn. 26 unter „Baulandsachen“. 3 OLG Braunschweig, Beschl. v. 29.12.1999 – 7 W 45/99, OLGR 2000, 290; OLG Hamm, Beschl. v. 1.3.2000 – 12 W 2/00, AGS 2000, 134. 4 BGH, NJW-RR 2001, 518; BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – II ZR 65/91, MDR 1992, 83 = NJW-RR 1991, 1210. 5 BVerfG, NJW-RR 2000, 946; KG, NJW-RR 2003, 787; OLG Braunschweig, Beschl. v. 29.12.1999 – 7 W 45/99, OLGR 2000, 290; OLG Frankfurt, Beschl. 29.10.2002 – 24 U 158/01, MDR 2003, 356: Herausgabe entgegenstehendes Werkunternehmerpfandrecht; OLG Köln, Beschl. v. 8.10.2003 – 19 W 52/03, OLGR 2004, 28; Beschl. v. 29.4.1981 – 2 W 17/81, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 78 mit zust. Anm. Lappe; Schneider, MDR 1984, 142; OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.1.2004 – 12 W 14/04, RVG-Letter 2004, 83; Zöller/Herget, § 6 ZPO Rn. 1; a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 16.7.2002 – 21 W 1/02, MDR 2002, 1458 = BauR 2003, 132.

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1708

Besitz dann, wenn der Besitz an einer Sache nur deswegen zurückbehalten wird, weil die Parteien über den Bestand oder die Erfüllung einer wertmäßig unterhalb des Verkehrswertes der Sache liegenden Forderung streiten.

III. Besitzeinräumung 1709

Neben den bereits beim Zuständigkeitsstreitwert erörterten Fragestellungen ist bei besitzrechtlichen Streitigkeiten aufgrund eines (behaupteten) Mietoder Pachtverhältnisses die Sondervorschrift des § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) zu beachten. Hiernach ist bei einem Streit über den Bestand oder die Dauer eines Mietverhältnisses sowie über die Verpflichtung zur Räumung regelmäßig nur der Jahresbetrag des vereinbarten Nutzungsentgelts wertbestimmend.1

1710

Bei Klagen, die auf Besitzentziehung von Wohnraum gestützt sind (§§ 861, 823 BGB), ist der Streitwert nach § 3 ZPO, jedoch unter Berücksichtigung der Berechnungsweise des § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) zu schätzen. In der Regel wird hiernach für die Wertberechnung der Betrag des einjährigen Nutzungsentgelts in Betracht kommen2 mit entsprechenden Abschlägen, wenn nur Mitbesitz eingeräumt werden soll und/oder es sich um ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung handelt.3 S. zu den Einzelheiten das Stichwort „Mietstreitigkeiten“.

1711

Verlangt der Käufer eines schlüsselfertigen Eigenheims die Einräumung vom Bauträger, dann ist darauf § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG) und nicht § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) anzuwenden, weil die sozialen Erwägungen, die dieser Ausnahmevorschrift zugrunde liegen, hier nicht gegeben sind.4

1712

Der Streitwert einer einstweiligen Verfügung auf vorläufige Besitzübertragung nach dem Kauf eines Wohnhauses kann entsprechend § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) mit dem fiktiven Jahresnutzungsentgelt beziffert werden. Das OLG Düsseldorf5 hat stattdessen 2/5 des Kaufpreises angenommen, was wesentlich übersetzt erscheint.

IV. Besitzstörung 1713

Die Bewertung der Besitzstörung erfolgt auch für den Gebührenstreitwert über § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) nach den Vorschriften zum Zuständigkeitsstreitwert (§ 3 ff. ZPO).6

1714

Dies gilt auch dann, wenn der mit der Nutzung einer Miet- oder Pachtsache verbundene Besitz durch Dritte oder von der anderen Mietvertragspartei aus1 KG, Beschl. v. 7.1.2008 – 12 U 127/06, ZMR 2008, 448; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.1.2008 – 10 W 6/08, AGS 2008, 307 = NJW-RR 2008, 1115. 2 OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, Nds.Rpfl. 2007, 331 = AGS 2008, 189; LG Braunschweig, JBl. Braunschweig 1947, 282. 3 LG Bielefeld, Beschl. v. 3.2.1992 – 3 T 89/92, FamRZ 1992, 1095; ohne Abschlag OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, AGS 2008, 189. 4 LG Bayreuth, JurBüro 1978, 553. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.7.1985 – 9 W 58/85, AnwBl. 1986, 36 = JurBüro 1985, 1848. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.9.2007 – 19 W 57/07, AGS 2008, 92 = NJW-RR 2008, 534.

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Besitz geht und das Unterlassungsbegehren mietvertraglich begründet wird. Denn für eine unmittelbare Anwendung von § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) besteht nur Raum, wenn aufgrund der Störung der Bestand des Nutzungsverhältnisses selbst in Frage gestellt wird. Wertbestimmend ist in beiden Fällen das Interesse des Klägers an der Beseitigung bestehender oder Verhinderung weiterer Störungen. Hierbei kann in der Regel auf die Wertung in § 41 Abs. 5 GKG abgestellt und eine Bemessung nach dem Jahresbetrag der aufgrund der Störung anzunehmenden Mietminderung (§ 537 BGB) vorgenommen werden.1 Denn das Interesse an einem ungestörten Gebrauch der Mietsache entspricht – wirtschaftlich betrachtet – dem zur Gebrauchsgewährung erforderlichen Aufwand. Zudem wäre auch der Gebührenstreitwert einer gegen den Vermieter als mittelbaren Störer bzw. den zur unbeeinträchtigen Gebrauchsgewährung Verpflichteten gerichtete Klage nach Maßgabe von § 41 Abs. 5 GKG zu bemessen.2 Handelt es sich um eine Streitigkeit zwischen den Mietvertragsparteien, soll im Rahmen der Schätzung nach § 3 ZPO die Bemessungsregel des § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) nicht überschritten werden.3 Sinnvoll ist eine Orientierung am Jahresbetrag der aufgrund der Störung möglichen Minderung.4

1715

D. Rechtsmittel und Beschwer Es gelten die allgemeinen Regeln, der Wert der Beschwer entspricht in der Regel dem Wert der herauszugebenden Sache. Wird dagegen der Streit – wirtschaftlich betrachtet – nur um den Bestand eines von dem Besitzer geltend gemachten Pfandrechts geführt, ist der Wert des Pfandrechts für die Beschwer maßgeblich. Hierbei entspricht der Wert des Werkunternehmerpfandrechts dem Wert der von ihm gesicherten Werklohnforderung.5

1716

Zu beachten bleibt, dass bei der auf Beseitigung oder Unterlassung von Besitzstörungen gerichteten Klage die Beschwer von Kläger und Beklagten regelmäßig unterschiedlich zu bewerten sind. Während die Beschwer des Klägers notwendigerweise dem Zuständigkeitsstreitwert (§ 3 ZPO) folgt, ist für den Beklagten maßgeblich darauf abzustellen, mit welchem Aufwand die ihm auferlegte Störungsbeseitigung bzw. -unterlassung verbunden ist.

1717

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.9.2007 – 19 W 57/07, AGS 2008, 92 = NJW-RR 2008, 534; Beschl. v. 26.9.1985 – 8 W 25/85, WuM 1986, 15; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.12.1983 – 2 W 21/83, juris. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.9.2007 – 19 W 57/07, AGS 2008, 92 = NJW-RR 2008, 534. 3 BGH, Beschl. v. 7.4.1993 – XII ZR 244/92, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1133; OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 2; s. auch OLG Bamberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 262 u. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.12.1983 – 2 W 21/83, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 100 = JurBüro 1984, 284; ähnlich LG Braunschweig, JBl. Braunschweig 1947, 282 bei Besitzentziehung. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.9.1985 – 8 W 25/85, WuM 1986, 15. 5 OLG, Beschl. v. 29.10.2002 – 24 U 158/01, MDR 2003, 356; LG Münster, Beschl. v. 18.7.2007 – 9 S 99/07, juris.

Kurpat

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Bierabnahmepflicht

Bestimmungsverfahren nach § 36 ZPO, Zuständigkeit S. das Stichwort „Gerichtsstandsbestimmungsverfahren“.

Beweisverfahren S. das Stichwort „Selbständiges Beweisverfahren“.

Bewilligung 1718

S. die Nachweise bei dem jeweiligen Gegenstand der Bewilligung zum Beispiel bei den Stichwörtern „Auflassung“ oder „Auflassungsvormerkung“ oder „Löschung“.

Bierabnahmepflicht 1719

Der sog. Bierlieferungsvertrag ist ein wichtiger Anwendungsfall der Bezugsverpflichtung. Eine spezielle Bewertungsvorschrift fehlt. Daher ist das Interesse des Klägers nach § 3 ZPO zu schätzen.

1720

Klagt eine Brauerei auf Feststellung der Verpflichtung zur Abnahme von Bier, das sie herstellt, dann ist bei der Schätzung nach § 3 ZPO nicht von der Gewinneinbuße, sondern von der Umsatzminderung auszugehen.1

1721

Überwiegend dürfte jedoch auf den Gewinn abgestellt werden, den der Lieferant bei Einhaltung der Bierbezugsverpflichtung zu erwarten hat.2

1722

Im Ergebnis weichen beide Ansichten nicht oder nur gering voneinander ab. Berechnungsgrundlage ist in jedem Fall die voraussichtliche jährliche Bierbezugsmenge. Der Gewinn wiederum muss immer mitberücksichtigt werden. Beide Bewertungsumstände sind daher zu berücksichtigen und der Schätzung nach § 3 ZPO zugrunde zu legen.

1723

Vertretbar ist ein Aufschlag auf den Streitwert zur Abgeltung eines Interesses der Brauerei an der Stetigkeit des Umsatzes,3 etwa wenn es um eine Bezugsbindung von noch langer Dauer geht.4

1724

Den Streitwert einer Klage auf Nichtigkeit eines Getränkebezugsvertrages hat das OLG Saarbrücken5 nach dem vollen Wert der Leistungen bemessen, von 1 OLG Neustadt, MDR 1962, 413. 2 KG, Beschl. v. 8.9.1969 – 1 W 6749/69, Rpfleger 1969, 443 = JurBüro 1969, 1195; OLG Bamberg, Beschl. v. 5.7.1984 – 1 W 47/84, JurBüro 1985, 441; LG Bayreuth, Beschl. v. 27.11.1978 – 3 O 89/78, JurBüro 1979, 253. 3 OLG Braunschweig, Beschl. v. 25.10.1978 – 2 O 69/74, JurBüro 1979, 436. 4 S. dazu auch OLG Bamberg, MDR 1977, 935. 5 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.9.1978 – 1 W 20/78, JurBüro 1978, 1718 = AnwBl. 1978, 467 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 427 mit krit. Anm. Schneider.

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Monschau

Bilanz denen der Nichtigkeitskläger freigestellt werden wollte. Diese Auffassung ist insofern abzulehnen, als sie von einem starren Grundsatz ausgeht und im Einzelfall dazu führen kann, dass wesentliche streitwertmindernde Umstände entgegen wirtschaftlicher Betrachtungsweise unbeachtet bleiben. Insbesondere sind alle Faktoren zu berücksichtigen, die das Interesse beeinflussen, etwa der Wert der Gegenleistung oder sonstige mitlaufende Vergünstigungen.1 Bei Bestellung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit betreffend eine Abnahmeverpflichtung aus Getränkelieferungen ist maßgebender Bewertungsausgangspunkt der vom Kläger zu erwartende Gewinn, der auf der Grundlage des Umsatzes zu ermitteln ist.

1725

Die im Eilverfahren erstrebte Vormerkung zur Sicherung der Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit betreffend die Abnahmeverpflichtung von Getränkelieferungen ist nach § 3 ZPO zu schätzen, wobei der für die Hauptsache maßgebende § 9 ZPO die Richtschnur bildet. Wichtigster Bewertungsumstand ist der vom Antragsteller erwartete Gewinn.2 S. auch das Stichwort „Auflassungsvormerkung“ Rn. 1220 ff.

1726

Bilanz Literatur: Stötter, DB 1972, 271.

Bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Handelsgesellschaft ist er abzufinden. Die Berechnung seines Guthabens wird anhand der sog. Abschichtungs- oder Auseinandersetzungsbilanz vorgenommen. Zur Bestimmung des Zuständigkeits- bzw. Gebührenstreitwerts einer solchen Klage auf Bilanzerteilung ist nicht der Aktivsaldo maßgebend, sondern das Interesse des Klägers nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.3 Maßgeblich ist dafür das Interesse des Klägers an der Bilanz. Wie dieses Interesse zu bewerten ist, hängt davon ab, welchen Zweck der Kläger mit der Bilanz verfolgt.

1727

Ist die Vorlage der Bilanz beispielsweise als Auskunft erforderlich, um einen Anspruch berechnen bzw. in einem späteren Prozess darlegen zu können, können die Grundsätze für die Bewertung eines Auskunftsanspruchs bzw. eines Anspruchs auf Rechnungslegung entsprechend angewandt werden.4

1728

Ist die Bilanz zur Vorlage bei Behörden oder öffentlichen Stellen erforderlich bzw. entspricht ihre Erstellung einer gesetzlichen Pflicht, so ist für den Wert nach § 3 ZPO der Aufwand zu schätzen, den die Erstellung der Bilanz erfordert.

1729

Die Höhe der Beschwer eines zur Rechnungslegung verurteilten Beklagten ist jedenfalls dann nach den Kosten für eine Fremdleistung zu bemessen, wenn er glaubhaft macht, aus Alters- oder Krankheitsgründen zur Eigenleistung nicht in der Lage zu sein.5 Insofern ergibt sich bei der Klage auf Erstellung einer

1730

1 Vgl. E. Schneider, JurBüro 1978, 1608. 2 S. OLG Bamberg, Beschl. v. 26.1.1978 – 5 W 20/78, JurBüro 1978, 1061. 3 RG, Warneyer 1940 Nr. 173; OLG München, Beschl. v. 14.3.1996 – 15 W 888/96, OLGR 1996, 106. 4 Vgl. dazu die Stichwörter „Auskunftsanspruch“ und „Rechnungslegung“. 5 BGH, Beschl. v. 5.2.2001 – II ZB 7/00, NJW 2001, 1284.

Onderka

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Bild Bilanz ein unterschiedlicher Streitwert für die Klage und für die Berufung des zur Auskunft verurteilten Beklagten.1

Bild 1731

Das Recht am eigenen Bild soll als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Selbstbestimmung des Betroffenen sichern. Eine Klage auf Unterlassung wegen Verletzung dieses Rechts oder auf Herausgabe der betreffenden Bilder/ Negative ist daher eine nach § 48 Abs. 2 GKG zu bewertende nichtvermögensrechtliche Streitigkeit.2 Der Gebührenstreitwert ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Ermessen zu bestimmen und darf 1.000.000 Euro nicht überschreiten. Der Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze nach § 3 ZPO frei zu schätzen.

1732

Die Klagen auf Unterlassung oder Herausgabe sind nur dann als vermögensrechtliche Streitigkeit anzusehen, wenn sich aus der Klage oder offenkundigen Umständen ergibt, dass es dem Kläger in wesentlicher Weise auch um die Wahrung wirtschaftlicher Interessen geht.3 Dabei müssen allerdings bloße vermögensrechtliche Reflexwirkungen außer Betracht bleiben.4 Eine vermögensrechtliche Streitigkeit liegt beispielsweise vor, wenn der Kläger Ersatz von Vermögensschäden oder Schadensersatz wegen Beeinträchtigung eigener Vermarktungschancen fordert.

Börsenpapiere 1733

Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert einer Klage auf Herausgabe von Börsenpapieren bestimmt sich gem. § 6 Satz 1 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach deren Wert im Zeitpunkt der Klageerhebung oder der sonst die Instanz einleitenden Antragstellung (§ 4 Abs. 1 1. Halbs. ZPO, § 40 Abs. 1 GKG). Maßgebend ist dabei der Börsenkurswert. Ein im Laufe des Verfahrens schwankender Kurs hat auf diesen Streitwert keinen Einfluss. Das Abstellen auf einen bei Klageerhebung zu berechnenden Durchschnittswert bei stark schwankenden Kursen ist abzulehnen, da mehr oder minder willkürlich.5

Bruchteilsgemeinschaft S. das Stichwort „Aufhebung von Gemeinschaften“.

1 BGH, Beschl. v. 24.11.1994 – GSZ 1/94, BGHZ 128, 85; OLG München, Beschl. v. 14.3.1996 – 15 W 888/96, OLGR 1996, 106. 2 BGH, Urt. v. 17.10.1995 – VI ZR 352/94, NJW 1996, 999; KG JurBüro 1969, 1190. 3 BGH, Urt. v. 28.6.1994 – VI ZR 252/93, VersR 1994, 1120. 4 BGH, Urt. v. 27.5.1986 – VI ZR 169/85, VersR 1986, 1075. 5 BGH, Beschl. v. 25.4.1989 – XI ZR 18/89, MDR 1989, 909.

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Bürgschaft

Bürgschaft Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 1734 B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert . . . . . . . . . . . . . 1735 I. Zahlungsklagen . . . . . . . . . 1736

Rn. II. Klagen auf Bestellung, Freistellung, Feststellung . . . . . . . III. Regressklagen . . . . . . . . . . IV. Herausgabe der Bürgschaftsurkunde . . . . . . . . . . . . . V. Anspruchshäufung . . . . . . .

. 1742 . 1748 . 1749 . 1752

A. Einleitung Nach § 765 Abs. 1 BGB verpflichtet sich der Bürge durch den Bürgschaftsvertrag gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. Gegenstand eines Bürgschaftsvertrags kann jedes beliebige Tun oder Unterlassen (§ 194 Abs. 1 BGB) sein, beispielsweise die Verpflichtung zur Geldzahlung, zur Übereignung eines Grundstücks1 oder die Verpflichtung, ein Bauwerk fristgerecht fertig zu stellen.2

1734

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Der Streitwert eines Bürgschaftsstreits bestimmt sich nach dem Inhalt der Verpflichtung, für die der Bürge gegenüber dem Hauptschuldner einzustehen hat. Es ist also nach den unterschiedlichen Ansprüchen bzw. Verfahrenskonstellationen, die zwischen Bürgen, Hauptschuldner und Gläubiger vorkommen können, zu differenzieren.

1735

I. Zahlungsklagen Von praktischer Bedeutung ist im Bürgschaftsrecht in erster Linie die Verpflichtung zur Geldzahlung, also „die Bürgschaft für eine Geldforderung“ (§ 772 Abs. 1 BGB). Hier wiederum liegt das Schwergewicht auf der Bürgschaft als Kreditsicherungsgeschäft im rechtsgeschäftlichen Kontakt mit Banken. Für den Wert einer Zahlungsklage gegen den Bürgen ist in diesen Fällen die Höhe der Forderung maßgebend (§ 6 Satz 1 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG).

1736

Die neben der Hauptschuld zu entrichtenden Zinsen und Kosten bleiben bei der Wertberechnung nach § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG unberücksichtigt, wenn der Bürge durch Klage in Anspruch genommen wird.3 Aus der Sicht des Gläubigers handelt es sich um Nebenforderungen zu seiner Hauptforderung.

1737

Wird durch die Bürgschaft ein Anspruch auf Miet- oder Pachtzinszahlung gesichert, so ist der Gebührenstreitwert einer Zahlungsklage gegen den Bürgen nach § 41 GKG zu bestimmen.4 Der Zuständigkeitsstreitwert bestimmt sich

1738

1 2 3 4

RGZ 140, 216. BGH, NJW 1980, 1459 – sog. Fertigstellungsbürgschaft. BGH, MDR 1958, 765. OLG Hamburg, OLGE 15, 53; LG Berlin, JVBl. 1937, 67.

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Bürgschaft nach § 3 ZPO, da die Regelung des § 8 ZPO bei Klagen auf Mietzinszahlung gegen den Mieter nicht anwendbar ist1 und daher auch bei der Zahlungsklage gegen den Bürgen nicht greift. 1739

Ist die Hauptforderung ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch, dann gilt auch für die Zahlungsklage gegen den Bürgen § 42 Abs. 1 GKG, denn die Klage ist auf Bezahlung von Unterhalt gerichtet.2 Nach einer früher vertretenen Ansicht3 sollte (der jetzige) § 42 Abs. 1 GKG nur bei einer Klage des Unterhaltsberechtigten gegen den Unterhaltsverpflichteten anwendbar sein. Dagegen sollte es nicht genügen, dass die Unterhaltsverpflichtung die Grundlage des Anspruchs gegen den Bürgen bilde. Diese Ansicht hat sich jedoch nicht durchgesetzt.4

1740

Nimmt der Gläubiger neben dem Bürgen mit der Klage zusätzlich auch den Hauptschuldner auf Zahlung in Anspruch, dann werden die Ansprüche nicht zusammengerechnet, da der Gläubiger nur einmal Leistung beanspruchen kann.5 § 5 ZPO bzw. § 39 Abs. 1 GKG sind unanwendbar.

1741

Erklärt der Bürge gegenüber dem Zahlungsanspruch die hilfsweise Aufrechnung mit Gegenforderungen des Hauptschuldners, führt das nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts.6 In derartigen Fällen kann es sich nur darum handeln, dass der Bürge im Prozess vorträgt, der Hauptschuldner habe wirksam aufgerechnet, denn der Bürge selbst kann mit einem für ihn fremden Anspruch nicht aufrechnen. Infolgedessen tritt keine Rechtskraftwirkung nach § 322 Abs. 2 ZPO ein. Dass das Gericht sich mit der Forderung des Hauptschuldners befassen muss, reicht nicht aus, die Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 GKG zu erfüllen. Hinsichtlich des Gegenstandswerts für die Anwaltsgebühren kann allerdings etwas anderes gelten, weil hier in erster Linie der Auftrag des Mandanten entscheidend ist. Ggf. muss der Anwalt eine gesonderte Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG beantragen.

II. Klagen auf Bestellung, Freistellung, Feststellung 1742

Klagen auf Bestellung einer Bürgschaft, Freistellung von einer Bürgschaftsverpflichtung bzw. auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Bürgschaft dienen der Sicherung einer Forderung und bemessen sich nach § 6 Satz 1 ZPO.7 Maßgebend ist dabei die Höhe der Hauptforderung. Nach einer Entscheidung des OLG München8 gilt das auch in den Fällen, in denen der Bürge wahrscheinlich nur wegen eines geringeren Betrages in Anspruch genommen wird. Bei einer eindeutigen Beschränkung der Haftungshöhe erscheint es jedoch vorzugswürdig, den Streitwert nach § 3 ZPO, § 48 1 BGH, NZM 2002, 736. 2 So OLG Königsberg, JW 1926, 2477; OLG Königsberg, JW 1929, 139. 3 Friedlaender, JW 1926, 2477; ähnlich auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.9.2002 – 24 W 36/02, AGS 2004, 75 mit Anm. Schneider: Der Senat will den Streitwert der Regressklage gegen den Anwalt, der die Undurchsetzbarkeit von Unterhaltsansprüchen verschuldet hat, nicht nach § 42 Abs. 1 GKG, sondern nach § 9 ZPO bewerten. 4 Dagegen auch RG, DR 1940, 2267; KG, JVBl. 1934, 170. 5 LG Kaiserlautern, Rpfleger 1966, 347. 6 BGH, Beschl. v. 29.11.1972 – VIII ZR 202/71, NJW 1973, 146. 7 RG, JW 1898, 3; KG, OLGE 25, 46; KG, JW 1933, 2402; OLG Stuttgart, Rpfleger 1957, 97; OLG Karlsruhe, AnwBl. 1973, 168. 8 OLG München, Rpfleger 1956, 58.

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Bürgschaft Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen und dabei auf den Betrag abzustellen, bis zu dem eine Inanspruchnahme des Bürgen nach dem Klagevortrag droht.1 Ist die Hauptforderung zwischen den Parteien streitig, dann ist allerdings deren vom Kläger behauptete Höhe für die Streitwertbestimmung maßgebend.2

1743

* Æ Beispiel: Der Kläger erhebt Klage auf Freistellung von einer Bürgschaftsverpflichtung. Die Höhe der Hauptforderung, für welche die Bürgschaft gilt, gibt er mit 25.000 Euro an. Hier ist der Streitwert auf 25.000 Euro festzusetzen, auch wenn der Beklagte geltend macht, die Hauptforderung bestehe nur in geringerer Höhe.

Lautet die Bürgschaftsurkunde auf einen höheren Betrag als die Klageforderung, dann ist nach dem Prinzip des § 6 Satz 2 ZPO für die Höhe des Streitwerts nur die Klageforderung maßgebend.3

1744

* Æ Beispiel: Die Bürgschaft lautet auf einen Betrag von 50.000 Euro, eingeklagt werden nur 30.000 Euro. Hier ist der Streitwert auf 30.000 Euro festzusetzen, soweit nicht gleichzeitig Widerklage auf Feststellung erhoben wird, dass eine über 30.000 Euro hinausgehende Haftung des Bürgen nicht besteht.

Bei der negativen Feststellungsklage auf Unwirksamkeit einer Höchstbetragsbürgschaft ist von der noch valutierten Hauptschuld auszugehen und für den nicht valutierten Teil der Bürgschaft eine nach § 3 ZPO zu schätzende Quote anzusetzen, weil sich die Forderung wieder erhöhen kann, beispielsweise wegen der Zinsen. Das OLG Karlsruhe hat aus dem Wert des nicht valutierten Teiles eine Quote von 30 % angesetzt.4

1745

* Æ Beispiel: Die negative Feststellungsklage wird hinsichtlich einer Höchstbetragsbürgschaft über 50.000 Euro erhoben. Die Hauptschuld beläuft sich im Zeitpunkt der Klageerhebung auf 20.000 Euro. Damit setzt sich der Streitwert aus 20.000 Hauptschuld zzgl. 30 % des nicht valutierten Teils von 30.000 Euro (= 9.000 Euro) zusammen und beträgt 29.000 Euro.

Wird mit der Klage die Nichtigerklärung der Mietzinsbürgschaft erstrebt, richtet sich der Gebührenstreitwert nach § 41 GKG.5 Für die Klage auf Feststellung, dass der Bürge ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr für die Miete haftet, hat das KG6 die Summe des auf die streitige Zeit entfallenden Mietzinses angesetzt.7

1746

Den Wert für ein einstweiliges Verfügungsverfahren, mit welchem dem Vermieter untersagt werden sollte, die Mietbürgschaft in Anspruch zu nehmen, hat das LG Bonn gem. § 53 Abs. 1 GKG nach dem für den Mieter zu erwartenden Zinsschaden berechnet.8

1747

1 So OLG Naumburg, JW 1936, 2574; OLG Frankfurt, AnwBl. 1980, 460; OLG Stuttgart, MDR 1980, 678. 2 OLG Stuttgart, Rpfleger 1957, 97. 3 OLG Stuttgart, MDR 1980, 678. 4 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.5.1991 – 17 W 10/91, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1058 mit Anm. Schneider = MDR 1991, 1197. 5 KG, OLGE 13, 71. 6 OLGE 25, 46. 7 Für Bemessung nach § 16 Abs. 1 GKG a.F. auch in diesem Fall mit Recht LG Berlin, JVBl. 1937, 67. 8 LG Bonn, Beschl. v. 14.2.2008 – 6 T 27/08, AGS 2008, 464.

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Bürgschaft

III. Regressklagen 1748

Bei der Regressklage des Bürgen gegen den Hauptschuldner werden – anders als bei der Zahlungsklage gegen den Bürgen – Zinsen und Kosten mitgerechnet. Sie sind keine Nebenforderungen des Regressanspruches. Dieser stellt vielmehr einen einheitlichen Anspruch dar, der sich nur aus verschiedenen Berechnungspositionen zusammensetzt.1 Auch § 4 Abs. 2 ZPO ist nicht anwendbar, da er nur für wechselmäßige Ansprüche gilt.2

IV. Herausgabe der Bürgschaftsurkunde 1749

Wird auf Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde geklagt, dann bestimmt sich der Streitwert nicht gem. § 6 ZPO nach der Höhe der gesicherten Forderung, sondern nur nach dem Herausgabeinteresse des Klägers, das nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen ist.3 Ausgangspunkt für die Schätzung ist die Höhe der Hauptschuld. Entscheidend ist sodann, ob und inwieweit zum Zeitpunkt der Erhebung der Herausgabeklage eine Inanspruchnahme des Bürgen noch in Betracht kommen kann.4 Weiter können die mit der Bürgschaftsurkunde verbundenen finanziellen Aufwendungen (z.B. Kosten für eine Bankbürgschaft) berücksichtigt werden.

1750

Das Interesse kann im Einzelfall gleich der Höhe der Hauptschuld sein, wenn es darum geht, – mit der Herausgabe den Bürgschaftsvertrag zu beseitigen5 und damit die volle Inanspruchnahme des Bürgen zu verhindern6 – oder bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern,7 weil diese dem Gläubiger innerhalb kürzester Zeit liquide Mittel zur Verfügung stellt, wenn er die Bürgenleistung vertragsgemäß anfordert. Auf der anderen Seite ist das Interesse besonders gering zu bewerten, wenn die gesicherte Forderung unstreitig erloschen ist oder die Bürgschaft nicht mehr besteht und mit der Klage nur eine mögliche missbräuchliche Benutzung der Bürgschaftsurkunde verhindert werden soll.8 1 RG, Recht 1917 Nr. 1663 und 1664; Hartmann, KostenG, GKG Anh I § 48 (§ 3 ZPO) Rn. 30. 2 KG, OLGE 21, 63. 3 BGH, Beschl. v. 14.10.1993 – IX ZR 104/93, BauR 1994, 541; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.6.1998 – 12 W 36/98, OLGR 1998, 427; OLG Hamm, JurBüro 1981, 434; OLG Düsseldorf, JurBüro 1981, 1893; KG, Beschl. v. 7.6.2001 – 8 W 164/01, KGR 2002, 28. Die Regelung des § 6 ZPO ist für den Besitzstreit nur dann maßgeblich, wenn der Besitz der Urkunde unmittelbar den Wert eines Rechts verkörpert (vgl. BGH, Beschl. v. 10.10.2001 – VI ZR 120/01, BGHR 2002, 155). 4 KG, Beschl. v. 7.6.2001 – 8 W 164/01, KGR 2002, 28. 5 BGH, Beschl. v. 14.10.1993 – IX ZR 104/93, BauR 1994, 541; OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.7.1980 – 1 W 23/80, AnwBl. 1980, 460; LG Hamburg, JurBüro 1992, 81; LG Hamburg, Beschl. v. 23.10.2001 – 308 O 117/01, JurBüro 2002, 81; LG Berlin, Beschl. v. 13.5.2002 – 67 T 29/02, JurBüro 2002, 478; OLG Dresden, Beschl. v. 21.10.2002 – 9 U 774/02, BauR 2003, 931. 6 BGH, Beschl. v. 15.2.2006 – VIII ZB 93/04, WuM 2006, 215. 7 KG, Beschl. v. 6.3.2000 – 26 W 599/00, AGS 2001, 253; OLG München, Beschl. v. 29.12.1999 – 15 W 3367/99, BauR 2000, 607. 8 BGH, Beschl. v. 14.10.1993 – IX ZR 104/93, BauR 1994, 541; OLG Hamm, Beschl. v. 19.1.1981 – 4 U 6/81, JurBüro 1981, 434.

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Bürgschaft Da das Interesse nach § 3 ZPO geschätzt werden muss, liegt es im Sinne der Rechtssicherheit, hier – ähnlich etwa wie bei der Bewertung einstweiliger Verfügungen oder positiver Feststellungsklagen – in den übrigen Fällen die Wertermäßigung zu pauschalieren: Überwiegend wird der Wert der Herausgabeklage mit 20 bis 30 % der Bürgschaftsforderung angesetzt.1 Das OLG Köln lehnt dagegen eine Pauschalierung ab und hält jeweils eine Einzelbewertung des konkreten Missbrauchsrisikos für erforderlich.2

1751

Soweit das OLG Düsseldorf3 das Interesse dem „Beweiswert der Bürgschaftsurkunde“ gleichsetzt, überzeugt das nicht, denn die Bürgschaftsurkunde hat keinen Beweiswert für das Bestehen der gesicherten Forderung, sodass dieser Gesichtspunkt als Bewertungskriterium ausscheiden muss.

V. Anspruchshäufung Wehrt sich der Beklagte gegen das Herausgabeverlangen mit einem Zurückbehaltungsrecht aufgrund angeblicher Gegenansprüche, so hat das keinen Einfluss auf die Streitwertberechnung.4

1752

Nimmt der Gläubiger neben dem Bürgen mit der Zahlungsklage zusätzlich auch den Hauptschuldner in Anspruch, dann werden die Ansprüche nicht zusammengerechnet. Da der Gläubiger die Leistung nur einmal verlangen kann, sind § 5 ZPO, § 39 Abs. 1 GKG nicht anwendbar.

1753

Beim Zusammentreffen der Zahlungsklage gegen den Bürgen und der Widerklage des Bürgen auf Herausgabe der Urkunde sind die Streitwerte ebenfalls nicht nach § 5 ZPO zusammenzurechnen, da wirtschaftliche Identität vorliegt.5 Es erfolgt für den Gebührenstreitwert auch keine Zusammenrechnung nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG, da Klage und Widerklage denselben Gegenstand haben. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall, dass der Kläger die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verlangt und der Beklagte Widerklage auf Erfüllung der durch die Bürgschaft gesicherten Ansprüche erhebt.6

1754

Ist allerdings beim Zusammentreffen von Zahlungsklage und Widerklage auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde der Zahlungsantrag geringwertiger als die verbürgte Verpflichtung, dann liegt wirtschaftliche Identität nur vor, soweit sich die Werte decken. Wegen des in der Bürgschaftsurkunde ausgewiesenen Mehrbetrages kann, wenn weitere Inanspruchnahme nicht auszuschließen ist, ein Aufschlag geboten sein, der nach § 3 ZPO zu schätzen ist.7

1755

1 OLG Köln, AnwBl. 1982, 437; OLG Stuttgart, JurBüro 1980, 896; ebenso für die Klage auf Herausgabe eines Schuldscheins: OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1996 – 19 W 46/96, wenn eine erneute Inanspruchnahme aus dem Schuldschein nicht droht; OLG Bamberg, JurBüro 1990, 1512. 2 OLG Köln, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 116 = MDR 1994, 101. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.10.1981 – 21 W 45/81, JurBüro 1981, 1893. 4 OLG Bamberg, Beschl. v. 16.5.1990 – 5 W 42/90, JurBüro 1990, 1512; OLG Hamm, JurBüro 1981, 434; OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.7.1980 – 1 W 23/80, AnwBl. 1980, 460. 5 OLG Stuttgart, MDR 1980, 678; OLG Bamberg, JurBüro 1974, 1437; OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.8.1999 – 13 W 35/99, OLGR 2000, 42; a.A. LG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2001 – 308 O 117/01, JurBüro 2002, 81 (Zusammenrechnung). 6 OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.6.1998 – 12 W 36/98, OLGR 1998, 427. 7 OLG Stuttgart, MDR 1980, 678; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.6.1998 – 12 W 36/98, OLGR 1998, 427.

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Darlehen

* Æ Beispiel: Aus einer Höchstbetragsbürgschaft über 50.000 Euro wird Zahlungsklage über 20.000 Euro erhoben. Mit der Widerklage wird Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verlangt. Hier liegt wirtschaftliche Identität hinsichtlich des Streits über die Verpflichtung zur Zahlung über 20.000 Euro vor. Für den verbleibenden Teil der Höchstbetragsbürgschaft (30.000 Euro) kann ein Aufschlag i.H.v. 30 % des Wertes (= 9.000 Euro) hinzugerechnet werden.

1756

Klagt der Hauptschuldner dagegen nach Beendigung des Vertragsverhältnisses auf Herausgabe der Bankbürgschaft und macht der Gläubiger im Wege der Widerklage Schadensersatzansprüche aus dem Vertragsverhältnis geltend, so ist nur der höhere der beiden Werte maßgeblich.1

Darlehen Literatur: H. Schmidt, JurBüro 1964, 332; Schneider, MDR 1983, 274.

A. Einleitung 1757

Für die Bewertung von Streitigkeiten, die sich um einen Darlehensvertrag drehen, ist auf den konkreten Klageantrag abzustellen.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Abschluss des Darlehensvertrages 1758

Nach früherer Auffassung2 wurde der Wert einer Klage auf Abschluss eines Darlehensvertrages aufgrund der römisch-rechtliche Unterscheidung der Rechtsnatur des Darlehensvertrags3 auf einen Betrag unterhalb der Darlehenssumme geschätzt. Zwischen dem Anspruch auf Abschluss eines Darlehensvertrages und dem auf Gewährung eines vertraglich schon zugesicherten Darlehens besteht jedoch kein Unterschied, da auch das Interesse desjenigen Klägers, der den Vertragsabschluss verlangt, wirtschaftlich und rechtlich darauf geht, den Beklagten zur Hingabe des Geldes zu zwingen. Für den Streitwert einer Klage auf Abschluss eines Darlehensvertrags ist damit der gewünschte Darlehensbetrag maßgebend (§ 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG).4 Zinsen bleiben nach § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG unberücksichtigt.

1759

Hat der Darlehensgeber der vorzeitigen Ablösung des Darlehens in Verbindung mit einem Schuldnachlass zugestimmt und auch seine Sicherheiten aufgegeben, so ist die Klage auf Wiederherstellung des alten Rechtszustandes wegen Nichtigkeit des Darlehens-Ablösungsvertrages zwar nach dem Wert der alten Rechtsstellung einschließlich der Sicherungsrechte zu bestimmen, jedoch abzüglich der vom Darlehensgeber zurückzuerstattenden Ablösungs1 2 3 4

OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.8.1999 – 13 W 35/99, OLGR 2000, 42. Gerold, Streitwert, S. 300 m.w.N. Konsensual- oder Realvertrag, s. MünchKomm.BGB/Berger, vor § 488 Rn. 15. BGH, NJW 1959, 1493 mit Anm. Geißler; OLG Köln, JurBüro 1960, 305.

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Darlehen

* Æ Beispiel: Aus einer Höchstbetragsbürgschaft über 50.000 Euro wird Zahlungsklage über 20.000 Euro erhoben. Mit der Widerklage wird Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verlangt. Hier liegt wirtschaftliche Identität hinsichtlich des Streits über die Verpflichtung zur Zahlung über 20.000 Euro vor. Für den verbleibenden Teil der Höchstbetragsbürgschaft (30.000 Euro) kann ein Aufschlag i.H.v. 30 % des Wertes (= 9.000 Euro) hinzugerechnet werden.

1756

Klagt der Hauptschuldner dagegen nach Beendigung des Vertragsverhältnisses auf Herausgabe der Bankbürgschaft und macht der Gläubiger im Wege der Widerklage Schadensersatzansprüche aus dem Vertragsverhältnis geltend, so ist nur der höhere der beiden Werte maßgeblich.1

Darlehen Literatur: H. Schmidt, JurBüro 1964, 332; Schneider, MDR 1983, 274.

A. Einleitung 1757

Für die Bewertung von Streitigkeiten, die sich um einen Darlehensvertrag drehen, ist auf den konkreten Klageantrag abzustellen.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Abschluss des Darlehensvertrages 1758

Nach früherer Auffassung2 wurde der Wert einer Klage auf Abschluss eines Darlehensvertrages aufgrund der römisch-rechtliche Unterscheidung der Rechtsnatur des Darlehensvertrags3 auf einen Betrag unterhalb der Darlehenssumme geschätzt. Zwischen dem Anspruch auf Abschluss eines Darlehensvertrages und dem auf Gewährung eines vertraglich schon zugesicherten Darlehens besteht jedoch kein Unterschied, da auch das Interesse desjenigen Klägers, der den Vertragsabschluss verlangt, wirtschaftlich und rechtlich darauf geht, den Beklagten zur Hingabe des Geldes zu zwingen. Für den Streitwert einer Klage auf Abschluss eines Darlehensvertrags ist damit der gewünschte Darlehensbetrag maßgebend (§ 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG).4 Zinsen bleiben nach § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG unberücksichtigt.

1759

Hat der Darlehensgeber der vorzeitigen Ablösung des Darlehens in Verbindung mit einem Schuldnachlass zugestimmt und auch seine Sicherheiten aufgegeben, so ist die Klage auf Wiederherstellung des alten Rechtszustandes wegen Nichtigkeit des Darlehens-Ablösungsvertrages zwar nach dem Wert der alten Rechtsstellung einschließlich der Sicherungsrechte zu bestimmen, jedoch abzüglich der vom Darlehensgeber zurückzuerstattenden Ablösungs1 2 3 4

OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.8.1999 – 13 W 35/99, OLGR 2000, 42. Gerold, Streitwert, S. 300 m.w.N. Konsensual- oder Realvertrag, s. MünchKomm.BGB/Berger, vor § 488 Rn. 15. BGH, NJW 1959, 1493 mit Anm. Geißler; OLG Köln, JurBüro 1960, 305.

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Darlehen summe.1 Damit hat der BGH im Ergebnis die Gegenleistung streitwertmindernd berücksichtigt und den durch die Klageanträge bestimmten Streitgegenstand nicht mehr als allein maßgeblich angesehen.

II. Auszahlung bzw. Abnahme des Darlehens Für den Streitwert einer Klage auf Auszahlung des Darlehens ist der vereinbarte Darlehensbetrag maßgeblich (§ 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG). Zinsen bleiben nach § 4 ZPO, § 43 GKG unberücksichtigt.

1760

Die Klage des Darlehensgebers auf Abnahme des Darlehens dürfte in der Praxis äußerst selten sein, da der Darlehensgeber regelmäßig unmittelbar seinen Schadensersatzanspruch aus der Leistungsverweigerung der Gegenseite geltend machen wird. Die Bewertung der Klage auf Abnahme richtet sich nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG. Maßgeblich für die Bestimmung des Klägerinteresses ist nicht der Darlehensbetrag. Denn es geht dem Kläger nicht um die Hauptforderung, sondern um die vertraglich geschuldeten Zinsen bzw. sonstige Leistungsverpflichtungen des Darlehensnehmers. Deren Wert für die Dauer der vereinbarten Laufzeit bzw. der Zinsbindungfrist ist Grundlage der Schätzung des Streitwertes. Maßgeblich ist – ähnlich wie bei der Vorfälligkeitsentschädigung – der Schaden, der dem Kläger durch die unterbliebene Abnahme des Darlehens entsteht.

1761

III. Freistellung/Feststellung Der Wert einer Vereinbarung, in der sich die eine Partei verpflichtet, die andere von ihrer Mithaftung aus einem Darlehensvertrag zu befreien und ihr eine entsprechende Freistellungserklärung des Gläubigers zu verschaffen, entspricht nicht dem Betrag der Darlehensschuld, sondern ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.2 Maßgebend für diese Schätzung ist der Anteil, auf den der freizustellende Gesamtschuldner im Innenverhältnis haftet.3 Der Streitwert einer Klage auf Feststellung, dass ein Darlehensvertrag unwirksam ist, bestimmt sich nach der Höhe der offenen Darlehensvaluta.4 Dabei erhöhen die aufgrund des Darlehensvertrags geschuldeten Zinsen den Streitwert nicht, da sie nur als Nebenforderung zum Stammrecht geltend gemacht werden. Gleiches gilt für Ansprüche auf Rückgabe von Sicherheiten, z.B. der Rückabtretung sicherungszedierter Forderungen. Auch sie sind bei der Wert-

1 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 745. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.2002 – 5 WF 62/01, OLGR 2002, 96; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.10.1997 – 2 WF 130/97, JurBüro 1998, 472. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.2002 – 5 WF 62/01, OLGR 2002, 96; vgl. auch OLG Rostock, Beschl. v. 16.6.2008 – 1 W 25/08, 1 W 43/08, OLGR 2009, 223 = JurBüro 2009, 197; OLG Hamburg, JurBüro 1980, 279; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.1993 – 5 WF 61/93, FamRZ 1994, 57. 4 OLG Brandenburg, Urt. v. 17.1.2007 – 3 U 228/05, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1419; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.4.2005 – 17 W 21/05, OLGR 2005, 353 (der Senat hat zutreffend keinen Wertabschlag vorgenommen, da es sich um eine negative Feststellungsklage handelte).

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Darlehen berechnung der Feststellungsklage wegen wirtschaftlicher Identität nicht zu berücksichtigen.1

IV. Rückzahlung 1763

Bei Klagen des Darlehensgebers auf Rückzahlung des Darlehens ist grundsätzlich der geltend gemachte Betrag maßgeblich (§ 6 Satz 1 ZPO). Haben die Parteien vereinbart, dass der gemeinsame Kredit je zur Hälfte zurückgezahlt werden soll, so ist der Streitwert in Höhe der Hälfte der Verbindlichkeiten festzusetzen.2

1764

Umstritten ist die Bewertung einer Klage, die auf sofortige Rückzahlung eines Darlehens entgegen vereinbarter monatlicher Ratenzahlungen gerichtet ist: – Nach der zutreffenden Meinung ist für die Schätzung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht der volle Darlehensbetrag, sondern das wirtschaftliche Interesse an der sofortigen Rückzahlung statt ratenweiser Tilgung maßgeblich. – Der BGH3 setzt dagegen in solchen Fällen den Streitwert mit dem vollen Betrag der Rückzahlungsforderung an.

1765

Diese Entscheidung des BGH verkennt allerdings, dass die Verpflichtung zur Rückzahlung als solche zwischen den Parteien unstreitig ist und der Rechtsstreit – und damit das Interesse des Klägers – letztlich nur darauf gerichtet ist zu entscheiden, ob die betreffende Summe schon zum jetzigen Zeitpunkt oder erst später (im Rahmen der vertraglich vereinbarten Ratenzahlung) verlangt werden kann.

V. Kosten und Gebühren 1766

Bei Finanzierungsdarlehen werden Kosten und Kreditgebühren häufig durch Vereinbarung zu einem einheitlichen „Gesamtkreditbetrag“ zusammengefasst. Ob die Kreditgebühren dadurch ihre Eigenschaft als Nebenforderung verlieren und damit bei der Streitwertberechnung berücksichtigt werden müssen, ist streitig: – Nach herrschender Meinung müssen diese Positionen bei der Streitwertberechnung außer Betracht bleiben.4 Diese Auffassung deckt sich mit der Rechtsprechung des BGH,5 wonach kapitalisierte Zinsen bei der Bemessung des Streitwerts einer Darlehensrückzahlungsklage nur anzusetzen sind, so1 OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.4.2007 – 3 W 77/06, NJ 2007, 463 = KostRsp. ZPO § 5 Nr. 103; BGH NJW-RR 2006, 997. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.1.2002 – 5 WF 62/01, OLGR 2002, 96. 3 BGH, Beschl. v. 25.2.1997 – XI ZB 3/97, MDR 1997, 591: Gleiches gelte für eine Feststellungsklage des Darlehensnehmers auf Unwirksamkeit der Kündigung. 4 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.4.2005 – 17 W 21/05, OLGR 2005, 353; OLG Köln, Beschl. v. 14.5.1999 – 11 W 3/99, OLGR 1999, 404; OLG Schleswig, Beschl. v. 16.11.1998 – 9 W 198/98, OLGR 1999, 79; OLG Bamberg, JurBüro 1976, 343; KG, BB 1974, 1505; OLG Hamm, NJW 1973, 1002; OLG Hamm, NJW 1974, 1951. 5 BGH, Beschl. v. 15.2.2000 – XI ZR 273/99, NJW-RR 2000, 1015; BGH, WM 1981, 1092; ebenso OLG Celle, Beschl. v. 16.7.2009 – 2 W 188/09, OLGR 2009, 974 = JurBüro 2010, 88.

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Darlehen weit sie sich auf bereits zurückgezahlte und deshalb nicht streitige Teile der Darlehensforderung beziehen. – Nach anderer Ansicht verlieren die Kreditgebühren ihre Eigenschaft als Nebenforderung, weil sie aufgrund einer besonderen Vereinbarung zum Kapital geschlagen werden.1 Eine solche besondere Vereinbarung liegt jedoch – entgegen der Ansicht des OLG München – nicht schon dann vor, wenn der Kläger aus Vereinfachungsgründen die einzelnen Zahlungspositionen in einem Gesamtbetrag zusammenfasst.2 Denn Buchungsvorgänge können nicht darüber bestimmen, ob eine Forderung Haupt- oder Nebenforderung ist. Lediglich dann, wenn dies die rechtliche Folge einer Vereinbarung ist – etwa beim Kontokorrentverhältnis –, kann eine auch streitwertmäßig beachtliche Novation eintreten.3

1767

Dem OLG München ist zwar darin zuzustimmen, dass die Nichtberücksichtigung der Kreditgebühren bei der Streitwertbemessung zu rechnerischen Schwierigkeiten führen kann. Indessen ist es Sache des Klägers, der aus Vereinfachungsgründen die Zusammenfassung vorgenommen hat, nachträglich die zur Wertbestimmung notwendige Rückrechnung darzulegen (§ 61 GKG). Darauf muss ungeachtet des Bestrebens, im Streitwertrecht einfache und leicht handhabbare Maßstäbe zu entwickeln, bestanden werden, weil Finanzierungsdarlehen in der Regel an einkommensmäßig schwächer gestellte Personen gewährt werden, die schon aus sozialstaatlichen Gründen vor übersetzten Prozesskosten geschützt werden müssen. Rechnerische Schwierigkeiten, die nicht behoben werden können oder deren Behebung einen unverhältnismäßig großen Aufwand fordert, können im Übrigen durch Anwendung des § 3 ZPO ausgeräumt werden.

1768

C. Rechtsmittel und Beschwer Die Beschwer des Klägers berechnet sich bei vollständiger Klageabweisung nach der im Klageantrag geforderten und mit dem Rechtsmittel weiter verfolgten Zahlungsanspruch. Bei teilweiser Klageabweisung ist für das weitere Verfahren und für die Rechtsmittelbeschwer der aberkannte Differenzbetrag maßgebend.4 Für die Beschwer des verurteilten Beklagten ist die im Tenor genannte Zahlungsverpflichtung maßgeblich. Hat der Kläger nur insoweit Erfolg, als statt voller Rückzahlung des Darlehens auf Erhöhung der monatlichen Raten erkannt wird, dann berechnet sich der Streitwert für ein Rechtsmittel des insoweit unterlegenen Beklagten nach dem ihm auferlegten Rückzahlungs-Mehrbetrag.5 Das gilt nach dem BGH6 auch dann, wenn die vertraglich vereinbarten und unstreitig freiwillig gezahlten Tilgungsbeträge mittituliert werden.7

1 2 3 4 5 6 7

OLG München, JurBüro 1976, 237; so auch Zöller/Herget, § 4 ZPO Rn. 11. Vgl. BGH, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 2: Verzugszinsen. Vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 16.12.1997 – 5 W 797/97, JurBüro 1999, 197. BGH, Beschl. v. 29.11.1984 – III ZR 151/84, WM 1985, 279. BGH, Beschl. v. 29.11.1984 – III ZR 151/84, WM 1985, 279. BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 736 mit Anm. Schneider = WPM 1985, 279. S. zu der Problematik des sog. Titulierungsinteresses das Stichwort „Vergleich“.

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Dienstbarkeit (§ 1090 BGB)

Dauerwohnrecht S. das Stichwort „Wohnrecht“.

Derselbe Streitgegenstand S. das Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung)“.

Dienstbarkeit (§ 1090 BGB) 1770

Nach § 1090 BGB kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen, oder dass ihm eine sonstige Befugnis zusteht, die den Inhalt einer Grunddienstbarkeit bilden kann (beschränkt persönlichen Dienstbarkeit). Die beschränkt persönliche Dienstbarkeit ist im Rahmen der Streitwertbestimmung abzugrenzen von der Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB), wonach ein (dienendes) Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines (herrschenden) Grundstücks in bestimmter Weise belastet werden kann.

1771

Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit (§ 1090 BGB) ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Der Wert einer Grunddienstbarkeit richtet sich nach § 7 ZPO.1

1772

Bei einem Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) als beschränkt persönliche Dienstbarkeit kann sich die Schätzung nach § 3 ZPO an der Wertstaffel des § 24 KostO orientieren.2 Da das Wohnungsrecht weder ein Recht auf wiederkehrende Nutzung noch ein dem Miet- bzw. Pachtverhältnis ähnliches Nutzungsrecht ist, sind weder § 9 ZPO noch § 41 GKG anwendbar.

1773

Wird zunächst nur die Eintragung einer Vormerkung für die Dienstbarkeit beantragt, ist der Streitwert entsprechend dem nur vorläufigen Sicherungscharakter der Maßnahme geringer zu schätzen (§ 53 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO).

1774

Soll eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit betreffend eine Abnahmeverpflichtung aus Getränkelieferungen bestellt werden, ist der vom Kläger zu erwartende Gewinn Ausgangspunkt der Bewertung. Dieser ist auf der Grundlage des Umsatzes zu ermitteln.3

* Æ Beispiel: Der Streitwert für einen Tankstellenvertrag, durch den ein Grundstückseigentümer einem Betriebsstoffkonzern seine Grundfläche zum Bau und Betrieb einer Tankstelle 1 RG, Warneyer 1910, 293; BGH, Beschl. v. 20.2.1986 – IX ZR 146/85, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 814 mit Anm. E. Schneider. 2 BGH, Beschl. v. 20.2.1986 – IX ZR 146/85, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 814 mit Anm. Schneider; AG Lahr, Beschl. v. 21.7.2005 – 2 C 260/03, AGS 2005, 355; s. dazu auch das Stichwort „Wohnrecht“. 3 S. die Stichworte „Bierabnahmepflicht“ und „Abnahme von Sachen“.

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Dividende gegen Umsatzbeteiligung überlässt, wurde vom OLG Celle1 nach dem 20-fachen Jahresbetrag der zu zahlenden Mindestvergütung berechnet, wenn dieses Nutzungsverhältnis durch eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit dinglich gesichert ist, ferner der Grundstückseigentümer dem Konzern ein Vorkaufsrecht für die überlassene Grundfläche einräumen soll und ihm ein Konkurrenzverbot auferlegt wird. Es handelt sich um ein Abkommen gemischter Natur, das streitwertmäßig nach § 9 ZPO, nicht nach § 41 Abs. 1 GKG zu beurteilen ist. Somit ist nach der aktuellen Rechtslage nur noch der 3 1/2-fache Jahresbetrag anzusetzen.

Dingliche Sicherung Der Zuständigkeits- bzw. Gebührenstreitwert eines Anspruchs auf dingliche Sicherung berechet sich nach dem Betrag der zu sichernden Forderung (§ 6 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG). Dabei kommt es weder darauf an, aus welchem Grund eine Sicherheit verlangt wird – in Betracht kommen Ansprüche aus Vertrag oder Gesetz – noch darauf, auf welche Art und Weise die Sicherstellung durchgeführt werden soll – in Betracht kommen z.B. Sicherungsabtretung, Eintragung einer Vormerkung, Stellen einer Bürgschaft etc.

1775

Für die Gebührenerhebung ist der Wert einer vertraglich vereinbarten Altenteilsforderung nicht nach § 9 ZPO, sondern nach § 42 Abs. 1 GKG zu berechnen, soweit sie sich im Rahmen der gesetzlichen Unterhaltspflicht hält. Dieser Wert ist dann auch für die Sicherung maßgebend.2

1776

Direktanspruch S. das Stichwort „Versicherungsschutz“.

Dividende Dividenden (Gewinnanteile) sind Anteile am Jahresgewinn einer Handelsgesellschaft oder einer Genossenschaft, die unter den Mitgliedern der betreffenden Vereinigung zu verteilen sind (s. z.B. §§ 58 Abs. 4, 60 AktG, § 29 GmbHG). Im Aktienrecht gelten Dividenden als Früchte der Aktie (§ 99 BGB),3 sodass sie bei Streit über das Aktionärsrecht gem. den §§ 43 Abs. 1 GKG, 4 Abs. 1 ZPO bei der Berechnung des Streitwerts außer Ansatz bleiben.4

1777

Von den Dividenden zu unterscheiden ist das Bezugsrecht (Gewinnrecht) des Aktionärs. Es ist ein gesetzliches Recht auf Bezug neuer Aktien bei einer Kapitalerhöhung (§ 186 Abs. 1 Satz 1 AktG). Dieses Bezugsrecht ist streitwertmäßig selbständig, erhöht also den Wert und ist nicht als wertmäßig unerhebliche „Frucht“ i.S. der §§ 43 Abs. 1 GKG, 4 Abs. 1 ZPO anzusehen.5

1778

1 2 3 4 5

OLG Celle, JurBüro 1955, 443. LG Braunschweig, Nds.Rpfl. 1959, 64. OLG Bremen, DB 1970, 1436. RG, Gruchot, Bd. 52, 1095; OLG München, SeuffArch Bd. 72, 189. OLG München, OLGE 35, 22; KG, OLGE 24, 140.

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Drittwiderspruchsklage

Drittschuldner S. das Stichwort „Pfändung“.

Drittwiderspruchsklage Literatur: Breuer, Der Streitwert der Widerspruchsklage, JW 1937, 1038; Mümmler, JurBüro 1989, 1599. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . 1779 B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert . . . . . . . . . . . . . I. Wert der Forderung . . . . . . . II. Wert des Pfandgegenstands . . . III. Mehrere Gläubiger 1. Pfändung desselben Gegenstands . . . . . . . . . . . . . . .

1780 1781 1787

1792

Rn. 2. Pfändung verschiedener Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pfändung teilweise derselben Gegenstände . . . . . . . . . . . IV. Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung . . . . . . V. Unechte Drittwiderspruchsklage . . . . . . . . . . . . . . . C. Rechtsmittel und Beschwer

1794 1795 1797 1798

. . 1802

A. Einleitung 1779

Mit der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) kann ein Dritter im Rahmen der Zwangsvollstreckung im Wege der Klage geltend machen, dass ihm – was die Vollstreckungsorgane nicht abschließend zu prüfen haben – an dem Vollstreckungsgegenstand ein die Veräußerung hinderndes Recht zusteht.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 1780

Bei der Drittwiderspruchsklage aus § 771 ZPO ist der Streitwert nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu berechnen.1 Maßgeblich ist also die Höhe der Forderung, für die gepfändet wurde, es sei denn, dass der Wert der gepfändeten Sache geringer ist.2 Dagegen spielt der Wert des die Veräußerung hindernden Rechts keine Rolle.3

1 BGH, Beschl. v. 16.1.1991 – XII ZR 244/90, FamRZ 1991, 547; BGH, Beschl. v. 19.1.1983 – VIII ZR 277/82, WM 1983, 246; KG, Rpfleger 1962, 155; KG, Rpfleger 1962, 426; OLG Schleswig, JurBüro 1957, 179. 2 BGH, Beschl. v. 19.1.1983 – VIII ZR 277/82, WM 1983, 246; BGH, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 105; RG, Beschl. v. 26.11.1940 – VII 71/40, DR 1941 Nr. 597; RG, Beschl. v. 30. 10. 1883 – Rep II 234/83, RGZ 10, 393 f.; OLG Düsseldorf, OLGR 1991, 14. 3 OLG Düsseldorf, OLGR 1991, 14.

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Drittwiderspruchsklage

I. Wert der Forderung Maßgebend für die Wertberechnung ist die Höhe der Forderung – ohne Zinsen und Kosten (§ 4 ZPO, § 43 GKG)1 – im Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG).2

1781

Diese Bemessungsgrundlage gilt auch dann, wenn der Drittwiderspruchskläger nur Sicherungseigentümer ist. Denn die Abrede, die übereignete Sache nur in bestimmter Höhe in Anspruch zu nehmen, vermindert den Streitwert nicht. Durch eine solche Vereinbarung wird der Sicherungseigentümer nämlich nur schuldrechtlich gebunden. Seine Stellung als Volleigentümer bleibt davon unberührt. Deshalb ist es nicht gerechtfertigt, wegen einer solchen Abrede den Streitwert lediglich nach der Höhe der Forderung des Widerspruchsklägers zu berechnen, denn diese ist nicht in Streit.3

1782

Geben die Parteien den Betrag der Forderung verschieden an, dann ist auf den Betrag abzustellen, wegen dessen das Pfandrecht beansprucht wird. Auf den Betrag, den der Widerspruchskläger als richtig zugibt oder der sich später objektiv als richtig herausstellt, kommt es dann nicht an.4

1783

Soweit in der Zeit zwischen Zwangsvollstreckung und Erhebung der Drittwiderspruchsklage Zahlungen auf die Forderung erfolgen, verringern diese den Streitwert und sind vom ursprünglichen Wertansatz abzuziehen.5 Wird der Anspruch des Gläubigers zwischen Zwangsvollstreckung und Erhebung der Drittwiderspruchsklage des Berechtigten auf andere Weise als durch Zahlungen des Schuldners teilweise getilgt, z.B. durch Zufließen von Verwertungserlösen, dann vermindert auch dies den Streitwert.6 Soweit bei Zustellung der Klage die Forderung bereits teilweise getilgt war, ist daher nur der Restbetrag wertbestimmend.7 Gem. § 40 GKG beeinflussen dagegen Zahlungen nach Klageerhebung den Streitwert nicht mehr.

1784

Richtet sich die Drittwiderspruchsklage gegen die Räumungsvollstreckung aus einem Zuschlagsbeschluss in der Grundstücks-Zwangsversteigerung (§ 93 ZVG), so ist bei der Berechnung des Streitwertes zu differenzieren: – Beruft sich der Drittwiderspruchskläger auf einen Miet- oder Pachtvertrag als das „die Veräußerung hindernde Recht“, so ist der Wert nach § 41 GKG und nicht nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen.8 Das erklärt sich daraus, dass nach § 57 ZVG der Grundsatz des § 566 BGB („Kauf bricht nicht Miete“) gilt, wenn das ersteigerte Grundstück einem Mieter oder Pächter überlassen war.9 – Geht es lediglich um den Besitz des Grundstücks, ohne dass der Nutzende sich auf einen Miet- oder Pachtvertrag als Besitzrecht beruft, ist die Dritt-

1785

1 BGH, Beschl. v. 19.1.1983 – VIII ZR 277/82, WM 1983, 246. 2 KG, Rpfleger 1962, 426; OLG Schleswig, JurBüro 1957, 179. 3 KG, Rpfleger 1962, 155; vgl. aber zum Herausgabeanspruch des Sicherungsgebers gegen den Sicherungsnehmer das Stichwort „Sicherungsübereignung“ (die geringwertigere Forderung ist maßgebend). 4 OLG Kiel, JW 1932, 2901 Nr. 18. 5 KG, Rpfleger 1962, 426; OLG Schleswig, JurBüro 1957, 179. 6 OLG Schleswig, JurBüro 1957, 179. 7 OLG München, OLGE 23, 65. 8 OLG Celle, KostRsp. GKG § 16 Nr. 52 mit Anm. Schneider. 9 Anders: LG Bayreuth, AnwBl. 1966, 403.

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Drittwiderspruchsklage widerspruchsklage nach dem Verkehrswert des Grundstücks zu bemessen.1 1786

Richtet sich die Drittwiderspruchsklage gegen mehrfache Pfändungen desselben Gläubigers, dann ist der Wert der Forderung, derentwegen gepfändet wurde, nur einmal anzusetzen.2

II. Wert des Pfandgegenstands 1787

Auf den Wert des Pfandgegenstands ist bei der Streitwertbemessung abzustellen, wenn dieser geringer ist als die Forderung des Pfändungsgläubigers.

* Æ Beispiel: Der Gläubiger hat eine Forderung i.H.v. 10.000 Euro. Er lässt in der Wohnung des Schuldners einen Fernseher pfänden. Hier ist bei der Wertberechnung der (geringere) Wert des Fernsehers zugrunde zu legen.

1788

Bei gepfändeten Sachen ist der Verkehrswert (gewöhnlicher Verkaufswert) maßgebend, nicht der voraussichtliche Versteigerungserlös.3 Titulierte Nebenforderungen, insbesondere also Zinsen und Kosten, gegen die der Widerspruchskläger angeht, bleiben nach §§ 4 Abs. 1 ZPO, 43 Abs. 1 GKG unberücksichtigt.4 Soweit die ältere Rechtsprechung teilweise Zinsen und Kosten berücksichtigt hat,5 hat dies keine Zustimmung gefunden.

1789

Richtet sich die Widerspruchsklage gegen einen Gläubiger, der im Anschluss an andere Gläubiger (nachrangig) gepfändet hat, sind bei der Bewertung des Pfandgegenstandes die vorhergehenden Pfandrechte nicht abzuziehen.6

1790

Die Versteigerung des Pfandgegenstandes unter Wert verändert den Streitwert nicht.7 Das gilt umgekehrt auch bei einem höheren Erwerbspreis: Hat das Gericht bei der Streitwertbemessung einer Drittwiderspruchsklage hinsichtlich der in einer Wohnung gepfändeten Hausratsgegenstände auf den Wert der Pfandstücke abzustellen, so kommt es selbst dann nicht auf den Erwerbspreis der Gegenstände an, wenn diese vor ganz kurzer Zeit erworben und bisher noch nicht benutzt worden sind. Entscheidend ist vielmehr stets der für den Zeitpunkt der Klageerhebung zu ermittelnde gewöhnliche Verkaufswert.8

1791

Wertmäßig nicht zu beachten ist weiter die Einrede der Anfechtung nach dem AnfG, die der Beklagte gegenüber dem als Widerspruchskläger auftretenden Abtretungsempfänger einer Forderung geltend macht9 (vgl. auch das Stichwort „Einreden, Einwendungen“).

1 LG Kassel, Rpfleger 1987, 425. 2 LG Ellwangen, JW 1929, 886. 3 KG, JW 1932, 1155; KG, Rpfleger 1956, 90; OLG Dresden, JW 1932, 2894; OLG Breslau, JW 1933, 1781. 4 BGH, WM 1983, 246; BGH, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 105 mit Anm. Schneider; RG, DR 1941, Nr. 597; RG, JW 1934, 1174; Breuer, JW 1937, 1038 zu Ziff. III 1. 5 Vgl. OLG Hamm, JW 1935, 2911; OLG Rostock, JW 1935, 3242; LG Altona, JW 1933, 2230; LG Essen, JW 1937, 3040. 6 BGH, NJW 1952, 1335; LG Essen, NJW 1956, 1033 Nr. 13. 7 OLG Schleswig, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 25. 8 OLG Celle, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 35. 9 RG, JW 1934, 1174; a.A. LG Essen, JW 1937, 3040 Nr. 32.

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Drittwiderspruchsklage

III. Mehrere Gläubiger 1. Pfändung desselben Gegenstandes Haben mehrere Gläubiger wegen jeweils selbständiger Forderungen denselben Gegenstand oder dieselben Gegenstände gepfändet, dann berechnen sich die Gerichtskosten für die Drittwiderspruchsklage nach der Summe der Forderungen (§ 5 ZPO), sofern nicht der Wert des Pfandes oder der Pfänder geringer ist (§ 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG).1

1792

* Æ Beispiel: A, B und C haben jeweils Forderungen i.H.v. 10.000 Euro gegen den Schuldner. Sie pfänden das neue Mercedes-Cabrio, das sich in der Garage des Schuldners befindet. Der angebliche Eigentümer D erhebt Drittwiderspruchsklage. Der Wert für die Gerichtsgebühren beläuft sich auf 30.000 Euro.

Der Wert für die Anwaltsgebühren entspricht dem Wert für die Gerichtskosten, soweit mehrere Beteiligte einer Parteiseite durch denselben Anwalt vertreten werden. Bei Beauftragung mehrerer Anwälte hat jeder so abzurechnen, wie es seinem Auftragsverhältnis entspricht.2 – Hat also jeder Beklagte einen eigenen Anwalt, so müssen diese ihre Gebühren nach dem Wert der jeweiligen Beteiligung des Auftraggebers abrechnen. Der Streitwert bemisst sich gem. § 6 ZPO nach dem Wert der Forderung oder des geringerwertigen Pfandes.3

1793

* Æ Beispiel: Im obigen Beispiel können die Anwälte von A, B und C ihre Gebühren jeweils aus einem Gegenstandswert von 10.000 Euro berechnen.

– Haben einzelne Beklagte denselben Anwalt, so sind die nach § 6 ZPO zu ermittelnden Einzelwerte bezüglich des gemeinsamen Anwaltes für dessen Gebührenberechnung nach §§ 5 ZPO, 22 Abs. 1 RVG zu addieren.

* Æ Beispiel: Im obigen Beispiel kann der gemeinsame Anwalt von A und B seine Gebühren aus einem Wert von 20.000 Euro berechnen, der Anwalt des C aus einem Wert von 10.000 Euro.

2. Pfändung verschiedener Gegenstände Haben mehrere Gläubiger wegen jeweils selbständiger Forderungen verschiedene Gegenstände gepfändet, dann darf der Wert der Drittwiderspruchsklage wegen § 6 Satz 2 ZPO nicht höher sein als der Gesamtwert der gepfändeten Sachen. Deshalb sind zur Ermittlung des Gerichtskostenwertes zunächst bei jedem Gläubiger Forderung und Pfand zu vergleichen und der geringere Wert ist anzusetzen. Danach sind die so ermittelten Werte zu summieren. Bei dieser Berechnungsweise kann der Gesamtwert unterhalb der Pfandobjekte

1 BGH, NJW 1952, 1335; OLG Hamm, JW 1933, 539; OLG Schleswig, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 25; OLG München, Beschl. v. 29.7.1988 – 21 W 2168/88, JurBüro 1989, 848; LG Itzehoe, JurBüro 1951, 436; LG Essen, NJW 1956, 1033 mit Anm. Tschischgale. 2 OLG München, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 120 mit Anm. Schneider = JurBüro 1989, 848. 3 OLG München, JurBüro 1973, 737; OLG München, JurBüro 1977, 1421; OLG Frankfurt, JurBüro 1973, 152.

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Drittwiderspruchsklage liegen, deren Wert auch erreichen, niemals aber ihn übersteigen.1 Der Wert für die Anwaltsgebühren entspricht dem Wert für die Gerichtskosten, soweit mehrere Beteiligte einer Parteiseite durch denselben Anwalt vertreten werden. Bei Beauftragung mehrerer Anwälte hat jeder so abzurechnen, wie es seinem Auftragsverhältnis entspricht. 3. Pfändung teilweise derselben Gegenstände 1795

Haben mehrere Gläubiger wegen jeweils selbständiger Forderungen teils dieselben, im Übrigen aber verschiedene Gegenstände gepfändet, dann sind zunächst bei jedem Gläubiger dessen Forderung und die von ihm gepfändeten Gegenstände zu vergleichen, um den geringeren Wert als Streitwert zu ermitteln; die so ermittelten Einzelwerte sind dann zusammenzurechnen und machen den Gesamtstreitwert aus.2

1796

Dabei werden jedoch Pfandgegenstände, in die mehrere Gläubiger vollstreckt haben, nur einmal angesetzt. Die Wertaddition kommt also nur hinsichtlich solcher Gegenstände in Betracht, in die von verschiedenen Gläubigern nur jeweils einmal vollstreckt worden ist. Bei der Drittwiderspruchsklage mehrerer Kläger gegen mehrere Beklagte ist entsprechend zu berechnen.3

IV. Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung 1797

S. das Stichwort „Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung“.

V. Unechte Drittwiderspruchsklage 1798

Die Regelung des § 771 ZPO wird entsprechend auf die Klagen angewandt, mit denen geltend gemacht wird, es fehle an einem Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft an einem Grundstück durch Zwangsversteigerung gem. § 180 Abs. 1 ZVG zu bewirken (sog. unechte Drittwiderspruchsklage4).

1799

In diesen Fällen liegt der Vollstreckung weder ein Pfandrecht noch eine Forderung zugrunde, derentwegen gepfändet worden ist, sodass für den Streitwert nicht gem. § 6 ZPO der Gesamtwert des Grundstücks entscheidend ist. Vielmehr ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auf das Interesse des Klägers abzustellen, der verhindern will, dass das Grundstück verschleudert wird.5

1800

Das Klägerinteresse ist in diesen Fällen in der Regel in Höhe eines Bruchteils des Grundstückswertes anzusetzen, wobei Werte zwischen 10 %6 und 20 %7 1 2 3 4

OLG Hamm, JW 1933, 539; OLG Hamm, JW 1934, 168. RG, JW 1909, 730 Nr. 29; OLG Hamm, JW 1933, 539 Nr. 19. LG Berlin, JVBl. 1934, 168; Breuer, JW 1937, 1038, 1039 zu VI. S. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.7.1989 – 5 W 42/89, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 124 mit Anm. Schneider = JurBüro 1989, 1598 mit Anm. Mümmler; vgl. das Stichwort „Aufhebung von Gemeinschaften“. 5 BGH, Beschl. v. 16.1.1991 – XII ZR 244/90, FamRZ 1991, 547; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.7.1989 – 5 W 42/89, JurBüro 1989, 1598 mit Anm. Mümmler. 6 BGH, Beschl. v. 16.1.1991 – XII ZR 244/90, FamRZ 1991, 547. 7 OLG Saarbrücken, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 387; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.11.2003 – 2 WF 136/03, FamRZ 2004, 1221; OLG Hamm, JurBüro 1977, 1616; LG Frankfurt, Rpfleger 1975, 322; OLG Celle, OLGR 1994, 96.

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Duldungsklage vom Verkehrswert des auf den Kläger entfallenden Miteigentumsanteils vertreten werden. Ausnahmsweise kann der volle Wert angesetzt werden, wenn der Kläger sich Besitz und wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks sichern wollte.1 Auch ein mögliches affektives oder ideelles Interesse des Klägers kann berücksichtigt werden, jedoch nicht durch Erhöhung des Bruchteils vom Grundstückswert.2 Das OLG Karlsruhe3 hat dieses Affektionsinteresse mit einem Viertel des berechneten Bruchteils vom Grundstückswert, also mit 5 % zusätzlich angesetzt.

1801

C. Rechtsmittel und Beschwer Die Berufungsbeschwer entfällt, wenn der Gläubiger nach Urteilserlass und vor Einlegung der Berufung die Freigabe der gepfändeten Sachen erklärt und den Schuldner zur Entfernung der Pfandzeichen ermächtigt.4

1802

Duldungsklage Gliederungsübersicht Rn. A. Anzuwendende Vorschriften . . 1803 B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert . . . . . . . . . . . . . 1805 I. Duldung einer Handlung . . . . 1807 II. Duldung der Wegnahme von Sachen . . . . . . . . . . . . . . 1808

Rn. III. Duldung der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . 1809 C. Rechtsmittel und Beschwer . . . 1815 D. Einzelfälle in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . 1816

A. Anzuwendende Vorschriften Ein Anspruch ist das Recht, von einem anderen ein Tun oder ein Unterlassen zu verlangen (§ 194 Abs. 1 BGB). Hierbei rechnet zum Unterlassen auch das Dulden als ein Nichttun gegenüber dem Eingriff eines anderen in die eigene Rechts- und Machtsphäre.5 Die auf Erzwingung der Duldung gerichtete Klage ist eine Leistungsklage.6

1803

Gegenstand gesetzlicher Duldungspflichten sind beispielweise das Gestatten, ein Grundstück zu betreten (§ 867 BGB), oder die Hinnahme der Zwangsvollstreckung in einen der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstand (§ 2213 Abs. 3 BGB) oder die Vollstreckung wegen Vermögensübernahme nach § 419 BGB zu dulden,7 und dergleichen. Selbst-

1804

1 OLG Karlsruhe, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 586; OLG Bamberg, JurBüro 1991, 1694; OLG Saarbrücken, JurBüro 1989, 1598. 2 BGH, Beschl. v. 16.1.1991 – XII ZR 244/90, FamRZ 1991, 547. 3 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.11.2003 – 2 WF 136/03, FamRZ 2004, 1221. 4 OLG Hamm, Urt. v. 5.3.1991 – 19 U 234/90, NJW-RR 1991, 1343. 5 Staudinger/J. Schmidt, 1995, § 241 BGB Rn. 61. 6 Zöller/Greger, vor § 253 ZPO Rn. 3. 7 BGH, NJW 1984, 794.

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Duldungsklage verständlich kann die Duldungspflicht auch durch individuellen Vertrag begründet werden (§ 305 BGB).

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 1805

Für die Streitwertbestimmung im Einzelfall ist maßgebend, welche konkrete Duldung erzwungen werden soll.

1806

Wird in demselben Rechtsstreit im Wege der objektiven Klagehäufung auf Leistung und zugleich auf Duldung die Leistung betreffender Handlungen geklagt, so bestimmt sich der Streitwert nur nach dem Wert des Leistungsanspruches; es liegt eine wirtschaftliche Identität der Ansprüche vor,1 die eine Wertaddition ausschließt.2

I. Duldung einer Handlung 1807

Wird darauf geklagt, dass der Beklagte eine Handlung zu dulden habe, dann bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an der Vornahme der Handlung und ist in der Regel gem. § 3 ZPO frei zu schätzen.3

II. Duldung der Wegnahme von Sachen 1808

Besteht die vom Beklagten zu duldende Handlung hingegen in der Wegnahme eingebauter Sachen, richtet sich der Streitwert – wie bei der Klage auf Herausgabe des Besitzes – in der Regel nach § 6 ZPO. Zu berücksichtigen jedoch, Maßgebend ist der Verkehrswert, den die Sachen nach ihrer Trennung vom Gebäude oder vom Grundstück haben, nicht der Betrag der Kosten, der nach Wegnahme zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes aufzubringen ist.4 Hierbei ist zu beachten, dass der ansonsten übliche Wert dieser Sachen schon aufgrund Trennung gemindert sein dürfte.

III. Duldung der Zwangsvollstreckung 1809

Ist die Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung (§ 7 AnfG, §§ 737, 1134, 2213 BGB) gerichtet, dann findet § 6 ZPO entsprechende Anwendung. Der 1 S. dazu Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Duldungsklagen“ Rn. 4; Musielak/Heinrich, § 3 ZPO Rn. 25 unter „Duldungsklage“; Zöller/Herget, § 5 ZPO Rn. 8. 2 OLG Celle, Beschl. v. 15.11.2002 – 4 AR 79/01, OLGR 2002, 11; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Duldungsklage“ Rn. 4; Meyer, Anh. nach § 48, § 3 Rn. 12 unter „Duldung der Zwangsvollstreckung“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Duldung“; OLG Frankfurt, JurBüro 1957, 316; KG, JW 1933, 2074; AnwBl. 1979, 229; OLG Dresden, OLGE 42, 33. 3 BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – V ZB 113/07, NVwZ-RR 2008, 742; OLG Koblenz, Beschl. v. 24.9.1999 – 5 U 545/99, OLGR 2000, 248 = AnwBl. 2000, 264; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Duldungsklagen“ Rn. 1; Musielak/Heinrich, § 3 Rn. 25 Stichwort „Duldungsklage“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 Stichwort „Duldung“. 4 BGH, Beschl. v. 12. 6 1991 – XII ZR 30/91, NJW-RR 1991, 1210 = WuM 1991, 562 = MDR 1992, 196 = ZMR 1991, 426.

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Duldungsklage Streitwert der Vollstreckungs-Duldungsklage bestimmt sich nach der Höhe der Forderung, zu deren Realisierung vollstreckt wird.1 Abweichend hiervon hat das OLG Celle2 den Wert auf 1/10 des Forderungsbetrages festgesetzt, dessentwegen Duldung eingeklagt war. Die Besonderheit war hier jedoch, dass mit der Klage nicht Befriedigung begehrt wurde, sondern der Beklagte für den Fall nicht vertragsgerechter Rückzahlung einer Darlehensschuld unter den Druck sofortiger Vollstreckbarkeit gestellt werden sollte.

1810

Nur dann, wenn der Wert der Forderung, wegen der vollstreckt werden soll, höher ist als der Wert des Vollstreckungsobjekts, ist gem. § 6 Satz 2 ZPO der geringere Wert bestimmend.3

1811

Da dingliche Belastungen auch bei Erfolg der Duldungsklage die Zugriffsmöglichkeit des Gläubigers schmälern, müssen sie vom Verkehrswert abgezogen werden.4 Mit wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist es unvereinbar, dabei zwischen dauernden und nur vorübergehenden Belastungen zu unterscheiden. Auch ablösbare, aber nicht abgelöste Grundpfandrechte schmälern das Verwertungsrecht des Duldungsklägers, sodass § 6 Satz 2 ZPO eingreift. Das OLG Bamberg hat in einer späteren Entscheidung5 seine zutreffende Auffassung aufgegeben und die Abzugsfähigkeit von Grundschuldbeträgen verneint. Dabei ging es um die Bemessung des Streitwerts einer Rückauflassungsklage (s. dazu unten bei „Grundstück“).

1812

Bei der Bemessung des Streitwertes sind Zinsen und Kosten der Forderung mit in Ansatz zu bringen.6 § 43 Abs. 1 GKG (§ 22 Abs. 1 GKG), § 4 ZPO stehen dem nicht entgegen, da „Hauptanspruch“ (§ 43 Abs. 1 GKG) nicht die Forderung, deretwegen vollstreckt wird, sondern der Duldungsanspruch ist.

1813

Demgegenüber bleiben die Kosten der Befriedigung der aus dem Grundstück bezweckenden Rechtsverfolgung bei der Festsetzung des Streitwertes außer Betracht.7

1814

C. Rechtsmittel und Beschwer Während für die Beschwer des unterliegenden Klägers auf dessen Interesse an der Vornahme der Handlung8 und damit auf den Gebührenstreit (formelle Beschwer) abzustellen ist, ist für die Beschwer des unterliegenden Beklagten dessen wirtschaftliches Interesse an der Abwehr des geltend gemachten Dul-

1 BGH, Beschl. v. 22.4.1999 – IX ZR 292/98, NJW-RR 1999, 1080; LG Gera, Urt. v. 19.12.2007 – 3 O 1009/06, NotBZ 2009, 34; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Duldungsklagen“ Rn. 3. 2 OLG Celle, Beschl. v. 16.4.1992 – 4 W 14/92, Nds.Rpfl. 1992, 142. 3 KG, OLGE 39, 30; OLG Frankfurt, OLGE 31, 4; OLG Bamberg, JurBüro 1977, 1277; OLG Stuttgart, Urt. v. 1. 4 1998 – 9 U 246/97, OLGR 1998, 227. 4 OLG Bamberg, JurBüro 1977, 1277. 5 OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1990 – I W 130/89, JurBüro 1990, 773. 6 BGH, Beschl. v. 22.4.1999 – IX ZR 292/98, NJW-RR 1999, 1080; a.A. Vorauflage; OLG Bamberg, JurBüro 1977, 1277; OLG Stuttgart, Urt. v. 1.4.1998 – 9 U 246/97, OLGR 1998, 227. 7 BGH, LM § 3 ZPO Nr. 6. 8 BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – V ZB 113/07, NVwZ-RR 2008, 742.

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Duldungsklage dungsanspruchs in die mit der Vornahme der Handlung verbundene wirtschaftliche Einbuße maßgebend.1

D. Einzelfälle in der Rechtsprechung 1816

Klagt ein Gläubiger nach dem Anfechtungsgesetz gegen denjenigen, der von seinem Schuldner einen Gegenstand anfechtbar erworben, aber wieder veräußert hat, gegen dessen Rechtsnachfolger auf Duldung der Zwangsvollstreckung auf Wertersatz und zugleich gegen dessen Rechtsnachfolger auf Duldung der Zwangsvollstreckung wegen der Forderung des Gläubigers gegen seinen Schuldner in den Gegenstand, dann werden die Ansprüche nicht zusammengerechnet.2 Hingegen sind hier Zinsen und Kosten bei der Streitwertbemessung zu berücksichtigen.3

1817

Der Streitwert der auf Duldung einer Besichtigung gerichteten Klage bemisst sich nach dem Interesse des Klägers, der Streitwert ist ausgehend vom Zweck der Besichtigung zu ermitteln. Für die Beschwer des verurteilten Beklagten sind die ihm mit der Besichtigung entstehenden Kosten maßgeblich. In Betracht kommen der Verdienstausfall, der dem Beklagten entsteht, weil er bei der Besichtigung anwesend sein will, oder etwaige mit Begutachtung verbundene Eingriffe in die Bausubstanz.4 S. auch unter dem Stichwort „Besichtigung“.

1818

Eine auf Duldung der Unterbrechung der Energieversorgung bzw. Wegnahme erforderlicher Mess- und Regeleinrichtungen gerichtete Klage des Versorgungsträgers ist keine mietrechtliche Streitigkeit und daher gem. §§ 3 ff. ZPO zu bewerten. Zutreffend dürfte sein, auf das Interesse des Versorgers an der Verhinderung einer weiteren Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen5 und damit für den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert gem. § 3 ZPO bzw. §§ 48 Abs.1 GKG i.V. m. 3 ZPO auf den Jahresbetrag einer künftigen Nutzung abzustellen, der auf Grundlage der zu leistenden Vorauszahlungen berechnet werden kann.6 Das gilt auch dann, wenn die Unterbrechung der Versorgung – aus technischen Gründen – notwendigerweise mit einer Weg1 BGH, Beschl. v. 31.3.2010 – XII ZB 130/09, MDR 2010, 765 – Besichtigung; Beschl. v. 22.4.1999 – IX ZR 292/98, FamRZ 1999, 647; Beschl. v. 22.5.2002 – VIII ZR 217/01; ZfIR 2003, 265: Duldung der Verlegung von Versorgungsleitungen; OLG Koblenz, Beschl. v. 24.9.1999 – 5 U 549/99, AnwBl. 2000, 264. 2 OLG Frankfurt, MDR 1955, 496. 3 BGH, WM 1982, 435. 4 BGH, Beschl. v. 22.4.1999 – IX ZR 292/98, FamRZ 1999, 647; OLG Koblenz, Beschl. v. 24.9.1999 – 5 U 545/99, AnwBl. 2000, 264. 5 OLG Celle, Beschl. v. 23.2.2010 – 13 W 17/10, juris; OLG Hamburg, Beschl. v. 17.1.2008 – 14 W 3/08, ZMR 2008, 891; OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2005 – 5 W 161/05, ZMR 2006, 208; OLG Oldenburg, Beschl.v. 22.10.2009 – 5 W 54/09, MDR 2009, 1407; OLG Schleswig, Beschl. v. 2.2.2009 – 14 W 6/09, NZM 2009, 680 = NJW-RR 2010, 14; LG Hamburg, Beschl. v. 16.4.2004 – 309 T 39/04, ZMR 2004, 586; LG Koblenz, Beschl. v. 10.11.2006 – 14 T 7/06, n.v: bei einstw. Verfügung 1/2 Jahresvorauszahlungsbetrag; AG Hamburg-Bergedorf, Beschl. v. 30.12.2003 – 409 C 550/03, ZMR 2004, 273; AG Neuruppin, Beschl. v. 28.7.2005 – 42 C 109/05, WuM 2005, 596. 6 OLG Celle, Beschl. v. 26.9.2006 – 4 W 77/09, n.v.; OLG Hamburg, Beschl. v. 17.1.2008 – 14 W 3/08, ZMR 2008, 891; OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2005 – 5 W 161/05, ZMR 2006, 208; LG Itzehoe, Beschl. v. 9.4.2008 – 9 T 20/08, ZMR 2008, 799; LG Köln, Beschl. v. 3.8.2007 – 13 T 132/07, IR 2008, 42 (Ls).

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Duldungsklage nahme von Mess- und Regeleinrichtungen verbunden ist.1 Abweichend ist zu bewerten, wenn die Klage nicht auf die Unterbrechung der Versorgung abzielt. Will sich das Versorgungsunternehmen z.B. zum Zwecke der Erneuerung oder Reparatur in den Besitz der Mess- und Regeleinrichtungen bringen, ist auf deren Verkehrswert abzustellen.2 Der bereits aufgelaufene Zahlungsrückstand ist als Anknüpfungspunkt nicht geeignet, weil er weder in einer Beziehung zum Umfang des weiter drohenden Ausfalls steht noch durch die begehrte Versorgungsunterbrechung verringert wird.3 S. ausführlich unter dem Stichwort „Energie- und Wasserversorgung“. Wird mit der Leistungsklage gegen Erben zugleich die Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen deren Testamentsvollstrecker erhoben, dann ist wegen wirtschaftlicher Identität nur der Streitwert der Leistungsklage in Anwendung des § 5 ZPO anzusetzen, der Duldungsantrag dagegen streitwertmäßig nicht zu berücksichtigen.4

1819

Werden im Streitgenossenprozess Leistungsbeklagter und Duldungsbeklagter durch denselben Anwalt vertreten, dann schuldet, da der Streitwert für Leistungs- und Duldungsbegehren deckungsgleich ist, jeder Streitgenosse gesamtschuldnerisch mit dem anderen dem gemeinsamen Anwalt die Gebühren nach dem nämlichen Wert.5 Ein besonderer Streitwert für die abgewiesene Duldungsklage braucht deshalb nicht festgesetzt zu werden.6

1820

Für eine Klage auf Einräumung einer Grunddienstbarkeit, hier eines Wege- und Überfahrrechtes, ist der Streitwert danach zu bemessen, welchen Wert die begehrte Nutzung für das begünstigte Grundstück hat. Ist die Wertminderung durch die Belastung für das betroffene Grundstück größer, ist auf diesen Wert abzustellen.7 Die besonderen Verhältnisse in den Bundesländern des Beitrittsgebietes rechtfertigen keinen abweichenden Bewertungsmaßstab.8 S. auch Stichwort „Grunddienstbarkeit“.

1821

Der Klageanspruch auf Duldung der Wertschätzung eines Hausgrundstücks durch einen Sachverständigen ist nach den Grundsätzen für die Bewertung eines Auskunftsanspruchs zu beziffern; maßgebend ist daher das Bewertungsinteresse des Klägers, nicht das Duldungsinteresse des Beklagten.9 Für die

1822

1 Zutr. LG Hamburg, Beschl. v. 16.4.2004 – 309 T 39/04, ZMR 2004, 586; LG Koblenz, Beschl. v. 10.11.2006 – 14 T 7/06, n.v: bei einstw. Verfügung 1/2 Jahresvorauszahlungsbetrag; AG Hamburg-Bergedorf, Beschl. v. 30.12.2003 – 409 C 550/03, ZMR 2004, 273; AG Neuruppin, Beschl. v. 28.7.2005 – 42 C 109/05, WuM 2005, 596; a.A. AG Königstein, Beschl. v. 25.4.2003 – 21 C 261/03, NJW-RR 2003, 949: Verkehrswert der Messeinrichtung; AG Nürnberg, Urt. v. 22.2.2001 – 20 C 567/01, NZM 2002, 144 = NJWRR 2002, 430. 2 LG Chemnitz, Beschl. v. 4.6.2007 – 3 T 443/07, GWF/Recht und Steuern 2008, 23. 3 Zutr. AG Oldenburg, Beschl. v. 20.8.2009 – 23 C 697/09, juris. 4 KG, AnwBl. 1979, 229. 5 OLG Frankfurt, JurBüro 1957, 316. 6 KG, JW 1933, 2074; OLG Stettin, JW 1926, 868. 7 BGH, Beschl. v. 2.10.2003 – V ZB 18/03, MDR 2004, 296; vgl. auch OLG Koblenz, Beschl. v. 19.10.2006 – 5 W 666/09, JurBüro 2010, 200 – Herstellungskosten zzgl. 3 1/2fachen der jährlichen Notwegrente für Klage auf dessen Einräumung. 8 BGH, Beschl. v. 2.10.2003 – V ZB 18/03, MDR 2004, 296; a.A. OLG Thüringen, OLGNL 2001, 263. 9 OLG Bamberg, Beschl. v. 30.9.1986 – 7 WF 50/86, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 854 = JurBüro 1987, 427.

Kurpat

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Durchsuchungsanordnung Berechnung der Beschwer des Beklagten sind die Kosten der zu duldenden Maßnahme unerheblich, weil der Gegner sie als Auftraggeber und Beweisführer zu tragen hat. Zu berücksichtigen ist jedoch der Verdienstausfall des Beklagten, wenn er wegen der Begutachtung unbezahlten Urlaub nehmen muss. Hingegen bleiben die Kosten für die Zuziehung eines Rechtsanwalts unberücksichtigt, da sich die Auskunftsverurteilung nicht darauf erstreckt, sondern sich in der Pflicht erschöpft, den Zutritt zum Grundstück zu dulden.1 1823

Da die Zwangsverwaltung sich nicht auf einen Forderungsbetrag beschränkt, sondern das zu verwaltende Objekt allgemein erfasst, ist bei einer Klage auf Duldung der Zwangsverwaltung und auf Herausgabe des Grundstücks an den Zwangsverwalter der Grundstückswert maßgebend, nicht der niedrigere Wert der Forderung des klagenden Gläubigers.2

1824

Zur Duldung von Modernisierungsarbeiten durch den Mieter s. das Stichwort „Mietstreitigkeiten“ Rn. 3807 f.

1825

Rechtsstreitigkeiten, bei denen sich erst in der Zwangsvollstreckung eine Haftungsbeschränkung ergeben kann (vgl. §§ 781, 786 ZPO), sind nicht wie Duldungsklagen zu bewerten. Bei ihnen ist ohne Rücksicht auf den Wert der Haftungsmasse lediglich der Zahlungsanspruch wertbestimmend, der durchgesetzt werden soll.3

Durchsuchungsanordnung 1826

Der Gerichtsvollzieher darf die Wohnung des Schuldners gegen dessen Willen nur betreten und durchsuchen, wenn ihm dies durch eine richterliche Durchsuchungsanordnung gestattet wird (§ 758a ZPO).4 Für das Verfahren auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung fallen keine Gerichtsgebühren an.

1827

Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren, der nach § 33 Abs. 1 RVG gesondert festzusetzen ist, bestimmt sich nicht nach dem Wert der zu vollstreckenden Forderung oder dem Wert des beabsichtigten Pfändungsgegenstandes (§ 25 RVG). Denn die Durchsuchungsanordnung verschafft dem Gläubiger kein Pfändungspfandrecht, sondern nur die Möglichkeit, sich gegen den Willen des Schuldners über pfändbare Gegenstände in dessen Wohnung zu informieren. Maßgeblich ist daher nur ein nach § 3 ZPO, § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG zu schätzender Bruchteil dieses Wertes,5 den das OLG Köln mit 50 % des Wertes der zu vollstreckenden Forderung angesetzt hat.

1 2 3 4 5

BGH, Beschl. v. 30.10.1991 – XII ZB 127/91, NJW-RR 1992, 188. LG Hamburg, JW 1935, 878 Nr. 7. RGZ 54, 411; 137, 50. BVerfGE 51, 97; BVerfGE 57, 346. OLG Köln, Beschl. v. 16.11.1987 – 2 W 185/87, MDR 1988, 329.

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Ehrkränkende Äußerungen

Ehrkränkende Äußerungen Literatur: Schneider, JurBüro 1965, 589. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 1828 B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Geldentschädigung . . . . . . . . 1829 II. Widerruf, Rücknahme, Unterlassung . . . . . . . . . . . . . . 1830 III. Mehrere prozessuale Ansprüche 1. Mehrere ehrkränkende Äußerungen . . . . . . . . . . . . . . . 1841

Rn. 2. Unterlassung und Widerruf . . . 1842 3. Unterlassung und Beseitigung . . 1845 4. Unterlassung und Schmerzensgeld/Vertragsstrafe . . . . . . . . 1846 C. Rechtsmittel und Beschwer . . . 1847 D. Einzelfälle aus der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . 1850

A. Einleitung Bei Klagen wegen Ehrverletzungen hängt die Bestimmung des Streitwertes davon ab, welche Ansprüche der Kläger im Einzelnen aus dem ehrkränkenden Verhalten ableitet.

1828

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Geldentschädigung Verlangt der Kläger analog § 253 Abs. 2 BGB eine Geldentschädigung,1 dann ist für den Streitwert nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG der geforderte Betrag maßgebend, denn in diesem Fall ist nur das Grundverhältnis nichtvermögensrechtlicher Art. Der daraus hergeleitete Geldanspruch ist vermögensrechtlicher Natur.2

1829

II. Widerruf, Rücknahme, Unterlassung Klagen auf Rücknahme, Widerruf oder Unterlassung einer ehrkränkenden Äußerung sind im Regelfall als nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten hinsichtlich des Gebührenstreitwertes nach § 48 Abs. 2 GKG zu bewerten. Entscheidend ist also die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien,3 wobei der Streitwert 1.000.000 Euro nicht überschritten werden darf. Der Zuständigkeitsstreitwert ist in solchen Streitigkeiten nach § 3 ZPO unter Berücksichtigung insbesondere der Kriterien des § 48 Abs. 2 GKG zu schätzen. 1 BGHZ 26, 349; BGHZ 66, 182; BGH, Beschl. v. 3.4.1985 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43. 2 Vgl. das Stichwort „Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit“. 3 BAG, Beschl. v. 2.3.1998 – 9 AZR 61/96 (A), JurBüro 1998, 647; BGH, MDR 1974, 926; OLG Koblenz, JurBüro 1967, 1015; OLG Karlsruhe, AnwBl. 1972, 25.

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Ehrkränkende Äußerungen

Ehrkränkende Äußerungen Literatur: Schneider, JurBüro 1965, 589. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 1828 B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Geldentschädigung . . . . . . . . 1829 II. Widerruf, Rücknahme, Unterlassung . . . . . . . . . . . . . . 1830 III. Mehrere prozessuale Ansprüche 1. Mehrere ehrkränkende Äußerungen . . . . . . . . . . . . . . . 1841

Rn. 2. Unterlassung und Widerruf . . . 1842 3. Unterlassung und Beseitigung . . 1845 4. Unterlassung und Schmerzensgeld/Vertragsstrafe . . . . . . . . 1846 C. Rechtsmittel und Beschwer . . . 1847 D. Einzelfälle aus der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . 1850

A. Einleitung Bei Klagen wegen Ehrverletzungen hängt die Bestimmung des Streitwertes davon ab, welche Ansprüche der Kläger im Einzelnen aus dem ehrkränkenden Verhalten ableitet.

1828

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Geldentschädigung Verlangt der Kläger analog § 253 Abs. 2 BGB eine Geldentschädigung,1 dann ist für den Streitwert nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG der geforderte Betrag maßgebend, denn in diesem Fall ist nur das Grundverhältnis nichtvermögensrechtlicher Art. Der daraus hergeleitete Geldanspruch ist vermögensrechtlicher Natur.2

1829

II. Widerruf, Rücknahme, Unterlassung Klagen auf Rücknahme, Widerruf oder Unterlassung einer ehrkränkenden Äußerung sind im Regelfall als nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten hinsichtlich des Gebührenstreitwertes nach § 48 Abs. 2 GKG zu bewerten. Entscheidend ist also die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien,3 wobei der Streitwert 1.000.000 Euro nicht überschritten werden darf. Der Zuständigkeitsstreitwert ist in solchen Streitigkeiten nach § 3 ZPO unter Berücksichtigung insbesondere der Kriterien des § 48 Abs. 2 GKG zu schätzen. 1 BGHZ 26, 349; BGHZ 66, 182; BGH, Beschl. v. 3.4.1985 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43. 2 Vgl. das Stichwort „Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit“. 3 BAG, Beschl. v. 2.3.1998 – 9 AZR 61/96 (A), JurBüro 1998, 647; BGH, MDR 1974, 926; OLG Koblenz, JurBüro 1967, 1015; OLG Karlsruhe, AnwBl. 1972, 25.

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Ehrkränkende Äußerungen 1831

Die Höhe des Streitwertes wird unter anderem davon beeinflusst, unter welchen Umständen die Behauptung aufgestellt worden, in welchem Umfang sie Dritten zur Kenntnis gelangt und mit welchen wirtschaftlichen Interessen sie verknüpft ist.1 Dabei sollte allerdings – auch wenn die Parteien sich subjektiv schwer getroffen fühlen – eine objektive Sichtweise stets beibehalten werden.

1832

Da § 48 Abs. 2 GKG keinen Regelwert kennt, dürfte es zulässig sein, sich als Ausgangspunkt der Streitwertbestimmung an den Werten des § 52 Abs. 2 GKG (derzeit 5.000 Euro) bzw. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG (derzeit 4.000 Euro) zu orientieren. Entscheidend sind jedoch immer die Umstände des Einzelfalls.

1833

Ältere Entscheidungen gingen grundsätzlich mangels Besonderheiten des Einzelfalles vom Ausgangswert von 4.000 DM aus.2 Eine einheitliche Rechtsprechung hat sich jedoch nicht herausgebildet (vgl. dazu die Einzelfälle in der Rechtsprechung unter D.).

1834

Steht der Betroffene im Wirtschafts- und Berufsleben, dann können hinsichtlich der Klagen auf Widerruf bzw. Rücknahme und Unterlassung Abgrenzungsschwierigkeiten dahingehend auftreten, ob der Anspruch vermögensrechtlicher oder nichtvermögensrechtlicher Natur ist:3

1835

Soweit es nämlich um den Teil der öffentlichen Wertschätzung einer Person geht, der ihre Berufsausübung betrifft, ist der Anspruch auf Unterlassung der die Berufsehre tangierenden Äußerungen nicht von vornherein vermögensrechtlicher Natur. Das ist nur dann der Fall, wenn der Anspruch in wesentlicher Weise auch der Wahrung wirtschaftlicher Belange (z.B. Verlust von Kunden, Einschränkung der Kreditwürdigkeit etc.) dienen soll.4

1836

Die Klage auf Unterlassung einer ehrverletzenden Behauptung (§§ 12, 862, 1004 BGB analog) ist nichtvermögensrechtlicher Natur, wenn sie auf §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 185, 186 StGB gestützt wird, und zwar auch dann, wenn eine nicht eingeklagte Vermögensschädigung durch die Äußerung eingetreten ist.5 Denn sie soll den sozialen Geltungsanspruch des Verletzten in der Öffentlichkeit schützen. Anderes gilt nur, wenn sich aus dem Klagevorbringen ergibt, dass das Rechtsschutzbegehren in wesentlicher Weise auch der Wahrung wirtschaftlicher Belange dienen soll.6

1837

– Klagt beispielsweise ein Rechtsanwalt auf Widerruf einer Eingabe an die Anwaltskammer, die ihn in seiner Berufsehre verletzt, so liegt eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit vor, sodass der Wert nach § 48 Abs. 2 GKG zu bemessen ist.7 1 OLG Köln, MDR 1963, 510. 2 OLG Bamberg, JurBüro 1973, 459; OLG Frankfurt, AnwBl. 1983, 89; OLG Köln, VersR 1974, 151; OLG Köln, BB 1974, 1184; vgl. aber auch LG Oldenburg, JurBüro 1995, 369 (6000 DM für Unterlassungsklage). 3 Vgl. dazu BGH, VersR 1969, 1094. 4 BGH, NJW-RR 1990, 1270; OLG Schleswig, Beschl. v. 25.1.2002 – 1 W 3/02, JurBüro 2002, 316. 5 OLG Bremen, Rpfleger 1957, 271 zu GKG § 11 Abs. 1; OLG Koblenz, JurBüro 1967, 1015; OLG Köln, MDR 1957, 238 Nr. 43 m.w.N. aus der älteren Rspr. des RG. 6 BGH, Beschl. v. 3.4.1985 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43. 7 OLG Frankfurt, JurBüro 1969, 872.

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Ehrkränkende Äußerungen – Wird dagegen die Unterlassungsklage auf § 824 BGB gestützt (Kreditgefährdung), dann liegt eine vermögensrechtliche Streitigkeit vor.1 Ihr Streitwert ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach freiem Ermessen zu schätzen.2 Bei Zusammentreffen nichtvermögensrechtlicher (ehrverletzender) und vermögensrechtlicher (wirtschaftlicher) Interessen in einer Widerrufsklage können die Bemessungsvorschriften des § 48 Abs. 2 GKG und des § 3 ZPO miteinander konkurrieren.3 So kann beim Zusammentreffen nicht vermögensrechtlicher und vermögensrechtlicher Interessen nach § 48 Abs. 3 GKG der sich aus der Bemessungsvorschrift des § 3 ZPO ergebene höhere Wert festgesetzt werden.4 Dazu muss sich jedoch aus dem Klagevorbringen ergeben, dass das Rechtsschutzbegehren des Klägers der Wahrung höher zu bewertender wirtschaftlicher Interessen dienen soll.5

1838

Es geht also nur um die Frage, wie ein einzelner einheitlicher Anspruch – mag er auf Widerruf oder auf Unterlassung gerichtet sein – zu bewerten ist, wenn damit zugleich dieselben kreditschädigenden und ehrverletzenden Behauptungen bekämpft werden. In diesem Fall ist nur ein Wert anzusetzen, und zwar der höhere.6 Dieser Sachverhalt darf nicht verwechselt werden mit dem Zusammentreffen von Widerrufsansprüchen und Unterlassungsansprüchen. Wird nämlich neben einem Anspruch auf Unterlassung ehrenrühriger Behauptungen ein aus diesem hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch (Schmerzensgeld) geltend gemacht, so bestimmt sich der Streitwert gem. § 48 Abs. 3 GKG allein nach dem Wert des höheren Anspruchs.7

1839

Wenn demgegenüber das OLG Stuttgart8 meint, der Streitwert sei nur nach dem wirtschaftlichen Interesse gem. § 3 ZPO zu schätzen, so verstößt das gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze. Für die Gebührenberechnung ist stets der höchste Wert maßgebend. Das folgt für das Verhältnis vermögensrechtlicher zu nichtvermögensrechtlichen Ansprüchen aus § 48 Abs. 3 GKG.9

1840

III. Mehrere prozessuale Ansprüche 1. Mehrere ehrkränkende Äußerungen Sind mehrere ehrkränkende Äußerungen, deren Unterlassung mit der Klage begehrt wird, beispielsweise in einem Buch oder im Rahmen eines Rechtsstreits aufgestellt worden, so ist der gesamte Komplex mit einem einheitli1 OLG Bremen, Rpfleger 1957, 271 zu GKG § 11 Abs. 2; OLG Köln, MDR 1957, 238 Nr. 43. 2 RG, Recht 1912, 634; JW 1914, 208; OLG Köln, MDR 1957, 238 Nr. 43; LG Bayreuth, JurBüro 1975, 1356. 3 Vgl. Schneider, JurBüro 1965, 589. 4 OLG Köln, Beschl. v. 18.8.1993 – 19 W 37/93, JurBüro 1994, 491. 5 BAG, Beschl. v. 2.3.1998 – 9 AZR 61/96(A), JurBüro 1998, 647; BGHZ 35, 302; BGH NJW-RR 1990, 1270. 6 OLG München, JurBüro 1972, 534; OLG München, JurBüro 1977, 852; Schneider, JurBüro 1965, 589. 7 OLG Köln, Beschl. v. 18.8.1993 – 19 W 37/93, JurBüro 1994, 491. 8 OLG Stuttgart, Rpfleger 1957, 97 zu ZPO § 3, h. 9 OLG Köln, MDR 1963, 510; OLG Köln, JurBüro 1994, 491: Unterlassung ehrenrühriger Behauptungen und ein daraus hergeleiteter Schmerzensgeldanspruch.

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Ehrkränkende Äußerungen chen Streitwert zu bewerten. Eine getrennte Bewertung unterbleibt auch dann, wenn die beanstandeten Äußerungen in einzelnen Unterlassungsanträgen ihren Niederschlag gefunden haben.1 2. Unterlassung und Widerruf 1842

Die Anträge auf Widerruf einer Äußerung gegenüber verschiedenen Adressaten haben getrennte Streitwerte, die zusammenzurechnen sind.2

1843

Der Streitwert des Antrages auf Widerruf einer ehrverletzenden Äußerung ist in der Regel nicht geringer anzusetzen als der Wert des auf Unterlassung dieser Äußerung gerichteten Antrages.3 Eine Ausnahme gilt dann, wenn schon im Zeitpunkt der Klageerhebung feststeht, dass die Äußerung für den Kläger ohne nachteilige Folgen geblieben ist.4

1844

Wird mit dem Antrag auf Unterlassung ehrverletzender Äußerungen zugleich der Antrag auf Verurteilung zum Widerruf gestellt, soll nach einer älteren Entscheidung des OLG Frankfurt5 der Unterlassungsantrag in der Regel von dem weiter gehenden Widerrufsantrag streitwertmäßig konsumiert werden. Demgegenüber ist nach dem KG6 für die Anträge auf Verurteilung zur Unterlassung und zum Widerruf einer ehrkränkenden Behauptung jeweils ein gesonderter Streitwert festzusetzen und die Summe beider Werte Bemessungsgrundlage.7 Dem ist zuzustimmen.8 Das OLG Frankfurt9 hat seine frühere Auffassung nunmehr aufgegeben. 3. Unterlassung und Beseitigung

1845

Eine andere Beurteilung als beim Zusammentreffen von Unterlassungs- und Widerrufsantrag gilt jedoch bei einem zusätzlichen Beseitigungsantrag: Soweit der sich gegen ehrverletzende Äußerungen wendende Kläger neben Ansprüchen auf Unterlassung auch Ansprüche auf Beseitigung (der Äußerungen auf einer Internetseite) geltend macht, kommt diesen Beseitigungsansprüchen kein eigenständiger Wert zu, da es sich um denselben Gegenstand i.S.v. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG handelt. Anders als beim Widerruf einer ehrverletzenden Behauptung, der auf Beseitigung einer bereits eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung zielt, ist das Beseitigungsverlangen (wie das Unterlassungsbegehren) auf die Vermeidung künftiger Rechtsbeeinträchtigungen gerichtet. Dies zeigt 1 OLG Frankfurt, JurBüro 1963, 38; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.9.1999 – 16 W 39/98, OLGR 1999, 296. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2009 – 14 W 53/08, JurBüro 2009, 430; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1970, 207; OLG München, Beschl. v. 10.11.1992 – 21 W 2023/92, MDR 1993, 286. 3 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1970, 207; LG Oldenburg, Nds.Rpfl. 1993, 299; LG Oldenburg, JurBüro 1995, 369: Unterlassungsklage in der Regel 6000 DM, Widerruf in der Regel 50 % über dem Wert des Unterlassungsanspruchs. 4 OLG Köln, Beschl. v. 26.2.1999 – 19 W 8/99, OLGR 1999, 220. 5 OLG Frankfurt, JurBüro 1963, 38. 6 KG, JurBüro 1969, 320. 7 Vgl. auch KG, JurBüro 1960, 350; KG, Rpfleger 1962, 119; OLG Düsseldorf, AnwBl. 1980, 358. 8 Vgl. auch das Stichwort „Widerruf“. 9 OLG Frankfurt, JurBüro 1974, 1413.

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Ehrkränkende Äußerungen sich auch daran, dass die Verpflichtung zur Beseitigung der ehrverletzenden Äußerung bereits aus der Verurteilung zur Unterlassung folgt.1 4. Unterlassung und Schmerzensgeld/Vertragsstrafe Streitig ist die Bewertung, wenn ein Unterlassungsbegehren sowie ein Schmerzensgeldanspruch aus derselben unerlaubten Handlung hergeleitet werden. Nach Ansicht des OLG Hamm sind für die Streitwertfestsetzung die Werte der Anträge zu addieren. Die Regelung des § 48 Abs. 3 GKG findet keine Anwendung, weil der vermögensrechtliche Zahlungsanspruch nicht aus dem nichtvermögensrechtlichen Unterlassungsanspruch folgt.2 Das OLG Köln verneint dagegen eine Zusammenrechnung und hält nur den höheren der beiden Ansprüche für maßgeblich.3 Entsprechend hat das OLG Karlsruhe die Regelung des § 48 Abs. 3 GKG auf einen Fall angewandt, in welchem ein Anspruch auf Unterlassung einer ehrenrührigen Behauptungen mit einem daraus hergeleiteten Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus demselben Sachverhalt verbunden wurde. Auch hier sei für die Wertberechnung nur der höhere Anspruch maßgeblich.4

1846

C. Rechtsmittel und Beschwer Bei gleich bleibendem Interesse, wenn also nach wie vor eine klärende Entscheidung erstrebt wird, ist für beide Instanzen gleich zu bewerten und dann auch unter Umständen gem. § 63 Abs. 3 GKG der erstinstanzliche Wertansatz zu korrigieren.5

1847

Wegen des Zeitablaufs kann sich das zu bewertende Interesse zwischen erster und zweiter Instanz verändert haben. Dann ist im zweiten Rechtszug ein geringerer Wert anzusetzen.6

1848

Bei Klagen auf Unterlassung ehrkränkender Äußerungen in der Presse ist der Streitwert für das Berufungsverfahren nicht notwendigerweise gleich dem Streitwert für den ersten Rechtszug. Häufig wird infolge der Länge der vergangenen Zeit das Interesse der Parteien an der Aufhebung des Verbots oder an dessen Bestand erheblich geringer sein als bei Erhebung der Klage oder bei Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.7

1849

D. Einzelfälle aus der Rechtsprechung Der nichtvermögensrechtliche Bewertungsbereich bei einer Ehrverletzung ist erfahrungsgemäß stark von Emotionen geprägt, die jedoch auf den Streitwert 1 2 3 4

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2009 – 14 W 53/08, JurBüro 2009, 430. OLG Hamm, Beschl. v. 10.8.2007 – 9 W 33/07, OLGR 2008, 408 = AGS 2008, 463. OLG Köln, Beschl. v. 18.8.1993 – 19 W 37/93, OLGR 1993, 284 = JurBüro 1994, 491. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2009 – 14 W 53/08, JurBüro 2009, 430; ebenso: OLG Köln, Beschl. v. 18.8.1993 – 19 W 37/93, JurBüro 1994, 491. 5 OLG Köln, BB 1974, 1184. 6 Vgl. BAG, Beschl. v. 2.3.1998 – 9 AZR 61/96 (A), JurBüro 1998, 647 für einen Fall, in dem der Kläger zwischenzeitlich aus seinen hervorgehobenen Ehrenämtern ausgeschieden war. 7 OLG Neustadt, JurBüro 1964, 599.

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Ehrkränkende Äußerungen keinen Einfluss haben dürfen. Da § 48 Abs. 2 GKG keinen Regelwert kennt, dürfte es zulässig sein, sich als Ausgangspunkt an den Werten des § 52 Abs. 2 GKG (derzeit 5.000 Euro) bzw. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG (derzeit 4.000 Euro) zu orientieren. Entscheidend sind jedoch immer die Umstände des Einzelfalls. Über den Grundstreitwert ist deutlich hinauszugehen, wenn die Ehrkränkung stark den Bereich des sozialen Ansehens berührt,1 beispielsweise bei einem Spitzenrepräsentanten einer berufsständischen Vereinigung mit bundesweiter Tätigkeit.2 1851

Das LG Oldenburg setzte für Unterlassungsansprüche in der Regel (umgerechnet) 3.000 Euro fest und für Widerrufsklagen einen im Vergleich zu Unterlassungsklagen um 50 % erhöhten Streitwert.3

1852

Der Streitwert einer Klage auf Rücknahme von Beleidigungen gegenüber einem Anwalt, bei der besondere Bemessungsfaktoren nicht gegeben waren, ist vom KG mit (umgerechnet) 1.000 Euro bemessen worden.4 Der Wert einer Klage auf Unterlassung der Behauptung, der Anwalt habe Mandantengelder i.H.v. (umgerechnet) 6.000 Euro veruntreut, ist vom OLG Schleswig auf (umgerechnet) 10.000 Euro festgesetzt worden.5 Überzogen erscheint in diesem Zusammenhang allerdings eine Entscheidung des OLG Hamm:6 Der Senat hat ein Verfahren gegen eine Zeitung, die über einen Anwalt die Behauptung verbreitet hatte, er habe seinen Mandanten unter Verletzung anwaltlicher Pflichten bloßgestellt, mit (umgerechnet) 150.000 Euro bewertet.

1853

Ein Eilverfahren auf künftige Unterlassung der in einer Fernsehsendung ausgestrahlten Behauptung, der Antragsteller sei wegen Vergewaltigung vorbestraft, hat das OLG Frankfurt7 mit (umgerechnet) 15.000 Euro bewertet.

1854

Das OLG Köln8 hat in einem Verfügungsverfahren den Streitwert wegen einer anonymen Sammelbeleidigung unter Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung von (umgerechnet) 50.000 Euro auf 15.000 Euro heruntergesetzt. Das OLG Karlsruhe9 hat eine Unterlassungsklage gegen elf Gemeinderäte einer Kleinstadt mit (umgerechnet) 5.000 Euro bewertet.

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Ein Streitwert von (umgerechnet) 7.500 Euro wurde bei der Behauptung des Verfügungsbeklagten angesetzt, dass die Verkürzung des Religionsunterrichtes an der städtischen Berufsschule mit der Zugehörigkeit des Direktors der Berufsschule zur X-Partei und zur X-Religionsgemeinde in Verbindung stehe.10

1856

Wird eine ehrenrührige Behauptung im Wahlkampf mit einer einstweiligen Verfügung abgewehrt, so kann der Ansatz des vollen Hauptsachewertes gerechtfertigt sein, wenn und weil die vorläufige Maßnahme im Ergebnis einer 1 OLG Koblenz, JurBüro 1967, 1015; OLG Karlsruhe, AnwBl. 1972, 25. 2 BAG, JurBüro 1998, 647. 3 LG Oldenburg, Nds.Rpfl. 1993, 299; LG Oldenburg, Beschl. v. 6.3.1995 – 5 T 131/94, JurBüro 1995, 369 4 KG, AnwBl. 1956, 141; heute wäre der Fall wohl mit ca. 4.000 Euro zu bemessen. 5 OLG Schleswig, Beschl. v. 25.1.2002 – 1 W 3/02, JurBüro 2002, 316. 6 OLG Hamm, AnwBl. 1972, 319. 7 OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.4.1997 – 16 W 18/97, OLGR 1998, 156. 8 OLG Köln, KostRsp. GKG a.F. § 14 C Nr. 69 = VersR 1974, 151. 9 OLG Karlsruhe, AnwBl. 1982, 25. 10 OLG Neustadt, JurBüro 1961, 136.

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Eidesstattliche Versicherung Verwirklichung des Hauptsacheanspruches gleichkommt, da das einstweilige Verfügungsverfahren zu einer endgültigen Klärung der Zulässigkeit der beanstandeten Äußerungen führt und sich ein Hauptsacheverfahren nicht mehr anschließt.1 Das LG Bayreuth2 hat in diesem Sinne einen vom Antragsteller mit (umgerechnet) 10.000 Euro bewerteten Verfügungsantrag eines SPD-Kommunalpolitikers auf 2.500 Euro herabgesetzt, wobei es davon ausgegangen ist, dass dies nahezu dem Hauptsachwert entspreche, der weitgehend maßgebend sei, da das Verfügungsverfahren unter den gegebenen Umständen eine endgültige Regelung schaffe. Den Wert des Unterlassungsbegehrens eines Universitätsprofessors gegen ehrverletzende Äußerungen über seine Habilitationsschrift im Internet hat das OLG Karlsruhe mit 30.000 Euro bewertet. Dabei wurden neben den überdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Parteien insbesondere berücksichtigt, dass der Kläger als Universitätsprofessor und Inhaber eines Lehrstuhls eine herausgehobene Stellung einnimmt und er durch die deutliche Kritik an seiner Habilitationsschrift in besonderer Weise in seinem beruflichen Ansehen und seiner wissenschaftlichen Reputation beeinträchtigt wurde.3

1857

Eidesstattliche Versicherung Literatur: Martini, JurBüro 1956, 205; Enders, JurBüro 1999, 3. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 1858 B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert . . . . . . . . . . . . I. Die vollstreckungsrechtliche eidesstattliche Versicherung . 1. Gerichtsgebühren . . . . . . . 2. Anwaltsgebühren . . . . . . . .

. 1859 . 1860 . 1861 . 1864

Rn. II. Die materiell-rechtliche eidesstattliche Versicherung 1. Stufenklage . . . . . . . . . . . . 1874 2. Isolierter Klageantrag . . . . . . . 1876 3. Freiwillige Abgabe . . . . . . . . 1882 C. Rechtsmittel und Beschwer . . . 1886

A. Einleitung Ein Schuldner kann unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet sein, dem Gläubiger Auskunft zu erteilen bzw. Rechenschaft zu legen und die dort gemachten Angaben an Eides statt zu versichern. Diese sog. materiell-rechtliche eidesstattliche Versicherung (vgl. z.B. §§ 259, 260, 2006, 2028, 2057 BGB) kann der Schuldner entweder freiwillig abgeben. Dann handelt es sich um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. § 410 Nr. 1 FamFG). Gibt der Schuldner die eidesstattliche Versicherung nicht freiwillig ab, kann der Gläubiger eine entsprechende Klage erheben, was in der Praxis 1 Vgl. OLG Bamberg, KostRsp. GKG a.F. § 18 Nr. 48 = JurBüro 1973, 459; OLG Frankfurt, OLGR 1999, 296 für Äußerungen in einem Flugblatt. 2 LG Bayreuth, JurBüro 1977, 1269. 3 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2009 – 14 W 53/08, JurBüro 2009, 430.

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Eidesstattliche Versicherung zumeist im Rahmen einer Stufenklage (Auskunft, eidesstattliche Versicherung, Leistung) erfolgt. Das entsprechende Urteil wird dann nach § 889 Abs. 1 ZPO vollstreckt. Daneben gibt es die sog. vollstreckungsrechtliche eidesstattliche Versicherung, die in den §§ 807, 836, 883, 899 ff. ZPO geregelt ist. Sie bezieht sich auf die Offenbarungspflicht des Schuldners im Rahmen der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen oder zur Erwirkung der Herausgabe einer beweglichen Sache.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 1859

Bei Bestimmung des Zuständigkeits- und Gebührenstreitwerts ist zwischen der vollstreckungsrechtlichen und der materiell-rechtlichen eidesstattlichen Versicherung zu unterscheiden.

I. Die vollstreckungsrechtliche eidesstattliche Versicherung 1860

Für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach §§ 807, 836, 883 ZPO ist der Gerichtsvollzieher zuständig (§ 899 Abs. 1 ZPO), sodass es eines Zuständigkeitsstreitwertes nicht bedarf. Hinsichtlich des Gebührenstreitwertes stellt sich nach der Neufassung des Gerichtskostengesetzes und des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zum 1.7.2004 die Situation wie folgt dar: 1. Gerichtsgebühren

1861

Für das Verfahren über die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung werden keine Gerichtsgebühren mehr erhoben. Die Festgebühr nach Nr. 2114 KV GKG bezieht sich ausschließlich auf das Verfahren nach § 889 ZPO (Vollstreckung einer Verurteilung durch Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach Vorschriften des bürgerlichen Rechts). Der Gerichtsvollzieher erhält für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung die Gebühr nach Nr. 260 KV GV; im Falle einer Verhaftung noch die Gebühr nach Nr. 270 KV GV.

1862

Für das Verfahren über den Antrag eines Drittgläubigers auf Erteilung der Ablichtung eines mit eidesstattlicher Versicherung abgegebenen Vermögensverzeichnisses fällt eine Festgebühr von 15 Euro an (Nr. 2115 KV GKG). Dieselbe Festgebühr fällt für ein Verfahren über den Antrag eines Drittgläubigers auf Gewährung der Einsicht in das mit eidesstattlicher Versicherung abgegebene Vermögensverzeichnis an (Nr. 2116 KV GKG).

1863

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei, es sei denn, die Beschwerde wird verworfen oder zurückgewiesen. Dann fällt eine Festgebühr i.H.v. 25 Euro an (Nr. 2121 KV GKG). Bei einem Teilerfolg der Beschwerde kann die Festgebühr nach billigem Ermessen auf die Hälfte ermäßigt oder ganz erlassen werden. Gleiches gilt für das Verfahren über die Rechtsbeschwerde, für das bei Verwerfung oder Zurückverweisung eine Festgebühr von 50 Euro gem. Nr. 2124 KV GKG erhoben wird.

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Eidesstattliche Versicherung 2. Anwaltsgebühren Mangels eines nach § 32 Abs. 1 RVG maßgeblichen Gerichtsgebührenwertes muss der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren gesondert bestimmt und festgesetzt werden (§ 33 Abs. 1 RVG). Er bestimmt sich gem. § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG im Verfahren über den Antrag auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach dem Betrag, der einschließlich der Nebenforderungen aus dem Vollstreckungstitel noch geschuldet wird. Der Wert ist auf höchstens 1.500 Euro begrenzt.

1864

Der gesetzgeberische Gedanke hinter dieser mit der Vorgängerregelung (§ 57 Abs. 2 Satz 5 BRAGO) identischen pauschalen Begrenzung des Streitwerts geht dahin, dass das Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zwar auf der einen Seite dem ganzen Anspruch des Gläubigers nutzt, andererseits aber durch die Eidesleistung nur in seltenen Fällen erhebliche Vermögenswerte des Schuldners für die weitere Vollstreckung zu Tage gefördert werden.

1865

Mit anderen Worten: Die wirtschaftliche Betrachtungsweise des Verfahrens hat Vorrang. Es wäre formalistisch, einen hohen Streitwert wegen einer hohen titulierten Forderung anzunehmen, obwohl mit großer Wahrscheinlichkeit nichts oder nur wenig beim Schuldner zu holen ist. Eine vergleichbare Problematik ergibt sich, wenn in einen Prozessvergleich nicht rechtshängige „faule“ Forderungen einbezogen werden.1

1866

Auch die vom Gesetz vorgesehene Berücksichtigung von Zinsen und Kosten2 bei der Wertberechnung ist gerechtfertigt, denn in nicht wenigen Fällen übersteigt der Zinsanspruch den restlichen Hauptanspruch, sodass die Arbeit des Anwaltes, die er mit der Beitreibung hat, auch honoriert werden muss. Schuldnerinteressen gebieten hier nichts Gegenteiliges. Der Schuldner kann den höheren Streitwert verhindern, indem er rechtzeitig bezahlt. Da die Kosten einer vorausgegangenen Vollstreckung bei Stellung des Antrags auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung noch nicht feststehen, sollten sie geschätzt in den Vollstreckungsauftrag aufgenommen werden.3

1867

Der Umfang der Titulierung ist für die Wertberechnung ohne Belang. Ist beispielsweise der titulierte Forderungsbetrag durch teilweise Zahlung vermindert worden, dann ist nur der verminderte Betrag für den Streitwert maßgebend, da es nicht auf die Titulierung, sondern auf die tatsächliche Höhe der Schuld ankommt.

1868

* Æ Beispiel: Tituliert ist ein Betrag von 2.000 Euro zzgl. Zinsen. Diese belaufen sich im Mai 2010 auf insgesamt 250 Euro. Die dann erfolgende Zahlung des Schuldners von 1.000 Euro wird zunächst auf die Zinsen und sodann auf die Hauptforderung verrechnet. Für das Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist daher ein Gegenstandswert von 1.250 Euro anzusetzen.

Nur wenn der tatsächlich geschuldete Betrag inkl. Nebenforderungen noch über 1.500 Euro liegt, ist die Wertgrenze des § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG zu beachten und die Gebührenberechnung nach 1.500 Euro vorzunehmen. 1 S. dazu das Stichwort „Vergleich“. 2 A.A. für die Rechtslage nach §§ 57, 58 Abs. 3 Nr. 11 BRAGO: AG Hamburg, Beschl. v. 8.1.1990 – 26e M 5331/89, Rpfleger 1990, 314 (es ist nur die Hauptforderung zugrunde zu legen). 3 Vgl. Enders JurBüro 1999, 1, 3.

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1869

Eidesstattliche Versicherung

* Æ Beispiel: Tituliert ist im obigen Beispiel ein Betrag von 3.000 Euro. Nach Zahlung des Schuldners auf Zinsen und Hauptforderung verbleibt ein tatsächlich geschuldeter Betrag von 2.250 Euro, sodass hinsichtlich des Gegenstandswertes die Wertbegrenzung auf 1.500 Euro eingreift.

1870

Ebenfalls ohne Belang ist der Umfang des Vollstreckungszugriffs. Der Wert des Verfahrens auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist auch dann mit dem tatsächlich noch geschuldeten Betrag (maximal 1.500 Euro) festzusetzen, wenn der Gläubiger, der einen Vollstreckungsbescheid auf einen 1.500 Euro übersteigenden Betrag erwirkt hat, das Verfahren nur wegen der titulierten Kosten betreibt, die unter 1.500 Euro liegen.

* Æ Beispiel: In einem vom AG München1 entschiedenen Fall hatte der Gläubiger einen Vollstreckungstitel i.H.v. 16.354,34 DM, trat aber nach fruchtlosem Pfändungsversuch nur wegen der Kosten des Zahlungs- und Vollstreckungsbefehls i.H.v. 571,38 DM in das (damalige) Verfahren auf Abgabe der Offenbarungsversicherung ein. Die Entscheidung des AG München ist richtig, da (der jetzige) § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG weder auf den Titel, noch auf den Vollstreckungszugriff, sondern allein auf die tatsächlich bestehende Schuld abstellt, diese dann allerdings einer Bewertungssperre von 1.500 Euro unterwirft.

1871

Eine Ausnahme kann allerdings dann gelten, wenn die Zwangsvollstreckung wegen der Zinsen oder Kosten aufgrund eines selbständigen Vollstreckungstitels (z.B. § 788 Abs. 2ZPO) erfolgt. In einem solchen Fall kommt eine Bewertung lediglich nach der Kostenschuld und nicht nach der tatsächlich bestehenden Hauptforderung in Betracht.2

1872

Hat der Schuldner eine bewegliche Sache oder eine Menge beweglicher Sachen herauszugeben, die bei ihm nicht vorgefunden werden, so wird ebenfalls durch Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vollstreckt (§ 883 Abs. 2 ZPO). Der Gegenstandswert für die Gebühr nach Nr. 3309 bzw. Nr. 3310 VV RVG wird in diesen Fällen entsprechend der Regelung in § 25 Abs. 1 Nr. 2 RVG durch den Wert der Sache oder der Sachen bestimmt, die der Herausgabepflicht unterliegen, wobei die Wertbegrenzung des § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG (1.500 Euro) nicht anwendbar3 ist. Entscheidend ist vielmehr der volle Verkehrswert der betreffenden Sachen.

1873

Allerdings darf in diesen Fällen nach § 25 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbs. RVG der für die Berechnung der Gerichtskosten maßgebliche Wert des Herausgabe- oder Räumungsanspruchs nicht überschritten werden. Erfolgt also das Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Hinblick auf die Herausgabe nach Beendigung eines Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnisses, darf der Gegenstandswert den Wert des Jahresentgeltbetrages (§ 41 Abs. 2 Satz 1 GKG) nicht überschreiten; macht die streitige Zeit weniger als ein Jahr aus, ist dieser geringere Betrag maßgebend. Hatte der Gläubiger den Herausgabeanspruch aus einem anderen Rechtsgrund verlangt, ist der Wert für die Nutzung eines Jahres maßgebend (§ 41 Abs. 2 Satz 2 GKG). Nur wenn die Herausgabe ausschließlich aus einem anderen Rechtsgrund als der Be1 AG München, JurBüro 1964, 741. 2 Schneider/Wolf, § 25 RVG Rn. 22. 3 So LG Köln, JurBüro 1977, 404; KG, Rpfleger 1965, 354 zur alten Rechtslage nach § 57 Abs. 2 BRAGO.

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Eidesstattliche Versicherung endigung eines Nutzungsverhältnisses verlangt wird, ist der Verkehrswert maßgeblich.1

II. Die materiell-rechtliche eidesstattliche Versicherung 1. Stufenklage Der Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung wird regelmäßig im Rahmen einer Stufenklage geltend gemacht. Hinsichtlich des Zuständigkeitsstreitwerts einer solchen Klage ist umstritten, ob die Einzelansprüche nach § 5 Satz 1 ZPO zusammengerechnet werden müssen oder ob der höchste Einzelwert – grundsätzlich also der unbezifferte Leistungsanspruch – maßgeblich ist. Vgl. zu dieser Streitfrage die ausführliche Darstellung beim Stichwort „Stufenklage“ (Rn. 5035 ff.).

1874

Der Gebührenstreitwert einer Stufenklage hat in § 44 GKG eine spezielle Regelung erfahren, die nach § 23 Abs. 1 RVG auch für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgeblich ist. Danach ist für die Wertberechnung der Stufenklage nur einer der verbundenen Ansprüche – und zwar der höhere – maßgebend. Da die Ansprüche auf Auskunft und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nur der Vorbereitung des Leistungsanspruchs in der dritten Stufe dienen, haben sie regelmäßig einen geringeren Wert als dieser. Der vom Kläger erwartete Leistungsanspruch bestimmt damit die Obergrenze des Gebührenstreitwerts.

1875

2. Isolierter Klageantrag Die Bewertung einer Klage auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hinsichtlich einer Auskunft- oder Rechnungslegungspflicht nach bürgerlichem Recht richtet sich gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Interesse des Klägers an der Ableistung der Versicherung,2 also nach seinem Interesse an einer zutreffenden Auskunft.3 Maßgeblich ist der Mehrbetrag, den der Kläger durch den sanktionierten Zwang zur wahrheitsgemäßen Auskunft und Rechnungslegung zu erlangen hofft.4 Beim Herausgabeanspruch ist dementsprechend maßgebend das Interesse daran, dessen Durchsetzung zu erleichtern.5

1876

Der mit der Leistung der eidesstattlichen Versicherung angestrebte Erfolg (Zahlung, Herausgabe etc.) ist aber nur Schätzungsgrundlage, nicht schon gleich Streitwert. Es muss ein Abschlag gemacht werden, dessen Höhe sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet.6 Die Rechtsprechung geht bei Bestimmung dieses Abschlages unterschiedlich vor:

1877

1 LG Augsburg, Beschl. v. 31.3.2005 – 5 T 1005/05, DGVZ 2005, 95. 2 OLG Bamberg, JurBüro 1972, 1091; OLG Nürnberg, JurBüro 1964, 829; KG, Rpfleger 1962, 120; LG Düsseldorf, MDR 1956, 559; LG Hamburg, NJW 1962, 1182; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 2.5.1985 – 1 U 74/83, JurBüro 1985, 1238. 3 BGH, Urt. v. 20.6.1991 – I ZR 13/90, MDR 1992, 302; BGH, NJW-RR 1994, 898 zur Beschwer; BGH, Beschl. v. 24.11.1994 – GSZ 1/94, NJW 1995, 664 = JZ 1995, 681 mit Anm. Roth. 4 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 113; KG Rpfleger 1962, 120; OLG Bamberg, FamRZ 1997, 40. 5 OLG Celle, Rpfleger 1956, 347. 6 OLG Nürnberg, JurBüro 1964, 598; Beispiele für die Höhe der Abzüge: BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 113: 25 %; OLG Bamberg, JurBüro 1972, 1091: 25–50%; OLG Braunschweig, OLGE 4, 266 und OLG Nürnberg, JurBüro 1964, 598: 50 %.

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Eidesstattliche Versicherung 1878

– Nach einer Ansicht ist eine Bruchteilsbewertung vorzunehmen. Das OLG Hamburg1 und das OLG Bremen2 bemessen das Interesse des Auskunftsgläubigers an der Abgabe der Versicherung an Eides statt nach § 260 Abs. 2 BGB im Regelfall mit 1/10 des Hauptsacheanspruchs.

1879

– Eine andere Meinung spricht sich für eine Differenzbewertung aus. Das OLG Köln3 hat als Streitwert den Differenzbetrag zwischen dem Wert des Auskunftsanspruches und dem des Zahlungsanspruches angesetzt, weil der Kläger mit der materiellen Offenbarungsversicherung erreichen wolle, dass ihm die in der Auskunft nicht erfassten Werte offen gelegt würden.

1880

Diese Differenzbewertung erscheint jedoch ebenso schematisch und deshalb bedenklich wie eine Bruchteilsbewertung, die sich ohnehin stets dem Vorwurf einer zu pauschalen Beurteilung ausgesetzt sieht. Sie nimmt immer noch den vollen (restlichen) Zahlungsanspruch als Bewertungsmaßstab, während es doch bei der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nur um das Interesse des Klägers geht, diesen Anspruch später auch durchsetzen zu können.

1881

Zutreffend hat in diesem Zusammenhang das OLG Düsseldorf4 ausgeführt: „Anhaltspunkt für die Bewertung kann sein, von welchen Vorstellungen über die Höhe des zu erwartenden Zahlungsanspruchs der Kläger bei dem vorgetragenen Sachverhalt ausgegangen ist, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dass diese Ansprüche lediglich der Vorbereitung des Zahlungsanspruchs dienen sollen.“

Für die Streitwertberechnung bedeutet dies, dass zunächst ermittelt werden muss, welche Auskünfte der Beklagte bisher – entgegen dem klägerischen Verlangen – nicht erteilt hat. Der Wert der Ansprüche, auf die sich diese Auskünfte beziehen, ist sodann um einen pauschalen Faktor zu mindern, weil es im Rahmen der eidesstattlichen Versicherung noch nicht um Leistung, sondern lediglich um deren Vorbereitung geht. Der Beklagte soll durch den Druck der eidesstattlichen Versicherung angehalten werden, sich über die ausstehenden Auskünfte wahrheitsgemäß zu erklären. Angemessen erscheint daher eine Quote von 20 bis 30 %. 3. Freiwillige Abgabe 1882

Gibt der Schuldner die eidesstattliche Versicherung freiwillig ab, dann handelt es sich um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. § 410 Nr. 1 FamFG). Das bislang in den §§ 79, 163 FGG geregelte Verfahren wurde durch das FGG-Reformgesetz zum 1.9.2009 – ohne inhaltliche Änderungen – in § 413 FamFG übernommen. Auch die bislang in § 261 Abs. 1 BGB a.F. geregelte Zuständigkeit wurde – wiederum ohne inhaltliche Änderungen – im FamFG geregelt (vgl. § 411 Abs. 1 FamFG). Da die Zuständigkeit des Amtsgerichts als Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit bereits in § 23a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 23a Abs. 2 Nr. 5 GVG festgelegt ist, bedarf es keines Zuständigkeitsstreitwerts.

1883

Die Gerichtsgebühren für das Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit richten sich nach 1 2 3 4

OLG Hamburg, Beschl. v. 17.2.2000 – 2 U 101/99, OLGR 2000, 162. OLG Bremen, Urt. v. 17.2.2000 – 2 U 101/99, OLGR 2000, 162. OLG Köln, MDR 1963, 144 Nr. 76. OLG Düsseldorf, MDR 1963, Nr. 72; ähnlich OLG Koblenz, Beschl. v. 22.9.2004 – 5 W 574/04, NJW-RR 2005, 160.

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Eidesstattliche Versicherung § 124 Abs. 1 KostO. Danach wird die volle Gebühr erhoben, auch wenn die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung unterbleibt. Gem. § 49 Abs. 2 KostO bestimmt sich der Geschäftswert für die Gerichtsgebühren bei einer eidesstattlichen Versicherung zur Erlangung eines Erbscheins oder eines Zeugnisses der in §§ 109 bis 111 KostO bezeichneten Art nach §§ 107, 109 und 111 KostO (Grundsatz: Wert des reinen Nachlasses nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten). In den übrigen Fällen der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung ist der Geschäftswert nach § 30 Abs. 1 und 2 KostO nach freiem Ermessen zu bestimmen. Maßgeblich ist das Interesse des Antragstellers an der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Der Auffangwert liegt bei 3.000 Euro (§ 30 Abs. 2 Satz 1 KostO); ein Betrag von 500.000 Euro darf nicht überschritten werden.

1884

Der Wert für die Gerichtsgebühren bestimmt nach § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG auch den Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren. Bei Bestimmung des Gegenstandswertes ist allerdings die Wertgrenze des § 25 Abs. 2 Nr. 4 RVG nicht anwendbar, da sie sich nach ihrem eindeutigen Wortlaut auf die Fälle der vollstreckungsrechtlichen eidesstattlichen Versicherung beschränkt.

1885

C. Rechtsmittel und Beschwer Ist der Beklagte zur eidesstattlichen Versicherung der Richtigkeit einer bereits erteilten Auskunft oder Rechnungslegung verurteilt worden, dann bemisst sich der Wert seiner dagegen eingelegten Berufung nach seinem Interesse daran, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu vermeiden.1 Wie dieses Interesse zu bestimmen ist, dazu werden unterschiedliche Ansichten vertreten:

1886

– Das OLG Saarbrücken2 setzt das Beklagteninteresse gleich dem Interesse des Klägers an der Erteilung der Auskunft oder der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Das entspricht jedoch nicht der Rechtsprechung des BGH3 und überzeugt auch in der Sache nicht: Die Beschwer ist für die jeweils rechtsmittelführende Partei gesondert zu bestimmen.

1887

– Das OLG Celle4 schließlich hat die Auffassung vertreten, der Wert für die Berufungsinstanz sei bei einer Stufenklage in Höhe des Zahlungsanspruches festzusetzen, auch wenn die Berufung nur wegen der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung eingelegt werde. Diese Bewertung sei deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger beabsichtige, mit Hilfe der eidesstattlichen Versicherung Werte in Höhe seines Zahlungsanspruches für sich verfügbar zu machen. Diese Rechtsansicht ist jedoch unzutreffend, weil die eidesstattliche Versicherung nur die Durchsetzung des Zahlungsanspruches erleichtern soll, aber nicht mit dessen Realisierung selbst gleichgesetzt werden kann.

1888

1 S. das Stichwort „Auskunftsanspruch“. 2 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 2.5.1985 – 1 U 74/83, JurBüro 1985, 1238 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 768 mit Anm. Schneider. 3 BGH, Beschl. v. 13.4.1994 – XII ZB 33/94, NJW-RR 1994, 898; BGH, WM 1996, 466; BGH, FamRZ 1999, 649; BGH, Beschl. v. 30.3.2000 – III ZB 2/00, MDR 2000, 907; BGH, Beschl. v. 21.6.2000 – XII ZB 12/97, NJW 2000, 3073. 4 OLG Celle, NJW 1954, 1493.

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Eigentum 1889

– Nach wohl herrschender und zutreffender Ansicht richtet sich der Wert des Rechtsmittels des Beklagten nach dem Aufwand, den die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung kostet.1 Dieses Interesse ist nicht deckungsgleich mit dem Interesse des Klägers, als Rechtsmittelführer die eidesstattliche Versicherung des Beklagten zu erzwingen.2 Vielmehr ist als bewertungserhebliches Interesse auf den Aufwand an Arbeitszeit und Kosten sowie auf das Geheimhaltungsinteresse des Beklagten abzustellen.3 Die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung im Falle der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung kann die Wertfestsetzung nicht beeinflussen.4

1890

Eine besondere Fallkonstellation, die ein Abweichen von der zuvor dargestellten Berechnungsweise erfordert, liegt vor, wenn das Urteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, weil ihm die notwendige bestimmte Bezeichnung derjenigen Auskünfte fehlt, deren Richtigkeit eidesstattlich versichert werden soll. Muss der Beklagte in einem solchen Fall befürchten, vom Kläger wegen der Erfüllung der titulierten Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gezwungen zu werden und möglichen Vollstreckungsversuchen gem. §§ 889 Abs. 2, 888 Abs. 1 ZPO unter Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe entgegentreten zu müssen, dann ist der dafür entstehende Aufwand an (Anwalts-)Kosten und Zeit zu berücksichtigen.5

Eigentum A. Einleitung 1891

Streitigkeiten über das Eigentum können in den unterschiedlichen Fallkonstellationen vorkommen. In Betracht kommen insbesondere Klagen auf Auflassung, auf Eigentums- bzw. Besitzverschaffung, auf Feststellung der Eigentumsverhältnisse und auf Abwehr von Eigentumsstörungen. Da diese Bewertungsfragen jeweils auch in eigenen Stichworten besprochen werden, soll hier lediglich ein kurzer Überblick über die Problematik gegeben werden. 1 BGH, Beschl. v. 13.4.1994 – XII ZB 33/94, NJW-RR 1994, 898; BGH, WM 1996, 466; BGH, FamRZ 1999, 649; BGH, Beschl. v. 30.3.2000 – III ZB 2/00, MDR 2000, 907; BGH, Beschl. v. 21.6.2000 – XII ZB 12/97, NJW 2000, 3073; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 2.2.1987 – 2 UF 181/86, JurBüro 1987, 594 (Aufwand ist im Allgemeinen als gering – 300 DM – zu bewerten); OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.11.1996 – 2 UF 63/96, NJW-RR 1997, 577. 2 So aber OLG Saarbrücken, Beschl. v. 2.5.1985 – 1 U 74/83, JurBüro 1985, 1238. 3 BGH, Beschl. v. 21.6.2000 – XII ZB 12/97, NJW 2000, 3073; BGH, Beschl. v. 24.11.1994 – GSZ 1/94, NJW 1995, 664; BGH, Beschl. v. 30.1.1991 – XII ZB 156/90, MDR 1991, 679; BGH, Urt. v. 20.6.1991 – I ZR 13/90, MDR 1992, 302; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 2.2.1987 – 2 UF 181/86, JurBüro 1987, 594; OLG Köln, Beschl. v. 11.6.1990 – 2 U 246/89, FamRZ 1990, 1128; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.11.1986 – 7 UF 141/86, FamRZ 1987, 172; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.11.1996 – 2 UF 63/96, NJW-RR 1997, 577. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.11.1986 – 7 UF 141/86, FamRZ 1987, 172. 5 BGH, Beschl. v. 21.6.2000 – XII ZB 12/97, NJW 2000, 3073; BGH, Urt. v. 18.12.1991 – XII ZR 79/91, NJW-RR 1992, 450; BGH, Beschl. v. 27.11.1991 – XII ZB 102/91, FamRZ 1992, 425; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.11.1996 – 2 UF 63/96, NJW-RR 1997, 577.

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Eigentum

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Allgemeines Der Zuständigkeitsstreitwert für Streitigkeiten um das Eigentum richtet sich nach § 6 ZPO, der zwar nach seinem Wortlaut nur für Besitzstreitigkeiten gilt, nach herrschender Ansicht aber auch auf Eigentumsstreitigkeiten anzuwenden ist.1 Sondervorschriften für den Zuständigkeitsstreitwert finden sich in § 7 ZPO, wenn Grunddienstbarkeiten und in § 8 ZPO, wenn Pacht- oder Mietverhältnisse betroffen sind – diese beiden Regelungen gehen der Wertbestimmung nach § 6 ZPO vor.

1892

Spezielle Regelungen für den Gebührenstreitwert finden sich nur in § 41 GKG, wenn dem Herausgabeanspruch des Eigentümers ein Miet-, Pacht- oder sonstiges Nutzungsverhältnis entgegengehalten wird.2 Für die verbleibenden Fälle ist die Anwendung von § 6 ZPO auf den Gebührenstreitwert umstritten:

1893

Die bisher herrschende Meinung wendet § 6 ZPO über die Verweisung in § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auch auf den Gebührenstreitwert an und prüft lediglich rein formal, ob ein Eigentumsstreit vorliegt.3 Eine in der Rechtsprechung im Vordringen befindliche Gegenansicht befürwortet dagegen eine einschränkende Auslegung bei der Anwendung von § 6 ZPO auf den Gebührenstreitwert. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müsse bei Bestimmung des Gebührenstreitwerts dazu führen, dass auf den wirklichen wirtschaftlichen Wert des Streits der Parteien abgestellt werde.4 Teilweise sprechen sich die Gerichte für eine Anwendung von § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG aus, wenn die Parteien um die Eigentumsverhältnisse streiten, ohne dass zugleich der Besitz herausverlangt wird.5 1 OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298; OLG Hamm, Beschl. v. 16.7.2002 – 21 W 1/02, MDR 2002, 1458; OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.3.1995 – 13 W 605/95, MDR 1995, 966; OLG München, Beschl. v. 12.9.1994 – 15 W 2006/94, OLGR 1994, 239; OLG München, Beschl. v. 28.3.1994 – 27 W 40/94, OLGR 1994, 264; OLG München, NJW-RR 1998, 142; OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.8.1995 – 19 W 23/ 95, OLGR 1995, 238. 2 BGH, Beschl. v. 22.2.2006 – XII ZR 134/03, NZM 2006, 378. 3 OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.1.2002 – 2 W 3/02, AGS 2002, 182 = JurBüro 2002, 424; OLG Hamm, Beschl. v. 17.3.2005 – 21 W 2/05, IBR 2005, 297; OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298; OLG Jena, Beschl. v. 30.7.1998 – 7 W 217/ 98, OLGR 1998, 350; OLG Celle, Beschl. v. 7.9.1998 – 16 W 58/98, OLGR 1999, 200; KG, Beschl. v. 28.1.1997 – 19 W 421/97, KGR 1997, 57; Hartmann, GKG Anh. I § 48 (§ 6 ZPO) Rn. 1. 4 BVerfG, Beschl. v. 16.11.1999 – 1 BvR 1821/94, AGS 2001, 33 = NJW-RR 2000, 946; OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.9.2009 – 8 W 392/09, MDR 2009, 1353 = AGS 2009, 603; KG NJW-RR 2003, 787; OLG Oldenburg, Beschl. v. 14.1.1998 – 2 U 259/97, MDR 1998, 1406; OLG Köln, Beschl. v. 29.4.1981 – 2 W 17/81, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 78 mit Anm. Lappe; Schneider, MDR 1984, 266; offen gelassen von BGH, Beschl. v. 6.12.2001 – VII ZR 420/00, NJW 2002, 684 = MDR 2002, 295. 5 OLG München, Urt. v. 13.11.2007 – 13 U 3419/07, BauR 2008, 1011; so auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.5.2005 – 2 W 30/05, OLGR 2006, 270; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.7.2005 – 1 W 33/05, OLGR 2006, 32 = AGS 2006, 561; OLG Celle, Beschl. v. 21.8.2002 – 4 W 162/02, OLGR 2002, 292; OLG Celle, Nds.Rpfl 1983, 184 = Beschl. v. 29.4.1983 – 14 U 15/83, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 97 mit Anm. Schneider; OLG München, Beschl. v. 18.1.1983 – 24 W 232/82, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 96 mit Anm. Schneider; LG Hamburg, Beschl. v. 20.1.1998 – 309 T 14/96, MDR 1998, 372.

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Eigentum 1894

Lappe1 hält diese einschränkende Auslegung für verfehlt, da § 6 ZPO bei systematischer Auslegung den vollen Eigentumswert voraussetze. Sinn dieser Vorschrift sei es, Klarheit für Zuständigkeit und Rechtsmittelzuständigkeit zu schaffen, auch wenn es nicht um das Eigentum, sondern nur um den Besitz gehe. Ohne die Regelung des § 6 ZPO müsse der Besitzstreit geringer als der Eigentumsstreit bewertet werden. Daran ist gewiss richtig, dass es kaum angeht, den Besitzstreit höher als den Eigentumsstreit zu bewerten. Nach dem Auslegungsgrundsatz a minore ad maius muss § 6 ZPO dahingehend ausgelegt werden, dass er die Anpassung der Besitzbewertung an die Eigentumsbewertung vorsieht, ebenso wie bei der Verstärkung eines Anspruchs zur Sicherstellung oder Pfandrecht. Die Bedeutung der zweiten Meinung liegt daher in ihrem Bestreben, die aus einer undifferenzierten Anwendung des § 6 ZPO sich ergebende Übermaßbewertung auf ein vernünftiges wirtschaftliches Maß zu reduzieren.

1895

Der Meinungsstreit um die Anwendung von § 6 ZPO auf den Gebührenstreitwert ist insbesondere bei Auflassungsklagen von Bedeutung, wenn die Parteien in der Sache nur noch um (geringfügige) Restforderungen aus dem zugrunde liegenden Kaufvertrag streiten, hinsichtlich derer der Verkäufer ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht.2 Weiter kommt er bei Klagen auf Löschung von Grundpfandrechten zum Tragen, wenn die gesicherte Forderung nur noch in einer Höhe weiter unter dem Nennbetrag des Grundpfandrechts valutiert.3 Hier können sich erhebliche Unterschiede bei der Gebührenberechnung ergeben.

* Æ Beispiel: Der Erwerber eines Hausgrundstücks verklagt den Verkäufer auf Auflassung. Dieser wendet ein, der Kläger habe unter Hinweis auf angebliche Mängel den Kaufpreis noch nicht vollständig gezahlt. Der Wert des Grundstücks beträgt 400.000 Euro, der Wert der noch nicht bezahlten Kaufpreisforderung 20.000 Euro. Hier würde die erste Meinung die Gebühren nach einem Wert von 400.000 Euro berechnen, obwohl die Parteien in der Sache nur noch darum streiten, ob der Kläger 20.000 Euro wegen Mängeln einbehalten darf.

1896

Im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16.11.19994 dürfte der zweiten Meinung der Vorzug zu geben sein. Das Verfassungsgericht hat – bezogen auf eine Klage auf Löschung eines Grundpfandrechts – ausgeführt, dass es mit dem Justizgewährungsanspruch nicht zu vereinbaren sei, wenn einer Partei Kosten entstünden, die außer Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Wert des Streitgegenstandes stünden. Dies sei dann schon der Fall, wenn das Gebührenrisiko für eine Instanz das wirtschaftliche Interesse der Beteiligten am Verfahren erreiche oder gar übersteige.

II. Wert der Sache 1897

Die Regelung in § 6 Satz 1 ZPO stellt auf den Wert der Sache ab. Gemeint ist damit der objektive Verkehrswert der Sache,5 bei Grundstücken also nicht der 1 2 3 4 5

Lappe, NJW 1984, 1212. Vgl. dazu das Stichwort „Auflassung“. Vgl. dazu das Stichwort „Löschung von Grundpfandrechten, Vormerkungslöschung“. BVerfG, Beschl. v. 16.11.1999 – 1 BvR 1821/94, AGS 2001, 33 = NJW-RR 2000, 946. BGH, NJW-RR 2001, 518; OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 299; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.1.1998 – 2 U 259/97, MDR 1998, 1406; OLG Stutt-

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Eigentum Einheitswert. Der Kaufpreis der betreffenden Sache kann mit dem objektiven Verkehrswert nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden. Er kann aber – wenn anderer Anhaltspunkte fehlen – bei der Wertschätzung einen wichtigen Anhaltspunkt bieten.1 Ob dingliche Belastungen den Verkehrswert eines Grundstücks mindern, ist umstritten. Nach einer Ansicht mindern sie den Wert auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers herab.2 Nach der Gegenansicht sind nur solche Belastungen wertmindern zu berücksichtigen, welche die wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks selbst beeinträchtigen (z.B. ein Wegerecht).3

1898

Eine eventuelle Gegenleistung bleibt bei der Ermittlung des objektiven Verkehrswerts außer Betracht.4 Ohne Einfluss auf den Wert sind daher: – das Angebot der geschuldeten Gegenleistung, – der Einwand einer Erfüllung nur Zug-um-Zug, – ein behauptetes Zurückbehaltungsrecht.

1899

III. Einzelfälle Auflassungsklage Entscheidend ist nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG der objektive Verkehrswert des streitbefangenen Grundstücks ohne Abzug der dinglichen Belastungen, es sei denn, die Belastung beeinträchtigt die Nutzung des Grundstücks an sich (z.B. Wegerecht). Streiten die Parteien im Rahmen der Auflassungsklage tatsächlich nur noch um eine (geringwertige) vom Kläger zu erbringende Gegenleistung, so ist der Gebührenstreitwert in analoger Anwendung von § 6 ZPO auf den Wert des wirklichen wirtschaftlichen Interesses zu reduzieren.5 Zu den Einzelheiten vgl. das Stichwort „Auflassung“.

1 2 3

4

5

gart, Beschl. v. 31.1.2002 – 2 W 3/02, AGS 2002, 182 = JurBüro 2002, 424; AG Königstein, NJW-RR 2003, 949. OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298. Hartmann, Anh I § 48 GKG (§ 6 ZPO) Rn. 5; OLG Brandenburg, JurBüro 1977, 1278. BGH, NJW-RR 2001, 518; BGH, ZIP 1982, 221; BGH, JurBüro 1958, 387; OLG Zweibrücken, OLGR 1997, 324; OLG Schleswig, Beschl. v. 9.1.1980 – 7 W 11/79, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 80 mit Anm. Schneider; OLG Bamberg, JurBüro 1992, 629; OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02 MDR 2005, 298; OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.1.2002 – 2 W 3/02, AGS 2002, 182 = JurBüro 2002, 424; KG, Beschl. v. 11.9.2000 – 3 W 3881/00, MDR 2001, 56; OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 43. BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 1/04, FamRZ 2005, 265; OLG Hamm, Beschl. v. 16.7.2002 – 21 W 1/02, MDR 2002, 1458; OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.1.2002 – 2 W 3/02, AGS 2002, 182 = JurBüro 2002, 424; Müller, MDR 2003, 250. BVerfG, Beschl. v. 16.11.1999 – 1 BvR 1821/94, AGS 2001, 33 = NJW-RR 2000, 946; KG, NJW-RR 2003, 787; OLG Oldenburg, Beschl. v. 14.1.1998 – 2 U 259/97, MDR 1998, 1406; OLG München, Urt. v. 13.11.2007 – 13 U 3419/07, BauR 2008, 1011; OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.5.2005 – 2 W 30/05, OLGR 2006, 270; OLG Celle, Beschl. v. 21.8.2002 – 4 W 162/02, OLGR 2002, 292; LG Hamburg, Beschl. v. 20.1.1998 – 309 T 14/96, MDR 1998, 372; OLG Köln, Beschl. v. 29.4.1981 – 2 W 17/81, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 78 mit Anm. Lappe; Schneider, MDR 1984, 266; offen gelassen von BGH, Beschl. v. 6.12.2001 – VII ZR 420/00, NJW 2002, 684 = MDR 2002, 295.

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1900

Eigentum Feststellungsklage 1901

Der Streitwert von Klagen über die Feststellung der Eigentumsverhältnisse richtet sich nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG. Maßgeblich ist zunächst der objektive Verkehrswert der betreffenden Sache. Von diesem darf nach einer Entscheidung des KG1 kein Abschlag gemacht werden, selbst wenn das Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung geringer ist als an einem Leistungsurteil.2 In dieselbe Richtung geht eine Entscheidung des OLG Hamm3 über eine Feststellungsklage hinsichtlich der Wirksamkeit eines Eigentumsvorbehalts. Richtigerweise muss jedoch in solchen Fällen ein Abschlag vom Wert der Sache vorgenommen werden, da der Kläger die Sache nicht herausverlangt und damit wieder in ihren Besitz kommt, sondern lediglich ein Feststellungsurteil ergeht. Dieses bleibt in seinen Auswirkungen hinter dem einer Leistungsklage zurück, da es keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.4 Es ist daher ein Abschlag von 20 % gerechtfertigt. Klage auf Herausgabe

1902

Klagt der Verkäufer einer unter Eigentumsvorbehalt verkauften Sache auf Herausgabe, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Wert der herausverlangten Sache, nicht nach dem Wert der Restkaufpreisforderung.5 Raten, die der Käufer auf den Kaufpreis gezahlt hat, bleiben unberücksichtigt. Eine Gleichstellung mit der Bewertung des Pfandrechts (§ 6 Satz 2 ZPO) findet – anders als bei der Sicherungsübereignung6 – nicht statt. Ist Ziel der Herausgabeklage die Wiedererlangung des Besitzes, richtet sich der Streitwert nach § 6 ZPO, wobei vom Wert der Sache auszugehen ist und, wenn lediglich der Besitz streitig und dieser einen geringeren Wert hat, dieser maßgebend ist. Verlangt ein Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Herausgabe eines diesem zur Verfügung gestellten Firmenwagens, so bemisst sich der Wert dieses Verlangens auch dann gem. § 6 ZPO nach dem Wert der herauszugebenden Sache (und nicht nach der Höhe der Leasingraten), wenn der Arbeitgeber diesen nur geleast hat.7 Wird wegen Beendigung eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses die Räumung eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils verlangt, ist gem. § 41 Abs. 2 Satz 1 GKG ohne Rücksicht darauf, ob über das Bestehen des Nutzungsverhältnisses Streit besteht, für die Wertberechnung das für die Dauer eines Jahres zu zahlende Entgelt maßgebend, wenn sich nicht nach § 41 1 KG, MDR 1970, 152 = JurBüro 1970, 174; so auch Hartmann, GKG Anh I § 48 (§ 6 ZPO) Rn. 2. 2 Ebenso OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.10.1983 – 1 W 39/83, JurBüro 1985, 278 = KostRsp. ZPO § 6 Nr. 106 mit Anm. Schneider und Lappe. 3 OLG Hamm, MDR 1958, 250; ebenso KG, NJW 1970, 334. 4 Vgl. zum Bewertungsabschlag die Ausführungen beim Stichwort „Feststellungsklage“, Rn. 2289 ff. 5 OLG Stuttgart, AnwBl. 1959, 41; OLG Bamberg, JurBüro 1964, 32 Nr. 7; OLG Frankfurt, JurBüro 1970, 173 = NJW 1970, 334; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Eigentumsvorbehalt“. 6 BGH, NJW 1959, 939. 7 LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 16.10.2008 – 1 Ta 190/08, JurBüro 2009, 140.

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Eigentum Abs. 1 GKG ein geringerer Streitwert ergibt. Wird die Räumung oder Herausgabe auch aus einem anderen Rechtsgrund verlangt, ist gem. § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG der Wert der Nutzung eines Jahres maßgebend. Im Hinblick auf ihren sozialen Schutzgedanken, Mietstreitigkeiten zu verbilligen, ist diese Vorschrift weit auszulegen und auch auf den Fall anzuwenden, dass sich der Beklagte – gegenüber der auf Eigentum gestützten Räumungsklage – auf ein vom Kläger bestrittenes Mietverhältnis beruft, denn auch in diesem Fall muss das Gericht über das Bestehen eines Mietverhältnisses entscheiden.1 Die Streitwertbegrenzung des § 41 GKG greift allerdings trotz eines behaupteten Nutzungsverhältnisses nicht ein, wenn der Herausgabeanspruch allein auf verbotene Eigenmacht gestützt wird, da schon nach der gesetzlichen Regelung (§ 863 BGB) gegen diesen ein Recht zum Besitz nicht eingewendet werden kann. Kann nämlich schon aus rechtlichen Gründen ein Nutzungsverhältnis i.S. des § 41 GKG keine Rolle spielen, dann kann ein solches Nutzungsverhältnis auch bei der Streitwertfestsetzung nicht berücksichtigt werden.2 Gleiches gilt, wenn der Herausgabeanspruch ausschließlich auf Eigentum gestützt wird, da keine schuldrechtlich begründeten Herausgabeansprüche bestehen. Auch dann ist für die Bestimmung des Gegenstandswertes der Verkehrswert maßgebend.3 Verlangt ein Besteller vom Unternehmer die Herausgabe seines Pkw, der sich demgegenüber auf sein Werkunternehmerpfandrecht beruft, bestimmt sich der Streitwert des einstweiligen Verfügungsverfahrens nach der Höhe der das Pfandrecht begründenden Werklohnforderung. Denn wenn einem auf Eigentum gestützten Herausgabeanspruch im Wesentlichen ein (Werkunternehmer-)Pfandrecht entgegen gehalten wird, bestimmt die Höhe der dieses Pfandrecht begründeten (Werklohn-)Forderung nach § 6 ZPO den Streitwert des Herausgabeanspruchs.4 Nach anderer Ansicht ist in einem solchen Fall der volle Wert des Pkw anzusetzen, weil es dem Verfügungskläger in erster Linie um dieses Fahrzeug und seine Nutzung im Geschäftsbetrieb ging und durch den Antrag auf Herausgabe an ihn selbst auch ein dem Hauptverfahren gleichstehendes Ergebnis erreicht werden sollte.5 Klage wegen Veräußerungsverbot/Verfügungsbeschränkung Hat der Antragsteller einer einstweiligen Verfügung einen Eigentumsvorbehalt an von ihm gelieferten Waren und will er mit einer Unterlassungsverfügung verhindern, dass der Antragsgegner durch Verfügung darüber den Herausgabeanspruch des Antragstellers vereitelt, dann ist bei der Streitwertschätzung darauf abzustellen, wie groß im konkreten Fall die dargelegte Verlustgefahr ist. Ferner kann berücksichtigt werden, dass Aussicht besteht, schon im Verfügungsverfahren zu einer abschließenden Regelung zu gelangen.6 1 2 3 4

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.1.2008 – 10 W 6/08, OLGR 2008, 366 = AGS 2008, 307. OLG Celle, Beschl. v. 29.9.2009 – 4 W 126/09, OLGR 2009, 1024. LG Augsburg, Beschl. v. 31.3.2005 – 5 T 1005/05, DGVZ 2005, 95. OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 29.10.2002 – 24 U 158/01, NJOZ 2002, 2762; LG Köln, Beschl. v. 23.9.2009 – 13 T 171/08, AGS 2008, 613 mit Anm. von Monschau. 5 Monschau, AGS 2008, 614. 6 Vgl. LG Bayreuth, JurBüro 1979, 1885, das in einem solchen Fall die Hälfte des Hauptsachewertes angesetzt hat.

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1903

Eigentums- und Besitzstörung

Eigentums- und Besitzstörung 1904

Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert von Besitzstörungsklagen ist ebenso wie der von Eigentumsstörungsklagen nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen.1 Abzustellen ist auf die Wertminderung, die der Kläger durch die konkrete Störung an seinem Besitz bzw. Eigentum erleidet.2

1905

Mündet die Besitz- bzw. Eigentumsstörung in eine Entziehung des Besitzes, so ist der entsprechende Unterlassungsanspruch nach den Grundsätzen einer Herausgabeklage zu bewerten. Hinsichtlich der Einzelheiten kann auf das Stichwort „Herausgabe“ Bezug genommen werden. Wird der Kläger in sonstiger Weise in seinem Besitz bzw. Eigentum gestört, ist seine Beeinträchtigung durch die Störung zu bewerten. Als Störungen kommen insbesondere in Betracht: – Zerstörung – Beschädigung – Unerlaubte Benutzung – Imissionen – Unterbrechung der Strom-/Wasser-/Gasversorgung

1906

Maßgeblich für die Bewertung ist das Interesse des Klägers an der Unterlassung der konkret behaupteten Störung.3 Dagegen kommt es weder auf die Höhe der Kosten an, die der Beklagte aufwenden müsste, um die Störung zu vermeiden bzw. auf die sonstigen Auswirkungen des Unterlassungsgebotes auf den Beklagten,4 noch auf die Art der Rechtsverteidigung des Beklagten, etwa die Berufung auf ein Notwegerecht.5 Die Kosten für die Beseitigung der Besitzstörung können nur mittelbar von Bedeutung sein, wenn sich aus ihnen ein Anhaltspunkt für die Wertminderung der Sache durch die Störung ergibt.6

* Æ Anmerkung: Eine weitere Ausnahme nimmt das OLG Düsseldorf7 an, wenn die Beseitigung einer durch Lagerung von Sondermüll verursachten Eigentumsstörung verlangt wird und der Beklagte sich darauf beruft, dass auch der Kläger nach Ordnungswidrigkeitsrecht verpflichtet war, die Gefahr zu beseitigen, nämlich als Zustandsstörer. Der Senat hat in diesem Fall maßgeblich auf die Kosten der Entsorgung abgestellt. Dies ist aber

1 OLG Köln, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 987 = JurBüro 1990, 246; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.12.1983 – 2 W 21/83, JurBüro 1984, 284; BGH, Beschl. v. 23.1.1986 – V ZR 119/85, NJW-RR 1986, 737. 2 BGH, Beschl. v. 10.4.2008 – V ZR 154/07, juris; BGH, Urt. v. 23.1.1986 – V ZR 119/85, NJW-RR 1986, 737; BGH, Urt. v. 6.11.1998 – V ZR 48/98, ZfIR 1998, 749. 3 BGH, Urt. v. 24.4.1998 – V ZR 225/97, MDR 1998, 982; OLG Köln, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 987 = JurBüro 1990, 246; LG Bayreuth, Beschl. v. 13.8.1984 – 2 T 103/84, JurBüro 1985, 441. 4 BGH, Beschl. v. 13.10.2004 – XII ZR 110/02, NJW-RR 2005, 224; BGH, Beschl. v. 23.1.1986 – V ZR 119/85, NJW-RR 1986, 737; OLG Naumburg, Beschl. v. 16.2.2010 – 1 W 7/10, juris; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 17.9.2007 – 19 W 57/07, AGS 2008, 92; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.2.1994 – 5 W 119/94, JurBüro 1995, 27; OLG Frankfurt, Rpfleger 1955, 210 zu ZPO § 3, a: betrifft Immissionen. 5 OLG Köln, Beschl. v. 20.10.1989 – 2 W 181/89, JurBüro 1990, 246. 6 BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, NJW 2006, 2639. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.11.1990 – 9 W 97/90, MDR 1991, 353.

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Eigentums- und Besitzstörung insofern ein Sonderfall, als das Interesse des Klägers an der Unterlassung der Störung maßgeblich durch die eigene Verpflichtung zur Gefahrbeseitigung (und damit deren Kosten) bestimmt wird.

Die möglichen Arten der Störung von Eigentum und Besitz sind so vielfältig und die jeweils betroffenen Interessen des Klägers so unterschiedlich, dass generalisierende Bewertungsmaßstäbe nicht aufgestellt werden können. Es wurden beispielsweise festgesetzt: – 1.000 Euro für das Betreten von Terrasse/Balkon durch Katzen des Nachbarn,1 – 2.500 Euro für den angedrohten Rückbau eines Stellplatzes bzw. einer Grundstückszufahrt,2 – 4.600 Euro für die Entfernung von Rohrleitungen und die Unterlassung der Überleitung von Traufwasser,3 – 6.000 Euro für die Einstellung von Wasser- und Wärmeversorgung durch den Vermieter,4 – 7.500 Euro für Reflexionen von Sonnenlicht auf dem verglasten Oberlicht des Nachbarhauses,5 – 7.500 Euro für unerwünschte Werbung durch Postwurfsendung in Klarsichtfolie („Einkauf Aktuell“),6 – 8.000 Euro für die Unterbrechung der Stromversorgung durch den Vermieter einer Druckerei.7

1907

Soweit eine Grundstücksstörung in Form eines Überbaus (§ 912 BGB) vorliegt, wird auf die Ausführungen zum Stichwort „Überbau“ verwiesen. Bei vorübergehenden Störungen ist das Interesse des Klägers geringer zu bewerten.8 Das ist etwa der Fall, wenn feststeht, dass der Betrieb des Störers kurzfristig eingestellt wird.9 Wird die Besitzstörung dagegen unter Verletzung von Strafgesetzen begangen und in besonders aggressiver Weise ausgeführt, dann ist auch der Streitwert entsprechend anzuheben.10

1908

Der Streitwert einer einstweiligen Verfügung auf Abwehr von Störungen ist mit einem höheren Bruchteil als ein gewöhnliches Verfügungsverfahren anzusetzen, weil in derartigen Fällen das Verfügungsverfahren weitergehend als sonst endgültigen Rechtsschutz bringt.11 So hat beispielsweise das OLG Naumburg12 bei einer einstweiligen Verfügung im Bereich der saisonabhängigen Landwirtschaft den Wert auf 9/10 des Hauptsachewertes festgesetzt, da der einstweiligen Verfügung kaum weniger wirtschaftliche Bedeutung zukam, als einer entsprechenden Hauptsacheklage.

1909

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LG Bonn, Urt. v. 6.10.2009 – 8 S 142/09, juris. OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.11.2006 – 10 W 74/06, NJW-RR 2007, 527. LG Flensburg, Urt. v. 10.10.2006 – 1 S 46/06, juris. LG Heilbronn, Urt. v. 18.12.2007 – 2 O 448/07, ZMR 2008, 717. OLG Stuttgart, Urt. v. 9.2.2009 – 10 U 146/08, MDR 2009, 1099. LG Bonn, Urt. v. 15.6.2004 – 10 O 181/04, juris. OLG Köln, Beschl. v. 26.4.2004 – 1 U 67/03, OLGR 2004, 281. RG, HRR 1932 Nr. 169. RG, Recht 1915 N. 605. OLG Köln, JMBl.NW 1976, 71. OLG Köln, JMBl.NW 1976, 71: 1/2 des Werts der Hauptsache. OLG Naumburg, Beschl. v. 16.2.2010 – 1 W 7/10, juris.

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Eigentums- und Besitzstörung 1910

Die Höhe eines dem Störer angedrohten Ordnungsgeldes ist für die Streitwertfestsetzung unbeachtlich, da das Gericht befugt ist, für verhältnismäßig geringfügige Zuwiderhandlungen hohe Ordnungsgelder anzudrohen.1

1911

Bezieht sich die Besitzstörung auf eine Wohnung, dann ist der Gebührenstreitwert einer entsprechenden Unterlassungsklage nicht höher anzusetzen als eine mögliche Klage über das Bestehen oder die Dauer des Mietverhältnisses, die nach § 41 Abs. 1 GKG zu bemessen wäre.2 Diese Wertobergrenze gilt ebenso bei einem Unterlassungsanspruch, der auf das – streitige – Bestehen eines Pachtverhältnisses gestützt wird.3

1912

Macht der Kläger (Mieter) geltend, dass ihn der beklagte Mitmieter durch den Betrieb seiner Gaststätte durch Lärm- und Geruchsimmissionen stört, setzt das OLG Frankfurt nach dem Rechtsgedanken des § 41 Abs. 5 GKG den Streitwert auf der Grundlage der nach der Klage in Betracht kommenden Mietminderung fest. Denn dies entspreche dem zu schätzenden wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der Beseitigung der Störung.4

1913

Bei der Bemessung des Streitwertes einer Klage auf Beseitigung einer Parabolantenne muss auch das ideelle Interesse des Klägers an der Vermeidung der Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks des Gebäudes berücksichtigt werden.5 Das LG Karlsruhe hat diesen Punkt besonders herausgehoben, weil angesichts der technisch völlig unproblematischen Entfernung einer solchen Antenne der Streitwert ansonsten gegen Null tendieren würde.

1914

In diesem Sinne hat auch der BGH6 für die Beschwer des in erster Instanz unterlegenen Vermieters entschieden: Wird dessen Klage auf Beseitigung einer durch den Mieter errichteten Satellitenempfangsantenne abgewiesen, richtet sich die Beschwer nach dem Wertverlust, den der Vermieter durch eine von der Satellitenempfangsantenne verursachte Beeinträchtigung der Substanz und/oder des optischen Gesamteindrucks seines Hauses erleidet. In den Gründen dieser Entscheidung hat der BGH auch Ausführungen zum Wert der Klage in erster Instanz gemacht: „Der Wert einer Beseitigungsklage wird allgemein durch das Interesse des Klägers an der Beseitigung bestimmt. Dieses bemisst sich bei der Störung von Grundeigentum grundsätzlich nach dem Wertverlust, den die Sache durch die Störung erleidet. Dafür ist ein zu erwartender Aufwand bei der Beseitigung der Antenne allenfalls mittelbar von Bedeutung, wenn man – bei einer mit der Anbringung der Antenne verbundenen Beeinträchtigung der Gebäudesubstanz – die auf die Wiederherstellung des Gebäudes entfallenden Kosten als Anhaltspunkt für die Wertminderung betrachtet. Fehlt es wie hier an einer Substanzbeeinträchtigung, ist der Beseitigungsaufwand bei der Bemessung des Wertverlustes zu vernachlässigen. Unter dem Gesichtspunkt der Beseitigungskosten be1 BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZR 107/08, NJW-RR 2009, 549 = AGS 2009, 240; OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 66 zu ZPO § 3, q. 2 OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 2 (zu § 16 GKG a.F.); OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.12.1983 – 2 W 21/83, JurBüro 1984, 284 (zu § 16 GKG a.F.). 3 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1133. 4 OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 17.9.2007 – 19 W 57/07, AGS 2008, 92; ebenso: OLG Frankfurt, WuM 1986, 19; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.12.1983 – 2 W 21/83, juris. 5 LG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2000 – 9 T 40/99, AGS 2000, 135. 6 BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, AGS 2006, 450; dagegen stellt das OLG Köln (Beschl. v. 21.10.2004 – 16 Wx 166/04, AGS 2005, 305) auf den Wert der Antenne zuzüglich der Kosten der Wiederherstellung des Zustands vor Anbringung der Antenne ab.

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Eigentumsvorbehalt einträchtigt die Parabolantenne in einem solchen Fall den Wert des Gebäudes nicht mehr als jeder andere Gegenstand, den ein Mieter am Ende der Mietzeit möglicherweise vertragswidrig in den Mieträumen zurücklässt.“

Wird der Beklagte zur Beseitigung der Eigentumsstörung verurteilt, bemisst der BGH die Beschwer – unabhängig vom Streitgegenstand – nach dem Interesse des Beklagten, sich gegen die Kosten einer Ersatzvornahme zu wehren bzw. mit den Kosten der für die Beseitigung erforderlichen Maßnahmen. Dies hat zur Folge, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes den Wert des Streitgegenstandes übersteigen kann.1

1915

Eigentumsvorbehalt Die materiell-rechtliche Regelung des Eigentumsvorbehalts finden sich in § 449 BGB. Da das Eigentum in diesen Fällen trotz Besitzübergang beim Veräußerer der Sache verblieben ist, geht es in den betreffenden Klageverfahren im Wesentlichen um Herausgabeansprüche. Die maßgebliche Bemessungsvorschrift für den Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert ist § 6 ZPO. Der Gebührenstreitwert richtet sich nach § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 6 ZPO (analog) für die Gerichtsgebühren und nach § 32 Abs. 1 RVG für die Anwaltsgebühren.

1916

Klagt der Verkäufer einer unter Eigentumsvorbehalt verkauften Sache auf Herausgabe, so bestimmt sich der Streitwert immer nach dem Wert der herausverlangten Sache, nicht nach dem Wert der Restkaufpreisforderung.2 Raten, die der Käufer auf den Kaufpreis gezahlt hat, bleiben unberücksichtigt. Eine Gleichstellung mit der Bewertung des Pfandrechts (§ 6 Satz 2 ZPO) findet – anders als bei der Sicherungsübereignung3 – nicht statt.

1917

Maßgebend ist der Verkehrswert der Sache im Zeitpunkt der Erhebung der Herausgabeklage. Eine etwa eingetretene Wertminderung durch Verschleiß, Abnutzung oder Beschädigung der Sache ist streitwertermäßigend zu berücksichtigen.4 Wird beispielsweise eine herauszugebende Baracke durch den Abriss in ihrem Wert nachhaltig vermindert, dann ist nicht der Wert der gelieferten Sache maßgeblich, sondern der Wert der Sache nach ihrem Abriss und ihre Herausgabe an den Vorbehaltsverkäufer.5

1918

Wird auf Feststellung geklagt, dass der Eigentumsvorbehalt an einer Sache wirksam sei, so ist nach OLG Hamm6 der Streitwert ebenfalls gleich dem Wert der Sache. Richtigerweise muss jedoch in solchen Fällen ein Abschlag vom Wert der Sache vorgenommen werden, da der Kläger die Sache nicht

1919

1 BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZR 107/08, NJW-RR 2009, 549 = AGS 2009, 240; BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, AGS 2006, 450; BGH, Beschl. v. 10.12.1993 – V ZR 168/92, NJW 1994, 735; Aufgabe der bisherigen Rspr. 2 OLG Stuttgart, AnwBl. 1959, 41; OLG Bamberg, JurBüro 1964, 32 Nr. 7; OLG Frankfurt, JurBüro 1970, 173 = NJW 1970, 334; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16, Stichwort „Eigentumsvorbehalt“. 3 BGH, NJW 1959, 939. 4 KG, Rpfleger 1962, 156 zu ZPO § 6q; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16, Stichwort „Eigentumsvorbehalt“. 5 OLG Frankfurt, JurBüro 1970, 173 = NJW 1970, 334. 6 OLG Hamm, MDR 1958, 250; ebenso KG, NJW 1970, 334.

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Eigentumswohnung herausverlangt und damit wieder in ihren Besitz kommt, sondern lediglich ein Feststellungsurteil ergeht. Dieses bleibt in seinen Auswirkungen hinter dem einer Leistungsklage zurück, da es keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.1 Es erscheint daher ein Abschlag von 20 % gerechtfertigt. 1920

Hat der Antragsteller einer einstweiligen Verfügung einen Eigentumsvorbehalt an von ihm gelieferten Waren und will er mit einer Unterlassungsverfügung verhindern, dass der Antragsgegner durch Verfügung darüber den Herausgabeanspruch des Antragstellers vereitelt, dann ist bei der Streitwertschätzung darauf abzustellen, wie groß im konkreten Fall die dargelegte Verlustgefahr ist. Ferner kann berücksichtigt werden, dass Aussicht besteht, schon im Verfügungsverfahren zu einer abschließenden Regelung zu gelangen.2 Zur Klagehäufung bei Eigentumsvorbehalt s. das Stichwort „Mehrere Ansprüche“.

Eigentumswohnung 1921

Wird auf lastenfreie Auflassung einer Eigentumswohnung geklagt, so ist § 6 ZPO anzuwenden und deren Verkehrswert maßgebend, nach herrschender Meinung selbst dann, wenn die dinglichen Lasten höher als der Verkehrswert sind.3 Ob und in welchem Umfang bei der Ermittlung des Grundstückswertes (§ 6 ZPO) dingliche Belastungen wertmindernd zu berücksichtigen sind, ist sehr umstritten. S. zu dieser Problematik die Ausführungen unter den Stichwörtern „Auflassung“ und „Grundstück“. Der Wert einer Beschwerde, deren Ziel die Anweisung an einen Notar ist, eine Umschreibung des Eigentums an einer Eigentumswohnung zu beantragen (§ 15 Abs. 1 BNotO), richtet sich nach dem Kaufpreis der Wohnung. Dass zwischen den Vertragsparteien der Streit lediglich wegen einer geringerwertigen Gegenforderung geführt wird, rechtfertigt – anders als bei Auflassungsklage – keine abweichende Bewertung. Denn dem Beschwerdefüher geht es gerade darum, die Eintragung als Eigentümer zu erlangen, ohne den Streit (in einem Zivilrechtsstreit) mit dem Vertragspartner auszufechten.4 Demgegenüber bemisst sich der Wert einer gegen den Verkäufer gerichteten Klage, den Notar ohne weitere Zahlungen zur Eigentumsumschreibung anzuweisen, nach dem Betrag, von dessen Zahlung der Verkäufer die Anweisung abhängig macht.5 1 Vgl. zum Bewertungsabschlag die Ausführungen beim Stichwort „Feststellungsklage“, Rn. 2289 ff. 2 Vgl. LG Bayreuth, JurBüro 1979, 1885, das in einem solchen Fall die Hälfte des Hauptsachewerts angesetzt hat. 3 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.7.2005 – 1 W 33/05, JurBüro 2006, 145; JurBüro 1982, 1402 = AnwBl. 1982, 375; OLG Frankfurt, JurBüro 1983, 919 = AnwBl. 1984, 203; JurBüro 1979, 1888; s. auch BGHZ 48, 177, 180. 4 KG, Beschl. v. 6.3.2007 – 9 W 148/06, NJ 2007, 275 (Ls) = RVGReport 2007, 357 (Ls). 5 BGH, Beschl. v. 11.10.2007 – VII ZR 235/05, BauR 2008, 400; Beschl. v. 6.12.2001 –VI ZR 420/00, NJW 2002, 684.

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Kurpat

Eigentumswohnung Verlangt der Kläger jedoch lediglich die Zustimmung zum Vollzug einer bereits erklärten Auflassung, die der Beklagte allein wegen einer strittigen Gegenforderung verweigert, ist der Gebührenstreitwert nicht nach § 6 ZPO, sondern gem. § 3 ZPO dem Wert der Gegenforderung zu bemessen.1

1922

Vereinbaren Eheleute, dass der eine Ehegatte seinen Anteil an einer beiden gehörenden Eigentumswohnung auf den anderen Ehegatten überträgt, dann ist der Streitwert nicht der Betrag, den der Ehegatte für die Übertragung seines Eigentumsanteils fordert.2 Denn Gegenstand des Vergleichs ist der Miteigentumsanteil, nicht die dafür zu zahlende Leistung. Deshalb ist der Verkehrswert des Anteils bestimmend, für dessen Höhe der vereinbarte Betrag jedoch ein Schätzungsindiz sein kann. Werden neben einer Geldzahlung sonstige Leistungen versprochen, dann sind diese bei der Abschätzung des Verkehrswertes mit zu berücksichtigen.

1923

Die Klage auf Löschung einer Auflassungsvormerkung ist gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Klägers an der Beseitigung der Vormerkung zu schätzen, meist mit einem Bruchteil des Grundstückswertes, der 1/4 nicht übersteigt.3 S. das Stichwort „Löschung von Grundpfandrechten, Vormerkungslöschung“.

1924

Eine Klage auf Zustimmung der Miteigentümer zur Veräußerung einer Eigentumswohnung bemisst sich nach einem Bruchteil des in Aussicht genommenen Kaufpreises.4

1925

Richtet sich die Klage auf Zustimmung des Verwalters, soll sich der Streitwert auf 10–20 % des Kaufpreises belaufen.5

1926

Verweigert der Miteigentümer die Zustimmung zum Abschluss eines Mietvertrages über die gemeinsame Wohnung, dann bestimmt sich der Gebührenstreitwert der Klage eines Wohnungseigentümers gegen den Miteigentümer auf Ersatz des Mietausfalls nicht entsprechend § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.).6 Das Verhältnis der Beteiligten ist hier in der Regel gesellschafts- oder gemeinschaftsrechtlich geprägt, sodass für eine Gebührenprivilegierung in der Regel kein Anlass besteht.7

1927

1 BGH, Beschl. v. 6.12.2001 – VII ZR 420/00, MDR 2002, 295 = AGS 2002, 155 = NJW 2002, 684; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.7.2005 – 1 W 33/05, OLGR 2006, 32 = JurBüro 2006, 145. 2 So aber OLG Stuttgart, JurBüro 1975, 370. 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 26.3.1990 – I W 24/90, JurBüro 1990, 1511: 1/10; OLG Celle, Beschl. v. 26. 1 1994 – 16 W 48/93, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 144 = OLGR 1994, 111: 1/4; OLG Frankfurt, JurBüro 1975, 512: 1/4. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.11.1993 – 20 W 376/92, OLGR 1994, 2 = ZMR 1994, 124 = WE 1994, 37; LG Köln, Beschl. v. 21.8.1989 – 30 T 114/89, WuM 1990, 128: 1/10; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Wohnungseigentum“ Rn. 20; a.A. bei unstreitigem Zustimmungsanspruch KG, Beschl. v. 12.1.2007 – 11 W 15/06: 10–20% des Kaufpreises, hilfsweise gemäß §§ 48 Abs. 3 Satz 2 WEG, 30 Abs. 2 Satz 1 KostO. 5 KG, Beschl. v. 11.10.1989 – 24 W 4478/89, ZMR 1990, 68; OLG Hamm, Beschl. v. 3.2.1992 – 15 W 63/91, OLGR 1992, 209 = NJW-RR 1992, 785 = DWE 1992, 159 = WE 1992, 288; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Wohnungseigentum“ Rn. 20. 6 So aber OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.3.2003 – 1 W 11/03, AGS 2004, 162 mit Anm. N. Schneider = NZM 2004, 159 = NJW-RR 2004, 299. 7 So auch KG, Beschl. v. 30.3.1992 – 2 W 1331/92, NJW-RR 1992, 1490; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 7.

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Eigentumswohnung 1928

Auch die Klage eines Wohnungseigentümers gegen einen Miteigentümer auf Zustimmung zur Kündigung eines mit einem Dritten geschlossenen Mietvertrages bemisst sich gem. § 3 ZPO nach dem klägerischen Interesse an der wirtschaftlichen Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums.1

1929

Wird gem. § 18 WEG auf Entziehung des Wohnungseigentums geklagt, bestimmt sich der Streitwert nicht nach dem Interesse der Beteiligten am Ausscheiden bzw. Verbleib in der Eigentümergemeinschaft,2 sondern nach dem Verkehrswert der Wohnung.3 Eine Klage der Eigentümergemeinschaft gegen einen Wohnungseigentümer auf Unterlassung, einen in dessen Sondereigentum stehenden Kellerraumes unmittelbar oder im Wege der Vermietung zu Wohnzwecken zu nutzen, soll sich nach den zu erzielenden Mieterträgen richten.4

1930

Verlangt der Kläger Herausgabe oder Räumung einer Eigentumswohnung, ist nach § 6 ZPO der Verkehrswert für den Streitwert maßgeblich. Entscheidend ist, welcher Betrag sich bei der Veräußerung erzielen lässt, wobei damit verbundene Nebenkosten (z.B. Maklerprovision) unberücksichtigt bleiben.5

1931

Wird eine Eigentumswohnung dem in Aussicht genommenen Käufer aufgrund eines privatrechtlichen Vorvertrages überlassen, der nur eine Verpflichtung zum Erwerb der Wohnung und die dafür geltenden Bedingungen enthält, so bestimmt im Falle einer Herausgabeklage des Veräußerers nur die Frage den Streitgegenstand, ob der spätere Käufer die Wohnung bis zur endgültigen Klärung der Rechtsbeziehungen der Parteien nutzen darf. Den Streitwert für diesen Streit bildet der einjährige Nutzungswert der Wohnung.6

1932

Das Herausgabeverlangen des Erwerbers nach Ablauf der vereinbarten Nutzungsfrist für den Veräußerer richtet sich gem. § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG (§ 16 Abs. 2 Satz 2 GKG a.F.) nach dem Jahresbetrag der Nutzungsentschädigung, auch wenn die Klage zusätzlich auf Eigentum gestützt ist.7

1933

Ein einstweiliges Verfügungsverfahren auf vorläufige Besitzverschaffung und Übergabe eines Schlüssels bemisst sich ebenfalls nicht nach dem Kaufpreis der Eigentumswohnung, sondern entsprechend § 53 Abs. 2 GKG (§ 20 Abs. 2 GKG a.F.) bzw. § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) auf ein 1/4 der Jahresmiete.8

1933a

Die gegen den Verwalter gerichtete Klage auf Herausgabe einer Eigentümerliste im Vorfeld einer beabsichtigten, gegen die Wohnungseigentümer der Anlage zu richtenden Anfechtungsklage, bemisst sich – entsprechend den Grundsätzen zur Auskunftsklage – nach einem Bruchteil des Hauptsachewertes. 1 OLG Hamburg, Urt. v. 1.6.2001 – 11 U 47/01, NZM 2002, 521 = NJW-RR 2002, 1165. 2 So aber BayObLG, Beschl. v. 16.8.1991 – 2 Z 106/91, WuM 1991, 633 = WE 1991, 164 – Interessenbewertung mit 20 % des Verkehrswertes. 3 OLG Frankfurt, DWE 84, 62; OLG Karlsruhe, AnwBl. 1980, 255; LG Köln, Beschl. v. 22.10.1997 – 29 T 264/97, WuM 1998, 120; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Wohnungseigentum“ Rn. 3. 4 LG Saarbrücken, Beschl. v. 24.10.2008 – 5 T 48/08, juris. 5 BGH, NJW 1967, 2463; OLG Frankfurt, AnwBl. 1984, 203; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Wohnungseigentum“ Rn. 1. 6 KG, JurBüro 1969, 166, OLG Köln, Beschl. v. 14.9.1995 – 19 W 34/95, OLGR 1995, 312 = JurBüro 1996, 194 = WuM 1995, 719 = ZMR 1995, 549. 7 OLG Frankfurt, JurBüro 1983, 255; OLG Köln, Beschl. v. 14.9.1995 – 19 W 34/95, JurBüro 1996, 194 = ZMR 1995, 549. 8 OLG Hamm, Beschl. v. 1.3.2000 – 12 W 2/2000, AGS 2000, 134.

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Einrede, Einwendung Denn die dadurch mögliche Benennung sämtlicher Wohnungseigenümer der Gemeinschaft ist nur eine prozessuale Voraussetzung für die gerichtliche Durchsetzung des Anfechtungsanspruchs. 1

Einrede, Einwendung Stichwortübersicht Aussetzung . . . . . . . . . . . . . . Begriff der Einrede . . . . . . . . . . – im materiellen Recht . . . . . . . – im Prozessrecht . . . . . . . . . . Begriff der Einwendung . . . . . . . – im materiellen Recht . . . . . . . – im Prozessrecht . . . . . . . . . . Berufung gegen Zwischenurteil über Einrede der Unzuständigkeit Endurteil . . . . . . . . . . . . . . . Grundstücksprozess . . . . . . . . . Hilfsaufrechnung . . . . . . . . . . . Klageleugnen . . . . . . . . . . . . . Kostenerstattung . . . . . . . . . . .

Rn. 1947 1934 1935 1936 1934 1935 1936 1949 1945 1944 1940 1939 1945

Parteifähigkeit . . . . . . . . . . Prozessfähigkeit . . . . . . . . . Prozessführungsbefugnis . . . . . Prozesshindernde Einrede . . . . Prozessualer Anspruch . . . . . . Prozessvoraussetzungen . . . . . Rechtshängigkeit, anderweitige . Sachurteilsvoraussetzungen . . . Unzuständigkeit des Gerichts . . Zulässigkeit des Rechtsweges . . Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 ZPO . . . . . . . . . . . . Zwischenurteil . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

Rn. 1945 1945 1945 1937 1939 1945 1945 1945 1937 1948

. . 1946 . . 1949

A. Einleitung Die Begriffe Einrede und Einwendung werden im materiellen Recht mit anderem Inhalt als im Prozessrecht verwendet. Folgende Bedeutungen sind zu unterscheiden:

1934

Einrede im materiellen Recht ist das durch Erklärung geltend zu machende Recht, die geschuldete Leistung zu verweigern (Leistungsverweigerungsrecht). Einwendung im materiellen Recht ist jedes Vorbringen, das sich gegen den geltend gemachten Anspruch wendet, die materiell-rechtlichen Einreden eingeschlossen.

1935

Einrede im Prozessrecht ist jedes Vorbringen, das die Voraussetzungen einer Gegennorm erfüllt, etwa die Behauptung der Geschäftsunfähigkeit, § 105 BGB (= Einwendung im materiell-rechtlichen Sinne) oder die Berufung auf Verjährung, § 214 BGB (= Einrede im materiell-rechtlichen Sinne). Unter Einwendung im Prozessrecht versteht man – weitergehend als den Begriff der Einrede – nach herrschender Meinung jedes Verteidigungsvorbringen des Beklagten, mit dem er die Abweisung der Klage erreichen will. Darunter fällt auch das bloße Bestreiten der klagebegründenden Tatsachen (sog. Klageleugnen). Teilweise wird unter Einwendung im Sinne des Prozessrecht nur dasjenige Vorbringen gefasst, das sich nicht gegen die klagebegründenden Tatsachen als solche wendet, aber gleichwohl zur Abweisung der Klage als unbegründet führt, weil eine Gegennorm eingreift, beispielsweise beim Einwand der Erfüllung, § 362 BGB (= materiell-rechtliche Einwendung) oder bei Berufung auf Verjährung, § 214 BGB (= materiell-rechtliche Einrede).

1936

1 LG Stuttgart, Beschl. v. 14.8.2008 – 19 T 299/08, ZMR 2009, 77 = NZM 2009, 165.

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Einrede, Einwendung 1937

Daneben gibt es noch den speziellen Begriff der prozesshindernden Einrede. Dabei handelt es sich um prozessuale Gegenrechte, auf die sich der Beklagte im Prozess berufen muss, da sie nicht von Amts wegen geprüft und berücksichtigt werden. Beispiele für solche prozesshindernden Einreden sind die Unzuständigkeit des Gerichts (§ 39 ZPO), das Verlangen der Ausländersicherheit (§ 110 Abs. 1 ZPO) oder die Verweigerung der Einlassung auf eine neue Klage bis zur Kostenerstattung (§ 269 Abs. 6 ZPO).

1938

Im Folgenden geht es nur um Einreden und Einwendungen, die im Prozess zur Rechtsverteidigung vorgebracht werden. Darauf, wie sie materiell-rechtlich zu qualifizieren sind, kommt es für die Streitwertbemessung nicht an.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Streit über klagebegründende Tatsachen 1939

Bestreitet der Beklagte die klagebegründenden Tatsachen (Klageleugnen), hat dies auf die Bemessung des Streitwerts keinen Einfluss. Bewertet wird nur der prozessuale Anspruch, also das Begehren des Klägers. Aus diesem Grund ist auch die Geltendmachung von Einwendungen (im Sinne des Prozessrechts) für die Streitwertbemessung unerheblich. Entschieden wird nur über die Stattgabe bzw. die Abweisung des Klageantrags. Ob die Klage aufgrund einer Einrede oder Einwendung oder aus sonstigen Gründen abgewiesen wird, ist für die Höhe des Streitwertes ohne Belang.1

II. Hilfsaufrechnung 1940

Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Einwendungen des Beklagten keine Auswirkungen auf den Streitwert haben, besteht wegen § 322 Abs. 2 ZPO für die Hilfsaufrechnung.2 Der Wert der Aufrechnungsforderung wird nach § 45 Abs. 3 GKG dem Klagewert hinzugerechnet, wenn und soweit über die Forderung entschieden wurde oder die Parteien sich hierüber vergleichen. Ein außergerichtlich erzielter Vergleich der Parteien reicht jedoch für die Anwendung des § 45 Abs. 4 GKG nicht aus.3

1941

Die Hilfsaufrechnung eines von mehreren gesamtschuldnerisch in Anspruch genommenen Beklagten führt zu einer Streitwerterhöhung gem. § 45 Abs. 3 GKG i.V.m. § 422 BGB (auch) im Verhältnis zwischen dem Kläger und demjenigen Beklagten, der die Hilfsaufrechnung nicht erklärt hat.4

1942

Kommt es nicht zu einer gerichtlichen Entscheidung über die Aufrechnungsforderung, so erfolgt auch keine Addition für den Gerichtsgebührenwert. Ob für die Anwaltsgebühren eine gesonderte Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 1 BGH, Beschl. v. 20.1.2004 – X ZR 167/02, MDR 2004, 829; BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 1/04, RVG-Berater 2005, 36; BGH, Beschl. v. 16.4.1996 – XI ZR 302/95, MDR 1996, 960. 2 OLG Hamm, Beschl. v. 28.11.2001 – 12 W 28/01, AGS 2003, 127; vgl. dazu das Stichwort „Aufrechnung“. 3 OLG Hamm, Beschl. v. 12.8.2003 – 23 W 120/03, AGS 2004, 27 mit Anm. N. Schneider. 4 KG, Beschl. v. 3.3.2009 – 2 U 258/02; KostRsp. GKG 2004 § 45 Nr. = AGS 2009, 400.

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Einrede, Einwendung RVG unter Berücksichtigung der zur Aufrechnung gestellten Forderung erfolgen kann, ist umstritten: Die herrschende Meinung1 lehnt eine solche Wertfestsetzung ab, da für die Gebühren des Anwalts auch in einem solchen Fall der Gerichtsgebührenwert maßgeblich sei. Die Gegenmeinung2 weist zutreffend darauf hin, dass für die Berechnung der Anwaltsgebühren darauf abzustellen ist, ob ein gesonderter zusätzlicher Anspruch geltend gemacht wurde, mit dem sich der Anwalt auftragsgemäß zu beschäftigen hatte.

* Æ Hinweis:

1943

Im Hinblick auf die für ihn ungünstige höchstrichterliche Rechtsprechung sollte der Anwalt mit seinem Mandanten eine Gebührenvereinbarung treffen, dass der Wert der Aufrechnungsforderung bei der Berechnung der Anwaltsgebühren Berücksichtigung findet. Ansonsten werden der Inhalt der anwaltlichen Tätigkeit und insbesondere das aufgrund der Beschäftigung mit der Aufrechnungsforderung erhöhte Haftungsrisiko nicht ausreichend berücksichtigt.

Darüber hinaus ist teilweise eine Tendenz erkennbar, die Rechtsverteidigung des Beklagten dann als streitwertbestimmend anzusehen, wenn die Parteien lediglich über die Begründetheit eines Gegenrechts streiten. Gebührenrechtlich schlägt das insbesondere in Grundstücksprozessen durch, beispielsweise wenn der Kläger Auflassung verlangt, der Beklagte diesen Anspruch als solchen auch nicht bestreitet, jedoch Zug um Zug die Erstattung irgendwelcher Auslagen oder Aufwendungen verlangt.3

1944

III. Streit über Sachurteilsvoraussetzungen Damit eine Sachentscheidung ergehen kann, müssen die Sachurteilsvoraussetzungen (auch Prozessvoraussetzungen oder Verfahrensvoraussetzungen genannt) vorliegen. Beispiele dafür sind die Parteifähigkeit, die Prozessfähigkeit, die Prozessführungsbefugnis usw. Wird über solche Voraussetzungen gestritten, ist der Streitwert der Hauptsache maßgebend.4 Diese hohe Bewertung

1 BGH, Beschl. v. 25.9.2008 – VII ZB 99/07, AGS 2008, 584 = MDR 2009, 54; KG, Beschl. v. 21.10.2008 – 7 W 59/08, JurBüro 2009, 86; KG, Beschl. v. 11.6.2007 – 20 U 150/04, JurBüro 2007, 488; OLG Hamm, Beschl. v. 2.1.2007 – 19 U 48/06, AGS 2007, 254 = MDR 2007, 618; KG, Beschl. v. 21.10.2008 – 7 W 59/08, JurBüro 2009, 86; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.3.2007 – 7 W 1/07, AGS 2007, 470. 2 VGH Mannheim, Beschl. v. 6.12.2007 – 11 S 2402/07, AGS 2008, 138 = RVGreport 2008, 154; LAG Nürnberg, Beschl. v. 13.3.2008 – 6 Ta 57/08, AGS 2008, 359 = DB 2008, 1332; LAG Berlin, Beschl. v. 28.3.2008 – 17 Ta (Kost) 6027/08, RVGreport 2008, 275; LAG Hamm, Beschl. v. 12.7.2006 – 10 Ta 384/06, AGS 2007, 470 = RVGreport 2008, 35; vgl. auch E. Schneider, AGS 2004, 274. 3 Vgl. dazu näher das Stichwort „Auflassung“. 4 Vgl. OLG München, Rpfleger 1956, 30; KG, MDR 1957, 366; KG, JurBüro 1965, 486; OLG Düsseldorf, JurBüro 1972, 1022; anderweitige Rechtshängigkeit: RG, Recht 1925, 2279; örtliche Unzuständigkeit: OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 11.3.1999 – 5 U 189/98, OLGR 1999, 153 (1/3 des Hauptsachewerts, wenn vom Berufungskläger erkennbar nur ein Verweisungsinteresse verfolgt wird); OLG Düsseldorf, Rpfleger 1972, 463; OLG Hamburg, MDR 1957, 367; Kostensicherheit nach § 110 ZPO: RGZ 40, 416; BGH, Urt. v. 20.6.1962 – VIII ZR 65/61, BGHZ 37, 264; BGH, Beschl. v. 21.6.1990 – IX ZR 227/89, VersR 1991, 122; BGH, Beschl. v. 20.3.2002 – VI ZR 3/01, BGHR 2002, 951; OLG Hamburg, MDR 1974, 53; OLG Hamburg, Beschl. v. 28.1.2002 – 14 U 98/ 01, AGS 2003, 82.

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1945

Einrede, Einwendung rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass bei Durchgreifen der Einrede der gesamte Klageanspruch durch Endurteil abgewiesen wird.1

IV. Streit über Zuständigkeit 1946

Soll hingegen die Zuständigkeit des Gerichts nach § 36 ZPO bestimmt werden, dann geht es nur um eine vorverfahrensrechtliche Klärung, sodass der Streitwert für dieses Verfahren nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nur mit einem Bruchteil des Hauptsachewertes anzusetzen ist.2 Maßgeblich ist das Interesse des Klägers, den beabsichtigten Rechtsstreit an einem bestimmten Gericht führen zu können.

1947

Der Wert einer gegen die Aussetzung des Rechtsstreits gerichteten Beschwerde ist auf 1/5 des Hauptsachewertes festzusetzen.3

1948

Zur Bewertung des Streits über die Zulässigkeit des Rechtswegs, s. das Stichwort „Rechtswegverweisung“.

C. Rechtsmittel und Beschwer 1949

Nach herrschender Meinung ist der Streitwert über prozesshindernde Einreden für sämtliche Instanzen gleich dem Wert der Hauptsache.4 Dementsprechend wird auch der Streitwert für die Berufung gegen ein Zwischenurteil, das die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts bejaht (und damit die Einrede der Unzuständigkeit verwirft), mit dem Wert des erhobenen Anspruchs angesetzt, weil mit der Berufung auch der Klageanspruch selbst bekämpft werde.5 Nach anderer Auffassung6 ist der Streitwert der Berufung gegen ein solches Zwischenurteil selbständig nach § 3 ZPO festzusetzen, und zwar mit 1/3 des Hauptsachewertes. Teilweise wird dahingehend differenziert, ob der Kläger hilfsweise einen Verweisungsantrag gestellt hatte.7

1950

Diese zweite Auffassung erscheint entgegen der herrschenden Meinung zutreffend. Das Zwischenurteil entscheidet nur über die Zuständigkeit. Die materielle Rechtslage dagegen wird nicht rechtskräftig geklärt. Das Interesse des Klägers im Rechtsmittelverfahren liegt deshalb unterhalb des Wertes der Hauptsache. Hierin liegt auch kein Widerspruch zur erstinstanzlichen Bewer1 Lappe, NJW 1994, 1189, 1190 I 1b. 2 BayObLG, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 952 = JurBüro 1989, 132: in der Regel mit 1/4 anzusetzen; OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.10.1992 – 9 AR 3/92, WM 1993, 17: regelmäßig im unteren Bereich der Gebührentabellen anzusetzen. 3 KG, Beschl. v. 23.2.2001 – 21 W 10336/00, AGS 2003, 81; OLG Hamburg, Beschl. v. 30.11.2001 – 12 W 23/01, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1378 = OLGR 2002, 180. 4 OLG Hamm, JurBüro 1968, 991; OLG Düsseldorf, JurBüro 1973, 1021; OLG Celle, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 208; KG, MDR 1957, 366; KG, JurBüro 1965, 486. 5 So OLG München, JurBüro 1954, 181; OLG Hamm, JurBüro 1968, 991; OLG Celle, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 208; vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 21.3.2002 – 2 Z BR 170701, NJW-RR 2002, 882 für den Wert einer Beschwerde gegen einen Verweisungsbeschluss. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.3.1999 – 5 U 189/98, OLGR 1999, 153; LG Braunschweig, NJW 1973, 1846; eine Bruchteilsbewertung nimmt der BGH für das Rechtswegbeschwerdeverfahren nach § 17a GVG an (Beschl. v. 19.12.1996 – III ZB 105/96, MDR 1997, 386). 7 MünchKomm.ZPO/Lappe, § 3 Rn. 154.

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Einstweilige Anordnungen tung. Im ersten Rechtszug streiten die Parteien über das Klagebegehren insgesamt, also auch über dessen sachliche Berechtigung. Spätestens aber ab Erlass des angefochtenen Zwischenurteils streiten sie – worauf das LG Braunschweig zu Recht hinweist – zunächst nur noch über die Frage der sachlichen Zuständigkeit. Nur damit befassen sich das Zwischenurteil und auch die höhere Instanz. Wird im ersten Rechtszug eine abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet (§ 280 ZPO), dann sind allerdings unter Zugrundelegung der zweiten Auffassung entsprechende Konsequenzen für die Streitwertbemessung zu ziehen. In diesem Fall ist daher der Streitwert nach § 3 ZPO auf einen Betrag unterhalb des Hauptsachewertes zu schätzen.

1951

Der Wert des Beschwerdegegenstands erhöht sich nicht über den Betrag der Verurteilung hinaus, wenn der Beklagte, der mit dem Rechtsmittel seinen Antrag auf Klagabweisung weiterverfolgen will, neben anderen Einwendungen auch mit einem hilfsweise geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht ohne Erfolg geblieben war.1

1952

Einstellung der Zwangsvollstreckung S. das Stichwort „Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung“.

Einstweilige Anordnungen A. Überblick Einstweilige Anordnungen kommen auch in Zivilsachen vor (§§ 570 Abs. 3, 732 Abs. 2, 769, 770, 771 ZPO, § 66 Abs. 7 Satz 2 GKG). Sie sind – im Gegensatz zu den Familiensachen – jedoch immer Teil des zugehörigen Hauptsacheverfahrens, sodass sich hier kaum Bewertungsprobleme ergeben.

1953

B. Zuständigkeitsstreitwert Fragen des Zuständigkeitsstreitwerts stellen sich nicht, da isolierte einstweilige Anordnungen nicht möglich sind.

1954

C. Rechtmittelstreitwert Soweit gegen eine einstweilige Anordnung überhaupt ein Rechtsmittel eingelegt werden kann, stellt sich in der Regel nicht die Frage einer Mindestbeschwer. Nur dann, wenn in der Hauptsache eine Mindestbeschwer erforderlich ist, gilt diese auch für eine Beschwerde gegen den Erlass oder Nichterlass einer einstweiligen Anordnung (z.B. im Fall des § 66 Abs. 7 Satz 2 GKG). Maßgebend ist hier die Kostenbeschwer. 1 BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 1/04, NJW-RR 2005, 367 = MDR 2005, 345.

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1955

Einstweilige Anordnungen

D. Gerichtsgebühren 1956

Einstweilige Anordnungen lösen nach der derzeitigen Fassung des GKG keine Gerichtsgebühren aus, sodass eine Wertfestsetzung nach § 63 GKG unzulässig ist.

1957

Sofern gegen eine einstweilige Anordnung Beschwerde geführt wird, können zwar Gerichtsgebühren anfallen, allerdings werden ausnahmslos Festgebühren erhoben (Nr. 1812 KV GKG), sodass auch hier eine Wertfestsetzung nach § 63 GKG unzulässig ist.

E. Anwaltsgebühren I. Anordnungsverfahren 1. Verfahren nach §§ 570 Abs. 3, 769, 770, 771 ZPO 1958

Bei den Anwaltsgebühren zählen einstweilige Anordnungen nach §§ 570 Abs. 3, 769, 770 ZPO mit zum Rechtszug (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 RVG). Sie lösen für den in der Hauptsache bereits tätigen Anwalt grundsätzlich keine gesonderte Vergütung aus.

1959

Nur dann, wenn über die einstweilige Anordnung eine abgesonderte mündliche Verhandlung stattfindet, handelt es sich für den in der Hauptsache tätigen Anwalt um eine eigene selbständige Angelegenheit (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 RVG). Es entstehen dann die Gebühren nach Nrn. 3328, 3332 VV RVG.

1960

Wird der der Anwalt ausschließlich mit dem Verfahren über einstweilige Anordnung §§ 570 Abs. 3, 769, 770, 771 ZPO beauftragt, liegt eine Einzeltätigkeit vor, die eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV RVG auslöst.

1961

Der Gegenstandswert errechnet sich in beiden Fällen nach der neueren Rechtsprechung, der auch der BGH folgt,1 nach § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO. Er wird regelmäßig mit einem Fünftel des Hauptsachewerts angenommen,2 da mit den Verfahren nicht der Titel angegriffen, sondern lediglich ein zeitweiliger Zahlungsaufschub angestrebt wird. Das OLG München geht von einem Zehntel des Hauptsachewerts aus.3

1962

Anders verhält es sich jedoch in Verfahren nach § 771 ZPO (Widerspruchsklage). Bis zur Vollstreckung ist der Wert der Widerspruchsklage maßgebend; ist diese schon erfolgt, findet § 6 ZPO Anwendung. Danach wird der Wert bestimmt durch den Wert der Sache. Hat der Gegenstand des Pfandrechts jedoch einen geringeren Wert, so ist dieser maßgebend.

1 BGH, Beschl. v. 22.6.1983 – VIII ZB 8/83, VIII ZB 9/83, WM 1983, 968; Beschl. v. 28.5.1991 – IX ZR 181/90, WM 1991, 1427 = NJW 1991, 2280 = MDR 1991, 1204. 2 BGH, Beschl. v. 28.5.1991 – IX ZR 181/90, NJW 1991, 2280 = MDR 1991, 1204. 3 OLG München, Beschl. v. 25.5.1981 – 25 W 1271/81, MDR 1981, 1029 = JurBüro 1981, 1381; OLG Bamberg, Beschl. v. 26.3.1981 – W 25/81, JurBüro 1981, 919.

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N. Schneider

Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung 2. Verfahren nach § 732 Abs. 2 ZPO Soweit der Anwalt bereits im Vollstreckungsverfahren tätig ist, erhält er keine gesonderte Vergütung, da die einstweilige Anordnung nach § 18 Abs. 1 Nr. 4 RVG mit zur Vollstreckungstätigkeit zählt.

1963

Soweit der Anwalt nur mit der einstweiligen Anordnung nach § 732 Abs. 2 ZPO befasst ist, löst diese für ihn die 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG aus, sodass es dann insoweit auch eines Gegenstandswertes bedarf. Die Wertfestsetzung erfolgt nach § 33 RVG.

1964

Der Gegenstandswert richtet sich hier nach § 25 Abs. 2 RVG. Maßgebend ist das Interesse des Schuldners an der Aussetzung der Vollstreckung.

1965

3. Verfahren nach § 66 Abs. 7 Satz 2 GKG Auch hier fallen Anwaltsgebühren nur als Einzeltätigkeit an (Nr. 3403 VV RVG). Man wird einen Bruchteil der Hauptsache je nach Interesse an der Aussetzung der Vollstreckung ansetzen.

1966

II. Beschwerdeverfahren Soweit gegen eine einstweilige Anordnung Beschwerde geführt wird, gilt § 23 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 RVG. Hier dürften die gleichen Bewertungen gelten wie für die Anordnung selbst.1

1967

Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung Literatur: Lappe, Rpfleger 1955, 6.

A. Einleitung In bestimmten Verfahrenssituationen (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Wiederaufnahmeantrag, Rüge nach § 321a ZPO, Fortsetzung des Verfahrens nach Vorbehaltsurteil, Einspruch, Berufung, Revision, Vollstreckungsabwehrklage, Klauselgegenklage etc.) kann das Gericht auf Antrag Entscheidungen über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung treffen. Die entsprechenden Verfahren sind in §§ 707, 719, 769, 785, 786 ZPO geregelt.

1968

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Gerichtsgebühren Für die Verfahren auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. §§ 707, 719, 769, 785, 786 ZPO fallen in erster Instanz keine Gerichtsgebühren an. In den Beschwerdeverfahren entstehen Festgebühren nach Nr. 2121, 1 BGH, Beschl. v. 28.5.1991 – IX ZR 181/90, NJW 1991, 2280 = MDR 1991, 1204.

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1969

Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung 2124 KV GKG. Insgesamt bedarf es daher für die Gerichtsgebühren keiner Wertfestsetzung.

II. Anwaltsgebühren 1970

Für die Anwaltsgebühren muss daher mangels einer Anknüpfung an den Gerichtsgebührenwert (§ 32 Abs. 1 RVG) ein Gegenstandswert bestimmt werden. Dieser ist nach § 25 Abs. 2 RVG anhand des Interesses des Schuldners am zeitweiligen Aufschub der Vollstreckung zu schätzen. Ausgangspunkt dieser Schätzung ist der Titel, gegen dessen Vollstreckung sich der Antragsteller mit seinem Antrag zur Wehr setzt. Bei der Wertbestimmung kann auf die frühere Rechtsprechung zum Gerichtsgebührenwert zurückgegriffen werden.

1971

Während zunächst1 für den Wert des Einstellungsverfahrens auf den vollständigen (vollstreckungsfähigen) Teil des Urteils – ohne Zinsen und Kosten – abgestellt wurde, dessen Vollstreckung verhindert werden sollte, schätzte die später herrschende Meinung2 das Interesse im Rahmen einer Bruchteilsbewertung regelmäßig auf 1/5 des Hauptsachewertes. Grund für diese geringere Bewertung war der Umstand, dass die Einstellung der Zwangsvollstreckung nur zu einem vorübergehenden Aufschub führen konnte und der Titel selbst nicht angegriffen wurde. Das Interesse des Antragstellers an der einstweiligen Einstellung konnte nicht identisch sein mit der entsprechenden Hauptklage, die Zwangsvollstreckung schlechthin, also zeitlich unbegrenzt auszuschließen, da sich die zu bewertenden Streitgegenstände nicht deckten. Diese Grundsätze können auch auf die Bestimmung des Gegenstandswertes nach § 25 Abs. 2 RVG übertragen werden. Anzusetzen ist daher ein Bruchteil von 1/5 des Hauptsachewertes.3

1972

In der Praxis wird die Bestimmung eines Gegenstandswertes für die Anwaltsgebühren allerdings nur selten erforderlich sein. Denn ist der Anwalt – wie regelmäßig – Prozessbevollmächtigter der Partei, so gehört ein Verfahren auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung für ihn gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 RVG zum Rechtszug. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn eine abgesonderte mündliche Verhandlung über die Einstellung stattgefunden hat. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn der Anwalt nicht Prozessbevollmächtigter ist, sondern im Einstellungsverfahren im Rahmen eines Einzelauftrags tätig wird. Denn die Verfahrensgebühr nach Nr. 3328 VV RVG knüpft ebenfalls daran an, dass eine abgesonderte mündliche Verhandlung über die Frage der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung stattgefunden hat. In den Verfahren nach §§ 707, 719, 769 ZPO dürfte dies kaum der Fall sein, da die betreffenden Entscheidungen durch Beschluss ergehen. In dieser Verfahrensart findet wegen § 128 Abs. 4 ZPO eine mündliche Verhandlung in der Praxis nicht statt. 1 S. Gerold, Streitwert, S. 354 Rn. 14 m.w.N. 2 BGH, WM 1983, 968; BGH, NJW 1991, 2280; KG, Beschl. v. 30.3.1982 – 1 W 326/82, JurBüro 1982, 1243; OLG Köln, Beschl. v. 10.12.1975 – 2 W 137/75, Rpfleger 1976, 138; OLG Köln, Beschl. v. 12.8.2002 – 8 W 15/02, BRAGOreport 2002, 143; OLG Hamm, FamRZ 1980, 476; OLG Hamm, JurBüro 1982, 1243; OLG München, MDR 1981, 1029; OLG Bamberg, JurBüro 1981, 919; OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.5.1986 – 8 W 16486, Justiz 1986, 413; OLG Karlsruhe, FamRZ 1988, 634; OLG Bremen, Beschl. v. 25.10.1993 – 2 W 97/93, n.v.; LG Passau, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 798; LG Koblenz, Beschl. v. 8.8.1990 – 4 T 508/90, JurBüro 1991, 109. 3 Schneider/Wolf, § 25 RVG Rn. 28.

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Einstweilige Verfügung

Einstweilige Verfügung S. auch das Stichwort „Arrest“. Literatur: Tschischgale, JVBl. 1960, 218; Schmidt, JurBüro 1961, 531; Schneider, JurBüro 1967, 462; ders., JurBüro 1968, 665; ders., JurBüro 1977, 1516. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 1973 B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . . 1974 II. Bruchteilsbewertung . . . . . . . 1978 III. Nichtvermögensrechtliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . 1984

Rn. IV. Verhältnis zum Hauptsacheverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 1988 V. Widerspruchs- und Aufhebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . 1992 VI. Vollziehungsverfahren . . . . . . 1997 C. Einzelfälle aus der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . 2000

A. Einleitung Die möglichen Verfahrensgegenstände einstweiliger Verfügungen sind theoretisch und praktisch unbegrenzt. Eine umfassende Zusammenstellung, sofern sie überhaupt möglich ist, hat aufgrund ihres Umfangs für den Benutzer wenig Wert. Es sollen daher im Anschluss an die Übersicht über grundsätzliche Fragen der Bewertung in einem alphabetisch geordneten Streitwertschlüssel die für die Praxis wichtigsten Fälle dargestellt werden (ab Rn. 2000).

1973

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Allgemeines Der Streitwert für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist gem. § 3 ZPO, § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG nach freiem Ermessen zu schätzen.

1974

Der ermittelte Wert ist sowohl für die Berechnung der Gebühren als auch für die sachliche Zuständigkeit des Gerichts entscheidend. Zuständig für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nämlich das Gericht der Hauptsache (§ 937 Abs. 1 ZPO), und das ist das Gericht des ersten Rechtzuges (§ 943 Abs. 1 ZPO). Daher ist es fehlerhaft, den beim Landgericht eingereichten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung zurückzuweisen, das Amtsgericht sei zuständig, weil der Verfügungsstreitwert 5.000 Euro nicht übersteige (§ 23 Nr. 1 GVG). Darauf kommt es nicht an. Wenn die Hauptsache höherwertig als 5.000 Euro ist, dann ist das Landgericht zuständig, auch wenn das Verfügungsverfahren nur mit 1.000 Euro zu bewerten ist.

1975

Maßgebend für die Bemessung des Streitwerts ist gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG das Interesse des Antragstellers im Zeitpunkt der Antragstellung.1 Bei der Berechnung der Gebühr für die gerichtliche Entscheidung (Nr. 1412 KV GKG) sind jedoch ausnahmsweise Wertänderungen nach Antragstellung zu

1976

1 OLG Frankfurt, AnwBl. 1983, 89; OLG Bamberg, JurBüro 1979, 438; OLG Köln, JurBüro 1980, 244; OLG Hamburg, BlGBW 1966, 18; OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 160.

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Einstweilige Verfügung berücksichtigen, denn die Verfahrensgebühr von 1,5 (Nr. 1410 KV GKG) erhöht sich nur nach dem Wert desjenigen Streitgegenstands auf 3,0 (Nr. 1412 KV GKG), auf den sich die Entscheidung bezieht.1 1977

Da im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung keine strenge Antragsbindung besteht, muss das wirkliche Begehren des Antragstellers klargestellt werden.2 Für die Bemessung bildet zunächst der Wert des zu sichernden Anspruchs einen Anhaltspunkt. Darüber hinaus gibt er auch die Höchstgrenze vor, die im Regelfall wertmäßig nicht erreicht werden kann.3

II. Bruchteilsbewertung 1978

Der Streitwert ist grundsätzlich niedriger anzunehmen als der Wert für ein entsprechendes Klageverfahren.4 Anzusetzen ist ein Bruchteil der zu sichernden Forderung,5 der unter ihrem Nennwert liegt.6 Eine allgemeine feste Übung hinsichtlich des anzusetzenden Bruchteils hat sich nicht herausgebildet. Meist wird 1/3 des Wertes der zu sichernden Forderung angenommen.7 Eine andere Meinung nimmt in der Regel 1/2 des Forderungswertes an.8 Zwei jüngere Entscheidungen sollen hier aufgrund eines abweichenden Ansatzes gesondert dargestellt werden: – Das KG9 hat sich dafür ausgesprochen, aufgrund der gesteigerten Bedeutung der einstweiligen Verfügung in der heutigen Prozesspraxis, einen Regelwert von 2/3 des Hauptsacheverfahrens anzunehmen. Diese gesteigerte Bedeutung komme darin zum Ausdruck, dass nach § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB n.F. die Zustellung einer einstweiligen Verfügung den Ablauf der Verjährungsfrist hemme, und zwar gem. § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB bis sechs Monate nach der Beendigung des Verfahrens. Darüber hinaus seien inzwischen auch im Hauptsacheverfahren die Berufungs- und Revisionsrechtsmittel erheblich eingeschränkt worden, was ebenfalls faktisch die Bedeutung der Eilverfahren stärke. – Das OLG München10 vertritt in wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsverfahren die Ansicht, dass das einstweilige Verfügungsverfahren ebenso hoch 1 2 3 4 5 6 7

OLG München, Beschl. v. 25.1.1996 – 11 W 3187/95, MDR 1996, 423. OLG Köln, JurBüro 1980, 741. OLG Frankfurt, KostRsp. GKG a.F. § 18 Nr. 5. KG, JurBüro 1967, 806. OLG Düsseldorf, NJW 1953, 424. OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 161. Vgl. z.B. OLG Rostock, Beschl. v. 14.8.2006 – 3 W 78/06, OLGR 2006, 1004; OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2007 – 3 W 57/06, MDR 2007, 1225; OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.3.2001 – 9 WF 47/01, BRAGOreport 2002, 27; OLG Rostock, OLGR 1995, 11; KG, Rpfleger 1962, 120; OLG Hamm, JurBüro 1964, 272; OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, JurBüro 1994, 738; KG, Rpfleger 1970, 97 (Bruchteil von 1/3 bis 1/4); OLG Bamberg, JurBüro 1991, 1690; LG Hildesheim, JurBüro 1964, 593; LG Braunschweig, Nds.Rpfl. 1965; 106; OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 719: 1/4 für Bauhandwerkersicherungshypothek. 8 Vgl. OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 160; OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 239; OLG Nürnberg, JurBüro 1963, 554; OLG Saarbrücken, KostRsp. GKG § 20 Nr. 18; LG Siegen, JurBüro 1963, 475. 9 KG, Beschl. v. 26.11.2004 – 5 W 146/04, KGR 2005, 208 = WRP 2005, 368. 10 OLG München, Beschl. v. 26.5.2009 – 29 W 1498/09, JurBüro 2009, 484.

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Einstweilige Verfügung zu bewerten sei wie das Hauptsacheverfahren. Die in der Rechtsprechung durchgeführten Differenzierungen und Bruchteilsbewertungen seien – schon wegen ihrer Beliebigkeit sowohl der Höhe der Abschläge als auch der Kriterien für deren Nichtanwendung – wenig praktikabel und führten nicht zu einem Gerechtigkeitsgewinn. Vielmehr sei mit ihnen ein erhöhter Begründungsaufwand verbunden, der bei einer Nebenentscheidung wie der Streitwertfestsetzung nicht zu rechtfertigen sei. Mit einer Bewertung zwischen 1/3 und 1/2 – je nach den Besonderheiten des Einzelfalls – dürfte die große Mehrzahl aller Fälle abgedeckt sein. Der Streitwert darf allerdings nie rein schematisch auf einen solchen Bruchteil des Wertes der Hauptsache festgesetzt werden. Nach Abwägung der Umstände des Einzelfalls kann er – je nach der Bedeutung des Verfahrens für das gesamte Streitverhältnis – auch einmal den Streitwert der Hauptsache erreichen.1 Das ist insbesondere dann möglich: – wenn der Antragsteller mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung keine vorläufige, sondern eine endgültige Regelung anstrebt,2 – wenn dem Antragsteller volle Befriedigung verschafft wird,3 – oder wenn die unmittelbar drohende Gefahr eines Rechtsverlustes beseitigt werden soll.4

1979

Dabei muss für eine derartig hohe Bewertung des einstweiligen Verfügungsantrags die angestrebte endgültige Regelung für den Antragsteller nicht unbedingt erfolgreich gewesen sein.

1980

* Æ Beispiel: So hat das OLG Rostock den Gegenstandswert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auch dann nach dem Wert des Hauptsacheverfahrens bemessen, wenn der Verfügungskläger seinen Antrag zurückgezogen hat, in der Erwartung, dass der Antrag nicht erfolgreich sein werde. Denn auch in dieser Fallgestaltung werde in der Sache praktisch entschieden.5

Eine Bemessung auf die volle Höhe der zu sichernden Forderung muss aber die Ausnahme sein, denn im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist Streitgegenstand eben nicht der im Hauptsacheprozess zu klärende materielle Anspruch, sondern lediglich der auf dem Prozessrecht beruhende Anspruch auf einstweilige Regelung oder Sicherung. Der Antragsteller kann im Wege des Verfügungsverfahrens eine endgültige Streiterledigung nicht erzwin1 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1959, 20; OLG Karlsruhe, GRUR 1953, 143. 2 OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, AGS 2008, 189 (Leistungsverfügung wegen verbotener Eigenmacht); LG Hildesheim, JurBüro 1964, 593. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 26.1.2009 – 5 W 62/09, MDR 2009, 1075 = AGS 2009, 402; OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, OLGR 2008, 91; OLG Schleswig, Beschl. v. 27.5.2008 – 6 W 9/08, OLGR 2008, 628; OLG Rostock, Beschl. v. 5.9.2008 – 2 W 22/ 08, GRUR-RR 2009, 39 = OLGR 2008, 928 = AGS 2009, 243; OLG Saarbrücken, KostRsp. GKG § 20 Nr. 8; OLG Schleswig, SchlHA 1978, 22; OLG Frankfurt, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1024 mit Anm. Schneider = MDR 1991, 354; LG Bochum, AnwBl. 1969, 132; OLG Köln, Beschl. v. 27.1.1999 – 16 W 3/99, OLGR 1999, 336; OLG München, FamRZ 1997, 691. 4 OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.3.2001 – 9 WF 47/01, BRAGOreport 2002, 27; OLG Karlsruhe, Justiz 1971, 354; OLG Bamberg, JurBüro 1978, 1552 (Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs). 5 OLG Rostock, Beschl. v. 5.9.2008 – 2 W 22/08, GRUR-RR 2009, 39 = AGS 2009, 243.

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1981

Einstweilige Verfügung gen, sondern ist weiterhin auf eine Einsicht des Antragsgegners angewiesen. Allein das Hauptsacheverfahren gibt ihm die Möglichkeit, die endgültige Streitentscheidung herbeizuführen. Bei seiner Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist das Gericht auch weder an seine tatsächlichen Feststellungen im Verfügungsverfahren noch an seine dort geäußerte Rechtsauffassung gebunden. Dem muss bei der Streitwertbemessung weiterhin hinreichend Rechnung getragen werden durch einen in der Regel gebotenen Abschlag des Wertes des Verfügungsverfahrens gegenüber dem Hauptsacheverfahren. Maßgebend für den Streitwert ist deshalb nur das Interesse der Partei an einer Sicherung und die sachliche Bedeutung des Verfahrens.1 1982

Auch wenn durch einstweilige Verfügung für den Fall der Zuwiderhandlung eine hohe Geldstrafe angedroht wird, kann der Streitwert der erstrebten Maßnahme geringer sein als der Betrag der angedrohten Geldstrafe.2

1983

Ebenso darf der Streitwert eines vorangegangenen Verfügungsverfahrens nicht auch dem Bestrafungsverfahren zugrunde gelegt werden.3 Dieses ist verfahrensrechtlich selbständig und muss deshalb auch selbständig bewertet werden.4

III. Nichtvermögensrechtliche Ansprüche 1984

Der Streitwert für eine einstweilige Verfügung hinsichtlich eines nichtvermögensrechtlichen Anspruches ist ebenfalls nach § 3 ZPO zu schätzen,5 da § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG der Regelung in § 48 Abs. 2 GKG grundsätzlich vorgeht.

1985

Im Rahmen dieser Schätzung nach § 3 ZPO muss die Vorschrift des § 48 Abs. 2 GKG allerdings als Richtschnur des richterlichen Ermessens herangezogen werden, denn § 48 Abs. 2 GKG ist angesichts der schwierigen wertmäßigen Erfassbarkeit nichtvermögensrechtlicher Streitigkeiten seinem Sinne nach die Rechtsgrundlage aller Ermessensentscheidungen in diesem Bereich.6 Soweit das OLG Köln7 allerdings eine Bindung an die Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG annimmt, ist dem zu widersprechen, weil das mit dem klaren Verweis des § 53 Abs. 1 GKG auf § 3 ZPO unvereinbar ist. Der Wert nach § 48 Abs. 2 GKG dient nur als Vergleichsmaßstab, um sicherzustellen, dass der nach §§ 3 ZPO, 53 Abs. 1 GKG festgesetzte Wert in einem angemessenen Verhältnis zum Wert der Hauptsache steht.8

1986

Auch in nichtvermögensrechtlichen Eilverfahren ist der Wert nur mit einem Bruchteil des Hauptverfahrens anzusetzen.9

1987

Bei gleichzeitiger Geltendmachung mehrerer nichtvermögensrechtlicher Ansprüche ist nach OLG Köln10 der Streitwert für jeden Anspruch gesondert zu 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

OLG München, Rpfleger 1967, 135; OLG Frankfurt, KostRsp. GKG a.F. § 18 Nr. 5. OLG Neustadt, JurBüro 1961, 457. LG München, WRP 1960, 290. Vgl. das Stichwort „Ordnungsmittel“. OLG Köln, JMBl.NW 1961, 286; KG, JurBüro 1967, 806. OLG Köln, JMBl.NW 1961, 286; OLG Frankfurt, JurBüro 1972, 706. OLG Köln, JMBl.NW 1961, 286 (die Entscheidung bezog sich noch auf § 12 GKG a.F.). KG, JurBüro 1967, 807. OLG Frankfurt, AnwBl. 1983, 89 = KostRsp. GKG § 20 Nr. 55. OLG Köln, JMBl.NW 1961, 286.

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Einstweilige Verfügung berechnen, wenn ein „Fall echter Anspruchshäufung“ vorliegt. Wenn jeder der Ansprüche nur einen Teil, nicht aber den vollen Wert des Anspruchs auf Ehrschutz umfasse, führe diese Einzelberechnung nicht zu einer unzulässigen mehrfachen Bewertung desselben Streitgegenstandes. Folgt man dem, dann sind die Gebühren nach der Summe der einzelnen (für jeden Antrag) ermittelten Werte zu berechnen.1

IV. Verhältnis zum Hauptsacheverfahren Umstritten ist die Berechnung des Streitwertes, wenn in einem Verfahren der einstweiligen Verfügung zugleich die noch nicht anhängige Hauptsache mit verglichen wird. – Nach einer Ansicht ist Streitwert für den Vergleich der zusammengerechnete Wert der einstweiligen Verfügung und der Hauptsache.2 Es handelt sich nach dieser Meinung um zwei selbständige rechtliche Begehren (Streitgegenstände) aus je selbständigen Verfahren. – Demgegenüber ist das OLG Frankfurt3 der Meinung, wenn – im umgekehrten Fall – im Hauptprozess ein anhängiges Eilverfahren mit verglichen werde, sei der Streitwert für den Prozessvergleich nicht durch Addition zu bilden, sondern der Vergleichswert werde lediglich durch den Betrag der mit verglichenen Kosten des Eilverfahrens erhöht.

1988

Bedeutung hat dieser Streit – da es eine gesonderte gerichtliche Gebühr für den Vergleichsschluss nicht mehr gibt – nur noch für die Bestimmung des Gegenstandswertes für die Anwaltsgebühren. Richtigerweise ist hinsichtlich des Gegenstandswertes für die Einigungsgebühr wie folgt zu differenzieren: Hauptsacheverfahren und einstweiliges Verfügungsverfahren sind nach § 17 Nr. 4 RVG verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten. Das bedeutet eigentlich, dass für die beteiligten Anwälte die Gebühren für jedes Verfahren gesondert anfallen und zwar auch dann, wenn die Angelegenheiten in demselben Gerichtstermin verhandelt werden. Bei Abschluss eines Prozessvergleichs entsteht jedoch ausnahmsweise nur eine Einigungsgebühr, wenn die Parteien mehrere Rechtsstreitigkeiten durch einen gemeinsamen Vergleich beendet haben, weil sie Gegenstände des einweiligen Verfügungsverfahrens und des Hauptsacheverfahrens in die Einigung einbezogen haben. Die Einigungsgebühr berechnet sich dann für den Anwalt aus dem zusammengerechneten Wert der Gegenstände (§ 22 RVG).

1989

Erklärt der Antragsgegner nach Erlass der einstweiligen Verfügung die Hauptsache für erledigt, so bleibt der Streitgegenstand unverändert, wenn der Antragsteller der Erledigungserklärung widerspricht und auf seinen Anträgen beharrt, die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.4

1990

S. zu dieser Streitfrage (Hauptsachewert oder Kostenwert?) das Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rn. 2231.

1991

1 Vgl. dazu das Stichwort „Ehrkränkende Äußerungen“. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 22.1.2008 – 11 WF 24/08, MDR 2008, 1068; OLG Hamburg, MDR 1959, 401; LG Hildesheim, JurBüro 1963, 772. 3 OLG Frankfurt, JurBüro 1981, 918; zust. Lappe, NJW 1982, 1737. 4 OLG München, Rpfleger 1967, 135.

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Einstweilige Verfügung

V. Widerspruchs- und Aufhebungsverfahren 1992

Wie im Verfahren über einen Antrag auf Anordnung ist auch im Verfahren auf Widerspruch gegen, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Verfügung (§§ 924, 927, 936 ZPO) der Streitwert nach § 3 ZPO zu schätzen.1 Das ist in § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG ausdrücklich vorgesehen.

1993

Für den Prozessbevollmächtigten des einstweiligen Verfügungsverfahrens ist das Abänderungs- oder Aufhebungsverfahren nach § 16 Nr. 6 RVG dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit. In der Regel ist der Streitwert des Verfahrens, das die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung zum Gegenstand hat, dem des Anordnungsverfahrens gleich. Er richtet sich nach dem Interesse des Verfügungsklägers, das dem Wert entspricht, den der aufzuhebende Titel bei Erhebung der Aufhebungsklage noch hat.2 Voraussetzung dafür ist jedoch, dass über den Fortbestand der einstweiligen Verfügung, also über die Fortdauer ihrer Rechtmäßigkeit noch wirklich gestritten wird und nicht lediglich über die formelle Aufhebung einer einstweiligen Verfügung, die nach der übereinstimmenden Auffassung der Parteien durch die Entwicklung der Dinge gegenstandslos geworden ist.3 In diesem Fall ist nur ein geringer Betrag festzusetzen.4

1994

Ist das Interesse wegen Zeitablaufs in zweiter Instanz geringer, ermäßigt sich auch der Streitwert.5 Meist wird dies darauf zurückzuführen sein, dass sich das Sicherungsbedürfnis abgeschwächt hat.6 Ebenso liegt es, wenn der aufzuhebende Titel bei Erhebung der Aufhebungsklagen nur noch einen geringeren Wert hat. Dann ist dieser maßgebend.7

1995

Nach Einlegung eines sog. Kostenwiderspruchs im Verfügungsverfahren entsteht die Terminsgebühr für den Anwalt (Nr. 3104 VV RVG) nur aus dem Kostenstreitwert, da der Kostenwiderspruch den Streit der Parteien auf den Kostenpunkt reduziert.8 Die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) ist bereits im Anordnungsverfahren nach dem vollen Streitwert entstanden, welches mit dem Widerspruchsverfahren nach § 16 Nr. 6 RVG gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit bildet.

1996

Wird die Anordnung einer Frist zur Erhebung der Klage nach § 926 Abs. 1 ZPO abgelehnt, so ist der Beschwerdewert für die hiergegen eingelegte Beschwerde gleich dem des Eilverfahrens.9

1 OLG München, JurBüro 1973, 357; OLG Frankfurt, JurBüro 1969, 343; OLG Celle, Rpfleger 1969, 96; OLG Bamberg, JurBüro 1974, 1150; näher dazu Schneider, JurBüro 1977, 1516. 2 OLG Celle, AnwBl. 1969, 130. 3 OLG München, JurBüro 1963, 357; OLG Bamberg, JurBüro 1974, 1150; OLG Hamburg, WRP 1977, 814. 4 OLG Frankfurt, JurBüro 1969, 343; KG, Beschl. v. 21.9.2001 – 5 W 40/01, JurBüro 2002, 479 (1/3 des Wertes des Verfügungsantrags). 5 OLG Köln, BB 1974, 1184. 6 OLG Köln, JurBüro 1980, 244 = KostRsp. GKG § 20 Nr. 38. 7 OLG Celle, Rpfleger 1969, 96. 8 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.10.2007 – 6 W 58/07, MDR 2007, 1455; OLG Hamburg, Beschl. v. 2.8.1995 – 8 W 180/95, MDR 1996, 102; OLG Frankfurt, JurBüro 1982, 283; KG, WRP 1982, 530; JurBüro 1990, 1332; a.A. OLG München, Beschl. v. 31.8.2005 – 11 W 1883/05, OLGR 2005, 818. 9 OLG Frankfurt, JurBüro 1981, 626 = KostRsp. GKG § 20 Nr. 41.

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Einstweilige Verfügung

VI. Vollziehungsverfahren Nicht geregelt ist, wie die Vollziehung der Anordnungen aus dem einstweiligen Verfügungsverfahren, also die Durchführung entsprechender Vollstreckungsmaßnahmen zu bewerten ist. Für die Gerichtskosten kommt es dabei auf den Streitwert nicht an, weil insoweit Festgebühren anfallen. Anders verhält es sich bei den Anwaltsgebühren (§§ 25, 26 RVG). Der Streitwert für Vollstreckungsmaßnahmen, die nach § 18 Nr. 4 RVG eine besondere Angelegenheit darstellen, soweit sie sich nicht auf die Zustellung beschränken, bestimmt sich nach §§ 25 RVG, 6 ZPO. Im Hinblick auf die Vollziehung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung werden zwei Ansichten vertreten:

1997

– Möglich ist es, die §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO über den Wortlaut des § 53 Abs. 1 GKG hinaus auch auf die Vollziehung anzuwenden. Pfändungen zum Zweck der Arrestvollziehung haben dann wegen ihres Sicherungscharakters keinen höheren Streitwert als das Anordnungsverfahren.1 – Alternativ kann auch darauf abgestellt werden, dass die Arrestvollziehung einschließlich der Vollstreckung ein vom Anordnungsverfahren getrenntes, selbständiges Verfahren darstellt, auf das nur §§ 25 RVG, 6 ZPO anzuwenden ist. Dann bestimmt und begrenzt immer die Höhe der Forderung des Gläubigers den Streitwert.2

1998

Die beiden Ansichten zugrunde liegenden Erwägungen lassen sich in folgendem Grundsatz zusammenfassen: Der Streitwert des Vollziehungsverfahrens entspricht grundsätzlich demjenigen des Anordnungsverfahrens. Darüber hinaus ist aber, wie es auch in § 25 Nr. 1 RVG vorgesehen ist, die Begrenzungsregel des § 6 Satz 2 ZPO anzuwenden, sodass ein im Vergleich zum Anordnungswert geringerer Vollziehungswert vorrangig ist.3 Dafür spricht, dass dem Antragsteller die Vollziehung nicht mehr wert sein kann als die bereits auf Vollziehung abzielende Anordnung einer Eilmaßnahme. Dies ist dann auch für das Vollziehungsverfahren bei der Streitwertbemessung zu berücksichtigen.

1999

C. Einzelfälle aus der Rechtsprechung Die nachfolgende alphabetische Ordnung gibt einen Überblick über die wichtigsten Lebenssachverhalte und die von der Rechtsprechung dazu entwickelten Bewertungskriterien.

1 OLG Bremen, Beschl. v. 14.7.1997 – 2 W 46/97, OLGR 1997, 362; OLG Frankfurt, KostRsp. GKG § 20 Nr. 61 mit Anm. Schneider; OLG Koblenz, KostRsp. GKG § 25 Nr. 48 mit Anm. Schneider; OLG Hamm, Rpfleger 1969, 21; OLG Köln, KostRsp. GKG § 20 Nr. 79; KG, JurBüro 1991, 230; Schalhorn, JurBüro 1969, 432. 2 KG, Rpfleger 1962, 120 zu § 18 e; LG Darmstadt, KostRsp. GKG a.F. § 18 Nr. 33; LG Hannover, JurBüro 1969, 432; Schneider/Wolf/Wolf, § 25 RVG Rn. 1. 3 Schneider, JurBüro 1977, 1517; Mümmler, JurBüro 1984, 818.

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2000

Einstweilige Verfügung Stichwortübersicht Rn. Abberufung eines Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . Auflassungsvormerkung . . . . . . Bauhandwerkersicherungshypothek Besitzübertragung . . . . . . . . . . Ehrkränkende Äußerungen . . . . . Filmaufführung . . . . . . . . . . . Gestattung . . . . . . . . . . . . . . Herausgabe . . . . . . . . . . . . . . Hypothek . . . . . . . . . . . . . . Mietbürgschaft . . . . . . . . . . . .

2001 2002 2005 2011 2014 2018 2019 2020 2024 2028

Übernahme, feindliche . . . . . . . Unterlassung von Immissionen . . Verbotene Eigenmacht . . . . . . . Verfügungsverbot . . . . . . . . . . Versorgung der Wohnung . . . . . . Vormerkung . . . . . . . . . . . . . Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . Widerspruch gegen Richtigkeit des Grundbuchs . . . . . . . . . . . . Zugangsgestattung . . . . . . . . . .

Rn. 2029 2030 2031 2034 2039 2040 2045 2048 2050

Abberufung eines Vorstandsmitglieds 2001

Der Streitwert einer einstweiligen Verfügung auf Nichtvollzug der Abberufung eines Vorstandsmitgliedes durch den Aufsichtsrat, wenn der die Abberufung aussprechende Aufsichtsrat zuvor durch Beschluss der Hauptversammlung umgebildet worden war und deren Verfahren angegriffen wird, bemisst sich nach dem Interesse des Antragstellers an der ungehinderten Weiterausübung seiner Vorstandstätigkeit. Als rechnerischer Maßstab ist von seinen Vorstandsbezügen auszugehen.1 Auflassungsvormerkung

2002

Der Streitwert eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung wird durch das Sicherungsinteresse des Antragstellers bestimmt. Es kann nach LG Düsseldorf2 im Regelfall mit 1/5 des Verkehrswertes des Grundstückes angenommen werden.

2003

Das Interesse am Erlass der Auflassungsvormerkung kann aber auch im Einzelfall den Wert des Grundstücks erreichen, auf das sich der Auflassungsanspruch bezieht, wenn durch die Vormerkung ein unmittelbar drohender, totaler Rechtsverlust abgewendet werden soll.3 Soweit solche Umstände nicht vorliegen, ist das Interesse wesentlich geringer und nur mit einem Bruchteil des Grundstückswertes anzusetzen.

2004

Wird eine besonders akute Gefährdung des Auflassungsanspruches nicht dargelegt (§ 885 Abs. 1 Satz 2 BGB), so kann das Interesse nur mit etwa 1/10 des Grundstückswertes angenommen werden.4 Bauhandwerkersicherungshypothek

2005

Der Streitwert einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek (§ 648 BGB) ist geringer anzusetzen als die zu sichernde Forde1 OLG Celle, JurBüro 1963, 297 – mit detaillierter Berechnung des Streitwertes, der auf 25.000 DM festgesetzt wurde. 2 LG Düsseldorf, KostRsp. GKG a.F. § 18 Nr. 12. 3 OLG Karlsruhe, Justiz 1971, 354. 4 OLG Frankfurt, JurBüro 1958, 253; vgl. auch das Stichwort „Auflassungsvormerkung“.

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Einstweilige Verfügung rung. Der mit einem Bruchteil des Wertes des zu sichernden Rechts (= Hauptsache) zu beziffernde Streitwert muss erheblich niedriger liegen. Es kommt immer auf das Interesse des Antragstellers im Einzelfall an, für dessen Bewertung der Grad der Rechtsgefährdung wesentlich ist. Ein genereller Bruchteil kann daher nicht angegeben werden. Welcher Wert in Betracht kommt, hängt davon ab, ob im Einzelnen Fall die Gefahr besteht, dass der Grundstückseigentümer bis zur Eintragung der Sicherungshypothek das Grundstück veräußert, sodass die Sicherungshypothek nicht mehr eingetragen werden könnte.

2006

Die Rechtsprechung geht selten über 1/2 hinaus,1 da die Vormerkung dem Vollrecht nicht gleichgesetzt werden kann. Der Bruchteil von 1/3 ist weitgehend als Regelwert angenommen worden.2 Es kommt aber immer auf das Interesse des Antragstellers im Einzelfall an, für dessen Bewertung der Grad der Rechtsgefährdung natürlich ganz wesentlich ist.

2007

Das OLG Koblenz3 hat das Interesse an der Sicherung mit rund 2/5 angesetzt,4 OLG Hamm5 und Rostock6 sehen als Regelsatz 1/3 der zu sichernden Forderung an.7 Das OLG Frankfurt hält 1/4 für akzeptabel,8 das LG Bayreuth 1/5.9

2008

Soweit das OLG Bremen10 in einer früheren Entscheidung das Interesse mit 9/10 bewertete, wurde damit dem Umstand nicht genügend Rechnung getragen, dass die Maßnahmen lediglich Sicherungscharakter haben. Für die Sicherungshypothek kann sich der Gläubiger – bildlich gesprochen – „noch lange nichts kaufen“. Da das OLG Bremen diese Ansicht inzwischen aufgegeben hat und nunmehr der herrschenden Ansicht folgt, die nach § 3 ZPO schätzt,11 dürfte auch die Entscheidung des LG Saarbrücken12 unmaßgeblich geworden sein, das unter ausdrücklicher Berufung auf das OLG Bremen auf § 6 ZPO zurückgegriffen hat.

2009

Die Kostenpauschale wegen des Anspruchs auf Kostenerstattung im Rechtsstreit ist nach OLG Saarbrücken13 hinzuzurechnen (vgl. aber auch das Stichwort „Arrest“ Rn. 1124).

2010

1 OLG Schleswig, JurBüro 1971, 438; OLG Frankfurt, JurBüro 1975, 512; OLG Celle, JurBüro 1982, 1227 mit Anm. Mümmler; OLG Saarbrücken, JurBüro 1987, 1218; OLG Köln, OLGR 1991, 71. 2 OLG Celle, JurBüro 1985, 1680; OLG Düsseldorf, JurBüro 1975, 649; OLG Koblenz, Rpfleger 1973, 368 = AnwBl. 1974, 27; OLG Hamm, JurBüro 1964, 272; LG Frankenthal, AnwBl. 1983, 556; OLG Rostock, Beschl. v. 10.10.1994 – 2 U 39/94, OLGR 1995, 11. 3 OLG Koblenz, JurBüro 1963, 109. 4 So jetzt auch OLG Bremen, JurBüro 1982, 1952. 5 OLG Hamm, JurBüro 1964, 272. 6 OLG Rostock, Beschl. v. 10.10.1994 – 2 U 39/94, OLGR 1995, 11. 7 Ebenso OLG Celle, JurBüro 1985, 1680; LG Frankenthal, AnwBl. 1983, 556. 8 OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 719; ebenso OLG Bamberg, JurBüro 1975, 940. 9 LG Bayreuth, JurBüro 1981, 758. 10 OLG Bremen, AnwBl. 1976, 411. 11 OLG Bremen, JurBüro 1982, 1052: 2/5 der Werklohnforderung. 12 LG Saarbrücken, AnwBl. 1981, 70. 13 OLG Saarbrücken, JurBüro 1987, 1218 im Anschl. an OLG Köln, MDR 62, 60.

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Einstweilige Verfügung Besitzübertragung 2011

Der Streitwert einer auf nur vorläufige Besitzübertragung der gekauften Sache gerichteten einstweiligen Verfügung bestimmt sich nach dem Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Regelung, das erheblich niedriger als der Kaufpreis anzunehmen ist.1

2012

Der Streitwert einer einstweiligen Verfügung auf vorläufige Besitzverschaffung und Übergabe des Schlüssels einer Eigentumswohnung bemisst sich nicht nach dem vollen Kaufpreis der Wohnung, sondern beläuft sich entsprechend dem Interesse des Antragstellers gem. §§ 53 Abs. 1 Nr. 1, 41 Abs. 1 GKG auf drei Monatsmieten.2

2013

Ist Gegenstand des Rechtsstreits allein ein auf verbotene Eigenmacht gestützter Verfügungsanspruch auf Herausgabe eines Grundstücks, kann nach umstrittener Ansicht ein Pachtvertrag und damit ein Nutzungsverhältnis gem. § 41 Abs. 1 GKG für Streitwertzwecke nicht berücksichtigt werden.3 Ehrkränkende Äußerungen

2014

Der Gegenstandswert für ein einstweiliges Verfügungsverfahren auf Unterlassung ehrenrühriger Äußerungen geringen Umfanges und ohne große Bedeutung ist vom OLG Hamm4 trotz günstiger wirtschaftlicher Verhältnisse der Parteien nur mit dem Mindestbetrag von jetzt 300 Euro bemessen worden.

2015

Allerdings muss auch in summarischen Verfahren der Umstand berücksichtigt werden, dass unwahre Behauptungen in der öffentlichen Wahrnehmung oft nur schwer auszulöschen sind und daher die berufliche Entwicklung allgemein hemmen können.5 Dies spricht gegen eine allzu niedrige Bewertung.

2016

Der Antrag auf ein Verbot von öffentlichen Behauptungen ist nicht schon deshalb gering zu bewerten, weil die in Frage stehenden Vorwürfe finanziell nur geringwertig sind. Steht der Betroffene beispielsweise im öffentlichen Leben und muss er befürchten, dass sich die Behauptungen auf seine Laufbahn als Politiker und Verwaltungsbeamter ungünstig auswirken, so kann durchaus eine höhere Bewertung angezeigt sein.6 – Das OLG Neustadt hat für den Vorwurf der Inanspruchnahme einer öffentlichen Portokasse für Privatkorrespondenz und der teilweisen Unterschlagung von Kilometergeldern bei normalen Schwierigkeiten des Prozessstoffes sowie geordneten bis guten Einkommens- und Vermögensverhältnissen (umgerechnet) 5.000 Euro angesetzt. – Das OLG Bamberg7 hat eine einstweilige Verfügung zur Abwehr ehrenrühriger Behauptungen im Wahlkampf zutreffend nach dem vollen Hauptsa1 OLG Düsseldorf, AnwBl. 1986, 36 = JurBüro 1985, 1848. 2 OLG Hamm, Beschl. v. 1.3.2000 – 12 W 2/00, AGS 2000, 134. 3 OLG Celle, Beschl. v. 29.9.2009 – 4 W 126/09, OLGR 2009, 1024; anders: OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, AGS 2008, 189 (Anspruch ist durch die Höhe des Jahresmietzinses begrenzt). 4 OLG Hamm, NJW 1963, 1017. 5 OLG Frankfurt, KostRsp. GKG a.F. § 18 Nr. 5. 6 Vgl. OLG Neustadt, KostRsp. GKG a.F. § 18 Nr. 1. 7 OLG Bamberg, KostRsp. GKG a.F. § 18 Nr. 48.

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Einstweilige Verfügung chewert bemessen, weil die vorläufige Maßnahme im Ergebnis einer Verwirklichung des Hauptsacheanspruchs gleichkam. – Geht es um die Behauptung des Verfügungsbeklagten, dass die Verkürzung des Religionsunterrichts an der Städtischen Berufsschule mit der Zugehörigkeit des Direktors der Berufsschule zur X-Partei und zur X-Religionsgemeinde Deutschlands in Verbindung stehe, so weicht die Bedeutung der Sache so erheblich vom Normalfall ab, dass eine Wertfestsetzung auf (umgerechnet) 7.500 Euro gerechtfertigt ist.1 – Ein Eilverfahren auf künftige Unterlassung der in einer Fernsehsendung ausgestrahlten Behauptung, der Antragsteller sei wegen Vergewaltigung vorbestraft, hat das OLG Frankfurt2 mit (umgerechnet) 15.000 Euro bewertet. Zu weiteren Einzelheiten vgl. die Ausführungen unter dem Stichwort „Ehrkränkende Äußerungen“.

2017

Filmaufführung Der Streitwert eines auf den Einsatz eines Films gerichteten Eilverfahrens bestimmt sich nach dem Interesse des Antragstellers (Verleihers). Für das Interesse sind außer den zu erwartenden Einspielgeldern auch die sonstigen nachteiligen Folgen zu berücksichtigen, die das Verhalten des Antragsgegners (Filmtheaterbesitzer) für den Antragsteller unmittelbar mit sich bringt. Dazu rechnet vor allem der Wertverlust für den Film durch die Verzögerung seiner Aufführung und die Verringerung der Möglichkeiten seiner Unterbringung bei Nach-spieltheatern. Diese sonstigen Schadensfolgen entziehen sich einer konkreten Errechnung, sind jedoch nach allgemeiner Erfahrung mit dem Mehrfachen des zu erwartenden Einspielergebnisses zu bewerten.3

2018

Gestattung Der Streitwert eines Verfügungsverfahrens auf Gestattung, dass Handwerker eines Energielieferungsunternehmens einen Wasseranschluss für die Wohnung der Antragsteller einschließlich Wasseruhr anbringen und zu diesem Zweck das Hausgrundstück betreten, hat das AG Kerpen mit (umgerechnet) 500 Euro bewertet.4

2019

Herausgabe Bei Herausgabeansprüchen kommt der vorläufige Charakter der im Wege einer einstweiligen Verfügung beantragten und getroffenen Maßnahme dadurch besonders zum Ausdruck, dass die Herausgabe nur an einen Gerichtsvollzieher oder Sequester angeordnet wird. Eine solche Maßnahme nimmt den Erfolg einer Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweg. Der Streitwert ist daher nur auf einen Bruchteil des Verkehrswertes der umstrittenen Sache festzusetzen, und zwar auf 1/4 bis 1/2.5 1 2 3 4

OLG Neustadt, JurBüro 1961, 136. OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.4.1997 – 16 W 18/97, OLGR 1998, 156. OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 689: 100.000 DM. AG Kerpen, MDR 1990, 928 Nr. 62 – infolge eines red. Versehens mit Gründen von Nr. 63. 5 KG, Rpfleger 1962, 120.

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2020

Einstweilige Verfügung 2021

Verfehlt ist es, den Streitwert bei Herausgabe eines Gegenstandes an einen Sequester in Höhe der Hauptsache festzusetzen.1 Der volle Wert der Sache kann nur dann angesetzt werden, wenn die dauerhafte Herausgabe an den Antragsteller selbst verlangt wird.2

2022

Wird im Rahmen einer Geschäftsverbindung ein Grundschuldbrief zur Sicherung eines Kredites überlassen und entsteht dann Streit, ob das Darlehen völlig zurückgezahlt sei, ist der Wert des Verfahrens auf Hinterlegung des Grundschuldbriefes mit einem Bruchteil von 15–20 % des Kreditbetrages festzusetzen.3

2023

Verlangt ein Besteller vom Unternehmer die Herausgabe seines Pkw, der sich demgegenüber auf sein Werkunternehmerpfandrecht beruft, bestimmt sich der Streitwert des einstweiligen Verfügungsverfahrens nach der Höhe der das Pfandrecht begründenden Werklohnforderung. Denn wenn einem auf Eigentum gestützten Herausgabeanspruch im Wesentlichen ein (Werkunternehmer-)Pfandrecht entgegen gehalten wird, bestimmt die Höhe der dieses Pfandrecht begründeten (Werklohn-)Forderung nach § 6 ZPO den Streitwert des Herausgabeanspruchs.4 Nach anderer Ansicht ist in einem solchen Fall der volle Wert des Pkw anzusetzen, weil es dem Verfügungskläger in erster Linie um dieses Fahrzeug und seine Nutzung im Geschäftsbetrieb ging und durch den Antrag auf Herausgabe an ihn selbst auch ein dem Hauptverfahren gleichstehendes Ergebnis erreicht werden sollte.5 Hypothek

2024

Bei Streit über die Inhaberschaft an einer Hypothek, die nach ihrem Rang und nach dem Wert des belasteten Grundstücks werthaltig ist, kann das Sicherungsinteresse für die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung eines Widerspruchs mit 1/3 des Nennbetrages angenommen werden.6

2025

Der Streitwert für den Widerspruch im Eilverfahren ist am Einheitswert und am Verkehrswert auszurichten. Beträgt der Einheitswert 7.600 DM und der Verkehrswert rund 20.000 DM, so ist nach OLG Frankfurt7 ein Streitwert von 10.000 DM angemessen.

2026

Wenn lediglich die Gefahr besteht, dass der Eigentümer das Grundstück vorher noch anderweitig belastet, kommt es darauf an, ob der Wert des Grundstückes die Sicherungshypothek noch deckt bzw. in welchem Umfang er sie noch deckt. Der Wert der Vormerkung für den Unternehmer kann daher der zu sichernden Forderung gleichkommen, wenn er ohne die Vormerkung nicht 1 OLG Koblenz, Beschl. v. 26.1.2009 – 5 W 62/09, MDR 2009, 1075 = AGS 2009, 402; so aber OLG Bamberg, JurBüro 1975, 793; OLG Bamberg, JurBüro 1979, 438; dagegen Schneider, MDR 1977, 268. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 26.1.2009 – 5 W 62/09, MDR 2009, 1075 = AGS 2009, 402; OLG Köln, Beschl. v. 27.1.1999 – 16 W 3/99, OLGR 1999, 336. 3 OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 416 – die Vorinstanz hatte auf 20.000 DM festgesetzt. 4 OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 29.10.2002 – 24 U 158/01, NJOZ 2002, 2762; LG Köln, Beschl. v. 23.9.2009 – 13 T 171/08, AGS 2008, 613. 5 Monschau, AGS 2008, 614. 6 OLG Köln, JurBüro 1961, 458. 7 OLG Frankfurt, MDR 1958, 175.

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Einstweilige Verfügung mehr zu seinem Geld käme, weil der Eigentümer das Grundstück veräußert hat und andere pfändbare Habe nicht vorhanden ist. Der Wert kann aber auch sehr gering sein, wenn keine Gefahr besteht, dass der Eigentümer sein Grundstück veräußern wird und weitere Belastungen nicht zu befürchten sind.1

2027

Mietbürgschaft Die Untersagung der Inanspruchnahme einer Mietbürgschaft hat das LG Bonn nach § 53 Abs. 1 GKG mit dem zu erwartenden Zinsschaden bewertet.2 Nach dem Vortrag der Mieterin wäre eine Befriedigung aus der Bürgschaft unberechtigt gewesen, sodass ein Anspruch auf Wiederherstellung der Bürgschaft bestanden hätte. Es bestand nach Ansicht des Gerichts kein Anhaltspunkt dafür, dass die Mieterin zu einer solchen Wiederherstellung nicht in der Lage gewesen wäre, sodass ihr Risiko allein darin bestand, Zinsen für die Inanspruchnahme der Bürgschaft zahlen zu müssen.

2028

Übernahme, feindliche Begehrt ein Aktionär im Wege der einstweiligen Verfügung, dass der Vorstand der Aktiengesellschaft Abwehrmaßnahmen gegen ein feindliches Übernahmeangebot unterlässt und kurzfristig eine Hauptversammlung einberuft, in der über Zustimmung oder Ablehnung des Angebotes entschieden werden soll, ist der Streitwert in analoger Anwendung von § 247 AktG festzusetzen.3

2029

Unterlassung von Immissionen Der Streitwert eines Verfügungsverfahrens auf Unterlassung von Immissionen ist in Anlehnung an die für Grunddienstbarkeiten getroffene Regelung des § 7 ZPO zu schätzen. Es ist zunächst die Wertminderung zu ermitteln, die für das beeinträchtigte Grundstück entsteht, wenn die umstrittenen Einwirkungen fortdauern. Von diesem Wert ist wiederum ein Bruchteil als Streitwert anzusetzen.4

2030

Kann der Kläger die Immission durch eigene Vorkehrungen abwehren, so können ihre Kosten der Wertminderung gleichgesetzt werden.5 Die dem Beklagten aus der Unterlassung erwachsenden Nachteile sind dagegen bei der Bestimmung des Streitwertes unbeachtlich. Verbotene Eigenmacht Die Abwehr rechtswidriger und vorsätzlicher Besitz- und Eigentumsstörungen hat das OLG Köln6 mit der Hälfte des Hauptsachewertes festgesetzt, weil in 1 OLG Nürnberg, JurBüro 1962; 160: Da es mit der Zahlungsfähigkeit des Antragsgegners nicht zum besten stand und Belastungen drohten, wurde der Wert auf die Hälfte der zu sichernden Forderung festgesetzt. 2 LG Bonn, Beschl. v. 14.2.2008 – 6 T 27/08, NZM 2008, 664 = AGS 2008, 464. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.8.2000 – 6 W 33/00, OLGR 2000, 472. 4 OLG Nürnberg, JurBüro 1967, 827; OLG Saarbrücken, KostRsp. GKG a.F. § 18 Nr. 21. 5 OLG Saarbrücken, KostRsp. a.F. § 18 Nr. 21. 6 OLG Köln, JMBl.NW 1976, 71 = VersR 1976, 740.

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2031

Einstweilige Verfügung einem solchen Verfügungsverfahren weitergehend als in der Regel endgültiger Interessenschutz gewährt werde. Besitz- und Eigentumsstörungen, die unter Verletzung der Strafgesetze begangen und in besonders aggressiver Weise ausgeführt werden, sind nach Ansicht des Senats auch aus diesem Grunde höher zu bewerten. 2032

Wird Herausgabe wegen Besitzentziehung durch verbotene Eigenmacht verlangt,1 dann steht dies einer endgültigen Regelung gleich, da der alte Zustand wiederhergestellt wird. Es geht um den Besitz mit der Folge, dass der Streitwert entsprechend § 6 Satz 1 ZPO auf den Verkehrswert der Sache anzusetzen ist. Ein eventuell gegenüber dem Herausgabeanspruch eingewandtes Nutzungsverhältnis kann für die Wertberechnung keine Rolle spielen.2

2033

Bei Abwehr künftiger verbotener Eigenmacht im Sinne der §§ 858 ff. BGB ist ein besonders geringer Bruchteil des Streitwerts der Hauptsache anzunehmen.3 Verfügungsverbot

2034

Erstrebt der Antragsteller eine Sicherung vor rechtsgeschäftlichen Verfügungen des Antragsgegners über die in Streit befangene Sache, so kann sein Interesse nicht so hoch bemessen werden, als wenn er einen Anspruch auf Herausgabe der Sache geltend macht.4

2035

Soll beispielsweise dem Verkäufer im Wege der einstweiligen Verfügung verboten werden, die Sache an einen Dritten zu übereignen, so bemisst sich der Streitwert nicht nach dem möglichen Veräußerungsgewinn des Käufers, sondern es ist – basierend auf dem Wert der Sache – eine Bruchteilsbewertung vorzunehmen.5

2036

Hat der Antragsteller einen Eigentumsvorbehalt an von ihm gelieferten Waren und will er verhindern, dass der Antragsgegner durch Verfügung über die Ware den Herausgabeanspruch vereitelt, so ist die im Einzelfall drohende Gefahr des Rechtsverlusts und die Erwartung, schon im Verfügungsverfahren zu einer endgültigen Regelung zu kommen, abzuschätzen.6

2037

Wird im Eilverfahren die Sicherung eines im Miteigentum des Antragstellers stehenden Kraftfahrzeuges begehrt, dann bestimmt sich der Streitwert danach, in welchem Maße der in Geld zu veranschlagende Eigentumsanteil durch das Verhalten des Antragsgegners tatsächlich gefährdet erscheint.7

2038

Der Antrag, einem Grundstückseigentümer die Verfügung über sein Eigentum zu verbieten, weil der Antragsteller ein Optionsrecht auf Abschluss eines Kaufvertrages über dieses Grundstück habe, muss vom Grundstückswert aus1 S. dazu OLG Saarbrücken, NJW 1967, 1813; OLG Düsseldorf, MDR 1971, 1011. 2 OLG Celle, Beschl. v. 29.9.2009 – 4 W 126/09, OLGR 2009, 1024; anders dagegen: OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, AGS 2008, 189 (Anspruch ist durch die Höhe des Jahresmietzinses begrenzt). 3 LG Gießen, Rpfleger 1952, 501 setzt 10 % an. 4 LG Paderborn, JurBüro 1950, 166; OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, JurBüro 1994, 738 (1/3 des Wertes der Sache). 5 OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, JurBüro 1994, 738. 6 LG Bayreuth, JurBüro 1979, 1885: 1/2 des Hauptsachewerts. 7 OLG Frankfurt, JurBüro 1964, 206.

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Einstweilige Verfügung gehen (§ 6 Satz 1 ZPO). Dass wirtschaftlich mit dem Veräußerungsverbot nur die Sicherung des Gewinns einer Weiterveräußerung nach Ausübung des Optionsrecht erstrebt wird, ist, weil nicht Streitgegenstand, für die Bewertung unbeachtlich.1 Versorgung der Wohnung Der Streitwert eines Verfügungsverfahrens mit dem Antrag, dem Antragsgegner aufzugeben, eine Wohnung mit Wasser und über die Heizungsanlage mit Heizenergie und Warmwasser zu versorgen, ist vom AG Kerpen2 mit der Hälfte des jährlichen Nutzungsentgelts bewertet worden. Dies überzeugt in der Begründung nicht, da sich der Streitwert nach dem Interesse des Antragstellers richtet. Dessen Interesse ist darauf gerichtet, mit Wasser und Energie versorgt zu werden, während die Zahlung des Nutzungsentgeltes das Interesse des Antragsgegners betrifft.

2039

Vormerkung Für den Streitwert eines Verfügungsverfahrens auf Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch ist maßgebend das Interesse des Gläubigers an der Sicherung seiner Geldforderung. Der Streitwert kann sich bis zum Betrag der zu sichernden Forderung erhöhen, wenn der Schuldner das Grundstück veräußern will und der Gläubiger seinen Sicherungsgegenstand dadurch verlieren könnte.3

2040

Er ermäßigt sich, wenn der Gläubiger nur mit einer teilweisen Befriedigung wegen vorhandener Belastungen rechnen kann.4

2041

Demgegenüber nimmt das LG Hildesheim5 stets einen Bruchteil des Wertes der Hauptsache an, also auch dann, wenn die Zwangsversteigerung des betreffenden Grundstückes droht.6 Die Abwendung eines drohenden Rechtsverlustes wird also vom LG Hildesheim nicht als Umstand gewertet, der zu einer Erhöhung des Streitwertes führen kann.

2042

Die im Eilverfahren erstrebte Vormerkung zur Sicherung der Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit betreffend die Abnahmeverpflichtung von Getränkelieferungen ist nach § 3 ZPO zu schätzen, wobei der für die Hauptsache maßgebende § 9 ZPO die Richtschnur bildet. Wichtigster Bewertungsumstand ist der vom Antragsteller erwartete Gewinn.7

2043

Vgl. auch die Ausführungen zu den Stichwörtern „Auflassungsvormerkung“ und „Bauhandwerkersicherungshypothek“.

2044

1 OLG Köln, JurBüro 1980, 244. 2 AG Kerpen, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 999 = MDR 1990, 929 Nr. 63 – infolge eines red. Versehens mit Gründen von Nr. 62. 3 OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 179. 4 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1965, 203; LG Bayreuth, JurBüro 1981, 758: 1/5. 5 LG Hildesheim, JVBl. 1965, 163. 6 Gegen OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 179. 7 OLG Bamberg, JurBüro 1978, 1061.

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Einstweilige Verfügung Wettbewerbsrecht 2045

Auch für Verfügungsverfahren, in denen ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch geltend gemacht wird, kann als Regelwert ein Bruchteil des Hauptsachewertes angesetzt werden. Dieser liegt im Regelfall bei 1/3 bis 1/2 des Hauptsachewertes.1 Das Interesse des Klägers an der Unterbindung der Wettbewerbsverstöße wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit für den Wettbewerber anhand des ihm drohenden Schadens (wie Umsatzeinbußen, Marktverwirrungs- und Rufschaden) bestimmt. Dabei sind u.a. die Unternehmensverhältnisse bei dem Verletzter und dem Verletzten (Umsätze, Größe, Wirtschaftskraft, Marktstellung und deren voraussichtliche Entwicklung), die Intensität des Wettbewerbs zwischen beiden (in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht), die Auswirkungen zukünftiger Verletzungshandlungen (Ausmaß, Intensität und Häufigkeit, indiziert durch die bereits begangene Verletzungshandlung), die Intensität der Wiederholungsgefahr (Verschuldensgrad, späteres Verhalten) zu berücksichtigen.

2046

Das OLG München2 vertritt in wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsverfahren die Ansicht, dass das einstweilige Verfügungsverfahren ebenso hoch zu bewerten sei wie das Hauptsacheverfahren. Die in der Rechtsprechung durchgeführten Differenzierungen und Bruchteilsbewertungen seien – schon wegen ihrer Beliebigkeit sowohl der Höhe der Abschläge als auch der Kriterien für deren Nichtanwendung – wenig praktikabel und führten nicht zu einem Gerechtigkeitsgewinn. Vielmehr sei mit ihnen ein erhöhter Begründungsaufwand verbunden, der bei einer Nebenentscheidung wie der Streitwertfestsetzung nicht zu rechtfertigen sei.

2047

Bei einem einstweiligen Verfügungsverfahren in Wettbewerbssachen, in denen die Verwendung einer nicht den Anforderungen der §§ 312c Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechenden Widerrufsbelehrung untersagt werden soll, kann bei der Bemessung des Streitwerts von einem Richtwert von 3.000 Euro ausgegangen werden.3 S. näher dazu das Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“. Widerspruch gegen Richtigkeit des Grundbuchs

2048

Der Wert einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs ist dem Wert des Hauptanspruchs auf Herausgabe des Grundstückes dann gleichzusetzen, wenn die unmittelbar bevorstehende Gefahr einer Weiterveräußerung des Grundstücks besteht.4 Ansonsten kann nur ein Bruchteil des Hauptsachewertes angesetzt werden, der sich nach dem Interesse des Antragstellers an der einstweiligen Verhinderung des Rechtsverlustes richtet.5 1 OLG Oldenburg, Beschl. v. 6.6.1995 – 1 W 45/95, NJW-RR 1996, 946: Hälfte des Klagewerts. 2 OLG München, Beschl. v. 26.5.2009 – 29 W 1498/09, JurBüro 2009, 484. 3 OLG Celle, Beschl. v. 19.11.2007 – 13 W 112/07, AGS 2008, 250 – zu den Einzelheiten vgl. das Stichwort „Allgemeine Geschäftsbedingungen“. 4 OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1: Hälfte des Verkehrswertes bei Nichtberücksichtigung der Belastungen. 5 OLG Bamberg, JurBüro 1978, 1552.

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Eintragungsbewilligung Soll ein hälftiger Miteigentumsanteil an einem Grundstück zur Vorbereitung einer Grundbuchberichtigungsklage durch einstweilige Verfügung auf Eintragung eines Grundbuchwiderspruchs gesichert werden, ist beim Streitwert wegen des vorläufigen Charakters der Maßnahme ein Abschlag von 3/4 vom Wert des Miteigentumsanteile vorzunehmen, da es nicht um die Durchsetzung, sondern lediglich um die Sicherung des Berichtigungsanspruchs ging.1

2049

Zugangsgestattung Die einstweilige Verfügung auf Gestattung des Zuganges zu einem Hausteil, der ausgebaut werden sollte, ist vom OLG München2 mit 1/10 des Verkehrswertes des Hausteiles vor Durchführung der Baumaßnahmen bewertet worden.

2050

Eintragungsbewilligung Wird auf Bewilligung einer Grundbucheintragung geklagt, so besteht Streit über den darauf gerichteten materiellen Anspruch. Dieser ist für die Wertbestimmung maßgebend; z.B. richtet sich der Wert bei einem Streit – um die Eintragung eines unentgeltlichen lebenslänglichen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts nach § 3 ZPO,3 – um die Bewilligung der Umschreibung des Eigentums an einem Grundstück in der Regel nach dem Verkehrswert des Grundstücks zum Zeitpunkt der Klageeinreichung, § 6 ZPO,4 – um die Eintragung oder Löschung einer Grunddienstbarkeit nach § 7 ZPO; für die Grundschuld- oder Hypothekeneintragung ist der Wert der Forderung (§ 6 ZPO),5 für die Eintragung einer Reallast § 9 ZPO maßgebend,6 – um die Löschung einer Sicherungshypothek gem. § 6 ZPO nach der Wert der zu sichernden Forderung, soweit die noch besteht, ansonsten gem. § 3 ZPO nach dem Löschungsinteresse des Klägers.7

2051

Diese wenigen Beispiele sollen zeigen, dass es immer darauf ankommt, auf welchen materiellen Anspruch sich das Bewilligungsbegehren richtet. Dieser Anspruch ist dann streitwertbestimmend.

2052

1 2 3 4

OLG Koblenz, Beschl. v. 28.6.2006 – 5 W 379/06, OLGR 2006, 1016 = AGS 2006, 562. OLG München, JurBüro 1973, 1191. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.7.2005 – 4 W 209/05, juris. OLG Celle, Beschl. v. 7.9.1998 – 16 W 58/98, OLGR 1999, 200; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.7.2005 – 1 W 33/05, JurBüro 2006, 145; OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.2007 – 1 W 85/07; OLGR 2008, 31 = AGS 2008, 190; OLG Koblenz, Beschl. v. 14.3.2003 – 8 W 147/03, OLGR 2003, 256. 6 Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 Rn. 53. 7 OLG Celle, Beschl. v. 23.2.2005 – 16 W 11/05, MDR 2005, 1196; Beschl. v. 5.9.2000 – 4 W 165/00, MDR 2000, 1456; OLG Dresden, Beschl. v. 3.6.2008 – 6 W 139/08, MDR 2008, 1005; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.2007 – 1 W 85/07, AGS 2008, 190; Beschl. v. 30.7.2004 – 2 W 42/04, OLGR 2004, 347; OLG Rostock, Beschl. v. 5.8.2009 – 3 W 44/09, OLGR 2009, 969; OLG Hamburg, MDR 1975, 846; OLG Köln, MDR 1980, 1025.

Kurpat

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Einwilligung wegen Hinterlegung 2053

S. zu den Einzelheiten unter den Stichwörtern „Abgabe einer Willenserklärung“ und „Willenserklärung“ sowie „Auflassung“ und „Grundbuchberichtigung“.

Einwendung S. das Stichwort „Einrede, Einwendung“.

Einwilligung wegen Hinterlegung A. Zuständigkeitsstreitwert I. Grundsatz 2054

Wird Einwilligung in die Herausgabe einer hinterlegten Sache oder eines hinterlegten Geldbetrages verlangt, so gilt § 3 ZPO,1 da die Abgabe einer Willenserklärung verlangt wird (§ 894 ZPO) und nicht die Herausgabe. Allerdings ist im Rahmen des § 3 ZPO die Vorschrift des § 6 Abs. 1 ZPO entsprechend heranzuziehen und auf den Wert der Gegenstände oder Beträge abzustellen, deren Herausgabe begehrt wird.2

2055

Nach Auffassung des OLG Nürnberg3 richtet sich das Interesse des Klägers zwar auch nach dem Interesse an der Freigabe des hinterlegten Betrages, allerdings nicht an der Freigabe schlechthin, sondern gerade durch den Beklagten. Danach soll maßgebend sein, in welcher Höhe (einschließlich Nebenforderungen) der Beklagte dem Kläger die Herausgabe streitig macht, denn nur die Forderung des Beklagten und seinen damit verbundenen Widerstand gegen die Auszahlung des Geldes wolle ein Kläger ausräumen; deshalb sei auch nur dieser Teilbetrag wertbestimmend.4

2056

Dies ist nicht nachzuvollziehen. Der Streitwert richtet sich nach dem Interesse des Klägers. Dieser will den gesamten Betrag freigegeben erhalten. Aus welchem Grund der Beklagte die Freigabe verweigert, ist insoweit unerheblich.5 Der Beklagte kann den Wert ganz einfach reduzieren, indem er in Höhe des unstreitigen Betrages oder der unstreitigen Gegenstände die Freigabe erklärt, sodass der Rechtsstreit dann nur noch über den restlichen Betrag geführt wird.

* Æ Beispiel: 10.000 Euro sind hinterlegt. Der Beklagte berühmt sich eines Anspruchs i.H.v. 2.000 Euro. Gibt er jetzt die 8.000 Euro nicht vorab frei, sondern verweigert die gesamte Freigabe, muss der Kläger auf Freigabe der vollen 10.000 Euro klagen, sodass sich der Wert nach den vollen 10.000 Euro richtet. 1 OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.7.2002 – 4 W 1675/02, OLGR 2003, 79; Anders/Gehle/ Kunze, Hinterlegung Rn. 1; Madert/v. Seltmann, Rn. 284; a.A.: unmittelbar nach § 6 ZPO: KG, Beschl. v. 17.11.1977 – 22 W 3656/77, JurBüro 1978, 427 = AnwBl. 1978, 107. 2 Anders/Gehle/Kunze, Hinterlegung Rn. 1; Madert/v. Seltmann, Rn. 284. 3 OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.7.2002 – 4 W 1675/02, OLGR 2003, 79. 4 Ebenso OLG Schleswig, Beschl. v. 13.2.1975 – 2 W 38/75, JurBüro 1976, 239. 5 S. dazu auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.4.1970 – 6 W 83/07, Rpfleger 1970, 353 f.

400

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N. Schneider

Einwilligung wegen Hinterlegung Andernfalls dürfte man gar keinen Wert annehmen, wenn der Beklagte keine Gegenansprüche erhebt und sich einfach nur schlicht weigert, die Freigabe zu erklären.

2057

II. Zinsen aus der Hinterlegungssumme Die Zinsen der Hinterlegungssumme, die der Kläger für sich fordert, sind nicht Nebenansprüche i.S. des § 4 Abs. 1 ZPO. Zinsen und Hauptsumme bilden vielmehr einen einheitlichen, unzerlegbaren Anspruch, der für den Streitwert maßgebend ist.1 Die Hinterlegungsmasse darf also nicht in einen Hauptanspruch und in einen Nebenanspruch zerlegt werden; es fehlt an dem in § 4 ZPO vorausgesetzten objektiven Abhängigkeitsverhältnis, da nicht der Beklagte, sondern die Hinterlegungsstelle der Zinsschuldner ist.

2058

Bei der Klage auf Zustimmung in die Auszahlung eines beim Notar hinterlegten Betrages ist die Summe maßgebend, die das Hinterlegungskonto im Zeitpunkt der Instanzeinleitung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ausweist. Nachträgliche Veränderung sind unbeachtlich.2

2059

III. Teilweise Einwilligung Wird nur die Einwilligung betreffend eines Teil der Gegenstände oder eines Teilbetrages begehrt, so ist auch nur dieser Teilwert maßgebend.3

2060

IV. Klagenhäufung Einwilligung und Feststellung Bei Klagehäufung im Bewilligungsstreit muss das Prozessziel klar erfasst werden. Sind beispielsweise 10.000 Euro bei der Hinterlegungsstelle eingezahlt worden, dann zahlt diese aus, wenn die Beteiligten die Herausgabe bewilligen oder die Berechtigung des Fordernden durch rechtskräftiges Urteil nachgewiesen wird (früher: §§ 13 Abs. 2 Nr. 1, 21 HinterlO). Angesichts dessen kann der Kläger klagen auf – Leistung, nämlich Abgabe der Bewilligungserklärung, oder – positive Feststellung seiner Berechtigung.

2061

Beide Anträge können auch über § 256 Abs. 2 ZPO verbunden werden. Soweit wirtschaftliche Identität der Begehren besteht, entfällt eine Zusammenrechnung. Soweit ein Anspruch höherwertig ist, bestimmt dieser den Streitwert.

2062

Ist der Feststellungsantrag höherwertig oder wird nur auf positive Feststellung der Berechtigung geklagt, dann ist der übliche Abschlag für Feststellungsklagen nicht gerechtfertigt, weil das Feststellungsurteil (früher: § 13 Abs. 2 Nr. 2 HinterlO) zur Auszahlung und damit zur Erfüllung führt.

2063

1 RG, HRR 1931 Nr. 252; BGH, Beschl. v. 11.1.1967 – Ib ZA 8/66, MDR 1967, 280 = WM 1967, 279 = NJW 1967, 930 = BB 1969, 552. 2 A.A. OLG Köln, Beschl. v. 14.11.1979 – 2 U 39/79, JurBüro 1980, 281. 3 OLG Schleswig, Beschl. v. 13.2.1975 – 9 W 17/75 = JurBüro 1976, 239.

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Einwilligung wegen Hinterlegung

V. Klagenhäufung Zahlung und Einwilligung 2064

Wird neben der Freigabe auch Zahlung verlangt, dann werden die Werte wegen wirtschaftlicher Identität nicht addiert, wenn der freizugebende Betrag im Zahlungsantrag enthalten ist.1 Wird allerdings neben der Freigabe eine weiter gehende Zahlung geltend gemacht, dann ist zu addieren (§ 5 ZPO).

VI. Klage eines oder mehrerer Mitberechtigten 2065

Sind mehrere Personen nur gemeinsam berechtigt, eine hinterlegte Sache in Empfang zu nehmen, soll sich der Streitwert der Klage eines Einzelnen auch hier wiederum nur nach seinem jeweiligen Anteil berechnen.2 Soweit mehrere Mitberechtigte zugleich klagen, soll danach für jeden ein entsprechender Anteil festzusetzen sein. Auch dies ist nicht nachzuvollziehen. Abgesehen davon, dass für den Zuständigkeitsstreitwert eine Differenzierung nach verschiedenen Klägern gar nicht vorzunehmen ist, geht das Interesse eines jeden darauf, den vollen Betrag oder den gesamten Gegenstand freizubekommen.

* Æ Beispiel: Zwei Klägern steht der hinterlegte Betrag gemeinsam zu. Klagen sie auf Freigabe der 10.000 Euro an beide, so beträgt der Streitwert 10.000 Euro. Klagen sie auf 5.000 Euro an jeweils den einen und den anderen, dann beträgt der Zuständigkeitsstreitwert ebenfalls 10.000 Euro (§ 5 ZPO). Hier ist lediglich beim Gebührenstreitwert zu differenzieren (s. unten Rn. 2075 ff.).

VII. Klage gegen einen von mehreren Verpflichteten 2066

Bei der Einwilligungsklage gegen einen von mehreren Verpflichteten ist nicht streitwertmindernd zu berücksichtigen, dass die übrigen Verpflichteten zur Erfüllung des Klagebegehrens bereit sind, da Verweigerung auch nur eines vom mehreren Gesamthändern die Auszahlung des gesamten Betrages verhindert.

* Æ Beispiel: Hinterlegt sind 10.000 Euro zur Absicherung eines Anspruchs in Höhe 10.000 Euro für den A und den B als Gesamtgläubiger. Nach Wegfall des Hinterlegungsgrunde verlangt der Anwalt für den Hinterleger von A und B die Freigabe. A erteilt die Feigabe; der B verweigert sie, sodass gegen ihn nunmehr Klage erhoben wird. Der Wert beträgt 10.000 Euro, weil trotz der Einwilligung des A die 10.000 Euro nicht – auch nicht teilweise – ausgezahlt werden, sondern und die Auszahlung des gesamten Betrages von der Freigabe des B abhängig bleiben.

2067

Anders verhält es sich nur dann, wenn eine Teilfreigabe erklärt werden soll. Dann gilt nur der ihn betreffende Wert:

* Æ Beispiel: Hinterlegt sind 10.000 Euro zur Absicherung von Ansprüchen i.H.v. jeweils 5.000 Euro für den A und den B. Wird nur der A oder nur der B auf Einwilligung verklagt, dann richtet sich der Wert nur nach 5.000 Euro, weil von der Einwilligung des einen die Hinterlegung des anderen Betrages unberührt bleibt. 1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.3.1994 – 22 W 18/94, OLGR 1994, 96. 2 KG, Beschl. v. 17.11.1997 – 22 W 3656/77, JurBüro 1978, 427 = AnwBl. 1978, 107.

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N. Schneider

Einwilligung wegen Hinterlegung

VIII. Klage gegen mehrere Verpflichtete Werden mehrere Streitgenossen auf Einwilligung in die Auszahlung eines hinterlegten Betrages als verklagt, so richtet sich der Streitwert nach dem Gesamtwert, dessen Freigabe erteilt werden soll, unabhängig davon, ob sie als Gesamtschuldner oder als Teilschuldner verklagt werden. Lediglich beim Gebührenstreitwert können sich hier Unterschiede ergeben. Keinesfalls ist darauf abzustellen, welche Einwände die einzelnen Beklagten erheben1 (s. oben Rn. 2065).

2068

* Æ Beispiel: 10.000 Euro sind hinterlegt. Der Kläger klagt gegen zwei Beklagte auf Freigabe. Jeder der Beklagten ist der Auffassung, dass ihm 5.000 Euro zustehen. Der Streitwert beläuft sich auf 10.000 Euro.

* Æ Beispiel: 10.000 Euro sind hinterlegt zur Absicherung von Ansprüchen i.H.v. jeweils 5.000 Euro zugunsten des A und zugunsten des B. Der Kläger klagt gegen beide auf Freigabe. Der Streitwert beläuft sich auf 10.000 Euro. Hier kann sich allerdings im Verhältnis zu A und B ein abweichender Gebührenstreitwert ergeben (s. unten Rn. 2075 ff.).

B. Rechtsmittelstreitwert Es geltend die gleichen Grundsätze wie für den Zuständigkeitsstreitwert. Zwischenzeitlich aufgelaufene Hinterlegeungszinsen sind jetzt bis zur Einreichung des Rechtsmittels zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 1, 1. Halbs. ZPO).

2069

C. Gebührenstreitwert I. Grundsatz Für den Gebührenstreitwert gelten nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG (für den Anwalt anwendbar über § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG) die gleichen Grundsätze wie für den Zuständigkeitsstreitwert.

2070

II. Zinsen Aufgelaufene Hinterlegungszinsen sind keine Nebenforderung im Sinne von § 43 Abs. 1 GKG und daher beim Wert zu berücksichtigen, und zwar bis zum Tage der Klageerhebung (§ 40 GKG).

2071

Nur für die außergerichtlichen Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 RVG) sind die Hinterlegungszinsen, die den Hinterlegungsbetrag ständig erhöhen, zu berücksichtigen, da eine dem § 40 GKG vergleichbare Vorschrift fehlt.

2072

In der Rechtsmittelinstanz wird zwar auf die Einreichung des Rechtsmittels abgestellt; da der Wert der Rechtsmittelinstanz nach § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG auf den Wert der ersten Instanz begrenzt ist, bleiben hier aber weitere Zinsen nach Klageerhebung außer Ansatz.

2073

1 So aber OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.4.1970 – 6 W 83/07, Rpfleger 1970, 353 f.

N. Schneider

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Einwilligung wegen Hinterlegung

III. Klage und Widerklage 2074

Wird wechselseitig Klage und Widerklage erhoben, so findet eine Addition nicht statt, sofern die Freigabe desselben Gegenstands oder Betrags verlangt wird (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG).1 Soweit dagegen verschiedene Beträge oder Gegenstände verlangt werden, ist zu addieren (§ 45 Abs. 1 Satz 1 GKG).

* Æ Beispiel: Hinterlegt sind 100.000 Euro. a) Kläger und Beklagter verlangen jeweils die Einwilligung in die Freigabe der gesamten 100.000 Euro. b) der Kläger verlangt die Einwilligung in die Vorab-Freigabe eines Betrages von 20.000 Euro; der Beklagte verlangt die Einwilligung in die Vorab-Freigabe eines Betrages von 15.000 Euro. c) Kläger und Beklagter verlangen jeweils die Einwilligung in die Vorab-Freigabe eines Betrages von 75.000 Euro. Im Fall a) liegt derselbe Gegenstand zugrunde; der Wert beläuft sich nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG auf 100.000 Euro. Im Fall b) liegen verschieden Gegenstände zugrunde; der Wert beläuft sich nach § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG auf 350.000 Euro (20.000 Euro + 15.000 Euro). Im Fall c) liegen zum Teil verschiedene Gegenstände zugrunde (jeweils 25.000 Euro) und zum Teil derselbe Gegenstand (jeweils 50.000 Euro); der Wert beläuft sich nach § 45 Abs. 1 Satz 1, 3 GKG wiederum auf 100.000 Euro (75.000 Euro + 25.000 Euro).

IV. Mehrere Verpflichtete 2075

Werden mehrere Streitgenossen auf Einwilligung in die Auszahlung eines hinterlegten Betrags oder die Freigabe hinterlegter Sachen in Anspruch genommen, ist dies für die Gerichtsgebühren unerheblich, da diese sich aus dem Gesamtwert berechnen (§ 39 Abs. 1 GKG).

2076

Hinsichtlich der Anwaltsgebühren gilt das Gleiche für den Anwwalt, der den Anspruchsteller vertritt und den Anwalt, der alle in Anspruch genommenen vertritt. Soweit der Anwalt nur einen von mehreren Teilschuldnern verritt, gilt für ihn allerdings nur der entsprechende geringere Teilwert, der ggf. nach § 33 RVG gesondert festzusetzen ist.

* Æ Beispiele: – 10.000 Euro sind hinterlegt. Der Kläger klagt gegen zwei Beklagte auf Freigabe der 10.000 Euro. Für den Anwalt des Klägers gilt der Wert von 10.000 Euro, für den Anwalt der Beklagten ebenfalls, unabhängig davon, ob er einen oder beide Beklagte vertritt. – 10.000 Euro sind hinterlegt zur Absicherung von Ansprüchen i.H.v. jeweils 5.000 Euro zugunsten des A und zugunsten des B. Der Kläger klagt gegen beide auf Freigabe. Der Streitwert für die Gerichtsgebühr beläuft sich auf 10.000 Euro. Für den Anwalt des Klägers gilt ebenfalls der Wert von 10.000 Euro. Lassen sich die Beklagten von demselben Anwalt vertreten, gilt auch für ihn 10.000 Euro. Lassen sie sich durch verschiedene Anwälte vertreten, gilt für jeden ein Wert von 5.000 Euro.

1 KG, Beschl. v. 8.4.1959 – 15 W 456/59, Rpfleger 1962, 120.

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N. Schneider

Einzelrichter

V. Mehrere Berechtigte Vertritt der Anwalt mehrere Berechtigte, die die Freigabe desselben Betrags oder derselben Gegenstände verlangen, wird der Gegenstandswert wegen wirtschftlicher Identät nicht erhöht. Hier greift dafür die Gebührenerhöhrung nach Nr. 1008 VV RVG.

2077

Vertritt der Anwalt mehrere Berechtigte, die die Freigabe verschiedener Beträge oder Gegenstände verlangen, sind die einzelnen Werte zusammen zu rechnen (§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG).

2078

* Æ Beispiele: – Für A und B als Gesamtgläubiger sind 10.000 Euro hinterlegt. Der Anwalt verlangt für A und B die Freigabe. Abzurechnen ist nur nach 10.000 Euro, allerdings mit einer Gebührenerhöhung nach Nr.1008 VV RVG. Jeder Auftraggeber schuldet im Innenverhältnis die Gebühren aus 10.000 Euro, allerdings ohne Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG (§ 7 Abs. 2 RVG). – Für A und B sind jeweils 5.000 Euro hinterlegt. Der Anwalt verlangt für A und B die Freigabe. Abzurechnen ist auch hier nach 10.000 Euro, da die Einzelwerte zusammenzurechnen sind (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG). Eine Werterhöhung nach Nr.1008 VV RVG greift jetzt nicht. Jeder Auftraggeber schuldet im Innenverhältnis aber die Gebühren nur aus 5.000 (§ 7 Abs. 2 RVG).

Einzelrichter Das Kollegialprinzip wurde mit der Neufassung der §§ 348 ff. ZPO durch das ZPO-RG für das landgerichtliche Verfahren in 1. Instanz aufgegeben. Die Zivilkammer entscheidet nunmehr danach grundsätzlich durch den Einzelrichter, soweit ihr nicht durch den Geschäftsverteilungsplan besondere Sachgebiete zugewiesen sind, § 348 ZPO. Unter bestimmten Voraussetzungen ist wiederum die Übertragung vom Einzelrichter auf die Kammer und umgekehrt von Amts wegen geboten (§§ 348 Abs. 3, 348a Abs. 2 ZPO).

2079

Der Einzelrichter erster Instanz (§ 348 ZPO) stellt das erkennende Prozessgericht dar. Seine Zuständigkeit endet nicht mit der Entscheidung der Hauptsache, sondern er bleibt für alle vom Richter in dieser Instanz zu treffenden Entscheidungen zuständig. Seine Entscheidungen, etwa bezüglich der Abhilfe in einem Erinnerungsverfahren, können auch dann nicht durch die Kammer ersetzt werden, wenn dieser als Kammermitglied an der Kammerentscheidung beteiligt ist.1

2080

In der Berufungsinstanz verbleibt es bei der originären Zuständigkeit des Kollegiums, eine Übertragung auf den Einzelrichter steht gem. § 526 ZPO im Ermessen des Gerichts. Kommt es zu einer Übertragung, dann obliegt dem Einzelrichter auch dann die Streitwertfestsetzung, wenn sich der Rechtsstreit vor ihm durch Vergleich erledigt hat.2

2081

1 OLG Hamm, Beschl. v. 7.9.1992 – 23 W 430/92, JurBüro 1993, 300. 2 OLG Bamberg, JurBüro 1971, 166.

Kurpat

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E-Mail 2082

Im Übrigen kann das Berufungsgericht einem seiner Mitglieder den Rechtsstreit zur Vorbereitung überweisen (§ 527 ZPO), in diesem Fall entscheidet der vorbereitende Einzelrichter u.a. über den Wert des Streitgegenstandes sowie Kosten, Gebühren und Auslagen, § 527 Abs. 3 Nr. 4, 5 ZPO. Hat der vorbereitende Einzelrichter eine in seine Zuständigkeit fallende Entscheidung getroffen, dann ist er auch zu einer hierauf bezogenen Streitwertfestsetzung befugt.1

2083

Anträge auf Übertragung der Sache an den Einzelrichter oder Rückübertragung vom Einzelrichter an das Kollegium (§§ 348 Abs. 3 Nr. 3, 348a Abs. 2 Nr. 2, 526 Abs. 2 Nr. 2, 527 Abs. 4 ZPO) sind Anträge zur Prozess- und Sachleitung gem. Nr. 3105 VV RVG (entspricht teilweise § 33 Abs. 2 BRAGO).2 Dass dies auch für „Anregungen“ auf Übertragung nach §§ 348a Abs. 1 ZPO gilt, muss bezweifelt werden, da die Prüfung hier von Amts wegen zu erfolgen hat und dem Gericht bei der Entscheidung kein Ermessenspielraum zusteht.

2084

Beschränkt sich die anwaltliche Tätigkeit in der mündlichen Verhandlung auf einen Antrag zur Prozess- und Sachleitung, dann bestimmt sich der Gegenstandwert nach dem nach § 3 ZPO zu schätzenden Interesse des Antragstellers.3

E-Mail 2085

Die Bewertung von Streitigkeiten, die sich mit Unterlassungsansprüchen bzgl. unerwünschter E-Mails beschäftigen, hängt vom Inhalt der übermittelten Nachricht ab. 1. Werbung

2086

Soweit es sich beim Inhalt der E-Mail um Werbung oder um eine in sonstiger Weise gewerblich bzw. geschäftlich geprägte Mitteilungen handelt, ist der Unterlassungsanspruch des Empfängers vermögensrechtlicher Natur, denn hier erfolgt das Verfahren allein bzw. maßgeblich auch aus wirtschaftlichen Gründen. Sein Wert ist dann nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen. Hinsichtlich der Einzelheiten kann auf das Stichwort „Unverlangte Werbung“ verwiesen werden. 2. Private Mitteilungen

2087

Soweit der Empfänger der E-Mail dagegen durch private Mitteilungen beleidigt, belästigt oder in sonstiger Weise in seiner Privatsphäre gestört wird, handelt es sich – vergleichbar mit einem belästigenden Telefonanruf4 – um 1 Zöller/Heßler, § 527 ZPO Rn. 12. 2 Zur alten Rechtslage Hartmann, § 33 BRAGO Rn. 36; a.A. für die Einverständigungserklärung nach § 527 Abs. 4 ZPO; Zöller/Heßler, § 527 ZPO Rn. 15. 3 BGH, Beschl. v. 29.11.1959 – III ZR 4/56, BGHZ 22, 283 = NJW 1957, 242 – Aussetzung; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.1.1991 – 7 WF 55/90, JurBüro 1991, 343; a.A. OLG Hamm, NJW 1971, 2317 = KostRsp. BRAGO § 33 Nr. 6; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 18.7.1991 – 7 Ta 157/91, JurBüro 1991, 749; AnwK-RVG/Onderka, VV 3105 Rn. 30 – Wert der Hauptsache. 4 Vgl. BGH, VersR 1985, 185.

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Onderka

Energie- und Wasserversorgung einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch, dessen Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 2 GKG zu bestimmen ist. In solchen Fällen geht es nämlich um Rechtsbeziehungen, die den sozialen Geltungsanspruch des Klägers in der Öffentlichkeit vor drohenden Beeinträchtigungen schützen sollen.1 Der Wert des Streitgegenstandes ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien zu bestimmen. Jedoch darf der Wert nicht über 1.000.000 Euro angenommen werden. Der Zuständigkeitsstreitwert solcher Verfahren ist unter Beachtung der Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG nach § 3 ZPO zu schätzen.

2088

Man wird in Anlehnung an § 23 Abs. 3 RVG von einem Regelstreitwert von 4.000 Euro für das Hauptsacheverfahren und 1.000 Euro bis 2.000 Euro für das einstweilige Verfügungsverfahren ausgehen können.2 Sodann ist anhand der Einzelheiten des jeweiligen Falles zu entscheiden, ob der Streitwert von diesem Ausgangspunkt nach oben oder nach unten abweicht.

2089

Will die Antragstellerin in einem einstweiligen Verfügungsverfahren erreichen, dass dem Antragsgegner ein trennungsbedingtes Verfolgungsverhalten (Zusendung von SMS und E-Mails, belästigende Anrufe) untersagt wird, so übersteigt der Wert in der Hauptsache in der Regel nicht 5.000 Euro.3

2090

Hinsichtlich der Einzelheiten der Wertbestimmung kann auf das Stichwort „Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit“ sowie auf das Stichwort „Belästigung“ verwiesen werden.

2091

Energie- und Wasserversorgung Gerät der Abnehmer von Energie- und Wasserversorgungsleistungen mit der Zahlung bereits angefallener Entgelte oder Vorauszahlungen in Rückstand, kann das Versorgungsunternehmen von dem ihm nach den Allgemeinen Vertragsbedingungen Gas/Wasser/Strom zustehenden Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen und die weitere Versorgung einstellen. Hierzu ist regelmäßig der Ausbau von Mess- und Regeleinrichtungen (Gas-, Wasser- oder Stromzählern) notwendig. Dabei darf der in der Regel auf (Ausbau durch Bedienstete und) Herausgabe der Mess- und Regeleinrichtungen gerichtete Klageantrag nicht den Blick darauf verstellen, dass die Klage auf Duldung der Unterbrechung der Energie- oder Wasserversorgung gerichtet ist. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert bestimmen sich daher nach § 3 ZPO bzw. § 48 Abs. 1 GKG. Maßgebend ist das Interesse des Versorgungsunternehmens, gegenüber seinem Kunden, der in Zahlungsverzug geraten ist, nicht weiter in Vorleistung treten zu müssen und die Entnahme weiterer Versorgungsleistungen bis zur Zahlung der Rückstände zu verhindern.4

1 Vgl. BGH, Urt. v. 17.10.1995 – VI ZR 352/94, NJW 1996, 999 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 3.4.1984 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43. 2 Vgl. Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Belästigung“. 3 OLG Köln, Beschl. v. 8.4.2002 – 11 W 25/02, OLGR 2002, 306 = NJW-RR 2002, 1723. 4 OLG Celle, Beschl. v. 23.2.2010 – 13 W 17/10, juris; OLG Hamburg, Beschl. v. 17.1.2008 – 14 W 3/08, ZMR 2008, 891; OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2005 – 5 W 161/05,

Kurpat

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2092

Energie- und Wasserversorgung 2093

Die Bewertung hat sich daher an der Höhe der geschuldeten monatlichen Abschlagszahlungen und dem voraussichtlichem Zeitraum zu orientieren, der üblicherweise zwischen der Entstehung des Duldungsanspruchs und der Erlangung einer entsprechenden vollstreckbaren Entscheidung liegt. Der potentielle Ausfallschaden wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt: zum Teil wird auf den Halbjahresbetrag der Abschlagszahlungen1 zum Teil auf den Jahresbetrag der Abschlagszahlungen2 abgestellt. Für den Jahresbetrag spricht neben der durchschnittlichen Dauer erstinstanzlicher Verfahren und dem üblicherweise zwischen Anspruchsentstehung und Klageerhebung liegenden Zeitraums auch das Risiko eines erhöhten Verbrauchs und/oder steigender Verbrauchsentgelte.

2094

Der bereits aufgelaufene Zahlungsrückstand ist als Anknüpfungspunkt nicht geeignet,3 weil er weder in einer Beziehung zum Umfang des weiter drohenden Ausfalls steht noch durch die begehrte Versorgungsunterbrechung verringert wird.4 Eine andere Beurteilung mag geboten sein, wenn der Kunde die laufenden Vorauszahlungen leistet und nach dem Inhalt des Streits eine Ausweitung des Rückstandes nicht droht.5

2095

Dass die Unterbrechung der Versorgung – aus technischen Gründen – mit einer Wegnahme von Mess- und Regeleinrichtungen verbunden ist, rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Insbesondere ist es verfehlt, gem. § 6 ZPO auf den Verkehrswert dieser Einrichtungen abzustellen oder diesen werterhöhend zu berücksichtigen.6 Dem Versorgungsunternehmen geht es nicht um den Besitz, sondern um die mit dem Ausbau verbundene Versorgungsunterbrechung. Dies gilt jedoch nur, wenn die Klage allein auf die Unterbrechung der Versorgung abzielt. Will sich das Versorgungsunternehmen zum Zwecke der Erneuerung oder Reparatur in den Besitz der Mess- und Regeleinrichtungen bringen, ist auf deren Verkehrswert abzustellen. Gleiches gilt, wenn der Netzbetreiber unabhängig vom Versorgungsunternehmen eine Rückgabe der Mess- und Regeleinrichtungen begehrt.7

1

2

3 4 5 6 7

ZMR 2006, 208; OLG Oldenburg, Beschl. v. 22.10.2009 – 5 W 54/09, MDR 2009, 1407 = NZM 2010, 135; OLG Schleswig, Beschl. v. 2.2.2009 – 14 W 6/09, NJW-RR 2010, 14; LG Hamburg, Beschl. v. 16.4.2004 – 309 T 39/04, ZMR 2004, 586; LG Koblenz, Beschl. v. 10.11.2006 – 14 T 7/06, n.v: bei einstw. Verfügung 1/2 Jahresvorauszahlungsbetrag; AG Hamburg-Bergedorf, Beschl. v. 30.12.2003 – 409 C 550/03, ZMR 2004, 273; AG Neuruppin, Beschl. v. 28.7.2005 – 42 C 109/05, WuM 2005, 596. OLG Braunschweig, Beschl. v. 20.6.2006 – 7 W 24/06, NJW-RR 2006, 1584; OLG Celle, Beschl. v. 23.2.2010 – 13W 17/10, juris; OLG Oldenburg, Beschl.v. 22.10.2009 – 5 W 54/09, MDR 2009, 1407 = NZM 2010, 135; OLG Schleswig, Beschl. v. 2.2.2009 – 14 W 6/09, NJW-RR 2010, 14; AG Hamburg, Beschl. v. 19.4.2007 – 518 C 451/06, juris; AG Oldenburg, Beschl. v. 20.8.2009 – 23 C 697/09, juris. OLG Celle, Beschl. v. 26.9.2006 – 4 W 77/09, n.v.; OLG Hamburg, Beschl. v. 17.1.2008 – 14 W 3/08, ZMR 2008, 891; OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2005 – 5 W 161/05, ZMR 2006, 208; LG Itzehoe, Beschl. v. 9.4.2008 – 9 T 20/08, ZMR 2008, 799; LG Köln, Beschl. v. 3.8.2007 – 13 T 132/07, IR 2008, 42 (Ls). So aber LG Duisburg, Beschl. v. 16.3.2007 – 13 T 18/07, NZM 2007, 896; LG Potsdam, Beschl. v. 2.5.2008 – 13 T 23/08, NZM 2009, 159. Zutr. AG Oldenburg, Beschl. v. 20.8.2009 – 23 C 697/09, juris. LG Duisburg, Beschl. v. 16.3.2007 – 13 T 18/07, NZM 2007, 896. So aber AG Königstein, Beschl. v. 25.4.2003 – 21 C 261/03, NJW-RR 2003, 949. LG Chemnitz, Beschl. v. 4.6.2007 – 3 T 443/07, GWF/Recht und Steuern 2008, 23.

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Enteignungsentschädigung Angesichts des Leistungscharakters ist bei einer einstweiligen Verfügung kein Abschlag vom Hauptsachewert gerechtfertigt.1

2096

Kommt es zu einem stattgebenden Urteil, bestimmt sich die (materielle) Beschwer des Beklagten nach der mit der fortdauernden Versorgungseinstellung verbundenen Beeinträchtigung. Diese entspricht dem Wert der vorenthaltenen Versorgungsleistung, sodass auch hier der Jahresbetrag der Abschlagszahlungen anzusetzen ist. In keinem Fall geht es dem Beklagten um den Besitz an der Messeinrichtung.2

2097

Klagt der Mieter gegen den Vermieter auf (Wieder-)Herstellung der Energieoder Wasserversorgung, steht der Umfang sich aus dem Mietverhältnis ergebender Pflichten und damit der Vertragsinhalt im Streit. Soweit sich die sachliche Zuständigkeit nicht bereits wertunabhängig aus § 23a Nr. 2 Buchst. a GVG ergibt, bestimmmt sich der Zuständigkeitsstreitwert gem. § 3 ZPO nach dem klägerischen Interesse an einer dahingehenden Versorgung.

2098

Dieses entspricht wertmäßig dem Betrag einer möglichen Mietminderung und sollte daher wie der Gebührenstreitwert – nach der Neufassung des § 41 Abs. 5 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.) – mit dem Jahresbetrag einer angemessenen Minderung beziffert werden.3

Enteignungsentschädigung Literatur: Schneider, JurBüro 1969, 597.

Für den Wert der Klagen auf Leistung von Enteignungsentschädigung, die nach Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG vor den ordentlichen Gerichten zu erheben sind, ist der verlangte Betrag abzüglich des ggf. von der Enteignungsbehörde festgesetzten Betrages anzusetzen.4

2099

Wird die festgesetzte Enteignungsentschädigung vom Kläger als zu gering, von der Beklagten (Behörde) als zu hoch angegriffen, dann handelt es sich nicht um denselben Streitgegenstand, da jeweils andere Entschädigungsbeträge zur Entscheidung gestellt und über beide Anträge sowohl positiv wie negativ oder auch unterschiedlich erkannt werden kann.5 Die Werte sind daher zu addieren.

2100

Macht der Kläger darüber hinaus einen im Entschädigungsbetrag nicht enthaltenen Folgeschaden geltend, also einen Schaden, der nicht durch die Substanzentschädigung abgegolten ist, dann ist dieser zusätzlich zu bewerten.

2101

Bei den Zinsen ist zu unterscheiden: – Soweit die Entschädigung für entgangene Nutzung in der Form einer Verzinsung des Substanzwertes bemessen wird, handelt es sich nicht um Ne-

2102

1 AG Oldenburg, Beschl. v. 20.8.2009 – 23 C 697/09, juris; a.A. LG Koblenz, Beschl. v. 10.11.2006 – 14 T 7/06, n.v: 1/2 Jahresvorauszahlungsbetrag. 2 Insoweit zutr. LG Duisburg, Urt. v. 30.4.2010 – 7 S 123/09, juris: jedoch Zahlungsrückstand oder Mehrkosten für anderweitige Versorgung erwägend. 3 So schon zum alten Recht LG Hamburg, Beschl. v. 9.10.1991 – 311 T 128/91, JurBüro 1994, 116; vgl. auch AG Kerpen, Urt. v. 6.6.1990 – 3 C 267/90, MDR 1990, 928: Duldung eines Wasseranschlusses – 1/2 des Jahresnutzungsentgelts. 4 OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 65; Hartmann, GKG, Anh I § 48 (§ 3 ZPO) Rn. 40. 5 Unrichtig daher OLG München (JurBüro 1976, 1358), das allerdings entgegen seiner Begründung im Ergebnis zutreffend addiert hat.

Onderka

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Enteignungsentschädigung benforderungen i.S. des § 43 GKG, § 4 Abs. 1 ZPO, sondern um die Hauptentschädigung.1 Die Zuerkennung von Zinsen stellt hier nur einen Berechnungsmodus dar, weshalb diese Zinsen entgegen § 248 BGB ihrerseits bei Verzug zu verzinsen sind. – Zinsen auf die zu zahlende Entschädigung (unter Einschluss der Verzinsung als Form des Nutzungsentganges) fallen jedoch unter § 43 GKG, § 4 ZPO.

* Æ Berechnungsbeispiel einer Enteignungsentschädigung: Substanzverlust Zinsen für Nutzungsentgang durch Besitzeinweisung für 2 Jahre Folgeschäden Gesamtentschädigung

30.000 Euro 4.200 Euro 6.000 Euro 40.200 Euro

Verzinslich ist der Betrag von 40.200 Euro. Nur die Zinsen hiervon sind Nebenforderung i.S. des § 4 ZPO.2

2103

Der BGH3 hat demgegenüber die Auffassung vertreten, Enteignungszinsen seien beim Streitwert auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie die Entschädigung für entgangene Nutzung darstellen. Dem hat sich das OLG Zweibrücken4 für die Veräußerung eines Grundstücks zur Abwendung der Enteignung angeschlossen.

2104

Mit dieser Auffassung setzt sich der BGH allerdings in Widerspruch zu einer älteren Entscheidung. Im Beschluss vom 14.11.19635 wurde nämlich ausgeführt, dass es sich dann nicht um Zinsen im Rechtssinne handele, soweit der Entschädigungsbetrag wegen Entziehung der abstrakten Nutzungsmöglichkeit eines Grundstücks in Form einer „Verzinsung“ des Wertes des Entschädigungsobjekts berechnet werde.

2105

In der Entscheidung vom 16.2.19706 hat der BGH es unterlassen, sich mit den Argumenten der Gegenmeinung und mit seiner eigenen abweichenden Rechtsprechung auseinander zu setzen. Er hat allerdings in einer nachfolgenden Entscheidung7 den Beschluss vom 14.11.1963 so wiedergegeben, dass es dort nicht um einen echten Zinsanspruch, sondern um eine in die Form des Zinses gekleidete Rente ging, die als Entschädigung für den durch die entzogene Nutzungsmöglichkeit entstandenen Minderwert des betroffenen Grundstücks zu zahlen war. Dabei ist aber wohl nicht genau genug unterschieden worden zwischen Zinsen als Bewertungsmaßstab für zuzusprechende Nutzung und Zinsen für zuerkannte bezifferte Nutzung, die noch nicht gezahlt worden ist. Folgende Bewertungssituationen sind daher auseinander zu halten: – Die Entschädigung wird berechnet, indem ein Prozentwert einer bestimmten Einbuße angesetzt wird, beispielsweise 5 % des Verkehrswertes des entzogenen Grundstücks. Dann ist der „Zinsbetrag“ unstreitig keine Nebenforderung. 1 2 3 4

BGH, NJW 1964, 294. Vgl. Schneider, JurBüro 1969, 597; OLG Köln, MDR 1969, 771 = JurBüro 1969, 634. BGH, Beschl. v. 16.2.1970 – III ZR 73/69, MDR 1970, 994. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.11.1986 – 3 W 180/86, MDR 1987, 334 = JurBüro 1987, 583. 5 BGH, Beschl. v. 14.11.1963 – III ZR 141/62, MDR 1964, 121. 6 BGH, Beschl. v. 16.2.1970 – III ZR 73/69, MDR 1970, 994 = MDR 1971, 116. 7 BGH, MDR 1974, 30 = NJW 1973, 2284.

410

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Onderka

Entlastung – Es ist von der Behörde ein konkreter Geldbetrag in Euro festgesetzt, zahlbar ab einem bestimmten Tag. Dann handelt es sich um Zinsen einer Geldforderung. Darauf sind die §§ 43 GKG, 4 ZPO anzuwenden. Auch das dürfte außer Streit sein. – Die Enteignungsentschädigung wird fällig, etwa weil der Besitzübergang auf den schon Begünstigten stattgefunden hat. Dann sind dem Enteigneten die Nutzung seines Grundstücks entzogen worden. Einen Geldersatz dafür hat er noch nicht bekommen; über dessen Höhe besteht noch keine Einigkeit. Nur dieser letzte Fall ist vom Streitwert her problematisch. Er ist dahin zu lösen, dass die Verzinsung der Entschädigung bis zur verbindlichen Festsetzung des Entschädigungsbetrages und der Festlegung des Zahltages nicht die Erfüllung eines offenen Geldanspruchs ausgleicht, sondern immer noch die Einbuße der entzogenen Nutzung abgilt und deshalb kein Zins im Sinne der § 43 GKG, § 4 ZPO ist. Es geht nicht an, dem Enteigneten über einen möglicherweise sehr langen Zeitraum hin die Grundstücksnutzung zu entziehen und ihn mit einem wirtschaftlich geringfügigen Zinsanspruch für diese Zeit abzufinden. Der Streitwert erhöht sich folglich um diesen, rechnerisch in Form von Zinsen ausgedrückten Nutzungsentgang. Das bedeutet, dass der um die „Nutzungszinsen“ erhöhte Enteignungsbetrag ab verbindlicher Festsetzung des Entschädigungsbetrages und der Festlegung des Zahlungstermins gesetzmäßig zu verzinsen ist.1 Es handelt sich dann nicht um Zinseszinsen, sondern um die Verzinsung eines einheitlichen Geldanspruchs.2

2106

In der Praxis wird es allerdings schwer sein, den so berechneten Anspruch durchzusetzen, da die Enteignungsbehörden sich gegen eine solche Bewertung unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 16.2.19703 wehren. Sie verlegen den Zinsbeginn auf einen möglichst frühen Zeitpunkt vor, etwa auf den Zeitpunkt des Besitzübergangs, weil dann der (abstrakte, der Höhe nach vielleicht unbestimmte) Entschädigungsanspruch schon fällig geworden sei.

2107

Entlastung Der Wert für Streitigkeiten betreffend die Entlastung von Organen und Organmitgliedern einer Gesellschaft ist nach den Grundsätzen zu bestimmen, die für die Bemessung des Streitwerts einer negativen Feststellungsklage gelten. Nach überwiegender Auffassung ist die Klage auf Entlastungserteilung keine Leistungs-, sondern eine negative Feststellungsklage, da die Entlastung wie ein Verzicht auf Ersatzansprüche oder wie das Anerkenntnis des Nichtbestehens derartiger Ansprüche gegen das Organ bzw. Organmitglied wirkt.

2108

1. Bezifferte Ersatzansprüche Macht die Gesellschaft konkrete Ansprüche geltend, kommt als Streitwert des Anspruchs auf Entlastungserteilung gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG 1 OLG Köln, MDR 1969, 771 = JurBüro 1969, 634; Schneider, JurBüro 1969, 597. 2 BGH, MDR 1964, 121 = NJW 1964, 294. 3 BGH, MDR 1970, 994.

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2109

Entnahmerecht derjenige Wert in Betracht, der dem Interesse des Klägers an der Feststellung entspricht, dass er aus Anlass seiner Geschäftsführertätigkeit von der Beklagten nicht auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann. Maßgebend ist deshalb der bezifferte Betrag der drohenden Inanspruchnahme.1 2. Unbezifferte Ersatzansprüche 2110

Werden von der Gesellschaft unbezifferte Ersatzansprüche gegen das Organ oder Organmitglied geltend gemacht, dann ist auf deren voraussichtliche Höhe abzustellen, also auf die Berühmung. Notfalls ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen, welche Ansprüche sich auf der Grundlage des Vorbringens der Gesellschaft, das der Kläger der negativen Feststellungsklage darzulegen hat, ergeben können. Insoweit entspricht die Bewertungssituation derjenigen der Bestimmung des Leistungsantrages in der Auskunftsstufe der Stufenklage.2 3. Anfechtung des Entlastungsbeschlusses

2111

Wird der Hauptversammlungsbeschluss über die Entlastung des Aufsichtsratsvorsitzenden angefochten, sind u.a. der Umfang des Aktienbesitzes des Klägers, die Größe und wirtschaftliche Bedeutung der Gesellschaft sowie die Beeinträchtigung des geschäftlichen Ansehens mit Wegfall der Entlastung zu berücksichtigen.3

Entnahmerecht 2112

Das Recht zu Entnahmen aus der Gesellschaftskasse ist in § 122 Abs. 1 HGB geregelt. Diese Vorschrift gilt jedoch nicht für den Kommanditisten (§ 169 Abs. 2 Satz 1 HGB). Abweichende vertragliche Regelungen sind zulässig. Für Klagen auf Feststellung eines gesetzlichen oder vertraglichen Entnahmerechts ist das Interesse des Klägers zu schätzen.

2113

Beansprucht der Kläger als Kommanditist ein Entnahmerecht während der Dauer des Gesellschaftsvertrages, dann berechnet sich der Streitwert des Feststellungsverfahrens nach § 9 ZPO auf den 3,5-fachen Jahresbetrag.4

Entschädigungsansprüche nach BEG S. das Stichwort „BEG-Entschädigungsansprüche“.

1 2 3 4

KG, JurBüro 1962, 281. Vgl. dazu das Stichwort „Stufenklage“. OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.1.1995 – 3 W 47/94, WM 1995, 620. OLG Bamberg, Beschl. v. 21.12.1981 – 3 W 115/81, JurBüro 1982, 284; das Gericht hat, da noch § 9 ZPO a.F. einschlägig war, im konkreten Fall auf den 12,5-fachen Jahresbetrag festgesetzt.

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Onderka

Erbbaurecht

Entziehung des Wohnungseigentums S. das Stichwort „Wohnungseigentum“.

Erbauseinandersetzung S. das Stichwort „Miterbe“.

Erbbaurecht Der Wert einer Klage auf Feststellung der Wirksamkeit des Erbbaurechtsvertrags bestimmt sich nach § 3 ZPO; § 6 ZPO ist nicht einschlägig, weil nicht der Besitz der Sache im Streit ist.1 Der Wert einer Klage auf Übertragung oder Bestellung eines Erbbaurechts bemisst sich nach dem Wert des Grundstücks (§ 6 ZPO). Das gilt auch für die Klage auf Rückübertragung.2

2114

Der Grundstückswert wiederum entspricht dem gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu schätzenden Verkehrswert.3

2115

Ist das Grundstück bebaut, dann erhöht sich der Verkehrswert um den Wert, des darauf errichteten Gebäudes.4

2116

Ob auflastende Grundpfandrechte abzuziehen sind, ist umstritten. Der BGH5 verneint dies. Eine Mindermeinung nimmt demgegenüber an, dass auflastende Grundpfandrechte abzuziehen sind.6 Dafür, Grundpfandrechte wertmindernd zu berücksichtigen, spricht, dass es nicht um den Grundbesitz als solchen, sondern lediglich um das Erbbaurecht geht; ist dieses allein wertbestimmend, dann liegt es nahe, die zur Gebäudefinanzierung aufgenommenen Grundpfandrechte abzuziehen.

2117

Der Streitwert einer Klage auf Erhöhung des Erbbauzinses bemisst sich nach dem Unterschiedsbetrag zwischen gezahlter und erstrebter Zinshöhe. Die Berechnung folgt nach § 9 ZPO.7

2118

Fällige Beträge sind hinzuzurechen. die Gegenauffassung,8 die § 45 Abs. 4 GKG (§ 45 Abs. 5 GKG a.F., früher § 17 Abs. 4 GKG) nicht für entsprechend anwendbar hält, dürfte nicht mehr haltbar sein, nachdem der BGH die analoge

2119

1 2 3 4 5

OLG München v. 25.1.1995 – 3 W 3089/94, JurBüro 1995, 484 = WuM 1995, 193. OLG Bamberg v. 26.8.1995 – 4 W 77/85, JurBüro 1985, 1705. OLG Frankfurt, JurBüro 1961, 139. OLG Saarbrücken v. 4.1.1978 – 5 W 151/77, AnwBl. 1978, 106. BGH, JurBüro 1982, 697 = ZIP 1982, 221 (für den Heimfallanspruch); OLG Frankfurt, JurBüro 1961, 139; OLG Celle, JurBüro 1974, 878. 6 S. LG Hannover, JurBüro 1974, 878; LG Köln, NJW 1977, 255. 7 OLG Celle, JurBüro 1972, 517; OLG München, JurBüro 1977, 1002; OLG Frankfurt/ M., JurBüro 1977, 1132; OLG Braunschweig, KostRsp. ZPO § 9 Nr. 24. 8 OLG Celle, JurBüro 1972, 517; OLG München, JurBüro 1977, 1002; OLG Frankfurt/ M., JurBüro 1977, 1132; OLG Braunschweig, KostRsp. ZPO § 9 Nr. 24.

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Erbbaurecht Anwendung z.B. in Mietsachen befürwortet hat.1 S. hierzu auch das Stichwort „Fällige Beträge“. 2120

Wird die Klage auf Zahlung eines erhöhten Erbbauzinses mit derjenigen auf Bewilligung der Eintragung einer entsprechend erhöhten Reallast im Grundbuch verbunden, dann liegt der Klagenhäufung dasselbe wirtschaftliche Interesse zugrunde. Die Eintragung im Grundbuch erhöht den Zahlungsanspruch des Klägers nicht, sondern vermindert lediglich das Risiko der Beitreibbarkeit. Der Wert des zusätzlichen „Sicherungsantrages“ ist deshalb dem Streitwert der Zahlungsklage nicht hinzuzurechnen.2

2121

Wird auf Übertragung einer Siedlerstelle im Erbbaurecht nach dem Reichsheimstättengesetz geklagt, dann bestimmt sich der Wert des Streitgegenstandes nicht nach dem Wert, den ein gleich beschaffenes, frei veräußerliches Grundstück hat. Zu berücksichtigen ist in erster Linie die Tatsache, dass ein Siedlergrundstück zugunsten des Trägers der Siedlung mit bestimmten Rechten belastet ist, die einer Zweckentfremdung vorbeugen sollen.3

2122

Der Streitwert für die Verpflichtung, auf einem städtischen Erbbaugrundstück ein Wohnhaus zu errichten, ist nach § 3 ZPO frei zu schätzen. Für die Klagen der Stadtgemeinde steht dabei das kommunalpolitische Interesse, dass zur Bebauung freigegebenes Gelände auch tatsächlich bebaut und durch Bereitstellung von Wohnungen der Wohnungsnot gesteuert wird, im Vordergrund.4 Der Streitwert muss erheblich unter den Baukosten liegen.5

2123

Bei einem Wegerecht bemisst sich nach OLG Frankfurt/M.6 das Interesse der klagenden Partei im Wesentlichen nach dem Bodenwert der Grundstücksfläche, die für das Wegerecht in Anspruch genommen wird. Für den Fall, dass nur ein Erbbaurecht dienen soll, sind nach Ansicht des Senats geringfügige Abstriche von dem Bodenwert zu machen.

2124

Diese Auffassung ist grundsätzlich abzulehnen. Das Wegerecht darf nicht nach dem Verkehrswert der zur Benutzung beanspruchten Fläche bemessen werden, da es niemals volles Eigentumsrecht gewährt. Umgekehrt wird auch der Eigentümer des dienenden Grundstückes von keiner Benutzung ausgeschlossen, die mit dem Wegerecht vereinbar ist. Es kommt daher nur eine Schätzung nach § 3 ZPO in Betracht, die wesentlich niedriger liegt als der Bodenwert. Bewertungsobjekt ist in erster Linie nicht das dienende, sondern das herrschende Grundstück (s. den entsprechend anzuwendenden § 7 ZPO). Deshalb ist für den Wertansatz zu fragen, welche wirtschaftliche Bedeutung die Einräumung des begehrten Notwegrechts für das herrschende Grundstück hat. Die dadurch eintretende Wertsteigerung ist gleich dem Interesse des Klägers und damit Bewertungsobjekt. Die Möglichkeit, die in § 7 ZPO erwähnt ist, dass die Wertminderung des dienenden Grundstückes größer ist als die Wertsteigerung des herrschenden, ist für die Wegerechte praktisch bedeutungslos. Ein Grundstück ohne Zugang ist in seinem Wert stets mehr gemin1 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, AGS 2004, 249 mit Anm. N. Schneider = JurBüro 2004, 378 = MietRB 2004, 234 = MDR 2004, 1437. 2 OLG Celle, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 52 mit Anm. Schneider = Nds.Rpfl. 1983, 159. 3 OLG Neustadt, Rpfleger 1957, 238. 4 OLG Frankfurt/M., MDR 1957, 560. 5 OLG Frankfurt/M., MDR 1957, 560. 6 OLG Frankfurt/M., JurBüro 1970, 437.

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N. Schneider

Erbschein dert als ein Grundstück mit Zugang, über das auch ein Nachbar gehen oder fahren darf.

Erbberechtigung Mangels Vorliegen einer Spezialvorschrift ist der Streitwert nach § 3 ZPO (nicht nach § 6 ZPO) nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers oder Rechtsmittelführers an dem geltend gemachten Erbteil zu schätzen. Unstreitige Anteile bleiben außer Ansatz.

2125

Ist nur die Erbberechtigung und nicht auch die Pflichtteilsberechtigung streitig, entspricht der Gegenstandswert der Differenz zwischen dem streitigen Erbteil und dem unstreitigen Pflichtteil.1

2126

Bei einer auf Erbauseinandersetzung gerichteten Klage ist für den Streitwert ausnahmsweise der von dem Beklagten gehaltene Erbteil maßgebend, wenn es dem Kläger bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise darum geht, das gesamte Erbe auf sich zu vereinen.2

2127

Erbenhaftung S. das Stichwort „Haftungsbeschränkung“.

Erbschein Der Streitwert einer Klage auf Herausgabe eines Erbscheins bemisst sich mangels Vorliegen einer Spezialvorschrift gem. § 3 ZPO nach dem wirtschaftlichen Interesse an der Herausgabe des Erbscheins.

2128

Dieses Interesse geht aber nur dahin, dass die Nachteile nicht eintreten, die dem wirklichen Erben infolge der rechtlichen Bedeutung des Erbscheins mit Rücksicht auf die §§ 2365, 2367 BGB drohen.3

2129

Weder der Nachlasswert noch das Interesse des Klägers, mittelbar die Ungültigkeit der letztwilligen Verfügung des Erblassers feststellen zu lassen, sind von Bedeutung.

2130

Allerdings kann im Einzelfall ein konkret dargelegter Beweisvorteil ins Gewicht fallen und zu einer Streitwerterhöhung führen.

2131

1 BGH, NJW 1975, 1415; OLG Köln, JurBüro, 1979, 1704; OLG Karlsruhe, 1992, Rpfleger 1992, 254; BayObLG, JurBüro 1993, 227. 2 OLG Celle, OLGReport 2001, 142 = ZErb 2001, 220. 3 RG, JW 1911, 813 Nr. 22; BGH, Beschl. v. 8.5.1967 – II ZR 191/66, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 176.

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Erbunwürdigkeit

Erbteilungsklage S. das Stichwort „Miterbe“.

Erbunwürdigkeit Literatur: Speckmann, MDR 1972, 905; E. Schneider, JurBüro 1977, 433 (442).

2132

Der Streitwert einer Erbunwürdigkeitsklage bestimmte sich nach älterer Rechtsprechung allein nach dem Interesse des Klägers an der sich für ihn aus der Erbunwürdigkeit ergebenden Besserstellung.1 Dieses Interesse setzte das OLG Stuttgart2 bei der Klage des Miterben dem Wert von dessen Anteil am Nachlass gleich. OLG Hamburg3 formulierte es so, dass das Interesse des Klägers sich nach der Höhe des Erbteils bestimme, der ihm mit der Rechtskraft eines obsiegenden Urteils zufallen würde.

2133

Diese Auffassung ist heute überholt und die ältere Rechtsprechung nicht mehr einschlägig. Denn der BGH hat in einer späteren Entscheidung4 unter Aufgabe der Entscheidung in JurBüro 1960, 205 die Auffassung vertreten, das Interesse des Beklagten an der Erbunwürdigkeitsklage sei maßgebend. Danach ist der Streitwert gleich dem Wert des Anteils am Nachlass, den der Beklagte bei erfolgreicher Erbunwürdigkeitsklage verliert. Erklärlich ist diese Rechtsprechung nur aus dem Bestreben, den wirtschaftlichen Auswirkungen einer Erbunwürdigkeitsklage Rechnung zu tragen: Klagt nämlich jemand, der bei Erbunwürdigkeit des Beklagten nur Miterbe zu einem Bruchteil wäre, so würde sich das zugunsten aller übrigen nachrückenden Erben auswirken. Bei Bewertung des Streitgegenstandes nur gem. dem Interesse des Klägers kommt der Beklagte dann unter Umständen nicht in die Rechtsmittelinstanz, obwohl wirtschaftlich ein revisibler Wert auf dem Spiele steht.5 S. dazu auch Rn. 1483 ff. und das Stichwort „Miterbe“ (Rn. 4091 ff.) m.w.N. zur einschlägigen Rechtsprechung des BGH.

2134

Zu bedenken ist allerdings, dass die Rückwirkung der Erbunwürdigkeitserklärung dazu führt, dass die erbrechtliche Übertragung auf den Beklagten entfällt. Gleichwohl darf daraus mit OLG Frankfurt6 nicht der Schluss gezogen werden, dass sich der Streitwert nach dem Gesamtwert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalles bemisst. Eine solche Schlussfolgerung ist nur dann zulässig, wenn eine einzige Person gegen eine einzige andere Person das Erbrecht für sich in Anspruch nimmt, ohne pflichtteilsberechtigt zu sein. Denn ledig-

1 2 3 4

BGH, Beschl. v. 10.7.1959 – V ZR 30/59, JurBüro 1960, 205. OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.4.1956 – 5/2 U 123/55, Rpfleger 1956, 168. OLG Hamburg, MDR 1959, 585. BGH, Urt. v. 20.10.1969 – II ZR 208/67, NJW 1970, 197 = MDR 1970, 124 = FamRZ 1970, 17; OLG Koblenz, Beschl. v. 11.12.1996 – 14 W 739/96, AGS 1997, 69 = MDR 1997, 693. 5 S. auch die entsprechende Situation bei der Abmeierungsklage nach § 18 WEG, Stichwort „Wohnungseigentum“ Rn. 6322. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.2.1971 – 6 W 557/70, JurBüro 1971, 540.

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Monschau

Erledigung der Hauptsache lich in diesem Fall ist der ganze Nachlass im Streit und der Streitwert deshalb nicht um erbrechtliche Beteiligungen des Klägers zu kürzen. Ist die Klage neben der Feststellung der Erbunwürdigkeit auf die Herausgabe des Nachlasses gerichtet, liegt wirtschaftliche Identität der Streitgegenstände vor, mit der Folge, dass die Werte nicht zu addieren sind.1

2135

Erbvertrag Der Streitwert für die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Rücktritts von einem Erbvertrag bemisst sich nach dem gem. § 3 ZPO zu schätzenden Interesse des Klägers an dem Weiterbestehen des Erbvertrages. Enthält dieser die Einsetzung des Klägers als Alleinerbe, dann ist gleichwohl nicht der Wert des gesamten Nachlasses maßgebend, weil der Erblasser nicht gehindert ist, über sein Vermögen zu verfügen und die Erbmasse zu schmälern.

2136

Aus diesen Erwägungen heraus ist es gerechtfertigt, die Feststellungsklage nur mit 1/4 des Wertes der Erbmasse im Zeitpunkt der Klage zu bewerten.

2137

Enthält der Erbvertrag eine letztwillige Verfügung, die den Kläger begünstigt, ohne ihn als Alleinerben einzusetzen, dann ist deren wirtschaftlicher Wert maßgebend.

2138

Wird eine Klage auf Rücktritt vom Vertrag gestützt, dann richtet sich der Streitwert danach, welche im Klageantrag konkretisierte Rechtsfolge aus dem Rücktritt hergeleitet wird. Das kann beispielsweise ein Rückzahlungsanspruch sein; dann ist der Nennbetrag der Forderung maßgebend. Handelt es sich hingegen etwa um den Antrag auf Feststellung der Wirksamkeit des Rücktritts vom Vertrag, dann muss der Streitwert nach § 3 ZPO geschätzt werden, wobei nicht einfach auf Leistung oder Gegenleistung abzustellen ist, sondern auf das wirtschaftliche Interesse an der Bindungsfreiheit, das im Wesentlichen in dem Vermögensunterschied vor und nach Rückgängigmachung des Vertrages besteht (s. bei dem Stichwort „Vertragsauflösung“).

2139

Erledigung der Hauptsache Literatur: E. Schneider, JurBüro 1965, 181 u. 967; MDR 1973, 625; JurBüro 1979, 1589 (Zinsen und Kosten nach teilweiser Hauptsachenerledigung); Schmidt, MDR 1984, 372; Pape/Notthoff, JuS 1995, 1016; Seutemann, MDR 1995, 122 und 1996, 555; Liebheit, NJW 2000, 2235 (Erledigung der Hauptsache im Mahnverfahren); Müller, Grundlagen der Sonderregelgungen der Streitwertbemessung, JurBüro 2001, 19; E. Schneider, Die Kostenregelung der Klagerücknahme nach neuem Recht, JurBüro 2002, 509; Wolff, NJW 2003, 553; Deckenbrock/Dötsch, Streitwert bei einseitiger Erledigungserklärung, JurBüro 2003, 287; Abramenko, Die Änderung des Streitwertes bei übereinstimmender Erledigungserklärung, Rpfleger 2005, 15.

1 BGH, JurBüro 1969, 1168.

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Erledigung der Hauptsache Gliederungsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . . . I. Erledigendes Ereignis . . . . . . II. Übereinstimmende Erledigungserklärung . . . . . . . . . . . . . III. Einseitige Erledigungserklärung IV. Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses . . . . . . . . . . . . B. Zuständigkeitsstreitwert I. Erkenntnisverfahren . . . . . . . II. Mahnverfahren 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . 2. Zeitpunkt der Wertberechnung . 3. Antragsänderung . . . . . . . . 4. Antragsänderung vor Abgabe . . 5. Fehlende Antragsänderung oder Erklärung nach Abgabe . . . . . C. Gebührenstreitwert . . . . . . . I. Übereinstimmende Erledigungserklärungen 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . 2. Zeitpunkt der Wertänderung . . 3. Kosten des Rechtsstreits . . . . II. Einseitige Erledigungserklärung 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . 2. Meinungsstand . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . 4. Zeitpunkt der Wertänderung . .

Rn. 2140 2141 2143 2146 2155 2160 2162 2163 2167 2170 2175 2176

2177 2179 2183 2188 2190 2197 2206

Rn. III. Teilweise Erledigung 1. Übereinstimmende Erledigungserklärung . . . . . . . . . . . . . 2207 2. Einseitige Teilerledigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . 2211 D. Besondere Verfahren I. Mahnverfahren . . . . . . . 1. Gerichtsgebühren . . . . . 2. Anwaltliche Gebühren . . II. Säumnisverfahren . . . . . III. Stufenklage . . . . . . . . . IV. Klage und Widerklage . . . V. Einstweiliger Rechtschutz VI. Zwangsvollstreckung . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

E. Rechtsmittel und Beschwer I. Anfechtbarkeit der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . II. Übereinstimmende Erledigung 1. Vollständige Erledigung . . . . . 2. Teilerledigung . . . . . . . . . . III. Einseitige Erledigungserklärung 1. Vollständige Erledigung . . . . . 2. Teilweise Erledigung . . . . . .

2217 2218 2220 2225 2228 2230 2231 2232

2233 2238 2239 2242 2245

F. Vergleich . . . . . . . . . . . . . 2246

Stichwortübersicht Rn. Akteneingang . . . . . . . . . . . . 2163 Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens . . . . . . . . . . 2223 Beschwer – bei einseitiger – . . . . . . . 2242, 2245 – bei übereinstimmender – . . . . . 2238 Differenzmethode . . . . . . . . . . 2214 Ehrverletzende Behauptungen . . . 2202 Eilverfahren . . . . . . . . . . . . . 2231 Einseitige Erledigungserklärung . . . . . . . 2146, 2156, 2161 – als Klageänderung . . . . . . . . . 2146 – Wert gleich Kosteninteresse . . . 2191 – Wert gleich Hauptsache . . . . . 2194 – Wert gleich 50 % der Hauptsache 2196 Erklärung – in der mündlichen Verhandlung . 2143 – stillschweigende . . . . . . . . . 2143 – nach Teilzahlung durch Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . 2158 Erledigendes Ereignis . . . . . . . . 2141 – Zeitpunkt des . . . . . . . . . . . 2155 Erfüllungshandlungen des Beklagten 2158

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Rn. Klageänderung . . . . . . . . . . . . 2146 Feststellung – der Hauptsacheerledigung . . . . 2188 Feststellungsinteresse . . . . . 2147, 2198 Fortsetzungsfeststellungsklage . . . 2204 Gefahr gleichartiger Rechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . 2203 Gerichtskostenbefreiung . . . . . . 2185 Klagerücknahme – Abgrenzung zur – . . . . . . . . . 2187 – privilegierte . . 2148, 2156, 2169, 2189 Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . 2183 – Befreiung von Gerichtskosten . . 2185 – Bezifferung, genaue . . . . . . . . 2186 – der Vorinstanzen . . . . . . . . . 2183 – des Mahnverfahrens . . . . . . . 2172 – vermeidbare . . . . . . . . . . . . 2175 Kostenentscheidung – Anfechtbarkeit . . . . . . . . . . 2233 Kosteninteresse . . . . . . . . 2192, 2198 – Bewertung des . . . . . . . . . . . 2214 – Überschreitung des . . . . . . . . 2201a

Erledigung der Hauptsache Rn. Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . 2162 – Gerichtsgebühren . . . . . . . . . 2218 – anwaltliche Gebühren . . . . . . . 2220 – Aufgabe des bisherigen Mahnantrages . . . . . . . . . . . . . . . 2168 – materielle Erledigung . . . . 2167, 2171 Mehrwertsteuer . . . . . . . . . . . 2183 Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 2156 Prozesshandlung . . . . . . . . . . . 2143 Quotenmethode . . . . . . . . . . . 2214 Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . 2236 Rechtshängigkeit der Hauptsache . . . . . . 2145, 2165, 2206 Rechtskraft, Umfang der . . . . 2150, 2201 Rechtsmittelinstanz . . . . . . . . . 2183 Rechtsnatur des prozessualen Anspruchs . . . . . . . . . . . . . 2152 Säumnisverfahren . . . . . . . . . . 2190 Streitwertfestsetzung, gestaffelte . . 2178 Streitgegenstand – Änderung des . . . . 2149, 2191, 2197 – unverändert bei einseitiger Erledigungserklärung . . . . . . . . . 2194 Schadensersatz . . . . . . . . . . . . 2204

Rn. Stillschweigende Erledigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2143 Stufenklage . . . . . . . . . . . . . . 2228 Übereinstimmende Erledigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . 2143 – nach Erörterung der Hauptsache . 2181 Vergleich – Gegenstandwert . . . . . . . . . . 2248 – mit übereinstimmender Erledigungserklärung . . . . . . . . . . . 2246 – negativer Kostenregelung . . . . . 2246 – zur Vermeidung eines neuen Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . 2250 Versäumnisverfahren . . . . . . . . . 2225 Widerklage . . . . . . . . . . . . . . 2230 Wirksamwerden der Erledigungserklärung(en) . . . . . . 2143, 2157 Zeitpunkt – des erledigenden Ereignisses . . . 2155 – der Wertänderung . . . . . . 2179, 2206 – der Wertberechnung . . . . . . . . 2163 Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2207 Zwangsvollstreckung . . . . . . . . 2232 Zuständigkeit, Fortdauer der . . . . 2164

A. Allgemeines Ohne Kenntnis von den mit der Erledigung des Rechtsstreits verbundenen materiell-rechtlichen und prozessualen Fragenstellungen sowie den hierzu vertretenen Lösungsansätzen, ist eine im Einzelfall zutreffende Streitwertbestimmung kaum möglich. Daher werden vorab die wesentlichen Tatbestandsmerkmale und prozessualen Folgen der Erledigung erörtert.

2140

I. Erledigendes Ereignis Unter Erledigung der Hauptsache versteht man das Eintreten einer Tatsache, die eine ursprünglich zulässige und begründete Klage nachträglich unzulässig oder unbegründet macht,1 etwa die Erfüllung der eingeklagten Geldforderung, der Untergang des vom Kläger beanspruchten Gegenstandes oder der Wegfall einer Wiederholungsgefahr wettbewerbswidriger Werbung aufgrund Geschäftsaufgabe und dergleichen.

2141

Hierbei hat allein das erledigende Ereignis (Tatsache) auf den prozessualen Anspruch (Streitgegenstand) und damit auf den Streitwert keinen Einfluss. Dieser bleibt solange unverändert, bis entsprechende die Erledigung der Hauptsache betreffende Erklärungen gegenüber dem Gericht abgegeben werden.2

2142

1 BGH, Urt. v. 6.12.1984 – VII ZR 64/84, MDR 1985, 570 = NJW 1985, 588 = BauR 1985, 353 = ZIP 1985, 833. 2 BGH, Beschl. v. 19.7.2004 – II ZR 41/02, BGHR 2005, 738; Urt. v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359 = MDR 1989, 523 = NJW 1989, 2885 = FamRZ 1989, 496; Hartmann, Anh. I § 48 GKG (§ 3 ZPO) Rn. 47.

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Erledigung der Hauptsache

II. Übereinstimmende Erledigungserklärung 2143

Die Erledigungserklärung unterliegt als Prozesshandlung den allgemeinen Voraussetzungen.1 Hinsichtlich der Form ist nach der Neufassung des § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO („oder“) davon auszugehen, dass die Erledigung auch im Falle obligatorischer mündlicher Verhandlung außerhalb dieser durch Einreichung eines Schriftsatzes wirksam erklärt werden kann. Ihre Wiederholung in der mündlichen Verhandlung hat dann nur noch deklaratorische Bedeutung.2 Eine wörtliche oder ausdrückliche Erklärung der Erledigung ist nicht erforderlich, es genügt, dass sich ein entsprechender Wille konkludent ermitteln lässt.3 Bloßes Schweigen des Beklagten auf die Erledigungserklärung des Klägers kann nur unter den Voraussetzungen des § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO als Zustimmung behandelt werden.4

2144

Hierbei stellt die Erledigungserklärung des Beklagten keine nachträgliche Zustimmung zur vorausgegangenen Erklärung des Klägers dar, für die man eine Rückwirkung nach § 184 Abs. 1 BGB annehmen könnte.5 Vielmehr sind die nach § 91a ZPO erforderlichen gleichgerichteten prozessualen Einverständniserklärungen (Bewirkungshandlungen) – im Hinblick auf die Rechtshängigkeit des betroffenen Klageanspruchs – als prozessualer Gesamtakt6 anzusehen. Die Reihenfolge der Erklärung ist dagegen, übereinstimmender Inhalt vorausgesetzt, ohne Bedeutung.7 Auch kann die eine Erklärung schriftsätzlich und die andere in der mündlichen Verhandlung abgegeben werden.8 Zeitlich ist eine übereinstimmende Erledigung bis zum Eintritt der Rechtskraft möglich.

2145

Wird die Hauptsache von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt, dann endet mit diesem Zeitpunkt die Rechtshängigkeit der Hauptsache.9 Über die Kosten des Rechtsstreits entscheidet das Gericht nach überwiegender Auffassung von Amts wegen10 gem. § 91a ZPO nach dem „bisherigen Sach- und Streitstand“, d.h. ohne weitere Beweiserhebung.11

III. Einseitige Erledigungserklärung 2146

Schließt sich der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht an, scheidet eine Anwendung des § 91a ZPO aus. Der Kläger muss entscheiden, 1 BGH, Urt. v. 7.6.2001 – I ZR 157/98, MDR 2002, 413 = NJW 2002, 442. 2 OLG Hamm, Beschl. v. 15.5.1996 – 23 W 1/95, OLGR 1996, 48 = JurBüro 1996, 85; ausführlich Zöller/Vollkommer, § 91a ZPO Rn. 10. 3 BGH, Urt. v. 12.3.1991 – XI ZR 148/90, NJW-RR 1991, 1211. 4 OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.4.2010 – 3 W 22/10, juris. 5 Zutr. OLG München, JurBüro 1969, 434; s. aber Abramenko, Rpfleger 2005, 15. 6 MünchKomm.ZPO/Lindacher, § 91a Rn. 26; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.1.2007 – 18 W 38/06, JurBüro 2007, 256 = OLGR 2007, 321; OLG Hamburg, Beschl. v. 1.7.1992 – 8 W 152/92, JurBüro 1993, 363 – damit ist für die Frage der Wertänderung aber noch nichts entschieden, vgl. unten Rn. 1816. 7 Prütting/Gehrlein/Hausherr, § 91a ZPO Rn. 20. 8 Zöller/Vollkommer, § 91a ZPO Rn. 10; MünchKomm.ZPO/Lindacher, § 91a Rn. 35. 9 BGH, Urt. v. 8.2.1989 – Va ZR 98/87, MDR 1989, 523 = NJW 1989, 2885 = FamRZ 1989, 496. 10 BGH, Beschl. v. 27.11.1996 – XII ZR 249/95, NJW-RR 1997, 510 = LM § 91a Nr. 67a; Zöller/Vollkommer, § 91a ZPO Rn. 22 m.w.N. 11 Str.; ausführlich Zöller/Vollkommer, § 91a Rn. 26.

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Erledigung der Hauptsache ob er die ursprüngliche Klage (hilfsweise) aufrechterhält, zurücknimmt oder die von ihm angenommene Erledigung selbst zum Gegenstand seines Klagebegehrens macht. Nach heute ganz überwiegender Auffassung umfasst die Erledigungserklärung für den Fall, dass sie einseitig bleibt, den Antrag festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.1 Hierbei ist der Übergang vom bisherigen Klagebegehren auf die Feststellungsklage als privilegierte Klageänderung (§ 264 Nr. 2 ZPO) zu qualifizieren, die nicht der Zustimmung des Prozessgegners bedarf.2 Das gilt im Übrigen auch für die Rückkehr zum urspünglichen Klageantrag unter Wideruf der – einseitig gebliebenen (und noch nicht beschiedenen) – Erledigungserklärung.3 Der Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens steht nicht entgegen, dass es sich – nach Darstellung des Klägers – um ein vergangenes Rechtsverhältnis handelt. Denn auch erloschene Rechtsverhältnisse können Gegenstand einer gerichtlichen Feststellung sein, wenn – und hier scheint bereits die Lösung der mit der einseitigen Erledigungserklärung verbundenen Streitwertprobleme auf – sie wenigstens die Grundlage weiterer Ansprüche bilden können,4 also trotz Erledigung rechtliche Folgen im Raum stehen. Dies ist bei der auf Feststellung der Hauptsacherledigung gerichteten Klage schon deswegen der Fall, weil der Kläger auf die Begründetheit des bisherigen Klagebegehrens (und der damit verbundenen Verursachung der Klageerhebung) seinen Anspruch auf Erstattung ihm entstandener Kosten der Rechtsverfolgung stützt.

2147

Der Annahme, dass es sich bei der einseitigen Erledigungserklärung um einen Wirksamkeitsstreit über eine kostenmäßig privilegierte Klagerücknahme handelt,5 dürfte mit der Neufassung des § 269 Abs. 3 ZPO der Boden entzogen sein. Denn hier hat der Gesetzgeber bei Eintritt eines erledigenden Ereignisses nur für einen zeitlich eng begrenzten Bereich die Möglichkeit der Klagerücknahme mit summarischer Kostenentscheidung eröffnet.6

2148

Mit der einseitigen Erledigungserklärung ist – notwendigerweise – eine Änderung des Streitgegenstandes verbunden, da der Kläger mit dem Übergang zur Feststellungsklage nicht mehr Verurteilung gem. der bisherigen Hauptsache, sondern nur noch die Feststellung eines bis zum Eintritt der Erledigung bestehenden Rechtsverhältnisses begehrt. Zur Entscheidung steht nicht mehr, ob der (bisherige) Anspruch des Klägers (noch) besteht, sondern nur noch, ob der Anspruch bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, dem der angenommenen Erledigung, bestanden hat.7

2149

1 BGH, Urt. v. 7.6.2001 – I ZR 157/98, MDR 2002, 413 = NJW 2002, 442; Beschl. v. 26.5.1994 – I ZB 4/94, MDR 1995, 92 = NJW 1994, 2364; BGH, Urt. v. 8.3.1990 – I ZR 116/88, NJW 1990, 3147 = ZIP 1990, 1431; Musielak/Wolst, § 91a ZPO Rn. 28; Zöller/ Vollkommer, § 91a Rn. 34 m.w.N.; a.A. MünchKomm.ZPO/Lindacher, § 91a Rn. 92 m.w.N.: Zwischenstreit über den Fortgang des Verfahrens. 2 BGH, Urt. v. 7.6.2001 s.o. Musielak/Wolst, § 91a ZPO Rn. 29; Zöller/Vollkommer, § 91a Rn. 34 m.w.N. 3 BGH, Urt. v. 7.6.2001 – I ZR 157/98, MDR 2002, 413 = NJW 2002, 442. 4 BGH, Urt. v. 29.4.1958 – VIII ZR 198/57, MDR 1958, 511 = NJW 1958, 1293; BAG, Urt. v. 23.4.1997 – 5 AZR 727/95, MDR 1997, 1150 = NJW 1997, 3396; MünchKomm.ZPO/Becker-Eberhard, § 256 Rn. 28; Zöller/Greger, § 256 Rn. 3a. 5 Ablehnend schon BGH, Urt. v. 6.12.1984 – VII ZR 64/84, NJW 1984, 588. 6 S. auch Zöller/Herget, § 91a Rn. 47: ein Fall der Angleichung. 7 BGH, Beschl. v. 26.5.1994 – I ZB 4/94, NJW 1994, 2363 = LM § 91a Nr. 64; BGH, Urt. v. 27.2.1992 – I ZR 35/90, NJW 1992, 2235; BGH, Urt. v. 8.3.1990 – I ZR 116/88, NJW

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Erledigung der Hauptsache 2150

Daher ist auch die Annahme falsch, mit der Abweisung der Feststellungsklage werde zugleich die ursprüngliche Leistungsklage abgewiesen.1 Da der Übergang von der Leistungs- zur Feststellungsklage keiner Zustimmung bedarf (§ 264 Nr. 2 ZPO), kann sich der Klageabweisungsantrag des Beklagten – zu Vermeidung von Säumnisfolgen (§ 333 ZPO) – nur auf den Feststellungsantrag beziehen. Im Übrigen liegt der vorbezeichneten Annahme eine unzutreffende Bestimmung von Streitgegenstand und Umfang der Rechtskraft der Leistungsund Feststellungsklage zugrunde.

2151

Denn während bei Aufrechterhaltung der Hauptsacheklage über ein zum Schluss der mündlichen Verhandlung bestehendes Rechtsverhältnis entschieden worden wäre, wird bei der Feststellungsklage über den Bestand eines vergangenen Rechtsverhältnisses entschieden. Dabei sind trotz desselben materiell-rechtlichen Anspruchs unterschiedliche Bewertungen möglich. So folgt aus der Abweisung des Feststellungsantrags nicht notwendigerweise, dass die zuvor gestellte Leistungsklage – ohne Eintritt des (angeblich) erledigenden Ereignisses – ebenfalls hätte abgewiesen werden müssen. Dies zeigen schon die Beispiele, dass auf einen noch nicht fälligen Anspruch gezahlt wird oder einem Ereignis nicht die vom Kläger angenommene erledigende Wirkung zukommt. Hier folgt aus der Abweisung der Feststellungsklage keineswegs, dass ohne Zahlung die Leistungsklage ebenfalls abgewiesen worden wäre, da die fehlende Fälligkeit noch zwischen Zahlung (angeblich erledigendes Ereignis) und Schluss der mündlichen Verhandlung hätte eintreten können. Fehlt es allein an einem erledigenden Ereignis, müsste dem ursprünglichen Klageantrag sogar stattgegeben werden. Folgerichtig erfasst die Rechtskraft einer den Feststellungsantrag abweisenden Entscheidung nicht den Bestand des Leistungsantrages zum Schluss der mündlichen Verhandlung. Sie ist allenfalls negativ präjudiziell für eine erneute Leistungsklage, deren Erhebung nicht der Einwand einer bereits ergangenen rechtskräftigen Entscheidung entgegensteht.2

2152

Die Rechtsnatur des Klagebegehrens verändert sich weder durch übereinstimmende noch durch einseitige Erledigungserklärungen; eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit kann sich also dadurch nicht in eine vermögensrechtliche verwandeln.3 Die Qualifizierung war früher für Berufungen und Revisionen von Bedeutung, weil in nichtvermögensrechtlichen Sachen, anders als in vermögensrechtlichen, die Rechtsmittel keine Mindestbeschwer erforderten. Diese Unterscheidung ist für die Berufung durch das RpflegeEntlG 1993 und für die Revision durch das ZPO-ReformG 2001 hinfällig geworden.

1990, 3147 = LM UWG § 1 Nr. 550; a.A. noch BGH, Urt. v. 11.7.1990 – XII ZR 10/90, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1009 mit Anm. E. Schneider = FamRZ 1990, 1225; widersprüchlich Urt. v. 1.6.1990 – V ZR 48/89, NJW 1990, 2682; Urt. v. 8.12.1981 – VI ZR 161/80 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 568 mit Anm. E. Schneider = NJW 1982, 767 = VersR 1982, 295. 1 So aber noch BGH, Urt. v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, MDR 1989, 523 = NJW 1989, 2885; ebenso noch die 11. Auflage; unklar BGH, Urt. v. 27.2.1992 – I ZR 35/90, NJW 1992, 2236. 2 MünchKomm.ZPO/Lindacher, § 91a Rn. 84 m.w.N.; Zöller/Vollkommer, § 91a ZPO Rn. 46. 3 BGH, Urt. v. 8.12.1981 – VI ZR 161/80, JurBüro 1982, 596 = NJW 1982, 767 = VersR 1982, 295 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 568 mit Anm. E. Schneider.

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Erledigung der Hauptsache Die Hauptsache kann – übereinstimmend oder einseitig – auch teilweise für erledigt erklärt werden. Dann gelten die Rechtsgrundsätze zur Hauptsacheerledigung hinsichtlich des von der Erledigungserklärung betroffenen (Teils des) Streitgegenstandes.

2153

Zur rechtlichen Einordnung der „Erledigungserklärung“ im Mahnverfahren s. nachfolgend Rn. 2162 ff.

2154

IV. Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses Erklären die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt, kommt der Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, keine Bedeutung zu. Aufgrund der Dispositionsmaxime der Parteien, die sie zu einer jederzeitigen Beendigung des Rechtsstreits berechtigt, tritt die übereinstimmende Erledigungserklärung an die Stelle des erledigenden Ereignisses. Sie „erledigt“ den Rechtsstreit in der Hauptsache. Dies unabhängig davon, ob das die Erledigungserklärungen auslösende Ereignis vor oder nach Rechtshängigkeit liegt.1

2155

Bleibt die Erledigungserklärung des Klägers hingegen einseitig, ist das Vorliegen eines erledigenden Ereignisses nur für die Begründetheit der nunmehr auf Feststellung der Hauptsacheerledigung gerichteten Klage von Bedeutung. Liegt der Zeitpunkt des vom Kläger behaupteten erledigenden Ereignisses (bzw. der Wegfall des die Klageeinreichung veranlassenden Umstandes) vor Rechtshängigkeit, ist die einseitige Erledigungserklärung mangels abweichender Angaben als privilegierte Klagerücknahme gem. § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auszulegen.2 Für eine Auslegung in eine auf Kostenersatz gerichtete Feststellungsklage3 besteht nach der Neufassung des § 269 Abs. 3 ZPO in der Regel kein Anlass. Es sollte jedoch nicht übersehen werden, dass die nach §§ 269 Abs. 3 Satz 3, 91a Abs. 1 ZPO zu erwartende Kostenverteilung aufgrund der Besonderheiten der Billigkeitsentscheidung und auf Grundlage des „bisherigen Sach- und Streitstandes“ vom Kläger weit weniger beeinflusst werden kann, als bei einer Kostenfeststellungsklage.4 Hierauf sollte das Gericht im Zweifel gem. § 139 ZPO hinweisen.

2156

In beiden Fällen hat das erledigende Ereignis allein keinen Einfluss auf die Streitwertbestimmung, weder vorgerichtlich noch während des Rechtsstreits. Vielmehr wird der Streitwert – wie auch sonst – erst durch die Vornahme von Prozesshandlungen beeinflusst, die der (ggfs. streitigen) Erledigung Rechnung tragen.5 Soweit darüber hinausgehend streitwertrechtliche Auswirkungen unabhängig von der „prozessualen Wirksamkeit der Erledigungserklärung(en)“ bejaht werden,6 ist dem nicht zu folgen. Denn für die zur Begründung heran-

2157

1 Zöller/Vollkommer, § 91a ZPO Rn. 6, 16 m.w.N. 2 OLG Brandenburg, MDR 2000, 1393 = NJW-RR 2001, 1436; OLG München, OLGR 1997, 202; Zöller/Vollkommer, § 91a ZPO Rn. 42; a.A. und auf bloße Anhängigkeit abstellend OLG Köln, MDR 1996, 208 = NJW-RR 1996, 1023; MünchKomm.ZPO/ Lindacher, § 91a ZPO Rn. 30 m.w.N. 3 Vgl. etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2001 – 23 U 59/01, OLGR 2002, 296. 4 Eingehend Elzer, NJW 2002, 2006 (2006 f.). 5 BGH, Beschl. v. 19.7.2004 – II ZR 41/02, BGHR 2005, 738; Urt. v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359 = MDR 1989, 523 = NJW 1989, 2885 = FamRZ 1989, 496. 6 So OLG Hamm, Beschl. v. 15.5.1995 – 23 W 1/95, OLGR 1996, 48 = JurBüro 1996, 85; OLG Koblenz, Beschl. v. 17.10.1991 – 14 W 572/91, JurBüro 1992, 465.

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Erledigung der Hauptsache gezogene wirtschaftliche Betrachtungsweise fehlt es ohne wirksame Prozesshandlung an einem Bezugspunkt. 2158

Da allein die Erfüllungshandlungen des Beklagten den prozessualen Anspruch (Streitgegenstand) nicht verändern, erhält der Prozessbevollmächtigte die Verfahrensgebühr nach dem Hauptsachewert folglich auch dann, wenn der Beklagte vor Mandatserteilung oder vor mündlicher Erörterung Teilzahlungen an den Kläger erbringt, die Erledigungserklärungen zur Hauptsache aber erst danach gegenüber dem Gericht abgegeben werden.1 Ebenso liegt es, wenn der Anwalt dem Mandanten rät, einen Teilbetrag zu zahlen, dieser dem Rat folgt und dann die Hauptsache teilweise für erledigt erklärt wird.2

2159

Die gegenteilige Auffassung3 setzt zu Unrecht das außerprozessuale Verhalten einer Partei (Teilzahlungen) mit den (ggfs.) dem Anwaltszwang unterliegenden Prozesshandlungen (Abgabe der Erledigungserklärung) gleich.

B. Zuständigkeitsstreitwert I. Erkenntnisverfahren 2160

Die übereinstimmende Erledigungserklärung setzt nach zutreffender Ansicht ein Prozessrechtsverhältnis (§ 91a Abs. 1 ZPO: „den Rechtsstreit“) und damit eine rechtshängige Klageforderung voraus.4 Folglich bleibt die übereinstimmende Erledigungserklärung schon wegen § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO (sog. perpetuatio fori) auf eine einmal begründete Zuständigkeit ohne Einfluss.

2161

Dies gilt im Ergebnis auch für die einseitig gebliebene Erledigungserklärung, die als Antrag auf Feststellung des Inhalts anzusehen ist, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist5 (s. im Einzelnen oben Rn. 2146 ff.). Zwar erfordert der klageändernde Charakter einer Prozesshandlung eine streitwertrechtliche Neubewertung und ermöglich damit im Fall der die Streitwertgrenze überschreitenden Klageerweiterung (§ 264 Nr. 2 ZPO), bei einer Klagebeschränkung gilt § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, grundsätzlich eine Verweisung.6 Es besteht jedoch trotz der Differenzen über die Bewertung der einseitigen Erledigungserklärung Einigkeit darüber, dass der Streitwert des Feststellungsbegehrens nicht über dem Wert der bisherigen Hauptsache liegen kann (s. nachfolgend Rn. 2190 ff.). Eine Verweisung des Rechtsstreits vom AG zum LG gem. § 506 ZPO scheidet daher aus.

1 OLG Dresden, Beschl. v. 16.7.2001 – 19 W 934/01, JurBüro 2001, 589; OLG Stuttgart, JurBüro 1981, 860 = Justiz 1981, 316. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.5.1993 – 10 W 14/93, OLGR 1993, 235 = JurBüro 1994, 241 mit zust. Anm. Mümmler = AnwBl. 1993, 578 = JR 1993, 327. 3 OLG Hamburg, Beschl. v. 28.8.1981 – 8 W 252/89, JurBüro 1981, 1518 = MDR 1982, 63 – Zahlung vor Erörterung und nachfolgender Erledigungserklärung; OLG Schleswig, Beschl. v. 10.3.1981 – 9 W 30/81, JurBüro 1981, 921. 4 Vgl. Zöller/Vollkommer, § 91a Rn. 17 m.w.N. 5 BGH, Beschl. v. 26.5.1994 – I ZB 4/94, MDR 1995, 92 = NJW 1994, 2364; Urt. v. 8.3.1990 – I ZR 116/88, NJW 1990, 3147 = ZIP 1990, 1431; Musielak/Wolst, § 91a Rn. 28; Zöller/Vollkommer, § 91a Rn. 34 m.w.N. 6 BGH, Beschl. v. 17.5.1989 – I ARZ 254/89, NJW 1990, 53; Zöller/Greger, § 261 Rn. 12.

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Erledigung der Hauptsache

II. Mahnverfahren 1. Allgemeines Für die Durchführung des Mahnverfahrens ist das Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Wert des geltend gemachten Zahlungsanspruchs sachlich ausschließlich zuständig, § 689 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Bewertungsprobleme stellen sich hier nicht. Anders liegt es beim Übergang in das Streitverfahren, wenn während des Mahnverfahrens auf die im Mahnbescheid geltend gemachte Forderung Zahlungen erbracht worden sind. Hier kann es zu Wertunterschieden zwischen Mahn- und Streitverfahren kommen. Insoweit ist zu prüfen, ob die mit dem Mahnbescheid geltend gemachten (Haupt- und Neben-)Forderungen in vollem Umfang oder nur teilweise erfüllt wurden und die hierdurch veranlasste „Erledigungserklärung“ vor oder nach Abgabe des Verfahrens an das Prozessgericht erfolgte.

2162

2. Zeitpunkt der Wertberechnung Maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertberechnung ist gem. § 4 Abs. 1 ZPO derjenige der Klageeinreichung (Anhängigkeit). Diesem Zeitpunkt entspricht bei der Überleitung der Mahnsache in das streitige Verfahren gem. § 696 Abs. 1 Satz 4 ZPO der Eingang der Akten beim Prozessgericht, nicht die Einreichung des Mahnantrages oder des Antrages auf Durchführung des streitigen Verfahrens.1

2163

Der vorgenannte Bewertungszeitpunkt wird durch die Regelung über die Fortdauer einer einmal begründeten Zuständigkeit in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht in Frage gestellt. Zwar gilt nach § 696 Abs. 3 ZPO die Streitsache mit Zustellung des Mahnbescheides als rechtshängig geworden, jedoch findet § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO auf diese zurückbezogene Rechtshängigkeit nach ganz überwiegender Ansicht wegen der Besonderheiten des Mahnverfahrens keine Anwendung.2 Es handelt sich um eine Rückwirkungsfiktion für materiellrechtliche Normen, die an den Eintritt der Rechtshängigkeit anknüpfen, beispielsweise für den Anfall von Prozesszinsen (§ 291 BGB) oder den Ersatz von Nutzungen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§ 987 BGB).

2164

Die mit dem Erlass des Vollstreckungsbescheids verbundene fiktive Rechtshängigkeit nach § 700 Abs. 2 ZPO rechtfertigt keine andere Bewertung, was bereits aus der Verweisung in § 700 Abs. 3 Satz 2 ZPO folgt. Danach gilt bei

2165

1 KG, Beschl. v. 21.2.2002 – 2 AR 19/02, MDR 2002, 1147; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.2.1996 – 21 AR 10/96, NJW-RR 1996, 1403; Beschl. v. 28.7.1992 – 20 AR 10/92, NJW-RR 1992, 1341; OLG Hamm, Beschl. v. 26.4.2001 – 23 W 594/00, JurBüro 2002, 89; OLG München, Beschl. v. 16.11.1998 – 11 W 2823/98, MDR 1999, 508; OLG Rostock, Beschl. v. 18.2.2002 – 8 W 64/01, MDR 2002, 665; OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.2.1999 – 8 W 527/98, MDR 1999, 634; Musielak/Heinrich, § 4 ZPO Rn. 4; Zöller/ Herget, § 4 ZPO Rn. 3; a.A. für Gebührenstreitwert OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 704; 98, 1077: hier zu Unrecht auf den Streitantrag abstellend. 2 BayObLG, Beschl. v. 29.6.1994 – 1 Z AR 31/94, MDR 1995, 312 = NJW-RR 1995, 636; KG, Beschl. v. 21.2.2002 – 2 AR 19/02, MDR 2002, 1147; Beschl. v. 27.11.1997 – 28 AR 55/97, MDR 1998, 35; OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.9.1994 – AR 15/94, NJWRR 1995, 831; OLG Hamburg, Beschl. v. 9.6.1998 – 8 W 139/98, MDR 1998, 1121; OLG München, Beschl. v. 16.5.1997 – 11 W 1392/97, JurBüro 1997, 602; OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.4.1984 – 8 W 324/83, MDR 1984, 673; MünchKomm.ZPO/Schüler, § 696 Rn. 20; Musielak/Voit, § 696 ZPO Rn. 6; Zöller/Vollkommer, § 696 ZPO Rn. 7.

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Erledigung der Hauptsache Einlegung eines Einspruchs § 696 Abs. 1 Satz 4 ZPO, wonach der Rechtsstreit (erst) mit Akteneingang als anhängig anzusehen ist, entsprechend. Maßgeblicher Zeitpunkt für § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ist auch hier der Akteneingang, sodass bei Wertdifferenzen zwischen Mahn- und Vollstreckungsbescheid immer auf Letzteren abzustellen ist.1 2166

Die vorstehenden Ausführungen gelten auch dann, wenn die Abgabe nach Widerspruchseinlegung nicht alsbald erfolgt. Da ein Eintritt der Rechtshängigkeit vor Anhängigkeit ausscheidet, kommt alternativ zum Akteneingang nur die nach außen erkennbare Aufnahme der gerichtlichen Tätigkeit2 oder die Zustellung der Anspruchsbegründung in Betracht.3 Beides trägt den Besonderheiten des Mahnverfahrens nur unzureichend Rechnung.4 Streitwertrechtlich gewinnt die Frage an Bedeutung, wenn eine Antragsbeschränkung auf einen Wert unterhalb der Zuständigkeitsgrenze erstmals in der nach Abgabe eingereichten Anspruchsbegründung erfolgt. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO stünde dann einer Verweisung vom LG an das AG nicht entgegen.5 3. Antragsänderung

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Entscheidend für die sachliche Zuständigkeit ist mithin, in welchem Umfang das Mahnverfahren an das Streitgericht abgegeben worden ist. Dies wird bei Zahlungen des Beklagten maßgeblich davon beeinflusst, ob sich der Kläger bereits im Mahnverfahren, d.h. vor Abgabe der Akten an das Prozessgericht, auf eine vollständige oder nur teilweise materielle Erledigung der Mahnantragsforderung berufen und diese insoweit nicht mehr zur Entscheidung des Prozessgerichts gestellt hat. In der Praxis geschieht dies oft dadurch, dass „der Rechtsstreit“ in der Hauptsache (teilweise) für erledigt erklärt wird. Hierin ist weder eine Rücknahme des Streitantrages6 noch ein Antrag auf Feststellung einer dahingehenden Erledigung zu sehen.7

2168

Vielmehr ist diese Erklärung sachgerecht dahingehend auszulegen, dass der Kläger – unter Aufgabe des bisherigen Mahnantrages – die Feststellung der (materiell-rechtlichen) Verpflichtung des Beklagten zur Kostentragung be1 OLG Braunschweig, OLGR 1999, 310; OLG Koblenz, Rpfleger 1982, 292; MünchKomm.ZPO/Schüler, § 700 Rn. 7; Musielak/Voit, § 700 Rn. 3; Zöller/Vollkommer, § 686 Rn. 6; ohne Begründung a.A. Fischer, MDR 2000, 301 (303); Thomas/Putzo/ Hüßtege, § 700 Rn. 3. 2 So OLG Köln, Urt. v. 22.2.1985 – 6 U 191/84, MDR 1985, 680. 3 So Baumbach/Hartmann, § 696 Rn. 11; MünchKomm.ZPO/Schüler, § 696 Rn. 21; Musielak/Voit, § 696 Rn. 4. 4 KG, Beschl. v. 13.2.1998 – 28 AR 61/97, MDR 1998, 618; Beschl. v. 27.11.1997 – 28 AR 55/97, MDR 1998, 735; Zöller/Vollkommer, § 696 Rn. 5 m.w.N.; offen lassend KG, Beschl. v. 21.1.2002 – 2 AR 19/02, MDR 2002, 1147; offen lassend für Einhaltung materiell-rechtlicher Fristen BGH, Urt. v. 14.11.1991 – IX ZR 250/90, MDR 1992, 180 = NJW 1993, 1070: spätestens mit Zustellung der Anspruchsbegründung; Urt. v. 18.10.1990 – IX ZR 43/90, BGHZ 112, 325 = NJW 1991, 171: nicht vor Abgabe. 5 Vgl. etwa KG, Beschl. v. 21.2.2002 – 2 AR 19/02, MDR 2002, 147. 6 So aber KG, Beschl. v. 8.12.1997 – 18 W 8917/97, KGR 1998, 54; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.2.1988 – 13 W 10/88, MDR 1988, 1066; OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.4.1984 – 8 W 324/83, MDR 1984, 673 = JurBüro 1984, 1220. 7 So aber OLG Bamberg, JurBüro 1992, 762; OLG München, Beschl. v. 28.2.1996 – 28 W 676/96, JurBüro 1996, 368 = NJW-RR 1996, 956; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.7.1998 – 12 W 17/98, OLGR 1999, 94.

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Erledigung der Hauptsache gehrt. Denn gegen eine Wertung als Rücknahme des Streitantrages spricht, dass dann der „erledigte“ Teil des Mahnverfahrens nicht in das Streitverfahren übergeleitet und damit eine Entscheidung über die durch diesen verursachten Kosten verhindert wird,1 obwohl dem Kläger an einer Sachentscheidung gelegen ist.2 Der Annahme eines auf Erledigung gerichteten Feststellungsantrages widerstreitet, dass mangels Rechtshängigkeit des zuvor geltend gemachten Anspruchs eine Erledigung der Hauptsache nicht festgestellt werden kann, die geänderte Klage daher in jeden Fall unbegründet wäre. Dem Kosteninteresse des Klägers kann (und muss daher) dahingehend Rechnung getragen werden, dass die materiell-rechtliche Kostentragungspflicht des Beklagten Streitgegenstand wird.3 Die Annahme einer privilegierten Klagerücknahme (§ 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO) vor Abgabe des Verfahrens dürfte angesichts fehlender Anhängigkeit des Zahlungsanspruchs nicht in Betracht kommen, arg. § 696 Abs. 1 Satz 4 ZPO.4 Dass auch eine übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien nach Abgabe an das Prozessgericht ausscheidet,5 erscheint angesichts der Dispositionsmaxime der Parteien dagegen zweifelhaft.

2169

4. Antragsänderung vor Abgabe Hat der Beklagte die mit dem Mahnbescheid geltend gemachte Forderung durch Zahlung vollständig beglichen und sich der Kläger vor Abgabe darauf berufen, dann bemisst sich der Streitwert des mit Akteneingang rechtshängigen Feststellungsantrages nach dem Kosteninteresse des Klägers, mithin nach den Kosten des Mahnverfahrens.6

2170

Umstritten ist hingegen, ob bei nur teilweiser materieller Erledigung und entsprechender Antragsbeschränkung vor Abgabe sich der Zuständigkeitsstreitwert unverändert nach dem bisherigen Wert,7 nach der Restforderung,8 der

2171

1 OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2001 – 23 U 59/01, OLGR 2002, 296; OLG Hamm, Beschl. v. 12.6.2001 – 21 W 29/00 + 21 W 7/01, OLGR 2001, 297; OLG München, Beschl. v. 28.2.1996 – 28 W 676/96, OLGR 1996, 107 = JurBüro 1996, 368 = NJW-RR 1996, 956; Liebheit, NJW 2000, 2235 (2236). 2 Insoweit zutr. OLG Naumburg, Beschl. v. 21.7.1998 – 12 W 17/98, OLGR 1999, 94. 3 OLG Düsseldorf, OLGR 2002, 296; OLG München, Beschl. v. 1.12.1999 – 1 W 3034/ 99, OLGR 2000, 229 – allerdings eine ausdrückliche Klageänderung voraussetzend; ausführlich Liebheit, NJW 2000, 2235 (2236); vgl. zum gleichartigen Ansatz im Fall der „Erledigung“ vor Rechtshängigkeit bei der Stufenklage BGH, Urt. v. 5.5.1994 – III ZR 98/93, MDR 1994, 717 = FamRZ 1995, 348 = NJW 1994, 2895. 4 A.A. Zöller/Vollkommer, § 91a ZPO Rn. 58 „Mahnverfahren“. 5 So Liebheit, NJW 2000, 2235 (2236); a.A. OLG Naumburg, Beschl. v. 21.7.1998 – 12 W 17/98, OLGR 1999, 94. 6 OLG Karlsruhe, JurBüro 1981, 1231; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rn. 15; Liebheit, NJW 2000, 2235 (2237); Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Mahnverfahren“. 7 So nur OLG München, Beschl. v. 28.2.1996 – 28 W 676/96, JurBüro 1996, 368 = NJWRR 1996, 956. 8 So OLG Bamberg, Beschl. v. 6.3.1992 – 3 W 105/91, JurBüro 1992, 762; KG, Beschl. v. 8.12.1997 – 18 W 8917/97; OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.7.1992 – 20 AR 109/92, NJWRR 1992, 1341; NJW-RR 1995, 831; OLG Köln, JurBüro 1982, 1070 = AnwBl. 1982, 198; OLG München, NJW-RR 1998, 504; OLG Zweibrücken, JurBüro 1985, 1889; JurBüro 1982, 1070; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rn. 20.

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Erledigung der Hauptsache Restforderung zuzüglich eines prozentual nach dem erledigten Teil zu bemessenden Aufschlages1 oder der Restforderung zuzüglich der auf den materiell erledigten Teil anfallenden Kosten des Mahnverfahrens bemisst.2 2172

Hier wiederholt sich letztlich die Auseinandersetzung um die Bewertung der einseitigen Teilerledigungserklärung, sodass auf die dortigen Bewertungsregeln verwiesen werden kann (s. nachfolgend Rn. 2213). Dies gilt auch dann, wenn die „Erledigungserklärung“ – wie diesseits für richtig erachtet – als Antrag auf Feststellung der Kostentragungspflicht angesehen wird. Denn unabhängig vom Auslegungsergebnis steht hier bewertungsrechtlich weiter die Frage zur Entscheidung, ob es sich bei den Kosten des Mahnverfahrens um Nebenforderungen i.S. von § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO handelt.

2173

Dies ist nach der hier vertretenen Ansicht schon aufgrund der mit der Antragsänderung verbundenen Einführung eines eigenen Streitgegenstandes zu verneinen.3 Dass Anders/Gehle/Kunze4 vorliegend eine der übereinstimmenden Teilerledigungserklärung vergleichbare Situation erkennen, weil das streitige Verfahren bei vorausgegangenem Mahnverfahren von einem Antrag des Antragstellers und der Abgabe abhängig sei, überzeugt nicht. Denn erfolgt die Zahlung bei gleichzeitigem (Kosten)Widerspruch, kann auch der Beklagte die Durchführung des streitigen Verfahrens erzwingen.

2174

Abweichend ist jedoch zu bewerten, wenn die erledigende Zahlung des Beklagten, die dieser, ohne Widerspruch einzulegen, erbracht hat, aufgrund Angabe der Klägers (§ 699 Abs. 1 ZPO) bereits bei Erlass des Vollstreckungsbescheides berücksichtigt worden ist. Wird hier das Verfahren auf den Einspruch des Beklagten an das Prozessgericht abgegeben (und vom Kläger die Aufrechterhaltung des Vollstreckungsbescheides beantragt), dann bleiben die bereits im Vollstreckungsbescheid titulierten Kosten des „erledigten“ Teils des Mahnverfahrens bei der Wertfestsetzung gem. § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO unberücksichtigt. Denn die Kosten sind weder unmittelbar noch mittelbar Streitgegenstand, sondern gem. § 696 Abs. 1 Satz 5, 281 Abs. 3 Satz 1 ZPO Bestandteil der Kosten des Rechtsstreits. 5. Fehlende Antragsänderung oder Erklärung nach Abgabe

2175

Erfolgt dagegen eine Abgabe ohne einschränkende Antragstellung des Klägers, dann wird das aus dem Mahn- oder Vollstreckungsbescheid ersichtliche Klagebegehren in vollem Umfang rechtshängig.5 Der Streitwert bestimmt sich nach der Höhe des im Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheid aufgeführten Zahlungsanspruchs. Allein der Eintritt eines (materiell) erledigenden Ereignisses hat bekanntlich auf die Streitwertberechnung keine Auswirkung (s. oben Rn. 2142, 2157).

1 OLG München, Beschl. v. 30.9.1997 – 11 W 2456/97 = MDR 1998, 62 = NJW-RR 1996, 1998, 504: Aufschlag i.H.v. 50 %. 2 So OLG Düsseldorf, OLGR 2002, 296; OLG Karlsruhe, MDR 1988, 1066; Liebheit, NJW 2000, 2235 (2237). 3 Liebheit, NJW 2000, 2235 (2237). 4 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rn. 20. 5 OLG Hamm, Beschl. v. 12.6.2001 – 21 W 7/01, OLGR 2001, 297.

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Erledigung der Hauptsache Erklärt der Kläger den Rechtsstreit nach Abgabe in der Hauptsache einseitig oder mit dem Beklagten übereinstimmend für erledigt, gelten für die Streitwertermittlung ab diesem Zeitpunkt die allgemeinen Bewertungsregeln. Nicht entschieden ist damit, ob es sich bei den durch eine verspätete Antragsbeschränkung ausgelösten Kosten um notwendige Kosten i.S. des § 91 ZPO handelt1 oder ob diese „vermeidbaren Kosten“ bei einer Entscheidung nach § 91a ZPO unabhängig vom weiteren Sach- und Streitstand dem Kläger aufzuerlegen sind.2

C. Gebührenstreitwert Hier ist für die Wertbestimmung zunächst danach zu unterscheiden, ob die Erledigungserklärung des Klägers einseitig geblieben ist oder sich der Beklagte ihr angeschlossen hat und ob von der bzw. den Erledigungserklärungen der Rechtsstreit insgesamt oder nur ein Teil davon betroffen ist.

2176

I. Übereinstimmende Erledigungserklärungen 1. Allgemeines Bei übereinstimmender Erledigungserklärung der Parteien (§ 91a ZPO) bestimmt sich der Streitwert im Anschluss an die Erledigungserklärungen nach der Summe der bis dahin angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Parteien, soweit der Betrag den Wert der Hauptsache nicht übersteigt.3 Nur diese sind fortan Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung.4

2177

Es bedarf folglich einer zeitlich gestaffelten Streitwertfestsetzung.5 Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob mit der Streitwertermäßigung auch eine Ermäßigung der Gerichtskosten verbunden ist. Dies ist mit Blick auf § 40 GKG (§ 15 GKG a.F.) zu verneinen, da die Gerichtskosten gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 GKG (entspricht weitgehend § 61 GKG a.F.) Nr. 1210 KV GKG (Nr. 1210 KV GKG a.F.) in vollem Umfang bereits mit Einreichung des Klageantrages anfallen und spätere Wertminderungen folglich unberücksichtigt bleiben.6

2178

1 Verneinend Liebheit, NJW 2000, 2235 (2236). 2 Bejahend OLG Hamm, Beschl. v. 12.6.2001 – 21 W 29/00 und 21 W 7/01, OLGR 2001, 297. 3 Musielak/Heinrich, § 3 ZPO Rn. 26 Stichwort „Erledigung der Hauptsache“; Baumbach/Hartmann, Anh. § 3 ZPO Rn. 47 und § 91a Rn. 68; Zöller/Herget, § 91a ZPO Rn. 16 Stichwort „Erledigung der Hauptsache“. 4 BGH, Urt. v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, MDR 1989, 523 = FamRZ 1989, 496 = NJW 1989, 2885; OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.10.1995 – 3 W 23/95, JurBüro 1996, 193 = NJW-RR 1996, 844; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.5.1993 – 10 W 14/93, JurBüro 1994, 241 mit zust. Anm. Mümmler = AnwBl. 1993, 578; OLG Hamburg, Beschl. v. 21.5.1997 – 8 W 88/97, MDR 1997, 890; OLG Rostock, Beschl. v. 16.10.1998 – 6 U 98/97, OLGR 1999, 60; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.4.2001 – 8 U 500/00, AGS 2001, 276; Musielak/Heinrich, § 3 ZPO Rn. 26 unter „Erledigung“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Erledigung“. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.1.2007 – 18 W 38/06, JurBüro 2007, 256 = OLGR 2007, 321; Beschl. v. 11.5.1993 – 10 W 14/93, JurBüro 1994, 241 mit zust. Anm. Mümmler = AnwBl. 1993, 578; OLG Hamm, Beschl. v. 15.5.1995 – 23 W 1/95, JurBüro 1996, 85. 6 Nur in diesem Sinne zutreffend OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.3.1999 – 1 W 18/99, JurBüro 1999, 374.

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Erledigung der Hauptsache 2. Zeitpunkt der Wertänderung 2179

Hierbei wird der Zeitpunkt der Streitwertänderung – entgegen der überwiegend vertretenen Auffassung1 – bereits durch die Abgabe der Erledigungserklärung des Klägers bestimmt,2 sei es in der mündlichen Verhandlung oder bei Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO) im Schriftverkehr (s. oben Rn. 2143). Mit deren Abgabe bringt der Kläger zum Ausdruck, dass ihm an einer Entscheidung über den bisherigen Klageanspruch nicht mehr gelegen ist. Sein Interesse ist bereits zu diesem Zeitpunkt (regelmäßig) allein auf die Erstattung eigener und Vermeidung der Tragung fremder Kosten gerichtet. Als Prozesshandlung, die bis zum Eintritt der Rechtskraft auch noch zwischen den Instanzen wirksam vorgenommen werden kann, führt sie unmittelbar zu einer Reduktion auf das Kosteninteresse.3 Hiermit korrespondiert, dass der Widerruf der einseitigen Erledigungserklärung und die Rückkehr zum ursprünglichen Klageantrag als privilegierte Klageänderung gem. § 264 Nr. 2 ZPO zu behandeln ist.4

2180

Dass die Rechtshängigkeit des bisherigen Klageanspruchs erst mit der der Erledigungserklärung des Beklagten entfällt, steht der vorgenannten streitwertrechtlichen Bewertung nicht entgegen. Denn ohne die Möglichkeit einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO wäre der Kläger gezwungen, im Weg der Klageänderung – auf Grundlage eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs – zu beantragen, die Kostentragungspflicht des Beklagten festzustellen, oder die Klage zurückzunehmen und den Ersatz der ihm entstandenen (bzw. auferlegten) Kosten gesondert einzuklagen. Beide Vorgehensweisen hätten eine sofortige Streitwertänderung zur Folge, sind dem Kläger jedoch mangels Rechtschutzbedürfnis, aufgrund der einfacheren Rechtsverfolgung über 91a ZPO, bis zu einer ablehnenden Stellungnahme des Beklagten verschlossen. Zudem setzt die – auch in der Vorauflage noch vertretene – Gegenansicht die Streitwert- und Gebührenfestsetzung zufälligen und damit oft unangemessenen Ergebnissen aus, beispielsweise, wenn eine schriftsätzliche Erledigungserklärung des Beklagten erst nach Beginn der mündlichen Verhandlung zu den Akten gelangt.5

2181

Unterschiedlich beurteilt wird ferner, ob bei einem erledigenden Ereignis vor mündlicher Verhandlung und übereinstimmenden Erledigungserklärungen erst nach Erörterung der Hauptsache sich die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) nach dem bisherigen Hauptsachewert oder nur nach dem Kosteninteresse bemisst.6 Maßgeblich ist hier der volle Hauptsachewert, da die Terminsge1 OLG Bamberg, JurBüro 1978, 1719; OLG Köln, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 922; OLG München, JurBüro 1969, 434; LG Wuppertal, AnwBl. 1978, 107; LG Nürnberg-Fürth, NJW 1981, 2586; Hartmann, Anh. I § 48 GKG (§ 3 ZPO) Rn. 47; AnwK-RVG/Onderka/ N. Schneider, VV Vorb. 3 ZPO Rn. 180. 2 OLG Celle, JurBüro 1968, 633; OLG Hamburg, JurBüro 1993, 363; OLG Koblenz, JurBüro 1986, 55; eingehend Abramenko, RPfleger 2005, 15 (15); Bischof, RPfleger 1989, 388. 3 BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – U 813 72/07, WuM 2008, 35 – für eine einseitige Erledigungserklärung zwischen den Instanzen. 4 BGH, MDR 2002, 413 = NJW 2002, 442; Prütting/Gehrlein/Hausherr, § 91a ZPO Rn. 20; Zöller/Vollkommer, § 91a ZPO Rn. 35. 5 S. zu weiteren Fallgestaltungen Abramenko, RPfleger 2005, 16 (17). 6 Vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.2.2009 – 5 W 81/08, AGS 209, 316.

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Erledigung der Hauptsache bühr – mit Einführung des RVG – bereits mit der Anwesenheit des Anwalts bei Aufruf der Sache entsteht und der Verfahrensgegenstand zu diesem Zeitpunkt noch keine Veränderung erfahren hat.1 Gegenstand und Umfang der Erörterung, also ob das erledigende Ereignis selbst im Streit stand oder nur als bloßer Rechnungsposten berücksichtigt worden ist, haben – abweichend zur Verhandlungsgebühr nach altem Recht (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) – demgegenüber keine Bedeutung.2 Anders liegt es – nach der hier vertretenen Ansicht – dagegen, wenn dem Termin die Erledigungserklärung des Klägers vorausgegangen ist, aber eine Stellugnnahme des Beklagte noch aussteht und erst in der mündlichen Verhandlung – ggfs. nach Eröterung – abgegeben wird. Hier ist, da sich das Interesse des Klägers mit Abgabe der Erledigungserklärung auf die Vermeidung einer Kostenbelastung beschränkt,3 nur noch der Umfang der bis dahin angefallenen Kosten des Rechtsstreits maßgeblich.4

2182

3. Kosten des Rechtsstreits Der Streitwert bestimmt sich nach der Summe der bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärungen angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Parteien einschließlich der Mehrwertsteuer.5 Hierzu zählen bei einer Erledigungserklärung in der Rechtsmittelinstanz alle Kosten der Vorinstanzen.6 Nach Abgabe der Erklärungen anfallende Kosten bleiben wegen § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO, § 43 GKG (§ 22 GKG a.F.) außer Ansatz.7

2183

Außergerichtliche Kosten, deren Erstattungsfähigkeit und Anmeldung im Falle des Obsiegens zum Zeitpunkt der Wertfestsetzung nicht zweifelsfrei feststehen, bleiben dabei unberücksichtigt. Andernfalls würde die Wertermittlung in Konkurrenz zum Kostenfestsetzungsverfahren treten und bei widersprüchlicher Bewertung die Notwendigkeit erneuter Wert- und Kostenfestsetzung auslösen.8 Angesichts der Unkenntnis vom späteren Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens ist eine betragsgenaue Wertermittlung ohnehin

2184

1 OLG Koblenz, Beschl. v. 19.1.2009 – 14 W 30/09, NJOZ 2010, 246; Prütting/Gehrlein/ Gehle, § 3 ZPO Rn. 119; Enders, JurBüro 2005, 113, 114; N. Schneider, AGS 2003, 99; AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, Vorb. 3 Rn. 180. 2 Unzutreffend daher OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.2.2009 – 5 W 81/08, OLGR 2009, 490 = AGS 209, 316, das für den Wert der Terminsgebühr auf die nach Erörterung bei Vergleichsschluss noch streitigen Positionen abstellt; vgl. zum alten Recht und daher abweichend OLG Hamburg, Beschl. v. 1.7.1992 – 8 W 152/92, JurBüro 1993, 363 mit abl. Anm. Mümmler; OLG Köln, Beschl. v. 25.5.2001 – 11 W 11/01, OLGR 2002, 103; OLG Koblenz, Beschl. v. 17.10.1991 – 14 W 572/91, JurBüro 1992, 465. 3 OLG Dresden, Beschl. v. 14.10.1999 – 8 W 714/99, AGS 2000, 156 = NJW-RR 2001, 428; OLG Hamburg, Beschl. v. 1.7.1992 – 8 W 152/92, JurBüro 1993, 363; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.10.2002 – 1 U 29/02, juris; OLG München, Beschl. v. 4.8.2003, OLGR 2003, 395. 4 Dies verkennt OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.2.2009 – 5 W 81/08, JurBüro 2009, 250 (Ls) = AGS 209, 316 – für eine vor Termin, Erörterung und Vergleichsschluss einseitig gebliebene Teilerledigungserklärung aufgrund unstreitiger Zahlung. 5 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.4.2001 – 8 U 500/00, AGS 2001, 276. 6 BGH, Beschl. v. 30.9.2004 – I ZR 30/04, WRO 2005, 126. 7 So schon RGZ 50, 368. 8 KG, Beschl. v. 27.7.1987 – 1 W 3534/87, MDR 1988, 236; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rn. 2; Baumbach/Hartmann, Anh. § 3 ZPO Rn. 47.

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Erledigung der Hauptsache nicht möglich. Vertretbar ist auch, zweifelhafte und ungewisse Kostenpositionen zu schätzen, § 3 ZPO.1 2185

Zu den angefallenen Kosten gehören die Gerichtskosten auch dann, wenn eine Partei von der Zahlung der Gerichtskosten befreit ist (§ 2 GKG). Folge der Gerichtskostenbefreiung ist allein, dass die mit Antragstellung bereits entstandenen Gerichtskosten aus verwaltungstechnischen Gründen tatsächlich nicht erhoben werden.2

2186

Bei der Wertfestsetzung bedarf es für den Zeitraum nach Hauptsacheerledigung keiner genauen Bezifferung der bis dahin angefallenen Kosten. Ausreichend ist es, die Kosten bis zur Grenze des folgenden Gebührensprungs anzugeben. Die Wertangabe: „Summe der bis zum ... angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten“ ist jedoch wegen § 63 Abs. 1, 2 GKG (§ 25 Abs. 1, 2 GKG a.F.) nicht ausreichend,3 da die Entscheidung über die hierfür ansatzfähigen Kosten nicht dem Rechtspfleger überlassen werden darf.

2187

Ist streitig, ob die Erklärung des Klägers als Hauptsacheerledigung oder als Klagerücknahme zu deuten ist, dann sind die Kosten schon dann streitwertbestimmend, wenn feststeht, dass das Gericht nicht mehr zur Hauptsache zu entscheiden hat, der Grund dafür aber streitig ist, weil der Kläger seine entsprechende Erklärung als Erledigungserklärung, der Beklagte sie als (nicht zustimmungsbedürftige) Klagerücknahme deutet.4

II. Einseitige Erledigungserklärung 1. Allgemeines 2188

Hat der Kläger die Hauptsache für erledigt erklärt, während der Beklagte weiterhin Klageabweisung beantragt, dann ist die einseitige gebliebene Erledigungserklärung als Antrag auf Feststellung der Hauptsacheerledigung auszulegen, soweit nicht ausnahmsweise ein Fall der privilegierten Klagerücknahme nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO vorliegt.5 Dabei ist der Übergang vom bisherigen Klagebegehren zur Feststellungsklage als privilegierte Klageänderung (§ 264 Nr. 2 ZPO) zu qualifizieren, die nicht der Zustimmung des Prozessgegners bedarf.6 Zu den Einzelheiten s. oben Rn. 2146 ff.).

2189

Während sich im Fall der privilegierten Klagerücknahme der Streitwert mit Eingang der schriftlichen oder Abgabe der mündlichen Erklärung (§ 269 Abs. 2 Satz 2 ZPO) wegen des Wegfalls der Rechtshängigkeit auf die bis dahin angefallenen Kosten reduziert,7 ist der Einfluss der einseitigen Erledigungserklärung auf den Streitwert umstritten. Uneinigkeit besteht sowohl darüber, ob 1 So MünchKomm.ZPO/Lappe, § 4 Rn. 54. 2 OLG Hamburg, Beschl. v. 14.8.1992 – 8 W 177/92, MDR 1993, 183. 3 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rn. 1; a.A. noch Vorauflage. 4 OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 695; OLG Düsseldorf, JurBüro 1972, 816. 5 BGH, Beschl. v. 26.5.1994 – I ZB 4/94, MDR 1995, 92 = NJW 1994, 2364; Urt. v. 8.3.1990 – I ZR 116/88, NJW 1990, 3147; Musielak/Wolst, § 91a ZPO Rn. 28; Zöller/ Vollkommer, § 91a ZPO Rn. 34 m.w.N. 6 BGH, Urt. v. 7.6.2001 – I ZR 157/98, MDR 2002, 413 = NJW 2002, 442; Musielak/ Wolst, § 91a ZPO Rn. 29; Zöller/Vollkommer, § 91a ZPO Rn. 34 m.w.N. 7 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Klagerücknahme“.

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Erledigung der Hauptsache sich der Streitwert gegenüber dem bisherigen Hauptsachewert überhaupt verringert, und wenn, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Ausmaß eine Reduzierung eintritt. 2. Meinungsstand In Rechtsprechung und Literatur finden sich im Wesentlichen drei Bewertungsansätze. Angesichts der mittlerweile kaum noch überschaubaren Anzahl der Judikate sowie von einander abweichender und wechselnder Rechtsprechung auch innerhalb der Oberlandesgerichte wird hier weitgehend auf die jüngere, d.h. ab 1980 ergangene Rechtsprechung abgestellt.

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Hat der Kläger einseitig die Hauptsache für erledigt erklärt, so besteht nach Ansicht des BGH der Streitwert derjenigen Instanz, in der die Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, von der Erledigungserklärung ab in der Regel nur noch in der Summe der bis zur Erledigungserklärung entstandenen Kosten, soweit nicht der Hauptsachewert geringer ist.1 Die dogmatische Begründung für diesen Ansatz hat im Laufe der Zeit gewechselt. Während der BGH zunächst bei Annahme eines trotz Erledigungserklärung gleich bleibendem Streitgegenstandes2 von einer streitgegenstandsunabhängigen „Schrumpfung“ des Streitwerts3 bzw. eines allein hinsichtlich der Kosten „rechtlich beachtliches Interesses“ des Klägers an der Fortsetzung des Rechtsstreits ausgegangen ist,4 stellt er mittlerweile auf die mit der Erledigungserklärung und der damit einhergehenden Klageänderung verbundene Änderung des Streitgegenstandes ab.5

2191

Mit dem Übergang zum Feststellungsantrag sei eine Verurteilung des Beklagten gem. dem bisherigen Klageanspruch nicht mehr möglich. Dies sei der eigentliche Grund für die Streitwertreduzierung,6 die sich am Kosteninteresse zu orientieren habe, da dem Kläger regelmäßig nur noch an einer Abwendung einer wegen der von ihm angenommenen Erledigung ansonsten drohenden negativen Kostenentscheidung gelegen sei. Eine abweichende, über das Kosteninteresse hinausgehende Bewertung sei dagegen geboten, wenn ausnahmsweise ein weiter gehendes Interesse des Klägers an einer Entscheidung über

2192

1 BGH, Beschl. 4.5.2007 – II ZR 330/05, GmbHR 2007, 824; Beschl. v. 17.6.2003 – XI ZR 242/02, BGHR ZPO § 3 Hauptsacherledigung 2; Beschl. v. 9.5.1996 – VII ZR 143/94, NJW-RR 1996, 1210; Urt. v. 11.7.1990 – XII ZR 10/90, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1009 mit Anm. Schneider = FamRZ 1990, 1225; Urt. v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, MDR 1989, 523 = NJW 1989, 2885; Urt. v. 6.12.1984 – VII ZR 64/84, NJW 1986, 588. 2 BGH, Urt. v. 15.1.1982 – V ZR 50/81, NJW 1982, 1598; Beschl. v. 8.12.1981 – VI ZR 161/80, NJW 1982, 767; Beschl. v. 21.4.1961 – V ZR 155/60, JurBüro 1961, 289. 3 BGH, Urt. v. 11.7.1990 – XII ZR 10/90, FamRZ 1990, 1225; Beschl. v. 21.4.1961 – V ZR 155/60, JurBüro 1961, 289. 4 BGH, Beschl. v. 19.2.1982 – V ZR 234/81, JurBüro 1982, 1242 mit Anm. Mümmler = ZIP 1982, 745; offen lassend Beschl. v. 8.12.1981 – VI ZR 161/80, NJW 1982, 768. 5 BGH, Beschl. v. 17.6.2003 – XI ZR 242/02, BGHR ZPO § 3 Hauptsacherledigung 2; Urt. v. 27.2.1992 – I ZR 35/90, MDR 1992, 707 = NJW 1992, 2235; Beschl. v. 26.5.1994 – I ZB 4/94, MDR 1995, 91 = NJW 1994, 2363; BGH, Urt. v. 8.3.1990 – I ZR 116/88, NJW 1990, 3147; bereits andeutend im Urt. v. 15.1.1982 – V ZR 50/81, NJW 1982, 1598. 6 BGH, Urt. v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, MDR 1989, 523 = NJW 1989, 2885 = FamRZ 1989, 496; Urt. v. 6.12.1984 – VII ZR 64/84, NJW 1986, 588.

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Erledigung der Hauptsache den früheren Bestand seines bisherigen Klageanspruchs besteht.1 Ein derartiges Interesse folge jedoch nicht bereits aus dem Umstand, dass bei Abweisung der auf Feststellung der Erledigung gerichteten Klage u.a. in Rechtskraft erwachsen könne, dass die bisherige Hauptsacheklage unbegründet war.2 2193

Eine deutliche Mehrheit der Oberlandesgerichte hat sich diesem Ansatz mittlerweile angeschlossen und hierbei meist auf die mit dem Übergang zum Feststellungsbegehren verbundene Änderung des Streitgegenstandes verwiesen, in deren Folge Zulässigkeit und Begründetheit des ursprünglichen Klageantrages nur noch als Vorfrage zu prüfen seien,3 wobei jedoch vereinzelt unabhängig von der Interessenlage des Klägers allein das Kosteninteresse des Klägers berücksichtigt wird.4

2194

Demgegenüber ist ein Teil, insbesondere der älteren obergerichtlichen Rechtsprechung, der Auffassung, die einseitige Erledigungserklärung lasse den Streitwert unberührt. Mit der Erledigungserklärung sei eine Änderung des Streitgegenstandes nicht verbunden, sodass der Wert der bisherigen Hauptsache weiterhin wertbestimmend sei. Denn verneine das Gericht die für die Annahme einer Erledigung erforderlichen Voraussetzungen, dann werde die bisherige, noch rechtshängige Klage auf Kosten des Klägers abgewiesen. Dabei erwachse die negative Entscheidung über den Bestand des noch rechtshängigen Hauptsacheanspruchs in Rechtskraft und hindere den Kläger an einer erneuten Geltendmachung.5 1 BGH, Beschl. v. 17.6.2003 – XI ZR 242/02, BGHR ZPO § 3 Hauptsacherledigung 2. 2 BGH, Beschl. v. 9.5.1996 – VII ZR 143/94, WM 1996, 1653 = NJW-RR 1996, 1210. 3 KG, Beschl. v. 29.1.2001 – 8 W 9/01, AGS 2002, 40; Beschl. v. 5.1.1999 – 4 W 8985/98, MDR 1999, 380 = AGS 1999, 93 mit Anm. Madert; OLG Bremen, Beschl. v. 2.1.2001 – 2 W 135/00, AGS 2001, 185; OLG Celle, Beschl. v. 10.12.1987 – 16 U 169/86, MDR 1988, 414; OLG Dresden, Beschl. v. 14.10.1999 – 8 W 714/99, AGS 2000, 156 = NJWRR 2001, 428; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.5.2009 – 24 W 26/09; OLGR 2009, 706; Beschl. v. 31.1.2002 – 24 W 68/01, WuM 2002, 501; Urt. v. 20.12.2001 – 23 U 59/01, OLGR 2002, 296; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.6.2000 – 9 W 19/00, AGS 2001, 84; OLG Hamburg, Beschl. v. 2.9.1996 – 8 W 168/96, OLGR 1996, 368; OLG Hamm, Beschl. v. 12.5.2005 – 24 U 7/05, JurBüro 2005, 598; Beschl. v. 31.7.2002 – 30 W 30/02, OLGR 2002, 376; Beschl. v. 26.3.1999 – 23 W 573/98, MDR 2000, 175 (Aufgabe bish. Rspr.); OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.10.2002 – 1 U 29/02, juris; Beschl. v. 13.8.1993 – 6 W 38/93, MDR 1994, 217 = NJW-RR 1994, 761 (Aufgabe der bisherigen Rspr.); OLG Koblenz v. 10.9.1998 – KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1302; OLG Köln, Beschl. v. 11.10.2004 – 8 W 24/04, OLGR 2005, 19; Beschl. v. 17.12.1991 – 12 U 80/91, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1100; OLG München, Beschl. v. 10.12.2001 – 27 W 303/01, juris; Beschl. v. 22.12.1994 – 29 W 2321/94, NJW-RR 1995, 1086; OLG Naumburg, Beschl. v. 30.7.2001 – 14 WF 128/01, FamRZ 2002, 680; Beschl. v. 21.7.1997 – 7 W 8/97, OLGR 1998, 32; OLG Nürnberg, Beschl. v. 15.1.2002 – 4 W 3825/01; OLG Rostock, v. 16.3.1993 – 3 U 19/92, MDR 1993, 1019; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28.4.1998 – 3 W 113/98-2, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1281; OLG Schleswig, Beschl. v. 16.11.1998 – 9 W 198/98, AGS 1999, 43; Beschl. v. 31.5.1985 – 9 W 29/85, JurBüro 1985, 1398; OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.2.2009 – 5 W 81/08, OLGR 2009, 490 = AGS 2009, 316; Beschl. v. 15.11.1998 – 8 W 514/88, MDR 1989, 266; OLG Thüringen, Urt. v. 28.11.2001 – 2 U 615/01, OLG-NL 2002, 18; ebenso u.a. Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rn. 10; Musielak/Wolst, § 91a Rn. 47; Musielak/Heinrich, § 3 Rn. 25; MünchKomm.ZPO/Lindacher, § 91a Rn. 90; Zöller/Vollkommer, § 91a Rn. 48. 4 So OLG München, Beschl. v. 10.12.2001 – 27 W 303/01, juris. 5 OLG Bamberg, Beschl. v. 13.7.1984 – 5 W 59/84, JurBüro 1985, 1359; Beschl. v. 17.2.1984 – 7 WF 91/83, JurBüro 1984, 916; KG, Beschl. v. 3.10.1986 – 5 W 4470/86,

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Erledigung der Hauptsache Hierbei wird der Ansatz des Hauptsachwertes auch mit dem Arbeitsaufwand gerechtfertigt, der mit der Entscheidung über die Erledigung verbunden sei, die eine vollständige Prüfung des bisherigen Klageanspruchs erfordere,1 oder einschränkend („zumindest“) für die Fälle bejaht, in denen Erfüllung als erledigendes Ereignis behauptet wird.2 Teilweise wird – als Ausnahme – vom vollen Wertansatz abgewichen, wenn die Berechtigung des bisherigen Hauptsacheanspruchs zwischen den Parteien außer Frage steht.3

2195

Ebenfalls ausgehend von einer Änderung des Streitgegenstandes stellt ein anderer Teil der Rechtsprechung für die Bewertung vorrangig darauf ab, dass die Abwehr der Kosten nicht den eigentlichen Inhalt der gerichtlichen Entscheidung darstelle, sondern lediglich die als Nebenentscheidung gem. § 91 ZPO eintretende Folge eines erfolgreichen Feststellungsbegehrens. Daher müsse sich die Wertfestsetzung ausgehend vom bisherigen Hauptsachewert an der Bewertung der positiven Feststellungsklage orientieren, jedoch mit einem weiter gehenden prozentualen Abschlag. Dieser wird regelmäßig bei 50 %, jedoch nicht unterhalb der bis zur Erledigungserklärung entstandenen Kosten4 verortet, da das Interesse an der Feststellung eines bestehenden Anspruchs deutlich über demjenigen liege, das auf Feststellung eines in der Vergangenheit bestehenden Anspruchs gerichtet sei.5 Zudem vermeide eine Bewertung

2196

1 2 3 4 5

KostRsp. ZPO § 3 Nr. 884; Beschl. v. 13.12.1983 – 1 W 2895/83, MDR 1984, 408; OLG Brandenburg, Beschl. v. 24.5.2007 – 6 W 63/07, juris; Beschl. v. 10.10.1996 – 6 W 19/ 95, NJW-RR 1996, 1472; OLG Celle, Beschl. v. 14.2.1984 – 13 W 7/84, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 670; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.11.1992 – 10 W 61/92, NJW-RR 1993, 510; Beschl. v. 23.9.1987 – 2 W 95/87, JurBüro 1988, 371; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.12.1993 – 1 W 38/83, JurBüro 1984, 431 = MDR 1984, 320; OLG Jena, Beschl. v. 11.6.2008 – 5 U 84/08, OLGR 2008, 845 – Beschwer; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.11.1987 – 13 W 166/87, JurBüro 1988, 1723; OLG Koblenz, Beschl. v. 30.6.1983 – 15 WF 649/83, MDR 1984, 282; OLG Köln, Beschl. v. 16.12.1996 – 27 W 21/96, OLGR 1997, 120; Beschl. v. 14.7.1994 – 17 W 145/93, MDR 1995, 113; Beschl. v. 6.5.1985 – 16 W 22/85, JurBüro 1985, 1397; OLG München, Beschl. v. 28.2.1996 – 28 W 676/96, NJW-RR 1996, 956; Beschl. v. 26.7.1988 – 28 W 622/88, MDR 1989, 73; OLG Schleswig, Beschl. v. 9.5.2005 – 9 U 123/04, OLGR 2005, 527: Aufgabe SchlHA 1999, 134 (Kosten); Beschl. v. 2.2.2004 – 4 U 47/03, OLGR 2004, 342; OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.4.1984 – 8 W 324/83, MDR 1984, 673; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 4.2.2003 – 4 W 3/03, OLGR 2003, 256; ebenso u.a. Baumbach/Hartmann, Anh. § 3 Rn. 49; Röckle, AnwBl. 1993, 317 (320); Deckenbrock/Dötsch, JurBüro 2003, 287 sowie die 11. Auflage. OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.10.1996 – 6 W 19/95, NJW-RR 1996, 1472; OLG Schleswig, Beschl. v. 2.2.2004 – 4 U 47/03, OLGR 2004, 342 = SchlHA 2005, 92. OLG München, Beschl. v. 28.2.1996 – 28 W 676/96, JurBüro 1996, 368 = NJW-RR 1996, 956. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.4.1992 – 2 W 11/92, OLGR 1992, 228: Unterwerfungserklärung gegenüber dem Unterlassungskläger. OLG Köln, Beschl. v. 18.12.1990 – 22 W 45/90, KostRsp. § 3 Nr. 1040 mit Anm. Schneider = JurBüro 1991, 832 mit Anm. Mümmler. OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.7.2000 – 4 W 4/00, AGS 2001, 205; OLG Celle, NJW 1970, 2113; OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.12.1996 – 16 W 59/96, OLGR 1996, 14; OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.12.1996 – 16 W 56/92, OLGR 1998, 14; Beschl. v. 29.11.1994 – 22 W 41/94, MDR 1995, 207; OLG Köln, Beschl. v. 12.1.1994 – 22 W 44/93, VersR 1994, 954; Beschl. v. 18.12.1990 – 22 W 45/90, KostRsp. § 3 Nr. 1040 mit abl. Anm. E. Schneider = JurBüro 1991, 832 mit Anm. Mümmler; OLG München v. 30.9.1997 – 11 W 2456/97, MDR 1998, 62; MDR 1995, 642; OLG München, Beschl. v. 11.4.1995 – 11 W 1022/95, MDR 1995, 642; Beschl. v. 14.5.1993 – 12 UF 630/95, OLGR 1993, 264:

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Erledigung der Hauptsache nach dem Umfang der Rechtskraftwirkung an Stelle des tatsächlichen klägerischen Interesses Unsicherheiten bei der Streitwertfestsetzung.1 3. Stellungnahme 2197

Stellt sich der Antrag auf Feststellung der Hauptsacheerledigung als privilegierte Klageänderung (§ 264 ZPO) dar, und hierüber besteht mittlerweile weitgehend Einigkeit, kann dies auf die Streitwertbestimmung nicht ohne Einfluss bleiben.2 Denn der Streitwert bestimmt sich nach dem klägerischen Interesse, wie es in dem Klageantrag seinen Ausdruck findet. Mit dem Wechsel von einer Verurteilung in der Hauptsache auf die bloße Feststellung von deren Erledigung ist notwendigerweise auch eine Änderung des zugrunde liegenden klägerischen Interesses verbunden. Notwendigerweise deshalb, weil mit der Klageänderung der bis dahin angestrebte Klageerfolg nicht mehr erreichbar ist und auch nicht mehr angestrebt wird (s. ausführlich oben Rn. 2149).

2198

Entgegen einer verbreiteten, zum Teil auf einer undifferenzierten Rezeption der BGH-Rechtsprechung beruhenden Annahme rechtfertigt die Klageänderung weder eine schematische Gleichsetzung mit dem Kosteninteresse3 noch eine fortdauernde, sei es auch nur verhältnismäßige Bezugnahme auf den Wert des bisherigen Streitgegenstands (Hauptsache). Ausgangspunkt der Streitwertberechnung bleibt vielmehr das klägerische Interesse. Dieses bemisst sich bei einer auf Feststellung gerichteten Klage regelmäßig nach dem Wert eines dem festzustellenden Rechtsverhältnis entsprechenden Leistungsbegehrens. Das Leistungsbegehren ist hier jedoch wegen des erledigenden Ereignisses nicht mehr mit dem bisherigen Klageantrag identisch, sondern bezieht sich auf die trotz Erledigung fortdauernde Rechtsbeeinträchtigung. Wertbestimmend ist daher das hierauf bezogene Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers.4 Dieses Interesse beschränkt sich zwar häufig, aber keineswegs grundsätzlich auf die Abwendung der (drohenden) Belastung mit Aufwendungen, die mit der eigenen und der gegnerischen Rechtsverfolgung verbunden waren.5

2199

Konstruktiv entspricht die Prozesslage der Fortsetzungsfeststellungsklage im öffentlichen Recht. Dort ist über die Rechtmäßigkeit einer durch Zeitlablauf oder sonstige Umstände erledigten behördlichen Maßnahme zu entscheiden, wenn der Betroffene trotz Erledigung ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung eines klärungsbedürftigen Rechtsverhältnisses geltend machen kann.6 Die mit dem Übergang von der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage zur Fortsetzungsfeststellungsklage verbundene Änderung des Streitwertes wird auch dort ausgehend vom Hauptsachewert verhältnismäßig oder frei

1 2 3 4 5 6

Abschlag von 33 %; Beschl. v. 24.3.1993 – 23 U 1700/92, OLGR 1993, 171: flexibler Abschlag; OLG Naumburg, Beschl. v. 8.7.1998 – 9 W 10/98, juris; OLG Nürnberg, NJW-RR 1987, 1278; ebenso u.a. Stein/Jonas/Bork, § 91a Rn. 47. OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.7.2000 – 4 W 4/00, OLGR 2000, 490 = AGS 2001, 205. Zutr. Zöller/Vollkommer, § 91a Rn. 48. Zutr. OLG Thüringen, Urt. v. 28.11.2001 – 2 U 615/01, OLG-NL 2002, 18. Zustimmend Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Erledigung der Hauptsache“. So aber OLG München, Beschl. v. 10.12.2001 – 27 W 303/01, juris. BVerwG, Urt. v. 28.4.1999 – 4 C 4/98, BVerwGE 109, 74 = NJW 1999, 3505.

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Erledigung der Hauptsache nach dem Feststellungsinteresse des Betroffenen in der Regel beschränkt durch den Wert der Hauptsache bemessen.1 Klagt der Kläger beispielsweise auf Zahlung von Anwaltshonorar und begleicht der Beklagte die Forderung erst während des Rechtsstreits, dann ist der Vergütungsanspruch gem. § 362 BGB erloschen und der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Mit der Zahlung ist hingegen die der Hauptsache zugrunde liegende Rechtsbeeinträchtigung des Klägers noch nicht vollständig behoben. So sind dem Kläger durch die Rechtsverfolgung eigene Kosten entstanden, zudem droht bei Aufrechterhaltung der Zahlungsklage die Belastung mit den Kosten des Prozessgegners (§ 91 Abs. 1 ZPO). Für die Erstattung eigener und Abwendung fremder Kosten bedarf es daher – unter Fortsetzung des Rechtsstreits – der Feststellung, dass der Kläger gegenüber dem Beklagten einen vor Eintritt des erledigenden Ereignisses (in diesem Sinne „ursprünglich“) bestehenden Anspruch verfolgt und der Beklagte deshalb die Rechtsverfolgung verursacht hat. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse entspricht (wertmäßig) daher nur dann dem Kosteninteresse, wenn die Fortsetzung allein wegen des kostenrechtlichen Verursacherprinzips (Klageveranlassung durch Rechtsverletzung) erfolgt.

2200

Aus der Rechtskraft einer die Feststellungsklage abweisenden Entscheidung im Hinblick auf die Begründetheit des ursprüngliche Klageanspruchs folgt nichts anderes. Denn dieses Klageziel wird von dem Kläger, dem nur an einer positiven Kostenentscheidung gelegen ist, nicht mehr verfolgt. Dass der Beklagte noch an einer Abweisung der ursprünglichen Klage interessiert ist, ist für die Wertbestimmung unerheblich, da es hierfür auf das – inhaltlich bereits bestimmte – klägerische Interesse ankommt.2 Ebenso wenig ist für die Bewertung der mit der Bescheidung des Feststellungsbegehrens verbundene Arbeitsaufwand von Bedeutung.3 Zumal beim Verweis hierauf übersehen wird, dass den unterschiedlichen Arten der Prozessbeendigung (und dem damit vorausgegangenen Bearbeitungsaufwand) bereits im GKG durch differenzierte Regelungen der Gebührenerstattung Rechnung getragen wird.

2201

Vielmehr ist für die Wertbestimmung im Übrigen danach zu unterscheiden, ob der fortdauernden Rechtsbeeinträchtigung bereits mit der Erledigungsfeststellung hinreichend Rechnung getragen wird (Kompensation) oder diese nur Grundlage für die Verfolgung oder Abwehr weiter gehender Ansprüche ist. Davon hängt im Einzelfall ab, ob und in welchem Umfang eine Bruchteilsbewertung oder der volle Wertansatz geboten ist. Dem entspricht, dass auch

2201a

1 Vgl. BVerwG, Urt. v. 28.4.1999 – 4 C 4/98, BVerwGE 109, 74 = NVwZ 1999, 1105 = BauR 1999, 1153 = NJW 1999, 3505; Beschl. v. 4.9.1989 – 7 B 132/89, NVwZ 1990, 59; Hess.VGH, Beschl. v. 12.6.1991 – 1 UE 2797/86, NVwZ-RR 1992, 218: Rehabilitationsinteresse; OVG Münster, Beschl. v. 30.10.2003 – 21 A 2606/02, NVWBl 2004, 157 = NVwZ 2004, 508: Rehablilitationsinteresse; OVG Saarland, Beschl. v. 7.5.1998 – 2 Y 3/98, juris: Schadensersatzinteresse; BFH, Beschl. v. 26.1.1998 – VII B 180/96, BFH/NV 1998, 879: Schadensersatzinteresse; Hess. FG, Beschl. v. 29.2.1986 – 6 K 1642/90, EFG 1996, 725; Hartmann, Kostengesetze, § 52 Rn. 15 unter „Fortsetzungsklage“. 2 BGH, Beschl. v. 9.5.1996 – VII ZR 143/94, NJW-RR 1996, 1210; OLG Hamm, Beschl. v. 12.5.2005 – 24 U 7/05, JurBüro 2005, 598; OLG Köln, Beschl. v. 11.10.2004 – 8 W 24/04, JMBl.NW 2005, 79. 3 Zutr. OLG Köln, Beschl. v. 11.10.2004 – 8 W 24/04, OLGR 2005, 19.

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Erledigung der Hauptsache in der Rechtsprechung, soweit diese ausgehend von einer Klageänderung auf das geänderte klägerische Interesse abstellt, Fälle einer Überschreitung des bloßen Kosteninteresses anerkannt sind. Hier erfolgt die Bewertung jeweils unter Einschluss, d.h. Zusammenrechnung mit dem Kosteninteresse, begrenzt durch den Wert der bisherigen Hauptsache.1 Ein über das Kosteninteresse hinausgehender Ansatz setzt jedoch eine entsprechende Aufklärung und Erörterung durch das Gericht voraus.2 2202

So liegt es, wenn dem Kläger an einer Feststellung des vor Eintritt des erledigendes Ereignisses bestehenden Anspruch (vorrangig) deswegen gelegen ist, weil die dem anfänglichen Klagebegehren zugrunde liegende Rechtsverletzung, etwa die Verbreitung ehrverletzender Behauptungen, trotz des erledigenden Ereignisses, beispielsweise dem Wegfall der Wiederholungsgefahr, in Form materieller oder immaterieller Einbußen fortwirkt. Dann strebt der Kläger häufig mit seinem Feststellungsantrag eine gerichtliche Bewertung zum Ausgleich der ursprünglichen Rechtsverletzung an. Es geht ihm um eine mittelbare Rechtfertigung seines bisherigen Standpunktes. War die immaterielle Einbuße bereits Gegenstand des bisherigen Klageantrages, dann ist es gerechtfertigt, den Wert nach einem Bruchteil, im Einzelfall nach dem vollen Hauptsachewert zu beziffern.3 Die Bruchteilsbewertung hat sich dann an der Intensität der – ohne Erledigungsfeststellung – fortdauernden Rechtsbeeinträchtigung zu orientieren.

2203

Eine ähnliche Bewertung ist geboten, wenn dem Kläger (vorrangig) deswegen an einer Fortsetzung des Rechtsstreits gelegen ist, weil die Gefahr zukünftig gleichartiger Rechtsverletzungen des Beklagten besteht, etwa weil das erledigende Ereignis nicht die Wiederholungsgefahr als Voraussetzung des ursprünglichen Unterlassungsanspruchs beseitigt. Hierbei handelt es sich um eine Fallgestaltung, die insbesondere bei wettbewerbsrechtlichen Klagen anzutreffen ist.4

2204

Zuweilen erfasst der Rechtsstreit nur einen Teilbereich der zwischen den Parteien bestehenden Streitigkeiten, etwa wenn der Kläger auf Räumung eines Mietobjektes klagt und außerhalb des Prozesses bereits über die Verpflichtung zur Zahlung einer über dem vereinbarten Mietzins liegenden Nutzungsentschädigung gestritten wird oder das vom prozessualen Unterlassungsbegehren erfasste Verhalten des Beklagten bereits Schäden an den Rechtsgütern des Klägers verursacht hat. Maßstab für die Bewertung des Feststellungsinteresses bei einer beabsichtigten weiter gehenden, beispielsweise auf Schadensersatz gerichteten Rechtsverfolgung, ist hier – wie auch sonst – der Wert dieser Ansprüche.5 Die angesichts des nur vorbereitenden Charakters des Feststel1 OLG Thüringen, Urt. v. 28.11.2001 – 2 U 615/01, OLG-NL 2002, 18. 2 OLG Hamm, Beschl. v. 12.5.2005 – 24 U 7/05, JurBüro 2005, 598. 3 BGH, Beschl. v. 9.5.1996 – VII ZR 143/94, NJW-RR 1996, 1210; Beschl. v. 8.12.1981 – VI ZR 161/80, MDR 1982, 571 = NJW 1982, 768; OLG Hamm, Beschl. v. 31.7.2002 – 30 W 30/02, OLGR 2002, 376; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.1997 – 7 W 8/97, OLGR 1998, 32; OLG Nürnberg, Beschl. v. 15.1.2002 – 4 W 3825/01, JurBüro 2002, 368; OLG Thüringen, Urt. v. 28.11.2001 – 2 U 615/01, OLG-NL 2002, 18. 4 OLG Koblenz, WM 1982, 352; OLG Thüringen, Urt. v. 28.11.2001 – 2 U 615/01, OLGNL 2002, 18; ebenso Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rn. 11. 5 KG, Beschl. v. 3.7.2003 – 12 W 128/03, MDR 2004, 116 = JurBüro 2003, 644 nicht bei vorbehaltloser Räumung; OLG Nürnberg, Beschl. v. 15.1.2002 – 4 W 3825/01, OLGR 2002, 245: erledigte Räumungsklage wegen rechtswidriger Besitzentziehung; OLG Thüringen, Urt. v. 28.11.2001 – 2 U 615/01, OLG-NL 2002, 18: Unterlassung wettbewerbs-

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Erledigung der Hauptsache lungsbegehrens gebotene Bruchteilsbewertung folgt dabei jedoch nicht der allgemeinen Bewertung positiver Feststellungsklagen und dem dort üblichen 20 %igen Abschlag. Denn die Rechtskraft der Erledigungsfeststellung entspricht ihrem Umfang nach nicht derjenigen Entscheidung, die auf Feststellung der Leistungsverpflichtung lautet, deren Verfolgung der Kläger noch beabsichtigt. Angemessen dürfte hier im Regelfall eine Halbierung des möglichen Hauptsachewertes der beabsichtigten Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung sein. Diese Annahme folgt der überwiegenden Rechtsprechung zum Streitwert der öffentlich-rechtlichen Fortsetzungsfeststellungsklage.1 Wiederum anders liegt es, wenn das klägerische Interesse an der Erledigungsfeststellung (auch) darauf beruht, dass die Erledigung der Hauptsache auf einer zwischen den Parteien streitigen außerprozessualen Aufrechnung des Klägers beruht. Denn hier umfasst die Rechtskraft der Entscheidung über die Hauptsacheerledigung zugleich die Ausführungen des Gerichts zum Erlöschen der Gegenforderung des Beklagten. Das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Rechtsstreits trotz Erledigung der Hauptsache entspringt der ansonsten drohenden erneuten Geltendmachung des gegnerischen Anspruchs. Hier ist – entsprechend der Bewertung der negativen Feststellungsklage – der volle Wertansatz der bisherigen Hauptsache trotz Klageänderung geboten.2

2205

4. Zeitpunkt der Wertänderung Gem. § 40 GKG (entspricht weitgehend § 15 GKG a.F.) ist für die Wertberechnung der Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend. Nach heute ganz überwiegender Ansicht umfasst die Erledigungserklärung für den Fall, dass sie einseitig bleibt, den Antrag festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.3 Sieht man mit der ganz überwiegenden Ansicht in der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung eine Klageänderung, ändert sich der Streitwert daher entweder mit Eingang der schriftlichen Erledigungserklärung, soweit es daran widrigen Verhaltens; vgl. zur Streitwertbemessung bei Erledigung des auf einer Gebrauchsmusterverletzung beruhenden Unterlassungsanspruchs durch Ablauf der gesetzlichen Schutzdauer OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.8.2009 – 2 U 154/08, InstGE 11, 175. 1 Vgl. BFH, Beschl. v. 20.10.2005 – III S 20/05, FamRZ 2006, 122 = NJW 2006, 256: 50 %; Beschl. v. 26.1.1998 – VII B 180/96, BFH/NV 1998, 879: 50 %; BVerwG, Beschl. v. 4.9.1989 – 7 B 132/89, NVwZ 1990, 59; im Einzelfall abweichend: Hess.VGH, Beschl. v. 12.6.1991 – 1 UE 2797/86, NVwZ-RR 1992, 218: 75 %; OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.4.1986 – 6 B 40/86, JurBüro 1986, 1851 = AnwBl. 1987, 95: 80 %; OVG Saarland, Beschl. v. 7.5.1998 – 2 Y 3/98, juris: 100 % angesichts behaupteter weiter gehender Schadensersatzansprüche; Hess.FG, Beschl. v. 29.2.1986 – 6 K 1642/90, EFG 1996, 725: Wert nach nunmehr geltend gemachten wirtschaftlichem Interesse; Hartmann, § 52 Rn. 15 unter „Fortsetzungsklage“. 2 BGH, WM 1978, 737; OLG Hamm, Beschl. v. 31.7.2002 – 30 W 30/02, OLGR 2002, 376; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.1997 – 7 W 8/97, OLGR 1998, 32; OLG Schleswig, SchlHA 1983, 58; OLG Thüringen, Urt. v. 28.11.2001 – 2 U 615/01, OLG-NL 2002, 18. 3 BGH, Urt. v. 7.6.2001 – I ZR 157/98, MDR 2002, 413 = NJW 2002, 442; Beschl. v. 26.5.1994 – I ZB 4/94, MDR 1995, 92 = NJW 1994, 2364; BGH, Urt. v. 8.3.1990 – I ZR 116/88, NJW 1990, 3147 = ZIP 1990, 1431; Musielak/Wolst, § 91a ZPO Rn. 28; Zöller/ Vollkommer, § 91a ZPO Rn. 34 m.w.N.; a.A. MünchKomm.ZPO/Lindacher, § 91a ZPO Rn. 92 m.w.N.: Zwischenstreit über den Fortgang des Verfahrens.

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Erledigung der Hauptsache fehlt, mit Abgabe der Erklärung in der mündlichen Verhandlung.1 Als Prozesshandlung, die bis zum Eintritt der Rechtskraft auch noch zwischen den Instanzen wirksam vorgenommen werden kann, führt sie unmittelbar zu einer Reduktion auf das Kosteninteresse.2 Mit der Klageänderung endet zugleich die Rechtshängigkeit des ursprünglichen Antrages, soweit dieser nicht hilfsweise neben dem neuen Antrag aufrechterhalten wird.3 Dass bei Abgabe der Erledigungserklärung eine Stellungnahme des Beklagten zur Erledigung regelmäßig noch nicht vorliegt, rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Zwar wird der Übergang zur Feststellungklage nur für den Fall erklärt, dass seiner Erledigungserklärung nicht zugestimmt wird. Unabhängig vom Eintritt dieses – vom Kläger nicht zu beeinflussenden – Umstandes beschränkt sich sein Interesse jedoch bereits jetzt darauf, nicht mit den bis dahin angefallenen Kosten belastet zu werden.4 Wollte man dies anders sehen, müsste auf das Ende der dem Beklagten nach § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO gesetzten Stellungnahmefrist abgestellt werden, soweit dieser nicht schon vor deren Ablauf eine Erledigungserklärung ablehnt.

III. Teilweise Erledigung 1. Übereinstimmende Erledigungserklärung 2207

Erklären die Parteien die Hauptsache teilweise übereinstimmend für erledigt, dann ist der erledigte Teil der Hauptforderung nicht mehr streitwertbestimmend; der streitige Teil der Hauptforderung bleibt für die Wertberechnung weiterhin maßgebend. Hinsichtlich der Nebenforderungen, hierzu zählen insbesondere Zinsen und vorgerichtliche Kosten, § 43 Abs. 1 Satz 1 GKG (§ 22 Abs. 1 GKG a.F.), und der auf den erledigten Teil entfallenden Kosten des Rechtsstreits, ist zu unterscheiden: – Erfasst die Erledigung die Hauptforderung in vollem Umfang, nicht aber die Zinsen und vorgerichtlichen Kosten, liegt ebenfalls eine Teilerledigung vor. Denn die nicht erledigten Nebenforderungen werden nun nach § 43 Abs. 2 GKG (§ 22 Abs. 2 GKG a.F.) ihrerseits zur Hauptforderung, denn mit der übereinstimmenden Erledigung entfällt die Rechtshängigkeit des ursprünglichen Hauptanspruches. Hierüber besteht, soweit ersichtlich, kein Streit.5

1 OLG Dresden, Beschl. v. 14.10.1999 – 8 W 714/99, AGS 2000, 156 = NJW-RR 2001, 428; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.10.2002 – 1 U 29/02, juris; OLG München, Beschl. v. 4.8.2003, OLGR 2003, 395; ausf. Abramenko, RPfleger 2005, 15. 2 BGH, Beschl. v. 15.11.2007 – V ZB 72/07, WuM 2008, 35 – für eine einseitige Erledigungserklärung zwischen den Instanzen. 3 OLG Hamm, Beschl. v. 12.5.2005 – 24 U 7/05, JurBüro 2005, 598; wohl auch BGH, Urt. v. 7.6.2001 – I ZR 157/98, MDR 2002, 413 = NJW 2002, 442, der die Rückkehr zum ursprünglichen Klageantrag (Hauptsache) nach „Widerruf“ der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung „ebenfalls als eine nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageänderung“ behandelt. 4 OLG Dresden, Beschl. v. 14.10.1999 – 8 W 714/99, AGS 2000, 156 = NJW-RR 2001, 428. 5 BGH, Urt. v. 12.3.1991 – XI ZR 148/90, NJW-RR 1991, 1211; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 13.2.1985 – 7 W 3/85, JurBüro 1985, 1889; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rn. 5.

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Erledigung der Hauptsache – Haben die Parteien die Hauptsache nur hinsichtlich der Hauptforderung teilweise für erledigt erklärt, ist fraglich, ob die auf den erledigten Teil entfallenden (nicht erledigten) Nebenforderungen nunmehr – neben dem verbleibenden streitigen Teil der Hauptforderung – eigenständig zu berücksichtigen sind. Dies wird vom BGH mittlerweile1 in ständiger Rechtsprechung bejaht.2 Soweit der Hauptanspruch nicht mehr im Streit stehe, fehle es an einer anhängigen Hauptforderung, die die hierauf bezogenen Zinsen und Kosten zu einer Nebenforderung machen. Denn nur und soweit wenn der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch neben der Hauptforderung, aus der er sich herleitet, geltend gemacht werde, sei er vom Bestehen der (ebenfalls zu entscheidenden) Hauptforderung abhängig und stelle deshalb eine Nebenforderung i.S. von §§ 4 ZPO, 43 Abs. 2 GKG (22 Abs. 2 GKG a.F.) dar.3 Demgegenüber lässt das OLG Köln4 aus Gründen einer „einfachen und übersichtlicheren Handhabung“ die Nebenforderungen unberücksichtigt. Dies überzeugt nicht, da schon ein mit der Bewertung verbundener erheblicher Aufwand nicht erkennbar ist. Zudem ist die Berücksichtigung gem. § 43 Abs. 2 GKG (§ 22 Abs. 2 GKG a.F.) geboten. – Unproblematisch ist auch der Fall, in dem die übereinstimmende Erledigung einen Teil der Hauptforderung einschließlich der dazugehörigen Nebenforderungen erfasst. Hier ist allein der noch nicht erledigte, verbleibende Teil der Hauptforderung wertbestimmend; die sich auf diese beziehenden Nebenforderungen bleiben – wie auch sonst – gem. § 43 Abs. 1 GKG (§ 22 Abs. 1 GKG a.F.) außer Ansatz. Klärungsbedürftig ist für alle Fallgestaltungen damit allein noch, ob die auf den erledigten Teil der Hauptsache entfallenden Kosten des Rechtsstreits zu dem Wert der verbleibenden Hauptsache hinzuzurechnen sind. Einer Addition soll entgegen stehen, dass nach §§ 4 Abs. 1 ZPO, 43 Abs. 3 GKG (§ 22 Abs. 3 GKG a.F.) Kosten erst wertbestimmend werden, wenn es an einer Hauptsache fehlt.5 Daher bleibt nach Ansicht des BGH6 sowie der ganz überwiegenden Mehrheit der Oberlandesgerichte7 dieser Teil der Kosten unberücksichtigt, 1 Anders noch BGH LM ZPO § 4 Nr. 1; zuvor auch RG, Urt. v. 25.5.1927 – 67/26 IV, JW 1927, 2129. 2 BGH, Beschl. v. 4.12.2007 – VI ZB 73/06, MDR 2008, 404 = AGS 2008, 187 = NJW 2008, 999; Urt. v. 24.3.1994 – VII ZR 146/93, MDR 1994, 720 = NJW 1994, 1869; Beschl. v. 31.10.1991 – IX ZR 171/91, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1074; Beschl. v. 12.12.1957 – VII ZR 135/57, BGHZ 26, 174 = Rpfleger 1958, 83 = NJW 1958, 342; zustimmend KG, Beschl. 2 AR 6/09, KGR 2009, 401 = MDR 2009, 522; Beschl. v. 18.2.2008 – 2 AR 7/08, AGS 2008, 249; OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.2.2009 – 5 W 81/ 08, JurBüro 2009, 250 (Ls) = AGS 2009, 316. 3 BGH, Beschl. v. 4.12.2007 – VI ZB 73/06, MDR 2008, 404 = AGS 2008, 187 = NJW 2008, 999. 4 OLG Köln, Beschl. v. 6.11.1991 – 19 W 43/91, JurBüro 1992, 115; ebenso die Voraufl. 5 So aber OLG München, Beschl. v. 20.4.1994 – 11 W 1195/94, OLGR 1994, 251 = JurBüro 1994, 745 = AnwBl. 1995, 315; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rn. 4; Hartmann, § 43 Rn. 8. 6 BGH, Beschl. v. 15.3.1995 – XII ZB 29/95, FamRZ 1995, 1137 = NJW-RR 1995, 1089; Beschl. v. 31.10.1991 – IX ZR 171/91; Beschl. v. 23.7.1981 – III ZR 28/81, JurBüro 1981, 1489. 7 KG, Beschl. v. 12.11.2009 – 8 W 91/09, juris; Beschl. v. 20.5.1977 – 1 W 1292/77, MDR 1977, 940; OLG Bremen, Beschl. v. 5.7.2001 – 2 W 67/01, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1365; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.2.1994 – 5 W 52/83, JurBüro 1984, 1219 mit zust. Anm.

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Erledigung der Hauptsache wenn nur der „geringste Teil“ der Hauptsache nach der übereinstimmenden Teilerledigungserklärung noch als Streitgegenstand verbleibt. Dem ist nur im Ergebnis zuzustimmnen, denn von § 4 Abs. 1 ZPO werden nur vorgerichtliche Kosten, nicht aber die des laufenden Verfahrens erfasst.1 Soweit über diese gem. § 308 Abs. 2 ZPO allein von Amts wegen zu entscheiden ist, erhöhen sie den Streitwert des laufenden Verfahrens nicht.2 2209

Soweit der überwiegenden Ansicht gefolgt wird, ist danach der Begriff der Hauptsache prozessbezogen zu verstehen und daher nicht nach Prozessrechtsverhältnissen zu differenzieren, sodass die Kosten auch dann unberücksichtigt bleiben, wenn der Rechtsstreit in vollem Umfang nur hinsichtlich eines Streitgenossen übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.3

2210

Hinsichtlich der Notwendigkeit einer gestaffelten Streitwertfestsetzung und des Zeitpunkts der Wertänderung kann auf die bisherigen Ausführungen (s. oben Rn. 2178) Bezug genommen werden. 2. Einseitige Teilerledigungserklärung

2211

Erfasst die einseitig gebliebene Erledigungserklärung nur einen Teil der Hauptsache, dann wird die Wertfestsetzung durch deren dogmatische Einordnung beeinflusst. Neben dem weiterhin wertbestimmenden rechtshängig gebliebenen Teil tritt der Wert des bezüglich des erledigten Teils erhobenen Feststellungsbegehrens. Hier wiederholt sich folglich die Auseinandersetzung um die Bewertung der einseitigen Erledigungserklärung, sodass insoweit auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen werden kann (s. oben Rn. 2190 ff.).

2212

Wird der Ansicht gefolgt, dass die einseitige Erledigungserklärung den Streitgegenstand und damit den Streitwert nicht verändere, muss dies notwendigerweise auch für die Teilerleidungserklärung gelten.4 Sieht man hingegen im Übergang zum Feststellungsbegehren eine Klageänderung, dann bedarf diese Streitgegenstandsänderung auch dann der Neubewertung, wenn sie nur einen

1 2 3

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Mümmler; OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.7.1983 – 20 W 281/83, JurBüro 1983, 1713 = MDR 1983, 1033; OLG Hamburg, Urt. v. 12.12.1996 – 3 U 226/95, OLGR 1997, 88; OLG Hamm, Beschl. v. 8.2.2001 – 23 W 375/00, OLGR 2002, 363 = AGS 2002, 13; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.9.1996 – 3 W 96/96, MDR 1996, 1298; Beschl. v. 26.11.1987 – 13 W 166/87, JurBüro 1988, 1723; OLG Köln, Beschl. 17.5.2006 – 5 W 44/06, juris; Beschl. v. 25.5.2001 – 11 W 11/01, OLGR 2002, 103; OLG München, Beschl. v. 20.4.1994 – 11 W 1195/94, OLGR 1994, 251 = JurBüro 1994, 745; OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.2.2009 – 5 W 81/08, JurBüro 2009, 250 (Ls) = AGS 209, 316; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 13.2.1985 – 7 W 3/85, JurBüro 1985, 1889; a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 15.2.1991 – 12 W 1/91, JurBüro 1991, 1122; Beschl. v. 26.10.1972 – 23 W 472/72, Rpfleger 1973, 101; OLG Koblenz, Beschl. v. 19.11.1996 – 14 W 695/96, AGS 1997, 118; Beschl. v. 6.2.1992 – 14 W 713/91, JurBüro 1992, 626 mit abl. Anm. Mümmler = MDR 1992, 717 = AGS 1993, 2. Musielak/Heinrich, § 3 Rn. 26 Stichwort „Erledigung der Hauptsache“. Stein/Jonas/Roth, § 4 Rn. 26; MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 4 Rn. 23; wohl auch BGH, Beschl. v. 15.5.2007 – VI ZB 18/06, juris: allgemeiner Grundsatz. So auch BGH, Beschl. v. 19.10.2000 – I ZR 176/00, BGHR 2001, 89 = MDR 2001, 648 = NJW 2001, 230: für die Beschwer, wenngleich unter Hinweis auf fehlende Anfechtbarkeit der Kostengrundentscheidung; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rn. 4. So OLG Zweibrücken, Beschl. v. 4.2.2003 – 4 W 3/03, OLGR 2003, 256.

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Erledigung der Hauptsache Teil der Hauptsache betrifft. Da an die Stelle des ursprünglichen Hauptsacheanspruchs das Feststellungsbegehren tritt, gelangt § 43 Abs. 3 GKG (§ 22 Abs. 3 GKG a.F.) schon wegen der fortdauernden Rechtshängigkeit der (geänderten) Hauptsache nicht zur Anwendung. Dies unabhängig davon, ob sich das Feststellungsinteresse, wovon bei dieser Konstellation regelmäßig auszugehen ist, auf die Erstattung eigener und Abwendung fremder Kosten (Kosteninteresse) beschränkt. Denn bleibt die bisherige Hauptsacheklage trotz einseitiger Erledigungserklärung zumindest teilweise im Streit, besteht kein Anlass, bei der Bewertung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses von einem über das Kosteninteresse hinausgehenden Wert auszugehen. Mit der Entscheidung über den noch rechtshängigen, weil von der einseitigen Erledigungserklärung nicht betroffenen Teil der bisherigen Hauptsache wird bereits ein etwaig über die Erstattung eigener und Abwendung fremder Kosten hinausgehendes Feststellungsinteresse hinreichend abgedeckt. Mit dem BGH1 und dem überwiegenden Teil der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung2 ist der Streitwert daher nach dem Wert der Restforderung zuzüglich des Kosteninteresses zu bemessen.

2213

Für die Bewertung des Kosteninteresses sind notwendigerweise die auf den von der einseitigen Erledigungserklärung erfassten Teil der Hauptsache entfallenden Kosten zu berechnen. Hier werden zwei Berechnungsmethoden vertreten: – Die Mehrheit der Rechtsprechung berechnet das Kosteninteresse nach der Differenz der Kosten, die zwischen den durch die tatsächliche Rechtsverfolgung verursachten und den bei einer auf den nicht erledigten Teil beschränkten Rechtsverfolgung entstehenden Kosten besteht (sog. Mehrkosten- oder Differenzmethode).3

2214

1 BGH, Beschl. v. 9.5.1996 – VII ZR 143/94, NJW-RR 1996, 1210 = WM 1996, 1563; Beschl. v. 15.3.1995 – XII ZB 29/95, FamRZ 1995, 1137 = NJW-RR 1995, 1089; Beschl. v. 31.10.1991 – IX ZR 171/91, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1074; Beschl. v. 11.7.1990 – XII ZR 10/90, FamRZ 1990, 1225; Beschl. v. 25.9.1991 – VIII ZR 157/91, WM 1991, 2009. 2 OLG Bremen, Beschl. v. 7.4.1997 – 2 W 28/97, OLGR 1997, 183; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.1.1993 – 18 W 65/92, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1127; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.6.2000 – 9 W 19/00, AGS 2001, 84; OLG Hamburg, Beschl. v. 22.11.1988 – 8 W 322/88, JurBüro 1989, 847 mit abl. Anm. Mümmler; OLG Hamm, Beschl. v. 28.8.2003 – 23 W 197/03, OLGR 2004, 32; Beschl. v. 12.6.2001 – 21 W 29/00, OLGR 2001, 297; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.9.1998 – 14 W 627/98, AGS 2000, 12 = NJW-RR 2000, 71; OLG Köln, Beschl. v. 29.5.1991 – 19 W 11/91, FamRZ 1991, 1207 = JurBüro 1991, 1385; OLG München, Beschl. v. 4.8.2003 – 7 W 1804/03, OLGR 2003, 395; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28.4.1998 – 3 W 113/98, OLGR 1998, 396; OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.2.2009 – 5 W 81/08, JurBüro 2009, 250 (Ls) = AGS 209, 316; Beschl. v. 8.3.1989 – 5 W 4/89, JurBüro 1989, 1166; a.A. OLG Celle, Urt. v. 8.12.1981 – 16 U 37/81, Nds.Rpfl 1982, 64; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 4.2.2003 – 4 W 3/03, OLGR 2003, 256: auch hier weiterhin Hauptsachewert. 3 BGH, Beschl. v. 19.11.2009 – I ZR 33/08, juris; Beschl. v. 13.7.2005 – XII ZR 295/02, NJW-RR 2005, 1728; Beschl. v. 9.5.1996 – VII ZR 143/94, NJW-RR 1996, 1210 = WM 1996, 1563; Beschl. v. 25.9.1991 – VIII ZR 157/91, WPM 1991, 2009; Beschl. v. 13.7.1988 – VIII ZR 289/87, NJW-RR 1988, 1465 = MDR 1989, 58; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.2005 – 24 W 62/05, OLGR 2006, 665 = AGS 2006, 516 = MDR 2006, 1079; Beschl. v. 11.1.1993 – 18 W 65/92, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1127; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.6.2000 – 9 W 19/00, AGS 2001, 84; OLG Koblenz, Beschl. v. 6.2.1992 – 14 W 713/91, MDR 1992, 717 – für die übereinstimmende Teilerledigung; OLG Nürn-

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Erledigung der Hauptsache – Demgegenüber bemisst ein Teil der Oberlandesgerichte das Kosteninteresse nach dem Verhältnis der von dem durch Erledigungserklärung erfassten Teil der Hauptsache verursachten Kosten zu den Gesamtkosten der Rechtsverfolgung (sog. Quotenmethode).1 2215

Der letztgenannten Auffassung ist der Vorzug zu geben, da nur diese der degressiven Gebührenentwicklung in GKG und RVG Rechnung trägt und nicht erkennbar ist, warum der mit der Degression verbundene Vorteil allein dem Kläger zugute kommen soll (damit erledigen sich auch weitgehend die in der Vorauflage noch erhobenen Bedenken gegen die Praktikabilität der Berücksichtigung des Kosteninteresses im Fall der einseitigen Teilerledigung).

2216

Hinsichtlich der Notwendigkeit einer gestaffelten Streitwertfestsetzung und des Zeitpunkts der Wertänderung kann auf die bisherigen Ausführungen (s. oben Rn. 2178) verwiesen werden.

D. Besondere Verfahren I. Mahnverfahren 2217

Werden vom Antragsgegner (Beklagten) während des Mahnverfahrens Zahlungen auf die mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Forderungen geleistet, können Wertunterschiede zwischen dem Mahn- und Streitverfahren die Folge sein. Da der Eintritt materiell erledigender Umstände allein die Wertberechnung nicht beeinflusst, kommt es maßgeblich auf das nachfolgende prozessuale Verhalten des Antragstellers (Klägers) an. Hier ist zwischen gerichtlichen und anwaltlichen Gebühren zu unterscheiden: 1. Gerichtsgebühren

2218

Mit dem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids entsteht eine 0,5-Gebühr (Nr. 1110 KV GKG) nach dem Wert des im Mahnverfahren verfolgten Anspruch.2 Die Bewertung des Anspruchs folgt den allgemeinen Regeln, mahnverfahrensrechtliche Besonderheiten bestehen insoweit nicht.

2219

Wird das Verfahren nach Erhebung des Widerspruchs oder Einlegung des Einspruchs an das Streitgericht abgegeben (§§ 696 Abs. 1, 700 Abs. 3 ZPO), entsteht mit Eingang der Akten die allgemeine Verfahrensgebühr (Nr. 1120 KV GKG) unter Anrechnung Gebühr nach Nr. 1110 KV GKG soweit Mahn- und Streitverfahren denselben Streitgegenstand betreffen. Entscheidend für die Wertbestimmung ist daher der Umfang, in dem das Mahnverfahren in das streitige Verfahren übergeleitet wird. Der bislang bestehende Streit, ob sich berg, Beschl. v. 4.5.2006 – 5 W 878/06, OLGR 2006, 602 = JurBüro 2006, 478; OLG Schleswig, Beschl. v. 3.9.2007 – 1 W 37/07, AGS 2008, 142 = MDR 2008, 353; OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.2.2009 – 5 W 81/08, JurBüro 2009, 250 (Ls) = AGS 209, 316. 1 OLG Bremen, Beschl. v. 7.4.1997 – 2 W 28/97, OLGR 1997, 183; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.5.1996 – 23 W 19/96, BauR 1997, 356; OLG Hamm, Beschl. v. 12.5.2005 – 24 U 7/05, JurBüro 2005, 598, Beschl. v. 12.6.2001 – 21 W 29/00, OLGR 2001, 297; OLG Köln, Beschl. v. 29.5.1991 – 19 W 11/91, FamRZ 1991, 1207 = JurBüro 1991, 1385; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28.4.1998 – 3 W 113/98, OLGR 1998, 396; eingehend Liebheit, AnwBl. 2000, 73 (74 f.). 2 Hartmann, KV 1100 Rn. 4.

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Erledigung der Hauptsache die Verfahrensgebühr – bei einer (bedingten) Streitantragstellung bereits im Mahnbescheidsantrag (§ 696 Abs. 1 ZPO ) – nach dem Wert des mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Anspruch unabhängig davon bestimmt, ob der Anspruch vom Antragsteller (Kläger) noch vor Abgabe teilweise für „erledigt“ erklärt worden ist (so die sog. Vorverlegungstheorie1), ist mit dem KostRMoG 2004 überholt.2 Ausweislich der amtlichen Anmerkungen zu Nr. 1210 KV GKG ist kostenrechtlich – wie auch beim Zuständigkeitsstreitwert (s. oben Rn. 2163 ff.) – der Eingang der Akten beim Prozessgericht der für die Wertbestimmung maßgebende Zeitpunkt. 2. Anwaltliche Gebühren Für die Vertretung des Antragstellers im Mahnverfahren erwächst spätestens mit Mahnantragstellung eine 1,0-Verfahrensgebühr (Nr. 3305 VV RVG), die gem. der amtlichen Anmerkung der Anrechnung auf die Verfahrensgebühr für das Streitverfahren (Nr. 3100 VV RVG) unterliegt. Der Streitwert richtet sich nach dem Wert für die gerichtlichen Gebühren und damit nach dem Wert des im Mahnverfahren verfolgten Anspruchs, § 23 Abs. 1 RVG (entspricht weitgehend § 8 Abs. 1 BRAGO).

2220

Soweit nicht eine eingeschränkte Mandatserteilung vorliegt, ist dieser Wert auch für die mit der Vertretung des Antragsgegners anfallende Verfahrensgebühr (Nr. 3308 VV RVG) maßgeblich,3 die ebenfalls der Anrechnung unterliegt.

2221

Bleibt ein Widerspruch des Antragsgegners innerhalb der Widerspruchsfrist aus und wird infolgedessen Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides gestellt, dann entsteht eine halbe Verfahrensgebühr (nur) für die Vertretung des Antragstellers (Nr. 3308 VV RVG).4 Die Regelung entspricht inhaltlich § 43 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO. Der Gegenstandswert dieser nicht der Anrechnung unterliegenden Verfahrensgebühr bemisst sich nach der Höhe des mit dem Vollstreckungsbescheid verfolgten Anspruchs.5 Zahlungen des Antragsgegners, die bei der Antragstellung gem. § 699 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen sind, führen folglich zu einer Wertminderung. Die auf den „erledigten“ Teil des Mahnverfahrens anfallenden Kosten bleiben bei der Wertbestimmung gem. § 4 ZPO, § 43 Abs. 3 GKG (§ 22 Abs. 3 GKG a.F.) unberücksichtigt (s. oben Rn. 2172 f.).

2222

Mit dem Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens erwächst den Prozessbevollmächtigten die allgemeine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG.6 Der Gegenstandswert berechnet sich gem. § 23 Abs. 1 RVG (entspricht

2223

1 OLG Bamberg, FamRZ 1999 1292; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 1077; OLG Hamburg, Beschl. v. 9.6.1998 – 8 W 139/98, MDR 1998, 1121 = JurBüro 1998, 652; dagegen mit Recht Liebheit, NJW 2000, 2235; OLG Hamburg, MDR 2001, 294. 2 Ebenso Hartmann, 36. Aufl., KV 1210 Rn. 5. 3 OLG Hamm, JurBüro 1963, 100 – Kostenwiderspruch: OLG Saarbrücken, JurBüro 1973, 132 – Teilwiderspruch; AnwK-RVG/Gebauer, VV 3307 Rn. 25. 4 OLG Bamberg, JurBüro 1980, 721; a.A. AnwK-RVG/Schneider, VV 3308 Rn. 6, der jede, also auch eine vor Antragstellung liegende Tätigkeit ausreichen lassen will. 5 Hartmann, VV 3308 Rn. 16 f. 6 OLG Hamburg, Beschl. v. 15.12.1993 – 8 W 235/93, JurBüro 1994, 608 = MDR 1994, 520; OLG Jena, Beschl. v. 22.11.1999 – 5 W 594/99, JurBüro 2000, 472; OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.5.1990 – 1 W 60/90, JurBüro 1990, 613.

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Erledigung der Hauptsache weitgehend § 8 Abs. 1 BRAGO) nach dem in der Instanz erreichten höchsten Wert für das streitige Verfahren, soweit keine weiter gehende Mandatierung erfolgt, nachträgliche Wertminderungen bleiben unberücksichtigt.1 Maßgebend ist daher auch hier der Umfang, in dem das Mahnverfahren in das streitige Verfahren übergeleitet wird, mithin der Wert zum Zeitpunkt des Eingangs der Akten beim Prozessgericht (§ 694 Abs. 1 Satz 3 ZPO). 2224

Zu den Einzelheiten der Wertberechnung wird auf die Ausführungen zum Zuständigkeitsstreitwert verwiesen (s. oben Rn. 2160 ff.).

II. Säumnisverfahren 2225

Die Kontroverse, ob sich der Streitwert nach einseitiger Erledigungserklärung weiterhin nach dem Hauptsachewert richtet oder nur noch das Feststellungsinteresse und damit regelmäßig der Kostenpunkt maßgebend ist (oben Rn. 2190 ff.), setzt sich im Säumnisverfahren fort. Da die Geständnisfiktion des § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO sich nur auf tatsächliche Erklärungen, nicht auf Prozesshandlungen bezieht, kommt im Säumnisverfahren nur eine Entscheidung auf einseitige Erledigungserklärung hin in Betracht.2

2226

Folglich entsprechen die Bewertungsdifferenzen dem ausdrücklichen Widerspruch des Beklagten auf die Erledigungserklärung des Klägers,3 sodass auf die vorstehenden Ausführungen (s. oben Rn. 2197) Bezug genommen werden kann.

2227

Beantragt der Kläger daher, die Hauptsache durch Versäumnisurteil für erledigt zu erklären, so ist die Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG (entspricht nur teilweise der Verhandlungsgebühr gem. § 33 Abs. 1 Satz 1 BRAGO) nach dem Wert des Feststellungsinteresses und damit in Regel nach dem Wert der bis zur Erledigungserklärung angefallenen Kosten zu berechnen.

III. Stufenklage 2228

Die Stufenklage ermöglicht es demjenigen, der eine Leistung begehrt, die er noch nicht genügend konkretisieren kann, sich das dazu erforderliche Wissen zu verschaffen, indem durch entsprechende vorbereitende Anträge Auskunftsund Offenbarungszwang auf den Beklagten ausgeübt wird. Da es sich bei den einzelnen Annsprüchen um prozessual selbständige Streitgegenstände eines einheitlichen Verfahrens handelt,4 stellt die Stufenklage einen Fall der objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) dar, deren einzelne Klagebegehren stufenwei-

1 AnwK-RVG/N. Schneider, VV Vorb. 3 Rn. 45. 2 KG, Urt. v. 11.9.1998 – 18 U 786/98, KGR 1998, 380; OLG Celle, Urt. v. 24.5.1995 – 13 U 27/95, OGR 1995, 239; Zöller/Vollkommer, § 91a Rn. 58 unter „Versäumnisverfahren“. 3 Vgl. zum Säumnisverfahren OLG Bamberg, Beschl. v. 22.7.1988 – 3 W 85/88, JurBüro 1989, 524; OLG Köln, Beschl. v. 16.12.1996 – 27 W 21/96, OLGR 1997, 120: Streitwert gleich Hauptsachewert; OLG München, Beschl. v. 11.4.1995 – 11 W 1022/95, JurBüro 1995, 644 = MDR 1995, 642: Streitwert gleich 50 % des Hauptsachewerts; OLG Bremen, Beschl. v. 2.1.2001 – 2 W 135/00, AGS 2001, 185: Streitwert gleich angefallene Kosten. 4 BGH, Urt. v. 5.5.1994 – III ZR 98/93, MDR 1994, 717 = NJW 1994, 2895; NJW 1980, 1106.

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Erledigung der Hauptsache se entschieden werden. Hierbei kann sich ergeben, dass nach dem – unbestrittenen – Inhalt der nach Verurteilung auf der ersten Stufe erfolgten Auskunft von Anfang an kein Leistungsanspruch (3. Stufe) bestand. In dieser Situation bietet die einseitige Erledigungserklärung keine befriedigende Lösung, da das Feststellungsbegehren notwendigerweise erfolglos bleiben würde. Denn die Auskunft führt nicht zur Unbegründetheit des Leistungsbegehrens, sondern offenbart nur die von Anfang an bestehende Unbegründetheit (s. ausführlich unter dem Stichwort „Stufenklage“). Da es dem Kläger nur um die Erstattung eigener und Abwendung fremder Kosten geht (Kosteninteresse), ein etwaig weiter gehendes Interesse wird bereits mit der Verurteilung zur Auskunftserteilung kompensiert, ist die Erledigungserklärung – ggf. nach Hinweis (§ 139 ZPO) – als Antrag auf Feststellung der materiellen Kostentragungspflicht wegen verzögerter Auskunftserteilung auszulegen.1 Hierbei handelt es sich (ebenfalls) um eine privilegierte Klageänderung (§ 264 Nr. 2 ZPO), die – hier nach wohl einhelliger Ansicht – schon wegen der Streitgegenstandsänderung eine gestaffelte Streitwertfestsetzung erfordert. Die nach Klageänderung entstehenden Gebühren berechnen sich daher nach der Höhe der bis dahin angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten (wegen der Einzelheiten der Berechnung s. oben Rn. 2177 ff.).

2229

IV. Klage und Widerklage Hat der Beklagte Widerklage erhoben und erklärt eine der Parteien oder beide übereinstimmend eines der Klagebegehren für erledigt, dann handelt es sich um einen Fall der einseitigen oder übereinstimmenden Teilerledigung. Die Bewertung richtet sich nach den allgemeinen Regelungen.2

2230

V. Einstweiliger Rechtsschutz Auch in Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist mit der einseitigen Erledigungserklärung des Verfügungsklägers eine Klagebeschränkung des Inhalts verbunden, dass der Kläger nunmehr Feststellung der Verfahrenserledigung in der Hauptsache begehrt. Für die damit erforderliche gestaffelte Wertfestsetzung ist ab Erledigungserklärung nunmehr das Feststellungsinteresse des Verfügungsklägers maßgeblich. Dieses wird mangels entgegenstehender Anhaltspunkte dem Kosteninteresse entsprechen.3

2231

VI. Zwangsvollstreckung Erklären im Ordnungsgeldverfahren (§ 890 ZPO) Vollstreckungsgläubiger und -schuldner die Hauptsache (des Zwangsvollstreckungsverfahrens) überein1 So BGH, Urt. v. 5.5.1994 – III ZR 98/93, MDR 1994, 717 = NJW 1994, 2895. 2 OLG Bamberg, JurBüro 1963, 488; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rn. 17. 3 OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.12.1992 – 3 U 34/92, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1125 = OLGR 1993, 62; OLG Köln, Beschl. v. 16.8.1985 – 6 W 53/85, WRP 1986, 117; a.A. OLG München, Rpfleger 1967, 135; KG, Beschl. v. 3.10.1986 – 5 W 4470/86, WRP 1987, 111: Hauptsachewert.

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2232

Erledigung der Hauptsache stimmend für erledigt, dann richten sich Kostenentscheidung und Rechtsmittel nach § 91a ZPO. Der Beschwerdewert bestimmt sich nach den bis zur Erledigungserklärung angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten.1

E. Rechtsmittel und Beschwer I. Anfechtbarkeit der Entscheidung 2233

Erklären die Parteien erstinstanzlich den Rechtsstreit in der Hauptsache in vollem Umfang übereinstimmend für erledigt, ist nach § 91a ZPO über die Kosten des Rechtsstreits durch Beschluss zu entscheiden. Hiergegen ist gem. §§ 91a Abs. 2 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde eröffnet, wenn der Streitwert der Hauptsache die Berufungssumme (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO: 600 Euro) und der Wert des Beschwerdegegenstands 100 Euro übersteigt, §§ 91a Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

2234

Erfasst die übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien nur einen Teil der Hauptsache, dann entscheidet das Gericht über den noch verbliebenen Teil der Hauptsache und insgesamt über die Kosten des Rechtsstreits. Die Kostenmischentscheidung erfolgt für die auf den streitigen Teil entfallenden Kosten nach §§ 91 ff. ZPO und für den auf die Erledigung entfallenden Teil nach Maßgabe von § 91a ZPO.2 Hinsichtlich des erledigten Teils ist die Kostenentscheidung entweder mit der gegen die Verurteilung in der Hauptsache eröffneten Berufung3 oder selbständig nach § 91a Abs. 2 ZPO anfechtbar, wenn die bereits genannten weiteren Erfordernisse für diesen Teil vorliegen.4

2235

In allen Fällen bestimmt sich der Streitwert der Hauptsache im Sinne von § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht nach dem gesamten für erledigt erklärten Teil, sondern nach dem für die Kostenentscheidung gem. § 91a ZPO maßgeblichen voraussichtlichen Unterliegen einer Partei, mithin der Höhe der hypothetischen Beschwer in der Hauptsache.5

2236

Bei übereinstimmender (Teil-)Erledigungserklärung im Berufungs- und Beschwerdeverfahren ist gegen den Kostenbeschluss bzw. Kostenmischentscheidung nur die (zugelassene) Rechtsbeschwerde eröffnet, § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Insbesondere kann die Berufungsentscheidung bezüglich der den erledigten Teil betreffenden Kostenmischentscheidung nicht mit der Revision angefochten werden. Dementsprechend ist auch bei der Berechnung der aus dem 1 OLG Braunschweig, Beschl. v. 20.5.1997 – 1 W 19/97, InVo 1998, 55. 2 BGH, Beschl. v. 29.7.2003 – VIII ZB 55/03, MDR 2004, 45 = NJW-RR 2003, 798 = AGS 2003, 437 mit Anm. N. Schneider; NJW 1963, 583. 3 KG, Urt. v. 20.5.1985 – 12 U 19/84, MDR 1986, 241; OLG Rostock, Urt. v. 26.3.2003 – 3 U 85/02, OLGR 2003, 388; OLG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 12.4.1999 – 9 U 336/98, RenoR 2000, 21; E. Schneider, MDR 1997, 705; Zöller/Vollkommer, § 91a ZPO Rn. 56. 4 BGH, Urt. v. 21.2.1991 – I ZR 92/90, BGHZ 113, 362 = MDR 1991, 793 = NJW 1991, 2020; Urt. v. 18.9.1963 – VII ZR 182/62, MDR 1964, 227 = NJW 1964, 660; Zöller/ Vollkommer, § 91a Rn. 56 m.w.N. 5 BGH, Beschl. v. 29.7.2003 – VIII ZB 55/03, MDR 2004, 45 = AGS 2003, 437 mit Anm. N. Schneider = NZM 2004, 45 = WuM 2003, 576; NJW 1963, 583; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rn. 3.

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Erledigung der Hauptsache Berufungsurteil erwachsenen Beschwer zu beachten, dass die mit der Entscheidung über die Kosten des erledigten Teils verbundene Beschwer außer Ansatz bleibt.1 Hat das Gericht im Falle der einseitigen (Teil-)Erledigungserklärung streitig über den Antrag auf Feststellung der (Teil-)Erledigung durch Urteil entschieden, folgt dessen Kostenentscheidung und Anfechtbarkeit den allgemeinen Regeln. § 91a ZPO gelangt weder unmittelbar noch analog zur Anwendung.2 Hierbei richtet sich die Beschwer nach dem Streitwert des Feststellungsantrages, hinsichtlich dessen Bewertung auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann.3 Im Falle der Teilerledigungseklärung ist die Beschwer des die Erledigung in Abrede stellenden und weiterhin Klageabweisung beantragenden Beklagten durch eine Quoten- oder Differenzrechnung zu ermitteln.4 Wird dieser allein durch das Kosteninteresse des Klägers bestimmt, steht § 99 Abs. 1 ZPO der Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht entgegen.5 Eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung bei einseitiger Teilerledigungserklärung ist jedoch gem. § 99 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen.6

2237

II. Übereinstimmende Erledigung 1. Vollständige Erledigung Hier bemisst sich die mit der Kostenentscheidung verbundene Beschwer immer nach dem Umfang der dem Beschwerdeführer auferlegten Kosten (Tragung eigener Kosten und Erstattung fremder Kosten).

2238

2. Teilerledigung Diese errechnet sich bei der Teilerledigung und damit verbundenen Kostenmischentscheidung nach der Höhe der auf den erledigten Teil entfallenden Kosten. Deren Anteil ist auch hier nach ihrem Verhältnis zu den Gesamtkosten (Quote) und nicht nach den infolge der Geltendmachung des jetzt erledigten Teils ausgelösten Mehrkosten zu bestimmen.7 Dies schon deshalb, weil anderenfalls die degressive Entwicklung der Gebührenhöhe unberücksichtigt bliebe.

2239

Für die Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung über den von der Erledigung nicht erfassten Teil, d.h. der Hauptsache im Sinne von § 511 ZPO, ist allein

2240

1 BGH, Beschl. v. 19.10.2000 – I ZR 176/00, MDR 2001, 648 = NJW 2001, 230. 2 BGH, Urt. v. 5.5.1994 – III ZR 98/93, MDR 1994, 717 = NJW 1994, 2895 = FamRZ 1995, 348; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.6.1997 – 9 U 289/96, JurBüro 1998, 97 = NJWRR 1997, 1566; OLG Stuttgart, Urt. v. 5.6.2002 – 14 U 6/02, Justiz 2003, 151 = NZG 2002, 1105; Zöller/Vollkommer, § 91a ZPO Rn. 47 m.w.N.; a.A. OLG München, Urt. v. 8.7.1992 – 27 U 822/91, NJW-RR 1993, 571. 3 Zöller/Vollkommer, § 91a ZPO Rn. 49. 4 Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 12.5.2005 – 24 U 7/05, JurBüro 2005, 598; Beschl. v. 12.6.2001 – 21 W 29/00, OLGR 2001, 297 – Quotenmethode; BGH, Beschl. v. 19.11.2009 – I ZR 33/08, juris; Beschl. v. 13.7.2005 – XII ZR 295/02, NJW-RR 2005, 1728 – Differenzrechnung; s. hierzu ausführlich oben Rn. 2214. 5 BGH LM ZPO § 91a Nr. 31 = BGHZ 57, 224. 6 Zöller/Vollkommer, § 91a ZPO Rn. 57. 7 Ebenso Musielak/Wolst, § 91a ZPO Rn. 52.

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Erledigung der Hauptsache der Wert des noch im Streit befindlichen Klageanspruchs maßgeblich. Die Kosten des erledigten Teils bleiben gem. § 4 ZPO unberücksichtigt.1 2241

Demgegenüber erhöhen sich Beschwer und Gebührenstreitwert des Rechtsmittelverfahrens um den Wert der auferlegten Kosten (Kosteninteresse), wenn mit der Berufung in der Hauptsache auch eine Überprüfung der Kostenentscheidung des erledigten Teils eröffnet wird.2 Abweichend davon bleibt für Revisionsbeschwer und -streitwert die Kostenlast unberücksichtigt, da diesbezüglich eine Überprüfung der Kostenmischentscheidung des Berufungsurteils nicht mehr stattfindet.3

III. Einseitige Erledigungserklärung 1. Vollständige Erledigung 2242

Die Kontroverse, ob die einseitige Erledigungserklärung den Streitwert auf die bis dahin angefallenen Kosten reduziert, setzt sich bei der Bestimmung von Beschwer und Rechtsmittelstreitwert notwendigerweise fort. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorangegangenen Ausführungen Bezug genommen (s. oben Rn. 2190 ff.).

2243

Im Falle der vollumfänglichen Stattgabe oder Abweisung beschränkt sich die Beschwer regelmäßig auf die mit der Entscheidung verbundene Kostenlast, d.h. Beschwer und Rechtsmittelstreitwert bestehen in der Summe der Kosten der Vorinstanzen, soweit nicht der Hauptsachewert geringer ist,4 Beispielsweise wegen einer Gebührenprivilegierung.5 Eine darüber hinausgehende Beschwer kommt bei einem im Einzelfall weiter gehenden Feststellungsinteresse des Klägers in Betracht.6 Dies gilt auch bei der Ermittlung der Beschwer des Beklagten, wenn ihm – korrespondierend zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers – an einer Klageabweisung, beispielsweise zur Abwehr etwaiger Schadensersatzansprüche, gelegen ist.7

2244

Wird dem Feststellungsantrag nur teilweise stattgegeben, ist die Beschwer wiederum anteilig bezogen auf den bisherigen Hauptsachewert oder – nach der hier vertretenen Ansicht – auf den Wert des Feststellungsbegehrens und damit regelmäßig nach einem dem Unterliegen entsprechenden Anteil an der Gesamtkosten zu ermitteln.

1 BGH, Urt. v. 12.3.1991 – XI ZR 148/90, NJW-RR 1991, 1211; Beschl. v. 20.9.1962 – VII ZB 2/62, LM ZPO § 91a Nr. 15; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rn. 8. 2 OLG Hamm, OLGZ 87, 375; KG, MDR 1986, 241; OLG Rostock, Urt. v. 26.5.2003 – 3 U 85/02, OLGR 2003, 388 = GuT 2003, 212; E. Schneider MDR 1997, 705; Zöller/ Vollkommer, § 91a Rn. 56; OLG München, NJW 1970, 761. 3 BGH, Beschl. v. 28.11.1990 – VIII ZB 27/90, NJW-RR 1991, 509 = MDR 1991, 526. 4 S. BGH, Urt. v. 11.7.1990 – XII ZR 10/90, FamRZ 1990, 1225. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.5.2009 – 24 W 26/09, OLGR 2009, 706; Beschl. v. 10.1.2006 – I-24 W 64/05, MDR 2006, 1017. 6 BGH, WM 1978, 736: Erledigung durch Aufrechnung des Klägers. 7 OLG Thüringen, Urt. v. 28.11.2001 – 2 U 615/01, OLG-NL 2002, 18 E. Schneider, MDR 1973, 625; offen lassend BGH, NJW 1969, 1173; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rn. 14.

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Erledigung der Hauptsache 2. Teilweise Erledigung Erklärt der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache nur teilweise für erledigt und bleibt im Übrigen bei seinem bisherigen Klageantrag, ist zu unterscheiden: – Bei vollumfänglicher Stattgabe von (verbleibender) Hauptsacheklage und dem (in der einseitigen Teilerledungserklärung liegenden) Feststellungsantrag bestimmt sich die Beschwer des Beklagten nach dem Wert der verbliebenen Hauptsache zuzüglich dem Wert des Feststellungsbegehrens. Dessen Wert wird davon beeinflusst, welche Ansicht im Streit um die Bewertung der einseitigen Erledigungserklärung vertreten wird. Wird diese nach dem Kosteninteresse bestimmt, bedarf es einer Herausrechnung (Differenzrechnung) der auf die Verurteilung in der verbleibenden Hauptsache entfallenden Kosten wegen § 4 ZPO.1 Dies sollte – wie bereits dargestellt (s. oben Rn. 2214) – nach der Quotenmethode erfolgen. Ebenso verhält es sich bei der Abweisung von Hauptsacheantrag und Feststellungsbegehren. – Kommt es hinsichtlich der Klageanträge zu unterschiedlichen Verfahrensteilergebnissen, bestimmt sich die Beschwer – wie auch sonst bei der objektiven Klagehäufung – nach dem Umfang der stattgebenden Entscheidung. Weist das Gericht die verbleibende Hauptsacheklage ab und gibt dem Feststellungsbegehren statt, entspricht die Beschwer des Beklagten dem vollen Betrag der ihm auferlegten Kosten2 und die Beschwer des Klägers dem verbleibenden Hauptsachewert. Wird dem verbleibenden Hauptsacheantrag stattgegeben und unterliegt der Kläger allein beim Streit um die Teilerledigung, berechnet sich die Beschwer des Beklagten allein nach dem verbleibenden Hauptsachewert und die Beschwer des Klägers nach dem – im Wege einer Differenzberechnung – zu ermittelnden Kosteninteresse.

2245

F. Vergleich Aufgrund der unmittelbar prozessbeendigenden Wirkung des Prozessvergleichs besteht für eine Verbindung von Vergleich und Erledigungserklärung keine Notwendigkeit. Der im Vergleich enthaltenen Formulierung, wonach der „Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist“, kommt eine eigenständige Bedeutung allenfalls dann zu, wenn die Parteien daneben keine oder nur eine negative Kostenregelung getroffen haben. Dann beschränkt sich der Vergleich auf die Hauptsache, sodass das Gericht in Abweichung von § 98 ZPO nach Maßgabe der allgemeinen Kostenregelungen, insbesondere von § 91a ZPO, über die Kosten zu entscheiden hat.3 1 BGH, Beschl. v. 9.3.1993 – VI ZR 249/92, MDR 1994, 317 = NJW-RR 1993, 765; Beschl. v. 25.9.1991 – VIII ZR 157/91, WM 1991, 2009, allerdings mit Berechnung nach der Differenzmethode. 2 BGH, Beschl. v. 9.3.1993 – VI ZR 249/92, MDR 1994, 317 = NJW-RR 1993, 765. 3 BGH, MDR 1965, 25 = NJW 1965, 103; OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.10.2002 – 9 WF 169/02, JurBüro 2003, 323; OLG Koblenz, JurBüro 1991, 120; OLG München, MDR 1990, 344; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 24.5.2004 – 5 W 38/04, juris; Zöller/ Herget, § 98 ZPO Rn. 3.

Kurpat

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Ersatzvornahme nach § 887 ZPO 2247

Nach Abschluss des Vergleichs ist aufgrund des damit verbundenen Wegfalls der Rechtshängigkeit für eine übereinstimmende Erledigungserklärung kein Raum mehr.1

2248

Erfasst die Einigung sämtliche streitgegenständlichen Ansprüche, dann entspricht der Gegenstandswert des Vergleichs dem Wert der Hauptsache. Die nach Maßgabe von § 91a ZPO zu verteilenden Kosten des Rechtsstreits bleiben demgegenüber unberücksichtigt. Denn für die Bewertung ist allein maßgeblich, worüber der Vergleich geschlossen, d.h. welcher Streit durch den Vergleich beigelegt wird. Unerheblich ist, worauf sich die Parteien verglichen haben, selbst wenn die nach dem Vergleich zu erbringende Leistung wertmäßig über dem verglichenen Anspruch liegt.2 Schließen die Parteien einen Vergleich, nachdem der Beklagte zuvor der Erledigungserklärung widersprochen hat, bestimmt sich dessen Gegenstandswert nach den bis dahin angefallenen Kosten des Rechtsstreits.3 Zu beachten bleibt, dass bei einer Erledigungserklärung des Klägers erst in der mündlichen Verhandlung sich die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) nach dem Wert der Hauptsache richtet. Denn die Terminsgebühr entsteht bereits mit Anwesenheit des Anwalts bei Aufruf der Sache.

2249

Ist dem Vergleich jedoch eine übereinstimmende Teilerledigung vorausgegangen und erfasst die Einigung auch die Verteilung der auf den erledigten Teil entfallenden Kosten, dann sind diese Kosten bei der Bemessung des Gegenstandwertes werterhöhend zu berücksichtigen.4

2250

Erklären die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt, beruhen aber diese Erklärungen auf Irrtümern über die tatsächlich erfolgten Zahlungen im Laufe des Rechtsstreites, so ist das für die Streitwertbemessung unbeachtlich, da die übereinstimmenden Erklärungen mangels Widerrufbarkeit und Anfechtbarkeit das Hauptverfahren endgültig erledigt haben. Schließen die Parteien daraufhin noch im selben Verfahren einen Vergleich, um einen neuen Rechtsstreit zu vermeiden, so sind beim Wertansatz für den Vergleich alle bisher angefallenen Kosten und alle in Wirklichkeit nicht erledigten Forderungen einschließlich restlicher Zinsansprüche zu berücksichtigen.5

Ersatzvornahme nach § 887 ZPO A. Einleitung 2251

Ist der Schuldner zur Vornahme einer vertretbaren Handlung verurteilt, so kann der Gläubiger, wenn die Handlung nicht vorgenommen wird, auf Antrag vom Gericht ermächtigt werden, die betreffende Handlung auf Kosten des Schuldners selbst vorzunehmen (§ 887 Abs. 1 ZPO). Auf entsprechenden An1 OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.10.2002 – 9 WF 169/02, JurBüro 2003, 323. 2 BGH, NJW 1964, 1523; KGR 2004, 310; OLG Köln, JurBüro 1996, 476; OLG München, JurBüro 2001, 141; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Vergleich“ m.w.N. 3 KG, Beschl. v. 10.10.2006 – 1 W 260/06, KGR 2007, 161 = JurBüro 2007, 33. 4 OLG Bamberg, JurBüro 1974, 1440. 5 OLG Köln, JMBl.NW 1974, 46.

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Ersatzvornahme nach § 887 ZPO trag kann der Schuldner auch verurteilt werden, einen Vorschuss auf die zu erwartenden Kosten der Ersatzvornahme zu zahlen (§ 887 Abs. 2 ZPO), über den dann später abgerechnet wird.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Ein Zuständigkeitsstreitwert muss für das Verfahren über die Ersatzvornahme nach § 887 ZPO nicht ermittelt werden, da nach § 887 Abs. 1 ZPO das Prozessgericht des ersten Rechtszugs ausschließlich zuständig ist.

2252

Auch für die Gerichtsgebühren ist keine Streitwertfestsetzung erforderlich. Das Verfahren in erster Instanz ist zwar nicht mehr gebührenfrei. Die Gebühren fallen jedoch als Festgebühren an. In der ersten Instanz wird eine Festgebühr i.H.v. 15 Euro für den Antrag erhoben (Nr. 2111 KV GKG). In der Beschwerdeinstanz fällt eine Festgebühr von 25 Euro bzw. 50 Euro an, wenn die Beschwerde bzw. Rechtsbeschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird (Nr. 2121, 2124 KV GKG). Der Anwalt kann im Verfahren nach § 887 ZPO eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG sowie ggf. eine Terminsgebühr nach Nr. 3310 VV RVG verdienen. Wird der Schuldner zugleich verurteilt, einen Kostenvorschuss zu leisten (§ 887 Abs. 2 ZPO), so ist die Vollstreckung dieser Entscheidung für den Anwalt eine besondere Angelegenheit (§ 18 Abs. 1 Nr. 12 RVG). Die Anwaltsgebühren richten sich nach dem gem. § 25 Abs. 1 RVG zu bestimmenden Gegenstandswert.

2253

Bei einem Verfahren auf Erteilung der Ermächtigung und Verurteilung zur Vorauszahlung ist der Wert der zu erzwingenden Handlung maßgebend. Das ist in der Regel der Wert der Hauptsache, weil es dem Gläubiger darum geht, dass die Handlung vorgenommen wird.1 Sein Interesse entspricht daher regelmäßig dem Erfüllungsinteresse und damit dem Wert der Hauptsache,2 nicht lediglich einem Bruchteil davon.

2254

Der verlangte Vorschuss bildet einen Anhalt für die Schätzung des maßgeblichen Wertes der zu erzwingenden Handlung. Wird wegen im Voraus zu zahlender Kosten vollstreckt, dann entspricht der Streitwert dem Betrag dieser Kosten.3

2255

Erweiterung des Klageantrags S. das Stichwort „Klageänderung“.

1 Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Ersatzvornahme gem. § 887“. 2 OLG Rostock, Beschl. v. 26.9.2008 – 1 W 82/08, JurBüro 2009, 105 = AGS 2009, 187; OLG Köln, AGS 2005, 262; OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 218; KG, JurBüro 1973, 150; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 Stichwort „Ersatzvornahme“; OLG Karlsruhe, Justiz 1967, 171; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1962, 111. 3 Schneider/Wolf, § 25 RVG Rn. 20.

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Erwerbsverbot

Erwerbsverbot Literatur: Schneider, JurBüro 1978, 1603.

A. Einleitung 2256

Soll bei Vorliegen eines nichtigen oder unwirksamen Grundstückskaufvertrages der Erwerber an der Eintragung gehindert werden, damit er nicht die dingliche Rechtsstellung erlangt und an einen Gutgläubigen weiter veräußern kann, kann der Verkäufer ein gerichtliches Erwerbsverbot erwirken. Dies geschieht in der Regel im Rahmen einer einstweiligen Verfügung (§§ 935, 938 Abs. 2 ZPO).1

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2257

Der Streitwert des Antrags auf Erlass eines Erwerbsverbots2 im Wege einer einstweiligen Verfügung ist nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen und hat sich am Wert der Hauptsache zu orientieren.

2258

Maßgebend ist das Interesse des Antragstellers an der Sicherung seiner Rechtsposition im Zeitpunkt der Antragstellung. Dabei wird vom Streitwert der Hauptsache ausgegangen und das Verfügungsverfahren mit einem entsprechenden Bruchteil bewertet.3

2259

In den einschlägigen Fällen können die Bemessungsgrundsätze für nichtige Rechtsgeschäfte Anwendung finden.4 Wird nur Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages verlangt, dann ist auf das Interesse des Klägers am Nichtbestehen oder an der Wiederaufhebung des Vertrages abzustellen. Das Interesse ist dann gleich bedeutend mit dem Ziel, vom Vertrag befreit zu werden.5

2260

Maßgebend ist also der objektive wirtschaftliche Nachteil, der dem Kläger bei Aufrechterhaltung des Vertrages entstünde und den er durch Hauptsacheklage abwenden will.6 Das kann die eigene Leistung oder auch der Verkehrswert des Grundstückes sein. Die abweichende Entscheidung des OLG Koblenz,7 wonach immer der volle Wert der Leistung anzusetzen sei, von der bei Nichtigkeit freigestellt wird, ist zu Recht unbeachtet geblieben, weil dadurch das zu bewertende Klägerinteresse unabhängig vom Einzelfall bestimmt würde.

2261

Wird auf Unterlassung der Vorlage eines Wechsels zur Zahlung geklagt, dann ist das nach § 3 ZPO zu schätzende Unterlassungsinteresse (= Interesse am Erwerbsverbot) regelmäßig mit dem bekämpften Wechselanspruch gleichzusetzen.8

2262

Wird bei Vertragsnichtigkeit im Hauptverfahren auch die Rückgewähr der bereits erbrachten Leistung verlangt, dann ist § 6 ZPO anzuwenden. 1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. RGZ 120, 118; KG, Rpfleger 192, 177; OLG Hamm, DNotZ 1970, 661. Vgl. zum Gegenstück „Veräußerungsverbot“ das entsprechende Stichwort. Vgl. das Stichwort „Einstweilige Verfügung“. Vgl. das Stichwort „Nichtigkeitsklage“. OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 162. OLG Stuttgart, Rpfleger 1962, 162. OLG Koblenz, NJW 1953, 1918. BGH, WM 1988, 882.

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Fälligkeit

Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen S. das Stichwort „Ordnungsmittel“.

Fällige Beträge A. Überblick Das Problem der zusätzlichen Bewertung fälliger Beträge stellt sich bei allen Klagen, die auf zukünftige Leistung gerichtet sind. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelgung findet sich nur für Ansprüche auf Zahlung einer Schadensersatzrente wegen der Tötung eines Menschen oder wegen der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit eines Menschen (§ 41 Abs. 4 GKG). Eine vergleichbare Regelung gilt in Familiensachen für Unterhaltsansprüche (§ 51 Abs. 2 FamGKG).

2263

B. Mietsachen Für Miet- und Pachtsachen fehlt zwar eine vergleichbare Regelung. Der BGH wendet hier jedoch § 42 Abs. 4 GKG (§ 42 Abs. 5 GKG a.F. – damals noch § 17 Abs. 5 GKG a.F.) analog an und rechnet bei einer Klage auf Zahlung zukünftiger Mieten, Pachtzinsen oder Nutzungsentschädigungen (§ 259 ZPO) die fälligen Beträge analog § 42 Abs. 4 GKG (§ 42 Abs. 5 GKG a.F. früher 17 Abs. 5 GKG) hinzu.1

2264

C. Sonstige Dauerschuldverhältnisse Für sonstige Dauerschuldverhältnisse liegen zwar noch keine vergleichbaren Entscheidungen vor. Hier dürfte jedoch nichts anderes gelten, sodass auch hier § 42 Abs. 4 GKG analog anzuwenden ist.

2265

* Æ Beispiel: Im Oktober 2006 wird Klage auf laufendes Arbeitsentgelt sowie rückständiges Arbeitseinkommen für August und September 2006 erhoben. Der Streitwert bemisst sich auf den Wert der zukünftigen Beträge zuzüglich der zwei Monate Rückstände.

Fälligkeit Wird auf Zahlung eines Betrags oder auf sonstige Leistung geklagt und verteidigt sich der Beklagte lediglich damit, der Betrag oder die Leistung sei noch nicht fällig, so wird häufig trotzdem der eingeklagte Betrag oder er Wert der 1 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, AGS 2004, 249 mit Anm. N. Schneider = NZM 2004, 423 = JurBüro 2004, 378 = MietRB 2004, 234 = MDR 2004, 1437.

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Fälligkeit

Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen S. das Stichwort „Ordnungsmittel“.

Fällige Beträge A. Überblick Das Problem der zusätzlichen Bewertung fälliger Beträge stellt sich bei allen Klagen, die auf zukünftige Leistung gerichtet sind. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelgung findet sich nur für Ansprüche auf Zahlung einer Schadensersatzrente wegen der Tötung eines Menschen oder wegen der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit eines Menschen (§ 41 Abs. 4 GKG). Eine vergleichbare Regelung gilt in Familiensachen für Unterhaltsansprüche (§ 51 Abs. 2 FamGKG).

2263

B. Mietsachen Für Miet- und Pachtsachen fehlt zwar eine vergleichbare Regelung. Der BGH wendet hier jedoch § 42 Abs. 4 GKG (§ 42 Abs. 5 GKG a.F. – damals noch § 17 Abs. 5 GKG a.F.) analog an und rechnet bei einer Klage auf Zahlung zukünftiger Mieten, Pachtzinsen oder Nutzungsentschädigungen (§ 259 ZPO) die fälligen Beträge analog § 42 Abs. 4 GKG (§ 42 Abs. 5 GKG a.F. früher 17 Abs. 5 GKG) hinzu.1

2264

C. Sonstige Dauerschuldverhältnisse Für sonstige Dauerschuldverhältnisse liegen zwar noch keine vergleichbaren Entscheidungen vor. Hier dürfte jedoch nichts anderes gelten, sodass auch hier § 42 Abs. 4 GKG analog anzuwenden ist.

2265

* Æ Beispiel: Im Oktober 2006 wird Klage auf laufendes Arbeitsentgelt sowie rückständiges Arbeitseinkommen für August und September 2006 erhoben. Der Streitwert bemisst sich auf den Wert der zukünftigen Beträge zuzüglich der zwei Monate Rückstände.

Fälligkeit Wird auf Zahlung eines Betrags oder auf sonstige Leistung geklagt und verteidigt sich der Beklagte lediglich damit, der Betrag oder die Leistung sei noch nicht fällig, so wird häufig trotzdem der eingeklagte Betrag oder er Wert der 1 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, AGS 2004, 249 mit Anm. N. Schneider = NZM 2004, 423 = JurBüro 2004, 378 = MietRB 2004, 234 = MDR 2004, 1437.

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Fälligkeit Leistung in vollem Umfang als maßgebend angesehen, weil der Kläger darüber einen vollstreckungsfähigen Titel erstrebt.1 2267

Es lässt sich jedoch nicht verkennen, dass diese Bewertung am wirtschaftlichen Streit der Parteien vorbeigeht. Denn die Forderung oder die Leistung als solche ist unstreitig, es geht nur darum, wann sie zu erfüllen ist. Deshalb ist der Ansatz des vollen Forderungsnennbetrags oder des vollen Werts der Leistung bedenklich,2 zumal das in anderen Fällen das Gesetz das „Fälligkeitsinteresse“ berücksichtigt. So wird z.B. bei einem Rechtsstreit auf Herausgabe eines Mietobjekts, bei dem die Parteien nur über den Zeitpunkt der Räumung streiten, nur der Bezug der streitigen Zeit berücksichtigt (§ 9 ZPO; § 41 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 GKG). Hier wird also das Fälligkeitsinteresse berücksichtigt.3

* Æ Beispiel: Der Vermieter erklärt im Januar die Kündigung des Mietverhältnisses zum 30.9. Der Mieter erklärt, die Kündigung zu akzeptieren. Er berechnet die Kündigungsfrist allerdings anders und erklärt, erst zum 31.12. zu räumen. Da jetzt nur eine Mietzeit von drei Monaten streitig ist, wird gem. § 41 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GKG auch nur der Bezug dieser drei Monate herangezogen.

2268

Soweit das Gesetz nicht ohnehin schon auf das Fälligkeitsinteresse abstellt, kann diese ggf. im Rahmen des § 3 ZPO – auch bei Geldforderungen – berücksichtigt werden. Dafür spricht insbesondere, dass das GKG – im Gegensatz zum FamGKG (§ 35 FamGKG) – nicht auf den Wert der geltend gemachten Forderung abstellt, sondern eine Schätzung nach § 3 ZPO vorsieht. Indessen muss sich der Kläger auf die unter Rn. 2066 genannte Rechtsprechung einstellen.

2269

Wird nicht der Betrag eingeklagt, sondern vom Schuldner negative Feststellungsklage erhoben mit dem Ziel der Feststellung, dass der Betrag noch nicht fällig sei, dann ist auch nach dem Klageantrag nur die Leistungszeit Streitgegenstand. Zu einem vollstreckungsfähigen Titel über den Betrag kommt es nicht. Abzustellen ist dann allein auf das „Fälligkeitsinteresse“, also auf die Nachteile, die bei vorzeitiger Zahlung entstehen.

2269a

Gleiches gilt im Fall einer Vollstreckungsabwehrklage, mit der nur geltend gemacht wird, die Vollstreckung sei aufgrund einer nachträglich getroffenen Fälligkeitsabrede (Stundungsvereinbarung) zur Zeit nicht zulässig. Der Schuldner wendet sich in diesem Fall nicht gegen die Forderung selbst, sondern nur gegen die vorzeitige Zahlung. Sein Interesse beschränkt sich daher auf die Mehrkosten, die bei vorzeitiger Erfüllung anfallen (Finanzierungskosten etc.).

2270

Hier ist nach § 3 ZPO zu schätzen, was die Verzögerung für den klagenden Schuldner wirtschaftlich wert ist.4 Der Streitwert (= Zwischenzins) lässt sich 1 OLG Hamburg, Beschl. v. 9.12.1971 – 6 W 76/71, MDR 1972, 335; ebenso MünchKomm.ZPO/Lappe, § 3 Rn. 118; Baumbach/Hartmann, Anh. § 3 ZPO Rn. 5 „Fälligkeit“. 2 So auch der BGH jedenfalls für die Urteilsbeschwer, WPM 1995, 2060. 3 S. OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.10.2008 – 5 W 48/08, AGS 2009, 46 = NJW-Spezial 2008, 764 = MietRB 2009, 132. 4 BGH, Beschl. v. 21.4.1961 – V ZR 58/60, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 13; OLG Schleswig, Beschl. v. 13.1.1983 – 8 WF 156/82, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 636; OLG Hamburg, Beschl.

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Feststellung der Erbberechtigung über den höchstmöglichen Zinssatz oder die höchstmögliche ersparte Zinsbelastung errechnen. Des Weiteren können eventuelle Finanzierungskosten zu berücksichtigen sein. Ebenso ist in der Zwangsvollstreckung zu bewerten. Wendet sich der Schuldner mit Erinnerung oder Beschwerde lediglich dagegen, dass der zugunsten des Gläubigers titulierte Anspruch noch nicht fällig sei, dann bemisst sich der Gegenstandswert für die Gebühren des Anwalts nicht nach der Höhe der Forderung, sondern nach dem Interesse des Schuldners an der Hinauszögerung des Vollstreckungsbeginns. Dieses Interesse kann anhand des Zwischenzinses zwischen den streitigen Fälligkeitszeitpunkten geschätzt werden.1

2271

Diese Bewertungsregeln gelten auch bei außergerichtlichem Fälligkeitsstreit. Wird ein Anwalt damit beauftragt, gegenüber dem Gläubiger die noch nicht eingetretene Fälligkeit geltend zu machen, dann ist das Interesse des Schuldners an der Hinauszögerung des Fälligkeitstermins maßgebend.2 Es muss nach § 3 ZPO geschätzt werden.

2272

Der Streitwert einer Klage auf zukünftig fällig werdende Geldansprüche (§§ 257, 259 ZPO) ist gleich dem vollen Nominalwert der Forderung,3 soweit der Streit nicht ausschließlich um die Fälligkeit geht.

2273

Wird eine Klage auf künftige Leistung von wiederkehrenden Leistungen (z.B. laufende monatliche Mieten) nur deshalb erhoben, weil der Schuldner nicht pünktlich zahlt, ist dagegen nur das Fälligkeitsinteresse zu berücksichtigen, das mit einem Bruchteil der Hauptforderung zu bewerten ist.4

2274

Feststellung der Erbberechtigung Die Frage der Erbberechtigung stellt sich in Zusammenhang mit der Anfechtungsklage zur Feststellung der Erbunwürdigkeit. Der Streitwert bemisst sich nach der Höhe des Nachlassanteils des potentiell Erbunwürdigen.5

2275

Bei einer Klage auf Feststellung, dass die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei, bestimmt sich der Wert des Streitgegenstandes nach dem Anteil des klagenden Erben am Nachlass, nicht aber nach dem Wert des Gesamtnachlasses.6

2276

1 2 3 4 5 6

v. 9.12.1971 – 6 W 76/71, MDR 1972, 335; OLG Bamberg, Beschl. v. 26.5.1982 – 3 W 33/82, JurBüro 1982, 1245; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 8.7.1985 – 7 TA 179/85, JurBüro 1985, 1704. OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1985 – 2 W 107/85, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 778. LG Bielefeld, Urt. v. 20.2.1980 – 1 S 505/79, AnwBl. 1980, 256 mit abl. Anm. Schmidt = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 484 zust. Anm. Schneider. RGZ 118, 323; BGH, Beschl. v. 2.3.1994 – IV ZR 270/93, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1178; m.w.N zur Rspr. bei Hirte, MDR 1987, 170; Voormann, MDR 1987, 722. AG Kerpen, Urt. v. 5.4.1991 – 22 C 32/92, WuM 1991, 439 mit Anm. N. Schneider: 1/5. BGH, Beschl. v. 20.10.1969 – III ZR 206/67, NJW 1970, 197. OLG Schleswig, SchlHA 1958, 83; OLG Bamberg, JurBüro 1975, 1367.

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Feststellungsklage

Feststellungsklage Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . 2277 B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . . II. Wertfestsetzung . . . . . . . . . III. Verhältnis zum Leistungsantrag IV. Grundurteil . . . . . . . . . . . V. Die positive Feststellungsklage 1. Abschlag vom Leistungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . .

2279 2280 2283 2287

2. Höhe des Abschlags . . . . . . . VI. Die negative Feststellungsklage 1. Kein Abschlag . . . . . . . . . . 2. Berühmung des Beklagten . . . 3. Gewerblicher Rechtsschutz . . . 4. Streitwertüberprüfung . . . . . .

Rn. 2292 2299 2300 2304 2310 2312

C. Einzelfälle aus der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . 2313

2289

Stichwortübersicht Rn. Abzug – bei ~ auf berechenbare Leistung . – bei ~ zur Verjährungshemmung . Berühmung des Beklagten – Ermäßigung durch ihn . . . . . . – überhöhte . . . . . . . . . . . . . – wertbestimmend . . . . . . . . . Feststellungs-Teilklage . . . . . . . Gerichtliche – Kenntnis der maßgebenden Umstände . . . . . . . . . . . . . – Schätzung . . . . . . . . . . . . . Gewerblicher Rechtsschutz . . . . . Grundurteil . . . . . . . . . . . . . Hauptinterventionsklage . . . . . . Interesse, wirtschaftliches des Klägers maßgebend . . . . . . . . . . Klageänderung (Feststellung/Leistung) . . . . . . . . . . . . . . . . Klagenhäufung . . . . . . . . . . . . Leistung der Versicherung auf Feststellungsurteil . . . . . . . . . . . Leistungsantrag umfasst Feststellungsantrag . . . . . . . . . . . . Leistungsklage als Maßstab . . . . . Miterben-Feststellungsklage . . . .

2295 2293 2305 2306 2304 2309

2281 2281 2310 2287 2280 2279 2283 2279 2296 2284 2277 2290

Rn. Negative Feststellungsklage . . . . 2299 – Abzug gegenüber Leistungsklage 2300 – Interesse des Klägers maßgebend 2299 – Wert der gegnerischen Ansprüche maßgebend . . . . . . . . . . . . . 2304 Positive Feststellungsklage und Leistungsklage . . . . . . . . . . 2289 – Abzug bei Feststellungsantrag des Nebenintervenienten . . . . . . . 2291 – Abzug von 20 % bei Feststellungsantrag . . . . . . . . . . . . 2292 Rechtsmittelinstanz und Teilurteil 2286 Schätzung – des Klägers . . . . . . . . . . 2280, 2307 – nach § 3 ZPO . . . . . . . . . . . 2277 Teilleistungsantrag neben Feststellungsantrag . . . . . . . . . . . . 2285 Teilurteil – über Feststellungsanspruch . . . 2286 – über Leistungsanspruch . . . . . 2286 Titel, Umfang bei Feststellungsurteil . . . . . . . . . . . . . . . . 2289 Vorläufiger Streitwert . . . . . . . . 2280 Wertangabe des Klägers . . . . . . . 2280 Zinsansprüche . . . . . . . . . . . . 2282

A. Einleitung 2277

Feststellungsklagen sind nur Vorstufen der Leistungsklagen. Beide Klagen gehen auf dasselbe wirtschaftliche Ziel. Gegenstand einer Leistungsklage kann aber jedes Tun oder Unterlassen sein (§ 194 BGB). Daher gibt es für die Bewertung von Feststellungsklagen nur wenige Grundsätze, die nur für sie gelten.

2278

Vornehmlich geht es bei der Streitwertbestimmung um die Frage, ob und wann Feststellungsklagen geringer als die entsprechenden Leistungsklagen 458

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Feststellungsklage zu beziffern sind. Davon behandeln die folgenden Abschnitte die positive (Abschnitt B V) und die negative Feststellungsklage (Abschnitt B VI). Da sich aber die Bewertung jeder Feststellungsklage an der entsprechenden Leistungsklage ausrichten muss, ist deren Wert immer vorab zu bestimmen. Im Hinblick auf häufig auftretende Einzelfälle ist unter Abschnitt C. ein alphabetischer Bewertungsschlüssel zusammengestellt, der eine Orientierungshilfe bietet.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Allgemeines Der Streitwert einer Feststellungsklage ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Entscheidend ist das wirtschaftliche Interesse, das der Kläger nach seinem Sachvortrag an der begehrten Feststellung hat.1 Dieses Interesse richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles2 und ist in drei verschiedenen Schritten zu bestimmen: 1. Zunächst sind in Fällen der Klagehäufung – insbesondere bei umfassenden Feststellungsanträgen für Vergangenheit und Zukunft – solche Ansprüche rauszurechnen, die schon beziffert mit eingeklagt worden sind.3

* Æ Beispiel: Ergibt sich aus der Klagebegründung, dass ein seinem Umfang nach nicht eingeschränkter Feststellungsantrag nur auf einen bestimmten Betrag gerichtet ist, dann ist der Feststellungsantrag entsprechend diesem engeren Begehren auszulegen.4

2. Sodann ist der Streitwert für eine dem Feststellungsbegehren entsprechende Leistungsklage zu bestimmen.

* Æ Anmerkung: Der Wert einer Feststellungsklage darf nie höher angenommen werden als der Streitwert einer Leistungsklage über denselben Gegenstand. Hat das Gesetz den Streitwert einer Leistungsklage – z.B. für Ansprüche nach §§ 41, 42 GKG – besonders bemessen, dann gilt diese Höchstgrenze auch für die entsprechende Feststellungsklage.

3. Schließlich ist zu prüfen, ob aufgrund des Umstandes, dass nur eine Feststellungsklage und keine Leistungsklage erhoben wurde, noch ein prozentualer Abschlag vorzunehmen ist.

* Æ Anmerkung: Nach herrschender und zutreffender Meinung wird bei negativen Feststellungsklagen ein solcher Abschlag nicht vorgenommen,5 sondern nur bei der positiven Feststellungsklage. Ob er in denjenigen Fällen angebracht ist, in denen der Wert einer positiven Feststellungsklage bereits nach einer Vorschrift ermittelt wurde, die Streitwertgrenzen vorsieht (z.B. §§ 8, 9 ZPO, §§ 41, 42 GKG), ist umstritten. Entgegen

1 OLG Köln, AnwBl. 1962, 103; JurBüro 1965, 408; OLG Saarbrücken, SRZ 1954, 30; BGH, AnwBl. 1976, 339 spricht vom „wahren Interesse des Klägers“. 2 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1962, 257. 3 OLG Bamberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 825 mit Anm. Schneider = JurBüro 1986, 1079. 4 OLG Hamm, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 871 mit Anm. Schneider = JurBüro 1987, 1201. 5 Vgl. die Ausführungen unter B 6.

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Feststellungsklage einer weit verbreiteten Ansicht1 ist dies abzulehnen:2 Der prozentuale Abschlag beruht auf der Erwägung, dass das Urteil bei einer positiven Feststellungsklage hinter den Wirkungen eines entsprechenden Leistungsurteils zurückbleibt.3 Dagegen beruht die Streitwertprivilegierung z.B. der Regelungen in §§ 41, 42 GKG auf sozialen Aspekten im Anwendungsbereich der Leistungsklagen. Die Zweckrichtungen der jeweiligen Abschläge sind also verschieden, sodass sie nebeneinander Anwendung finden können.

II. Wertfestsetzung 2280

Erhebt der Kläger eine Feststellungsklage, so ist eine vorläufige Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG erforderlich, da Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme ist. Bei der Streitwertangabe des Klägers in der Klageschrift handelt es sich in der Regel um eine unverbindliche Schätzung, an denen der Kläger nicht festgehalten werden kann, § 61 GKG.4 Gibt daher der Kläger einer Feststellungsklage einen „vorläufigen“ Streitwert an, kann das Gericht vorläufig (§ 63 Abs. 1 GKG), und wenn dabei Erkenntnismöglichkeiten nicht genutzt wurden, nach Abschluss der Instanz erneut (§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG) anders festsetzen.

2281

Bei der Bewertung des Feststellungsantrags durch das Gericht ist nach dem Grundsatz des § 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG von den Erkenntnismöglichkeiten auszugehen, wie sie zurzeit der Klageerhebung bereits vorhanden waren.5 Bestand die Möglichkeit, zu einer bestimmten, für die Beurteilung des Streitwerts wichtigen Erkenntnis zu gelangen, bereits zurzeit der Klageerhebung, wurde sie nur nicht genutzt und wird dies nachträglich erkannt, so können diese Erkenntnisquellen nachträglich für die Streitwertfestsetzung nutzbar gemacht werden.6 Aufgrund nachträglich entstandener Erkenntnismöglichkeiten kann aber eine Änderung des Streitwerts nicht begehrt werden. Das zu Beginn des Rechtsstreits ermittelte Feststellungsinteresse bleibt für die ganze Prozessdauer maßgebend (§ 4 Abs. 1 1. HS ZPO, § 40 GKG).7

2282

Auch für Feststellungsklagen sind § 4 Abs. 2 ZPO, § 43 GKG zu beachten. Die in der Berühmung des Klägers oder des Beklagten enthaltenen Zinsansprüche bleiben bei der Wertberechnung unberücksichtigt.8

1 BGH, Beschl. v. 29.10.2008 – XII ZB 75/08, JurBüro 2009, 89 = AGS 2009, 183 (bei Streitigkeiten um die Beendigung von Mietverhältnissen, weil Feststellungsklagen dort die Regel seien); BGH, Rpfleger 1958, 215, 216; OLG Hamburg, Rpfleger 1958, 36; KG, Rpfleger 1962, 118; OLG Nürnberg, JurBüro 1964, 517; OLG Bamberg, JurBüro 1985, 1359; OLG Düsseldorf, JurBüro 1988, 227 m.w.N.; LAG Baden-Württemberg, JurBüro 1991, 665; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 Stichwort „Feststellungsklage“; Musielak/Heinrich, § 8 ZPO Rn. 3; Stein/Jonas, § 8 ZPO Rn. 18; MünchKomm.ZPO/ Wöstmann, § 8 Rn. 11; ausführlich Schneider, ZAP Fach 13, S. 181. 2 So auch BGH, Beschl. v. 30.4.2008 – III ZR 202/07, MDR 2008, 829; OLG Jena, Beschl. v. 4.7.2008 – 4 W 338/08, AGS 2009, 187; OLG München, Beschl. v. 12.3.1998 – 20 W 1073/98, OLGR 1998, 162. 3 Vgl. die Ausführungen unter Rn. 2289 f. 4 OLG Köln, JMBl.NW 1961, 60. 5 Lappe, ZAP Fach 24 S. 251 V. 6 Lappe, ZAP Fach 24 S. 251 V. 7 OLG Schleswig, Rpfleger 1962, 425. 8 BGH, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 61.

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Feststellungsklage

III. Verhältnis zum Leistungsantrag Der Übergang von der positiven Feststellungsklage zur Leistungsklage wirkt sich auf den Streitwert dahingehend aus, dass ab Klageänderung der Wert der bezifferten Forderung maßgebend ist, es sei denn, dass der geforderte Betrag bereits vom Wert der Feststellungsklage erfasst wird.1

2283

Soweit ein Feststellungsantrag weiterhin im Leistungsantrag mit enthalten ist, kommt ihm keine eigenständige kostenrechtliche Bedeutung zu.2

2284

Wird auf Feststellung des gesamten Rechtsverhältnisses und zugleich auf Leistungen eines Teiles geklagt, so sind die Werte beider Ansprüche nicht zusammenzurechnen. 3 Vielmehr ist hier zu differenzieren: – Bleibt der Wert der Teilleistungsklage hinter dem Wert der Feststellungsklage zurück oder deckt er sich damit, so ist nur der Feststellungswert anzusetzen. – Übersteigt der Wert der Teilleistungsklage den Feststellungswert, dann ist der Wert der Leistungsklage anzusetzen und der durch sie nicht erfasste, mit der Feststellungsklage rechtshängig gemachte überschießende Teil des Anspruches hinzuzurechnen, wobei dieser nach den Bewertungsregeln für Feststellungsklagen zu bemessen ist.

2285

Entsprechende Berechnungen sind für die Bestimmung des Rechtsmittelstreitwerts vorzunehmen: – Wird auf Feststellung des gesamten Rechtsverhältnisses, verbunden mit einem Teilzahlungsanspruch geklagt, dann aber lediglich über den Feststellungsanspruch durch Teilurteil entschieden und dieses angefochten, so ist dem Streitwert in den Rechtsmittelinstanzen der Wert des gesamten Rechtsverhältnisses zugrunde zu legen.4 – Wird nur über den Leistungsanspruch durch Teilurteil entschieden, dann ist dessen Wert für die Rechtsmittelinstanzen anzusetzen, weil der Wert einer Instanz sich immer nach dem für sie maßgebenden Streitgegenstand bestimmt.

2286

IV. Grundurteil Bis auf den Ausnahmefall der bezifferten negativen Feststellungsklage5 gibt es kein Grundurteil im Rahmen einer Feststellungsklage. Denn ein Urteil, das den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, ist bereits das Endurteil einer unbezifferten Feststellungsklage.6

2287

Dies ist deshalb wichtig, weil das Grundurteil stets mit dem vollen Wert des geltend gemachten Anspruchs, die positive Feststellungsklage dagegen mit einem Abschlag von meist 20 % zu bewerten ist.

2288

1 2 3 4 5 6

OLG Frankfurt, AnwBl. 1982, 436. OLG Bamberg, KostRsp. GKG a.F. § 12 Nr. 47. BGH, JurBüro 1969, 833; OLG Schleswig, JurBüro 1952, 339. BGH, MDR 1970, 127 = Rpfleger 1969, 384 = JurBüro 1969, 833. Vgl. Schneider, MDR 1978, 706. OLG Neustadt, ZZP 69, 64; vgl. dazu Schneider, MDR 1978, 706.

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Feststellungsklage

V. Die positive Feststellungsklage 1. Abschlag vom Leistungsinteresse 2289

Mit einem Feststellungsurteil erlangt der Kläger keinen so weitreichenden Titel wie mit einem entsprechenden Leistungsurteil, weil das Feststellungsurteil in der Hauptsache nicht vollstreckungsfähig ist. Darüber hinaus hat sich das Beweisrisiko der Klagepartei durch das Feststellungsurteil insofern nur zum Teil erledigt, als der Anspruch dem Grunde nach feststeht, die Höhe des behaupteten Anspruchs jedoch noch nachgewiesen werden muss.1

2290

Der Umstand, dass der Kläger vom Gericht einen Rechtsschutz verlangt, dessen Wirkungen hinter denen einer entsprechenden Leistungsklage zurückbleiben, muss in der Höhe des Streitwertes einen entsprechenden Ausdruck finden.2 Der Wert des positiven Feststellungsanspruchs ist daher regelmäßig geringer zu bewerten als der einer entsprechenden Leistungsklage.3 Gleiches gilt auch für die Miterben-Feststellungsklage4 und für die Hauptinterventionsklage.5

2291

Schließt sich der Nebenintervenient einer Leistungsklage an, weil ihm Regress droht, dann hat das Urteil zu seinen Lasten nur feststellende Wirkung. Deshalb ist für ihn der Streitwert wie bei einer Feststellungsklage zu ermäßigen.6 2. Höhe des Abschlags

2292

In der Regel ist der positive Feststellungsantrag um 20 % niedriger zu bemessen als der entsprechende Leistungsanspruch.7 Dieser Abschlag von 20 % des Wertes der entsprechenden Leistungsklage ist jedoch nicht starr.8 Vielmehr muss nach den Umständen des Einzelfalls bewertet werden, in welchem Umfang die Wirkungen des Feststellungsurteils hinter denen eines Leistungsurteils zurückbleiben:

2293

– Abschlag von 60 %: Wird eine aussichtsreiche Feststellungsklage lediglich zur Hemmung der Verjährung erhoben, kann ein Abschlag i.H.v. 60 % vom Leistungswert angemessen sein.9

2294

– Abschlag von 50 %: Bietet die Klage auf Feststellung, dass ein Dauerschuldverhältnisses weiter besteht, dem Kläger nur einen geringen prozessualen Vorteil für die spätere Leistungsklage, weil noch eine umfangreiche und schwierige Darlegung bzw. Beweisführung im Hinblick auf den konkreten 1 OLG Frankfurt, MDR 1957, 734. 2 BGH, Rpfleger 1966, 46. 3 BGH, Beschl. v. 29.10.2008 – XII ZB 75/08, JurBüro 2009, 89 = AGS 2009, 183; OLG München, VersR 1956, 596. 4 OLG Köln, JurBüro 1979, 1704 = JMBl.NW 1979, 245. 5 BGH, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 61. 6 A.A. OLG Stuttgart, Justiz 1981, 46 = JurBüro 1981, 273. 7 BGH, Beschl. v. 29.10.2008 – XII ZB 75/08, JurBüro 2009, 89 = AGS 2009, 183; BGH, VersR 1961, 1094; JurBüro 1975, 1598; OLG Karlsruhe, VersR 1959, 58; KG, Rpfleger 1962, 153; OLG Schleswig, Rpfleger 1962, 425; OLG Bamberg, JurBüro 1974, 1433; 1985, 1359; OLG Hamm, JurBüro 1986, 752 – dort mit falschem Leitsatz; LAG Hamm, AnwBl. 1986, 544 = JurBüro 1986, 1559. 8 BGH, Beschl. v. 28.11.1990 – VIII ZB 27/90, MDR 1991, 526. 9 OLG Frankfurt, AnwBl. 1982, 436.

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Feststellungsklage Schaden erforderlich ist, kann ein Abschlag von 50 % vom Leistungswert angemessen sein1 – Abschlag von 10 %: Wenn die Feststellungsklage dagegen auf eine genau zu errechnende Leistungen gerichtet ist und ihr Erfolg den Wirkungen eines Leistungsurteils nahezu gleichkommen würde, kann ein Abschlag von nur 10 % vom Wert des Leistungsanspruches angemessen sein2

2295

Umstritten ist die Bewertung in den Fällen, in denen der Kläger damit rechnen kann, dass die öffentliche Hand als Beklagte oder der hinter dem Beklagten stehende Versicherer dem Feststellungsurteil nachkommen wird, ohne dass der Kläger noch auf Zahlung zu klagen braucht. Teilweise wird hier der Streitwert der Feststellungsklage ohne einen Abschlag mit dem Streitwert der entsprechenden Zahlungsklage gleichgesetzt.3

2296

Diese Auffassung ist vom BGH4 jedoch zu Recht abgelehnt worden. Das Übereinkommen der Parteien, ein rechtskräftiges Feststellungsurteil als Leistungsurteil zu akzeptieren, ist als interne Absprache nicht Streitgegenstand des Prozesses. Das gilt erst recht für die berechtigte Erwartung, der Schuldner werde sich der Feststellungsverurteilung beugen.5 Das erstrebte Feststellungsurteil schafft auch in diesen Fällen keine Rechtskraft zur Höhe des Anspruchs. Der Kläger bleibt insoweit auf die Bereitschaft des Gegners angewiesen, seine Zusage zu erfüllen. Zwingen kann er ihn dazu nur mit einer neuen Klage. Der Streitwert darf deshalb nur an demjenigen prozessualen Streitgegenstand gemessen werden, über den eine gerichtliche Entscheidung zu ergehen hat. Das ist aber eine Feststellung, keine Leistung, sodass ein Abschlag (von regelmäßig 20 %) geboten ist.6

2297

Eine ganz andere Frage ist es, ob eine Partei, die auf bezifferte Leistung klagen könnte, gleichwohl ein Rechtsschutzinteresse für die Feststellungsklage haben kann. Das wird dann bejaht, wenn der Kläger mit der Feststellungsklage voraussichtlich schneller zum Ziel kommt, weil er davon ausgehen kann, dass der Beklagte bereits auf das Feststellungsurteil hin leistet.7 Dabei geht es jedoch nur um die zivilprozessuale Zulässigkeit der Feststellungsklage, nicht um die Höhe des Streitwerts.

2298

VI. Die negative Feststellungsklage Auch bei der negativen Feststellungsklage bemisst sich der Streitwert gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Interesse des Klägers an der Fest1 OLG Celle, Beschl. v. 25.6.1969 – 11 W 104/68, JurBüro 1969, 978 mit zust. Anm. Schneider. 2 OLG Schleswig, Rpfleger 1962, 425. 3 OLG Köln, JurBüro 1960, 537; OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 648. 4 BGH, Beschl. v. 30.4.2008 – III ZR 202/07, MDR 2008, 829; BGH, Rpfleger 1966, 46; BGH, Beschl. v. 3.2.1988 – VIII ZR 276/87, NJW-RR 1988, 689; BGH, Beschl. v. 29.10.1998 – III ZR 137/98, NJW-RR 1999, 362; ebenso: OLG Jena, Beschl. v. 4.7.2008 – 4 W 338/08, OLGR 2008, 1009 = AGS 2009, 187; OLG Hamm, JurBüro 1986, 753; OLG Köln, JurBüro 1986, 1403. 5 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 918 = NJW-RR 1988, 689, 690. 6 OLG Frankfurt, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1120 = OLGR 1992, 228. 7 S. Zöller/Greger, § 256 ZPO Rn. 8 m.w.N.; so auch BGH, Beschl. v. 29.10.1998 – III ZR 137/98, NJW-RR 1999, 362.

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Feststellungsklage stellung, wobei insbesondere von Bedeutung ist, wie groß die bekämpfte Gefahr der Inanspruchnahme durch den Beklagten ist.1 1. Kein Abschlag 2300

Nach herrschender Ansicht ist bei der negativen Feststellungsklage kein Abschlag zu machen, sondern der Wert entsprechend dem Wert der Ansprüche festzusetzen, derer sich der Gegner berühmt und die mit der Klage bekämpft werden.2

2301

Nach einer Mindermeinung ist auch der Streitwert der negativen Feststellungsklage regelmäßig auf einen geringeren Betrag als den der Berühmung festzusetzen.3 Das KG4 hält im Regelfall einen Abschlag von 20 % für geboten, weil bei der negativen Feststellungsklage die spätere Inanspruchnahme des Klägers durch den Beklagten fast immer ungewiss sei. Das KG5 geht ferner von einem Abschlag von 30 % aus, wenn der sich Berühmende auf eine Anfrage des Klägers nicht antwortet, aber bereits ein dem Kläger günstiges Teilurteil wegen der angeblichen Ansprüche vorliegt.

2302

Der BGH hat auch unter Berücksichtigung der Gegenargumente an seiner Ansicht festgehalten, dass die negative Feststellungsklage nach dem vollen Wert des geleugneten Anspruches zu bemessen ist.6

2303

Dem ist zuzustimmen. Ein Abschlag verbietet sich deshalb, weil ein Urteil, das der leugnenden Feststellungsklage stattgibt, nicht nur die Erhebung einer behaupteten Feststellungsklage umgekehrten Inhalts, sondern auch die Erhebung einer entsprechenden Leistungsklage durch den vermeintlich Anspruchsberechtigten ausschließt. Die leugnende Feststellungsklage stellt also nicht nur das Gegenstück zu einer behaupteten Feststellungsklage dar, sondern auch zu einer Leistungsklage, die auf solche Ansprüche gerichtet ist, deren Nichtbestehen aufgrund des auf die leugnende Feststellungsklage ergangenen Urteils feststeht.

1 OLG Karlsruhe, MDR 1955, 367; OLG Schleswig, SchlHA 1955, 299; OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85. 2 BGHZ 2, 276; BAG, JZ 1961, 666; OLG Schleswig, JurBüro 1956, 231; Rpfleger 1962, 425; OLG Hamm, MDR 1956, 48; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1963, 107; KG, NJW 1963, 2031; OLG München, MDR 1963, 144; OLG Neustadt, NJW 1963, 1069; Rpfleger 1967, 2; OLG Oldenburg, Rpfleger 1968, 314; OLG Braunschweig, MDR 1975, 848; LG Saarbrücken, JurBüro 1991, 583; AG Uetersen, SchlHA 1955, 359. 3 KG, NJW 1955, 797; Rpfleger 1962, 153 zu ZPO § 3, i; KostRsp. ZPO § 3 Nr. 70; OLG Schleswig, SchlHA 1957, 307; OLG Stuttgart, MDR 1959, 401; OLG Celle, NJW 1962, 1065; OLG Karlsruhe, MDR 1959, 401; KostRsp. ZPO § 3 Nr. 217. 4 KG, Beschl. v. 23.5.1955 – 1 W 1409/55, NJW 1956, 1206; KG, Rpfleger 1962, 153. 5 KG, Beschl. v. 30.7.1972 – 1 W 1564/62. 6 BGH, Beschl. v. 21.11.2006 – IV ZR 143/05, FamRZ 2007, 464; BGH, Beschl. v. 29.4.2004 – III ZB 72/03, WuM 2004, 352; BGH, JurBüro 1970, 949 = NJW 1970, 2025; ebenso KG, Beschl. v. 4.11.2008 – 5 W 389/07, JurBüro 2009, 194; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2002 – 4 WF 121/02, MDR 2003, 236; OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85; OLG Bamberg, JurBüro 1971, 536.

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Feststellungsklage 2. Berühmung des Beklagten Bestimmend für die Höhe des Streitwerts der negativen Feststellungsklage ist die Berühmung des Beklagten, weil das Nichtbestehen des Anspruchs in Höhe der Berühmung festgestellt werden soll.1

2304

* Æ Anmerkung:

2305

Das OLG Stuttgart2 hält es für zulässig, den Streitwert auch niedriger als die bezifferte Berühmung des Beklagten festzusetzen, wenn dieser eindeutig erklärt, dass er nicht den vollen von ihm errechneten Betrag, sondern einen geringeren verlange. Dem kann nur dann gefolgt werden, wenn eine solche Erklärung vor Klageerhebung abgegeben worden ist und sie so verstanden werden muss, dass der Beklagte sich fortan nur noch des geringeren Anspruchs berühmen will.3 Der Kläger muss also der Gefahr enthoben sein, dass er irgendwann einmal vom Beklagten wegen der ursprünglich höheren Berühmung in Anspruch genommen wird.

Da auch das Prozessrecht von dem Grundsatz über Treu und Glauben beherrscht wird, ist die Berühmung des Beklagten jedoch in den Fällen nicht maßgebend, in denen die Gefahr einer Inanspruchnahme des Klägers außerordentlich gering ist und der Beklagte sich Ansprüche in solcher Höhe anmaßt, dass sie „aus der Luft gegriffen“ erscheinen.4 Ansonsten bestünde die Gefahr, dass ein Querulant, bei dem nichts zu holen ist, den Kläger durch Berühmung von Phantasieforderungen auf erhebliche, nicht wieder hereinzuholende Kosten treibt. Allerdings ist hier Zurückhaltung geboten. Wenn der Beklagte sich einer bezifferten Forderung gegen den Kläger berühmt, muss er in aller Regel die streitwertmäßigen Konsequenzen daraus auf sich nehmen. Die Herabsetzung wegen offenbarer Unrichtigkeit wird sich deshalb fast immer auf erkennbar falsche Schätzungen beschränken.5

2306

Die Schätzung des Klägers vom Umfang seiner möglichen Inanspruchnahme ist gegenüber der Berühmung des Beklagten unerheblich.6 Beruht die Berühmung des Beklagten allerdings selbst wiederum auf der Schätzung des Klägers, so ist auch diese nicht bindend, sondern es ist auf die objektive Schätzung des Gerichts abzustellen.7 Dadurch wird verhindert, dass der Beklagte durch offensichtlich falsche Bewertungen den Streitwert in die Höhe treibt.8

2307

Für den Streitwert ist es nicht von Belang, wenn der Beklagte eine zunächst hohe Berühmung im Verlaufe des Prozesses ermäßigt. Dadurch kann er nicht

2308

1 BGH, Beschl. v. 21.11.2006 – IV ZR 143/05, FamRZ 2007, 464; BGH, NJW 1997, 1787; KG, Beschl. v. 4.11.2008 – 5 W 389/07, JurBüro 2009, 194; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2002 – 4 WF 121/02, MDR 2003, 236; OLG Dresden, Beschl. v. 30.6.2003 – 18 W 690/03, JurBüro 2004, 141; OLG Koblenz, Beschl. v. 6.3.2002 – 5 W 100/02, JurBüro 2002, 310; OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85; OLG Stuttgart, Rpfleger 1957, 97. 2 OLG Stuttgart, Rpfleger 1957, 97 zu ZPO § 3, e. 3 So auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85. 4 LAG Frankfurt, KostRsp. § 3 Nr. 284; OLG Koblenz, MDR 1996, 103; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2002 – 4 WF 121/02, MDR 2003, 236; OLG Dresden, Beschl. v. 30.6.2003 – 18 W 690/03, JurBüro 2004, 141; OLG Koblenz, Beschl. v. 6.4.1995 – 5 W 159/95, MDR 1996, 103. 5 So auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85. 6 OLG Stuttgart, Rpfleger 1957, 97. 7 OLG Stuttgart, JW 1933, 2228. 8 OLG Königsberg, JW 1931, 1831.

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Feststellungsklage rückwirkend den Streitwert herabsetzen.1 Umgekehrt hat es aber auch keinen Einfluss auf den Streitwert, wenn der Beklagte lediglich für den Fall eines günstigen Ergebnisses der Beweisaufnahme die Geltendmachung weiterer Forderungen in Aussicht stellt. Dies erhöht den Streitwert nicht.2 Das gilt sogar dann, wenn der Beklagte nach Rechtshängigkeit erklärt, auf einen Teil der Ansprüche, derer er sich berühmt hat, zu verzichten. Eine solche Einschränkung wird nur dadurch wertmäßig beachtlich, dass entweder die Hauptsache teilweise für erledigt erklärt oder die Klage teilweise zurückgenommen wird.3 2309

Das Ziel einer negativen Feststellungsklage ist regelmäßig, den gesamten Anspruch zu verneinen, dessen sich der Gegner berühmt. Streitgegenstand kann aber – ebenso wie bei der Leistungsklage – auch ein Teil einer Forderung sein.4 Der Streitwert einer solchen Feststellungs-Teilklage ist dann gleich dem Wert des geltend gemachten Teilbetrages.5 Dass das mittelbare (wirtschaftliche) Interesse des Klägers sich auf den Gesamtbetrag der Forderung erstreckt und die Entscheidung des Gerichts (zwar nicht förmlich prozessual, wohl aber praktisch) den Rest mitklärt, wirkt sich streitwertmäßig nicht aus. 3. Gewerblicher Rechtsschutz

2310

Eine Sonderstellung nimmt die negative Feststellungsklage im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes ein. Sie muss nicht immer denselben Streitwert haben wie eine ihr entsprechende Leistungsklage.6 Dies erklärt sich dadurch, dass Parteien von wirtschaftlich ganz unterschiedlicher Größenordnung einander gegenüberstehen können und ihnen dementsprechend auch je nach Parteistellung unterschiedliche wirtschaftliche Einbußen drohen, die bei der Streitwertbemessung berücksichtig werden müssen. Ob etwa ein kleiner Einzelhändler gegen ein weltbekanntes Unternehmen auf Feststellung fehlender Berechtigung zur Führung eines bestimmten Namens klagt oder ob das Unternehmen gegen den Einzelhändler auf Unterlassung klagt, ist streitwertmäßig nicht dasselbe, da ganz unterschiedliche wirtschaftliche Interessen betroffen sind.

2311

Zwar wird teilweise auch bei solchen Klagen – ohne Erörterung der speziellen Problematik – im Rahmen der Streitwertbemessung auf das Interesse des Klägers der negativen Feststellungsklage an der Abwehr des behaupteten Anspruchs abgestellt.7 Zutreffend und überzeugend sind jedoch die Erwägungen, die das KG in seiner Entscheidung vom 4.11.2008 dargelegt hat:8 Der Senat stellt darauf ab, dass bei auf Unterlassung gerichteten Klagen des gewerbli1 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1064; KG, JW 1938, 2617; OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2002 – 4 WF 121/02, MDR 2003, 236. 3 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1064; OLG Stuttgart, Rpfleger 1957, 97. 4 OLG Koblenz, NJW 1956, 1483; OLG Frankfurt, Rpfleger 1955, 210 zu ZPO § 3, c. 5 OLG München, AnwBl. 1964, 320; OLG Frankfurt, Rpfleger 1955, 210 zu ZPO § 3, c. 6 OLG München, Beschl. v. 7.7.1986 – 6 W 1831/86, NJW-RR 1987, 128 = GRUR 1986, 840. 7 BGH, Beschl. v. 29.4.2004 – III ZB 72/03, WuM 2004, 352; BGH, NJW-RR 1991, 957; OLG Rostock, Beschl. v. 9.4.2003 – 6 W 77/02, AGS 2004, 161; OLG Hamm, Beschl. v. 5.11.2002 – 21 U 115/01, OLGR 2003, 248; OLG Köln, OLGR 1994, 156; OLG Stuttgart, OLGR 1998, 35; unklar: BGH, NJW 1970, 2025; BGH, NJW 1997, 1787; OLG Braunschweig, MDR 1975, 248. 8 KG, Beschl. v. 4.11.2008 – 5 W 389/07, KGR 2009, 138 = JurBüro 2009, 194.

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Feststellungsklage chen Rechtsschutzes für die Schätzung nach § 3 ZPO das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Unterbindung weiterer Verstöße maßgeblich ist.1 Entscheidend sei daher bei einer negativen Feststellungsklage im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes nicht das Interesse des Feststellungsklägers, sondern das Interesse des Feststellungsbeklagten (als Kläger einer korrespondierenden Leistungs-(Unterlassungs-)klage). Mit dieser Wertfestsetzung solle der abmahnende kleine Unternehmer davor geschützt werden, dass das große Unternehmen ihn sogleich im Wege einer negativen Feststellungsklage mit einem Kostenrisiko belastet, welches zu dem vom Abmahner verfolgten Interesse außer Verhältnis steht. 4. Streitwertüberprüfung Die Rechtsmittelinstanz kann die Festsetzung der Tatsacheninstanz im Rahmen des § 63 Abs. 3 GKG nur daraufhin überprüfen, ob die Ermessensentscheidung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG gesetzmäßig ausgeübt worden ist. So hat der BGH beispielsweise gebilligt, dass die Feststellungsklage betreffend die Verpflichtung zur Abnahme von Heizungswärme mit dem 26fachen Betrag der erstrebten jährlichen Kostenersparnis berechnet worden ist.2

C. Einzelfälle aus der Rechtsprechung Stichwortübersicht Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . Anfechtung . . . . . . . . . . . . . Annahmeverzug . . . . . . . . . . Auflassung . . . . . . . . . . . . . Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters . . . . . . . . . . . . . Ausgleichspflicht . . . . . . . . . . Ausscheiden eines Gesellschafters Ausschließung eines Genossen . . Außergerichtlicher Vergleich . . . Befreiung von Verbindlichkeiten . Besitzeinräumung . . . . . . . . . Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . Darlehen . . . . . . . . . . . . . . Dauerschaden . . . . . . . . . . . Dauerschuldverhältnisse . . . . . Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . Eigentum/Eigentumsvorbehalt . . Erbengemeinschaft . . . . . . . . . Erbunwürdigkeit . . . . . . . . . . Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . Fernsprechanschluss . . . . . . . . Filmvorführung . . . . . . . . . . . Gesetzliche Erbfolge . . . . . . . . Grundschuld . . . . . . . . . . . .

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Rn. 2313 2315 2316 2320

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2321 2323 2324 2325 2326 2327 2330 2331 2335 2336 2337 2338 2339 2340 2341 2347 2348 2349 2350 2351 2352

Grundstückskaufvertrag . . . . . . Grundstücksnutzung . . . . . . . . Idealverein . . . . . . . . . . . . . Insolvenzfeststellungsklage . . . . Insolvenztabelle . . . . . . . . . . Kündigung . . . . . . . . . . . . . Künftiger Schaden . . . . . . . . . Lastenausgleich . . . . . . . . . . . Mieterhöhung . . . . . . . . . . . . Mietvertrag . . . . . . . . . . . . . Miete/Pacht . . . . . . . . . . . . . Mobilfunkvertrag . . . . . . . . . . Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . Pacht . . . . . . . . . . . . . . . . Pflegekosten . . . . . . . . . . . . Rente . . . . . . . . . . . . . . . . Rentenerhöhung . . . . . . . . . . Rückstände . . . . . . . . . . . . . Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . Schadensersatzpflicht . . . . . . . Teilbetrag . . . . . . . . . . . . . . Testamentsvollstreckung . . . . . Unerlaubte Handlung, vorsätzliche Vaterschaft . . . . . . . . . . . . . Vereinsmitgliedschaft . . . . . . . Veröffentlichungsbefugnis . . . . .

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Rn. 2353 2356 2357 2358 2359 2360 2364 2366 2367 2368 2372 2376 2377 2384 2385 2386 2390 2391 2394 2396 2402 2404 2405 2408 2409 2410

1 Unter Bezugnahme auf BGH, GRUR 1990, 1052. 2 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 963 = NJW-RR 1989, 381.

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2312

Feststellungsklage

Versicherungsschutz Vollstreckung . . . . Vorerbe . . . . . . . . Vorkaufsrecht . . . . Werbefilm . . . . . . Widerklage . . . . . .

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Rn. 2412 2420 2421 2423 2424 2425

Wiederkehrende Leistungen Wirksamkeit eines Vertrages Wohnrecht . . . . . . . . . . Wohnungsnutzungsrecht . . Zurückbehaltungsrecht . . .

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Rn. 2431 2434 2436 2439 2440

Aktien 2313

Der negativen Feststellungsklage einer Aktiengesellschaft, dass sie nicht verpflichtet ist, den Beklagten 57 Aktien im Nennwert von 1.000 DM zum Kurswert von 413 % anzubieten, entspricht als positives Gegenstück eine Leistungsklage der Beklagten gegen die Klägerin auf Abgabe der Willenserklärung (Angebot der 57 Aktien zum Kurswert von 413 %). Eine solche negative Feststellungsklage ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten. Die Vorschrift des § 6 ZPO ist weder unmittelbar noch analog anwendbar. Behaupten die Beklagten, der wirkliche Kurswert der Aktien belaufe sich auf 1100 %, so ist ihre Berühmung gleich bedeutend mit dem Ausdruck einer Gewinnerwartung i.H.v. (1100 % – 413 % =) 687 % Kurswert-Differenz. Das in der negativen Feststellungsklage der Klägerin zum Ausdruck kommende Interesse geht deshalb auf Abwehr dieser Gewinnerwartung, die im Falle einer Abgabe der Aktien zu Lasten der Klägerin ginge.

2314

Beruhen die gegensätzlichen Angaben der Parteien über den Kurswert der Aktien auf nicht glaubhaft gemachten Schätzungen, dann darf das Gericht nicht ohne weiteres die eine oder andere Schätzung als Berechnungsgrundlage für den Streitwert übernehmen. Fehlen objektive Anhaltspunkte für den wirklichen Kurswert der Aktien, so ist gerechtfertigt, in Anwendung des § 3 ZPO aus den gegensätzlichen Schätzungen der Parteien einen Mittelwert zu bilden. Von diesem ausgehend, ist dann die in der Berühmung der Beklagten liegende Gewinnerwartung und das in der negativen Feststellungsklage ausgedrückte Abwehrinteresse der Klägerin zu berechnen und danach der Streitwert zu beziffern.1 Anfechtung

2315

Der Streitwert für eine negative Feststellungswiderklage, dass die vom Kläger erklärte Anfechtung einen von ihm abgeschlossenen Versicherungsvertrag nicht aufgelöst habe, ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Im Rahmen der Schätzung des Streitwerts können die Grundsätze des § 9 ZPO herangezogen werden. Danach ist der Wert auf den 3 1/2-fachen Jahresbetrag der vereinbarten Versicherungsprämien zu schätzen.2 Annahmeverzug

2316

Ob der Antrag auf Feststellung, dass der Beklagte sich in Annahmeverzug befindet, neben dem Zug-um-Zug gestellten Leistungsantrag des Klägers noch einen eigenen Wert hat, ist umstritten. 1 OLG Köln, JurBüro 1971, 713 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 270 = JMBl.NW 1972, 68. 2 OLG Schleswig, Beschl. v. 14.1.2008 – 16 W 14/08, OLGR 2008, 458 = RVGreport 2008, 280; OLG Köln, Urt. v. 18.7.1956 – 4 W 89/56, VersR 1958, 241 (noch zu § 9 ZPO a.F., wonach der 25-fache Jahresbetrag anzusetzen war).

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Feststellungsklage Nach einer Meinung liegt in solchen Fällen wirtschaftliche Identität mit dem Zahlungsantrag vor.1 Die ersparten Vollstreckungskosten betreffen nicht den eingeklagten Anspruch, sondern sind Folgekosten aus der Durchsetzung des Zahlungstitels. Die Gegenmeinung setzt einen eigenen Wert für den Feststellungsantrag an, wobei teilweise ein Betrag von 1 % des zu vollstreckenden Anspruchs2 und teilweise der Wert der ersparten Kosten für das Angebot in der Vollstreckung3 zugrunde gelegt werden. Zutreffend ist es jedenfalls, das Feststellungsinteresse nur gering zu bewerten, da der Kläger den Beweis des Annahmeverzugs auch durch das Leistungsurteil erbringen kann, aus dessen Tatbestand sich der Zug-um-Zug-Antrag des Klägers und der Abweisungsantrag des Beklagten ergibt.4

2317

Der BGH hat es als Revisionsgericht gebilligt, dass der Wert eines Antrages, mit dem neben der Klage auf Rückerstattung des Kaufpreises die Feststellung begehrt wurde, der Beklagte befinde sich mit der Rücknahme der Kaufsache in Annahmeverzug, vom Berufungsgericht auf 300 DM geschätzt wurde.5 Er hat jedoch in dieser Entscheidung ausdrücklich offen gelassen, ob einem solchen Antrag ein eigener Wert zuzumessen sei, denn als Revisionsgericht konnte er nur prüfen, ob das Berufungsgericht die Ermessensgrenze des § 3 ZPO überschritten hat.

2318

Die Bedeutung des Feststellungsurteils geht dahin, dass mit ihm die für § 756 ZPO erforderliche öffentliche Urkunde über den Annahmeverzug des Beklagten geschaffen wird. Richtigerweise liegt der Wert eines isolierten Feststellungsantrages in dem Vorteil, die Kosten nicht aufwenden zu müssen, die sonst dadurch entstehen, dass der Gläubiger dem Schuldner die diesem zustehende Leistung anbieten muss. Ist der Feststellungsantrag mit dem Leistungsantrag verbunden, so kommt ihm dagegen aufgrund wirtschaftlicher Identität kein eigener Wert zu. Denn aus dem Urteil kann der Kläger nicht mehr erlangen, als den auf den Leistungsantrag zu gesprochenen Geldbetrag.

2319

Auflassung Der Streitwert einer Feststellungsklage auf Berechtigung zur Einbehaltung eines Restkaufpreises für ein Grundstück und Nichtberechtigung des Beklagten, wegen dieses Betrages die Auflassung und die Bewilligung der Eintragungen in das Grundbuch zu verweigern, ist vom OLG Karlsruhe auf den Ver1 KG, Beschl. v. 22.7.2008 – 2 U 80/07, AGS 2009, 81; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.7.2008 – I-24 W 46/08, JurBüro 2009, 33; OLG Karlsruhe, JurBüro 2007, 648; OLG Jena, RVGreport 2006, 360; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.6.2004 – 1 U 10/04; OLG Hamburg, Beschl. v. 10.5.2000 – 11 U 108/00, OLGR 2000, 455; LG Mönchengladbach, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 57 mit Anm. Schneider. 2 OLG Bremen, OLGR 2007, 625; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.7.1993 – 9 W 53/93, JurBüro 1994, 496; LG Magdeburg, Beschl. v. 11.10.1993 – 8 O 913/93. 3 LG Essen, Beschl. v. 28.6.1999 – 10 S 268/99, MDR 1999, 1226; in diesem Sinne wohl auch OLG Frankfurt, JurBüro 1991, 410 = MDR 1991, 159, das den Wert des Feststellungsantrags hinsichtlich des Annahmeverzuges über die Abholung eines Pkw mit 100 DM festgesetzt hat. 4 S. Schneider, JurBüro 1966, 914, 916; BGH, Beschl. v. 15.3.1989 – VIII ZR 300/88, WM 1989, 802. 5 BGH, Beschl. v. 15.3.1989 – VIII ZR 300/88, MDR 1989, 732 = NJW-RR 1989, 826.

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2320

Feststellungsklage kehrswert des Grundstückes abzüglich eines Abschlages von 20 % wegen positiver Feststellung festgesetzt worden.1 Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters 2321

Berühmt sich ein Vertreter nach Auflösung des mehrjährigen Vertretungsverhältnisses eines nichtbezifferten Ausgleichsanspruches nach § 89b HGB, dann kann der Streitwert für eine negative Feststellungsklage nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auf 1/3 des Jahresverdienstes festgesetzt werden.2 Bei einer bezifferten negativen Feststellungsklage beläuft sich der Streitwert auf den Betrag der Forderung, deren sich der Handelsvertreter berühmt.

2322

Bei der Klage auf Feststellung, dass die Kündigung des Handelsvertreters gerechtfertigt gewesen sei, ist auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Vertragsauflösung abzustellen. Maßgebend sind also die objektiv zu ermittelnden Vorteile und Nachteile, die sich bei Aufrechterhaltung bzw. bei Auflösung des Vertrages ergeben.3 Ausgleichspflicht

2323

Bei einer Klage auf Feststellung der erbrechtlichen Ausgleichspflicht im Sinne des § 2050 BGB ist der Streitwert nach dem Interesse zu bemessen, das der Kläger an dem Ausgleich hat.4 Ausscheiden eines Gesellschafters

2324

Maßgebend ist das Interesse des Klägers an der gerichtlichen Feststellung, dass der Beklagte nicht mehr Gesellschafter ist. Der Streitwert bestimmt sich weder nach der Höhe des Kapitalanteils des Klägers noch nach der Höhe des Kapitalanteils des Beklagten, sondern lediglich nach der Veränderung des Ertragswertes des Kapitalanteils des Klägers, die bei einer gesellschaftsrechtlichen Veränderung eintreten würde. Die Höhe dieser Veränderung ist nach § 3 ZPO zu schätzen.5 Ausschließung eines Genossen

2325

Für den Streitwert einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Ausschließung eines Genossen ist lediglich der wirtschaftliche Wert maßgebend, den ein Anteil an der Genossenschaft für jeden Genossen hat. Es ist also weder auf den Mietwert der Genossenschaftswohnung noch auf den Wert des dem Genossen als Vorstandsmitglied zustehenden Gehaltsanspruchs abzustellen.6 1 OLG Karlsruhe, AnwBl. 1980, 502; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.2.2003 – 5 W 2/03, BauR 2003, 1760 – der Senat hat nur den Restkaufpreis als Streitwert angesetzt, da dies der wirtschaftliche Hintergrund für die Feststellungsklage sei. 2 OLG Nürnberg, JurBüro 1958, 515. 3 OLG München, AnwBl. 1977, 468. 4 BGH, Rpfleger 1957, 247. 5 OLG Nürnberg, JurBüro 1964, 829. 6 OGH, Rpfleger 1949, 469.

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Feststellungsklage Außergerichtlicher Vergleich Soll gerichtlich festgestellt werden, dass ein außergerichtlich abgeschlossener Vergleich wirksam zu Stande gekommen ist und fortbesteht, dann ist der Streitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen. Abzustellen ist dabei auf das Interesse des Klägers an der Rechtsstellung und den Ansprüchen, die ihm aus dem Vergleichsvertrag zukommen, da er diese sonst gerichtlich geltend machen müsste. Die Differenz zwischen Leistung und Gegenleistung ist nicht maßgebend, da sonst der Streitwert bei Wertgleichheit auf Null sinken würde. Aufgrund des Vorliegens einer positiven Feststellungsklage ist ein Wertabschlag von 20 % vorzunehmen.

2326

Befreiung von Verbindlichkeiten Maßgebend ist der bezifferte Schuldbetrag mit einem Abschlag von 20 %, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Freistellungsberechtigte seinerseits von einem Dritten einen Ausgleich verlangen kann.1 Ob die Kosten des Vorprozesses zum Streitwert hinzuzurechnen sind2 oder ob sie als Nebenforderungen unberücksichtigt bleiben,3 ist umstritten. Zu prüfen ist in solchen Fällen zunächst aber immer, ob es sich wirklich um eine Feststellungsklage handelt. Das ist nicht der Fall, wenn „Feststellung“ begehrt wird, dass der Beklagte verpflichtet sei, den Kläger in Höhe eines bezifferten Betrages freizustellen. In diesem Fall handelt es sich um einen sprachlich falsch formulierten Leistungsantrag.4

2327

Klagt ein Miterbe auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages der Erbengemeinschaft, der den Beklagten zum Ankauf eines Nachlassgrundstücks berechtigt, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an der Befreiung von den Verpflichtungen aus dem Vertrag, nicht nach dem entsprechenden Interesse der ganzen Erbengemeinschaft.5

2328

Verlangt ein Gesamtschuldner von dem anderen Gesamtschuldner Befreiung, so ist als Streitwert sein Anteil an der Gesamtschuld im Innenverhältnis anzusetzen.6

2329

Besitzeinräumung Der Streitwert eines Antrages auf Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, einem Dritten bestimmte Räume zur Verfügung zu stellen, bemisst sich nach dem Interesse, das der Kläger daran hat, aus den streitigen Räumen auszuziehen, damit er eine andere Wohnung beziehen kann.7 1 BGH, Beschl. v. 21.12.1998 – VII ZR 152/88, NJW-RR 1990, 958; OLG Rostock, Beschl. v. 16.6.2008 – 1 W 25/08, JurBüro 2009, 197. 2 So OLG Bremen, Beschl. v. 23.10.2002 – 3 U 94/01, JurBüro 2003, 82; Görmer, JurBüro 2010, 68; offen gelassen von BGH, Beschl. v. 21.12.1989 – VII ZR 152/88, NJW-RR 1990, 958. 3 So OLG Hamburg, Beschl. v. 17.9.2007 – 6 W 65/07, OLGR 2008, 183; Weisbrodt, JurBüro 1995, 115. 4 S. Schneider, Anm. KostRsp. ZPO § 3 Nr. 992. 5 BGH, Rpfleger 1955, 101. 6 OLG Rostock, Beschl. v. 16.6.2008 – 1 W 25/08. JurBüro 2009, 197. 7 LG Köln, WuM 1957, 40.

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2330

Feststellungsklage Bürgschaft 2331

Bei der Klage auf Feststellung einer Bürgschaftsverpflichtung richtet sich der Streitwert gem. § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach der Höhe der Hauptforderung, soweit der Bürge haftet. Die unter anderem durch die Solvenz des Hauptschuldners bedingte Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme bleibt außer Betracht.1

2332

Grundsätzlich maßgebend ist die Hauptforderung. Nach OLG München2 gilt das auch in den Fällen, in denen der Bürge wahrscheinlich nur wegen eines geringeren Betrages in Anspruch genommen wird. In diesem Fall erscheint es jedoch vorzugswürdig, den Streitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen und dabei auf den Betrag abzustellen, bis zu dem eine Inanspruchnahme des Bürgen droht.3 Ist die Hauptforderung zwischen den Parteien streitig, dann ist allerdings die vom Kläger behauptete Höhe maßgebend.4

2333

Lautet die Bürgschaftsurkunde über einen höheren Betrag als die Klageforderung, dann ist nach dem Prinzip des § 6 Satz 2 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG für die Höhe des Streitwerts nur die Klageforderung maßgebend.5

2334

Bei der negativen Feststellungsklage auf Unwirksamkeit einer Höchstbetragsbürgschaft ist von der noch valutierten Hauptschuld auszugehen und für den nicht valutierten Teil der Bürgschaft eine nach § 3 ZPO zu schätzende Quote anzusetzen, weil sich die Forderung wieder erhöhen kann, beispielsweise wegen der Zinsen. Das OLG Karlsruhe hat den Wert des nicht valutierten Teiles mit 30 % angesetzt.6

* Æ Beispiel: Die negative Feststellungsklage wird hinsichtlich einer Höchstbetragsbürgschaft über 50.000 Euro erhoben. Die Hauptschuld beläuft sich im Zeitpunkt der Klageerhebung auf 20.000 Euro. Damit setzt sich der Streitwert aus 20.000 Hauptschuld zzgl. 30 % des nicht valutierten Teils von 30.000 Euro (= 9.000 Euro) zusammen und beträgt 29.000 Euro.

Darlehen 2335

Der Streitwert einer Klage auf Feststellung, dass ein Darlehensvertrag unwirksam ist, bestimmt sich nach der Höhe der offenen Darlehensvaluta. Dabei erhöhen die aufgrund des Darlehensvertrags geschuldeten Zinsen den Streitwert nicht, da sie nur als Nebenforderung zum Stammrecht geltend gemacht werden.7 1 RG, JW 1898, 3; KG, OLGE 25, 46; KG, JW 1933, 2402; OLG Karlsruhe, AnwBl. 1973, 168; OLG Stuttgart, Rpfleger 1957, 97 zu ZPO §§ 3, 6. 2 OLG München, Rpfleger 1956, 58. 3 So OLG Naumburg, JW 1936, 2574; OLG Frankfurt, AnwBl. 1980, 460; OLG Stuttgart, MDR 1980, 678. 4 OLG Stuttgart, Rpfleger 1957, 97. 5 OLG Stuttgart, MDR 1980, 678. 6 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.5.1991 – 17 W 10/91, MDR 1991, 1197. Hinsichtlich der Einzelheiten vgl. das Stichwort „Bürgschaft“. 7 OLG Brandenburg, Urt. v. 17.1.2007 – 3 U 228/05, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1419; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.4.2005 – 17 W 21/05, OLGR 2005, 353 (der Senat hat zutreffend keinen Wertabschlag vorgenommen, da es sich um eine negative Feststellungsklage handelte). Hinsichtlich der Einzelheiten vgl. das Stichwort „Darlehen“.

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Feststellungsklage Dauerschaden Bei der Feststellungsklage auf Rentenzahlungsverpflichtung wegen Körperoder Gesundheitsverletzung kann § 42 Abs. 1 GKG angewandt werden, wenn der Dauerschaden feststeht und seine Auswirkungen überschaubar sind. Die positive Feststellungsklage ist dann mit dem fünffachen Jahresbetrag abzüglich 20 % wegen bloßer Feststellung zu bewerten.1

2336

Dauerschuldverhältnisse Der Streitwert für Feststellungsklagen, die Dauerverträge betreffen, ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Fehlt an Bewertungsanhaltspunkten im Einzelfall, so sollte unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 9 ZPO im Zweifel nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag berechnet und bei positiven Feststellungsklagen um 20 % gekürzt werden.2 Zu berechnen ist nur die Zeit ab Klageeinreichung (§ 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG), nicht der zurückliegende Zeitraum, in dem erfüllt worden ist, es sei denn, er wird von der Antragstellung miterfasst.

2337

Dritter Klagt ein Dritter auf Feststellung der Nichtigkeit eines zwischen anderen Personen geschlossenen Vertrages, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Dritten. Der dafür angemessene Wert ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Das gilt auch dann, wenn zwischen den eigentlichen Vertragsparteien der Streitwert nach einer Sondervorschrift (z.B. § 8 ZPO für eine Jagdpacht) zu bewerten wäre.3 Jedoch kann der für das Vertragsverhältnis als solches maßgebende Streitwert als Anhaltspunkt der freien Schätzung nach § 3 ZPO herangezogen werden.4

2338

Eigentum/Eigentumsvorbehalt Der Streitwert von Klagen über die Feststellung der Eigentumsverhältnisse richtet sich nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG. Maßgeblich ist zunächst der objektive Verkehrswert der betreffenden Sache. Von diesem darf nach einer Entscheidung des KG5 kein Abschlag wegen bloßer Feststellung gemacht werden, selbst wenn das Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung geringer ist als an einem Leistungsurteil.6 In dieselbe Richtung geht eine Entscheidung des OLG Hamm7 über eine Feststellungsklage hinsichtlich der Wirksamkeit eines Eigentumsvorbehalts. Richtigerweise muss jedoch in solchen Fällen ein Abschlag vom Wert der Sache vorgenommen werden, da der 1 LG Essen, JurBüro 1972, 898. 2 Vgl. KG, NJW 1956, 1206 noch zu § 9 ZPO a.F. – der Senat hat im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls für einen Telefonanschlussvertrag einen 5-Jahres-Zeitraum zugrunde gelegt. Dies dürfte in der heutigen Zeit nicht mehr angemessen sein. 3 BGH, Rpfleger 1955, 101. 4 RG, Warneyer, 1910, 381. 5 KG, MDR 1970, 152; so auch Hartmann, GKG Anh I § 48 (§ 6 ZPO) Rn. 2. 6 Ebenso OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.10.1983 – 1 W 39/83, JurBüro 1985, 278 = KostRsp. ZPO § 6 Nr. 106 mit Anm. Schneider und Lappe. 7 OLG Hamm, MDR 1958, 250; ebenso KG, NJW 1970, 334.

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Feststellungsklage Kläger die Sache nicht herausverlangt und damit wieder in ihren Besitz kommt, sondern lediglich ein Feststellungsurteil ergeht. Dieses bleibt in seinen Auswirkungen hinter dem einer Leistungsklage zurück, da es keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.1 Es erscheint daher ein Abschlag von 20 % gerechtfertigt. Erbengemeinschaft 2340

Bei der Klage auf positive Feststellung der Erben- oder Miterbeneigenschaft ist ein Abzug von 20 % wegen bloßer Feststellung zu machen.2 Erbunwürdigkeit

2341

Der Streitwert einer Klage auf Feststellung der Erbunwürdigkeit bestimmt sich allein nach dem Interesse des Klägers an der sich für ihn aus der Erbunwürdigkeit des Beklagten ergebenden Besserstellung.3

2342

Seit der Entscheidung des BGH vom 20.10.19694 bemisst die Rechtsprechung den Streitwert nach § 3 ZPO. Entscheidend sei dabei die Beteiligung des Beklagten am Nachlass und der ihm drohenden finanziellen Einbuße durch die Erbunwürdigkeitserklärung.5 Dies wird damit begründet, dass ein solcher Bewertungsmodus dem Beklagten unter Umständen einen Rechtsmittelweg eröffnet, der nicht gegeben wäre, wenn lediglich auf den Vorteil des Klägers abgestellt würde, der bei einer mehr als zwei Personen umfassenden Erbengemeinschaft geringer als der umstrittene Anteil des Beklagten sein kann.6 Nach anderer Ansicht7 ist für die Bestimmung des Streitwertes nur der vom Kläger erstrebte Vorteil maßgeblich, der sich aus der beantragten Ausschließung des Beklagten aus der Erbengemeinschaft ergibt.

2343

Die Vertreter der ersten Meinung verkennen den Unterschied zwischen Streitwert und Beschwer: Für den Streitwert als Grundlage der Zuständigkeitsbestimmung und der Gebührenberechnung ist bei der Schätzung nach § 3 ZPO (i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) das Interesse des Klägers am Rechtsstreit maßgeblich. Für die Wertfestsetzung ist daher entscheidend, welchen erbrechtlichen Vorteil der Kläger mit dem Wegfall des Beklagten als Erbe bzw. aus der Erbengemeinschaft anstrebt.8

2344

Ist der Beklagte Alleinerbe und will der nicht pflichtteilsberechtigte Kläger an seiner Stelle Alleinerbe werden, dann bestimmt sich das Interesse des Klägers nach der Höhe des Erbteils, der ihm mit der Rechtskraft eines obsiegenden Urteils zufallen würde.9 Ein Abschlag wegen bloßer Feststellung ist nicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. zum Bewertungsabschlag die Ausführungen unter Rn. 2289 f. OLG Köln, JurBüro 1979, 1704 = JMBl.NW 1979, 245. BGH, MDR 1959, 922. BGH, Beschl. v. 20.10.1969 – III ZR 208/67, MDR 1970, 124. OLG Frankfurt, JurBüro 1971, 540; OLG Koblenz, Beschl. v. 11.12.1996 – 14 W 739/ 96, MDR 1997, 693. Vgl. dazu Schneider, MDR 1972, 278. Hartmann, GKG, Anh. I § 48 Rn. 42; so auch für den Fall der Erbauseinandersetzung OLG Celle, Beschl. v. 23.3.2001 – 22 W 21/01, OLGR 2001, 142. Vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Ausschließung“, Rn. 1483 ff. OLG Hamburg, MDR 1959, 585.

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Feststellungsklage angängig, da die positive Feststellung zugunsten des Klägers gleichzeitig negative und endgültige Feststellung zu Lasten des Beklagten (dessen Ausschluss als Erbberechtigter) ist. Hat die Ausschlussklage gegen einen Erben das Ziel, ein Nachlassgrundstück vom Beklagten herauszuverlangen, wurde der Streitwert früher gem. § 6 ZPO nach dem vollen Wert des Nachlasses1 bzw. nach dem vom Kläger durch erbrechtliche Besserstellung erstrebten Vorteil bemessen.2

2345

Hat der Kläger mit seiner Feststellungsklage, dass die Beklagten nicht Erben geworden sind, obsiegt, so richtet sich die Beschwer der unterlegenen Beklagten in der Rechtsmittelinstanz nach dem vollen Wert des Nachlasses. Denn aus Sicht der Beklagten ist der gesamte Nachlass im Streit und nicht nur der das wirtschaftliche Interesse des Klägers ausmachende Erbteil. Da die negative Feststellung im Erfolgsfalle jegliche erbrechtlichen Ansprüche ausschließt, ist auch ein Feststellungsabschlag nicht geboten.3

2346

Erbvertrag Der Streitwert für eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Rücktritts von einem Erbvertrag ist vom OLG Celle4 auf 25 % des derzeitigen reinen Vermögens bemessen worden.

2347

Fälligkeit Wird negativ auf Feststellung geklagt, dass der Betrag einer an sich unstreitigen Forderung noch nicht fällig sei, dann ist der Streitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.5 Für die Bewertung ist maßgebend das Interesse des Klägers, zurzeit noch nicht leisten zu müssen und damit beispielsweise einen günstigen Kredit noch länger nutzen zu können.

2348

Fernsprechanschluss Der Streitwert einer Feststellungsklage, die die Wirksamkeit einer Preiserhöhung hinsichtlich eines Fernsprechanschlusses betrifft, ist vom KG6 nach dem fünffachen Jahresbetrag der Gebührendifferenz bemessen worden, da dies die durchschnittliche Dauer eines derartigen Vertrages sei. Angesichts der Vielzahl der auf dem Markt tätigen Telefonanbieter, der unproblematischen Wechselmöglichkeit und der kurzen Kündigungsfristen dürfte heute in einem solchen Fall nur noch vom einfachen Jahresbetrag der Gebührendifferenz ausgegangen werden, der bei positiven Feststellungsklagen um 20 % zu kürzen ist.

1 2 3 4 5 6

Vgl. OLG Hamburg, Rpfleger 1951, 570; OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 219. BGH, LM § 3 Nr. 16; Speckmann, MDR 1972, 908. BGH, Beschl. v. 21.11.2006 – IV ZR 143/05, FamRZ 2007, 464. OLG Celle, NJW 1962, 540. OLG Bamberg, JurBüro 1982, 1245. KG, NJW 1956, 1206.

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Feststellungsklage Filmvorführung 2350

Bei einer Feststellungsklage dahin, dass ein Werbeverwaltungsvertrag über die Vorführung von Diapositiven, Werbefilmen und Film-Diapositiven in einem Filmtheater durch die Kündigung des Beklagten nicht aufgelöst sei, sondern noch bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragszeit fortbestehe, berechnet sich der Streitwert nicht nach dem mutmaßlichen Reingewinn des Klägers für die restliche Vertragsdauer, sondern nach seinen voraussichtlichen Umsätzen für diese Zeit.1 Gesetzliche Erbfolge

2351

Bei einer Klage auf Feststellung, dass die gesetzliche Erbfolge eingetreten ist, bestimmt sich der Wert des Streitgegenstandes nach dem Anteil des klagenden Erben am Nachlass, nicht aber nach dem Wert des Gesamtnachlasses.2 Grundschuld

2352

Begehrt der Kläger die Feststellung, dass dem Beklagten die durch eine Grundschuld gesicherte Forderung nicht zusteht, dann ist der Nennbetrag dieser Forderung auch dann in voller Höhe für den Wert der negativen Feststellungsklage ausschlaggebend, wenn zwischen den Parteien streitig ist, ob und in welchem Umfang die Grundschuld valutiert. Denn entscheidend ist für die Bewertung einer negativen Feststellungsklage das Berühmen des Beklagten und nicht der tatsächliche Bestand der Forderung.3 Grundstückskaufvertrag

2353

Der Streitwert der Klage auf Feststellung der Wirksamkeit eines Grundstückskaufvertrages und auf Verurteilung zur Vornahme von Erfüllungsleistungen kann insgesamt den Betrag des vereinbarten Kaufpreises nicht übersteigen.4

2354

Geht es um die Feststellung der Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrages, dann ist auf das Interesse des Klägers abzustellen. Das OLG Oldenburg hat hier den vereinbarten Kaufpreis angesetzt.5

2355

Bei einer Klage auf Feststellung der Wirksamkeit einer Rücktrittserklärung von einem Grundstückskaufvertrag und dem zusätzlichen Antrag auf Abgabe der Löschungsbewilligung für eine Auflassungsvormerkung werden die Streitwerte nicht zusammengerechnet.6

1 OLG Celle, Beschl. v. 25.6.1969 – 11 W 104/68, JurBüro 1969, 978 mit Anm. Schneider. 2 BGH, JurBüro 1975, 1197; OLG Schleswig, SchlHA 1958, 83. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 6.3.2002 – 5 W 100/02, JurBüro 2002, 310. 4 KG, Rpfleger 1962, 154. 5 OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.9.1995 – 5 W 150/95, OLGR 1995, 312 = MDR 1996, 101; ebenso OLG Frankfurt, OLGR 1999, 206; vgl. auch OLG Saarbrücken, JurBüro 1978, 1718 = AnwBl. 1978, 467 und die Darstellung m.N. bei Schneider, Anm. zu OLG Saarbrücken, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 427 und OLG Bremen, JurBüro 1979, 1705. 6 OLG München, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 706 mit Anm. Schneider = JurBüro 1984, 1235.

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Feststellungsklage Grundstücksnutzung Der Streitwert des Anspruches eines Grundstückseigentümers auf Feststellung, dass ein Kfz-Besitzer für jeden Tag der unbefugten Benutzung des Grundstücks ein Standgeld von x,– Euro zu entrichten habe, ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen und nicht gem. § 9 ZPO mit dem 3,5fachen Jahresbetrag zu bewerten.1

2356

Idealverein Die gegen einen Idealverein gerichtete Klage auf Feststellung, dass sein Vorstand nicht rechtmäßig gewählt worden sei, ist als nichtvermögensrechtliche Streitigkeit nach § 48 Abs. 2 GKG zu bewerten. Wegen der besonderen Bedeutung eines solchen Streits für einen Verein ist auch bei sonst durchschnittlichen Verhältnissen regelmäßig die Festsetzung eines über dem Regelstreitwert liegenden Streitwerts gerechtfertigt.2

2357

Insolvenzfeststellungsklage Der Streitwert einer Klage, mit der die Feststellung begehrt wird, eine angemeldete Forderung beruhe auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, bemisst sich nicht nach dem Nennwert der Forderung. Maßgeblich sind vielmehr die späteren Vollstreckungsaussichten des Insolvenzgläubigers nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung. Wenn diese als nur zu gering anzusehen sind, kann ein Abschlag von 3 /4 des Nennwerts der Forderung angemessen sein.3

2358

Insolvenztabelle Bei einer Insolvenzfeststellungsklage ist der Streitwert dann, wenn eine Quote nicht zu erwarten ist, in Höhe der niedrigsten Wertstufe festzusetzen.4 Die Gegenmeinung5 setzt 10 % der angemeldeten Forderung an.

1 OLG Nürnberg, JurBüro 1965, 920 zum alten § 9 ZPO, der noch den 12,5-fachen Jahresbetrag vorsah. 2 KG, JurBüro 1969, 1193 hat unter Berücksichtigung des früheren Regelstreitwertes des § 12 Abs. 2 GKG a.F. einen Betrag von 5.000 DM angesetzt. 3 BGH, Beschl. v. 22.1.2009 – IX ZR 235/08, MDR 2009, 594 = AGS 2009, 342; ebenso: OLG Celle, Beschl. v. 26.9.2006 – 4 W 178/06, ZInsO 2007, 42; OLG Celle, Beschl. v. 21.5.2007 – 7 W 38/07, NZI 2007, 473; OLG Rostock, Beschl. v. 19.2.2007 – 3 U 65/06, NZI 2007, 358; LG Kempten, Beschl. v. 20.7.2006 – 5 T 1461/06, ZInsO 2006, 888; a.A.: OLG Hamm, Beschl. v. 8.6.2006 – 27 W 41/06, NZI 2007, 249; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.10.2007 – 12 W 70/07, JurBüro 2007, 648; LG Mühlhausen, Beschl. v. 14.4.2004 – 2 T 77/04, ZVI 2004, 504. 4 Vgl. die Ausführungen bei der Stichwort „Insolvenzverfahren“; zur alten Rechtslage nach der Konkursordnung: OLG Celle, KTS 1970, 227; OLG Stuttgart, Justiz 1969, 252; OLG Saarbrücken, KostRsp. KonkO § 148 Nr. 3; OLG Bamberg, JurBüro 1978, 723; OLG Düsseldorf, ZIP 1994, 638. 5 OLG Frankfurt, JurBüro 1970, 426 = NJW 1970, 868; OLG Frankfurt, KostRspr. KonkO § 148 Nr. 26 = ZIP 1986, 1063.

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Feststellungsklage Kündigung 2360

Der Wert einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer (fristlosen) Kündigung bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse an der Fortführung des Vertrages. Entscheidend kann beispielsweise die Höhe des durch die Kündigung entgangenen Gewinns sein.1 Das OLG Stuttgart hat hinsichtlich eines (gekündigten) Franchisevertrages nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO geschätzt, da auf diesen weder §§ 41, 41 GKG noch § 48 GKG i.V.m. § 9 ZPO anwendbar seien.

2361

Wird auf Feststellung geklagt, dass die gegenüber einem Handelsvertreter ausgesprochene Kündigung zu Recht erfolgt sei, so ist der Streitwert ebenfalls nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.2 Ausschlaggebend ist das wirtschaftliche Interesse an der Auflösung des Vertrages, also die gegeneinander abzuwägenden Vorteile und Nachteile, die sich bei Aufrechterhaltung bzw. Auflösung des Vertrages ergeben.3 Abzustellen ist auf den durchschnittlichen Provisionsausfall bis zum Zeitpunkt der Vertragsauflösung bei ordentlicher Kündigung und einem etwaigen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB, (jeweils) gekürzt um einen Abschlag von 20 %.4

2362

Für eine Klage auf Feststellung, dass bei einem Miet- oder Pachtverhältnis ein einzelner Kündigungsakt wirksam ist, bestimmt sich der Streitwert nicht nach § 3 ZPO, sondern nach § 41 Abs. 1 GKG.5 Dagegen richtet sich der Streitwert für die Feststellung der Kündigungsmöglichkeit eines Miet- oder Pachtverhältnisses nach § 3 ZPO ohne Berücksichtigung der in § 41 GKG bestimmten Höchstgrenzen.6

2363

Der Streitwert einer Klage auf Feststellung, dass ein Mietverhältnis infolge fristloser Kündigung seit einem bestimmten Tage nicht mehr bestehe, ist nach § 41 GKG zu bemessen. Dies gilt auch dann, wenn feststeht, dass es inzwischen auch ohne diese Kündigung an einem späteren Tage beendet gewesen wäre.7 Künftiger Schaden

2364

Der Streitwert einer Klage auf Feststellung der Pflicht zum Ersatz künftigen Schadens orientiert sich in erster Linie an der Höhe des drohenden Schadens. Daneben ist aber auch zu berücksichtigen, wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich das Risiko eines Schadenseintritts oder einer tatsächlichen Inanspruchnahme des Gegners ist.8

2365

Bei der Bewertung eines künftigen Schadens ist nach dem Grundsatz des § 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG von den Erkenntnismöglichkeiten auszugehen, wie sie 1 2 3 4 5 6 7 8

OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.10.2006 – 5 W 65/06, JurBüro 2007, 144. OLG Zweibrücken, Rpfleger 1967, 1. OLG München, AnwBl. 1977, 468. OLG Köln, Urt. v. 12.7.2001 – 19 U 219/00, OLGR 2001, 373 = AGS 2002, 64; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 8.2.1999 – 24 U 5/97, OLGR 1999, 139. OLG Celle, MDR 1958, 167; OLG Frankfurt, MDR 1967, 313. OLG Frankfurt, MDR 1967, 313. BGH, MDR 1958, 601. BGH, Beschl. v. 28.11.1990 – VIII ZB 27/90, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1017 = MDR 1991, 526 = NJW-RR 1991, 509.

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Feststellungsklage zurzeit der Klageerhebung bereits vorhanden waren. Bestand die Möglichkeit, zu einer bestimmten, für die Beurteilung des Streitwerts wichtigen Erkenntnis zu gelangen, bereits zurzeit der Klageerhebung, wurde sie nur nicht genutzt und wird dies nachträglich erkannt, so können diese Erkenntnisquellen nachträglich für die Streitwertfestsetzung nutzbar gemacht werden.1 Aufgrund nachträglich entstandener Erkenntnismöglichkeiten kann aber eine Änderung des Streitwerts nicht begehrt werden. Das zu Beginn des Rechtsstreits ermittelte Feststellungsinteresse bleibt dann für die ganze Prozessdauer maßgebend.2 Lastenausgleich Das Begehren auf Freistellung vom Lastenausgleich stellt sich als ein Anspruch auf Feststellung dahin dar, dass der Beklagte verpflichtet sein soll, den Kläger von dessen Verbindlichkeiten zu befreien, sodass der Streitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG und nicht nach § 9 ZPO zu bestimmen ist.3

2366

Mieterhöhung Der Streitwert für eine Feststellungsklage des Vermieters dahin, dass der Mieter von einem bestimmten Zeitpunkt an zur Zahlung einer höheren Miete für die restliche Dauer des Mietverhältnisses verpflichtet sei, ist nach § 41 Abs. 5 GKG höchstens auf den Jahresbetrag des zusätzlich geforderten Mietzinses festzusetzen.

2367

Mietvertrag Bei einem Streit über das Bestehen oder die Dauer eines Mietverhältnisses richtet sich der Gebührenstreitwert nach § 41 Abs. 1 GKG, nicht nach § 8 ZPO. Die Wertberechnung nach § 8 ZPO ist nur für den Zuständigkeits- und Rechtsmittelwert (Beschwer) maßgeblich.4

2368

Wird neben dem Antrag auf Feststellung des Bestehens eines Mietvertrages hilfsweise der Antrag auf Abschluss eines Mietvertrages mit gleichem Inhalt gestellt, so gelten § 45 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GKG, denn es handelt sich gebührenrechtlich um denselben Gegenstand.

2369

Bei der Verbindung einer Feststellungsklage über das Bestehen eines Mietverhältnisses mit einer Leistungsklage auf rückständigen Mietzins ist für die Festsetzung des Gebührenstreitwerts der nach § 41 Abs. 1 GKG ermittelte Wert der Feststellungsklage nicht mit dem Wert der Leistungsklage zusammenzurechnen, wenn nur das Mietverhältnis streitig ist, nicht aber die Höhe des Mietzinses.5

2370

1 OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.10.1997 – 5 W 336/97, JurBüro 1998, 363; Lappe, ZAP Fach 24 S. 251 V. 2 OLG Schleswig, Rpfleger 1962, 425. 3 OLG Neustadt, Rpfleger 1955, 138. 4 BGH, Beschl. v. 22.2.2006 – XII ZR 134/03, MDR 2006, 980; BGH, Beschl. v. 2.11.2005 – XII ZR 137/05, MDR 2006, 657. 5 OLG Karlsruhe, Justiz 1980, 272.

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Feststellungsklage 2371

Werden in einer Klage durch Leistungsantrag ein Mietzinszahlungsanspruch und gleichzeitig durch Feststellungsantrag das Bestehen oder Nichtbestehen des Mietverhältnisses geltend gemacht, so sind die beiden Ansprüche jedoch einzeln zu bewerten und sodann zu addieren, wenn und soweit der Zeitraum, für den Zahlung verlangt wird, und der Zeitraum, für den das Bestehen oder Nichtbestehen des Mietverhältnisses festgestellt werden soll, sich nicht decken. Wenn und soweit sich die Zeiträume überschneiden, ist allein auf den höheren Anspruch abzustellen, da es sich im Umfang der zeitlichen Kongruenz wirtschaftlich um denselben Gegenstand handelt.1 Dies gilt auch dann, wenn Zahlungs- und Feststellungsbegehren nicht im Verhältnis von Klage und Widerklage stehen.2 Miete/Pacht

2372

Miete oder Pacht sind die vom Mieter bzw. Pächter in Geld zu zahlenden oder in Naturalien zu erbringenden vertraglichen Gegenleistungen. Maßgebend ist der erzielbare und damit objektive Nutzungswert. Macht der Kläger dazu andere Angaben als der Beklagte und stellt gar das Gericht wieder einen anderen Betrag fest, dann muss auf die Angaben des Klägers abgestellt werden.3

2373

Fordert der Mieter als Kläger oder Widerkläger Feststellung, dass er ab einem bestimmten Datum berechtigt sei, wegen vorhandener Mängel die Miete auf einen bestimmten Betrag zu mindern, dann lautet der begehrte Urteilstenor auf positive Feststellung. In der Sache ist es aber eine Verneinung der vollen Mietzinsforderung, sodass es sich in Wirklichkeit um eine negative Feststellungsklage handelt, also von der Bewertung nach § 41 GKG schon deshalb kein Abschlag zu machen ist.4 Der Gebührenstreitwert richtet sich entsprechend § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG nach dem Jahresbetrag der geltend gemachten Minderung.5 Nach anderer Ansicht ist bei einer Klage auf Feststellung der Berechtigung zur Mietminderung auf § 48 Abs. 1 GKG, § 9 ZPO und damit den Zeitraum von 3 1/2 Jahren abzustellen.6

2374

Klagt der Vermieter auf Feststellung, dass der Beklagte Mitmieter der betreffenden Wohnung ist, entspricht der Streitwert der Jahresmiete (§ 41 Abs. 1 GKG) abzüglich 20 %, da es um den Bestand des Mietverhältnisses geht.7 1 BGH, Beschl. v. 22.2.2006 – XII ZR 134/03, MDR 2006, 980; BGH, Beschl. v. 2.11.2005 – XII ZR 137/05, MDR 2006, 657. 2 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, NZM 2004, 423. 3 Anders das LG Köln, WuM 1994, 624 bei der Räumung, wenn der Mietzins nur für den Streitwert zu ermitteln ist. 4 Vgl. auch das Stichwort „Mietstreitigkeiten“. 5 KG, Beschl. v. 1.7.2009 – 8 W 59/09, AGS 2009, 600 = RVGreport 2009, 395 mit Anm. von Hansens = JurBüro 2009, 538 (der Senat hat damit seine bisherige Rspr., wonach gem. § 9 ZPO auf den 3 1/2-fachen Jahresbetrag der Minderung abzustellen war [vgl. KG, Beschl. v. 6.11.2003 – 8 W 250/03, KGR 2004, 306] aufgegeben); ebenso OLG Düsseldorf (Beschl. v. 1.3.2007 – I-24 W 9/07, AGS 2007, 472) für den Wert eines selbständigen Beweisverfahrens, mit welchem der Pächter Mängel des Pachtobjektes festgestellt wissen möchte: angemessener Minderungsbetrag, höchstens für ein Jahr. 6 OLG Hamm, Beschl. v. 15.8.2000 – 7 W 9/00, OLGR 2001, 37; LG Berlin, Beschl. v. 27.8.1996 – 64 T 66/96, NJW-RR 1997, 652; LG Kiel, MDR 1994, 834; OLG Hamburg, WM 1994, 624. 7 LG Berlin, Beschl. v. 7.7.2000 – 65 T 62/00, JurBüro 2001, 96.

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Feststellungsklage Stellt das Gericht auf Antrag des Vermieters fest, dass der Mieter zur Zahlung einer erhöhten Nebenkostenpauschale verpflichtet ist, bemisst sich die Beschwer gem. § 9 ZPO nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag der streitigen Differenz abzüglich 20 %.1

2375

Mobilfunkvertrag Das Interesse des Klägers an der Feststellung der Unwirksamkeit eines Mobilfunkvertrages entspricht der Höhe der Schadensersatzforderung des Beklagten aus der Vertragsauflösung.2 Anzusetzen sind dabei die monatlichen Grundgebühren sowie ein eventueller monatlicher Mindestumsatz für die (restliche) Vertragslaufzeit.

2376

Nichtigkeit Als Streitwert der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages ist der ungeschmälerte Wert der Leistung maßgebend, von der der Kläger bei Nichtigkeit freigestellt wird3 oder die im Falle der schon erbrachten Leistung zurückzugewähren ist.4 Darüber hinausgehende wirtschaftliche oder ideelle Interessen sowie die Gegenleistung sind nicht zu berücksichtigen.5

2377

Ob bei einer positiven Feststellungsklage einer Vertragspartei auf Feststellung der Nichtigkeit ein Abzug von 20 % vorzunehmen ist, ist streitig.6 Richtigerweise muss in solchen Fällen danach differenziert werden, ob der Kläger seine vertragliche Leistung schon erbracht hat: – Ist dies nicht der Fall, so hat er prozessual die Wahl, negative Feststellungsklage über das Nichtbestehen seiner vertraglichen Verpflichtung oder positive Feststellungsklage auf Feststellung der Nichtigkeit zu erheben. Der Wert ist dann in beiden Fällen ohne einen Abschlag vom Wert einer Leistungsklage zu bestimmen.7 – Hat der Kläger dagegen seine vertragliche Leistung schon erbracht, dann ist hinsichtlich der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Vertrages ein solcher Abschlag vorzunehmen, denn das eigentliche wirtschaftliche Ziel des Klägers (Rückgewähr der bereits erbrachten Leistung) kann mit dem Feststellungsurteil nicht erreicht werden.

2378

1 BGH, Beschl. v. 21.5.2003 – VIII ZB 10/03, JurBüro 2004, 207. 2 AG Düsseldorf, Urt. v. 15.6.2000 – 34 C 3564/00, NJW-RR 2001, 275. 3 LG Bückeburg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 932 = JurBüro 1988, 1233 mit Anm. Mümmler; OLG Oldenburg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1218: Feststellung der Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrags. 4 OLG Koblenz, NJW 1953, 1918; OLG München, JurBüro 1984, 1235; OLG Bamberg, JurBüro 1985, 1703: Feststellung des Nichtbestehens eines Versicherungsvertrages richtet sich nach dem Interesse am Nichtzahlen der Versicherungssumme. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.6.1999 – 21 W 24/99, NJW-RR 2000, 587; OLG Hamm, Beschl. v. 9.11.2002 – 21 U 115/02, AnwBl. 2003, 597. 6 Vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.6.1999 – 21 W 24/99, NJW-RR 2000, 587 einerseits und OLG München, JurBüro 1984, 1235 andererseits. 7 Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 9.11.2002 – 21 U 115/02, AnwBl. 2003, 597: Die Klage der Erwerber auf Feststellung, dass ihre Erwerbspflicht nicht besteht, bemisst sich nach dem vereinbarten Kaufpreis ohne Berücksichtigung der Gegenleistung.

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Feststellungsklage 2379

Wird neben der Feststellung der Unwirksamkeit eines Vertrages die Verurteilung des Beklagten zur Rückgewähr der empfangenen Leistungen begehrt, so kommt dem Feststellungsantrag dann keine selbständige Bedeutung zu, wenn aus der Unwirksamkeit des Vertrages keine weiteren Ansprüche hergeleitet werden.1

2380

Der Wert des Streitgegenstandes für die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines langjährig abgeschlossenen Pachtvertrages richtet sich gem. § 41 GKG nach dem Wert des einjährigen Pachtzinses.2 Klagt ein Dritter auf Feststellung der Nichtigkeit eines Pachtvertrages, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse dieses Dritten.3

2381

Bei einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Testaments oder einer sich aus der behaupteten Testamentsauslegung ergebenden Rechtsfolge ist der Streitwert nicht nach dem Wert des ganzen Nachlasses, sondern nach dem Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung zu bemessen.4

2382

Klagt ein Miterbe auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages der Erbengemeinschaft, der den Beklagten zum Ankauf eines Nachlassgrundstückes berechtigt, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an der Befreiung von den Verpflichtungen aus dem Vertrag, nicht nach dem entsprechenden Interesse der ganzen Erbengemeinschaft.5

2383

Der Streitwert einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vaterschaftsanerkenntnisses ist gleich dem Wert der mit dem Anerkenntnis verbundenen Unterhaltsverpflichtung.6 Die Feststellung hat vermögensrechtlichen Charakter, sodass der Streitwert nach § 3 ZPO unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 42 Abs. 1 GKG festzusetzen ist.7 Pacht

2384

Der Wert einer Klage auf Feststellung, dass der Kläger nach dem Ende des Pachtverhältnisses nicht verpflichtet ist, auf dem Pachtgrundstück errichtete Bauten zu entfernen, ist nach einer Entscheidung des BGH nach den vom Kläger aufzubringenden Beseitigungskosten gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG ohne weiteren Abschlag zu ermitteln.8 Der Senat hat in diesem Fall eine Anwendung von § 8 ZPO richtigerweise abgelehnt, da der Bestand des Pachtvertrages zwischen den Parteien nicht streitig war, sondern nur die Beseitigungspflicht des Beklagten. Pflegekosten

2385

Werden Pflegekosten wegen der Verletzung aus einem Verkehrsunfall geltend gemacht, dann ist für die Bewertung von den jährlichen Aufwendungen für die

1 2 3 4 5 6 7 8

KG, Rpfleger 1962, 120. OLG Düsseldorf, JMBl.NW 1956, 176. BGH, Rpfleger 1955, 101. BGH, NJW 1956, 1877. BGH, JurBüro 1954, 231. OLG Frankfurt, MDR 1955, 304. OLG München, NJW 1953, 631. BGH, Beschl. v. 29.4.2004 – III ZB 72/03, WuM 2004, 352.

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Feststellungsklage Pflege auszugehen, die gem. § 42 Abs. 1 GKG auf den fünffachen Betrag zu erhöhen sind.1 Hiervon ist dann bei der positiven Feststellungsklage ein Abzug von 20 % zu machen. Das gilt auch, wenn der Haftpflichtversicherer mitverklagt wird. Rente Der Streitwert einer nicht unter § 42 GKG fallenden negativen Feststellungsklage ist auf den 3,5-fachen Jahresbetrag der Rente ohne Rückstände und ohne Abschlag festzusetzen (§ 9 ZPO). Das gilt auch dann, wenn die Berühmung in Form einer Schadensersatzforderung erfolgt.2

2386

Soweit nicht die Umstände eines Einzelfalles Anlass zu einer anderen Festsetzung des Streitwertes geben, kann bei einem Feststellungsantrag, der eine auf einem Unfall beruhende Jahresrente zum Inhalt hat (§ 42 Abs. 1 GKG), in der Regel das Fünffache des Jahresbetrages abzüglich 20 % zugrunde gelegt werden.3

2387

Nach dem OLG Köln4 hat eine weitere Kürzung des bereits durch § 42 Abs. 1 GKG auf den fünffachen Jahresbetrag verkürzten Wertansatzes wegen des bloßen Feststellungsantrages auszuscheiden, wenn der Feststellungsantrag bestimmte Leistungen betrifft und die Erfüllung aufgrund der Feststellung sicher ist.5 Dies überzeugt jedoch nicht, da auch bei Erfüllungsbereitschaft des Beklagten der Feststellungstitel in seinen Wirkungen hinter dem Leistungstitel zurückbleibt. Ein Abschlag ist daher vorzunehmen.

2388

Bei der Abgrenzung von § 9 ZPO und § 42 Abs. 1 GKG ist zu beachten, dass die privilegierende Vorschrift § 42 Abs. 1 GKG immer noch den fünffachen Jahresbetrag vorsieht, während § 9 ZPO, der früher zu hohen Werten führte und deshalb oftmals als nicht passend bewertet wurde, jetzt nur noch den 3,5fachen Jahreswert vorsieht und damit unterhalb des „sozialen“ Gebührenwerts liegt.6

2389

Rentenerhöhung Der Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Rentenerhöhungen hat einen eigenen Streitwert gegenüber demjenigen nach § 42 Abs. 1 GKG. Dieser zusätzliche Streitwert kann mit 20 % des Wertes aus § 42 Abs. 1 GKG geschätzt werden,7 mindestens ist er mit 10 % der geltend gemachten Forderung anzusetzen.8

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OLG Schleswig, JurBüro 1971, 539. OLG München, MDR 1962, 223. BGHZ 1, 43; OLG Schleswig, SchlHA 1960, 24; OLG Köln, JurBüro 1992, 624. NJW 1960, 2248. S. auch OLG Schleswig, SchlHA 1960, 24. Hierzu Lappe, NJW 1994, 1189. OLG Köln, JurBüro 1961, 562. OLG Frankfurt, JurBüro 1968, 634.

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Feststellungsklage Rückstände 2391

Rückstände, die zurzeit der Einreichung der Feststellungsklage bestehen, werden dem Streitwert nicht hinzugerechnet,1 Da Feststellungsklagen wesensmäßig nur auf die Zukunft ausgerichtet sind. Andernfalls müssten sie im Hinblick auf die Prozessvoraussetzung des § 256 ZPO beziffert werden.2

2392

Hat jedoch der Kläger auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Schadensersatz geklagt und geht er alsdann im Laufe des Verfahrens zur Leistungsklage auf Entrichtung von Rente über, so sind die bis zum Übergang zur Leistungsklage fällig gewordenen Rentenbeiträge bei der Streitwertfestsetzung hinzuzurechnen.3

2393

Werden bei einer von Anfang an erhobenen Leistungsklage auf Rentenzahlung solche Rückstände, die während des Prozesses entstehen, aus dem Rentenanspruch herausgenommen und selbständig kapitalisiert geltend gemacht, so sind diese bei der Streitwertfestsetzung nicht zu berücksichtigen.4 Rücktritt

2394

Maßgebend für den Wert einer Klage auf Feststellung der Wirksamkeit des Rücktritts (z.B. § 427 Nr. 2 BGB) ist das nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewertende Interesse des Klägers an der Befreiung von seinen vertraglich übernommenen Verpflichtungen.5

2395

Der Streitwert für eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Rücktritts von einem Erbvertrag bemisst sich auf 25 % des derzeitigen reinen Vermögens des Erblassers.6 Schadensersatzpflicht

2396

Für das Interesse des Geschädigten an der Feststellung der Schadensersatzpflicht ist die Höhe des durch die behauptete Rechtsverletzung voraussichtlich erwachsenden künftigen Schadens entscheidend. Hiervon ist jedoch ein Abschlag von 20 % zu machen, weil in aller Regel das Gegenwartsinteresse an einer Feststellung, die erst in der Zukunft Wirkungen auslöst, geringer ist.7

2397

Der nach der Klagebegründung voraussichtlich zu erwartende Schaden muss nach § 3 ZPO geschätzt werden.8 Dabei ist nach dem Grundsatz des § 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG von den Erkenntnismöglichkeiten auszugehen, wie sie zurzeit der Klageerhebung bereits vorhanden waren. Bei einem zwar möglichen, aber nahezu unwahrscheinlichen Schadenseintritt kann auch der Streitwert so niedrig bemessen werden, dass er nur noch die Funktion eines „Erinnerungs1 BGHZ 2, 74, 77; OLG München, MDR 1962, 223 Nr. 74; OLG Hamm, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 910 = JurBüro 1988, 788 mit abl. Anm. Lappe; a.A. OLG Schleswig, SchlHA 1981, 119. 2 S. BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 293; BGHZ 2, 74. 3 RGZ 77, 324; BGHZ 2, 74, 77; OLG Düsseldorf, MDR 1957, 686. 4 OLG Düsseldorf, MDR 1957, 686. 5 OLG München, JurBüro 1984, 1235. 6 OLG Celle, NJW 1962, 540. 7 OLG Stuttgart, BB 1959, 460. 8 OLG Köln, MDR 1971, 226.

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Feststellungsklage wertes“ hat.1 Ist bei Klageerhebung oder im Zeitpunkt der Urteilsfällung die Höhe des zukünftigen Schadens in keiner Weise abzusehen, dann ist der Streitwert der Feststellungsklage unter Heranziehung der Grundsätze für nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten zu bewerten.2 Aufgrund nachträglich entstandener Erkenntnismöglichkeiten kann eine Änderung des Streitwerts dagegen nicht begehrt werden. Das zu Beginn des Rechtsstreits ermittelte Feststellungsinteresse bleibt für die ganze Prozessdauer maßgebend.3 Das schließt die Korrektur von Irrtümern nicht aus: Bestand schon bei Klageerhebung die Möglichkeit, zu einer bestimmten, für die Beurteilung des Streitwerts richtigen Erkenntnis zu gelangen, die jedoch nicht genutzt wurde und wird dies nachträglich erkannt, so müssen diese Erkenntnisquellen nachträglich für die Streitwertfestsetzung herangezogen werden.4

2398

Geht der Kläger im Laufe des Rechtsstreits mit dem zunehmenden Fälligwerden der Schadensersatzansprüche von der Feststellungsklage zur Leistungsklage über, so ist eine Summierung der Werte des Leistungsantrages und des Feststellungsanspruchs in voller Höhe nur dann zulässig, wenn der Kläger zu erkennen gibt, dass er neben dem Leistungsantrag den Feststellungsantrag in der ursprünglichen Höhe für die Zukunft aufrechterhalten will, dass also der Übergang von der Leistungs- zur Feststellungsklage den Wert des Feststellungsinteresses nicht gemindert hat. Ob dieses Vorgehen zulässig ist, kann im Einzelfall zweifelhaft sein, hat aber keinen Einfluss auf die Streitwertberechnung, wenn der Kläger so vorgehen will.

2399

Liegt es dagegen so, dass der Kläger den Feststellungsantrag in der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr stellt, weil dieser durch die laufende Erhöhung des Leistungsantrages aufgezehrt worden ist, dann ist nur das Leistungsbegehren für den Streitwert bestimmend.5 Bei teilweisem Abbau der Feststellungsklage ist der verbleibende Zukunftsantrag zu berücksichtigen.

2400

Bei Übergang von der Feststellungsklage zur Leistungsklage aus § 116 SGB X sind die bis zum Übergang angefallenen Rückstände der übergegangenen Schadensersatzansprüche dem Streitwert der Hauptklage hinzuzurechnen, wenn sie zusätzlich gefordert werden.6

2401

Teilbetrag Ist nur wegen eines Teilbetrages einer größeren Forderung Feststellungsklage erhoben worden, soll aber die darüber ergehende gerichtliche Entscheidung nach der Vereinbarung der Partei für den nicht rechtshängig gemachten Restanspruch verbindlich sein, dann ist das auf den Streitwert für die Gerichtsgebühren ohne Einfluss. Er bemisst sich nur nach dem prozessualen Streitgegenstand.7 Etwas Anderes kann jedoch für den Gegenstandswert zur Berechnung der Anwaltgebühren – insbesondere bezüglich der Einigungsgebühr für die 1 2 3 4 5 6 7

OLG Düsseldorf, JurBüro 1975, 232. OLG Frankfurt, Rpfleger 1957, 124. So OLG Schleswig, Rpfleger 1962, 425. OLG Bamberg, JurBüro 1977, 1422; LG Bochum, VersR 1969, 165. OLG Frankfurt, JurBüro 1960, 302. OLG Bamberg, JurBüro 1971, 778 noch zu § 1542 RVO. BGH, Rpfleger 1966, 46.

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2402

Feststellungsklage Mitwirkung an der Vereinbarung der Parteien über die Verbindlichkeit der gerichtlichen Entscheidung – gelten, weil hier der dem Anwalt von der Partei erteilte Auftrag maßgeblich ist. 2403

Handelt es sich um eine positive Feststellungsklage, so ist auch trotz der Bereitschaft des Beklagten, auf ein Feststellungsurteil hin zu leisten, ein Abschlag vom entsprechenden Wert einer Leistungsklage zu machen.1 Denn an diese im Wege des privatschriftlichen Vereinbarung erklärten Bereitschaft ist der Beklagte nicht in gleichem Maße gebunden wie an ein Leistungsurteil. Testamentsvollstreckung

2404

Klagt ein Miterbe, dessen Erbteil den Beschränkungen der Vorerbschaft und der Testamentsvollstreckung unterliegt, auf Feststellung, dass die Testamentsvollstreckung beendet sei, so kommt im Hinblick auf die Wirkungen der Testamentsvollstreckung als Streitwert nicht der Wert des Erbteils, sondern nur ein deutlich hinter diesem zurückbleibender Betrag in Betracht.2 Unerlaubte Handlung, vorsätzliche

2405

Die Feststellung, dass ein gleichzeitig zuerkannter Schadensersatzanspruch auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht, kann in der anschließenden Zwangsvollstreckung (§ 850 f Abs. 2 ZPO) und auch bei einer späteren Insolvenz des Beklagten (§§ 302 Nr. 1, 174 Abs. 2 InsO) für den Kläger von Vorteil sein. Denn eine solche Feststellung kann seine Aussicht verbessern, den Zahlungstitel im Rahmen einer Privilegierung zu realisieren. Der Feststellungsantrag ist – anders als bei der Klage auf Feststellung des Annahmeverzugs, die zusammen mit einem Antrag auf Zahlung eines Geldbetrages Zug um Zug gegen Erbringung der Gegenleistung geltend gemacht wird – mit dem Zahlungsantrag wirtschaftlich nicht identisch, da die Vollstreckungsmöglichkeit auch bei Restschuldbefreiung nach Durchführung eines Insolvenzverfahrens erhalten bleiben soll.

2406

Der Wert eines solchen Antrags neben dem Leistungsantrag ist umstritten: – Nach einer Entscheidung des OLG Stuttgart erhöht dieser zusätzliche Antrag den Streitwert jedenfalls dann nicht, wenn die Zahlungsklage gegen den Beklagten ausschließlich auf ein Vorsatzdelikt gestützt ist.3 Denn wenn eine Klage nur mit dieser Begründung überhaupt Erfolg haben könne, bedürfe es einer zusätzlichen Feststellung des Vorliegens einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung nicht. Für den Nachweis gem. § 850 f Abs. 2 ZPO genügt es nämlich, wenn in dem vollstreckbaren Titel der deliktische Schuldgrund und der erforderliche Verschuldensgrad genannt sind.4

2407

Kommt nach dem Klagevorbringen auch ein anderer Rechtsgrund als ein solcher aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung in Betracht, ist die Wertberechnung des Feststellungsantrags höchst unterschiedlich: 1 BGH, Rpfleger 1966, 46; a.A. OLG Köln, JurBüro 1960, 537; OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 648: kein Abschlag. 2 OLG Frankfurt, JurBüro 1961, 90; OLG Zweibrücken, Rpfleger 1967, 2. 3 OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.12.2008 – 7 W 79/08, OLGR 2009, 266 = MDR 2009, 654. 4 Vgl. BGHZ 152, 148; BGH, NJW 2005, 1663.

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Feststellungsklage – Das OLG Köln1 und das OLG Dresden2 halten eine Quote von maximal 5 % der Klageforderung für ausreichend, da der mögliche Vorteil des Klägers in einer späteren Zwangsvollstreckung bzw. Insolvenz als eher gering einzustufen sei. Ebenso haben der 7. Senat des OLG Karlsruhe (500 Euro)3 und das AG Leipzig (niedrigste Gebührenstufe bis 300 Euro)4 einen solchen Antrag recht gering bewertet. – Nach anderer Ansicht kann als Wert die volle Forderungshöhe angesetzt werden, wenn das Interesse des Klägers im konkreten Einzelfall darin besteht, dass er aufgrund dieses Feststellungsurteils auch nach Abschluss des Insolvenzverfahrens unbeschränkt gegen den Schuldner vollstrecken kann.5 Diese hohe Wertfestsetzung hatte offensichtlich ihren Grund darin, dass das Insolvenzverfahren gegen den Schuldner jeweils bereits eröffnet war und damit die Regelung des § 302 Nr. 1 InsO in greifbare Nähe rückte. Vaterschaft Bei der Klage eines nichtehelichen Kindes auf Zahlung von Unterhalt und Feststellung der Vaterschaft begründet der Feststellungsanspruch nur dann einen über den Wert des Zahlungsanspruchs hinausgehenden Streitwert, wenn mit der Klage besondere Umstände vorgetragen sind, die auf vermögensrechtliche Ansprüche über den bereits geltend gemachten Zahlungsanspruch hinaus hindeuten.6

2408

Vereinsmitgliedschaft Die Klage auf Feststellung der Zugehörigkeit zu einem Idealverein betrifft einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch,7 sodass ihr Wert nach § 48 Abs. 2 GKG zu bestimmen ist. Wirtschaftliche Auswirkungen der Mitgliedschaft stehen dem im Allgemeinen nicht entgegen.8

2409

Veröffentlichungsbefugnis Neben dem Antrag auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung kommt dem Antrag auf Auskunftserteilung oder Rechnungslegung streitwertmäßig eine eigenständige Bedeutung zu. Auch bezüglich des Antrags auf Zuerkennung der Veröffentlichungsbefugnis ist in jedem Fall ein besonderer Einzelstreitwert festzusetzen.9 1 2 3 4 5

6 7 8 9

OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2008 – 8 W 109/08, JurBüro 2009, 257. OLG Dresden, Beschl. v. 26.10.2007 – 8 W 1224/07, MDR 2008, 50. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.10.2007 – 7 W 79/07, JurBüro 2007, 648. AG Leipzig, Beschl. v. 10.11.2003 – 164 C 6914/03, ZMR 2005, 131. OLG Karslruhe, Beschl. v. 1.10.2007 – 12 W 70/07, OLGR 2008, 425 = JurBüro 2007, 648; OLG Hamm, Beschl. v. 8.8.2006 – 27 W 41/06, juris; OLG Brandenburg, Urt. v. 16.11.2005 – 4 U 72/05, juris; OLG Celle, Urt. v. 7.9.2006 – 6 U 66/06, juris. OLG Schleswig, JurBüro 1954, 230. LG Lübeck, JurBüro 1959, 376. KG, Rpfleger 1962, 118; vgl. das Stichwort „Ausschließung“ Rn. 1480 ff. OLG Frankfurt, GRUR 1955, 459; vgl. das Stichwort „Veröffentlichungsbefugnis“.

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2410

Feststellungsklage 2411

Dagegen kommt nach dem OLG Stuttgart1 dem Klageantrag auf Bewilligung einer Veröffentlichungsbefugnis kein eigner Streitwert zu, wenn er mit einer Unterlassungs- oder Schadensfeststellungsklage verbunden ist. Versicherungsschutz

2412

Im Grundsatz gelten die folgenden Regeln: Klagt die Versicherungsgesellschaft auf Feststellung des Nichtbestehens des Versicherungsvertrages, dann ist wertmäßig von ihrem Interesse an der Nichtzahlung der Versicherungssumme auszugehen.2 Macht der Versicherungsnehmer mit der Klage den Fortbestand eines Versicherungsvertrages (trotz Anfechtung/Rücktritt des Versicherers) geltend, dann beläuft sich der Wert auf die 3 1/2-fache Jahresprämie abzüglich 20 %.3 Hinsichtlich weiterer Fragen ist zwischen den einzelnen Formen des Versicherungsschutzes zu differenzieren: – Haftpflichtversicherung

2413

Der Streitwert einer Klage des Versicherungsnehmers auf positive Feststellung, dass der Versicherer bis zur Höhe eines bestimmten Betrages Haftpflichtversicherungsschutz gewähren müsse, beläuft sich auf den geforderten Betrag abzüglich des üblichen Abschlags von 20 %.4 Zinsen bleiben außer Ansatz.5 Der Streitwert der Klage eines Haftpflichtversicherers gegen ihren Versicherungsnehmer, der aus einem Unfall als Schädiger in Anspruch genommen wird, auf Feststellung, dass ein Anspruch gegen sie nicht besteht, bewertet sich gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach der Höhe der gegen den Schädiger erhobenen Ansprüche.6 Da es sich um eine negative Feststellungsklage handelt, ist kein Abschlag vorzunehmen. – Berufsunfähigkeitszusatzversicherung

2414

Macht der Versicherungsnehmer mit der Klage den Fortbestand seines Versicherungsvertrages (trotz Anfechtung/Rücktritt des Versicherers) geltend, dann bemisst sich das Interesse nach dem 3 1/2-fachen Jahresbetrag der begehrten monatlichen Rentenzahlung zuzüglich der monatlichen Prämie, von der der Versicherungsnehmer freizustellen ist. Von dieser Summe ist ein Abschlag wegen positiver Feststellung vorzunehmen.7 Die für die Wertfestsetzung einer Klage auf Feststellung des Fortbestehens eines privaten Kranken-

1 NJW 1959, 890. 2 OLG Bamberg, JurBüro 1985, 1703 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 786. 3 OLG Köln, Beschl. v. 26.2.1993 – 20 W 15/93, MDR 1996, 1194; LG Magdeburg, Urt. v. 1.2.2002 – 1 S 583/01, VersR 2003, 263. 4 BGH, NJW 1965, 1198; OLG Düsseldorf, VersR 1974, 1034; OLG Hamm, AnwBl. 1984, 95 = VersR 1984, 257 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 684 mit Anm. Schneider. 5 OLG Nürnberg, VersR 1978, 854. 6 OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 423. 7 BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 150/04, NJW-RR 2005, 259; BGH, Beschl. v. 13.12.2000 – IV ZR 279/99, NJW-RR 2001, 316; BGH, Beschl. v. 12.2.1992 – IV ZR 241/91, NJW-RR 1992, 608; BGH, NJW-RR 1990, 1361; OLG Celle, Beschl. v. 3.1.2007 – 8 U 123/06, OLGR 2007, 239.

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Feststellungsklage versicherungsvertrages geltenden Grundsätze1 sind auf die BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung nicht übertragbar, weil die Krankenversicherung gerade nicht dadurch geprägt wird, dass die vom Versicherer im Versicherungsfall zu erbringenden Leistungen in ihrer Höhe und Dauer durch den Vertrag von vornherein festgelegt sind.2 Die Höhe des Abschlags, der auf die für eine entsprechende Leistungsklage berechnete Summe vorzunehmen ist, ist je nach Fallgestaltung unterschiedlich: – Der regelmäßige Abschlag für solche positiven Feststellungsklagen liegt bei 20 %.3 – Ein Abschlag von 50 % ist vorzunehmen, wenn der Eintritt des Versicherungsfalls zwar behauptet wird, tatsächlich aber bislang ungeklärt geblieben ist, ob der Kläger tatsächlich berufsunfähig ist.4 – Ein Abschlag von 80 % ist schließlich vorzunehmen, wenn der Eintritt des Versicherungsfalls nicht behauptet und auch nicht zu erwarten ist.5 Denn in einem solchen Fall ist das Interesse des Klägers als gering zu bewerten, da er selbst nicht vorträgt, die Versicherungsleistung in absehbarer Zeit überhaupt in Anspruch nehmen zu müssen. – Lebensversicherung Der Wert einer Klage auf Feststellung des Fortbestehens einer Lebensversicherung auf den Todes- oder Erlebensfall ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach der Versicherungssumme unter Abzug eines Feststellungsabschlags von 20 % zu bestimmen, da bei einer derartigen Versicherung der Versicherungsfall – sei es im Todes-, sei es im Erlebensfall – mit Sicherheit eintreten wird. Den Wert einer Klage auf Feststellung, dass der Versicherer nach Ablauf von 46 Jahren eine bestimmte Ablaufleistung aus einer Kapitallebensversicherung zu zahlen hat, hat das OLG Frankfurt6 gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem gegenwärtigen wirtschaftlichen Interesse des Klägers unter Abzinsung des Gesamtbetrages ermittelt und davon wegen positiver Feststellung einen Abschlag von 20 % vorgenommen. Bei einer Klage auf Feststellung des Fortbestehens einer Risikolebensversicherung hat der BGH7 das Interesse lediglich auf 20 % der versprochenen Versicherungssumme bemessen. Die Bewertungsgrundsätze für eine Lebensversicherung auf den Todes- oder Erlebensfall lassen sich hier nicht übertragen. 1 BGH, Beschl. 10.10.2001 – IV ZR 171/01, NVersZ 2002, 21: 3,5-fache Jahresprämie ohne Feststellungsabschlag. 2 BGH, NJW-RR 2001, 316; OLG Hamm, Beschl. v. 14.2.2001 – 20 W 29/99, OLGR 2001, 394 = AGS 2002, 177. 3 BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 150/04, NJW-RR 2005, 259; BGH, Beschl. v. 13.12.2000 – IV ZR 279/99, NJW-RR 2001, 316; BGH, Beschl. v. 12.2.1992 – IV ZR 241/91, NJW-RR 1992, 608; BGH, NJW-RR 1990, 1361; OLG Celle, Beschl. v. 3.1.2007 – 8 U 123/06, OLGR 2007, 239. 4 BGH, Beschl. v. 13.12.2000 – IV ZR 279/99, NJW-RR 2001, 316; KG, Beschl. v. 11.12.1998 – 6 W 8984/98, OLGR 1999, 96. 5 OLG Hamm, Beschl. v. 14.2.2001 – 20 W 29/99, OLGR 2001, 394 = AGS 2002, 177. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.10.2000 – 7 U 20/00, OLGR 2001, 59. 7 BGH, Beschl. v. 13.12.2000 – IV ZR 279/99, NJW-RR 2001, 316; BGH, Beschl. v. 23.7.1997 – IV ZR 38/97, NJW-RR 1997, 1562.

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2415

Feststellungsklage Denn bei einer Risikolebensversicherung sind Versicherungsleistungen nur im Todesfall in versicherter Zeit zu erbringen. Damit ist der Eintritt des Versicherungsfalls ungewiss. – Rechtsschutzversicherung 2416

Der Streitwert einer Klage auf Feststellung der Gewährungspflicht bzgl. Deckungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung richtet sich gem. § 3 ZPO grundsätzlich nach den voraussichtlichen, durch die gerichtliche oder außergerichtliche Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers entstehenden Kosten, deren Übernahme durch den Versicherer er erstrebt, abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20 %. Die Frage, ob eine Selbstbeteiligung nur einmal oder mehrfach zu berücksichtigen ist, kann nicht schon im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung bei der Wertfestsetzung entschieden werden, sie betrifft die Begründetheit.1

2417

Der Rechtsschutzversicherer gewährt Deckungsschutz immer nur für eine Instanz. Für die höhere Instanz ist eine erneute Erfolgsprüfung vorgeschaltet. Das ist schon deshalb erforderlich, weil sich nach Abschluss einer Instanz die Sach- und Rechtslage wesentlich anders als zu Beginn des Rechtsstreits darstellen kann. Beispielsweise kann der Gegner eine Urkunde vorgelegt haben, die alle bisherigen tatsächlichen Zweifel beseitigt hat. Deshalb ist der Streitwert der Deckungsklage gegen einen Rechtsschutzversicherer auf die Kosten der Instanz zu beschränken, für die zunächst Deckungsschutz verlangt wird. – Unfallversicherung

2418

Der Streitwert einer auf die Feststellung des Fortbestehens einer Unfallversicherung gerichteten Klage ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG regelmäßig mit 10 % der Versicherungs(höchst)leistungssumme zu bemessen.2 Die Anknüpfung an die Versicherungssumme ist deshalb ein tauglicher Anhaltspunkt, da die Unfallversicherung – anders als die Kranken- oder Haftpflichtversicherung – eine Summenversicherung und keine Schadenversicherung ist. Bei der Unfallversicherung besteht aber die Besonderheit darin, dass Leistungen nicht nur als einheitlicher, von vornherein feststehender Betrag gewährt werden, wie bei der Lebens- oder der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, sondern in Abhängigkeit vom Grad der Invalidität in zahlreichen Stufen. Da die Vollinvalidität als Versicherungsfall die absolute Ausnahme darstellt und zudem die Ungewissheit besteht, ob sich das versicherte Risiko überhaupt verwirklicht, ist eine Quote von 10 % der Versicherungshöchstleistung als Interessenbewertung des Klägers ausreichend und angemessen. – Krankentagegeldversicherung

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Der Streitwert einer Klage auf Feststellung der Verpflichtung, Leistungen aus einer Krankentagegeldversicherung für die ungewisse Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu erbringen, bemisst sich unter Berücksichtigung eines Feststellungsabschlags von 20 % nach dem Bezug von 6 Monaten.3 1 BGH, VersR 2006, 716 = AGS 2006, 451. 2 OLG Köln, Beschl. v. 17.5.2006 – 5 W 44/06, OLGR 2007, 591. 3 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.3.2006 – 12 W 18/06, OLGR 2006, 406 = AGS 2006, 453.

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Feststellungsklage Vollstreckung Behauptet der Vollstreckungsschuldner, der Gläubiger habe zugesagt, er werde von einem Vollstreckungstitel keinen Gebrauch machen, und begehrt er ein Feststellungsurteil darüber, dass aus diesem Grunde eine Vollstreckung des Titels und der aufgrund des Titels festgesetzten Kosten nicht erfolgen darf, so sind die Kosten Nebenforderung und daher dem Streitwert nicht hinzuzurechnen.1

2420

Vorerbe Die Klage auf Feststellung, dass der Kläger Vorerbe ist, ist nach seinem Interesse an der (späteren) Beteiligung am Nachlass zu bewerten. Die entsprechende Schätzung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG hat insbesondere die dem Kläger zustehende Quote und den vermutlichen Bestand des Nachlasses im Zeitpunkt des Nacherbfalls unter Berücksichtigung der Art der Vorerbschaft (befreiter oder nicht befreiter Vorerbe) einzubeziehen.

2421

Wird festgestellt, dass der Kläger – Schwiegersohn der Beklagten – neben seinen Kindern Nacherbe an der Nachlasshälfte des verstorbenen Ehemannes der Beklagten sei, dann bemisst sich die Rechtsmittelbeschwer der Beklagten, die diese Feststellung bekämpft, an dem Interesse, das sie als Vorerbin an dem Wegfall dieser Nacherben-Feststellung hat. Für die Rechtsmittelinstanz kommt es also nicht mehr auf das Interesse des (siegreichen) Klägers an. Die Beschwer ist nur danach zu bestimmen, ob und was die angegriffene Entscheidung dem Rechtsmittelkläger versagt oder auferlegt hat.

2422

* Æ Beispiel: Der BGH hat bei einem Nachlasswert von 100.000 bis 130.000 DM den Streitwert für die Revision mit 5.000 DM angesetzt, da das Interesse des Vorerben am Wegfall der Feststellung, wer nun Nacherbe ist, regelmäßig gering zu bewerten sei.2

Vorkaufsrecht Bei einer Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Vorkaufsrechts nach Ausübung dieses Rechts durch den Vorkaufsberechtigten bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung, das – unter Ausschluss des § 6 ZPO – nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen ist.3 Einen Anhaltspunkt für die Bewertung bietet der Grundstückswert, der jedoch in der Regel wertmäßig nicht erreicht wird.

2423

Werbefilm Bei einer Feststellungsklage dahin, dass ein Werbeverwaltungsvertrag über die Vorführung von Diapositiven, Werbefilmen und Film-Diapositiven in einem Filmtheater durch die Kündigung des Beklagten nicht aufgelöst sei, sondern noch bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragszeit fortbestehe, berechnet sich deren Streitwert nicht nach dem mutmaßlichen Reingewinn des Klägers für 1 BGH, ZZP 69, 1956, 276. 2 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 263. 3 BGH, JurBüro 1957, 224.

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2424

Feststellungsklage die restliche Vertragsdauer, sondern nach seinen voraussichtlichen Umsätzen für diese Zeit.1 Widerklage 2425

Gegenstand einer negativen Feststellungswiderklage sind Ansprüche des Klägers, die, ohne Gegenstand der Klage zu sein, zwischen den Parteien streitig sind, deren sich der Kläger also in irgendeiner Form berühmt haben muss. Der Wert richtet sich folglich nach dem Umfang dieser Berühmung.

2426

Für die Beantwortung der Frage, ob und in welchem Umfang der Kläger sich weiter gehender Forderungen berühmt hat, ist grundsätzlich von der Darstellung des Beklagten (Widerklägers) auszugehen, da der Streitwertberechnung der Vortrag des jeweiligen Klägers (Widerklägers) zugrunde zu legen ist.2 Anderenfalls würde der beklagte Gegner mit seinen Wertangaben den Streitwert und damit die Kosten des Klage(Widerklage)angriffs bestimmen.

2427

Ist Gegenstand der Feststellungswiderklage von Anfang an nur ein Teil einer Forderung, dann ist nur dieser Anspruchsteil beim Streitwert zu berücksichtigen. Lässt der Widerkläger im Verlaufe des Prozesses einzelne Schadensposten fallen, dann vermindert sich zwar der Streitwert, jedoch nur für die Zukunft, sodass bereits erwachsene Gebühren unberührt bleiben.3

2428

Es ist unerheblich, dass sich für den unterlegenen Beklagten aus der Abweisung der begrenzten Feststellungswiderklage mittelbar ergibt, dass auch eine nicht eingeschränkte Feststellungswiderklage erfolglos geblieben wäre.4

2429

Bezieht sich die negative Feststellungsklage auf die Klageforderung, ist gem. § 45 Abs. 1 GKG zu differenzieren: – Betreffen Klage und Widerklage denselben Gegenstand, so ist nur der höhere Wert maßgeblich. Ein solcher gleicher Gegenstand im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG liegt vor, wenn dem einen Antrag nur unter Zurückweisung des anderen stattgegeben werden kann. – Ansonsten sind die Werte von Klage und Widerklage zu addieren.

2430

Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des OLG Düsseldorf5 zumindest missverständlich: Gegen die Klage des Verkäufers auf den Restkaufpreis erhob der Käufer negative Feststellungswiderklage darauf, dass der Kaufpreis vollständig gezahlt und daher kein Restbetrag mehr geschuldet sei. Der Senat hat ausgeführt, dass sich der Wert der Feststellungswiderklage aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nur auf den Wert der noch im Streit stehenden Forderung beziehe. Wenn aber der Verkäufer sich nur noch des Restkaufpreises berühmt, dann zielt die negative Feststellungswiderklage genau auf diese Forderung ab und betrifft – da ihr nur bei Zurückweisung des Klageantrags stattgegeben werden kann – denselben Gegenstand. Folglich beläuft sich nicht der Streitwert der Feststellungswiderklage, sondern der Wert von Klage und Widerklage auf den Restkaufpreis. 1 OLG Celle, JurBüro 1969, 978 mit Anm. Schneider. 2 KG, Rpfleger 1962, 153; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2002 – 4 WF 121/02, MDR 2003, 236; OLG Düsseldorf, AnwBl. 1969, 403. 3 OLG Düsseldorf, AnwBl. 1969, 403. 4 OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 2. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.2.2003 – 5 W 2/03, BauR 2003, 1760.

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Feststellungsklage Wiederkehrende Leistungen Der Wert einer positiven Feststellungsklage, die wiederkehrende Leistungen zum Gegenstand hat, ist regelmäßig mit 80 % des Wertes der entsprechenden Leistungsklage anzusetzen, auch wenn die Leistungen von Gegenleistungen abhängig sind.1 Diese werden nicht in Abzug gebracht.

2431

Handelt es sich um eine negative Feststellungsklage, die wiederkehrende Leistungen zum Gegenstand hat, dann ist der Streitwert nicht geringer als bei der entsprechenden Leistungsklage anzusetzen, in den Fällen des § 42 Abs. 1 GKG also regelmäßig auf den fünffachen Jahresbetrag,2 in den Fällen des § 42 Abs. 1 GKG auf den dreifachen Jahresbetrag3 oder bei Anwendung des § 9 ZPO auf den 3,5-fachen Jahresbetrag.

2432

Die Vorschrift des § 42 Abs. 4 GKG, wonach die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge dem Streitwert hinzugerechnet werden, ist auf Feststellungsklagen nicht anwendbar, weil die Feststellungsklage sich ihrem Wesen nach nur auf zukünftige Leistungen bezieht. Soweit bei Klageerhebung Rückstände bestehen, die beziffert werden können, müssen diese mit einem Leistungsantrag geltend gemacht werden. Einer Feststellungsklage fehlt insoweit das nach § 256 ZPO erforderliche Rechtsschutzinteresse.4

2433

* Æ Beispiel: Das LAG Frankfurt5 berechnet den Wert einer Feststellungsklage auf wiederkehrende Leistungen so, dass die Rückstände bis zur Klageeinreichung dem Wert des Zukunftsbegehrens hinzugerechnet und davon 20 % abgezogen werden. Das soll auch dann gelten, wenn wegen der Rückstände keine besondere Leistungsklage erhoben worden ist. Diese Bewertung ist falsch, da die Rückstände nicht eingeklagt worden sind und dementsprechend auch nicht tituliert werden.

Wirksamkeit eines Vertrages Klagen mehrere Miterben gegen einen anderen Miterben auf Feststellung der Wirksamkeit eines von der Erbengemeinschaft mit einem Dritten abgeschlossenen Pachtvertrages, so bestimmt sich der Streitwert nicht nach der Höhe der Pacht, sondern nach dem Interesse des Klägers am Bestand des Pachtvertrages.6

2434

Wollen Käufer festgestellt wissen, dass ihre Erwerbspflicht nicht besteht, richtet sich der Wert der negativen Feststellungsklage nach dem vereinbarten Kaufpreis ohne Berücksichtigung der Gegenleistung.7

2435

Wohnrecht Der Gebührenstreitwert einer Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines dinglichen Wohnrechts entspricht gem. § 41 GKG dem einjährigen Mietwert.8 1 BAG, NJW 1961, 1788 unter Aufgabe von BAG, AP § 3 ZPO Nr. 1. 2 BAG, JZ 1961, 666, unter Berufung auf BGHZ 2, 726 und unter Aufgabe von BAG, AP § 3 ZPO Nr. 2. 3 BAG, AP § 3 ZPO Nr. 7. 4 Vgl. BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 293. 5 LAG Frankfurt, NJW 1966, 691. 6 BGH, ZMR 1956, 55. 7 OLG Hamm, Beschl. v. 9.11.2002 – 21 U 115/02, AnwBl. 2003, 597. 8 OLG Frankfurt, NJW 1963, 1930; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1964, 106; LG Hildesheim, JVBl. 1964, 127.

Onderka

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2436

Film 2437

Für die sachliche Zuständigkeit ist der Wert dagegen nach § 3 ZPO festzusetzen.1

2438

Wird ein Antrag auf Feststellung, dass das Wohnrecht erloschen ist mit einem Räumungsantrag verbunden, haben die beiden Anträge nicht denselben Streitgegenstand, weil die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils von demjenigen des Räumungsurteils verschieden ist. Während der Räumungsantrag auf Wiedereinräumung des Besitzes an der Wohnung gerichtet ist, besteht die wirtschaftliche Bedeutung des Feststellungsantrags in der Beseitigung einer Verfügungsbeschränkung. Damit ist der Räumungsantrag gesondert zu bewerten und die Werte der beiden Anträge sind gem. § 5 ZPO zusammenzurechnen.2 Wohnungsnutzungsrecht

2439

Der Streitwert einer negativen Feststellungsklage dahin, dass der Mieter zur unentgeltlichen Nutzung der Wohnung auf Lebenszeit nicht berechtigt sei, bemisst sich nach § 3 ZPO und damit nach dem Interesse des klagenden Vermieters am Obsiegen. Bei der Bemessung des Streitwerts kann § 9 ZPO als Richtschnur herangezogen werden. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch ein auf Lebenszeit des Mieters abgeschlossener Mietvertrag vorzeitig beendet werden kann.3 Zurückbehaltungsrecht

2440

Zug-um-Zug-Leistungen mindern den Wert der Leistungsklage nicht und deshalb auch nicht den Wert der negativen Feststellungsklage.4

Film 2441

Verlangt der Kläger die Herausgabe von Filmmaterial, das zum Zwecke gewerblicher Nutzung hergestellt worden ist (z.B. Kinofilme, Videofilme etc.), bestimmt sich der gem. § 6 ZPO für den Streitwert maßgebliche Verkehrswert nach den Verwertungsmöglichkeiten. Diese sind mit einem Bruchteil des zu erwartenden Netto-Verwertungserlöses zu beziffern. Der Materialwert oder die Kosten der Filmerstellung bleiben unberücksichtigt.5

2442

Bei einer auf Feststellung gerichteten Klage, dass ein Werbeverwaltungsvertrag über die Vorführung von Werbefilmen durch eine Kündigung des Beklagten nicht aufgelöst werde, sondern für die Dauer der vereinbarten Vertragszeit fortbestehe, ist der Streitwert nach § 3 ZPO zu schätzen. Abzustellen ist dabei auf die voraussichtliche Umsatzminderung,6 wobei jedoch bei längerfristigen Verträgen der mutmaßliche Gewinn nicht außer Ansatz bleiben sollte. 1 2 3 4 5

OLG Celle, Nds.Rpfl. 1964, 106; LG Hildesheim, JVBl. 1964, 127. OLG Braunschweig, Beschl. v. 5.10.2007 – 8 W 81/07, AGS 2008, 299. OLG Celle, JurBüro 1966, 427. OLG Nürnberg, JurBüro 1966, 876. OLG Frankfurt, MDR 1957, 48; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rn. 18; Hillach/Rohs, S. 192. 6 OLG Celle, JurBüro 1969, 978.

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Kurpat

Fischereirecht Demgegenüber richtet sich die Bewertung nach §§ 8 ZPO, 41 Abs. 1 GKG (16 Abs. 1 GKG a.F.) bei Streitigkeiten über Bestand oder Dauer eines Filmverleihvertrages, da hier die entgeltliche Gebrauchsüberlassung des Filmmaterials im Vordergrund steht.1

2443

Bei der Streitwertbemessung des Anspruchs auf Unterlassung der Störung der Vorführung eines Filmes durch Filmhersteller oder Filmverleiher ist gem. § 3 ZPO deren Interesse an der ungestörten Auswertung maßgeblich.2

2444

Finanzierungskosten Für die Schätzung des Verkehrswertes einer finanzierten Kaufsache sind die Finanzierungskosten außer Betracht zu lassen.3 Im Rahmen des Schadensersatzanspruches sind Finanzierungskosten – beispielsweise für einen Unfallkredit – aber mit ihrem Wert anzusetzen. Es handelt sich dann nicht um Nebenforderungen i.S. des § 4 Abs. 2 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG.4

2445

Fischereirecht Bei einem Streit über das Bestehen einer selbständigen Fischereigerechtigkeit ist § 7 ZPO unanwendbar.5 Maßgebend ist vielmehr § 3 ZPO (ebenso bei dem vergleichbaren Streit über das Recht, Ton zu entnehmen oder Bausteine zu brechen).6

2446

Der Wert des Streitgegenstandes ist bei einer Klage auf Verbot des Fischens mit der Begründung, das Fischereirecht stehe dem Kläger und nicht dem Beklagten zu, nach § 3 ZPO zu schätzen.

2447

Anhaltspunkte für diese Schätzung bieten der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbare Kaufpreis für das Fischereirecht, ferner die bei einer Trennung des Fischereirechts vom Grundeigentum etwa eintretende Wertminderung des Grundstücks sowie schließlich – für die Ermittlung der Rechtsmittelbeschwer – der Betrag, der dem 20-fachen Jahresbetrag entspricht, der sich durch eine Verpachtung des Fischereibetriebes nachhaltig erzielen lässt.

2448

Ist ständige Verpachtung beabsichtigt, setzt OLG Celle den 25-fachen Jahresbetrag an, insoweit vom BGH abweichend. Wird bei der Schätzung im Rahmen des § 3 ZPO der § 9 ZPO herangezogen, ist bei der älteren Rechtsprechung zu berücksichtigen, dass § 9 ZPO i.d.F. des RpflegeEntlG 1993 nur noch den 3,5-fachen Jahresbetrag vorsieht.

2449

1 2 3 4 5 6

Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 7. OLG Hamburg, GRUR 1959, 492. OLG Köln, JurBüro 1971, 86. Schneider, AGS 2005, 323 (324). OLG München, DJZ 1911, 1123. OLG Oldenburg, OLGE 4, 263.

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Forderung

Forderung Literatur: Schumann, Grundsätze des Streitwertrechts, NJW 1082, 1257; Freitag/Leible, Erleichterung der grenzüberschreitenden Forderungsbetreibung in Europa: Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen, BB 2009, 2.

2450

Der Streitwert einer bezifferten Geldforderung bestimmt sich nach der Summenangabe.1 Ob der Klagebetrag dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers entspricht, ist für die Wertbestimmung bedeutungslos.2 Da sich die Rechtskraft der Entscheidung (§ 322 ZPO) auf den Streitgegenstand beschränkt und präjudizielle Rechtsverhältnisse nicht erfasst,3 rechtfertigt der Umstand, dass zwischen den Parteien Streit auch in gleichartigen weiteren Sachverhalten besteht bzw. über den mit der (Teil-)Klage geltend gemachten Anspruch hinaus weiter gehende Ansprüche aus demselben Sachverhalt in Betracht kommen, keine Werterhöhung.

2451

Bei unbezifferten Zahlungsanträgen, wie etwa bei Schmerzensgeldklagen, ist nach zutreffender Ansicht auf den Betrag abzustellen, der auf Grundlage des klägerischen Tatsachenvortrages angemessen wäre. Beantragt der Kläger die Zuerkennung eines Mindestbetrages, so bestimmt dieser die untere Grenze des Streitwertes. Sie ausführlich unter dem Stichwort „Unbezifferte Anträge“. Der Streitwert einer Klage, mit der (allein) die Feststellung zum Rechtsgrund einer Forderung begehrt wird, richtet sich nicht nach dem Nennwert der Forderung. Begehrt der Kläger beispielsweise die Feststellung, dass eine zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhe, ist eine Bewertung nach § 3 ZPO geboten. Wertbestimmend sind vielmehr die späteren Vollstreckungsausichten des Insolvenzgläubigers nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung. Geboten ist eine auf den Wert der Forderung bezogene Bruchteilsbewertung, die bei nur geringen Erfolgsaussichten zwischen 1/20 und 1/4 liegen kann.4 Geht es um die Sicherstellung der Forderung, dann ist ebenfalls deren Betrag maßgebend (§ 6 ZPO), sofern nicht das Sicherungsgut geringerwertig ist.

2452

Bildet den Streitgegenstand ein in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld, z.B. bei einer echten Fremdwährungsschuld5 oder bei der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils oder eines Schiedsspruches, dann ist für den Zuständigkeitsstreitwert auf den Umrechnungsbetrag in Euro zum Zeitpunkt der Klage- bzw. Antragseinreichung (Anhängigkeit) abzustellen, § 4 Abs. 1 ZPO. Nach Anhängigkeit eintretende Veränderungen durch Kursschwankungen, gleich in welche Richtung, bleiben unberücksichtigt.6 1 RG Warneyer, 1912, 251; BGH, Beschl. v. 28.7.2009 – X ZR 153/04, WRP 2009, 1401 = GRUR 2009, 1100. 2 Vgl. Schumann, NJW 1982, 1258; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Bezifferter Leistungsantrag“ Rn. 3. 3 Vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.7.2007 – 3 W 38/07, OLGR 2008, 172. 4 BGH, Beschl. v. 6.4.2009 – VI ZB 88/08, Schadenpraxis 2010, 29 = ZIP 2009, 2172 (Ls): 1 /4; Beschl. v. 22.1.2009 – IX ZR 235/08, juris; OLG Dresden, Beschl. v. 26.10.2007 – 8 W 1224/07, OLGR 2008, 42 = MDR 2008, 50: 1/20. 5 RGZ 109, 61; LM § 116 BEG 1956 Nr. 18. 6 OLG Frankfurt, KostRsp. GKG § 15 Nr. 8 = JurBüro 1991, 208 = MDR 1991, 164 = NJW 1991, 643; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Ausländische Währung“ Rn. 2.

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Forderung Dies gilt im Grundsatz auch für den Gebührenstreitwert, d.h. maßgebend ist gem. § 40 GKG (§ 15 GKG a.F.) der Umrechnungsbetrag bei Anhängigkeit.1 S. auch das Stichwort „Ausländische Währung“.

2453

Unerheblich für die Bewertung ist das Verteidigungsverhalten des Beklagten. Bestreitet er nur die Fälligkeit, dann ist gleichwohl der volle Betrag maßgebend, weil der Kläger darüber einen Titel erstrebt.2 Dies gilt ebenso, wenn der Beklagte sich gegenüber der Klageforderung auf ein Zurückbehaltungsrecht (§§ 273, 322 BGB) beruft. Demgegenüber ist von der Forderungssumme abweichende Bewertung geboten, wenn der vom Kläger bestimmte Streitgegenstand nur die Fälligkeit betrifft. Zu streitigen Einzelfragen s. das Stichwort „Fälligkeit“.

2454

Der Klagebetrag bleibt auch dann wertbestimmend, wenn die Klageforderung (bereits) vorprozessual unstreitig war. Denn das Erkenntnisverfahren ist auf eine Entscheidung über den Bestand des gesamten Anspruchs gerichtet.3 Das gilt auch für den Streitwert einer Klage auf zukünftig fällig werdende Leistungen.4 Der fehlende Streit über den Bestand einer Forderung hat nur auf den für die gerichtliche Vergleichsgebühr (Nr. 1900 KV GKG) und die anwaltliche Einigungsgebühr (Nr. 1300 VV RVG) relevanten Streitwert Einfluss (s. weitergehend unter dem Stichwort „Vergleich“ Rn. 5491 ff.). Ohne Bedeutung für die Wertbemessung sind die Aussichten des Klägers auf Durchsetzung der eingeklagten Forderung nach ihrer Titulierung.5 Indessen werden auch insoweit schon Abstriche aufgrund wirtschaftlicher Betrachtungsweise gemacht.6 Ist eine grenzüberschreitende Vollstreckung titulierter Forderungen nach der Verordnung (EG) Nr. 86/2007 vom 11.7.2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (EuSCVO – Small-Claims-VO) beabsichtigt, darf diese keinen 2.000 Euro übersteigenden Streitwert aufweisen. haben. Dabei sind die gegenüber dem GKG teilweise abweichendenen Wertvorschriften in der EuSCVO zu beachten.7

2455

Verbindet der Kläger in seiner Klage Ansprüche auf Leistung mit Ansprüchen auf Sicherung seines Leistungsinteresses, kommt regelmäßig eine Wertaddition nicht in Betracht. Dies ist etwa der Fall, wenn bei einer Klage auf Zahlung zugleich auf Sicherstellung des geforderten Betrages,8 Einwilligung zur Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek9 oder einer Reallast ge-

2456

1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.11.1999 – 10 W 124/99, OLGR 2000, 149 = JurBüro 2001, 316 = NJW-RR 2000, 1594; KG, Beschl. v. 31.5.1999 – 8 W 3707/99, KGR 1999, 279 = NJW-RR 2000, 215. 2 OLG Kiel, SchlHA 1947, 205; Schumann, NJW 1982, 1257 (1258). 3 OLG Oldenburg, FamRZ 1979, 64; OLG Bamberg, JurBüro 1979, 1681 und 874. 4 RGZ 118, 323; BGH, Beschl. v. 2.8.1994 – IV ZR 270/93, KostRsp ZPO § 3 Nr. 1178; Hirte, MDR 1978, 170; Vorrmann, MDR 1987, 722. 5 RGZ 25, 367; LAG Hamm, Beschl. v. 8.8.1991 – 8 Ta 252/91, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1055 = MDR 1991, 1203 = BB 1991, 2227 = JurBüro 1992, 116 = LAGE ZPO § 3 Nr. 7; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Bezifferter Leistungsantrag“ Rn. 3. 6 S. Schneider Anm. zu KostRsp. ZPO § 3 Nr. 890 sowie die Stichwörter „Pfändung“, „Vergleich“ und „Vollstreckungsabwehrklage“. 7 Vgl. ausführlich Freitag/Leible, BB 2009, 2 ff. 8 OLG Nürnberg, JurBüro 1967, 74; OLG Köln, JMBl.NW 1968, 201. 9 KG, Beschl. v. 12.9.1997 – 4 W 1583/87, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 95 = KGR 1997, 283 = BauR 1998 = 829; OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 1136; OLG Koblenz, Beschl. v. 14.3.2003 – 8 W 147/03, OLGR 2003, 256; OLG Köln, DB 1974, 429; OLG Nürnberg, JurBüro 1968, 543; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rn. 15.

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Forderungsverzicht klagt wird.1 Hier bestimmt sich der Streitwert nach dem Wert des Zahlungsanspruchs, da beide Anträge denselben Gegenstand betreffen. 2457

Ist die Klage neben dem Leistungsantrag auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet, scheidet eine Wertaddition regelmäßig aus, wenn der Leistungsanspruch aus demselben Rechtsverhältnis resultiert.2

2458

Werden neben dem Leistungsanspruch vorbereitende, unterstützende oder nachbereitende Zusatzanträge gestellt, ist zu prüfen, ob diesen ein vom Leistungsanspruch abweichendes wirtschaftliches Interesse zugrunde liegt. Ist das zu verneinen, sind die Einzelwerte zu addieren; anderenfalls ist der höchste Einzelwert maßgeblich. So liegt etwa bei einer Klage auf Darlehensrückzahlung und Herausgabe des damit in Zusammenhang stehenden Grundschuldbriefs wirtschaftliche Gleichheit vor, sodass nur ein Streitwert anzunehmen ist.3

2459

S. zu den Einzelheiten unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche“.

Forderungsverzicht A. Klage- oder Widerklageforderung 2460

Soweit auf eine (anhängige) Klage- oder Widerklageforderung verzichtet wird, ist dies für den Steitwert unerheblich.

B. Nicht anhängige Forderungen I. Überblick 2461

Wird auf nicht anhängige Forderungen verzichet, hat dies für den Wert nur dann Bedeutung, wenn diese in einen Vergleich einbezogen werden. Das kann sowohl auf den Wert des Verfahrens als auch für den Wert des Vergleichs Bedeutung haben.

II. Streitwert des Verfahrens 2462

Die Einbeziehung nicht anhängiger Forderungen in einen Vergleich wirkt sich auf den Streitwert des Verfahrens grundätzlich nicht aus. Lediglich dann, wenn die Forderung zur Aufrechnung gestellt war, kann der vergleichsweise Verzicht den Wert des Verfahrens erhöhen (§ 45 Abs. 4, 3 GKG).

2463

Wird auf eine Forderung verzichtet die primär zur Aufrechnung gestellt worden ist, erhöht sie den Streitwert nicht (arg. e. § 45 Abs. 4 GKG), weil dies ein einfaches Bestreiten der Klageforderung darstellt. 1 OLG Nürnberg, JurBüro 1964, 684; OLG Celle, Beschl. v. 21.4.1983 – 4 W 68/83, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 52 mit Anm. Schneider = Nds.Rpfl. 1983, 159. 2 OLG München, Beschl. v. 20.3.1984 – 24 W 48/84, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 706 mit Anm. Schneider = JurBüro 1984, 1235; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rn. 14. 3 OLG München, MDR 1968, 769.

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Forderungsverzicht Gleiches gilt für den Verzicht auf eine hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Forderung, wenn die Klageforderung unstreitig geblieben ist (arg. e. § 45 Abs. 4 GKG).

2464

Wird in einem Vergleich auf eine Forderung verzichtet, die bei streitiger Klageforduerng im Prozess hilfsweise zur Aufrechnung gestellt worden ist, so ist der Wert dieser Forderung nach § 45 Abs. 4, 3 GKG dem Wert der Klageforderung hinzuzurechnen.

2465

Zu beachten ist aber wiederum, dass sich der Streitwert des Verfahrens nur insoweit erhöht, als im Falle einer Entscheidung eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Gegenforderung möglich gewesen wäre. Daher wirkt auch der vergleichsweise Verzicht über eine hilfsweise zur Aufrechnung gestelle Forderung nur bis zur Höhe der Klageforderung. S. dazu „Aufrechnung“ Rn. 1287 ff.

2466

Soweit in diesem Fall auf mehrere Forderungen verzichtet wird, sind die Werte der einzelnen Forderungen zusammenzurechnen, wobei jede Forderung maximal mit dem Wert der Klage berücksichtigt werden darf. S. dazu „Aufrechnung“ Rn. 1287 ff.

2467

Im Übrigen spielt ein Forderungsverzicht über nicht anhängige Gegenstände beim Streitwert des Verfahrens keine Rolle.

2468

III. Mehrwert des Vergleichs Soweit in einem Vergleich auf nicht anhängige Forderungen verzichtet wird und ihr Wert nicht bereits nach § 45 Abs. 4, 3 GKG beim Streitwert des Verfahrens zu berücksichtigen ist, kann insoweit ein Mehrwert vorliegen, der die Vergleichsgebühr nach Nr. 1900 KV GKG auslöst.

2469

* Æ Beispiel: Eingeklagt sind 10.000 Euro. Der Beklagte bestreitet die Klageforderung und verteidigt sich mit einer Gegenforderung i.H.v. 15.000 Euro, die er hilfsweise zur Aufrechnung stellt und die der Kläger wiederum bestreitet. Später schließen die Parteien einen Vergleich, wonach der Beklagte zum Ausgleich der Klageforderung 5.000 Euro zahle und auf seine Gegenforderung verzichte. Der Wert der Verfahrens beläuft sich auf 20.000 Euro (§ 45 Abs. 3, 4 GKG); der Wert des Vergleichs auf 25.000 Euro. Er hat also einen Mehrwert von 5.000 Euro.

Zu beachten ist allerdings, dass der Mehrwert des Vergleichs nicht zwingend mit dem Wert der Forderung anzusetzen ist, auf die verzichtet wird. Der Wert eines Vergleichs richtet sich nicht danach, worauf sich die Parteien einigen, sondern darauf, worüber sie sich einigen. Eine Forderung, auf die verzichtet wird, ist daher nur insoweit zu berücksichtigen, als sie auch streitig war.

* Æ Beispiel: Der Vermieter verlangt Renovierungskosten i.H.v. 5.000 Euro, die der Beklagte bestreitet. Im Rechtssreit schließen die Parteien später einen Vergleich, wonach der Bekalgte noch 1.000 Euro zahle und auf die Rückzahlung seiner ihm unstreitig zustehenden Mietkaution im Wert von 2.000 Euro verzichte. Der Wert der Verfahrens beläuft sich auf 5.000 Euro. Der Vergleich hat keinen Mehrwert, weil die Forderung auf Rückzahlung der Mietkaution nicht streitig war. Der Forderungsverzicht war hier faktisch nur ein Zahlungsersatz für die streitige Klage-

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2470

Freigabe forderung. Faktisch haben sich die Parteien auf Renovierungskosten i.H.v. 3.000 Euro geeinigt und dann eine unstreitige – nicht werterhöhende – Aufrechnung mit dem Kautionsguthaben vorgenommen.

2470a

Werden in einem Vergleich nicht rechtshängige, aber behauptete erhebliche Schadensersatzansprüche, deren Realisierbarkeit zweifelhaft ist, mitgeregelt, so ist der Vergleichsmehrwert auf den voraussichtlich zu realisierenden Betrag festzusetzen. Es kommt weder auf den behaupteten Anspruch noch auf das Ergebnis an.1

Freigabe Literatur: Gerold, Freigabeaufforderung gegenüber mehreren Pfändungsgläubigern, JurBüro 1955, 425.

2471

Bei der Klage auf Freigabe handelt es sich um eine Klage auf Abgabe einer Willenserklärung, nämlich der Zustimmung zur Auszahlung eines Geldbetrages oder zur Herausgabe eines Gegenstandes durch einen Dritten.2 Dem entsprechend ist für die Bewertung darauf abzustellen, welcher vermögensrechtliche Erfolg mit der erzwungenen Erklärung angestrebt wird. In gleicher Weise ist zu bewerten, wenn beispielsweise anlässlich der Rückabwicklung eines Darlehensvertrages die Freigabe sicherungszedierter Ansprüche verlangt. Der Wert des Rückabtretungsverlangen bestimmt sich nach dem Wert der betroffenen Forderung. Wird neben der Freigabe auf Feststellung geklagt, dass das die Sicherungsabrede auslösende Vertragsverhältnis nicht besteht, scheidet eine Zusammenrechnung der für § 5 ZPO, § 39 Abs. 1 GKG wirtschaftlich identischen Ansprüche aus.3 S. auch das Stichwort „Mehrere Ansprüche“.

2472

Erstrebt der Kläger die Freigabe eines Gegenstandes bestimmt sich der Streitwert gem. § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) nach dem Wert der Sache, mithin nach deren Verkehrswert. Für die Einzelheiten wird auf das Stichwort „Verkehrswert“ verwiesen.

2473

Fordert der Kläger die Freigabe eines Geldbetrages oder Guthabens, das der Beklagte gesperrt hält, so bestimmt sich der Streitwert nach dem vollen Betrag der Klageforderung4 bzw. dem streitigen Betrag einschließlich aufgelaufener Zinsen.5

2474

In beiden Fällen ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten und zu beachten, dass dem Kläger nicht an einer Freigabe schlechthin, sondern gerade durch den Beklagten gelegen ist. Der Beklagte wiederum stellt sich dem Freigabeverlangen nur insoweit entgegen, als er eigene Rechte an dem hinterlegten Gegenstand bzw. Betrag geltend macht. Unterschreiten seine Ansprüche 1 LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 1.2.2011 – 5 Ta 229/10. 2 Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Hinterlegung“. 3 BGH, Beschl. v. 11.4.2006 – XI ZR 199/04, NW-RR 2006, 997; OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.4.2007 – 3 W 77/06, NJ 2007, 463. 4 OLG Kiel, SchlHA 1947, 205. 5 BGH, MDR 1967, 280 = NJW 1967, 930; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.3.1994 – 22 W 18/94, OLGR 1993, 4, 96; OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.7.2002 – 4 W 1675/02, OLGR 2003, 79; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Hinterlegung“.

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Freistellung den Wert des Gegenstandes bzw. den freizugebenden Geldbetrag, ist der nur dieser Teilbetrag für die Bewertung maßgeblich.1 Besteht daher nur über die Fälligkeit einer ansonsten unstreitigen Freigabeverpflichtung Streit, ist dementsprechend auf das Interesse des Klägers an der sofortigen Verfügungsmöglichkeit abzustellen2 – s. auch unter dem Stichwort „Fälligkeit“.

2475

Ist der Kläger nur gemeinsam mit einem oder mehreren Dritten berechtigt, die Freigabe zu verlangen, richtet sich der Streitwert nach der Höhe seines Anteils.3

2476

Verlangt der Kläger Freigabe eines hinterlegten Betrages, der im zugleich gestellten Zahlungsantrag mitenthalten ist, besteht wirtschaftlicher Zusammenhang, sodass die Antragswerte nicht addiert werden.4

2477

Klagen beide Parteien wechselseitig auf Freigabe eines hinterlegten Betrages, betreffen Klage und Widerklage denselben Gegenstand i.S. des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.). Eine Zusammenrechnung der Einzelwerte scheidet aus.5

2478

S. näher bei den Stichwörtern „Hinterlegung“ und „Forderung“.

Freistellung Literatur: Weisbrodt, Die Berücksichtigung von Nebenforderungen beim Wert des Freistellungsanspruchs, JurBüro 1995, 115 ff.; Görmer, Berücksichtigung von Zinsen und Kosten beim Wert der Befreiungsklage, NJW 1999, 1309 ff.; Bischoff, Der Befreiungsanspruch, ZZP 120, 237 (2007); Görmer, Der Streitwert des Befreiungsanspruchs, JurBüro 2010, 68.

Verlangt der Kläger Freistellung von einer unbezifferten Leistungsverpflichtung, handelt es sich nicht um eine Leistungsklage, sondern um eine Feststellungsklage. Für die Wertberechnung ist mangels Vollstreckungsmöglichkeit – entsprechend den allgemeinen Regeln – auf den Wert des fiktiven Leistungsantrags abzüglich eines 20 %igen Abschlages abzustellen.6

2479

Wird auf Freistellung in bezifferter Höhe geklagt, bemisst sich der Wert gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) nach dem Betrag der Hauptforderung, auf die Kläger in Anspruch genommen wird, soweit nicht ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände das Freistellungsinteresse gerin-

2480

1 OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.7.2002 – 4 W 1675/02, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1408 = OLGR 2003, 79; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Hinterlegung“. 2 A.A. Baumbach/Hartmann, Anhang zu § 3 ZPO Rn. 57 unter „Freigabe“: voller Betrag. 3 KG, AnwBl. 1978, 107; Hartmann, GKG, Anh. § 48 (§ 3 ZPO) Rn. 71 unter „Hinterlegung“. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.3.1994 – 22 W 18/94, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 93 = OLGR 1994, 96. 5 KG, Rpfleger 1962, 120. 6 BGH, Beschl. v. 12.4.2007 – VII ZR 16/06, juris; Beschl. v. 21.12.1989 – VII ZR 152/88, NW-RR 1990, 958; KG, Beschl. v. 7.7.1998 – 4 U 9420/97, MDR 1998, 1310; OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.7.1983 – 17 W 47/82, JurBüro 1983, 1561; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Befreiung“.

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Freistellung ger zu bewerten ist.1 Für einen prozentualen Abschlag besteht kein Anlass, da auch der Anspruch auf Befreiung von einer Geldschuld vollstreckbar ist, wenngleich abweichend zur Verurteilung zur Zahlung nach § 887 ZPO.2 Nach Ansicht des OLG Karlsruhe besteht Anlass für eine geringere Bewertung, wenn die Gefahr einer Inanspruchnahme des Forderungsschuldners (Klägers) fern liegt.3 2481

Bei einer Klage auf Freistellung von künftig sukzessive fällig werdenden Beträgen ist zur Bewertung § 9 ZPO heranzuziehen.4

2482

Auf die Hauptforderung angefallene Zinsen sind – entgegen der überwiegenden Auffassung – werterhöhend zu berücksichtigen, da sie nicht vom Freistellungsanspruch selbst abhängig sind.5 Vielmehr sind die bis zur Anhängigkeit des Freistellungsanspruchs (§ 40 Abs. 1 GKG bzw. § 22 Abs. 1 GKG a.F.) angefallenen Zinsen Bestandteil des Gesamtbetrags der Freistellungsverpflichtung. Demgegenüber ist der Befreiungsanspruch selbst, da kein Zahlungsanspruch, unverzinslich. Geht es um die Freistellung von der Verpfändung eines Sparkontos, besteht Einigkeit, dass das jeweilige Kontoguthaben einschließlich Zinsen wertbestimmend ist.6

2483

Verlangt der Kläger die Freistellung auch wegen der Kosten eines wegen der Hauptforderung geführten Vorprozesses, sind diese werterhöhend zu berücksichtigen. Es handelt sich insoweit nicht um Nebenforderungen i.S. des § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG (§ 22 Abs. 1 GKG a.F.), da deren Bestand nicht von der Durchsetzung des Freistellungsanspruch (materiell-rechtlich) abhängig ist.7 Soweit das OLG Hamburg demgegenüber auf die Abhängigkeit des 1 BGH, Beschl. v. 15.11.1994 – XI ZR 174/94, BB 1995, 644 = MDR 1995, 196 = NJW-RR 1995, 362; Beschl. v. 21.12.1989 – VII ZR 152/88, NW-RR 1990, 958 = WM 1990, 616; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.1993 – 5 WF 61/03, FamRZ 1994, 57; OLG Köln, Beschl. v. 15.5.1985 – 2 U 37/85, MDR 1985, 769; OLG Rostock, Beschl v. 16.6.2008 – 1 W 25/08, OLGR 2009, 223 = JurBüro 2009, 197; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“ Rn. 1; Görmer, JurBüro 2010, 68 (68). 2 OLG Köln, Beschl. v. 15.5.1985 – 2 U 37/85, MDR 1985, 769. 3 OLG Karlsruhe, AnwBl. 1973, 168; offen lassend BGH, Beschl. v. 21.12.1989 – VII ZR 152/88, NW-RR 1990, 958. 4 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.12.2007 – 5 W 296/07, OLGR 2008, 246; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Befreiung“. 5 Zutr. Görmer, JurBüro 2010, 68 (68); diff. Prütting/Gehrlein/Gehle, § 4 Rn. 14; a.A. BGH, Beschl. v. 21.12.1989 – VII ZR 152/88, NJW-RR 1990, 958; Beschl. v. 6.10.1960 – VII ZR 42/59, MDR 1961, 48 = NJW 1960, 2336; OLG Hamburg, Beschl. v. 17.9.2007 – 6 W 65/07, OLGR 2008, 183; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“ Rn. 1; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 Rn. 28. 6 BGH, Beschl. v. 15.11.1994 – XI ZR 174/94, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 148 = BB 1995, 644 = LM ZPO § 6 Nr. 18 = MDR 1995, 196 = NJW-RR 1995, 362 = VersR 1995, 319 = WM 1995, 84 = ZIP 1994, 1977. 7 OLG Bremen, Beschl. v. 23.10.2002 – 3 U 94/01, OLGR 2003, 176 = JurBüro 2003, 82 = AGS 2003, 214 mit zust. Anm. N. Schneider; diff. BGH, Urt. v. 21.1.1976 – IV ZR 123/74, MDR 1976, 649 = VersR 1976, 477; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“, Rn. 1; Görmer, NJW 1999, 1309 f.; JurBüro 2010, 68 (69); Hartmann, Anh. § 48 GKG (§ 3 ZPO) Rn. 27 Stichwort „Befreiung“; offen lassend BGH, Beschl. v. 21.12.1989 – VII ZR 152/88, NJW-RR 1990, 958; a.A. OLG Hamburg, Beschl. v. 17.9.2007 – 6 W 65/07, OLGR 2008, 183; Weisbrodt, JurBüro 1995, 115.

502

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Kurpat

Fristsetzung Prozesskosten von einem „Verzug des Befreiungsschuldern mit der Erfüllung seiner Verbindlichkeit“ abstellt und eine Werterhöhung verneint,1 werden Ursache und Wirkung verwechselt. Die Prozesskosten entstehen durch die Inanspruchnahme des Befreiungsschuldners und sind daher Folge der Rechtsverfolgung (Forderungsdurchsetzung) des Forderungsgläubigers, dienen also weder der Vorbereitung noch der Durchsetzung des von dem Befreiungsgläubiger geltendgemachten Freistellungsanspruchs. Bei einer Klage auf Befreiung von persönlicher und dinglicher Schuld sind Werte der Einzelansprüche nicht zusammenzurechnen, da insoweit wirtschaftliche Identität vorliegt.2

2484

S. weiter unter dem Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“.

Fristsetzung Literatur: E. Schneider, Streitwert bei Berufung gegen fristsetzende Urteile, MDR 1987, 60.

Wird neben einer Leistungsklage ein Antrag auf Fristsetzung mit der Maßgabe gestellt, dass der Beklagte nach fruchtlosem Fristablauf Schadensersatz zu leisten habe (s. § 283 BGB, §§ 255, 259, 510b ZPO), dann handelt es sich um einen unechten Hilfsantrag. Im Gegensatz zum echten Hilfsantrag, der für den Fall der Abweisung des Hauptantrags gestellt wird, baut der unechte Hilfsantrag auf dem Hauptantrag auf, steht zu diesem folglich nicht in einem Eventualverhältnis, sondern teilt mit diesem nur den Erfolg bzw. Misserfolg.3

2485

Da die Fristsetzung nur eine notwendige Voraussetzung für die Verurteilung zur Schadensersatzleistung darstellt, ist bei isolierter Betrachtung nur eine Bruchteilsbewertung geboten, in der Regel von 1/10.4

2486

Obwohl die Bewertungsregeln zur objektiven Klagehäufung zu Anwendung gelangen, scheidet für den Zuständigkeitsstreitwert eine Addition der Einzelwerte (§ 5 ZPO, § 39 GKG) aus, da mit dem die Vollstreckung von Schadensersatz nur vorbereitenden Antrag auf Fristsetzung – wirtschaftlich betrachtet – gegenüber dem Leistungsantrag kein eigenständiges Rechtsschutzziel verfolgt wird. Dem Antrag kommt daher wertmäßig keine eigenständige Bedeutung zu5 (s. auch unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche“ Rn. 3645, 3668).

2487

1 OLG Hamburg, Beschl. v. 17.9.2007 – 6 W 65/07, OLGR 2008, 183. 2 KG, JurBüro 1968, 466; Hartmann, Anh. § 48 GKG (§ 3 ZPO) Rn. 27 Stichwort „Befreiung“; Musielak/Heinrich, § 3 Rn. 24 Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Befreiung“. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W23/09, juris; insoweit zutr. LAG Nürnberg, Beschl. v. 13.3.2008 – 6 Ta 57/08, AGS 2008, 359; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Unechter Hilfsantrag“ Rn. 1; Lappe, Anm. zu BGH, KostRsp. § 5 Nr. 92. 4 Vgl. auch LG Karlsruhe, Beschl. v. 11.2.1986 – 9 S 370/84, MDR 1987, 60 mit abl. Anm. E. Schneider. 5 KG, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W 23/09, juris; OLG Jena, Beschl. v. 24.8.1998 – 5 W 513/ 98, OLGR 1999, 100; LG Hildesheim, Nds.Rpfl. 1965, 253; LG Köln, Beschl. v. 20.12.1983 – 13 T 82/83, MDR 1984, 501: LAG Düsseldorf, JurBüro 1990, 243; 1989, 955; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Unechte Hilfsanträge“ Rn. 5.

Kurpat

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503

Früchte 2488

Das gilt für den Gebührenstreitwert unabhängig davon, ob über den unechten Hilfsantrag entschieden wird Der abweichenden Ansicht,1 wonach der Wortlaut von § 45 Abs. 3 GKG nicht zwischen echtem und unechtem Hilfsantrag differenziere und daher auch für den uneigentlichen Hilfsantrag gelte, ist nicht zu folgen (s. hierzu unter dem Stichwort „Hilfsantrag“ Rn. 3087 ff.).

Früchte A. Überblick 2489

Der Begriff der Früchte ist in § 99 BGB definiert. Früchte – einer Sache sind die Erzeugnisse der Sache und die sonstige Ausbeute, welche aus der Sache ihrer Bestimmung gem. gewonnen wird. – eines Rechts sind die Erträge, welche das Recht seiner Bestimmung gem. gewährt, insbesondere bei einem Recht auf Gewinnung von Bodenbestandteilen die gewonnenen Bestandteile. Früchte sind auch die Erträge, welche eine Sache oder ein Recht vermöge eines Rechtsverhältnisses gewährt (§ 99 Abs. 3 BGB).

B. Zuständigkeitsstreitwert 2490

Werden Früchte isoliert, also ohne die Hauptsache eingeklagt, ist ihr Wert gem. § 3 ZPO maßgebend.

2491

Werden Früchte neben der Hauptforderung eingeklagt werden, so bleiben sie für den Zuständigkeitsstreitwert außer Ansatz und, soweit sie aus der eingeklagten Hauptforderung resultieren (§ 4 Abs. 1 ZPO).

2492

Soweit Früchte aus einer anderen nicht eingeklagten Hauptforderung oder einem nicht eingeklagten Teil der Hauptforderung geltend gemacht, ist ihr Wert dagegen hinzuzurechnen. Zu Einzelheiten s. „Nebenforderungen“ Rn. 4149 ff.

C. Rechtsmittelstreitwert 2493

Für den Rechtsmittelstreitwert gilt gem. § 4 ZPO grundsätzlich das Gleiche wie für den Zuständigkeitsstreitwert.

2494

Hier können allerdings ursprünglich als Nebenforderung zu behandelnde Früchte nachträglich zur Hauptsache werden.

* Æ Beispiele: – Eingeklagt sind Hauptforderung und daraus resultierende Früchte. Die Hauptsache wird zugesprochen; die Klage hinsichtlich der Früchte wird zurückgewiesen. Dagegen wird Berufung eingelegt. Jetzt ist der Wert der Früchte maßgebend (§ 4 ZPO). 1 KG, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W 23/09, juris; LAG Niedersachen, Beschl. v. 16.12.2004 – ArbuR 2009, 227; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 5.12.2009 – 6 Ta 583/06, juris.

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N. Schneider

Früchte – Eingeklagt wird eine Hauptforderung im Wert von 8.000 Euro und daraus resultierende Früchte. Die Hauptsache wird i.H.v. 6.000 Euro übereinstimmend für erledigt erklärt und im Übrigen abgewiesen. Die Beschwer richtet sich nach dem Wert der abgewiesenen Hauptforderung (2.000 Euro) sowie dem Wert der Früchte aus den erledigten 6.000 Euro.

D. Gebührenstreitwert Werden Früchte isoliert, also ohne die Hauptsache eingeklagt, ist ihr Wert gem. § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO maßgebend. § 43 Abs. 2 GKG gilt in diesem Fall nicht. Die Früchte sind daher unbegrenzt zu bewerten.

2495

Werden Früchte neben der Hauptforderung geltend werden, so bleiben sie für den Gebührenstreitwert außer Ansatz (§ 43 Abs. 1 GKG).

2496

Soweit Früchte zwar neben der Hauptforderung geltend werden, aber bestimme Gebühren nur aus dem Wert der Früchte anfallen, richtet sich der Wert dieser Gebühren nach dem Wert der Früchte, der allerdings den Wert der Hauptforderung nicht übersteigen darf (§ 43 Abs. 2 GKG).

2497

Für die Gerichtsgebühren hat dies in der Instanz keine Bedeutung, da es hier keine Stufenstreitwerte mehr gibt. Bedeutung kann dies für ein Rechtsmittelverfahren haben.

2498

* Æ Beispiel: Eingeklagt sind Hauptforderung und daraus resultierende Früchte. Die Hauptsache wird zugesprochen; die Klage hinsichtlich der Früchte wird abgewiesen. Dagegen wird Berufung eingelegt. Der Wert der Früchte (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V.m. § 3 ZPO) ist jetzt maßgebend; er darf den Wert der Hauptforderung jedoch nicht überschreiten (§ 43 Abs. 2 GKG). Die gleiche Rechtsfolge ergibt sich zudem auch aus § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG.

Bei den Anwaltsgebühren sind Anwendungsfälle des § 43 Abs. 2 GKG, der über § 23 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG anwendbar ist, dagegen häufiger, da hier in der Instanz mehrere Gebühren anfallen können.

2499

* Æ Beispiel: Eingeklagt sind Hauptforderung und daraus resulierende Früchte. Die Hauptsache wird anerkannt; über die Früchte wird eine Einigung geschlossen. Verfahrens- und Terminsgebühr (Nrn. 3100, 3104 VV RVG) richten sich nach dem Wert der Hauptsache (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG). Die Einigungsgebühr (Nrn. 1000, 1003 VV RVG) richtet sich dagegen nur nach dem Wert der Früchte, der den Wert der Hauptforderung nicht überschreiten darf (§ 43 Abs. 2 GKG).

Soweit Früchte aus einer anderen nicht eingeklagten Hauptforderung oder einem nicht eingeklagten Teil der Hauptforderung geltend gemacht, ist ihr Wert der hinzuzurechnen. Auch hier ist § 43 Abs. 2 GKG nicht anwendbar. Der Wert der Früchte, soweit er hinzuzurechnen ist, unterliegt keiner Begrenzung. Zu Einzelheiten s. auch hier „Nebenforderungen“ Rn. 4149 ff.

N. Schneider

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2500

Futterkosten

Futterkosten 2501

Futterkosten sind Nebenforderungen i.S. des § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 GKG. Sie bleiben neben der Hauptforderung unberücksichtigt. Soweit Gebühren nur aus den Futterkosten als Nebenforderungen anfallen, ist deren Wert maßgebend, höchstens jedoch der Wert der Hauptsache (§ 43 Abs. 2 GKG).

2502

Werden Futterkosten isoliert als Hauptforderung geltend gemacht, ist der Wert des verlangten Betrags maßgebend (§ 3 ZPO). Dieser Wert gilt auch für die Gerichtsgebühren (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) und die Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG).

2503

Wird Klage auf zukünftige Leistungen erhoben, so ist zu schätzen, für welchen Zeitraum Futterkosten anfallen werden. Fehlen jegliche Anhaltspunkte, kann auf § 9 ZPO (3 1/2-facher Jahreswert) zurückgegriffen werden.

2504

Werden sowohl Rückstände als auch laufende Leistungen geltend gemacht, so sind die Werte beider Anträge zu addieren (§ 5 ZPO; § 39 Abs. 1 GKG; § 22 RVG).

Garantievertrag 2505

Für die Bewertung ist maßgebend, welche materiellen Rechte aus dem Garantievertrag hergeleitet werden und welche Anträge in welcher Klageform (Leistung, Feststellung) im Rechtsstreit verfolgt werden. Danach ist dann zu prüfen, welche Streitwertvorschriften einschlägig sind.

Gebrauchsmuster 2506

Wegen der Bewertung von Schadensersatz- und Unterlassungsklagen aufgrund einer Gebrauchsmusterverletzung s. die Erläuterungen unter dem Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“.

Gegendarstellung 2507

Unter einer Gegendarstellung versteht man den Abdruck einer auf Tatsachen beschränkten Erwiderung zu einer Veröffentlichung in einem periodischen Druckwerk. Geregelt ist ein entsprechender Anspruch in den Landespressegesetzen. Der Anspruch auf Abdruck einer Gegendarstellung nach den Pressegesetzen ist ein nichtvermögensrechtlicher Anspruch.1 Der Gebührenstreitwert richtet sich folglich nach § 48 Abs. 2 GKG.2 Der Zuständigkeitsstreitwert ist nach § 3 ZPO unter Beachtung der Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG zu schätzen. 1 BGH, MDR 1963, 42. 2 Vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit“.

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N. Schneider

Futterkosten

Futterkosten 2501

Futterkosten sind Nebenforderungen i.S. des § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 GKG. Sie bleiben neben der Hauptforderung unberücksichtigt. Soweit Gebühren nur aus den Futterkosten als Nebenforderungen anfallen, ist deren Wert maßgebend, höchstens jedoch der Wert der Hauptsache (§ 43 Abs. 2 GKG).

2502

Werden Futterkosten isoliert als Hauptforderung geltend gemacht, ist der Wert des verlangten Betrags maßgebend (§ 3 ZPO). Dieser Wert gilt auch für die Gerichtsgebühren (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) und die Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG).

2503

Wird Klage auf zukünftige Leistungen erhoben, so ist zu schätzen, für welchen Zeitraum Futterkosten anfallen werden. Fehlen jegliche Anhaltspunkte, kann auf § 9 ZPO (3 1/2-facher Jahreswert) zurückgegriffen werden.

2504

Werden sowohl Rückstände als auch laufende Leistungen geltend gemacht, so sind die Werte beider Anträge zu addieren (§ 5 ZPO; § 39 Abs. 1 GKG; § 22 RVG).

Garantievertrag 2505

Für die Bewertung ist maßgebend, welche materiellen Rechte aus dem Garantievertrag hergeleitet werden und welche Anträge in welcher Klageform (Leistung, Feststellung) im Rechtsstreit verfolgt werden. Danach ist dann zu prüfen, welche Streitwertvorschriften einschlägig sind.

Gebrauchsmuster 2506

Wegen der Bewertung von Schadensersatz- und Unterlassungsklagen aufgrund einer Gebrauchsmusterverletzung s. die Erläuterungen unter dem Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“.

Gegendarstellung 2507

Unter einer Gegendarstellung versteht man den Abdruck einer auf Tatsachen beschränkten Erwiderung zu einer Veröffentlichung in einem periodischen Druckwerk. Geregelt ist ein entsprechender Anspruch in den Landespressegesetzen. Der Anspruch auf Abdruck einer Gegendarstellung nach den Pressegesetzen ist ein nichtvermögensrechtlicher Anspruch.1 Der Gebührenstreitwert richtet sich folglich nach § 48 Abs. 2 GKG.2 Der Zuständigkeitsstreitwert ist nach § 3 ZPO unter Beachtung der Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG zu schätzen. 1 BGH, MDR 1963, 42. 2 Vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit“.

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N. Schneider

Gegenleistung

Gegenforderung S. das Stichwort „Aufrechnung“ und „Gegenleistung“.

Gegenleistung Literatur: Müller, MDR 2003, 248.

A. Einleitung Beim gegenseitigen Vertrag stehen sich Leistung und Gegenleistung gegenüber. Jeder der Vertragspartner ist zugleich Gläubiger hinsichtlich der vom Gegner geschuldeten Leistung und Schuldner hinsichtlich der von ihm selbst geschuldeten Leistung. Der Leistungsaustausch findet grundsätzlich Zug-umZug statt (§ 298 BGB). Im Streitwertrecht führt das zu der Frage, wie zu bewerten ist, wenn einer der Vertragsparteien die ihm geschuldete Leistung einklagt, und der Beklagte sich (auch) auf die Gegenleistung beruft.

2508

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Nichtberücksichtigung der Gegenleistung Die herrschende Ansicht wendet einschränkungslos den Grundsatz des Streitwertrechts an, wonach immer nur das im Klageantrag erfasst Interesse, also nur der prozessuale Anspruch Bewertungsobjekt ist und die Gegenleistung keine Berücksichtigung findet.1 Dieses Verbot des Abzuges der Gegenleistung von der Klageforderung gilt nicht nur für gegenseitige Verträge, sondern auch für alle anderen Fälle.2 Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen: – Der Streitwert der Klageforderung wird nicht dadurch gemindert, dass der Kläger im Klageantrag die dem Beklagten geschuldete Gegenleistung – z.B. im Rahmen einer Zug-um-Zug-Verurteilung – anbietet.3 – Der Wert einer positiven Feststellungsklage auf wiederkehrende Leistungen ist regelmäßig mit 80 % des Wertes der entsprechenden Leistungsklage anzusetzen, auch wenn die Leistungen von Gegenleistungen des Klägers abhängig sind.4 – Der Streitwert der negativen Feststellungsklage entspricht dem der Leistungsklage. Da Zug-um-Zug zu erbringende Leistungen den Wert der Leistungsklage nicht mindern, können sie auch den Wert der negativen Feststellungsklage nicht verringern.5 1 BGH, FamRZ 2005, 265; BGH, Beschl. v. 15.4.1999 – V ZR 391/98, MDR 1999, 1022; OLG Hamm, Beschl. v. 16.7.2002 – 21 W 1/02, MDR 2002, 1458; OLG Stuttgart, JurBüro 2002, 424; KG, KGR 1997, 57; Müller, MDR 2003, 248. 2 RGZ 140, 359. 3 RG, HRR 1934 Nr. 41; KG, OLGE 15, 49; BGH, FamRZ 2005, 265; OLG Celle, Beschl. v. 26.1.1995 – 16 W 48/93, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1175; Müller, MDR 2003, 248. 4 BAG, NJW 1961, 1788 unter Aufgabe von AP § 3 ZPO Nr. 1. 5 OLG Nürnberg, JurBüro 1966, 876.

Onderka

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Gegenleistung 2510

Eine andere Berechnung ist nur dann statthaft, wenn die Gegenforderung – etwa durch vorprozessuale Aufrechnung – bereits von der Klageforderung abgesetzt wurde und damit nur ein ermäßigtes Begehren zur Entscheidung steht.1 Gleiches gilt, wenn der Beklagte im Rechtsstreit die Aufrechnung mit einer Gegenforderung geltend gemacht hat und darüber entschieden wird (§§ 45 Abs. 3 GKG, 322 Abs. 2 ZPO).

2511

Einzelne Entscheidungen2 haben den Grundsatz der Nichtberücksichtigung der Gegenleistungen allerdings abgeschwächt und sprechen sich für eine restriktive Interpretation des § 6 ZPO in diesem Zusammenhang aus, um den tatsächlichen wirtschaftlichen Streitpunkt der Parteien zutreffender zu erfassen. – Bei der Klage auf Wiedereinräumung des früheren Rechtszustandes wegen Nichtigkeit eines Darlehensvertrages hat der BGH3 die vom Kläger zurückzuzahlende Ablösungssumme streitwertmindernd berücksichtigt. Darin liegt im Ergebnis die Verminderung des Streitwertes um den Betrag der geschuldeten Gegenleistung. – Nach OLG Köln4 kommt die Berücksichtigung von Gegenrechten dann in Betracht, wenn sie offenkundig sind und keinem rechtlichen Zweifel unterliegen. – Beim Streitwert eines Vergleichs wird der geringe wirtschaftliche Wert einer in den Vergleich einbezogenen Gegenforderung wertmindernd berücksichtigt. S. dazu das Stichwort „Vergleich“.

II. Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts 2512

Problematisch wird die rein am Klageantrag orientierte Bewertung, wenn der Streit zwischen den Parteien wirtschaftlich nur um die Gegenleistung geht, derentwegen der Beklagte die eigene Leistung verweigert (zurückbehält). Vor allem bei Herausgabeklage, bei denen der Beklagte seine Herausgabepflicht überhaupt nicht in Frage stellt, sondern sich lediglich auf eine Gegenforderung und ein entsprechendes Zurückbehaltungsrecht beruft, kann die oben dargestellte Berechnungsweise zu Ergebnissen führen, die dem tatsächlichen wirtschaftlichen Streit der Parteien nicht entsprechen. S. dazu auch das Stichwort „Auflassung“.

* Æ Beispiel: Verlangt der Kläger die Übereignung eines bebauten Grundstücks aufgrund eines notariellen Kauf- und Übereignungsvertrages und verweigert der Beklagte die Herausgabe nur deshalb, weil ihm der Kläger noch 200 Euro für eine geschäftsbezogene Aufwendung schuldet, so ist kaum zu erklären, warum der Streitwert nach dem objektiven Verkehrswert des bebauten Grundstücks bemessen werden soll. Der Streit geht nämlich nur noch darüber, ob der Kläger dem Beklagten 200 Euro schuldet. Für die Sachentscheidung wäre diese Frage obendrein noch unerheblich, da die 1 LG Münster, JMBl.NW 1951, 10. 2 OLG Köln, Beschl. v. 29.4.1981 – 2 W 17/81, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 78 mit Anm. Lappe; OLG Köln, Beschl. v. 12.2.1982 – 17 W 454/81, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 83 mit Anm. Schneider; OLG München, Beschl. v. 18.1.1983 – 24 W 232/82, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 96 mit Anm. Schneider; OLG Celle, Beschl. v. 29.4.1983 – 14 U 15/83, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 97 mit Anm. Schneider. 3 BGH, Beschl. v. 7.3.1985 – III ZR 155/84, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 745. 4 OLG Köln, JurBüro 1977, 250.

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Onderka

Gegenleistung Zurückbehaltung bei solch minimalen Beträgen mit § 242 BGB unvereinbar wäre. Gleichwohl müsste der Streitwert nach § 6 ZPO auf den Verkehrswert des Grundstücks festgesetzt werden.

Die noch herrschende Auffassung hält indessen auch bei solchen Fällen an der Bewertung nach § 6 ZPO fest. Sie bemisst den Streitwert der Klage auf Herausgabe einer beweglichen Sache oder eines Grundstücks auch dann nach dem Verkehrswert der Sache, wenn der Streit nur um die Höhe einer Gegenforderung geht, wegen der ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht wird.1

2513

Entsprechend der im Streitwertrecht immer mehr vorrückenden wirtschaftlichen Betrachtungsweisen ist jedoch in Analogie zu § 6 Satz 2 ZPO lediglich auf das (geringerwertige) Zurückbehaltungsrecht abzustellen, wenn sich bereits aus der Klageschrift ergibt und von vornherein unstreitig ist, dass der Klageanspruch besteht, der Streit also ersichtlich nur um die Berechtigung des Zurückbehaltungsrechtes geführt wird.2

2514

Ist der Wert der Gegenleistung allerdings höher als der des Klagegegenstands, dann darf letzterer nicht überschritten werden. Wenig praktikabel ist die Auffassung des OLG Karlsruhe,3 das die Frage, ob der Klagewert oder der Wert der Gegenleistung maßgebend ist, davon abhängig macht, wie hoch die Gegenleistung zu beziffern ist. Beträgt sie 1/4 des Wertes der Auflassungsklage, soll der Klagewert maßgebend sein. Die Unterscheidung, ob die Gegenleistung im Verhältnis zum Verkehrswert des Grundstücks mehr oder weniger geringfügig ist, würde aber nur neue Abgrenzungsschwierigkeiten mit sich bringen.

2515

C. Rechtsmittel und Beschwer Unbestritten ist inzwischen, dass sich der Wert eines Rechtsmittels, mit dem sich der Beklagte lediglich dagegen wendet, dass das von ihm geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht nicht bejaht worden ist, nur nach dem Wert der Gegenleistung richtet.4 Der Wert des Zurückbehaltungsrechts wurde nach früherer Rechtsprechung durch den Wert des Klageanspruchs begrenzt.5 Diese 1 Vgl. OLG Bamberg, JurBüro 1982, 886; OLG Bamberg, JurBüro 1978, 427; OLG Bamberg, JurBüro 1975, 650; OLG Bamberg, JurBüro 1971, 456; OLG Bremen, JurBüro 1972, 1987; OLG Celle, MDR 1977, 672 und 935; OLG Frankfurt, MDR 1970, 772; OLG Frankfurt, MDR 1974, 1441; OLG München, JurBüro 1981, 892 mit Anm. Mümmler; OLG Koblenz, JurBüro 1983, 916; OLG Nürnberg, JurBüro 1956, 227; OLG Stuttgart, MDR 1959, 401; OLG Stuttgart, NJW 1975, 394. 2 OLG Celle, DR 1940, 1436; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1968, 231; OLG Hamburg, OLGE 39, 27; OLG Rostock, OLGE 41, 241; OLG Braunschweig, NJW 1973, 1982; OLG Frankfurt, JurBüro 1979, 1885; OLG Köln, ZIP 1981, 781; OLG Köln, Beschl. v. 12.2.1982 – 17 W 454/81, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 83 mit Anm. Schneider; OLG Nürnberg, Rpfleger 1956, 298; LG Köln, Beschl. v. 22.2.1980 – 73 O 131/79; KG, NJW-RR 2003, 787; OLG Celle, Beschl. v. 29.4.1983 – 14 U 15/83, JurBüro 1983, 184. 3 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.8.1988 – 10 W 34/88, MDR 1988, 1067. 4 Vgl. BGH, MDR 1973, 398 = NJW 1973, 654; BGH, Urt. v. 9.12.1981 – VIII ZR 280/80, NJW 1982, 1048 = MDR 1982, 488; BGH, Beschl. v. 21.2.1985 – IX ZR 99/84, MDR 1985, 1022; BGH, Urt. v. 17.12.1990 – II ZR 89/90, MDR 1991, 794; BGH, Urt. v. 28.6.1995 – VIII ZR 1/95, MDR 1995, 1162; BGH, Beschl. v. 20.1.2004 – X ZR 167/02, MDR 2004, 829 = NJW-RR 2004, 714; KG, OLGZ 1979, 348; OLG Hamm, JurBüro 1981, 1545; ausführlich dazu das Stichwort „Rechtsmittel“. 5 BGH, MDR 1991, 794; OLG Celle, OLGR 1995, 227 – auch kein „Druckzuschlag“ auf die im Wege der Einrede geltend gemachten Mängelbeseitigungskosten.

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Gegenseitiger Vertrag Wertobergrenze hat der BGH in einem Fall der Klage auf Beseitigung von Eigentumsstörungen aufgegeben und ausgeführt, dass für den verurteilten Beklagten der Wert des Beschwerdegegenstandes durchaus den Wert des Streitgegenstandes überschreiten könne.1 Ist aber allein auf das wirtschaftliche Interesse des Beklagten abzustellen, müsste auch hier der Wert des Zurückbehaltungsrechts unbegrenzt die Beschwer bestimmen. Insofern kommt es zu einer Abkopplung des Streitwerts vom Beschwerdewert: Wird nur wegen der Gegenleistung ein Rechtsmittel eingelegt, bestimmt sich der Rechtsmittelstreitwert allein nach dieser.2

Gegenseitiger Vertrag Literatur: Müller, MDR 2003, 248.

1. Klage auf Erfüllung 2517

Wird aus einem gegenseitigen Vertrag auf Erfüllung geklagt, dann bestimmt sich der Streitwert gem. § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Wert der geforderten Sach- oder Geldleistung.3 Die Gegenleistung, die der Kläger zu erbringen hat, bleibt unberücksichtigt, weil sie nicht Streitgegenstand ist.4 Gleiches gilt für eventuelle, über die geforderte Leistung hinausgehende wirtschaftliche oder ideelle Interessen.5

2518

Geht der Anspruch auf Leistung einer Sache und macht der Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht daran geltend, weil ihm eine noch unbeglichene Forderung gegen den Kläger zustehe, dann bestimmt ebenfalls allein der Wert der herausverlangten Sache den Streitwert.6 Von diesen Grundsätzen macht die herrschende Auffassung auch dann keine Ausnahme, wenn der Streit der Parteien wirtschaftlich ausschließlich um die Gegenleistung geht.7 2. Klage auf Feststellung

2519

Bei einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages ist Streitwert regelmäßig der Wert der Leistung, von der der Kläger bei Nichtigkeit frei wird.8 oder die im Falle der schon erbrachten Leistung zurückzugewähren

1 BGH, Urt. v. 17.12.1990 – II ZR 89/90, MDR 1994, 839 = NJW 1994, 735. 2 BGH, Urt. v. 28.6.1995 – VIII ZR 1/95, MDR 1995, 1162; BGH, NJW-RR 1995, 706; BGH, NJW-RR 2004, 714; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.1998 – 5 U 159/97, MDR 1999, 628. 3 KG, JW 1931, 1047. 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, JurBüro 1994, 738; OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.6.1999 – 21 W 24/99, NJW-RR 2000, 587. 5 OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.9.1995 – 5 W 150/95, MDR 1996, 101. 6 OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, JurBüro 1994, 738. 7 Vgl. die Ausführungen unter dem Stichwort „Gegenleistung“. 8 OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.9.1995 – 5 W 150/95, MDR 1996, 101; OLG Celle, Beschl. v. 18.10.1983 – 4 W 29/83, Nds.Rpfl. 1984, 14; LG Bückeburg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 932 = JurBüro 1988, 1233 mit Anm. Mümmler; OLG Oldenburg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1218: Feststellung der Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrags.

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Gegenseitiger Vertrag ist.1 Darüber hinausgehende wirtschaftliche oder ideelle Interessen sowie die Gegenleistung sind nicht zu berücksichtigen.2 Eine Ausnahme von dieser Bewertung gilt dann, wenn nur ein geringwertigerer, konkreter Streit Gegenstand des Verfahrens ist. Nach der Gegenmeinung richtet sich der Wert nicht nach der vom Kläger zu erbringenden Leistung, sondern nach dem Vermögensunterschied, der sich für den Kläger zwischen den Alternativen Ungültigkeit oder Gültigkeit des Vertrages ergibt.3 Wird neben der Feststellung der Unwirksamkeit eines Vertrages die Verurteilung des Beklagten zur Rückgewähr der empfangenen Leistungen begehrt, so kommt dem Feststellungsantrag dann keine selbständige Bedeutung zu, wenn aus der Unwirksamkeit des Vertrages keine weiteren Ansprüche hergeleitet werden.4

2520

Ob bei einer positiven Feststellungsklage einer Vertragspartei auf Feststellung der Nichtigkeit ein Abzug von 20 % vorzunehmen ist, ist streitig.5 Richtigerweise muss in solchen Fällen danach differenziert werden, ob der Kläger seine vertragliche Leistung schon erbracht hat: – Ist dies nicht der Fall, so hat er prozessual die Wahl, negative Feststellungsklage über das Nichtbestehen seiner vertraglichen Verpflichtung oder positive Feststellungsklage auf Feststellung der Nichtigkeit zu erheben. Der Wert ist dann in beiden Fällen ohne einen Abschlag vom Wert einer Leistungsklage zu bestimmen.6 – Hat der Kläger dagegen seine vertragliche Leistung schon erbracht, dann ist hinsichtlich der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Vertrages ein solcher Abschlag vorzunehmen, denn das eigentliche wirtschaftliche Ziel des Klägers (Rückgewähr der bereits erbrachten Leistung) kann mit dem Feststellungsurteil nicht erreicht werden.

2521

Wird auf Feststellung geklagte, dass ein Austauschvertrag beendet ist, so bestimmt sich der Streitwert nicht nach dem wirtschaftlichen Schaden, der dem Kläger bei Aufrechterhaltung des Vertrages entsteht, sondern nach dem Wert des Anspruchs, dessen sich der Gegner berühmt.7 Denn da eine Klage auf Feststellung der Beendigung des Vertragsverhältnisses (durch Kündigung o.Ä.) – ebenso wie eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Vertrages – dadurch gekennzeichnet ist, dass der Kläger ein Recht der Beklagten umfas-

2522

1 OLG Koblenz, NJW 1953, 1918; OLG München, JurBüro 1984, 1235 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 706 mit Anm. Schneider; OLG Bamberg, JurBüro 1985, 1703 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 786: Feststellung des Nichtbestehens eines Versicherungsvertrages richtet sich nach dem Interesse am Nichtzahlen der Versicherungssumme. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.6.1999 – 21 W 24/99, OLGR 1999, 206 = NJW-RR 2000, 587; OLG Hamm, Beschl. v. 9.11.2002 – 21 U 115/02, AnwBl. 2003, 597. 3 OLG Braunschweig, Beschl. v. 2.11.1982 – 2 W 113/82, JurBüro 1983, 434; OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.2.1982 – 22 W 12/82, AnwBl. 1982, 247. 4 KG, Rpfleger 1962, 120. 5 Vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.6.1999 – 21 W 24/99, OLGR 1999, 206 = NJW-RR 2000, 587 einerseits und OLG München, JurBüro 1984, 1235 andererseits. 6 Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 9.11.2002 – 21 U 115/02, AnwBl. 2003, 597: Die Klage der Erwerber auf Feststellung, dass ihre Erwerbspflicht nicht besteht, bemisst sich nach dem vereinbarten Kaufpreis ohne Berücksichtigung der Gegenleistung. 7 OLG Rostock, Beschl. v. 9.4.2003 – 6 W 77/02, AGS 2004, 161 mit Anm. Schneider.

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Gegenvorstellung send leugnet, gelten die Grundsätze der Bemessung des Streitwertes einer negativen Feststellungsklage.1 3. Beschwer 2523

Für die Beschwer des Beklagten bei unbedingter Verurteilung zur Zahlung des Kaufpreises kommt es nur auf den Wert der allein noch streitigen Einrede des nicht erfüllten Vertrages an. Dieser Wert entspricht dann dem vollen Wert der Kaufpreisforderung, wenn der Beklagte glaubhaft macht, dass die Kaufsache insgesamt unbrauchbar ist.2

Gegenvorstellung 2524

Mit der Gegenvorstellung, die von der sofortigen Beschwerde abgegrenzt werden muss,3 hat die Rechtsprechung einen besonderen Rechtsbehelf geschaffen, um Fehler unanfechtbarer Entscheidungen in der Instanz selbst korrigieren zu können.4 Soweit dieser Rechtsbehelf, der vom BGH aus einer entsprechende Anwendung von § 321a ZPO a.F. hergeleitet wurde,5 auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs gestützt wird, ist für ihn neben der Anhörungsrüge nach § 312a ZPO in der Fassung gem. Art. 1 Nr. 1 AnhRügG mit Geltung ab dem 1.1.2005 kein Raum mehr.6 Es können allerdings andere Rechtsverletzungen mit der Gegenvorstellung gerügt werden.7

2525

Ein Zuständigkeitsstreitwert muss nicht bestimmt werden, da für die Gegenvorstellung immer dasjenige Gericht zuständig ist, welches den abzuändernden Beschluss erlassen hat. Auch eines Gerichtsgebührenstreitwertes bedarf es nicht, weil für das Verfahren keine Gerichtsgebühren erhoben werden.

2526

Für den Anwalt gehört die Tätigkeit im Rahmen einer Gegenvorstellung im Regelfall analog § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 RVG zum Rechtszug und löst keine besondere Gebühr aus. Lediglich dann, wenn der Anwalt nicht zum Prozessbevollmächtigten bestellt, sondern mit der Erhebung der Gegenvorstellung als Einzeltätigkeit beauftragt wurde, entsteht eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV RVG8 – die Beschwerdegebühr nach Nr. 3500 VV RVG ist auf die Gegenvorstellung nicht analog anwendbar.9

2527

Der Gegenstandswert für die Gebühr nach Nr. 3403 VV RVG bemisst sich nach dem jeweiligen Wert des Auftrags. So ist beispielsweise bei der Gegen1 Vgl. BGH, Beschl. v. 6.3.1997 – VII ZB 26/96, MDR 1997, 682 = NJW 1997, 1787 – Unwirksamkeit einer Darlehenskündigung; OLG Frankfurt, NJW-RR 2000, 187 – Nichtigkeit eines Kaufvertrages. 2 BGH, Urt. v. 28.6.1995 – VIII ZR 1/95, MDR 1995, 1162. 3 Vgl. BGH, VersR 1982, 598. 4 Einzelheiten bei Zöller/Heßler, § 567 Rn. 22 ff. 5 BGH, NJW 2002, 1577. 6 Vgl. die ausführliche Darstellung in Zöller/Vollkommer, § 321a Rn. 4. 7 BVerfG, Beschl. v. 25.11.2008 – 1 BvR 848/07, MDR 2009, 295 = NJW 2009, 829; OLG Koblenz, Beschl. v. 27.5.2008 – 13 WF 1061/07, OLGR 2009, 114 = FamRZ 2008, 1967. 8 Schneider/Wolf, VV 3403–3404 Rn. 23. 9 Schneider/Wolf, VV Vorb. 3.5, VV 3500 Rn. 11.

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Gehörsrüge vorstellung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss die vom Antragsteller beabsichtigte Änderung der Kostenbelastung maßgeblich. Fehlt es an Anhaltspunkten für eine Wertbestimmung, kann der Wert nach § 23 Abs. 3 RVG mit 4.000 Euro angenommen werden.

Gehörsrüge Mit dem ZPO-ReformG 2002 hat der Gesetzgeber in § 321a ZPO die sog. Anhörungsrüge in die ZPO aufgenommen. Danach kann eine Partei eine nicht rechtsmittelfähige Entscheidung unter Hinweis auf eine (erhebliche) Verletzung rechtliches Gehörs zur erneuten Prüfung des erkennenden Gerichts stellen. Bei dem hierdurch eingeleiteten Prüfungsverfahren handelt es sich um ein (auch) kostenrechtlich unselbständiges, zweiseitiges Annexverfahren, an dem neben dem Rügeführer auch die gegnerische Partei zu beteiligen ist.1

2528

Hierbei bleibt dem Rügeführer nachgelassen, die Anhörungsrüge wie den Einspruch (§ 342 ZPO) auf einen abgrenzbaren Teil des Streitgegenstandes oder die Kostenentscheidung (sog. Kostenrüge) zu beschränken, § 321a Abs. 5 Satz 1 ZPO.2 Soweit die Rüge begründet ist, wird der Prozess in die Lage vor Schluss der mündlichen Verhandlung zurückversetzt, § 321 Abs. 5 ZPO. Anderenfalls endet das Verfahren mit einer unanfechtbaren Verwerfung (Unzulässigkeit) bzw. Zurückweisung (Unbegründetheit) der Rüge, § 321 Abs. 4 ZPO.3 Nur bei vollständiger Erfolglosigkeit ist dem Rügeführer gem. Nr. 1700 KV GKG (Nr. 1960 KV GKG a.F.) eine Unterliegensgebühr von 50 Euro aufzuerlegen.4

2529

Die (isolierte) anwaltliche Vertretung der am Rügeverfahren beteiligten Parteien wird nach Nr. 3330 VV RVG (§ 55 Satz 1, 3. Alt. BRAGO), die Terminsvertretung nach Nr. 3332 VV RVG mit einer 0,5 Gebühr nach § 13 RVG (§ 11 BRAGO) abgegolten. Deren Wert bestimmt sich gem. § 23 Abs. 2 Satz 3 RVG (ohne Entsprechung in § 8 BRAGO) nach dem für Beschwerdeverfahren geltenden Vorschriften und damit nach dem Gegenstandswert, der anzusetzen wäre, wenn es sich um ein Beschwerdeverfahren handeln würde.5

2530

Da die Anhörungsrüge eine Beschwer des Rügeführers erfordert, bestimmt sich der Gegenstandswert des Rügeverfahrens nach dem Umfang, in dem die Entscheidung angegriffen wird, und kann daher den Wert der Hauptsache nicht überschreiten.6 Beschränkt sich die Rüge auf die Kostenentscheidung, ist der Wert der dem Rügeführer auferlegten Kosten maßgebend.7 Erheben

2531

1 Zöller/Vollkommer, § 321a Rn. 15. 2 Ebenso für den Rechtszustand vor dem 1. JuMoG Zöller/Vollkomer, § 312a ZPO Rn. 15 m.w.N. 3 Vgl. auch BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – XII ZB 137/03, BGHR 2005, 127 = MDR 2005, 229 = NJW 2005, 73 = FamRZ 2004, 1962; Beschl. v. 10.12.2003 – VI ZB 35/03, FamRZ 2004, 437 – beide zur Unanfechtbarkeit der Verwerfung einer gegen die Berufungszurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO erhobenen Anhörungsrüge. 4 Hartmann, KV 1700. 5 AnwK-RVG/E. Schneider, § 23 RVG Rn. 38. 6 Hartmann, VV 3330 Rn. 7. 7 OLG Naumburg, Beschl. v. 26.5.2005 – 14 WF 6/05, OLGR 2005, 929 – für die an Stelle der Anhörungsrüge unzulässigerweise erhobene sofortige Beschwerde.

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Genehmigung beide Parteien eine (notwendigerweise) auf einen (unterschiedlichen) Teil des Streitgegenstandes beschränkte Gehörsrüge, sind deren Werte analog § 45 Abs. 1 GKG (§ 19 Abs. 1 GKG a.F.) zusammenzurechnen.1

Gemeinschaft S. das Stichwort „Aufhebung von Gemeinschaften“.

Genehmigung 2532

Für den Streitwert kommt es darauf an, wozu die Genehmigung erteilt werden soll, beispielsweise zur Annahme eines Vertragsangebots oder zur Führung eines Namens und dgl.

2533

Der Streitwert ist dann nach § 3 ZPO zu schätzen2 und ist nicht gleich dem Streitwert desjenigen Vorganges oder Gegenstandes, auf den sich die Genehmigung bezieht. Denn die Genehmigung ist gegenüber dem, was genehmigt wird, ein aliud und zudem nur eine von mehreren Voraussetzungen für das gewollte Ergebnis.

2534

Bedenklich ist daher die Entscheidung des OLG Frankfurt,3 wonach die Klage auf Einholung vormundschaftlicher Genehmigung nach dem Gegenstandswert des genehmigungsbedürftigen Geschäfts zu beziffern sei. Der Wert richtet sich vielmehr nach dem Interesse, dass an der Durchführung des Geschäfts besteht.

2535

Der volle Wert ist allenfalls dann gerechtfertigt, wenn das Geschäft mit der Genehmigung „steht und fällt“, wenn also alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen und die Durchführung des Geschäfts im Falle der Erteilung der Genehmigung feststeht.

2536

Klagen mehrere Erben gegen einen anderen Miterben auf Genehmigung eines Erbauseinandersetzungsvertrages, so ist der Streitwert gleich dem Interesse, das die Kläger an der Aufhebung ihrer Bindung an die Erbengemeinschaft und an der Erlangung der unbeschränkten Verfügungsbefugnis an den ihnen entsprechend ihren Erbanteilen zukommenden Grundstücken haben. Dieses Interesse ist regelmäßig geringer als der Gesamtwert ihrer Erbanteile am Nachlass.4

Genossenschaft 2537

Der Streit über die Wirksamkeit des Ausschlusses eines Genossen aus einer Genossenschaft betrifft einen nichtvermögensrechtlichen Gegenstand, wenn der Ausschluss auf die Behauptung ehrenrührigen Verhaltens gestützt wird. Das gilt auch dann, wenn daneben auch vermögenswerte Interessen der Ge1 2 3 4

AnwK-RVG/N. Schneider, RVG, VV 3330 Rn. 18. Lappe, Rpfleger 1959, 138. OLG Frankfurt, NJW 1959, 680. OLG Frankfurt, JurBüro 1956, 467.

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Gerichtsstandsbestimmungsverfahren nossen mit im Spiele sind. Als Bewertungsvorschrift für den Gebührenstreitwert ist dann § 48 Abs. 2 GKG anzuwenden.1 Soweit es dagegen um einen vermögensrechtlichen Anspruch geht, ist für die Streitwertbestimmung nach § 3 ZPO § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG lediglich der wirtschaftliche Wert maßgebend, den ein Anteil an der Genossenschaft für den Genossen hat.2 Der Streitwert für eine gem. § 51 GenG erhobene Anfechtungsklage wird nicht durch den Betrag des Geschäftsanteils des anfechtenden Genossen begrenzt.3 Den Wert bestimmt das Gericht vielmehr nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG unter Berücksichtigung des Interesses der Genossenschaft an der Aufrechterhaltung des angefochtenen Beschlusses nach freiem Ermessen.4

2538

Die Berücksichtigung auch des Interesses der Genossenschaft lässt sich aus dem Grundgedanken rechtfertigen, der in § 247 Abs. 1 AktG enthalten ist: Grundsätzlich ist zwar im Bewertungsrecht nur das im Klageantrag zum Ausdruck kommende Interesse des Klägers zu berücksichtigen. § 247 Abs. 1 AktG weist den Richter jedoch ausdrücklich an, die Bedeutung der Sache für beide Parteien zu berücksichtigen. Ist dies aber für aktienrechtliche Anfechtungsklagen geltendes Recht, dann muss das Gesetz wegen der Gleichheit der Interessenlage auf genossenschaftliche Anfechtungsklagen analog angewendet werden.5

2539

Der im Rahmen einer genossenschaftsrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage zusätzlich gestellte Antrag auf Feststellung, dass der jeweilige Leiter der Generalversammlung verpflichtet sei, einen näher bezeichneten Antrag zur Abstimmung vorzulegen, ist nichtvermögensrechtlich.6

2540

Gerichtsstandsbestimmungsverfahren A. Gerichtsgebühren In einem Verfahren auf Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 ff. ZPO fallen keine Gerichtsgebühren an. Im Beschwerdeverfahren wird eine Festgebühr nach Nr. 1812 KV GKG erhoben. Auch im Rechtsbeschwerdeverfahren wird eine Festgebühr erhoben (Nr. 1826 KV GKG). Daher kommt in allen Instanzen eine Wertfestsetzung nach § 63 GKG nicht in Betracht.

2541

B. Anwaltsgebühren I. Bestimmungsverfahren Das Verfahren auf Gerichtstandsbestimmung zählt nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG mit zum Rechtszug und löst neben den Gebühren aus der Hauptsache keine gesonderten Gebühren aus. 1 2 3 4 5

RGZ 163, 202; OLG Celle, JurBüro 1961, 455. OGH, Rpfleger 1948/49, 469; Hartmann, Anh. I § 48 GKG (§ 3 ZPO) Rn. 60. OLG Düsseldorf, JurBüro 1951, 303. OLG Oldenburg, NJW 1953, 1716. Vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 18.2.1980 – 3 W 70/79, JurBüro 1980, 759; OLG Naumburg, Beschl. v. 14.9.1998 – 12 W 25/98, JurBüro 1999, 310; BGH, NJW-RR 1999, 1485. 6 OLG Bamberg, JurBüro 1980, 759.

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2542

Gerichtsstandsbestimmungsverfahren Das gilt nach zutreffender Ansicht aber nur dann, – wenn es auch zu einer Bestimmung kommt und – der Rechtsstreit dann vor dem bestimmten Gericht eingeleitet bzw. durchgeführt wird. 2543

Endet das Gerichtsstandsbestimmungsverfahren dagegen durch Rücknahme oder Zurückweisung des Bestimmungsantrags, liegt nach zutreffender Ansicht eine gesonderte Angelegenheit vor, die für das Bestimmungsverfahren eine gesonderte Vergütung auslöst,1 und zwar nach Nr. 3403 VV RVG.2 Das gilt unabhängig davon, ob die Hauptsache bereits anhängig war oder nicht. Einzelheiten sind hier strittig, allerdings für die Bewertung unerheblich.

2544

Die Wertfestsetzung erfolgt im Verfahren nach § 33 RVG.

2545

Der Gegenstandswert ist nach § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen und richtet sich nach dem Interesse des Antragstellers, die Antragsgegner bei demselben Gericht verklagen zu können. Dieses Interesse entspricht in der Regel einem Bruchteil des Wertes der Hauptsache. Vertreten wird insoweit – ein Viertel,3 – ein Fünftel,4 – ein Zehntel.5

* Æ Beispiel: Vor Einleitung des Rechtsstreits wegen einer Forderung i.H.v. 10.000 Euro gegen zwei Beklagte ruft der Kläger das zuständige OLG an und beantragt die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichts. Das OLG weist darauf hin, dass ein gemeinsamer Gerichtsstand bereits bestehe, worauf der Antrag zurückgenommen wird. Anschließend wird vor dem gemeinsam zuständigen LG die Klage erhoben. Nach zutreffender Ansicht sind zwei Angelegenheiten gegeben. Die Tätigkeit im Bestimmungsverfahren löst eine gesonderte Vergütung nach Nr. 3403 VV RVG aus, wobei für den Anwalt des Beklagten Nr. 1008 VV RVG zu berücksichtigen ist. Ausgehend von einem Gegenstandswert i.H.v. von einem Zehntel der Hauptsache wäre insoweit nach 1000 Euro abzurechnen. 1. Abrechnung Klägervertreter a) Bestimmungsverfahren 1. 0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3403 VV RVG (Wert: 1000 Euro) 68,00 Euro 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 13,60 Euro Zwischensumme 81,60 Euro 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 15,50 Euro Gesamt 97,10 Euro 1 BGH, MDR 1987, 735 = NJW-RR 1987, 757; BayObLG, AnwBl. 1999, 354 = NJW-RR 2000, 141; OLG Koblenz, OLGR 2000, 419; NJW-RR 2007, 425; OLG Karlsruhe, AGS 2008, 223 = MDR 2008, 473; OLG Köln, AGS 2003, 205; AGS 2007, 229 = MDR 2007, 921 = NJW 2008, 385; a.A. OLG Dresden, AGS 2006, 272 = Rpfleger 2006, 44; OLG Düsseldorf, MDR 1983, 846 = AnwBl. 1983, 526; OLG Köln, AGS 2008, 114 u. AGS 2007, 607; AGS 2007, 67. 2 A.A. OLG Karlsruhe, dass auch insoweit die volle 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG zugesteht: AGS 2008, 223 = MDR 2008, 473. 3 BayObLG, Beschl. v. 21.3.2002 – 17 AR 20/02, IBR 2002, 584 mit Anm. Mandelkow; ebenso vgl. BayObLG v. 30.8.1988 – 1 Z AR 30/88. 4 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.1.2008 – 19 AR 9/07, AGS 2008, 223 = MDR 2008, 473. 5 OLG Koblenz, Beschl. v. 12.10.2006 – 4 SmA 21/06; NJW 2006, 3723; OLG Köln v. 24.2.2003 – 5 W 9/03, AGS 2003, 205.

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Gesamthypothek b) 1. 2. 3.

Klageverfahren 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 Euro) 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 10.000 Euro) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 1.235 Euro 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

631,80 Euro 583,20 Euro 20,00 Euro 234,65 Euro 1.469,65 Euro

2. Abrechnung Beklagtenvertreter a) Bestimmungsverfahren 1. 1,1-Verfahrensgebühr, Nrn. 3403, 1008 VV RVG (Wert: 1000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

93,50 Euro 18,70 Euro 112,20 Euro 21,32 Euro 133,52 Euro

b) Klageverfahren 1. 1,6-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV RVG (Wert: 10.000 Euro) 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 10.000 Euro) 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 1.380,80 Euro 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

777,60 Euro 583,20 Euro 20,00 Euro 262,35 Euro 1.643,15 Euro

II. Beschwerdeverfahren Kommt es gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zur Beschwerde (zulässig nur gegen Bestimmungen des LG), dann gilt § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG. Maßgebend ist das Interesse des Beschwerdeführers, das ebenso wie im Bestimmungsverfahren (s. Rn. 2545) mit einem Zehntel der Hauptsache anzusetzen sein dürfte.

2546

III. Rechtsbeschwerdeverfahren Im Rechtbeschwerdeverfahren dürfte ebenso zu bewerten sein, wie im Beschwerdeverfahren. Allerdings ist die Rechtsbeschwerde nach überwiegender Auffassung nicht statthaft,1 was aber nichts daran ändert, dass sie einen Wert hat, wenn sie eingelegt wird.

2547

Gesamthypothek Bezweckt die Klage, der eine Vereinbarung über die Eintragung einer Gesamthypothek an bestimmter Rangstelle auf mehreren Grundstücken zugrunde liegt, nicht nur die Rangverbesserung der auf einem der Grundstücke bereits eingetragenen Sicherungshypothek, sondern zugleich ihre Eintragung als Gesamthypothek mit der bereits eingetragenen Hypothek auf den anderen Grundstücken, so bestimmt sich der Streitwert auch dann nach § 6 ZPO, wenn die wirtschaftliche Sicherung der Forderung schon durch die Rangver1 Zöller/Vollkommer, § 37 Rn. 4.

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2548

Gesamtschuldner besserung der bereits eingetragenen Hypothek allein mit Gewissheit erreicht würde. 2549

Als Streitwert ist daher der Forderungsbetrag anzunehmen, nicht nur gem. § 3 ZPO der geringere Wert des wirtschaftlichen Interesses des Klägers an der Rangverbesserung der bereits vorhandenen Hypothek.1

2550

Betrifft ein landwirtschaftsgerichtliches Verfahren die Genehmigung der Eintragung einer Gesamthypothek auf einem landwirtschaftlichen Grundstück zur Mithaftung neben anderen nichtlandwirtschaftlichen Grundstücken oder aber die Feststellung, dass mangels eines landwirtschaftlichen Grundstücks eine solche Genehmigung nicht erforderlich ist (Negativattest), so ist als Geschäftswert nicht der volle Nennwert der Hypothek, sondern der geringere Wert des fraglichen Grundstücks zugrunde zu legen.2

2551

Reine Rangstreitigkeiten wegen der Stelle eines Grundpfandrechtes sind nach § 3 ZPO zu bewerten.

2552

Jedoch ist § 6 ZPO dann anwendbar, wenn nicht nur die Rangverbesserung eines bereits eingetragenen Pfandrechts, sondern zugleich Neueintragung einer Gesamthypothek auf anderen Grundstücken gefordert wird.

Gesamtschuldner Literatur: E. Schneider, NJW 1992, 2680; Foerste, Zur Rechtskraft in Ausgleichungszusammenhängen, ZZP 108 (1995), 167 ff. (1995).

A. Allgemeines 2553

Gesamtschuldner schulden eine Leistung in der Weise, dass der Gläubiger die Leistung von jedem Schuldner nach seinen Belieben ganz oder teilweise, insgesamt jedoch nur einmal verlangen kann, § 421 BGB. Nimmt der Kläger mehrere Gesamtschuldner klageweise in Anspruch, handelt es sich um einfache Streitgenossen, § 59 ZPO.3

2554

Befriedigt einer der Gesamtschuldner den Gläubiger ganz oder teilweise, ist bezüglich der Ausgleichungspflicht der Schuldner untereinander gem. § 426 BGB zu differenzieren. Der zahlende Schuldner kann von dem anderen gem. § 426 Abs. 1 BGB eine Ausgleichung im Umfang des auf diesen entfallenden, im Zweifel gleichen Anteils verlangen. Er kann hingegen auch gem. § 426 Abs. 2 BGB im Umfang der geschuldeten Ausgleichung aus der auf ihn übergegangenen Forderung des Gläubigers vorgehen.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 2555

Werden mehrere als Gesamtschuldner verklagt, liegt ein Fall der subjektiven Klagehäufung vor. Die Werte der einzelnen Ansprüche werden nicht gem. § 5 1 OLG Frankfurt, Rpfleger 1956, 318. 2 OLG Frankfurt, JurBüro 1959, 426. 3 Vgl. Zöller/Vollkommer, § 60 Rn. 5.

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Gesamtschuldner ZPO, § 39 GKG (ohne Entsprechung im GKG a.F.) zusammengerechnet, da ein Fall wirtschaftlicher Identität vorliegt. Wertbestimmend ist vielmehr die Klagesumme.1 Dies gilt ebenso, wenn der Kläger die Beklagten aufgrund gesamtschuldnerischer Verbindung zwar gemeinsam, aber in unterschiedlicher Höhe in Anspruch nimmt. Auch hier muss der Streitwert einheitlich nach der vollen Höhe des Klageantrages festgesetzt werden, also auch gegenüber demjenigen Beklagten, von dem ein geringerer Betrag gefordert wird.2 Die Beteiligungsunterschiede sind erst bei der Kostengrundentscheidung (§§ 92, 100 ZPO) auszugleichen.

2556

Sind nichtvermögensrechtliche Ansprüche Gegenstand des Rechtsstreits, ist regelmäßig eine Wertaddition geboten, da ihnen kein (gemeinsames) wirtschaftliches Interesse zugrunde liegt. Hiervon ist beispielsweise auszugehen, wenn der Kläger von mehreren Beklagten die Unterlassung künftiger ehrverletzender oder unzulässiger wettbewerblicher Äußerungen beansprucht.3 Selbst wenn gleichartige Verletzungshandlungen vorliegen, kann der Kläger von jedem Streitgenossen kumulativ die Erfüllung der Unterlassungsverpflichtung verlangen.4 Gleiches gilt für die Inanspruchnahme mehrere Beklagten auf Rechnungslegung oder Auskunftserteilung, selbst wenn für den (vorzubereitenden) Hauptanspruch eine gesamtschuldnerische Haftung besteht.5 Dass hier eine Mehrheit der Streitgegenstände zur Bewertung stehen, erhellt auch der Umstand, dass der gemeinsame Prozess gegen die Streitgenossen gem. § 145 ZPO getrennt werden kann, ohne dass sich die von jedem Kläger für sich beanspruchte oder von jedem Beklagten zu erbringende Leistung verändern würde. Hiervon abweichend stellt das KG6 bei einem Unterlassungsbegehren mehrerer Kläger gegen einen Beklagten auf das höchste Interesse eines Klägers ab und addiert für jeden weiteren Kläger einen Zuschlag in der Höhe, die seinem Interesse an einer selbständigen Verfolgung entspricht.

2557

Die Klagesumme ohne Zinsen und Kosten ist ferner maßgeblich, wenn mehrere Gesamtschuldner Feststellung begehren, dass der gegen sie ergangene Titel nichtig ist, und dessen Herausgabe begehren.7 Für eine von zwei Gesamtschuldnern erhobene Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) hat Gleiches zu gelten.

2558

1 BGH, Beschl. v. 25.11.2003 – VI ZR 418/02, MDR 2004, 406 = NJW-RR 2004, 638; BGHZ 23, 339; RGZ 116, 309; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Gesamtschuldner“ Rn. 1; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 5 ZPO Rn. 8; Zöller/Herget, § 5 ZPO Rn. 8. 2 BGH, Beschl. v. 23.6.1983 – IVa ZR 156/82, KostRsp.ZPO § 5 Nr. 53 mit Anm. E. Schneider, AnwBl. 1976, 339; RG, HRR 1940 Nr. 1304; Warneyer, 1940, 345. 3 BGH, Beschl. v. 15.4.2008 – X ZB 12/06, AGS 2008, 327 = AnwBl. 2008, 638 = GRURRR 2008, 460; NJW-RR 1994, 1404; OLG Koblenz, Beschl. v. 16.8.1984 – 6 U 771/83, JurBüro 1985, 257 = WRP 1985, 45; OLG München, Beschl. v. 10.11.1992 – 21 W 2023/92, MDR 1993, 286; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rn. 13. 4 Für das Wettbewerbsrecht BGH, Beschl. v. 15.4.2008 – X ZB 12/06, AGS 2008, 327 = AnwBl. 2008, 638 = GRUR-RR 2008, 460; OLG Köln, OLGR 2006, 134; OLG Düsseldorf, GRUR 2000, 825; a.A. Tillmann, GRUR 1986, 691, 694. 5 BGH, Beschl. v. 15.4.2008 – X ZB 12/06, AGS 2008, 327 = AnwBl. 2008, 638 = GRURRR 2008, 460. 6 KG, Beschl. v. 6.4.1999 – 5 W 12/99, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1307 = KGR 1999, 344. 7 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.11.1990 – 1 W 53/90, MDR 1991, 353; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Gesamtschuldner“ Rn. 5.

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Gesamtschuldner 2559

Verlangt ein Gesamtschuldner vom anderen unter Berufung auf das Innenverhältnis Ausgleich oder Freistellung, dann ist sein Begehren nach § 3 ZPO zu bewerten. Ist der Klageantrag auf Zahlung oder Freistellung in bestimmter Höhe gerichtet, bestimmt sich der Streitwert nach dem Klagebetrag.

2560

Ansonsten muss bei der Bewertung berücksichtigt werden, dass der Gläubiger berechtigt ist, einen Gesamtschuldner nach seiner Wahl voll in Anspruch zu nehmen (§ 421 BGB), ihn das Innenverhältnis (§ 426 Abs. 1 BGB) also nicht bindet, tatsächlich aber in aller Regel einer der Gesamtschuldner – meist sind es Eheleute – der vermögendere Schuldner ist, dessen Inanspruchnahme durch den Gläubiger wahrscheinlich ist. Daher sollte weder grundsätzlich der volle Schuldbetrag1 noch stets der halbe Valutabetrag2 festgesetzt werden.

2561

Es ist vielmehr anhand der Umstände des konkreten Falles zu klären, welche tatsächliche wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung die Freistellung eines Gesamtschuldners durch den anderen hat. Dabei können sich durchaus Bruchteilswerte der insgesamt noch geschuldeten Valuta ergeben, die bei gleicher Innenhaftung unterhalb der Hälfte oder oberhalb der Hälfte liegen. S. auch das Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“ Rn. 1575 f.

2561a

Verteidigen sich die Beklagten, die als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden, mit einer streitigen Hilfsaufrechnung, so kommt eine Streitwerterhöhung nach § 45 Abs. 3 GKG nur für den Gesamtschuldner in Betracht, dessen Haftung das Gericht für die Klageforderung bejaht und deshalb in einer der Rechtskraft fähigen Weise über die Aufrechnungsforderung entscheidet.3

C. Rechtsmittel und Beschwer 2562

Unterliegen der Kläger oder alle Gesamtschuldner im vollem Umfang, bestimmt sich die Beschwer nach dem Klagebetrag.

2563

Dringt der Kläger mit der Klage gegen einen von mehreren Gesamtschuldnern durch und wird zugleich seine Klage gegen den anderen Gesamtschuldner abgewiesen, dann werden der erste Gesamtschuldner (wegen seiner Verurteilung) und der Kläger (wegen der Klageabweisung im Verhältnis zum anderen Gesamtschuldner) beschwert. Legen beide Beschwerten Berufung ein, dann betreffen die wechselseitig eingelegten Rechtsmittel denselben Gegenstand. Weder für die Berechnung der Beschwer noch für die Streitwerte der beiden Rechtsmittel ist gem. §§ 5 ZPO, 45 Abs. 2 GKG (19 Abs. 2 GKG a.F.) zu addieren4 – s. auch unter Stichwort „Rechtsmittel“.

1 So OLG Karlsruhe, AnwBl. 1974, 394; KG, JurBüro 1968, 466. 2 OLG Hamburg, JurBüro 1980, 279. 3 AG Düsseldorf, Beschl. v. 3.1.2008 – 20 C 180062/06, AGS 2008, 137 mit zust. Anm. N. Schneider. 4 BGH, Urt. v. 28.9.1994 – XII ZR 50/94, NJW 1994, 3292; BGH, Beschl. v. 22.9.1952 – III ZR 367/51, BGHZ 7, 152; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Gesamtschuldner“ Rn. 3; a.A. noch RG, Beschl. v. 25.9.1934 – III B 11/34, RGZ 145, 164.

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Geschäftsräume

D. Vergleich Endet ein gegen gesamtschuldnerisch verbundene Beklagte geführter Rechtsstreit mit einem Vergleich, in dem neben der Klageforderung auch Ausgleichsoder Regressansprüche der Streitgegenossen untereinander geregelt werden, führt das nicht zu einer Erhöhung des Gegenstandswerts des Vergleichs. Denn eine Werterhöhung aufgrund der Regelung nicht rechtshängiger Ansprüche setzt voraus, dass hierüber zwischen dem Kläger und dem beklagten Streit besteht.1 Weitergehende Gebührenansprüche der die Streitgegenossen vertretenden Anwälte gegen ihre Mandanten sind dagegen nicht ausgeschlossen.

2564

Geschäftsgebühr S. das Stichwort „Vorgerichtliche Kosten“ Rn. 5944 ff.

Geschäftsräume Geschäftsräume fallen nicht unter den Begriff des Wohnraums. § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) ist daher bereits nach seinem Wortlaut unmittelbar nur auf Streitigkeiten über Bestand und Dauer des gewerblichen Mietverhältnisses (Abs. 1) sowie auf das Verlangen nach Räumung von Geschäftsräumen (Abs. 2) anwendbar. Insoweit ist auf die Ausführungen bei dem Stichwort „Mietstreitigkeiten“ zu verweisen.

2565

Der Gebührenstreitwert einer Klage auf Feststellung einer wucherischen (Staffel-)Mietpreisvereinbarung ist nach § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) nach dem Jahresbetrag der gesamten Miete zu bemessen, soweit nicht der auf die streitige Zeit entfallende Betrag geringer ist. Der Einwand einer wucherischen Miete ist gem. § 138 Abs. 1 BGB geeignet, den rechtlichen Bestand des Mietvertrages in Zweifel zu ziehen, da bei der Geschäftsraummiete keine sozialstaatlichen Erwägungen greifen, die eine Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses gebieten.2

2566

Streitigkeiten über den Inhalt des Mietvertrages und der sich daraus ergebenden Verpflichtungen fallen nicht unter § 41 Abs. 1 GKG ( § 16 Abs. 1 GKG a.F.).3 Daher bemisst sich der Wert einer Klage des Vermieters auf Zahlung rückständiger Gewerbemiete oder des Mieters auf Feststellung, dass nur ein geringerer Mietzins geschuldet wird, nach § 3 ZPO.

2567

Das gilt auch für die Durchsetzung eines mietvertraglich vereinbarten Konkurrentenschutzes. Verlangt der Mieter vom Vermieter es zu unterlassen, anderweitig noch vorhandene Räumlichkeiten an einen Konkurrenten zu ver1 OLG Frankfurt, Beschl. 12.3.2009 – 3 W 10/09, OLGR 2009, 714 = NJW-RR 2009, 1079 = RVGreport 2010, 35. 2 BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, NZM 2005, 944 = NJW-RR 2006, 16. 3 BGH, Beschl. v. 9.8.2006 – XII ZR 165/05, AGS 2006, 559 = MDR 2007, 202 = NZM 2006, 777 = NJW 2006, 3060; Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, NZM 2005, 944; Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 248/04, NZM 2005, 519.

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Geschäftsräume mieten, bemisst sich der Streitwert gem. §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO nach dem bei Verletzung einer Konkurrentenschutzklausel drohenden Gewinnentgang. Der maßgebliche Zeitraum bestimmt sich bei befristeten Mietverhältnissen nach der noch bevorstehenden Vertragsdauer und bei einer Befristung nach dem für den Vermieter nächstmöglichen Kündigungstermin, in beiden Fällen begrenzt auf das 3,5-fache des Jahresmietbetrags (arg. § 9 ZPO). Für eine zusätzliche Berücksichtigung eines an der Mangelhaftigkeit der Mietsache (fehlende Konkurrenzfreiheit) orientiertes Minderungs- oder Schadensersatzinteresse besteht schon unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Identität kein Raum.1 2568

Für die Ermittlung der Beschwer des Vermieters bei einer der Klage stattgebenden Entscheidung gilt ebenfalls § 3 ZPO. Die Beschwer entspricht im letztgenannten Fall den zu erwartenden Kosten der Rechtsverfolgung, die der Vermieter aufwenden müsste, um eine Unterlassung gewerblicher Tätigkeit gegenüber dem Konkurrenten durchzusetzen.2

2569

Der Streitwert einer Klage auf Einhaltung einer (vertraglich vereinbarten) Betriebspflicht bestimmt sich nach dem Interesse des Vermieters an der Aufrechterhaltung der Vermietbarkeit der übrigen Gewerberäumlichkeiten in dem Gesamtobjekt. Bei pauschalierender Betrachtungsweise kann auf die Jahresmiete der an den Beklagten vermieteten Gewerbeeinheit abgestellt werden.3

2570

Streitigkeiten betreffend die Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen und Duldung von Modernisierungs- oder Erhaltungsmaßnahmen bemessen sich auch bei der Geschäftsraummiete gem. § 41 Abs. 5 GKG (ohne Entsprechung in § 16 Abs. 5 GKG a.F.) nach dem Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung bzw. möglichen Mieterhöhung.4

2571

Klagt der Vermieter auf Zustimmung zur Mietzinserhöhung, gelangt § 41 Abs. 5 GKG (§ 16 Abs. 5 GKG a.F.) nicht zur Anwendung, da diese Vorschrift nur für die Wohnraummiete gilt. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert bestimmen sich gem. § 9 ZPO, § 48 GKG (§ 12 GKG a.F.) nach dem 3,5-fachen Jahresentgelt, soweit die verbleibende Dauer des Mietverhältnisses nicht geringer ist.5 Der Gesetzgeber hat die Neufassung des GKG durch das KostR1 BGH, Beschl. v. 9.8.2006 – XII ZR 165/05, AGS 2006, 559 = NZM 2006, 777 = NJW 2006, 3060; KG, Rpfleger 1962, 154; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.3.1993 – 10 W 36/ 93, JurBüro 1994, 243 = ZMR 1993, 377 = DWW 1993, 237; a.A. zu ergänzenden Berücksichtigung der Mietminderung und Schadensersatzes aufgrund der Konkurrenz OLG Düsseldorf, Beschl. 18.7.2005 – 24 W 33/05, NZM 2006, 158 = ZMR 2006, 275 = GuT 2006, 82. 2 BGH, Beschl. 13.12.1995 – XII ZR 161/95, NJW-RR 1996, 460 = BGHR ZPO § 546 Abs. 2 Beschwer 9. 3 KG, Beschl. v. 7.3.2006 – 8 W 2/06, ZMR 2006, 611 = GuT 2006, 153 = Grundeigentum 2006, 577. 4 BGH, Beschl. v. 2.11.2005 – XII ZR 137/05, ZMR 2006, 190 = NJW-RR 2006, 378; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.3.2007 – 24 W 9/07, JurBüro 2007, 426 = AGS 2007, 472 = DWW 2007, 208 – Pachtverhältnis; a.A. Hartmann, § 41 GKG Rn. 37, 38; Binz/ Dörndorfer/Dörndorfer, § 41 GKG Rn. 15. 5 BGH, Beschl. v. 26.5.1993 – XII ZR 32/91, BGHR GKG § 16 Abs. 5 Gewerberaum; OLG Bamberg, JurBüro 1984, 254 mit zust. Anm. Mümmler = AnwBl. 1984, 94; KG, Beschl. v. 7.4.2004 – 8 W 23/04, KGR 2004, 499 = AGS 2005, 354; OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.10.1995 – 3 W 23/95, JurBüro 1996, 193 = NJW-RR 1996, 844; OLG

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Geschäftsräume MoG 2004 nicht zum Anlass genommen, die in § 16 Abs. 5 GKG a.F. (jetzt § 41 Abs. 5 GKG) enthaltene Beschränkung auf Wohnraumietverhältnisse aufzuheben. Für eine analoge Anwendung fehlt es an einer planwidrigen Lücke.1 Dass dessen sozialer Schutzzweck auch eine Erstreckung auf kleine Gewerbetreibende und Unternehmen rechtfertigen könnte, vermag über den klaren Wortlaut nicht hinweg zu helfen. Einer Bemessung nach § 3 ZPO steht entgegen, dass § 9 ZPO als speziellere Norm vorgeht.2 Denn mit dem Streit über die Zustimmung zur Erhöhung der Miete sind wiederkehrende Leistungen aus einem in seinem Umfang streitigen Stammrecht betroffen. Dass mit § 9 ZPO nicht die Rechtslage bei Mieterhöhungsklagen geregelt werden sollte und dieser zudem nur über § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) zur Anwendung gelangt, rechtfertigt (spätestens) seit dem KostRMoG 2004 keine abweichende Beurteilung mehr. Die gegen eine Anwendung des § 9 ZPO im Hinblick auf die erhebliche Wertdifferenz zu § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) erhobenen Bedenken sind bereits mit der Neufassung und Beschränkung auf den 3,5-fachen Jahresbetrag durch das RpflEntlG 1993 überholt.3

2572

Ebenso nach § 9 ZPO, § 48 GKG (§ 12 GKG a.F.) ist zu bewerten, wenn etwa wegen fortlaufend unpünktlicher Entgeltzahlungen gem. § 259 ZPO eine Klage auf künftige Leistung wegen Besorgnis der Nichterfüllung erhoben wird. Vor Klageerhebung aufgelaufene Mietrückstände sind auch hier hinzuzurechnen, arg. § 42 Abs. 5 GKG (§ 17 Abs. 4 GKG a.F.).4

2573

Klagt der Vermieter dagegen rückständigen oder zukünftigen Mietzins beziffert ein5 oder auf Feststellung über die Höhe der Miete,6 bestimmt sich der Wert, da nur einzelne Leistungen und nicht das Stammrecht Gegenstand der Klage sind, nach § 3 ZPO. Bei der Feststellungsklage ist zu beachten, dass deren Wert durch den Wert einer entsprechenden Leistungsklage auf künftige Miete (§ 9 ZPO) begrenzt wird.7

2574

1 2 3 4

5 6 7

Frankfurt, Beschl. v. 30.10.1992 – 24 W 47/92, JurBüro 1994, 117 = MDR 1993, 697; OLG Hamburg, Beschl. v. 6.7.1990–31.10.1991, MDR 1990, 1024; OLG Köln, Beschl. v. 21.2.1991 – 18 U 78/90, MDR 1991, 545; MDR 1991, 545; OLG München, Beschl. v. 5.6.2007 – 34 SchH 02/07, SchiedsVZ 2007, 330; ebenso für die Klage auf Pachtzinserhöhung OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.8.1982 – 4 W 14/82, AnwBl. 1982, 486; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 35; Baumbach/Hartmann, § 3 Rn. 79; Bub/Treier/Fischer, Handbuch der Wohn- und Geschäftsraummiete, VIII Rn. 235, S. 1651: § 9 ZPO; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 ZPO Rn. 101a: § 9 ZPO; a.A. Vorauflage; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Mietstreitigkeiten“. KG, Beschl. v. 7.4.2004 – 8 W 23/04, KGR 2004, 499 = AGS 2005, 354. OLG Frankfurt, Beschl. 30.10.1992 – 24 W 47/92, MDR 1993, 697; OLG Köln, Beschl. v. 21.2.1991 – 18 U 78/90, MDR 1991, 545. Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 35; Bub/Treier/Fischer, Handbuch der Wohn- und Geschäftsraummiete, VIII Rn. 235, S. 1651. BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, MDR 2004, 1437 = AGS 2004, 249; a.A. OLG Bamberg, Beschl. v. 19.11.1984 – 3 W 100/84, JurBüro 1985, 589; OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.3.1980 – 22 W 1/80, MDR 1980, 761 = Rpfleger 1980, 299 – nach § 3 ZPO. BGH, Beschl. v. 16.1.1985 – VIII ZR 112/84, KostRsp. GKG § 16 Nr. 39 mit Anm. E. Schneider; OLG Bamberg, JurBüro 1985, 589. BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, MDR 2004, 1437 = AGS 2004, 249. BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, MDR 2004, 1437 = AGS 2004, 249.

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Geschäftsschädigende Äußerungen

Geschäftsschädigende Äußerungen 2575

Wird der Anspruch auf Widerruf geschäftsschädigender Äußerungen, der einem Unterlassungsanspruch gleichzustellen ist, ausdrücklich auf § 824 BGB gestützt, dann handelt es sich um einen vermögensrechtlichen Anspruch, dessen Streitwert nicht nach § 48 Abs. 2 GKG zu bemessen, sondern nach § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen ist.1

2576

Für die Schätzung sind, anders als bei Klagen auf Unterlassung unlauteren Wettbewerbs, weniger die Größe des Unternehmens des Klägers und die Höhe seines Umsatzes als vielmehr der Umfang sowie Art und Weise, in welcher der Beklagte Dritten gegenüber seine geschäftsschädigenden Behauptungen aufgestellt hat, zu berücksichtigen.2

2577

Wird der Anspruch auf Widerruf neben einem Anspruch auf Unterlassung geltend gemacht, sind die Ansprüche getrennt zu bewerten und die Werte zu addieren.3

Geschmacksmuster 2578

Wegen der Bewertung von Schadensersatz- und Unterlassungsklagen aufgrund einer Geschmacksmusterverletzung s. die Erläuterungen unter dem Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“.

Gesellschaft Stichwortübersicht Abberufung . . . . . . . . . . . . Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen . . . . . . . . . . . . . . Auflösung . . . . . . . . . . . . . Ausschluss . . . . . . . . . . . . . Befreiung von Gesellschaftsschulden . . . . . . . . . . . . . . . . Einlageverpflichtung . . . . . . . Eintragung in das Aktienregister . Eintragung im Handelsregister . . Einziehung von Geschäftsanteilen Entnahmerecht . . . . . . . . . . Freigabeverfahren . . . . . . . . .

Rn. . 2580 . 2582 . 2587 . 2588 . . . . . . .

2589 2590 2591 2592 2593 2594 2595

Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . Herausgabe . . . . . . . . . . . . . . Informationserzwingungsverfahren Jahresabschluss . . . . . . . . . . . Klagezulassungsverfahren . . . . . . Leistungsklage . . . . . . . . . . . . Offenlegung der Verhältnisse . . . . Organstellung . . . . . . . . . . . . Teilhaberschaft . . . . . . . . . . . Übernahme, feindliche . . . . . . . Übertragung . . . . . . . . . . . . . Unwirksame Kündigung . . . . . . Vergütungsklage . . . . . . . . . . .

Rn. 2596 2598 2599 2602 2603 2604 2606 2609 2614 2615 2616 2617 2618

1 OLG Köln, MDR 1957, 238; LG Bayreuth, JurBüro 1975, 1356. 2 OLG Nürnberg (JurBüro 1967, 72) hat den Wert auf (umgerechnet) 2.500 Euro festgesetzt, wenn in einem kleineren Ort, in dem die Verbreitung unwahrer Behauptungen schnell vonstatten geht, die Äußerungen in der Öffentlichkeit vor einer Reihe von Zeugen gemacht worden sind. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.5.1980 – 15 W 34/80, AnwBl. 1980, 358.

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Gesellschaft Die Klagemöglichkeiten im Zusammenhang mit einer Gesellschaft sind vielfältig. Im Folgenden sollen die in der Praxis häufigsten Fälle nach Stichworten geordnet aufgeführt werden. Soweit keine speziellen gesellschaftsrechtlichen Bewertungsvorschriften einschlägig sind (vgl. §§ 247, 249 AktG), bestimmt sich der Streitwert zumeist nach § 3 ZPO.

2579

Abberufung Der Streit um die Wirksamkeit der Abberufung eines Organmitglieds einer Kapitalgesellschaft ist gem. § 3 ZPO nach dem Interesse der Gesellschaft zu bewerten, dass der Abberufene von der Leitung der Gesellschaft fern gehalten wird bzw. nach dem gegenteiligen Interesse des Organs, weiterhin Lenkungsund Leitungsmacht auszuüben.1 Die Gehaltsinteressen des Organs und die möglichen Folgeansprüche der Gesellschaft aus einer wirksamen Abberufung spielen dagegen keine Rolle,2 denn der Streitgegenstand betrifft nur die organrechtliche Stellung, nicht den zugrunde liegenden Dienstvertrag.3

2580

In gleicher Weise ist zu bewerten, wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer seine Abberufung als Geschäftsführer und nicht auch zusätzlich die Beendigung seines Dienstverhältnisses angreift. Da die Abberufung keinen schwerwiegenderen Eingriff in die Rechte des Klägers darstellt als seine Ausschließung als Gesellschafter, kann der wirtschaftliche Wert des betreffenden Geschäftsanteiles als geeignetes Kriterium für eine Wertobergrenze herangezogen werden.4 Der mit der Abberufung verbundene Verlust an Einfluss auf die Geschäftspolitik von Tochtergesellschaften kann im Einzelfall werterhöhend zu berücksichtigen sein.

2581

Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen Die Anfechtungsklagen gegen aktienrechtliche Beschlüsse werden – ebenso wie die Nichtigkeitsklagen – nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen bewertet (§§ 247, 249 AktG).5 Dabei darf der Streitwert 10 % des Grundkapitals bzw. 500.000 Euro nur dann übersteigen, wenn das Interesse des Klägers höher zu bewerten ist.6

2582

Die Bemessung des Streitwerts hängt in entscheidendem Maße von Inhalt und Gegenstand des Hauptversammlungsbeschlusses ab, dessen Nichtigkeit geklärt werden soll. Nach ihnen bemessen sich im Wesentlichen die wirtschaftlichen und gesellschaftsrechtlichen Auswirkungen, die eine Nichtigkeit des Beschlusses für den anfechtenden Aktionär, die verklagte Gesellschaft und die

2583

1 2 3 4 5 6

BGH, Beschl. v. 22.5.1995 – II ZR 247/94, NJW-RR 1995, 1502. Vgl. auch BGH, Beschl. v. 28.5.1990 – II ZR 245/89, NJW-RR 1990, 1123. Vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Organe“. BGH, Beschl. v. 2.3.2009 – II ZR 59/08, GmbHR 2009, 995 = MDR 2009, 815. Vgl. BGH, Beschl. v. 15.3.1999 – II ZR 94/98, NJW-RR 1999, 910. Vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.1.1995 – 3 W 47/94, WM 1995, 620 zur Anfechtung des Beschlusses über die Entlastung des Aufsichtsratsvorsitzenden; BGH, Beschl. v. 28.5.1990 – II ZR 245/89, NJW-RR 1990, 1123 zur Anfechtung des Beschlusses über die Abberufung des GmbH-Geschäftsführers.

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Gesellschaft übrigen Aktionäre hat. Art und Zahl der geltend gemachten Anfechtungsgründe sind dagegen nicht geeignet, den Streitwert zu beeinflussen.1 2584

§ 247 Abs. 2 AktG gibt die Möglichkeit der Streitwertbegünstigung, deren Wirkung sich allerdings auf die Instanz beschränkt.2

2585

Auf die genossenschaftsrechtliche Anfechtungsklage ist § 247 AktG entsprechend anzuwenden,3 weil es sich bei der Frage der Anfechtbarkeit von Beschlüssen der Generalversammlung ebenfalls um schwierige Probleme handelt und die Begrenzung des Streitwertes durch den meist niedrigen Geschäftsanteil und ggf. die Haftungssumme des klagenden Genossen im Allgemeinen als nicht angemessen erscheint. Gleiches gilt für die Rechtsstreitigkeiten um Beschlüsse einer GmbH.4 Auf den Streit zwischen Gesellschaftern einer zweigliedrigen Kommanditgesellschaft5 sowie auf den Anfechtungs- oder Nichtigkeitsprozess eines Vereinsmitglieds gegen einen Beschluss der Mitgliederversammlung6 findet § 247 Abs. 1 AktG dagegen keine Anwendung.

2586

Führen mehrere Aktionäre Anfechtungsklagen gegen denselben Hauptversammlungsbeschluss, sind sie notwendige Streitgenossen im Sinne des § 62 Abs. 1 ZPO. Sind die Streitwerte für die einzelnen Klagen wegen unterschiedlichen Aktienbesitzes der Kläger nicht identisch, bestimmt sich der Gesamtstreitwert für das Verfahren nach dem höchsten Einzelstreitwert (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG).7 Auflösung

2587

Der Streitwert der Auflösungsklage ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Er entspricht grundsätzlich nicht der vollen Höhe der Beteiligung der Gesellschafter, da das Auflösungsurteil noch keinen vollstreckbaren Titel mit Zugriffsmöglichkeit auf das Auseinandersetzungsguthaben bildet. Zu berücksichtigen sind weitere Umstände wie eine Verlustgefahr oder Haftungserweiterung.8 Ausschluss

2588

Der Wert der Klage auf Ausschluss eines Gesellschafters ist nach § 3 ZPO zu schätzen und bemisst sich nach dem Wert der Gesellschaftsanteile des Klägers.9 1 BGH, Beschl. v. 11.7.1994 – II ZR 58/94, NJW-RR 1995, 225 = ZIP 1994, 1355. 2 BGH, Beschl. v. 12.10.1992 – II ZR 213/91, MDR 1993, 184; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.2.1991 – 15 U 127/90, KostRsp § 247 AktG Nr. 14 m. abl. Anm. E. Schneider; a.A. OLG Frankfurt, KostRsp. AktG § 247 Nr. 10. 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 18.2.1980 – 3 W 70/79, JurBüro 1980, 759; OLG Naumburg, Beschl. v. 14.9.1998 – 12 W 25/98, JurBüro 1999, 310; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.10.2008 – 5 W 51/08, NZG 2009, 434 = SchlHA 2009, 131; OLG Zweibrücken, Urt. v. 27.6.2006 – 8 U 86/05, OLGR 2007, 750: Hüffer, § 247 AktG Rn. 3; Musielak/ Heinrich, § 3 ZPO Rn. 23 unter „Anfechtungsklagen“. 4 BGH, Beschl. v. 5.7.1999 – II ZR 313/97, NJW-RR 1999, 1485. 5 BGH, Beschl. v. 21.2.2002 – II ZR 91/00, NJW-RR 2002, 823. 6 BGH, Beschl. v. 25.5.1992 – II ZR 23/92, MDR 1993, 183. 7 OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.2.2001 – 20 W 1/01, OLGR 2001, 270. 8 OLG Köln, Beschl. v. 14.12.1987 – 2 W 181/87, DB 1988, 281. 9 BGH, Beschl. v. 28.11.1955 – II ZR 19/55, BGHZ 19, 173; OLG Rostock, Urt. v. 19.12.2007 – 6 U 103/06, OLGR 2009, 97; vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Ausschließung“.

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Gesellschaft Das gilt ebenso, wenn der Betroffene gegen den Ausschließungsbeschluss mit der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage vorgeht. Für den Wert seines Anteils ist voranngig auf dessen Verkehrswert abzustellen.1 Befreiung von Gesellschaftsschulden Der Wert der Klage eines Gesellschafters gegen den anderen auf Befreiung von Gesellschaftsschulden wegen seines Ausscheidens richtet sich gem. § 6 ZPO nach dem Gesamtwert der Schulden.

2589

Einlageverpflichtung Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert einer Feststsellungsklage, wonach eine Verpflichtung für eine ratierlich über die gesamte Beteiligungsdauer zu erbringende Einlagenzahlung aus einem stillen Gesellschaftsvertrag nicht besteht, bestimmt sich nach Ansicht des OLG Sachsen-Anhalt nach den Regeln für wiederkehrende Leistungen (§ 9 ZPO) nach dem 3,5-fachen des Jahresbetrags.2

2590

Eintragung in das Aktienregister Die Klage auf Eintragung in das Aktienregister gem. § 67 Abs. 1 AktG ist ebenfalls nach § 3 ZPO zu bewerten, wobei vom wirtschaftlichen Interesse des Klägers am Erfolg der Klage auszugehen ist. Da die Eintragung dem Eingetragenen im Verhältnis zur Aktiengesellschaft die Möglichkeit verschafft, die Zahlung etwaiger Dividenden zu fordern und aktienrechtliche Mitwirkungsrechte auszuüben, wird auf einen Bruchteil (1/10 bis 1/4) des Wertes dieser Rechte abzustellen sein. Als Regelfall erscheint eine Feststetzung auf 1/4 des Aktienwerts angemessen.3

2591

Eintragung im Handelsregister Der Wert einer Klage, die das Ziel verfolgt, eine bestimmte Eintragung im Handelsregister zu erreichen, ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Es kann ein Bruchteil des klägerischen Anteils an der Gesellschaft – je nach Umständen des Einzelfalls – i.H.v. 1/10 bis 1/4 angesetzt werden.

2592

Einziehung von Geschäftsanteilen Der Streitwert der Klage, einen Einziehungsbeschluss für nichtig zu erklären, bestimmt sich regelmäßig nach dem Wert des betroffenen Geschäftsanteils. Der Vermögenswert der gesellschafterlichen Mitwirkungs- und Kontrollrechte, deren Verlust mit der Einziehung des Geschäftsanteils notwendigerweise einhergeht, ist nicht höher als der Anteilswert zu bemessen.4 1 OLG Rostock, Urt. v. 19.12.2007 – 6 U 103/06, OLGR 2009, 97; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 Stichwort „Ausschluss“. 2 OLG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 16.7.2007 – 10 W 29/07, juris. 3 OLG Hamm, Beschl. v. 15.4.2008 – 27 W 54/07, OLGR 2008, 688 = AG 2008, 671. 4 BGH, Beschl. v. 8.12.2008 – II ZR 39/08, NZG 2009, 518 = DStR 2009, 339.

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2593

Gesellschaft Entnahmerecht 2594

Nimmt der Kläger als Kommanditist ein vertraglich vereinbartes Entnahmerecht für sich während der Dauer des Gesellschaftsvertrages in Anspruch, dann ist der Streitwert nach § 9 ZPO auf den 3,5-fachen Jahresbetrag festzusetzen, bei positiver Feststellung mit einem Abschlag von 20 %.1 Freigabeverfahren

2595

Gem. § 246a AktG kann eine Aktiengesellschaft feststellen lassen, dass bereits erhobene Beschlussanfechtungsklagen der Eintragung des Beschlussinhalts in das Handelsregister nicht entgegenstehen, weil die Klagen unzulässig oder offensichtlich unbegründet sind oder weil das Wirksamwerden des Beschlusses zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Gesellschaft vorrangig erscheint. Der Wert des Verfahrens ist gem. § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Satz 2 GKG nach § 3 ZPO zu bestimmen. Hierbei kann auf die Bewertungskriterien des § 247 AktG zurückgegriffen werden.2 Für den Wert des Beschwerdeverfahren gegen eine erstinstanzliche Freigabeanordnung stellt das OLG Frankfurt auf das Interesse der Antragstellerin an der Überwindung der Registersperre ab. Gesellschaftsvertrag

2596

Der Wert der Klage auf Feststellung des Bestehens, der Fortdauer oder Auflösung des Gesellschaftsvertrages bemisst sich nach § 3 ZPO. Hier ist eine Zusammenschau aller in Betracht kommenden Bemessungsfaktoren geboten.3 Streiten sich die Parteien nicht um die Auflösung der Gesellschaft als solche, sondern nur um die Frage des genauen Zeitpunktes, so ist nur ein Bruchteil des nach § 3 ZPO ermittelten Wertes anzusetzen.

2597

Der gebührenrechtliche Wert (§ 2 Abs. 1 RVG) für die Änderung eines Gesellschaftsvertrages ist mangels anderer Anhaltspunkte gem. § 23 Abs. 3 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Der BGH hat in der Entscheidung vom 24.11.19944 maßgeblich darauf abgestellt, welche Bestimmungen des bereits bestehenden Gesellschaftsvertrages geändert wurden und was diese Änderungen (steuerrechtlich, erbrechtlich, haftungsrechtlich etc.) für die Gesellschaft bedeuteten. Herausgabe

2598

Die Klage auf Herausgabe von Aktien, Interimsscheinen, Gewinnanteilsscheinen oder Bezugsrechten ist nach § 6 ZPO zu bewerten. Maßgeblich ist der Verkehrswert der jeweiligen Urkunde.

1 OLG Bamberg, JurBüro 1982, 284. 2 Hüffer, § 246a AktG Rn. 10. 3 OLG Köln, Beschl. v. 22.6.1982 – 2 W 79/82, JurBüro 1982, 1719; OLG Köln, Beschl. v. 14.12.1987 – 2 W 181/87, DB 1988, 281. 4 BGH, Urt. v. 24.11.1994 – IX ZR 222/93, MDR 1995, 319.

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Gesellschaft Informationserzwingungsverfahren Nach § 51b GmbHG bzw. § 132 Abs. 5 AktG gilt für die Festsetzung des Geschäftswertes die Regelung in § 30 Abs. 2 KostO mit der Maßgabe, dass der Wert regelmäßig auf 5.000 Euro anzunehmen ist.

2599

Der Geschäftswert ist auch dann einheitlich festzusetzen, wenn mehrere Beteiligte Informationsanträge gestellt haben.1 Der Zahl der Antragsteller ist nicht durch bloße schematische Multiplikation des Regelgeschäftswertes mit der Zahl der Anträge Rechnung zu tragen, sondern durch angemessene Erhöhung des Geschäftswertes bis zur Obergrenze von 500.000 Euro (§ 30 Abs. 2 KostO). Maßgeblich ist für die Erhöhung, ob es sich um mehrere selbständige Informationsbegehren handelt, oder ob und in welchem Umfang die Auskünfte zusammenhängen2 bzw. ob die Antragsteller dem Verfahren eine über den Verfahrensgegenstand hinausgehende grundsätzliche Bedeutung beimessen.3

2600

Das OLG Frankfurt4 vertritt die Ansicht, dass der Regelwert mit der Zahl der gestellten Fragen zu multiplizieren ist, wenn das Verfahren mehrere Fragen mit jeweils einem eigenständigen Inhalt zum Gegenstand hat. Dagegen spricht schon, dass § 30 Abs. 2 KostO nicht auf die einzelne Frage, sondern auf das Verfahren als solches abstellt und für dieses – zusammen mit § 132 Abs. 5 AktG – einen Regelstreitwert vorgibt. Dieser kann nach den Umständen des Einzelfalls dann niedriger oder höher angenommen werden.

2601

Jahresabschluss Kapitalgesellschaften und ihnen gem. § 264a HGB gleich gestellte Personenhandelsgesellschaften sind gem. § 325 HGB verpflichtet, ihren Jahresabschluss offen zu legen, dh. dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers zur Verfügung zu stellen und dessen (kostenpflichtige) Veröffentlichung zu veranlassen. Kommt die Gesellschaft der ihr obliegenden Offenlegungspflicht trotz Ordnungsgeldandrohung nicht nach, kann das Bundesamt für Justiz gem. § 335 HGB ein Ordnungsgeld von 2.500,00 bis 25.000,00 Euro gegen die Gesellschaft als auch gegen deren gesetzliche Vertreter verhängen. Gegen die Androhung steht dem Betroffenen die Möglichkeit des Einspruchs, gegen die Ordnungsgeldfestsetzung die der Beschwerde zu. Das Verfahren richtet sich seit dem 1.9.2009 nach den Vorschriften des FamFG. Der Verfahrenswert bemisst sich nach der Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes. Der Streitwert einer Klage, die Nichtigkeit des Jahresabschlusses festszustellen, bemisst sich gem. §§ 256 Abs. 1, 249 Abs. 1 Satz 1, 256 Abs. 7 AktG.5 Hierbei kann, etwa wenn die Klage auf eine unzulässige Unterbewertung von Aktivposten (§ 256 Abs. 5 Nr. 2, Satz 3 AktG), auf die von dem Kläger angegriffenen Positionen des Jahresabschlusses zurückgegriffen werden. 1 BayObLG, GmbHR 1991, 576; BayObLG, Beschl. v. 27.5.1993 – 3 Z BR 55/93, JurBüro 1994, 756; BayObLG, Beschl. v. 14.11.2000 – 3 Z BR 321/00, JurBüro 2001, 254. 2 BayObLG, NJW-RR 2000, 1201. 3 BayObLG, Beschl. v. 27.5.1993 – 3 Z BR 55/93, JurBüro 1994, 756; ähnlich auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.5.1992 – 8 W 244/91, DB 1992, 1179. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.8.1992 – 20 W 300/92, DB 1992, 1920. 5 OLG München, Beschl. v. 7.1.2008 – 7 U 3773/07, AG 2008, 59 = WM 2008, 876.

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Gesellschaft Klagezulassungsverfahren 2603

Nach § 148 AktG lässt das Gericht die Klage dann zu, wenn Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, dass der Gesellschaft durch Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung (§§ 117, 147 Abs. 1 AktG) ein Schaden entstanden ist. Die Bewertung des Verfahrens richtet sich gem. § 53 Abs. 1 Nr. 4 GKG nach § 3 ZPO und orientiert sich an dem nach dem Vortrag des Antragstellers denkbaren Schaden der Gesellschaft.1 Leistungsklage

2604

Für die Klage eines Gesellschafters gegen einen Mitgesellschafter mit dem Ziel einer Leistung an die Gesellschaft (actio pro socio) ist nicht nur der Anteil des Klägers am Gesellschaftsvermögen,2 sondern der volle Betrag der Forderung ohne Abzug des klägerischen Anteils anzusetzen. Nach anderer Ansicht3 ist vom Betrag der Forderung der Anteil des Beklagten abzuziehen.

2605

Das Verlangen eines Gesellschafters, ein Mitgesellschafter möge Geldbeträge zum Gesellschaftsvermögen zurückführen, die er unter Überschreitung seiner Befugnisse für die Errichtung von betrieblichen Erweiterungsbauten verwendet habe, bemisst sich nach dem vollen Wert des zurückzuführenden Geldbetrages, nicht nur nach dem Anteil des klagenden Gesellschafters. Dieser nimmt nämlich nicht nur seine Belange als Gesellschafter wahr, sondern jedenfalls auch die der Gesellschaft. Dieser aber steht ggf. der volle zu Unrecht (weil außerhalb der Vertretungsmacht) verwendete Geldbetrag zu.4 Offenlegung der Verhältnisse

2606

Begehrt ein Vorstandsmitglied gegen die Aktiengesellschaft Einsicht in Geschäftsunterlagen, so richtet sich der Streitwert nach der Art des verfolgten Interesses. Soweit der Antragsteller lediglich persönliche oder gesellschaftsfremde Ziele verfolgt, sind die wirtschaftlichen Belange der Gesellschaft unbeachtlich. Soll dagegen die Organtätigkeit als Vorstandsmitglied durchgesetzt werden, ist deren Bedeutung für die Gesellschaft maßgeblich.5

2607

Der Streitwert des Antrags eines Gesellschafters gegen die GmbH auf Offenlegung der Verhältnisse (Einsicht in die Geschäftsbücher, Geschäftspapiere und Bilanzen zur Feststellung der Umsätze, Auskunft über die Vergütung des Aufsichtsrats und der Unternehmensleistung) ist mindestens nach dem Gewinn zu bemessen, den der Kläger als Folge der Offenlegung erwarten kann. Der Streitwert darf jedoch nicht höher als der Kurswert der Anteile des Klägers festgesetzt werden.6 Wird ein solcher Anspruch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht, so führt dies dann nicht zu einer Ermäßigung

1 LG München, Beschl. v. 29.3.2007 – 5 HKO 12931/06, NZG 2007, 477 = AG 2007, 458 – unangemessene Vergütung von Vorstandsmitgliedern. 2 RGZ 171, 52. 3 Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Gesellschaft“. 4 OLG München, NJW 1965, 258. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.11.1990 – 5 W 25/90, MDR 1991, 354. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.11.1990 – 5 W 25/90, MDR 1991, 354.

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Gesellschaft des Streitwertes auf einen Bruchteil,1 wenn die begehrte Maßnahme volle Befriedigung verschaffen würde.2 Demgegenüber bemisst sich der Streitwert des von einem Aktionär entprechend § 132 AktG geltend gemachten Auskunftsrechts nach dem Regelwert von 5.000,00 Euro, § 132 Abs. 5 Satz 6 AktG. Das gilt auch für den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens.3

2608

Organstellung Bei Klagen im Zusammenhang mit der Beendigung der Organstellung ist danach zu unterscheiden, worauf die Beendigung beruht.4

2609

Bei Klagen gegen die Abberufung als Geschäftsführer erfolgt die Streitwertbestimmung nach § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO, wobei das Interesse beider Parteien berücksichtigt wird.5 Kämpft der Kläger also nur um seine Organstellung und will er weiterhin als Geschäftsführer die Lenkungs- und Leitungsmacht des beklagten Unternehmens behalten oder wieder in die Hand bekommen, dann berücksichtigt der BGH auch das gegenteilige Interesse des Beklagten, den Kläger von der Geschäftsführung fern zu halten.6 Dies gilt gleichermaßen, wenn der Streit darum geht, ob das abberufene Organmitglied überhaupt wirksam bestellt worden ist.7

2610

Das Gehaltsinteresse des Abberufenen und etwaige Ansprüche der Gesellschaft aus der Abberufung sind dagegen unbeachtlich, weil sie nicht die organschaftliche Stellung, sondern den Dienstvertrag aus dem Innenverhältnis betreffen.

2611

Nur dann, wenn auch die Beendigung des Anstellungsverhältnisses (Dienstvertrag) und damit der Verlust der daraus abgeleiteten Gehaltsansprüche angegriffen wird, ist § 9 ZPO für die Beschwer anwendbar8 und § 42 Abs. 3 GKG für die Gebührenberechnung. Auch bei einem Antrag auf Feststellung des Fortbestehens des Dienstverhältnisses wendet der BGH die Regelung des § 42 Abs. 3 GKG für die Bestimmung des Gebührenstreitwerts (Vergütungsinteresse des Klägers) und die Regelung des § 9 ZPO für die Beschwer an.9 Nach anderer Ansicht ist der Gebührenstreitwert einer Feststellungsklage über das Bestehen eines Dienstverhältnisses des Geschäftsführers nach § 3 ZPO zu schätzen.

2612

1 Vgl. zur grds. Bruchteilsbewertung das Stichwort „Einstweilige Verfügung“. 2 Zur Durchsetzung von Informationsrechten s. auch das Stichwort „Auskunftsanspruch“. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.10.2009 – 26 W 5/09, AG 2010, 211. 4 S. dazu BGH, Beschl. v. 28.5.1990 – II ZR 245/89, NJW-RR 1990, 1123; zu den Einzelheiten vgl. das Stichwort „Organe“. 5 BGH, Beschl. v. 28.5.1990 – II ZR 245/89, KostRsp. ZPO § 9 Nr. 39 mit Anm. Schneider = NJW-RR 1990, 1123; BGH, Beschl. v. 22.5.1995 – II ZR 247/94, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1206 = NJW-RR 1995, 1502. 6 BGH, Beschl. v. 22.5.1995 – II ZR 247/94, NJW-RR 1995, 1502. 7 BGH, Beschl. v. 22.5.1995 – II ZR 247/94, NJW-RR 1995, 1502. 8 BGH, Beschl. v. 17.1.1994 – II ZR 219/93, GmbHR 1994, 244 – Beschwer richtet sich nach dem Vergütungsinteresse. 9 BGH, Beschl. v. 9.6.2005 – III ZR 21/04, BGHR 2005, 1288 = AGS 2005, 454 = NJWRR 2006, 213; Beschl. v. 17.1.1994 – II ZR 219/93, KostRsp. ZPO § 9 Nr. 49 = GmbHR 1994, 244; KG, Beschl. v. 21.6.1996 – 5 W 2444/96, NJW-RR 1997, 543.

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Gesellschaft 2613

Werden die Klage auf Feststellung der Gesellschaftereigenschaft und die Klage auf Duldung der Einsicht in die Geschäftsbücher verbunden, dann ist jede Klage nach § 3 ZPO zu bemessen und sind sodann die beiden Werte gem. § 5 ZPO zusammenzurechnen. 1 Teilhaberschaft

2614

Der Wert der Klage auf Feststellung der Teilhaberschaft bemisst sich gem. § 3 ZPO an dem Interesse des Klägers am Gewinn. Übernahme, feindliche

2615

Begehrt ein Aktionär im Wege der einstweiligen Verfügung, dass der Vorstand der Aktiengesellschaft Abwehrmaßnahmen gegen ein feindliches Übernahmeangebot unterlässt und kurzfristig eine Hauptversammlung einberuft, in der über Zustimmung oder Ablehnung des Angebotes entschieden werden soll, ist der Streitwert in analoger Anwendung von § 247 AktG festzusetzen.2 Übertragung

2616

Die Klage auf Übertragung des Anteils an einer GmbH richtet sich nicht nach dem Nominalwert des Geschäftsanteils, sondern nach dem Verkehrswert.3 Die Ermittlung des Wertes ist schwieriger als bei Anteilen einer AG, da Aktien an der Börse gehandelt werden und einen Kurswert haben. Sie ist aber dadurch nicht ausgeschlossen und kann je nach der wirtschaftlichen Situation der GmbH unter oder über dem Nominalwert des Anteils liegen. Es ist jedoch kein Aufschlag wegen des Gewinnbezugsrechts zu machen, da dieses Bestandteil des Gesellschaftsanteils und damit bereits ausschlaggebender Faktor bei der Verkehrswertermittlung ist. Unwirksame Kündigung

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Klagt der persönlich haftende Gesellschafter einer KG auf Feststellung, dass die Kündigung des Kommanditisten unwirksam sei, dann ist dessen Einlage in Streit, gleichgültig ob sie schon voll eingezahlt ist oder nicht.4 Vergütungsklage

2618

Der Streitwert für die Klage eines Organmitgliedes einer juristischen Person oder seiner Hinterbliebenen auf Zahlung von Gehalt oder Versorgungsbezügen ist jedenfalls dann nicht nach § 9 ZPO, sondern nach § 42 Abs. 3 GKG festzusetzen, wenn das Organmitglied sich in einer ähnlichen beruflichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit von seinem Unternehmen befunden hat wie 1 OLG Karlruhe, HRR 1930 Nr. 746. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.8.2000 – 6 W 33/00, OLGR 2000, 472. 3 OLG Frankfurt, JurBüro 1980, 606 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 469; ebenso Riedel, JurBüro 1962, 255. 4 OLG München, OLGE 29, 7.

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Gestaltungsklage ein Arbeitnehmer. Zu prüfen ist also, ob hinsichtlich der sozialen Abhängigkeit eine „arbeitnehmerähnliche“ Stellung vorliegt.1 Das OLG Schleswig2 hat mit Recht darauf abgestellt, dass (der jetzige) § 42 Abs. 3 GKG eine soziale Schutzvorschrift ist und das Organ, etwa der Geschäftsführer einer GmbH, aus den wiederkehrenden Leistungen seinen Lebensunterhalt erzielt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass seine Altersund Hinterbliebenenversorgung nicht aus seiner Organstellung erwächst, die lediglich das Außenverhältnis betrifft, sondern auf dem Anstellungsvertrag, also dem Innenverhältnis beruht.

2619

Die Abgrenzung von § 9 Satz 1 ZPO zu § 42 Abs. 3 GKG hat allerdings durch die Neufassung des § 9 ZPO erheblich an praktischer Bedeutung verloren, denn § 9 ZPO sieht jetzt nur noch den 3,5-fachen Jahresbetrag gegenüber dem 3-fachen Jahresbetrag in § 42 Abs. 3 GKG vor.

2619a

Gesetzliche Erbfolge Bei einer Klage auf Feststellung, dass die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei, bestimmt sich der Wert des Streitgegenstandes nach dem Anteil des klagenden Erben am Nachlass, nicht aber nach dem Wert des Gesamtnachlasses.3

2620

Ist ein Pflichtteilsanspruch unstreitig, die Beteiligung als Miterben am Nachlass aber streitig, so bestimmt sich der Streitwert nur nach der Differenz zwischen dem streitigen Erbteil und dem unstreitigen Pflichtteil;4 der Wert des unstreitigen Pflichtteilsanspruchs des Klägers ist also von dem Wert des von ihm beanspruchten Nachlassvermögens abzuziehen.

2621

Zum Feststellungsabschlag s. Rn. 2281 ff. S. näher zu den einschlägigen Fragen das Stichwort „Miterbe“ Rn. 4055 ff.

Gestaltungsklage Leistungsklagen und Feststellungsklagen zielen auf ein Urteil ab, durch das eine bereits bestehende Rechtsfolge, etwa die Verpflichtung zur Zahlung oder die Haftung für alle aus einem Unfallereignis entstanden Schäden, rechtskräftig festgestellt wird. Leistungsklagen und Feststellungsklagen wirken daher nur deklaratorisch. Gestaltungsklagen und die ihnen entsprechenden Gestaltungsurteile wirken demgegenüber konstitutiv. Sie sprechen nicht aus, was bereits geschehen ist, sondern sie schaffen (erstmals) eine Rechtsfolge, die es bisher nicht gegeben hat, die ohne das Urteil auch nicht eintreten kann. 1 OLG Stuttgart, Justiz 1968, 306; OLG Köln, MDR 1968, 593; OLG Koblenz, MDR 1980, 319; OLG Schleswig, JurBüro 1980, 480; Schneider, JurBüro 1969, 803; Zöller/ Herget, § 3 Rn. 16 unter „Arbeitnehmer“. 2 OLG Schleswig, JurBüro 1980, 480. 3 BGH, Urt. v. 24.4.1975 – III ZR 173/72, JurBüro 1975, 1197; OLG Schleswig, SchlHA 1958, 83; OLG Bamberg, Beschl. v. 13.6.1975 – 4 W 30/75, JurBüro 1975, 1367. 4 BGH, Beschl. v. 15.1.1975 – IV ZR 124/73, JurBüro 1975, 460 = MDR 1975, 389.

Kurpat

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2622

Gewerblicher Rechtsschutz 2623

Neben den nichtvermögensrechtlichen Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteilen, beispielsweise auf Scheidung einer Ehe (§ 1564 BGB) oder deren Aufhebung (§ 29 EheG), gibt es auch vermögensrechtliche Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, beispielsweise auf Bestimmung einer Leistung (§§ 315, 319 BGB), auf Auflösung einer GmbH (§ 61 GmbHG), auf Erbunwürdigkeitserklärung (§ 2342 BGB) oder auf Erklärung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung (§§ 767, 771 ZPO).

2624

Für die Bezifferung des Streitwerts kommt es darauf an, welche konstitutive Wirkung begehrt wird. Spezielle Bewertungsvorschriften für Gestaltungsklagen als solche gibt es nicht. Für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten gilt § 48 Abs. 2 GKG (§ 12 Abs. 2 GKG a.F.). Für vermögensrechtliche Streitigkeiten ist auf das Interesse des Klägers abzustellen. Die in Betracht kommenden Bewertungsmaßstäbe sind den im Einzelfall einschlägigen Stichwörtern zu entnehmen, beispielsweise „Auflösung einer GmbH“ oder „Ehesachen“ u. dergleichen.

Gewerbliche Schutzrechte, Löschung S. das Stichwort „Löschung von gewerblichen Schutzrechten“.

Gewerblicher Rechtsschutz Literatur: Schramm, GRUR 1953, 104; Lappe, WRP 1955, 268; Schwab/Mosheim, BB 1955, 882; Spieß, GRUR 1955, 227; Ballhaus, GRUR 1957, 64 (Patentnichtigkeitsverfahren); Schmidt, JurBüro 1963, 524; Burmann, WRP 1973, 508; Radandt, WRP 1975, 137; Borck, WRP 1978, 435; Traub, WRP 1982, 557 (Streitwert der Verbandsklage); Lambsdorff/Kanz, BB 1983, 2215 (Verfassungswidrigkeit der Streitwertherabsetzung); Thesen/ Schneider, MDR 1984, 544; Herr, MDR 1985, 187 (zur Höhe der Wettbewerbsstreitwerte); Ulrich, GRUR 1984, 177 (kritische Darstellung zum Streitwert in Wettbewerbssachen); Ulrich, GRUR 89, 401 (Streitwert in Wettbewerbssachen nach der UWG-Reform 1986); Ulrich, WRP 1995, 362 (UWG-Novelle 1994); Weiß, WRP 1995, 151 (UWG-Novelle 1994; Klagebefugnis der Verbände); Goldmann, WRP 2001, 240; Kühnen, GRUR 2009, 288. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . 2625 B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . II. Regelstreitwerte . . . . . . . . III. Klägerinteresse bei Individualklagen . . . . . . . . . . . . . . 1. Umsatz des Klägers . . . . . . 2. Gefährlichkeit des Angriffs . . 3. Wirtschaftliche Stellung des Beklagten . . . . . . . . . . . . IV. Klägerinteresse bei Verbandsklagen . . . . . . . . . . . . . . V. Ermittlung der Umstände . . . VI. Einstweilige Verfügung . . . . VII. Klagehäufung . . . . . . . . . .

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2626 2631 2634 2637 2639 2645 2647 2650 2654 2659

Rn. VIII. Anspruchshäufung . . . . . . . 2662 IX. Wiederholte Anträge . . . . . . 2665 C. Streitwertbegünstigung I. Allgemeines . . . . . . . . . . 2667 II. Abgrenzung zur Prozesskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . 2671 III. Streitwertbemessung nach § 12 Abs. 4 UWG . . . . . . . . 2674 1. Anwendungsbereich . . . . . . 2674a 2. Tatbestandsvoraussetzungen a) Einfach gelagerte Sache . . . 2675 b) Untragbare Belastung . . . . 2681 c) Keine doppelte Ermäßigung 2683 d) Streitwertermäßigung für Verbände . . . . . . . . . . . 2684 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . 2686

Gewerblicher Rechtsschutz Rn. IV. Streitwertbemessung nach § 51 Abs. 2 GKG . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich . . . . . . 2. Tatbestand a) Erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage . . . . b) Art der Rechtsverfolgung . . c) Rechtsmissbrauch . . . . . .

. 2693 . 2695

. 2696 . 2702 . 2704

Rn. 3. Antrag a) Antragsbefugnis . . . . . . . . b) Zeitpunkt der Antragstellung c) Ausnahmsweise späterer Antrag möglich . . . . . . . . 4. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . 5. Beschwerde . . . . . . . . . . . .

2711 2714 2719 2724 2728

D. Einzelfälle aus der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . 2730

Stichwortübersicht (s.a. Einzelfälle aus der Rechtsprechung, Rn. 2730) Rn. Addition der Einzelwerte . . . . . . 2660 Angaben des Klägers . . . . . . . . . 2650 – bei Verfahrensbeginn . . . . . . . 2652 Angemessene Frist . . . . . . . . . . 2722 Angriffsfaktor . . . . . . . . . . . . . 2639 Antrag auf Veröffentlichung . . . . . 2664 Antragstellung, Zeitpunkt . . . . . . 2714 Beeinträchtigung . . . . . . . . . . . 2635 – der Mitbewerber . . . . . . . . . . 2645 Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . 2728 Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . 2679 Billiges Ermessen . . . . . . . . . . . 2626 Bindungswirkung . . . . . . . . . . . 2711 Doppelte Ermäßigung . . . . . . . . 2683 Einstweilige Verfügung . . . . . . . 2654 – wiederholte . . . . . . . . . . 2643, 2665 Erhöhung des Streitwertes . . . . . . 2719 Ermäßigung des Streitwertes . . . . 2721 Ermäßigungsstaffel . . . . . . . . . . 2689 Feststellungsklage, negative . . . . . 2310 Freies Ermessen . . . . . . . . . . . 2627 Gefährlichkeit des Angriffs . . . . . 2639 Geschäftszahlen . . . . . . . . . . . 2653 Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . 2637 Hauptsacheverfahren, voller Wert . 2656 Hinweispflicht . . . . . . . . . . . . 2714 Interesse der Allgemeinheit . . . . . 2647 Interesse eines Dritten . . . . . . . . 2634 Interesse, wirtschaftliches . . . . . . 2628 Jahresumsatz . . . . . . . . . . . . . 2638 Klageantrag . . . . . . . . . . . . . . 2650 Klageanträge, unabhängig/selbständig . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2663 Klagehäufung . . . . . . . . . . . . . 2659 Klagerücknahme . . . . . . . . . . 2703a Konkurrenztätigkeit . . . . . . . . . 2768 Kostenschutzvorschriften, soziale . 2667 Mehrere Anträge . . . . . . . . . . . 2662 Mehrumsatz . . . . . . . . . . . . . 2637 Nachahmungsgefahr . . . . . . . . . 2640 Patentanwalt . . . . . . . . . . . . . 2785 Prozesskostenhilfe . . . . . . . 2671, 2707 – aussichtsreich . . . . . . . . . . . 2672 – hilfsbedürftig . . . . . . . . . . . . 2673 Quoten . . . . . . . . . . . . . . . 2658b

Rn. Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . 2704 Regelstreitwerte . . . . . . . . . . . 2631 Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . 2635 Schadenersatz . . . . . . . . . . . . . 2662 Schätzung, § 3 ZPO . . . . . . . . . 2628 Streitwert, niedrig . . . . . . . . . . 2656 Streitwertbegünstigungen . . . . . . 2630 Streitwertbemessung nach § 51 Abs. 2 GKG . . . . . . . . . . . . . 2693 – Gefährdung der wirtschaftlichen Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . 2696 – Verband, Gesamttätigkeit . . 2701, 2705 Streitwertbestimmung, Unberechenbarkeit . . . . . . . . . . . . . 2632 Subjektive Einschätzungen . . . . . 2651 Umsatz . . . . . . . . . . . . . 2637, 2646 Ungestörter Fortgang der Produktion 2642 Unterlassungsanspruch . . . . . . . 2635 Unterlassungsklagegesetz . . . . . . 2629 Unterlassungsprozess, wiederholt . . 2666 Verband – Ermäßigungsstaffel . . . . . . . . 2689 – klagebefugt . . . . . . . . . . . . . 2690 – Streitwertermäßigung . . . . . . . 2684 – ~sgründung . . . . . . . . . . . . . 2705 – ~sklagen . . . . . . . . . . . . . . 2647 – Wertstaffeln . . . . . . . . . . . . 2727 Verhinderung der Wettbewerbshandlung . . . . . . . . . . . . . . 2644 Verjährung . . . . . . . . . . . . . . 2703 – Eilverfahren . . . . . . . . . . . . 2708 – Insolvenzverfahren . . . . . . . . . 2709 Verminderter Streitwert . . . . . . . 2674 Verschuldensmaßstab . . . . . . . . 2641 Vertrauliche Angaben . . . . . . . . 2653 Verzicht auf Widerspruch . . . . . . 2715 Vorgerichtliches Abmahnschreiben . 2652 Wertstaffelung . . . . . . . . . . . . 2727 Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . 2832 Wiederholungsgefahr . . . . . . . . . 2644 Wirtschaftliche Bedeutung . . . . . 2645 Zuerkennung der Veröffentlichungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . 2664 Zurücknahme . . . . . . . . . . . . 2715 Zuschlag . . . . . . . . . . . . . . . 2660

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Gewerblicher Rechtsschutz

A. Einleitung 2625

Das schlagwortartig als „gewerblicher Rechtsschutz“ bezeichnete Rechtsgebiet umfasst im Wesentlichen das Wettbewerbsrecht, das Patentrecht, das Geschmacks- und Gebrauchsmusterrecht sowie das Markenrecht. Die Streitwertbestimmung in diesem Bereich – überwiegend handelt es sich um Unterlassungsansprüche wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens bzw. wegen der Verletzung eines Schutzrechtes – wird maßgeblich von zwei Faktoren bestimmt. Zum einen von der Schwierigkeit der Bewertung der einzelnen Bemessungsumstände (Rn. 2634 ff.), die gerade in der Praxis den Ruf nach Regelstreitwerten nicht verstummen lässt und zum anderen von den spezialgesetzlich geregelten Möglichkeiten der Streitwertbegünstigungen (Rn. 2667 ff.). Aufgrund der Vielzahl der zu bewertenden Sachverhalte sind die Bemessungsumstände notwendigerweise allgemein gehalten. Eine alphabetische Übersicht von Einzelfällen (Rn. 2730 ff.) soll daher bei der Eingruppierung helfen.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Allgemeines 2626

In Verfahren nach dem Patentgesetz, dem Gebrauchsmustergesetz, dem Markengesetz, dem Geschmacksmustergesetz, dem Halbleiterschutzgesetz und dem Sortenschutzgesetz ist der Gebührenstreitwert gem. § 51 Abs. 1 GKG nach billigem Ermessen zu bestimmen.

2627

Im Übrigen richtet sich der Gebührenstreitwert gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO nach freiem Ermessen, wonach im Kern dasselbe gemeint ist, nämlich die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens durch das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Das Gleiche gilt für den Zuständigkeitsstreitwert, soweit nicht (wie weitgehend) eine ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte bestimmt ist – vgl. § 143 Abs. 1 PatG, § 101 Abs. 9 UrhG, § 140 MarkenG, § 52 Abs. 1 GeschmMG, § 24b Abs. 9 GebrMG, § 13 UWG.

2628

Wird mit der Klage Zahlung einer bestimmten Geldsumme verlangt (z.B. eine Vertragsstrafe oder vorgerichtliche Abmahnkosten), ist diese wertbestimmend.1 Im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes sind Leistungsklagen mit bezifferten Forderungen allerdings eher selten. Überwiegend werden Unterlassungs-, Auskunfts- und Feststellungsklagen erhoben, deren Wert als vermögensrechtliche Angelegenheiten2 nach dem Interesse des Klägers an der Unterlassung zu schätzen ist. Abzustellen ist bei der Bewertung auf die konkreten Umstände des Einzelfalles.3 Maßgeblich ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Durchsetzung des geltend gemachten Anspruchs, welches u.a. von Umsatz, Größe und Wirtschaftskraft des Klägers, Marktstellung des Beklagten und Gefährlichkeit des Angriffs abhängt.

2629

In Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagegesetzes darf der Streitwert 250.000 Euro nicht übersteigen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 GKG). 1 OLG Karlsruhe, NJW 1953, 512. 2 BGH, KostRsp. GKG § 12 Nr. 94; OLG Bremen, WRP 1979, 792. 3 OLG Bamberg, JurBüro 1983, 269 = KostRsp. GKG § 20 Nr. 56.

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Gewerblicher Rechtsschutz Nach § 51 Abs. 2 GKG bzw. § 12 Abs. 4 UWG sind in Verfahren des gewerblichen Rechtsschutzes darüber hinaus bestimmte Streitwertbegünstigungen zu berücksichtigen, um die Parteien auch bei wirtschaftlich hochrangigen Streitigkeiten nicht mit zu hohen Kosten zu belasten.1

2630

II. Regelstreitwerte Die Unterschiedlichkeit der Sachverhalte, die im gewerblichen Rechtsschutz zu beurteilen sind, ist ursächlich dafür, dass die Streitwertfestsetzungen der verschiedenen Gerichte oft divergieren. Verschiedene Oberlandesgerichte haben sich deshalb bemüht, vereinheitlichende Bewertungsgrundsätze im Sinne von Regelstreitwerten zu erarbeiten: – Das OLG Koblenz2 geht in Verfahren von mittlerer Bedeutung von folgenden Regelstreitwerten aus: – Eilverfahren: 10.000 Euro bei Wettbewerbern, 15.000 Euro bei Verbänden – Hauptsachverfahren: 15.000 Euro bei Wettbewerbern, 20.000 Euro bei Verbänden – Das OLG Oldenburg3 hält folgende Regelstreitwerte für zulässig und angebracht, wenn die nicht näher erläuterten Wertangaben der Parteien ohne Aussagekraft sind: – Eilverfahren: 6.500 Euro bei Wettbewerbern, 12.500 Euro bei Verbänden – Hauptsachverfahren: 12.500 Euro bei Wettbewerbern, 25.000 Euro bei Verbänden – Das OLG Schleswig4 bewertet Unterlassungsansprüche eines Wettbewerbers mit 15.000 Euro im Hauptsacheverfahren und mit 10.000 Euro im Eilverfahren, wobei allerdings die Verhältnisse der beteiligten Unternehmen, die Häufigkeit und Intensität der gerügten Wettbewerbsverstöße sowie die Auswirkungen möglicher künftiger Verletzungshandlungen zu einer vom Regelstreitwert abweichenden Festsetzung führen können. – Das OLG Saarbrücken5 schließlich setzt sowohl für die einstweilige Verfügung eines Wettbewerbers als auch für die eines Verbandes einen Betrag von 1 Vgl. dazu die Ausführungen unter D. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 13.6.2007 – 4 W 393/07, juris; OLG Koblenz, Urt. v. 19.3.2002 – 4 U 1198/01, OLGR 2002, 286; OLG Koblenz, Urt. v. 20.11.2001 – 4 U 928/01, OLGR 2002, 204; OLG Koblenz, Urt. v. 27.6.2000 – 4 U 1863/99, GRUR-RR 2001, 32; zur früheren Rspr. vgl.: OLG Koblenz, WRP 1981, 159; OLG Koblenz, WRP 1981, 333; OLG Koblenz, WRP 1985, 45 = JurBüro 1985, 257; OLG Koblenz, GRUR 1988, 474; OLG Koblenz, GRUR 1989, 764; OLG Koblenz, WRP 1990, 57; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 33/798, OLGR 1998, 434 – gerade in diesem Fall lässt die umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls erkennen, dass die Verwendung von Regelstreitwerten als Ausgangspunkt keinen Verstoß gegen die Grundsätze des § 3 ZPO darstellen muss. 3 OLG Oldenburg, Beschl. v. 6.6.1995 – 1 W 45/95, WRP 1995, 878; OLG Oldenburg, Beschl. v. 21.1.1993 – 1 U 136/92, WRP 1993, 351; OLG Oldenburg, Beschl. v. 16.4.1991 – 1 W 17/91, MDR 1991, 955. 4 OLG Schleswig, Beschl. v. 27.5.2008 – 6 W 9/08, OLGR 2008, 628; OLG Schleswig, Beschl. v. 9.12.1997 – 6 W 31/97, OLGR 1998, 176; OLG Schleswig, Beschl. v. 8.11.1993 – 6 W 15/93, SchlHA 1994, 22. 5 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 13.6.2005 – 1 W 134/05, OLGR 2005, 952; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 22.7.2002 – 1 W 154/02, OLGR 2002, 417; vgl. auch OLG Saar-

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Gewerblicher Rechtsschutz 10.000 bis 20.000 Euro an, wenn kein substantiierter Vortrag als Grundlage der Streitwertschätzung vorhanden ist. 2632

Dogmatisch dürfte die Annahme von Regelstreitwerten zwar mit der durch § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG vorgeschriebenen Bewertung des Einzelfalls nicht in Einklang zu bringen sein.1 Andererseits sollte man aber auch nicht die Augen davor verschließen, dass das Dogma einer am Einzelfall orientierten Schätzung des Gerichtes kein Garant für eine zutreffende Streitwertbestimmung ist und dazu führen kann, dass die Streitwertpraxis mit einem Moment der Unberechenbarkeit behaftet ist.2 Insofern scheint überlegenswert, ob ein Teil der erstrebten Einzelfallgerechtigkeit nicht zugunsten einer höheren Berechenbarkeit der Verfahren aufgegeben werden sollte und die Parteien damit – unabhängig vom angerufenen Gericht – in die Lage versetzt werden, das finanzielle Risiko eines Prozesses schon frühzeitig zu beurteilen.

2633

Unter Berücksichtigung des Alters der vorgenannten Entscheidungen kann daher als Ausgangspunkt für die Schätzung des Streitwerts von folgenden Summen ausgegangen werden: – Ansprüche eines Wettbewerbers: 10.000 Euro im Eilverfahren, 15.000 Euro im Hauptsacheverfahren – Ansprüche eines Verbandes: 20.000 Euro im Eilverfahren, 30.000 Euro im Hauptsacheverfahren.

III. Klägerinteresse bei Individualklagen 2634

Maßgeblich für den zu schätzenden Streitwert der Individualklage eines Wettbewerbers ist das Interesse des Klägers an der Unterlassung.3 Das Interesse der Allgemeinheit an der Reinhaltung des Wettbewerbs sowie das Interesse eines Dritten sind bei der Bestimmung des Streitwertes außer Acht zu lassen.4

2635

Bei der Bewertung eines Unterlassungsanspruchs geht es um die Beeinträchtigung, die von dem beanstandeten Verhalten des Gegners verständlicherweise

1

2 3

4

brücken, WRP 1996, 145 (Regelstreitwert von 10.000 bis 15.000 Euro bei einfachen Fällen von durchschnittlicher Bedeutung, wenn keine sonstigen Anhaltspunkte vorhanden sind). Ebenso OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.4.2007 – 3 W 485/07, JurBüro 2007, 364 = GRUR 2007, 815 (für das Markenverletzungsverfahren); OLG Köln, Beschl. v. 20.7.1999 – 6 W 34/99, OLGR 2000, 101; KG, Beschl. v. 21.10.1997 – 5 W 5834/97, NJW-WettbR 1998, 139; OLG Stuttgart, WRP 1983, 368; OLG Frankfurt, OLGR 1992, 162 – für das Einstweilige Verfügungsverfahren. So zutreffend Ulrich, GRUR 1984, 185. BGH, GRUR 1990, 1052; OLG Neustadt, WRP 1958, 384; OLG Celle, JurBüro 1974, 1434; OLG Bamberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 888 = JurBüro 1987, 1831; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.5.2001 – 4 W 21/01, JurBüro 2001, 418; KG, Beschl. v. 21.10.1997 – 5 W 5834/97, NJW-WettbR 1998, 139; OLG Bremen, Beschl. v. 30.6.1997 – 2 W 37/97, OLGR 1997, 363; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.1.2004 – 25 W 77/03, GRUR-RR 2004, 344. OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98, OLGR 1998, 434; OLG Karlsruhe, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 192; OLG München, WRP 1974, 170; BGH, JurBüro 1977, 1357 = MDR 1978, 28. Soweit solche Drittinteressen bei Verbandsklagen Berücksichtigung finden, ist dies kein Widerspruch. Denn die Drittinteressen sind kraft Satzung und Funktion eigene Interessen des Verbandes.

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Gewerblicher Rechtsschutz zu besorgen ist und die mit den jeweils begehrten Maßregeln beseitigt werden soll.1 Dementsprechend kommt es auch nur auf den Schaden an, der dem Kläger durch den konkreten Beklagten droht, sodass behauptete Wettbewerbsverstöße anderer Firmen unberücksichtigt bleiben müssen.2 Bewertungskriterien für das Interesse des Klägers sind sein Umsatz, die Gefährlichkeit des Angriffs sowie die wirtschaftliche Stellung des Beklagten.

* Æ Anmerkung:

2636

Andere Maßstäbe gibt das OLG Brandenburg in seiner Entscheidung vom 12.5.2009 vor, wenn es ausführt: „Lässt sich das Interesse des wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend machenden (Verfügungs-)Klägers nicht in nachvollziehbarer Weise in einem Geldbetrag ausdrücken, hat die Streitwertbemessung dahin gehend zu erfolgen, dass Rechtsanwälte und Gericht für ihre Dienstleistungen angemessen honoriert werden“.3

1. Umsatz des Klägers Bei der Bestimmung des klägerischen Interesses kommt dem vom Kläger erzielten Umsatz erhebliche Bedeutung zu.4 Das ergibt sich schon daraus, dass aus der Größe eines Unternehmens seine wirtschaftliche Bedeutung erkennbar wird.5 Im Vordergrund steht dabei der Umsatz,6 also weder der dem Kläger entgangene Gewinn7 noch der möglicherweise vom Beklagten durch dessen Verletzungshandlung erzielte Mehrumsatz.8 Denn in einer Wettbewerbssache bemisst sich der Streitwert nach der Beeinträchtigung, die der Kläger von einer Fortdauer des beanstandeten Verhaltens zu besorgen hat.

2637

Ausgangspunkt der Berechnung ist der Jahresumsatz des Klägers, der durch die wettbewerbswidrige Handlung beeinträchtigt werden kann.9 Das Interesse des Beklagten und dessen Umsatz sind zwar grundsätzlich unbeachtlich.10 Sie kommen jedoch als Bemessungskriterium in Betracht, soweit sich aus dem Umsatz des Beklagten Rückschlüsse auf die Umsatzschmälerung beim Kläger ziehen lassen.11

2638

1 OLG München, JurBüro 1963, 298; OLG Bremen, Beschl. v. 30.6.1997 – 2 W 37/97, OLGR 1997, 363; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.5.2001 – 4 W 21/01, JurBüro 2001, 418. 2 LG Mosbach, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 657 mit Anm. Schneider = BB 1983, 2073. 3 OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.5.2009 – 6 W 47/09, OLGR 2009, 971. 4 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.5.2001 – 4 W 21/01, JurBüro 2001, 418; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98, OLGR 1998, 434; OLG Nürnberg, JurBüro 1957, 507; OLG Stuttgart, WRP 1980, 582. 5 OLG Stuttgart, WRP 1977, 135; OLG Stuttgart, WRP 1980, 582. 6 OLG Stuttgart, WRP 1980, 582; OLG München, AnwBl. 1963, 55; OLG Nürnberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 158; OLG Karlsruhe, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 441. 7 OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98, OLGR 1998, 434; OLG Karlsruhe, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 441. 8 OLG Nürnberg, WRP 1982, 551. 9 OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98, OLGR 1998, 434; OLG Bamberg, Beschl. v. 11.8.1998 – 3 W 86/98, OLGR 1999, 246; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98, OLGR 1998, 434; OLG Bremen, Beschl. v. 30.6.1997 – 2 W 37/97, OLGR 1997, 363; OLG Karlsruhe, MDR 1968, 933. 10 OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98, OLGR 1998, 434. 11 OLG Karlsruhe, MDR 1968, 933; OLG Karlsruhe, MDR 1966, 769; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.4.1981 – 4 W 105/80, WRP 1981, 407.

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Gewerblicher Rechtsschutz 2. Gefährlichkeit des Angriffs 2639

Die Gefährlichkeit des Wettbewerbsverstoßes, die nach dem Tatsachenvortrag des Klägers zu beurteilen ist,1 ist ebenfalls von erheblicher Bedeutung.2 Man spricht hier vom „Angriffsfaktor“, der bei geringem Umsatz des Beklagten entsprechend gering ist, aber andererseits auch dadurch erhöht werden kann, dass ein soeben auf dem Markt in Erscheinung tretendes Unternehmen potentiell in der Lage ist, sich zu einem erheblichen Konkurrenten zu entwickeln.3

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Faktoren für die Gefährlichkeit des Verstoßes sind: – der Umsatz und die Unternehmensgröße des Beklagten,4 – die Intensität und Dauer des Angriffs, – die Zielrichtung des Angriffs, – die erkennbaren oder zu erwartenden Auswirkungen, – die räumliche Nähe zwischen den Konkurrenten sowie – die Wahrnehmungsmöglichkeit des Angriffs für die Öffentlichkeit, da diese die Nachahmungsgefahr beeinflusst. Bei der Bestimmung der Gefährlichkeit des Wettbewerbsverstoßes kann auch von Bedeutung sein, dass der Beklagte mit anderen Unternehmen am Markt in einem Verbund auftritt, der u.a. durch eine gemeinsame Absatzstrategie gekennzeichnet ist.5

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Für die Beurteilung der Stärke des Angriffsfaktors und damit für die drohende Umsatzeinbuße bei der verletzten Partei ist weiter das Verschuldensmaß des Verletzers zu berücksichtigen.6 Das OLG Bremen7 lehnt die Berücksichtigung der subjektiven Umstände zwar ab, weil die Streitwertfestsetzung keinen Sanktionscharakter habe. Gegen diese Sichtweise spricht, dass die Streitwerthöhe zwar keine Bestrafung des Beklagten bewirken, jedoch das Interesse des Klägers an der beantragten Unterlassung abbilden soll. Da vorsätzliche Verstöße eine größere Angriffsstärke und Gefährlichkeit indizieren als fahrlässige Verstöße, müssen diese subjektiven Momente auch berücksichtigt werden.8 1 OLG Stuttgart, WRP 1985, 366. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.8.2009 – 2 U 154/08, InstGE 11, 175; OLG Schleswig, Beschl. v. 27.5.2008 – 6 W 9/08, OLGR 2008, 628; OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.4.2007 – 3 W 485/07, JurBüro 2007, 364 = GRUR 2007, 815; KG, Beschl. v. 14.11.2006 – 5 W 254/06, GRUR-RR 2007, 63; OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.8.2004 – 6 W 128/04, GRUR-RR 2005, 239; OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.9.1996 – 2 W 53/96, WRP 1997, 239; OLG Hamburg, Urt. v. 8.4.2009 – 5 U 13/08, WRP 2009, 1305; OLG Hamm, Beschl. v. 28.6.2007 – 4 W 79/07, juris; LG Hamburg, Urt. v. 19.1.2010 – 312 O 258/ 09, Magazindienst 2010, 564; KG, Beschl. v. 26.11.2004 – 5 W 146/04, KGR 2005, 208; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.5.2001 – 4 W 21/01, JurBüro 2001, 418; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98, OLGR 1998, 434; OLG Bremen, Beschl. v. 30.6.1997 – 2 W 37/97, OLGR 1997, 363; OLG Stuttgart, WRP 1977, 135; OLG Stuttgart, WRP 1980, 582. 3 OLG Frankfurt, JurBüro 1976, 1249 = WRP 1976, 482 – sog. „Aufstiegsbetriebe“. 4 Vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98, OLGR 1998, 434; OLG Bremen, Beschl. v. 30.6.1997 – 2 W 37/97, OLGR 1997, 363. 5 OLG Celle, Beschl. v. 24.7.2001 – 13 W 55/01, OLGR 2001, 291. 6 OLG Stuttgart, WRP 1980, 105; OLG Frankfurt, JurBüro 1983, 1249. 7 OLG Bremen, Beschl. v. 30.6.1997 – 2 W 37/97, OLGR 1997, 363. 8 Zu diesem Ergebnis kommt letztlich auch das OLG Bremen (Beschl. v. 30.6.1997 – 2 W 37/97, OLGR 1997, 363), da es das Ausmaß des Verschuldens beim Umfang des

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Gewerblicher Rechtsschutz Da der Unterlassungsanspruch der Abwehr von Störungen dienen soll, richtet sich das zu bewertende Interesse des Antragstellers auch auf den ungestörten Fortgang der Produktion und auf die Klarheit der bevorstehenden Entwicklung. Die Tragweite der Störungs- bzw. Verletzungshandlungen ist nicht nur objektiv nach voraussichtlicher Dauer und Intensität, sondern auch nach den begründeten Besorgnissen gerade des verletzten Antragstellers zu bestimmen.1 Umgekehrt schwächt sich die Angriffsstärke und damit auch das Interesse an einem Unterlassungstitel ab, wenn der Unterlassungsschuldner wegen bereits vorliegender Titel anderer Gläubiger seine Verletzungshandlungen voraussichtlich aufgeben wird. Der Streitwert ist dann weniger hoch anzusetzen.2

2642

Dem Vorliegen eines Verbots aufgrund einer einstweiligen Verfügung hat das OLG Frankfurt3 für die Streitwertbemessung einer wiederholten einstweiligen Verfügung keine wertmindernde Bedeutung beigemessen. Demgegenüber geht das OLG Hamm4 davon aus, dass gleichzeitig anhängig gemachte Abwehrverfahren streitwertmindernd wirken. Ein Widerspruch zwischen beiden Entscheidungen dürfte nicht bestehen, denn es macht in der Tat einen Unterschied, ob ein wettbewerbswidrig Handelnder zur gleichen Zeit mit mehreren Verfügungsverfahren oder Klagen überzogen wird, oder ob er ungeachtet eines bereits durchgeführten Verfahrens sein Verhalten fortsetzt. In diesem zweiten Fall besteht sogar eher Anlass dafür, den Streitwert höher anzusetzen.5

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Das Interesse des Klägers ist gering, wenn die unzulässige Wettbewerbshandlung verhindert werden konnte und daher kein Schaden eingetreten ist.6 Ist die Wiederholungsgefahr und damit die zu erwartende wirtschaftliche Einbuße oder die Beeinträchtigung eines Schutzrechts gering, dann ist das bei der Streitwertfestsetzung ermäßigend zu berücksichtigen.7

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3. Wirtschaftliche Stellung des Beklagten Bestimmend für den Streitwert sind weiter die wirtschaftliche Bedeutung des Beklagten,8 der Umfang der Streuung seiner Werbung (z.B. mittels E-Mail oder Postwurfsendung, die nicht rückgängig gemacht werden kann und weiterwirkt) sowie die Gefahr der Beeinträchtigung der Mitbewerber durch diese Wettbewerbshandlung.9

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Teilweise wird vertreten, dass es sich stets mindernd auf den Streitwert auswirkt, wenn der Umsatz des Beklagten besonders gering ist, weil dann der

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zu befürchtenden Schadens berücksichtigt und damit ebenfalls in die Streitwertbemessung einfließen lässt. OLG München, GRUR 1955, 260. OLG Frankfurt, JurBüro 1983, 1561 = WRP 1983, 523; OLG München, WRP 1975, 46; zustimmend: Teplitzky, Wettbewerbsrecht, Kap. 49 Rn. 14. OLG Frankfurt, JurBüro 1969, 342. OLG Hamm, WRP 1976, 489; später auch OLG Frankfurt, WRP 1974, 630. Wie hier wohl auch OLG Karlsruhe, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 543 und OLG Frankfurt, JurBüro 1982, 911. OLG Stuttgart, WRP 1978, 481. OLG Bamberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 888 = JurBüro 1987, 1831. OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98, OLGR 1998, 434; OLG Bremen, Beschl. v. 30.6.1997 – 2 W 37/97, OLGR 1997, 363. OLG Nürnberg, WRP 1967, 412.

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Gewerblicher Rechtsschutz Angriffsfaktor als entsprechend weniger gefährlich anzusetzen sei.1 Diese Auffassung ist indessen bedenklich, weil sie dem Interesse des Beklagten zu große Bedeutung beimisst. Entschieden wird nämlich über den Antrag des Klägers, der dessen Interesse an der Rechtsverfolgung konkretisiert. Ist das Interesse des Klägers an Schadensabwehr und Schadensverhinderung wegen des beträchtlichen eigenen Umsatzes groß, dann kann es sich nicht deshalb vermindern, weil der Beklagte mit seinem unerlaubten Verhalten nur geringere Umsätze erzielt. Die mehr oder minder große Geschäftstüchtigkeit des Beklagten lässt zwar einen Rückschluss auf die Verletzungsintensität und die Gefährdung des Klägers zu, kann aber nicht feststehende Nachteile beim Kläger aufheben.

IV. Klägerinteresse bei Verbandsklagen 2647

In seiner früheren Rechtsprechung hat der BGH bei der Ermittlung des für die Streitwertbemessung maßgeblichen Klägerinteresses zwischen Interessenverbänden (Fachverbänden) und solchen Verbänden unterschieden, die als Vereine zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs die Interessen der Allgemeinheit verfolgten.2 Bei letzteren wurde ein – im Regelfall gering bewertetes – Interesse der Allgemeinheit angenommen, während bei Fachverbänden auf die Summe aller Interessen seiner Mitglieder abgestellt und dieser Wert bei gleichzeitig betroffenen Belangen von Nichtmitgliedern ggf. noch erhöht wurde.

2648

Mit seinem Beschluss vom 5.3.19983 hat der BGH im Hinblick auf die damalige Neufassung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG durch das UWG-Änderungsgesetz vom 25.7.19984 diese Ansicht aufgegeben: Es erscheine gerechtfertigt, für den Regelfall das Interesse eines Verbandes nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ebenso zu bewerten wie das Interesse eines gewichtigen Mitbewerbers.

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Dieser Bewertungsmaßstab behält auch nach der weiteren Änderung des UWG zum 3.7.20045 Geltung. Klagebefugt sind nach § 8 Abs. 3 UWG die Mitbewerber (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG), die rechtsfähigen Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG), die qualifizierten Einrichtungen (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG) sowie die Industrie- und Handelskammern bzw. Handwerkskammern. Für die Bewertung gilt daher Folgendes: – Bei Verbänden nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist das Interesse des Verbandes regelmäßig so zu bewerten wie das Interesse eines gewichtigen Mitbewerbers. – Bei den Verbänden nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG ist das mit der Klage verfolgte, der Satzung entsprechende Interesse der Verbraucher zu schätzen.

1 KG, BB 1968, 266. 2 BGH, Beschl. v. 5.7.1967 – Ib ZR 20/66, GRUR 1968, 106; BGH, Beschl. v. 20.5.1977 – I ZR 17/76, GRUR 1977, 748; BGH, Beschl. v. 24.6.1990 – I ZR 58/89, GRUR 1990, 1052; ebenso OLG Frankfurt, WRP 1974, 630; OLG Köln, WRP 1977, 49. 3 BGH, Beschl. v. 5.3.1998 – I ZR 185/95, MDR 1998, 1237. 4 BGBl. 1998 I, 1738. 5 BGBl. 2004 I, 1414.

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V. Ermittlung der Umstände Grundlegender Anhaltspunkt für die Streitwertschätzung des Gerichts sind der Klageantrag und die Angaben des Klägers, der seinen drohenden Schaden und die sonstigen Umstände darzulegen hat.

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Die eigenen Wertangaben des Klägers bei Verfahrensbeginn (§ 40 GKG) binden das Gericht zwar nicht.1 Sie haben aber indizielle Bedeutung für das wirklich in Streit stehende Interesse.2 Erst recht gilt das im Fall übereinstimmender Wertangaben beider Parteien.3 Das Gericht darf diese Angaben allerdings nicht unbesehen übernehmen, sondern hat sie – nicht nur in Fällen der Unvertretbarkeit – in vollem Umfang selbständig nachzuprüfen. Maßstab sind dabei die objektiven Gegebenheiten, die Erfahrung des Gerichts und die Wertfestsetzung in gleichartigen oder ähnlichen Fällen.4

* Æ Anmerkung:

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Nach Ansicht des OLG Brandenburg5 zeigen die Angaben des Klägers dagegen allenfalls, bis zu welchem Punkt der Klage er ein Kostenrisiko eingehen will. Ansonsten handele es sich nur um rein subjektive Einschätzungen, die für die Streitwertermittlung ungeeignet seien. Diese Entscheidung ist bedenklich – nicht primär deshalb, weil das OLG Brandenburg den Angaben des Klägers keine Indizwirkung beimisst, sondern weil es in Fällen, in denen es an einer nachvollziehbaren Wertangabe des Klägers fehlt, den Streitwert auf einen Betrag festsetzen will, der zu einer angemessenen Honorierung von Gericht und Anwälten führt. Dieser Bewertungsmaßstab hat mit dem klägerischen Interesse, welches Grundlage der Streitwertschätzung ist, nun gar nichts zu tun.

Den eigenen Angaben des Klägers bei Verfahrensbeginn wird gerade in Wettbewerbssachen zu Recht hohe Bedeutung beigemessen.6 Insbesondere wird er an seinen Angaben festgehalten, wenn er – nach Obsiegen oder Unterliegen – mit der Streitwertbeschwerde von einer ihnen entsprechenden Wertfestsetzung herunterkommen will.7 Auch der Beklagte wird mit nachträglichen Einwendungen (wenn er aufgrund Unterliegens kostenerstattungspflichtig wird) vielfach nicht mehr gehört, falls er im Verfahren selbst keine Bedenken gegen 1 OLG Bamberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 888 = JurBüro 1987, 1831. 2 BGH, GRUR 1986, 93; OLG Jena, Beschl. v. 16.12.2009 – 2 W 504/09, Magazindienst 2010, 318; KG, Beschl. v. 26.11.2004 – 5 W 146/04, KGR 2005, 208; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 22.7.2002 – 1 W 154/02, OLGR 2002, 417; OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2000 – 6 W 23/00, JurBüro 2000, 648; OLG Bamberg, Beschl. v. 11.8.1998 – 3 W 86/98, OLGR 1999, 246; KG, Beschl. v. 21.10.1997 – 5 W 5834/97, KGR 1998, 170 = NJW-WettbR 1998, 139; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98, OLGR 1998, 434; OLG Frankfurt, WRP 1981, 221; OLG Köln, MDR 1994, 267 = JurBüro 1994, 241; OLG Hamburg, WRP 1982, 592; OLG Stuttgart, WRP 1980, 582; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.1.2004 – 25 W 77/03, GRUR-RR 2004, 344. 3 Vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 8.6.2006 – 5 W 77/06, WRP 2007, 95. 4 BGH, GRUR 1997, 748; BGH, GRUR 1992, 562; OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98, OLGR 1998, 434; KG, Beschl. v. 26.11.2004 – 5 W 146/04, KGR 2005, 208; KG, Beschl. v. 21.10.1997 – 5 W 5834/97, KGR 1998, 170 = NJW-WettbR 1998, 139; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.1.2004 – 25 W 77/03, GRUR-RR 2004, 344. 5 OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.5.2009 – 6 W 47/09, OLGR 2009, 971; OLG Brandenburg, Beschl. v. 8.7.1997 – 6 W 1/97, JurBüro 1997, 594. 6 BGH, WPM 1990, 2058; OLG Stuttgart, WRP 1980, 582; OLG Koblenz, KostRsp. UWG § 23a Nr. 16 = WRP 1990, 844. 7 Vgl. z.B. OLG München, WRP 1977, 277; 595; OLG Köln, WRP 1977, 49; grds. zustimmend, aber doch abschwächend BGH, JurBüro 1977, 1357.

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2652

Gewerblicher Rechtsschutz die Wertangabe des Klägers und die entsprechende Festsetzung geltend gemacht hat.1

* Æ Anmerkung: Das OLG Köln2 hat allerdings zutreffend darauf hingewiesen, dass den Angaben des Klägers in einem vorgerichtlichen Abmahnschreiben regelmäßig nur geringe Bedeutung zukommt, da die Wertangaben in diesem Stadium der Auseinandersetzung vielfach von dem Bestreben (mit-)bestimmt sind, durch einen moderaten Betrag die Bereitschaft zu einer außergerichtlichen Regelung zu fördern.

2653

Vertrauliche Angaben der Parteien, beispielsweise zum Umsatz, dürfen bei der Streitwertfestsetzung auch dann nicht berücksichtigt werden, wenn beide Parteien mit ihrer Verwertung einverstanden sind.3 Sind sie gleichwohl verwendet worden, dann ist die Wertfestsetzung alsbald zu korrigieren, wenn eine Partei ihre Geschäftszahlen offen legt oder Streitwertbeschwerde eingelegt wird.4

VI. Einstweilige Verfügung 2654

Der Streitwert einer einstweiligen Verfügung ist vom Gericht gem. § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen. Maßgebend ist dabei das Interesse des Antragstellers an dem erstrebten Unterlassungsgebot. Dieses Interesse wiederum wird vor allem bestimmt durch die Gefahr, die dem Umsatz des Antragstellers ohne den Erlass der einstweiligen Verfügung drohen würde.5

2655

Zu berücksichtigen ist dabei auch die subjektive Seite des Verstoßes. Die Bereitschaft des Verletzers, sich auf eine Verwarnung hin rechtstreu zu verhalten, indiziert die geringere Gefährlichkeit des Wettbewerbsverstoßes.6 Das Abwehrinteresse des Wettbewerbers an der Unterlassung ist streitwertmäßig geringer zu bewerten, wenn bereits ein Verfügungsurteil gegen den Verletzer erstritten worden ist.7

2656

Während ansonsten Einigkeit darüber herrscht, dass der Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens geringer anzusetzen ist als der Wert des entsprechenden Hauptsacheverfahrens, ist dies auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes umstritten. Da Wettbewerbsstreitigkeiten in mehr als 90 % Unterlassungsansprüche zum Gegenstand haben und davon wiederum mehr als 80 % im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verfolgt werden,8 kommt der Streitwertbemessung in wettbewerbsrechtlichen Eilverfahren besondere Bedeutung zu. – Eine Meinung legt den vollen Wert des Hauptsacheverfahrens generell9 oder jedenfalls dann zugrunde, wenn das Verfügungsverfahren mit hoher Wahr1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG München, WRP 1977, 278. OLG Köln, Beschl. v. 20.7.1999 – 6 W 34/99, OLGR 2000, 101. OLG Düsseldorf, GRUR 1956, 386. OLG Frankfurt, NJW 1962, 1921. OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.1.2004 – 25 W 77/03, GRUR-RR 2004, 344; OLG Celle, NJW 1964, 1527. OLG Frankfurt, JurBüro 1976, 368 = WRP 1976, 109. OLG Frankfurt, JurBüro 1982, 911. So Ulrich, GRUR 1984, 177. OLG München, Beschl. v. 26.5.2009 – 29 W 1498/09, JurBüro 2009, 484; OLG Hamburg, WRP 1981, 470; OLG München, WRP 1985, 661; Goldmann, WRP 2001, 240.

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Gewerblicher Rechtsschutz scheinlichkeit zur Erledigung der Streitigkeit der Parteien führt.1 Im Hinblick auf die generelle Gleichsetzung der Werte mit dem Hauptsachverfahren wird angeführt, dass die Differenzierungen und Bruchteilsbewertungen – schon wegen ihrer Beliebigkeit sowohl der Höhe der Abschläge als auch der Kriterien für deren Nichtanwendung – wenig praktikabel seien und nicht zu einem Gerechtigkeitsgewinn führten. Vielmehr sei mit ihnen ein erhöhter Begründungsaufwand verbunden, der bei einer Nebenentscheidung wie der Streitwertfestsetzung nicht zu rechtfertigen sei. – Die Gegenmeinung spricht sich zutreffend dafür aus, beim Verfügungsverfahren regelmäßig einen niedrigeren Streitwert anzusetzen, indem vom Hauptsachewert ein genereller Abzug vorgenommen wird.2 Denn für eine wertmäßige Gleichstellung sind die Unterschiede im Hinblick auf die prozessualen Wirkungen von Eilverfahren und Hauptverfahren zu groß.3 § 926 ZPO gibt die Möglichkeit, die Hauptsacheklage zu erzwingen. § 927 ZPO ermöglicht die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände. Nach § 938 Abs. 1 ZPO muss sich das Gericht nur im Rahmen des gestellten Antrags halten. Es geht nicht an, diese gravierenden Unterschiede der Verfahrensarten deshalb außer Betracht zu lassen, weil Wettbewerbsstreitigkeiten in der Praxis überwiegend schon im Eilverfahren erledigt werden. Der Titel im einstweiligen Verfügungsverfahren bringt zudem nur eine vorläufige Regelung. Auch wenn diese in der Praxis häufig von Parteien als endgültig akzeptiert und ein Hauptsacheverfahren nicht mehr durchgeführt wird, bleibt es dabei, dass der Verfügungskläger im „Ernstfall“ auf das Hauptsacheverfahren angewiesen ist.4 Die Prämisse, dass das wettbewerbsrechtliche Verfügungsverfahren meist zur Befriedigung des Anspruchs des Verfügungsklägers führt, bedeutet ja nicht, dass es sich immer so verhält. Dann aber kann es auch nicht richtig sein, den Streitwert immer an dem der Hauptsache auszurichten. Insofern muss diese Meinung bei der Streitwertbemessung an denjenigen Fällen scheitern, in denen es doch noch zur Durchführung des Hauptverfahrens kommt. Konsequenterweise müsste hier entweder der Verfügungs1 OLG Jena, Beschl. v. 16.12.2009 – 2 W 504/09, Magazindienst 2010, 318; OLG Schleswig, Beschl. v. 27.5.2008 – 6 W 9/08, OLGR 2008, 628; KG, Beschl. v. 26.11.2004 – 5 W 146/04, KGR 2005, 208; OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2000 – 6 W 23/00, JurBüro 2000, 648; OLG Bamberg, Beschl. v. 11.8.1998 – 3 W 86/98, OLGR 1999, 246; OLG Köln, JurBüro 1977, 1117 = JMBl.NW 1978, 45; OLG Celle, Beschl. v. 16.1.1980 – 13 W 100/ 79; OLG Frankfurt, WRP 1981, 221. 2 OLG Schleswig, Beschl. v. 27.5.2008 – 6 W 9/08, OLGR 2008, 628; OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.4.2007 – 3 W 485/07, JurBüro 2007, 364 = GRUR 2007, 815; KG, Beschl. v. 6.4.1999 – 5 W 12/99, NJW-RR 2000, 285; OLG Bremen, Beschl. v. 30.6.1997 – 2 W 37/97, OLGR 1997, 363; OLG Koblenz, DB 1969, 614; OLG Köln, KostRsp. GKG § 25 Nr. 126 mit zust. Anm. Schneider = GRUR 1988, 725 mit abl. Anm. Ahrens; OLG Oldenburg, WRP 1991, 602; OLG Frankfurt, WRP 1981, 221; Teplitzky, Wettbewerbsrecht, Kap. 49 Rn. 29. 3 Das früher gängige Argument, das Verfügungsverfahren sei auch deshalb anders zu bewerten als das Hauptsachverfahren, weil nur letzteres nach § 209 BGB a.F. die Verjährung unterbrach (vgl. nur OLG Bremen, Beschl. v. 30.6.1997 – 2 W 37/97, OLGR 1997, 363), kann infolge des Schulrechtsmodernisierungsgesetzes allerdings nicht mehr angeführt werden. Denn nach § 204 Nr. 1 und 9 BGB wirken Klage- und Verfügungsverfahren gleichermaßen verjährungshemmend. 4 Vgl. KG, Beschl. v. 26.11.2004 – 5 W 146/04, KGR 2005, 208.

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Gewerblicher Rechtsschutz wert herabgesetzt oder der Hauptsachewert höher angesetzt werden, was jedoch abgelehnt wird.1 2658

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Die generelle Annahme des Hauptsachestreitwertes für ein Verfügungsverfahren ist auch aus dem Grund abzulehnen, dass diese Ansicht die Vorschrift des § 40 GKG nicht berücksichtigt. Für die Bestimmung des Gebührenstreitwerts ist der Zeitpunkt der Antragstellung entscheidend.2 Ob die Parteien sich jedoch im Laufe eines Verfahrens einigen und deshalb das Verfahren für sie trotz seines einstweiligen Charakters eine endgültige Regelung herbeigeführt hat, lässt sich in diesem frühen Stadium zumeist noch nicht feststellen.

* Æ Hinweis: Lediglich in Ausnahmefällen, in denen eine solche Feststellung schon im Zeitpunkt des instanzeinleitenden Antrags möglich ist, erscheint es vertretbar, den Streitwert auf den vollen Hauptsachewert festzusetzen.3 Dies ist beispielsweise der Fall, wenn bei Antragstellung kein Gesichtspunkt erkennbar ist, der ein besonderes Interesse an einer urteilsmäßigen Wiederholung des in der einstweiligen Verfügung ausgesprochenen Verbots erkennen lässt,4 insbesondere, wenn die rechtlichen Beziehungen der Parteien im Verfügungsverfahren erschöpfend geklärt und gewürdigt werden, sodass kein Interesse des Verfügungsklägers an einem nachfolgenden Hauptprozess mehr besteht.5 Dann tritt die Sicherungsfunktion einer einstweiligen Verfügung so stark zurück, dass eine übereinstimmende Bezifferung der Streitwerte für Eilverfahren und Hauptverfahren angebracht ist.6

2658b

In den sonstigen Fällen hat es bei einer Bruchteilsbewertung7 zu verbleiben, wobei auch diese in der Rechtsprechung nicht einheitlich gehandhabt wird. Soweit die Gerichte mit einer Quote arbeiten, werden diese in einem Rahmen von 1/3 des Hauptsachewertes,8 über 2/59 und 1/210 bis zum 2/311 des Hauptsachewertes angesetzt. 1 OLG Köln, WRP 1983, 118. 2 Vgl. auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.1.2004 – 25 W 77/03, GRUR-RR 2004, 344; KG, Beschl. v. 26.11.2004 – 5 W 146/04, KGR 2005, 208 mit dem zutreffenden Hinweis, dass eine Schätzung über den voraussichtlichen Verfahrensausgang in den meisten Fällen spekulativ ist. 3 Insofern zutreffend OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2000 – 6 W 23/00, JurBüro 2000, 648 – der Senat stellt ausdrücklich darauf ab, dass bei Antragstellung zu erkennen war, dass das Verfügungsverfahren zu einer endgültigen Klärung führen würde. 4 OLG Düsseldorf, WRP 1969, 163; OLG Frankfurt, JurBüro 1981, 605 = WRP 1981, 221. 5 Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2000 – 6 W 23/00, JurBüro 2000, 648. 6 OLG Köln, JurBüro 1977, 117 = JMBl.NW 1978, 45; OLG Düsseldorf, WRP 1969, 163. 7 Generell gegen eine regelmäßige Bruchteilsbewertung auf der Grundlage des Hauptsachewertes hat sich das OLG Köln (OLGR 1995, 232 = JurBüro 1995, 486 = MDR 1995, 1140) ausgesprochen. 8 OLG Rostock, Beschl. v. 14.8.2006 – 3 W 78/06, OLGR 2006, 1004; OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2007 – 3 W 57/06, MDR 2007, 1225; OLG Koblenz, DB 1969, 614; ebenso KG, Beschl. v. 28.4.1988 – 25 W 2419/88, WRP 1989, 166; KG, WRP 1977, 793 mit Anm. Burchert: Hauptsachewert in dreifacher Höhe des Verfügungsverfahrens; KG, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 563; vgl. auch BGH, MDR 1979, 116 = NJW 1979, 217 = GRUR 1979, 121 mit Anm. Horn; KG, Beschl. v. 17.2.1987 – 5 U 6945/86, WRP 1987, 469. 9 OLG Bremen, Beschl. v. 30.6.1997 – 2 W 37/97, OLGR 1997, 363. 10 OLG Oldenburg, MDR 1991, 955; OLG Oldenburg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1128 = WRP 1993, 351. 11 KG, Beschl. v. 26.11.2004 – 5 W 146/04, unter Aufgabe der bisherigen Rspr. des Senats, wonach für das einstweilige Verfügungsverfahren 1/3 des Hauptsachewerts angesetzt wurde (vgl. nur KG, Beschl. v. 6.4.1999 – 5 W 12/99, NJW-RR 2000, 285).

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VII. Klagehäufung Klagen mehrere durch unlauteren Wettbewerb Geschädigte gegen einen Verletzer oder klagt ein Geschädigter gegen mehrere Verletzer oder klagen gar mehrere Geschädigte gegen mehrere Verletzer auf Unterlassung, dann werden dadurch entsprechend viele Streitgegenstände geschaffen. Weder sind mehrere Kläger Gesamtgläubiger noch mehrere Unterlassungsschuldner Gesamtschuldner. Denn jeder Gläubiger eines Unterlassungsanspruchs kann von jedem Verletzer eigenständig Unterlassung verlangen, auch wenn die materiellen Ansprüche inhaltsgleich sind, also dieselbe Verletzungshandlung betreffen.

2659

Hiervon ausgehend ist für die Streitwertberechnung bei identischen Unterlassungsbegehren mehrerer Kläger eigentlich eine Addition der Einzelwerte geboten (§ 5 ZPO). Das kann allerdings zu außerordentlich hohen Streitwerten führen, die der wirtschaftlichen Bedeutung der Unterlassungsverfügung oder des Unterlassungsprozesses nicht mehr entsprechen. Der BGH1 hat daher für solche Fälle entschieden, dass vom höchsten Interesse eines der Kläger auszugehen und für jeden weiteren Kläger ein Zuschlag in der Höhe zu machen ist, die seinem Interesse daran entspricht, den titulierten Anspruch ggf. selbständig geltend machen zu können.

2660

* Æ Anmerkung:

2661

Die früher vertretenen Lösungsmöglichkeiten (Abstellen nur auf das gemeinsame Interesse der Antragsteller,2 nachträgliche Ermäßigung des durch Addition gewonnenen Gesamtstreitwerts, weil durch die verbundene Inanspruchnahme die Wiederholungsgefahr vermindert wird,3 Ansetzen von geringen Einzelstreitwerten, weil dem Unterlassungsbeklagten bei der gleichzeitigen Inanspruchnahme mehrere Kläger höhere Kosten entstehen4) werden sich angesichts der zum gleichen Ergebnis führenden Ansicht des BGH langfristig nicht mehr halten können.

VIII. Anspruchshäufung Wird die Klage auf Schadensersatz wegen einer Wettbewerbsverletzung verbunden mit einer Klage auf künftige Unterlassung desselben schädigenden Verhaltens, so ist der Unterlassungsanspruch grundsätzlich höher zu bewerten als der Schadensersatzanspruch, weil er unbegrenzt in die Zukunft gerichtet und damit umfassender ist.5

2662

Sind Werbebehauptungen, deren Unterlassung begehrt wird, inhaltlich nicht selbständig abgrenzbar, sondern nur Variationen und Modifikationen, Einschränkungen und Erweiterungen des gleichen Gedankens, so kommt, auch

2663

1 BGH, Beschl. v. 5.3.1998 – I ZR 185/95, MDR 1998, 1237; ebenso: KG, Beschl. v. 6.4.1999 – 5 W 12/99, NJW-RR 2000, 285 und schon OLG Stuttgart, WRP 1988, 632; vgl. auch BGH, Urt. v. 17.1.2002 – I ZR 241/99, BGHZ 149, 371 = MDR 2002, 898 zur missbräuchlichen Mehrfachabmahnung durch Konzernunternehmen; wohl anders OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.4.2007 – 3 W 485/07, OLGR 2007, 540 = JurBüro 2007, 364 = GRUR 2007, 815. 2 OLG Hamburg, JurBüro 1979, 50 unter Berufung auf Schneider, MDR 1972, 523; zweites Beschwerdeverfahren in derselben Sache: OLG Hamburg, JurBüro 1979, 732. 3 OLG Koblenz, JurBüro 1985, 257 = WRP 1985, 45. 4 So OLG Celle, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 66 = JurBüro 1987, 109. 5 OLG München, JurBüro 1954, 188.

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Gewerblicher Rechtsschutz wenn der Klageantrag diese Behauptungen in verschiedene Teile zerlegt und unter verschiedenen Ziffern anführt, nur ein Streitwert in Betracht. Sind dagegen die mit den einzelnen Klageanträgen bekämpften Werbebehauptungen voneinander unabhängig und selbständig, so sind für die Anträge gesonderte Streitwerte festzusetzen,1 und zwar auch dann, wenn die verschiedenen Behauptungen in einem Rundschreiben enthalten waren oder bei derselben Gelegenheit gefallen sind.2 2664

Neben dem Antrag auf Unterlassung soll nach Ansicht einiger Gerichte der Antrag auf Veröffentlichung (vgl. z.B. § 7 UKlaG, § 12 Abs. 3 UWG, § 103 UrhG) grundsätzlich keine selbständige Bedeutung haben, weshalb auch kein besonderer Streitwert festgesetzt werden könne.3 Diese Auffassung dürfte kaum richtig sein. Sie widerspricht dem Grundsatz, dass das Interesse des Klägers für den Streitwert maßgebend ist. Wer aber zur Unterlassung zusätzlich die Befugnis zur Veröffentlichung begehrt, verlangt eben mehr als nur Unterlassung. Das muss in der Streitwertbemessung zum Ausdruck kommen.4 Für den Antrag auf Zuerkennung der Veröffentlichungsbefugnis ist deshalb in jedem Fall ein besonderer, nach § 3 ZPO zu schätzender Einzelstreitwert festzusetzen,5 der sich nicht auf die Höhe der voraussichtlichen Druckkosten beschränkt.6 Überwiegend werden 10 % des Wertes des Unterlassungsanspruchs angesetzt.7

IX. Wiederholte Anträge 2665

Ist das Rechtsschutzbedürfnis für eine wiederholte einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen zu bejahen (z.B. für den Verfügungsantrag eines gemeinnützigen Verbandes, nach dem der Hauptwettbewerber bereits selbst eine Untersagung erstritten hatte), so ist der Streitwert für das wiederholte Eilverfahren nicht deshalb geringer zu bewerten, weil bereits ein Verbot vorliegt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Beklagte sein Verhalten fortsetzt.

2666

Der Streitwert eines wiederholten Unterlassungsprozesses ist allerdings dann geringer zu bewerten, wenn bereits eine andere Partei einen Unterlassungstitel erstritten hat,8 zumal angenommen werden muss, dass sie diesen Titel auch vollstrecken wird.9 Anders kann es sich allerdings verhalten, wenn die Notwendigkeit wiederholter Anrufung des Gerichts nur durch die Hartnäckigkeit des Verletzers zu erklären ist. 1 LG Osnabrück, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 735 = AnwBl. 1985, 106. 2 OLG Frankfurt, GRUR 1955, 309. 3 OLG Karlsruhe, WRP 1958, 190; OLG Stuttgart, NJW 1959, 890; OLG Nürnberg, JurBüro 1967, 72. 4 Zutreffend OLG Frankfurt, GRUR 1955, 450. 5 So auch OLG Frankfurt, GRUR 1955, 450; OLG Frankfurt, JurBüro 1972, 706; OLG Hamburg, MDR 1977, 142. 6 OLG Hamm, JMBl.NW 1954, 177. 7 OLG Köln, Urt. v. 14.4.2000 – 6 U 135/99, ZIP 2000, 2017; OLG Celle, Urt. v. 2.3.2000 – 13 U 280/98, GRUR-RR 2001, 125; OLG Nürnberg, Urt. v. 20.7.1999 – 3 U 1559/99, JurBüro 2000, 275. 8 OLG Stuttgart, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 824 = NJW-RR 1986, 432. 9 OLG Frankfurt, WRP 1974, 630.

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Gewerblicher Rechtsschutz

C. Streitwertbegünstigung I. Allgemeines Um Rechtssuchende durch hohe Streitwerte und den damit verbundenen finanziellen Aufwand für den Zugang zu den Gerichten nicht rechtlos zu stellen,1 sind in den § 12 Abs. 4 UWG, § 144 PatG, § 26 GebrMG, § 142 MarkenG, § 54 GeschmMG soziale Kostenschutzvorschriften eingefügt worden.2 Alle diese Bestimmungen stehen mit der Verfassung in Einklang.3

2667

Da die Streitwertbegünstigung sich nur auf den Gebührenstreitwert, nicht dagegen auf den Zuständigkeits- oder den Rechtsmittelstreitwert bezieht, spricht man von einem „gespaltenen“ Streitwert.

2668

Die früher in § 23a UWG a.F. enthaltene Vorschrift zur Bemessung des Streitwerts findet sich nach der Neufassung des UWG zum 3.7.20044 in § 12 Abs. 4 UWG. Die Regelung ist anwendbar auf alle Verfahren, in denen Ansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG, also Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen bei unlauteren Wettbewerbshandlungen im Sinne des § 3 UWG geltend gemacht werden. Insofern sind die Anwendungsbereiche von § 12 Abs. 4 UWG und § 23a UWG a.F. deckungsgleich.

2669

Der frühere § 23b UWG a.F., der auf Antrag einer Partei eine Streitwertbegünstigung vorsah, ist im UWG nicht mehr enthalten. Mangels eines eigenständigen Anwendungsbereichs im UWG neben § 12 UWG hat der Gesetzgeber bei der Neuregelung von einer Nachfolgevorschrift abgesehen.5 Entsprechende Vorschriften finden sich allerdings weiterhin in den übrigen Gesetzen des gewerblichen Rechtsschutzes (vgl. § 144 PatG, § 26 GebrMG, § 142 MarkenG, § 54 GeschmMG).

2670

II. Abgrenzung zur Prozesskostenhilfe Die Vorschriften zur Streitwertbegünstigung bezwecken einen Kostenausgleich, um wegen der oft hohen Streitwerte in wettbewerbsrechtlichen Prozessen eine faktische Rechtswegsperre abzubauen. Diese Regelungen stehen selbständig neben der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und weichen in ihren gesetzlichen Voraussetzungen von denen des § 115 ZPO ab. Maßgebend ist für die Streitwertbegünstigung allein, ob die Kostenbelastung des konkreten Rechtsstreits den Antragsteller nach dem Stand seines realen Einkommens und Vermögens wirtschaftlich untragbar belasten würde (vgl. § 144 PatG, § 26 GebrMG, § 142 MarkenG, § 54 GeschmMG) bzw. ob die Sache nach Art und Umfang einfache gelagert ist oder die Belastung mit den vollen Kosten nicht tragbar erscheint (§ 12 Abs. 4 UWG). 1 Vgl. BVerfG, NJW 1997, 312 (allgemeiner Justizgewährungsanspruch). 2 Keine analoge Anwendung auf das UrhG (OLG Saarbrücken, KostRsp. UWG § 23b Nr. 26 = CR 1991, 549), oder bei reinen Markenrechtssachen, bei denen die Klage nicht zusätzlich auf das UWG gestützt wird (OLG Frankfurt, KostRsp. WZG § 31a Nr. 4 = JurBüro 1990, 247). 3 BVerfG, MDR 1991, 610; KG, WRP 1978, 300 = AnwBl. 1978, 142 m.w.N.; a.A. Lambsdorff/Kanz, BB 1983, 2215. 4 BGBl. I, 1414. 5 Vgl. Begr. RegE zu UWG § 12 Abs. 4 Nr. 5c S. 26.

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Gewerblicher Rechtsschutz 2672

Ob dagegen die Rechtsverfolgung der die Streitwertbegünstigung beantragenden Partei aussichtsreich erscheint, ist unerheblich.1 Lediglich wenn die Klage völlig aussichtslos2 oder mutwillig bzw. rechtsmissbräuchlich3 ist, kann daran die Festsetzung eines verminderten Gebührenstreitwertes scheitern.4

2673

Die Vorschriften über die Streitwertbegünstigung setzen auch – anders als die Bewilligung von Prozesskostenhilfe – nicht voraus, dass der Antragsteller hilfsbedürftig im Sinne des Prozesskostenhilferechts ist.5 Bestehende Hilfsbedürftigkeit hindert aber umgekehrt nicht die Streitwertbegünstigung. Welche Bedeutung die Streitwertbegünstigung auch für eine hilfsbedürftige Partei hat, ergibt sich aus § 123 ZPO. Denn trotz bewilligter Prozesskostenhilfe muss auch sie bei Unterliegen dem Gegner dessen Kosten voll erstatten. Dagegen wirken die Streitwertbegünstigungen nach § 144 PatG, § 26 GebrMG, § 142 MarkenG und § 54 GeschmMG endgültig und auch gegenüber dem obsiegenden Gegner.6

III. Streitwertbemessung nach § 12 Abs. 4 UWG 2674

Die Vorschrift des § 12 Abs. 4 UWG, deren gleichlautende Vorgängervorschrift (§ 23a UWG a.F.) als verfassungsgemäß angesehen wurde,7 lautet: „Bei der Bemessung des Streitwerts für Ansprüche nach § 8 Abs. 1 ist es wertmindernd zu berücksichtigten, wenn die Sache nach Art und Umfang einfach gelagert ist oder wenn die Belastung einer der Parteien mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert angesichts ihrer Vermögens- und Einkommensverhältnisse nicht tragbar erscheint.“

1. Anwendungsbereich 2674a

§ 12 Abs. 4 UWG gilt neben den Leistungsklagen auch für negative Feststellungsklagen8 und für Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Die Regelung gilt für alle Instanzen, jedoch nicht für das Vollstreckungsverfahren. Sie ist auch dann anwendbar, wenn ein Unterlassungsanspruch nicht ausschließlich auf § 8 Abs. 1 UWG, sondern daneben zusätzlich auf Anspruchsgrundlagen aus einem anderen Gesetz gestützt wird.9 Bei einer reinen Kenn1 BGH, GRUR 1990, 1052; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.8.2004 – 2 W 5/03, InstGE 5, 70; OLG Koblenz, Beschl. v. 27.10.1995 – 6 W 453/95, WRP 1996, 40 = GRUR 1996, 139; OLG Koblenz, KostRsp. UWG § 23b Nr. 14 = JurBüro 1985, 279. 2 OLG Hamm, AG 1993, 407 = WPM 1993, 1283. 3 BGH, NJW-RR 1992, 484 = ZIP 1991, 1581. 4 OLG Hamm, WPM 1993, 1283; BGH, NJW-RR 1992, 484 = ZIP 1991, 1581 beide zu der vergleichbaren Regelung des § 247 AktG. 5 BGH, LM PatG § 53 Nr. 1. 6 Das ist vom OLG Frankfurt (KostRsp. AktG § 247 Nr. 13 mit abl. Anm. Lappe = ZIP 1990, 268 = JurBüro 1990, 647) verkannt worden, das in der Bewilligung von Prozesskostenhilfe einen wesentlichen Umstand für die Entscheidung auf Herabsetzung des Streitwertes nach § 247 Abs. 2 AktG gesehen hat. Im Ergebnis aber zust. Hüffer, EWiR § 247 AktG 1/90, 427. 7 H.M., vgl. OLG Koblenz, KostRsp. UWG § 23a Nr. 11 = WRP 1989, 815 = JurBüro 1989, 1728 = NJW-RR 1989, 1441 = GRUR 1989, 764; abzuleiten auch daraus, dass das Bundesverfassungsgericht (NJW-RR 1991, 1134 = MDR 1991, 610) die noch weiter gehende Vorschrift des § 23b UWG a.F. als verfassungsgemäß eingestuft hat. 8 KG, KostRsp. UWG § 23a Nr. 5 = WRP 1988, 373. 9 OLG Stuttgart, Beschl. v. 3.8.1987 – 2 W 20/87, NJW-RR 1988, 304; OLG Köln, Beschl. v. 30.5.1988 – 6 W 52/88, WRP 1988, 623; ebenso für § 23b UWG der BGH,

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Gewerblicher Rechtsschutz zeichenstreitigkeit jedoch, bei der die Klage nicht zusätzlich auf Vorschriften des UWG gestützt wird oder bei einer Klage auf Schadensersatz nach § 9 UWG, ist § 12 Abs. 4 UWG dagegen unanwendbar.1 2. Tatbestandsvoraussetzungen a) Einfach gelagerte Sache Streitwertmindernd ist zu berücksichtigen, wenn die Sache nach Art und Umfang einfach gelagert ist. Dies ist der Fall, wenn sie nach Art und Umfang ohne größeren Arbeitsaufwand von den Parteien bzw. ihren Anwälten und dem Gericht zu bearbeiten ist und damit „tägliche Routinearbeit“ darstellt.2

2675

Maßgeblich für die Beurteilung der Art der Sache ist die Frage, ob der Sachverhalt ohne umfangreiche oder schwierige Beweisaufnahme zu klären ist und ob die anfallenden Rechtsfragen ohne Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur geklärt werden können.3

2676

* Æ Beispiel: Der Sache nach einfach gelagerte Streitigkeiten sind beispielsweise serienweise wiederkehrende Wettbewerbsverletzungen oder rechtlich eindeutige Verstöße.

Keine im Sinne von § 12 Abs. 4 UWG alltägliche Routinearbeit liegt dagegen vor, wenn beispielsweise zu beurteilen ist, welche Bedeutung eine vom Beklagten vorgetragene Drittunterwerfung in Bezug auf die erforderliche Wiederholungsgefahr hat.4 Der Umfang der Sache kann dann als einfach gelagert bezeichnet werden, wenn die Verletzungshandlung unstreitig oder vom Gericht visuell wahrnehmbar5 ist und ein einziger, maximal zwei Schriftsätze von wenigen Seiten genügen, um eine den Rechtsstreit abschließende einstweilige Verfügung zu erwirken.6

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MDR 1968, 300 = NJW 1968, 593 = GRUR 1968, 333 mit zust. Anm. Droste; OLG Köln, OLGR 1995, 169 = WRP 1995, 421. OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.9.1989 – 6 W 101/89, JurBüro 1990, 247 = GRUR 1989, 932. Hier kommt dann nur die Streitwertbegünstigung nach § 142 MarkenG in Betracht. OLG Jena, Beschl. v. 16.12.2009 – 2 W 504/09, Magazindienst 2010, 318; KG, Beschl. v. 14.11.2006 – 5 W 254/06, KGR 2007, 290 = GRUR-RR 2007, 63; OLG Köln, KostRsp. UWG § 23a Nr. 2 = WRP 1987, 690 = NJW-RR 1988, 304; LG Münster, Urt. v. 4.4.2007 – 2 O 594/06, MMR 2008, 130. OLG Jena, Beschl. v. 16.12.2004 – 2 W 630/04, OLG-NL 2005, 44; OLG Köln, GRUR 1995, 446; OLG Köln, GRUR 1993, 597; OLG Köln, NJWE-WettbR 2000, 247; OLG Koblenz, GRUR 1990, 58; LG Münster, Urt. v. 4.4.2007 – 2 O 594/06, MMR 2008, 130. OLG Jena, Beschl. v. 16.12.2009 – 2 W 504/09, Magazindienst 2010, 318. KG, GRUR 1987, 453; OLG Köln, GRUR 1993, 597. KG, Beschl. v. 14.11.2006 – 5 W 254/06, KGR 2007, 290 = GRUR-RR 2007, 63; vgl. auch OLG Köln, KostRsp. UWG § 23a Nr. 2 = WRP 1987, 690 = NJW-RR 1988, 304: Ein Schriftsatz von fünf Seiten nebst beigefügtem Abmahnschreiben; OLG Bamberg, Beschl. v. 11.8.1998 – 3 W 86/98, OLGR 1999, 246: Der gesamte Streitstoff konnte in einem Schriftsatz dargestellt werden und der Wettbewerbsverstoß ergab sich aus einer Werbeanzeige.

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Gewerblicher Rechtsschutz

* Æ Beispiel: Nach Art und Umfang einfach gelagerte Streitigkeiten liegen vor, wenn sich der Wettbewerbsverstoß aus der beanstandeten Zeitungsanzeige ergibt1 oder das wettbewerbswidrige Verhalten des Beklagten (die Bezeichnung als Architekt ohne Mitglied der Architektenkammer zu sein) nach dem vorgelegten Schriftwechsel offenkundig ist.2

2678

Nicht einfach gelagert ist dagegen eine Sache ihrem Umfang nach, wenn der Anspruchsgegner verschiedene Einwendungen erhoben und umfangreiche Unterlagen vorgelegt hat, mit denen sich der Antragsteller zur Vorbereitung des Termins befassen muss.3 Gleiches gilt, wenn das Gericht den Erlass der einstweiligen Verfügung im Beschlusswege ablehnt und erst nach Widerspruch im Urteilsverfahren erlässt.4

2679

Muss eine Beweisaufnahme durchgeführt werden, spricht dies nicht generell gegen den einfachen Umfang der Sache. Hier kommt es auf die Zahl der Zeugen, den Umfang der Beweisthemen und ggf. auf den Umfang des Sachverständigengutachtens an.

2680

Maßgebend für die Beurteilung des Umfangs der Sache ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, da regelmäßig erst dann eine abschließende Beantwortung dieser Frage möglich ist.5 Dementsprechend ist es auch belanglos, ob wertmindernde Umstände bereits bei Klageerhebung oder Einreichung des Verfügungsantrages bestanden haben oder erkennbar gewesen sind.6 b) Untragbare Belastung

2681

Der Streitwert ist auch dann zu vermindern, wenn eine Belastung einer der Parteien mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert angesichts ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht tragbar erscheint. Es ist abzuwägen zwischen der wirtschaftlichen Lage der Partei einerseits und der Höhe der Kostenbelastung andererseits.7 Dagegen ist es für eine Ermäßigung des Streitwerts nicht erforderlich, dass die Partei überhaupt nicht in der Lage ist, die betreffenden Kosten aufzubringen.8 Die Begünstigung greift auch ein, wenn die einkommensschwache Partei obsiegt und daher gar nicht zur Kostentragung verpflichtet ist.9

2682

Die Partei muss, obwohl die Streitwertbegünstigung von Amts wegen zu veranlassen ist, ihre finanziellen Verhältnisse darlegen und ggf. beweisen, wenn

1 OLG Köln, KostRsp. UWG § 23a Nr. 18 mit Anm. Herget = MDR 1994, 267 = JurBüro 1994, 241: Der Wert wurde auf 60.000 DM festgesetzt. 2 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 10.3.2003 – 4 W 19/03, OLGR 2003, 268. 3 OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2000 – 6 W 23/00, JurBüro 2000, 648 = WRP 2000, 650; OLG Koblenz, KostRsp. UWG § 23a Nr. 12 = WRP 1990, 57 = GRUR 1989, 58; OLG Koblenz, GRUR 1990, 58. 4 OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2000 – 6 W 23/00, JurBüro 2000, 648. 5 OLG Köln, KostRsp. UWG § 23a Nr. 6 mit Anm. Schneider = WRP 1988, 623; OLG Koblenz, KostRsp. UWG § 23a Nr. 7 mit Anm. Schneider = WRP 1988, 763. 6 OLG Koblenz, KostRsp. UWG § 23a Nr. 7 mit Anm. Schneider = WRP 1988, 763. 7 BGH, Beschl. v. 5.3.1998 – I ZR 185/95, MDR 1998, 1237; BGH, Beschl. v. 27.1.1994 – I ZR 276/91, GRUR 1994, 385. 8 BGH, Beschl. v. 5.3.1998 – I ZR 185/95, MDR 1998, 1237. 9 BGH, Beschl. v. 27.1.1994 – I ZR 276/91, GRUR 1994, 385.

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Gewerblicher Rechtsschutz diese nicht ausnahmsweise gerichtsbekannt sind.1 Das Gericht hat zwar alle Umstände, die zur Herabsetzung des Streitwertes führen können, von Amts wegen zu berücksichtigen, es bedarf also keines Antrages.2 Ohne einen solchen Antrag wird das Gericht allerdings mangels einer dahingehenden Anregung und hinreichender Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse keinen Anlass haben, eine Herabsetzung zu erwägen.3 c) Keine doppelte Ermäßigung Für die Wertermäßigung reicht es aus, dass eine der beiden wertmindernden Alternativen (einfach gelagert – untragbare Kostenbelastung) gegeben ist. Sind jedoch beide erfüllt, dann führt das nicht zu einer zusätzlichen Streitwertverminderung, da der Wortlaut insofern eindeutig ist („oder“).4 Liegen die Voraussetzungen für eine Wertermäßigung nach beiden Alternativen des § 12 Abs. 4 UWG vor, dann ist bei der Bewertung von derjenigen Alternative auszugehen, die im Einzelfall zu der größtmöglichen Minderung führt.5

2683

d) Streitwertermäßigung für Verbände Die Regelung des § 12 Abs. 4 UWG gilt nicht nur für Mitbewerber, sondern auch für klagebefugte Verbände. Hier ist allerdings eine Besonderheit bei Klagen von Verbänden im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen) zu beachten. Solche Verbände müssen nämlich – um überhaupt als klagebefugt anerkannt zu werden – über eine angemessene finanzielle Ausstattung verfügen. Sie müssen sich also über ihre Verbandsmitglieder ausreichend finanzieren, um auch höhere Streitwerte ohne Herabsetzung führen zu können. Im Hinblick darauf ist die Anwendung des § 12 Abs. 4 UWG zwar nicht ausgeschlossen, weil das Erfordernis der finanziellen Ausstattung nicht dahingehend ausgelegt wird, dass die Verbände aus eigenen Mitteln jegliches (Groß-)Verfahren finanzieren können. Es wird aber eine Grenze gezogen, bis zu deren Erreichen eine Streitwertherabsetzung nicht in Betracht kommt.

2684

Nach einer Entscheidung des BGH6 können sich Verbände nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nur dann auf die Streitwertbegünstigung berufen, wenn der volle Streitwert deutlich über der Revisionssumme liegt. Denn ohne eine Anwendung des § 12 Abs. 4 UWG würde in solchen Fällen die vom UWG gewollte Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch Verbände gerade in Fällen mit besonderem wirtschaftlichen Gewicht erheblich erschwert oder unmöglich gemacht.7 Verbände nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG müssen daher über eine fi-

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1 BGH, GRUR 1990, 1052. 2 OLG Koblenz, KostRsp. UWG § 23a Nr. 7 mit Anm. Schneider = WRP 1988, 763; OLG Koblenz, KostRsp. UWG § 23a Nr. 12 = WRP 1990, 57 = GRUR 1989, 58; KG, KostRsp. UWG § 23a § 9 = WRP 1989, 97. 3 S. OLG Koblenz, KostRsp. UWG § 23a Nr. 16 = WRP 1990, 844. 4 OLG Koblenz, KostRsp. UWG § 23a Nr. 7 = WRP 1988, 763; KG, KostRsp. UWG § 23a Nr. 8 = WRP 1989, 166; OLG Köln, GRUR 1995, 446. 5 OLG Köln, KostRsp. UWG § 23a Nr. 20 = OLGR 1995, 169 = WRP 1995, 421; OLG Koblenz, KostRsp. UWG § 23a Nr. 16 = WRP 1990, 844. 6 BGH, Beschl. v. 5.3.1998 – I ZR 185/95, MDR 1998, 1237. 7 BGH, Beschl. v. 27.1.1994 – I ZR 276/91, GRUR 1994, 385.

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Gewerblicher Rechtsschutz nanzielle Ausstattung verfügen, die es ihnen ermöglicht, Prozesse mit Streitwerten bis zu 30.000 Euro ohne Streitwertminderung zu führen. Erst bei darüber hinausgehenden Streitwerten kommt eine Streitwertbegünstigung in Betracht.1 3. Rechtsfolgen 2686

Das Gericht hat im Wege der Schätzung zunächst den „vollen“ Streitwert nach § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO zu bestimmen und danach von Amts wegen über eine Verringerung dieses Wertes aufgrund der Streitwertbegünstigung zu entscheiden.2

2687

Bei Festsetzung eines verminderten Streitwerts nach § 12 Abs. 4 UWG ist gleichzeitig der volle, sich aus § 3 ZPO ergebende Wert festzusetzen, da er weiterhin für die sachliche Zuständigkeit und die Höhe der Beschwer maßgebend bleibt.3 Nach Widerspruch gegen eine Beschlussverfügung ist jedoch nach Abschluss der Instanz zu prüfen, ob es bei der Streitwertherabsetzung verbleiben kann, weil auch bei § 12 Abs. 4 UWG der Grundsatz der Streitwertwahrheit gilt.4

2688

Welche Minderung des Streitwerts das Gericht vorzunehmen hat, ist nicht gesetzlich vorschrieben. Es bietet sich an, bei der ersten Alternative Schwierigkeitsgrad und Umfang zu berücksichtigen. Je einfacher die Sache nach Art und Umfang ist, desto höher wird der Minderungsabschlag ausfallen können.5 Bei der zweiten Alternative hat das Gericht eine Abwägung zwischen der Kostenbelastung einerseits und der wirtschaftlichen Lage der Partei andererseits vorzunehmen.

2689

Die im Rahmen von § 23a UWG a.F. entwickelte Ermäßigungsstaffel des KG6 kann auf § 12 Abs. 4 UWG übertragen werden. Bei der finanziellen Entlastung einer Partei durch Streitwertermäßigung setzt das KG7 regelmäßig die Hälfte des vollen Streitwerts an. Das OLG Koblenz8 ermäßigt den Streitwert auf 1/2 bis 1/4.

2690

Soweit das Verfahren von einem gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugten Verband geführt wird, nimmt das OLG Koblenz9 die Streitwertermäßigung wie folgt vor: Auszugehen ist von einem Sockelbetrag von 10.000 DM, sodann sind 10 % des darüber hinausgehenden Betrages des vollen Streitwertes hinzuzurechnen. Diese Berechnungsweise entspricht der Rechtsprechung des KG.10

1 BGH, GRUR 1998, 958; BGH, Beschl. v. 27.1.1994 – I ZR 276/91, GRUR 1994, 385. 2 BGH, Beschl. v. 27.1.1994 – I ZR 276/91, GRUR 1994, 385. 3 KG, KostRsp. UWG § 23a Nr. 1 = WRP 1987, 469; KG, KostRsp. UWG § 23a Nr. 9 = WRP 1989, 97; OLG Koblenz, KostRsp. UWG § 23a Nr. 16 = WRP 1990, 844. 4 OLG Koblenz, KostRsp. UWG § 23a Nr. 12 = WRP 1990, 57 = GRUR 1989, 58. 5 Teplitzky, Wettbewerbsrecht, Kap. 49 Rn. 64. 6 KG, WRP 1987, 469, 470; KG, KostRsp. UWG § 23a Nr. = WRP 1989, 97. 7 KG, Beschl. v. 14.11.2006 – 5 W 254/06, KGR 2007, 290 = GRUR-RR 2007, 63; KG, KostRsp. UWG § 23a Nr. 9 = WRP 1989, 97; so auch: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 10.3.2003 – 4 W 19/03, OLGR 2003, 268; OLG Bamberg, Beschl. v. 11.8.1998 – 3 W 86/98, OLGR 1999, 246; LG Münster, Urt. v. 4.4.2007 – 2 O 594/06, MMR 2008, 130. 8 OLG Koblenz, KostRsp. UWG § 23a Nr. 7 = WRP 1988, 763. 9 OLG Koblenz, KostRsp. UWG § 23a Nr. 11 = WRP 1989, 815 = JurBüro 1989, 1728 = NJW-RR 1989, 1441 = GRUR 1989, 764. 10 KG, KostRsp. UWG § 23b Nr. 1 = AnwBl. 1978, 142 = WRP 1977, 717.

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Gewerblicher Rechtsschutz Dieser Sockelbetrag soll aber angehoben werden, wenn sich die wirtschaftliche Lage des Verbandes später wesentlich verbessert.1 Nach der Rechtsprechung des BGH2 kommt bei Verbänden im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG bis zu einer Streitwerthöhe von 30.000 Euro eine Begünstigung nicht in Betracht, weil die Mittel eines Verbandes für solche Prozesse auszureichen haben. Der BGH hat lediglich insoweit eine Einschränkung gemacht, dass eine Streitwertbegünstigung bei Werten bis 30.000 Euro ausnahmsweise dann in Betracht kommt, wenn der Verband außergewöhnliche Umstände darlege, nach denen die Belastung mit den vollen Kosten als eine besondere Härte erscheine. Solche außergewöhnlichen Umstände könnten etwa in einer Häufung von Verfahren mit besonders hohem Kostenrisiko oder in einer ungewöhnlichen Anzahl von Passivprozessen liegen, die den eigentlich für die Führung von Verfahren ausreichenden Prozesskostenfonds ausgeschöpft hätten.

2691

Insgesamt ist eine zurückhaltende Anwendung des § 12 Abs. 4 UWG zu beobachten, die auf der einen Seite geprägt ist von dem Bestreben, das Kostenbewusstsein der Parteien zu erhalten – auch eine wirtschaftlich schwache Partei soll kein leichtfertiges Prozessieren ermöglicht werden3 – und auf der anderen Seite schematische Abschläge vermeiden will.4

2692

IV. Streitwertbemessung nach § 51 Abs. 2 GKG Nach § 51 Abs. 2 GKG sind bei der Bestimmung des Streitwertes die Vorschriften über die Anordnung der Streitwertbegünstigung nach § 144 PatG, § 26 GebrMG, § 142 MarkenG und § 54 GeschmMG zu beachten. Sämtliche Regelungen lauten wie folgt:

2693

„Macht in einer (Patent-, Gebrauchsmuster-, Marken-, Geschmacksmusterstreitsache) eine Partei glaubhaft, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Gericht auf ihren Antrag anordnen, dass die Verpflichtung dieser Partei zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwertes bemisst. Die Anordnung hat zur Folge, dass die begünstigte Partei die Gebühren ihres Rechtsanwalts ebenfalls nur nach diesem Teil des Streitwerts zu entrichten hat. Soweit ihr die Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden oder soweit sie diese übernimmt, hat sie die von dem Gegner entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsanwalts nur nach dem Teil des Streitwerts zu erstatten. Soweit die außergerichtlichen Kosten dem Gegner auferlegt oder von ihm übernommen werden, kann der Rechtsanwalt der begünstigten Partei seine Gebühren von dem Gegner nach dem für diesen geltenden Streitwert beitreiben. Der Antrag nach Absatz 1 kann vor der Geschäftsstelle des Gerichts zur Niederschrift erklärt werden. Er ist vor der Verhandlung zur Hauptsache anzubringen. Danach ist er nur zulässig, wenn der angenommene oder festgesetzte Streitwert später durch das Gericht heraufgesetzt wird. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Gegner zu hören.“

Die gebührenrechtlichen Folgen dieser Vorschriften sind beachtlich: Da der Gegner nicht von der Ermäßigung profitiert, muss er sowohl dem Gericht als 1 OLG Koblenz, KostRsp. UWG § 23a Nr. 1 = WRP 1990, 851 = JurBüro 1989, 1728 = NJW-RR 1989, 1441 = GRUR 1989, 764. 2 BGH, Beschl. v. 5.3.1998 – I ZR 185/95, MDR 1998, 1237 = GRUR 1998, 958. 3 OLG Koblenz, GRUR 1988, 474. 4 BGH, Beschl. v. 27.1.1994 – I ZR 276/91, GRUR 1994, 385; OLG Stuttgart, WRP 1993, 536.

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Gewerblicher Rechtsschutz auch seinem Anwalt gegenüber Gebühren nach dem vollen Streitwert zahlen. Selbst bei vollem Obsiegen bleibt er also mit der Differenz belastet.1 Das Bundesverfassungsgericht hat die gleich lautende Vorschrift des § 23b UWG a.F. allerdings nicht beanstandet.2 1. Anwendungsbereich 2695

Es muss sich um ein Verfahren handeln, in dem Ansprüche aus einem in dem jeweiligen Spezialgesetz geregelten Rechtsverhältnis geltend gemacht werden. Erfasst werden sowohl die Eilverfahren als auch die Hauptsacheverfahren, jeweils in allen Instanzen. Die Herabsetzung des Streitwerts in Rechtsstreitigkeiten wegen Verletzung gewerblicher Schutzrechte ist auch dann zulässig, wenn der Klageantrag zugleich auf Bestimmungen des UWG oder auch des BGB gestützt wird.3 2. Tatbestand a) Erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage

2696

Die Ausfüllung des Begriffes der „erheblichen Gefährdung der wirtschaftlichen Lage“ hat der Gesetzgeber der Rechtsprechung überlassen. Der Begriff ist einerseits weniger streng als die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 114 ZPO, denn die Streitwertbegünstigung soll auch dann eingreifen können, wenn Prozesskostenhilfe nicht in Betracht kommt – insbesondere ist erstere unabhängig von den Erfolgsaussichten des beabsichtigten Verfahrens.4 Andererseits rechtfertigt nicht jede wirtschaftliche „Schieflage“ des Antragstellers auch eine Streitwertreduzierung. Denn gerade mit Rücksicht auf den Gegner muss auch der Antragsteller ein gewisses Kostenrisiko übernehmen. Bei der Berechnung dieses Risikos kann – auch wenn die beiden Institute unterschiedlich sind – eine Orientierung an der Kostenbelastung bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgen.5

2697

Für einen Antrag auf Streitwertbegünstigung muss der Antragsteller glaubhaft machen, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert seine wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde. Hierfür genügt allerdings die Darlegung allgemeiner wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht. Vielmehr sind auch zumutbare Kreditaufnahmemöglichkeiten zu berücksichtigen.6

2698

Das KG7 fordert als Voraussetzung der Vergünstigung eine bilanzkritische Würdigung der zur Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) vorgelegten Unterlagen. 1 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.7.1985 – 10 W 89/85, JurBüro 1985, 1526. 2 BVerfG, NJW-RR 1991, 1134; BVerfG, Beschl. v. 28.6.1993 – 1 BvR 1321/90, n.v. 3 BGH, MDR 1968, 300 = Warneyer, 1967 Nr. 268 = NJW 1968, 593 = WRP 1968, 183 = GRUR 1968, 333 mit zust. Anm. Droste. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.8.2004 – 2 W 5/03, InstGE 5, 70; BGH, GRUR 1953, 123; OLG Koblenz, Beschl. v. 27.10.1995 – 6 W 453/95, GRUR 1996, 139. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.8.2004 – 2 W 5/03, InstGE 5, 70; BGH, GRUR 1953, 123. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.8.2004 – 6 W 128/04, GRUR-RR 2005, 239. 7 KG, KostRsp. UWG § 23b Nr. 12 = WRP 1983, 20.

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Gewerblicher Rechtsschutz Die erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage kann nicht allein durch einen Verdienstnachweis aus einem Arbeitsverhältnis geltend glaubhaft gemacht werden.1 Bei der Bestimmung der Kostenbelastung der Partei sind nicht nur die Gerichtskosten und die Kosten der Prozessbevollmächtigten zu beachten. In bestimmten Fällen (vgl. § 140 Abs. 5 MarkenG) können außerdem Kosten für den mitwirkenden Patentanwalt zu berücksichtigten sein. Eine erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage kann auch bei einem großen Unternehmen mit erheblichem Umsatz gegeben sein, wenn es in Schwierigkeiten geraten ist und kaum noch seine Schulden bezahlen kann.2 Da eine BGB-Gesellschaft nach der Rechtsprechung des BGH3 als rechts- und parteifähig anzusehen ist, ist bei der Entscheidung über den Antrag auf Streitwertbegünstigung nach Ansicht des OLG München4 die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft ausschlaggebend. Die Vermögensverhältnisse der Gesellschafter werden dagegen nicht berücksichtigt.

2699

Bei welchen Prozesskosten von einer erheblichen Gefährdung der wirtschaftlichen Lage auszugehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Es ist nicht entscheidend, ob die Partei fähig ist, die Kosten für den Rechtsstreit nach dem gem. § 51 Abs. 1 GKG bestimmten Streitwert zunächst aufzubringen. Vielmehr ist zu prüfen, wie sich diese Kostenbelastung auf ihre wirtschaftliche Lage im Falle des Unterliegens im Prozess auswirken würde.5 Insofern ist diese Prüfung für jede Instanz gesondert anzustellen, denn es ist durchaus möglich, dass die Partei die Kosten für eine Instanz ohne erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage tragen kann, nicht aber die Kosten der Rechtsmittelinstanz.

2700

Handelt es sich um den Herabsetzungsantrag eines Verbandes, der nach § 8 Abs. 3 UWG klagebefugt ist,6 wurde die wirtschaftliche Gefährdung früher nur auf den konkreten Rechtsstreit bezogen, nicht dagegen zusätzlich auf den Einfluss weiterer Verfahren.7 Nach der Gegenmeinung8 sollte berücksichtigt werden, dass der Verband auch nach Verlust eines Prozesses weiterhin im Stande sein müsse, seine Aufgaben zu erfüllen. Insofern sei nicht auf die Belastung durch den konkreten Prozess, sondern auf die Gesamttätigkeit des Verbandes abzustellen.9 In Übereinstimmung mit der Entscheidung des BGH

2701

1 2 3 4 5 6

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8 9

BPatG, Beschl. v. 2.7.2001 – 2 Ni 8/00 (EU), juris. OLG Stuttgart, KostRsp. UWG § 23b Nr. 7 = WRP 1982, 489. BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056. OLG München, Beschl. v. 20.11.2001 – 6 W 2850/01, InstGE 2, 81 (Antrag nach § 142 MarkenG). BGH, Beschl. v. 5.3.1998 – I ZR 185/95, MDR 1998, 1237 = GRUR 1998, 958. Soweit die nachfolgenden Entscheidungen aus der Zeit vor der Neufassung des UWG am 3.7.2004 (BGBl. I, 1414) stammen, beziehen sie sich überwiegend auf die Regelung des § 23b UWG a.F., die aber inhaltlich mit § 144 PatG, § 26 GebrMG, § 142 MarkenG und § 54 GeschmMG übereinstimmt. OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.1.1980 – 6 W 108/79, JurBüro 1980, 904; OLG Frankfurt, KostRsp. UWG § 23a Nr. 10 mit Anm. Schneider = WRP 1989, 173 = JurBüro 1989, 530 = DB 1989, 41; OLG Stuttgart, WRP 1983, 709; OLG Stuttgart, KostRsp. UWG § 23b Nr. 17 = NJW-RR 1986, 1164; OLG Hamburg, WRP 1977, 498. OLG Koblenz, Beschl. v. 13.7.1984 – 6 W 326/84, JurBüro 1985, 279. OLG Koblenz, Beschl. v. 1.6.1989 – 6 W 151/89, JurBüro 1989, 1728 = NJW-RR 1989, 1441 = GRUR 1989, 764; OLG Köln, Beschl. v. 8.6.1990 – 6 U 31/90, NJW-RR 1991, 186.

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Gewerblicher Rechtsschutz vom 5.3.19981 stellt die nunmehr herrschende Meinung2 auch auf die sonstige Prozesstätigkeit und daraus resultierende Kostenbelastung des Verbands ab, der also nicht andere Verfahren aufgeben muss, um dasjenige Verfahren führen zu können, in dem er eine Streitwertbegünstigung beantragt hat. b) Art der Rechtsverfolgung 2702

Die Rechtsprechung hat neben der erheblichen Gefährdung der wirtschaftlichen Lage für eine Streitwertbegünstigung nach § 51 Abs. 2 GKG zusätzlich das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal geschaffen, dass die wirtschaftlich schwache Partei alles zu tun habe, um ihrer Klage oder Rechtsverteidigung zum Erfolg zu verhelfen. Daran fehlt es beispielsweise, wenn die Berufungsbegründungsfrist versäumt wird oder prozessuale Nachteile dadurch entstehen, dass Schriftsätze falsch abgelegt werden, sei es auch vom Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO).

2703

Lässt ein klagender Verband zur Förderung gewerblicher Interessen seinen Unterlassungsanspruch verjähren, sodass er auf Einrede des Beklagten hin die Klage zurücknehmen muss, dann begibt er sich nach einer Entscheidung des KG durch dieses Verhalten der Streitwertbegünstigung.3

2703a

Dem Streitwertbegünstigungsantrag ist trotz einer Klagerücknahme jedoch stattzugeben, wenn die Klage nicht mutwillig erhoben wurde und ihre Rücknahme auch für eine Partei, die den Antrag nicht stellt oder stellen kann, die prozessökonomisch gebotene Prozesshandlung ist.4 c) Rechtsmissbrauch

2704

In bestimmten Fällen lehnt die Rechtsprechung eine Streitwertbegünstigung ab, obwohl die Antragsvoraussetzungen der § 144 PatG, § 26 GebrMG, § 142 MarkenG oder § 54 GeschmMG gegeben sind. Begründet wird dies mit dem Gedanken des Rechtsmissbrauchs.5

2705

Rechtsmissbrauch wurde beispielsweise bejaht, wenn Gewerbetreibende einen Verband gründen, der sie vor Wettbewerbsverstößen schützen soll, den Verband aber nicht mit den erforderlichen Geldmitteln ausstatten, die notwendig sind, um die im Interesse der Mitglieder liegende Verfolgung von Wettbewerbsverstößen finanzieren zu können.6 Eine solche Konstellation ist allerdings nach der aktuellen Rechtslage nur noch eingeschränkt möglich, da die Anerkennung eines klagebefugten Verbandes nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG voraussetzt, dass dieser nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen 1 BGH, Beschl. v. 5.3.1998 – I ZR 185/95, MDR 1998, 1237 = GRUR 1998, 985. 2 KG, WRP 1977, 717; KG, WRP 1982, 468; KG, WRP 1983, 561; KG, WRP 1984, 20; OLG Koblenz, GRUR 1984, 746; OLG Koblenz, GRUR 1989, 764; OLG Köln, GRUR 1991, 248. 3 KG, KostRsp. UWG § 23b Nr. 16 = WRP 1986, 680 – die Entscheidung ist allerdings bedenklich, da sie mittelbar die Frage der Erfolgsaussichten in das Verfahren der Streitwertbegünstigung einbezieht, was nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen ist. 4 LG Berlin, KostRsp. UWG § 23b Nr. 6 = WRP 1982, 53. 5 BGH, KostRsp. AktG § 247 Nr. 15 = ZIP 1991, 1581 = MDR 1992, 355; OLG Hamm, KostRsp. AktG § 247 Nr. 19 = AG 1993, 470 = WPM 1993, 1283. 6 KG, KostRsp. UWG § 23b Nr. 2 = WRP 1979, 308.

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Gewerblicher Rechtsschutz Ausstattung imstande ist, seine Aufgaben wahrzunehmen. Insofern wird man Rechtsmissbrauch allenfalls noch in den Fällen annehmen können, wenn der Verband nicht in der Lage ist, ein Verfahren mit einem Streitwert unterhalb der (alten) Revisionssumme von 30.000 Euro zu führen.1 Das OLG Stuttgart2 hat den Antrag eines Verbandes auf Streitwertbegünstigung3 zu Recht als rechtsmissbräuchlich abgelehnt, weil dem Verband für die Klage die Kostendeckung durch einen Dritten zugesagt worden war und der Verband auf Veranlassung und im überwiegenden Interesse dieses Mitbewerbers klagte. Unter diesen Umständen konnte der Senat davon ausgehen, dass der Verband nur aus Gründen der Kostenersparnis bzw. Risikominderung vorgeschoben wurde.

2706

Rechtsmissbrauch kommt ebenfalls in Betracht, wenn dem Antragsteller bereits die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen Fehlens hinreichender Erfolgsaussicht versagt worden ist und er dann den Rechtsstreit auf eigene Kosten, aber streitwertbegünstigt führen will.4 Insofern bestehen Überschneidungen zwischen den Regelungen zur Streitwertbegünstigung und dem Recht der Prozesskostenhilfe. Anders als in der Prozesskostenhilfe ist zwar für § 144 PatG, § 26 GebrMG, § 142 MarkenG und § 54 GeschmMG keine Prüfung vorgesehen, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.5 Entsprechend der ausdrücklichen Regelung in § 114 ZPO weicht die Rechtsprechung aber dann von einer Streitwertbegünstigung ab, wenn das prozessuale Vorgehen der wirtschaftlich schwachen Partei völlig aussichtslos oder mutwillig ist. Dann wird Rechtsmissbrauch bejaht mit der Folge, dass eine Herabsetzung ausscheidet,6 denn es ist eben Missbrauch stattlichen Rechtsschutzes, Prozesse auf Kosten der Allgemeinheit zu führen, die von vornherein aussichtslos sind.7

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Dieselbe Tendenz wird deutlich, wenn eine Streitwertbegünstigung im Eilverfahren verneint wird, weil der Antragsteller eine durch Beschluss erlassene einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anerkannt und auf die Einlegung eines Widerspruchs verzichtet hat.8

2708

Ebenso verhält es sich, wenn der Antragsteller sich bereits in Liquidation befindet, nachdem ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist, denn dann kann die Prozessführung seine wirt-

2709

1 In diese Richtung gehen auch BGH, Beschl. v. 5.3.1998 – I ZR 185/95, MDR 1998, 1237, und BGH, GRUR 1994, 385, wonach ein Verband, der sich die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs zum Ziel gesetzt hat und fast ausschließlich dieser Tätigkeit nachgeht, sich dann auf die Streitwertbegünstigung nach § 12 Abs. 4 UWG berufen kann, wenn der volle Streitwert deutlich über der Revisionssumme liegt. 2 OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.9.1997 – 2 W 89/96, WRP 1998, 229. 3 Die Entscheidung erging zu § 23b UWG a.F. 4 OLG Hamburg, KostRsp. UWG § 23 b Nr. 3 = WRP 1979, 382 mit Anm. Borck; s. auch LG Berlin, KostRsp. UWG § 23b Nr. 5 = WRP 1981, 292, 5 RGZ 155, 132; OLG Koblenz, KostRsp. UWG § 23b Nr. 14 = JurBüro 1985, 279. 6 S. z.B. OLG Hamburg, KostRsp. UWG § 23b Nr. 3 mit Anm. Schneider = WRP 1979, 382 mit Anm. Borck; LG Berlin, KostRsp. UWG § 23b Nr. 5 = WRP 1981, 292; OLG Hamm, KostRsp. AktG § 247 Nr. 19 = AG 1993, 470 = WPM 1993, 1283. 7 In dieser Weise wurde auch die frühere Regelung des § 23b Abs. 2 UWG nicht selten interpretiert: S. BGH, KostRsp. AktG § 247 Nr. 15 = BB 1991, 1656 = ZIP 1991, 1581 = MDR 1992, 355 = NJW-RR 1992, 484. 8 OLG München, KostRsp. WZG § 31a Nr. 3 = WRP 1982, 430.

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Gewerblicher Rechtsschutz schaftliche Existenz nicht weiter verschlechtern. Dass möglicherweise eine bessere Befriedigung der Gläubiger im Insolvenzverfahren erzielt wird, rechtfertigt keine Herabsetzung des Streitwerts.1 2710

Rechtsmissbräuchlich ist es weiter, wenn ein Verband unbeschadet einer Auskunft des Abgemahnten, er habe den Verstoß nicht begangen, ohne weitere tatsächliche Feststellung Klage erhebt.2 Ebenso liegt es umgekehrt, wenn der Antragsgegner bei eindeutiger Rechtslage auf eine Abmahnung nicht reagiert hat und erst durch sein unmotiviertes Schweigen Anlass dazu gegeben hat, dass der Unterlassungsgläubiger ein Verfügungsverfahren eingeleitet hat.3 3. Antrag a) Antragsbefugnis

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Antragsberechtigt im Rahmen von § 144 PatG, § 26 GebrMG, § 142 MarkenG und § 54 GeschmMG sind beide Parteien, der Kläger ebenso wie der Beklagte. Die Antragsbefugnis besteht unabhängig davon, ob die Rechtsverfolgung der wirtschaftlich schwachen Partei hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.4 Zuständig ist das jeweilige erkennende Gericht, sodass der Antrag für jeden Rechtszug neu gestellt werden muss.5 Daraus folgt auch, dass die Streitwertbegünstigung einer Partei im ersten Rechtszug für die Berufungsinstanz bedeutungslos ist und keine Bindungswirkung für das Berufungsgericht entfaltet.6

2712

Setzt aber das Instanzgericht einen bereits beschlossenen Streitwert abändernd höher an und wird daraufhin erstmals ein Antrag auf Streitwertherabsetzung gestellt, dann treten insoweit Bindungswirkungen ein. Die Erstfestsetzung ist die untere Grenze für eine Herabsetzung, weil sie von der wirtschaftlich schwachen Partei nicht angefochten worden ist.

2713

Das gilt auch dann, wenn das Beschwerdegericht den Streitwert auf den ursprünglich angenommenen Wert ermäßigt.7 Die Entscheidung beruht auf der zutreffenden Überlegung, dass die Herabsetzung des Streitwerts den obsiegenden Prozessgegner benachteiligen kann, weil sich dessen Kostenerstattungsanspruch vermindert. Den eigenen Anwalt muss er nach dem nicht ermäßigten Streitwert bezahlen, also im Ergebnis aus eigener Tasche. Deshalb wird er 1 LG Frankenthal, WRP 1983, 239. 2 KG, KostRsp. UWG § 23b Nr. 10 mit Anm. Schneider = WRP 1983, 561. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 6.4.2005 – 6 W 43/05, OLGR 2005, 842 = GRUR-RR 2005, 296 = GRUR 2006, 264; OLG Hamburg, WRP 1985, 281. 4 OLG Frankfurt, KostRsp. UWG § 23b Nr. 21 = WRP 1989, 26 = JurBüro 1989, 531 – der Senat hat einen Fall der offensichtlichen Aussichtslosigkeit verneint. 5 OLG Frankfurt, JurBüro 1976, 347; OLG Karlsruhe, WRP 1973, 49; a.A. OLG Düsseldorf, DR 1941, 793, jedoch gegen RG, HRR 1941 Nr. 344. 6 OLG Karlsruhe, KostRsp. AktG § 247 Nr. 14 mit abl. Anm. Schneider = ZIP 1991, 930 = EWiR § 247 AktG 1/91 S. 633 – Hirte; a.A. OLG Frankfurt, KostRsp. AktG § 247 Nr. 10 unter Hinweis auf BGH, Beschl. v. 19.4.1982 – II ZR 88/81; Hirte in EWiR § 247 AktG 1/91 S. 633. Auch der BGH hat sich inzwischen dieser Auffassung angeschlossen und seine frühere Rechtsprechung, auf die sich das OLG Frankfurt (KostRsp. AktG § 247 Nr. 18 = MDR 1993, 184 = AG 1993, 85 = NJW-RR 1993, 222; zustimmend Lappe, NJW 1994, 1198) stützte, ausdrücklich aufgegeben. 7 OLG Hamm, KostRsp. UWG § 23b Nr. 13 mit Anm. Schneider = WRP 1984, 158.

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Gewerblicher Rechtsschutz durch die Antragsfristen geschützt. Er soll davor bewahrt werden, während des laufenden Rechtsstreits mit einer Streitwertherabsetzung überrascht zu werden, die seine eigene Kostenprognose umstößt.

b) Zeitpunkt der Antragstellung Der Antrag auf Herabsetzung des Streitwertes muss grundsätzlich vor der Verhandlung zur Hauptsache gestellt werden (vgl. § 144 Abs. 2 Satz 2 PatG, § 26 Abs. 2 Satz 2 GebrMG, § 142 Abs. 3 Satz 2 MarkenG und § 54 Abs. 3 Satz 2 GeschmMG).

2714

Damit ist jedoch nur gefordert, dass er überhaupt rechtzeitig gestellt wird, nicht etwa, dass er bereits in der Klageschrift oder zusammen mit dem Klageantrag angebracht wird. Insbesondere im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung genügt es, wenn er bis zur Verhandlung über den Widerspruch angebracht wird.1 Zulässig ist er selbst dann, wenn ein Widerspruch überhaupt nicht eingelegt werden soll, wobei jedoch in einem solchen Fall die Frage des Rechtsmissbrauchs zu prüfen ist.2 Es besteht keine Hinweispflicht des Gerichts auf die zeitliche Begrenzung des Antrags.3 Das entspricht der Regelung im Prozesskostenhilferecht (§§ 114 ff. ZPO). Allerdings kann der Rechtsanwalt hinweispflichtig sein.4 Grundsätzlich kann der Begünstigungsantrag sogar noch nach Zurücknahme des Verfügungsantrages gestellt werden.5 Der Antrag kann jedoch in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung von dem Antragsgegner nicht mehr gestellt werden, wenn dieser die ohne mündliche Verhandlung erlassene einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anerkannt und ausdrücklich auf das Recht zur Einlegung des Widerspruchs verzichtet hat.6

2715

* Æ Anmerkung:

2716

Das OLG München7 begründet diese zutreffende Entscheidung damit, Sinn der Streitwertbegünstigung sei es, der Partei bei der Geltendmachung oder Verteidigung ihrer Rechte zu helfen, nicht hingegen, sie bei der Abstandnahme davon zu unterstützen. Richtiger dürfte es wohl sein, entsprechend dem Gedanken des § 114 ZPO die Streitwertvergünstigung einfach deshalb zu versagen, weil und wenn die Rechtsverfolgung aussichtslos erscheint.8

Ebenso liegt es, wenn feststeht, dass die Partei den begonnenen Rechtsstreit nicht weiterführen wird und mit dem Antrag lediglich bezweckt, die ihr durch Klagerücknahme oder Säumnisentscheidung entstehenden Kosten zu verringern.9

2717

Solange ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, kann der Antrag nicht verfristen. Er darf insbesondere bei Erlass einer einstweiligen Verfügung

2718

1 2 3 4 5 6 7 8

KG, KostRsp. UWG § 23b Nr. 11 = WRP 1983, 367. OLG Hamburg, KostRsp. UWG § 23b Nr. 15 = WRP 1985, 281. OLG Düsseldorf, KostRsp. PatG § 144 Nr. 2 = JurBüro 1985, 1860. S. dazu Schneider, MDR 1988, 282. KG, KostRsp. UWG § 23b Nr. 8 = WRP 1982, 530. OLG München, WRP 1982, 430. OLG München, WRP 1982, 430. LG Berlin, WRP 1981, 292; oben Rn. 2207; s. auch OLG Hamburg, WRP 1979, 382 mit Anm. Borck. 9 LG Berlin, WRP 1981, 292.

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Gewerblicher Rechtsschutz durch Beschluss noch bis zur Verhandlung über den Widerspruch gestellt werden. Nach der ersten mündlichen Verhandlung ist ein Antrag auf Herabsetzung des vom Kläger in der Klageschrift angegebenen Streitwerts allenfalls dann noch zulässig, wenn nachträglich eine ganz entscheidende Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Klägers eintritt. Eine Kreditverweigerung der Hausbank des Klägers mit Rücksicht auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung reicht dazu nicht aus.1 c) Ausnahmsweise späterer Antrag möglich 2719

Da das Gericht den Grundsatz der Streitwertwahrheit befolgen muss, kann es zu einer nachträglichen Erhöhung des Streitwertes von Amts wegen (§ 63 Abs. 3 GKG) oder auf Antrag eines Prozessbevollmächtigten (§ 32 Abs. 2 RVG) kommen. Der neue Streitwert kann dann nachträglich die in § 144 PatG, § 26 GebrMG, § 142 MarkenG und § 54 GeschmMG vorausgesetzte erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage einer Partei auslösen.2 Nach der mündlichen Verhandlung ist ein Antrag auf Streitwertbegünstigung daher ausnahmsweise zulässig, wenn der angenommene oder festgesetzte Streitwert später durch das Gericht heraufgesetzt wird.3

2720

Der Streitwert ist im Sinne dieser Vorschrift „angenommen“, wenn er Grundlage einer Maßnahme des Gerichts geworden ist.4 Es macht dabei keinen Unterschied, ob der Streitwert bereits vom Gericht festgesetzt worden oder nur vom Kostenbeamten seiner Kostenberechnung zugrunde gelegt („angenommen“) worden war. Eine Streitwertangabe der Parteien in der Klage- oder Antragsschrift genügt dagegen nicht.5

2721

Kommt es dagegen im Laufe des Verfahrens zu einer Ermäßigung des Streitwerts, dann bleibt es bei der Regelung, dass ein Herabsetzungsantrag vor der Verhandlung zur Hauptsache anzubringen ist. Versäumt eine Partei diesen Zeitpunkt, so besteht kein Anlass zur Erweiterung ihres Antragsrechts, da sie durch eine spätere Streitwertermäßigung nur begünstigt werden kann. Die Ausnahme der späteren Antragstellung soll nur die Möglichkeit schaffen, neu auftretenden zusätzlichen Kostenbelastungen zu begegnen, nicht aber, Antragsversäumnisse unschädlich machen.

2722

Findet keine Verhandlung zur Hauptsache statt, weil beispielsweise der Sachantrag vor Terminsbeginn oder nach Erörterung der Sache, aber vor Antragstellung zurückgenommen wird, dann versagt die zeitliche Sperre der § 144 Abs. 2 Satz 2 PatG, § 26 Abs. 2 Satz 2 GebrMG, § 142 Abs. 3 Satz 2 MarkenG und § 54 Abs. 3 Satz 2 GeschmMG. Nach dem Gesetzeswortlaut kann der Antrag daher zeitlich unbegrenzt gestellt werden, also noch nach der Zurücknahme eines Verfügungsantrages.6 Dies gilt auch für die zurücknehmende Partei selbst, wenn sie damit die prozessökonomisch richtige Maßnahme ge-

1 2 3 4

OLG Düsseldorf, KostRsp. PatG § 144 Nr. 2 = JurBüro 1985, 1860. Vgl. OLG München, Beschl. v. 30.1.1991 – 6 W 2832/90, GRUR 1991, 561. OLG Koblenz, Beschl. v. 27.10.1995 – 6 W 453/95, WRP 1996, 40 = GRUR 1996, 139. BGH, GRUR 1953, 284 [z § 53 PatG]; OLG Nürnberg, WRP 1982, 489 = KostRsp. UWG § 23b Nr. 7. 5 OLG Nürnberg, KostRsp. UWG § 23b Nr. 7 = WRP 1982, 489. 6 KG, WRP 1982, 530.

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Gewerblicher Rechtsschutz troffen hat.1 Die fehlende zeitliche Begrenzung würde jedoch zu Unzuträglichkeiten führen. Irgendwann muss jedes Verfahren einmal ein (endgültiges) Ende nehmen. Deshalb hat die Rechtsprechung das Antragsrecht bei Fehlen einer Verhandlung zur Hauptsache verkürzt und verlangt, dass der Herabsetzungsantrag innerhalb angemessener Frist gestellt wird.2 Was im Einzelfall „angemessen“ ist, bestimmt sich letztlich nach richterlicher Wertung. Derartige „Gummifristen“ lassen sich lediglich mit anderen Worten umschreiben („eng zu bemessen“, „gebührende Berücksichtigung der Interessen des Gegners“ usw.). Eine zuverlässige kalendermäßige Bestimmung ist nicht möglich. Deshalb ist es stets angebracht, den Herabsetzungsantrag umgehend zu stellen, wenn sich die Prozesslage so verändert, dass eine Verhandlung zur Hauptsache nicht mehr stattfinden kann.3

2723

4. Rechtsfolgen Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen vor, ist der nach § 51 Abs. 1 GKG bestimmte Streitwert zugunsten der Partei zu vermindern. Das Gericht trifft diese Entscheidung durch einen Beschluss gem. § 63 GKG.

2724

Über die konkrete Höhe der Minderung macht das Gesetz keine Angaben. Sie richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wonach zu berechnen ist, bei welchem Streitwert die Kostenbelastung für den Antragsteller nicht zu einer erheblichen Gefährdung der wirtschaftlichen Lage führen würde.

2725

* Æ Anmerkung:

2726

Nach der Berechnungsmethode des KG4 findet für Streitwerte bis 10.000 DM keine Begünstigung statt. Bei einem höheren Streitwert ist von einem Sockelbetrag von 10.000 DM auszugehen und 1/10 des darüber hinausgehenden Betrages hinzuzurechnen. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob diese generalisierende Betrachtungsweise den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers bzw. den Interessen des obsiegenden Gegners im Rahmen der Kostenerstattung gerecht werden kann.

Bei Verbandsklagen erscheint es auch im Bereich der in § 51 Abs. 2 GKG vorgesehenen Streitwertbegünstigungen sachgerecht, die Wertstaffelung zu übernehmen, die der BGH im Rahmen des § 12 Abs. 4 UWG vertritt. Danach kommt bis zu einer Streitwerthöhe von 30.000 Euro eine Begünstigung – vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls – nicht in Betracht, weil die Mittel eines Verbandes für solche Prozesse auszureichen haben.5 Der BGH6 1 LG Berlin, KostRsp. UWG § 23b Nr. 6 = WRP 1982, 53. 2 BGH, MDR 1965, 522 = GRUR 1965, 562 mit Anm. von Utscher; OLG Koblenz, Beschl. v. 27.10.1995 – 6 W 453/95, WRP 1996, 40 = GRUR 1996, 139; KG, WRP 1982, 468; KG, KostRsp. UWB § 23b Nr. 10 = WRP 1983, 561. 3 OLG Köln, KostRsp. UWG § 23b Nr. 27 = OLGR 1995, 169 = WRP 1995, 421: sechs Wochen nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen ist zu spät. 4 KG, KostRsp. UWG § 23b Nr. 1 = AnwBl. 1978, 142 = WRP 1977, 717; so auch: OLG Koblenz, KostRsp. UWG § 23b Nr. 14 mit Anm. Schneider = WRP 1984, 637 = WPM 1984, 1581 = JurBüro 1985, 279; OLG Koblenz, KostRsp. UWG § 23a Nr. 11 = WRP 1989, 815 = JurBüro 1989, 1728 = NJW-RR 1989, 1441 = GRUR 1989, 764; OLG Schleswig, KostRsp. UWG § 23b Nr. 8 = SchlHA 1987, 60 = JurBüro 1987, 750. 5 Vgl. BGH, GRUR 1998, 958. 6 BGH, Beschl. v. 5.3.1998 – I ZR 185/95, MDR 1998, 1237 = GRUR 1998, 958 – die Entscheidung erging zu § 23b UWG a.F., der mit § 144 PatG, § 26 GebrMG, § 142 MarkenG und § 54 GeschmMG inhaltsgleich war.

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Gewerblicher Rechtsschutz hat hierzu ausgeführt, dass eine Streitwertbegünstigung bei Werten, die 30.000 Euro nicht übersteigen, nur dann angeordnet werden könne, wenn der Verband außergewöhnliche Umstände darlege, wonach die Belastung mit den vollen Kosten als eine besondere Härte erscheine. Solche außergewöhnlichen Umstände könnten etwa in einer Häufung von Verfahren mit besonders hohem Kostenrisiko oder in einer ungewöhnlichen Anzahl von Passivprozessen liegen, die den eigentlich für die Führung von Verfahren ausreichenden Prozesskostenfonds ausgeschöpft haben. 5. Beschwerde 2728

Ein Streitwertbegünstigungsbeschluss ist mit der Beschwerde nach § 68 Abs. 1 GKG anfechtbar. Beschwerdeberechtigt ist je nach Inhalt des Beschlusses der Antragsteller oder dessen Gegner, der bei Prozessgewinn keinen vollen Erstattungsanspruch erlangt. Ist der Streitwert jedoch gem. § 144 PatG, § 26 GebrMG, § 142 MarkenG und § 54 GeschmMG herabgesetzt worden, dann darf dieser Begünstigungsbeschluss nachträglich nur erhöhend abgeändert werden, wenn sich die wirtschaftliche Lage der begünstigten Partei erheblich verbessert hat.1 Auch die Prozessbevollmächtigten können aus eigenem Recht gegen den Beschluss vorgehen, wenn sie den Wertansatz als zu niedrig ansehen (§ 32 Abs. 2 RVG).2

2729

Wird die Entscheidung nach § 144 PatG, § 26 GebrMG, § 142 MarkenG und § 54 GeschmMG in den Gründen eines Urteils getroffen, so handelt es sich gleichwohl nicht um einen Teil des Urteils, sondern um einen selbständigen Beschluss, der nach § 68 Abs. 1 anfechtbar ist.3 In jedem Fall besteht, wenn Streitwertbeschwerde eingelegt wird, Begründungszwang, wobei eine Begründung auch im Nichtabhilfebeschluss nachgeholt werden darf.4 Insoweit gilt für die Verfahren des gewerblichen Rechtsschutzes nichts Besonderes.5

D. Einzelfälle aus der Rechtsprechung 2730

Die nachfolgende Zusammenstellung gibt einen Überblick über wettbewerbsrechtlich erhebliche Sachverhalte. Die nachgewiesene Rechtsprechung kann die Bestimmung des im Einzelfall maßgebenden Streitwerts erleichtern. Bei den Wertansätzen ist wegen des Währungsverfalls auch auf das Datum der Veröffentlichung zu achten. Stichwortübersicht Abmahnung . . . . . . . . . . Auskunftsanspruch . . . . . . Befristete Unterlassungsklage Besichtigungsflüge . . . . . . . Boykottaufruf . . . . . . . . . 1 2 3 4 5

. . . . .

. . . . .

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Rn. 2731 2732 2734 2735 2736

Briefe . . . . . . . . . . . . Buchpreisbindung . . . . . Ehrkränkende Äußerungen Einstweilige Verfügung . . Film . . . . . . . . . . . . .

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Rn. 2738 2739 2740 2741 2746

OLG Koblenz, Beschl. v. 9.8.1989 – 14 W 439/89, JurBüro 1990, 1037. KG, WRP 1978, 300 = AnwBl. 1978, 142. OLG Koblenz, Beschl. v. 13.7.1984 – 6 W 326/84, AnwBl. 1984, 627 = JurBüro 1985, 279. OLG Frankfurt, KostRsp. UWG § 23a Nr. 14 = AnwBl. 1990, 99. S. ausführlicher dazu unter dem Stichwort „Streitwertbeschwerde“.

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Gewerblicher Rechtsschutz

Firma . . . . . . . . . . . . . . . . Gebrauchsmuster; Geschmacksmuster . . . . . . . . . . . . . . Geschäftsschädigende Äußerungen Großhändler/Einzelhändler . . . . Kaffee-Fahrten . . . . . . . . . . . Karenzzeit . . . . . . . . . . . . . Kartellsachen . . . . . . . . . . . . Konkurrenztätigkeit . . . . . . . . Kostenwiderspruch . . . . . . . . . Kraftfahrzeug . . . . . . . . . . . . Kundenausweise . . . . . . . . . . Löschung . . . . . . . . . . . . . . Makler . . . . . . . . . . . . . . . Marke . . . . . . . . . . . . . . . . Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . Mitgliederwerbung . . . . . . . . .

Rn. . 2748 . . . . . . . . . . . . . . .

2751 2755 2760 2761 2762 2764 2768 2769 2771 2772 2773 2774 2777 2792 2793

Musterprozess . . . . . . . . . . . . Optiker . . . . . . . . . . . . . . . . Ordnungsgeld . . . . . . . . . . . . . Patent . . . . . . . . . . . . . . . . . Patenterteilungs-Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . Patentnichtigkeitsverfahren . . . . . Preisbindung . . . . . . . . . . . . . Schutzrechtsverwarnung . . . . . . . Störung . . . . . . . . . . . . . . . . Unterwerfung . . . . . . . . . . . . . Urheberrecht/Verlagsrecht . . . . . . Verbandsklagen . . . . . . . . . . . . Veröffentlichungsbefugnis . . . . . . Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . Werbeaktion . . . . . . . . . . . . . Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . .

Rn. 2794 2795 2796 2801 2810 2811 2815 2818 2819 2820 2822 2823 2826 2828 2829 2832

Abmahnung Der Streitwert der Abmahnung entspricht dem vollen Wert einer eventuellen Hauptsacheklage.1 Es ist nicht – wie im Verfügungsverfahren – ein prozentualer Abschlag vorzunehmen. Denn das gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewertende Interesse des Klägers geht dahin, den Beklagten dauerhaft zur Unterlassung der beanstandeten Handlung anzuhalten. Ob dies außergerichtlich durch eine Abmahnung oder durch eine Unterlassungsklage erfolgt, macht im Hinblick auf den Streitwert keinen Unterschied.

2731

Auskunftsanspruch Der Streitwert eines wettbewerblichen Auskunftsanspruchs ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach freiem Ermessen des Gerichts festzusetzen. Es ist das Interesse des Klägers an der begehrten Auskunft maßgebend. Die Klage auf Auskunftserteilung dient im Regelfall nur der Erleichterung der Geltendmachung eines Leistungsanspruchs. Der Streitwert der Auskunftsklage ist daher geringer als der Streitwert der Leistungsklage, deren Vorbereitung sie dient und – je nach den Umständen des Falles – auf 10 bis 40 % des Hauptanspruchs festzusetzen.2

2732

Der Streitwert des Auskunftsanspruchs auf Benennung des Lieferanten zur Beseitigung einer Lücke eines Vertriebsbindungssystems ist höher anzusetzen als in den Fällen, in denen durch den Auskunftsanspruch nur die Bemessungsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch geschaffen werden soll.3

2733

Befristete Unterlassungsklage Bei der befristeten Unterlassungsklage ist für die Bewertung des Rechtsmittelstreitwerts auch das Interesse zu berücksichtigen, das der Beklagte als Rechts1 Vgl. KG, WRP 1977, 793 mit Anm. Burchert. 2 OLG Celle, BB 1962, 1565. 3 OLG Köln, WuW 1969, 185.

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Gewerblicher Rechtsschutz mittelführer daran hat, die „Feststellungswirkung“ zu beseitigen, die ein Urteil auf Unterlassung im Allgemeinen von Rechtshängigkeit ab hat.1 Besichtigungsflüge 2735

Das OLG Stuttgart2 hat einen Wert von 300.000 DM angesetzt, weil es nicht um die Unzulässigkeit von Besichtigungsflügen schlechthin ging, sondern nur darum, diese als für die Käufer kostenlos zu bezeichnen. Darüber hinaus war die Beklagte nur als Werbeagentur mit dem Vorgang befasst, sodass sie am Erfolg der Werbung nur mittelbar interessiert war. Boykottaufruf

2736

Den Wert einer einstweiligen Verfügung, mit welcher dem Antragsgegner Boykottaufrufe untersagt werden sollte, hat das OLG Frankfurt3 angesichts zweier in der Antragsschrift konkret bezeichneter Boykottaufrufe, dem planvollen und umfassenden Vorgehen des Antragsgegners und der Gefahr erheblicher Umsatzverluste mit 50.000 Euro festgesetzt.

2737

Das OLG Jena hat für ein einstweiliges Verfügungsverfahren einen Streitwert von 8.750 Euro angesetzt, wenn ein Konkurrent durch Werbemaßnahmen (Flyer) eines in räumlicher Nähe angesiedelten Verletzers gezielt herabgesetzt wird.4 Briefe

2738

Eine durch die Deutsche Post AG erwirkte einstweilige Verfügung wegen unerlaubter Briefbeförderung des Antragsgegners wurde angesichts ihrer bundesweiten Tätigkeit und des Umstands, dass der Antragsgegner seine unzulässige Tätigkeit jederzeit über eine bestimmte Region auszudehnen drohte, mit 50.000 DM bewertet.5 Buchpreisbindung

2739

Ein Verstoß des weltweit größten Buchhandelsunternehmens gegen die Buchpreisbindung wurde vom LG Hamburg mit 25.000 Euro bewertet.6 Ehrkränkende Äußerungen

2740

Der Wert einer Klage auf Unterlassung ehrkränkender Äußerungen oder auch auf Unterlassung bestimmter Handlungen des unlauteren Wettbewerbs braucht in den verschiedenen Instanzen nicht gleich zu bleiben. Es ist möglich, dass der Kläger der Sache später nicht mehr die ursprüngliche Bedeutung beimisst.7 Nach § 40 GKG ist der Wert bei Einleitung der jeweiligen Instanz maßgebend. 1 2 3 4 5 6 7

Vgl. BGHZ 52, 2. OLG Stuttgart, WRP 1974, 423. OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.1.2004 – 25 W 77/03, GRUR-RR 2004, 344. OLG Jena, Beschl. v. 16.12.2004 – 2 W 630/04, OLG-NL 2005, 44. OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2000 – 6 W 23/00, JurBüro 2000, 648. LG Hamburg, Urt. v. 19.1.2010 – 312 O 258/09, Magazindienst 2010, 564. OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 2.

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Gewerblicher Rechtsschutz Einstweilige Verfügung Den Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gerichtet auf Unterlassung der falschen Behauptung, die Stromtarife des Antragstellers seien teurer als die des Antragsgegners, hat das KG1 auf 50.000 Euro festgesetzt.2 Grundlage dafür war, dass die Parteien als marktstarke Unternehmen der Strombelieferung in einem unmittelbaren, scharfen Wettbewerb standen und die falsche Behauptung günstigerer Tarife den Kunden einen unbedenklichen und vorteilhaften Wechsel zum Antragsgegner suggerierte.

2741

Das einstweilige Verfügungsverfahren eines bundesweiten Parfumanbieters gegen einen Konkurrenten, der unter einer marktgängigen und ohne weiteres auffindbaren Internetdomain auftritt, hat das OLG Celle3 mit 100.000 DM bewertet, da der Beklagte über das Internet in der Lage war, bundesweit Kunden zu erreichen und für sich zu gewinnen.

2742

Eine durch die Deutsche Post AG erwirkte einstweilige Verfügung wegen unerlaubter Briefbeförderung wurde angesichts ihrer bundesweiten Tätigkeit und des Umstands, dass der Antragsgegner seine unzulässige Tätigkeit jederzeit über eine bestimmte Region auszudehnen drohte, mit 50.000 DM bewertet.4

2743

Die einstweilige Verfügung eines Wettbewerbers, der einen Jahresumsatz von 5 Mio. DM erwirtschaftete und befürchtete, vom Gegner aus dem regionalen Markt gedrängt zu werden, wurde vom OLG Koblenz5 mit 100.000 DM bewertet. Der Verfügungskläger hatte einen Antrag auf Einschränkung der Lieferbeziehungen zu 16 Lieferanten und die Unterlassung des Vertriebs von 165 Produkten verlangt.

2744

Das OLG Stuttgart6 hat einen Antrag auf Unterlassung des Angebots von Computer-Software-Programmen ohne Hinweis auf den gewerblichen Charakter mit 5.500 DM bewertet, wenn sich der Antragsgegner nur nebenberuflich mit dem Vertrieb seines Programms befasst.

2745

Film Bei der Streitwertbemessung des Anspruchs auf Unterlassung der Störung der Vorführung eines Filmes durch Filmhersteller oder Filmverleiher ist deren Interesse an der ungestörten Auswertung maßgeblich, § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG.7

2746

Bei einer Feststellungsklage dahin, dass ein Werbeverwaltungsvertrag über die Vorführung von Diapositiven, Werbefilmen und Film-Diapositiven in einem Filmtheater durch die Kündigung des Beklagten nicht aufgelöst sei, sondern

2747

1 KG, Beschl. v. 26.11.2004 – 5 W 146/04, KGR 2005, 208. 2 Das KG hat in dieser Entscheidung zudem – unter Aufgabe seiner bisherigen Rspr. – ausgeführt, dass das einstweilige Verfügungverfahren mit 2/3 des Hauptsachewerts anzusetzen sei. 3 OLG Celle, Beschl. v. 11.4.2001 – 13 W 24/01, CR 2002, 458. 4 OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2000 – 6 W 23/00, JurBüro 2000, 648. 5 OLG Koblenz, Beschl. v. 9.6.1998 – 4 W 337/98, OLGR 1998, 434. 6 OLG Stuttgart, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 816 = WRP 1986, 358 – auch hier ist das Alter der Entscheidung bei der Bewertung aktueller Fälle zu berücksichtigen. 7 OLG Hamburg, GRUR 1959, 492.

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Gewerblicher Rechtsschutz noch bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragszeit fortbestehe, berechnet sich der Streitwert nicht nach dem mutmaßlichen Reingewinn des Klägers für die rechtliche Vertragsdauer, sondern nach seinen voraussichtlichen Umsätzen für diese Zeit.1 Firma 2748

Ansprüche auf Unterlassung des Gebrauchs einer Firma betreffen eine vermögensrechtliche Streitigkeit, sodass § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG anzuwenden sind. Maßgebende Bemessungsgesichtspunkte sind vor allem Intensität und Umfang der Verletzung, regionale Ausbreitung, Umsatz und entgangener Gewinn des Klägers.2

2749

Der Streitwert des Antrags eines großen Bankunternehmens gegen eine Teilzahlungsbank mit geringer Kapitalausstattung auf Unterlassung des Gebrauchs des verwechslungsfähigen Firmennamens ist unter Berücksichtigung des Jahresumsatzes der Antragstellerin von rd. 1.700.000 DM auf 100.000 DM geschätzt worden.3

2750

Bei einem Jahresumsatz der beteiligten Unternehmen von jeweils drei Millionen DM kommt bei Unterlassungsklagen wegen des firmenmäßigen Gebrauchs eines Kennzeichnungsmittels ein Streitwert von einer Mio. in Betracht. Hat die klagende Partei jedoch den Streitwert selbst sehr niedrig angegeben, dann kann dieser Wertvorschlag Indiz für das wirkliche Klägerinteresse sein, auf das allein es ankommt. In diesem Fall ist eine Herabsetzung des Streitwertes auf ein Viertel des regelmäßig in Betracht kommenden Streitwertes nicht ausgeschlossen.4 Gebrauchsmuster, Geschmacksmuster

2751

Das Gebrauchsmusterrecht gibt das Recht zur ausschließlichen Nutzung der geschützten Erfindung; das Geschmacksmusterrecht berechtigt zur ausschließlichen Nutzung von ästhetisch wirkenden, gewerblich nutzbaren Mustern und Modellen, sofern sie eine schöpferische Leistung verkörpern. Die Dauer des Schutzes ist jedoch begrenzt (§§23 GebrMG, 27 Abs. 2 GeschmMG), womit Unterlassungsansprüche nur für die Schutzdauer bestehen.

2752

Der Streitwert einer geschmacks- oder gebrauchsmusterrechtlichen Unterlassungsklage ist nach § 51 Abs. 1 GKG zu schätzen und bemisst sich nach dem Interesse des Klägers an der ungestörten Ausübung seines Rechts. Anhaltspunkte sind in erster Linie die befürchtete Umsatzeinbuße während der voraussichtlichen Laufzeit des Schutzrechts und weiter der Umfang und die Intensität der Verletzungshandlung.5 Daneben ist auch die örtliche Ausdehnung, also das Absatzgebiet des Angreifers wesentlich.6 1 2 3 4 5 6

OLG Celle, JurBüro 1969, 978 mit Anm. Schneider. OLG Frankfurt, JurBüro 1974, 224 = Rpfleger 1974, 117 = WRP 1974, 100. OLG Frankfurt, JurBüro 1964, 277. OLG Frankfurt, JurBüro 1974, 224 = Rpfleger 1974, 117. OLG Bamberg, JurBüro 1981, 919. OLG Nürnberg, JurBüro 1967, 162.

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Gewerblicher Rechtsschutz Das OLG Nürnberg hat den Streitwert für eine Klage wegen Gebrauchsmusterverletzung im Hinblick auf den Umsatz von 30 Mio. DM in der verbleibenden Schutzzeit von 3 1/2 Jahren auf 100.000 DM festgesetzt,1 da die zu erwartende Umsatzeinbuße auf diese Summe zu schätzen sei.

2753

Für die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Gebrauchsmusters hat der BGH2 den Wert nach der Höhe der Schadensersatzansprüche ausgerichtet, derer der Beklagte sich aufgrund der vermeintlich ungerechtfertigten Nutzung des Gebrauchsmusters gerühmt hat. Dies entspricht der grundsätzlichen Bewertung negativer Feststellungsklagen nach der Höhe des Anspruchs, dessen der Beklagte sich rühmt.3

2754

Geschäftsschädigende Äußerungen Der Streitwert einer Klage auf Unterlassung einer kreditschädigenden Behauptung bemisst sich nicht nach § 48 Abs. 2 GKG, sondern – da es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handelt – nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO.4 Der Wert kann in verschiedenen Instanzen verschieden hoch sein, wenn der Kläger der Sache später nicht mehr die ursprüngliche Bedeutung für sich und sein Unternehmen beimisst.5

2755

Wird der Anspruch auf Widerruf geschäftsschädigender Äußerungen, der einem entsprechenden Unterlassungsanspruch gleichzustellen ist, ausdrücklich auf § 824 BGB gestützt, dann ist der Streitwert ebenfalls nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen.6 Für die Schätzung ist, anders als bei Klagen auf Unterlassung unlauteren Wettbewerbs, weniger die Größe des Unternehmens des Klägers und die Höhe seines Umsatzes als vielmehr der Umfang sowie die Art und Weise, in der der Beklagte Dritten gegenüber seine erwerbsschädigenden Behauptungen aufgestellt hat, zu berücksichtigen.7

2756

Hat die Beklagte den Geschäftsbetrieb der Klägerin dadurch geschädigt, dass sie sich zu Unrecht als Generalvertreterin der von der Klägerin vertretenen Erzeugnisse ausgegeben hat, so hält sich die im Unterlassungsrechtsstreit getroffene Wertfestsetzung, die als Streitwert etwa 25 % des Reingewinns der Klägerin zweier Jahre angenommen hat, im Rahmen des zulässigen Ermessens.8

2757

Für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen einen Verbandsgeschäftsführer, der von einer nicht verbandsangehörigen Firma behauptet hatte, sie bediene sich unsolider Verkaufspraktiken, verkaufe unter Preis, um den Mitkonkurrenten vom Markt zu verdrängen, und mache sich des unlauteren Wettbewerbs schuldig, wurde ein Wert von 5.000 DM festgesetzt.9

2758

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OLG Nürnberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 158 = JurBüro 1967, 162. BGH, KostRsp. GebrMG § 18 Nr. 1. Vgl. das Stichwort „Feststellungsklage“. OLG Köln, MDR 1957, 238; vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Unterlassung“. OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 2. RG, JW 1914, 208 Nr. 24, S. 209. OLG Köln, MDR 1957, 238; OLG Nürnberg, JurBüro 1967, 72 – in beiden Fällen wurden 5.000 DM angenommen. 8 OLG Frankfurt, JurBüro 1954, 413. 9 OLG Neustadt, JurBüro 1959, 431.

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Gewerblicher Rechtsschutz Unter Berücksichtigung des Alters dieser Entscheidung dürfte aktuell für eine solche Streitigkeit durchaus ein Wert von 10.000 Euro angesetzt werden. 2759

Für einen Prozess zwischen zwei Tabakgroßhändlern mit dem Antrag, bestimmte für unlauter erachtete Geschäftspraktiken zu unterlassen und eine diskriminierende Äußerung nicht mehr zu gebrauchen, wurde ein Streitwert von 30.000 DM festgesetzt. Berücksichtigt wurden als Bemessungsumstände Kundenstamm und Jahresumsatz der Klägerin, Dauer, Intensität und Wirkungsbreite der beanstandeten Handlung, Zahl der versuchten Anwerbungen.1 Großhändler/Einzelhändler

2760

Für den Unterlassungsantrag eines Großhändlers gegen einen Einzelhändler mit kleinem Einzugsgebiet gegen die Verwendung der Bezeichnung „Kachelofen“ für einen nicht mit Tonkacheln verkleideten Ofen hat das OLG Stuttgart einen Streitwert von 150.000 DM angesetzt.2 Dabei ist abgewogen worden, dass der Kläger zwar einen Jahresumsatz von 50 Mio. DM hatte, aber bereits ein Unterlassungstitel erwirkt worden war. Kaffee-Fahrten

2761

Die Antragsgegnerin hatte recht aufwendige Ausflugsfahrten mit Werbeveranstaltungen arrangiert. Infolgedessen hatte sie erhebliche Umsätze machen können. Das OLG Karlsruhe hat den Streitwert mit 100.000 DM angesetzt.3 Karenzzeit

2762

Bei Karenzzeitverstößen richtet sich der Wert gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Interesse des Klägers an der Unterlassung der verbotenen Wettbewerbstätigkeit und bemisst sich in erster Linie nach dem Umsatz- oder Gewinnrückgang, der infolge des vertragwidrigen Verhaltens des Beklagten zu befürchten ist. Es kann in solchen Fällen bei Fehlen von Bewertungsumständen in der Regel ein Streitwert von 10.000 Euro angesetzt werden.4

2763

Das LAG Thüringen5 hat auf der Basis konkreter Umsatzzahlen einen Betrag i.H.v. 50 % der erwarteten Gewinneinbuße (32.500 DM) angesetzt. Kartellsachen

2764

Die Festsetzung des Streitwertes in Kartellsachen (Beschwerde zum Oberlandesgericht bzw. Rechtsbeschwerde zum BGH) richtet sich nach § 50 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO. Der Streitwert ist also nach billigem Ermessen zu bestimmen. Maßgebend ist das Interesse des Beschwerdeführers an der Änderung der Entscheidung der Kartellbehörde und die wirtschaftliche Bedeutung, die das streitige Rechtsverhältnis für ihn hat.6 1 2 3 4 5 6

OLG Neustadt, JurBüro 1965, 496. OLG Stuttgart, WRP 1983, 596. OLG Karlsruhe, WRP 1973, 284. Vgl. auch OLG Hamburg, WRP 1974, 283. LAG Thüringen, Beschl. v. 8.9.1998 – 8 Ta 89/98, JurBüro 1999, 286. BGH, Beschl. v. 7.8.1978 – KVR 4/77, WuW 1981, 652; OLG Stuttgart, BB 1960, 576.

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Gewerblicher Rechtsschutz Der Umstand, dass § 50 GKG für Kartellsachen keine dem § 12 Abs. 4 UWG vergleichbare Regelung zur Streitwertbegünstigung zugunsten der bedürftigen Partei enthält, ist bei der Schätzung gem. § 3 ZPO zu berücksichtigen.1 Dem Interesse an dem Fortbestand eines Kartells nach seinen Rationalisierungserfolgen wird in der Regel 10 % des Jahresumsatzes zugrunde gelegt werden können. Für einen Beteiligten kann aber der Streitwert seinem Interesse entsprechend niedriger festgesetzt werden.2 Im Verfahren über die Beschwerde eines Beigeladenen (§ 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB) ist der Streitwert nach der Bedeutung der Sache für den Beigeladenen zu bestimmen und darf 250.000 Euro nicht übersteigen (§ 50 Abs. 1 Satz 2 GKG). In Verfahren nach § 116 GWB – Beschwerden gegen die Entscheidungen der Vergabekammern – beträgt der Streitwert 5 % der Bruttoauftragssumme (§ 50 Abs. 2 GKG).3

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Konkurrenztätigkeit Wird eine Klage auf Unterlassung einer vertraglich verbotenen Konkurrenztätigkeit, die zeitlich beschränkt ist, nach Ablauf der Verbotsfrist dahin geändert, dass im weiteren Verlauf des Verfahrens nur noch Schadensersatz begehrt wird, dann sind die Streitwerte vor und nach Klageänderung nicht zusammenzurechnen.4 Ursprüngliches Unterlassungsbegehren wegen Wettbewerbs nach Vertragsende und späteres Verlangen von Schadensersatz sind nur antragsmäßige Konkretisierungen desselben Interesses, enthalten also nicht zwei kumulierbare Ansprüche.

2768

Kostenwiderspruch Nach allgemeiner Meinung kann der Widerspruch im Eilverfahren auf die Kosten beschränkt werden.5 Erklärt der Antragsgegner bei Einlegung des Widerspruchs, dass er ihn auf die Kosten beschränke und bereit sei, den Verfügungsanspruch strafbewehrt anzuerkennen, dann wirkt sich das auf den Streitwert insofern aus, als nunmehr lediglich über den Kostenpunkt gestritten wird. Der Kostenstreitwert ist deshalb auch den nachträglich anfallenden Gebühren zugrunde zu legen.6 Eine bloße Absichtserklärung des Antragsgegners genügt jedoch nicht, da sie keinen Kostenwiderspruch darstellt.7 1 Vgl. BayObLG, JurBüro 2003, 307. 2 So KG, WuW 1968, 400. 3 Vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 6.4.2005 – 1 Verg 2/05, NZBau 2005, 486; OLG Naumburg, Beschl. v. 30.12.2002 – 1 Verg 11/02, NZBau 2003, 464; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.5.2004 – VII-Verg 72/03 (juris); OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.8.2004 – Verg W 2/04, JurBüro 2005, 37. 4 S. KG, Rpfleger 1968, 289. 5 S. z.B. KG, GRUR 1973, 86; OLG Köln, WPR 1975, 173; OLG Frankfurt, WRP 1982, 226; OLG Hamm, JurBüro 1982, 267; Zöller/Herget, § 93 Rn. 6 „Kostenwiderspruch“. 6 OLG München, Beschl. v. 3.9.2001 – 29 W 2377/01, OLGR 2002, 428; OLG Braunschweig, Beschl. v. 29.3.1999 – 2 W 16/99, OLGR 1999, 290; OLG Köln, OLGR 1998, 134; OLG Hamburg, MDR 1997, 890; OLG München, MDR 1996, 423; OLG Frankfurt, JurBüro 1982, 283; OLG Hamm, JurBüro 1982, 267; vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Kostenwiderspruch“. 7 KG, JurBüro 1982, 1400.

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Gewerblicher Rechtsschutz Kraftfahrzeug 2771

Bei einem Streit über die Berechtigung zur Herstellung eines Kraftfahrzeugs, welches hohe Entwicklungs- und Investitionskosten bedingt, bleibt häufig nur der Umsatz als Ausgangspunkt für die Streitwertbemessung übrig.1 Kundenausweise

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In einer umfangreichen Aktion hatte die Antragsgegnerin Hunderte unzulässiger Kundenausweise an ihre Kundschaft verteilt und die dadurch angelockte Kundschaft angewiesen, sich bei den örtlichen Möbelhändlern Möbelstücke auszusuchen, um sie unter Einschaltung der Antragsgegnerin – über den Kundenausweis – bei der Firma X zu beziehen. Diesen Wettbewerbsverstoß, der als schwer und gefährlich bewertet worden ist, hat das OLG Hamburg2 bereits im Jahre 1973 mit 20.000 DM beziffert. Löschung

2773

Verfolgt der Kläger neben einem Unterlassungsanspruch auch Ansprüche auf Vernichtung beanstandeter Werbeschriften und auf Löschung des beanstandeten Firmenteils im Handelsregister, dann sind diese zusätzlichen Ansprüche gesondert zu bewerten, weil sich der Kläger damit die Möglichkeit zum sofortigen Eingreifen (Vernichtung und Löschung) verschaffen will.3 Makler

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Der Streitwert für den Verfügungsantrag eines Verbraucherverbandes, durch den einer Immobiliengesellschaft, die sich als Maklerin betätigte, verboten werden sollte, beim Angebot einer Eigentumswohnung mit Autoabstellplätzen Einzelpreise für Eigentumswohnung und Abstellplatz ohne Endpreis anzugeben, ist vom OLG Stuttgart mit 10.000 DM bewertet worden.4 Der Senat hat dabei den Verstoß der Antragsgegnerin gegen die Preisangabeverordnung bei Immobilienanzeigen als nicht besonders folgenschwer angesehen und ihm keine besonderen Wettbewerbsvorteile beigemessen.

2775

Den Streitwert eines Unterlassungsbegehrens wegen unerlaubter Immobilienwerbung für noch nicht fertig gestellte Objekte hat das KG5 mit 10 % des Kaufpreises der angebotenen Objekte beziffert, das Verfügungsverfahren mit 1/3 davon. Diese Bruchteilsbewertung hat das KG zwischenzeitlich aufgegeben und bestimmt den Streitwert nunmehr dadurch, dass zu einem ein einheitliches Grundinteresse ausdrückenden Sockelbetrag ein niedrigerer Anteil des Objektwertes hinzugerechnet wird.6 Wurde die Wettbewerbsverletzung durch eine Kleinanzeige begangen, dann mindert dies nicht ohne weiteres den Streitwert.7 Der Kaufpreis der angebotenen Immobilie, nicht die Höhe der Makler1 2 3 4 5 6 7

OLG München, GRUR 1957, 148. OLG Hamburg, WRP 1973, 106. OLG Nürnberg, JurBüro 1981, 1380 = WRP 1981, 602. OLG Stuttgart, WRP 1983, 237 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 624. KG, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 870 = NJW-RR 1987, 878. KG, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 977 mit Anm. Schneider = WRP 1989, 725. KG, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 959 = WRP 1989, 166.

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Gewerblicher Rechtsschutz provision, ist auch dann maßgebend, wenn der Wettbewerbsverstoß im fehlenden Hinweis auf die Betätigung als Makler liegt.1 Die Klage auf Unterlassung einer Immobilienwerbung, aus der nicht ersichtlich ist, dass die angebotenen Objekte noch nicht fertig gestellt sind, hat der BGH2 als mit 50.000 DM hinreichend bewertet angesehen, wenn es sich dabei um eine Kleinanzeige in einer überwiegend regional verbreiteten Zeitung gehandelt hat und die Gefahr einer Irreführung gering gewesen ist. Es handelt sich bei dieser Entscheidung um einen der wenigen Streitwertbeschlüsse des BGH in Wettbewerbssachen, der ausführlicher begründet worden ist. Der Beschluss lässt eine restriktive Bewertungstendenz erkennen. Für alle drei Instanzen ist der Streitwert der von den Vorinstanzen kritiklos übernommenen Wertangabe des Klägers (240.000 DM) auf rund 1/5 ermäßigt worden.

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Marke Der Streitwert eines Unterlassungsanspruchs wegen Verletzung einer Marke (bis 1.1.1995: Warenzeichen) ist vom Gericht gem. § 3 ZPO, § 51 Abs. 1 GKG nach billigem Ermessen festzusetzen. In einem solchen Markenverletzungsverfahren nach § 14 MarkenG wird das wirtschaftliche Interesse an der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen durch zwei Faktoren bestimmt. Zum einen durch den wirtschaftlichen Wert des verletzten Kennzeichens und zum anderen durch Ausmaß und Gefährlichkeit der Verletzung (sog. Angriffsfaktor).3

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Der Wert des verletzten Kennzeichens wird geprägt durch: – die Dauer und den Umfang der bisherigen Benutzung, – die unter dem Kennzeichen erzielten Umsätze, – den Ruf und Bekanntheitsgrad des Kennzeichens, – den Grad der originären Kennzeichnungskraft sowie – die allgemeine Bedeutung von Kennzeichen für den Absatz nach Produktart und Branche.

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Die Rechtsprechung des BGH zum regelmäßigen Gegenstandswert in Markenlöschungsverfahren4 ist auf Markenverletzungsverfahren nicht übertragbar.5 Denn in einem Markenverletzungsverfahren bestimmt nicht das wirtschaftliche Interesse des Verletzers, seine Kennzeichnung weiter benutzen zu dürfen, den Streitwert. Vielmehr ist allein das wirtschaftliche Interesse des Klägers/ Antragstellers an der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen maßgeblich.

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Das Interesse des Klägers richtet sich nach dem Ausmaß des bei Fortsetzung des beanstandeten Verhaltens der Beklagten dem Kläger drohenden Schadens6

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1 KG, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 959 = WRP 1989, 166. 2 BGH, KostRsp. UWG § 23a Nr. 15 = MDR 1990, 986 = NJW-RR 1990, 1322. 3 OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.4.2007 – 3 W 485/07, OLGR 2007, 540 = JurBüro 2007, 364 = GRUR 2007, 815; OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.8.2004 – 6 W 128/04, OLGR 2004, 423 = GRUR-RR 2005, 239; LG Düsseldorf, Beschl. v. 25.1.2006 – 2a O 267/05, MMR 2006, 412; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.5.2001 – 4 W 21/01, OLGR 2001, 331 = JurBüro 2001, 418 = AGS 2002, 14. 4 Vgl. BGH, Beschl. v. 16.3.2006 – I ZB 57/05, GRUR 2006, 704. 5 OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.4.2007 – 3 W 485/07, JurBüro 2007, 364 = GRUR 2007, 815. 6 KG, Beschl. v. 21.10.1997 – 5 W 5834/97, KGR 1998, 170 = NJWE-WettbR 1998, 139; OLG Celle, DB 1962, 1565; KG, GRUR 1952, 262.

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Gewerblicher Rechtsschutz sowie nach Art und Umfang der Verletzungshandlung.1 Es ist also nicht nach einem Prozentsatz seiner Umsätze oder der Umsätze des Beklagten zu bemessen,2 sondern hängt ab von der Größe und der Wirtschaftskraft des klägerischen Unternehmens sowie der Gefährlichkeit der beanstandeten Markenrechtsverletzung für den weiteren Vertrieb der betroffenen Markenartikel.3 2781

Ein bisher geringerer Umsatz auf Seiten des Beklagten vermag das Interesse des Klägers nicht zu vermindern.4 Es kann daher das maßgebende Interesse des Klägers höher sein als der Umsatz des Verletzers auf dem betreffenden Gebiet.5 Es kommt auch nicht darauf an, welchen Nutzen der Beklagte aus Handlungen gehabt hat, deren Verbot die Klage bezweckt hat. Das Interesse des Klägers an den mit der Klage verfolgten Anträgen beschränkt sich nicht einmal auf den Umfang der ihm durch die beanstandeten Handlungen des Beklagten etwa entgehenden Geschäfte, sondern erstreckt sich, weit darüber hinausgreifend, auf die Gefahr, die für Markenrechte des Klägers entsteht, wenn die Marke unbefugt von Dritten benutzt wird.6

2782

Der Wert eines markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs ist bei einem Unternehmen von weltweiter Bedeutung auch dann unter besonderer Berücksichtigung der mit der Marke erzielten hohen Umsatzzahlen zu bemessen, wenn die konkret beanstandete Verletzungshandlung nur eine geringe Menge der Markenartikel erfasst.

* Æ Beispiel: Das OLG Zweibrücken7 hat, obwohl Anlass für den Unterlassungsanspruch nur 50 gefälschte Armbanduhren waren, den Streitwert auf 500.000 DM festgesetzt, weil die Klägerin einen Inlandsumsatz in Millionenhöhe erzielt und mit ihren Produkten ständigen Versuchen des Imports und Vertriebs von Plagiaten ausgesetzt ist.

2783

Das OLG Schleswig8 setzt bei markenrechtlichen Streitigkeiten im einstweiligen Verfügungsverfahren einen Regelstreitwert von 15.000 DM fest. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der markenrechtliche Angriff weder von besonderer Qualität oder Gefährlichkeit ist bzw. keine sonstigen objektiven Gründe vorliegen, die eine höhere Wertfestsetzung rechtfertigten. 1 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.5.2001 – 4 W 21/01, JurBüro 2001, 418; OLG Karlsruhe, JurBüro 1972, 503. 2 OLG Frankfurt, JurBüro 1969, 1081 gegen KG, GRUR 1953, 406, das 1/8 des Umsatzes der betreffenden Waren angenommen hat. 3 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.5.2001 – 4 W 21/01, OLGR 2001, 331 = JurBüro 2001, 418 = AGS 2002, 14; OLG Stuttgart, WRP 1977, 135; OLG Koblenz, GRUR 1996, 139; BGH, GRUR 1990, 1052. Unter Berücksichtigung des Alters der Entscheidung sowie der Marken- und Wirtschaftsentwicklung wird man heute einen solchen Unterlassungsanspruch mit mindestens 100.000 Euro bewerten können. 4 OLG Düsseldorf, GRUR 1952, 54. 5 OLG Hamburg, GRUR 1952, 262. 6 OLG Koblenz, Beschl. v. 27.10.1995 – 6 W 453/95, WRP 1996, 40 = GRUR 1996, 139; OLG Celle, JurBüro 1960, 404. 7 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.5.2001 – 4 W 21/01, JurBüro 2001, 418. 8 OLG Schleswig, Beschl. v. 9.12.1997 – 6 W 31/97, OLGR 1998, 176; OLG Schleswig, Beschl. v. 8.11.1993 – 6 W 15/93, SchlHA 1994, 22; gegen hohe Regelstreitwerte für Markensachen: KG, Beschl. v. 21.10.1997 – 5 W 5834/97, KGR 1998, 170 = NJWEWettbR 1998, 139 – die Vorinstanz (LG Berlin, Beschl. v. 5.8.1997 – 16 O 78/97) hatte einen Regelstreitwert von 100.000 DM angenommen.

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Gewerblicher Rechtsschutz Das KG1 hat die Klage eines Verbandes auf Unterlassung der Benutzung des Verbandszeichens („blau-rot-gelb-schwarzer Eckring“) auf 30.000 DM festgesetzt, wobei maßgeblich auf die Angaben des Klägers in der Klageschrift abgestellt wurde.

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In Markenrechtsstreitigkeiten hat der mitwirkende Patentanwalt ein eigenes Beschwerderecht gegen die Streitwertfestsetzung.2

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Eine negative Feststellungsklage wegen Markenrechtsverletzungen ist so zu bewerten wie der Anspruch, dessen sich der Gegner berühmt.3

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* Æ Beispiel: Das LG Düsseldorf hat den Wert einer negativen Feststellungsklage des Inhabers der Wortmarke „ARD-Wahltipp“ gegen die Internetdomain „www.wahltipp.de“ mit 50.000 Euro angesetzt.

Obwohl es sich bei dem Beseitigungsanspruch (§ 18 MarkenG) nur um einen Nebenanspruch zum Unterlassungsbegehren (§§ 14, 15, 17 MarkenG) handelt, hat das Beseitigungsbegehren einen eigenen, dem Unterlassungsanspruch hinzuzurechnenden Streitwert, weil es sich dabei nicht um Nebenforderungen i.S. des § 4 ZPO handelt.4

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Wird die Klage auch auf Ansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG gestützt, ist eine Streitwertermäßigung nach § 12 Abs. 4 UWG möglich. Handelt es sich dagegen um eine reine Markenrechtsstreitigkeit, kommt nur die Streitwertermäßigung nach § 51 Abs. 2 GKG, § 142 MarkenG in Betracht.5 Für einen solchen Antrag auf Streitwertermäßigung nach § 142 MarkenG muss der Antragsteller glaubhaft machen, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert seine wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde. Hierfür genügt allerdings die Darlegung allgemeiner wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht. Vielmehr sind auch zumutbare Kreditaufnahmemöglichkeiten zu berücksichtigen.6

2788

Da eine BGB-Gesellschaft nach der Rechtsprechung des BGH7 als rechts- und parteifähig anzusehen ist, ist bei der Entscheidung über den Antrag auf Streitwertbegünstigung nach § 142 MarkenG nach Ansicht des OLG München8 die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft ausschlaggebend. Die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft werden nicht berücksichtigt.

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Ein Antrag auf Streitwertbegünstigung nach § 142 MarkenG stellt sich in der Regel als rechtsmissbräuchlich dar, wenn der Verletzer trotz eindeutiger Rechtslage auf die vom Markeninhaber ausgesprochene Abmahnung nicht reagiert hat.9 Da er damit eine nahe liegende Möglichkeit hatte, ein Klageverfahren (und die damit verbundenen Kosten) zu vermeiden, kann er sich – auch

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KG, Beschl. v. 21.10.1997 – 5 W 5834/97, KGR 1998, 170 = NJWE-WettbR 1998, 139. OLG Karlsruhe, JurBüro 1982, 503. LG Düsseldorf, Beschl. v. 25.1.2006 – 2a O 267/05, MMR 2006, 412. OLG Bamberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 888 mit Anm. Schneider = JurBüro 1987, 1831 zum WZG. OLG Frankfurt, KostRsp. WZG § 31a Nr. 13 = JurBüro 1990, 247. OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.8.2004 – 6 W 128/04, OLGR 2004, 423 = GRUR-RR 2005, 239. BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056. OLG München, Beschl. v. 20.11.2001 – 6 W 2850/01, InstGE 2, 81. OLG Frankfurt, Beschl. v. 6.4.2005 – 6 W 43/05, OLGR 2005, 842 = GRUR-RR 2005, 296 = GRUR 2006, 264.

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Gewerblicher Rechtsschutz bei Anerkenntnis des Unterlassungsanspruchs innerhalb des Klageverfahrens – nicht mit Erfolg auf die Möglichkeit zur Streitwertbegünstigung berufen. 2791

Im Markenlöschungsverfahren wird der Gegenstandswert nach § 51 Abs. 1 GKG, § 32 Abs. 1 RVG nach billigem Ermessen bestimmt. Im (Rechts-)Beschwerdeverfahren ist das wirtschaftliche Interesse des Markeninhabers an der Aufrechterhaltung seiner Marke maßgeblich. Auf das Interesse des Inhabers der Widerspruchsmarke an der Löschung des prioritätsjüngeren Zeichens oder auf die gewerbliche Bedeutung der Widerspruchsmarke kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Rechtsprechung des Bundespatentgerichts bzw. des BGH geht in (Rechts-)Beschwerdeverfahren wegen Löschung einer Marke von einem Regelstreitwert von 50.000 Euro aus.1 Mieter

2792

Der Streitwert der Klage eines Geschäftsraummieters gegen den Vermieter mit dem Ziel, dass dieser Wettbewerbshandlungen (Verkauf gleicher Waren) eines anderen Mieters verhindert, ist nach folgenden Gesichtspunkten festzusetzen: Maßgebend ist das Interesse des Klägers an der begehrten Verurteilung des Beklagten. Dieses Interesse geht dahin, dass der Beklagte den Schaden, der dem Kläger durch das Verhalten des anderen Mieters droht, von ihm abwehrt. Der hiernach abzuwehrende Schaden entspricht grundsätzlich dem Reingewinn, der dem Kläger infolge des Verkaufs der beanstandeten Waren durch den anderen Mieter entgeht. Dieser Verlust kann allerdings nicht in vollem Umfange dem Gewinn gleichgesetzt werden, den der andere Mieter aus dem Verkauf der Waren gezogen hat und weiterhin zieht. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass zwar ein erheblicher Teil des von ihm erzielten Umsatzes, nicht aber der gesamte Umsatz an diesen Waren dem Kläger zugute gekommen wäre, wenn der andere Mieter den Handel mit den beanstandeten Erzeugnissen nicht aufgenommen hätte. Dabei ist nicht nur der in der Vergangenheit eingetretene Verlust entscheidend. Es muss vielmehr auch derjenige Schaden berücksichtigt werden, der in Zukunft eintreten wird. Insgesamt ist bei durchschnittlichen Verhältnissen in der Regel auf die Dauer von drei Jahren abzustellen.2 Mitgliederwerbung

2793

Stehen zwei wirtschaftliche Interessenverbände im Wettbewerb um Mitglieder, dann ist nach dem OLG Karlsruhe3 der Streitwert einer Unterlassungsklage nach der Höhe der jährlichen Mitgliederbeiträge des Verletzten zu beziffern, soweit deren Aufkommen durch die beanstandete Abwerbungsaktion betroffen werden kann. Der Senat hat damit die Streitwertregelung derjenigen bei der allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage angeglichen. Sie richtet sich dort vornehmlich nach dem Umsatz des Verletzten, soweit er durch die beanstandete Wettbewerbswidrigkeit gefährdet werden könnte.4 1 BPatG GRUR 2007, 176; BGH, Beschl. v. 16.3.2006 – I ZB 48/05, RVGreport 2006, 398 = MittdtschPatAnw 2006, 282; für das Widerspruchsbeschwerdeverfahren setzt das BPatG (GRUR 1999, 64) einen Regelstreitwert von 10.000 Euro an. 2 KG, Rpfleger 1962, 154. 3 OLG Karlsruhe, MDR 1980, 59. 4 S. OLG Karlsruhe, MDR 1968, 933.

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Gewerblicher Rechtsschutz Musterprozess Der Umstand, dass ein Musterprozess (auch) im Interesse Dritter geführt wird, ist nicht streitwertbildend. Abzustellen ist allein auf die Angaben des Klägers zu seinem Interesse.1

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Optiker Der Streitwert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Unterlassung eines wettbewerbsrechtlich zu beanstandenden Aushangs eines Optikers in einer Behörde, aus dessen Inhalt auf besondere Beziehungen dieses Optikers zu Fachärzten geschlossen werden konnte, wurde mit 10.000 DM festgesetzt, wobei der Wert des Eilverfahrens mit dem der Hauptsache angesetzt wurde.2

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Ordnungsgeld Das Interesse des Gläubigers geht dahin, dass der Schuldner durch Ordnungsgeld oder Ordnungshaft zur Befolgung des Unterlassungsgebotes angehalten wird. Folglich ist darauf abzustellen, wie ernst der Gläubiger bei objektiver Würdigung der Zuwiderhandlung des Schuldners die Bedrohung seines Unterlassungsanspruches einschätzen muss.3 Das Interesse beurteilt sich nicht danach, welches Ordnungsgeld für den Zuwiderhandlungsfall zur Festsetzung beantragt oder festgesetzt ist.4 Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles an, insbesondere auf die Art und Weise des Verstoßes sowie das Ausmaß der konkreten Verletzung.5

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Für den Streitwert des Ordnungsgeldverfahrens ist der Streitwert der Hauptsache, etwa des Unterlassungsanspruchs, der wichtigste Orientierungsumstand.6 Das Interesse geht jedoch in der Regel nicht so weit wie das Interesse an der Hauptsache,7 sondern kann nur auf einen Bruchteil8 festgesetzt werden.

2797

1 OLG München, WRP 1974, 170. 2 OLG Zweibrücken, JurBüro 1965, 495; vgl. auch OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 12. 3 OLG Bremen, JurBüro 1979, 1394; OLG Karlsruhe, Justiz 1966, 213; OLG München, MDR 1983, 1029 = KostRsp. § 3 Nr. 644; OLG Nürnberg, MDR 1984, 762 = KostRsp. § 3 Nr. 710 mit Anm. Schneider; OLG Celle, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 207 u. KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1029 mit Anm. Schneider = Nds.Rpfl. 1991, 54; OLG Karlsruhe, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1084 = WRP 1992, 198; OLG Hamburg, WRP 1982, 592; KG, Rpfleger 1970, 97. 4 OLG Karlsruhe, MDR 2000, 229; OLG Hamburg, InVo 1998, 264; LAG Bremen, AnwBl. 1988, 173; noch zu den früher anfallenden Wertgebühren des Gerichts: OLG München, Beschl. v. 17.8.1983 – 25 W 1621/83, MDR 1983, 1029; OLG Bamberg, GRUR 1953, 255; OLG Karlsruhe, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1084 = WRP 1992, 198; LG Bonn, JR 1960, 225. 5 OLG Nürnberg, JurBüro 1979, 872. 6 OLG Köln, WRP 1982, 288; OLG Karlsruhe, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1084 = WRP 1992, 198; OLG Hamburg, WRP 1981, 222 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 522. 7 OLG Nürnberg, Beschl. v. 8.3.1984 – 3 W 662/84, MDR 1984, 762 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 710 mit Anm. Schneider; OLG Nürnberg, JurBüro 1979, 872; OLG Bremen, JurBüro 1979, 1394 (unter Aufgabe der in Rpfleger 1965, 130 vertretenen Ansicht, es sei immer der Hauptsachewert maßgebend); KG, WRP 1975, 444; KG, Rpfleger 1970, 97; OLG Celle, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 207; OLG Celle, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1029 mit Anm. Schneider = Nds.Rpfl. 1991, 54. 8 Vgl. OLG Stuttgart, OLGR 2000, 430; OLG Hamburg, WRP 1994, 42; a.A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.9.2003 – 25 W 54/03, OLGR 2004, 121 unter Bezugnahme auf

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Gewerblicher Rechtsschutz Hinsichtlich der Einzelheiten kann auf das Stichwort „Ordnungsmittel“ verwiesen werden. 2798

Der Wert eines Antrages auf Festsetzung von Ordnungsgeld bei Verstößen gegen eine einstweilige Verfügung, die vom Antragsgegner für eine voraussichtlich längere Zeit ein bestimmtes Verhalten verlangt, richtet sich nach dem Interesse des Antragstellers an der Abwehr weiterer Verstöße. Dieses Interesse ist niedriger zu bewerten als der Hauptantrag, wobei im Allgemeinen ein Bruchteil von 1/3 bis 1/4 als angemessen angesehen werden kann.1

2799

In einem Fall, in dem preisgebundene Waren i.H.v. jährlich 1.000 DM bezogen worden waren, wurde vom OLG Frankfurt2 der Streitwert mit 1.000 DM angesetzt. Die Übung, grundsätzlich einen Streitwert von 3.000 DM und im Wiederholungsfall von 6.000 DM festzusetzen, sei nicht zu billigen.

2800

Der Klageantrag, den Beklagten aufgrund einer Bezugsverpflichtung unter Androhung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verurteilen, seinen gesamten Bedarf an einer Ware nur beim Kläger zu decken, und der Antrag, den Beklagten unter Androhung von Ordnungsgeld zur Unterlassung des anderweitigen Bezuges dieser Ware zu verurteilen, haben denselben Gegenstand. Das für die Streitwertfestsetzung maßgebende Interesse des Klägers an einer solchen Klage ergibt sich aus dem Gewinnverlust, der durch die Klage verhindert werden soll.3 Patent

2801

Der Streitwert in einem Patentverletzungsverfahren, in welchem Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden, ist gem. § 51 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO nach billigem Ermessen festzusetzen. Maßgeblich ist das wirtschaftliche Interesse, das der Kläger mit seiner Klage verfolgt.4 Bei der Bewertung ist entscheidend, mit welchem Nachteilen der Kläger bei einer Fortsetzung des schutzrechtsverletzenden Verhaltens rechnen muss, denn der Unterlassungsanspruch geht dahin, den Kläger vor künftigen Verletzungshandlungen zu bewahren.

2802

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang also: – die bei Klageerhebung noch gegebene Restlaufzeit des Schutzrechts, – Umsatz, Größe und Marktstellung des Klägers, – Art, Ausmaß und Schädlichkeit der Verletzungshandlung sowie – die Intensität der Begehungs- und Wiederholungsgefahr.

2803

Dabei ist der Zeitraum, innerhalb dessen in Zukunft ohne die Klageerhebung mit weiteren Patentverletzungen zu rechnen wäre, nicht ohne weiteres der Dauer des Patentschutzes gleichzusetzen. Es muss vielmehr auf die Möglichkeit Rücksicht genommen werden, dass infolge neuer Erfindungen oder aus

1 2 3 4

BGH, NJW 1994, 45; ebenso: OLG München, NJWE-WettbR 2000, 147; OLG Dresden, Beschl. v. 25.6.1999 – 14 W 1190/98, WRP 1999, 1204; OLG Hamburg, Beschl. v. 21.10.1997 – 3 W 122/97, OLGR 1998, 89. KG, JurBüro 1969, 1204 = Rpfleger 1970, 97. OLG Frankfurt, MDR 1961, 1020. KG, JurBüro 1969, 1195. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.8.2009 – 2 U 154/08, InstGE 11, 175.

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Gewerblicher Rechtsschutz anderen Gründen der Gegner die Patentverletzung nach kürzerer oder längerer Zeit von selbst einstellen würde. Da die Vielzahl der hier in Betracht kommenden Möglichkeiten nicht übersehbar ist, ist im Wege freier Schätzung nach § 287 ZPO je nach den Umständen des Falles von einem Zeitraum von etwa 2 bis 5 Jahren auszugehen, soweit nicht die Schutzdauer kürzer ist.1 Für die Höhe des Streitwertes ist entscheidend, welchen Umsatz der Verletzer im Falle weiterer Patentverletzungen erzielt und welchen Reingewinn er damit dem Verletzten entzogen hätte.2 Wird das Klagepatent während eines Rechtsstreits über Unterlassungsansprüche wegen Ablauf der gesetzlichen Schutzdauer wirkungslos, so hat dies keinen Einfluss auf den Streitwert.3 Denn der bisherige Unterlassungsanspruch wandelt sich mit dem Auslaufen des Patents in einen Schadensersatzanspruch um. Bei dessen Bewertung muss der gesamte Zeitraum bis zum Ablauf des Klageschutzrechts berücksichtigt werden. Eine Herabsetzung des Streitwertes ist in einem solchen Fall nur angezeigt, wenn der Beklagte die Verletzungshandlung vor Ablauf der Schutzdauer freiwillig einstellt.

2804

Wird auf Übertragung eines Patents geklagt, dann ist maßgeblich, in welchem geographischen Ausmaß der Kläger das Patent auswerten will, insbesondere, ob dies auch im Ausland geschehen soll.4

2805

Bei einem Streit nur um die Abtretung des Anspruchs auf Erteilung des Patents ist wertmindernd zu berücksichtigen, wenn die Patenterteilung als solche noch ungewiss ist. Es handelt sich dann nur um eine Erwartung, der ausschließlich im Falle der Erteilung des nachgesuchten Patents ein effektiver Wert zukommen kann. Dessen Höhe hängt wiederum von dem Umfang der zu erwartenden wirtschaftlichen Verwertbarkeit des Patents ab. Der Wert ist nach § 3 ZPO zu schätzen.5 Nahezu ohne Wert ist ein solcher Anspruch dann, wenn die Erteilung des Patents bereits vorläufig abgelehnt worden ist.6

2806

Auch in Patentstreitsachen ist eine Streitwertbegünstigung möglich: Macht eine Partei glaubhaft, dass die Belastung mit Prozesskosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Gericht auf ihren Antrag anordnen, dass die Verpflichtung dieser Partei zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer wirtschaftlichen Lage angepassten Teil des Streitwertes bemisst (§ 144 PatG). Auch die Zahlung der eigenen und fremder Anwaltskosten bemisst sich für diese Partei dann nach dem herabgesetzten Wert.

2807

Bei der Berechnung dessen, was dem Antragsteller im Rahmen der Festsetzung nach § 144 PatG als Kostenrisiko zuzumuten ist, kann man sich daran orientieren, welche Beträge ein Antragsteller bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu tragen hätte.7 Die nach PKH-Grundsätzen maßgebliche Belastung darf aber durch die Streitwertreduzierung nicht unterschritten werden.

2808

1 OLG Frankfurt, JurBüro 1954, 373. 2 OLG Karlsruhe, Rpfleger 1964, 33. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.8.2009 – 2 U 154/08, InstGE 11, 175; Kühnen, GRUR 2009, 288, 293. 4 OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 217. 5 OLG Frankfurt, JurBüro 1960, 127. 6 OLG Frankfurt, JurBüro 1960, 127. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.8.2004 – 2 W 5/03, InstGE 5, 70.

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Gewerblicher Rechtsschutz 2809

Die erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage kann nicht allein durch einen Verdienstnachweis aus einem Arbeitsverhältnis geltend glaubhaft gemacht werden.1 Denn allein auf Grundlage der Verdiensthöhe eines Arbeitnehmers lässt sich nicht beurteilen, ob er die Prozesskosten nach dem vollen Streitwert tragen könnte. Patenterteilungs-Beschwerdeverfahren

2810

Die Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit im Patenterteilungs-Beschwerdeverfahren erfolgt nach den gleichen Grundsätzen wie in Patentnichtigkeitsverfahren oder Gebrauchsmusterlöschungs-Beschwerdeverfahren.2 Patentnichtigkeitsverfahren

2811

Der Streitwert in Patentnichtigkeitsverfahren ist gem. § 51 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO zu bewerten und richtet sich nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Vernichtung des angegriffenen Patents.3 Er entspricht in der Regel dem gemeinen Wert des Patents bei Erhebung der Klage oder – in der Berufungsinstanz – bei Einlegung der Berufung zuzüglich des Betrages der bis dahin entstandenen Schadensersatzansprüche.4

2812

Die Klagesumme einer bezifferten Patentverletzungsschadensersatzklage ist bei Bestimmung des Wertes des Patentnichtigkeitsverfahrens regelmäßig in voller Höhe zu berücksichtigen. Gegenstand der Wertfestsetzung im Nichtigkeitsverfahren sind zwar nicht die durch unerlaubte Verwendung der patentierten Lehre entstandenen Schadensersatzsansprüche. Jedoch ist die bezifferte Schadensersatzforderung der einzige substanzielle Anhaltspunkt für die Wertbestimmung. Der Wert der Schadensersatzforderung erlaubt, objektiv von einem mindestens entsprechenden Interesse des Klägers auszugehen, weil mit der erstrebten Vernichtung des Streitpatents der Verletzungsklage die Grundlage entzogen wäre.5 Der BGH hat zutreffend darauf hingewiesen, dass mit dieser Rechtsprechung ein Zugang zu den Gerichten nicht erschwert wird: Denn auch wenn der Streitwert für das Nichtigkeitsverfahren unter Berücksichtigung des vollen Betrages einer (ggf. hohen) Schadensersatzforderung festgesetzt werde, bestehe immer noch die Möglichkeit einer Streitwertherabsetzung nach § 144 PatG, § 51 Abs. 2 GKG.6

2813

Wird nach teilweiser Nichtigerklärung des Patents in erster Instanz lediglich Berufung mit dem Ziel einer weitergehenden Nichterklärung geführt, geht nur das durch die Berufungsanträge umschriebene Klageziel (also die vollständige statt der teilweisen Nichtigerklärung) in den Berufungsstreitwert mit ein.7 1 2 3 4

BPatG, Beschl. v. 2.7.2001 – 2 Ni 8/00 (EU), juris. BpatG, NJW 1964, 2371. BPatG, Beschl. v. 2.7.2001 – 2 Ni 8/00, juris. BGH, Beschl. v. 28.7.2009 – X ZR 153/04, GRUR 2009, 1100 = MDR 2009, 1363; BGH, Beschl. v. 7.11.2006 – X ZR 138/04, GRUR 2007, 175; BGH, NJW 1975, 144 in Abw. von RG, GRUR 1940, 55; BGH, Beschl. v. 17.12.1963 – I ZR 146/59, Mitt. 1963, 60. 5 BGH, Beschl. v. 28.7.2009 – X ZR 153/04, GRUR 2009, 1100 = MDR 2009, 1363. 6 BGH, Beschl. v. 28.7.2009 – X ZR 153/04, GRUR 2009, 1100 = MDR 2009, 1363. 7 BGH, Beschl. v. 12.7.2005 – X ZR 56/04, GRUR 2005, 972 = WRP 2005, 1182.

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Gewerblicher Rechtsschutz Im Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht fallen keine wertabhängigen Gerichtsgebühren an, sodass es hier nur einer Festsetzung des Gegenstandswertes für die Anwaltsgebühren bedarf. § 144 PatG ist jedoch auch im Nichtigkeitsverfahren anwendbar, wenn dieses den Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren festsetzt.1 Dies hat zur Folge, dass von der wirtschaftlich schwachen Partei auch die Anwaltsgebühren nur nach dem herabgesetzten Streitwert zu zahlen sind.

2814

Preisbindung Für das Interesse des preisbindenden Unternehmens an der Unterlassung der Verstöße kommt es nicht darauf an, ob ein Verletzer schuldhaft gehandelt hat. Die Intensität des konkreten Angriffs auf die Preisbindung ist nicht davon abhängig.2 Bei einem Verstoß gegen die Preisbindung richtet sich das Interesse des Verletzten zwar nach der Intensität und Gefährlichkeit des Angriffs. Für die Bemessung dieses Interesses ist aber nur das Verhältnis zwischen Verletzer und Verletztem maßgebend.3

2815

* Æ Beispiel: Ein Verstoß des weltweit größten Buchhandelsunternehmens gegen die Buchpreisbindung wurde vom LG Hamburg mit 25.000 Euro bewertet.4

Der Streitwert der Unterlassungsklage wegen Verstoßes gegen Absatzbindungen wird auch nicht dadurch beeinflusst, dass der Beklagte, der zunächst nur die tatsächlichen Zuwiderhandlungen bestritten hatte, im Laufe des Rechtsstreits dazu übergeht, auch die rechtliche Gültigkeit der Absatzbindung anzugreifen.5

2816

Der Streitwert des Auskunftsanspruchs auf Benennung des Lieferanten zur Beseitigung einer Lücke eines Vertriebsbindungssystems ist höher anzusetzen als in den Fällen, in denen durch den Auskunftsanspruch nur die Bemessungsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch geschaffen werden soll.6

2817

Schutzrechtsverwarnung Bei einer Klage auf Unterlassung von Schutzrechtsverwarnungen richtet sich der Streitwert danach, wie stark Produktion und Vertrieb des Klägers während der Laufzeit des Schutzrechts durch die Verwarnung gefährdet erscheinen.7

2818

Störung Da der Unterlassungsanspruch der Abwehr von Störungen dienen soll, ist für die Streitwertbemessung das Interesse der Antragstellerin an der Durchsetzung der Unterlassung maßgebend. Es umfasst auch das Interesse an einem ungestörten Fortgang der Produktion und an der Klarheit der bevorstehenden 1 2 3 4 5 6 7

BGH, Beschl. v. 22.7.1982 – X ZR 57/81, JurBüro 1982, 1828 = MDR 1983, 129. KG, BB 1968, 266. OLG Stuttgart, Rpfleger 1960, 349. LG Hamburg, Urt. v. 19.1.2010 – 312 O 258/09, Magazindienst 2010, 564. OLG Köln, WRP 1956, 14. OLG Köln, WuW 1969, 185. OLG Düsseldorf, WRP 1973, 525.

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Gewerblicher Rechtsschutz Entwicklung. Die Tragweite der Störungs- bzw. Verletzungshandlungen ist nicht nur objektiv nach voraussichtlicher Dauer und Intensität, sondern auch nach den begründeten Besorgnissen gerade der verletzten Antragstellerin zu bestimmen.1 Unterwerfung 2820

Das Interesse an der Unterlassung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens ist geringer zu bewerten, wenn der mit einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung überzogene Verletzte bereits vor Einreichung des Verfügungsgesuches eine Unterwerfungserklärung gegenüber einem anderen Unterlassungsgläubiger abgegeben hat.2

2821

Die vorprozessuale Vereinbarung einer Vertragsstrafe zur Absicherung einer Unterlassungserklärung ist zwar für die Beurteilung der Wiederholungsgefahr von Bedeutung, hat aber keinen Einfluss auf den Streitwert des Unterlassungsanspruchs, wenn dieser trotz Unterlassungserklärung gerichtlich geltend gemacht wird.3 Urheberrecht/Verlagsrecht

2822

Der Streitwert der Klage auf Unterlassung der Verletzung des Urheberrechts und Verlagsrechts an Schulbüchern bemisst sich nach dem gem. § 3 ZPO frei zu schätzenden Interesse des Klägers.4 Maßgeblich sind insbesondere die befürchteten Umsatzeinbußen des Verlegers. Verbandsklagen

2823

Der Zweck von Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) besteht darin, die Interessen ihrer gewerblichen oder selbständigen Mitglieder zu fördern. Da die von ihnen bekämpften Zuwiderhandlungen die Interessen ihrer auf demselben Markt wie der Verletzer tätigen Mitglieder berühren müssen, ist das Interesse der Allgemeinheit für die Bestimmung des Streitwertes nicht maßgebend. Nach insofern geänderter Rechtsprechung des BGH sind aber auch nicht die Interessen sämtlicher betroffener Vereinsmitglieder zu addieren. Das Interesse des Verbandes ist vielmehr so zu bewerten wie das Interesse eines gewichtigen Mitbewerbers.5

2824

Für die Ermittlung des Streitwertes von Klagen durch Verbraucherverbände (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG) kommt es auf das satzungsgemäß wahrgenommene Interesse der Verbraucher an. Dieses Interesse wird durch die Nachteile geprägt, die den Verbrauchern durch die beanstandeten Wettbewerbsverstöße drohen.

2825

Für die Verfahren, die durch Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern geführt werden (§ 8 Abs. 3 Nr. 4 UWG), ist grundsätzlich auf das Interesse der von ihnen repräsentierten und von der angegriffenen Wettbewerbshandlung betroffenen Unternehmen abzustellen. In entsprechender An1 2 3 4 5

OLG München, GRUR 1955, 260. OLG München, WRP 1975, 46. OLG München, WRP 1982, 49. OLG Frankfurt, GRUR 1954, 228. BGH, Beschl. v. 5.3.1998 – I ZR 185/95, MDR 1998, 1237 = GRUR 1998, 985.

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Gewerblicher Rechtsschutz wendung der Grundsätze, die der BGH zur Streitwertbestimmung bei Verbänden im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aufgestellt hat, ist auch hier keine Addition sämtlicher Einzelinteressen vorzunehmen, sondern das Interesse eines gewichtigen Mitbewerbers zugrunde zu legen.1 Veröffentlichungsbefugnis Neben dem Antrag auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung kommt dem Antrag auf Auskunftserteilung oder Rechnungslegung streitwertmäßig eine besondere Bedeutung zu. Ebenso ist für den Antrag auf Zuerkennung der Veröffentlichungsbefugnis (vgl. z.B. § 12 Abs. 3 UWG) ein besonderer Einzelstreitwert festzusetzen.2

2826

Entsprechend hat das OLG Nürnberg3 entschieden, wenn neben dem Unterlassungsanspruch Ansprüche auf Vernichtung beanstandeter Werbeschriften und auf Löschung eines beanstandeten Firmenteils im Handelsregister geltend gemacht werden. Demgegenüber nehmen andere Gerichte an, eine Veröffentlichungsbefugnis habe, wenn sie mit einer Unterlassungs- oder Schadensfeststellungsklage verbunden sei, keinen eigenen Streitwert4 (vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Veröffentlichungsbefugnis“).

2827

Vertragsstrafe Die vorprozessuale Vereinbarung einer Vertragsstrafe zur Absicherung einer Unterlassungserklärung ist zwar für die Beurteilung der Wiederholungsgefahr, nicht aber für die Höhe des Streitwerts des Unterlassungsanspruchs von Bedeutung.5

2828

Werbeaktion Maßgebend für den Wert des Unterlassungsanspruchs gegen eine Werbeaktion ist der Umsatz der Parteien in dem betroffenen Warenbereich. Hält die klagende Partei bei Klageerhebung einen bestimmten Betrag für angemessen, dann ist auf diesen abzustellen, auch wenn das von ihr befürchtete Ausmaß der Beeinträchtigung nicht eintritt.6

2829

Stehen zwei wirtschaftliche Interessenverbände im Wettbewerb um Mitglieder, dann ist der Streitwert einer Unterlassungsklage nach der Höhe der jährlichen Mitgliedsbeiträge des Verletzten zu beziffern, soweit deren Aufkommen durch die beanstandete Abwerbungsaktion betroffen werden kann.7

2830

Den Unterlassungsanspruch eines Verbandes gegen eine irreführende Werbung mit „100-Gratis-SMS“ im Internet hat das OLG Hamburg mit 15.000 Euro bewertet.8

2831

1 So auch Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 12 UWG Rn. 5.10. 2 OLG Frankfurt, GRUR 1955, 450. 3 OLG Nürnberg, JurBüro 1981, 1380 = WRP 1981, 602. 4 OLG Karlsruhe, WRP 1958, 190; OLG Stuttgart, NJW 1959, 890. 5 OLG München, WRP 1982, 49. 6 OLG Karlsruhe, WRP 1974, 501. 7 OLG Karlsruhe, MDR 1980, 59 = KostRsp. § 3 Nr. 459 mit Anm. Schneider. 8 OLG Hamburg, Urt. v. 8.4.2009 – 5 U 13/08, WRP 2009, 1305.

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Gläubigeranfechtung Wettbewerbsverbot 2832

Bei Unterlassungsansprüchen wegen Verstoßes gegen ein vertragliches Wettbewerbsverbot richtet sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers, durch das beantragte Unterlassungsgebot künftige Umsatzeinbußen zu verhindern.1 Für die Bemessung des Streitwerts unterscheiden sich die Klagen auf Unterlassung z.B. nach § 1 UWG und die Klagen auf Unterlassung einer nach dem Vertrag verbotenen HGB-Konkurrenztätigkeit dadurch grundlegend, dass die Unterlassungspflicht des Beklagten in den letzteren Fällen nach §§ 74a Abs. 1, 90a Abs. 1 HGB auf längstens zwei Jahre beschränkt ist. Das hat zur Folge, dass bei Prozessen um das Bestehen der streitigen Unterlassungspflicht der Kläger regelmäßig von der zunächst erhobenen Unterlassungsklage auf eine – nach § 254 ZPO zunächst unbezifferte – Schadensersatzklage übergehen muss, weil eine Verurteilung zur Unterlassung des Wettbewerbs nur in die Zukunft wirkt und der dem Kläger durch den verbotenen Wettbewerb erwachsende Schaden sich während des Prozesses laufend vergrößert.

Gläubigeranfechtung 2833

Bei der Anfechtung außerhalb eines Insolvenzverfahrens ist entsprechend § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten,2 weil die Klagen auf Zurückgabe des durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangten Gegenstandes gerichtet sind (§§ 11, 13 AnfG). Abzustellen ist auf die Forderung des Anfechtenden einschließlich Zinsen und Kosten oder auf den geringeren Wert des Gegenstandes.3

2834

Zinsen und Kosten werden im Rahmen der Streitwertbestimmung dem Betrag der Forderung hinzugerechnet,4 denn es handelt sich nicht um einen Fall des § 43 Abs. 1 GKG. Nachdem der BGH5 dieser reichsgerichtlichen Rechtsprechung gefolgt ist, hat die früher vereinzelt abweichende Judikatur6 keine Bedeutung mehr.

2835

Wird wegen eines Anspruches auf wiederkehrende Leistungen angefochten, ist § 9 ZPO auch bei Unterhaltsansprüchen entsprechend heranzuziehen. Für diese ist also nicht § 42 Abs. 1 GKG maßgebend,7 da es bei der Klage nach § 7 AnfG nicht um einen Unterhaltsanspruch geht. Dementsprechend bestimmt 1 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1012 = WPM 1990, 2058; LAG Thüringen, Beschl. v. 8.9.1998 – 8 Ta 89/98, JurBüro 1999, 286 mit Anm. Worzalla. 2 Kritisch OLG Köln (Beschl. v. 29.4.1981 – 2 W 17/81, ZIP 1981, 781), das § 6 ZPO auf den Gebührenstreitwert nur für analog anwendbar hält und bei der Bewertung den wirklichen Streitpunkt der Parteien und dessen wirtschaftliche Bedeutung ausschlaggebend sein lassen will (zustimmend: KG, NJW-RR 2003, 787). 3 BGH, NJW-RR 1999, 1080; BGH, Beschl. v. 10.2.1982 – VIII ZR 339/81, WM 1982, 435; BGH, Beschl. v. 10.11.1982 – VIII ZR 293/81, WM 1982, 1443; KG, JurBüro 1957, 181; OLG Schleswig, JurBüro 1969, 1209; BGH, Beschl. v. 27.10.1994 – IX ZR 81/94, BGHR, ZPO § 6 Anfechtungsanspruch 1 (zu der in gleicher Weise erfolgenden Berechnung der Beschwer bei Zurückweisung des Anfechtungsantrags). 4 BGH, Beschl. v. 10.2.1982 – VIII ZR 339/81, WM 1982, 435; BGH, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 147; RGZ 139; 238; RGZ 151, 167; RG JW 1934, 899. 5 BGH, Beschl. v. 10.2.1982 – VIII ZR 339/81, WM 1982, 435. 6 OlG Kiel, JW 1934, 1741; LG Berlin, JVBl. 1933, 309. 7 RGZ 139, 239.

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Gläubigerrangstreit sich der Wert einer Forderung auf laufenden Unterhalt, deretwegen die Veräußerung eines Grundstücksmiteigentumsanteils außerhalb des Insolvenzverfahrens angefochten worden ist, nach der Summe der fälligen Beträge (Rückstände) und nicht nach dem Jahresbetrag des § 42 Abs. 1 GKG.1 Ist der Wert des zurück zu gewährenden Gegenstandes nach Abzug der auf ihm ruhenden Belastungen geringer als die Forderung, deretwegen die Anfechtung durchgeführt wird, dann gilt gem. § 6 Satz 2 ZPO der geringere Wert.2 Das ist beispielsweise wichtig bei Grundstücksveräußerungen, wenn das Grundstück hoch belastet ist.3 § 6 Satz 2 ZPO begrenzt den Streitwert auch dann auf den Wert des betreffenden Gegenstandes, wenn mehrere Gläubiger wegen mehrerer Forderungen anfechten.4

2836

Klagt ein Gläubiger nach dem Anfechtungsgesetz gegen denjenigen auf Wertersatz, der von seinem Schuldner einen Gegenstand anfechtbar erworben und sodann wieder veräußert hat, und zugleich gegen dessen Rechtsnachfolger auf Duldung der Zwangsvollstreckung wegen der Forderung des Gläubigers gegen seinen Schuldner in den Gegenstand, so werden die beiden Ansprüche wegen wirtschaftlicher Identität nicht nach § 5 ZPO zusammengerechnet.5 Es kommt bei der Wertberechnung darauf an, inwieweit der Kläger mit einer Befriedigung rechnen kann (Versteigerungswert).

2837

Der Streitwert eines Verfügungsverfahrens zur Sicherung des auf Duldung der Zwangsvollstreckung gerichteten Anfechtungsanspruchs ist vom LG Bayreuth6 unter Beachtung des Zugriffswertes für den Gläubiger mit 1/4 der Hauptsache geschätzt worden.

2838

Bezieht sich die Anfechtungsklage auf ein Mietgrundstück, ist auf den wahrscheinlichen Verkaufserlös (Verkehrswert) abzustellen.7

2839

Gläubigerrangstreit Literatur: Schmidt, JurBüro 1965, 889.

Bei einem Streit mehrerer Gläubiger um den Vorrang ihrer Forderungen, insbesondere im Zwangsvollstreckungsverfahren, oder um vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlös gem. § 805 ZPO ist der Streitwert nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bemessen. Der niedrigste Wert der Forderungen oder der noch niedrigere Wert des Pfandgegenstandes ist maßgebend, wobei Zinsen und Kosten unberücksichtigt bleiben.8 Ein Anspruch auf Sicherstellung der zugrunde liegenden Forderung ist auch das Begehren der Vorrangseinräumung 1 OLG Schleswig, SchlHA 1970, 18. 2 BGH, Beschl. v. 10.11.1982 – VIII ZR 293/81, WM 1982, 1443; BGH, Beschl. v. 10.2.1982 – VIII ZR 339/81, WM 1982, 435; RGZ 151, 167; RGZ 151, 319. 3 RGZ 151, 167; RG, JW 1936, 2091; ebenso für die konkursmäßige Anfechtung RG, JW 1936, 2798. 4 OLG Kassel, OLGE 11, 43. 5 OLG Frankfurt, MDR 1955, 496. 6 LG Bayreuth, JurBüro 1980, 1724. 7 OLG Frankfurt, MDR 1960, 507; OLG Nürnberg, JurBüro 1967, 163. 8 RG, Warneyer 1933 Nr. 83; OLG Breslau, JW 1931, 2143; OLG Stettin, HRR 1937 Nr. 341; OLG München, OLGE 23, 74.

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2840

Grenzregelung – Rangverbesserung – an einem Grundstück, sodass nach § 6 ZPO die geringere Forderung wertbestimmend ist.1 2841

Bezweckt die Klage, der eine Vereinbarung über die Eintragung einer Gesamthypothek an bestimmter Rangstelle auf mehreren Grundstücken zugrunde liegt, nicht nur die Rangverbesserung der auf einem der Grundstücke bereits eingetragenen Sicherungshypothek, sondern zugleich ihre Eintragung als Gesamthypothek mit der bereits eingetragenen Hypothek auf den anderen Grundstücken, so bestimmt sich der Streitwert auch dann nach § 6 ZPO, wenn die wirtschaftliche Sicherstellung der Forderung schon durch die Rangverbesserung der bereits eingetragenen Hypothek erreicht würde. Als Streitwert ist daher der Forderungsbetrag anzunehmen, nicht aber gem. § 3 ZPO nur der geringere Wert des wirtschaftlichen Interesses des Klägers an der Rangverbesserung der bereits vorhandenen Hypothek.2

2842

Klagt der Kläger auf Feststellung, dass seine Hypothek den Vorrang vor der Hypothek des Beklagten hat, dann ist der Streitwert nach § 3 ZPO zu schätzen, wobei die Gefährdung und die voraussichtliche Höhe eines zu befürchtenden Ausfalles des Klägers maßgebend sind.3

2843

Geht der Streit nur um den Vorrang der Befriedigung an hinterlegten Beträgen, also darum, wer sich mit dem Rest zufrieden geben muss, dann ist nur der vom Vorrang erfasste Betrag wertbestimmend.4

2844

Wird geklagt auf Einwilligung in die Auszahlung eines Versteigerungserlöses „bis zur Höhe der Forderung des Klägers“, dann ist gleichwohl der Streitwert nur nach dem Versteigerungserlös zu bemessen, wenn dieser unter der Forderung liegt.5

Grenzregelung 2845

Der Streitwert in einem Verfahren gegen einen Grenzregelungsbeschluss bestimmt sich nach dem objektiven Verkehrswert der abzutretenden Grundstücksfläche.6 Das gilt auch dann, wenn der Eigentümer vorträgt, die Entschädigung sei zu niedrig, ohne – hilfsweise – die Gewährung einer höheren Entschädigung ausdrücklich zu beantragen.7 Die gleichen Bewertungsgrundsätze gelten für den Beschwerdewert.8

1 2 3 4

5 6 7 8

OLG Stettin, HRR 1937 Nr. 341; LG Darmstadt, JW 1932, 3662. OLG Frankfurt, Rpfleger 1956, 318. OLG Kiel, JW 1933, 2471 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1964, 107: Der Kläger hatte einen Titel über 2.032 DM, der Beklagte über 137,02 DM. Der Beklagte hatte den hinterlegten Betrag über 137,02 DM hinaus freigegeben. Dann belief sich der Streitwert nur auf 137,02 DM, weil das Interesse des Klägers nur auf diesen Betrag gerichtet sein konnte. Im Übrigen lag eine Freigabeerklärung vor. OLG Breslau, JW 1931, 2143. BGH, Urt. v. 1.7.1968 – III ZR 88/67, WM 1968, 1107 = JurBüro 1968, 797; OLG München, Beschl. v. 28.4.1992 – W 1/92 Bau, NVwZ-RR 1993, 109. OLG München, Beschl. v. 28.4.1992 – W 1/92 Bau, NVwZ-RR 1993, 109; ebenso OLG Bremen, v. 7.12.2984 – W (B) 1/84 (a), JurBüro 1985, 764. BGH, Urt. v. 1.7.1968 – III ZR 88/67, WM 1968, 1107 = JurBüro 1968, 797.

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N. Schneider

Grundbuchberichtigung

Grenzscheidungsklage Der Anspruch aus § 920 BGB ist vermögensrechtlicher Art. Der Streitwert ist nach dem Interesse des Klägers gem. § 3 ZPO zu schätzen.1 Die Einlassung und Rechtsverteidigung des Beklagten ist hierfür unerheblich, es sei denn, dass sich aus ihr (erst oder deutlicher) ergibt, auf welches Begehren die Klage gerichtet ist.

2846

Streiten die Parteien um die Zulässigkeit einer Grenzregelung, bemisst sich der Streitwert nach dem Wert der Teilfläche, die der anderen Partei zugeteilt werden soll.2

2847

Grundbuchberichtigung Die Klage auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung ist eine Klage auf Abgabe einer Willenserklärung. Ihre Bewertung richtet sich daher nach § 3 ZPO.3 Maßgebend ist das vermögensrechtliche Interesse des Klägers, nicht der Grundstückswert. Das Interesse wird sich regelmäßig mit dem Recht decken, das sich für den Kläger aus der Berichtigung ergibt4 bzw. dessen Beseitigung er mit der Berichtigung anstrebt.5

2848

Anders verhält es sich, wenn die Berichtigungsklage vornehmlich der Klärung und Feststellung umstrittener Eigentumsverhältnisse dient. Dann geht es um das gesamte Grundstück, sodass gem. § 6 ZPO auch dessen voller Verkehrswert für die Wertbezifferung maßgebend ist.6 Ob und in welchem Umfang bei der Ermittlung des Grundstückswertes (§ 6 ZPO) dingliche Belastungen wertmindernd zu berücksichtigen sind, ist sehr umstritten.7 S. zu dieser Problematik die Ausführungen unter den Stichwörtern „Auflassung“ und „Grundstück“.

2849

Zielt die Klage nur auf die berichtigende Eintragung eines Miteigentumsanteils, ist auch nur dieser wertbestimmend.8 Dies gilt auch für eine Klage, mit der ein Erbe gegen einen Miterben einen zum Nachlass gehörenden Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs dahin geltend macht, dass an Stelle des Miterben die Erben in Erbengemeinschaft als Grundstückseigentümer eingetragen

2850

1 LG Hildesheim, JVBl. 1966, 261 = Nds.Rpfl. 1966, 216. 2 BGH, JurBüro 1968, 797 = RPfleger 1968, 322. 3 OLG Saarbrücken, AnwBl. 1978, 106; OLG Köln, Beschl. v. 23.3.1988 – 2 W 56/88, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 921. 4 Vgl. Gerold, Streitwert, S. 47 zu Ziffer 3; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 Rn. 78 unter „Grundbuch“. 5 LG Dresden, Beschl. v. 10.8.1999 – 13 O 5360/98, JurBüro 2000, 83; Meyer, GKG, § 3 ZPO, dort unter „Grundbuchberichtigung“. 6 BGH, MDR 1958, 676; KG, Beschl. v. 11.9.2000 – 3 W 3881/00, MDR 2001, 56 = AGS 2001, 63; OLG Karlsruhe, OLGE 13, 69; OLG Köln, JurBüro 1995, 368 = ZMR 1995, 258; Musielak/Heinrich, s. Fn. 4. 7 Ablehnend OLG Koblenz, Beschl. v. 28.6.2006 – 5 W 379/06, JurBüro 2006, 537 = AGS 2006, 562. 8 OLG Brandenburg, Urt. v. 8.3.2007 – 5 U 41/06, NJ 2007, 369 = NotBZ 2007, 442; insoweit zutr. OLG Naumburg, Urt. v. 8.6.2004 – 11 U 41/00, OLGR 2005, 1 = OLGNL 2004, 247 = VIZ 2004, 540.

Kurpat

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Grundbuchberichtigung werden. Hier berechnet sich der Streitwert nach dem Wert des Grundstücks abzüglich des dem Erbteil des Beklagten entsprechenden Anteils.1 2851

Für eine zutreffende Interessenbewertung ist folglich danach zu unterscheiden, ob das Eigentum als materiell-rechtliche Vorfrage im Streit steht oder die Berichtigung nur der Herbeiführung einer formal zutreffenden Buchposition bei unstreitigen Eigentumsverhältnissen dient. In letzterem Fall liegt der dann nach § 3 ZPO zu bestimmende Wert immer unterhalb des Verkehrswertes.2 So etwa, wenn Gegenstand der Grundbuchberichtungsklage nicht die Verpflichtung zur Eigentumsverschaffung, sondern nur deren dinglicher Vollzug ist. Hier bemisst sich der Streitwert gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Klägers an dem Vollzug der Eigentumsübertragung.

2852

Droht dem Kläger etwa bei ausbleibender Berichtigung eine schadensersatzrechtliche Inanspruchnahme durch Dritte, entspricht der Streitwert dem Umfang der drohenden Inanspruchnahme. Dies kann im Einzelfall der volle Grundstückswert sein, hier jedoch immer abzüglich bestehender dinglicher Belastungen. Denn wertbestimmend ist nicht der Verkehrswert, sondern der mögliche Schaden.3 Das gilt auch, wenn die berichtigende Zuordnung der Eigentumsverhältnisse eine notwendige Voraussetzung für eine Vollstreckung in das Grundstück darstellt.

2853

Zielt die Grundbuchberichtigung auf die Löschung einer Grunddienstbarkeit, ist eine Bewertung nach dem Betrag vorzunehmen, um den sich der Wert des Grundstücks durch die Belastung (Grunddienstbarkeit) mindert.4 Die Klage auf Löschung einer Reallast bemisst sich grundsätzlich nach § 9 ZPO.5 Bestand das Bezugsrecht zum Zeitpunkt der Klageeinreichung nicht mehr, so bestimmt sich der Streitwert nach dem – gem. § 3 ZPO zu schätzenden – Interesse des Klägers an der Löschung der Belastung.6

2854

Eine Grundbuchberichtigung zum Zwecke der Beseitigung einer Eigentumsvormerkung ist regelmäßig mit einem Bruchteil des Grundstücksverkehrswert zu bewerten.7

2855

Der Grundberichtigungsanspruch nach zustimmungsloser Verfügung eines Ehegatten über ein Grundstück gem. § 1368 BGB dient (zugleich) der Klärung der Eigentumsverhältnisse, sodass der volle Grundstückswert anzusetzen ist.8 Ein mittelbares Interesse des Klägers an der Sicherung seines Anspruchs auf Zugewinnausgleich bleibt demgegenüber außer Ansatz.9 1 BGH, MDR 1956, 676; RGZ 156, 263. 2 KG, Beschl. v. 11.9.2000 – 3 W 3881/00, MDR 2001, 56 = AGS 2001, 63; OLG Köln, Beschl. v. 23.3.1988 – 2 W 56/88, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 921; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 29.7.1986 – 7 W 40/86, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 852 = JurBüro 1987, 265. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.10.2001 – 5 W 642/01, AGS 2002, 65 = ZMR 2002, 346 = NJW-RR 2002, 379. 4 OLG Rostock, Urt. v. 5.4.2001 – 7 U 99/00, OLGR 2001, 527. 5 OLG Koblenz, Urt. v. 26.6.2006 – 12 U 446/04, NotBZ 2007, 374. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.11.1992 – 2 W 40/92, OLGR 1993, 47; OLG Koblenz, Urt. v. 26.6.2006 – 12 U 446/04, NotBZ 2007, 374. 7 Ebenso BayObLG, Beschl. v. 9.2.2005 – 2 Z BR 211/04, BayObLGR 2005, 347 – für Beschwerde im Grundbuchberichtigungsverfahren. 8 OLG Köln, Beschl. v. 20.2.1995 – 27 WF 5/95, OLGR 1995, 204 = JurBüro 1995, 368 = ZMR 1995, 258. 9 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.5.1995 – 5 UF 96/94, AGS 1998, 139.

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Kurpat

Grunddienstbarkeit Der Wert einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs ist dem Wert des Hauptanspruchs auf Herausgabe des Grundstücks nur dann gleichzusetzen, wenn die unmittelbar bevorstehende Gefahr einer Weiterveräußerung des Grundstücks besteht.1 Ansonsten ist der Streitwert wegen des vorläufigen Charakters der Maßnahme mit einem Bruchteil des Hauptsachewerts zu bestimmen.2

2856

Grundbucheintragung S. das Stichwort „Grundbuchberichtigung“, „Löschung von Grundpfandrechten, Vormerkungslöschung“.

Grunddienstbarkeit Literatur: Kaemmerer, JurBüro 1952, 44; Schneider, ZMR 1976, 193 (Notweg).

A. Einleitung Grunddienstbarkeiten sind Rechte, die dem jeweiligen Eigentümer eines (herrschenden) Grundstücks an einem anderen (dienenden) Grundstück zustehen (§§ 1018 ff. BGB). Sie gehen dahin, dass entweder der Berechtigte das dienende Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf oder dahin, dass er die Vornahme bestimmter Handlungen auf dem Grundstück verbieten kann oder schließlich dahin, dass die Ausübung gesetzlicher Rechte ausgeschlossen wird, die sich aus dem Eigentum des dienenden Grundstücks gegenüber dem herrschenden Grundstück ergeben.

2857

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Der Wert einer Grunddienstbarkeit wird durch den Wert bestimmt, den sie für das herrschende Grundstück hat, wenn nicht der Betrag, um den sich der Wert des dienenden Grundstücks durch die Dienstbarkeit mindert, größer ist (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 7 ZPO). Dann ist der höhere Betrag maßgebend. Es müssen also der Wert für das herrschende Grundstück und die Wertminderung beim dienenden Grundstück nach § 3 ZPO geschätzt und sodann miteinander verglichen werden.3

2858

Die Vorschrift des § 7 ZPO gilt nicht für beschränkt persönliche Dienstbarkeiten nach § 1090 BGB, für rein schuldrechtliche Verpflichtungen oder für Reallasten nach § 1105 BGB, da es sich bei diesen nicht um Beziehungen

2859

1 OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1; festgesetzt wurde die Hälfte des Verkehrswertes ohne Berücksichtigung der Belastungen. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 28.6.2006 – 5 W 379/06, OLGR 2007, 432 = JurBüro 2006, 537 = AGS 2006, 562 – 1/4. 3 BGH, MDR 2004, 296; OLG Jena, JurBüro 1999, 196.

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Grundpfandrecht zwischen Grundstücken handelt. Für diese ist der Wert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen (vgl. dazu das Stichwort „Dienstbarkeit“). 2860

Dasselbe gilt auch für eine Klage auf Bewilligung der Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit im Grundbuch, z.B. für die Berechtigung, eine Tankstelle zu betreiben. Dabei ist nur das nach § 3 ZPO zu schätzende Interesse des Klägers an der Sicherung seines Rechts durch Eintragung im Grundbuch wertbestimmend. Ob und welcher Vermögensschaden dem Kläger dadurch entsteht, dass sich der Beklagte etwa in Verzug befindet, ist belanglos.1

2861

Die Bewertungsvorschrift des § 7 ZPO findet Anwendung auf Klagen auf Bestellung einer Grunddienstbarkeit, auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens, auf Feststellung des Umfangs,2 sowie auf Unterlassung der Beeinträchtigung nach § 1027 BGB sowie bei nachbarrechtlichen Eigentumsbeschränkungen, wenn diese ähnlich wie eine Dienstbarkeit wirken (z.B. bei Licht- oder Fensterrecht bzw. Notwegsrecht).3

2862

Das Interesse eines Grundstückseigentümers, dass bei der Trennung des Grundstücks eine lediglich den anderen Grundstücksteil belastende Dienstbarkeit nicht auf das Grundbuchblatt des Trennungsgrundstücks mit übertragen wird, ist dann sehr gering zu bewerten, wenn bei materiell-rechtlich klarer Rechtslage nur formale Bedenken ausgeräumt werden sollen.4

2863

Das Entgelt für eine Dienstbarkeit ist eine Nutzung i.S. des § 100 BGB und der Streitwert dafür nach § 9 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG zu berechnen.5 Die gleiche Berechnung ist vorzunehmen, wenn das Bestehen einer Dienstbarkeit außer Streit steht und nur streitig ist, ob dafür ein Entgelt zu gewähren ist. Auch dann ist der 3,5-fache Jahresbetrag maßgebend.

Grundpfandrecht Literatur: Kramer, NJW 1972, 2117.

2864

Zu den Grundpfandrechten zählen Hypothek, Grundschuld und Rentenschuld. Auf die jeweiligen Stichworte wird zunächst verwiesen.

2865

Die maßgebliche Bewertungsvorschrift für Klagen auf Bestellung von Grundpfandrechten ist § 6 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 GKG. Dabei kommt es nicht darauf an, in welcher Form von Klage das Grundpfandrecht geltend gemacht wird und ob es durch Vertrag oder Gesetz entstanden ist.

2866

Entscheidend für die Wertbestimmung ist der Betrag der Forderung, für die das Pfandrecht bestellt worden ist oder bestellt werden soll, wenn nicht der Ge1 OLG Nürnberg, JurBüro 1967, 829. 2 KG, OLGE 33, 73. 3 BGH, Rpfleger 1959, 112; OLG Schleswig, Rpfleger 1957, 2; OLG Jena, MDR 1999, 196; Schneider, ZMR 1976, 193; differenzierend: Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Notweg“, der für die Bewertung eines Anspruchs auf einen Notweg die Regelungen der §§ 3, 7 und 9 ZPO analog anwendet und zu den Herstellungs- und Unterhaltungskosten des Weges noch die 3,5-fache jährliche Notwegrente addiert (ebenso OLG Köln, JurBüro 1991, 1386). 4 OLG Zweibrücken, JurBüro 1982, 760. 5 OLG Neustadt, JurBüro 1954, 107.

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Grundschuld genstand des Pfandrechts einen geringeren Betrag hat. Dann nämlich ist dieser geringere Betrag maßgeblich.1 Bei der Bewertung des Anspruchs auf Einräumung eines Vorranges für ein Grundpfandrecht ist nach § 3 ZPO zu schätzen; dabei kann § 23 Abs. 3 Satz 1 KostO (nicht auch § 24 KostO) als Richtlinie beachtet werden, wonach bei Einräumung des Vorrangs der Wert des vortretenden Rechts, höchstens jedoch der Wert des zurücktretenden Rechts maßgebend ist.2

2867

Mittelbare Bedeutung kommt den Grundpfandrechten darüber hinaus bei der Streitwertberechnung insofern zu, als zweifelhaft ist, inwieweit sie bei einem Streit um das Grundstück selbst verkehrswertmindernd zu berücksichtigen sind. S. dazu bei dem Stichwort „Grundstück“.

2868

Grundschuld A. Einleitung Welche Bewertungsvorschrift auf eine Streitigkeit um eine Grundschuld anzuwenden ist, hängt davon ab, was der Kläger begehrt. In Betracht kommt die Geltendmachung von Ansprüchen auf Eintragung, Löschung oder Abtretung einer Grundschuld sowie auf Feststellung, dass eine Grundschuld nicht entstanden ist.

2869

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Eintragung Verlangt der Kläger die Eintragung (Bestellung) einer Grundschuld, dann ist § 6 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG anwendbar. Maßgebend ist in diesen Fällen der Nennbetrag der Forderung oder der Grundstückswert, wenn letzterer geringer ist.

2870

II. Löschung Auch für den Wert der Klage auf Löschung einer Grundschuld gilt zunächst die Bewertungsregel des § 6 ZPO. Der Streitwert wird durch den Nennbetrag der Grundschuld bestimmt. Das gilt auch dann, wenn geltend gemacht wird, es seien Kosten entstanden und Zinsen rückständig, für die die Grundschuld haftet.3

2871

Umstritten ist allerdings, ob und ggf. in welchem Umfang die Valutierung der Grundschuld bei der Wertbemessung für die Gebühren der Löschungsklage Berücksichtigung finden kann.4

2872

1 2 3 4

OLG Frankfurt, MDR 2003, 356. OLG Frankfurt, MDR 1982, 411 = AnwBl. 1982, 111. OLG Nürnberg, JurBüro 1964, 685. Vgl. dazu das Stichwort „Löschung von Grundpfandrechten, Vormerkungslöschung“.

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Grundschuld – Nach einer Meinung bleibt die Valutierung der Grundschuld unberücksichtigt, sodass allein auf den Nominalwert der zu löschenden Grundschuld abzustellen ist.1 – Nach anderer Ansicht müssen die Höhe der Valutierung und das Löschungsinteresse des Klägers bei der Streitwertbestimmung beachtet werden.2 Der Streitwert soll sich nach dem Valutenstand, zuzüglich 20 % des Nominalwertes, bestimmen, um dem Charakter eines abstrakten Sicherungsmittels Rechnung zu tragen, nach oben begrenzt durch den Nominalwert. 2873

Die zweite Ansicht begegnet jedoch Bedenken: Zum einen ist der pauschale Aufschlag von 20 % auf den Restbetrag der Forderung nicht nachvollziehbar. Hier würde es – wenn man sich schon am rein wirtschaftlichen Interesse des Klägers orientiert – näher liegen, die Kosten der Löschung in die Berechnung mit einzubeziehen. Darüber hinaus wird das Abstellen auf den Valutenstand dem Umstand nicht gerecht, dass das Grundstück auch bei fortschreitender Valutierung aufgrund der fehlenden Akzessorietät der Grundschuld weiterhin mit dem Nominalbetrag haftet. Die diesbezüglich aus dem Grundbuch ersichtliche Belastung, welche die Verkehrsfähigkeit und die Kreditwürdigkeit beeinträchtigt, sowie die Gefahr eines gutgläubigen Erwerbs durch Dritte, prägen maßgeblich das Interesse des Klägers an der Löschung des Grundpfandrechts. Darüber hinaus hatte das BVerfG in seiner von der zweiten Ansicht in Bezug genommenen Entscheidung vom 16.11.19993 diese Frage ausdrücklich offen gelassen und darüber hinaus den Fall einer nicht-valutierten Sicherungshypothek zu entscheiden.

2874

Ist die Forderung jedoch vollständig getilgt und geht der Streit der Parteien nur darüber, wer die Kosten der Löschung zu tragen hat, kann nicht auf den Nominalbetrag der Grundschuld abgestellt werden.4 Denn es ist offensichtlich, dass das Interesse des Klägers nicht dem Nennbetrag des eingetragenen Rechts entspricht. Deshalb muss in einem solchen Fall nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG geschätzt werden, wobei der in Streit befindliche Kostenbetrag einen Anhalt bietet. Diese Bewertung entspricht der auch im Streitwertrecht nicht ausgeschlossenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise,5 wonach die Wertfestsetzung nicht weit über dem wirtschaftlichen Wert liegen darf.6 S. auch das Stichwort „Löschung von Grundbuchpfandrechten, Vormerkungslöschung“.

1 OLG Koblenz, Beschl. v. 26.3.2004 – 14 W 135/04, AGS 2004, 300; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.1.2001 – 7 W 11/01, MDR 2001, 897; KG, Beschl. v. 17.4.2000 – 23 W 1888/00 – AGS 2002, 177; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.12.1998 – 9 W 92/98, MDR 1999, 506; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.9.1992 – 27 W 49/92, OLGR 1992, 193; OLG Düsseldorf, MDR 1999, 506; OLG Frankfurt, OLGR 1992, 193. 2 OLG Hamburg, MDR 1975, 876 (Restbetrag der Hypothek); OLG Köln, OLGR 1995, 216; OLG Celle, Beschl. v. 5.9.2000 – 4 W 165/00, MDR 2000, 1456; OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.12.2003 – 13 W 48/03, OLGR 2004, 348. 3 BVerfG, NJW-RR 2000, 946. 4 So aber: OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 2. 5 Vgl. auch KG, Pfleger 1956, 89 und OLG Köln, Beschl. v. 2.3.1995 – 16 W 16/95, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1205 = JMBl.NW 1995, 118. 6 BVerfG, NJW-RR 2000, 946; KG, MDR 2003, 1383; OLG Saarbrücken, MDR 2001, 897.

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Grundstück

III. Abtretung Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Abtretung einer Grundschuld bemessen sich nach deren Wert, wenn die Wirksamkeit der Abtretung bestritten ist;1 anderenfalls ist der Wert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.2

2875

IV. Genehmigung/Zustimmung Der Streitwert für eine Klage auf Zustimmung zur Belastung eines Grundstücks mit einer Grundschuld ist vom Gericht nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.3

2876

Ebenfalls nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG ist zu bewerten, wenn auf Genehmigung einer in Stellvertretung vorgenommenen wirksamen Abtretung geklagt wird, um so dem Grundbuchamt den erforderlichen Nachweis erbringen zu können.4

2877

V. Feststellung Für den Wert einer Klage auf Feststellung, dass eine Grundschuld nicht entstanden und daher ein Recht auf abgesonderte Befriedigung nicht begründet worden ist, kommt es darauf an, wegen welcher, wenn auch zunächst aufschiebend bedingt vorhandener Forderung der Beklagte durch die Grundschuld hatte gesichert werden sollen. Der Wert des Pfandgegenstandes ist gleich dem Verkehrswert des belastenden Grundstückes unter Nichtberücksichtigung der bestehenden Vorbelastungen wie beispielsweise Grundpfandrechte, Mieterdarlehen.5

2878

Das für die Festsetzung des Streitwertes maßgebende Interesse an der erstrebten Regelung kann aber in keinem Fall höher bewertet werden als der Verkehrswert des mit der Grundschuld belasteten Grundstücks.6

2879

Grundstück Literatur: Just/Brückner, NJW 1958, 1756; Kramer, 1972, 2117.

A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Grundstücke sind „Sachen“ i.S. des § 6 ZPO, sodass für eine Streitigkeit um ein Grundstück dessen Wert entscheidend ist.

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OLG Kiel, JW 1934, 1192; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Abtretung“. OLG München, BayZ 1926, 360. OLG Schleswig, JurBüro 1956, 230. OLG Kiel, HRR 1935 Nr. 204, 376. OLG Frankfurt, MDR 1956, 432. KG, NJW 1961, 1122.

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Grundstück

I. Verkehrswert 2881

Unter „Wert“ i.S. des § 6 ZPO ist nach ganz herrschender Meinung der Verkehrswert und nicht der Einheitswert zu verstehen, der nur steuerliche Bedeutung hat.1

2882

* Æ Anmerkung: Soweit das OLG Frankfurt2 einmal vertreten hat, bei der Bewertung von Grundbesitz komme es entsprechend § 19 KostO a.F. auf den letzten Einheitswert an und soweit das Interesse des Klägers ausnahmsweise hinter dem Einheitswert zurückbleibe, sei dieser zu unterschreiten, ist diese Entscheidungvereinzelt geblieben. Sie erklärt sich aus dem Bestreben, eine sozial schwache Partei vor den Kosten eines verlorenen Prozesses nach Möglichkeit zu schützen. Der Beklagte hatte von einer Stadtgemeinde eine Grundstück zur Bebauung mit einem Geschäfts- oder Wohnhaus erworben, aber lediglich ein Behelfsheim errichtet.

2883

Unter dem Verkehrswert ist der gemeine Wert zu verstehen. Das ist der Betrag, der sich bei einer Veräußerung im Zeitpunkt der Klageerhebung erzielen lässt.3 Ist der Verkehrswert bei Urteilserlass höher als bei Klageerhebung, gilt nach § 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG nur der Wert im Zeitpunkt der Instanzeinleitung.4

2884

Dieser Wert ist nach § 3 ZPO anhand der objektiven Umstände des Einzelfalls zu schätzen.5 Da in den meisten Fällen eine Veräußerung des Grundstücks gerade nicht gewollt ist, muss der objektive Verkehrswert anhand anderer Angaben und Kriterien festgestellt werden.

2885

Der Kaufpreis des Grundstücks ist dabei nicht allein maßgeblich.6 Er kann jedoch einen wichtigen Anhaltspunkt für die Ermittlung des Verkehrswertes im Sinne eines Anscheinsbeweises bieten. Für die Ermittlung des Verkehrswertes eines Grundstücks ist jedoch nicht vom konjunkturbedingten Höchstund Überpreis auszugehen, sondern von einem der Erfahrung nach normalen und dauerhaften Wert.7

2886

Die Angaben des Klägers zum Wert des Grundstücks sind ein weiterer wichtiger Anhaltspunkt, müssen jedoch, da es sich um seine subjektive Einschätzung handelt,8 vom Gericht im Rahmen der Streitwertfestsetzung überprüft werden. Bei Rechtsstreitigkeiten um Grundstücke kommt es vor, dass die Parteien Wertangaben machen, die miteinander völlig unvereinbar sind.9 Dann kann eine Schätzung nach § 3 ZPO rechtsfehlerhaft sein, sofern nämlich dafür jegliche Schätzungsgrundlage fehlt. Notfalls muss ein Gut1 OLG Nürnberg, JurBüro 1961, 508; OLG Köln, JurBüro 1962, 350; OLG Hamm, Rpfleger 1964, 23 Nr. 9. 2 OLG Frankfurt, Rpfleger 1952, 512. 3 BGH, NJW-RR 2001, 518; OLG Köln, MDR 2005, 299; OLG Oldenburg, MDR 1998, 1406. 4 Vgl. zur früheren Rechtslage, wonach auch der höhere Wert zu berücksichtigen war: OLG Nürnberg, JurBüro 1963, 170. 5 OLG Nürnberg, JurBüro 1961, 508; OLG Hamm, Rpfleger 1964, 23 Nr. 9. 6 A.A. OLG Köln, MDR 2005, 299. 7 OLG Köln, JurBüro 1962, 350. 8 OLG Frankfurt, OLGR 1998, 156. 9 So z.B. im Fall des OLG München, Beschl. v. 17.8.1993 – 3 W 2181/93, KostRsp. GKG § 26 Nr. 8 mit Anm. Herget: 850.000 DM nach Klägervortrag, 13 Mio. DM nach Angaben des Beklagtenvertreters.

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Grundstück achten nach § 64 GKG eingeholt werden.1 S. dazu auch das Stichwort „Schätzung“. Zur Bestimmung des objektiven Verkehrswertes eines Grundstücks existieren verschiedene Berechnungsmethoden. Vgl. dazu das Stichwort „Verkehrswert“. Hinsichtlich der Einzelheiten gilt Folgendes: – Der Verkehrswert eines bebauten Grundstücks ist der Mittelwert zwischen dem Gebäudewert und dem Boden- und Ertragswert.2 – Der Verkehrswert eines in einer Großstadt gelegenen Mietwohnhauses ist im Allgemeinen überschlägig dahin zu berechnen, dass man den Einheitswert mit 4 oder die jährlichen Roherträgnisse mit 10 multipliziert.3 – Macht der Kläger einen Anspruch auf Auflassung eines Grundstücks geltend, das inzwischen von dem Beklagten bebaut worden ist, so ist für die Streitwertbemessung der Verkehrswert des Grundstücks einschließlich des Gebäudes maßgebend.4 – Zur Ermittlung des Betrages, um den sich der Grundstückswert durch den Ausbau eines Gebäudes erhöht hat, ist in der Regel auf den Ertrag abzustellen. Eine Bewertung allein nach dem Bauwert wird dem gesetzlichen Wertbegriff nicht gerecht. Es kommt deshalb darauf an, ob der Ertragswert, also der Mietwert, durch die baulichen Veränderungen gestiegen ist. Dieser Gesichtspunkt gilt auch für ein nur teilweise fertig gestelltes Bauwerk.5

2887

II. Belastungen Die auf dem Grundstück ruhenden Belastungen – Hypotheken, Grundschulden usw. – sind nach herrschender Meinung bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt zu lassen, mindern also den Wert nicht.6

2888

Dies gilt jedoch nicht für alle Belastungen des Grundstücks. Als Abgrenzungskriterium wird allgemein7 die Formel verwandt, dass eine Berücksichtigung der eingetragenen Belastungen nur stattfindet, wenn die wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks durch das eingetragene Recht beeinträchtigt und damit der Wert des Grundstücks selbst beeinflusst wird. Solche Rechte werden näm-

2889

1 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 15.4.1980 – 5 W 37/80, KostRsp. GKG § 26 Nr. 2; OLG München, OLGR 1994, 96. 2 OLG Köln, MDR 1959, 223. 3 OLG Nürnberg, JurBüro 1967, 163. 4 OLG Frankfurt, NJW 1961, 2264. 5 OLG Köln, BlGBW 1962, 368. 6 BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518; OLG Bamberg, Beschl. v. 2.6.1992 – 3 W 399/92, JurBüro 1992, 629; KG, MDR 2001, 56; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.9.2003 – 7 W 167/03-24, juris; BGH, JurBüro 1958, 387; BGH, Rpfleger 1959, 112; OLG Köln, MDR 1959, 223; KG, JR 1961, 349; KG, Rpfleger 1962, 155; OLG Celle, Rpfleger 1960, 413 Nr. 214; OLG Celle, JurBüro 1974, 880; OLG Hamm, Rpfleger 1964, 23 Nr. 9; OLG Karlsruhe, Rpfleger 1957, 44; OLG Karlsruhe, Justiz 1971, 354 (unter Aufgabe der abweichenden Entscheidungen in Justiz 1967, 240 und NJW 1968, 110); OLG Neustadt, Rpfleger 1957, 239; OLG Braunschweig, Rpfleger 1956, 115; OLG Braunschweig, AnwBl. 1972, 319; OLG Zweibrücken, Rpfleger 1967, 2; OLG Frankfurt, JurBüro 1973, 1086; OLG Schleswig, AnwBl. 1980, 255 = Rpfleger 1980, 239. 7 Vgl. BGH, JurBüro 1958, 387.

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Grundstück lich im Verkehr als eine dauernde wertmindernde Eigenschaft des Grundstücks empfunden.1 2890

Diese Belastungen können bei der Wertberechnung in Abzug gebracht werden – z.B. Wegerechte, Baubeschränkungen, lebenslängliche Nießbrauchsrechte, Erbbaurechte, Wohnrechte2 oder Dienstbarkeiten.3

B. Einzelfälle aus der Rechtsprechung Berichtigung 2891

Werden Ansprüche auf Bewilligung der Berichtigung des Grundbuches geltend gemacht, so ist hinsichtlich der Bewertung zu unterscheiden: – Erstrebt der Kläger nur die Berichtigung des Grundbuchs, während die wahren Rechts- und Eigentumsverhältnisse unstreitig bzw. bereits festgestellt sind, ist sein Interesse nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Dabei ist ein geringerer Wert als der Grundstückswert anzusetzen, weil es lediglich noch um die formelle Rechtslage geht.4 – Wird dagegen zugleich mit der Klage auf Berichtigung die Feststellung des Eigentums bezweckt, so ist nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG der Grundstückswert ohne Abzug der dinglichen Belastungen entscheidend.5 Gegenansprüche

2892

Gegenansprüche, Zurückbehaltungsrechte, Zug-um-Zug-Verurteilungen und dergleichen lassen den Grundstückswert als solchen unberührt und bleiben deshalb nach herrschender Auffassung unberücksichtigt.6 Vgl. zu dieser umstrittenen Frage auch das Stichwort „Auflassung“. Herausgabe

2893

Wird nach Beendigung eines Miet- oder Pachtverhältnisses auf Herausgabe des überlassenen Grundstückes und auf Beseitigung der darauf errichteten Bauten 1 BGH, JurBüro 1958, 387; OLG Zweibrücken, OLGR 1997, 324; OLG Bamberg, JurBüro 1992, 629; OLG Schleswig, Beschl. v. 9.1.1980 – 7 W 11/79, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 80 mit Anm. Schneider; OLG Bamberg, JurBüro 1992, 629; OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 66; KG, JW 1939, 498 Nr. 25. 2 OLG Karlsruhe, JurBüro 1955, 446. 3 OLG Zweibrücken, Rpfleger 1967, 2. 4 OLG Karlsruhe, Justiz 1999, 446; OLG Zweibrücken, JurBüro 1987, 265; OLG Saarbrücken, AnwBl 1978, 106; OLG Köln, Beschl. v. 23.3.1988 – 2 W 56/88, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 921; LG Dresden, JurBüro 2000, 83; LG Bayreuth, JurBüro 1979, 1884. 5 BGH, NJW-RR 2001, 518; BGH, ZIP 1982, 221; OLG Köln, MDR 2005, 298; OLG Stuttgart, JurBüro 2002, 424; KG, MDR 2001, 56; OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 43; a.A. BGH, NJW 2002, 684; OLG Frankfurt, NJW-RR 1996, 636: Es ist nach § 3 ZPO zu schätzen. 6 BGH, NJW-RR 2001, 518; BGH, ZIP 1982, 221; OLG Köln, MDR 2005, 298; OLG Stuttgart, JurBüro 2002, 424; KG, MDR 2001, 56; OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 43; OLG Nürnberg, JurBüro 1963, 170; 1961, 508; KG, JurBüro 1955, 273; OLG Stuttgart, MDR 1959, 401 Nr. 109; OLG Braunschweig, Rpfleger 1956, 116; OLG Koblenz, Rpfleger 1956, 147; OLG Celle, JurBüro 1977, 1137 = MDR 1977, 672; a.A. LG Köln, NJW 1977, 255 mit Anm. Schömbach, NJW 1977, 856.

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Grundstück geklagt, dann bemisst sich der Streitwert nach der Jahresmiete des Grundstücks (§ 41 Abs. 2 GKG) zuzüglich der voraussichtlichen Abbruchkosten.1 Der BGH berücksichtigt beim Wert von Räumung und Herausgabe die mittelbaren Belastungen (Entfernung von Bäumen oder zurückgelassener Einrichtungen) nicht. Der Herausgabeanspruch auf ein preisgebundenes unbebautes Grundstück darf nur nach dem an den Preisstopp gebundenen Verkehrswert bemessen werden.2

2894

Lastenfreie Umschreibung Bezweckt die Klage die Verurteilung des Beklagten zur lastenfreien Umschreibung eines verkauften Grundstückes, so bemisst sich der Streitwert nach der Höhe der Belastung des Grundstücks. Dabei kommt es nach Ansicht des OLG Köln nicht auf die nominelle, sondern auf die valutierte Belastung des Grundstücks an.3

2895

Miterben Für den Wert einer Erbauseinandersetzungsklage ist das gem. § 3 ZPO zu schätzende Interesse des Klägers maßgebend. Erstrebt der Kläger die Übernahme eines Grundstücks gegen Abfindung der übrigen Miterben, dann bildet der Unterschied zwischen dem Verkehrswert des Grundstücks und der Summe der Abfindungsbeträge den Streitwert.4

2896

Bei der Klage zweier Miterben gegen den dritten Miterben auf Auflassung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks auf einen der Kläger, ist der Wert des Streitgegenstandes der Anteil des beklagten Miterben.5

2897

Verklagt ein Miterbe einen anderen Miterben auf Mitwirkung bei der Auflassung eines Nachlassgrundstückes an einen Dritten, so ist nach BGH6 der Streitwert gleich dem Wert des Grundstücks. Diese Auffassung ist jedoch nicht mehr vertretbar, nachdem der BGH7 grundsätzlich dazu übergegangen ist, den Anteil des klagenden Miterben von dem den Streitwert bestimmenden Nachlasswert abzuziehen. Die Auflassungsklage unter zwei Erben muss deshalb nach dem Anteil des Beklagten bewertet werden, dessen Übertragung auf einen Dritten erzwungen werden soll.

2898

Vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Miterbe“. Rückübereignung Der Wert des Antrags auf Rückübereignung eines Grundstücks bestimmt sich nach dem Verkehrswert des Grundstücks, der auf der Grundlage des Sach1 2 3 4 5 6 7

OLG Köln, AnwBl. 1968, 396. OLG Neustadt, JR 1958, 384 mit zust. Anm. Tschischgale. OLG Köln, AnwBl. 1969, 53. OLG Nürnberg, JurBüro 1957, 553. OLG Hamburg, JurBüro 1994, 364; KG, HuW 1950, 454. BGH, NJW 1956, 1072. BGH, JurBüro 1975, 1197; vgl. auch BayObLG, JurBüro 1993, 228; OLG Köln, JurBüro 1975, 939.

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Grundurteil oder Ertragswertes nach der jeweiligen Marktlage unter Heranziehung von Vergleichspreisen zu schätzen ist. Belastungen des Grundstücks sind nicht abzuziehen.1 2900

Geht es dabei nur um einen ideellen Grundstücksanteil, dann entspricht der Streitwert dem zugehörigen Teil des Verkehrswertes des gesamten Grundstücks.2 Teilgrundstück

2901

Hat sich der Beklagte notariell verpflichtet, auf jederzeit statthaftes Verlangen des Klägers ein noch zu vermessendes Teilstück eines Grundstücks herauszugeben und begehrt der Kläger zunächst nur Verurteilung des Beklagten zur Vermessung, so ist der Streitwert mangels einer Sondervorschrift im GKG oder in der ZPO nach § 3 ZPO zu schätzen. Fehlen für eine Schätzung jegliche oder hinreichende Anhaltspunkte, dann darf sich die Streitwertbemessung an den Regelwerten orientieren (§ 52 Abs. 2 GKG: 5.000 Euro; § 23 Abs. 3 RVG: 4.000 Euro).3 Vermessung

2902

Ist nur die Richtigkeit eines Vermessungsergebnisses zwischen den Parteien streitig, dann richtet sich der Streitwert nach § 3 ZPO.4 Abzustellen ist dabei darauf, inwieweit das Messungsergebnis nach dem Vorbringen des Klägers unrichtig ist und welcher Nachteil ihm dadurch nach seiner Meinung droht. Ist der Kläger als Miterbe am neu vermessenen Grundstück beteiligt, so ist seine Erbquote abzuziehen. Das verbleibende Interesse ist mit dem entsprechenden Bruchteil des Verkehrswertes der tatsächlich herausgemessenen Fläche zu beziffern.

Grundurteil A. Allgemeines 2903

Ist der prozessuale Anspruch dem Grund und der Höhe nach streitig, kann das Gericht gem. § 304 ZPO über den Anspruchsgrund vorab durch Grundurteil entscheiden. Beendet wird der Rechtsstreit erst durch ein Endurteil im sog. Betragsverfahren. Grundurteile gibt es daher nur bei Leistungsklagen, denen ein Zahlungsantrag zugrunde liegt. Bei einer nicht bezifferten Feststel1 OLG Hamm, Rpfleger 1964, 23; OLG Schleswig, Rpfleger 1980, 239 = AnwBl. 1980, 255; OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1990 – 1 W 130/89, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 128 mit Anm. Schneider = JurBüro 1990, 773, Aufgabe von JurBüro 1977, 1277, wobei aber nicht berücksichtigt worden ist, dass es sich im ersten Fall um eine Rückauflassungsklage gehandelt hat; vgl. dazu das Stichwort „Duldungsklage“. 2 OLG Schleswig, Rpfleger 1980, 239 = AnwBl. 1980, 255. 3 OLG Köln, JurBüro 1971, 719 zu § 14 Abs. 1 GKG a.F. 4 OLG Bamberg, JurBüro 1982, 1720.

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Grundurteil lungsklage kommt ein Grundurteil bereits seinem Wesen nach nicht in Betracht.1

B. Gebührenstreitwert Für das Grundurteil gem. § 304 ZPO gibt es keine besondere Bewertungsvorschrift. Der Streitwert entspricht demjenigen, der für den Anspruch anzusetzen ist, der den Streitgegenstand des Verfahrens ausmacht. Dass nur über den Grund dieses Anspruches entschieden wird, mindert also den Gebührenwert nicht.2

2904

Ist der Streitwert im Grundverfahren nicht richtig festgesetzt worden und werden erst im Betragsverfahren maßgebliche Bewertungsumstände bekannt, dann wirkt die dadurch notwendig werdende Erhöhung des Streitwertes zurück; auch die Rechtsmittelinstanzen im Grundverfahren sind höher zu bewerten.3

2905

C. Rechtsmittel und Beschwer Die mit Erlass eines Grundurteils verbundene Beschwer richtet sich für beide Parteien nach dem Umfang der negativen Bindungswirkung für die Entscheidung im Betragsverfahren.4 Sie entspricht damit bei vollumfänglicher Stattgabe oder Abweisung dem Grunde nach dem Wert der bezifferten Klage.5 Dies gilt auch für den Streitwert des Rechtsmittelverfahrens. Wird Rechtsmittel gegen das Grundurteil nur hinsichtlich einer Quote eingelegt, dann bestimmt diese Quote den Wert für das Rechtsmittelverfahren.

2906

Ergeht erstmals in der Berufungsinstanz ein Grundurteil, verbunden mit der Zurückverweisung wegen der Betragshöhe, ist damit eine Beschwer für den Kläger nicht verbunden. Denn eine im (erstinstanzlich zu führenden) Betragsverfahren für den Kläger etwaig nachteilige Entscheidung kann dieser erneut zur vollen Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht stellen.6

2907

Ergeht nach Einlegung der Berufung gegen das Grundurteil in der ersten Instanz ein Schlussurteil und greift der Kläger auch dieses Schlussurteil an, dann beeinflusst diese zweite Berufung unter Umständen den Streitwert der Berufung gegen das Grundurteil. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn im Grund-

2908

1 BGH, Urt. v. 4.10.2000 – VIII ZR 109/99, MDR 2001, 105 = NJW 2001, 155; Urt. v. 13.5.1997 – VI ZR 145/96, MDR 1997, 774 = NJW 1997, 3177; Zöller/Vollkommer, § 304 Rn. 3 m.w.N. 2 OLG München, Beschl. v. 12.12.2006 – 1 U 4336/06, juris; OLG Braunschweig, Rpfleger 1956, 115. 3 So OLG Bremen, JurBüro 1976, 483; s. dazu Schneider, MDR 1977, 177. 4 BGH, Urt. v. 20.12.2005 – XI ZR 66/05, NJW-RR 2007, 138 = MDR 2006, 768 = WM 1986, 331; Zöller/Vollkommer, § 304 Rn. 23. 5 BGH, Urt. v. 20.12.2005 – XI ZR 66/05, WM 2006, 429; Beschl. v. 30.10.1997 – VII ZR 299/95 – für das Teil-Grundurteil; Beschl. v. 26.9.1991 – VII ZR 125/91, MDR 1992, 73; OLG Braunschweig, Urt. v. 21.4.1995 – 4 U 11/94, OLGR 1995, 207; OLG München, Beschl. v. 12.12.2006 – 1 U 4336/06, juris; OLG Rostock, Urt. v. 23.2.2007 – 8 U 40/06, OLGR 2007, 532 = MDR 2007, 1129; OLG Stuttgart, Urt. v. 20.6.2002 – 2 U 209/01, BauR 2003, 1062 = NZBau 2003, 446. 6 OLG Braunschweig, Urt. v. 21.4.1995 – 4 U 11/94, OLGR 1995, 207.

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Güteverhandlung urteil der Schaden des Klägers zu 1/2 für gerechtfertigt erklärt worden ist, ihm im Schlussurteil jedoch mehrere Schadenspositionen wegen Beweisfälligkeit nicht zugesprochen und von dem verbleibenden Rest die Hälfte zuerkannt werden. Will der Kläger nun die Abzüge wegen Beweisfälligkeit hinnehmen, sich aber dagegen wehren, dass auch das Schlussurteil auf der Quote des Grundurteils aufbaut, muss er, um der rechtskräftigen Entscheidung zu entgehen, Berufung auch gegen das Schlussurteil einlegen. Obgleich dann zwei selbständige Berufungen in der Welt sind, ist dem inneren Zusammenhang der Verfahren dahingehend Rechnung zu tragen, dass der niedrigere Wert der Berufung gegen das Schlussurteil maßgebend ist.1

Güteverhandlung A. Allgemeines 2909

Die mit dem ZPO-ReformG in § 278 Abs. 2 ZPO eingeführte Güteverhandlung geht der mündlichen Verhandlung voran, ist also nicht Bestandteil derselben, arg. § 279 Abs. 1 ZPO.2 Sie dient der Herbeiführung einer einvernehmlichen Regelung des Rechtsstreits, die nicht notwendigerweise mit dem Abschluss eines Vergleichs einhergehen muss.

B. Gebührenstreitwert I. Gerichtskosten 2910

Die Gerichtskosten werden durch die Anberaumung einer Güteverhandlung und deren Durchführung nicht beeinflusst, da der Anfall der Verfahrensgebühr nach Nr. 1210 KV GKG nicht tätigkeitsbezogen ausgestaltet ist und die Gebührenreduzierung nach Nr. 1211 KV GKG auf die fehlende Notwendigkeit einer Sachentscheidung abstellt.

II. Anwaltliche Gebühren 2911

Demgegenüber löst die Teilnahme des Anwalts an der Güteverhandlung gem. Nr. 3104 VV RVG eine Terminsgebühr aus. Denn nach Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG entsteht die Terminsgebühr für die Vertretung in einem Erörterungstermin. Insoweit ist mit der Einführung des RVG keine gebührenrechtliche Neubewertung verbunden, da die (aktive) Teilnahme an der Güteverhandlung bereits nach altem Recht über den Anfall der Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO abgegolten wurde.3 Etwaige Bedenken im Hinblick auf die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung4 sind spätestens mit der 1 OLG Schleswig, JurBüro 1957, 273. 2 Zöller/Greger, § 278 ZPO Rn. 6. 3 Zutr. KG, Beschl. v. 19.5.2003 – 1 W 136/03, KGR 2004, 421; OLG Hamburg, Beschl. v. 14.10.2003 – 8 W 224/03, MDR 2004, 417; OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.11.2003 – 7 WF 3303/03, MDR 2004, 416 = NJW-RR 2004, 718. 4 Vgl. hierzu Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, § 31 Rn. 152 m.w.N.

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Guthaben Einführung des RVG obsolet geworden. Da nunmehr selbst die Mitwirkung an einer auf Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung mit dem Gegner ohne gerichtliche Beteiligung eine Terminsgebühr auslöst, kann an deren Anfall bei Wahrnehmung einer gerichtlichen, auf Herbeiführung einer gütlichen Einigung gerichteten Güteverhandlung kein Zweifel (mehr) bestehen. Der Gegenstandswert der Terminsgebühr (Erörterungsgebühr nach BRAGO) bestimmt sich nach dem Wert des Gegenstandes, über den verhandelt worden ist, § 2 RVG (§ 7 Abs. 1 BRAGO). Kommt es nachfolgend zu einer Erhöhung des Streitwertes, etwa aufgrund einer Klageerweiterung, ist diese bei erneuter Terminswahrnehmung zu berücksichtigen.1

2912

Erfolgt im Rahmen einer Stufenklage die Erörterung des gesamten Klagebegehrens in der Güteverhandlung, bemisst sich die Terminsgebühr nach dem höheren Gegenstandswert des noch unbezifferten Leistungsantrages, auch wenn in der nachfolgenden mündlichen Verhandlung nur die Rechtslage innerhalb der ersten Stufe (Auskunftserteilung) erörtert worden ist.2

2913

Guthaben Der Streitwert einer Klage auf Freigabe eines hinterlegten Betrages bestimmt sich gem. § 3 ZPO nach dem klägerischen Interesse. Dieses ist jedoch nicht auf eine Freigabe schlechthin, sondern gerade durch den Beklagten gerichtet. Der Wert bestimmt sich daher nach dem Umfang, in dem der Beklagte dem Kläger die Herausgabe streitig macht, einschließlich aufgelaufener Nebenforderungen.3 Zu Einzelheiten s. das Stichwort „Hinterlegung“.

2914

Ist die Freigabe eines Guthabens Gegenstand von Klage und Widerklage, betreffen beide denselben Gegenstand gem. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.). So etwa, wenn die Parteien wechselseitig die Verurteilung des Gegners zur Einwilligung in die Auszahlung desselben Bausparguthabens4 oder Zustimmung zur Auszahlung eines hinterlegten Betrages5 beantragen. Der Gebührenstreitwert bestimmt sich allein nach dem höheren Einzelanspruch.

2915

Ist das Guthaben Gegenstand eines Freigabeverlangens im Verfahren nach § 850k ZPO, dann beschränkt sich das Interesse des Schuldners nicht auf eine einmalige Freigabe eines bestimmten Guthabenbetrages, sondern erstreckt sich auf die gesamte Zeit, in der die Pfändungsmaßnahme voraussichtlich fortdauert und das den laufenden Einkünften entsprechende Guthaben erfassen würde.6

2916

1 AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, RVG, VV Vorb. 3 Rn. 197 m.w.N. 2 OLG Hamburg, Beschl. v. 14.10.2003 – 8 W 224/03, OLGR 2004, 189 = MDR 2004, 417; AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, RVG, VV Vorb. 3 Rn. 199. 3 OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.7.2002 – 4 W 1675/02, OLGR 2003, 79; OLG Kiel, SchlHA 1947, 105. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.5.1984 – 21 W 19/84, JurBüro 1984, 1868. 5 KG Rpfleger 1962, 120. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.2.2004 – 26 W 67/03, OLGR 2004, 241.

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Haftbefehl

Haftbefehl 2917

Gegen den Schuldner, der zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht erscheint oder diese verweigert, hat das Gericht auf Antrag Haftbefehl zu erlassen (§ 901 ZPO). Zuständig ist das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht, in dessen Bezirk der Schuldner im Zeitpunkt der Auftragerteilung seinen Wohnsitz hat. Ein Zuständigkeitsstreitwert muss daher nicht bestimmt werden.

2918

Für den Erlass des Haftbefehls fallen keine Gerichtsgebühren an, da dieser Verfahrensabschnitt zum Verfahren über den Antrag auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung gehört, welches dem Gerichtsvollzieher übertragen wurde. Auch für das Beschwerdeverfahren muss kein Streitwert festgesetzt werden, da hier eine Festgebühr (Nr. 2121, 2124 KV GKG) anfällt, soweit die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird.

2919

Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren bestimmt sich nach § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG. Maßgeblich ist der Betrag, der einschließlich der Nebenforderungen aus dem Vollstreckungstitel noch geschuldet wird, höchstens jedoch 1.500 Euro. Auf die Höhe des Betrages, der vollstreckt wird, kommt es dagegen nicht an.

* Æ Beispiel: Der Gläubiger hat einen Titel gegen den Schuldner über 1.200 Euro. Er vollstreckt nur wegen der bis zur Auftragserteilung angefallenen Zinsen i.H.v. 170 Euro. Hier berechnen sich die anwaltlichen Gebühren nach einem Gegenstandswert von 1.370 Euro (die Höchstgrenze von 1.500 Euro greift nicht ein), da dies der Betrag ist, den der Schuldner tatsächlich noch zu erbringen hat.

Haftungsbeschränkung A. Haftungsbeschränkung des Erben 2920

Die Beschränkung der Haftung des Erben auf den Nachlass (§§ 780, 781 ZPO, §§ 1975 ff. BGB) vermindert den Streitwert nicht, weil es für die Bewertung eines bezifferten Anspruchs nicht darauf ankommt, ob und inwieweit er mit Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse des Schuldners oder anderer Umstände zu verwirklichen ist. Der geringere „wirtschaftliche Wert“ einer Forderung stellt sich möglicherweise erst in der Zwangsvollstreckung heraus. Unter Umständen erweisen sich aber auch die Befürchtung des (teilweisen) Ausfalls mit der Forderung als unbegründet. Alle diese Überlegungen sind unerheblich, weil bei bezifferter Forderung nur der Forderungsbetrag wertbestimmend ist.1

2921

Der Streitwert eines lediglich den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung betreffenden Rechtsmittels bestimmt sich nach dem Betrag, den der Rechtsmittelkläger bei Erfolg seines Rechtsmittels weniger zu zahlen hat.2

1 RG, RGZ 54, 412. 2 OLG Bamberg, Beschl. v. 29.10.1965 – 3 U 42/65, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 140.

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Handelsvertreter

B. Sonstige Haftungsbeschränkungen Bei sachlich beschränkter Haftung, beispielsweise derjenigen des Reeders, ist umstritten, ob die einschränkende Vorschrift des § 6 Satz 2 ZPO anzuwenden ist. Wird das verneint,1 dann bleibt der Wert der Forderung maßgebend, selbst wenn das haftende Gut geringeren Wert hat oder gar in Verlust geraten ist. Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen; der geringere Wert des Haftungsobjekts muss streitwertmäßig berücksichtigt werden.2

2922

Handelsregisteranmeldung S. das Stichwort „Anmeldung zum Handelsregister“.

Handelsvertreter Literatur: Schneider, Der Streitwert für Klagen des Handelsvertreters, BB 1976, 1298.

Ein Handelsvertreter ist – außer in den in § 5 Abs. 3 ArbGG genannten Fällen – nicht „Arbeitnehmer“ i.S. des § 42 Abs. 3 GKG.3 Daher ist der Streitwert für die von einem Handelsvertreter geltend gemachten Ansprüche gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.

2923

1. Vertragsauflösung Der Wert einer Klage auf Feststellung, dass der zwischen Handelsvertreter und Unternehmer bestehende Vertrag aufgelöst ist, bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der Auflösung des Vertrages.4 Abzustellen ist auf den Vergleich der Vorteile und Nachteile, die sich aus der Beendigung des Handelsvertretervertrages für den Kläger ergeben. Die Bewertung muss hinter dem Wert einer entsprechenden Leistungsklage zurückbleiben. Dabei ist vor den ordentlichen Gerichten § 42 Abs. 2 GKG (max. dreifacher Jahresbetrag des Entgelts) nicht anwendbar, weil es sich bei der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung nicht um „Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen“ handelt.5

2924

2. Kündigung Der Wert einer Klage auf Feststellung, dass die gegenüber einem Handelsvertreter ausgesprochene fristlose Kündigung unwirksam ist, bestimmt sich da1 So KG, JW 1934, 3005; OLG Marienwerder, OLGE 27, 165. 2 Ebenso KG, JW 1933, 2074; 1937, 246; OLG Kiel, HRR 1936 Nr. 1145; OLG Stettin, JW 1926, 868. 3 LAG Nürnberg, Beschl. v. 26.7.2000 – 6 Ta 180/00, NZA-RR 2001, 53; OLG Frankfurt, MDR 1974, 1028; OLG München, Beschl. v. 8.1.1985 – 23 W 601/85, JurBüro 1985, 574; OLG Bamberg, Beschl. v. 10.7.1991 – 1 W 24/91, JurBüro 1991, 1693. 4 OLG München, Beschl. v. 27.7.1977 – 23 W 1857/77, AnwBl. 1977, 468. 5 OLG München, Beschl. v. 8.1.1985 – 23 W 601/85, JurBüro 1985, 547.

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2925

Handelsvertreter nach, welches Interesse der Handelsvertreter an der Fortgeltung des Vertrages hat.1 Dieses Interesse berechnet sich aus der Provisionsdifferenz bezogen auf den Fall der ordentlichen Kündigung, also aus dem Provisionsausfall in dem Zeitraum zwischen dem Ausspruch der fristlosen Kündigung und dem Zeitpunkt der Vertragsbeendigung bei ordentlicher Kündigung.2 Aufgrund des Feststellungsantrages ist ein Abschlag von 20 % gerechtfertigt.3 2926

Werden im Rahmen der Feststellungsklage des Handelsvertreters mehrere, zeitlich auseinander liegende außerordentliche Kündigungen angegriffen, so muss der Provisionsausfall für jede Kündigung gesondert ermittelt und die Werte dann addiert werden.4 3. Auskunft/Ausgleichsanspruch

2927

Bildet auch ein eventueller Ausgleichsanspruch des Klägers nach § 89b HGB den Hintergrund der Feststellungsklage, kann auch dieser – allerdings nur mit einem geringen Bruchteil5 – bei der Wertfestsetzung berücksichtigt werden.

2928

Der Wert des Auskunftsanspruchs eines Handelsvertreters, mit dem das Verfahren über den Ausgleichsanspruch vorbereitet werden soll, kann im Allgemeinen mit etwa 20 % des Ausgleichsanspruchs angenommen werden.6 Vgl. dazu das Stichwort „Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters“.

2929

Erhebt der Handelsvertreter Stufenklage nach § 254 ZPO auf Zahlung offener Provisionsbeträge nach Gesamtabrechnung und verlangt er gleichzeitig einen angemessenen, aber noch nicht bezifferten Ausgleich nach § 89b HGB, dann sind die Werte von Stufenklage und Ausgleichsanspruch zu addieren. Denn auch dann, wenn die Höhe des Ausgleichsanspruchs in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, ist dieser Anspruch nicht von der Stufenklage auf Provisionszahlung gedeckt.7 4. Gestattung

2930

Der Streitwert der Klage des Handelsvertreters auf Gestattung der Befriedigung aus zurückbehaltenen Sachen ist nach dem Wert der Sachen zu bemessen, wenn dieser niedriger ist als der Betrag der in Rede stehenden Forderung (§ 6 ZPO).8

1 OLG Bamberg, Beschl. v. 10.7.1991 – 1 W 24/91, JurBüro 1991, 1693. 2 OLG Köln, Beschl. v. 23.1.1996 – 3 W 41/95, OLGR 1996, 128; OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.2.1999 – 24 U 5/97, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1304 = OLGR 1999, 139; OLG Köln, Urt. v. 12.7.2001 – 19 U 219/00, OLGReport 2001, 373. 3 BGH, Beschl.v. 13.2.1986 – IX ZR 114/85, MDR 1986, 669; OLG München, Beschl. v. 8.1.1985 – 23 W 601/85, JurBüro 1985, 574. 4 OLG Köln, Beschl. v. 23.1.1996 – 3 W 41/95, OLGR 1996, 128. 5 Das OLG Köln (Urt. v. 20.7.2001 – 19 U 219/00) hat 20 % des behaupteten Ausgleichanspruchs in die Wertfestsetzung mit einbezogen. 6 BGH, Beschl. v. 10.3.1960 – VII ZR 246/59, BB 1960, 796 mit Anm. von Weiher. 7 LG Bayreuth, JurBüro 1977, 1747. 8 OLG Hamburg, HVR Nr. 221.

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Onderka

Hebegebühr

Hauptsacheerledigung S. das Stichwort „Erledigung der Hauptsache“.

Hebegebühr I. Überblick Für das Weiterleiten von Zahlungen und die Ablieferung oder Rücklieferung von Wertpapieren und Kostbarkeiten erhält der Anwalt eine Hebegebühr nach Nr. 1009 VV RVG. Die Höhe der Gebühr ist wertabhängig (§ 2 Abs. 1 RVG). Der Anwalt erhält bei Werten bis zu 2.500 Euro bis zu 10.000 Euro – 1,0 % aus 2.500 Euro = – aus dem darüber hinausgehenden Wert über 10.000 Euro: – 1,0 % aus 2.500 Euro = – zuzüglich 0,5 % aus 7.500 Euro = – aus dem darüber hinausgehenden Wert

2931

1 % des Wertes 25,00 Euro weitere 0,5 % 25,00 Euro 37,50 Euro weitere 0,25 %

II. Auszahlungen Die Höhe der Hebegebühr berechnet sich bei der Auszahlung von Geldbeträgen nach dem Nominalbetrag der Aus- oder Rückzahlung.

2932

Zinsen und sonstige Nebenforderungen werden entgegen § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG in voller Höhe mitberechnet.

2933

Sind Beträge in fremder Währung auszuzahlen, so sind diese Beträge in Euro umzurechnen.

2934

Unerheblich ist, ob der weitergeleitete Betrag in einer Summe oder in mehreren Teilbeträgen eingegangen ist. Entscheidend ist die Auszahlung.

2935

* Æ Beispiel: An den Anwalt werden drei Teilzahlungen i.H.v. jeweils 1.000 Euro gezahlt. Der Anwalt zahlt die gesamten 3.000 Euro in einem Betrag aus. Es entsteht nur eine Hebegebühr aus dem Gesamtwert von 3.000 Euro.

Zu Teilauszahlungen s. Rn. 2937.

III. Kosten Die Hebegebühr entsteht nicht, soweit Kosten an ein Gericht oder eine Behörde weitergeleitet oder eingezogene Kosten an den Auftraggeber abgeführt werden (Anm. Abs. 5 zu Nr. 1009 VV RVG). Solche Beträge bleiben ohne Ansatz. Unter Kosten sind in diesem Zusammenhang nur die mit der Erledigung des zugrunde liegenden Auftrags verbundenen Kosten als Nebenforderung zu N. Schneider

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2936

Hebegebühr verstehen (§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 43 GKG). Soweit Kosten dagegen die Hauptforderung darstellen, also z.B. in einem Rechtsstreit gegen den Rechtsschutzversicherer auf Kostenübernahme oder in einem Schadensersatzprozess auf Ersatz aufgewandter Anwaltskosten, ist Anm. Abs. 5 zu Nr. 1009 VV RVG nicht anzuwenden.

* Æ Beispiele: – Der Anwalt wird damit beauftragt, einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch aus Verzug einzuklagen. Nach erfolgreich abgeschlossenem Prozess zahlt der Gegner die Urteilssumme an den Anwalt. Es handelt sich jetzt nicht um eingezogene Kosten i.S. der Anm. Abs. 5 zu Nr. 1009 VV RVG, da die zu ersetzenden Kosten als Hauptsache anzusehen sind. – Nach Anerkenntnis des Beklagten überweist die Gerichtskasse die beiden nicht verbrauchten Gerichtsgebühren nach Nr. 1211 KV GKG an den Anwalt des Klägers, der diesen Betrag an den Auftraggeber weiterleitet. Eine Hebegebühr entsteht nicht. – Nach Abschluss des Rechtsstreits zahlt der Beklagte an den Anwalt des Klägers die Klageforderung i.H.v. 10.000 Euro und die festgesetzten Kosten i.H.v. 1.860 Euro. Der Anwalt überweist dem Mandanten 11.860 Euro. Die Kosten werden nicht mitgerechnet. Der Gegenstandswert für die Hebegebühr beläuft sich auf 10.000 Euro.

IV. Teilauszahlungen 2937

Bei Teilauszahlungen ist jede Hebegebühr für sich zu berechnen. Es findet entgegen § 22 Abs. 1 RVG keine Zusammenrechnung der einzelnen Werte statt.

* Æ Beispiel: In einer Verkehrsunfallsache zahlt der Versicherer 15.000 Euro an den Anwalt. Dieser leitet aufgrund der vorliegenden Abtretungen vereinbarungsgemäß 500 Euro an den Sachverständigen weiter, 9.500 Euro an die Reparaturwerkstatt und zahlt die restlichen 5.000 Euro an den Mandanten aus. Es sind drei Hebegebühren angefallen, und zwar nach 500 Euro, 9.500 Euro und 5.000 Euro.

V. Wertpapiere 2938

Sind Wertpapiere weiterzuleiten (Anm. Abs. 4 zu Nr. 1009 VV RVG) berechnet sich die Gebühr nach dem jeweiligen Wert oder Kurswert des Wertpapiers.

VI. Kostbarkeiten 2939

Sind Kostbarkeiten weiterzuleiten (Anm. Abs. 4 zu Nr. 1009 VV RVG) berechnet sich die Gebühr nach dem Verkehrswert der Sache (§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, §§ 3 ff. ZPO).

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N. Schneider

Heimfallanspruch

Heimfallanspruch Heimfall war im Lehnsrecht der Rückfall eines erledigten Lehnsgutes an den Lehnsherren. Dergleichen gibt es heute nicht mehr. Eine namensgleiche Regelung findet sich jedoch in § 2 Nr. 4 ErbbauRG. Danach gehört zum Inhalt des Erbbaurechts eine Vereinbarung des Grundstückseigentümers und des Erbbauberechtigten über „eine Verpflichtung des Erbbauberechtigten, das Erbbaurecht beim Eintreten bestimmter Voraussetzungen auf den Grundstückseigentümer zu übertragen“ (Legaldefinition des Begriffs „Heimfall“).

2940

Der Heimfallanspruch des Grundstückseigentümers kann nicht von dem Eigentum an dem Grundstück getrennt werden (§ 3 ErbbauRG). Er ist unübertragbar, unpfändbar und unverpfändbar.1

2941

Eine abgeschwächte entsprechende Regelung ist in § 36 Abs. 1 WEG enthalten. Danach kann als Inhalt eines Dauerwohnrechts vereinbart werden, dass der Berechtigte verpflichtet ist, das Dauerwohnrecht beim Eintritt bestimmter Voraussetzungen auf den Grundstückseigentümer oder einen von diesem zu bezeichnenden Dritten zu übertragen. Auch dieser Heimfallanspruch kann nicht vom Eigentum an dem Grundstück getrennt werden.

2942

Der Wert des Heimfallanspruchs nach den ErbbauRG ist gleich dem Wert des Erbbaurechts. Er bestimmt sich nicht nach § 41 Abs. 2 GKG, weil es sich bei dem Erbbaurecht nicht um ein miet- oder pachtähnliches Nutzungsverhältnis handelt.2

2943

Der Wert des Erbbaurechts ist nicht gleich dem Verkehrswert des Grundstücks.3 Er setzt sich vielmehr zusammen aus dem Wert der errichteten Gebäude und dem kapitalisierten Wert des Nutzungsrechts am Grundstück, das nach § 9 ZPO a.F. dem 25-fachen Betrag des Jahreserbbauzinses entsprach.4 Nach der derzeitigen Fassung des § 9 ZPO ist der 3,5-fache Jahresbetrag maßgebend.

2944

Umstritten ist, ob der Wert auflastender Grundpfandrechte abzuziehen ist, die zur Gebäudefinanzierung aufgenommen worden sind. Die herrschende Meinung verneint das, weil die Belastungen den Verkehrswert unberührt lassen und bei Veräußerung auf den Kaufpreis angerechnet werden.5

2945

Zweifelhaft ist, ob bei der Klage auf Feststellung eines Heimfallrechts der übliche Abschlag von 20 % wegen bloß positiver Feststellung zu machen ist.

2946

Das wird mit der Begründung verneint, die Vorschrift des § 6 ZPO sei anwendbar, sehe aber keinen Abschlag für Feststellungsklagen gegenüber Leistungsklagen vor.6

2947

1 2 3 4 5

OLG Düsseldorf, DNotZ 1974, 177. OLG Schleswig, SchlHA 1968, 144. A.A. OLG Bamberg, JurBüro 1985, 1705 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 785. OLG Frankfurt, JurBüro 1985, 278; OLG Nürnberg, JurBüro 1992, 52. OLG Celle, JurBüro 1974, 880 mit Anm. Schneider; OLG Frankfurt, JurBüro 1985, 278; OLG Bamberg, JurBüro 1985, 1705; a.A. LG Hannover, JurBüro 1974, 879 unter Berufung auf Kramer, NJW 1972, 2117; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Erbbaurecht“ Rn. 2; s. auch oben Rn. 1758 f. 6 KG, Rpfleger 1970, 69; OLG Frankfurt, JurBüro 1985, 278.

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Herabsetzung einer vereinbarten Vergütung 2948

Dabei wird jedoch übersehen, dass § 6 ZPO nur den Streitwert für Zuständigkeit und Rechtsmittelinstanz regelt (§ 2 ZPO). Im Gebührenrecht ist er über § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nur durch Bezugnahme, also entsprechend anwendbar. Die Versagung des Abschlags bei Eigentums- und damit auch Heimfalls-Feststellungsklagen ist vom Ergebnis her wenig einleuchtend. Sie führt zu Ungleichbehandlungen, die des zureichenden Grundes entbehren.

2949

Klagt beispielsweise der Kläger auf Feststellung, dass der Beklagte vertraglich verpflichtet sei, dem Kläger einen Personenkraftwagen mit einem Verkehrswert von 20.000 Euro zu liefern, dann beläuft sich der Streitwert dieser positiven Feststellungsklage auf 20.000 Euro abzüglich 20 % = 16.000 Euro. Klagt er mit der Begründung, er habe Vertrag und Übereignung angefochten, auf Feststellung der Rückgabepflicht, dann würde sich der Streitwert auf 20.000 Euro belaufen. In beiden Fällen würde der Kläger aber keinen Titel erlangen, der ihn berechtigen würde, die Herausgabevollstreckung zu betreiben. Es erscheint deshalb richtig, auch Klagen auf Feststellung einer dinglichen Berechtigung geringer als entsprechende Leistungsklagen zu bewerten.1

2950

Ein Dauerwohnrecht nach §§ 31 ff. WEG, bei dem der Berechtigte vertraglich wie ein dinglicher Rechtsinhaber gestellt wird und bei Geltendmachung eines Heimfallanspruchs eine Entschädigung entsprechend des Anteils des Wohnobjekts am Marktpreis des Grundstücks erhalten soll, liegt nach seiner Funktion nahe beim Eigentum. Der Streitwert eines solchen Dauerwohnrechts entspricht deshalb dem Verkehrswert einer vergleichbaren Eigentumswohnung.2

Herabsetzung einer vereinbarten Vergütung 2951

Nach § 3a Abs. 2 RVG (§ 4 Abs. 3 RVG a. F.) kann das Gericht im Rechtsstreit eine unangemessen hoch vereinbarte Vergütung auf das angemessene Maß, höchstens bis auf die Höhe der gesetzlichen Vergütung herabsetzen. Dieser Anspruch ist selbständig einklagbar.

2952

Im Falle einer bezifferten Klage auf Herabsetzung der angemessenen Vergütung ist der begehrte Herabsetzungsbetrag maßgebend.3

2953

Soweit die Herabsetzung in das Ermessen des Gerichts gestellt ist, ist – vergleichbar einer unbezifferten Schmerzensgeldklage – darauf abzustellen, in welcher Größenordnung sich der Kläger die Herabsetzung vorstellt.4

2954

Wird ein Antrag auf Herabsetzung mit einem Anspruch auf Rückzahlung verbunden, dürfte nur auf den Wert des Rückzahlungsanspruchs abzustellen sein. Eine Addition verbietet sich, weil zwischen beiden Ansprüchen wirtschaftliche Identität besteht.

1 2 3 4

E. Schneider, MDR 1986, 184. AG Frankfurt, AnwBl. 1984, 449 = KostRsp. ZPO § 6 Nr. 102 mit Anm. Schneider. N. Schneider, Die Vergütungsvereinbarung, Rn. 1738. N. Schneider, Die Vergütungsvereinbarung, Rn. 1739.

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N. Schneider

Herausgabe

Herausgabe Literatur: Tschischgale, AnwBl. 1962, 198 (Bedenkliche Bewertung von Herausgabeklagen; maßgebend ist nicht der Verkehrswert der betroffenen Sache in ihrem tatsächlichen Zustand, sofern in der vom Kläger im Klageantrag und seiner Begründung angegebenen Ausgestaltung); Danschke, JurBüro 1953, 276 (Streit bei Herausgabeklagen aufgrund von Sicherungsübereignung); Schalhorn, JurBüro 1972, 1002 (gebrauchte Sachen).

A. Anzuwendende Vorschriften Bemessungsvorschrift ist § 6 ZPO, der auch für den Gebührenstreitwert gilt (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG), sofern keine Sonderregeln greifen, wie z.B. bei § 42 Abs. 2 GKG (Herausgabe von Miet- und Pachtobjekten).

2955

Der Wert der herauszugebenden Sache als solcher ist dagegen nach § 3 ZPO zu schätzen. Auch bei der Herausgabe von Urkunden, deren Besitz unmittelbar den Wert eines Rechts verkörpert (Inhaber- und Wertpapiere), ist § 6 ZPO anzuwenden; bei anderen Urkunden ist nach § 3 ZPO zu schätzen.1

2956

Stets ist genau zu prüfen, ob auch ein Herausgabesachverhalt gegeben ist. So gilt beispielsweise § 6 ZPO nicht bei Klagen wegen Besitzstörung,2 desgleichen nicht bei Klagen auf Vorlegung von Sachen oder Urkunden gem. § 908 BGB oder auf Herausgabe nur zur vorläufigen Verwahrung.3 Solche Sachverhalte sind nach § 3 ZPO zu bewerten. Anders liegt es jedoch entgegen OLG Hamm4 bei der Klage auf Herausgabe eines Computers, den der Verkäufer dem Käufer für die Dauer eines Rechtsstreits über Mängel des verkauften und gelieferten Computers überlassen hatte. In diesem Fall geht es dem Kläger um den endgültigen Besitz, sodass § 6 ZPO und nicht § 3 ZPO anzuwenden ist. Maßgebend ist der Verkehrswert im Zeitpunkt der Erhebung der Herausgabeklage (§ 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG). Dass das herausverlangte Gerät einem raschen Wertverfall unterliegt, kann diesen Streitwert entgegen OLG Hamm nicht mehr verringern.

2957

Der Gebührenstreitwert der Klage auf Herausgabe einer Sache bemisst sich nach dem objektiven Verkehrswert derselben bei Einreichung der Klage, nicht nach der subjektiven Einschätzung der Parteien. Maßgebend ist dabei der Betrag, der sich erzielen ließe, wenn die Sache veräußert würde.5

2958

Der Streitwert einer Herausgabeklage bestimmt sich, wenn sachlich allein um ein einredeweise geltend gemachtes Pfandrecht gestritten wird, nach dem Wert der gesicherten Forderung, sofern nicht der Wert der Sache geringer ist.6

2959

Bei der Klage auf Herausgabe mehrerer Sachen sind die Werte der einzelnen Herausgabeansprüche zusammenzuzählen. Wird hilfsweise Wertersatz verlangt, so ist ein Hilfsantrag nur zu berücksichtigen, wenn das Gericht über ihn entschieden hat (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG; zu beachten: § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG).

2960

1 2 3 4 5 6

BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1070 = EzFamR ZPO § 3 Nr. 23 = FamRZ 1992, 169. RGZ 3, 394; OLG Hamburg, OLGE 23, 72. RG, JW 1903, 125. OLG Hamm, MDR 1990, 449 = JurBüro 1990, 649. OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.7.1994 – 16 W 13/97, OLGR 1998, 156. OLG Celle, NJW 1957, 1649.

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Herausgabe 2961

Schwierig wird es, wenn herauszugebende Gegenstände praktisch keinen Verkehrswert haben, weil sie nicht veräußerlich sind. Das OLG Köln1 hat sich in einem derartigen Fall, in dem es um die Herausgabe der beim Architekten befindlichen Originalzeichnungen eines längst fertig gestellten Bauvorhabens ging, mangels schätzbaren Verkehrswertes der Zeichnungen an § 12 Abs. 2 GKG a.F. (jetzt § 48 Abs. 2 GKG) orientiert und den (damals) untersten Wertansatz – bis 600 DM – angenommen.

2962

Bei Wertminderung durch Rücknahme (Abriss von Hallen) ist der geringere Wert maßgebend.2

2963

Parteiangaben sind für die Ermittlung des Wertes ein Anhalt, für die Parteien und das Gericht nicht bindend,3 aber gleichwohl der wichtigste und oft sogar der einzige Schätzungsanhalt.

2964

Der Wert ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu ermitteln,4 sodass praktisch auf den Veräußerungswert abzustellen ist.5 Es gilt dabei der Verkehrswert im Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung für den Gebührenwert (§ 40 GKG), im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht für die (Revisions-)Beschwer.6

2965

Ist ein Kaufpreis vereinbart, so wird dieser regelmäßig dem Wert der Sache gleichzusetzen sein.7

2966

Umgekehrt ist der Streitwert eines Herausgabeantrages im Zweifel auch nicht geringer als der für den „Unvermögensfall“ begehrte Geldbetrag.8

2967

Verbindet der Kläger den Antrag auf Verurteilung zur Vornahme einer Handlung mit dem Antrag, für den Fall, dass die Handlung nicht binnen einer zu bestimmenden Frist vorgenommen werde, den Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung zu verurteilen (§§ 510b ZPO, § 61 Abs. 2 Satz 1 ArbGG) oder geht er vor dem Landgericht ebenso nach §§ 255, 259 ZPO, 283 BGB vor, handelt es sich um eine Klagenhäufung in der Form des sog. unechten Hilfsantrags, bei dem der Kläger den Hilfsantrag auf Zahlung von Schadensersatz nur für den Fall stellt, dass der Hauptantrag begründet ist. In diesem Fall sind beide Anträge wirtschaftlich identisch, sodass § 5 ZPO unanwendbar und folglich nicht zusammenzurechnen ist. Zu bewerten ist allein der Leistungsantrag.9 S. auch „Fristsetzung“.

2968

Das LG Köln10 will auf diesen Sachverhalt die Vorschrift des § 45 Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 4 GKG a.F.) analog anwenden.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

OLG Köln, ZMR 1974, 143. OLG Frankfurt, JurBüro 1970, 173. OLG Hamburg, OLGE 40, 342. KG, JW 1930, 1083. BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – II ZR 65/91, NJW-RR 1991, 1210 = MDR 1992, 83; KG, JurBüro 1955, 273. BGH, a.a.O. KG, JW 1931, 1047; OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1990 – 1 W 130/89, JurBüro 1990, 773. KG, Rpfleger 1962, 155. A.A.; vgl. z.B. Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl. 2005, § 510b Rn. 5; a.A. Hillach/Rohs, § 14 III d, S. 64, anscheinend ohne die Abweichung von der h.M. zu bemerken. LG Köln, MDR 1984, 501 mit abl. Anm. E. Schneider, MDR 1984, 853 Stichwort „Unechte Hilfsanträge“ Rn. 5.

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Monschau

Herausgabe Dem steht jedoch schon entgegen, dass dafür eine Analogiebasis fehlt und unüberwindbare Schwierigkeiten bei der Kostenentscheidung auftreten würden.1 Die Entscheidung ist jedenfalls überholt, da durch das KostRÄndG 1994 der Hilfsanspruch in § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG geregelt ist, dabei § 45 Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 4 GKG a.F.) nicht übernommen wurde, sodass eine Analogie nicht (mehr) in Frage kommt.

2969

Vielmehr gilt die Regelung des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG über die Bewertung von Hilfsanträgen auch hierfür.2 Der Wortlaut differenziert nicht zwischen Anträgen, die für den Fall des Unterliegens mit dem Hauptantrag (sog. echte Hilfsanträge) und solchen, die für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt werden.3 Auch die Interessenlage ist identisch: Es soll der Wert der Berechnung der Gerichtsgebühren zugrunde gelegt werden, auf den sich das gerichtliche Verfahren tatsächlich erstreckt hat. Dafür ist es unerheblich, ob der Kläger nur mit einem Antrag oder mit beiden obsiegen möchte, da das Gericht sich jeweils nur bei Bedingungseintritt mit dem Hilfsantrag befasst.4

2970

Der Gebührenstreitwert kann im Einzelfall höher sein. Das ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des § 33 Abs. 1 RVG. Denn die anwaltliche Tätigkeit, deren Vergütung sich aufgrund des § 32 Abs. 1 RVG auch nach der für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wertfestsetzung richtet, erstreckt sich unabhängig von dem Bedingungseintritt auf den Hilfsantrag, weil der Rechtsanwalt den Prozess umfassend begleiten muss.

2971

B. Alphabetischer Bewertungs-Schlüssel Herausgabeklagen können sich auf beliebige, zahlenmäßig unbegrenzte Gegenstände beziehen. Von ihrer Bewertung hängt dann auch der Streitwert der Herausgabeklage ab. Die nachfolgende alphabetische Zusammenstellung einschlägiger Entscheidungen zu Sachverhalten, die zum Teil häufiger vorkommen, soll die richtige Bewertung im Einzelfall erleichtern. Zu Detailfragen s. jeweils auch unter dem betreffenden Hauptstichwort. Stichwortübersicht Arbeitsbescheinigung . Bereicherungsansprüche Beweisurkunden . . . . Bürgschaftsurkunde . . Eigenheim . . . . . . . Eigentumsvorbehalt . . Eigentumswohnung . . Einstweilige Verfügung Einwilligung . . . . . . Erbschein . . . . . . . . Filmmaterial . . . . . . Fotografie . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

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Rn. 2973 2974 2975 2977 2985 2988 2989 2994 2998 3000 3001 3002

Fristsetzung . . . . . . . . . . . . . Gegenforderung/Gegenleistung . . Goldbarren . . . . . . . . . . . . . Grundschuldbrief/Hypothekenbrief Grundstücke . . . . . . . . . . . . Haus . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinterlegung . . . . . . . . . . . . Kaufanwartschaftsverträge . . . . . Kraftfahrzeug/Kraftfahrzeugbrief/ Kraftfahrzeugschlüssel . . . . . Lieferung . . . . . . . . . . . . . . Nachlass . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

Rn. 3003 3004 3008 3009 3014 3023 3025 3026

. 3027 . 3039 . 3040

1 E. Schneider, MDR 1984, 853. 2 Vgl. LAG Niedersachsen, ArbuR 2009, 227 m.w.N.; LAG Düsseldorf v. 5.12.2006 – 6 Ta 583/06, juris; a.A. LAG Nürnberg v. 16.12.2004 – 4 Ta 355/04. 3 A.A. Anders/Gehle, 301. 4 KG, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W 23/09.

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Herausgabe

Nießbrauch . . . . . . . . . Notarurkunden . . . . . . . Originalzeichnungen . . . . Pacht . . . . . . . . . . . . . Pfandrecht . . . . . . . . . . Raumüberlassung . . . . . . Schuldschein . . . . . . . . . Sequester . . . . . . . . . . . Sicherungsübereignung . . . Sparbuch . . . . . . . . . . . Teilung einer Gemeinschaft

. . . . . . . . . . .

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Rn. 3042 3044 3045 3046 3048 3049 3050 3053 3055 3057 3061a

Urkunden . . . . . . . Urteil . . . . . . . . . . Versicherungsschein . . Versorgungsleistung . . Verwahrungsschein . . Vollmachtsurkunde . . Vollstreckungstitel . . Wertminderung . . . . Wertpapiere . . . . . . Zurückbehaltungsrecht

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. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

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Rn. . 3062 . 3063 . 3064 . 3065 . 3066 . 3067 . 3068 . 3068a . 3069 . 3077

Arbeitsbescheinigung 2973

Den Anspruch auf Herausgabe einer Arbeitsbescheinigung hat das LAG Baden-Württemberg nicht mit dem Betrag der zu erwartenden Arbeitslosenhilfe bewertet, sondern gem. § 3 ZPO mit 500 DM geschätzt.1 In der Vergangenheit hat die Rechtsprechung des LAG Rheinland-Pfalz2 Anträge auf Erteilung und Herausgabe von Arbeitspapieren teils mit 10 % des Bruttomonatsgehaltes in Ansatz gebracht, teils solche Anträge pauschal bewertet.3 Mit Beschluss vom 29.1.20074 hat sich die für Wertfestsetzungsbeschwerden nunmehr allein zuständige 1. Kammer des LAG Rheinland-Pfalz der letztgenannten Ansicht angeschlossen und für die Erteilung und Aushändigung von Arbeitspapieren pro Arbeitspapier einen Wert von 300,00 Euro für angemessen erachtet. Allerdings sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, die eine andere Bewertung rechtfertigen können. Bereicherungsansprüche

2974

Bewertung nach § 6 ZPO, da ausschlaggebend das Herausgabeverlangen ist. Beweisurkunden

2975

Wenn auf Herausgabe von Beweisurkunden geklagt wird, die nicht Wertpapiere sind, bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an der Beweisführung gem. § 3 ZPO, z.B., wenn Pelzverwahrungsscheine herausverlangt werden5 oder der Kläger eine Bürgschaftsurkunde zurückhaben will.6

2976

Besteht Streit über den Besitz an einer Urkunde (hier: Versicherungsschein für eine Lebensversicherung) ist für die Berechnung des Streitwerts einer Klage auf Herausgabe der Urkunde § 6 ZPO nur dann anzuwenden, wenn der Besitz der Urkunde unmittelbar den Wert eines Rechts verkörpert, wie es z.B. bei Inhaberpapieren der Fall ist. Handelt es sich bei der herauszugebenden Ur1 2 3 4 5 6

LAG Baden-Württemberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 698 = BB 1984, 1234. Vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 5.5.2006 – 8 Ta 94/06. Vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 15.12.2006 – 10 Ta 239/06. LAG Rheinland-Pfalz v. 29.1.2007 – 1 Ta 11/07. LG Flensburg, JurBüro 1950, 146. OLG Stuttgart, JurBüro 1980, 896 = MDR 1980, 658; Rn. 2977.

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Herausgabe kunde aber (wie hier) um ein qualifiziertes Legitimationspapier ist für die Wertfestsetzung auf § 3 ZPO abzustellen.1 Bürgschaftsurkunde Der Streitwert einer Klage auf Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde ist nicht ohne Weiteres mit dem Wert der dieser zugrunde liegenden Forderung identisch, sondern muss nach § 3 ZPO geschätzt werden.

2977

Dabei ist das Interesse des auf Rückgabe der Urkunde Klagenden an dem Besitz der Urkunde maßgebend, wobei dieses erheblich geringer sein kann als der Wert der Bürgschaftsforderung, was z.B. der Fall ist, wenn die Hauptforderung erloschen ist und es nur darum geht, eine missbräuchliche Benutzung der Bürgschaftsurkunde zu verhindern. Der Wert der Bürgschaftsforderung kann hingegen bestimmend sein, wenn der Schuldner mit der Herausgabeklage eine Inanspruchnahme des Bürgen verhindern will; diese Konstellation wird angenommen, wenn nach dem Bürgschaftsvertrag die Verpflichtungen aus der Bürgschaft bei einer Rückgabe der Bürgschaftsurkunde an den Bürgen erlöschen.2 Im Regelfall bemisst sich der Wert des Anspruchs auf Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde nach einem Bruchteil des Wertes der Bürgschaftsforderung.

2978

Wenn aber der Kläger mit dem Herausgabeanspruch verhindern will, dass der Beklagte den Schuldner der Bürgschaft wegen umstrittener Forderungen in Anspruch nimmt, so ist der Streitwert nach § 3 ZPO mit dem vollen Wert der Forderungen anzusetzen, deren sich der Beklagte gegenüber dem Kläger berühmt.3

2979

Der Streitwert für eine Klage auf Herausgabe einer Bürgschaft auf erstes Anfordern ist entsprechend des Bürgschaftsbetrages in voller Höhe festzusetzen, wenn der Kläger mit der Herausgabeklage eine Inanspruchnahme des Bürgen verhindern will und nach dem Bürgschaftsvertrag die Verpflichtungen aus der Bürgschaft bei Rückgabe der Bürgschaftsurkunde an den Bürgen erlöschen.4

2980

Lautet die Bürgschaftsurkunde über einen höheren Betrag als die Klageforderung, dann ist nur von dieser auszugehen; wegen des Mehrbetrages kann jedoch ein Aufschlag entsprechend dem Herausgabeinteresse des Klägers angebracht sein.5

2981

Das Verlangen auf Herausgabe einer schriftlichen Bürgschaftserklärung ist neben dem Anspruch auf Zahlung nicht zusätzlich zu bewerten;6 desgleichen nicht, wenn der Klage auf Gewährleistung die Widerklage auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde entgegengesetzt wird.7

2982

1 BGH, Beschl. v. 10.10.2001 – IV ZR 120/01, NJW-RR 2002, 573 = AGS 2002, 230. 2 BGH, NJW-RR 1994, 758 ff.; OLG Frankfurt, AnwBl. 1980, 460; vgl. auch BGH, NJWRR 1946, 758, 759 und die dort angegebenen weiteren Hinweise. 3 LG Berlin, Beschl. v. 13.5.2002 – 67 T 29/02, JurBüro 2002, 478; ebenso LG Hamburg, Beschl. v. 7.9.2001 – 308 O 117/01, JurBüro 2002, 81; KG, Beschl. v. 7.6.2001 – 8 W 164/01, KGR 2002, 28 = AGS 2002, 126. 4 KG, Beschl. v. 6.3.2000 – 26 W 599/00, BauR 2000, 1380 = AGS 2001, 253; OLG München, Beschl. v. 29.12.1999 – 15 W 3367/99, BauR 2000, 607. 5 OLG Stuttgart, JurBüro 1980, 896 = MDR 1980, 678. 6 OLG Bamberg, JurBüro 1974, 1437. 7 OLG Stuttgart, JurBüro 1980, 896.

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Herausgabe 2983

Wird lediglich Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verlangt, geht es also nicht um die Abwehr einer drohenden Inanspruchnahme, dann ist das Interesse des Klägers am Besitz der Urkunde maßgebend, nicht die Höhe der Hauptschuld.1

2984

Soweit das OLG Düsseldorf2 das Interesse des Klägers gleichgesetzt hat „dem Beweiswert der Urkunde in Händen des Gläubigers“, handelt es sich um ein sehr unklares Bewertungskriterium, das abzulehnen ist. Die Bürgschaftsurkunde hat keinen Beweiswert für das Bestehen der gesicherten Forderung. Eigenheim

2985

Verlangt ein Pächter nach Beendigung des Pachtverhältnisses mit der Klage die Herausgabe der Urkunde über die von ihm als Sicherheit gestellte Bankbürgschaft, und erhebt der Verpächter Widerklage auf Schadensersatz aus dem Pachtverhältnis, dann sind die Streitwerte von Klage und Widerklage nicht zusammenzurechnen; vielmehr ist der höhere der beiden Streitwerte als Gesamtstreitwert festzusetzen.3 Denn in einem solchen Fall wird wechselseitig das Gleiche wirtschaftliche Interesse verfolgt: Mit der Klage auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde soll verhindert werden, dass der Beklagte die Bürgschaft für Ansprüche aus dem Pachtverhältnis in Anspruch nimmt; mit der Zahlungsklage werden Ansprüche geltend gemacht, bei deren Bestehen die Bürgschaft in Anspruch genommen werden kann, also vom Beklagten gerade nicht aufgegeben werden muss. Da jede Partei ihre Leistung bis zur Erbringung der Gegenleistung zurückbehalten kann, besteht ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis. Da die geltend gemachten Zahlungsansprüche die Bürgschaftssumme nicht voll ausschöpfen, decken sich die Streitgegenstände von Klage und Widerklage nicht vollständig, aber doch in Höhe der Zahlungsansprüche.4

2986

Klagt eine staatliche Treuhandgesellschaft für Wohnungsbau auf Räumung und Herausgabe eines Eigenheims wegen Rücktritt vom Bewerbervertrag, dann bemisst sich der Gebührenstreitwert gem. § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG nach dem einjährigen Nutzungsbetrag, nicht gem. § 6 ZPO nach dem Verkehrswert des Eigenheims.5

2987

Klagt der Verkäufer einer unter Eigentumsvorbehalt verkauften Sache auf Herausgabe aufgrund seines Eigentums, dann bestimmt sich der Streitwert nach dem Wert der herausverlangten Sache und nicht nach dem Wert der Restkaufpreisforderung.6

1 OLG Hamm, JurBüro 1981, 43; OLG Düsseldorf, JurBüro 1981, 1893; OLG Stuttgart, JurBüro 1980, 896; 20–30% als angemessener Bruchteil der gesicherten Forderung; zustimmend LG Köln, AnwBl. 1982, 437. 2 OLG Düsseldorf, JurBüro 1981, 1893. 3 OLG Stuttgart, OLGR 2000, 42. 4 OLG Stuttgart, OLGR 2000, 42. 5 OLG Köln, MDR 1974, 323 = JMBl.NW 1974, 69 = BlGBW 1974, 115. 6 OLG Stuttgart, AnwBl. 1959, 41; OLG Frankfurt, JurBüro 1970, 173 m.w.N.; a.A. OLG Koblenz, MDR 1968, 334.

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Herausgabe Eigentumsvorbehalt Wird auf Herausgabe der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Ware und gleichzeitig auf Bezahlung des Kaufpreises geklagt, so werden diese Streitgegenstände nicht zusammengerechnet.1

2988

Eigentumswohnung Wird eine Eigentumswohnung dem in Aussicht genommenen Käufer aufgrund eines privatwirtschaftlichen Vorvertrages überlassen, der nur eine Verpflichtung zum Erwerb der Wohnung und die dafür geltenden Bedingungen enthält, so ist im Falle einer Herausgabeklage des Eigentümers nur die Frage Streitgegenstand, ob der spätere Käufer die Wohnung bis zur endgültigen Klärung der Rechtsbeziehungen der Parteien nutzen darf. Den Streitwert für diesen Streit bildet gem. § 42 Abs. 2 GKG der einjährige Nutzungswert der Wohnung.2

2989

Ebenso hat das OLG Frankfurt entschieden für die nach Ablauf einer vertraglichen Nutzungsfrist erhobene Herausgabeklage, auch wenn die Klage zusätzlich auf Eigentum gestützt wird.3

2990

Wird auf Herausgabe einer Eigentumswohnung geklagt mit der Begründung, der Kaufvertrag sei nichtig, dann richtet sich der Streitwert nach § 6 ZPO, also nach dem Verkehrswert, nicht gem. § 42 GKG nach dem einjährigen Nutzungswert.4

2991

Dem steht nicht die Rechtsprechung zur Bewertung von Kaufanwartschaftsverträgen s. Rn. 3026) entgegen, weil es bei der auf Vertragsnichtigkeit gestützten Herausgabeklage an einer Nutzungsvereinbarung fehlt.

2992

Allerdings wird diese Unterscheidung dann bedeutungslos, wenn mit OLG Köln5 die Anwendung des § 42 Abs. 2 GKG nicht davon abhängig gemacht wird, dass ein Nutzungsentgelt vereinbart und gezahlt wird. Indessen war auch in jenem Fall ein Bewerbervertrag geschlossen worden, der durch Rücktritt beseitigt worden war.

2993

Einstweilige Verfügung Wenn eine Herausgabeverfügung – ganz ausnahmsweise – praktisch zur Befriedigung des Gläubigers führt, kann es angebracht sein, den Streitwert gem. §§ 53 Abs. 1 GKG, 3 ZPO auf den vollen Wert der Hauptsache zu schätzen.6

2994

Das gilt bei einer auf Aufrechterhaltung einer Versorgungsleistung gerichteten einstweiligen Verfügung eines Kunden gegen den Versorger. Hier rechtfertigt allein die „rechtliche Vorläufigkeit“ der zu treffenden Maßnahme einen Abschlag nicht; denn es handelt sich um eine Leistungsverfügung (Befriedigungsverfügung), durch die die Hauptsache faktisch vorweggenommen und die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der Versorgungsleistung ange-

2995

1 2 3 4 5 6

OLG Hamburg, MDR 1965, 394. KG, JurBüro 1969, 166. OLG Frankfurt, JurBüro 1983, 255 = KostRsp. GKG § 16 Nr. 22. OLG Frankfurt, JurBüro 1979, 1888; 1983, 919 = AnwBl. 1984, 203. OLG Köln, JurBüro 1978, 1054. OLG Saarbrücken, KostRsp. GKG § 20 Nr. 8.

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Herausgabe ordnet wird, ohne dass die anordnungsgemäß durchgeführte Weiterbelieferung wieder rückgängig gemacht werden könnte.1 2996

Verlangt ein Verfügungskläger die Herausgabe seines Kraftfahrzeuges (Geschäftsfahrzeuges) von dem Betreiber einer Kraftfahrzeugwerkstatt, der sich demgegenüber auf sein Werkunternehmerpfandrecht beruft, bestimmt sich der Streitwert des einstweiligen Verfügungsverfahrens grundsätzlich nach der Höhe der das Pfandrecht begründenden Werklohnforderung.2 Allerdings darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass es nach der ratio des § 6 ZPO – einem allgemeinen Rechtsgrundsatz im Streitwertrecht folgend – auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ankommt. Macht der Verfügungskläger glaubhaft, dass er den Pkw, sein Geschäftsfahrzeug, zur Aufrechterhaltung seines Betriebs dringend benötigte, geht es ihm in erster Linie um die sofortige Herausgabe des Fahrzeugs, und nicht darum, die streitige Forderung nicht vorab begleichen zu müssen. Da die Herausgabeverfügung in einem solchen Fall zur Befriedigung des Verfügungsklägers führt, ist der Streitwert gem. § 53 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO auf den vollen Wert der Hauptsache zu schätzen.3

2997

Wird im Wege der einstweiligen Verfügung Herausgabe einer Sache an den Antragsteller selbst und nicht nur an einen Sequester verlangt, so ist für den Streitwert der volle Wert der Sache ohne den sonst im Verfügungsverfahren üblichen Abschlag maßgebend, da das Herausgabeverlangen wirtschaftlich dem Hauptsacheverfahren gleichkommt.4 Einwilligung

2998

Auch die Klage auf Einwilligung in die Herausgabe einer hinterlegten Sache ist nach § 6 ZPO zu bewerten.5

2999

Sind mehrere Personen nur gemeinsam berechtigt, eine hinterlegte Sache in Empfang zu nehmen, dann ist auf ihre Beteiligungsrechte abzustellen. Sind beispielsweise Kläger und Beklagter je zur Hälfte Eigentümer der hinterlegten Sache, dann ist der Wert der Klage nur mit der Hälfte des Verkehrswertes anzusetzen. Erbschein

3000

Wird auf Herausgabe eines Erbscheins geklagt, dann ist abzustellen auf das Interesse des Klägers, dass die Nachteile nicht eintreten, die dem wirklichen Erben infolge der rechtlichen Bedeutung des Erbscheins mit Rücksicht auf die §§ 2365, 2367 BGB drohen.6 Der Nachlasswert oder das Bestreben des Klägers, mittelbar die Ungültigkeit der letztwilligen Verfügung des Erblassers feststellen zu lassen, sind belanglos. 1 AG Oldenburg, Beschl. v. 3.5.2010 – 2 C 279/10; OLG München, Beschl. v. 26.5.2009 – 29 W 1498/09, JurBüro 2009, 484 = AGS 2009, 402 = JurBüro 2009, 429 = MDR 2009, 1075; a.A. KG, Beschl. v. 26.11.2004 – 5 W 146/04, KGR 2005, 208 = juris. 2 LG Köln, Beschl. v. 23.9.2008 – 13 T 171/08, AGS 2008, 613 mit Anm. Monschau; OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.10.2002 – 24 U 158/01, MDR 2003, 356. 3 OLG Saarbrücken, KostRspr. GKG § 20 Nr. 8. 4 OLG Köln, Beschl. v. 27.1.1999 – 16 W 3/99, OLGR 1999, 336. 5 KG, JurBüro 1978, 427 = AnwBl. 1978, 107. 6 RG, JW 1911, 813 Nr. 22; BGH, Beschl. v. 8.5.1967 – III ZR 191/66.

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Herausgabe Filmmaterial Obwohl sich der Streitwert einer Klage auf Herausgabe einer bestimmten Sache grundsätzlich nach dem allgemeinen Verkehrswert richtet, bemisst sich der Streitwert bei einer Klage auf Herausgabe von Filmmaterial regelmäßig weder nach dem bloßen Materialwert noch nach den Neuherstellungskosten. Er ist vielmehr unter Berücksichtigung der Aussichten einer erfolgreichen Auswertung des Filmmaterials im Zeitpunkt der Klageerhebung zu schätzen mit der Maßgabe, dass nur ein Bruchteil des aus der Verwertung etwa zu erwartenden Reingewinnes anzusetzen ist.1

3001

Fotografie Obgleich mit der Klage auf Herausgabe einer belastenden Fotografie die Herausgabe einer Sache begehrt wird, bestimmt sich der Wert des Streitgegenstandes nicht gem. § 6 ZPO nach dem gewöhnlichen Verkehrswert der Fotografie. § 6 ZPO ist nämlich nur dann anwendbar, wenn die Sache einen selbständigen Vermögenswert hat und wenigstens auch mit Rücksicht auf diesen herausverlangt wird. Der Kläger fordert aber die Herausgabe der Fotografie nicht um ihres Sachwertes willen, der nur geringfügig ist, auch keine selbständige Bedeutung hat, sondern sein Interesse geht dahin, die Schäden abzuwenden, die sich daraus ergeben, dass der Beklagte die Fotografie in seinem Besitz hat. Der Wert des Streitgegenstandes ist deshalb nach dem Wert des Interesses des Klägers frei zu schätzen.2

3002

Fristsetzung Bei einer Klage auf Herausgabe, Fristsetzung hierfür und eventuellen Schadensersatz richtet sich der Streitwert nach dem höheren der Werte der beiden Leistungsanträge. Eine Zusammenrechnung findet nicht statt.3

3003

Gegenforderung/Gegenleistung Wird auf Herausgabe einer Sache geklagt, und macht der Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht wegen einer Gegenforderung geltend, so bestimmt sich auch bei unstreitigem Herausgabeanspruch, aber (lediglich) streitiger Gegenforderung der Streitwert nach herrschender Meinung nur nach dem Wert der herauszugebenden Sache.

3004

So wird der Streitwert einer Klage auf Herausgabe einer Sache mit deren Wert, und nicht nur mit dem des noch offenen Restkaufpreises angenommen.4

3005

Das OLG Frankfurt lässt allerdings dahingestellt, ob das auch dann gilt, wenn nur ein Gegenrecht von im Verhältnis zur Klageforderung außerordentlich geringem Wert streitig ist.5

3006

1 2 3 4

OLG Frankfurt, MDR 1957, 48. KG, Rpfleger 1956, 89 zu ZPO § 3, g. OLG Jena, Beschl. v. 24.8.1998 – 5 W 513/98, OLGR 1999, 100. OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.12.1969 – 6 W 387/69, NJW 1970, 334; OLG Bamberg, Beschl. v. 11.2.1971 – 1 W 5/71, JurBüro 1971, 456; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.11.1983 – 8 W 46/83, AnwBl. 1984, 94. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.11.1983 – 8 W 46/83, AnwBl. 1984, 94.

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Herausgabe 3007

Wegen der Bedenken gegen diese formale Betrachtungsweise s. auch das Stichwort „Gegenleistung“ Rn. 2508 ff. Goldbarren

3008

Der Wert einer auf die Herausgabe von Goldbarren gerichteten Klage wird durch den an der Börse geltenden Ankaufskurs (Börsenkurswert) für Goldbarren bestimmt und nicht nach dem Verkaufskurs.1 Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Tag der letzten mündlichen Verhandlung. Grundschuldbrief/Hypothekenbrief

3009

Bei Hypotheken- oder Grundschuldbriefen folgt aus dem Besitz am Brief nicht die Inhaberschaft am verbrieften Recht. Da der Brief lediglich eine Beweisurkunde und kein Wertpapier ist, bemisst sich der Streitwert für eine auf Herausgabe eines Grundschuldbriefes gerichtete Klage nicht nach § 6 ZPO. Der Streitwert ist also nicht stets gleich dem Nennbetrag der Grundschuld. Er ist vielmehr nach § 3 ZPO frei zu schätzen.

3010

Da aber die Zuerkennung des Briefes durch Urteil regelmäßig deshalb geschieht, weil dem Obsiegenden auch das materielle Recht zusteht, kann ihm der Besitz am Brief vom Gegner kaum noch wegen eines behaupteten Mangels im Recht streitig gemacht werden. Daher kann der Streitwert bis zum Wert des verbrieften Rechts geschätzt werden.2

3011

Maßgebend ist dabei das Interesse, das die klagende Partei daran hat, den Besitz an dem Grundschuldbrief zu erlangen.3

3012

Von Bedeutung ist auch, ob die Grundschuld ihrem Rang nach durch den Grundstückswert gedeckt ist.4 Der Wert des verbrieften Rechts ist jedoch stets obere Grenze.5

3013

Scheitert die Herausgabe nur an einem vom Beklagten geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht, dann entspricht das Herausgabeinteresse des Klägers wirtschaftlich dem Betrag, den er aufwenden müsste, um das Zurückbehaltungsrecht auszuräumen.6 Müsste der Kläger den aufzuwendenden Betrag finanzieren, dann sind Kreditkosten hinzuzurechnen. Grundstücke

3014

Ansprüche auf Herausgabe oder Auflassung von Grundstücken sind nach dem Grundstückswert ohne Rücksicht auf die auflastenden Grundpfandrechte zu bewerten.7

3015

Die Begründung dafür ist die, dass solche Belastungen den Grundstückswert als solchen nicht mindern und deshalb auch bei der Veräußerung lediglich 1 2 3 4 5 6 7

BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 65/91, NJW-RR 1991, 1210 = MDR 1992, 83. RG, HRR 1933 Nr. 1694; OLG Rostock, OLGE 37, 82; OLG Hamm, OLGE 35, 23. OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 431. KG, Rpfleger 1955, 89. OLG Kiel, Rpfleger 1938 Nr. 117. OLG Bremen, Beschl. v. 31.10.1984 – 2 W 125/84, JurBüro 1985, 444 = Rpfleger 1985, 77. BGH, NJW 1954, 955; OLG Braunschweig, JurBüro 1968, 483; OLG Frankfurt, JurBüro 1979, 1889.

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Herausgabe durch Zahlungsmodalitäten (Übernahme oder Ablösung) berücksichtigt werden. Eine andere Bewertung ist schwerlich möglich, weil sonst beispielsweise bei der Vollfinanzierung eines veräußerten Grundstücks der Streitwert in der untersten Gebührenstufe läge. Diese Bewertungsfrage ist aber sehr kontrovers; vgl. das Stichwort „Auflassung“. Die Vorschrift des § 42 GKG ist anwendbar, wenn die Klage auf Räumung und Herausgabe eines vermieteten Grundstücks gerichtet ist.1 Dabei reicht es aus, dass sich der Beklagte bei seiner Verteidigung auf ein Miet-, Pacht- oder ähnliches Nutzungsverhältnis beruft.2 Ebenso ist zu bewerten, wenn ein zwischen den Parteien abgeschlossener Kaufvertrag scheitert, der Kaufinteressent das Haus aber bereits bezogen hatte und ein monatliches, auf den Kaufpreis anzurechnendes Nutzungsentgelt vereinbart war.3 Der Streit der Parteien geht dann nicht um das Eigentum am Grundstück, sondern um die Vergütung des Nutzungsrechts. Die Vorschriften der §§ 42 GKG und 6 ZPO können allerdings auch zusammentreffen, wie ein vom OLG Bamberg entschiedener Fall zeigt:4 Wird die Klage auf Räumung eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks verbunden mit der Klage auf Herausgabe eines weiteren Grundstücks, über das kein Miet- oder Pachtverhältnis besteht, dann ist der Streitwert der Räumungsklage nach § 42 GKG, derjenige der Herausgabeklage nach § 6 ZPO zu berechnen.

3016

Nur nach § 6 ZPO ist zu bewerten, wenn dem Räumungsanspruch lediglich ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis zugrunde liegt, die Klage also nur auf § 985 BGB oder auf eine andere, nicht mietrechtliche Vorschrift gestützt wird. In diesem Fall ist nach herrschender Rechtsprechung auch nicht die ausschließliche Zuständigkeit nach § 29a ZPO gegeben, weil es an einem Mietverhältnis fehlt.5 Maßgebend ist dann nur der Verkehrswert des Herausgabeobjektes. Handelt es sich um ein Wohnhaus oder ein anderes Gebäude, dann ist der Verkehrswert des bebauten Grundstücks gleich dem Streitwert. Handelt es sich um die Räumung einer ohne Vertrag, also rechtswidrig besetzten und genutzten Wohnung, dann ist der entsprechende Anteil des Verkehrswertes anzusetzen. Die privilegierende Streitwertvorschrift des § 42 GKG ist unanwendbar.6 Der Streitwert der Herausgabeklage ist dann auch maßgebend für die Zwangsvollstreckung (s. das Stichwort „Zwangsvollstreckung“).

3017

Eine Räumungs- und Herausgabeklage des Grundstücksverkäufers gegen den Käufer nach Rücktritt vom Vertrag fällt nicht unter § 42 Abs. 2 GKG. Zu bewerten ist vielmehr nach § 6 ZPO.7

3018

1 2 3 4 5

S. das Stichwort „Mietstreitigkeiten“ Rn. 3836 f. OLG Bamberg, JurBüro 1992, 625. OLG Düsseldorf, JurBüro 1988, 373. OLG Bamberg, JurBüro 1988, 516. S. OLG Braunschweig, Nds.Rpfl. 1983, 225; OLG München, MDR 1977, 497; LG Ravensburg, ZMR 1986, 169; LG Duisburg, WuM 1981, 213; AG Berlin-Charlottenburg, WuM 1983, 210; die Gegenmeinung wird zwar weitgehend im Schrifttum, kaum jedoch in der Judikatur vertreten. 6 OLG München, AnwBl. 1966, 231. 7 OLG Nürnberg, Beschl. v. 30.3.2004 – 9 W 1014/04, MDR 2004, 966 = NJW-RR 2004, 1224; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.2.1983 – 17 W 6/83, JurBüro 1983, 919 = AnwBl. 1984, 203.

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Herausgabe 3019

Anders verhält es sich jedoch bei gescheitertem Kauf einer Eigentumswohnung mit bereits vor der Eigentumsübertragung gestatteter Nutzung; dann ist für die Berechnung des Streitwerts des Herausgabeanspruchs des Eigentümers das analog § 42 Abs. 2 GKG zu berechnende Nutzungsentgelt auch dann maßgeblich, wenn der Eigentümer den Herausgabeanspruch auf BGB § 985 stützt.1

3020

Bei der Klage auf Herausgabe eines Gastwirtschaftsgrundstücks ist auch der Geschäftswert der Gastwirtschaft angemessen zu berücksichtigen.2

3021

Der Wert des Streitgegenstandes bei Klagen eines Nachlassgläubigers gegen einzelne Miterben auf Auflassung und Herausgabe eines Grundstücks ist nicht stets, wie das OLG Hessen3 angenommen hat, gleich dem Wert des Grundstücks; es kommt vielmehr darauf an, ob der Kläger mit einem obsiegenden Urteil sein Interesse am Erlangen des Grundstücks gegenüber sämtlichen Erben durchsetzen kann.

3022

Verzögert ein an sich erfüllungsbereiter Grundstücksverkäufer kurzfristig die Übergabe des Grundstücks, so bestimmt sich der Streitwert für die Herausgabeklage des Käufers nicht nach dem Verkehrswert des Grundstücks (§ 6 ZPO), sondern er ist gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Käufers an der alsbaldigen Besitzverschaffung zu bemessen.4 Haus

3023

§ 45 Abs. 4 GKG a.F. wurde vom KostRÄndG 1994 nicht übernommen. Es gilt jetzt § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG: Wertaddition, soweit eine Entscheidung über den hilfsweise geltend gemachten Anspruch ergeht, es sei denn, die Ansprüche betreffen denselben Gegenstand; dann ist (nur) der Wert des höheren Anspruchs maßgebend (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG).

3024

Damit dürfen jedoch nicht die Fälle der §§ 225, 259, 510b ZPO, 61 Abs. 2 Satz 1 ArbGG verwechselt werden, in denen Schadensersatz nur für den Fall verlangt wird, dass der Beklagte innerhalb einer vom Gericht zu setzenden Frist die Leistung nicht erbringt. Bei solchen Antragshäufungen ist der Streitwert nur nach dem (ersten) Leistungsantrag zu bewerten (s. oben Rn. 2967). Hinterlegung

3025

Der Wert der hinterlegten Sache, die herausverlangt wird, ist maßgebend.5 Sind die Parteien gemeinsam am Gegenstand berechtigt, so ist der Anteil des Klägers vom Streitwert abzuziehen. Kaufanwartschaftsverträge

3026

Die Bewertung eines Räumungs- und Herausgabeanspruches aufgrund eines Kaufanwartschafts- und Bewerbervertrags richtet sich nicht nach § 6 ZPO, 1 OLG Köln, Beschl. v. 14.9.1995 – 19 W 34/95, ZMR 1995, 549 = WuM 1995, 719 = WuM 1996, 105 = JurBüro 1996, 194 = EzFamR aktuell 1995, 415. 2 OLG Nürnberg, JurBüro 1968, 242. 3 OLG Hessen, SJZ 1949, 418. 4 KG, JurBüro 1968, 740; LG Stuttgart, MDR 1993, 915 hat sich ohne eigene Begründung dem KG angeschlossen. 5 KG, JurBüro 1978, 427 = AnwBl. 1978, 107.

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Herausgabe sondern nach § 42 GKG, weil es nicht um das Eigentum am Eigenheim, sondern um die Beendigung von dessen erlaubter Nutzung geht.1 Kraftfahrzeug/Kraftfahrzeugbrief/Kraftfahrzeugschlüssel Der Streitwert einer Klage auf Herausgabe eines Kraftwagens bestimmt sich gem. § 6 ZPO nach dem Wert des Wagens, und zwar nach dessen Wert im Zeitpunkt der Instanzeinleitung.

3027

Die unter Umständen höheren Instandsetzungskosten müssen jedoch unberücksichtigt bleiben.2

3028

Der Anspruch auf Herausgabe eines Kraftfahrzeuges und der Widerklageantrag auf Auslieferung des zu diesem Kraftfahrzeug gehörenden Kraftfahrzeugbriefes haben denselben Gegenstand;3 denn es liegt nur ein Streit über den Eigentumsübergang an der Kaufsache vor.4

3029

Demgegenüber nimmt das OLG Nürnberg5 verschiedene Werte und Gegenstände an, sodass zusammenzurechnen ist. Das OLG Nürnberg hat bei einem Wert des Personenkraftwagens von 6.000 DM das Interesse des widerklagenden Beklagten an der Verfügungsgewalt über den Brief mit 1.000 DM geschätzt.

3030

Klagt der Käufer auf Herausgabe des Kraftfahrzeugbriefs und verlangt der Verkäufer mit der Widerklage Zahlung des Restkaufpreises, so liegt ebenfalls nur ein Streit über den Eigentumsübergang vor; Klage und Widerklage betreffen denselben Streitgegenstand; es ist mithin ein einheitlicher Streitwert festzusetzen, wobei der höhere Wert von Klage oder Widerklage anzusetzen ist.

3031

Klagt der Eigentümer eines PKW auf Herausgabe und erhebt der Beklagte, der Arbeiten an dem PKW ausgeführt hat, Widerklage auf Zahlung von Werklohn, so betreffen sie nicht denselben Streitgegenstand, sondern die Gegenstände sind zusammenzurechnen (GKG § 45 Abs. 1 Satz 2). Denn das Gericht könnte u.U. beiden Anträgen nebeneinander stattgeben, wenn beispielsweise das das rechtliche Schicksal von Klage und Widerklage verknüpfende Werkunternehmerpfandrecht nicht entstanden – der Kläger hat nach der Herstellung des Werks Eigentum erworben –, erloschen oder der Werkvertrag nichtig ist.6

3032

Der Streitwert der Klage, die lediglich auf Herausgabe des Kraftfahrzeugbriefs gerichtet ist, bestimmt sich nach dem Interesse an der Herausgabe des Briefes; dessen Sachwert ist unerheblich.7 Das OLG Saarbrücken8 hat die Klage auf Herausgabe von Brief und Zweitschlüssel mit der Hälfte des Fahrzeugwertes bemessen, weil der Kläger das Fahrzeug veräußern wollte, aber durch die Herausgabeverweigerung daran gehindert wurde.9 Werden nur die Schlüssel herausverlangt, orientiert sich das OLG Düsseldorf10 an den fiktiven Kosten der

3033

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

OLG Köln, MDR 1974, 323; OLG Saarbrücken, KostRsp. GKG a.F. § 12 Nr. 64. OLG Neustadt, Rpfleger 1957, 238 zu ZPO § 3, c. OLG Frankfurt, JurBüro 1961, 87. KG, Rpfleger 1962, 120. OLG Nürnberg, JurBüro 1958, 513. OLG Hamm v. 12.9.1989 – 26 W 25/89, Rpfleger 1990, 40. KG, JurBüro 1956, 387; OLG Düsseldorf, MDR 1999, 891 = AnwBl. 2000, 140. OLG Saarbrücken, JurBüro 1990, 1661. Zustimmend, OLG Düsseldorf, MDR 1999, 891 = AnwBl. 2000, 140. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.12.1992 – 11 W 123/92, OLGR 1993, 79.

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Herausgabe Beschaffung von Zweitschlüsseln oder der Erneuerung der Schließanlage. Der Streitwert bemisst sich auf 1/3 des Fahrzeugwertes, wenn der Beklagte die Herausgabe unter Berufung auf sein Eigentum an dem Fahrzeug ablehnt, der Kläger aber an dessen Nutzung nicht gehindert ist und auch keine Veräußerung beabsichtigt.1 3033a

Der Streitwert für die Herausgabe von Fahrzeugschlüsseln orientiert sich am Wert der Schlüssel (nicht des Fahrzeugs), allerdings unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Fahrzeug bei deren Vorenthaltung nicht genutzt werden kann. Zur Wertermittlung kann auf die fiktiven Kosten der Beschaffung von Zweitschlüsseln oder der Erneuerung der Schließanlage abgestellt werden.

3034

Das Interesse an der Verfügungsgewalt2 ist durch freie Schätzung zu ermitteln.3 Maßgebend ist, ob durch die Zurückhaltung des Briefes eine erhebliche Gefährdung der Vermögensinteressen des Klägers eingetreten ist.4

3035

Das Interesse des Klägers an der Herausgabe des Briefes ist höher zu bewerten als die Kosten der Beschaffung eines neuen Briefes und eines etwaigen Aufgebotes des alten Briefes.5

3036

Neben dem Interesse an der Erlangung der Verfügungsgewalt über den Brief ist an sich der Wert des Kraftfahrzeugs unmaßgeblich.6 Jedoch wird sich das Schätzungsermessen aus § 3 ZPO zwangsläufig am Wert des Kraftfahrzeugs orientieren müssen, weil ein anderer Bemessungsanhalt für den Wert der begehrten Verfügungsgewalt nicht gegeben ist.

3036a

Das KG beispielsweise hält im Regelfall einen Bruchteil des Kaufpreises des Wagens von 1/10 für angemessen.7

3037

Demgegenüber schätzt das OLG Hamburg8 das Interesse an der Verfügungsgewalt über den Brief auf die Hälfte des Wertes des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt der Klageerhebung.9 Das OLG Nürnberg10 bewertet mit 1/3 des Neuwertes.

3038

Auf den hälftigen Wert hat das OLG Köln11 für den Fall entschieden, dass das Verlangen auf Herausgabe des Kraftfahrzeugbriefes auf dem Streit über das Eigentum am Fahrzeug beruht.

3038a

Trotz gleich bleibenden Streitobjektes kann das Interesse der Parteien gem. § 3 ZPO je nach ihren verschiedenen Parteirollen in den Instanzen auch verschieden hoch bewertet werden. Klagt der Kläger auf Herausgabe des Briefes, weil er ihn zur Veräußerung des Fahrzeugs dringend benötigt, und macht der Beklagte wegen einer geringfügigen Forderung ein Zurückbehaltungsrecht am 1 2 3 4

5 6 7 8 9 10 11

OLG Düsseldorf, MDR 1999, 891 = AnwBl. 2000, 140. LAG Berlin, BB 1982, 1428. OLG Stuttgart, BB 1959, 460. OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1 – mit dem Hinweis, der Fall liege ähnlich wie der, dass ein Wechselschuldner nach Zahlung der Schuld auf Herausgabe des Wechsels gegen den Gläubiger klage. AG Schenefeld, SchlHA 1952, 154: Es wurde ein Wert von 200 DM angesetzt. OLG Neustadt, JurBüro 1963, 764. KG, Rpfleger 1962, 154. OLG Hamburg, MDR 1957, 495. Ebenso LG Bochum, AnwBl. 1984, 202; AG Stuttgart, AnwBl. 1967, 454. OLG Nürnberg, Beschl. v. 29.4.1968 – 6 W 33/68. OLG Köln, JurBüro 1962, 168.

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Herausgabe Brief geltend, das er nach seiner Verurteilung mit der Berufung verfolgt, so ist eine gleiche Wertfestsetzung für die Instanzen ausgeschlossen.1 Lieferung Ansprüche auf Lieferung und Übergabe von Sachen fallen unter § 6 ZPO.2

3039

Nachlass Wenn in einem Rechtsstreit unter Miterben die Herausgabe des Nachlasses an einen Dritten zum Zweck der Auseinandersetzung verlangt wird, richtet sich der Streitwert nach dem Interesse des klagenden Miterben, dessen unstreitiger Erbanteil daher immer streitwertmindernd zu berücksichtigen ist. Dies ist heute nach Änderung der Rechtsprechung des BGH3 wohl ausgetragen. Im Einzelnen hängt die Bewertung von der jeweiligen Prozesssituation ab. Insoweit sei auf die ausführliche Darstellung unter dem Stichwort „Miterbe“ verwiesen.

3040

Geht es dem Kläger bei einer Klage auf Rechnungslegung gegen den Testamentsvollstrecker im Ergebnis um die Erträge seines von ihm mit ca. 4,5 Mio. DM angesetzten Erbteils und (möglicherweise) um eine vorsorgliche Kontrolle des Testamentsvollstreckers, die eventuell zu Schadensersatzansprüchen nach § 2219 BGB führen könnte, nicht aber um die Vorbereitung des Anspruchs auf Herausgabe des Nachlasses oder nicht ausgezahlter Erträge, so ist es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht mangels Glaubhaftmachung einer 60.000 DM übersteigenden Beschwer die Beschwer des Klägers durch die Abweisung der Klage auf Rechnungslegung für drei Jahre auf insgesamt 40.000 DM festsetzt.4

3041

Nießbrauch Der Streitwert einer Klage auf Einräumung eines Nießbrauchs an einem Nachlassgrundstück ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Hierbei ist vom jährlichen Rohertrag auszugehen. Davon sind die öffentlichen Lasten und die Erhaltungskosten abzusetzen, nicht dagegen auch die Hypothekenzinsen. Der verbleibende Reinertrag ist in Anlehnung an die Tabelle in § 24 Abs. 2 KostO zu vervielfachen.5

3042

Der Streitwert für die Klage auf Herausgabe eines Grundstücks an den Nießbraucher bemisst sich nach § 6 ZPO. Er entspricht dem Verkehrswert des Grundstücks, da es – auch – um den Besitz geht. Belastungen des Grundstücks sind nicht abzuziehen.6

3043

1 OLG Nürnberg, MDR 1969, 1020: für die Klage 1/2 des Wertes des Kraftfahrzeugs, für die Berufung 20 DM, weil der Beklagte (= Berufungskläger) nur wegen dieser Forderung das Zurückbehaltungsrecht ausübte und § 6 Satz 2 ZPO entsprechend anzuwenden sei. 2 OLG Nürnberg, JW 1924, 1271; OLG München, JW 1920, 1043; OLG Königsberg, OLGE 41, 240. 3 S. BGH, MDR 1975, 741 = Rpfleger 1975, 353 = NJW 1975, 1415. 4 BGH, NJWE-FER 2001, 27. 5 OLG Celle, JW 1938, 390 Nr. 24; Rpfleger 1960, 413. 6 OLG Celle, Rpfleger 1960, 413.

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Herausgabe Notarurkunden 3044

Der Wert des Beschwerdegegenstandes nach der Verurteilung eines Notars zur Herausgabe von Urkundenausfertigungen richtet sich, wenn der Besitz der Urkunden nicht unmittelbar den Wert eines Rechts verkörpert, nicht nach § 6 ZPO, sondern nach § 3 ZPO. Danach hat das Berufungsgericht das Interesse des verurteilten Notars, die Urkunden nicht herausgeben zu müssen, nach freiem Ermessen festzusetzen.1 Originalzeichnungen

3045

Die nach Fertigstellung eines Bauvorhabens beim Architekten befindlichen Originalzeichnungen sind nach ihrem Verkehrswert kaum zu schätzen, da sie praktisch unveräußerlich sind. Deshalb darf sich der Wertansatz an den Richtlinien für nichtvermögensrechtliche Ansprüche orientieren. Dementsprechend hat das OLG Köln2 den Streitwert für den Anspruch des Bauherrn auf Herausgabe der Originalzeichnungen auf 500 DM angesetzt. Die Entscheidung ist von 1972. Heute muss der Wertansatz entsprechend höher liegen, zumal auch die Regelwerte angehoben worden sind. Pacht

3046

Der Streitwert eines Prozesses auf Herausgabe eines Pachtgrundstücks mit Ablauf der Pachtzeit ist gleich dem einjährigen Pachtzins (§ 42 Abs. 2 GKG). Dabei treten zu dem vereinbarten Pachtzins und der vereinbarten Inventarverzinsung hinzu die etwa übernommenen, sonst den Verpächter treffenden Lasten und Abgaben (z.B. Landesrentenbankschulden, Grundsteuern, dingliche Kirchensteuer, Rentenbankgrundschuldzinsen), Versicherungsbeiträge (für Gebäude und vom Verpächter gestelltes Inventar), die halben Landwirtschaftskammerbeiträge, nicht aber die Berufsgenossenschaftsbeiträge.3 Im Zusammenhang mit der Herausgabe entstehende mittelbare Belastungen (Kosten für die Entfernung von Bäumen/zurückgelassenen Einrichtungen) berücksichtigt der BGH nicht.4

3047

Klagt ein Grundstückseigentümer wegen behaupteter Beendigung des Pachtverhältnisses auf Herausgabe von Land, das eine Gemeindebehörde zugunsten eines Kleingartenvereins beschlagnahmt hatte, so ist der Streitwert zum Zwecke der Gebührenberechnung sowohl gegenüber dem verklagten Kleingartenverein als auch gegenüber der ebenfalls auf Herausgabe verklagten Gemeindebehörde einheitlich nach § 42 Abs. 1 GKG festzusetzen.5 Pfandrecht

3048

Der Streitwert einer Herausgabeklage bestimmt sich, wenn sachlich allein um ein einredeweise geltend gemachtes Pfandrecht gestritten wird, nach dem

1 2 3 4 5

BGH, Beschl. v. 13.7.1993 – III ZB 26/93, BGHR ZPO § 511a Wertberechnung 11. OLG Köln, Beschl. v. 8.11.1972 – 2 U 5/72. OLG Schleswig, JurBüro 1958, 512. BGH, KostRsp. ZPO § 8 Nr. 11. OLG Braunschweig, Nds.Rpfl. 1956, 86.

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Herausgabe Wert der gesicherten Forderung, wenn nicht der Wert der Sache geringer ist, § 6 ZPO.1 Raumüberlassung Der Streitwert der Klage eines Eigentümers auf Herausgabe eines zunächst zur unentgeltlichen Nutzung überlassenen Raumes bemisst sich nach dem Wert des Raums (§ 6 ZPO), nicht nach dessen Mietwert.2

3049

Schuldschein Wenn nach der Rückzahlung des Darlehens für eine erneute Inanspruchnahme durch den Darlehensgeber die Anhaltspunkte fehlen, ist für den Streitwert einer Klage auf Rückgabe des Schuldscheins nicht die Höhe der verbrieften Forderung, sondern das Interesse des Darlehensnehmers am Besitz der Urkunde maßgeblich. Unter diesen Umständen kann das Interesse mit 20 bis 30 Prozent der Forderung angesetzt werden.3

3050

Ansprüche aus diesen Rechtsgrundlagen, die auf Herausgabe gehen, sind nach § 6 ZPO zu bemessen.4

3051

Ein auf § 992 BGB gestützter Schadensersatzanspruch, der in Abhängigkeit vom Hauptanspruch auf Herausgabe der Sache erhoben wird, bleibt bei der Wertberechnung unberücksichtigt, auch wenn er den sich aus § 987 BGB ergebenden Nutzungsanspruch übersteigt.5 Die Entscheidung ist wenig überzeugend. Der Beklagte hatte sich rechtswidrig in den Besitz einer Wohnung gesetzt. Die Klägerin verlangte Herausgabe und Nutzungsentgang. Der Senat hat das Nutzungsentgelt als streitwertmäßig unbeachtliche „Nutzung“ i.S. des § 4 Abs. 1 ZPO behandelt.

3052

Sequester Die Herausgabe eines Gegenstandes an einen Sequester oder den zuständigen Gerichtsvollzieher aufgrund einstweiliger Verfügung kommt nach OLG Bamberg6 einer endgültigen Regelung nahe, sodass in diesen Fällen der Streitwert nur wenig unterhalb des Wertes des Hauptanspruches anzusetzen sei.

3053

Zuzustimmen ist dem nur unter der Voraussetzung, dass auch im jeweiligen Einzelfall die Sequestrierung der Sache tatsächlich einer endgültigen Regelung nahe kommt. Muss erst noch ein gerichtlicher Streit darüber durchgeführt werden, wem nun die Sache endgültig gehört, dann ist es nicht gerechtfertig, den vom OLG Bamberg7 angenommenen hohen Wert anzusetzen.

3054

1 2 3 4 5 6 7

OLG Celle, NJW 1957, 1640. OLG München, AnwBl. 1966, 231; s. näher oben Rn. 3048. OLG Köln, OLGR 1996, 245 = NJW-RR 1997, 381 = MDR 1997, 203–204. OLG Koblenz, DRZ 1950, 135. OLG Karlsruhe, ZZP 68, 1955, 463. OLG Bamberg, JurBüro 1979, 438. Ebenso Mümmler in der Anm. JurBüro 1979, 439.

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Herausgabe Sicherungsübereignung 3055

Bei Klagen auf Herausgabe einer zur Sicherung übereigneten Sache bestimmt sich der Streitwert nach dem Verkehrswert der übereigneten Sache.1

3056

Der Betrag der noch offenen Kaufpreisforderung soll unbeachtlich sein, weil das Sicherungseigentum nicht als Pfandrecht im Sinne des § 6 ZPO zu behandeln sei.2

3056a

Demgegenüber stellt die wohl überwiegende und zutreffende Ansicht darauf ab, dass das Sicherungseigentum wirtschaftlich dem Pfandrecht näher steht als dem Vollrecht. Sie bewertet deshalb nach § 6 ZPO und lässt den Wert der Forderung maßgebend sein, sofern nicht die übereignete Sache geringerwertig als die Forderung oder der Forderungsrest ist.3 Sparbuch

3057

Bei Sparkassenbüchern bestimmt sich der Herausgabeanspruch nicht ohne Weiteres nach dem eingetragenen Guthaben; denn das Sparkassenbuch ist kein Wertpapier und kein Inhaberpapier; auch hier ist daher das Interesse des Herausgabeklägers maßgebend, das allerdings dem Guthaben entsprechen kann.4

3058

Das wird beispielsweise dann anzunehmen sein, wenn die Parteien mit der Herausgabeklage das streitige Recht an der Spareinlage entscheiden lassen wollen oder durch Herausverlangen auch der Sicherungskarte die Verfügungsgewalt beansprucht wird5 oder Gefahr besteht, dass der Beklagte über die Einlage verfügt.6

3059

Das KG7 will das nach § 3 ZPO zu schätzende Interesse des Klägers durchgehend nach dem Betrag des eingetragenen Sparkassenguthabens bemessen. Dies soll nach OLG Düsseldorf8 auch dann gelten, wenn sich der Beklagte nur mit einem Zurückbehaltungsrecht verteidigt.

3060

Wird der Herausgabeanspruch mit dem Feststellungsantrag verbunden, der Kläger sei Berechtigter hinsichtlich des Guthabens, dann liegen zwei selbständig zu bewertende Anträge vor. Indessen besteht hinsichtlich des eigentlichen Streitgegenstandes teilweise Deckungsgleichheit, sodass aus diesem Grunde eine Wertaddition ausscheidet. Es ist deshalb nur der höherwertige Anspruch zu berücksichtigen. Das wird dann, wenn keine Gefahr besteht, dass der Beklagte das Sparguthaben abhebt und dem Kläger deshalb voller Verlust droht, nur der Feststellungsanspruch sein. Denn in der Regel hat bei einer solchen Klagehäufung der Herausgabeanspruch lediglich das Ziel, die Geltendmachung der Forderung gegenüber der Bank zu erleichtern.9 1 OLG Hamm, JMBl.NW 1951, 226; JurBüro 1956, 231. 2 So OLG Bamberg, JurBüro 1964, 32; OLG Stuttgart, AnwBl. 1959, 41. 3 BGH, MDR 1959, 385; OLG München, NJW 1953, 1870; OLG Celle, NJW 1957, 593; OLG Koblenz, MDR 1968, 334. 4 OLG Hamburg, JVBl. 1937, 247; OLG München, JurBüro 1974, 1169; LG Berlin, JVBl. 1937, 65. 5 KG, Rpfleger 1970, 96 = JurBüro 1970, 262. 6 OLG München, JurBüro 1974, 1169: aber konkrete Gefährdung nötig! 7 KG, JurBüro 1970, 262 mit krit. Anm. E. Schneider. 8 OLG Düsseldorf, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 141 = OLGR 1993, 266. 9 OLG Frankfurt, JurBüro 1975, 373.

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Herausgabe Der Streitwert einer Klage auf Herausgabe eines Sparbuchs bestimmt sich gem. § 6 ZPO auch dann nach dem Wert der verbrieften Forderung, wenn der Beklagte seine Verteidigung auf die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts beschränkt.1

3061

Teilung einer Gemeinschaft Wenn bei Teilung einer Gemeinschaft lediglich über die Art der Teilung gestritten wird, bestimmt sich der Streitwert nach dem herausverlangten Teil, sodass der geringerwertige Auskunftsanspruch bedeutungslos ist.2

3061a

Urkunden Bei der Bewertung einer Klage auf Herausgabe von Urkunden muss unterschieden werden: Soweit der Besitz der Urkunden unmittelbar den Wert eines Rechts verkörpert – wie bei Inhaber- und weiteren Wertpapieren – ist nach § 6 ZPO dieser Wert maßgeblich. Bei einem Streit um die Herausgabe anderer Urkunden wird der Wert von dem Gericht gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen bestimmt.3 S. hierzu auch die hier behandelten, spezielleren Stichwörter „Wertpapiere“, „Bürgschaftsurkunde“, „Notarurkunde“, „Urteil“, „Versicherungsschein“ etc.

3062

Urteil Bei einem Streit um die Herausgabe gerichtlicher Urteile wird der Wert gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen bestimmt.4

3063

Versicherungsschein Besteht Streit über den Besitz an einem Versicherungsschein für eine Lebensversicherung, ist für die Berechnung des Streitwerts einer Klage auf Herausgabe der Urkunde § 6 ZPO nur dann anzuwenden, wenn der Besitz der Urkunde unmittelbar den Wert eines Rechts verkörpert, wie es z.B. bei Inhaberpapieren der Fall ist. Handelt es sich bei der herauszugebenden Urkunde aber – wie hier – um ein qualifiziertes Legitimationspapier, ist für die Wertfestsetzung auf § 3 ZPO abzustellen.5 Maßgebend ist also das Interesse des Beklagten, die Verurteilung zu beseitigen und die Versicherungspolice nicht herausgeben zu müssen.6

1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.7.1993 – 11 W 29/93, OLGR 1993, 266. 2 OLG Schleswig, SchlHA 1979, 58. 3 BGH, Beschl. v. 25.9.1992 – XII ZB 61/91, FamRZ 1992, 169 = BGH aktuell 1991, Nr. 40. 4 BGH, Beschl. v. 25.9.1992 – XII ZB 61/91, FamRZ 1992, 169 = BGH aktuell 1991, Nr. 40. 5 BGH, Beschl. v. 10.10.2001 – IV ZR 120/01, NJW-RR 2002, 573 = AGS 2002, 230. 6 Vgl. BGH, Beschl. v. 14.10.1993 – IX ZR 104/93, WM 1993, 2229.

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Herausgabe Versorgungsleistung 3065

Der Streitwert von Klagen, die auf die Wegnahme von Messeinrichtungen zur Unterbrechung der Energieversorgung durch Versorgungsbetriebe gerichtet sind, ist nicht gem. § 6 ZPO nach dem Wert dieser Einrichtungen, sondern gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Versorgungsunternehmens zu bemessen, im Falle der Nichtzahlung der Energiekosten nicht weiterhin durch Lieferung von Energie in Vorleistung gehen zu müssen.1 Denn dem Versorgungsunternehmen geht es nicht um die Herausgabe der Zähler und den Besitz daran, sondern um die Durchsetzung des Zurückbehaltungsrechts durch Unterbrechung der Versorgungsleistung. Das Interesse geht dahin, weiteren Schaden abzuwenden, was teilweise nur durch den Ausbau der Zähler möglich ist, der damit nur das Mittel zur Erfüllung des Interesses ist. Der Streitwert ist daher gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung des Interesses der Klägerin festzusetzen. Maßgeblich ist der Schaden, den die Klägerin bei Fortsetzung der Lieferung der Versorgungsleistung befürchten müsste. Abzustellen ist zum einen auf den Zeitraum, der üblicherweise zwischen der Entstehung des Duldungsanspruchs und dem Vorliegen einer entsprechenden vollstreckbaren Entscheidung liegt und zum anderen auf den in dieser Zeit voraussichtlich anfallenden Verbrauch, der in den festgesetzten Monatsabschlägen zum Ausdruck kommt.2 Welcher Zeitraum zwischen der Entstehung des Anspruchs und der Erlangung einer vollstreckbaren Entscheidung bei der Bemessung zugrunde zu legen ist, wird unterschiedlich beurteilt: Während teilweise davon ausgegangen wird, dass ein Jahresbetrag der Vorauszahlungen angemessen sei,3 geht die Rechtsprechung wohl überwiegend davon aus, dass binnen sechs Monaten mit einem erstinstanzlichen Urteil gerechnet werden kann.4 Verwahrungsschein

3066

Der Verwahrungsschein stellt als Legitimationspapier nicht den Wert des verwahrten Gegenstandes dar; er erspart lediglich Beweisschwierigkeiten; wird seine Herausgabe verlangt, so richtet sich der Streitwert nicht gem. § 6 ZPO nach dem Wert des verwahrten Gegenstandes, sondern ist gem. § 3 ZPO zu schätzen.5 Vollmachtsurkunde

3067

Wird eine Vollmachtsurkunde herausverlangt, so ist nach § 3 ZPO zu bewerten. Die herausverlangte Urkunde verkörpert selbst keinen Wert, sodass § 6 1 OLG Schleswig, NZM 2009, 680 = NJW-RR 2010, 141. 2 OLG Schleswig, NZM 2009, 680 = NJW-RR 2010, 141; so im Grundsatz LG Itzehoe, ZMR 2008, 799; OLG Braunschweig, NJW-RR 2006, 1584; OLG Köln, ZMR 2006, 208; LG Bremen, Beschl. v. 5.6.2004 – 1 T 237/04, juris. 3 So LG Itzehoe, ZMR 2008, 799; OLG Köln, ZMR 2006, 208, AG Neuruppin, WuM 2005, 596; LG Hamburg, ZMR 2004, 586. 4 So OLG Braunschweig, NJW-RR 2006, 1584; AG Oldenburg/Holstein, Urt. v. 22.4.2008 – 22 C 930/07, juris; AG Hamburg, Beschl. v. 19.4.2007 – 518 C 451/06, juris; LG Bremen, Beschl. v. 5.6.2004 – 1 T 237/04, juris; OLG Schleswig, NZM 2009, 680 = NJW-RR 2010, 141. 5 LG Flensburg, JurBüro 1950, 146.

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Herausgabe ZPO als Grundlage für die Streitwertfestsetzung ausscheidet. Das Interesse des Klägers liegt darin, sich gegen Schäden durch Missbrauch der Urkunde zu schützen. Deshalb ist für die Wertbemessung von Bedeutung, ob und in welchem Umfang überhaupt Schäden durch einen Missbrauch der Vollmacht möglich und zu befürchten waren.1 Vollstreckungstitel Hat der Beklagte nach Titelschaffung gegen die titulierte Forderung wirksam aufgerechnet, so kann er Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO oder analog § 371 BGB die Klage auf Herausgabe des Titels erheben. Das Antragsinteresse ist in beiden Fällen gleich. Der Streitwert ist nach § 3 ZPO zu bemessen, wobei auf das Interesse des Schuldners abzustellen ist, eine missbräuchliche Benutzung des Titels zu verhindern, sowie auf die Größe der Gefahr, dass dies geschehe.2

3068

Wertminderung Bei auf Abzahlung verkauften Gegenständen, deren Rückgabe oder Herausgabe verlangt wird, ist von einer Wertminderung innerhalb des ersten Jahres nach dem Verkauf von etwa 25 % des regulären Verkaufspreises auszugehen3 – ein wohl zu geringer Abzug.

3068a

Wertpapiere Der Streitwert einer Klage, die auf Herausgabe von Wertpapieren gerichtet ist, bestimmt sich gem. §§ 4, 6 ZPO nach deren Kurswert im Zeitpunkt der Klageerhebung.

3069

Steigt der Kurswert im Verlaufe der Instanz, so ist dies nach § 15 GKG i.d.F. des KostRÄndG 1994 unbeachtlich.

3070

Bei den echten Order- und Inhaberpapieren (Wertpapiere mit sog. öffentlichem Glauben) ist stets das verbriefte Recht Streitgegenstand und deshalb auch sein Wert bestimmend.4

3071

Der Streitwert einer Klage auf Herausgabe von Börsenpapieren ist nicht gleich dem Steuerkurswert; maßgebend ist vielmehr der Börsenkurswert, und zwar unter Berücksichtigung des § 15 GKG.

3072

Bei der Ermittlung des Streitwertes bleiben jedoch Dividende und Bezugsrechte auf junge Aktien außer Betracht.5

3073

Der Streitwert für die Herausgabe von Wechseln bemisst sich nach dem Interesse an der Herausgabe; er ist nach § 3 ZPO zu schätzen.6

3074

1 KG, JurBüro 1970, 794 = Rpfleger 1970, 353 = WM 1970, 1305. 2 OLG Köln, JurBüro 1979, 1701; zustimmend BGH, FamRZ 1992, 169 = EzFamR ZPO § 3 Nr. 23. 3 KG, Rpfleger 1962, 156. 4 LG Kiel, JurBüro 1964, 212. 5 OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 159. 6 LG Kiel, JurBüro 1964, 212: Wechselsumme 8.200 DM; Streitwert 1.500 DM; OLG Düsseldorf, AnwBl. 1994, 47 = JurBüro 1994, 494: volle Wechselsumme, wenn ein fälliger Wechsel noch nicht bezahlt ist.

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Herausgabe 3075

Voraussetzung ist aber, dass die Wechsel noch realisierbar sind. In einem Fall, in dem das nach den übereinstimmenden Darlegungen der Parteien zu verneinen war, hat sich das OLG Köln an dem Richtwert für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten orientiert und das Herausgabeinteresse des Klägers mit 1/10 des Nominalwerts bemessen. Selbst das kann unter Umständen noch zu hoch gegriffen sein.

3076

Wird ein bereits bezahltes Wertpapier herausverlangt, um der Möglichkeit des Missbrauchs vorzubeugen, dann ist nur darauf abzustellen, dass der Kläger sich vor erneuter Inanspruchnahme aus dem Papier schützen will.1 Es kommt dann darauf an, wie groß diese Gefahr aus der Sicht des Klägers ist; dieser muss dazu substantiiert darlegen. Zurückbehaltungsrecht

3077

Macht der Beklagte in erster Linie Gegenansprüche auf Herausgabe von Sachen geltend, aus denen er ein Zurückbehaltungsrecht ableitet, so ist eine hilfsweise darauf hergeleitete Aufrechnung für den Streitwert bedeutungslos, wenn bereits das Zurückbehaltungsrecht zuerkannt wird.2

3078

Bei Klagen auf Herausgabe von Sachen ist nach § 6 ZPO als Streitwert der Verkehrswert der herausverlangten Sache maßgebend. Dies gilt nach herrschender Meinung (s. aber Rn. 3080), auch dann, wenn nicht der geltend gemachte Herausgabeanspruch, sondern nur ein vom Beklagten geltend gemachtes Zurückbehaltungsrecht streitig und die Höhe der Forderung, für die das Zurückbehaltungsrecht ausgeübt wird, geringer ist als der Verkehrswert der Sache.

3079

Wenn der Beklagte aber ein Urteil auf Herausgabe der Sache nur deshalb anficht, weil das von ihm geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht nicht oder nicht in voller Höhe anerkannt worden ist, so ist in der Berufungsinstanz für den Wert des Beschwerdegegenstands nicht der Streitwert der Klage, sondern das Interesse maßgebend, das der Rechtsmittelkläger an der Abänderung der angegriffenen Entscheidung hat (s. Rn. 2508 ff. mit Nachweisen, Rn. 4742 f. m.w.N.).

3080

Die Nichtberücksichtigung des Zurückbehaltungsrechts (Rn. 3078) kann allerdings im Einzelfall zu höchst unbilligen Ergebnissen führen. Es gibt Prozesslagen, in denen deshalb der Wert des Herausgabeanspruches, der als solcher unstreitig ist, am Wert des Gegenrechts gemessen werden sollte, mit dem der unstreitige Anspruch abgewehrt wird. Zu dieser Streitfrage s. näher bei dem Stichwort „Gegenleistung“ Rn. 2508 ff.

3081

Die Räumungs- und Herausgabeklage des Wohnungseigentumsverkäufers gegen den Käufer ist nicht nach § 42 GKG zu bewerten, sondern nach § 6 ZPO.3

1 LG Kiel, JurBüro 1964, 212. 2 LG Bayreuth, JurBüro 1980, 1865. 3 BGH, Warneyer 1967 Nr. 122.

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Hilfsantrag

Hilfsantrag Literatur: Zoller, VersR 1963, 1009; Tschischgale, NJW 1962, 2134 (Hilfbegehren und Eventualbegründung); Schneider, Kostenentscheidung im Zivilurteil; § 11; Rödding, NJW 1968, 2091; Mattern, NJW 1969, 1087; Merle, ZZP 1970 (Bd. 83), 436 (457 ff.) und MDR 1970, 976; Lange, NJW 1970, 1173; Schneider, MDR 1988, 462; Brox, Recht im Wandel, Festschrift 150 Jahre Carl Heymanns Verlag Köln, 1965, S. 124–126; Merle, MDR 1971, 976 und Speckmann, MDR 1972, 480; Kion, Eventualverhältnisse im Zivilprozess, Berlin 1971, § 14; Rütter, VersR 1989, 1241; Fleischmann, Sachliche Zuständigkeit bei Haupt- und Hilfsantrag, NJW 1993, 506; Sänger, Klagenhäufung und alternative Klagebegründung, MDR 1994, 860; Emde, Kostenentscheidungen bei Haupt- und Hilfsantrag, MDR 1995, 990; Lappe, NJW 2004, 2409; ders., NJW 2009, 478. Gliederungsübersicht A. Allgemeines

Rn. . . . . . . . . . . . 3082

B. Zuständigkeitsstreitwert

. . . . 3086

C. Gebührenstreitwert . . . . . . . 3087 I. Entscheidung über den Hilfsantrag . . . . . . . . . . . . . . . 3089

Rn. 1. Stattgabe des Hauptantrags . . . 3090 2. Bescheidung des Hilfsantrags . . 3092 II. Verschiedenheit der Gegenstände 3097 D. Rechtsmittel und Beschwer . . . 3100 E. Vergleich . . . . . . . . . . . . . 3102

A. Allgemeines Die Zulässigkeit der bedingten Stellung eines von mehreren Klageanträgen ist, soweit sie unter dem Vorbehalt des Eintritts einer innerprozessualen Bedingung steht, allgemein anerkannt1 und wird auch von § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.) vorausgesetzt.

3082

Vom Eventualantrag zu unterscheiden ist die bedingte Klagerhebung, also dass der Kläger die Erhebung seiner ganzen Klage von dem Eintritt einer Bedingung abhängig macht, was nur im Wege bei der Hilfswiderklage zulässig ist und unter diesem Stichwort streitwertrechtlich behandelt wird. Unzulässig ist daher die für den Fall der Abweisung des Hauptantrages gegen einen Dritten erhobene Klage (eventuelle subjektive Klagehäufung), da es hier an der Möglichkeit einer innerprozessualen Bedingung im Verhältnis des Klägers zum Dritten fehlt.2

3083

Auch ist zwischen echtem und unechtem Hilfsantrag zu unterscheiden. Während der echte Hilfsantrag (auch Eventualklagehäufung) für den Fall der Abweisung des Hauptantrages gestellt wird, baut der unechte Hilfsantrag auf dem Hauptantrag auf, steht zu diesem folglich nicht in einem Eventualverhältnis, sondern teilt mit diesem nur den Erfolg bzw. Misserfolg.3 Der abweichenden Ansicht,4 wonach der Wortlaut von § 45 Abs. 3 GKG nicht zwischen

3084

1 BGH, Urt. v. 14.11.1994 – II ZR 160/93, MDR 1995, 704 = NJW 1995, 1353; Zöller/ Greger, § 260 ZPO Rn. 4 m.w.N. 2 Zöller/Greger, § 253 ZPO Rn. 1. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W23/09, juris; LAG Nürnberg, Beschl. v. 16.12.2004 – 4 Ta 255/04, juris; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Unechter Hilfsantrag“ Rn. 1; Lappe, Anm. zu BGH, KostRsp. § 5 Nr. 92. 4 KG, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W 23/09, juris; LAG Niedersachen, Beschl. v. 16.12.2004 – 15 Ta 53/09, ArbuR 2009, 227; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 5.12.2009 – 6 Ta 583/06, juris.

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Hilfsantrag echtem und unechtem Hilfsantrag differenziere und daher auch für den uneigentlichen Hilfsantrag gelte, ist daher nicht zu folgen. Die demnach grundsätzlich gebotene Addition der Einzelwerte gem. §§ 5 ZPO bzw. § 39 GKG scheitert jedoch häufig daran, dass mit beiden Anträgen – wirtschaftlich betrachtet – dasselbe Ziel verfolgt wird. Wertbestimmend ist bei wirtschaftlicher Identität der Anträge immer nur der höchste Einzelwert. Das gilt insbesondere für die auf Herausgabe mit Fristsetzung und für den Fall von deren Versäumung auf Zahlung von Wertersatz gerichteten Klage (§§ 255, 259 ZPO). Da sich der Wert des Herausgabeantrags nach dem Verkehrswert zum Zeitpunkt der Klageeinreichung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ZPO bzw. § 40 GKG) bemisst, kann im Einzelfall der auf Zahlung des Wiederbeschaffungswertes (zum Zeitpunkt der Anspruchsentstehung) gerichtete Zahlungsantrag über dem des Herausgabeantrages liegen und daher wertbestimmend sein.1 Die Differenz zur gegenteiligen Ansicht besteht daher regelmäßig nur darin, dass bei einer analogen Anwendung von § 45 Abs. 3 GKG ein wirtschaftlich gleichwertiger, den Herausgabeantrag wertmäßig übersteigender Ersatzanspruch erst bei dessen Bescheidung die Wertbestimmung beeinflusst. 3085

Schließlich ist der Hilfsantrag von der – streitwertrechtlich – unerheblichen Hilfsbegründung abzugrenzen. Während mit dem echten Eventualantrag ein eigenständiger Streitgegenstand in den Prozess eingeführt wird, betreffen Hilfsbegründungen nur unterschiedliche rechtliche Herleitungen des Klageantrages aus demselben Lebenssachverhalt. Sie bleiben daher wertmäßig immer unberücksichtigt.2 S. dazu im Einzelnen unter dem Stichwort „Hilfsbegründungen“.

B. Zuständigkeitsstreitwert 3086

Da es sich nicht um eine kumulative Anspruchshäufung handelt, ist § 5 Halbs. 1 ZPO nach allgemeiner Ansicht nicht anwendbar. Für den Wert maßgebend ist vielmehr nur der höherwertige Klageantrag.3

3086a

Daher ist das Landgericht auch dann sachlich zuständig, wenn nur der höherwertige Hilfsantrag gem. §§ 23, 71 GVG in dessen Zuständigkeit fällt. Unerheblich ist insoweit, ob es später zu einer Entscheidung des höherwertigeren Hilfsantrages kommt oder bereits dem Hauptantrag stattgegeben wird. Denn der Hilfsantrag wird unabhängig vom Bedingungseintritt mit seiner Zustellung – auflösend bedingt – rechtshängig.4 Da für den Zuständigkeitsstreitwert der Zeitpunkt der Einreichung der Klage entscheidend ist (§ 4 Abs. 1 ZPO), 1 Insoweit zutreffend KG Berlin, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W 23/09, juris; ebenso OLG Jena, OLGR 1999, 100; LG Köln, Beschl. v. 20.12.1993 – 13 T 82/83, MDR 1984, 501. 2 BGH, Beschl. v. 14.1.2010 – VII ZR 162/08, juris: zeitbezogene, aber nicht (höchst)betragsmäßige Schadensberechnung; Beschl. v. 27.2.2003 – III ZR 115/02, BGHR 2003, 576 = MDR 2003, 716 = NJW-RR 2003, 713 = AnwBl. 2003, 596; OLG Bremen, JurBüro 1979, 731; OLG Celle, Beschl. v. 25.2.2000 – 13 W 14/00, OLGR 2001, 47. 3 KG, OLGZ 79, 348; OLG Rostock, OLGR 2008, 170 = Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Echte Hilfsanträge“ Rn. 1; Hartmann, GKG, (§ 5 ZPO) Anh. I § 48 GKG Rn. 6; Lappe, Anm. zu BGH KostRsp. § 5 Nr. 92; Musielak/Heinrich, § 3 Rn. 26 unter „Eventualantrag“; Zöller/Greger, § 260 ZPO Rn. 7; a.A. Fleischmann, NJW 1993, 506: maßgebend allein der Wert des Hauptantrags. 4 Zöller/Greger, § 260 ZPO Rn. 4.

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Hilfsantrag bleibt eine Veränderung der die Zuständigkeit tragenden Umstände auf die einmal begründete Zuständigkeit ohne Einfluss, 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Die Verweisung (§ 281 ZPO) der mit einem in die Zuständigkeit des Landgerichts fallenden Hilfsantrag vor dem Amtsgericht erhobenen Klage ist daher bereits vor Bedingungseintritt geboten.1

C. Gebührenstreitwert Erstmals mit dem KostRÄndG 1994 hat der Gesetzgeber in § 19 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F. die Wertaddition von Haupt- und mitbeschiedenem Eventualantrag eingeführt und damit den Hilfsantrag der Hilfsaufrechnung gleichgestellt. Diese Regelung ist mit der Neufassung des GKG durch das KostRMoG 2004 in § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG unverändert übernommen worden.

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Voraussetzung für eine Addition der Werte von Haupt- und Hilfsantrag ist, dass „eine Entscheidung über ihn ergeht“ und Haupt- und Hilfsantrag nicht „denselben Gegenstand“ (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG entspricht § 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.) betreffen. Zusätzlich bedarf es einer getrennten Wertfestsetzung, wenn für die verschiedenen Anträge verschiedene Gebühren entstehen, z.B. weil in einem noch nach der BRAGO abzurechnenden Verfahren nur über einen von ihnen Beweis erhoben wurde.

3088

I. Entscheidung über den Hilfsantrag Gem. § 45 Abs. 1 Satz 2 ZPO (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.) erhöht sich der Streitwert bei der Eventualklagehäufung mit Anhängigkeit des Hilfsantrags, aber nur soweit über den Hilfsantrag entschieden wird.2 Für die Streitwertbemessung ist maßgeblich, ob das Gericht bei seiner Entscheidung den Hilfsantrag berücksichtigt und – bejahendenfalls – über den Bestand der mit ihm geltend gemachten Forderung entschieden hat. Folgende Fallgestaltungen kommen in Betracht:

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1. Stattgabe des Hauptantrags Erfolgt bereits eine Stattgabe des Hauptantrags, dann fehlt es am einem Bedingungseintritt für die Erhebung des Hilfsantrags. Die Rechtshängigkeit des Hilfsantrags entfällt rückwirkend, sodass eine Entscheidung insoweit nicht mehr möglich ist. Für eine Wertaddition ist kein Raum. Das gilt nach der neueren Rechtsprechung auch für den Gegenstandswert der anwaltlichen Gebühren, insbesondere erlaubt § 33 RVG keine Zusammenrechnung der Werte des Hauptantrags und des unbeschiedenen Hilfsantrags.3 1 Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, § 20 III; Lappe, Anm. zu BGH, KostRsp. § 5 Nr. 92; Stein/Jonas/Roth, § 5 ZPO Rn. 37; a.A. Fleischmann, NJW 1993, 506 (507). 2 OLG München, Beschl. v. 12.11.2008 – 1 W 2319/08, juris – unter zutreffender Zurückweisung der vom Ausgangsgericht erst ab Urteilsverkündung angenommenen Werterhöhung. 3 KG, Beschl. v. 11.6.2007 – 20 U 150/04, JurBüro 2007, 488 (Ls); OLG Brandenburg, NJOZ 2006, 3384; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.3.2007 – 7 W 1/07, AGS 2007, 470; OLG Köln, Beschl. v. 23.7.2008 – 22 U 141/07, juris.

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Hilfsantrag 3091

Dies gilt – entgegen der Ansicht des OLG Köln – nicht, wenn noch vor der Entscheidung über den Hilfsantrag die Klage hinsichtlich des Hauptantrags zurückgenommen und allein noch der bisherige Hilfsantrag weiterverfolgt wird. Hier wird der bisherige Hilfsantrag nunmehr als allein verbleibender Hauptantrag beschieden,1 sodass zwar kein Fall des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.) vorliegt. Jedoch handelt es sich um eine Klageänderung in Form eines Klagewechsels, der zumindest für einzelne Gebühren eine Wertaddition erfordert. S. hierzu unter dem Stichwort „Klageänderung“ Rn. 3318 ff. 2. Bescheidung des Hilfsantrags

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Nach überwiegender Ansicht bedarf es für eine Wertaddition einer der materiellen Rechtskraft fähigen Entscheidung über den hilfsweise geltend gemachten Anspruch.2 Dabei ist zu beachten, dass – abweichend von der Regelung zur Hilfsaufrechnung – hier die sachliche Bescheidung des Anspruchs immer in vollem Umfang seiner Geltendmachung in Rechtskraft erwächst (§ 322 Abs. 1 ZPO) und daher die Berücksichtigung des Hilfsanspruchs nicht auf die Höhe des (mit dem Hauptantrag) geltend gemachten Klagebetrags beschränkt ist.3

3093

An einer wirksamen Entscheidung über den Hilfsantrages fehlt es, wenn das Gericht die Zulässigkeit des Hauptantrags prozessordnungswidrig offen lässt und sich damit über das nach § 308 ZPO verbindliche Eventualverhältnis hinwegsetzt.4

3094

Wird über den Hilfsantrag deshalb sachlich nicht entschieden, weil er über eine nicht zugelassene Klageänderung in den Prozess eingeführt worden ist, ist für eine Wertaddition folgerichtig kein Raum.5

3095

Eine Zusammenrechnung kommt nach richtiger Auffassung ebenfalls nicht in Betracht, wenn bereits die Zulässigkeit des Hilfsantrags verneint wird und deshalb eine Sachentscheidung über den damit geltend gemachten Anspruch ausbleibt. Beruht die Abweisung des Hilfsantrags auf dem Fehlen von Sachurteilsvoraussetzungen, beispielsweise auf mangelnder Zuständigkeit, ist für eine Wertaddition kein Raum.6 1 OLG Köln, Beschl. v. 7.10.1996 – 26 W 13/96, OLGR 1997, 56 = JurBüro 1997, 435; ebenso Hartmann, § 45 GKG Rn. 31. 2 OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.7.1997 – 7 W 21/97, OLGR 1998, 70; OLG Frankfurt, NJW-RR 1996, 1063; OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.6.1979 – 5 U 183/78, MDR 1980, 238 = JurBüro 1980, 739; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Echte Hilfsanträge“ Rn. 6; Baumbach/Hartmann, Anh. § 3 Rn. 71 unter „Hilfsantrag“; Emde, MDR 1995, 990 (991); Sänger, MDR 1994, 860 (861); Meyer, § 45 Rn. 18; Zöller/Greger, § 260 ZPO Rn. 7. 3 Zutreffend daher OLG Saarbrücken, Beschl.v. 20.5.2008 – 8 U 136/07, OLGR 2008, 746. 4 BGH, Beschl. v. 14.4.1999 – IV ZR 253/98, NJW-RR 1999, 1157 – zur Beschwer; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 5 ZPO Rn. 6. 5 OLG Düsseldorf, Rpfleger 1982, 161; OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.6.1979 – 5 U 183/ 78, JurBüro 1980, 739 mit zust. Anm. Mümmler = MDR 1980, 238; hier zust. OLG München, Beschl. v. 29.1.1997 – 15 W 3507/96, OLGR 1997, 153; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Echte Hilfsanträge“ Rn. 6; Meyer, § 45 Rn. 17. 6 OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.7.1997 – 7 W 21/97, OLGR 1998, 70; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Echte Hilfsanträge“ Rn. 6; a.A. OLG München, Beschl. v. 29.1.1997 – 15 W 3507/96, OLGR 1997, 153; Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, S. 251; Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts, S. 64.

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Hilfsantrag Denn mit der seinerzeit durch das KostRÄndG 1994 für den Hilfsantrag aufgenommenen Regelung in § 19 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F. (jetzt § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG) wollte der Gesetzgeber einen bewertungsrechtlichen Gleichlauf von Hilfsanspruch und -aufrechnung erreichen.1 Dem steht der in § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.) fehlende Zusatz einer „der Rechtskraft fähigen“ Entscheidung nicht entgegen.2 Die wörtliche Bezugnahme auf die Rechtskraft dient bei Hilfsaufrechnung allein dazu, die Bindung der Werterhöhung an den Umfang der Rechtskraft („soweit“) zu verdeutlichen. Denn § 45 Abs. 1 GKG (§ 19 Abs. 1 GKG a.F.) stellt ebenso wie die für die Hilfsaufrechnung geltende Regelung (§ 45 Abs. 3 GKG entspricht § 19 Abs. 3 GKG a.F.) auf eine Entscheidung über „den Anspruch“ bzw. „die Gegenforderung“ ab. Eine auf Zulässigkeitserwägungen beruhende Bescheidung allein der Prozesshandlung, d.h., des Antrages bzw. des Aufrechnungseinwandes (die „Geltendmachung“) reicht. In diesem Fall fehlt es an einem Ausspruch über die Begründetheit des hilfsweise geltend gemachten Anspruchs.

3096

II. Verschiedenheit der Gegenstände Sind Haupt- und Hilfsantrag auf „denselben Gegenstand“ gerichtet, entfällt auch bei einer sachlichen Bescheidung des Hilfsantrages eine Wertaddition. Maßgebend ist dann nur der höhere Wert, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.). Hierbei besteht Einigkeit, dass der Gegenstand des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.) mit dem des (zweigliedrigen) Streitgegenstands des Prozessrechts nicht identisch ist.3 Insoweit unterscheidet sich die Wertbestimmung nicht von der Beurteilung bei Klage und Widerklage.

3097

Maßgebend für die Streitwertberechnung ist allein das im jeweiligen Klagebegehren zum Ausdruck kommende Interesse. Nur wenn sich das dem Hauptund Hilfsantrag zugrunde liegende klägerische Interesse – wirtschaftlich betrachtet – auf denselben Gegenstand richtet, scheidet eine Zusammenrechnung aus.4 Dies ist nach Ansicht des BGH der Fall, wenn Haupt- und Hilfsansprüche einander ausschließen und damit notwendigerweise die Zuerkennung des einen Anspruchs mit der Aberkennung des anderen verbunden ist.5 Eine Wertaddition ist demgegenüber grundsätzlich dort vorzunehmen, wo durch

3098

1 OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.7.1997 – 7 W 21/97, OLGR 1998, 70. 2 So aber Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, S. 251; Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts, S. 64. 3 BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506; Urt. v. 28.9.1994 – XII ZR 50/94, MDR 1995, 198 = NJW 1994, 3292; OLG Rostock, Beschl. v. 23.10.2007 – 7 W 75/07, NJ 2008, 82 (Ls); OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.5.2008 – 8 U 136/07, OLGR 2008, 746; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Echter Hilfsantrag“ Rn. 7; Lappe, Anm. zu OLG Karlsruhe, KostRsp. § 19 GKG Nr. 139. 4 BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506; LAG Brandenburg, Beschl. v. 1.9.2000 – 6 Ta 70/00, JurBüro 2001, 95; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.8.1988 – 10 W 34/88, JurBüro 1988, 1551 = MDR 1988, 1067; NJW 1976, 247; OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1989 – 24 W 26/89, JurBüro 1990, 121; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.5.2008 – 8 U 136/07, OLGR 2008, 746; LAG Stuttgart, JurBüro 1992, 626; Hartmann, Kostengesetze, § 45 Rn. 11; Musielak/Heinrich, § 5 ZPO Rn. 13; N. Schneider, MDR 2003, 237 = Anm. zu OLG Düsseldorf, MDR 2003, 236. 5 BGH, Beschl. v. 27.2.2003 – III ZR 115/02, MDR 2003, 716; BGHZ 43, 31 = MDR 1965, 291.

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Hilfsantrag das Nebeneinander von Haupt- und Hilfsantrag eine „wirtschaftliche Werthäufung entsteht“.1 Dass der Kläger beide Anträge ggf. auf dieselbe Anspruchsgrundlage stützt, ist für die Prüfung ohne Bedeutung.2 Zu den Einzelheiten betreffend die „Wirtschaftliche Identität“ s. unter dem Stichwort „Klage- und Widerklage“ Rn. 3305 ff. sowie „Mehrere Ansprüche“ Rn. 3653 ff. 3099

Regelmäßig wird bei einem verdeckten Hilfsantrag von einem vom Hauptantrag verschiedenen Gegenstand auszugehen sein, da der Kläger nur äußerlich einen Antrag stellt, diesen jedoch auf zwei (wirtschaftlich) eigenständige Lebenssachverhalte stützt.3 Keine wirtschaftlich eigenständigen Sachverhalte liegen jedoch vor, wenn der Klageantrag auf einer Saldierung verschiedener Vergütungsansprüche aus einer Geschäftsbeziehung beruht, Uneinigkeit über die Zuordnung – unstreitig – erbracher (Teil)Zahlungen entsteht und der Kläger sein Klagebegehren deshalb hilfsweise auf den seiner Ansicht bereits beglichenen Teil der Ansprüche stützt.4

D. Rechtsmittel und Beschwer 3100

Hinsichtlich der Beschwer und Beschwerdegegenstand sind die Streitwerte von Hauptantrag und ggfs. mehreren Hilfsanträgen zusammenzurechnen, wenn der Kläger, der mehrere voneinander unabhängige Forderungen aus selbständigen Rechtsverhältnissen in einem mehrfach gestaffelten Hilfsverhältnis geltend gemacht hat, mit seiner Klage abgewiesen worden ist und sein Begehren im höheren Rechtszug uneingeschränkt weiter verfolgt.5

3101

Hilfsanträge, die wegen fehlenden Bedingungseintritts unentschieden bleiben oder deren Gegenstand mit dem des Hauptantrages identisch ist, bleiben der Berechnung der Beschwer des Klägers unberücksichtigt.

E. Vergleich 3102

Die Beendigung des Rechtsstreits durch einen Vergleich allein über den Hauptantrag führt nicht zu einer Streitwertaddition. Darüber, ob die Forderung des Hilfsantrages in den Vergleich einbezogen worden ist, entscheidet der sachliche Gehalt der Vereinbarung, nicht der bloße Wortlaut.6

3103

Wird die mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Forderung in den Vergleich einbezogen, dann erhöht sich der Gegenstandswert des Vergleichs um den 1 BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506 – zu Klage und Widerklage, dabei jedoch für die Feststellung der Werthäufung auf die Identitätsformel des RG abstellend; OLG Rostock, Beschl. v. 23.10.2007 – 7 W 75/07, OLGR 2008, 170 = NJ 2008, 82 (Ls). 2 BGH, Beschl. v. 27.2.2003 – III ZR 115/02, NJW-RR 2003, 713 = MDR 2003, 716. 3 OLG Bamberg, Beschl. 21.5.2008 – 3 U 34/07, juris; OLG Celle, Beschl. v. 25.2.2000 – 13 W 14/00, OLGR 2001, 47; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Hilfsantrag“ Rn. 7. 4 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.5.2008 – 8 U 136/07, OLGR 2008, 746 – anwaltliche Gebührenansprüche aus verschiedenen Mandaten. 5 BGH, Beschl. v. 24.2.1994 – VII ZR 131/93, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 92 mit Anm. Lappe und Herget; Beschl. v. 14.10.1993 – VII ZR 122/93, WPM 1994, 181 = NJW-RR 1994, 701; KostRsp. ZPO § 5 Nr. 92 mit Anm. Lappe und Herget; Beschl. v. 10. 10. 1983 – III ZR 87/83, MDR 1984, 208 = NJW 1984, 371. 6 OLG Köln, JurBüro 1975, 506 = JMBl.NW 1975, 143 – zur Hilfswiderklage.

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Hilfsbegründungen Wert des Hilfsantrages, soweit der Hilfsantrag nicht mit dem Hauptantrag wirtschaftlich identisch ist, § 45 Abs. 1 Satz 3 u. Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4 GKG a.F.). Hierüber besteht kein Streit.1 Erledigen sich Hauptantrag und Hilfsantrag dadurch, dass die Parteien einen umfassenden Prozessvergleich darüber abschließen, dann steht das einer gerichtlichen Entscheidung gleich, sodass sich auch der Verfahrenswert erhöht, § 45 Abs. 1 Satz 2 u. Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 2 u. Abs. 4 GKG a.F.). Dabei ist die Werterhöhung auch nicht davon abhängig, dass zum Zeitpunkt des Vergleichsschluss die innerprozessuale Bedingung des Hilfsantrages, nämlich die negative Bescheidung des Hauptantrages, bereits eingetreten war.2

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Die Gegenansicht verkennt die Reichweite von § 45 Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 4 GKG a.F.). Käme es auf den Bedingungseintritt an, würde (auch) eine Erhöhung des Verfahrenswertes im Fall der mitverglichenen Hilfsaufrechnungsforderung ausscheiden. Denn auch hier ist das Gericht gem. § 308 ZPO erst dann zu einer Entscheidung über die Gegenforderung berechtigt, wenn es zuvor (positiv) über den Bestand der Klageforderung entschieden hat. Wäre daher eine tatsächliche Entscheidung für die Werterhöhung Voraussetzung, liefe die – nur für die Gerichtsgebühren, mithin für den Verfahrenswert aufgestellte – Verweisung des § 45 Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 4 GKG a.F.) ins Leere, eine dem Wortlaut widersprechende, damit unzulässige und – soweit ersichtlich – von niemandem vertretene Gesetzesauslegung. Stellt aber § 45 Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 4 GKG a.F.) bei der mitverglichenen Hilfsaufrechnungsforderung für den Verfahrenswert gerade nicht auf den Bedingungseintritt ab, ist dieser auch bei einem Vergleich über Ansprüche entbehrlich, die Gegenstand eines Hilfsantrages oder einer Hilfswiderklage sind. Denn eine Unterscheidung zwischen diesen prozessualen Fallgestaltungen ist § 45 Abs. 4 GKG nicht zu entnehmen. Vielmehr wird mit der gesetzgeberischen Vorgabe, die § 45 Abs. 1 bis 3 GKG (§ 19 Abs. 1 bis 3 GKG a.F.) „entsprechend“ anzuwenden, die vergleichsweise Regelung dem Bedingungseintritt gleichgestellt.

3105

Bei der Prüfung der Wertaddition ist zu beachten, dass Haupt- und Hilfsanspruch häufig zumindest teilweise wirtschaftlich identische Klagebegehren zugrunde liegen.

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Hilfsbegründungen Echte Hilfsbegründungen (Alternativbegründungen), die ein und denselben gebührenrechtlichen Gegenstand betreffen, sind für die Wertfestsetzung unbeachtlich.3 Denn anders als bei der (objektiven) Klagehäufung, der eine Mehrheit von Streitgegenständen zugrunde liegt, wird hier das Klagebegehren bei 1 OLG Köln, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/94, JurBüro 1996, 476 = NJW-RR 1996, 1278. 2 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rn. 18; offen lassend KG, Beschl. v. 3.6.2003 – 1 W 495/02, MDR 2004, 56; a.A. OLG Köln, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/94, JurBüro 1996, 476 = NJW-RR 1996, 1278. 3 BGH, Beschl. v. 14.1.2010 – VII ZR 162/08, juris: zeitbezogene, aber nicht (höchst)betragsmäßig abweichende Schadensberechnung; Beschl. v. 27.2.2003 – III ZR 115/02, MDR 2003, 716 = NJW-RR 2003, 713 = AnwBl. 2003, 596; OLG Bremen, JurBüro 1979, 731.

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Hilfswiderklage gleich bleibendem Klagegrund nur auf mehrfache rechtliche Begründungen gestützt.1 3108

So ändert sich der Streitwert beispielsweise nicht dadurch, dass der Kläger sein Zahlungsbegehren auf vertragliche Ansprüche und (für deren Fehlen) hilfsweise auf Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung stützt. An solche Rangfolgen der Anspruchsgrundlagen ist das Gericht nicht gebunden.2

3109

Verbirgt sich hingegen hinter der Hilfsbegründung ein (verdeckter) Hilfsantrag, gelten die Bewertungsregeln für Haupt- und Hilfsantrag. Dies ist dann zu bejahen, wenn durch eine rechtliche und tatsächliche Hilfsbegründung ein eigenständiger Lebenssachverhalt in den Prozess eingeführt wird.3 Eine formale Antragstellung ist dafür nicht erforderlich.4 Zur streitwertrechtlichen Behandlung des (verdeckten) Hilfsantrags s. das Stichwort „Hilfsantrag“.

Hilfswiderklage Literatur: Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, § 20 III; Schneider, MDR 1988, 462; Sänger, Klagenhäufung und alternative Klagebegründung, MDR 1994, 860.

A. Allgemeines 3110

Die Hilfswiderklage (auch Eventualwiderklage) wird heute allgemein als zulässig angesehen.5 Neben der eigentlichen Hilfswiderklage, die an den Erfolg der Klage anknüpft, gibt es die uneigentliche Hilfswiderklage, die für den Fall des Misserfolges der Klage erhoben wird. Der Primärantrag des Beklagten geht in beiden Fällen auf Klageabweisung.

3111

Wichtigster Anwendungsfall ist die Prozesslage, bei der sich der Beklagte mit einer Primäraufrechnung verteidigt, aber z.B. wegen eines vertraglich vereinbarten Aufrechnungsverbots ungewiss ist, ob diese Aufrechnung zugelassen wird. Hier kann der Beklagte seinen Gegenanspruch zugleich hilfsweise widerklagend verfolgen.6 1 OLG Celle, Beschl. v. 25.2.2000 – 13 W 14/00, OLGR 2001, 47; Zöller/Greger, § 260 ZPO Rn. 1. 2 Rosenberg/Schwab, ZPR, § 65 IV 4; Nikisch, Streitgegenstand im Zivilprozess, 1935, S. 145; Schwab, Streitgegenstand im Zivilprozess, 1954; S. 91 ff.; Habscheid, Streitgegenstand im Zivilprozess, 1956, S. 251 f.; Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozesshandlung einer Partei im Zivilprozess, 1957, S. 135; RGZ 55, 244. 3 BGH, Urt. v. 13.2.1992 – III ZR 28/90, MDR 1992, 708 = NJW 1992, 2080; OLG Bamberg, Beschl. v. 21.5.2008 - 3 U 34/07, juris; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.6.2006 – 15 W 17/06, juris; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Echte Hilfsanträge“ Rn. 7; Zöller/Vollkommer, Einl. Rn. 74. 4 So auch OLG Celle, Beschl. v. 25.2.2000 – 13 W 14/00, OLGR 2001, 47; OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.5.1986 – 8 W 14/86, NJW-RR 1986, 1063 zu § 19 GKG a.F.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.6.2006 – 15 W 17/06, juris; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.5.2008 – 8 U 136/07, OLGR 2008, 746; a.A. Meyer, § 45 GKG Rn. 18. 5 Vgl. BGHZ 21, 13 = NJW 1956, 1478; Zöller/Greger, § 253 ZPO Rn. 1 m.w.N. 6 BGH, Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 70/99, NJW-RR 1999, 1736; Urt. v. 10. 7. 1961 – VIII ZR 64/80, NJW 1961, 1862; Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 70/99, NJW-RR 1999, 1736; Urt. v. 10.7.1961 – VIII ZR 64/80, NJW 1961, 1862.

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Hilfswiderklage

B. Zuständigkeitsstreitwert Wie auch bei der unbedingt erhobenen Widerklage hat eine Wertaddition gem. § 5 Halbs. 2 ZPO zu unterbleiben.1 Fällt die Hilfswiderklage aufgrund ihres Wertes in die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts (§ 71 GVG), dann ist bis dahin ein vor dem Amtsgericht geführter Rechtsstreit auf Antrag gem. § 506 ZPO insgesamt an das zuständige Landgericht zu verweisen.

3112

Hierbei ist eine Verweisung gem. § 506 ZPO bereits mit der Erhebung der Hilfswiderklage und nicht erst bei Bedingungseintritt geboten.2 Denn der vom Beklagten mit der Hilfswiderklage geltend gemachte Anspruch wird mit deren Zustellung rechtshängig und ist damit wertbestimmend. Insoweit unterscheidet sich die Situation nicht von der des gegenüber dem Hauptantrag in die Zuständigkeit des Landgerichts fallenden Hilfsantrages (s. hierzu unter dem Stichwort „Hilfsantrag“).

3113

C. Gebührenstreitwert I. Anwendbare Vorschriften Auf die Hilfswiderklage ist die Vorschrift des § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.) unmittelbar anzuwenden, da auch sie eine echte Klage ist.3

3114

Die Streitwerte von Klage und Hilfswiderklage sind danach zusammenzurechnen, wenn über die Hilfswiderklage entschieden wird4 und beide Klagebegehren nicht „denselben Gegenstand“ betreffen, § 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG a.F.). Fehlt eine dieser Voraussetzungen, dann darf nicht addiert werden.5

3115

II. Entscheidung über Hilfswiderklage Erfolgt bereits eine Abweisung der Klage, dann fehlt es am Bedingungseintritt für die Erhebung der Widerklage. Die Rechtshängigkeit der Hilfswiderklage entfällt rückwirkend, sodass eine Entscheidung der Widerklage nicht mehr möglich ist.6 Für eine Wertaddition ist kein Raum.7 Das gilt nach der neueren 1 Schneider, MDR 1988, 462. 2 Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, § 20 III; Prütting/Gehrlein/ Gehle, § 5 Rn. 29; a.A. Stein/Jonas/Schumann, § 5 ZPO Rn. 39. 3 OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.9.1986 – 23 W 32/86, JurBüro 1987, 401; Meyer, § 45 GKG Rn. 6; Schneider, MDR 1988, 462. 4 BGH, JurBüro 1972, 777; ausführlich Schneider, MDR 1988, 462. 5 OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85; Meyer, § 45 Rn. 10. 6 S. dazu Schneider, MDR 1988, 462, 464. 7 BGH, Beschl. v. 27.9.1973 – VII ZR 10/72, MDR 1974, 36 = NJW 1973, 2206; Beschl. v. 12.7.1972 – VIII ZR 259/69, MDR 1972, 1028 = NJW 1973, 98; OLG Bamberg, Beschl. v. 4.3.1993 – 8 W 9/93, JurBüro 1994, 112; OLG Hamm, Beschl. v. 23.1.1989 – 31 U 56/88, KostRsp. GKG § 19 Nr. 146 = JurBüro 1989, 1005; OLG Koblenz, Beschl. v. 7.6.1996 – 14 W 318/96, MDR 1997, 404; OLG Köln, Beschl. v. 20.10.1989 – 2 W 181/ 89, JurBüro 1990, 123; 1996, 476; OLG München, Rpfleger 1973, 327.

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Hilfswiderklage Rechtsprechung auch für den Gegenstandswert der anwaltlichen Gebühren, insbesondere erlaubt § 33 RVG keine Zusammenrechnung der Werte des Hauptantrags und des unbeschiedenen Hilfsantrags.1 3117

Das Verbot der Wertaddition bei nicht beschiedener Hilfswiderklage folgt aus dem Grundgedanken des § 45 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 GKG a.F.), wonach hilfsweise geltend gemachte Ansprüche den Streitwert erst dann erhöhen, wenn die ihnen zugrunde liegende Bedingung eingetreten ist. Die in § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.) mitgeregelte Eventualwiderklage ist insoweit der nicht beschiedenen Aufrechnung (§ 45 Abs. 3 GKG entspricht § 19 Abs. 3 GKG a.F.) und der nicht beschiedenen Eventualklage (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG entspricht § 19 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.) gleichzusetzen.2

3118

Wird der Klage stattgegeben und die Hilfswiderklage als unzulässig abgewiesen, z.B. im Berufungsrechtszug nach § 533 ZPO, sind die Werte von Klage und Hilfswiderklage zusammenzurechnen, soweit sie nicht denselben Gegenstand betreffen.3 Denn mit Eintritt des Eventualverhältnisses liegt eine unbedingte (Wider-)Klageerhebung vor, die – entsprechend der einfachen Klage – unabhängig von ihrem prozessualen Schicksal streitwertrechtlich in Ansatz zu bringen ist. Anders als in § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) ist nämlich in § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.) das Ergehen einer der materiellen Rechtskraft fähigen Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch nicht Tatbestandsmerkmal, sodass nicht maßgeblich ist, ob über den Anspruch zur Widerklage im prozessualen Bereich der Zulässigkeit oder der Begründetheit entschieden wird. Für die Wertaddition der Hilfswiderklage ist es daher unerheblich, ob die Geltendmachung zulässig, unzulässig, begründet oder mangels Anspruchs unbegründet ist. Auch für eine analoge Anwendung von § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.) ist schon mangels „Hauptantrages“ kein Raum, wenn sich die Rechtsverteidigung im Übrigen auf die Stellung eines Klageabweisungsantrages beschränkt.

3119

An einer wirksamen Entscheidung über die Hilfswiderklage fehlt es jedoch, wenn das Gericht die Zulässigkeit oder Begründetheit der Klage unter Verstoß gegen das Eventualverhältnis und damit entgegen § 308 ZPO prozessordnungswidrig offen lässt.4 Verstöße gegen § 308 Abs. 1 ZPO dürfen nicht dazu führen, dass die Parteien gewissermaßen „von Amts wegen“ mit höheren Kosten belastet werden.5

1 KG, Beschl. v. 11.6.2007 – 20 U 150/04, JurBüro 2007, 488 (Ls) = OLG Brandenburg, NJOZ 2006, 3384; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.3.2007 – 7 W 1/07, AGS 2007, 470; OLG Köln, Beschl. v. 23.7.2008 – 22 U 141/07, juris. 2 OLG Köln, Beschl. v. 20.10.1989 – 2 W 181/89, JurBüro 1990, 123. 3 OLG Düsseldorf, AGS 1999, 92; OLG Suttgart, JurBüro 1980, 1354 = Rpfleger 1980, 487 = Justiz 1980, 354. 4 BGH, MDR 1974, 36 = NJW 1973, 2206; Beschl. v. 14.4.1999 – IV ZR 253/98, NJW-RR 1999, 1157 – Hilfsantrag. 5 S. dazu Schneider, MDR 1971, 437 ff.

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Hilfswiderklage

III. Verschiedenheit der Gegenstände Betreffen Klage und beschiedene Hilfswiderklage verschiedene Gegenstände, dann sind die Streitwerte beider Klagen zusammenzurechnen. 1 Das folgt aus § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) (argumentum a minore ad maius): Wenn schon die beschiedene Eventualaufrechnung zur Wertaddition führt, dann erst recht die beschiedene Eventualwiderklage.2

3120

Sind die Klagebegehren auf „denselben Gegenstand“ gerichtet, dann entfällt auch bei einer Bescheidung der Hilfswiderklage eine Wertaddition, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.). Maßgebend ist dann der höhere Wert.3 Insoweit unterscheidet sich die Wertbestimmung nicht von Beurteilung von Klage und unbedingter Widerklage.

3121

Dies gilt auch für den Fall der zusätzlich gegen einen Dritten gerichteten (Hilfs-)Widerklage; denn die Streitgenossenschaft erhöht nicht den Streitwert.4

3122

Zu den Einzelheiten s. unter dem Stichwort „Klage- und Widerklage“ Rn. 3305 ff.

IV. Feststellung-Hilfswiderklage Handelt es sich um eine positive Feststellungs-Widerklage, dann ist die Höhe der (von der Klageforderung nicht erfassten) Berühmung durch den Beklagten und Widerkläger wertbestimmend. Der Abschlag für positive Feststellungsklage ist aber auch hier zu beachten.5 (S. dazu auch unter dem Stichwort „Feststellungsklage“).

3123

Hingegen sind für die Wertberechnung nicht die Erfolgsaussichten des Feststellungsanspruches zu berücksichtigen.6 Wenn der Beklagte sich des Bestehens von Ansprüchen berühmt, die er voraussichtlich nicht durchsetzen kann, so ist das seine Sache; für die Streitwertbemessung kommt es immer nur auf das Begehren selbst an, nicht auf dessen Begründetheit (s. aber zu gegenläufigen Tendenzen das Stichwort „Forderung“).

3124

Wegen der streitwertrechtlichen Besonderheiten bei einer auf negative Feststellung gerichteten Widerklage wird auf die Ausführungen unter dem Stichwort „Feststellungsklage“ verwiesen.

3125

1 BGH, Beschl. v. 13.10.2004 – XII ZR 110/02, MDR 2005, 228 = NJW-RR 2005, 224; OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85. 2 BGH, Beschl. v. 30.1.1992 – IX ZR 222/91, NJW-RR 1992, 1404 = WM 1992, 1129; Urt. v. 16.12.1964 – VIII ZR 47/63, MDR 1965, 291 = NJW 1965, 440; Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, § 20 III 4a; Schneider, MDR 1988, 462 u. Anm. zu LG Bayreuth, KostRsp. GKG § 19 Nr. 37. 3 OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.10.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85; OLG Celle, Beschl. v. 18.4.2000 – 4 W 94/00, OLGR 2000, 247; OLG Nürnberg, Urt. v. 10.3.2004 – 12 U 3873/03, NJW 2004, 2838. 4 OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.10.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.9.1986 – 23 W 32/86, JurBüro 1987, 401 mit Anm. Mümmler; OLG München, Rpfleger 1968, 232; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Streitgenossen“; a.A. wohl OLG Celle, AGS 1999, 92, dass unzutreffend allein auf eine fehlende Streitgegenstandsidentität abstellt. 5 OLG Frankfurt, JurBüro 1971, 459. 6 A.A. OLG Frankfurt, JurBüro 1971, 459.

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Hilfswiderklage

D. Rechtsmittel und Beschwer 3126

Soweit über die Hilfswiderklage entschieden wird, gelten gegenüber der Bescheidung der Widerklage keine streitwertrechtlichen Besonderheiten. Für jede Partei ist die Beschwer gesondert zu berechnen.1

3127

Bei wirtschaftlicher Identität der Streitgegenstände von Klage und Hilfswiderklage scheidet eine Zusammenrechnung der Beschwer aus.2 Wegen der Einzelheiten kann auf die Ausführungen unter dem Stichwort „Klage- und Widerklage“ Rn. 3305 ff. verwiesen werden.

3128

Kommt es aufgrund der Abweisung der Klage zu keiner Bescheidung der Hilfswiderklage, beschränkt sich die Beschwer des Klägers auf sein Unterliegen hinsichtlich des Klageantrages.3

E. Vergleich 3129

Die Beendigung des Rechtsstreits durch einen Vergleich allein über die Klageforderung führt nicht zu einer Streitwertaddition. Darüber, ob die Forderung der Hilfswiderklage in den Vergleich einbezogen worden ist, entscheidet der sachliche Gehalt der Vereinbarung, nicht der bloße Wortlaut.4

3130

Wird die mit der Hilfswiderklage geltend gemachte Forderung in den Vergleich einbezogen, dann erhöht sich der Gegenstandswert des Vergleichs um den Wert der Widerklageforderung, soweit diese nicht denselben Gegenstand (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG entspricht § 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.) betrifft.5

3131

Erledigen sich Klage und Hilfswiderklage dadurch, dass die Parteien einen umfassenden Prozessvergleich darüber abschließen, dann steht das einer gerichtlichen Entscheidung gleich. Der Verfahrenswert erhöht sich um den Wert des mit der Hilfswiderklage geltend gemachten Anspruchs, soweit er nicht mit der Klageforderung wirtschaftlich identisch ist, § 45 Abs. 1 Satz 2 u. Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 2 u. Abs. 4 GKG a.F.). Dabei ist die Werterhöhung auch nicht davon abhängig, dass zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses die innerprozessuale Bedingung des Widerklageantrages, nämlich die (positive) Bescheidung der Klageforderung, bereits eingetreten war.6

3132

Die Gegenansicht7 verkennt die Reichweite von § 45 Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 4 GKG a.F.). Käme es auf den Bedingungseintritt an, würde (auch) eine Erhö1 2 3 4 5

Schneider, MDR 1988, 462. BGH, Beschl. v. 13.10.2004 – XII ZR 110/02, MDR 2005, 228 = NJW-RR 2005, 224. BGH, NJW-RR 1999, 1736. OLG Köln, JurBüro 1975, 506 = JMBl.NW 1975, 143. OLG Bamberg, Beschl. v. 4.3.1993 – 8 W 9/93, JurBüro 1994, 112; OLG Braunschweig, Beschl. v. 23.1.1990 – 2 W 203/89, JurBüro 1990, 456; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.6.2005 – 5 W 13/05, MDR 2006, 297; OLG Köln, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/ 94, JurBüro 1996, 476 = NJW-RR 1996, 1278. 6 So auch OLG Braunschweig, Beschl. v. 23.1.1990 – 2 W 203/89, JurBüro 1990, 912; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.6.2005 – 5 W 13/05, MDR 2006, 297; OLG Köln, Beschl. v. 10.9.1990 – 17 U 31/89, KostRsp. GKG § 19 Nr. 163; OLG München, Beschl. v. 30.3.2009 – 1 W 977/09, juris; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rn. 18; unklar KG, Beschl. v. 13.12.2001 – 8 W 372/01, AGS 2002, 158. 7 KG, Beschl. v. 3.6.2003 – 1 W 495/02, MDR 2004, 56; Beschl. v. 13.12.2001 – 8 W 372/ 1, KGR 2002, 199; OLG Bamberg, Beschl. v. 4.3.1993 – 8 W 9/93, JurBüro 1994, 112;

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Kurpat

Hinterlegung hung des Verfahrenswertes im Fall der mitverglichenen Hilfsaufrechnungsforderung ausscheiden. Denn auch hier ist das Gericht gem. § 308 ZPO erst dann zu einer Entscheidung über die Gegenforderung berechtigt, wenn es zuvor (positiv) über den Bestand der Klageforderung entschieden hat. Wäre daher eine tatsächliche Entscheidung für die Werterhöhung Voraussetzung, liefe die – nur für die Gerichtsgebühren, mithin für den Verfahrenswert aufgestellte – Verweisung des § 45 Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 4 GKG a.F.) ins Leere, eine dem Wortlaut widersprechende, damit unzulässige und – soweit ersichtlich – von niemandem vertretene Gesetzesauslegung. Stellt aber § 45 Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 4 GKG a.F.) bei der mitverglichenen Hilfsaufrechnungsforderung für den Verfahrenswert gerade nicht auf den Bedingungseintritt ab, ist dieser auch bei einem Vergleich über Ansprüche entbehrlich, die Gegenstand eines Hilfsantrages oder einer Hilfswiderklage sind. Denn eine Unterscheidung zwischen diesen prozessualen Fallgestaltungen ist § 45 Abs. 4 GKG nicht zu entnehmen. Vielmehr wird mit der gesetzgeberischen Vorgabe, die § 45 Abs. 1 bis 3 GKG (§ 19 Abs. 1 bis 3 GKG a.F.) „entsprechend“ anzuwenden, die vergleichsweise Regelung dem Bedingungseintritt gleichgestellt.1

Hinterlegung A. Vornahme der Hinterlegung Wird auf Vornahme der Hinterlegung geklagt, so ist der Streitwert gem. dem Interesse des Klägers daran nach § 3 ZPO zu schätzen.2 Maßgebend ist das Sicherungsinteresse des Klägers. Auszugehen ist daher zunächst von dem zu hinterlegenden Betrag oder dem Wert der zu hinterlegenden Sachen. Davon ist dann ein Abschlag vorzunehmen. Je höher das Insolvenz- oder Verlustrisiko ist, desto geringer ist der Abschlag vorzunehmen. Ggf. kann daher sogar der volle Wert anzunehmen sein.

3133

Steht bereits fest, dass der Kläger nur einen Teil des zu hinterlegenden Betrags oder einen Teil der zu hinterlegenden Sachen für sich beanspruchen wird, ist sein Interesse an der Hinterlegung entsprechend geringer zu bewerten.

3134

Daher ist der Streitwert einer Klage, mit der ein Miterbe nach § 2039 BGB gegenüber einem anderen Miterben eine Nachlassforderung auf Hinterlegung einer bestimmten Geldsumme zugunsten des Nachlasses geltend macht, zwar nach dem Betrag der eingeklagten Forderung zu bewerten, allerdings abzüglich eines dem Miterbenanteil des Beklagten entsprechenden Betrags.3

3135

OLG Koblenz, Beschl. v. 7.6.1996 – 5 W 318/96, MDR 1997, 404; OLG Köln, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/95, JurBüro 1996, 476 = NJW-RR 1996, 1278; wohl auch OLG Koblenz, Beschl. v. 7.6.1996 – 5 W 318/96, MDR 1997, 404. 1 Wie hier OLG Braunschweig, JurBüro 1990, 456; OLG Köln, Beschl. v. 10.9.1990 – 17 U 31/89, KostRsp. GKG § 19 Nr. 163; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rn. 19; Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, S. 321; Lappe, Kommentar zum GKG, 1975, § 19 Rn. 21. 2 Anders/Gehle/Kunze, Hinterlegung Rn; 1; Madert/v. Seltmann, Rn. 284. 3 BGH, Beschl. v. 7.11.1966 – III ZR 48/66, MDR 1967, 202 = NJW 1967, 443.

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Hypothek

B. Einwilligung in die Auszahlung oder Herausgabe 3136

Wird die Einwilligung in die Auszahlung einer hinterlegten Geldsumme oder in die Herausgabe einer hinterlegten Sache verlangt, dann geht es in der Sache um die Abgabe einer Willenserklärung (§ 894 ZPO). S. hierzu „Einwilligung wegen Hinterlegung“, Rn. 2054.

Honorarvereinbarung S. das Stichwort „Herabsetzung einer vereinbarten Vergütung“ und „Vereinbarungen zum Streitwert“.

Hypothek Gliederungsübersicht Rn. A. Anzuwendende Vorschriften . . 3137 B. Kosten, Zinsen . . . . . . . . . . 3144 C. Gegenleistung . . . . . . . . . . 3147

Rn. D. Gesamthypothek, Gesamtschuldner . . . . . . . . . . . . . 3150 E. Sicherungshypothek . . . . . . . 3154

A. Anzuwendende Vorschriften 3137

Bemessungsvorschrift ist § 6 ZPO. Das gilt auch für die Gerichtsgebühren (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) und die Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG).

* Æ Beispiele: Forderungen sollen durch Eintragung von Hypotheken gesichert werden; es gilt der Wert der Forderung; der geringere Grundstückswert käme nur dann in Betracht, wenn es sich um bereits genau bezeichnete, betragsmäßig geringerwertige Hypotheken handelte1 – Klage auf Abtretung einer Forderung2 – Verpfändung einer Hypothek3 – Löschung einer Hypothek.4

3138

Dass die Klägerin in einer Erbengemeinschaft bereits Mitgläubigerin der Hypothek ist, mindert den Streitwert nach Auffassung des OLG Köln5 nicht.

3139

Der Senat begründet dies damit, solange die Hypothek im Grundbuch eingetragen sei, hindere sie die Ausnutzung des von ihr blockierten Ranges in voller Höhe des Nennbetrags. Darauf kann aber schwerlich abgestellt werden. Nachdem der BGH6 in grundlegender Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung im Miterbenstreit stets den Erbanteil des Klägers vom Streitwert abzieht, kann hiervon bei der Klage eines Miterben auf Abtretung einer Hypothek keine Ausnahme gemacht werden.

3140

Bei einem Rechtsstreit über die Abtretung einer Hypothek ist der Wert des Streitgegenstands gem. § 6 ZPO nach dem Nennwert der Hypothek zu bestim1 2 3 4 5 6

OLG Köln, DRZ 1929 Nr. 512. OLG Braunschweig, OLGE 6, 373; OLG Kiel JVBl. 1934, 82. RG JW 1897, 446 Nr. 2. OLG Celle, MDR 1977, 935. OLG Köln, Beschl. v. 30.8.1968 – 9 W 83/68, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 24. BGH, JurBüro 1975, 1197.

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N. Schneider

Hypothek men und nicht nach dem Betrag der zu sichernden Forderung, deren Zahlung zwischen den Parteien streitig ist. Dagegen ist nach § 3 ZPO zu schätzen, wenn eine Briefhypothek bereits verpfändet ist und mit der Klage nur die Abgabe der zur Eintragung notwendigen formgerechten Erklärung erzwungen werden soll.1

3141

Ebenfalls nach § 3 ZPO zu bewerten ist der Fall, dass die Unzulässigkeit der Kündigung einer Hypothek geltend gemacht wird; für die Schätzung kommt es darauf an, an welcher Rangstelle die Hypothek steht.2

3142

Im Verfahren zwecks Kraftloserklärung eines Hypothekenbriefes bemisst sich der Streitwert nach dem Interesse des Antragstellers daran, dass für den verloren gegangenen Hypothekenbrief Ersatz beschafft wird; es ist nach § 3 ZPO und nicht nach § 6 ZPO zu bewerten.3 S. das Stichwort „Aufgebotsverfahren“ zum alten Recht Rn. 1130 ff. und zum neuen Recht im FamFG-Teil, Rn. 6885 ff.

3143

B. Kosten, Zinsen Die Kosten der Kreditbeschaffung, die nach der Behauptung des Klägers durch eine unzulässige Kündigung notwendig geworden sind, müssen beim Schätzwert in Ansatz gebracht werden.4

3144

Ist eine Hypothek abgetreten und wird darum gestritten, ob das Zinsbezugsrecht beim Zedenten verblieben ist, dann bemisst sich der Streitwert gem. § 9 ZPO nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag der Zinsen.5

3145

Bei Streit über die Befugnis vorzeitiger Rückzahlung des Kapitals ist der Streitwert gleich dem Unterschied der Zinsbeträge.6

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C. Gegenleistung Nach OLG Celle7 bestimmt sich der Streitwert für eine Klage auf Löschung einer Hypothek auch dann nach dem Nennbetrag der Hypothek, wenn diese unstreitig getilgt ist und der Beklagte die Löschungsbewilligung nur unter Berufung auf eine Forderung von geringer Höhe verweigert. Damit ist die Problematik angesprochen, inwieweit die an sich unerhebliche Gegenleistung dann für die Streitwertbemessung beachtlich wird, wenn der Hauptanspruch unstreitig ist und wirtschaftlich nur über die Berechtigung der Einwendung gestritten wird.

3147

Die Auffassung des OLG Celle erscheint zu formal. Dass der Nennbetrag der Hypothek das Grundstück in voller Höhe der Eintragung rangmäßig blockiert, sollte nicht als ausschlaggebend angesehen werden. Denn zu entscheiden ist nur über den Streit zwischen diesen konkreten Prozessparteien; und zwischen

3148

1 2 3 4 5 6 7

OLG Stettin, JW 1932, 669; OLG Kiel, OLGE 31, 5. RG, JW 1906, 169 Nr. 14. LG Hildesheim, NJW 1964, 1232. OLG Hamburg, OLGE 23, 70; OLG München OLGE 23, 70. KG OLGE 23, 77: 12,5-facher Jahresbetrag nach § 9 ZPO a.F. RG, Recht 1909 Nr. 3386. OLG Celle, MDR 1977, 935.

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Hypothek diesen geht es eben nur um die Frage, ob dem Beklagten ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht.1 3149

Der Streitwert für eine Klage auf Löschung einer Hypothek, deren besicherte Forderung bereits unstreitig erfüllt ist, richtet sich ebenfalls nicht nach dem Nennbetrag der Hypothek, sondern beschränkt sich auf 20 % desselben.2 S. dazu die Ausführungen bei den Stichwörtern „Auflassung“ Rn. 1186 ff. und „Gegenleistung“ Rn. 2508 ff.

D. Gesamthypothek, Gesamtschuldner 3150

Bezweckt die Klage, der eine Vereinbarung über die Eintragung einer Gesamthypothek an bestimmter Rangstelle auf mehreren Grundstücken zugrunde liegt, nicht nur die Rangverbesserung der auf einem der Grundstücke bereits eingetragenen Sicherungshypothek, sondern zugleich ihre Eintragung als Gesamthypothek mit der bereits eingetragenen Hypothek auf den anderen Grundstücken, so bestimmt sich der Streitwert auch dann nach § 6 ZPO, wenn die wirtschaftliche Sicherung der Forderung schon durch die Rangverbesserung der bereits eingetragenen Hypothek allein mit Gewissheit erreicht würde.

3151

Als Streitwert ist daher der Forderungsbetrag anzunehmen, nicht nur – gem. § 3 ZPO – der geringere Wert des wirtschaftlichen Interesses des Klägers an der Rangverbesserung der bereits vorhandenen Hypothek.3

3152

Betrifft ein landwirtschaftsgerichtliches Verfahren die Genehmigung der Eintragung einer Gesamthypothek auf einem landwirtschaftlichen Grundstück zur Mithaftung neben anderen nichtlandwirtschaftlichen Grundstücken oder aber die Feststellung, dass mangels eines landwirtschaftlichen Grundstücks eine solche Genehmigung nicht erforderlich ist (Negativattest), so ist als Geschäftswert nicht der volle Nennwert der Hypothek, sondern der geringere Wert des fraglichen Grundstücks zugrunde zu legen.4

3153

Der Wert des Anspruches eines Gesamtschuldners gegen den anderen auf Freistellung von der Inanspruchnahme aus einem Baudarlehen und der dafür bestellten Hypothek ist nach dem Nennbetrag der Forderung zu berechnen. Eine doppelte Berücksichtigung wegen der persönlichen und der dinglichen Haftung kommt nicht in Betracht. Weder die Unwahrscheinlichkeit oder der Umfang einer etwaigen Inanspruchnahme noch der Umstand, dass Gesamtschuldner im Innenverhältnis grundsätzlich zu gleichen Anteilen verpflichtet sind, rechtfertigen einen Abzug vom Streitwert.5

E. Sicherungshypothek 3154

Der Streitwert auf Eintragung einer Sicherungshypothek ist gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen. Er ist mit Rücksicht auf die Vorläufigkeit 1 OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.9.2009 – 8 W 392/09, MDR 2009, 1353 = AGS 2009, 603; OLG Koblenz, Beschl. v. 31.3.2009 – 5 W 143/09, JurBüro 2009, 430; OLG Dresden, Beschl. v. 3.6.2008 – 6 W 139/08, JurBüro 2008, 476 = MDR 2008, 1005. 2 OLG Rostock, Beschl. v. 5.8.2009 – 3 W 44/09, OLGR 2009, 969. 3 OLG Frankfurt, Rpfleger 1956, 318. 4 OLG Frankfurt, JurBüro 1959, 426. 5 KG, JurBüro 1968, 466.

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Hypothekengewinnabgabe einer einstweiligen Verfügung regelmäßig i.H.v. 1/4 bis 2/3 des zu sichernden Anspruchs angemessen.1 Dabei ist auf das Interesse des Antragstellers abzustellen, das sich wiederum nach dem Grad der Gefährdung seines Anspruches richtet. Bei Streit um die Rechtsinhaberschaft an einer Hypothek, die nach dem Wert des belasteten Grundstücks und nach ihrem Range gut ist, kann das Sicherungsinteresse für die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung eines Widerspruchs mit 1/3 des Nennbetrags angenommen werden.2

3155

Der Streitwert der Klage eines Miterben auf Zustimmung zur Löschung einer zugunsten einer Erbengemeinschaft eingetragenen Sicherungshypothek ist nicht nach dem vollen Betrag der Hypothek, sondern nach dem hälftigen Anteil des löschungsunwilligen Miterben zu bemessen.3 Diese Bewertung entspricht der neueren Judikatur, die den Anteil des klagenden Erben aus wirtschaftlichen Erwägungen nicht streitwerterhöhend berücksichtigt.4

3156

Wird auf Abgabe einer Löschungsbewilligung hinsichtlich einer Sicherungshypothek geklagt, dann ist ebenfalls auf das Interesse des Klägers an der Bereinigung des Grundbuchs abzustellen.

3157

Das OLG Frankfurt/M.5 bestimmt es grundsätzlich nach dem Nennwert des dinglichen Rechts, gleichgültig, ob die Forderung besteht oder nicht und in welcher Höhe. Mit Recht hat demgegenüber das OLG Hamburg6 die Vorschrift des § 6 ZPO nur mit der Maßgabe angewandt, dass der Streitwert lediglich durch die Höhe der gesicherten und noch valutierten Forderung bestimmt werde. Allein bei dieser Betrachtungsweise ist es möglich, die Streitwertbezifferung am wirklichen wirtschaftlichen Interesse der Parteien auszurichten. Dem hat sich das OLG Köln7 angeschlossen.

Hypothekengewinnabgabe Es handelt sich dabei um die Umstellung der Reichsmark auf die Deutsche Mark im Verhältnis 10:1. Die dadurch freigewordenen Pfandstellen wurden zum Lastenausgleich herangezogen, und zwar durch Einführung der Hypothekengewinnausgabe.8 Das muss für die Berechnung des Streitwerts bei Grund1 2 3 4 5

OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 719; LG Siegen, JurBüro 1963, 475. OLG Köln, JurBüro 1961, 458. OLG Frankfurt, JurBüro 1981, 757. S. dazu Schneider, JurBüro 1977, 433 und das Stichwort „Miterbe“ (Rn. 4055 ff.). OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 21.9.1992 – 27 W 49/92, JurBüro 1977, 720; KostRsp. ZPO § 6 Nr. 138 = OLGR 1992, 193; ebenso z.B. OLG Nürnberg, Beschl. v. 10.4.1970 – 5 W 17/79, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 38; OLG Bamberg JurBüro 1082, 1721; zust. Stein/ Jonas/Roth, 22. Aufl. 2003, § 6 ZPO Nr. 29; diff. MünchKomm.ZPO/Lappe, § 3 Rn. 137. 6 OLG Hamburg, MDR 1975, 846; ebenso OLG Dresden, Beschl. v. 3.6.2008 – 6 W 139/ 08, JurBüro 2008, 476 = MDR 2008, 1005. 7 OLG Köln, MDR 1980, 1025. 8 S. näher dazu Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Bearbeitung 1957, § 157c.

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Idealverein buchklagen berücksichtigt werden. Meist ging es dabei um die Löschung von RM-Grundpfandrechten. S. dazu das Stichwort „Löschung von Grundpfandrechten, Vormerkungslöschung“ Rn. 3568 ff.

Idealverein A. Einleitung 3159

Das BGB unterscheidet zwischen wirtschaftlichen Vereinen (§ 22 BGB) und Idealvereinen (§ 21 BGB). Diese materiellrechtliche Einordnung ist allerdings streitwertmäßig bedeutungslos, denn Idealvereine können gleichermaßen vermögensrechtliche Ansprüche geltend machen wie wirtschaftliche Vereine nichtvermögensrechtliche Ansprüche.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 3160

Es kommt für die Bemessung des Streitwerts (§ 48 Abs. 2 GKG oder § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) nur darauf an, welche konkreten Anträge vom Verein bzw. gegen diesen im Rechtsstreit verfolgt werden.

I. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit 3161

Eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit liegt beispielsweise vor, wenn gegen einen Idealverein auf Feststellung geklagt wird, dass die Wahl des Vorstands nicht rechtmäßig erfolgt sei. Wegen der besonderen Bedeutung eines solchen Streits für einen Verein, der ohne einen rechtmäßig gewählten Vorstand nicht handlungsfähig ist, ist auch bei sonst durchschnittlichen Verhältnissen regelmäßig die Festsetzung eines über dem Grundwert liegenden Streitwerts gerechtfertigt.1

* Æ Beispiel: Das OLG Düsseldorf2 hat den Wert einer negativen Feststellungsklage über die Unwirksamkeit der Wahl des Vereinsvorstands und der Ausschussmitglieder eines Idealvereins auf (umgerechnet) 5.000 Euro festgesetzt.

3162

Nichtvermögensrechtlich sind daneben auch die Streitigkeiten um Zugehörigkeit zu einem Idealverein oder um die Berechtigung, den Vereinsnamen zu führen.

II. Vermögensrechtliche Streitigkeiten 3163

Vermögensrechtlich ist der Streit um Höhe oder Berechtigung der Mitgliedsbeiträge sowie über Aufnahme von neuen Mitgliedern. Das LG Saarbrücken3 hat zur Bewertung des Streits über die Aufnahme von 200 neuen Mitgliedern auf die jährlichen Mitgliedsbeiträge abgestellt. 1 KG, Jurbüro 1969, 1193 zu § 12 Abs. 2 GKG a.F. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.9.1997 – 10 W 121/97, OLGR 1998, 39. 3 LG Saarbrücken, Beschl. v. 18.4.1994 – 5 T 235/94, JurBüro 1995, 26.

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Onderka

Idealverein buchklagen berücksichtigt werden. Meist ging es dabei um die Löschung von RM-Grundpfandrechten. S. dazu das Stichwort „Löschung von Grundpfandrechten, Vormerkungslöschung“ Rn. 3568 ff.

Idealverein A. Einleitung 3159

Das BGB unterscheidet zwischen wirtschaftlichen Vereinen (§ 22 BGB) und Idealvereinen (§ 21 BGB). Diese materiellrechtliche Einordnung ist allerdings streitwertmäßig bedeutungslos, denn Idealvereine können gleichermaßen vermögensrechtliche Ansprüche geltend machen wie wirtschaftliche Vereine nichtvermögensrechtliche Ansprüche.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 3160

Es kommt für die Bemessung des Streitwerts (§ 48 Abs. 2 GKG oder § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) nur darauf an, welche konkreten Anträge vom Verein bzw. gegen diesen im Rechtsstreit verfolgt werden.

I. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit 3161

Eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit liegt beispielsweise vor, wenn gegen einen Idealverein auf Feststellung geklagt wird, dass die Wahl des Vorstands nicht rechtmäßig erfolgt sei. Wegen der besonderen Bedeutung eines solchen Streits für einen Verein, der ohne einen rechtmäßig gewählten Vorstand nicht handlungsfähig ist, ist auch bei sonst durchschnittlichen Verhältnissen regelmäßig die Festsetzung eines über dem Grundwert liegenden Streitwerts gerechtfertigt.1

* Æ Beispiel: Das OLG Düsseldorf2 hat den Wert einer negativen Feststellungsklage über die Unwirksamkeit der Wahl des Vereinsvorstands und der Ausschussmitglieder eines Idealvereins auf (umgerechnet) 5.000 Euro festgesetzt.

3162

Nichtvermögensrechtlich sind daneben auch die Streitigkeiten um Zugehörigkeit zu einem Idealverein oder um die Berechtigung, den Vereinsnamen zu führen.

II. Vermögensrechtliche Streitigkeiten 3163

Vermögensrechtlich ist der Streit um Höhe oder Berechtigung der Mitgliedsbeiträge sowie über Aufnahme von neuen Mitgliedern. Das LG Saarbrücken3 hat zur Bewertung des Streits über die Aufnahme von 200 neuen Mitgliedern auf die jährlichen Mitgliedsbeiträge abgestellt. 1 KG, Jurbüro 1969, 1193 zu § 12 Abs. 2 GKG a.F. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.9.1997 – 10 W 121/97, OLGR 1998, 39. 3 LG Saarbrücken, Beschl. v. 18.4.1994 – 5 T 235/94, JurBüro 1995, 26.

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Onderka

Immissionen Zur Ausschließung aus einem Idealverein s. das Stichwort „Ausschließung“. Das OLG Köln1 hat den im Eilverfahren ausgetragenen Streit über den Ausschluss als nichtvermögensrechtliche Streitigkeit mit 1.000 DM bewertet. Das OLG Frankfurt2 will auch bei Ausschluss aus einem Idealverein wirtschaftliche Interessen des ehemaligen Mitgliedes bei der Streitwertbestimmung mit berücksichtigen.3

3164

Die Regelung in § 247 Abs. 1 AktG ist auf das Vereinsrecht nicht entsprechend anwendbar.4 Denn es fehlt an der für die aktienrechtliche Regelung mitbestimmenden Motivation, wirtschaftlich gering beteiligte Mitglieder durch die Berücksichtigung des Verbandsinteresses von willkürlichen Klagen abzuhalten.

3165

III. Anspruchshäufung Werden mit einer Klage im Wege der Anspruchshäufung sowohl vermögensrechtliche als auch nichtvermögensrechtliche Ansprüche geltend gemacht, so erfolgt eine getrennte Bewertung und sodann die Addition nach § 5 ZPO.5

3166

Eine Ausnahme gilt für den Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 4 GKG nur dann, wenn der vermögensrechtliche Anspruch aus dem nichtvermögensrechtlichen folgt. Dann ist nur der höhere Anspruch maßgeblich.

3167

Immissionen Für den nach § 3 ZPO zu schätzenden Streitwert einer Immissionsklage (§§ 903, 904, 907, 1004 BGB) ist die Wertminderung entscheidend, die das Grundstück des Klägers nach voraussichtlicher Dauer der Immissionen, hilfsweise bei Zulassung auf unbestimmte Zeit, erleiden würde.6 Vgl. zur Besitzstörung allgemein auch das Stichwort „Besitz“ Rn. 1700 ff. und 1713 ff.

3168

Auf die Höhe der Aufwendungen, die der Beklagte zur Abwendung der Immissionen anwenden müsste, kommt es für den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nicht an. Allein die Beschwer des Beklagten wird hierdurch bestimmt.7

3169

Die Klage eines Mieters gegen einen Mitmieter zur Abwehr der von einem Gaststättenbetrieb ausgehenden von Geräusch- und Geruchsimmissionen ist 1 OLG Köln, Beschl. v. 5.10.1983 – 2 W 87/83, MDR 1984, 153. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.7.2003 – 9 W 13/03, JurBüro 2003, 644. 3 Im konkreten Fall ging es um die Mitgliedschaft als Voraussetzung für den Verkauf selbst gezüchteter Rassehunde sowie eine eventuelle persönliche Haftung als nicht entlastetes Vorstandsmitglied. 4 BGH, Beschl. v. 25.5.1992 – II ZR 23/92, MDR 1993, 183. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.1984 – 12 W 254/84, JurBüro 1985, 1083. 6 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.2.1994 – 5 W 119/94, JurBüro 1995, 27; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Immissionen“; Meyer, Geräuschimmissionen durch LKW-Parkplatz Anh. § 48 (§ 3 ZPO) Rn. 17, dort unter „Immissionen“; Baumbach/Hartmann, Anh. § 3 Rn. 72, dort unter „Immission“: Musielak/Heinrich, § 3 ZPO Rn. 30 unter „Immissionen“; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 ZPO Rn. 89, unter „Immissionen“. 7 OLG Frankfurt, Rpfleger 1955, 210; OLG Schleswig, JurBüro 1973, 637 = SchlHA 1973, 88; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Immissionen“; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 Rn. 89 unter „Immissionen“.

Kurpat

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Informationserzwingungsverfahren nach § 3 ZPO zu bewerten. Unter Berücksichtigung der Wertung in § 41 Abs. 5 GKG ist eine Bemessung nach dem Jahresbetrag der aufgrund der Immisionen anzunehmenden Mietminderung (§ 537 BGB) naheliegend.1 Denn das Interesse an einem ungestörten Gebrauch der Mietsache entspricht – wirtschaftlich betrachtet – dem zur Gebrauchsgewährung erforderlichen Aufwand. Zudem wäre auch der Gebührenstreitwert eine gegen den Vermieter als mittelbaren Störer bzw. den zur unbeeinträchtigen Gerbrauchsgewährung Verpflichteten gerichtete Klage nach Maßgabe von § 41 Abs. 5 GKG zu bemessen.2 3170

Soweit die Abwehr von Immissionen durch einstweilige Verfügung eingeleitet wird, sind auch die Bewertungsgrundsätze dafür heranzuziehen. Vgl. das Stichwort „Einstweilige Verfügung“.

3171

Klagen Miteigentümer eines Grundstücks auf Unterlassung einer Lärmimmission, so ist der Wert ihrer Klagen nicht nach § 5 ZPO zusammenzurechnen, da aufgrund desselben betroffenen Grundstücks „wirtschaftliche Identität“ vorliegt.3

Informationserzwingungsverfahren 3172

Das Informationszwingungsverfahren nach § 51b GmbHG, § 132 AktG dient der Durchsetzung des mitgliedschaftlichen Individualrechts eines Gesellschafters bzw. Aktionärs auf Information. Der Anspruch richtet sich gegen die GmbH bzw. gegen den Vorstand.

3173

Das Erzwingungsverfahren ist Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Nach § 51b GmbHG bzw. § 132 Abs. 5 AktG gilt für die Festsetzung des Geschäftswertes die Regelung in § 30 Abs. 2 KostO mit der Maßgabe, dass der Wert regelmäßig mit 5.000 Euro festzusetzen ist.

3174

Der Geschäftswert ist auch dann einheitlich festzusetzen, wenn mehrere Beteiligte Informationsanträge gestellt haben.4 Der Zahl der Antragsteller ist nicht durch bloße schematische Multiplikation des Regelgeschäftswertes mit der Zahl der Anträge Rechnung zu tragen, sondern durch angemessene Erhöhung des Geschäftswertes bis zur Obergrenze von 500.000 Euro (§ 30 Abs. 2 KostO). Maßgeblich ist für die Erhöhung, ob es sich um mehrere selbständige Informationsbegehren handelt, oder ob und in welchem Umfang die Auskünfte zusammenhängen5 bzw. ob die Antragsteller dem Verfahren eine über den Verfahrensgegenstand hinausgehende grundsätzliche Bedeutung beimessen.6 1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.9.2007 – 19 W 57/07, AGS 2008, 92 = NJW-RR 2008, 534; Beschl. v. 26.9.1985 – 8 W 25/85, WuM 1986, 15; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.12.1983 – 2 W 21/83, juris. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.9.2007 – 19 W 57/07, AGS 2008, 92 = NJW-RR 2008, 534. 3 BGH, Beschl. v. 29.1.1987 – V ZR 136/86, MDR 1987, 570 = NJW-RR 1987, 1148, Baumbach/Hartmann, § 3 ZPO Rn. 72 unter „Immission“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Immissionen“. 4 BayObLG, GmbHR 1991, 576; BayObLG, Beschl. v. 27.5.1993 – 3 Z BR 55/93, JurBüro 1994, 756; BayObLG, Beschl. v. 14.11.2000 – 3 Z BR 321/00, JurBüro 2001, 254. 5 BayObLG, NJW-RR 2000, 1201. 6 BayObLG, Beschl. v. 27.5.1993 – 3 Z BR 55/93, JurBüro 1994, 756; ähnlich auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.5.1992 – 8 W 244/91, DB 1992, 1179.

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Onderka

Insolvenzverfahren Das OLG Frankfurt1 vertritt die Ansicht, dass der Regelwert mit der Zahl der gestellten Fragen zu multiplizieren ist, wenn das Verfahren mehrere Fragen mit jeweils einem eigenständigen Inhalt zum Gegenstand hat. Dagegen spricht schon, dass § 30 Abs. 2 KostO nicht auf die einzelne Frage, sondern auf das Verfahren als solches abstellt und für dieses – zusammen mit § 132 Abs. 5 AktG – einen Regelstreitwert vorgibt. Dieser kann nach den Umständen des Einzelfalls zwar niedriger oder höher angenommen werden. Allein die Anzahl der gestellten Fragen bestimmt jedoch nicht das Interesse der Antragsteller.

3175

Inkassokosten Neben einem Hauptanspruch auf Geldzahlung sind Inkassokosten bei der Wertbemessung außer Ansatz zu lassen, und zwar auch dann, wenn sie auf einen nicht mehr im Streit befindlichen Teil des Hauptanspruchs bezogen sind. Es handelt sich um Kosten i.S. der § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG (§ 22 Abs. 1 GKG a.F.).2

3176

Insolvenzsicherung Zwischen dem Versorgungsempfänger oder -anwärter einer betrieblichen Altersversorgung und dem Pensions-Sicherungs-Verein als Träger der Insolvenzsicherung besteht bereits vor Eintritt des Sicherungsfalls (§ 7 Abs. 1 BetrAVG) ein feststellungsfähiges (bedingtes) Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 ZPO.3

3177

Der Streitwert für eine auf künftige Rentenleistung gerichtete Insolvenz-Sicherungsklage ist auf den dreifachen Jahresbetrag festzusetzen (§ 42 Abs. 2 GKG analog). Dies gilt auch dann, wenn die Klage von einem früheren Mitglied des Vertretungsorgans einer juristischen Person erhobenen wird.4

3178

Insolvenzverfahren Literatur: Schneider, MDR 1974, 101 ff.; Uhlenbruck, ZAP Fach 24 S. 291; Enders, JurBüro 1999, 113; Enders, JurBüro 1999, 169. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 3179 B. Insolvenzverfahren I. Erste Instanz 1. Gerichtsgebühren . . . . . . . . 3181 2. Anwaltsgebühren . . . . . . . . . 3185

1 2 3 4

a) Vertretung des Schuldners b) Vertretung des Gläubigers c) Sonstige Fälle . . . . . . . II. Beschwerdeverfahren 1. Gerichtsgebühren . . . . . . 2. Anwaltsgebühren . . . . . . .

Rn. . . 3186 . . 3187 . . 3189 . . 3190 . . 3193

OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.8.1992 – 20 W 300/92, DB 1992, 1920. OLG Köln, JurBüro 1974, 1594 = BB 1974, 1414 = DB 1974, 2203. BGH, Urt. v. 25.10.2004 – II ZR 413/02, MDR 2005, 292 = NJW-RR 2005, 637. BGH, JurBüro 1980, 1822 = MDR 1980, 1001.

Onderka

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Insolvenzverfahren Rn. C. Feststellungsklage I. Anwendungsbereich . . . . . . . 3199 II. Bemessungsgrundsätze . . . . . 3205 D. Einfluss auf laufende Verfahren

3214

Rn. E. Aussonderung . . . . . . . . . . 3221 F. Abgesonderte Befriedigung . . . 3223 G. Anfechtung . . . . . . . . . . . . 3227

Stichwortübersicht Abgesonderte Befriedigung . . . . . Anfechtungsklage . . . . . . . . . . – Beseitigung eines Pfandrechts . . – Rückgewähr . . . . . . . . . . . . Anwaltsgebühren . . . . . . . . . . – Ankündigung der Restschuldbefreiung . . . . . . . . . . . . . . – Beschwerde . . . . . . . . . . . . – Bestätigung des Insolvenzplans . – Durchführung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . – Eröffnungsverfahren . . . . . . . – Restschuldbefreiung . . . . . . . – Teilbetrag des Gläubigers . . . . – Vertreten des Insolvenzgläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . – Vertreten des Schuldners . . . . . – wirtschaftliches Interesse . . . . Aufnahme eines Rechtsstreites . . Aussonderung . . . . . . . . . . . . Befangenheit . . . . . . . . . . . . . Bemessungsgrundsätze . . . . . . . – besondere Umstände . . . . . . . Beschwerde gegen Eröffnungsantrag Eventual-Aufrechnung . . . . . . .

Rn. 3182 3227 3228 3227 3185 3197 3193 3198 3185 3185 3195 3188 3187 3186 3196 3212 3182 3203 3205 3211 3190 3219

Falsche Schätzung . . . . . . . . Feststellungsklage . . . . . . . . – gegen bestreitenden Schuldner – Rang der Forderung . . . . . . – Umstellen von Zahlungsklage Gegenforderungen, aufrechenbar Gläubiger, vermögenslos . . . . Hilfsaufrechnungen gegenüber Insolvenzverwalter . . . . . . Insolvenzmasse . . . . . . . . . Kündigungsschutzklage . . . . . Laufendes Verfahren . . . . . . . Quote, gering . . . . . . . . . . Rechtsstreit – nicht weitergeführt . . . . . . – wieder aufgenommen . . . . . Rückwirkung . . . . . . . . . . Selbständiges Beweisverfahren . Teilbetrag . . . . . . . . . . . . Verteilungsquote – Insolvenzverwaltungsbericht . – Prozentwert . . . . . . . . . . – Verhältnis der Masse . . . . . Widerspruch . . . . . . . . . . . Zinsen und Kosten . . . . . . .

. . . . . . .

. . . . . . .

Rn. 3213 3199 3204 3201 3201 3207 3184

. . . . .

. . . . .

3220 3182 3203 3214 3209

. . . . .

. . . . .

3215 3216 3217 3202 3201

. . . . .

. . . . .

3206 3209 3207 3200 3208

A. Einleitung 3179

Der Streitwert für die Gerichtsgebühren im Insolvenzverfahren – soweit keine Festgebühren anfallen – richtet sich nach § 58 GKG. Danach ist der Wert der Insolvenzmasse zurzeit der Beendigung des Verfahrens maßgeblich. Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren bestimmt sich nach § 28 RVG.

3180

Bei der Klage auf Feststellung bestrittener Forderungen (§ 179 InsO) ist derjenige Betrag anzusetzen, der bei Verteilung der Insolvenzmasse zu erwarten ist (§ 182 InsO). Da diese Regelung keine maßgebliche sachliche Änderung gegenüber der früheren Vorschrift des § 148 KO enthält,1 kann auch auf Rechtsprechung zur Konkursordnung zurückgegriffen werden.

1 BGH, Urt. v. 9.9.1999 – IX ZR 80/99, MDR 1999, 1463; BGH, NJW-RR 2000, 354.

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Onderka

Insolvenzverfahren

B. Insolvenzverfahren I. Erste Instanz 1. Gerichtsgebühren Der Streitwert für das Insolvenzverfahren selbst, also für die Eröffnung und die Durchführung, richtet sich nach § 58 GKG. Danach werden die Gebühren für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Nr. 2310 KV GKG) und für die Durchführung des Insolvenzverfahrens (Nr. 2320, 2330 KV GKG) nach dem Wert der Insolvenzmasse zurzeit der Beendigung des Verfahrens erhoben (§ 58 Abs. 1 Satz 1 GKG).

3181

Die Insolvenzmasse umfasst nach §§ 35, 36 InsO das gesamte dem Schuldner zurzeit der Eröffnung gehörende und während des Verfahrens von ihm erlangte, einer Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen. Nicht zur Insolvenzmasse zählen diejenigen Gegenstände, die aufgrund dinglicher oder persönlicher Rechte einem Aussonderungsrecht unterliegen (§ 47 InsO). Der Wert von Gegenständen, die zur abgesonderten Befriedigung dienen (§§ 49 ff. InsO), wird nur in Höhe des für diese nicht erforderlichen Betrages angesetzt (§ 58 Abs. 1 Satz 2 GKG).1 Masseverbindlichkeiten (§§ 53–55 InsO) werden nicht abgezogen.

3182

Ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem Gläubiger gestellt worden (Nr. 2311 KV GKG für das Eröffnungsverfahren), dann wird die Gebühr für das Verfahren entweder nach dem Betrag seiner Forderung oder nach dem geringeren Wert der Insolvenzmasse erhoben (§ 58 Abs. 2 GKG).

3183

Nimmt der Gläubiger seinen Eröffnungsantrag zurück, weil die Anhörung des Schuldners ergeben hat, dass dieser praktisch vermögenslos ist oder weil der Gläubiger erfahren hat, dass bereits aufgrund eines anderen Antrages die Einstellung des Verfahrens mangels Masse beschlossen worden war, dann ist der Wert nicht etwa nach dem Betrag der Forderung des Gläubigers, sondern auf die geringste Gebührenstufe festzusetzen.2

3184

2. Anwaltsgebühren Im Eröffnungsverfahren erhält der Anwalt für die Vertretung des Schuldners eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3313 VV RVG. Für die Vertretung des Gläubigers erhält der Anwalt eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3314 VV RVG. Für die Durchführungen des Insolvenzverfahrens entsteht unabhängig von der Person des Mandanten eine einheitliche 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3317 VV RVG. Der Wert für die Anwaltsgebühren richtet sich nach § 28 RVG. Dieser bestimmt unterschiedliche Werte für die verschiedenen Verfahrensabschnitte und unterscheidet zudem, ob der Gläubiger oder der Schuldner vom Anwalt im Insolvenzverfahren vertreten wird.

1 LG Kassel, Beschl. v. 17.2.1999 – 3 T 42/99, Rpfleger 1999, 288. 2 AG Göttingen, Beschl. v. 3.3.1992 – 71 N 48/90, ZIP 1992, 790; unrichtig LG Krefeld, Beschl. v. 4.5.1983 – 6a T 14/83, Rpfleger 1983, 332 mit abl. Anm. Meyer-Stolte = ZIP 1984, 92 mit abl. Anm. Eickmann; LG Mainz, Beschl. v. 27.11.1985 – 8 T 201/85, Rpfleger 1986, 110 mit abl. Anm. Meyer-Stolte.

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Insolvenzverfahren a) Vertretung des Schuldners 3186

Soweit der Anwalt den Schuldner im Eröffnungsverfahren, im Verfahren über einen Schuldenbereinigungsplan oder im Insolvenzverfahren vertritt, berechnen sich seine Gebühren nach dem Wert der Insolvenzmasse. Dieser Wert wiederum bestimmt sich nach § 58 GKG (§ 28 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Insolvenzmasse umfasst nach §§ 35, 36 InsO das gesamte dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung gehörende und während des Verfahrens von ihm erlangte, einer Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen. Nicht zur Insolvenzmasse zählen diejenigen Gegenstände, die aufgrund dinglicher oder persönlicher Rechte einem Aussonderungsrecht unterliegen (§ 47 InsO). Ebenfalls müssen diejenigen Gegenstände vom Wert der Masse abgezogen werden, die und soweit sie einer abgesonderten Befriedigung (§§ 49 ff. InsO) unterliegen.1 Für die Vertretung des Schuldners im Eröffnungsverfahren beträgt der Gegenstandswert mindestens 4.000 Euro (§ 28 Abs. 1 Satz 2 RVG). Für die anderen Verfahrensabschnitte gilt dieser Mindestwert nicht. b) Vertretung des Gläubigers

3187

Vertritt der Anwalt den Insolvenzgläubiger im Eröffnungsverfahren, im Verfahren über einen Schuldenbereinigungsplan oder im Insolvenzverfahren, ist der Nennwert der Forderung entscheidend. Dies gilt auch dann, wenn der Wert der Insolvenzmasse geringer ist, weil § 28 Abs. 2 RVG nicht auf § 58 GKG verweist. Dabei sind Nebenforderungen mitzurechnen (§ 28 Abs. 2 RVG). Entscheidend ist also der tatsächliche Betrag der Forderung einschließlich der Zinsen und der etwa erstattungsfähigen Kosten bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens.2

3188

Macht der Gläubiger nur einen Teilbetrag seiner Forderung im Insolvenzverfahren geltend, so ist nur dieser für den Gegenstandswert maßgeblich. Ob dies auch hinsichtlich der Gebühr für das Eröffnungsverfahren (Nr. 3314 VV RVG) gilt, ist umstritten: – Nach einer Meinung wird diese Gebühr – anders als die sonstigen Gebühren – immer nach der gesamten Forderung berechnet.3 – Die Gegenmeinung sieht nur den Teilbetrag als maßgeblich an.4 Der zweiten Meinung ist zuzugeben, dass der Wortlaut des § 28 Abs. 2 RVG keinen Anhaltspunkt dafür bietet, dass der Gegenstandswert einmal in Höhe der gesamten Forderung und einmal in Höhe nur des Teilbetrages anzusetzen ist. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten eine solche Differenzierung zwischen dem Eröffnungsverfahren und dem weiteren Verfahren nicht. Bei Geltendmachung nur eines Teilbetrages ist also für alle Gebühren nur dieser Wert maßgeblich.

1 LG Kassel, Beschl. v. 17.2.1999 – 3 T 42/99, Rpfleger 1999, 288 = KTS 2000, 468. 2 Enders, JurBüro 1999, 171. 3 OLG Dresden, Beschl. v. 14.9.1994 – 3 W 315/93, MDR 1994, 1253; Enders, JurBüro 1999, 171; Hartmann, § 28 RVG Rn. 13. 4 LG Freiburg, Beschl. v. 4.11.1991 – 2 T 44/91, Rpfleger 1992, 312 = KTS 1992, 565; Schneider/Wolf, § 28 RVG Rn. 9.

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Insolvenzverfahren c) Sonstige Fälle In allen sonstigen Fällen ist der Gegenstandswert unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses, das der Auftraggeber im Verfahren verfolgt, nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu bestimmen (§ 28 Abs. 3 RVG). Damit sind alle Angelegenheiten gemeint, die in § 28 Abs. 1 und 2 RVG nicht geregelt worden sind. Beispielsweise ist bei der Vertretung des Schuldners wegen des Insolvenzplans der zu erhaltende Vermögensteil maßgeblich.1 Bei Vertretung des Gläubigers wegen des Insolvenzplans kommt es auf die Differenz zwischen Plan und geforderter Quote an.2 Bei Vertretung im Rahmen der Restschuldbefreiung ist das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers maßgeblich.3 Dies kann die Summe der Forderungen sein, von denen der Schuldner Befreiung begehrt.

3189

II. Beschwerdeverfahren 1. Gerichtsgebühren Bei der Beschwerde gegen die Entscheidung über den Eröffnungsantrag richtet sich der Wert für die Gerichtsgebühren nach § 58 Abs. 3 GKG, der nach der Person des Beschwerdeführers differenziert.

3190

Erfolgt die Beschwerde durch den Schuldner oder den ausländischen Insolvenzverwalter gegen die Eröffnungen des Insolvenzverfahrens oder gegen die Abweisung des Antrags mangels Masse, so ist für den Streitwert der Wert der Insolvenzmasse zurzeit der Beendigung des Verfahrens maßgeblich (§ 58 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 58 Abs. 1 GKG).

3191

Ist dagegen ein sonstiger Antragsteller Beschwerdeführer, so richtet sich der Wert nach dem Betrag seiner Forderung bzw. nach dem geringeren Wert der Insolvenzmasse (§ 58 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 GKG). Für sonstige Beschwerdeverfahren stellt sich die Frage nach einem Wert für die Gerichtsgebühren nicht, weil hier Festgebühren anfallen (Nr. 2361, 2364 KV GKG).

3192

2. Anwaltsgebühren Der Wert für die Anwaltsgebühren im Beschwerdeverfahren (Nr. 3500, 3513 VV RVG) richtet sich ebenfalls nach § 28 RVG. Vertritt der Anwalt den Schuldner in einem Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ist nach § 28 Abs. 1 Satz 1 RVG der Wert der Insolvenzmasse entscheidend. Gleiches gilt, wenn der Anwalt den Schuldner als Beschwerdegegner im Beschwerdeverfahren gegen die Zurückweisung des Eröffnungsbeschlusses vertritt.4 In sonstigen Beschwerdeverfahren richtet sich der Wert nach § 28 Abs. 3 RVG.

1 Hartmann, § 28 RVG Rn. 18; Enders, JurBüro 1999, 171. 2 Enders, JurBüro 1999, 171. 3 BGH, JurBüro 2003, 253; OLG Celle, Beschl. v. 29.10.2001 – 2 W 71/01, ZInsO 2002, 32 = InVo 2002, 277. 4 OLG Köln, JurBüro 1994, 101.

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Insolvenzverfahren 3194

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens gegen die Anordnung einer Postsperre gem. § 99 InsO bestimmt sich nach dem Interesse des Schuldners. Das OLG Köln hat ihn auf (umgerechnet) 20.000 Euro festgesetzt.1

3195

Die Entscheidung des BGH2 zur Bestimmung des Gegenstandswerts für das einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung betreffende Verfahren ist inzwischen für die Gerichtsgebühren überholt. Denn im gesamten Verfahren der Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO) sind nur die in Nr. 2350 KV GKG abschließend genannten Entscheidungen besonders gebührenpflichtig. Soweit überhaupt eine gerichtliche Gebühr in diesem Bereich anfällt – sei es in erster Instanz oder im Beschwerdeverfahren –, ist sie als Festgebühr ausgestaltet, sodass es der Festsetzung eines Gegenstandswertes nicht bedarf.

3196

Für die Bestimmung des Gegenstandswertes für die Anwaltsgebühren (Nr. 3500, 3513 VV RVG) ist der Wert nach dem objektiven wirtschaftlichen Interesse desjenigen zu bemessen, der den jeweiligen Antrag stellt oder das entsprechende Rechtsmittel verfolgt. Maßgeblich ist dabei nicht der Nennbetrag der dem verfahrensbeteiligten Gläubiger verbleibenden Forderung, sondern deren wirtschaftlicher Wert, bei dem auch die Erfolgsaussichten einer künftigen Beitreibung zu berücksichtigen sind. Der BGH3 hat ausgeführt, dass in den Fällen, in denen eine greifbare Schätzungsgrundlage nicht existiert, hilfsweise ein Wert von 4.000 Euro (§ 23 Abs. 3 Satz 2 RVG) herangezogen werden könne.

3197

Vertritt der Anwalt den Schuldner in einem Beschwerdeverfahren gegen die Ankündigung der Restschuldbefreiung, so kann für die Berechnung des Gegenstandswertes weder auf den Nennbetrag der offenen Forderung des Versagungsantragstellers noch auf den Nennbetrag der Gesamtheit aller im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten abgestellt werden. Bei der Bemessung des wirtschaftlichen Wertes sind vielmehr auch die Erfolgsaussichten einer möglichen Beitreibung zu berücksichtigen, weil es ansonsten zu Gebührenansätzen kommen würde, die in keinem angemessenen Verhältnis zum tatsächlichen Wert des Verfahrens stehen. Ist völlig ungewiss, wie sich die Vermögensverhältnisse des Schuldners entwickeln werden und ob bzw. in welchem Umfang er in Zukunft wieder in der Lage sein wird, Zahlungen zu leisten, kann auch hier auf den Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG abgestellt werden.4

3198

Der Gegenstandswert für das Verfahren, in dem der Antrag auf Bestätigung des Insolvenzplans verfolgt oder Beschwerde gegen die vom Insolvenzgericht ausgesprochene Planbestätigung eingelegt wird, ist gem. § 3 ZPO nach dem objektiven wirtschaftlichen Interesse desjenigen zu bemessen, der den jeweiligen Antrag stellt oder das entsprechende Rechtsmittel verfolgt.5 Wird also gegen die Bestätigung eines Insolvenzplans Beschwerde eingelegt, so bemisst 1 OLG Köln, Beschl. v. 14.6.2000 – 2 W 86/00, ZIP 2000, 1900 = InVo 2001, 95 – die näheren Bewertungsumstände lassen sich der Entscheidung leider nicht entnehmen. 2 BGH, Beschl. v. 8.2.2007 – IX ZB 266/05, JurBüro 2007, 315; BGH, Beschl. v. 23.1.2003 – IX ZB 227/02, JurBüro 2003, 410 = ZInsO 2003, 217; a.A. AG Duisburg, ZInsO 2002, 844 (maßgeblich ist der Nennbetrag der dem verfahrensbeteiligtem Gläubiger verbleibenden Forderung). 3 So auch OLG Celle, Beschl. v. 29.10.2001 – 2 W 71/01, ZInsO 2002, 32 = InVo 2002, 277. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.6.2007 – 10 W 6/07, OLGR 2007, 603 = NZI 2008, 252. 5 BGH, Beschl. v. 28.9.2009 – IX ZB 230/07, JurBüro 2010, 87.

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Insolvenzverfahren sich der Gegenstandswert nicht nach dem Aktivvermögen des Schuldners zum Zeitpunkt der Abstimmung über den Insolvenzplan, sondern nach dem wirtschaftlichen Interesse des Gläubigers an der Beseitigung des Insolvenzplans.1 Das wirtschaftliche Interesse des Insolvenzverwalters an der Bestätigung des Insolvenzplans entspricht dem Betrag, um den sich seine Vergütung erhöht hätte, wenn das von ihm eingelegte Rechtsmittel Erfolg gehabt hätte.2

C. Feststellungsklage I. Anwendungsbereich Wird die Forderung eines Gläubigers vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten, so gilt diese Forderung nicht als festgestellt. Es bleibt dann dem Gläubiger überlassen, die Feststellungen gegen den Bestreitenden zu betreiben (§ 179 InsO). Dies erfolgt mit der Insolvenzfeststellungsklage (§ 180 InsO) außerhalb des Insolvenzverfahrens im ordentlichen Verfahren. Hierbei handelt es sich um eine echte Feststellungsklage, deren Ziel die Beseitigung des im Prüfungstermin erhobenen Widerspruchs ist, damit die Forderung zur Insolvenztabelle festgestellt werden kann.

3199

Der Streitwert einer solchen Klage bestimmt sich nach § 182 InsO. Dieser findet Anwendung, wenn die Feststellungsklage durch Neuklage (§ 180 Abs. 1 InsO), durch Prozessaufnahme (§ 180 Abs. 2 InsO), durch positive Feststellungsklage des Gläubigers (§ 179 Abs. 1 InsO) oder durch negative Feststellungsklage des bestreitenden Insolvenzverwalters (§ 179 Abs. 2 InsO) betrieben wird. Ausgenommen vom Anwendungsbereich ist lediglich der Fall, dass ein widersprechender Gläubiger seinen Widerspruch gem. §§ 179 Abs. 2, 180 InsO verfolgt. In diesem Fall bestimmt sich der Streitwert nach dem Betrag, um den sich im Erfolgsfall der Anteil des bestreitenden Gläubigers erhöhen würde.

3200

Die Regelung des § 182 InsO gilt sowohl für den Gebühren- als auch für den Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert, mithin auch für die Ermittlung des Wertes der mit einem Rechtsmittel geltend zu machenden Beschwer.3 § 182 findet entsprechende Anwendung, wenn lediglich ein Teilbetrag oder der Rang der Forderung bestritten wurde. In diesen Fällen richtet sich der Streitwert nach dem Unterschied zwischen den Beträgen, die der Gläubiger bei einem Obsiegen oder bei einem Unterliegen gegenüber dem Bestreitenden erhalten würde.4 Entsprechend anwendbar ist § 182 InsO auch, wenn der Insolvenzverwalter in einem Rechtsstreit Massearmut einwendet und der klagende Massegläubiger daraufhin seinen Zahlungsantrag auf Feststellung der Forderung umstellt.5 Maßgebender Zeitpunkt für die Festsetzung des Streitwerts ist die Aufnahme des Verfahrens gegen den Insolvenzverwalter.6

3201

1 2 3 4 5

OLG Dresden, Beschl. v. 2.4.2008 – 13 W 1209/07, ZIP 2008, 1351. BGH, Beschl. v. 28.9.2009 – IX ZB 230/07, JurBüro 2010, 87. BGH, Beschl. v. 28.1.2002 – II ZB 23/01, NZI 2002, 549. Begründung zu § 210 RegE, BR-Drucks. 1/92 S. 185. BGH, NJW-RR 1988, 444; LAG Bremen, Beschl. v. 26.2.1988 – 4 Sa 235/87, MDR 1988, 699; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.4.1994 – 18 W 9/94, OLGR 1994, 306; vgl. auch BGH, Beschl. v. 29.6.1994 – VIII ZR 28/94, MDR 1995, 320 = NJW-RR 1994, 1251. 6 BGH, ZIP 1980, 429; BGH, Beschl. v. 12.11.1992 – VII ZB 13/92, MDR 1993, 287; LG Göttingen, Beschl. v. 4.12.1989 – 2 O 370/89, ZIP 1990, 61.

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Insolvenzverfahren 3202

Für das selbständige Beweisverfahren gelten keine Besonderheiten. Ist der Insolvenzverwalter von Anfang an daran beteiligt, wird es nur nach § 182 InsO bewertet.1

3203

Die Regelung des § 182 InsO gilt gem. § 185 InsO auch dann, wenn die Feststellungsklage bei einer anderen Gerichtsbarkeit erhoben wird. So gilt sie für Verwaltungsstreitverfahren über die Richtigkeit einer im Insolvenzverfahren angemeldeten Abgabenforderung2 und für Sozialansprüche.3 Unanwendbar ist hingegen § 182 InsO, wenn ein Arbeitnehmer sich gegen die Kündigung des Insolvenzverwalters mit der Kündigungsschutzklage wehrt. Dann gilt nur § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG.4 Erst recht ist § 182 InsO unanwendbar, wenn der Insolvenzrichter wegen Befangenheit abgelehnt wird.5

3204

Richtet sich die Feststellungsklage nicht gegen den Insolvenzverwalter, sondern nach § 184 InsO gegen den bestreitenden Schuldner, dann ist nicht § 182 InsO, sondern § 6 ZPO anzuwenden. Der Nennbetrag der Forderung ist gleich dem Streitwert.6

II. Bemessungsgrundsätze 3205

Der Wert einer Insolvenzfeststellungsklage bemisst sich gem. § 182 InsO nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist. Damit hat der Gesetzgeber die frühere Form der Wertbestimmung nach freiem Ermessen gem. § 148 KO, § 3 ZPO aufgegeben. Eine inhaltliche Änderung ist damit allerdings nicht verbunden, weil sich auch die freie Wertschätzung nach § 148 KO auf die Schätzung der zu erwartenden Konkursquote beschränkte.7

3206

Der Streitwert bestimmt sich nach der Höhe der für die Forderung zu erwartenden Verteilungsquote. Da die Höhe der Quote bei Klageerhebung aber in der Regel noch nicht feststeht, muss sie durch das Gericht auf der Grundlage des Insolvenzverwalterberichts (§ 156 InsO) prognostiziert werden. Hierfür hat das Gericht sämtliche Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen und ggf. auch eine erneute Auskunft des Insolvenzverwalters einzuholen.8 Ist der Insolvenzverwalter selbst Partei, so kommt es entscheidend auf den Inhalt der Insolvenzakten an.9

3207

Die Quote bestimmt sich nach dem Verhältnis der Teilungsmasse zur Schuldenmasse. Es kommt also darauf an, welcher Betrag voraussichtlich auf die 1 2 3 4 5 6

7 8 9

LG Hamburg, Beschl. v. 11.2.1983 – 2 T 15/83, KostRsp. KonkO § 148 Nr. 22. OVG Münster, ZIP 1982, 1341; Kuhn/Uhlenbruck, a.a.O., § 148, Rn. 2c. LAG Düsseldorf, Beschl. v. 12.3.1987 – 7 Ta 390/86, JurBüro 1987, 1586. LAG Düsseldorf, Beschl. v. 12.10.1988 – 7 Ta 300/88, JurBüro 1989, 955. Verfehlt daher BayObLG, Beschl. v. 19.1.1988 – AR 1 Z 104/87, NJW 1989, 44 = JurBüro 1988, 916. BGH, Warneyer, 1966 Nr. 172; RG, SeuffArchiv 46 Nr. 235; OLG Karlsruhe, OLGE 15, 50; OLG München, Beschl. v. 27.8.1993 – 1 W 2260/93, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1164 = OLGR 1994, 11; OLG Frankfurt, KTS 1980, 66. BGH, Beschl. v. 12.11.1992 – VII ZB 13/92, ZIP 1993, 50; OLG Hamm, JurBüro 1984, 1372 = ZIP 1984, 1258 = KostRsp. KonkO § 148 Nr. 25. BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – VII ZR 200/05, MDR 2007, 681; BGH, Urt. v. 9.9.1999 – IX ZR 80/99, MDR 1999, 1463. OLG Köln, JurBüro 1973, 1024 = KTS 1974, 239.

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Insolvenzverfahren vom Kläger geltend gemachte Forderung entfallen wird.1 Steht der Masse eine aufrechenbare Gegenforderungen gegen den Kläger zu, so ist dies bei der Wertfestsetzung zu berücksichtigen. Der Wert der Feststellungsklage ist nach dem Betrag festzusetzen, der bei einer Verteilung der um die Gegenforderung erhöhten Masse für die Forderung zu erwarten ist.2 Zinsen sind bei der Streitwertfestsetzung nach § 182 InsO ebenso wie die Kosten hinzuzurechnen, da dies – folgend aus einem Umkehrschluss zu § 39 InsO – abweichend von § 43 Abs. 1 GKG, § 4 Abs. 2 ZPO vorgesehen ist.3

3208

Kann hinsichtlich der Quote ein Mindestsatz – Prozentwert – geschätzt werden, ist dieser maßgebend.4 Ist keine Quote zugunsten des Gläubigers zu erwarten, so ist der Streitwert in Höhe der niedrigsten Wertstufe festzusetzen.5 Ein Null-Wert, der überhaupt keine Gebühren auslösen würde, ist also ausgeschlossen. Vielmehr ist die Gebührenstufe „bis zu 300 Euro“ zu wählen, auch im Anwaltsprozess.6 Demgegenüber will das OLG Frankfurt7 den Streitwert i.H.v. 10 % der festzustellenden Forderung ansetzen. Diese Wertbemessung erscheint jedoch angesichts der Aussichtslosigkeit, die Forderung zu realisieren, willkürlich.8

3209

Abzulehnen ist die Auffassung des LG Göttingen,9 der Streitwert müsse oberhalb der amtsgerichtlichen Zuständigkeit festgesetzt werden, wenn trotz mangelnder Aussicht auf eine Quote der beklagte Insolvenzverwalter dem vom Kläger angegebenen vorläufigen Gegenstandswert oberhalb der Zuständigkeitsgrenze des Landgerichts nicht widersprochen und die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts nicht gerügt hat.10 Denn das Gericht darf sich in seiner besseren Erkenntnis über die wirkliche Höhe des Streitwerts nicht aufgrund von Angaben der Parteien verschließen.

3210

1 BGH, Urt. v. 9.9.1999 – IX ZR 80/99, MDR 1999, 1463; BGH, Urt. v. 16.12.1999 – IX ZR 197/99, MDR 2000, 351 = ZIP 2000, 237. 2 BGH, Urt. v. 16.12.1999 – IX ZR 197/99, MDR 2000, 351 = ZIP 2000, 237. 3 Vgl. Schneider, MDR 1974, 104 m. Nachw. in Fn. 36; OLG Naumburg, OLGR 1995, 135 = ZIP 1995, 575; offen gelassen von BGH, Beschl. v. 12.11.1992 – VII ZB 13/92, ZIP 1993, 50. 4 LAG Köln, AnwBl. 1995, 380 = ZIP 1994, 639. 5 BGH, MDR 2000, 351; BGH, ZIP 1999, 1811; OLG Düsseldorf, ZIP 1994, 638; LAG Köln, ZIP 1994, 639; OLG München, OLGR 1992, 224; RG, KTS 1931, 9; BGH, Beschl. v. 12.11.1992 – VII ZB 13/92, JurBüro 1993, 554; OLG Düsseldorf, ZIP 1994, 638; LAG Köln, Beschl. v. 5.1.1994 – 10 Ta 192/93, ZIP 1994, 639; OLG München, OLGR 1992, 224; OLG Frankfurt, KostRsp. KonkO § 148 Nr. 8; OLG Celle, KTS 1970, 227; OLG Saarbrücken, KostRsp. KonkO § 148 Nr. 3; OLG Stuttgart, Justiz 1969, 252; OLG Frankfurt, NJW 1973, 1888; OLG Köln, Rpfleger 1974, 22; OLG Köln, JurBüro 1974, 1024; OLG Bamberg, JurBüro 1978, 723; OLG Hamm, Urt. v. 12.4.1984 – 2 W 5/84, JurBüro 1984, 1372; LG Osnabrück, Urt. v. 23.11.1983 – 1 S 344/83, ZIP 1984, 91; LG Göttingen, Beschl. v. 4.12.1989 – 2 O 370/89, ZIP 1990, 61. 6 OLG Köln, Rpfleger 1974, 22; OLG Köln, JurBüro 1974, 1024. 7 OLG Frankfurt, JurBüro 1970, 426; OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.5.1986 – 8 U 240/ 85, ZIP 1986, 1063; ebenso jetzt LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 28.1.1983 – 6 Sa 840/ 82, ZIP 1983, 595; LAG Frankfurt, BB 1990, 928. 8 Ablehnend mit Recht daher LG Göttingen, ZIP 1990, 61 = EWiR § 148 KO 1/90, 85 Pape. 9 LG Göttingen, Beschl. v. 4.12.1989 – 2 O 370/89, ZIP 1990, 61. 10 S. E. Schneider, Anm. zu LG Göttingen, Beschl. v. 4.12.1989, KostRsp. GKG § 24 Nr. 6.

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Insolvenzverfahren 3211

Maßstab für die Streitwertbestimmung ist allein die zu erwartende Quote.1 Der Streitwert darf nicht aufgrund besonderer Umstände oberhalb oder unterhalb dieser Quote angesetzt werden.2 Beispielsweise sind für die Bestimmung des Streitwerts unerheblich: – ein für die Forderung bestehendes Absonderungsrecht an Gegenständen des Schuldners,3 – ein vor dem Rechtsstreit wegen derselben Forderung erwirkter dinglicher Arrest,4 – die Möglichkeit zur Aufrechnung5 – oder die Haftung weiterer Personen für den Streitwert6 Die Prognose über die Möglichkeit, erfolgreich vollstrecken zu können, beeinflusst den Wert ebenfalls nicht. Dagegen folgt jedoch auch kein Abschlag wegen des Feststellungscharakters der Klage.

3212

Wird ein Rechtsstreit, der zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Forderung anhängig ist, gem. § 180 Abs. 2 InsO aufgenommen, so bestimmt sich der Streitwert für das weitere Verfahren nach § 182 InsO.7 Für die bis zur Aufnahme entstandenen Gebühren ist der ursprüngliche Wert maßgebend.8 In der Regel wird der Streitwert durch Aufnahme eines nach § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreits sinken, da die Befriedigungsaussicht in der Insolvenz wohl immer hinter dem vollen Wert der Forderung zurückfällt.

3213

Zeigt sich nach Abschluss des Insolvenzverfahrens, dass der gem. § 182 InsO angesetzte Streitwert falsch geschätzt worden ist, weil das wirkliche Verhältnis von Teilungsmasse und Schuldenmasse verkannt worden ist, dann ist der Wert von Amts wegen abzuändern. Dies gilt jedoch nur, wenn Umstände unberücksichtigt geblieben sind, die zu dem für die Berechnung maßgeblichen Zeitpunkt (instanzeinleitender Antrag, § 40 GKG) bekannt oder erkennbar waren.

D. Einfluss der Insolvenz auf laufende Verfahren 3214

Aus § 40 GKG ergibt sich, dass der Gebührenstreitwert durch diejenigen Minderungen nicht rückwirkend betroffen wird, die erst im Laufe einer Instanz 1 BGH, Beschl. v. 12.11.1992 – VII ZB 13/92, ZIP 1993, 50 – Sicherung durch Bürgschaft und Handwerkersicherungshypothek; OLG Hamburg, Beschl. v. 20.9.1989 – 1 W 23/ 89, ZIP 1989, 1345; OLG Hamm, JurBüro 1984, 1372; OLG Köln, Rpfleger 1974, 22; OLG Celle, JurBüro 1974, 1025; BayObLG, Rpfleger 1974, 112 = JurBüro 1974, 198 = MDR 1974, 323; a.A. OLG Karlsruhe, MDR 1958, 251; OLG Köln, KTS 1971, 286. 2 S. näher Schneider, MDR 1974, 101. 3 BGH, Beschl. v. 12.11.1992 – VII ZB 13/92, ZIP 1993, 50; OLG Hamm, ZIP 1984, 1258. 4 BGH, MDR 1964, 428. 5 BGH, NZI 2000, 115. 6 BGH, Beschl. v. 12.11.1992 – VII ZB 13/92, ZIP 1993, 50; OLG Hamburg, ZIP 1989, 1345; OLG Celle, JurBüro 1974, 1026. 7 BGH, Beschl. v. 12.11.1992 – VII ZB 13/92, ZIP 1993, 50; BGH, NJW-RR 1994, 1251; OLG Düsseldorf, OLGR 1994, 306. 8 OLG Hamm, Beschl. v. 31.12.2007 – 26 W 24/07, DZWiR 2008, 219; OLG Dresden, Beschl. v. 23.1.2006 – 13 W 1185/05, JurBüro 2007, 531; OLG Düsseldorf, OLGR 1994, 306; OLG Jena, OLGR 1997, 284; OLG Köln, JurBüro 1986, 1244.

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Insolvenzverfahren eintreten. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn während der Instanz das Insolvenzverfahren mit der Folge des § 240 ZPO1 eröffnet wird oder der Rechtsstreit nach § 180 Abs. 2 InsO aufgenommen werden könnte.2 Wird der Rechtsstreit während des Insolvenzverfahrens überhaupt nicht weitergeführt, sondern erst nach Insolvenzbeendigung gegen den Schuldner fortgesetzt,3 richtet sich der Streitwert unverändert nach dem Klagebegehren (§§ 3–9 ZPO, § 48 GKG). Ob und inwieweit der Schuldner nach durchgeführten Insolvenzverfahren noch leistungsfähig ist, ist für die Wertberechnung unerheblich.

3215

Wird ein bereits begonnener Rechtsstreit nach Insolvenzeröffnung wieder aufgenommen (§ 180 Abs. 2 InsO), dann unterliegt das spätere Verfahren ab der Aufnahme dem geringeren Wert aus § 182 InsO.4 Teilweise wird jedoch auch die Ansicht vertreten, dass sich das spätere Verfahren nach dem ursprünglichen, höheren Wert berechnet, der für die Dauer des Prozesses trotz zwischenzeitlicher Unterbrechung durch die Insolvenzeröffnung maßgebend bleibe.5 Zuzustimmen ist hier der Ansicht, die § 182 InsO anwendet. Da sich der Rechtsstreit gegen den Insolvenzverwalter fortsetzt und der Klageantrag auf Feststellung zur Insolvenztabelle gerichtet ist, liegt Parteiwechsel und Klageänderung vor. Damit verändert sich der Streitgegenstand als Bewertungsobjekt.

3216

Eine Rückwirkung der niedrigeren Wertfestsetzung nach § 182 InsO auf die Zeit vor Aufnahme scheidet auf jeden Fall aus.6 Daher richtet sich die Verfahrensgebühr einer vor Insolvenzeröffnung gegen den Gemeinschuldner eingereichten Leistungsklage nach dem höheren Wert, nicht nach dem des § 182 InsO.7

3217

Werden dem Insolvenzverwalter die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, dann erfasst diese Verurteilung nicht nur die ab Aufnahme des Rechtsstreits entstandenen Kosten, sondern auch die davor angefallenen.8 Diese Kosten sind insgesamt als Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu berichtigen.9

3218

1 Dagegen wird das selbständige Beweisverfahren nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen; vgl. BGH, Beschl. v. 11.12.2003 – VII ZB 14/03, ProzRBerater 2004, 129; OLG Hamburg, Beschl. v. 22.3.2000 – 11 W 11/00, OLGR 2000, 436; OLG München, Beschl. v. 21.12.2001 – 13 W 2641/01, OLGR 2002, 222. 2 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1963, 280. 3 OLG Marienwerder, OLGE 25, 79. 4 BGH, Beschl. v. 12.11.1992 – VII ZB 13/92, ZIP 1993, 50; BGH, ZIP 1980, 429 = WPM 1980, 504; OLG Schleswig, ZIP 1981, 1358; OLG Düsseldorf, KTS 1963, 180; OLG Düsseldorf, KTS 1971, 284; OLG Düsseldorf, KTS 1978, 41; OLG Düsseldorf, OLGR 1994, 306; OLG Frankfurt, NJW 1967, 210; OLG Köln, JurBüro 1974, 1024 = KTS 1974, 239; OLG Köln, AnwBl. 1975, 63; OLG Hamm, NJW 1975, 742 = KTS 1975, 131; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.11.1993 – 14 W 702/93, KostRsp. KonkO § 148 Nr. 33; vgl. auch BGH, Beschl. v. 29.6.1994 – VIII ZR 28/94, NJW-RR 1994, 1251 = MDR 1995, 320. 5 RGZ 76, 292; RGZ 109, 152; OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 425; OLG Stuttgart, Rpfleger 1957, 68 zu KO § 148; OLG Stettin, JW 1933, 1137. 6 OLG Düsseldorf, KTS 1978, 41; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.4.1994 – 18 W 9/94, OLGR 1994, 306. 7 OLG Frankfurt, ZIP 1981, 638. 8 OLG Schleswig, ZIP 1981, 1358 = SchlHA 1981, 119. 9 OLG Hamm, JurBüro 1990, 1482; OLG Köln, JurBüro 1986, 1244; OLG Schleswig, ZIP 1981, 1359.

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Insolvenzverfahren 3219

Verteidigt sich der Beklagte mit einer Eventualaufrechnung, nachdem der Kläger vom Leistungsantrag wegen Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Beklagten nach § 180 Abs. 2 InsO zum Feststellungsantrag übergegangen ist, dann richtet sich der Grenzwert des § 45 Abs. 3 GKG nach dem Streitwert des ursprünglichen Leistungsantrages, nicht nach demjenigen des Feststellungsantrages.1 Der Grund dafür ist, dass § 182 InsO einen reinen Gebührenstreitwert betrifft und nicht etwa auch die Rechtskraftgrenze des § 322 Abs. 2 ZPO bei Aberkennung der Gegenforderung bestimmt.

3220

Soweit das Gericht eine Hilfsaufrechnung gegenüber einer vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Forderung nach § 96 InsO für unzulässig erklärt, scheidet eine Wertaddition nach § 45 Abs. 3 GKG aus, weil es mangels einer Entscheidung über die Gegenforderung auch nicht zu einer Rechtskraftwirkung darüber kommen kann.2

E. Aussonderung 3221

Die Streitwertbestimmung bei Klagen von Aussonderungsberechtigten (§§ 47 ff. InsO) und Massegläubigern (§ 53 InsO) richtet sich nicht nach § 182 InsO, sondern nach § 6 ZPO.3 Maßgeblich ist die Höhe der Forderung oder der geringere Wert des Gegenstandes, an dem das persönliche oder dingliche Recht geltend gemacht wird.

3222

Für die Klagen der Massegläubiger gilt dies selbst dann, wenn unsicher ist, ob die Masse zur Deckung ausreicht.4 Jedoch ist der Nominalbetrag der Forderung eines Massegläubigers dann nicht anzusetzen, wenn der Insolvenzverwalter sich ausdrücklich auf Masseunzulänglichkeit beruft und der Kläger zum Feststellungsantrag auf Bestehen einer bezifferten Masseforderung übergeht.5

F. Abgesonderte Befriedigung 3223

Der Wert eines Rechts auf abgesonderte Befriedigung aus §§ 49 ff. InsO bemisst sich nach der für Pfandrechte gültigen Regel des § 6 ZPO.6 Vorgehende Pfandrechte bleiben bei der Streitwertbemessung unberücksichtigt.7

3224

Nur auf den Wert des nach § 6 ZPO zu bemessenden höheren Anspruches ist auch abzustellen, wenn eine Insolvenzfeststellungsklage mit einer Klage auf Feststellung des Rechts auf abgesonderte Befriedigung verbunden wird.8 Auszugehen ist also regelmäßig von dem Wert des Rechts auf abgesonderte Befriedigung, der nach § 6 ZPO zu bewerten ist.9 Dagegen ist § 182 InsO anzuwen1 OLG Schleswig, SchlHA 1981, 189. 2 OLG Oldenburg, Beschl. v. 18.11.1983 – 8 W 123/83, JurBüro 1984, 258 = MDR 1984, 239 = KostRsp. GKG § 19 Nr. 73. 3 BGH, Beschl. v. 3.2.1988 – VIII ZR 276/87, NJW-RR 1988, 690; Schneider, MDR 1974, 101. 4 OLG Frankfurt, OLGE 31, 6. 5 S. BGH, NJW-RR 1988, 690: betrifft die Revisionsbeschwer. 6 RG, JW 1936, 281; 1939, 498; OLG Karlsruhe, OLGE 35, 25; OLG Hamm, Beschl. v. 12.4.1984 – 2 W 5/84, JurBüro 1984, 1372 = ZIP 1984, 1258. 7 RG, JW 1939, 498; OLG Karlsruhe, OLGE 35, 25. 8 OLG Hamm, Beschl. v. 12.4.1984 – 2 W 5/84, JurBüro 1984, 1372 = ZIP 1984, 1258. 9 OLG Hamm, Beschl. v. 12.4.1984 – 2 W 5/84, JurBüro 1984, 1372 = ZIP 1984, 1258.

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Internet den, wenn mit der Klage nur die Feststellung des Forderungsbetrages, nicht aber die des Absonderungsrechtes begehrt wird.1 Ist das Recht auf abgesonderte Befriedigung als solches unstreitig, dann kann der Klageantrag darauf gerichtet werden, die Forderung zur Insolvenztabelle „für den Ausfall“ festzustellen. Insoweit ist dann der voraussichtliche Ausfall zu schätzen und die nach § 182 InsO maßgebliche Quote nur von dem Teil der Forderung zu berechnen, der voraussichtlich durch das Recht auf abgesonderte Befriedigung nicht gedeckt ist.2

3225

Steht die Insolvenzquote noch nicht fest, ist sie zu schätzen. Ist mit einer Quote nicht zu rechnen, ergeben sich keine Besonderheiten, da dann die geringste Gebührenstufe anzusetzen ist.

3226

G. Anfechtung Der Wert einer Anfechtungsklage (§ 129 InsO) ist nach den allgemeinen Vorschriften zu bestimmen. Richtet sich die Klage auf Rückgewähr des Gegenstandes zur Masse (§ 143 InsO), bestimmt sich der Streitwert nach dem Wert des Zurückverlangten (§ 3 ZPO),3 den dieses bei Zurückgewährung für die Insolvenzmasse hat. Belastungen, die auf der anfechtbar übertragenen Sache (Grundstücke!) ruhen, sind wertmindernd zu berücksichtigen, wenn sie die wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks selbst mindern.4

3227

Richtet sich die Klage auf Beseitigung eines Pfandrechts, dann entspricht dies einer Klage aus § 771 ZPO. Das Klageinteresse ist entsprechend § 6 ZPO nach dem Wert der Forderung oder dem geringeren Wert des belasteten Gegenstandes zu bewerten.5

3228

Internet A. Löschung von Interneteinträgen Verlangt der Kläger die Löschung von Einträgen im Internet, ist für die Abgrenzung zwischen einer vermögensrechtlichen und. einer nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit auf den Inhalt der konkreten Eintragung abzustellen.

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I. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit Richtet sich der Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gegen abwertende, abfällig oder gar beleidigende Äußerungen über die Person des Klägers, so handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit, da das Persönlichkeitsrecht und der soziale Geltungsanspruch des Klägers betroffen sind. 1 KG, OLGE 27, 14. 2 RG, JW 1927, 848 Nr. 14; OLG Hamm, Beschl. v. 12.4.1984 – 2 W 5/84, JurBüro 1984, 1372. 3 RGZ 151, 319. 4 RGZ 151, 319 = JW 1936, 2798; Recht 1920 Nr. 695; KG, JurBüro 1957, 181; BGH, JurBüro 1958, 387; OLG Bamberg, JurBüro 1992, 629. 5 RG, JW 1910, 114; vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Drittwiderspruchsklage“.

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Internet

* Æ Beispiel: Angaben bzw. Bewertungen anderer Nutzer über den Kläger auf der Website eines sozialen Netzwerkes oder einer online-Community (z.B. facebook, StudiVZ, Schüler VZ, Lokalisten, spickmich, wer-kennt-wen etc.).

3231

Ebenfalls eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit liegt vor, wenn der Kläger als ehemalige Nutzer eines solchen sozialen Netzwerkes bzw. einer online-Community verlangt, dass sein account gelöscht und damit alle von ihm eingegebenen (persönlichen) Daten entfernt werden.

3232

Der Gebührenstreitwert ist in solchen Fällen nach § 48 Abs. 2 GKG, also unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen und darf 1.000.000 Euro nicht übersteigen. In Anlehnung an § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG kann sowohl für den Gerichtsgebührenstreitwert als auch für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren zunächst von einem Betrag von 4.000 Euro ausgegangen werden. Je nach den Umständen des Einzelfalls ist dieser Betrag dann zu reduzieren bzw. zu erhöhen.

3233

Bei der Frage der Bedeutung der Sache für den Kläger ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Internet eine massenhafte Verbreitung von Äußerungen/Abwertungen/Beleidigungen ermöglicht, die ansonsten nur in einem begrenzten Kreis (Klassenverband, Freundes- und Bekanntenkreis etc.) kundgetan worden wären. Für die Bestimmung des Streitwertes ist dagegen ohne Belang, ob dem Kläger der entsprechende Unterlassungs- bzw. Beseitigungsanspruch tatsächlich zusteht oder ob er die im Internet über ihn verbreiteten Äußerungen letztlich hinnehmen muss.

3234

Der Zuständigkeitsstreitwert ist unter Beachtung der Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG nach § 3 ZPO zu schätzen.

II. Vermögensrechtliche Streitigkeit 3235

Handelt es sich dagegen um eine Äußerung über das Geschäftsverhalten des Klägers oder über sonstige Umstände, die Auswirkungen auf seine wirtschaftliche Betätigung oder Interessen haben, so liegt eine vermögensrechtliche Streitigkeit vor, deren Streitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten ist.

* Æ Beispiel: Negative Bewertung des Klägers auf einer Internethandelsplattform (ebay etc.), welche die künftigen Geschäftsaktivitäten des Klägers erschwert,1 Sperrung des Mitgliedskontos (account) auf einer Internethandelsplattform, wodurch die geschäftliche Tätigkeit des Klägers verhindert wird.

Als vermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG sind auch Unterlassungsansprüche von Privatpersonen einzuordnen. Denn auch wenn diese im Rahmen der Verkäufe im Internet nicht gewerblich tätig werden, sind ihre Interesse an der Entfernung negativer Einträge doch wirtschaftlicher Natur und betreffen nicht ihre Privatsphäre. 3236

Die Streitwertbestimmung hängt maßgeblich vom Interesse des Klägers ab, also von den möglichen Auswirkungen, welche die beanstandete Äußerung 1 Vgl. AG Bremen, Urt. v. 27.11.2009 – 9 C 412/09, juris.

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Internet oder die negative Bewertung für ihn hat. Ein Anhaltspunkt für den Grad der Beeinträchtigung und damit die Höhe des Streitwertes können Art, Umfang und Intensität der bisherigen geschäftlichen Aktivitäten des Klägers im Internet sein. Darüber hinaus ist zu bewerten, in welchem Maße die negative Äußerung/Bewertung künftige Kunden des Klägers von einem Kauf bzw. einer sonstigen Geschäftsanbahnung abhalten wird.

III. Einzelfälle Das LG Köln hat den Streit um die Befugnis der Beklagten, das im Miteigentum der Klägerin stehende Hausgrundstück in ihrem Internetangebot mit Adresse abzubilden, mit 19.500 Euro bewertet.1 Das Internetangebot der Beklagten konnte so genutzt werden, dass nach einem Haus systematisch durch Eingabe von Straßennamen und Hausnummer gesucht wurde. Das Ergebnis bot dann ein Bild der Gebäudeansicht, die über Geokoordinaten eindeutig lokalisiert und damit einer Gebäudeadresse zugeordnet werden konnte.

3237

Den Anspruch der Klägerin auf Löschung bzw. Unterlassung der Veröffentlichung ihres Namens, der Schule und der unterrichteten Fächer durch Notengebung von 1 bis 6 auf dem Schüler-Portal www.spickmich.de hat das OLG Köln im Berufungsverfahren mit 63.000 Euro bewertet und damit die Bewertung der ersten Instanz übernommen.2 In dem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren hatte das OLG Köln die insgesamt vier Anträge der Klägerin auf Löschung und Unterlassung mit jeweils 6.000 Euro (insgesamt 24.000 Euro) bewertet.3

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Das LG Duisburg hat einen solchen Anspruch der Klägerin auf Löschung der sie betreffenden Daten auf www.spickmich.de sowie auf Unterlassung, künftig ihre Person betreffende Daten zu veröffentlichen, mit 28.000 Euro bewertet.4

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Ansprüche auf Rücknahme von negativen Bewertungen auf der Handelsplattform ebay sind von den Gerichten wie folgt bewertet worden: – 1.000 Euro für die Klage auf Rücknahme einer negativen Bewertung einschließlich des Bewertungskommentars „nie, nie, nie wieder! Geld zurück, Ware trotzdem einbehalten – frech & dreist!!!“.5 – 2.000 Euro für eine Klage auf Rücknahme einer negativen Bewertung einschließlich des Bewertungskommentars „Bietet, nimmt nicht ab, schade obwohl selber großer Verkäufer“.6 – 3.000 Euro für eine Widerrufs- und Unterlassungsklage gegen eine negative Bewertung einschließlich des Bewertungskommentars „Vorsicht Spaßbieter. Bietet erst und zahlt dann nicht“. Das AG Koblenz ist davon ausgegangen, dass auch bei einem privaten ebay-Nutzer eine negative Bewertung weitere Geschäftsabschlüsse beeinträchtigen kann, sodass die Wertfestset-

3240

1 LG Köln, Urt. v. 13.1.2010 – 28 O 578/09, MMR 2010, 278 = CR 2010, 198. 2 OLG Köln, Urt. v. 3.7.2008 – 15 U 43/08, MMR 2008, 672 = CR 2008, 512 – auch der BGH hat in der nachfolgenden Revisionsentscheidung (Urt. v. 23.6.2009 – VI ZR 196/ 08, NJW 2009, 2888 = MDR 2009, 1038) diese Wertfestsetzung nicht abgeändert. 3 OLG Köln, Urt. v. 27.11.2007 – 15 U 142/07, NJW-RR 2008, 203 = GRUR-RR 2008, 26. 4 LG Duisburg, Urt. v. 18.4.2008 – 10 O 350/07, MMR 2008, 691 = ZUM 2008, 700. 5 LG Köln, Urt. v. 10.6.2009 – 28 S 4/09, ITRB 2009, 250 = MMR 2010, 244. 6 OLG Oldenburg, Urt. v. 3.4.2006 – 13 U 71/05, NJW-RR 2006, 1204.

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Internet zung auch dann auf 3.000 Euro lauten müsse, wenn der betreffende Kaufvertrag nur ein Bagatellgeschäft war (hier: Kaufpreis von 1 Euro).1 – 5.000 Euro für eine Widerrufs- und Unterlassungsklage gegen eine negative Bewertung verbunden mit dem Bewertungskommentar „Kabel 100 % intakt. Er WILL einfach nicht verstehen. Solche KD brauchen wir nicht“ sowie „Kabel 100 % ok. Legt Gewährlstg/FernAbsG aus, wie er's braucht. Traktiert m.mail“.2 – 6.000 Euro für ein einstweiliges Verfügungsverfahren auf Unterlassung der Behauptungen auf dem ebay-Bewertungsprofil „Verkäufer erinnert an chron. Syndrom der Histrionik“, „Verkäufer bleibt weiterhin beim ,missing the point‘“, „Verkäufer ist beratungsresistent und ignorant“. Die Kammer hat 2.000 Euro für jede zu unterlassende Behauptung angesetzt.3 – 10.000 Euro für ein einstweiliges Verfügungsverfahren auf Löschung der auf dem ebay-Bewertungsprofil der Antragstellerin veröffentlichten Beschwerde des Antragsgegners mit dem Wortlaut: „Beschwerde: statt der in der Werbung vorgegaukelten 750 mg Tribulus Terrestris nur 400 mg.“4 3241

Für einstweiliges Verfügungsverfahren, mit welchem der Anspruch der Antragstellerin auf Freischaltung ihres Mitgliedskontos (account) auf der Handelsplattform ebay durchgesetzt werden sollte, hat das OLG Brandenburg einen Streitwert von 10.000 Euro angesetzt.5

3242

Für eine Unterlassungsklage gegen das Angebot von Software zur Umgehung des Kopierschutzes hat das AG München einen Streitwert von 20.000 Euro für angemessen erachtet. Dabei ist das Schädigungspotential und die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit aus der Sicht des Unternehmens zu bemessen. Grundsätzlich ist hierbei nicht das wirtschaftliche Interesse durch die einzelne Verkaufshandlung zu berücksichtigen, sondern das Interesse des Klägers, Gefährdungen durch Umgehungssoftware generell zu bekämpfen. Ein wertbildender Faktor für das Schädigungspotential ist dabei nach Ansicht des Gerichts auch die Tatsache, dass im Zusammenhang mit der Umgehung von Kopierschutz kaum noch ein Unrechtsbewusstsein bei denjenigen bestehe, die sich dieser Software bedienten. In breiten Bevölkerungsschichten sei es vielmehr weitgehend üblich, alles, was kostenlos durch Brennen zu erhalten sei, sich auch kostenlos kopieren zu lassen.6

B. Belehrung im Internethandel 3243

Im Internethandel (= Fernabsatzgeschäft) treffen den Unternehmer gegenüber dem Verbraucher bestimmte Informationspflichten nach §§ 312c, 355, 357 Abs. 2 BGB über seine Rücktritts- und Widerrufsrechte. Verstößt der Unternehmer gegen diese Pflichten, weil die Belehrung fehlerhaft ist oder völlig fehlt, kann er von Mitbewerbern auf Unterlassung in Anspruch genommen werden (vgl. §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 3 UWG). 1 2 3 4 5 6

AG Koblenz, Urt. v. 21.6.2006 – 151 C 624/06, NJW-RR 2006, 1643 = MMR 2007, 270. AG Brühl, Urt. v. 7.4.2008 – 28 C 447/07, ITRB 2008, 201. LG Köln, Beschl. v. 16.6.2005 – 28 O 304/05, juris. LG Düsseldorf, Urt. v. 18.2.2004 – 12 O 6/04, MMR 2004, 496. OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.11.2008 – 6 W 183/08, MDR 2009, 526. AG München, Urt. v. 24.4.2007 – 161 C 24310/05, CR 2007, 816.

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Internet Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert sowie der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren richtet sich bei solchen Unterlassungsbegehren gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 23 RVG nach dem Interessen des Klägers. Auch die für eine außergerichtliche Abmahnung geltend gemachten Anwaltskosten richten sich gem. § 23 Abs. 1 RVG nach dem Wert, den ein entsprechendes gerichtliches Verfahren haben würde.

3244

Bei der Wertbestimmung ist maßgeblich, inwieweit die Verletzung von Informationspflichten im Fernabsatz die Interessen eines Mitbewerbers konkret beeinträchtigt. Zwar besteht an der Erfüllung der entsprechenden gesetzlichen Verpflichtungen zum Schutze der Verbraucher auch ein erhebliches Allgemeininteresse, sodass fehlerhafte Belehrungen regelmäßig die Bagatellgrenze des § 3 UWG überschreiten.1 Für den Streitwert maßgeblich ist jedoch nicht das Interesse des Verbrauchers, sondern das des Mitbewerbers. Die Bewertung muss sich also daran orientieren, inwiefern die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung in der konkret beanstandeten Form geeignet ist, die Kaufentscheidung zugunsten des fehlerhaft Belehrenden zu beeinflussen. Insoweit stellt die Rechtsprechung darauf ab, ob der Verbraucher bei ordnungsgemäßer Belehrung von seinem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht hätte.

3245

In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte werden für die entsprechenden Unterlassungsansprüche recht unterschiedliche Wertfestsetzungen vorgenommen: – 900 Euro Widerrufsbelehrung eines Onlineshops nennt eine zwei Wochen zu kurze Widerrufsfrist.2 Es handelte sich um einen Bereich des Internethandels (Computer und Zubehörteile), in dem sich eine Vielzahl von Wettbewerbern begegnen und daher wirtschaftliche Beeinträchtigungen der Mitbewerber nicht in nennenswertem Umfang zu erkennen waren. – 2.000 Euro Regelwert für jeden behaupteten Fehler einer Widerrufsbelehrung im Internethandel.3 – 3.000 Euro Richtwert für fehlerhafte Widerrufsbelehrung eines Onlineshops. Der Senat hat § 12 Abs. 4 UWG angewandt, weil die Sache nach Art und Umfang einfach gelagert war.4 – 4.000 Euro (Untergrenze) Eilverfahren bzgl. zwei Belehrungsfehlern5

3246

1 OLG Hamburg, Urt. v. 24.8.2006 – 3 U 103/06, OLGR 2007, 114; OLG Hamburg, Beschl. v. 20.12.2006 – 5 U 105/06, OLGR 2007, 916; OLG Hamburg, Beschl. v. 4.1.2007 – 3 W 224/06, OLGR 2007, 656; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.8.2006 – 6 W 117/06, OLGR 2006, 976; KG, Beschl. v. 11.5.2007 – 5 W 116/07, KGR 2007, 697; OLG Zweibrücken, Urt. v. 28.6.2007 – 4 U 210/06, OLGR 2007, 753; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.4.2006 – 4 U 119/04, OLGR 2006, 707. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.4.2007 – I-20 W 13/07, juris. 3 OLG Naumburg, Beschl. v. 18.7.2007 – 10 W 37/07, GRUR-RR 2008, 144. 4 OLG Celle, Beschl. v. 19.11.2007 – 13 W 112/07, MMR 2008, 172. 5 OLG Naumburg, Urt. v. 13.7.2007 – 10 U 14/07, OLGR 2008, 300.

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Internet – 5.000 Euro – Wert eines Eilverfahren wegen Fehlens der Widerrufsbelehrung und der Anbieterdaten.1 Nach Ansicht des Senats ist das Fehlen der Widerrufsbelehrung und der Anbieterdaten als solches nicht geeignet, die Kaufentscheidung zugunsten des Verletzers und zum Nachteil seiner sich gesetzestreu verhaltenden Konkurrenten zu beeinflussen. – Wert eines Eilverfahrens wegen Verstoß gegen fernabsatzrechtliche Informationspflichten.2 Es muss auf die Schwere des Verstoßes sowie auf den Umstand abgestellt werden, dass durch die Vielzahl von Anbietern, die keine ordnungsgemäße Belehrung erteilen, die Wettbewerbsposition der rechtstreuen Wettbewerber tendenziell verschlechtert, weil ein rechtstreuer Anbieter Zeit, Aufwand und ggf. auch Geld für Beratungsleistungen aufwenden muss, um die Verbraucher zutreffend über ihre Rechte belehren zu können. – Wert eines Verfahrens wegen unrichtiger Widerrufsbelehrung bei Verkaufsangeboten über einen eBay-Onlineshop3 – 10.000 Euro Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens wegen fehlender Widerrufsbelehrung eines Pkw-Händlers, der neue Pkw und Gebrauchtwagen verschiedener Marken an Einzelhändler im gesamten Bundesgebiet verkauft und diese auch über das Internet anbietet.4 Der Senat ist von seinem in ständiger Rechtsprechung vertretenen Regelstreitwert für wettbewerbsrechtliche Eilverfahren ausgegangen. – 15.000 Euro zweifach fehlerhafte Widerrufsbelehrung eines Unternehmers bei insgesamt durchschnittlichem Verfolgungsinteresse.5 Allgemein können nach Ansicht des Senats bei Verletzung von Informationspflichten im Fernabsatzgeschäft Streitwerte von 10.000 bis 20.000 Euro angesetzt werden. 3247

Dem OLG Celle6 ist darin zuzustimmen, dass die Beeinträchtigung des Mitbewerbers durch Belehrungsfehler in aller Regel als gering einzustufen ist. Dessen Interesse liegt darin, dass sich der Gegner durch eine unrichtige oder fehlende Belehrung keinen Wettbewerbsvorteil verschafft. Der Umstand, dass eine Widerrufsbelehrung inhaltlich nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht, dürfte jedoch die Kaufentscheidung des Verbrauchers zum Nachteil der sich gesetzestreu verhaltenden Mitbewerber nur unwesentlich beeinflussen. In der Regel wird der Verbraucher nämlich seine Kaufentscheidung nicht von der konkreten Ausgestaltung der Widerrufsbelehrung abhängig machen, zumal schon fraglich sein dürfte, ob der durchschnittliche, rechtlich nicht vorbelastete Verbraucher den gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt einer Widerrufsbelehrung überhaupt kennt. 1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.8.2006 – 6 W 117/06, OLGR 2006, 976 2 OLG Hamburg, Beschl. v. 30.10.2007 – 3 W 189/07, K&R 2008, 254. 3 OLG Jena, Urt. v. 23.4.2008 – 2 U 929/07, OLGR 2008, 877 = Magazindienst 2008, 936; OLG Jena, Urt. v. 9.6.2007 – 2 W 124/07, WRP 2007, 1008. 4 OLG Schleswig, Beschl. v. 27.5.2008 – 6 W 9/08, OLGR 2008, 628. 5 OLG Hamm, Beschl. v. 29.4.2008 – 4 W 27/08, juris. 6 OLG Celle, Beschl. v. 19.11.2007 – 13 W 112/07, MMR 2008, 172; so auch: OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.8.2006 – 6 W 117/06, OLGR 2006, 976.

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Irrtumsanfechtung Die Festsetzung eines Wert von 4.000 bis 5.000 Euro für eine Unterlassungsklage dürfte ein angemessener Ausgangspunkt für die Bewertung sein. Dabei ist zu bedenken, dass durch eine weitere Herabsetzung des Streitwerts der Verbraucherschutz über § 8 UWG nicht mehr wirksam realisiert werden könnte. Denn kein Mitbewerber oder sonstiger Berechtigter würde abmahnen bzw. eine Unterlassungsklage erheben, wenn dies für ihn von vornherein ein Verlustgeschäft bedeutete.

3248

Inventar S. das Stichwort „Pacht“.

Investitionsverpflichtung Werden im Zusammenhang mit Grundstück- oder Unternehmensverkäufen vom Verkäufer neben der Kaufpreiszahlung die Verpflichtung übernommen, Baumaßnahmen oder sonstige Investitionen zu tätigen, sind diese regelmäßig auch streitwertrechtlich zu berücksichtigen.

3249

Dies gilt etwa, für die Klage eines Unternehmenskäufers auf Feststellung der Nichtigkeit eines Kaufvertrages über ein Treuhandunternehmen. Hier bestimmt sich der Streitwert nach dem Loslösungssinteresse des Käufers. Anzusetzen sind neben dem Kaufpreis auch sonstige geldwerten Vertragspflichten, wie Arbeitsplatzgarantien oder Investitionsverpflichtungen.1

3250

Irrtumsanfechtung Die Geltendmachung des Anfechtungsrechts ist als solche bewertungsneutral. Maßgebend für die Streitwertbestimmung ist lediglich, welche Rechte aufgrund der erklärten Anfechtung geltend gemacht werden, etwa Rückgabe einer Sache, Erstattung einer Zahlung, Befreiung von einer Schuld, Ersatz des Vertrauensschadens (§ 122 Abs. 1 BGB) etc.

3251

Wird beispielsweise ein Grundstückskaufvertrag wegen Irrtums über das Anfallen von Grunderwerbsteuer angefochten, dann ist der Gegenstandswert nicht gleich dem Grundstückswert, sondern nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Bestimmend ist das Interesse des Anfechtenden an der Unverbindlichkeit des Vertrages. Auch hier kommt es darauf an, was der

3252

1 KG, Beschl. v. 15.10.1996 – 14 W 6060/96, KGR 1997, 268; vgl. für die Bemessung des Geschäftswert (§§ 30 KO) notarieller Beurkundungstätigkeit in derartigen Fällen OLG Celle, Beschl. v. 26.10.1993 – 8 W 270/93, OLGR 1994, 46; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.3.1994 – 10 W 26/94, MDR 1994, 625; OLG Hamm, Beschl. v. 27.2 2003 – 15 W 297/ 01, OLGR 2003, 238; Beschl. v. 12.4.1994 – 15 W 161/73, JurBüro 1994, 555; OLG Zweibrücken, Beschl. 24.11.1998 – 3 W 244/98, JurBüro 1999, 265.

Onderka

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Jagdpachtrecht Anfechtungskläger beantragt. Da die Anfechtung die rückwirkende Nichtigkeit des betroffenen Vertrages zur Folge hat, wird es in den meisten Fällen auf eine Rückabwicklung der gewährten Leistungen hinauslaufen.

Jagdpachtrecht 3253

Bei Streitigkeiten betreffend Jagdpachtverhältnisse ist hinsichtlich der Bewertung zu unterscheiden, ob es um das Jagdausübungsrecht oder um den Bestand des Jagdpachtvertrags geht.

3254

Beeinträchtigungen des Ausübungsrechts sind nach § 3 ZPO zu bewerten. Ein solcher Streit – etwa über die Grenzen des Jagdbezirks oder über die Störung der Jagdausübung – ist nicht etwa durch Vervielfältigung des Jahresertrages gem. § 9 ZPO zu bestimmen, sondern nach freiem Ermessen zu schätzen.1

3255

Bei Unterlassungsklagen wegen Störung des Besitzrechts hat sich die Schätzung an § 41 GKG zu orientieren, sodass die Jahrespacht die Höchstgrenze bildet.2 Denn der Streitwert wegen der Berechtigung einzelner Störungen kann nicht höher liegen als der Wert eines Rechtsstreits über das Bestehen eines Pachtvertrags.3 Das Ausmaß und die Intensität der Störungen sind zu berücksichtigen. Wegen lediglich vorübergehender Störungen hat das LG Saarbrücken4 mit zwei Dritteln des jährlichen Pachtzinses bewertet.

3256

Wird über den Bestand des Jagdpachtvertrags gestritten, dann ist für die Gerichts- und Anwaltsgebühren § 41 Abs. 1 GKG unmittelbar einschlägig und der Jahresbetrag des Pachtzinses anzusetzen.5 Für die sachliche Zuständigkeit der Gerichte bleibt hingegen § 8 ZPO maßgebend;6 ebenso für die Beschwer.7

3257

Das gilt auch dann, wenn streitig ist, wer von den Parteien aus dem Pachtverhältnis berechtigt ist.8 Vorausgesetzt ist allerdings stets, dass der Kläger auch Vertragspartei ist.

3258

Klagt ein Dritter mit dem Antrag, die Nichtigkeit des Jagdpachtvertrags im Verhältnis zu einem Jagdpächter und dem Jagdverpächter festzustellen, dann ist § 41 GKG unanwendbar.9 In diesem Fall ist das Interesse des Klägers nach § 3 ZPO zu schätzen, wobei vor allem sein Interesse daran maßgebend ist, bei Nichtigerklärung des Jagdpachtvertrags selbst Jagdpächter werden zu können.

3259

Zum Pachtzins zählen auch vertragliche Gegenleistungen, wenn sie im Verkehr als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung angesehen werden,10 etwa die vom Pächter zu tragende Jagdsteuer. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

RG, JW 1938, 1841 Nr. 50. LG Saarbrücken, Beschl. v. 18.12.1990 – 15 O 2359/90, JurBüro 1991, 582. S. vorstehende Fn. zu LG Saarbrücken. S. vorstehende Fn. zu LG Saarbrücken. OLG Bamberg, NJW 1953, 230; OLG Celle, Beschl. v. 29.9.1972 – 7 W 43/72, JurBüro 1972, 1080; s. auch vorstehende Fn. zu LG Saarbrücken. RG, JW 1938, 1047 Nr. 45. BGH, Beschl. v. 27.2.1992 – III ZR 142/91, KostRsp. ZPO § 8 Nr. 7 – Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung. OLG Hamburg, NJW 1965, 2406. BGH, Beschl. v. 10.2.1983 – III ZR 64/82, KostRsp. GKG § 16 Nr. 23. BGH, Beschl. v. 27.2.1992 – III ZR 142/91, KostRsp. ZPO § 8 Nr. 7.

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N. Schneider

Jagdpachtrecht Anfechtungskläger beantragt. Da die Anfechtung die rückwirkende Nichtigkeit des betroffenen Vertrages zur Folge hat, wird es in den meisten Fällen auf eine Rückabwicklung der gewährten Leistungen hinauslaufen.

Jagdpachtrecht 3253

Bei Streitigkeiten betreffend Jagdpachtverhältnisse ist hinsichtlich der Bewertung zu unterscheiden, ob es um das Jagdausübungsrecht oder um den Bestand des Jagdpachtvertrags geht.

3254

Beeinträchtigungen des Ausübungsrechts sind nach § 3 ZPO zu bewerten. Ein solcher Streit – etwa über die Grenzen des Jagdbezirks oder über die Störung der Jagdausübung – ist nicht etwa durch Vervielfältigung des Jahresertrages gem. § 9 ZPO zu bestimmen, sondern nach freiem Ermessen zu schätzen.1

3255

Bei Unterlassungsklagen wegen Störung des Besitzrechts hat sich die Schätzung an § 41 GKG zu orientieren, sodass die Jahrespacht die Höchstgrenze bildet.2 Denn der Streitwert wegen der Berechtigung einzelner Störungen kann nicht höher liegen als der Wert eines Rechtsstreits über das Bestehen eines Pachtvertrags.3 Das Ausmaß und die Intensität der Störungen sind zu berücksichtigen. Wegen lediglich vorübergehender Störungen hat das LG Saarbrücken4 mit zwei Dritteln des jährlichen Pachtzinses bewertet.

3256

Wird über den Bestand des Jagdpachtvertrags gestritten, dann ist für die Gerichts- und Anwaltsgebühren § 41 Abs. 1 GKG unmittelbar einschlägig und der Jahresbetrag des Pachtzinses anzusetzen.5 Für die sachliche Zuständigkeit der Gerichte bleibt hingegen § 8 ZPO maßgebend;6 ebenso für die Beschwer.7

3257

Das gilt auch dann, wenn streitig ist, wer von den Parteien aus dem Pachtverhältnis berechtigt ist.8 Vorausgesetzt ist allerdings stets, dass der Kläger auch Vertragspartei ist.

3258

Klagt ein Dritter mit dem Antrag, die Nichtigkeit des Jagdpachtvertrags im Verhältnis zu einem Jagdpächter und dem Jagdverpächter festzustellen, dann ist § 41 GKG unanwendbar.9 In diesem Fall ist das Interesse des Klägers nach § 3 ZPO zu schätzen, wobei vor allem sein Interesse daran maßgebend ist, bei Nichtigerklärung des Jagdpachtvertrags selbst Jagdpächter werden zu können.

3259

Zum Pachtzins zählen auch vertragliche Gegenleistungen, wenn sie im Verkehr als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung angesehen werden,10 etwa die vom Pächter zu tragende Jagdsteuer. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

RG, JW 1938, 1841 Nr. 50. LG Saarbrücken, Beschl. v. 18.12.1990 – 15 O 2359/90, JurBüro 1991, 582. S. vorstehende Fn. zu LG Saarbrücken. S. vorstehende Fn. zu LG Saarbrücken. OLG Bamberg, NJW 1953, 230; OLG Celle, Beschl. v. 29.9.1972 – 7 W 43/72, JurBüro 1972, 1080; s. auch vorstehende Fn. zu LG Saarbrücken. RG, JW 1938, 1047 Nr. 45. BGH, Beschl. v. 27.2.1992 – III ZR 142/91, KostRsp. ZPO § 8 Nr. 7 – Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung. OLG Hamburg, NJW 1965, 2406. BGH, Beschl. v. 10.2.1983 – III ZR 64/82, KostRsp. GKG § 16 Nr. 23. BGH, Beschl. v. 27.2.1992 – III ZR 142/91, KostRsp. ZPO § 8 Nr. 7.

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N. Schneider

Jagdpachtrecht Umstritten ist, ob auch der Beitrag zur Berufsgenossenschaft zu berücksichtigen ist. Das LG Saarbrücken1 bejaht dies. Das OLG Schleswig2 berücksichtigt die Berufsgenossenschaftsbeiträge nicht, wenn der Pächter nach der einschlägigen berufsgenossenschaftlichen Satzung ohne Rücksicht auf die Vereinbarungen im Pachtvertrag verpflichtet ist, diese Beträge zu leisten.

3260

Richtiger Ansicht nach sind Jagdsteuer und Beiträge zur Berufsgenossenschaft gleichzubewertende Nebenleistungen zum Pachtzins. Die Jagdpacht rechnet zu den landwirtschaftlichen Unternehmen des § 658 Abs. 2 Nr. 1 RVO. Der Jagdpächter ist derjenige, für dessen Rechnung das Unternehmen geht. Er hat deshalb auch nach § 723 RVO die Unternehmerbeiträge aufzubringen. Satzungsgemäß ist es zwar möglich, dass primär der Eigentümer in Anspruch genommen wird, wenn er keine Angaben zum Pächter macht. Das ändert aber nichts daran, dass der Jagdpächter als Unternehmer der gesetzlich Belastete ist. Deshalb werden ihm in solchen Ausnahmefällen im Pachtvertrags-Innenverhältnis die Beträge zur Berufsgenossenschaft auferlegt. Der Pächter muss den Betrag immer zahlen, weil er die Jagdpacht vertraglich übernommen und schon dadurch die Unternehmereigenschaft erworben hat. Der Abschluss des Pachtvertrages ist faktische Voraussetzung für die Beitragspflicht; und deren Übernahme wiederum ist wirtschaftlich Voraussetzung für das Zustandekommen des Pachtvertrages, weil der Verpächter sonst nicht abschließt. Somit ist die Zahlungspflicht letztlich ungeachtet der gesetzlichen Regelung durch das Bestehen des Jagdpachtvertrages bedingt.

3261

Hinzu kommen muss als Voraussetzung einer Streitwerterhöhung natürlich, dass diese Positionen auch grundsätzlich dem Pachtzins zugerechnet werden. Insoweit handelt es sich um das Problem der Nebenleistungen (s. dazu das Stichwort „Mietstreitigkeiten“ Rn. 3976 ff.). Werden Nebenkosten als Teil des Pachtzins angesehen, dann erhöhen sie den Streitwert. Werden sie streitwertmäßig nicht als Teil des Pachtzinses angesehen, weil es sich dabei um durchlaufende Beträge handele, denen keine Gegenleistungen des Verpächters gegenüberstehe, dann bleiben sie unberücksichtigt.3

3262

Ausgehend von diesen Bemessungsgrundsätzen hat der BGH4 ausgeführt, dass die Verpflichtung, den Wildschaden zu tragen, bei der Bestimmung des Pachtzinses außer Betracht zu bleiben hat, weil nicht gewiss sei, ob Ersatz für Wildschaden geleistet werden müsse.

3263

Ist aber beim Wegfall des Wildschadens ein Mindestbetrag als „weiterer Pachtzins“ zu zahlen, so gilt auch die Ersatzleistung für Wildschaden insoweit als Pachtzins, als der Pächter diese ungeachtet des Eintritts von Wildschaden jährlich mindestens für die Überlassung der Jagd aufzubringen hat.

3264

1 LG Saarbrücken, Beschl. v. 18.12.1990 – 15 O 2359/90, JurBüro 1991, 582. 2 LG Saarbrücken, Beschl. v. 6.1.1958 – 3 W 103/57, JurBüro 1958, 512. 3 So OLG Oldenburg, Beschl. v. 19.11.1990 – 1 W 120/90, JurBüro 1991, 416 = WuM 1991, 286. 4 BGH, Beschl. v. 17.11.1961 – V ZR 15/61, MDR 1962, 293 = NJW 1962, 446.

N. Schneider

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Kapitalanleger-Musterverfahren

Kapitalanleger-Musterverfahren Literatur: Mayer, Zwei Jahre RVG, Neue Justiz 2006, 242; Mock, Gebührenrecht zum Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, RVG-B 2005, 172.

A. Allgemeines 3265

Nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) können im Wege eines Vorlageverfahrens das Vorliegen oder Nichtvorliegen von anspruchsbegründenden oder -ausschließenden Voraussetzungen festgestellt oder Rechtsfragen geklärt werden, soweit davon die Entscheidung eines laufenden Rechtsstreits abhängt, in dem (u.a.) wegen falscher, irreführender oder unterlassener Kapitalmarktinformationen auf Schadensersatz geklagt wird (§ 1 Nr. 1 KapMuG). Der bei dem Prozessgericht zu stellende Musterfeststellungsantrag führt nach Bekanntmachung im Klageregister zur Unterbrechung des Prozessverfahrens (§ 3 KapMuG) und nach Bekanntmachung des Musterverfahrens zur Aussetzung aller weiteren anhängigen oder bis zum Erlass des Musterentscheids noch anhängig werdenden Verfahren, deren Entscheidung von der im Musterverfahren zu treffenden Feststellung oder zu klärenden Rechtsfrage abhängt (§ 7 KapMuG). Gegen den Musterentscheid findet die Rechtsbeschwerde statt (§ 15 Abs. 1 KapMuG). Die Geltungsdauer des Gesetzes ist derzeit bis zum 31.10.2010 befristet.

B. Zuständigkeitsstreitwert 3266

Die Zuständigkeit für Musterverfahren ist gem. § 4 KapMuG streitwertunabhängig ausgestaltet und obliegt – vorbehaltlich einer Konzentration (§ 4 Abs. 5 KapMuG) – dem im Rechtszug übergeordneten Oberlandesgericht.

C. Gebührenstreitwert I. Gerichtsgebühren 3267

Gesonderte Gerichtsgebühren löst die Einleitung und Durchführung des Musterverfahrens nicht aus. Ziel des Gesetzgebers war es, die Durchsetzung der Interessen von Kapitalanlegern nicht durch besondere Kostenrisiken zu erschweren. Für eine gesonderte Streitwertfestsetzung besteht daher kein Anlass.

II. Anwaltsgebühren 3268

Ähnlich liegt es bei den Anwaltsgebühren, da nach § 16 Nr. 13 RVG das erstinstanzliche Prozessverfahren und der erste Rechtszug des Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz dieselbe Angelegenheit darstellen.1 Hieraus folgt, dass der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Muster1 Mayer/Kroiß, § 23a Rn. 5.

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Kurpat

Kapitalanleger-Musterverfahren

Kapitalanleger-Musterverfahren Literatur: Mayer, Zwei Jahre RVG, Neue Justiz 2006, 242; Mock, Gebührenrecht zum Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, RVG-B 2005, 172.

A. Allgemeines 3265

Nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) können im Wege eines Vorlageverfahrens das Vorliegen oder Nichtvorliegen von anspruchsbegründenden oder -ausschließenden Voraussetzungen festgestellt oder Rechtsfragen geklärt werden, soweit davon die Entscheidung eines laufenden Rechtsstreits abhängt, in dem (u.a.) wegen falscher, irreführender oder unterlassener Kapitalmarktinformationen auf Schadensersatz geklagt wird (§ 1 Nr. 1 KapMuG). Der bei dem Prozessgericht zu stellende Musterfeststellungsantrag führt nach Bekanntmachung im Klageregister zur Unterbrechung des Prozessverfahrens (§ 3 KapMuG) und nach Bekanntmachung des Musterverfahrens zur Aussetzung aller weiteren anhängigen oder bis zum Erlass des Musterentscheids noch anhängig werdenden Verfahren, deren Entscheidung von der im Musterverfahren zu treffenden Feststellung oder zu klärenden Rechtsfrage abhängt (§ 7 KapMuG). Gegen den Musterentscheid findet die Rechtsbeschwerde statt (§ 15 Abs. 1 KapMuG). Die Geltungsdauer des Gesetzes ist derzeit bis zum 31.10.2010 befristet.

B. Zuständigkeitsstreitwert 3266

Die Zuständigkeit für Musterverfahren ist gem. § 4 KapMuG streitwertunabhängig ausgestaltet und obliegt – vorbehaltlich einer Konzentration (§ 4 Abs. 5 KapMuG) – dem im Rechtszug übergeordneten Oberlandesgericht.

C. Gebührenstreitwert I. Gerichtsgebühren 3267

Gesonderte Gerichtsgebühren löst die Einleitung und Durchführung des Musterverfahrens nicht aus. Ziel des Gesetzgebers war es, die Durchsetzung der Interessen von Kapitalanlegern nicht durch besondere Kostenrisiken zu erschweren. Für eine gesonderte Streitwertfestsetzung besteht daher kein Anlass.

II. Anwaltsgebühren 3268

Ähnlich liegt es bei den Anwaltsgebühren, da nach § 16 Nr. 13 RVG das erstinstanzliche Prozessverfahren und der erste Rechtszug des Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz dieselbe Angelegenheit darstellen.1 Hieraus folgt, dass der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Muster1 Mayer/Kroiß, § 23a Rn. 5.

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Kurpat

Karenzentschädigung verfahren lediglich die Gebühren erhält, die ihm nicht bereits aus dem Prozessverfahren zustehen.1 Dabei bestimmt sich der Gegenstandswert im Musterverfahren gem. § 23a RVG nach der Höhe des von dem Auftraggeber oder gegen diesen im Prozessverfahren geltend gemachten Anspruchs, soweit dieser Gegenstand des Musterverfahrens ist. Angesichts der Bedeutung der Entscheidung im Musterverfahren für den Ausgang des Prozessverfahrens scheidet eine Bruchteilsbewertung aus.2

D. Rechtsmittel und Beschwer I. Vorlageverfahren Der Wert einer Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Musterfeststellungsantrages bestimmt sich nach § 3 Abs. 1 EGZPO, § 3 ZPO nach dem klägerischen Interesse, mit dem Musterfeststellungsantrag die wesentlichen Grundlagen für den (in der Regel) beabsichtigten Schadensersatzanspruch zu schaffen. Im Hinblick auf diese nur vorbereitende Funktion des Verfahrens erachtet das OLG München3 eine Bruchteilsbewertung i.H.v. 1/2 für angemessen.

3269

II. Rechtsbeschwerdeverfahren Im Rechtsbeschwerdeverfahren bestimmt sich der Streitwert für die Gerichtsgebühren gem. § 51a Abs. 1 GKG nach der Summe der in sämtlichen nach § 7 KapMuG ausgesetzten Prozessverfahren geltend gemachten Ansprüche, soweit diese Gegenstand des Musterverfahrens sind.

3270

Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren im Rechtsbeschwerdeverfahren beläuft sich entsprechend § 23a RVG bestimmt nach der Beschwer des Auftraggebers4 und damit der nach der Höhe des von oder gegen diesen im Prozessverfahren geltend gemachten Anspruchs, soweit dieser Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist. Richtet sich die Rechtsbeschwerde gegen eine vom Ausgangsgericht beschlossene Aussetzung nach § 7 Abs. 1 KapMuG entspricht der Gegenstandswert nach Ansicht des BGH dem Wert der Hauptsache.5

Karenzentschädigung Der Streit über die Gültigkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG regelmäßig mit dem Betrag der insgesamt nach §§ 74 Abs. 2, 74a Abs. 1 HGB höchstens geschuldeten Karenzent1 AnwK-RVG/Mock/N. Schneider/Wahlen, § 16 Rn. 238 mit Berechnungsbeispielen. 2 AnwK-RVG/Wolf, § 25 Rn. 2. 3 OLG München, Beschl. v. 15.11.2007 – W (KAP) 27/07, juris; Beschl. v. 1.10.2007 – W (KAP) 16/07, NJW-RR 2008, 132. 4 Mayer/Kroiß, § 23a Rn. 7. 5 BGH, Beschl. v. 8.9.2009 – XI ZB 4/09, juris.

Onderka

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3271

Kartellsachen schädigung zu bewerten.1 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreichen muss. 3272

Dieser Wert kann auch im Eilverfahren erreicht werden, wenn dieses im praktischen Ergebnis den Streit entschieden hat.2

3273

Das LAG Nürnberg3 lehnt zwar den Betrag der höchstens geschuldeten Karenzentschädigung als Bemessungsgrundlage der Streitwertbestimmung ab, weil der vom Wettbewerbsverletzer verursachte Schaden größer sein könne. Maßgebliche Bezugsgröße sei in diesen Fällen der Umfang des zu besorgenden Schadens. Allerdings greift es in dieser Entscheidung bei der Festsetzung des Streitwerts dann doch wieder auf den Wert der gesetzlich vorgesehenen Karenzentschädigung als „Hilfswert“ zurück.

Kartellsachen 3274

Der Streitwert ist nach § 3 ZPO, § 50 Abs. 1 GKG zu schätzen. Abzustellen ist auf das Interesse, das der Beschwerdeführer daran hat, dass die Entscheidung der Kartellbehörde geändert wird. Die wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsverhältnisses für ihn ist wesentlich.4 Vgl. im Übrigen das Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“.

Kassatorische Klagen 3275

Im Gesellschaftsrecht wird der Begriff „kassatorische Klagen“ als Oberbegriff für Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen verwendet. Vgl. deshalb die Ausführungen unter dem Stichwort „Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen“.

Kaufanwartschaftsvertrag 3276

Unter einem Kaufanwartschaftsvertrag versteht man die Vereinbarung einer Privatperson mit einer staatlichen Treuhandgesellschaft für Wohnungsbau, wonach der Käufer ein Eigenheim schon vor Eigentumserwerb nutzen darf (auch Träger-Bewerber-Vertrag genannt).

3277

Der Wert eines Streites, ob aufgrund der Bestimmungen eines Kaufanwartschaftsvertrages die Beklagten zur Räumung des Grundstücks verpflichtet sind, ist unter Berücksichtigung des in § 41 GKG enthaltenen und weit aus1 LAG Hamm, AnwBl. 1981, 106; LAG Hamm, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 663; LAG Düsseldorf, JurBüro 1985, 764; LG Bayreuth, Beschl. v. 14.3.1990 – 2 O 287/90, JurBüro 1990, 772, 773. 2 LAG Hamm, AnwBl. 1981, 106. 3 LAG Nürnberg, Beschl. v. 25.6.1999 – 2 TA 56/99, JurBüro 1999, 640. 4 OLG Stuttgart, WuW 1981, 873.

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Onderka

Kaufvertrag zulegenden sozialen Grundgedankens nach dieser Vorschrift mit dem einjährigen Nutzungsbetrag zu bemessen.1

Kaufvertrag Literatur: Riedel, JurBüro 1961, 521 (Streitwert bei Rückgängigmachung eines Kaufvertrages). Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 3278 B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Leistungsklagen . . . . . . . . . 3279

II. Feststellungsklagen

Rn. . . . . . . . 3286

C. Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . 3290

A. Einleitung Für die Bestimmung des Streitwertes kommt es auf den konkreten Anspruch an, den die Parteien im Hinblick auf den Kaufvertrag geltend machen.

3278

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Leistungsklagen Soweit der Kaufpreis eingeklagt wird, bestimmt sich der Streitwert nach der Höhe der Forderung (§ 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG). Die Umsatzsteuer ist Teil des Kaufpreises, auch wenn sie im Kaufvertrag besonders ausgewiesen (vgl. § 14 UStG) und der Käufer zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.2 Damit ist sie der Hauptforderung hinzuzurechnen,3 nicht jedoch die Nebenforderungen des Verkäufers (§ 4 Abs. 2 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG).

3279

Die Kaufpreissumme ist bei solchen Leistungsklagen auch dann maßgebend, wenn die Vertragsparteien im Hinblick auf den Kaufpreis Ratenzahlung vereinbart haben. Der Streitwert wird durch diesen Umstand weder vermindert noch erhöht. § 9 ZPO findet keine entsprechende Anwendung, denn es handelt sich nicht um eine wiederkehrende Leistung, sondern um eine Zahlungsmodalität im Hinblick auf einen vereinbarten Gesamtbetrag.

3280

Der Streitwert einer Leistungsklage auf Übergabe und Übereignung der Kaufsache entspricht dem Wert der Sache (§ 6 ZPO) und zwar dem objektiven Verkehrswert.4 Das gilt nach herrschender Meinung5 auch für den Gebühren-

3281

1 OLG Köln, JMBl.NW 1974, 68 = MDR 1974, 323; OLG Köln, JurBüro 1978, 1054; LG Braunschweig, BlGBW 1968, 34. 2 OLG Zweibrücken, DNotZ 1970, 121; BayObLG, JurBüro 1971, 342. 3 LG Hannover, Nds.Rpfl. 1974, 157. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.4.1997 – 16 W 13/97, OLGR 1998, 156. 5 OLG Nürnberg, Rpfleger 1970, 249; OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, JurBüro 1994, 738; KG, Beschl. v. 28.1.1997 – 19 W 421/97, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 154 = KGR 1997, 57; OLG München, Beschl. v. 10.3.1997 – 28 W 2542/96, JurBüro 1997, 419 = MDR 1997, 599.

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Kaufvertrag streitwert ausnahmslos, also auch dann, wenn der Streit nur über die Höhe einer Gegenforderung geht. Diese rigorose Auffassung ist abzulehnen, weil sie in Ausnahmefällen am Streitgegenstand und am Klägerinteresse völlig vorbeijudiziert. S. dazu die grundsätzlichen Ausführungen unter dem Stichwort „Gegenleistung“. 3282

Ob sich der Käufer aus der Sache einen (späteren) Veräußerungsgewinn erhofft, ist für die Streitwertberechnung ohne Belang.1 Gleiches gilt für den Fall, dass sich der Käufer seinen Übereignungsanspruch durch ein Veräußerungsverbot sichern lassen will. Auch hier bemisst sich der Streitwert nach dem Verkehrswert der Sache und nicht nach dem möglichen Veräußerungsgewinn.2

3283

Über Ansprüche gem. § 433 Abs. 2 BGB auf Abnahme s. das Stichwort „Abnahme von Sachen“.

3284

Hat der Käufer den Kaufpreis bereits vollständig gezahlt, bevor er Minderung geltend macht, so bestimmt sich der Wert der Klage auf Zahlung des Minderungsbetrages gem. § 6 ZPO nach der geforderten Summe.

3285

Wird Klage auf Wandelung eines Grundstückskaufvertrages erhoben, dann ist – je nach Klageantrag – vom Kaufpreis oder vom Grundstückswert auszugehen. Ist das Grundstück bereits umgeschrieben, so ist immer auch das Eigentum streitbefangen und deshalb der Verkehrswert des Grundstücks maßgebend.3 Für die Klage auf Zustimmung zur Wandlung (§ 465 BGB a.F.) ist der Streitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 2 GKG zu schätzen.

II. Feststellungsklagen 3286

Für Feststellungsbegehren im Hinblick auf einen Kaufvertrag gelten die allgemeinen Bewertungsgrundsätze von Feststellungsklagen. Der Streitwert wird nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG geschätzt, wobei bei positiver Feststellung ein Abschlag (im Regelfall 20 %) vom Wert einer entsprechenden Leistungsklage vorgenommen wird.4

3287

Bei einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Kaufvertrages ist Gegenstand des Streits der Bestand oder Nichtbestand des Vertrages, der als solcher auf Eigentums- bzw. Besitzverschaffung gerichtet ist. Grundlage für die Streitwertfestsetzung ist daher gem. § 6 ZPO der Preis der verkauften Sache5 oder der Verkehrswert, je nachdem mit welchem Antrag geklagt wird.

3288

Der Streitwert einer Klage auf Feststellung der Wirksamkeit eines Grundstückskaufvertrages und auf Verurteilung zur Vornahme von Erfüllungsleistungen kann insgesamt den Betrag des vereinbarten Kaufpreises nicht übersteigen.6

3289

Bei der Klage umgekehrten Ziels – negative Feststellung der Unwirksamkeit – kann es um den Kaufpreis oder um das Grundstück gehen. Insoweit kommt es 1 OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, JurBüro 1994, 738. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, JurBüro 1994, 738; LG Bochum, Beschl. v. 10.3.1994 – 7 T 12/94, AnwBl. 1994, 368. 3 LG Frankfurt, AnwBl. 1977, 252. 4 Vgl. die Ausführungen unter dem Stichwort „Feststellungsklage“. 5 KG, Rpfleger 1962, 153. 6 KG, Rpfleger 1962, 154 zu ZPO § 3.

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Onderka

Kaufvertrag auf Klageantrag und Stellung der Vertragspartei an. Je nachdem ist der Streitwert entsprechend dem Kaufpreis oder dem Verkehrswert des Grundstücks festzusetzen.

C. Einzelfälle Wird eine Leistungsklage auf Rückzahlung des Kaufpreises mit der Feststellungsklage auf Nichtigkeit des Vertrages verbunden, dann ist der Feststellungsantrag regelmäßig ohne besonderen Wert. Im Regelfall können außer der Kaufpreiszahlung nämlich keine weiteren Ansprüche gegen den Käufer aus dem Vertrag geltend gemacht werden, deren Nichtbestehen Gegenstand des Feststellungsantrags sein könnten. Einzelheiten zu dieser nicht immer einfach zu beantwortenden Bewertungsfrage finden sich unter dem Stichwort „Nichtigkeitsklage“.

3290

Die Streitwerte der Klage auf Zahlung des Restkaufpreises und der Widerklage auf Rückzahlung des bereits geleisteten Teilkaufpreises oder der Anzahlung sind zusammenzurechnen, weil damit die Kaufpreiszahlung insgesamt im Streit steht.1

3291

Enthält ein Kaufvertrag Klauseln, die gegen §§ 305 ff. BGB verstoßen, und lehnt der Käufer es deshalb ab, die Sache abzunehmen, verlangt andererseits der Verkäufer deshalb pauschalierten Schadensersatz, dann ist der Streit über die Aufhebung des Kaufvertrages nach dem Interesse des Anfechtenden an der Aufhebung zu bewerten. Es ist also nicht der Kaufpreis maßgebend.

3292

* Æ Beispiel: Das AG Bremen-Blumenthal2 hat in einem solchen Fall den Streitwert danach bemessen, was gefordert und verweigert wurde, nämlich nach dem pauschalierten Schadensersatz i.H.v. 15 % des Kaufpreises.

Der Wert für die Eintragung einer Auflassungsvormerkung (vgl. § 66 KostO) zur Sicherung des Übereignungsanspruchs aus einem Kaufvertrag über ein Grundstück richtet sich gem. § 20 Abs. 1 KostO nach dem vollen Kaufpreis3 bzw. nach dem Wert des Grundstücks, wenn dieser geringer ist. Ist der Abschluss des Kaufvertrages noch ungewiss, wird entsprechend der Regelung des § 20 Abs. 2 KostO für Vor- und Wiederkaufsrechte nur der halbe Wert angesetzt.4

Kennzeichenstreitigkeit S. das Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“.

1 OLG Schleswig, AnwBl. 1984, 205 = KostRsp. GKG § 19 Nr. 76. 2 Noch unter Geltung des AGBG: AG Bremen-Blumenthal, JurBüro 1984, 392 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 675 mit Anm. Schneider. 3 BayObLG, Beschl. v. 29.2.1996 – 3 Z BR 340/95, Rpfleger 1996, 378. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.10.1993 – 10 W 99/93, Rpfleger 1994, 182.

Onderka

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Klage und Widerklage

Klage und Widerklage Literatur: Mümmler, JurBüro 1976, 1017 (Widerklage gegen Dritte); Schneider, JurBüro 1965, 947; E. Schneider, JurBüro 1966, 700; E. Schneider, NJW 1992, 2680; E. Schneider, Prozesstaktischer Einsatz der Widerklage, MDR 1998, 21; N. Schneider, Gegenstandswert bei Klage und Widerklage auf Zugewinnausgleich, FamRB 2002, 379. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . 3294 B. Zuständigkeitsstreitwert . . . . 3299 C. Gebührenstreitwert . . . . . . . 3303 I. Gegenstand im Sinne des § 45 Abs. 1 GKG . . . . . . . . . . . 3305

Rn. II. Identität des Gegenstands . . . . 3311 III. Verschiedenheit der Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . 3312 D. Rechtsmittel und Beschwer

. . 3314

E. Vergleich . . . . . . . . . . . . . 3317

Stichwortübersicht Rn. Additionsverbot und wirtschaftliche Identität . . . 3307, 3310 f. Anwaltskosten, vorgerichtliche . . 3312 Beschwer . . . . . . . . . . . . . . . 3314 Bürgschaftsurkunde . . . . . . . . . 3311 Drittwiderklage, isolierte . . . . . . 3310 Feststellung – wechselseitige Anträge . . . . . . 3311 – und Leistung . . . . . . . . . . . 3311 Gegenseitigkeitsverhältnis . . . . . 3313 Gegenstandsbegriff . . . . . . . . . 3305 – gebührenrechtlich und prozessual 3304 Herausgabeansprüche – und Besitzschutzansprüche . . . 3311 – Pkw und Fahrzeugbrief . . . . . . 3311 Hilfswiderklage, s. dort Hinterlegung, Zustimmung zur Auszahlung . . . . . . . . . . . . 3311 Identität des Gegenstandes – Beispiele . . . . . . . . . . . . . . 3311 Kostenpflicht der Parteien für Anträge . . . . . . . . . . . . . . 3296 Klagenhäufung – objektive . . . . . . . . . . . . . . 3300 – subjektive . . . . . . . . . . . . . 3300 Leistung – und Auflassung . . . . . . . . . . 3312

Rn. – und Herausgabe . . . . 3311, 3312, 3313 – und Schadensersatz . . . . . 3311, 3313 – und Sicherheit . . . . . . . . . . . 3311 – und Rückabwicklung . . . . . . . 3311 Räumung und Fortsetzung . . . . . 3311 Schadensersatz . . . . . . . . . . . . 3311 Sicherungsrechte, Eintragung und Löschung . . . . . . . . . . . . . 3311 Streitgenossen . . . . . . . . . . . . 3310 Teilansprüche . . . . . . . . . . . . 3309 Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . 3312 Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . 3317 Verkehrsunfall . . . . . . . . . . . . 3312 Vermögenspositionen – unterschiedliche . . . . . . . . . 3308 Verschiedenheit der Gegenstände – Beispiele . . . . . . . . . . . . . . 3312 Versicherungsschutz . . . . . . . . 3311 Widerklagerhebung ohne Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . 3298 Wirtschaftliche Identität und Additionsverbot . . . . . . 3307, 3310 f. Wirtschaftliche Werthäufung . . . . 3310 Zwangsvollstreckung . . . . . . . . 3311 Zugewinnausgleich, wechselseitiger . . . . . . . . . . . . . . . . . 3312 Zuständigkeit, gerichtliche . . . . 3301 f.

A. Einleitung 3294

Die Widerklage ist die während der Rechtshängigkeit der Klage von dem Beklagten (zumindest auch) gegen den Kläger vor dem Gericht des Klageverfahrens erhobene Gegenklage, mit der ein von der Klage verschiedener Anspruch geltend gemacht wird. Wie jede Klage unterliegt sie den allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen und einer eigenständigen streitwertrechtlichen Beurtei678

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Klage und Widerklage lung. Dies gilt zunächst einmal dahingehend, dass mit einer Widerklage mehrere (prozessuale) Ansprüche verfolgt werden. Hier ist entsprechend den allgemeinen Bewertungsregeln zwischen der objektiven und der subjektiven Klagehäufung innerhalb der Widerklage zu unterscheiden. Insoweit kann auf die Ausführungen zum Stichwort „Mehrere Ansprüche“ verwiesen werden. Streitwertrechtliche Wirkung begründet die Widerklage bereits mit Einreichung des Schriftsatzes, § 4 ZPO, § 40 GKG (§ 15 GKG a.F.). Ob sie in der prozessual gebotenen Form eingereicht wird, zugestellt werden kann oder sonst den Sachurteilsvoraussetzungen genügt, ist für die Gerichtsgebühren unerheblich.1

3295

Auch kostenrechtlich sind Klage und Widerklage zwei Verfahren, sodass jede Partei für ihre Anträge kostenpflichtig ist.2 Hierbei wird die mit Widerklageeinreichung fällige Kostenpflicht nach § 6 GKG (§ 61 GKG a.F.) nicht davon berührt, dass das Gericht die Bearbeitung der Widerklage gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 GKG (§ 65 Abs. 1 Satz 4 GKG a.F.) nicht von Zahlung eines Kostenvorschusses abhängig machen darf.3 Daher bleibt die Kostenpflicht der widerklagenden Partei über die Zweitschuldnerhaftung auch dann bestehen, wenn dem im Prozess unterlegenen Widerbeklagten zuvor Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist oder er sich als zahlungsunfähig erweist.4

3296

Als allgemein zulässig wird erachtet, dass der Beklagte die Erhebung der Widerklage unter eine innerprozessuale Bedingung stellt, sog. Hilfswiderklage.5 Wegen der damit aufgeworfenen Fragen der Streitwertberechnung wird auf die Ausführungen unter dem Stichwort „Hilfswiderklage“ verwiesen.

3297

Davon zu unterscheiden ist die nur angekündigte Widerklage, die auf den Streitwert des Gerichtsverfahrens keinen Einfluss hat.6 Erhebt der Beklagte dagegen eine Widerklage, ohne im weiteren Verlauf des Rechtsstreits den Widerklageantrag zu verlesen, sodass – mangels Antrag auf Erlass eines (Teil)Versäumnisurteils – nur über die Klage ein (Teil-)Urteil ergeht, dann hat er den Mehrbetrag der gerichtlichen Verfahrensgebühr zu zahlen, der sich durch die Erhöhung des Gesamtstreitwertes infolge Zusammenrechnung der Streitwerte von Klage und Widerklage ergibt.

3298

B. Zuständigkeitsstreitwert Gem. § 5 Halbs. 2 ZPO hat für die Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwertes eine Addition von Klage und Widerklage zu unterbleiben. Eine Missachtung dieser Vorschrift ist (objektiv) willkürlich und nimmt einem darauf beruhenden Verweisungsbeschluss die Bindungswirkung.7 1 2 3 4

OLG Hamburg, Beschl. v. 5.9.2000 – 14 W 29/2000, OLGR 2001, 49. RGZ 135, 19; OLG Frankfurt, JurBüro 1966, 237. OLG München, Beschl. v. 26.6.2003 – 11 W 1560/03, MDR 2003, 1078. Hartmann, § 18 GKG Rn. 4; OLG Hamburg, Beschl. v. 23.11.1998 – 8 W 320/88, JurBüro 1989, 384 = MDR 1989, 272; LG Hamburg, Beschl. v. 24.6.1999 – 331 O 109/95, JurBüro 2000, 89. 5 BGH, Urt. v. 13.5.1996 – II ZR 275/94, MDR 1996, 1135; E. Schneider, MDR 1998, 21 (23); Zöller/Greger, § 253 Rn. 1. 6 OLG Dresden, Beschl. v. 29.3.1999, juris. 7 KG, Beschl. v. 13.8.1998 – 28 AR 63/98, MDR 1999, 438.

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Klage und Widerklage 3300

Soweit mit einer Widerklage mehrere Ansprüche verfolgt werden – objektive Klagehäufung (§ 260 ZPO) –, ist innerhalb der Widerklage der Streitwert gem. § 5 Halbs. 1 ZPO durch Addition zu ermitteln. Demgegenüber führt die subjektive Klagehäufung (Streitgenossenschaft) innerhalb der Widerklage im Falle wirtschaftlicher Identität der Streitgegenstände, etwa bei gesamtschuldnerischer Inanspruchnahme im Wege der Drittwiderklage, nicht zur Werterhöhung.1

3301

Fällt die Widerklage aufgrund ihres Wertes in die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts (§ 71 GVG), dann ist ein bis dahin vor dem Amtsgericht geführter Rechtsstreit auf Antrag gem. § 506 ZPO insgesamt an das zuständige Landgericht zu verweisen. Andernfalls ist die Widerklage wegen Unzuständigkeit abzuweisen.

3302

Wird in einem vor dem Landgericht geführten Klageverfahren eine in die (nicht ausschließliche) sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts gehörende Widerklage erhoben, ist das Landgericht nach allgemeiner Ansicht auch zur sachlichen Bescheidung der Widerklage befugt, da es an einer dem § 506 ZPO entsprechenden Regelung fehlt.2

C. Gebührenstreitwert 3303

Die Werte der in Klage und Widerklage geltend gemachten Ansprüche sind, soweit sie nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.) zu addieren. Dabei beträgt der Streitwert insgesamt höchstens 30 Mio. Euro, § 39 Abs. 2 GKG.3 Hingegen bemisst sich der Gebührenstreitwert nach dem höchsten „einfachen Wert“, wenn Klage und Widerklage „denselben Gegenstand“ betreffen, § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.).

3304

Hierbei besteht Einigkeit, dass der Gegenstand i.S. des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.) mit dem des (zweigliedrigen) Streitgegenstands des Prozessrechts nicht identisch ist.4

I. Gegenstand im Sinne des § 45 Abs. 1 GKG 3305

Ganz überwiegend wird zur Unterscheidung identischer und nicht identischer Gegenstände auf die Abgrenzungsformel des RG5 zurückgegriffen, wonach von demselben Gegenstand auszugehen ist, wenn die beiderseitigen Klagebegehren dergestalt einander ausschließen, dass „die Anerkennung des einen 1 OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85; OLG München, Rpfleger 1968, 232; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Streitgenossen“. 2 Zöller/Vollkommer, § 33 Rn. 12; s. auch KG, Beschl. v. 17.2.1999 – 28 AR 6/99, MDR 1999, 563: Widerklageerhebung im Berufungsverfahren. 3 BGH, Beschl. v. 6.4.2010 – II ZR 130/08, juris. 4 BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506; Urt. v. 28.9.1994 – XII ZR 50/94, MDR 1995, 198 = NJW 1994, 3292; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.2008 – 10 W 114/08, JurBüro 2009, 85 = AGS 2009, 42 = NJW 2009, 1515; OLG Hamm, Urt. v. 5.11.1993 – 12 U 183/92, OLGR Hamm 1994, 194; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 12.2.2009 – 5 W 37/09, NJW-RR 2009, 864; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Echter Hilfsantrag“ Rn. 7; Lappe, Anm. zu OLG Karlsruhe, KostRsp. § 19 GKG Nr. 139. 5 RGZ 154, 164.

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Klage und Widerklage Anspruchs notwendig die Aberkennung des anderen bedingt“.1 Voneinander verschiedene Gegenstände liegen demnach vor, „wenn die mehreren Ansprüche nebeneinander bestehen können, sodass das Gericht unter Umständen beiden Ansprüchen stattgeben kann“.2 Unerheblich ist demgegenüber, ob sie beide verneint werden können.3 Die Formel ist von der nachfolgenden Rechtsprechung weitgehend übernommen worden.4 Danach rechtfertige die mit der Entscheidung des einen Klagebegehrens verbundene materiell-rechtliche Klärung des anderen eine Reduzierung des Streitwerts und der danach zu berechnenden Gebühren.5

3306

Die Tragfähigkeit dieses Ansatzes ist zweifelhaft. Unklar bleibt bereits, warum die Häufung von Ansprüchen durch wechselseitige Klageerhebung gebührenrechtlich anders beurteilt werden soll als bei der objektiven und subjektiven Klagehäufung. So wird bei der Klagehäufung der Wert der Streitgegenstände unabhängig davon zusammengerechnet, ob die Entscheidung des einen Anspruchs inhaltlich zugleich die des anderen bestimmt, § 39 Abs. 1 GKG (ohne Entsprechung in GKG a.F.).6 Eine Addition scheidet hier nach allgemeiner Meinung allein dann aus, wenn die Ansprüche „wirtschaftlich identisch“ sind, wovon beispielsweise bei subjektiver Klagehäufung im Fall der gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme auszugehen ist.7

3307

Auch wird die Abgrenzungsformel des RG von ihren Vertretern in einer Vielzahl von Fällen nicht angewandt und trotz materiell-rechtlicher Abhängigkeit der mit Klage und Widerklage verfolgten Ansprüche eine Wertaddition vorgenommen. Sie führt nämlich dann nicht zu überzeugenden Ergebnissen, wenn Klage und Widerklage trotz gleich gelagerter Rechtsfragen zeit-, inhaber- oder gesamtbetragsbezogen unterschiedliche Vermögenspositionen betreffen. Eine Wertaddition wird trotz materiell-rechtlichem Gleichlauf beispielsweise bejaht, wenn sich der Beklagte gegen eine auf Mietzahlung gerichtete Klage mit dem Einwand der Minderung (§ 536 Abs. 1 BGB) verteidigt und wegen desselben Mangels widerklagend die Rückzahlung für vorhergehende Zeiträume überzahlter Miete verlangt.8 Ebenso soll zusammengerechnet werden, wenn mit der Klage restliche Vergütung und mit der Widerklage die Rückzahlung

3308

1 So auch BGH, Beschl. v. 27.2.2003 – III ZR 115/02, MDR 2003, 716. 2 So BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506; OLG Celle, Beschl. v. 14.11.1984 – 2 W 82/84, Nds.Rpfl. 1985, 18. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 22.3.1985 – 13 WF 1424/84, JurBüro 1985, 917. 4 BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506; Beschl. v. 27.2.2003 – III ZR 115/02, MDR 2003, 716; MDR 1995, 198 = NJW 1994, 3292; BGHZ 43, 31; OLG Dresden, Beschl. v. 29.3.2999, juris; OLG Köln, Beschl. v. 22.3.1996 – 2 W 2/96, JurBüro 1997, 316; OLG München, JurBüro 1956, 1358; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.1.1978 – 5 W 151/77, AnwBl. 1978, 106. 5 Nieder, NJW 1976, 901. 6 A.A. wohl nur OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.11.1987 – 6 UF 146/86, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 76 mit abl. Anm. E. Schneider = JurBüro 1988, 232: Verbindung unterhaltsrechtlicher Abänderungs- mit Bereicherungsklage. 7 KG, Beschl. v. 1.3.2007 – 8 W 66/06, KGR 2007, 759; OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.10.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.9.1986 – 23 W 32/86, JurBüro 1987, 401 mit Anm. Mümmler; OLG München, Rpfleger 1968, 232; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Streitgenossen“; kritisch auch OLG Saarbrücken, Beschl. v. 12.2.2009 – 5 W 37/09, NJW-RR 2009, 864. 8 LG Hamburg, Beschl. v. 7.1.1991 – 307 T 179/90, WM 1993, 477.

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Klage und Widerklage bereits erbrachter Anzahlungen begehrt wird1 oder wenn in der Annahme der Vertragsnichtigkeit auf Rückzahlung des Kaufpreises geklagt und Widerklage auf Vornahme der zur Eigentumsübertragung erforderlichen Handlungen erhoben wird,2 ferner wenn gegenüber einer Klage auf Herausgabe widerklagend Zahlung des Werklohnes Zug um Zug gegen Herausgabe erhoben wird.3 3309

Ungeeignet erscheint es auch, die Identitätsformel des RG nur dann nicht anzuwenden, wenn „Teilansprüche aus demselben Rechtsverhältnis“ geltend gemacht werden.4 Zwar ist zutreffend, dass in den damit bezeichneten Sachverhalten eine Addition trotz materiell-rechtlicher Abhängigkeit zu bejahen ist. Hingegen bleiben additionsfähige Sachverhalte nicht erfasst. Denn wird gegenüber der Abänderungsklage auf Zahlung erhöhten Unterhalts widerklagend die Herabsetzung der titulierten Unterhaltsverpflichtung verlangt5 oder sind Klage und Widerklage auf Zahlung von Zugewinnausgleich gerichtet,6 kann von „Teilansprüchen“ nicht ausgegangen werden. Vielmehr repräsentieren beide Klagebegehren – aus Sicht der jeweiligen Partei – das gesamte Rechtsverhältnis. Hier ist jeweils eine Addition geboten.7

3310

Maßgebend für die Streitwertberechnung ist daher ebenso wie bei der Bewertung der Klagehäufung allein das im jeweiligen Klagebegehren zum Ausdruck kommende Interesse. Nur wenn sich das beiderseitige Interesse – wirtschaftlich betrachtet – auf denselben Gegenstand richtet, scheidet eine Zusammenrechnung aus.8 Eine Wertaddition ist demgegenüber grundsätzlich dort vorzunehmen, wo „durch das Nebeneinander von Klage und Widerklage eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht“.9 1 OLG Bamberg, Beschl. v. 10.1.1979 – 4 W 78/78, JurBüro 1979, 252; OLG Dresden, Beschl. v. 29.3.1999, juris; OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.10.1982 – 5 W 3202/82, JurBüro 1983, 105 = AnwBl. 1983, 89; OLG Schleswig, Beschl. v. 20.12.1983 – 1 W 50/83, AnwBl. 1984, 205. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.10.1975 – 2 U 212/74, NJW 1976, 247. 3 OLG Hamburg, Beschl. v. 17.2.2000 – 14 W 88/99, AGS 2000, 230. 4 So aber OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.2008 – 10 W 114/08, JurBüro 2009, 85 = AGS 2009, 42 = NJW 2009, 1515; E. Schneider, Anm. zu OLG Bamberg, KostRsp. GKG Nr. 21. 5 OLG Hamm, Beschl. v. 29.1.1978 – 4 WF 437/80, JurBüro 1981, 737 mit Anm. Mümmler = FamRZ 1981, 809; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.3.1983 – 5 WF 1/83, AnwBl. 1984, 203 – beide Wertaddition. 6 OLG Koblenz, Beschl. 22.3.1985 – 13 WF 1424/84, KostRsp. GKG § 19 Nr. 98: keine Wertaddition – mit abl. Anm. Lappe; OLG München, Beschl. v. 25.10.2006 – 12 WF 1613/06, OLGR 2007, 416 = AGS 2007, 364 = FamRZ 2007, 750; OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.3.2006 – 18 WF 71/06, AGS 2007, 47 = FamRZ 2006, 1055. 7 N. Schneider, FamRB 2002, 379. 8 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.10.1975 – 2 U 212/74, NJW 1976, 247; Beschl. v. 8.8.1988 – 10 W 34/88, MDR 1988, 1067; OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1989 – 24 W 26/89, JurBüro 1990, 241; LAG Stuttgart, Beschl. v. 3.2.1992 – 8 Ta 120/91, JurBüro 1992, 626 mit Anm. Mümmler; offen lassend noch in Beschl. v. 12.2.1991 – 8 Ta 10/91, JurBüro 1991, 1506; Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, S. 288; Lappe, Anm zu KostRsp. § 19 GKG Nr. 86, 98 und 139; Musielak/Heinrich, § 5 Rn. 13; N. Schneider, MDR 2003, 237, Anm. zu OLG Düsseldorf, MDR 2003, 236. Zumindest auch auf wirtschaftliche Identität abstellend: LAG Brandenburg, Beschl. v. 1.9.2000 – 6 Ta 70/ 00, JurBüro 2001, 95; Hartmann, § 45 Rn. 11; wohl auch BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506; a.A. 11. Auflage; OLG Köln, Beschl. v. 9.9.1993 – 14 WF 73/93, MDR 1994, 316. 9 Insoweit zutr. BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506, der jedoch für die Feststellung der Werthäufung wiederum auf die Identitätsformel ab-

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Klage und Widerklage Der Annahme desselben Gegenstandes steht nicht entgegen, dass die Widerklage sich neben dem Kläger gegen weitere Streitgenossen1 oder, etwa bei einer Klage aus abgetretenem Recht, sich allein gegen den Zedenten (sog. isolierte Drittwiderklage) richtet.

II. Identität des Gegenstands Betreffen Klage und Widerklage denselben Gegenstand, kommt eine Zusammenrechnung ihrer Werte nicht in Betracht, maßgeblich ist vielmehr der Wert des höheren Anspruchs. Von wirtschaftlich identischen Ansprüchen ist unproblematisch in den Fällen auszugehen, in denen der Gegenstand von Klage und Widerklage eine körperliche Ausprägung findet bzw. auf dessen Wert gerichtet ist oder die Erfüllung bzw. den Bestand ein und derselben vertraglichen Leistungspflicht zum Inhalt hat. In folgenden Konstellationen scheidet daher eine Wertaddition aus: – Der auf Besitzschutzansprüche gestützten Herausgabeklage wird mit einer petitorischen auf Rückgabe gerichteten Widerklage begegnet, hier ist das Interesse der Parteien auf Herausgabe derselben Sache gerichtet. – Beide Parteien beantragen mit Klage und Widerklage wechselseitig die Verurteilung des Gegners zur Einwilligung in die Auszahlung desselben Bausparguthabens2 oder Zustimmung zur Auszahlung eines hinterlegten Betrages.3 – Zahlungsklage sowie nachfolgende vorläufige Vollstreckung aus einem stattgebenden Urteil und Widerklage auf (natürlich nur wertmäßige) Erstattung des vorläufig vollstreckten Klagebetrages gem. § 717 Abs. 2 ZPO. Hier geht es wirtschaftlich um denselben Betrag. Anders liegt es hingegen, wenn im Nachverfahren Widerklage auf Ersatz des weiter gehenden Schadens erhoben wird. Dann sind die Werte von Klage und Widerklage zusammenzurechnen.4 – Klagt der Vermieter auf Räumung einer Mietwohnung und erhebt der Mieter Widerklage mit dem Ziel der Verurteilung des Klägers zur Fortsetzung des Mietverhältnisses über dieselbe Wohnung5 oder auf Feststellung des Bestehens eines Mietverhältnisses.6 Hier haben Klage und Widerklage die Berechtigung zur künftigen Nutzung (tatsächlichen Sachherrschaft) derselben Wohnung zum Gegenstand. – In gleicher Weise ist zu bewerten, d.h. eine Addition scheidet aus, wenn die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung bzw. der Fortdauer des Mietverhältnisses und die (Dritt-)Widerklage auf Räumung gerichtet sind.7

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stellt; kumulativ auf das(selbe) wirtschaftliche Interesse abstellend OLG Saarbrücken, Beschl. v. 12.2.2009 – 5 W 37/09, NJW-RR 2009, 864. OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 85. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.5.1984 – 21 W 19/84, JurBüro 1984, 1868. KG, Rpfleger 1962, 120. LG Gießen, AnwBl. 1954, 89. OLG München, Beschl. v. 22.7.1988 – 21 W 3002/88, JurBüro 1989, 852. Meyer, JurBüro 1999, 74. OLG München, Beschl. v. 18.5.2010 – 32 W 1288/10, juris.

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Klage und Widerklage – Ebenso liegt es, wenn der Mieter auf die Räumungsklage des Vermieters im Wege der Widerklage gem. § 556a BGB die Fortsetzung des Mietverhältnisses für eine angemessene Dauer verlangt.1 – Dies gilt auch für die Klage des Verkäufers auf Herausgabe eines nicht bezahlten Pkw und Widerklage des Käufers auf Herausgabe des dazugehörigen Fahrzeugbriefes. Denn die Parteien streiten wirtschaftlich über das Eigentum an demselben Fahrzeug, sodass eine Wertaddition ausscheidet.2 – Auch bei der Klage auf Feststellung der unbefristeten Fortdauer eines Arbeitsverhältnisses und Widerklage auf Feststellung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten (Kündigungs-)Zeitpunkt geht es in beiden Klagen um den Fortbestand desselben Arbeitsverhältnisses.3 – Klage auf Eintragung einer Höchstbetragshypothek zur Sicherung einer Werklohnforderung und die Widerklage auf Löschung der Vormerkung für diese Sicherungshypothek betreffen denselben Gegenstand, da sie der Sicherung derselben Forderung dienen.4 – Klage auf Unzulässigkeitserklärung der Zwangsvollstreckung (§ 767 ZPO) aus einer notariellen Urkunde, in der sich der Kläger der sofortigen Zwangsvollstreckung hinsichtlich der Zahlung von 90.000 DM unterworfen hat, unter Hinweis auf fehlende Geschäftsfähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung und Widerklage auf Rückzahlung der darlehensweise hingegebenen 90.000 DM aus ungerechtfertigter Bereicherung.5 Hier sind beide Klagebegehren auf die Durchsetzung bzw. Abwendung derselben Zahlungsverpflichtung gerichtet. – Ebenso ist zu bewerten, wenn gegenüber einer Drittwiderspruchsklage mit dem Ziel, die Zwangsvollstreckung in ein Fahrzeug für unzulässig zu erklären, eine Widerklage auf Herausgabe des Fahrzeuges an den Gerichtsvollzieher erhoben wird. Hier betreffen beide Klagen die Sachherrschaft an demselben Gegenstand der Zwangsvollstreckung.6 – Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus einer Sicherheitshypothek und Widerklage auf Löschung der Hypothek betreffen wirtschaftlich betrachtet denselben Gegenstand. Dem steht entgegen der Ansicht des OLG Celle7 nicht entgegen, dass der Beklagte ein über die Abweisung der Klage hinausgehendes Interesse hat. Denn diesem Umstand wird bereits dadurch Rechnung getragen, dass sich der Streitwert nach dem aus diesem Grunde höheren Wert der Widerklage bestimmt. – Die von dem Kläger begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der Anfechtung eines Kaufvertrages – die richtigerweise die Feststellung der Gültigkeit dieses Vertrages bedeutet – schließt den von dem Beklagten mit der Widerklage geltend gemachten Leistungsanspruch auf Rückgabe des Kaufgegen-

1 LG Dortmund, ZMR 1964, 320 = WM 1964, 111; s. § 16 Abs. 3 GKG. 2 KG, Rpfleger 1962, 120; OLG Jena, Beschl. v. 24.8.1998 – 5 W 513/98, OLGR 1999, 100; LG Frankfurt, JurBüro 1961, 87; a.A. OLG Nürnberg, JurBüro 1958, 513. 3 LAG Baden-Württemberg, KostRsp. GKG § 19 Nr. 170 = JurBüro 1991, 753. 4 OLG Nürnberg, JurBüro 1968, 543. 5 OLG Celle, JurBüro 1990, 518; Beschl. v. 18.4.2000 – 4 W 94/80, OLGR 2000, 247. 6 A.A. LG Saarbrücken, Beschl. v. 8.10.1988 – 5 T 588/98, JurBüro 1999, 309. 7 A.A. OLG Celle, Beschl. v. 17.5.2000 – 4 W 101/00, OLGR 2000, 271.

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standes aus; es liegt eine wirtschaftliche Identität der Streitgegenstände vor.1 Klage auf Gewährung von Versicherungsschutz und der Widerklage auf Rückzahlung des für den Versicherungsnehmer in Ansehung des Dritten Geleisteten sind nach dem einfachen Wert zu berechnen,2 denn Gegenstand beider Klagebegehren ist der Bestand derselben vertraglichen Leistungspflicht (nur) einer Vertragspartei (hier: Deckungsschutz). Ebenso liegt es, wenn die Klage auf Zahlung eines Kaufpreisrestes mit der Widerklage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung einer sich über den Kaufpreisanspruch verhaltenden notariellen Urkunde zusammentrifft3 oder auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages.4 Auch hier steht allein der Bestand einer vertraglichen Hauptleistungspflicht im Streit, sodass keine Zusammenrechnung erfolgt. Dies gilt auch für eine Klage auf Gewährleistung und Widerklage auf Herausgabe der dafür ausgestellten Bürgschaftsurkunde,5 einheitlicher Gegenstand ist hier die Verpflichtung einer Vertragspartei zur Gewährleistung. Dem entspricht die Fallgestaltung, in der auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde geklagt und Widerklage auf Schadensersatz aus Pachtverhältnis erhoben wird.6 Klage auf Werklohnzahlung und Widerklage auf Zahlung von Schadensersatz wegen einzelner Mängel des Gewerks gem. § 13 Nr. 7 VOB/B bzw. § 635 BGB a.F.7 oder auf Zahlung eines Vorschusses zur Mängelbeseitigung gem. § 637 Abs. 3 BGB,8 da nach der Differenztheorie letztlich nur der Umfang des Vergütungsanspruchs betroffen ist.Eine Zusammenrechnung ist jedoch geboten, wenn widerklagend Schadensersatz wegen Verzuges mit der Fertigstellung (§ 286 BGB) geltend gemacht wird9 (s. hierzu auch bei den Stichwörtern „Aufrechnung“ und „Mehrere Ansprüche“). Wirtschaftliche Identität der Streitgegenstände, wenn gegenüber der negativen Feststellungsklage eine Widerklage erhoben wird, mit der nur Teile des Anspruchs geltend gemacht werden, dessen Inhaberschaft sich der Beklagte vorgerichtlich berühmt hat.10

KG, Rpfleger 1962, 120. OLG Köln, VersR 1966, 769. KG, JurBüro 1981, 261. BGH, Beschl. v. 2.11.2005 - XII ZR 137/05, NJW-RR 2006, 378; Beschl. v. 30.1.1992 – IX ZR 222/91, NJW-RR 1992, 1404. OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.6.1998 – 12 W 36/98, OLGR 1988, 427; MDR 1980, 678 = JurBüro 1980, 896. OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.8.1999 – 13 W 35/99, OLGR 2000, 42. OLG Hamm, Beschl. v. 7.6.2005 – 19 U 17/04, JurBüro 2005, 542 = MDR 2005, 1223. OLG Hamm, Urt. v. 5.11.1993 – 12 U 183/92, OLGR 1994, 194 – zu § 633 Abs. 3 BGB a.F.; a.A. OLG Celle, Beschl. v. 21.12.1994 – 16 W 66/94 OLGR 1995, 274; OLG Schleswig, Beschl. v. 17.3.1986 – 14 W 9/86, KostRsp. GKG § 19 Nr. 119 = JurBüro 1987, 255 mit Anm. E. Schneider. OLG Hamm, Beschl. v. 7.6.2005 – 19 U 17/04, JurBüro 2005, 542 = MDR 2005, 1223. OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.6.2002 – 10 W 16/01, JurBüro 2003, 859.

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III. Verschiedenheit der Gegenstände 3312

Betreffen Klage und Widerklage unterschiedliche Gegenstände, bleibt es bei der Zusammenrechnung der Werte gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.). Wirtschaftlich betrachtet, ist von verschiedenen Gegenständen und damit von der Notwendigkeit einer Wertaddition in den Fällen auszugehen, in denen Klage und Widerklage trotz gleichem zugrunde liegendem Rechtsverhältnis zeitlich, inhaber- oder gesamtbetragsbezogen unterschiedliche Vermögenspositionen bzw. Ansprüche betreffen: – Verlangt nach einem Verkehrsunfall jeder Beteiligte seinen eigenen Schaden mit Klage und Widerklage, sind die Einzelwerte zu addieren.1 Dass materiell-rechtlich gleich gelagerte Fragestellungen, etwa Unabwendbarkeit (§ 17 Abs. 3 StVG), dazu führen können, dass die Zuerkennung des eines Klagebegehrens zur Abweisung des anderen führen muss, ändert nichts an der Notwendigkeit der Wertaddition. Denn im Streit steht nicht der Verkehrsunfall, sondern die – inhaberbezogen – unterschiedlichen Vermögenseinbußen. – In gleicher Weise ist zu bewerten, wenn gegenüber einer auf Rückabwicklung eines Vertrages gerichteten Klage mit der Widerklage die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten verlangt wird. Die hier als Hauptforderung geltend gemachten Kosten sind streitwerterhöhend zu berücksichtigen.2 – Der Klage auf erhöhende Abänderung eines Unterhaltstitels wird eine Widerklage auf Herabsetzung des titulierten Betrages entgegengesetzt; beide Klagen betreffen verschiedene Teile des materiell-rechtlichen Unterhaltsanspruchs, sodass die Werte zu addieren sind.3 Beide Klagen betreffen voneinander verschiedene Teile eines (monatlich zu zahlenden) streitigen Gesamtbetrages. Dies als „verschiedene Teile eines materiell-rechtlichen Unterhaltsanspruchs“ zu bewerten, übersieht, dass materiell-rechtlich der Unterhaltsanspruch nur in einer bestimmten Höhe besteht, die darüber hinausgehende Klageforderung also nicht mehr dessen „Teil“ sein kann.4 – Ebenso liegt es, wenn beide Ehegatten mit Klage und Widerklage wechselseitig einen Zugewinnausgleichsanspruch geltend machen.5 1 OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1989 – 24 W 26/89, JurBüro 1990, 241. 2 LG Aachen, Beschl. v. 29.12.2006 – 11 O 478/04, AGS 2007, 539. 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 18.8.1994 – 2 UF 140/93, FamRZ 1995, 492; OLG Hamm, Beschl. v. 29.1.1981 – 4 WF 437/80, KostRsp. GKG § 19 Nr. 48 mit Anm. Schneider = JurBüro 1981, 737 mit Anm. Mümmler = FamRZ 1981, 809; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.3.1983 – 5 WF 1/83, AnwBl. 1984, 203; OLG Köln, Beschl. v. 18.11.1993 – 21 WF 86/92, OLGR 1994, 102; OLG Naumburg, Beschl. v. 26.1.2004 – 14 UF 258/03, JurBüro 20054, 379; OLG München, FamRZ 2007, 750; vgl. auch OLG Dresden, Beschl. v. 15.7.1997 – 10 WF 198/97, OLGR 1997, 364: Stufenklage betr. höheren Unterhalts und Widerklage auf Herabsetzung bereits titulierten Unterhalts. 4 So auch OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1989 – 24 W 26/89, JurBüro 1990, 241. 5 OLG Bamberg, Beschl. v. 18.8.1994 – 2 UF 140/93, FamRZ 1995, 492; OLG Köln, Beschl. v. 5.3.2001 – 14 WF 24/01, MDR 2001, 941; Beschl. v. 27.6.2000 – 25 WF 108/ 00, OLGR 2001, 9; Beschl. v. 18.11.1993 – 21 W 86/92, OLGR 1994, 102; OLG München, Beschl. v. 16.1.1996 – 26 WF 1270/95, FamRZ 1997, 41; OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.3.2006 – 18 WF 71/06, AGS 2007, 47 = FamRZ 2006, 1055; N. Schneider, MDR 2003, 237 – Anm. zu OLG Düsseldorf, MDR 2003, 236; N. Schneider, FamRB 2002,

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Klage und Widerklage – Eine Wertaddition erfolgt ebenfalls bei einer Klage auf Auflassung von Grundeigentum und Widerklage auf Zahlung des restlichen Kaufpreises,1 denn die Parteien streiten hier über den Bestand wechselseitiger vertraglicher Verpflichtungen. Auf deren Erfüllung ist das jeweilige Klagebegehren (Interesse) gerichtet. Dass der Geldwert dieser Verpflichtungen bei einer Saldierung den höheren Wert der Einzelverpflichtung nicht übersteigen kann, ist – wie auch sonst, etwa bei Zurückbehaltungsrecht (s. unter dem Stichwort „Gegenleistung“) – unerheblich.2 – Dies gilt auch bei einer Klage auf Kaufpreiszahlung Zug um Zug gegen Lieferung der Kaufsache mit der Eigenschaft x und Widerklage auf Lieferung der Kaufsache mit der Eigenschaft y3 oder wenn der Kläger die Auflassung verkauften Wohneigentums verlangt und der Beklagte Widerklage auf Restkaufpreiszahlung erhebt. In beiden Fällen betreffen Klage und Widerklage nicht denselben Gegenstand.4 – Daher ist auch bei einem Klagebegehren auf Herausgabe einer Sache und einer auf Zahlung von Werklohn Zug um Zug gegen Herausgabe der selben Sache gerichteten Widerklage eine Zusammenrechnung der Einzelwerte geboten.5 – Dies gilt auch, wenn mit der Klage Zahlung der restlichen Vergütung und mit der Widerklage, etwa aufgrund einer Anfechtung, bereits erbrachte vertragliche Leistungen, beispielsweise eine Anzahlung, zurückverlangt werden.6 Zwar wird auch hier (wie oben unter Rn. 3311) allein über den Bestand einer vertraglichen Leistungsverpflichtung gestritten, deren Geldeswert wird jedoch erst durch die Addition von Klage und Widerklage vollständig erfasst, da diese nur auf nicht identische Teilbeträge derselben Leistungsverpflichtung gerichtet sind. – Verteidigt sich der Beklagte gegen eine auf Mietzahlung gerichtete Klage mit dem Einwand der Minderung (§ 536 Abs. 1 BGB) und erhebt wegen desselben Mangels Widerklage auf Rückzahlung für vorhergehende Zeiträume überzahlter Miete, liegen verschiedene Gegenstände vor.7 – Diese Fallgestaltung kann auch bei einer schadensersatzrechtlichen Auseinandersetzung auftreten, etwa wenn der Kläger restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall verlangt und der Beklagte Widerklage auf Rückzahlung vorprozessual bereits geleisteter Beträge erhebt.8

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379 m.w.N.; a.A. OLG Koblenz, Beschl. v. 22.3.1985 – 13 WF 1424/84, JurBüro 1985, 917; OLG Köln, Beschl. v. 9.9.1993 – 14 WF 73/93, MDR 1994, 316 = FamRZ 1994, 641. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.8.1988, MDR 1988, 1067 = JurBüro 1988, 1551. OLG Hamburg, Beschl. v. 17.2.2000 – 14 W 88/99, OLGR 2000, 306. A.A. OLG Köln, Beschl. v. 22.3.1996 – 2 W 2/96, JurBüro 1997, 316. OLG Hamm, Beschl. v. 17.7.2002 – 2 W 1/02, OLGR 2002, 427. OLG Hamburg, Beschl. v. 17.2.2000 – 14 W 88/99, OLGR 2000, 306. OLG Bamberg, Beschl. v. 25.4.1985 – 3 W 46/85, JurBüro 1985, 1212; OLG Celle, Beschl. v. 14.11.1984 – 2 W 82/84, Nds.Rpfl. 1985, 18; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.2008 – 10 W 114/08, JurBüro 2009, 85 = AGS 2009, 42 = NJW 2009, 1515; OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.10.1982 – 5 W 3202/82, JurBüro 1983, 105 = AnwBl. 1983, 89; LG Frankfurt, JurBüro 1968, 133. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.2008 – 10 W 114/08, AGS 2009, 42 = NJW 2009, 1515; LG Hamburg, Beschl. v. 7.1.1991 – 307 T 179/90, WM 1993, 477. LG Berlin, Beschl. v. 10.6.1988 – 82 T 316/88, KostRsp. GKG § 19 Nr. 134.

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Klage und Widerklage 3313

Ferner ist von verschiedenen Gegenständen auszugehen und eine Wertaddition vorzunehmen, wenn der Bestand wechselseitiger, nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehender vertraglicher Leistungspflichten im Streit stehen: – So ist zusammenzurechnen, wenn auf Feststellung geklagt wird, dass kein Recht zur Mietminderung bestehe, und der Beklagte Widerklage auf Schadensersatz wegen desselben (streitigen) Mangels der Mietsache erhebt.1 Auch wenn den Ansprüchen derselbe Mangel zugrunde liegt, sind doch unterschiedliche Vermögenspositionen betroffen. – Ebenso liegt es, wenn der Eigentümer gegen den Inhaber einer Reparaturwerkstatt auf Herausgabe seines Fahrzeuges klagt und dieser Widerklage auf Werklohnzahlung wegen Arbeiten an diesem Fahrzeug erhebt.2 Denn das Nutzungsinteresse des Klägers ist nicht identisch mit dem Vergütungsinteresse des Beklagten, daher erfolgt eine Zusammenrechnung der Werte. – Dies gilt auch bei einer Klage auf Zahlung des Restkaufpreises und Widerklage auf Zahlung von Schadensersatz.3 – Die Klage auf Auflösung einer GmbH und die Widerklage auf Ausschluss eines Gesellschafters aus der GmbH betreffen nicht denselben Streitgegenstand; ihre Streitwerte müssen daher bei der Kostenberechnung zusammengerechnet werden.4

D. Rechtsmittel und Beschwer 3314

Die Beschwer der gerichtlichen Entscheidung ist für jede Partei getrennt zu bestimmen. Werden Klage und Widerklage zuerkannt oder abgewiesen, ist jede Partei nur einfach beschwert. Wird der Klage unter Abweisung der Widerklage stattgegeben oder die Klage unter Stattgabe der Widerklage abgewiesen, sind – verschiedene Gegenstände der Klagebegehren vorausgesetzt – deren Werte zusammenzurechnen.

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§ 5 Halbs. 2 ZPO steht dem nicht entgegen, da er nach allgemeiner Meinung auf die Berechnung der Beschwer keine Anwendung findet. Vielmehr will § 5 Halbs. 2 ZPO verhindern, dass der Beklagte mit der Erhebung der Widerklage die Zuständigkeit eines anderen Gerichts erzwingen kann, während die Beschwer sich nach dem Umfang des Unterliegens bemisst und daher an den Ausgang von Klage und Widerklage anknüpfen muss.5

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Das Additionsgebot ergibt sich aus und nach Maßgabe des § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.). Obwohl diese Vorschrift formal nur für den Gebührenwert gilt, handelt es sich doch tatsächlich um die Grundregel 1 So auch Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Widerklage“ Rn. 6; a.A. BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, JurBüro 2004, 378. 2 OLG Hamm, Beschl. v. 12.9.1989 – 26 W 25/89, Rpfleger 1990, 40. 3 BGHZ 43, 33; LG München, JurBüro 1950, 46. 4 OLG Düsseldorf, NJW 1966, 1569. 5 BGH, Urt. v. 28.9.1994 – XII ZR 50/94, MDR 1995, 198 = NJW 1994, 3292 = ZMR 1995, 17; BGHR ZPO § 546 Abs. 2 Satz 2 Klage und Widerklage Nr. 1; OLG Oldenburg, NJW-RR 1993, 827; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Widerklage“ Rn. 4; E. Schneider, NJW 1992, 2680; Zöller/Herget, § 5 Rn. 2; a.A. OLG Düsseldorf, NJW 1992, 3246 – zu Unrecht allein auf den Wortlaut von § 2 ZPO abstellend.

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Klageänderung für die Ermittlung der materiellen Beschwer. Gebührenstreitwert und Beschwer unterliegen hier denselben Bewertungsgrundsätzen.1

E. Vergleich Wird der Rechtsstreit durch Vergleich beendet, so ist zu addieren, wenn die streitwertmäßig selbständige Widerklageforderung in den Vergleich einbezogen wird.2

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Klageänderung Literatur: E. Schneider, Die neuere Rechtsprechung zum Streitwertrecht, MDR 1989, 389 ff.; Liebheit, Streitwert nach einer Klageänderung, JuS 2001, 687 ff.; N. Schneider, Aktuelle Fragen zum Streitwert, AnwBl. 2007, 773.

A. Allgemeines Der klägerische Angriff wird bestimmt durch den (zweigliedrigen) Streitgegenstand, der nach zutr. Ansicht zugleich die Beteiligten des Prozessrechtverhältnisses (Parteien) definiert. Änderungen des Streitgegenstandes sind in dreifacher Hinsicht möglich: – unter Beibehaltung des bisherigen Sachverhalts wird ein neuer Antrag gestellt, – der bisherige Antrag wird mit einem (völlig) neuen Sachverhalt begründet, – ein neuer Antrag wird mit einem (völlig) neuen Sachverhalt begründet.

3318

Bezüglich des Verhältnisses der Änderung zum bisherigen Streitgegenstand gilt Folgendes: – Wird der bisherige Streitgegenstand vollständig ausgetauscht, handelt es sich um einen Klagewechsel. Hierzu zählt nach überwiegender Ansicht auch der Parteiwechsel.3 – Wird hingegen der bisherige Streitgegenstand (nur) um einen weiteren Streitgegenstand ergänzt, reden wir von einer (objektiven oder subjektiven) nachträglichen Klagehäufung, auf welche die Vorschriften der Klageänderung entsprechend anzuwenden sind.4 – Wird schließlich der bisherige Streitgegenstand hinsichtlich der Antragstellung nur reduziert oder erweitert (sog. Antragsänderung), liegt zwar eine objektive Klageänderung vor, die jedoch gem. §§ 264 Nr. 2 und 3 ZPO nicht den Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klägeränderung (§ 263 ZPO) unterliegt.

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1 Zöller/Heßler, § 511 ZPO Rn. 22. 2 OLG Frankfurt, JurBüro 1971, 459 – das aber zu Unrecht die Widerklageforderung nicht nach der Höhe der Berühmung beziffert, sondern nach § 3 ZPO frei schätzt; OLG Köln, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/95 – Hilfswiderklage. 3 Offenlassend OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.4.1998 – 2 WF 169/97, OLGR 1999, 124, dass jedoch bei einem Parteiwechsel rechtsfehlerhaft eine Streitgegenstandsänderung verneint. 4 BGH, NJW-RR 1987, 59; NJW 1985, 1841; Zöller/Greger, § 260 Rn. 3.

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Klageänderung 3320

Von alldem zu unterscheiden ist die bloße Klageberichtigung, d.h. die Beseitigung von Unklarheiten betreffend den Antrag, den Sachverhalt oder die Parteien (Klage- bzw. Parteiberichtigung). Diese unterliegt keinen Zulässigkeitsvoraussetzungen, arg. § 264 Nr. 1 ZPO, und hat keine Auswirkungen auf den Streitwert.

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Eine wirksame und damit streitwertrelevante Vornahme der Klageänderung ist nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung möglich, arg. §§ 297, 308 Abs. 1 ZPO.1

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Ebenso scheidet eine Beeinflussung des bisherigen Streitwertes aus, wenn eine zweitinstanzlich vorgenommene Klageerweiterung nicht zugelassen wird.2

B. Zuständigkeitsstreitwert 3323

Auf eine einmal begründete Zuständigkeit des Landgerichts bleiben Veränderungen des Streitgegenstandes ohne Einfluss, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Dies gilt nach einhelliger Ansicht auch dann, wenn – hier infolge einer Klageänderung – der neue oder verbleibende prozessuale Anspruch in die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts fiele.

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Führt die Änderung einer vor dem Amtsgericht erhobenen Klage, sei es durch Klageerweiterung, (echte) Klageänderung oder eine nachträgliche Klagehäufung, zu einem die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts begründenden Streitwert, gelten die §§ 504, 506 ZPO. Der Rechtsstreit ist auf Antrag einer der Parteien an das zuständige Landgericht zu verweisen.

C. Gebührenstreitwert 3325

Die Klageänderung führt zu einer Änderung des zu bewertenden Streitgegenstandes. Unstreitig ist der Streitwert daher gesondert festzusetzen für den Zeitraum bis zur Klageänderung und danach.3 Nur so kann sichergestellt werden, dass die nach Klageänderung anfallenden Gebühren nach dem zutreffenden, d.h. an dem neuen prozessualen Anspruch zu bestimmenden Wert berechnet werden. Mit der zeitlichen Staffelung des Gebührenstreitwertes sind jedoch nicht alle Fragen beantwortet.

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Zwar entspricht der Streitwert für den Zeitraum nach Klageänderung nach einhelliger Auffassung dem Wert des neuen prozessualen Anspruchs. Damit 1 BGH, Beschl. v. 19.3.2009 – IX ZB 152/08, MDR 2009, 824 = AGS 2009, 295 = NJWRR 2009, 853 – Beschwer; Beschl. v. 9.7.1997 – IV ZB 11/97, NJW-RR 1997, 1486 = RuS 1998, 42; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.9.2000 – 9 W 69/00, MDR 2000, 1457; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.2.2006 – 15 W 72/05, AGS 2007, 579; zweifelnd OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.1.2009 – 24 W 87/08, AGS 2009, 127, das aber verkennt, dass eine unwirksame Klageerweiterung keine Anhängigkeit begründen kann und daher auch nicht beschieden werden muss. 2 OLG Schleswig, Beschl. 22.6.2001 – 5 U 87/91, OLGR 2001, 442 = AGS 2002, 64 = SchlHA 2002, 26 = WM 2002, 859. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.4.1994 – 18 W 9/94, OLGR 1994, 306 – für Wechsel von Zahlungsklage auf Feststellung zur Insolvenztabelle; OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.2.1994 – 5 W 33/93, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 91 = OLGR 1994, 72 – für die Klageerweiterung bei gleichzeitiger Teilerledigung; E. Schneider, JurBüro 1965, 592.

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Klageänderung ist aber nichts dafür gewonnen, wie sich der Streitwert für die Gebührentatbestände bemisst, welche die gerichtlichen bzw. anwaltlichen Tätigkeit in den Zeiträumen vor und nach Klageänderung einheitlich erfassen. Hierzu zählen namentlich die gerichtlichen und anwaltlichen Verfahrensgebühren. Richtigerweise dürfen deshalb der Wert der vor und nach Klageänderung geltend gemachten Ansprüche weder undifferenziert zusammengerechnet werden, noch ist zutreffend, einfach den höheren Wert zugrunde zu legen.1 Von den unter Ziffer A. dargestellten Fallgruppen bereiten die nachträgliche (objektive und subjektive) Klagehäufung und die Antragsänderung jedoch insoweit streitwertrechtlich keine Bewertungsprobleme. – Die Antragsänderung, also die Klageerhöhung oder -reduzierung, führt zu einem erhöhten bzw. verringerten Streitwert ab Eingang des antragsändernden Schriftsatzes. So liegt es etwa, wenn der Kläger bei einer Vorschussklage gem. § 637 BGB die Kosten der Ersatzvornahme erst mit 5.000 Euro, nach Einholung eines Kostenvoranschlages dann mit 7.500 Euro beziffert und seinen Klageantrag entsprechend erweitert. Hier ist der Streitwert für den Zeitraum vor und nach Klageerweiterung festzusetzen, wenn in den Zeitabschnitten voneinander verschiedene Gebühren (z.B. Verfahrens- und Terminsgebühr gem. Nr. 3100, 3104 VV RVG) angefallen sind. Wird die Klageerhöhung indes nicht zugelassen, weitet sie sich nicht auf die Höhe des Streitwerts aus.2 – Dies gilt auch bei einer nachträglichen Klagehäufung, wenn beispielsweise der Kläger neben der rückständigen Miete für Januar i.H.v. 1.000 Euro nunmehr auch Zahlung der Miete für Februar und damit nunmehr 2.000 Euro verlangt. Eine Addition hat jedoch zu unterbleiben, wenn die Ansprüche wirtschaftlich (teil-)identisch sind. arg. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.). Zu den Einzelheiten s. unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche“.

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Schwieriger ist die Bewertung des Klagewechsels, also des vollständigen Austauschs der Streitgegenstände. Nach ganz überwiegender Ansicht können die Werte der prozessualen Ansprüche schon deswegen nicht zusammengerechnet werden, weil sie nicht nebeneinander, sondern nur nacheinander geltend gemacht werden. Erforderlich sei allenfalls eine nach Zeiträumen gestaffelte Wertfestsetzung, wenn die Streitgegenstände unterschiedliche Einzelwerte aufwiesen.3

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Dem ist in dieser Allgemeinheit nicht zuzustimmen. Richtigerweise ist zu unterscheiden: – Handelt es sich um einen Austausch wirtschaftlich identischer Ansprüche (Streitgegenstand), verbleibt es beim bisherigen Streitwert. So liegt es etwa,

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1 So aber OLG Bamberg, JurBüro 1985, 740. 2 OLG Schleswig, Beschl. v. 22.6.2001 – 5 U 87/01, OLGR 2001, 442 = AGB 2002, 64 = SchlHA 2002, 26 = WM 2002, 859. 3 KG, Rpfleger 1968, 289; OLG Dresden, Beschl. v. 29.12.2006 – 5 W 1517/06, JurBüro 2007, 315 = AGS 2007, 517; OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.3.2009 – 3 W 3/09, AGS 2009, 247 = NJW-RR 2009, 1078; Beschl. v. 7.2.1994 – 5 W 33/93, OLGR 1994, 72; OLG Hamburg, JurBüro 1978, 1807; OLG München, Beschl. v. 29.6.1994 – 11 WF 797/94, OLGR 1994, 15; LAG Düsseldorf, NJW 1969, 1983; Baumbach/Hartmann, Anh. § 3 Rn. 74 Stichwort „Klageänderung/Klageerweiterung“; Hillach/Rohs, § 14 II, S. 51.

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Klageänderung wenn der Kläger zunächst auf Zahlung von 1.000 Euro aus eigenem Recht klagt und nach einer Rüge der Aktivlegitimation das Zahlungsverlangen auf eine Abtretung stützt. Hier liegt zwar eine Klageänderung vor,1 einer Zusammenrechnung der Einzelwerte steht jedoch schon entgegen, dass beide Gegenstände (wirtschaftlich) denselben Gegenstand betreffen. Ebenso ist zu bewerten, wenn der Kläger von Auskunfts- zur Zahlungsklage oder von der Zahlungs- zur Freistellungsklage übergeht. Das Gleiche gilt für die Auswechslung des Beklagten bei gleich bleibendem Klageantrag.2 – Der Austausch wirtschaftlich nicht identischer Streitgegenstände erfordert demgegenüber für bestimmte Gebühren eine Zusammenrechnung der Einzelwerte.3 Eine derartige Konstellation ist beispielsweise gegeben, wenn der Kläger den prozessualen Anspruch austauscht (Zahlung von 10.000 Euro Schmerzensgeld statt 10.000 Euro Reparaturkosten) oder seine Klage (teilweise) zurücknimmt und zugleich erweitert bzw. einen neuen Streitgegenstand in den Prozess einführt.4 Ebenso liegt es bei einer Klageerweiterung oder -häufung nach einer übereinstimmenden Teilerledigungserklärung der Parteien.5 Hiervon ist beispielsweise bei einer zunächst auf Zahlung von Schadensersatz (10.000 Euro Reparaturkosten) gerichteten Klage auszugehen, die aufgrund der außergerichtlichen Begleichung einer Schadensposition (2.000 Euro) zurückgenommen oder (übereinstimmend) für erledigt erklärt und um die in dieser Höhe neue Schadensposition (4.000 Euro Schmerzensgeld) erweitert wird. In allen Fällen sind für die Verfahrensgebühren (Nr. 1210 KV GKG, Nr. 3100 VV RVG) die Werte des bisherigen und des neuen Anspruchs zu addieren (10.000 + 10.000 bzw. 10.000 + 4.000 Euro). Für die anwaltliche Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) gilt das ebenso, wenn über den bisherigen und den neuen Anspruch in vollem Umfang mündlich verhandelt worden ist. 3330

Ausgangspunkt der Bewertung ist § 39 Abs. 1 GKG (entspricht inhaltlich § 12 Abs. 1 GKG a.F. i.V.m. § 5 ZPO). Hiernach werden die in einem Verfahren geltend gemachten (wirtschaftlich nicht identischen) Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nicht etwas Abweichendes bestimmt ist.

3331

Dass es für eine Addition der zeitgleichen Anhängigkeit der Streitgegenstände bedarf, ist weder den §§ 39 ff. GKG zu entnehmen, noch würde dies zu tragfähigen Ergebnissen führen. Vielmehr berechnen sich die gerichtliche und anwaltliche Verfahrensgebühr nach der Summe der Werte des bisherigen und künftigen Streitgegenstandes. Voraussetzung für die Wertaddition ist nicht,

1 Zöller/Greger, § 263 ZPO Rn. 7. 2 Zutr. LG Itzehoe, Beschl. v. 10.3.2009 – 11 S 30/08, ZMR 2009, 479 = ZWE 2009, 260. 3 Zustimmend OLG Celle, Beschl. v. 20.5.2008 – 2 W 108/08, AGS 2008, 466 = NJWSpezial 2008, 668; OLG Hamm, Beschl. v. 25.1.2007 – 21 W 50/06, AGS 2007, 516. 4 KG, Beschl. v. 27.8.2007 – 8 W 53/07, MDR 2008, 173 = AGS 2008, 188; jetzt auch Zöller/Herget, § 5 Rn. 3. 5 OLG Bamberg, JurBüro 1978, 1655; OLG Celle, JurBüro 1986, 741; OLG Hamm, Beschl. v. 25.1.2007 – 21 W 50/06, OLGR 2007, 324 = AGS 2007, 516; Beschl. v. 12.5.2005 – 24 U 7/05, OLGR 2005, 556 = JurBüro 2005, 598; OLG Koblenz, AGS 2007, 151; Liebheit, JuS 2001, 687 (688 f.); Hartmann, KV 1210 Rn. 26; Meyer, KV 1211 Rn. 19; AnwK-RVG/N. Schneider, § 22 Rn. 10; s. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.8.2000 – 10 W 53/00, JurBüro 2001, 313 – Teilvergleich nach Erlass eines Versäumnisurteils und späterer Klageerweiterung.

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Klageänderung dass die zu bewertenden Ansprüche „nebeneinander geltend gemacht werden“,1 sondern dass sie „nebeneinander bestehen können“.2 Denn allein bei hilfsweise erhobenen (bzw. zur Aufrechnung gestellten) Ansprüchen bedarf es nach § 45 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 GKG a.F.) für eine Zusammenrechnung, dass über diese entschieden worden ist, sie also zeitgleich mit dem primär geltend gemachten Anspruch anhängig gewesen sind. Zudem bleibt der mit der Klageänderung hier verbundene Wegfall des bisherigen (Teils des) Streitgegenstandes auf die bislang entstandenen gerichtlichen und anwaltlichen Gebühren – wie bei der Teilklagerücknahme3 – ohne Auswirkung.4 Daher gebietet es auch eine prozessadäquate Kostenverteilung, die durch die Geltendmachung des bisherigen Anspruchs ausgelösten Kosten demjenigen aufzuerlegen, der die Auseinandersetzung veranlasst hat und (autonom) von der weiteren Rechtsverfolgung Abstand nimmt.5 Für die Annahme, dass bei der Klageänderung „kostenrechtlich die Anhängigkeit des neuen Anspruchs – als von Anfang an bestehend – fingiert“ werde, wodurch „der bisherige Anspruch gebührenrechtlich seine Bedeutung verliere“,6 fehlt es im GKG an einer gesetzlichen Grundlage.

3332

Zudem vermag die Gegenansicht die unterschiedliche Behandlung des Parteiwechsels, der nach überwiegender Ansicht der Klageänderung gleichgestellt wird und dennoch ergebnisunabhängig zu einer Kostenlast des Klägers führt,7 nicht plausibel zu erklären.

3333

Stichtag für die Wertänderung ist nicht die erste mündliche Verhandlung über den geänderten Antrag, sondern der Eingang des Antrages bei Gericht.8 Deshalb ist für die Berechnung der erhöhten Gerichtsgebühren auf den Zeitpunkt der Einreichung dieses Antrages abzustellen.9

3334

Die Streitwerterhöhung ab Einreichung des Antrags wirkt nur für die danach erfüllten Gebührentatbestände. Es findet insbesondere keine Erhöhung der (nach der BRAGO noch anfallenden) Beweisgebühr nach einer bereits abgeschlossenen Beweisaufnahme statt, wenn der Kläger mit Rücksicht auf das Beweisergebnis den Klageantrag erweitert.10

3335

Auch darf die jeweilige Gebühr nur einmal berechnet werden, wenn auch nach dem höchsten Wert (§§ 21 Abs. 3 GKG,§ 13 Abs. 2 Satz 1 BRAGO).

3336

1 2 3 4 5 6 7 8

9 10

So aber OLG München, Beschl. v. 29.6.1994 – 11 WF 797/94, OLGR 1994, 15. Instruktiv Liebheit, JuS 2001, 688, 690 f. KG, Beschl. v. 31.5.1999 – 8 W 3707/99, KGR 1999, 279 = NJW-RR 2000, 215. OLG Bamberg, JurBüro 1978, 1655; OLG Celle, JurBüro 1986, 741; Hartmann, KV 1210 Rn. 26; Meyer, KV 1211 Rn. 19. Ausführlich Liebheit, JuS 2001, 688, 691. So Zöller/Greger, § 263 ZPO Rn. 32. Vgl. etwa Zöller/Greger, § 269 ZPO Rn. 5. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.1.2009 – 24 W 87/08, AGS 2009, 137; Beschl. v. 1.8.2000 – 10 W 53/00, JurBüro 2001, 313; Schneider, JurBüro 1965, 592 ff.; § 15 GKG. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.8.2000 – 10 W 53/00, JurBüro 2001, 313; LG Koblenz, JurBüro 1967, 1015. OLG Bamberg, JurBüro 1977, 960; KG, JurBüro 1970, 246 mit Anm. Schneider; OLG Schleswig, JurBüro 1969, 521 mit Anm. Schneider; OLG Koblenz, JurBüro 1994, 670 = MDR 1994, 629.

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Klageerweiterung

D. Rechtsmittel und Beschwer 3337

Wird die Klageerweiterung zweitinstanzlich nicht zugelassen, scheidet für diese Instanz eine Werterhöhung aus.1

3338

Im Falle der Zulassung erhöht sich nur der zweitinstanzliche Streitwert. Die Erhöhung wirkt jedoch auf den Streitwert der ersten Instanz zurück, wenn der neue Antrag nach Zurückverweisung in erster Instanz weiterverfolgt wird.2

3339

Für die Berechnung der Beschwer dürfen die vor und nach Klageänderung geltend gemachten Ansprüche in keinem Fall zusammengerechnet werden.3

3340

Der für die Zulässigkeit der Revision maßgebende Betrag kann nicht höher sein als der Wert der Beschwer. Daran kann auch eine unzulässige Klageerweiterung nichts ändern.

Klageerweiterung S. das Stichwort „Klageänderung“.

Klagenhäufung S. das Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung)“.

Klagerücknahme Literatur: Wagner, NJW 1953, 972; E. Schneider, MDR 1961, 545, 643; E. Schneider, JurBüro 1970, 897; E. Schneider, JurBüro 1985, 265. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung I. Erklärung der Klagerücknahme 3341 II. Abgrenzung zur Erledigungserklärung . . . . . . . . . . . . . 3344 B. Wirksamkeit der Klagerücknahme I. Unstreitige Klagerücknahme . . 3347 II. Streit über die Wirksamkeit . . 3349

Rn. C. Feststellung der fehlenden Anhängigkeit . . . . . . . . . . . 3351 D. Verpflichtung zur Klagerücknahme I. Klagerücknahmeversprechen . . 3356 II. Prozessvergleich . . . . . . . . . 3357 E. Teilklagerücknahme

F. Rechtsmittel und Beschwer

1 OLG Schleswig, Beschl. v. 22.6.2001 – 5 U 87/91, OLGR 2001, 442. 2 OLG Schleswig, JurBüro 1976, 1680. 3 KG, Rpfleger 1968, 289.

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. . . . . . 3361 . . 3364

Klagerücknahme Stichwortübersicht Rn. Ankündigung eines verminderten Antrags . . . . . . . . . . . . . . . 3342 Antrag nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO . . . . . . . . . . 3347, 3361 Berufungsrücknahme . . . . . . . . 3343 Erledigungserklärung . . . . . . . . 3344 Kostenerstattungsanspruch . . 3347, 3363 Kostenregelung, abweichend . . . . 3358 Nichtanhängigkeitsfeststellung, Antrag des Beklagten . . . . . . . 3351 Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 3348 Prozessvergleich über Verpflichtung zur ~ – Erledigung des Rechtsstreits . . . 3357 – Kosten des Prozessvergleichs . . . 3359 – kostenmäßige Mitbereinigung einer Teilklage . . . . . . . . . . . 3360

Rn. – Kostenregelung, abweichend . . . 3358 – Wertvereinbarung für selbständige Verfahren . . . . . . . . . . . . . . 3360 Rücknahme des Mahnantrags . . . . 3342 Schätzung – bei Nichtanhängigkeitserklärung . 3355 – bei Verlustigerklärung . . . . . . . 3355 Streit über Wirksamkeit . . . . . . . 3349 Teilweise ~ . . . . . . . . . . . 3347, 3361 Unstreitige ~ . . . . . . . . . . . . 3347 f. Verlustigerklärung . . . . . . . . . . 3352 Vorliegen einer ~ – vom Gericht bejaht . . . . . . . . 3350 – vom Gericht verneint . . . . . . . 3350 Wegfall des Klageanlasses vor Rechtshängigkeit . . . . . . . . . 3347

A. Einleitung I. Erklärung der Klagerücknahme Die Klagerücknahme ist eine einseitige bedingungsfeindliche und grundsätzlich unwiderrufliche Prozesshandlung. Zu ihrer Wirksamkeit bedarf es der Einwilligung des Beklagten, wenn dieser, und sei es nur erstinstanzlich, zur Hauptsache mündlich verhandelt hat, § 269 Abs. 1 ZPO.1

3341

Verfahrensrechtlich ist zu beachten, dass die bloße Ankündigung eines verminderten Antrages – außerhalb des schriftlichen (Vor)Verfahrens – noch keine Klagerücknahme darstellt, auch wenn sie in einem an das Gericht gerichteten Schriftsatz enthalten ist.2

3342

Die Rücknahme des Mahnantrags steht in seiner prozessualen Wirkung der Klagerücknahme gleich. Ab Antragsrücknahme bestimmt sich der Gebührenstreitwert für das weitere Verfahren allein nach dem Kosteninteresse der Parteien, d.h. nach den bislang angefallen Gerichts- und außergerichtlichen Kosten.3 Gleichliegende Fragen wie bei Klagerücknahme ergeben sich bei der Berufungsrücknahme (s. dazu das Stichwort „Berufungsrücknahme“).

3343

II. Abgrenzung zur Erledigungserklärung Ermäßigt der Kläger seinen Klageantrag oder erklärt er, an der Fortsetzung des Rechtsstreits kein Interesse mehr zu haben, bedarf es der Klärung, ob darin eine Klagerücknahme oder eine – bis zur Zustimmung des Beklagten – einseitige Erledigungserklärung liegt. Hier ist eine Nachfrage gem. § 139 ZPO geboten. Wegen der mit § 269 Abs. 3 ZPO verbundenen Kostenfolge ist zu1 BGH, Beschl. v. 20.8.1998 – I ZB 38/98, MDR 1999, 626. 2 Schneider, MDR 1985, 265. 3 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.5.2007 – 15 W 107/06, JurBüro 2007, 428 (Ls).

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Klagerücknahme gunsten des Klägers bei verbleibenden Zweifeln von einer bloßen Erledigungserklärung auszugehen.1 3345

Wenn beiden Parteien an einer Entscheidung der Hauptsache nicht mehr gelegen und nur streitig ist, ob die Erklärung des Klägers an das Gericht als Klagerücknahme (§ 269 ZPO) oder als (übereinstimmende) Erledigungserklärung (§ 91a ZPO) zu deuten ist, bestimmt sich der Streitwert nach der Summe der bis dahin angelaufenen Kosten.2 Hier geht es nämlich nicht mehr darum, ob zur Sache entschieden werden muss, sondern zweifelhaft ist allein, auf welchem prozessualen Weg und mit welcher Kostenfolge die Entscheidung zur Hauptsache entbehrlich geworden ist.

3346

Zu beachten bleibt, dass eine Klagerücknahme nach übereinstimmender Erledigungserklärung aufgrund des damit verbundenen Wegfalls der Rechtshängigkeit nicht mehr möglich ist.3

B. Wirksamkeit der Klagerücknahme I. Unstreitige Klagerücknahme 3347

Mit der wirksamen Klagerücknahme entfällt die Rechtshängigkeit ex tunc, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits ergeht – soweit nicht bloß eine teilweise Klagerücknahme vorliegt (§ 308 Abs. 2 ZPO) – gem. § 269 Abs. 3 ZPO nur auf Antrag. Dessen Wert ist nach dem Interesse der antragstellenden Partei zu bemessen, das auf Erstattung eigener und Abwendung fremder Kosten gerichtet ist. Maßgeblich sind daher die bis zur Erklärung angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten.4 Dies gilt auch, wenn der Kläger nach Klagerücknahme wegen Wegfalls des Klageanlasses vor Rechtshängigkeit eine Entscheidung über die Kostentragungspflicht nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO beantragt.

3348

Bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist für den der Kostenermittlung zugrunde zu legenden Hauptsachestreitwert auf den Umfang der Sache abzustellen, den sie im Fall ihrer Durchführung nach dem im Zeitpunkt der Rücknahme gegebenen Sach- und Streitstand angenommen hätte.5

II. Streit über die Wirksamkeit 3349

Ist streitig, ob eine zulässige oder wirksame Klagerücknahme vorliegt, bestimmt sich der Streitwert nach dem vollen Wert der Hauptsache. Denn den Parteien ist – je nach Standpunkt zur Wirksamkeit – an der Entscheidung des Klagebegehrens bzw. an der Vermeidung einer Sachentscheidung gelegen.6 1 Vgl. auch BGH, Beschl. v. 27.10.2003 – II ZB 38/02, BGHR, 2004, 274 = NJW 2004, 223 = AGS 2004, 34 = GE 2004, 106 = MDR 2004, 408. 2 OLG Düsseldorf, JurBüro 1972, 816; OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 695. 3 OLG Jena, Beschl. v. 5.9.2001 – 5 W 174/011, OLGR 2002, 51. 4 KG, Beschl. v. 9.3.2007 – 1 W 378/05, AGS 2008, 23 = Rpfleger 2007, 432; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2005, 1231; OLG Köln, JurBüro 2000, 77; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagerücknahme“ Rn. 2; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 Rn. 95 „Klagerücknahme“; Baumbach/Hartmann, Anh. § 3 Rn. 74 „Klagerücknahme“. 5 KG, JurBüro 1973, 53 = Rpfleger 1973, 36. 6 So auch Hartmann, GKG Anh. I § 48 (§ 3 ZPO) Rn. 73 Stichwort „Klagerücknahme“.

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Klagerücknahme Verneint das Gericht die Wirksamkeit der Klagerücknahme, so entscheidet es hierüber zusammen mit der Hauptsache in den Gründen des Endurteils oder durch selbständig anfechtbares Zwischenurteil (§ 303 ZPO) und nachfolgend über die Hauptsache durch Endurteil. Bejaht das Gericht die Wirksamkeit der Klagerücknahme, entscheidet es gem. § 269 Abs. 3 ZPO durch Beschluss. In beiden Fällen ist der Hauptsachestreitwert maßgebend, da der richterliche Spruch feststellt, ob die Hauptsache infolge wirksamer Zurücknahmeerklärung noch zur Entscheidung steht.1 Auch im Hinblick auf die streitwertrechtliche Bewertung der einseitigen Erledigungserklärung besteht kein Anlass, den Streitwert auf die bis zur Rücknahme angefallenen Kosten festzusetzen, da sich die Prozesshandlungen in Inhalt und Wirkung nicht entsprechen (s. hierzu unter dem Stichwort „Erledigung der Hauptsache“).

3350

C. Feststellung der fehlenden Anhängigkeit Nach wirksamer Klagerücknahme ist auf Antrag (des Beklagten) gem. § 269 Abs. 3, 4 ZPO festzustellen, dass der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden und ein bereits ergangenes Urteil als wirkungslos anzusehen ist. Über die wertmäßige Erfassung dieses Antrages herrscht Streit. Während Wagner,2 Göppinger3 und Gerold4 hier den Streitwert der Hauptsache absetzen, stellt das LG Osnabrück5 für die Bemessung auf die Kosten des Rechtsstreits ab.

3351

Für die letztgenannte Auffassung spricht, dass der BGH in Abwendung von der Rechtsprechung des RG seit BGHZ 15, 394 die Kosten für das Verfahren über Anträge auf Verlustigerklärung des Rechtsmittels und auf Kostenentscheidung nach Zurücknahme des Rechtsmittels nicht mehr nach dem Wert der Hauptsache, sondern nur nach dem Betrag der Kosten berechnet, die in der Rechtsmittelinstanz bis zu dem Antrag auf Verlustigerklärung und auf Kostenentscheidung erwachsen sind. Schließt man sich dem an, dann wird man für die entsprechenden Anträge nach Klagerücknahme keine andere Bewertung vornehmen dürfen. Lediglich wenn man gegen den BGH der älteren Rechtsprechung6 folgt, ist nicht der Kostenwert, sondern der Hauptsachewert maßgebend.

3352

Dennoch ist beiden Ansätzen nicht zu folgen. Der sachliche Gehalt der Nichtanhängigkeits- und Wirkungslosigkeitserklärung entspricht weder der Hauptsache noch dem Kosteninteresse der Beklagten. Insbesondere vermag dem BGH7 nicht gefolgt werden, wenn dieser davon ausgeht, „dass der Verlustigerklärung eine sachliche Bedeutung überhaupt abzusprechen ist und sie nur eine Grundlage einerseits für die Erteilung des Rechtskraftzeugnisses, andererseits für die Kostenentscheidung bildet“ (s. auch das Stichwort „Berufungsrücknahme“).

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Gerold, Streitwert, S. 297; Göppinger, Rpfleger 1958, 81. Wagner, NJW 1953, 972. Göppinger, Rpfleger 1958, 81, 82. Gerold, Streitwert III Rn. 2. Mitgeteilt von Wagner in NJW 1953, 973. RGZ 155, 382; OLG Bamberg, NJW 1949, 513; OLG Frankfurt, MDR 1957, 49. BGHZ 15, 399.

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Klagerücknahme 3354

Die Nichtanhängigkeitserklärung ist – ebenso wie die Verlustigkeitserklärung – gegenüber der bloßen Kostenentscheidung ein Mehr.1 Wie auch sonst richtet sich seine Bewertung nach dem Interesse des Antragstellers, das hier darauf gerichtet ist, eine amtliche Beurkundung darüber zu erhalten, dass der Rechtsstreit abgeschlossen und ein (etwaig) vorangegangenes Urteil wirkungslos ist.

3355

Mangels besonderer Bewertungsvorschrift kommt nur eine Schätzung nach § 3 ZPO in Betracht.2 In der Regel dürfte es angemessen sein, 1/10 des Hauptsachewertes anzusetzen.

D. Verpflichtung zur Klagerücknahme I. Klagerücknahmeversprechen 3356

Anerkannt ist die Möglichkeit, sich durch schuldrechtlichen Vertrag (mit dem Prozessgegner) zu verpflichten, gegenüber dem Gericht die Klagerücknahme zu erklären. Die Abrede, die auch Bestandteil eines außergerichtlichen Vergleichs sein kann, führt im Falle der Nichterfüllung über die Arglisteinrede des Beklagten zur Abweisung der Klage als unzulässig.3 Auf den Hauptsachestreitwert hat dies keinen Einfluss.

II. Prozessvergleich 3357

Da der Prozessvergleich den Rechtsstreit unmittelbar beendet,4 besteht für eine Verbindung von Vergleich und Klagerücknahme kein praktisches Bedürfnis. Vielmehr ist in diesen Fällen durch Auslegung zu ermitteln, ob die Parteien eine Beendigung des Rechtsstreits durch Klagerücknahme oder Vergleich gewollt haben. Maßgebend ist in beiden Fällen der Streitwert der Hauptsache.5

3358

Enthält der Prozessvergleich über die Klagerücknahmeverpflichtung hinaus noch eine von § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO abweichende Kostenregelung, ist das für den Streitwert unerheblich, wie sich aus § 43 Abs. 3 GKG (§ 22 Abs. 3 GKG a.F.) ergibt.6 Der Prozessvergleich als kostenverursachende Handlung betrifft nämlich die Kosten des Rechtsstreits und den Hauptanspruch. Der Kostenbetrag ist aber lediglich dann maßgebend, wenn Handlungen den Kostenpunkt ohne den Hauptanspruch betreffen.

3359

Die Kosten des Prozessvergleichs selbst bleiben nach § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG (§ 22 Abs. 1 GKG a.F.) außer Ansatz.7 1 Worauf Wagner in NJW 1953, 973 mit Recht hingewiesen hat. 2 So früher bereits KG, JW 1933, 1078; OLG Jena, JW 1937, 142; OLG Dresden, HRR 1937 Nr. 1126; OLG Frankfurt, HRR 1938 Nr. 1249; OLG Breslau, DR 1939, 333; OLG Naumburg, JW 1937, 822. 3 BGH, Urt. v. 7.3.2002 – III ZR 73/01, MDR 2002, 839; NJW-RR 1987, 307; NJW 1956, 990; BAG, MDR 1982, 258. 4 BGH, Urt. v. 7.3.2002 – III ZR 73/01, MDR 2002, 839. 5 OLG Köln, JurBüro 1970, 803; OLG Oldenburg, JurBüro 1957, 33; OLG Stuttgart, MDR 1955, 368. 6 OLG Neustadt, JurBüro 1964, 195; OLG Köln, JurBüro 1970, 803. 7 OLG Köln, JurBüro 1970, 803; OLG Nürnberg, BayJMBl. 1959, 170.

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Klagerücknahme Werden in einem Klagerücknahmevergleich noch Vereinbarungen über die Kosten selbständiger Verfahren getroffen, insbesondere Eilsachen, sind diese hinzuzurechnen. Dies beispielsweise, wenn eine Forderung in zwei Teilklagen geltend gemacht worden ist und in einem Prozess ein Rücknahmevergleich geschlossen wird, wobei das andere Verfahren kostenmäßig mit bereinigt wird.1

3360

E. Teilklagerücknahme Eine teilweise Rücknahme der Klage vermindert den Streitwert im Umfang der Rücknahme, soweit sie sich nicht allein auf Nebenforderungen (§ 43 Abs. 1 GKG entspricht § 22 Abs. 1 GKG a.F.) bezieht. Ist die Teilklagerücknahme dagegen Bestandteil einer von den Parteien erzielten Gesamtregelung, dann bestimmt der Wert des nachfolgenden (nur) über den noch verbliebenen Teil der Klageforderung geschlossenen Vergleichs unter Einbeziehung des von der Klagerücknahme betroffenen Teils.2 Verfahrensrechtlich beachtlich ist die Prozesshandlung jedoch erst, wenn sie wirksam geworden ist: vor Beginn der mündlichen Verhandlung durch Erklärung gegenüber dem Gericht, nach mündlicher Verhandlung ab Einwilligung des Beklagten. Sie führt gem. § 308 Abs. 2 ZPO unabhängig von einer Antragstellung nach § 269 Abs. 3 ZPO zu einer sog. gemischten Kostenentscheidung, die hinsichtlich der mit der teilweisen Rücknahme verbundenen Kosten gesondert anfechtbar ist.3 Es sei denn, dem Beklagten sind in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 2 ZPO die gesamten Prozesskosten auferlegt worden.4 Ob die auf die teilweise Klagerücknahme entfallenden Teile der Kosten nach der sog. Quoten- oder nach der Mehrkostenmethode zu berechnen sind, ist streitig.5

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Auf Antrag (§ 33 RVG) ist daher eine Streitwertfestsetzung nach Zeitabschnitten erforderlich, da alle bis zur Teilklagerücknahme entstandenen Gebühren nach dem ursprünglichen und alle nachfolgenden nach dem verminderten Streitwert zu berechnen sind.6 Die auf den zurückgenommenen oder erledigten Teil entfallenden Kosten des Rechtsstreits bleiben bei der Wertfestsetzung unberücksichtigt, arg. § 43 Abs. 3 GKG (§ 22 Abs. 3 GKG a.F.).7 Die Höhe der Gerichsgebühren wird durch die teilweise Rücknahme des Klageantrages nicht berührt, da sich der für sie maßgebliche Streitwert nach der Verfahrenseinleitung (und/oder -erweiterung) bestimmt, § 40 GKG.8 Zu den Bewertungsregeln, wenn zusammen mit einer Teilklagerücknahme eine Klageerweiterung erfolgt, hier ist regelmäßig Addition der von Rücknahme und Erweiterung betroffenen Gegenstände geboten,9 s. das Stichwort „Klageänderung“.

3362

1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG Köln, JurBüro 1970, 803. OLG München, Beschl. v. 12.6.2006 – 10 W 1672/06, RVG Professionell 2006, 129 (Ls.). BGH, NJW-RR 1996, 256; OLG Köln, Beschl. v. 9.1.1998 – 3 W 66/97, OLGR 1998, 170. BGH, Beschl. v. 19.10.1995 – III ZR 208/94, NJW-RR 1996, 256. S. zum Meinungsstand etwa OLG Schleswig, Beschl. v. 3.9.2007 – 1 W 37/07, MDR 2008, 353 = AGS 2007, 142. OLG Koblenz, Beschl. v. 21.3.2001 – 13 WF 31/01, OLGR 2001, 393. BGH, Rpfleger 1955, 12 = LM § 15 GKG Nr. 1; OLG Düsseldorf, JurBüro 1972, 816 = VersR 1972, 1171; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagerücknahme“ Rn. 3. Zutr. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 12.10.2009 – 3 Ta 228/09, juris. KG, Beschl. v. 27.8.2007 – 8 W 53/07, MDR 2008, 173 = JurBüro 2008, 148 = AGS 2008, 188.

Kurpat

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699

Konkurrenzverbot 3363

Der Übergang vom Hauptanspruch zum materiellen Kostenerstattungsanspruch beschränkt den Streitwert auf den (bezifferten)1 Kostenpunkt.2

F. Rechtsmittel und Beschwer 3364

Wendet sich eine Partei dagegen, dass ihr gem. § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden sind, dann bestimmt sich der Wert der Beschwer und des Beschwerdeverfahrens gem. § 3 ZPO nach dem Betrag der bis zur Klagerücknahme entstandenen Verfahrenskosten.3

Konkurrenzverbot 3365

Der Streitwert für einen auf ein Konkurrenzverbot gerichteten Unterlassungsanspruch wird nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG bestimmt.

3366

Maßgebend ist das Interesse des Klägers auf Abwehr des durch die Konkurrenz drohenden Schadens. Dieses entspricht dem Reingewinn, der dem Kläger durch den anderweitigen Verkauf entgeht, wobei der Verlust des Klägers nicht vollumfänglich identisch ist mit dem Gewinn des Konkurrenten. Es ist nämlich davon auszugehen, dass zwar ein erheblicher Teil des vom Konkurrenten erzielten Umsatzes, nicht aber der gesamte Umsatz an den Waren dem Kläger zugute gekommen wäre, wenn der Konkurrent den Handel nicht aufgenommen hätte.

* Æ Beispiel: Unter diesen Voraussetzungen hat das OLG Düsseldorf den Unterlassungsanspruch im Falle eines „Konkurrenzkiosks“ mit einem Jahresnettoumsatz von ca. 18.500 DM mit 30.000 DM bewertet, wobei es für die Bemessung des Streitwertes einen Zeitraum von drei Jahren zugrunde gelegt hat.4

3367

Der Streitwert über die Gültigkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ist regelmäßig mit dem Betrag der insgesamt höchstens geschuldeten Karenzentschädigung zu bewerten.5

3368

Wird der Anspruch im Eilverfahren verfolgt und führt dieses praktisch zu einem endgültigen Ergebnis, dann kann es angebracht sein, bereits dort den Hauptsachewert anzusetzen.6 Ansonsten ist der Wert mit einem Bruchteil des Wertes in der Hauptsache anzunehmen, da nur eine vorläufige Sicherung angestrebt wird.

1 S. Schneider, MDR 1981, 353 ff. 2 LG Bayreuth, Beschl. v. 27.8.1982 – 2 O 205/82, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 615 mit Anm. Schneider = JurBüro 1983, 258, dort mit irreführendem 3. Leitsatz. 3 KG, Beschl. v. 18.3.2009 – 2 W 39/09, NJW-RR 2009, 1411 = NZG 2009, 914 = ZIP 2009, 2171. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.3.1993 – 10 W 36/93, ZMR 1993, 377. 5 LAG Hamm, AnwBl. 1981, 106; vgl. das Stichwort „Karenzentschädigung“. 6 LAG Hamm, AnwBl. 1981, 106.

700

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Onderka

Kostenansatz

Konkursanfechtung S. das Stichwort „Insolvenzverfahren“.

Kosten S. das Stichwort „Nebenforderungen“.

Kostenansatz A. Überblick Die Kosten, insbesondere also die Gerichtsgebühren, die sich nach dem jeweiligen Wert ergeben, werden im Kostenansatzverfahren nach § 19 GKG vom jeweiligen Gericht festgesetzt.

3369

Gegen den Kostenansatz ist nach § 66 Abs. 1 GKG die Erinnerung gegeben. Eine Mindestbeschwer ist nicht erforderlich.

3370

Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet nach § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG die Beschwerde statt. Sie setzt eine Mindestbeschwer voraus (§ 66 Abs. 2 Satz 1 GKG), wenn das Gericht, das über die Erinnerung entschieden hat, die Beschwerde nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zu entscheidenden Frage in dem Erinnerungsbeschluss zugelassen hat (§ 66 Abs. 2 Satz 2 GKG).

3371

Gegen die Beschwerdeentscheidung ist unter den Voraussetzungen des § 66 Abs. 4 GKG die weitere Beschwerde zulässig, nämlich dann, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und es wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage die weitere Beschwerde in seinem Beschluss zugelassen hat. Eine Mindestbeschwer ist nicht erforderlich.

3372

Eine Rechtsbeschwerde ist im Kostenansatzverfahren nicht statthaft, da hierzu der BGH berufen wäre und nach § 66 Abs. 3 Satz 4 GKG die Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht stattfindet.1

3373

Zum Kostenansatzverfahren s. Rn. 64 ff.

B. Wert des Beschwerdegegenstands Sofern das Erinnerungsgericht die Beschwerde nicht schon wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat, ist sie nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes (nicht zu verwechseln mit der Beschwer) den Betrag von 200 Euro übersteigt (§ 66 Abs. 2 Satz 1 GKG). Der Wert des Beschwerdegegenstands richtet sich nach der Differenz der angesetzten Kosten zu dem Betrag, der nach Auffassung des Beschwerdeführers anzusetzen ist. 1 BGH, Beschl. v. 27.11.2002 – IV AR(VZ) 3/02; zur vergleichbaren Regelung des § 14 Abs. 3 Satz 4 KostO; BGH, Beschl. v. 30.4.2003 – V ZB 19/03.

N. Schneider

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3374

Kostenansatz Zu beachten ist, dass nur die Differenz der Kosten berücksichtigt werden darf, für die der Beschwerdeführer nach dem Kostengesetz (GKG oder KostO) auch haftet. 3375

Daher ist eine anteilige Haftung zu beachten. Sie führt dazu, dass auch nur die entsprechende Quote bei dem Wert des Beschwerdegegenstands berücksichtigt werden darf. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings nicht nur eine Haftung als Erstschuldner, sondern auch als Zweitschuldner oder Mitschuldner, da insoweit eine Inanspruchnahme möglich bleibt.

* Æ Beispiel: Das Gericht hat den Beklagten verurteilt, 50 % der Kosten des Verfahrens zu tragen. Ausgehend von Kosten i.H.v. 1.000 Euro werden 500 Euro gegen den Beklagten festgesetzt. Der Beklagte ist der Auffassung, die Gerichtskosten dürften nur mit 700 Euro angesetzt werden. Die Beschwerde ist unzulässig. Zwar bestreitet der Beklagte den Kostenansatz um 300 Euro. Aufgrund der Quote wirkt sich dies für ihn jedoch nur zu 150 Euro aus.

* Æ Beispiel: Die Parteien haben sich verglichen und die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben. Ausgehend von Kosten i.H.v. 1.000 Euro werden 500 Euro gegen den Kläger festgesetzt. Er ist der Auffassung, die Gerichtskosten dürften nur mit insgesamt 700 Euro angesetzt werden. Zwar sind jetzt gegen den Kläger aus seiner Sicht bislang nur 150 Euro zu viel festgesetzt. Sofern der Beklagte nicht zahlt, droht jedoch die Inanspruchnahme weiterer 150 Euro. Daher muss für den Kläger die Beschwerde zulässig sein.

C. Gerichtsgebühren 3376

Im Verfahren über den Kostenansatz fallen keine Gerichtsgebühren an (§ 66 Abs. 8 Satz 1 GKG). Ein Wert für die Gerichtsgebühren ist daher nicht festzusetzen.

3377

Auch das Erinnerungsverfahren, das Beschwerdeverfahren und das Verfahren über die weitere Beschwerde sind gebührenfrei. Die Vorschrift des § 66 Abs. 8 Satz 1 GKG spricht davon, dass „die Verfahren“ gebührenfrei sind, womit auch die Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren erfasst werden. Eine Wertfestsetzung ist daher auch hier nicht vorzunehmen.

D. Anwaltsgebühren I. Erstattung/Vergütung 3378

Auch wenn hinsichtlich der Anwaltsgebühren eine Kostenerstattung ausgeschlossen ist (§ 66 Abs. 8 Satz 2 GKG), ist die Tätigkeit vom Auftraggeber dennoch zu vergüten.

3379

Da sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten (§ 2 Abs. 1 RVG), ist insoweit auf Antrag eines Beteiligten die Festsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG vorzunehmen.

702

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N. Schneider

Kostenansatz

II. Kostenansatzverfahren Für den im Ausgangsverfahren beauftragten Anwalt zählt die Tätigkeit im Kostenansatzverfahren zur Instanz (§ 19 Abs. 1 Satz 1 RVG), sodass es hier einer gesonderten Wertfestsetzung grundsätzlich nicht bedarf.

3380

Ist der Anwalt dagegen mit dem Kostenansatzverfahren als Einzeltätigkeit beauftragt, erhält er eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV RVG.

3381

Der Gegenstandswert richtet sich dann gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG entsprechend § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO. Maßgebend ist der Wert der anzusetzenden Kosten.

3382

III. Erinnerungsverfahren Wird der Anwalt im Verfahren über die Erinnerung gegen den Kostenansatz beauftragt, löst dies nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG eine gesonderte Angelegenheit aus, wenn der Rechtspfleger die Kosten angesetzt hat. Der Anwalt erhält eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG. Maßgebender Gegenstandswert ist in diesem Fall der Betrag der strittigen Kostenpositionen (§§ 23 Abs. 2 Satz 3, 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 RVG). Der Wert kann nicht höher liegen als der Wert des zugrunde liegenden Verfahrens (§ 23 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 RVG).

3383

* Æ Beispiel: In einem Verfahren über 200 Euro sind Auslagen i.H.v. 500 Euro angesetzt worden. Dagegen soll der Anwalt Erinnerung einlegen. Auch wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 500 Euro beträgt (s. Rn. 3374), liegt der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit nur bei 200 Euro.

Werden gegen denselben Kostenansatz mehrere Erinnerungen – auch von verschiedenen Beteiligten – geführt, liegt nur eine Angelegenheit vor (§ 16 Nr. 10 Buchst. a RVG). Die einzelnen Werte werden dann nach § 22 Abs. 1 RVG addiert.

3384

IV. Beschwerdeverfahren Wird gegen die Entscheidung über eine Erinnerung Beschwerde eingelegt, so ist dies eine weitere Angelegenheit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG). Der Anwalt erhält wiederum eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG. Der Gegenstandswert richtet sich nach dem angegriffenen Betrag (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG). Er kann wiederum nicht höher liegen als der Wert des zugrunde liegenden Verfahrens (§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG).

3385

Werden gegen dieselbe Erinnerungsentscheidung mehrere Beschwerden – auch von verschiedenen Beteiligten – geführt, liegt nur eine Angelegenheit vor (§ 16 Nr. 10 Buchst. b RVG). Die einzelnen Werte werden dann nach § 22 Abs. 1 RVG addiert.

3386

V. Weitere Beschwerde Wird gegen die Beschwerdeentscheidung weitere Beschwerde eingelegt, so ist dies wiederum eine neue Angelegenheit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG). Der Anwalt erhält erneut eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG. Der Gegenstandswert richtet sich wiederum nach dem angegriffenen Betrag (§ 23 Abs. 1 N. Schneider

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3387

Kosten des Rechtsstreits Satz 1 RVG) und kann nicht höher liegen als der Wert des zugrunde liegenden Verfahrens (§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG). 3388

Werden gegen dieselbe Beschwerdeentscheidung mehrere weitere Beschwerden – auch von verschiedenen Beteiligten – geführt, liegt nur eine Angelegenheit vor (§ 16 Nr. 10 Buchst. b RVG). Die einzelnen Werte werden dann nach § 22 Abs. 1 RVG addiert.

Kosten des Rechtsstreits A. Zuständigkeitsstreitwert 3389

Für den Zuständigkeitsstreitwert kann sich die Frage des Wertes der Kosten des Rechtsstreits nie stellen, da zu Beginn des Verfahrens diese Kosten nicht Streitgegenstand sein können.

B. Rechtsmittelstreitwert 3390

Für die Beschwer eines Kostenrechtsmittels oder -rechtsbehelfs gilt § 3 ZPO. Maßgebend ist der Wert aller angefallenen Kosten, die das Rechtsmittel oder der Rechtsbehelf betrifft. Deshalb errechnet sich der Streitwert von Beschwerden gegen Beschlüsse nach § 91a ZPO oder gegen Entscheidungen aus § 99 Abs. 2 und 269 Abs. 3 ZPO aus der Summe aller bis zu Erledigung oder Entscheidung entstandenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die der Beschwerdeführer nach der angefochtenen Kostenentscheidung zu tragen hat, aber wiederum ohne die Kosten des Beschwerdeverfahrens selbst.1

* Æ Beispiel: Die Klageforderung i.H.v. 3.000 Euro wird ohne mündliche Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Gericht entscheidet nach § 91a ZPO über die Kosten des Rechtsstreits und legt diese dem Beklagten auf. Hiergegen legt dieser Beschwerde ein und beantragt, a) die Kosten dem Kläger aufzuerlegen b) die Kosten gegeneinander aufzuheben. Maßgebend ist der Wert der Kostendifferenz zwischen dem Erstattungsanspruch nach der ergangenen und der beantragten Kostenentscheidung. Diese Kostendifferenz ist ggf. nach § 3 ZPO zu schätzen, da zum Zeitpunkt der Beschwerde noch nicht alle Kosten und Auslagen (Gericht, Parteien und ggf. Streithelfer, Sachverständige, Zeugenauslagen) feststehen. Hier ist von folgenden Kosten auszugehen: a) Kosten Kläger 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 3.000 Euro) 245,70 Euro 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro Zwischensumme 265,70 Euro 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 50,48 Euro Gesamt 316,18 Euro

1 RGZ 50, 368; OLG Braunschweig, HRR 1940 Nr. 1470; OLG Königsberg, JW 1929, 883; LG Stuttgart, JW 1932, 2923.

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N. Schneider

Kosten des Rechtsstreits b) Kosten Beklagter (wie a) 316,18 Euro c) Gerichtskosten 3,0-Gebühr, Nr. 1210 GKG-KostVerz.) 267,00 Euro Summe 899,36 Euro Im Fall a) beträgt der Wert des Beschwerdegegenstands 899,36 Euro und im Fall b) (899,36 : 2 =) 449,68 Euro.

Allerdings führt bei einer Beschwerde gegen eine Kostengrundentscheidung ein höherer Wert der Kosten als der der Hauptsache nicht zur Zulässigkeit eines Rechtsmittels, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben wäre (sog. fiktive Rechtsmittelfähigkeit), §§ 91a Abs. 2 Satz 2, 99 Abs. 2 Satz 2, 269 Abs. 5 Satz 1 ZPO.

3391

* Æ Beispiel: Nach Anerkenntnis der Klageforderung (500 Euro) wird gegen die Kostenentscheidung gem. § 99 Abs. 2 ZPO sofortige Beschwerde eingelegt (Wert der Kosten 700 Euro). Die Beschwerde ist unzulässig (§ 99 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Liegt der Wert der Kosten über dem der Hauptsache, dann hat der Wert des Beschwerdegegenstands sogar einen höheren Wert. Eine Begrenzung auf den Wert der Hauptsache sieht die ZPO im Gegensatz zum RVG nicht vor. Allerdings ist dies für den Rechtsmittelstreitwert wegen der erforderlichen fiktiven Rechtsmittelbeschwer (§§ 91a Abs. 2 Satz 2, 99 Abs. 2 Satz 2, 269 Abs. 5 Satz 1 ZPO) unerheblich.

3392

C. Erforderlicher Wert des Beschwerdegegenstands für Kostenbeschwerden Beschwerden in Kostensachen sind grundsätzlich nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt, sofern nicht die wertunabhängige Zulassung der Beschwerde in Betracht kommt und die Beschwerde zugelassen ist. § 567 Abs. 2 ZPO

Beschwerden gegen eine Kostenentscheidung

§§ 104 Abs. 3 ZPO, 567 Abs. 2 ZPO

Beschwerden gegen die Kostenfestsetzung

§ 63 Abs. 2 GKG

Beschwerde gegen den Kostenansatz

§ 68 Abs. 1 GKG

Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts

§ 69 Abs. 1 GKG

Beschwerde gegen die Auferlegung einer Verzögerungsgebühr

§ 11 Abs. 1 Satz 3 RVG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 ZPO, 567 Abs. 2 ZPO

Beschwerde gegen die Vergütungsfestsetzung

§ 33 Abs. 3 Satz 1 RVG

Beschwerde gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts

N. Schneider

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3393

Kosten des Rechtsstreits § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG

Beschwerde gegen die Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung

§ 4 Abs. 3 JVEG

Beschwerde gegen die Festsetzung

§ 31 Abs. 3 KostO

Beschwerde gegen die Festsetzung des Geschäftswerts

3394

Ist der Beschwerdewert nicht erreicht, kommen nur – soweit vorgesehen – Erinnerung, Gehörsrüge oder Gegenvorstellung in Betracht.

3395

Kein Mindestwert ist dagegen für die Beschwerde gegen die Anordnung einer Vorauszahlung (§ 67 GKG) erforderlich.

3396

Auch die Rechtsbeschwerde bedarf keiner Mindestbeschwer.1

3397

Wird der Beschwerde teilweise abgeholfen, ist der Wert nach Abhilfe maßgebend. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der jeweiligen Vorschriften kommt es nicht auf die ursprüngliche Beschwer an, sondern auf den Wert des Beschwerdegegenstands, also den Wert, der noch in die Beschwerdeinstanz übergeht.

* Æ Beispiel: Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss legt der Beklagte sofortige Beschwerde ein, da nach seiner Ansicht 250 Euro zu viel festgesetzt worden sind. Der Rechtspfleger hilft i.H.v. 100 Euro teilweise ab. Der Wert des Beschwerdegegenstands beläuft sich nur noch auf 150 Euro. Die Beschwerde ist damit unzulässig. Der Rechtspfleger entscheidet abschließend.2

D. Gebührenstreitwert I. Bewertung 3398

Soweit Kosten betroffen sind, so stellt § 43 GKG (§ 22 GKG a.F.) drei Grundsätze auf: (1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt (§ 43 Abs. 1 GKG). (2) Sind Kosten als Nebenforderungen ohne den Hauptanspruch betroffen, ist ihr Wert maßgebend, soweit ihr Wert den des Hauptanspruchs nicht übersteigt (§ 43 Abs. 2 GKG). (3) Sind die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Betrag der Kosten als Streitwert anzusetzen, soweit der Wert den des Hauptanspruchs nicht übersteigt (§ 43 Abs. 3 GKG).

3399

Die Grundsätze (1) und (2), also § 43 Abs. 1 u. 2 GKG, gelten nur für Kosten als Nebenforderungen, also für solche Kosten, die neben dem Hauptanspruch mit eingeklagt oder anderweitig (Widerklage, Aufrechnung o.Ä.) neben dem Hauptanspruch geltend gemacht werden und damit Streitgegenstand sind.

1 BGH, Beschl. v. 28.10.2004 – III ZB 41/04, MDR 2005, 237 = NJW-RR 2005, 939. 2 Zuletzt OLG Köln, Beschl. v. 24.8.2005 – 17 W 79/05, AGS 2006, 358 mit Anm. N. Schneider = OLGR 2006, 134.

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N. Schneider

Kosten des Rechtsstreits Hierzu gehört insbesondere der Fall, dass vorgerichtliche Anwaltskosten als Schadensersatz mit eingeklagt werden. Die Kosten des Rechtsstreits gehören nicht hierzu. Für die Kosten des Rechtsstreits, also die Kosten, die im Verfahren über den Hauptanspruch anfallen, gilt vielmehr Folgendes:

3400

(1) Soweit die Hauptsache betroffen ist, gilt § 3 GKG. Maßgebend ist nur der Wert des Streitgegenstands. Dazu gehören aber nicht die Kosten,1 sodass sie nicht zu bewerten sind. (2) Soweit die Kosten ohne den Hauptanspruch betroffen sind, werden die Kosten zum Streitgegenstand und damit zur Hauptsache. Maßgebend ist dann der Wert aller betroffenen Kosten, also Anwalts- und Gerichtskosten sowie Parteiauslagen, soweit diese den Hauptanspruch nicht übersteigen. Damit § 43 Abs. 3 GKG greift, müssten die Kosten ausschließlich betroffen sein. Solange auch nur ein Teil der Hauptsache anhängig ist, bleiben die Kosten unberücksichtigt.2 Im Gegensatz zu den vorgerichtlichen Kosten werden die Kosten des Rechtsstreits nicht zur Hauptsache, wenn die Hauptforderung, aus der sie abgeleitet werden nicht (mehr) anhängig ist.

3401

* Æ Beispiel: Die Klage über 10.000 Euro wird i.H.v. 8.000 Euro zurückgenommen und hiernach verhandelt. Der Gegenstandswert reduziert sich auf 8.000 Euro. Die anteiligen Kosten aus den zurückgenommenen 8.000 Euro bleiben unberücksichtigt.

* Æ Beispiel: Eine Widerklage wird zurückgenommen. Solange die Klage anhängig bleibt, werden die Kosten der Widerklage nicht berücksichtigt.3

Zu der Streitfrage, ob bei teilweiser Erledigungserklärung die anteiligen Kosten zu berücksichtigen sind, s. das Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rn. 2140 ff.

3402

II. Gerichtsgebühren Der Wert der Kosten hat für die Gerichtsgebühren nur Bedeutung – wenn nur gegen die Kosten ein Rechtsmittel eingelegt wird – wenn es ausnahmsweise zu Stufenstreitwerten kommt, also z.B. beim Übergang vom Mahnverfahren zum streitigen Verfahren oder beim sog. „Kostenwiderspruch“ in Arrest- oder einstweiligen Verfügungsverfahren.

3403

Soweit eine Gebühr für das gesamte Verfahren im Allgemeinen erhoben wird, stellt sich die Frage des Kostenwertes nicht, da die Gebühr nach dem Wert der Hauptsache erhoben wird.

3404

1 Hartmann, KostG, § 43 GKG Rn. 12. 2 Hartmann, KostG, § 43 GKG Rn. 12. 3 Hartmann, KostG, § 43 GKG Rn. 12.

N. Schneider

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707

Kosten des Rechtsstreits

* Æ Beispiel: Vor der mündlichen Verhandlung wird die Klage zurückgenommen. Das Gericht verhandelt anschließend mündlich über die Kosten. Für die Gerichtsgebühren spielt die Rücknahme keine Rolle. Der Wert der Hauptsache bleibt maßgebend.

* Æ Beispiel: Gegen eine Kostenentscheidung nach §§ 91a, 93 oder 99 ZPO wird Beschwerde eingelegt. Maßgebend für die erste Instanz ist der Wert der Klageforderung. Für das Beschwerdeverfahren ist dagegen gem. § 43 Abs. 3 GKG der Wert der Kostendifferenz zwischen dem Erstattungsanspruch nach der ergangenen und der beantragten Kostenentscheidung maßgebend. Gegen den Mahnbescheid über 3.000 Euro wird Kostenwiderspruch eingelegt. Die Kosten des Mahnverfahrens belaufen sich auf 203,03 Euro. Im Mahnverfahren wird die 0,5-Gebühr nach Nr. 1100 KV GKG aus 3.000 Euro erhoben. Die weitere Gebühr nach Nr. 1210 KV GKG wird dagegen nur aus dem der Kosten, also aus 203,30 Euro erhoben. Es ergeht eine einstweilige Verfügung (Wert 60.000 Euro). Der Antragsgegner legt Widerspruch nur gegen die Kosten ein. Das Gericht entscheidet nach mündlicher Verhandlung über die Kosten und setzt den Wert insoweit auf 2.200,00 Euro fest. Für die 1,5-Verfahrensgebühr der Nr. 1410 KV GKG gilt der Wert von 60.000 Euro. Für die Erhöhung auf eine 3,0-Gebühr nach Nr. 1412 KV GKG gilt der Wert von 2.200 Euro. Zu rechnen ist also wie folgt: 1,5-Gebühr, Nr. 1410 KV GKG (Wert 20.000 Euro) 3,0-Gebühr, Nr. 1412 KV GKG (Wert 2.200 Euro) Gesamt

3405

432,00 Euro 243,00 Euro 675,00 Euro1

Der Wert kann nicht höher sein, als der Wert der Hauptsache (§§ 43 Abs. 3, 47 Abs. 2 GKG).

* Æ Beispiel: Gegen den Mahnbescheid über 250 Euro wird Kostenwiderspruch eingelegt. Die Kosten belaufen sich auf 320 Euro. Im Mahnverfahren gilt der Wert von 250,00 Euro. Im streitigen Verfahren wäre an sich der Wert der Kosten maßgebend. Er wird jedoch begrenzt auf den Wert der Hauptsache, also 250,00 Euro.

III. Anwaltsgebühren 3406

Für die Anwaltsgebühren kommt die Anwendung des § 43 Abs. 3 GKG häufiger in Betracht, da hier Stufenstreitwerte in größerem Umfang möglich sind.

3407

Neben den zu den Gerichtsgebühren geschilderten Fällen kommt in Betracht, dass einzelne Gebühren nur aus den Kosten des Rechtsstreits anfallen. Dann ist für diese Gebühren nur der Wert der Kosten maßgebend (§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. § 43 Abs. 3 GKG).

3408

Hierzu zählen insbesondere die Fälle, in denen nach Erledigung der Hauptsache, Klagerücknahme, Rücknahme eines Rechtsmittels etc. nur noch über die Kosten verhandelt oder eine Einigung geschlossen wird. 1 Die Höchstgrenze des § 36 Abs. 3 GKG, nicht mehr als 3,0 aus dem Gesamtwert von 60.000 Euro (= 1.668 Euro), ist nicht erreicht.

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N. Schneider

Kosten des Rechtsstreits

* Æ Beispiel: Vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung wird die Klageforderung bezahlt. Es wird dann im Termin nur noch über die Kosten (§ 91a ZPO) verhandelt. Für Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) gilt der Wert der Hauptsache. Für den Wert der Terminsgebühr der Anwälte (Nr. 3104 VV RVG) maßgebend ist der Wert aller bis zur Erledigung angefallenen Kosten (Gerichts- und Anwaltskosten sowie Parteiauslagen), soweit diese die Klageforderung nicht übersteigen (§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. § 43 Abs. 3 GKG). Nach übereinstimmender Erledigung der Hauptsache schließen die Anwälte für ihre Parteien einen Vergleich über die Kosten. Für Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) gilt der Wert der Hauptsache. Für den Wert der Einigungsgebühr der Anwälte (Nrn. 1000, 1003 VV RVG) gilt wiederum der Wert aller bis zur Erledigung angefallenen Kosten (Gerichts- und Anwaltskosten sowie Parteiauslagen), soweit diese die Klageforderung nicht übersteigen (§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. § 43 Abs. 3 GKG). Nach übereinstimmender Erledigung der Hauptsache vor mündlicher Verhandlung erkennt der Beklagte die Kostenlast in der mündlichen Verhandlung an. Für Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) gilt wieder der Wert der Hauptsache. Für den Wert der Terminsgebühr der Anwälte (Nr. 3104 VV RVG) gilt wiederum der Wert aller bis zur Erledigung angefallenen Kosten (Gerichts- und Anwaltskosten sowie Parteiauslagen), soweit diese die Klageforderung nicht übersteigen (§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. § 43 Abs. 3 GKG).

Soweit die Kosten noch nicht exakt feststehen, müssen diese abgeschätzt werden, was anhand der Gebührentabellen zum RVG und GKG problemlos möglich ist. Zu beachten ist, dass auch Auslagen mit geschätzt werden müssen (Reisekosten des Anwalts, Parteiauslagen, Sachverständigenkosten, Zeugenauslagen etc.).

3409

Möglich ist, dass auch nur ein Teil der Kosten betroffen ist. Dann ist nur der entsprechende Teil maßgebend.

3410

* Æ Beispiel: Der Kläger nimmt seine Klage über 10.000 Euro i.H.v. 5.000 Euro zurück. In Höhe der weiteren 5.000 Euro wird der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Parteien vergleichen sich, dass die Kosten des erledigten Verfahrens gegeneinander aufgehoben werden. Im Übrigen entscheidet das Gericht nach § 269 Abs. 3 ZPO. Für Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) gilt wieder der Wert der Hauptsache. Für den Wert der Einigungsgebühr der Anwälte gilt der Wert aller bis zur Erledigung angefallenen Kosten (Gerichts- und Anwaltskosten sowie Parteiauslagen), soweit diese sich aus 5.000 Euro berechnen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 3, 36 Abs. 1 GKG), also hier im Zweifel auf die Hälfte der Gesamtkosten.

Bei den Anwaltsgebühren kann es darüber hinaus auch vorkommen, dass eine Gebühr zu unterschiedlichen Sätzen aus der Hauptsache und aus den Kosten des Rechtsstreits anfällt. Es gilt dann § 15 Abs. 3 RVG mit der Maßgabe, dass kein höherer Wert als die Hauptsache angenommen werden darf.

* Æ Beispiel: Nach Klageerhebung (5.000 Euro) bleibt der Beklagte im ersten Termin säumig. Das Gericht erlässt auf Antrag des Klägers ein Versäumnisurteil. Nach Einspruch wird vor dem zweiten Termin die Klageforderung bezahlt. Es wird dann im Termin nur noch über die Kosten des Rechtsstreits (§ 91a ZPO) verhandelt. Der Wert der Kosten wird auf 1.600 Euro festgesetzt. Die 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) und die 0,5-Terminsgebühr nach Nrn. 3104, 3105 VV RVG sind aus dem Wert der Klageforderung angefallen, die 1,2-

N. Schneider

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709

3410a

Kostenfestsetzungsverfahren Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG ist dagegen aus dem Wert der Kosten angefallen (§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. § 43 Abs. 3 GKG). Insgesamt erhält der Anwalt jedoch nicht mehr als eine 1,2-Gebühr aus dem Wert der Hauptsache, da bei der Ermittlung des Gesamtbetrages i.S. des § 15 Abs. 3 RVG zu berücksichtigen ist, dass die Kosten neben der Hauptsache nicht berücksichtigt werden. Zu rechnen ist wie folgt: 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 5000 Euro) 2. 0,5-Terminsgebühr, Nr. 3104, 3105 VV RVG (Wert: 5.000 Euro) 3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 1.600 Euro) (die Grenze des § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als 1,2 aus 5.000 Euro, 361,20 Euro ist nicht erreicht) 4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

3411

391,30 Euro 150,50 Euro 159,60 Euro

20,00 Euro 721,40 Euro 137,07 Euro 858,47 Euro

Eine Wertfestsetzung von Amts wegen für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren ist in diesen Fällen unzulässig, da keine Gerichtsgebühren anfallen. Der Wert darf nur auf Antrag im Verfahren nach § 33 RVG festgesetzt werden.

Kostenfestsetzungsverfahren Gliederungsübersicht Rn. A. Überblick I. Gerichtsgebühren . . . . . . . . 3412 II. Anwaltsgebühren . . . . . . . . 3414 III. Beschwerdewert . . . . . . . . . 3417 B. Gegenstandswert im Festsetzungsverfahren (§§ 103 ff. ZPO) I. Kostenfestsetzungsverfahren . . 3418 II. Kostenausgleichungsverfahren . 3419 III. Erinnerungsverfahren . . . . . . 3421

Rn. IV. Beschwerdeverfahren . . . . . . 3425 V. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . 3426 C. Wert des Beschwerdegegenstands I. Erreichen des Beschwerdewertes als Zulässigkeitsvoraussetzung . 3428 II. Wertberechnung . . . . . . . . . 3430 D. Bindung an die Streitwertfestsetzung im Ausgangsverfahren . 3440

A. Überblick I. Gerichtsgebühren 3412

Gerichtsgebühren fallen im Kostenfestsetzungsverfahren nicht an. Das Kostenfestsetzungsverfahren wird durch die jeweilige Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen abgegolten; das Gleiche gilt für das Erinnerungsverfahren, sodass in beiden Fällen eine Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG ausscheidet.

3413

Im Beschwerdeverfahren entsteht, sofern die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird, eine wertunabhängige Gebühr i.H.v. 50 Euro (Nr. 1811 KV GKG) und im Rechtsbeschwerdeverfahren i.H.v. 100 Euro (Nr. 1824 KV GKG). Eine Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG kommt daher auch hier nicht in Betracht. 710

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N. Schneider

Kostenfestsetzungsverfahren

II. Anwaltsgebühren Für den jeweiligen Verfahrensbevollmächtigten zählt die Tätigkeit im Kostenfestsetzungsverfahren zur Instanz (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14 RVG), sodass es auch hier grundsätzlich keiner Wertfestsetzung bedarf.

3414

Lediglich für den nur mit der Festsetzung als Einzeltätigkeit beauftragten Anwalt fallen gesonderte Gebühren nach Nr. 3403 VV RVG an.1 Hier ist der Gegenstandswert ggf. auf Antrag eines Beteiligten nach § 33 Abs. 1 RVG festzusetzen.

3415

Unabhängig davon, ob der Anwalt im Ausgangsverfahren als Verfahrensbevollmächtigter beauftragt war oder nicht, fallen sowohl im Erinnerungs- als auch im Beschwerdeverfahren die 0,5-Gebühren nach Nr. 3500 ff. VV RVG an und im Rechtsbeschwerdeverfahren die 1-0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3502 VV RVG. Diese Gebühren sind wertabhängig (§ 2 Abs. 1 RVG), sodass auf Antrag eines Beteiligten nach § 33 Abs. 1 RVG ein Gegenstandswert festzusetzen ist.

3416

III. Beschwerdewert Gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss kann nach § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO sofortige Beschwerde erhoben werden. Nach § 567 Abs. 2 ZPO ist diese allerdings nur dann zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 200 Euro übersteigt. Hier ist daher ggf. eine gerichtliche Wertfestsetzung erforderlich.

3417

B. Gegenstandswert im Festsetzungsverfahren (§§ 103 ff. ZPO) I. Kostenfestsetzungsverfahren Im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103, 104 ZPO richtet sich der Gegenstandswert nach dem Betrag der zur Festsetzung angemeldeten Kosten. Ob diese bestritten werden oder nicht, ist unerheblich.

3418

II. Kostenausgleichungsverfahren Ist ein Kostenausgleichungsverfahren nach § 106 ZPO durchzuführen, so richtet sich der Wert nach dem vom Erstattungsgläubiger begehrten Saldobetrag, wenn die einzelnen Positionen unstreitig bleiben.

3419

Im Übrigen gilt § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG i.V.m. § 45 Abs. 3 GKG. Soweit einzelne Positionen des Erstattungsberechtigten streitig sind, und ihnen streitige Positionen des Erstattungspflichten gegenüberstehen, die ebenfalls streitig sind, ist der Wert der streitigen Forderungen des Erstattungspflichten bis zur Höhe der streitigen Forderungen des Erstattungsberechtigten hinzuzurechnen.

3420

1 VG Potsdam, Beschl. v. 31.7.2009 – 11 KE 21/09, AGS 2010, 366 = Rpfleger 2009, 700; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.11.1963 – 10 W 204/63, NJW 1964, 1233 = JurBüro 1964, 367 = JMBl.NW 1964, 33; AnwK-RVG/N. Schneider, Nr. 3403 VV RVG Rn. 23.

N. Schneider

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Kostenfestsetzungsverfahren

* Æ Beispiel: Die Kosten sind zu 25 % dem Kläger auferlegt worden und zu 75 % dem Beklagten. Der Kläger meldet 1.500 Euro an, der Beklagte 1.860 Euro, a) Beide Forderungen sind unstreitig. b) Die Forderung des Klägers ist i.H.v. 300 Euro streitig; die des Beklagten ist insgesamt unstreitig. c) Die Forderung des Klägers ist unstreitig, die des Beklagten ist i.H.v. 360 Euro streitig. d) Die Forderung des Klägers ist i.H.v. 300 Euro streitig; die des Beklagten ist i.H.v. 360 Euro streitig. Der Gegenstandswert bemisst sich immer nach dem Interesse des Erstattungsberechtigten, also nach der Forderung, die sich nach seiner Auffassung ergibt: Im Fall a) beläuft sich der Gegenstandswert auf 1.500 Euro – (1.500 Euro + 1.860 Euro) 6 25 % = 660 Euro, da dieser Betrag nach dem Antrag des Klägers zu seinen Gunsten festzusetzen wäre. Im Fall b) ist unerheblich, dass die Forderung des Klägers streitig ist. Der Gegenstandswert beläuft sich wiederum auf 1.500 Euro – (1.500 Euro + 1.860 Euro) 6 25 % = 660 Euro, da dieser Betrag nach dem Antrag des Klägers zu seinen Gunsten festzusetzen wäre. Im Fall c) beläuft sich der Gegenstandswert auf 1.500 Euro – (1.500 Euro + 1.500 Euro) 6 25 % = 750 Euro. Blieben die streitigen 360 Euro aufseiten des Beklagten unberücksichtigt, wären jetzt 750 Euro zugunsten des Klägers festzusetzen. Im Fall d) beläuft sich der Gegenstandswert auf 1.500 Euro – (1.500 Euro + 1.500 Euro – 360 Euro) 6 25 % = 840 Euro. Neben dem nach dem Vortrag des Klägers festzusetzenden 750 Euro sind die vom Beklagten streitig zur Ausgleichung gestellten (25 % aus 360 Euro) mit zu berücksichtigen.

III. Erinnerungsverfahren 3421

Der Gegenstandswert richtet sich im Erinnerungsverfahren nach § 23 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 RVG. Maßgebend ist der mit der Erinnerung per Saldo geltend gemachte Betrag.

3422

Zu beachten ist, dass mehrere Erinnerungen, die sich gegen denselben Festsetzungsbeschluss richten, eine Angelegenheit sind (§ 16 Nr. 10 Buchst. a RVG).1 Daher sind die einzelnen Werte nach (§ 22 Abs. 1 RVG) zu addieren.

3423

Das gilt sowohl bei mehreren Erinnerungen derselben Partei (§ 22 Abs. 1 RVG) als auch bei wechselseitigen Erinnerungen (entsprechend § 45 Abs. 1 GKG).

3424

Ausreichend dürfte es grundsätzlich sein, wenn das Gericht den Gesamtwert festsetzt. Eine gesonderte Wertfestsetzung der nach § 16 Nr. 10 Buchst. a RVG zusammengefassten Erinnerungen ist allerdings dann erforderlich, wenn Gebühren aus Teilwerten anfallen.

* Æ Beispiel: Der Kläger legt gegen die Absetzung der Reisekosten Erinnerung ein, der Beklagte gegen die Absetzung seiner Verkehrsanwaltskosten. Der Kläger tritt der Erinnerung des Beklagten entgegen, während sich der Beklagte an der Erinnerung des Klägers nicht beteiligt. Für den Kläger gilt der Gesamtwert (§§ 16 Nr. 10 Buchst. a, 23 Abs. 2 Satz 1, 22 Abs. 1 RVG); für den Beklagten gilt dagegen nur der Wert seiner Erinnerung. 1 AnwK-RVG/N. Schneider, § 16 Rn. 132 ff.

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N. Schneider

Kostenfestsetzungsverfahren

IV. Beschwerdeverfahren Im Beschwerdeverfahren gelten die gleichen Grundsätze wie im Erinnerungsverfahren (§ 23 Abs. 2 Satz 1 RVG).

3425

V. Rechtsbeschwerde Auch im Beschwerdeverfahren gelten die gleichen Grundsätze wie im Erinnerungsverfahren (§ 23 Abs. 2 Satz 1 RVG).

3426

Legt eine Partei Erinnerung und die andere Beschwerde, dann wird die Erinnerung als Anschlussbeschwerde behandelt.1 Die Werte sind nach § 16 Nr. 10 Buchst. b RVG zu addieren.

3427

C. Wert des Beschwerdegegenstands I. Erreichen des Beschwerdewertes als Zulässigkeitsvoraussetzung Die Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss oder die Ablehnung der Kostenfestsetzung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 200 Euro überschreitet (§ 104 Abs. 3 i.V.m. § 567 Abs. 2 ZPO). Die Möglichkeit einer wertunabhängigen Zulassung besteht hier nicht.

3428

Die Rechtsbeschwerde ist dagegen wertunabhängig zulässig. Eine Mindestbeschwer ist nicht erforderlich.2 Die Rechtsbeschwerde muss allerdings zugelassen sein (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).

3429

II. Wertberechnung Der Wert des Beschwerdegegenstands berechnet sich, da es um den Rechtsmittelstreitwert geht, nach den §§ 3 ff. ZPO.

3430

Maßgebend ist der Betrag, der nach Ansicht des Beschwerdeführers oder der Beschwerdeführer zu Unrecht zugebilligt oder aberkannt worden ist und der weiterverfolgt wird. Die Beschwer ist also nicht (mehr) entscheidend. Es kommt auf den tatsächlichen Umfang der Anfechtung an.

3431

So ist eine Beschwerde unzulässig, wenn der Beschwerdeführer durch die Kostenfestsetzung zwar mit über 200 Euro beschwert ist, aber nur wegen einer Position im Wert von bis zu 200 Euro Beschwerde einlegt.

3432

Es sind zu vergleichen die festgesetzten Kosten mit den darüber hinaus im Beschwerdeverfahren verlangten oder den bestrittenen Positionen, je nachdem welche Partei die Festsetzung beanstandet. Der Differenzbetrag ist gleich dem Wert des Beschwerdegegenstands.

3433

Mehrere Positionen sind zu addieren (§ 5 ZPO), wobei unerheblich ist, ob es sich um eigene abgesetzte Positionen handelt oder um Positionen, die zugunsten der Gegenseite festgesetzt worden sind oder um beides.

3434

1 Ausführlich AnwK-RVG/N. Schneider, § 16 Rn. 132 ff. 2 BGH, Beschl. v. 28.10.2004 – III ZB 41/04, AGS 2005, 26 mit Anm. N. Schneider = MDR 2005, 237 = FamRZ 2005, 196.

N. Schneider

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Kostenfestsetzungsverfahren 3435

Zu beachten ist, dass im Falle einer Kostenquote nur auf die entsprechende Quote ankommt.

* Æ Beispiel: Die Kosten sind zu 40 % dem Kläger auferlegt worden und zu 60 % dem Beklagten. Das Gericht hat Reisekosten des Klägers i.H.v. 300 Euro als nicht erstattungsfähig angesehen. Wenn der Kläger die Absetzung der Reisekosten angreift, ergibt sich ein Wert des Beschwerdegegenstands i.H.v. 60 % 6 300 Euro, also i.H.v. 180 Euro. Die Beschwerde ist unzulässig.

3436

Zu beachten ist auch eine Reduzierung infolge einer Kostenausgleichung.

* Æ Beispiel: Die Kosten sind zu 30 % dem Kläger auferlegt worden und zu 70 % dem Beklagten. Das Gericht hat auf beiden Seiten eine Einigungsgebühr (jeweils 338 Euro) abgesetzt. Wenn der Kläger die Absetzung der Einigungsgebühr angreift, ergibt sich vermeintlich ein Wert des Beschwerdegegenstands i.H.v. 70 % 6 338 Euro, also i.H.v. 236,60 Euro, sodass die Beschwerde zulässig erscheint. Zu beachten ist aber, dass das Gericht einheitlich entscheiden muss. Auch auf Seiten des Beklagten müsste dann die Einigungsgebühr berücksichtigt werden, sodass 30 % aus 338 Euro = abzuziehen sind, die im Wege der Kostenausgleichung den festzusetzenden Betrag wieder verringern. Der Wert des Beschwerdegegenstands beträgt daher im Ergebnis nur (236,60 Euro – 101,40 Euro =) 135,20 Euro. Die Beschwerde ist unzulässig.

3437

Reduziert sich nach Teilabhilfe der Wert des Beschwerdegegenstands auf 200 Euro oder darunter, wird die Beschwerde unzulässig. Der Beschwerdewert muss zum Zeitpunkt des Eingangs beim Beschwerdegericht noch gegeben sein.

3438

Soweit der Wert des Beschwerdegegenstands nicht erreicht ist, bleibt allerdings befristete die Erinnerung (§ 11 Abs. 2 Satz 1 RPflG).

3439

Zum Wert des Beschwerdegegenstands bei übersehenem Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung s. das Stichwort „Haftungsbeschränkung“.

D. Bindung an die Streitwertfestsetzung im Ausgangsverfahren 3440

Der Streitwertfestsetzungsbeschluss, der im Ausgangsverfahren für die Kostenrechnung ergeht, wirkt für und gegen die am Kostenfestsetzungsverfahren Beteiligten.1

3441

Ergeht nach der Kostenfestsetzung eine abweichende Streitwertfestsetzung für das Ausgangsverfahren, so ist auf Antrag die Kostenfestsetzung abzuändern (§ 107 Abs. 1 ZPO). Der Antrag muss innerhalb einer Frist von einem Monat gestellt werden (§ 107 Abs. 2 ZPO). Hiernach kommt nur eine einfache Nachfestsetzung in Betracht bzw. materiell-rechtliche Ausgleichsansprüche, i.d.R. nach Bereicherungsrecht.

3442

Wird bereits während des Kostenfestsetzungsverfahrens die Streitwertfestsetzung oder -abänderung beantragt oder Streitwertbeschwerde erhoben, so ist das Festsetzungsverfahren zweckmäßigerweise bis zur Entscheidung über den

1 OLG Hamm, Beschl. v. 13.12.1955 – 8 W 219/55, Rpfleger, 1956, 77; Zöller/Herget, § 104 Rn. 21 Terminsgebühr; von Eicken/Hellstab/Lappe/Madert/Mathias, Die Kostenfestsetzung, 20. Aufl. 2010, Rn. B 79 ff.

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N. Schneider

Kostenwiderspruch Festsetzungs- oder Abänderungsantrag oder die Beschwerde oder ggf. sogar über die weitere Beschwerde auszusetzen (analog § 11 Abs. 4 RVG).1

Kostenwiderspruch Literatur: N. Schneider, AGS 2008, 373.

In Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, insbesondere solchen in Wettbewerbssachen, kann ein Widerspruch auf den Kostenpunkt beschränkt werden (sog. Kostenwiderspruch).2

3443

Diese Beschränkung des Widerspruchs muss sich aus der Formulierung des Antrags hinreichend deutlich ergeben. Legt der Antragsgegner „Widerspruch“ gegen eine einstweilige Verfügung ein und kündigt er an, im Termin den Anspruch unter Protest gegen die Kostenlast anerkennen zu wollen, dann handelt es sich nicht um einen Kostenwiderspruch, sondern um einen Widerspruch in der Hauptsache3 mit der Folge, dass auch der Wert der Hauptsache entscheidend ist.

3444

Dem Ansatz des vollen Gebührenstreitwerts kann der Widerspruchsführer daher nur entgehen, wenn er den Widerspruch bereits im Antrag auf die Kosten beschränkt oder zumindest in der Widerspruchsbegründung eine Klarstellung seines uneingeschränkten Antrages bringt.

3445

* Æ Beispiel: „In dem einstweiligen Verfügungsverfahren ... lege ich namens und im Auftrag des Antragsgegners gegen den Beschluss vom ... insoweit Widerspruch ein, als die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner auferlegt wurden. Es wird beantragt, die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen“.

Eine solche Beschränkung des Widerspruchs hat auch Auswirkungen auf den Streitwert. Dieser bemisst sich für das Widerspruchsverfahren dann nur noch aus dem Wert der bisher angefallenen Kosten. Entsprechend fällt die anwaltliche 1,2-Terminsgebühr der nachfolgenden mündlichen Verhandlung (Nr. 3104 VV RVG) und die erstattungsfähige 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) für den Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners nur aus dem Streitwert der Kosten an.4

3446

Ob darüber hinaus noch eine verminderte 0,8-Verfahrensgebühr aus dem Hauptsachestreitwert entsteht, hängt vom Inhalt des anwaltlichen Auftrags ab: – War der Mandant von Anfang an entschlossen, die einstweilige Verfügung zu akzeptieren und wollte sich nur gegen die Kostenentscheidung wehren,

3447

1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2010 – 6 W 21-23/10, AGS 2010, 568. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.10.1981 – 6 W 60/81, WRP 1982, 226; KG, Beschl. v. 25.5.1982 – 1 W 1971/82, JurBüro 1982, 853. 3 KG, Beschl. v. 25.5.1982 – 1 W 1971/82, JurBüro 1982, 853; Zöller/Herget, § 93 Rn. 6 unter „Kostenwiderspruch“ m.w.N. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.5.1990 – 6 W 83/90, JurBüro 1990, 1332; OLG Frankfurt, JurBüro 1982, 283; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.3.1985 – 10 W 30/85, JurBüro 1985, 1501 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 772; KG, Beschl. v. 19.3.1985 – 1 W 4870/84, MDR 1985, 770; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.10.2007 – 6 W 58/07, MDR 2007, 1455.

Onderka

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Kraftfahrzeug dann kann für den Anwalt mangels eines entsprechenden Auftrags keine Verfahrensgebühr aus dem Hauptsachewert entstanden sein.1 – Hatte der Prozessbevollmächtigte dagegen zunächst einen umfassenden Verfahrensauftrag und kommt er bei der Prüfung der Erfolgsaussichten zu dem Ergebnis, dass nur gegen die Kostenentscheidung Widerspruch eingelegt werden sollte, erhält er darüber hinaus eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV RVG aus dem Wert der einstweiligen Verfügung.2 Denn in diesem Fall bezieht sich der Auftrag zunächst auch auf das Verfahren in der Hauptsache. Die Summe der 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert und der 0,8-Verfahrensgebühr aus der Hauptsache darf dabei gem. § 15 Abs. 3 RVG eine 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Hauptsachewert nicht überschreiten. 3448

Bei der Ermittlung des Kostenstreitwerts bleibt die Gerichtskostenfreiheit einer Partei außer Betracht.3

3449

Legt der Beklagte gegen ein Versäumnisurteil Einspruch ein und will er damit nur eine Abänderung des Kostentenors erreichen (sog. Kosteneinspruch), dann bestimmt sich der Streitwert für das Verfahren über den Einspruch nur nach denjenigen Kosten, mit denen sich der Beklagte zu Unrecht belastet fühlt, höchstens allerdings nach dem Wert der Hauptsache (§ 43 Abs. 3 GKG).

3450

Gleiches gilt nach Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid oder Widerspruch gegen einen Mahnbescheid.

Kraftfahrzeug 3451

Der Streitwert einer Klage auf Herausgabe eines Kraftfahrzeugs bestimmt sich gem. § 6 ZPO nach dem Wert des Wagens, und zwar nach dessen Verkehrswert im Zeitpunkt der Instanzeinleitung (§ 4 Abs. 1, 1. Halbs. ZPO). Der gleiche Wert gilt auch für die Gerichts- und Anwaltsgebühren (§§ 40, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG).

1 BGH, Beschl. v. 22.5.2003 – I ZB 38/02, MDR 2003, 955; OLG Hamburg, Beschl. v. 7.7.2008 – 8 W 118/08, AGS 2008, 413; OLG Köln, Beschl. v. 15.7.1998 – 17 W 135/98, JurBüro 1999, 244; OLG Celle, Beschl. v. 8.6.1988 – 8 W 237/88, JurBüro 1988, 1499; OLG Koblenz, Beschl. v. 12.3.1986 – 14 W 178/86, Rpfleger 1986, 407; OLG München, Beschl. v. 3.9.2001 – 29 W 2377/01, ZUM-RD 2002, 244; OLG Hamburg, Beschl. v. 8.8.1984 – 8 W 163/84, JurBüro 1985, 283; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.3.1985 – 10 W 30/85, JurBüro 1985, 1501; OLG Frankfurt, Beschl. v. 22.5.1990 – 6 W 60/81, JurBüro 1990, 1332. 2 OLG München, Beschl. v. 31.8.2005 – 11 W 1883/05, OLGR 2005, 818 = AGS 2005, 496; KG, Beschl. v. 25.5.1982 – 1 W 1971/82, JurBüro 1982, 853; Zöller/Herget, § 93 Rn. 6 unter „Kostenwiderspruch“ m.w.N.; Onderka/Schneider in Schneider/Wolf, RVG, VV Vorb. 3 Rn. 95 ff. 3 OLG Hamburg, Beschl. v. 14.8.1992 – 8 W 177/92, MDR 1993, 183.

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N. Schneider

Kraftfahrzeugbrief

Kraftfahrzeugbrief Gliederungsübersicht A. Zuständigkeitsstreitwert

Rn. . . . . 3452

B. Beschwer des verurteilten Besitzers . . . . . . . . . . . . . . . . 3459 C. Gebührenstreitwert I. Klageverfahren . . . . . . . . . . 3460

Rn. II. Beschwerdeverfahren . . . . . . . 3461 III. Klage- und Widerklage (Herausgabe des Fahrzeugs/Herausgabe des Briefes) . . . . . . . . . . . . 3462 IV. Einstweilige Verfügung . . . . . 3464

A. Zuständigkeitstreitwert Der Zuständigkeitstreitwert einer Klage auf Herausgabe eines Kfz-Briefes bestimmt sich weder nach dem Sachwert des Briefes noch nach dem vollen Wert des Fahrzeugs, sondern nach dem Interesse des Klägers an der Verfügungsgewalt über das Dokument.1 Dieses Interesse ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Es ist auf jeden Fall höher zu bewerten als die Kosten der Beschaffung eines neuen Briefes2 oder die Kosten der Kraftloserklärung.3

3452

Geht es lediglich um die Herausgabe des Briefes und ist das Fahrzeug durch den fehlenden Brief nicht in seiner Nutzung beeinträchtigt, so ist nach OLG Düsseldorf4 lediglich ein Bruchteil i.H.v. 1/10 des Verkehrswertes anzunehmen.

3453

Verweigert der Besitzer des Briefes die Herausgabe unter Berufung auf sein Eigentum am Fahrzeug, so ist ein höherer Wert als 1/10 anzusetzen. Sofern keine Gefährdung der Vermögensinteressen vorliegt, ist nach OLG Düsseldorf5 in diesem Fall ein Wert i.H.v. 1/3 des Verkehrswertes maßgebend.

3454

Dagegen nehmen OLG Köln,6 OLG Nürnberg7 und LG Augsburg8 grundsätzlich einen Betrag in Höhe des hälftigen Fahrzeugwertes an.9

3455

1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.5.1999 – 11 W 23/99, MDR 1999, 891 = AnwBl. 2000, 140; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7.8.1990 – 5 W 145/90, JurBüro 1990, 1661; OLG Nürnberg, Beschl. v. 8.5.1969 – 6 W 33/68, MDR 1969, 1020; OLG Neustadt, Beschl. v. 11.4.1963 – 2 W 27/63, JurBüro 1963, 764; OLG Köln, Beschl. v. 21.11.1961 – 4 W 89/61, JurBüro 1962, 168; KG, Beschl. v. 16.4.1958 – 15 W 564/58, Rpfleger 1962, 154; LG Bochum, Beschl. v. 6.7.1983 – 11 T 44/83, AnwBl. 1984, 202; LG Augsburg, Beschl. v. 3.11.2000 – 10 T 4495/00, JurBüro 2001, 143. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.5.1999 – 11 W 23/99, MDR 1999, 891 = AnwBl. 2000, 140 = DB 1999, 1489 = NZG 1999, 941. 3 OLG Neustadt, Beschl. v. 11.4.1963 – 2 W 27/63, JurBüro 1963, 764. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.5.1999 – 11 W 23/99, MDR 1999, 891 = AnwBl. 2000, 140 und KG, Beschl. v. 16.4.1958 – 15 W 564/58, Rpfleger 1962, 154. 5 OLG Düsseldorf, DB 1999, 1489 = NZG 1999, 941. 6 OLG Köln, Beschl. v. 21.11.1961 – 4 W 89/61, JurBüro 1962, 168 = JMBl.NW 1962, 168. 7 OLG Nürnberg, MDR 1969, 1020. 8 LG Augsburg, Beschl. v. 3.11.2000 – 10 T 4495/00 = JurBüro 2001, 143 = KostRsp. ZPO § 6 Nr. 172 mit Anm. N. Schneider; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.5.1999 – 11 W 23/99, MDR 1999, 891 = AnwBl. 2000, 140 = JurBüro 2001. 143 mit Anm. Hock. 9 Ebenso AG Stuttgart, Beschl. v. 2./4.11.1966 – 16 C 9396/66, AnwBl. 1967, 454.

N. Schneider

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Kraftfahrzeugbrief 3456

Die Bewertung im Ergebnis offen gelassen hat das LG Bochum,1 das den Streitwert mindestens mit 1/10 des Fahrzeugwertes, höchstens jedoch mit der Hälfte bewerten will.

3457

Als Bewertungsgrundlage für den Bruchteil ist der Verkehrswert zugrunde zu legen. Bei Neufahrzeugen kommt es also auf den Listenpreis an;2 bei gebrauchten Fahrzeugen ist auf der Zeitwert abzustellen.3 Dieser Wert kann ggf. anhand der Schwacke-Liste ermittelt werden.4

3458

Denkbar ist auch, dass der Wert des Briefes höher zu bewerten ist, als der Wert des Fahrzeugs, etwa dann, wenn das Fahrzeug faktisch keinen Wert mehr hat, der Brief aber für den Eigentümer von besonderer Bedeutung ist.

B. Beschwer des verurteilten Besitzers 3459

Hinsichtlich der Beschwer des verurteilten Besitzers ist anders zu bewerten. Hier kommt es nach OLG Nürnberg5 nur auf den Wert des Briefes (hier 20 DM) an; höherwertige Pfand- oder Zurückbehaltungsrechte bleiben gem. § 6 Satz 2 ZPO außer Betracht.

C. Gebührenstreitwert I. Klageverfahren 3460

Es gelten über § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG die gleichen Grundsätze wie für den Zuständigkeitsstreitwert. Das gilt auch für die Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG)

II. Beschwerdeverfahren 3461

Hier gelten über § 47 Abs. 1 GKG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG wiederum die gleichen Grundsätze wie für die Beschwer. Auch dies gilt auch für die Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG).

III. Klage- und Widerklage (Herausgabe des Fahrzeugs/Herausgabe des Briefes) 3462

Wird auf Herausgabe des Briefes geklagt und widerklagend auf Herausgabe des Fahrzeugs oder umgelehrt, so findet nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG keine Wertaddition statt, da beiden Klagen derselbe Streitgegenstand im Sinne dieser Vorschrift zugrunde liegt. Maßgebend ist der höhere Wert. Dies ist i.d.R. der Wert der Forderung auf Herausgabe des Fahrzeugs.6 Fälle, in denen der Brief 1 2 3 4 5 6

LG Bochum, Beschl. v. 6.7.1983 – 11 T 44/83, AnwBl. 1984, 202. OLG Köln, Beschl. v. 21.11.1961 – 4 W 89/61, JurBüro 1962, 168. LG Augsburg, Beschl. v. 3.11.2000 – 10 T 4495/00 = JurBüro 2001, 143. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7.8.1990 – 5 W 145/90, JurBüro 1990, 1661. OLG Nürnberg, Beschl. v. 29.4.1968 – 6 W 33/68, MDR 1969, 1020. OLG Frankfurt, MDR 1961, 87; a.A. Göttlich/Mümmler/Rehberg/Xanke, Kraftfahrzeug 1.2., die sich allerdings zu Unrecht auf OLG Frankfurt, MDR 1961, 87 und KG, Beschl. v. 16.4.1958 – 15 W 564/58, Rpfleger 1962, 154 berufen.

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N. Schneider

Kraftfahrzeugschlüssel einen höheren Wert hat als das Fahrzeug sind zwar denkbar, aber in der Praxis eher selten. Unzutreffend ist es im Fall von Klage- und Widerklage, für den Klageantrag auf Herausgabe des Briefes keinen Streitwert festzusetzen.1 Dieser Antrag hat durchaus einen eigenen Wert, der z.B. dann zum Tragen kommt, wenn danach gesonderte Gebühren anfallen (§ 36 Abs. 1 GKG). Dies gilt insbesondere für die Anwaltsgebühren, die ggf. nur aus dem Wert der Klage oder der Widerklage entstehen können.

3463

IV. Einstweilige Verfügung Wird die Herausgabe des Briefes im Wege der einstweiligen Verfügung verlangt, um das Fahrzeug veräußern zu können, richtet sich der Wert nach § 53 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Das OLG Saarbrücken2 nimmt auch hier den hälftigen Wert des Fahrzeugs an.

3464

Kraftfahrzeugschlüssel Nach OLG Düsseldorf3 orientiert sich der Streitwert für die Herausgabe von Fahrzeugschlüsseln am Wert der Schlüssel (nicht des Fahrzeugs), allerdings unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Fahrzeug bei deren Vorenthaltung nicht genutzt werden kann. Zur Wertermittlung kann auf die fiktiven Kosten der Beschaffung von Zweitschlüsseln oder der Erneuerung der Schließanlage4 abgestellt werden.

3465

Nach anderer Auffassung bestimmt sich der Streitwert einer Klage auf Herausgabe der Schlüssel eines Kraftwagens gem. § 6 ZPO nach einem Bruchteil dem Wert des Wagens. Maßgebend ist, wie sehr der Verlangende auf den Schlüssel angewiesen ist. Kann das Fahrzeug ohne Schlüssel nicht benutzt werden, ist von einem hohen Bruchteil, ggf. dem vollen Wert auszugehen. Ist das Interesse gering (Not-, Zweit- oder Drittschlüssel), kann von einem geringen Bruchteil ausgegangen werden.

3466

Wird die Herausgabe der Schlüssel im Wege der einstweiligen Verfügung verlangt, um das Fahrzeug veräußern zu können, richtet sich der Wert nach § 53 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Wegen der Dringlichkeit kann ein höherer Wert anzusetzen sein. Das OLG Saarbrücken5 nimmt hier den hälftigen Wert des Fahrzeugs an.

3467

1 2 3 4

So aber OLG Frankfurt, MDR 1961, 87. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7.8.1990 – 5 W 145/90, JurBüro 1990, 1661. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.12.1992 – 11 W 123/92, OLGR 1993, 79. So LAG Schleswig in einem vergleichbaren arbeitsrechtlichen Fall, AE 2007, 275 = JurBüro 2007, 238 und 258. 5 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7.8.1990 – 5 W 145/90, JurBüro 1990, 1661; ebenso OLG Nürnberg, Beschl. v. 8.5.1969 – 6 W 33/68, MDR 1969, 1020.

N. Schneider

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Kraftloserklärung

Kraftloserklärung 3468

Im Verfahren zwecks Kraftloserklärung eines Hypotheken-, Grundschuldoder Rentenbriefes bemisst sich der Streitwert nach dem Interesse des Antragstellers daran, dass für den verloren gegangenen Hypothekenbrief Ersatz beschafft wird.

3469

Der Wert ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG am Interesse der Ersatzbeschaffung und nicht nach § 6 ZPO am Betrag der Forderung zu bewerten.1 Maßgeblich sind im Regelfall 10–20 % des Nennwertes des Rechts, soweit nicht der Grundstückswert geringer ist.2 S. dazu auch das Stichwort „Aufgebotsverfahren“.

Kreditgebühren 3470

Kreditgebühren, die im Rahmen eines Teilzahlungskredits vereinbart werden, werden als Zinsen und damit als Nebenforderungen angesehen.3

3471

Umstritten ist, ob die Zusammenfassung des Darlehens und der Kreditgebühren in einem Betrag daran etwas ändert oder ob auch in diesem Fall die Kreditgebühren als Nebenforderung bei der Streitwertbemessung außer Ansatz zu bleiben haben. Das OLG Bamberg4 lässt auch dann die Kreditgebühren unberücksichtigt, während das OLG München5 die Zinsen dem Streitwert hinzurechnet.

3472

Das OLG München geht davon aus, eine Zinsforderung verliere die Eigenschaft als Nebenforderung und werde zum Bestandteil des Hauptanspruchs, wenn der Zins aufgrund einer besonderen Vereinbarung dem Kapitel zugeschlagen werde. Das aber geschehe durch Kreditverträge, in denen Kapital und Kreditgebühren zu einem „Gesamtkreditbetrag„ zusammengefasst würden. Leitend für den Senat war bei dieser Rechtsauffassung die Überlegung, dass die gegenüber dem Hauptanspruch in der Regel nicht ins Gewicht fallenden Zinsen im Interesse einer möglichst einfachen und raschen Streitwertermittlung außer Ansatz bleiben sollen. Dieser Zweck werde nicht erreicht, sondern in sein Gegenteil verkehrt, wenn der Gesamtkreditbetrag zur Streitwertermittlung auseinandergerechnet werden müsse. „Gerade die Frage, wie sich die Restschuld aus einem Finanzierungsdarlehen zusammensetzt und welcher Zinsanteil in ihr steckt, ist oft überaus streitig und nicht ohne Weiteres zu beantworten.“6

3473

Dieser Auffassung ist zuzustimmen, da kraft Vereinbarung eine neue einheitliche Hauptforderung geschaffen wird nur dies auch dem Praktikabilitätsgebot im Streitwertrecht entspricht. In der Grundtendenz gleich lautend dürfte die 1 2 3 4 5 6

LG Hildesheim, NJW 1964, 1232. LG Berlin, Rpfleger 1988, 549. OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.12.1975 – 16 U 91/75, MDR 1976, 663. Beschl. v. 18.11.1975 – 2 W 69/75, JurBüro 1976, 343. Beschl. v. 10.11.1975 – 2 W 1976/75, JurBüro 1976, 237. OLG München, Beschl. v. 10.11.1975 – 2 W 1976/75, JurBüro 1976, 237.

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Onderka

Künftiger Schaden Entscheidung des BGH,1 die bei einem Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer wegen einer rechtskräftigen Verurteilung des Versicherungsnehmers die im Vorurteil mit zuerkannten Kosten und Zinsen ebenfalls dem Streitwert zugeschlagen hat.

Künftiger Schaden Für den Wert einer Klage auf Ersatz künftigen Schadens, der nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen ist, ist auf die Höhe des drohenden Schadens abzustellen, jedoch unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit des Schadenseintritts oder der Inanspruchnahme des Gegners.2

3474

Bei einem bezifferten Antrag ist kein Abschlag gegenüber sonstigen Leistungsklagen vorzunehmen, nur weil die Leistung nicht sofort, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt verlangt wird. Entscheidend ist also in diesen Fällen – ebenso wie bei einer auf unmittelbare Leistung gerichteten Klage – der Nennbetrag der Forderung ohne Zinsen und Kosten.

3475

Bei der Bewertung eines Feststellungsantrags hinsichtlich eines zukünftigen Schadens bemisst sich das konkrete wirtschaftliche Interesse der Partei nicht allein nach der Höhe des drohenden Schadens, sondern auch danach, wie hoch oder wie gering das Risiko eines Schadenseintritts und einer tatsächlichen Inanspruchnahme ist.3 Dabei ist nach dem Grundsatz des § 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG von den Erkenntnismöglichkeiten auszugehen, wie sie zurzeit der Klageerhebung bereits vorhanden waren.

3476

Bestand bereits bei Klageerhebung die Möglichkeit, zu einer bestimmten, für die Beurteilung des Streitwerts wichtigen Erkenntnis zu gelangen, wurde sie nur nicht genutzt und wird dies nachträglich erkannt, so können diese Erkenntnisquellen nachträglich für die Streitwertfestsetzung nutzbar gemacht werden.4

3477

Aufgrund nachträglich entstandener Erkenntnismöglichkeiten kann eine Änderung des Streitwerts nicht begehrt werden. Das zu Beginn des Rechtsstreits ermittelte Feststellungsinteresse bleibt für die ganze Prozessdauer maßgebend,5 sofern sich der Streitwert nicht erhöht (§ 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG). Erkenntnisse des Gerichts nach der letzten mündlichen Verhandlung müssen außer Betracht bleiben.6 Das ergibt sich auch aus § 296a ZPO.

3478

Zur Bewertung der Prozesslage, in der ein Leistungsantrag über §§ 255, 259, 510b ZPO, 61 Abs. 2 Satz 1 ArbGG verbunden wird mit dem Antrag auf Entschädigung für den Fall der Nichterfüllung innerhalb einer bestimmten Frist, vgl. das Stichwort „Herausgabe“.

3479

1 BGH, Warneyer 1976 Nr. 14. 2 BGH, Beschl. v. 28.11.1990 – VIII ZB 27/90, MDR 1991, 526. 3 BGH, Beschl. v. 28.11.1990 – VIII ZB 27/90, MDR 1991, 526; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.11.1974, JurBüro 1975, 232. 4 Lappe, ZAP Fach 24, S. 251 V 2. 5 OLG Schleswig, Rpfleger 1962, 425. 6 OLG Schleswig, Rpfleger 1962, 425.

Onderka

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Lagerkosten

Lagerkosten 3480

Bei ihnen handelt es sich nicht um Nebenkostenforderungen i.S. der § 43 GKG, § 4 Abs. 1 ZPO, sodass sie dem Hauptanspruch zuzurechnen sind.1 S. auch „Standgeld“ Rn. 5007 und „Verkehrsunfallschadenregulierung“ Rn. 4695.

Landvermessung 3481

Hat sich der Beklagte notariell verpflichtet, auf jederzeit statthaftes Verlangen des Klägers ein noch zu vermessendes Teilstück eines Grundstücks herauszugeben und begehrt der Kläger zunächst nur Verurteilung des Beklagten zur Landvermessung, so ist der Streitwert nach § 3 ZPO zu schätzen.

3482

Fehlen für eine Schätzung nach § 3 ZPO jegliche oder hinreichende Anhaltspunkte, so darf sich die Streitwertbemessung an dem Regelwert für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten (§ 48 Abs. 2 GKG) orientieren.2

3483

Für die Beschwer eines Beklagten, der zur Zustimmung zur amtlichen Landvermessung verurteilt wurde, ist wiederum auf die Höhe der ihm voraussichtlich entstehenden Kosten abzustellen.

Leasing-Vertrag 3484

Der Leasingvertrag ist im BGB nicht geregelt. Es handelt sich dabei um die mietähnliche Ausgestaltung der Gebrauchsüberlassung einer Sache, die jedoch der Zielsetzung nach auf eine kaufrechtliche Regelung hinausläuft. Der „Kaufpreis“ des Abzahlungsgeschäfts entspricht den Leasingraten. Wie bei der Miete geht kein Eigentum über, kann aber nach Ablauf der Leasingzeit erworben werden. Es gelten folgende Bewertungsregeln:

3485

Bei einem als Mietvertrag zu wertenden Leasingvertrag richtet sich der Streitwert nach § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) und nicht nach § 3 ZPO, wenn der Bestand des Mietvertrages in Frage steht.3

3486

Leitet der Leasinggeber seinen Anspruch auf den Besitz der Mietsache zugleich aus einem zuvor mit dem Leasingnehmer geschlossenen und nunmehr rückabzuwickelnden Kaufvertrag ab, dann erhöht sich der Streitwert im Falle des Streites auch um den Bestand des Kaufvertrages entsprechend dem Wert der Sache, § 6 ZPO.4 1 KG, JVBl. 1933, 250. 2 OLG Köln, Beschl. v. 7.4.1971 – 2 U 111/70, JurBüro 1971, 719; OLG Braunschweig, Beschl. v. 28.12.1976 – 2 U 70/76, JurBüro 1988, 403. 3 BGH, Beschl. v. 14.12.1988 – VIII ZR 222/88; OLG Celle, Beschl. v. 17.3.1993 – 2 U 131/91, JurBüro 1994, 113 = MDR 1993, 1020: fristlose Kündigung; OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 1748 = MDR 1978, 145: Anmietung einer Computeranlage; Meyer, Anh. § 48 (§ 3 ZPO) Rn. 20; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 Rn. 98. 4 OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 1748 = MDR 1978, 145.

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N. Schneider

Lagerkosten

Lagerkosten 3480

Bei ihnen handelt es sich nicht um Nebenkostenforderungen i.S. der § 43 GKG, § 4 Abs. 1 ZPO, sodass sie dem Hauptanspruch zuzurechnen sind.1 S. auch „Standgeld“ Rn. 5007 und „Verkehrsunfallschadenregulierung“ Rn. 4695.

Landvermessung 3481

Hat sich der Beklagte notariell verpflichtet, auf jederzeit statthaftes Verlangen des Klägers ein noch zu vermessendes Teilstück eines Grundstücks herauszugeben und begehrt der Kläger zunächst nur Verurteilung des Beklagten zur Landvermessung, so ist der Streitwert nach § 3 ZPO zu schätzen.

3482

Fehlen für eine Schätzung nach § 3 ZPO jegliche oder hinreichende Anhaltspunkte, so darf sich die Streitwertbemessung an dem Regelwert für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten (§ 48 Abs. 2 GKG) orientieren.2

3483

Für die Beschwer eines Beklagten, der zur Zustimmung zur amtlichen Landvermessung verurteilt wurde, ist wiederum auf die Höhe der ihm voraussichtlich entstehenden Kosten abzustellen.

Leasing-Vertrag 3484

Der Leasingvertrag ist im BGB nicht geregelt. Es handelt sich dabei um die mietähnliche Ausgestaltung der Gebrauchsüberlassung einer Sache, die jedoch der Zielsetzung nach auf eine kaufrechtliche Regelung hinausläuft. Der „Kaufpreis“ des Abzahlungsgeschäfts entspricht den Leasingraten. Wie bei der Miete geht kein Eigentum über, kann aber nach Ablauf der Leasingzeit erworben werden. Es gelten folgende Bewertungsregeln:

3485

Bei einem als Mietvertrag zu wertenden Leasingvertrag richtet sich der Streitwert nach § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) und nicht nach § 3 ZPO, wenn der Bestand des Mietvertrages in Frage steht.3

3486

Leitet der Leasinggeber seinen Anspruch auf den Besitz der Mietsache zugleich aus einem zuvor mit dem Leasingnehmer geschlossenen und nunmehr rückabzuwickelnden Kaufvertrag ab, dann erhöht sich der Streitwert im Falle des Streites auch um den Bestand des Kaufvertrages entsprechend dem Wert der Sache, § 6 ZPO.4 1 KG, JVBl. 1933, 250. 2 OLG Köln, Beschl. v. 7.4.1971 – 2 U 111/70, JurBüro 1971, 719; OLG Braunschweig, Beschl. v. 28.12.1976 – 2 U 70/76, JurBüro 1988, 403. 3 BGH, Beschl. v. 14.12.1988 – VIII ZR 222/88; OLG Celle, Beschl. v. 17.3.1993 – 2 U 131/91, JurBüro 1994, 113 = MDR 1993, 1020: fristlose Kündigung; OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 1748 = MDR 1978, 145: Anmietung einer Computeranlage; Meyer, Anh. § 48 (§ 3 ZPO) Rn. 20; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 Rn. 98. 4 OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 1748 = MDR 1978, 145.

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N. Schneider

Lebensversicherung Klagt der Leasinggeber auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Rücktrittserklärung des Leasingnehmers vom Kaufvertrag und einer Kündigung des Mietvertrages, dann ist ein Abschlag von 20 % des sich nach §§ 48 Abs. 1, 42 Abs. 1 GKG (§§ 12 Abs. 1, 16 Abs. 1 GKG a.F.), 6 ZPO ergebenden vollen Wertes vorzunehmen.1 Abzustellen ist bei der Streitwertermittlung auf die Verhältnisse des Leasinggebers, sodass Mehrwertsteuer unberücksichtigt bleibt, wenn dieser vorsteuerabzugsberechtigt ist.2

3487

Verlangt dagegen der Leasingnehmer von einem Dritten die Herausgabe des Leasinggegenstandes, beispielsweise der Arbeitgeber die Rückgabe des geleasten Firmenfahrzeuges, bestimmt sich der Streitwert gem. § 6 ZPO nach dessen Verkehrswert und nicht nach der Höhe der noch offenen oder bereits geleisteten Leasingsraten.3

Lebensversicherung A. Überblick Bei Streitigkeiten aus einer Lebensversicherung oder über eine Lebensversicherung ergeben sich keine Unterschiede zwischen Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert. Der Streitwert richtet sich letztlich nach den §§ 3 ff. ZPO, insbesondere nach § 9 ZPO.

3488

Da das GKG keine gesonderten Wertvorschriften enthält, gilt dieser Wert gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auch für die Gerichtsgebühren.

3489

Dieser Wert ist gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG auch für die Anwaltsgebühren maßgebend. Das gilt auch für die außergerichtliche Tätigkeit (§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG).

3490

B. Zahlung Die Zahlung einer Lebensversicherungsprämie wird grundsätzlich vom Versicherer nicht gerichtlich geltend gemacht, sodass hierzu auch keine Rechtsprechung vorliegt. Da es sich bei den Versicherungsbeiträgen um wiederkehrende Leistungen handelt, wäre hier der geforderte Betrag maßgebend, höchstens der Betrag der nächsten 3 1/2 Jahre (§ 9 ZPO), wobei fällige Beträge hinzuzurechnen wären.

3491

C. Beitragsfreistellung Der Streitwert einer Klage auf Feststellung von künftig sukzessive fällig werdenden Versicherungsbeiträgen bemisst sich nach dem 3 1/2-fachen Jahresbetrag.4

1 2 3 4

BGH, Beschl. v. 30.4.1991 – IV ZR 243/90, NJW-RR 1991, 1149. BGH, Beschl. v. 30.4.1991 – IV ZR 243/90, NJW-RR 1991, 1149. LAG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2008 – 1 Ta 190/08, JurBüro 2009, 140 = AE 2009, 88. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.12.2007 – 5 W 296/07, OLGR 2008, 246.

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Lebensversicherung

D. Freistellung 3493

Soweit Freistellung von einer Prämienzahlung gefordert wird, ist entsprechend einer Zahlungsklage zu bewerten. Solche Ansprüche werden sich in der Regel in Familiensachen ergeben, wenn sich im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung oder des Versorgungsausgleichs ein Ehegatte verpflichtet, Lebensversicherungsprämien für den anderen Ehegatten zu übernehmen. S. dazu auch das Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“.

E. Feststellung auf Bestand des Versicherungsverhältnisses 3494

Wird auf Feststellung geklagt, dass ein Versicherungsvertrag besteht oder fortbesteht, so ist bei einer Risikolebensversicherung regelmäßig 20 % der Versicherungssumme anzusetzen.1

3495

Handelt es sich dagegen um eine Lebensversicherung, die auch im Erlebensfall ausgezahlt wird, ist der Wert der Versicherungsleistung maßgebend, abzüglich eines Feststellungsabschlags i.H.v. 20 %.2

3496

Das OLG Oldenburg hat den Wert einer Klage auf „Feststellung der Unwirksamkeit des Rücktritts des Versicherers“ von einer Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall nicht nach einem festen Prozentsatz des Leistungswerts bemessen, sondern gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Versicherten, das nach den Gegebenheiten des Einzelfalls auf einen sehr geringen Bruchteil der Versicherungssumme oder des nach § 9 ZPO zu bemessenden Werts der Leistungsklage zu veranschlagen sei (hier: 1/2).3 Dabei übersieht das OLG Oldenburg, dass eine Feststellungsklage auf „Unwirksamkeit des Rücktritts des Versicherers“ unzulässig ist, da der Rücktritt kein Rechtsverhältnis ist. Tatsächlich handelte es sich um eine positive Feststellungsklage auf Fortbestand des Versicherungsverhältnisses.

3497

Bei einer Klage auf Feststellung des beitragsfreien Fortbestands einer fondsgebundenen Lebensversicherung kann der Streitwert bei fehlenden Angaben zur Höhe des Deckungskapitals im Erlebensfalle auf die vereinbarte Mindesttodesfallsumme zuzüglich eines Aufschlages von 20 % geschätzt werden. Da es sich um eine Feststellungsklage handelt, ist dieser Betrag sodann um 20 % zu kürzen.4

F. Versicherungsleistung 3498

Wird aus einer Lebensversicherung auf Auszahlung der Versicherungsleistung geklagt, so ist der Zahlbetrag gem. § 3 ZPO maßgebend.

3499

Sofern sich aus der Lebensversicherung wiederkehrende Leistungen ergeben, etwa bei einer Renten-Lebensversicherung – gilt der Wert der nächsten 3 1/2 Jahre, soweit die Laufzeit nicht geringer ist. 1 OLG Hamm, Beschl. v. 13.2.2001 – 20 W 29/99, AGS 2002, 177; BGH, Urt. v. 13.12.2000 – IV ZR 279/99, NJW-RR 2001, 316; BGH, Beschl. v. 23.7.1997 – IV ZR 38/ 97, NJW-RR 1997, 1562; BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 150/04, NJW-RR 2005, 259. 2 BGH, Beschl. v. 23.7.1997 – IV ZR 38/97, NJW-RR 1997, 1562. 3 OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.4.1994 – 2 W 39/94, OLGR 1994, 236. 4 KG, Beschl. v. 11.12.1992 – 6 W 8735/98, NVersZ 1999, 165.

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N. Schneider

Leibrente

G. Feststellung der Versicherungsleistung Der Streitwert einer Klage auf Feststellung einer in 46 Jahren zu erbringenden Ablaufleistung aus der Lebensversicherung bemisst sich nach dem gegenwärtigen wirtschaftlichen Interesse, das durch bankübliche Abzinsung des in der Zukunft erwarteten Betrages zu ermitteln ist.1

3500

H. Herausgabe der Versicherungspolice Wird die Herausgabe einer Lebensversicherungspolice verlangt, ist im Rahmen der gebührenstreitwertrechtlich gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise auf den Zweck der Klage abzustellen. Der Wert ist nicht nach § 6 ZPO, sondern nach § 3 ZPO zu bestimmen, und zwar nach dem Interesse der Klägerin an der Innehabung der Legitimations- und Beweismöglichkeit, die das Papier gibt. Nach Ansicht des LAG Baden-Württemberg ist der Streitwert mit je 1/3 der Versicherungssumme zu bemessen.2

3501

Der Streitwert einer auf Herausgabe von Lebensversicherungspolicen gerichteten Klage bemisst sich dagegen nach dem vollen Rückkaufswert der Lebensversicherungen, wenn die materielle Berechtigung des Klägers nicht im Streit steht und ohne Weiteres davon auszugehen ist, dass der Kläger nach Vorlage der Versicherungsscheine eine Auszahlung der Versicherungssumme erreichen kann.3

3502

Besteht Streit über den Besitz an einem Versicherungsschein für eine Lebensversicherung ist für die Berechnung des Streitwerts einer Klage auf Herausgabe der Urkunde § 6 ZPO nur dann anzuwenden, wenn der Besitz der Urkunde unmittelbar den Wert eines Rechts verkörpert, wie es z.B. bei Inhaberpapieren der Fall ist. Handelt es sich bei der herauszugebenden Urkunde aber um ein qualifiziertes Legitimationspapier ist für die Wertfestsetzung auf § 3 ZPO abzustellen.4

3503

Leibrente Leibrentenansprüche aufgrund eines Vertrages, der die Unterhaltspflicht endgültig in gleich bleibender Höhe und ohne Rücksicht auf das Fortbestehen des Unterhaltsbedürfnisses festlegt, sind nach § 9 ZPO zu bewerten.5 Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die unterschiedliche Behandlung von Ansprüchen auf Kapitalleistung und solche auf Rente hinsichtlich des Zugangs zu den Rechtsmittelinstanzen bestehen nicht.6 Maßgeblich ist daher gem. §§ 48 Abs. 1 GKG, 9 ZPO der 3 1/2-fache Jahresbetrag, nicht aber in analoger Anwen1 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 20.10.2000 – 7 U 20/00, OLGR 2001, 59 = VersR 2002, 913. 2 LAG BaWü, Beschl. v. 18.10.2001 – 3 Ta 103/01, VersR 2002, 913. 3 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 19.1.2005 – 4 UR 85/05, OLGR 2006, 465. 4 BGH, Beschl. v. 10.10.2001 – IV ZR 120/01, AGS 2002, 230 = NJW-RR 2002, 573. 5 RG, JW 1937, 1433 Nr. 39; BGH, EzFamR ZPO § 9 Nr 5. 6 BGH, EzFamR ZPO § 9 Nr 5; NJW-RR 1995, 443 = MDR 1995, 421; NJW 1997, 1016 = MDR 1997, 504.

Monschau

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3504

Leibrente dung des § 42 Abs. 1 GKG der einfache Jahresbetrag der Zahlungsverpflichtung.1 Dies konnte früher zu sozial unerträglich hohen Streitwerten führen; nachdem aber § 9 ZPO durch das RpflegeEntlG 1993 neu gefasst wurde (Reduzierung auf den 3 1/2-fachen Jahresbetrag), besteht diese Gefahr praktisch nicht mehr. Die einschlägigen Fragen sind unter dem Stichwort „Altenteil“ (Rn. 153 ff.) behandelt. 3505

In erster Linie geht es darum, wie laufende Leibrentenzahlungen zugunsten eines hochbetagten Bezugsberechtigten zu bewerten sind. Der BGH2 will grundsätzlich die Bestimmung des § 9 ZPO anwenden, während andere Gerichte in solchen Fällen nach § 3 ZPO – anlehnend an § 24 Abs. 2 KostO – bewerten wollen.

3506

S. zur Thematik E. Schneider:3 Die Bewertung der Ansprüche hochbetagter Personen auf wiederkehrende Leistungen, sowie das Stichwort „Rente“ Rn. 4821 ff.

3507

Viele Gerichte gingen einen Mittelweg, um den Bewertungsschwierigkeiten auszuweichen. So beispielsweise das LG Bayreuth4 zu § 9 ZPO a.F.: „Bei Leibrentenansprüchen ist der Streitwert auch für Hochbetagte grundsätzlich nach § 9 ZPO zu bemessen. Eine geringere Bewertung kommt nur bei Personen mit besonders hohem Alter in Betracht, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass das Bezugsrecht keine 12,5 Jahre mehr dauern kann.“

3508

Nach der Sterbetafel liegt die Lebenserwartung bei 89-jährigen Männern und 91-jährigen Frauen noch im Zeitrahmen des § 9 ZPO,5 sodass die Bewertungsproblematik bei Hochbetagten wohl der Vergangenheit angehört.

3509

Ist der Leibrentenberechtigte bei Erhebung einer Feststellungsklage in der Berufungsinstanz bereits 84 Jahre und bei Erlass des Berufungsurteils 85 Jahre alt, muss der nach der Regel des § 9 Alt. 1 ZPO auf den 12 1/2-fachen Jahreswert zu bemessende Wert der Feststellungsklage im Hinblick auf das hohe Alter des Berechtigten jedenfalls um ein Drittel herabgesetzt werden.6

3510

Tritt eine 98-jährige Frau von einem Grundstückskaufvertrag zurück, den sie 16 Jahre zuvor (monatliche Leibrente 1.000 DM, lebenslängliches alleiniges Nutzungsrecht) abgeschlossen hat, so bemisst sich der Grundstückswert nach der statistischen Lebenserwartung einer 82-jährigen Frau im Jahre 1983, erhöht um den Steigerungsfaktor für Grundstücke von 1983 bis heute; unrichtig wäre es, von der tatsächlichen Lebensdauer der jetzt 98-jährigen ausgehend auf den Wert des Grundbesitzes zurückzurechnen (400.000 DM statt 100.000 DM).7

1 OLG Karlsruhe, JurBüro 2006, 145 = FamRZ 2006, 1217 = AGS 2007, 200, Zöller/ Herget, § 3 ZPO Rn. 16 „Unterhalt“. 2 BGH, BGHZ 7, 335. 3 E. Schneider, MDR 1976, 270. 4 LG Bayreuth, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 828 = JurBüro 1986, 1059. 5 S. Herget, Anm. zu KostRsp. ZPO § 9 Nr. 47. 6 BGH, Beschl. v. 11.3.1993 – III ZR 75/92, BGHR ZPO § 9 Leibrente 1. 7 OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 163 = AGS 2000, 30.

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Leistung an die Erbengemeinschaft

Leistung an die Erbengemeinschaft A. Klagen gegen Dritte Der Streitwert einer Klage gegen einen Dritten auf Leistung an die Erbengemeinschaft bemisst sich mit dem vollen Wert. Ein Abschlag, weil der klagende Miterbe „nur“ mit einer Quote am Nachlass beteiligt ist, ist unzulässig.

3511

Klagt ein Miterbe aufgrund des § 2039 BGB gegen einen Nachlassschuldner auf Leistung an die noch ungeteilte Erbengemeinschaft, dann ist die volle Leistung im Streit und gem. § 6 ZPO zu bewerten.1

3512

Das Interesse des auf Leistung an die Erbengemeinschaft Klagenden geht auf das volle Interesse. Nur wenn der volle Betrag an die Erbengemeinschaft fließt, erhält er daraus auch seinen Anteil. Sein Interesse geht daher auf die volle Leistung. Er hat also auch ein Interesse daran, dass die Miterben an der Leistung partizipieren und ihren „Anteil“ erhalten, weil nur dann auch der „Anteil“ des Klägers gesichert ist. Würde man nur den Anteil des Klägers berechnen, würde dies zudem zu untragbaren Konsequenzen führen.

3513

* Æ Beispiel: Der Kläger ist zu 1/16 Miterbe. Er klagt auf Zahlung einer Forderung i.H.v. 1 Mio. Euro an die Erbengemeinschaft. Würde man jetzt auf die Quote abstellen, wäre nur ein Streitwert i.H.v. 62.500 Euro gegeben. Die Beschwer des Beklagten beliefe sich jedoch auf 1 Mio. Euro. Zudem müsste der Anwalt des Beklagten aufgrund der Streitwertbindung (§ 23 Abs. 1 Satz 1, 32 Abs. 1 GKG) auch nach dem geringen Wert abrechnen, obwohl es für den Beklagten um die volle Zahlung der 1 Mio. Euro geht.

B. Klagen gegen Miterben I. Zahlungsklagen Bei der Zahlungsklage eines Miterben gegen die anderen Miterben auf Zahlung einer Geldsumme an die lediglich aus den Parteien bestehende Erbengemeinschaft ist eine wirtschaftliche Betrachtung geboten, sodass der auf den Anteil des beklagten Miterben entfallende Geldbetrag streitwertmäßig grundsätzlich nicht zu berücksichtigen ist.2

3514

Ist der beklagte Nachlassschuldner zugleich Miterbe, dann ist zu beachten, dass ihm ein seinem Erbteil entsprechender Anteil an der geforderten Leistung zukommen und verbleiben kann. Dieser Anteil müsse als außer Streit befindlich angesehen und daher von dem an sich maßgebenden Wert der gesamten Leistung abgesetzt werden.3

3515

1 RGZ 149, 193; OLG Düsseldorf, MDR 1962, 912; OLG Bremen, Rpfleger 1957, 274; OLG Saarbrücken, SRZ 1954, 30; beiläufig OLG Schleswig, JurBüro 1994, 26 = SchlHA 1993, 155. 2 BGH, Beschl. v. 24.4.1975 – III ZR 7/73, MDR 1975, 741 = WM 1975, 599; Beschl. v. 7.11.1966 – III ZR 48/66, NJW 1967, 443 = MDR 1967, 202; so auch OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.2.1992 – 10 W 3/92, Rpfleger 1992, 254 = JurBüro 1992, 418; OLG Köln, JurBüro 1969, 344; OLGR 1995, 246. 3 RG, JW 1937, 228 Nr. 11; RGZ 156, 264.

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Leistung an die Erbengemeinschaft 3516

Dasselbe soll gelten, wenn der klagende Miterbe auf Leistung an sich allein klagt, weil er von den übrigen Miterben zur Einziehung der Forderung oder des Anspruches ermächtigt worden ist.1

3517

Diese Betrachtungsweise darf jedoch nicht schematisiert und unreflektiert übernommen werden, weil dem beklagten Miterben vor der Auseinandersetzung gar kein fester Anteil an der Forderung zusteht und im Übrigen gar nicht feststeht, ob der Beklagte an der beigetriebenen Forderung partizipiert.

* Æ Beispiel: Der Kläger (zu 1/4 erbberechtigt) klagt gegen den Beklagten (ebenfalls zu 1/4 erbberechtigt) auf Zahlung eines Betrages i.H.v. 100.000 Euro an die Erbengemeinschaft. Nach Zahlung der Forderung ergibt sich ein Nachlassbestand von 0 Euro. In diesem Fall muss es bei den vollen 100.000 Euro verbleiben. Es wäre nicht sachgerecht, den Streitwert in diesem Fall auf lediglich 75.000 Euro zu reduzieren. Wäre die Forderung gegen den Beklagten unbegründet gewesen und der Nachlass damit überschuldet, hätte er das Erbe ausschlagen, zumindest die Dürftigkeitseinrede erheben können, sodass er durch den Eingang der 100.000 Euro bei der Erbengemeinschaft überhaupt keinen Nutzen hat. Daher darf in einem solchen Fall nichts abgezogen werden.

3518

Es ist daher immer zu fragen, welcher Vorteil auf den Beklagten wieder zurückfällt oder besser aus Sicht des Klägers ausgedrückt, welcher Anteil ihm wieder verloren geht und daher für ihn wirtschaftlich kein Interesse hat.

3519

Der Nachteil dieser Berechnung liegt sicherlich darin, dass die Frage der Streitwertbemessung zusätzlich mit der Ermittlung der Erbquote belastet wird, die zum Zeitpunkt der Klage noch gar nicht feststehen muss.

3520

Steht der Erbteil des Miterben nicht fest, so muss dieser geschätzt werden. Dabei dürfte es ausschließlich auf die Sicht des Klägers ankommen.

3521

Behauptet der Kläger, der in Anspruch genommene Miterbe sei erbunwürdig, dürfte ein Abzug nicht gerechtfertigt sein, da aus Sicht des Klägers dem Beklagten kein Vorteil zukommen kann. Ggf. ist auch hier nach § 3 ZPO zu schätzen.

II. Klage auf Löschungsbewilligung 3522

Der Streitwert der Klage des Eigentümers gegen einen Miterben auf Erteilung der Löschungsbewilligung ist nach einhelliger Auffassung wiederum nach dem Betrag der ganzen Forderung, nicht nur nach dem Erbanteil des beklagten Miterben zu bemessen.2

3523

Auch bei der Klage gegen einen Miterben auf Löschung einer Hypothek bestimmt sich der Streitwert nach dem eingetragenen Betrag ohne Rücksicht darauf, dass der Miterbe nur zu einem Teil berechtigt ist.3

3524

Soweit jedoch nur die Zustimmung anderer Miterben notwendig (oder freiwillig erteilt) ist, ist dies streitwertermäßigend zu berücksichtigen. Denn dann kann die Klage lediglich gegen einen Miterben nicht den vom Kläger bezweckten rechtlichen Erfolg herbeiführen. 1 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Erbrechtliche Ansprüche“. 2 KG, NJW 1956, 472. 3 OLG Naumburg, JW 1936, 2169; OLG Zweibrücken, Rpfleger 1967, 2.

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Leistungsklage

III. Klage auf Grundbuchberichtigung Den Streitwert einer Klage, mit der ein Erbe gegen einen Miterben einen zum Nachlass gehörenden Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs dahin geltend macht, dass an Stelle des Miterben die Erben in Erbengemeinschaft als Eigentümer eines Grundstücks eingetragen werden, ist gem. § 6 ZPO nach dem Wert des Grundstücks, abzüglich des dem Erbteil des Beklagten entsprechenden Anteils zu bemessen.1

3525

Leistungsklage Literatur: Schumann, Grundsätze des Streitwertrechts, NJW 1982, 1257.

Für die Bewertung der Leistungsklage ist znächst danach zu unterscheiden, ob sie auf Zahlung oder eine anderweitige Leistung, wie z.B. Herausgabe, Auskunft oder Abgabe einer Willenserklärung, gerichtet ist. Die nicht auf Geldleistung gerichteten Klageantäge werden unter dem einschlägigen Stichwort jeweils gesondert kommentiert.

3526

Bei der auf Zahlung lautenden Klage ist, vom Ausnahmefall der unbezifferten Leistungsklage abgesehen (vgl. hierzu das Stichwort „Unbezifferte Anträge“), für die Wertberechnung grundsätzlich der bezifferte Leistungsantrag maßgebend.2 Geldbeträge in ausländischer Währung sind in inländische Währung umzurechnen.3 Macht der Kläger sein Zahlungsverlangen nicht als Einmalzahlung, sondern den Zahlungsbetrag als Ratenzahlung geltend, bleibt der Gesamtbetrag wertbestimmend. § 9 ZPO ist insoweit nicht einschlägig.4 Der Klagebetrag bleibt auch dann maßgeblich, wenn die Klageforderung (auch schon) vorprozessual unstreitig war. Denn das Erkenntnisverfahren ist auf eine Entscheidung über den Bestand des gesamten Anspruchs gerichtet.5 Der fehlende Streit über den Bestand einer Forderung hat nur auf den für die gerichtliche Vergleichsgebühr (Nr. 1900 KV GKG) und die anwaltliche Einigungsgebühr (Nr. 1300 VV RVG) relevanten Streitwert Einfluss (s. weitergehend unter dem Stichwort „Vergleich“ Rn. 5491 ff.).

3527

Der Nennwert der Forderung bestimmt auch den Streitwert einer Klage auf zukünftig fällig werdende Geldansprüche,6 solange der Streit sich nicht auf die Fälligkeit der Forderung beschränkt (s. hierzu das Stichwort „Fälligkeit“). Für die Wertbestimmung ebenfalls bedeutungslos ist, ob der Klagebetrag dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers entspricht.7 Da sich die Rechtskraft der 1 RGZ 156, 263; BGH, Beschl. v. 13.6.1958 – V ZR 268/56, LM Nr. 5 zu § 6 ZPO = MDR 1958, 676. 2 OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.7.2007 – 3 W 38/07, OLGR 2008, 172. 3 Vgl. ausführlich das Stichwort „Ausländische Währung“. 4 OLG Köln, Beschl. v. 14.5.1999 – 11 W 3/99, OLGR 1999, 404. 5 OLG Oldenburg, FamRZ 1979, 64; OLG Bamberg, JurBüro 1979, 1681 und 874. 6 BGH, BGHR ZPO § 2; RGZ 118, 323; offen gelassen BGH, Beschl. v. 2.8.1994 – IV ZR 270/93, WuM 1995, 2060; a.A. KG, JurBüro 1989, 1599: Abzinsungsbetrag; Hirte, MDR 1978, 170; Vorrmann, MDR 1987, 722. 7 Vgl. Schumann, NJW 1982, 1258; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Bezifferter Leistungsantrag“ Rn. 3.

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3528

Leistungsklage Entscheidung (§ 322 ZPO) auf den Streitgegenstand beschränkt und präjudizielle Rechtsverhältnisse nicht erfasst,1 rechtfertigt der Umstand, dass zwischen den Parteien Streit auch in gleichartigen weiteren Sachverhalten besteht bzw. über den mit der (Teil)Klage geltend gemachten Anspruch hinaus weiter gehende Ansprüche aus demselben Sachverhalt in Betracht kommen, keine Werterhöhung.2 Schließlich wird die Bewertung nicht dadurch beeinflusst, dass die Verwirklichung des geltend gemachten Anspruchs unsicher ist, etwa weil der Erfolg einer Vollstreckung offen ist.3 3529

Wird ein Rechtsstreit, der einen Anspruch auf Zahlung zum Gegenstand hat, infolge der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Beklagten unterbrochen, dann bestimmt sich der Streitwert für den Zeitraum nach Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Betrag, der bei einer Verteilung der Insolvenzmasse für die Klageforderung zu erwarten ist.4

3530

Spricht das Gericht dem Kläger unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO mehr zu, als er beantragt hat, berechnet sich der Gebührenstreitwert dennoch nach dem Klageantrag.5 Allein die Beschwer erhöht sich, soweit der Kläger nicht erklärt, aus dem Urteil keine über den Klageantrag hinausgehenden Rechte herleiten zu wollen (s. im Einzelnen unter dem Stichwort „Verstoß gegen § 308 ZPO“).

3531

Zinsen und Kosten bleiben gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG (§ 22 Abs. 1 GKG a.F.) unberücksichtigt, auch wenn Kapital und Zinsen in einem einheitlichen Betrag geltend gemacht werden. Das ist immer dann der Fall, wenn sie neben der Hauptforderung für einen Zeitraum beansprucht werden, in dem auch die Hauptforderung bestand oder besteht. Dabei ist unerheblich, ob sie durch einen festen Betrag oder nur einen Prozentsatz bezeichnet werden6 – s. auch unter dem Stichwort „Nebenforderung“.

3532

Bei der Leistungsklage eines Miterben auf Leistung an die Erbengemeinschaft bestimmt sich der Streitwert nach dem Anteil, mit dem der klagende Miterbe am Nachlass beteiligt ist.7 Dies gilt auch, wenn ein Erbe von den Miterben die Rückgewähr zuvor aufgeteilter Vermögensgegenstände zum Nachlass verlangt. Hier ist für den Streitwert und die Beschwer nicht der Vollwert des Gegenstandes maßgebend, sondern der Wert nur mit der jeweiligen Erbquote des klagenden Miterben anzusetzen8 – s. auch unter dem Stichwort „Miterbe“.

3533

Werden bei einer von Anfang an erhobenen Leistungsklage auf Rentenzahlung solche Rückstände, die während des Prozesses (s. § 42 Abs. 1 GKG bzw. § 17

1 Vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.7.2007 – 3 W 38/07, OLGR 2008, 172. 2 Schumann, NJW 1982, 1227, 1258. 3 RGZ 25, 367; LAG Hamm, Beschl. v. 8.8.1991 – 8 Ta 252/91, MDR 1991, 1203 = JurBüro 1992, 116; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Bezifferter Leistungsantrag“ Rn. 3. 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.6.2009 – 5 W 414/09, JurBüro 2010, 201. 5 BGH, MDR 1974, 36; Schneider, MDR 1971, 437. 6 BGH, Beschl. v. 18.1.1995 – XII ZB 204/94, NJW-RR 1995, 706; OLG Köln, Beschl. v. 14.5.1999 – 11 W 3/99, OLGR 1999, 404. 7 BGH, Urt. v. 24.4.1975 – III ZR 7/73, MDR 1975, 741 = NJW 1975, 1415; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.2.1992 – 10 W 3/92, JurBüro 1992, 418 = Rpfleger 1992, 254. 8 OLG Frankfurt, Urt. v. 3.12.1993 – 2 U 80/93, OLGR 1994, 67 = ZEV 1994, 247.

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Leistungsmodalitäten Abs. 1 GKG a.F.) entstehen, aus dem Rentenanspruch herausgenommen und selbständig kapitalisiert geltend gemacht, so sind diese bei der Streitwertfestsetzung nicht zu berücksichtigen.1 Wird auf Feststellung des gesamten Rechtsverhältnisses und zugleich auf Leistung eines Teils geklagt, so sind die Werte beider Ansprüche nach überwiegender Auffassung nicht zusammenzurechnen, da dies zu einer unzulässigen Mehrfach-Bewertung des Streitgegenstandes führen würde. Der höchste Wert ist maßgebend.2 Richtigerweise ist danach zu differenzieren, ob die Feststellungsklage den weitergehenden Leistungsanspruch (z.B. Ersatz des weiteren Schadens) oder das diesem zugrunde liegende Rechtsverhältnis (z.B. Mietvertrag bei Mietzinsklage) betrifft. In diesen Fällen ist zu addieren, wobei im letztgenannten der Feststellungsantrag wegen wirtschaftlicher Identität jedoch zuvor um den in ihm enthaltenen Leistungsantrag zu bereinigen ist.3 S. im Einzelnen unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche“ Rn. 3667.

3534

Wird auf Feststellung der Verpflichtung zur Rentenzahlung geklagt und macht der Kläger gleichzeitig bereits fällig gewordene Beträge zusätzlich durch einen Leistungsantrag geltend, dann erhöht sich der Streitwert des Feststellungsantrages um den Streitwert der Rückstände, § 42 Abs. 5 Satz 1 GKG (§ 17 Abs. 4 GKG a.F.).4 Für die Beurteilung, ob bereits ein Rückstand besteht, ist auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung (Anhängigkeit) abzustellen.5

3535

Leistungsmodalitäten Klagt eine Vertragspartei gegen die andere auf Erfüllung des Vertrages, ist für die Bewertung des klägerischen Interesses gem. § 6 ZPO grundsätzlich der Wert des geforderten Leistung ohne Abzug der Gegenleistung maßgebend.6

3536

Wird nur um Modalitäten wie Art, Ort oder Zeit der Erfüllung gestritten, dann ist das Interesse des Klägers an der beanspruchten Erfüllungsweise maßgebend.7

3537

Dazu rechnet auch der Streit über die Verschiebung des Fälligkeitszeitpunktes, hier ist das Interesse des Klägers an der Feststellung eines früheren (Gläu-

3538

1 OLG Düsseldorf, MDR 1957, 686. 2 BGH, JurBüro 1969, 833; OLG München, Beschl. v. 20.3.1984 – 24 W 48/84, JurBüro 1984, 1235; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rn. 14; Schumann, NJW 1982, 1257, 1258. 3 Vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 29.3.2010 – 5 W 16/10, juris. 4 BGHZ 2, 74; Rpfleger 1953, 575; OLG Bamberg, Rpfleger 1953, 47. 5 OLG Brandenburg, JurBüro 2001, 94; OLG Hamburg, FamRZ 2003, 1198; OLG Köln, FamRZ 2001, 1386 – Vollstreckungsabwehrklage. 6 OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.7.2007 – 3 W 38/07, OLGR 2008, 172; OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, MDR 1984, 738; Hartmann, Anh. I § 48 GKG (§ 3 ZPO) Rn. 58 „Gegenseitiger Vertrag“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Vertragserfüllung“. 7 BGH, Urt. v. 25.6.1981 – III ZR 96/80, MDR 1982, 36; RG, JW 1927, 2129; RGZ 118, 324; OLG Rostock, OLGE 35, 26; Baumbach/Hartmann, Anh. § 3 ZPO Rn. 58, dort unter „Gegenseitiger Vertrag“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Vertragserfüllung“.

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Lieferung biger) oder späteren (Schuldner) Zeitpunkts wertbestimmend,1 s. näher das Stichwort „Fälligkeit“. Zu beachten ist aber in diesen Fällen, dass sich die Beschränkung des Streites auf bloße Modalitäten aus dem Klagevorbringen ergeben muss. Einwendungen allein des Beklagten rechtfertigen keine Streitwertverringerung.2 3539

Der Streitwert einer (als Hauptforderung eingeklagten) Zinsforderung mit ungewissem Erfüllungszeitpunkt ist gem. § 3 ZPO frei zu schätzen.3

3540

Bei Streit über den Ort der Einsichtnahme in Handelsbücher geht es wirtschaftlich nur um die Frage, ob der Kläger höhere Kosten – Fahrt- und Transportkosten, Dienstleistungsvergütungen usw. – aufzuwenden hat.4 Diese Kosten sind zu schätzen. Für die Leistung Zug um Zug s. das Stichwort „Gegenleistung“.

Lieferung 3541

Der Streitwert der Klage auf Erfüllung einer vertraglichen Lieferpflicht bemisst sich gem. § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) nach dem Wert der zu liefernden Sache (vgl. hierzu das Stichwort „Wert einer Sache“).5 Eine vertraglich geschuldete Gegenleistung bleibt bei der Wertbestimmung ebenso außer Ansatz wie Gegenrechte und Einreden. Hat die geschuldete Vertragsleistung neben der Lieferung weitere Leistungen zum Gegenstand, wie beispielsweise die Montage einer Maschine oder die Einweisung in eine bereits montierte Anlage, und sind diese nur teilweise erbracht worden, dann kann der Streitwert nicht höher sein als der Wert der Kaufsache bzw. Werkleistung im Zeitpunkt der Klageerhebung abzüglich des Wertes des etwa bereits Gelieferten (Gesamtpreis abzüglich Wert der Maschinenteile und der Teilmontage).

3542

Der Umstand, dass der Beklagte es zur Vollstreckung des gegen ihn ergangenen Urteils kommen lässt und durch die Ersatzvornahme gem. § 887 ZPO unverhältnismäßig hohe Kosten entstehen, rechtfertigt keinen höheren Streitwert.6

1 BGH, WPM 1995, 2060 – Beschwer; Beschl. v. 21.4.1961 – V ZR 58/60, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 13; OLG Bamberg, Beschl. v. 26.5.1982 – 3 W 33/82, JurBüro 1982, 1245; OLG Schleswig, Beschl. v. 13.1.1983 – 8 WF 156/82, SchlHA 1983, 142; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 8.7.1985 – 7 Ta 179/85, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 782 = JurBüro 1985, 1704. 2 OLG Stuttgart, OLGE 2, 430 zu d). 3 BGH, JurBüro 1981, 1490 = NJW 1981, 2360; unzutr. LG Osnabrück, Beschl. v. 17.4.1957 – 8 T 78/57, JurBüro 1957/354 – auf § 9 ZPO abstellend, da insoweit nur bei Zinsen als wiederkehrende Leistung für Vermögensanlagen einschlägig. 4 RGZ 2, 403; vgl. auch BGH, BB 2001, 752 – Beschwer. 5 Musielak/Heinrich, § 6 Rn. 2; Stein/Jonas/Roth, § 6 Rn. 4; Zöller/Herget, § 6 Rn. 3. 6 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1962, 111.

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Löschung von Grundpfandrechten, Vormerkungslöschung

Löschung von gewerblichen Schutzrechten Der Streitwert eines Verfahrens auf Löschung einer Marke (§ 55 MarkenG), eines Geschmacksmusters (§ 10c GeschmMG), eines Gebrauchsmusters (§ 17 GebrMG) oder auf Erklärung der Nichtigkeit eines Patents (§ 81 PatG) ist gem. § 51 Abs. 1 GKG nach billigem Ermessen zu bestimmen.

3543

Entscheidend ist – vergleichbar mit den Fällen der Unterlassungsklage – das wirtschaftliche Interesse1 des Klägers an der Löschung.2 Die Gegenmeinung berechnet in entsprechender Anwendung von § 9 ZPO das Interesse des Klägers nach dem 3,5-fachen des jährlichen Bezuges aus dem Schutzrecht.3

3544

Bei der Popularklage (vgl. § 55 Abs. 2 MarkenG) ist im Rahmen der Schätzung nach § 3 ZPO von dem Interesse der Allgemeinheit an der Vernichtung des Schutzrechts auszugehen.

3545

Die Regelung in § 51 Abs. 2 GKG gibt die Möglichkeit der Streitwertbegünstigung. Zu den Einzelheiten vgl. das Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“.

3546

Löschung von Grundpfandrechten, Vormerkungslöschung Literatur: Gerold, JurBüro 1956, 438 (Nachlasshypothek); Tschischgale, JurBüro 1967, 23 (Sicherungshypothek); Schumann, NJW 1967, 2046 (Dienstbarkeit). Gliederungsübersicht A. Grundschuld B. Hypothek . . C. Miterbe . . . D. Nießbrauch . E. Reallast . . .

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Rn. 3548 3568 3575 3579 3584

Rn. F. Vorkaufsrecht . . . . . . . . . . . 3585 G. Widerspruch . . . . . . . . . . . 3587 H. Wohnrecht . . . . . . . . . . . . 3588 I. Vormerkungslöschung . . . . . . 3591

Stichwortübersicht Rn. Arresthypothek . . . . . . . . . . . . 3603 Auflassung und Löschung . . . . . . 3566 Auflassungsvormerkung . . . . . . 3596 ff. Dauerwohnrecht . . . . . . . . . . . 3588 Feststellung der Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrages . . . . 3604 Grundschuld – Forderung getilgt . . . . . . . . . . 3548 – Höhe der gesicherten Forderung maßgebend . . . . . . . . . . . . . 3552 – Kosten und Zinsen, rückständige 3551 Höchstbetragshypothek . . . . . . . 3570

Rn. Hypothek . . . . . . . . . . . . . 3568 ff. – unstreitig nicht bestehende Forderung . . . . . . . . . . . . . . . 3568 – Valutierung und Löschungsinteresse maßgebend . . . . . . . . . . 3569 Löschung und Auflassung . . . . . . 3568 Miterbe . . . . . . . . . . . . . . 3575 ff. Nießbrauch . . . . . . . . . . . . 3579 ff. – Jahresreingewinn bei Nießbrauch an Grundstück . . . . . . . . . . . 3580 – Schätzung nach § 3 ZPO . . . . . 3579

1 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.5.2001 – 4 W 21/01, JurBüro 2001, 418. 2 Vgl. BGH, NJW 1957, 144 Nr. 6; BPatG, GRUR 1978, 535 (zum Patentnichtigkeitsverfahren). 3 Vgl. OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 217 (noch zu § 11 WZG).

N. Schneider

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Löschung von Grundpfandrechten, Vormerkungslöschung Rn. Quote für Löschung der Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . Reallast . . . . . . . . . . . . . . . Reichsmark-Grundschuld . . . . . Reichsmark-Hypothek . . . . . . – Schuldtilgung streitig . . . . . . Sicherungshypothek . . . . . . . . Sicherungsnießbrauch . . . . . . . Verfahren auf Zwangsgeldfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . Verurteilung Zug um Zug gegen Zahlung . . . . . . . . . . . . .

3547

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3555 3584 3573 3572 3574 3593 3582

. 3567

Rn. Vorkaufsrecht . . . . . . . . . . . . 3585 Vormerkungslöschung . . . . . . 3591 ff. – Bruchteil des GrundstücksVerkehrswerts . . . . . . . . 3594, 3596 – Grundstückswert . . . . . . . . . 3591 – konkrete Wertermittlung . . . . . 3596 – wirtschaftliches Interesse des Klägers . . . . . . . . . . . . . . . 3599 Widerspruch . . . . . . . . . . . . . 3587 Wohnrecht . . . . . . . . . . . . . 3588 ff.

. 3601

Falsche Eintragungen im Grundbuch sind wegen der dadurch begründeten gesetzlichen Vermutung des § 891 BGB und des den gutgläubigen Erwerb ermöglichenden öffentlichen Glaubens des Grundbuchs (§ 892 BGB) für den wirklich Berechtigten eine große Gefahr. Der gesetzliche (z.B. §§ 1179a, 1179b BGB; 41 Abs. 2 WEG) oder schuldrechtliche (nach §§ 305 oder 779 BGB begründete) Löschungsanspruch dient der Richtigstellung des Grundbuchs und damit der Übereinstimmung von formeller und materieller Rechtslage. Er wird durch Klage auf Löschung im Grundbuch geltend gemacht. Mit ihr wird die Löschungsbewilligung des eingetragenen Nichtberechtigten erzwungen, sei es auch nur hinsichtlich der Rangfolge der Eintragungen.

A. Grundschuld 3548

Der Wert einer Klage auf Löschung einer Grundschuld entspricht nach früher herrschender Auffassung dem eingetragenen Betrag, selbst wenn die Forderung ganz getilgt ist und der Streit der Parteien nur darüber geht, wer die Löschungskosten zu tragen hat.1

3549

Dieser Auffassung ist zuletzt auch noch das KG (23. Senat) gefolgt, das bei der Bemessung des Streitwerts einer Klage auf Bewilligung der Löschung einer Grundschuld nur den Nennbetrag und nicht den tatsächlichen Valutastand des Grundpfandrechts als maßgeblich ansieht.2

3550

Ebenso auch das OLG Saarbrücken,3 das den Streitwert einer Klage auf Einwilligung in die Löschung eines Grundpfandrechts grundsätzlich nach dem im Grundbuch eingetragenen Nennwert der Belastung bemisst, begrenzt durch den geringeren Wert des belasteten Grundstücks, selbst wenn das Grundpfandrecht ganz oder teilweise nicht mehr valutiert.

3551

Das soll auch dann gelten, wenn geltend gemacht wird, es seien Kosten entstanden und Zinsen rückständig, für die die Grundschuld hafte.4 1 OLG Bremen, Rpfleger 1957, 275; OLG Nürnberg, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 38; OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 720; OLG Celle, MDR 1977, 935; OLGR 1994, 111. 2 KG, Beschl. v. 17.4.2000 – 23 W 1888/00, AGS 2002, 177 = BauR 2001, 686. 3 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.1.2001 – 7 W 11/01, MDR 2001, 897 = AGS 2002, 12 (im Anschluss an OLG München, Beschl. v. 10.3.1997 – 28 W 2542/96, NJW-RR 1998, 142; OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.3.1995 – 13 W 605/95, MDR 1995, 966). 4 OLG Nürnberg, JurBüro 1964, 685.

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Löschung von Grundpfandrechten, Vormerkungslöschung Demgegenüber hat das OLG Hamburg1 in einer ausführlich begründeten Entscheidung die Auffassung vertreten, es sei § 6 ZPO anzuwenden mit der Maßgabe, dass der Streitwert durch die Höhe der gesicherten, (noch) valutierten Forderung bestimmt werde. Dem hat sich das OLG Köln2 angeschlossen und nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers bewertet in einem Fall, in dem der Sicherungszweck mit dem Ende der Valutierung der gesicherten Forderung ganz entfallen war.

3552

Dies erscheint zutreffend, weil nur auf der Grundlage dieser Bewertung die wirtschaftlichen Interessen der Parteien, um die es doch letztlich geht, erfasst werden können.

3553

Jedoch ist folgende Einschränkung zu machen: Es muss schon zu Beginn des Rechtsstreits oder bei Erteilung des Auftrags an den Anwalt feststehen, ob und in welcher Höhe die zu löschende Forderung valutiert ist. Darüber darf auch kein Streit bestehen. Sind diese einschränkenden Voraussetzungen nicht gegeben, dann muss auf den eingetragenen Nennbetrag abgestellt werden.

3554

Soweit auf den Wert der noch valutierten Forderung abgestellt wird, müsste aber für den darüber hinausgehenden Betrag noch eine gewisse Quote angesetzt werden. Auch die Löschung einer unstreitig nicht mehr valutierten Grundschuld hat einen Wert. Anderenfalls müsste man im Falle der Löschungsverweigerung bei einer unstreitig vollständig getilgten Forderung immer einen Wert „0“ annehmen.

3555

Der Wert für die „getilgte“ Grundschuld sollte sich an dem Interesse des Klägers orientieren, das er an der Beseitigung der nicht mehr bestehenden Belastung hat sowie an dem Missbrauchsrisiko.

3556

Das OLG Celle nimmt den Streitwert einer Klage auf Erteilung einer Löschungsbewilligung (Sicherungsgrundschuld) nach Wegfall des Sicherungszwecks mit 20 % des restlichen Nominalwertes an, sofern der Kläger nicht konkrete weitere Nachteile für ihn vorträgt.3

3557

In Fortführung dieser Rechtsprechung hat das OLG Celle4 im Rahmen einer Klage auf Erteilung einer Löschungsbewilligung für eine Grundschuld und vor allem in Anbetracht der Entscheidung des BVerfG (s. unten Rn. 3563) als gerechtfertigt angesehen, den Streitwert dergestalt zu berechnen, dass jedenfalls im Regelfall zunächst die noch streitige Restforderung und von dem dann verbleibenden Nominalbetrag 20 % zugrunde gelegt werden. So gelangt es bei einer Grundschuld über 500.000 DM, zu der der Grundschuldinhaber eine Restforderung von 100.000 DM behauptet, zu einem Streitwert von 180.000 DM. Eine solche Streitwertfestsetzung berücksichtigte angemessen die wirtschaftlichen Interessen beider Parteien.

3558

Ebenso auch OLG Frankfurt/M.,5 das den Streitwert bei begehrter Löschung einer Grundschuld nach dem Valutenstand zuzüglich 20 % des restlichen No-

3559

1 OLG Hamburg, MDR 1975, 846; ebenso OLG Köln, MDR 1980, 1025. 2 OLG Köln, Beschl. v. 2.3.1995 – 16 W 16/95, JMBl.NW 1995, 118. 3 OLG Celle, Beschl. v. 23.2.2005 – 16 W 11/05, MDR 2005, 1196 (im Anschluss Beschl. des 4. ZS des OLG Celle v. 5.9.2000 – 4 W 165/00, NJW-RR 2001, 712). 4 OLG Celle, Beschl. v. 5.9.2000 – 4 W 165/00 u. 4 U 141/00, JurBüro 2000, 645 = MDR 2000, 1456 = NJW-RR 2001, 712 = AGS 2001, 205. 5 LG Frankfurt/M., Beschl. v. 15.12.2003 – 13 W 48/03, OLGR 2004, 348 = RVG-B 2005, 116 mit Anm. Onderka.

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Löschung von Grundpfandrechten, Vormerkungslöschung minalwertes des Grundpfandrechts, nach oben begrenzt durch den Nominalwert annimmt. 3560

Anders wiederum das LG Bonn,1 das bei einer Klage auf Einwilligung in die Löschung eines Grundpfandrechts den Streitwert nicht nach dem Nennwert des im Grundbuch eingetragenen Pfandrechts bemisst, sondern nach dem Betrag, mit dem das Grundpfandrecht noch valutiert ist. Einen Zuschlag für den übersteigenden Nennwert nimmt das Gericht nicht an.

3561

Völlig anders wiederum das OLG Koblenz,2 das für eine Klage auf Löschung eines nicht valutierenden Grundpfandrechts grundsätzlich vom Nennwert ausgeht und dann für die Frage, ob ein Abschlag vorzunehmen ist aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalls entscheiden will.

3562

Ebenso OLG Nürnberg3 und das OLG Frankfurt,4 die den Streitwert für eine Klage auf Bewilligung der Löschung einer Grundschuld, wenn die zu sichernde Forderung nicht mehr besteht, mit lediglich 20 % des Nominalwerts der Grundschuld ansetzen, sofern der Kläger nicht konkrete weitere Nachteile vorträgt.

3563

In diesem Zusammenhang wird die Entscheidung des BVerfG5 zu wenig beachtet, in dem es sich mit dem Anspruch auf Löschung einer unstreitig nicht mehr valutierten Grundschuld zu befassen hatte. Es führt dort aus, dass der Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden dürfe.6 Zwar sei es zur Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten für den Gesetzgeber erforderlich, für die Inanspruchnahme der Gerichte Gebühren zu erheben. Die Grundsätze über eine rechtsstaatlich nicht mehr zu vertretende Beeinträchtigung durch die Kosten einer Gerichtsinstanz seien aber zu berücksichtigen. Das gelte nicht nur für eine klagende Partei, sondern auch für eine durch den Kläger in einen Prozess gezogene Partei.

3564

Ausgehend hiervon lässt das BVerfG offen, ob es von Verfassungs wegen stets unzulässig ist, den Streitwert eines Anspruchs auf Löschung einer Grundschuld oder Sicherungshypothek auch dann in wortgenauer Anwendung von § 6 Satz 1 ZPO nach dem Nennwert der zugrunde liegenden Forderung zu bestimmen, wenn die Forderung nicht mehr (voll) valutiert ist. Im konkreten Fall hat es jedoch einen Verfassungsverstoß angenommen. Es sei dort aufgrund der konkreten Umstände eindeutig zu erkennen gewesen, dass der wirtschaftliche Wert des Verfahrens für die Beschwerdeführer weit unter dem festgesetzten Streitwert lag, weshalb die Gerichte die tatsächliche wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits für die Beschwerdeführer bei der Streitwertfestsetzung hätten berücksichtigen müssen. Dies wiederum sei mittels verfas1 LG Bonn, Beschl. v. 24.9.2001 – 15 O 125/01, BRAGOreport 2001, 172 mit Anm. N. Schneider. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 6.3.2002 – 5 W 100/02, JurBüro 2002, 310 = AGS 2002, 156. 3 OLG Nürnberg, Beschl. v. 27.11.2008 – 6 W 2061/08, MDR 2009, 217 = NJW-RR 2009, 1315. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.2007 – 1 W 85/07, AGS 2008, 190. 5 BVerfG, Beschl. v. 16.11.1999 – 1 BvR 1821/94, NJW-RR 2000, 946 = AGS 2001, 33. 6 Unter Berufung auf BVerfG, Beschl. v. 11.2.1987 – 1 BvR 475/85, BVerfGE 74, 228, 234.

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Löschung von Grundpfandrechten, Vormerkungslöschung sungskonformer Auslegung des § 6 ZPO oder durch eine Schätzung nach § 3 ZPO zu korrigieren. Dieser Rechtsprechung gefolgt ist das KG (24. Senat)1 – ausdrücklich gegen den 23. Senat (Rn. 3549).2 Bei der Bemessung des Streitwerts für die Löschung einer Grundschuld ist danach nicht in jedem Fall auf den Nominalbetrag der Grundschuld abzustellen. Vielmehr sei auf die tatsächlich wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits für die Parteien abzustellen.

3565

Verbindet der Kläger den Auflassungsantrag mit dem Antrag auf Löschung einer bereits eingetragenen Eigentümergrundschuld, dann kann der Streitwert insgesamt nicht höher sein als der Verkehrswert des Grundstücks.3 Mehr als lastenfreie Übertragung des Grundstückseigentums kann der Kläger nicht erreichen; der Verkehrswert des Grundstücks kann deshalb bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht überschritten werden. Anderenfalls könnte es zu dem in sich widersprüchlichen Ergebnis kommen, dass der Streitwert den Wert des Objekts wesentlich übersteigen würde, nur weil das Grundstück mit einer wertmäßig um ein Vielfaches übersetzten Eigentümergrundschuld belastet wäre, deren Löschung mit beantragt würde.

3566

Anders soll es sich wiederum in einem Verfahren auf Zwangsgeldfestsetzung nach § 888 ZPO zur Erwirkung der Löschung einer Grundschuld verhalten. Danach bemisst sich der Gegenstandswert nach dem Wert, den die zu erwirkende Handlung für den Gläubiger hat, also nach dem Interesse, das er an der Vornahme der Handlung hat. Maßgeblich ist insoweit das Erfüllungsinteresse an der titulierten Verpflichtung. Bei der Zwangsvollstreckung aus einem Titel über die Verpflichtung des Schuldners zur Übertragung lastenfreien Grundstückseigentums bemisst sich der Wert des Verfahrens auf Zwangsgeldfestsetzung zur Erwirkung der Löschung einer Grundschuld nach deren Nominalwert, und zwar unabhängig davon, ob das zugrunde liegende Darlehen bereits getilgt ist.4

3567

B. Hypothek Wird auf Löschung einer Hypothek geklagt, dann ist der eingetragene Betrag nach h.M. für die Bemessung des Streitwerts bestimmend, auch wenn zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Forderung ganz oder teilweise getilgt oder überhaupt nicht entstanden ist.5

3568

Diese Auffassung ist indessen mit dem OLG Hamburg6 und dem OLG Köln7 abzulehnen und abzustellen auf die Höhe der Valutierung sowie das Löschungsinteresse des Klägers.

3569

1 KG, Beschl. v. 21.5.2003 – 24 W 101/03, KGR 2003, 257. 2 S. auch OLG Celle, Beschl. v. 5.9.2000 – 4 W 165/00 u. 4 U 141/00, MDR 2000, 1456 = NJW-RR 2001, 712. 3 OLG Köln, Beschl. v. 8.6.1988 – 11 W 25/88, JurBüro 1988, 1388. 4 OLG Köln, Beschl. v. 24.3.2005 – 25 WF 45/05, AGS 2005, 262. 5 RG, Warneyer 1941 Nr. 27; KG, JW 1923, 1039; 1925, 1799; OLG Hamburg, OLGE 23, 74; OLG Koblenz, Rpfleger 1956, 147; OLG Celle, MDR 1977, 935; OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 720; OLG Bamberg, JurBüro 1982, 1721; s. auch vorstehend Rn. 3548 ff. 6 OLG Hamburg, MDR 1975, 846. 7 OLG Köln, MDR 1980, 1025.

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Löschung von Grundpfandrechten, Vormerkungslöschung 3570

Bei der Klage auf Löschung einer Höchstbetragshypothek ist ebenfalls die wirklich zur Entstehung gelangte Forderung und nicht die in das Grundbuch eingetragene Forderung, bis zu deren Höchstbetrag das Grundstück belastet ist, für den Wert bestimmend.1

3571

Ist die besicherte Forderung bereits unstreitig erfüllt, soll sich der Streitwert auf 20 % des Nennbetrags der Hypothek belaufen.2

3572

Der Streitwert für die Klage auf Löschung einer bereits vor der Währungsreform zurückgezahlten unstreitigen Reichsmark-Hypothek ist auf 1/10 des Nennbetrages der Reichsmarkforderung festzusetzen; denn es kann nur davon ausgegangen werden, dass der Kläger in einer derartigen Angelegenheit mit der Klage die Zustimmung fordert, soweit er sie zur Rechtsänderung im Grundbuch benötigt. Dies ist aber lediglich der Fall, soweit der Beklagte noch formell die Rechtsstellung eines Hypothekengläubigers hat. Das wiederum hat er nur bezüglich der im Verhältnis 1:10 abgewerteten Forderung, nicht aber hinsichtlich der 1:1 umgewerteten Eigentümergrundschuld.3

3573

Demgegenüber will das OLG Frankfurt4 den Streitwert für eine Klage auf Erteilung einer Löschungsbewilligung hinsichtlich einer Reichsmark-Grundschuld regelmäßig mit dem vollen Wert des Nennbetrages annehmen. Ein geringerer Streitwert rechtfertige sich ausnahmsweise nur insoweit, als die Hypothekengewinnabgabe aufgrund der Vorschriften des LAG weniger als 90 % des RM-Nennbetrages ausmache.

3574

Streiten die Parteien in der Klagesache auf Löschung einer vor der Währungsreform angeblich voll zurückgezahlten Reichsmarkhypothek über deren Charakter und damit über die Höhe der Umstellung (10:1 oder 1:1) und damit wiederum über die Höhe der erfolgten Schuldtilgung, so kann nur der volle Nennbetrag der eingetragenen Forderungen in Euro als Streitwert zugrunde gelegt werden.5

C. Miterbe 3575

Der Streitwert der Klage des Eigentümers gegen einen Miterben auf Erteilung der Löschungsbewilligung ist nicht ohne Weiteres nach dem Betrag der ganzen Forderung ohne Rücksicht auf den Erbanteil des klagenden oder beklagten Miterben zu bemessen.6

3576

Durch die Änderung der Rechtsprechung des BGH7 ist die Bewertung von Miterben-Streitigkeiten auf eine neue Grundlage gestellt worden. Grundsätzlich ist ein Miterbenanteil, der außer Streit ist, streitwertmindernd zu berücksichtigen. Auch die Klage eines Dritten gegen einen Miterben auf Abgabe grundbuchrechtlicher Erklärungen wird nur dann mit dem vollen Streitwert

1 OLG Hamburg, MDR 1975, 846; OLG Köln, MDR 1980, 1025; anders die h.M., z.B. OLG Hamburg, Rpfleger 1951, 570; OLG Schleswig, SchlHA 1964, 262. 2 OLG Rostock, Beschl. v. 5.8.2009 – 3 W 44/09, OLGR 2009, 969. 3 KG, Rpfleger 1962, 155. 4 OLG Frankfurt, Rpfleger 1955, 108. 5 KG, Rpfleger 1962, 155. 6 So aber noch KG, NJW 1956, 472; OLG Zweibrücken, Rpfleger 1962, 2. 7 S. BGH, JurBüro 1975, 1197.

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Löschung von Grundpfandrechten, Vormerkungslöschung angesetzt werden können, wenn eine antragsgemäße Verurteilung zum vollen Eigentumsübergang führt. Klagte ein Miterbe gegen einen anderen auf Erteilung der Löschungsbewilligung für eine zugunsten der Erbengemeinschaft eingetragene Sicherungshypothek, so wurde früher ebenfalls der volle Betrag der Hypothek angesetzt.

3577

Entsprechend der neueren Judikatur, die den Anteil des klagenden Erben aus wirtschaftlichen Erwägungen nicht berücksichtigt,1 hat das OLG Frankfurt2 zutreffend lediglich den Hälfteanteil des die Löschung verweigernden Miterben angesetzt.

3578

D. Nießbrauch Der Wert des Antrags auf Löschung eines Nießbrauchsrechts ist gleich dem Wert dieses Nießbrauchsrechts. Die Wertfestsetzung erfolgt nicht nach § 9 ZPO, sondern ist nach § 3 ZPO zu schätzen.3 Maßgeblich für die Wertfestsetzung ist das Interesse des Klägers.4

3579

Bei der Schätzung des Nießbrauchs an einem Grundstück ist von dem Jahresreingewinn auszugehen, von dem keine Hypothekenzinsen abzuziehen sind,5 und auch kein Betrag für Eigenleistungen des Bewirtschafters abzusetzen ist.

3580

Fehlen andere Schätzungsgesichtspunkte, dann ist es statthaft, die Höhe des Wertes in entsprechender Anwendung des § 9 ZPO zu ermitteln.6

3581

Die Klage auf Einwilligung in die Löschung eines sog. Sicherungsnießbrauchs ist nach § 3 ZPO zu schätzen, auch wenn er auf Lebenszeit des Berechtigten bestellt ist.7

3582

Dabei darf die Vorschrift des § 24 Abs. 2 KostO nicht als Schätzungsrichtlinie berücksichtigt werden, weil der Nießbrauch nur Sicherungscharakter hat und außerdem die hohen Werte der KostO mit den geringeren Gebühren der KostO korrespondieren.8

3583

E. Reallast Bei der Klage auf Löschung einer Reallast begrenzt der Verkehrswert des Grundstücks nach § 6 ZPO den Höchstbetrag der gem. § 1105 Abs. 1 BGB geschuldeten wiederkehrenden Leistungen.9 Der Streitwert ist – unter Beachtung der Obergrenze – nach § 9 ZPO zu ermitteln, da es sich um wiederkeh1 S. E. Schneider, JurBüro 1977, 433 und die Einzelheiten bei dem Stichwort „Miterbe“ (Rn. 3834 ff.). 2 OLG Frankfurt, JurBüro 1981, 757. 3 OLG Schleswig, Beschl. v. 29.3.1984 – 7 W 29/84, SchlHA 1986, 46. 4 OLG Celle, Beschl. v. 8.6.1999 – 4 W 184/99, OLGR 1999, 330. 5 KG, OLGE 29, 78. 6 OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 422 = MDR 1962, 742. 7 OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.4.1984 – 22 W 15/84, JurBüro 1984, 1236. 8 OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.4.1984 – 22 W 15/84, JurBüro 1984, 1236 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 702: Der Senat hat 1/15 des Grundstückswertes angesetzt. 9 OLG Bremen, Rpfleger 1957, 275.

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3584

Löschung von Grundpfandrechten, Vormerkungslöschung rende Leistungen handelt.1 Allein das Interesse des Klägers an der Löschung der Belastung (= wirtschaftliche Betrachtungsweise) ist maßgebend, wenn das Bezugsrecht im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht mehr besteht.2

F. Vorkaufsrecht 3585

Der Streitwert für den Anspruch auf Löschung eines eingetragenen Vorkaufsrechts ist nach § 3 ZPO festzusetzen.3

3586

Das OLG Nürnberg4 will grundsätzlich den halben Wert des belasteten Grundstücks annehmen, und das auch bei einer Klage auf Löschung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung eines Vorkaufsrechts. Im Einzelfall könne das Interesse des Klägers eine höhere Wertfestsetzung rechtfertigen.

G. Widerspruch 3587

Die Klage auf Löschung eines Widerspruchs gegen den eingetragenen Grundstückseigentümer ist nur gering zu bewerten, wenn der Grundbucheintragung lediglich formale Bedeutung zukommt.5

H. Wohnrecht 3588

Der Wert des Streitgegenstandes für eine Klage auf Bewilligung der Löschung eines Dauerwohnrechtes ist nach OLG Düsseldorf und OLG Frankfurt6 gem. § 41 Abs. 1 GKG zu bestimmen, wenn der Fortbestand des Wohnrechts unter den Parteien streitig ist. Das LG Lübeck7 will § 24 Abs. 2 KostO heranziehen.

3589

Zutreffend ist die Anwendung des § 3 ZPO.8

3590

Bei der Schätzung ist von dem Rohbetrag auszugehen, der dem Eigentümer mit der Wiedererlangung der freien Verfügung über den Nießbrauchsgegenstand zufließt.9

I. Vormerkungslöschung 3591

Der Streitwert einer Klage auf Löschung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück ist nicht nach dem Wert des Grundstücks, sondern gem. dem Interesse des Klägers an 1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.11.1992 – 2 W 40/92, OLGR 1993, 4. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.11.1992 – 2 W 40/92, OLGR 1993, 47; vergleichbar Rn. 3552. 3 OLG Schleswig, SchlHA 1953, 299. 4 OLG Nürnberg, JurBüro 1963, 43. 5 LG Bayreuth, JurBüro 1979, 1884: 1/10 des Verkehrswerts. 6 OLG Düsseldorf, JurBüro 1965, 550 u. OLG Frankfurt, MDR 1963, 937. 7 LG Lübeck, JurBüro 1959, 430. 8 OLG Schleswig, Beschl. v. 29.3.1984 – 7 W 29/84, KostRspr. GKG § 16 Nr. 44 = SchlHA 1986, 46; so auch OLG Frankfurt, JurBüro 1967, 506. 9 OLG Schleswig, Beschl. v. 29.3.1984 – 7 W 29/84, KostRsp. GKG § 16 Nr. 44 = SchlHA 1986, 46.

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Löschung von Grundpfandrechten, Vormerkungslöschung der Beseitigung der Vormerkung nach freiem Ermessen (§ 3 ZPO) zu bestimmen.1 Das Interesse der Löschungsklage wird sich dabei oft nur aus den vertraglichen Beziehungen erkennen lassen. So kann es erheblich sein, ob ein Kaufvertrag bestimmten Inhaltes vorliegt, ob dieser als verbindlich angesehen wird oder nicht und dergleichen.

3592

Bei Kaufanwartschaftsverträgen mit Wohnungsbaugesellschaften ist jedoch in Räumungsklagen und Herausgabeklagen die Sondervorschriften des § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) zu beachten,2 und zwar auch dann, wenn die Vormerkung die Eintragung einer Sicherungshypothek betrifft.3

3593

Maßgebend ist die Behinderung des Klägers, über das Grundstück frei verfügen zu können.4 Auszugehen ist dabei vom Grundstückswert,5 der mit einem Bruchteil zu bewerten ist und unter der Hälfte liegen muss.6

3594

Im Allgemeinen erscheint es angemessen, den Streitwert auf etwa 1/107 und nicht über 1/4 des Verkehrswertes des Grundstückes anzusetzen.8

3595

Das OLG Schleswig9 hat mit (höchstens!) 1/6 bewertet. Das OLG Frankfurt10 hat als Regelwert 1/4 des Wertes des vorgemerkten Rechts angenommen.11 Das OLG Bamberg12 hat mit 1/4 bis 1/3 angesetzt. Das OLG Nürnberg13 nimmt 1/2 des Grundstückswertes an. Häufig wird dabei zwar der Zusatz gemacht, es sei nicht angängig, von vornherein einen bestimmten Bruchteil des Verkehrswertes anzusetzen, sondern es müsse jeweils der konkrete Wert des Einzelfalles ermittelt werden, wobei wichtig sei, ob und inwieweit sich ein möglicher Kaufinteressent durch die

1 Vgl. OLG Oldenburg, Nds.Rpfl. 1955, 135; OLG Koblenz, Rpfleger 1957, 316; OLG Schleswig, SchlHA 1958, 7 und 1966, 85; OLG Celle, AnwBl. 1968, 229; OLG Frankfurt, JurBüro 1968, 634; KG, JurBüro 1969, 555; OLG Nürnberg, Beschl. v. 28.10.1969 – 4 U 52/69, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 240; OLG Saarbrücken, JurBüro 1979, 264 = AnwBl. 1979, 114; OLG Bamberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1007 mit Anm. E. Schneider = JurBüro 1990, 1511; LG Bayreuth, JurBüro 1979, 1884. 2 OLG Köln, JurBüro 1974, 69; 1978, 1054; LG Braunschweig, BlGWG 1968, 34. 3 OLG München, MDR 1965, 145. 4 OLG Saarbrücken, JurBüro 1979, 264 = AnwBl. 1979, 114. 5 OLG München, JurBüro 1978, 1564 m.w.N. 6 KG, JurBüro 1969, 555. 7 OLG Oldenburg, Nds.Rpfl. 1955, 135; OLG Bamberg, JurBüro 1976, 1247; OLG Bamberg, Beschl. v. 26.3.1990 – 1 W 24/90, JurBüro 1990, 1511; OLG Köln, Beschl. v. 14.3.1983 – 2 W 15/83, MDR 1983, 495. 8 OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 256. 9 OLG Schleswig, SchlHA 1966, 85. 10 OLG Frankfurt, JurBüro 1968, 634 sowie 1975, 512. 11 Ebenso OLG Nürnberg, NJW 1977, 857 = AnwBl. 1977, 251; OLG Saarbrücken, JurBüro 1979, 264 = AnwBl. 1979, 114; OLG München, JurBüro 1978, 1564; OLG München, Beschl. v. 20.3.1984 – 24 W 48/84, JurBüro 1984, 1235; OLG Celle, Beschl. v. Beschl. v 14.7.1986 – 4 W 100/86, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 835 = JurBüro 1986, 1866; OLG Celle, Beschl. v. 26.1.1994 – 16 W 48/93, OLGR 1994, 111; LG Bayreuth, JurBüro 1977, 1764. 12 OLG Bamberg, JurBüro 1975, 940. 13 OLG Nürnberg, AnwBl. 1970, 55.

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Löschung von Grundpfandrechten, Vormerkungslöschung formell noch vorhandene Auflassungsvormerkung vom Kauf hätte abhalten lassen.1 Meist sind solche Zusätze jedoch nur Lippenbekenntnisse. 3597

Demgegenüber erscheint es gleichwohl durchaus begrüßenswert, wenn die Rechtsprechung sich bemüht, berechenbare Streitwertfestsetzungen durch grundsätzliche Bruchteils-Bewertungen zu entwickeln.

3598

Wichtiger sind dabei die sachlichen Gesichtspunkte, beispielsweise dass gerade bei Wohnhäusern ein hoher Prozentsatz unangemessen ist, da deren Gebrauchswert von der Auflassungsvormerkung überhaupt nicht berührt wird.2

3599

Bei allem anerkennenswerten Bemühen, die in Einzelfällen weit auseinanderklaffende Rechtsprechung zur Bewertung der Klagen auf Löschung einer Auflassungsvormerkung durch Regel-Bruchteilsbewertungen berechenbarer zu machen, bleibt doch ein recht großer Spielraum der Unsicherheit. Er geht darauf zurück, dass zwar auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers abgestellt wird, durch die Vormerkung nicht in der Belastungs- oder Veräußerungsmöglichkeit des Grundstücks behindert zu werden.

3600

Jedoch wird durchgehend versäumt, vom Kläger konkrete Zahlenangaben darüber zu verlangen, worin sein wirtschaftlicher Nachteil besteht und wie er sich berechnet. Diese Aufklärung sollte einer abrundenden prozentualen Schätzung vorausgehen.3

3601

Begehrt der Beklagte als Berufungskläger die Abänderung des ihn zur Einwilligung in die Löschung einer Auflassungsvormerkung verurteilenden Urteils in eine Verurteilung Zug um Zug gegen Zahlung des Klägers an ihn, so ist sein Interesse durch den Wert der Auflassungsvormerkung begrenzt, solange er nicht Widerklage erhoben hat.4

3602

Sind sich die Parteien darüber einig, dass der zwischen ihnen geschlossene Grundstückskaufvertrag aufgehoben ist, besteht also kein Streit darüber, dass der durch die Auflassungsvormerkung gesicherte Anspruch nicht mehr besteht, so ist nach OLG Celle5 die auf Löschung der Auflassungsvormerkung gerichtete Klage mit etwa 1/10 des Kaufpreises zu bewerten. Dieser überzeugenden Auffassung ist auch das LG Bayreuth6 gefolgt, weil in solchen Fällen der Grundbucheintragung nur noch formale Bedeutung zukommt. Damit dürfte es jedoch kaum zu vereinbaren sein, wenn das OLG Celle in einer anderen Entscheidung7 ausgeführt hat, der Streitwert für eine Klage auf Löschung einer Hypothek richte sich auch dann nach dem Nennbetrag der Hypothek, wenn diese unstreitig getilgt sei und der Beklagte die Löschungsbewilligung nur unter Berufung auf eine Forderung von geringerer Höhe verweigere. Insoweit sind die generellen Bedenken gegen die Nichtberücksichtigung einer Gegenleistung bei unstreitigem Hauptanspruch vorzubringen (s. dazu das Stichwort „Auflassung“ Rn. 1160 ff.). 1 2 3 4 5 6 7

S. OLG Nürnberg, JurBüro 1977, 717 = AnwBl. 1977, 251 = NJW 1977, 857. OLG Saarbrücken, JurBüro 1979, 264 = AnwBl. 1979, 114. S. dazu E. Schneider, MDR 1983, 638. OLG Celle, Rpfleger 1970, 248. OLG Celle, JurBüro 1970, 434 = Nds.Rpfl. 1970, 167 = Rpfleger 1970, 248. LG Bayreuth, JurBüro 1979, 1884. OLG Celle, MDR 1977, 935.

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N. Schneider

Mahnverfahren Zutreffend hat demgegenüber das OLG Köln1 den Streitwert einer Klage auf Löschung von Arresthypotheken nur auf 1/4 des Betrags der Restforderungen angesetzt, weil die Löschungsverpflichtung des Arrestgläubigers aufgrund eines Prozessvergleiches feststand und lediglich noch darüber gestritten wurde, wann die unstreitige Verpflichtung zur Abgabe der Löschungsbewilligungen zu erfüllen sei.

3603

Nach OLG Frankfurt2 hat bei einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrages der Zusatzantrag auf Verurteilung zur Abgabe der Löschungsbewilligung wegen der Auflassungsvormerkung keinen besonderen Wert, da diese Verpflichtung eine selbstverständliche Folge der Vertragsnichtigkeit sei.

3604

Dem kann nicht zugestimmt werden. Das Urteil auf Feststellung der Vertragsnichtigkeit ersetzt noch keine Löschungsbewilligung. Dazu ist eine zusätzliche Willenserklärung des Beklagten erforderlich, zu der er nur durch Urteil gezwungen werden kann.

3605

Deshalb ist der Streitwert gem. § 5 ZPO um einen nach § 3 ZPO zu schätzenden interessengemäßen Aufschlag zu erhöhen.

3606

Mahnverfahren Literatur: Fischer, Neues zu Zuständigkeits- und Verweisungsfragen, MDR 2000, 301; Liebheit, Erledigung der Hauptsache im Mahnverfahren – Rücknahme des Streitantrages, NJW 2000, 2235; Volpert, Streitwert im Mahn- und Prozessverfahren, RVGreport 2008, 261. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 3607 B. Zuständigkeitsstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . . II. Zeitpunkt der Wertberechnung . III. Teilwiderspruch und -einspruch IV. Widerspruch bzw. Einspruch gegen die Kosten . . . . . . . . . V. „Erledigung“ im Mahnverfahren

3608 3610 3614 3616 3617

C. Gebührenstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . . 3620 II. Teilwiderspruch und -einspruch 3626

Rn. III. Widerspruch bzw. Einspruch gegen die Kosten . . . . . . . . . 3629 IV. „Erledigung“ im Mahnverfahren 3631 V. Rücknahme des Mahnantrags . . 3632 D. Rechtsmittel und Beschwer I. Zurückweisung des Mahnantrages . . . . . . . . . . . . . . . . . 3633 II. Zurückweisung des Antrags auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides . . . . . . . . . . . . . 3634 III. Abgabe an das Prozessgericht . . 3635

A. Einleitung Das Mahnverfahren dient der beschleunigten Durchsetzung von Geldforderungen, die der Schuldner nicht erfüllen kann oder will. Ob der mit dem Mahnantrag verfolgte Anspruch besteht, wird im Mahnverfahren nicht überprüft. Im Hinblick auf einen damit möglichen Missbrauch des Verfahrens ist 1 OLG Köln, MDR 1977, 495. 2 OLG Frankfurt, AnwBl. 1982, 247.

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3607

Mahnverfahren Zutreffend hat demgegenüber das OLG Köln1 den Streitwert einer Klage auf Löschung von Arresthypotheken nur auf 1/4 des Betrags der Restforderungen angesetzt, weil die Löschungsverpflichtung des Arrestgläubigers aufgrund eines Prozessvergleiches feststand und lediglich noch darüber gestritten wurde, wann die unstreitige Verpflichtung zur Abgabe der Löschungsbewilligungen zu erfüllen sei.

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Nach OLG Frankfurt2 hat bei einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrages der Zusatzantrag auf Verurteilung zur Abgabe der Löschungsbewilligung wegen der Auflassungsvormerkung keinen besonderen Wert, da diese Verpflichtung eine selbstverständliche Folge der Vertragsnichtigkeit sei.

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Dem kann nicht zugestimmt werden. Das Urteil auf Feststellung der Vertragsnichtigkeit ersetzt noch keine Löschungsbewilligung. Dazu ist eine zusätzliche Willenserklärung des Beklagten erforderlich, zu der er nur durch Urteil gezwungen werden kann.

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Deshalb ist der Streitwert gem. § 5 ZPO um einen nach § 3 ZPO zu schätzenden interessengemäßen Aufschlag zu erhöhen.

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Mahnverfahren Literatur: Fischer, Neues zu Zuständigkeits- und Verweisungsfragen, MDR 2000, 301; Liebheit, Erledigung der Hauptsache im Mahnverfahren – Rücknahme des Streitantrages, NJW 2000, 2235; Volpert, Streitwert im Mahn- und Prozessverfahren, RVGreport 2008, 261. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 3607 B. Zuständigkeitsstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . . II. Zeitpunkt der Wertberechnung . III. Teilwiderspruch und -einspruch IV. Widerspruch bzw. Einspruch gegen die Kosten . . . . . . . . . V. „Erledigung“ im Mahnverfahren

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C. Gebührenstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . . 3620 II. Teilwiderspruch und -einspruch 3626

Rn. III. Widerspruch bzw. Einspruch gegen die Kosten . . . . . . . . . 3629 IV. „Erledigung“ im Mahnverfahren 3631 V. Rücknahme des Mahnantrags . . 3632 D. Rechtsmittel und Beschwer I. Zurückweisung des Mahnantrages . . . . . . . . . . . . . . . . . 3633 II. Zurückweisung des Antrags auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides . . . . . . . . . . . . . 3634 III. Abgabe an das Prozessgericht . . 3635

A. Einleitung Das Mahnverfahren dient der beschleunigten Durchsetzung von Geldforderungen, die der Schuldner nicht erfüllen kann oder will. Ob der mit dem Mahnantrag verfolgte Anspruch besteht, wird im Mahnverfahren nicht überprüft. Im Hinblick auf einen damit möglichen Missbrauch des Verfahrens ist 1 OLG Köln, MDR 1977, 495. 2 OLG Frankfurt, AnwBl. 1982, 247.

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3607

Mahnverfahren sein Anwendungsbereich durch § 688 Abs. 2 ZPO eingeschränkt worden. Soweit sie nicht der schriftlichen und schematischen Ausgestaltung des Verfahren zuwiderlaufen, gelangen die allgemeinen Verfahrensvorschriften der ZPO zur Anwendung.

B. Zuständigkeitsstreitwert I. Allgemeines 3608

Für Durchführung des Mahnverfahrens ist das Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Wert der geltend gemachten Forderung sachlich ausschließlich zuständig, § 689 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Bewertungsprobleme stellen sich insoweit nicht.

3609

Anders liegt es beim Übergang in das streitige Verfahren. Hier kann es zu Wertunterschieden zwischen Mahn- und Streitverfahren kommen, etwa weil der Antragsgegner den Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheid nicht in vollem Umfang angegriffen, während des Mahnverfahrens Zahlungen auf die im Mahnbescheid geltend gemachte Forderung erbracht hat und/oder der Antragsteller die Forderung im streitigen Verfahren nicht mehr unverändert weiterverfolgt.

II. Zeitpunkt der Wertberechnung 3610

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertberechnung ist gem. § 4 Abs. 1 ZPO derjenige der Klageeinreichung (Anhängigkeit). Diesem Zeitpunkt entspricht bei der Überleitung der Mahnsache in das streitige Verfahren gem. § 696 Abs. 1 Satz 4 ZPO der Eingang der Akten beim Prozessgericht, nicht die Einreichung des Mahnantrages oder des Antrages auf Durchführung des streitigen Verfahrens.1

3611

Der vorgenannte Bewertungszeitpunkt wird durch die Regelung über die Fortdauer einer einmal begründeten Zuständigkeit in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht in Frage gestellt. Zwar gilt nach § 696 Abs. 3 ZPO die Streitsache mit Zustellung des Mahnbescheides als rechtshängig geworden, jedoch findet § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO auf diese zurückbezogene Rechtshängigkeit nach ganz überwiegender Ansicht wegen der Besonderheiten des Mahnverfahrens keine Anwendung.2 Es handelt sich um eine Rückwirkungsfiktion für materiell1 KG, Beschl. v. 21.2.2002 – 2 AR 19/02, MDR 2002, 1147; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.2.1996 – 21 AR 10/96, NJW-RR 1996, 1403; Beschl. v. 28.7.1992 – 20 AR 109/92, JurBüro 1993, 557 = NJW-RR 1992, 1341; OLG Hamm, Beschl. v. 26.4.2001 – 23 W 594/ 00, JurBüro 2002, 89; OLG München, Beschl. v. 16.11.1998 – 11 W 2823/98 MDR 1999, 508 = NJW-RR 1999, 944; OLG Rostock, Beschl. v. 18.2.2002 – 8 W 64/01, MDR 2002, 665; OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.2.1999 – 8 W 527/98, MDR 1999, 634; Musielak/ Heinrich, § 4 Rn. 4; Zöller/Herget, § 4 Rn. 3; ebenso für die Anwendbarkeit von § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO OLG Rostock, Beschl. v. 23.10.2007 – 6 W 64/07, MDR 2008, 593; a.A. für Gebührenstreitwert OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.6.1996 – 10 W 50/96, JurBüro 1997, 145 = NJW-RR 1997, 704; Beschl. v. 26.2.1998 – 10 W 18/98, AGS 1998, 107 = NJW 1999, 2000 = NJW-RR 1998, 1077: jeweils zu Unrecht auf den Streitantrag abstellend. 2 BayObLG, Beschl. v. 29.6.1994 – 1 Z AR 31/94, MDR 1995, 312 = NJW-RR 1995, 636; KG, Beschl. v. 21.2.2002 – 2 AR 19/02, MDR 2002, 1147; Beschl. v. 27.11.1997 –

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Mahnverfahren rechtliche Normen, die an den Eintritt der Rechtshängigkeit anknüpfen, beispielsweise für den Anfall von Prozesszinsen (§ 291 BGB) oder den Ersatz von Nutzungen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§ 987 BGB). Die mit dem Erlass des Vollstreckungsbescheids verbundene fiktive Rechtshängigkeit nach § 700 Abs. 2 ZPO rechtfertigt keine andere Bewertung, was bereits aus der Verweisung in § 700 Abs. 3 Satz 2 ZPO folgt. Danach gilt bei Einlegung eines Einspruchs § 696 Abs. 1 Satz 4 ZPO, wonach der Rechtsstreit (erst) mit Akteneingang als anhängig anzusehen ist, entsprechend. Maßgeblicher Zeitpunkt für § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ist auch hier der Akteneingang, sodass bei Wertdifferenzen zwischen Mahn- und Vollstreckungsbescheid immer auf Letzteren abzustellen ist.1

3612

Die vorstehenden Ausführungen gelten auch dann, wenn die Abgabe nach Widerspruchseinlegung nicht alsbald erfolgt. Da ein Eintritt der Rechtshängigkeit vor Anhängigkeit ausscheidet, kommt alternativ zum Akteneingang nur die nach außen erkennbare Aufnahme der gerichtlichen Tätigkeit2 oder die Zustellung der Anspruchsbegründung in Betracht.3 Beides trägt den Besonderheiten des Mahnverfahrens nur unzureichend Rechnung.4 Streitwertrechtlich gewinnt die Frage an Bedeutung, wenn eine Antragsbeschränkung auf einen Wert unterhalb der Zuständigkeitsgrenze erstmals in der nach Abgabe eingereichten Anspruchsbegründung erfolgt. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO stünde dann einer Verweisung vom LG an das AG nicht entgegen.5

3613

III. Teilwiderspruch und -einspruch Legt der Antragsgegner gegen den Mahnbescheid nur teilweise Widerspruch ein, erfolgt eine Abgabe nur im Umfang des widersprochen Teils, §§ 694 Abs. 1, 696 Abs. 1 ZPO. Allein der von der Abgabe betroffene Teil des Mahnantrages (Streitgegenstandes) wird beim Prozessgericht an- und rechtshängig, während hinsichtlich des beim Mahngericht verbliebenen Teils Vollstre-

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2 3 4

5

28 AR 55/97, MDR 1998, 35 = NJW 1998, 1324; OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.9.1994 – AR 15/94, NJW-RR 1995, 831; OLG Hamburg, Beschl. v. 9.6.1998 – 8 W 139/98, JurBüro 1998, 652 = MDR 1998, 1121; OLG München, Beschl. v. 16.5.1997 – 11 W 1392/ 97, JurBüro 1997, 602; OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.4.1984 – 8 W 324/83, MDR 1984, 673 = JurBüro 1984, 1220; MünchKomm.ZPO/Schüler, § 696 Rn. 20; Musielak/Voit, § 696 Rn. 6; Zöller/Vollkommer, § 696 Rn. 7. OLG Braunschweig, Beschl. v. 16.2.1999 – 1 W 5/99, OLGR 1999, 310; OLG Koblenz, Rpfleger 1982, 292; MünchKomm.ZPO/Schüler, § 700 Rn. 7; Musielak/Voit, ZPO, § 700 Rn. 3; Zöller/Vollkommer, § 686 Rn. 6; ohne Begründung a.A. Fischer, MDR 2000, 301 (303); Thomas/Putzo/Hüßtege, § 700 ZPO Rn. 3. So OLG Köln, Urt. v. 22.2.1985 – 6 U 191/84, MDR 1985, 680. So Baumbach/Hartmann, § 696 ZPO Rn. 11; MünchKomm.ZPO/Schüler, § 696 Rn. 21; Musielak/Voit, § 696 Rn. 4. KG, Beschl. v. 13.2.1998 – 28 AR 61/97, MDR 1998, 618; Beschl. v. 27.11.1997 – 28 AR 55/97, MDR 1998, 735; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 696 Rn. 5 m.w.N.; offen lassend KG, Beschl. v. 21.1.2002 – 2 AR 19/02, MDR 2002, 1147; offen lassend für Einhaltung materiell-rechtlicher Fristen BGH, Urt. v. 14.11.1991 – IX ZR 250/90, MDR 1992, 180 = NJW 1993, 1070: spätestens mit Zustellung der Anspruchsbegründung; BGH, Urt. v. 18.10.1990 – IX ZR 43/90, BGHZ 112, 325 = NJW 1991, 171: nicht vor Abgabe. Vgl. etwa KG, Beschl. v. 21.2.2002 – 2 AR 19/02, MDR 2002, 147.

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Mahnverfahren ckungsbescheid beantragt werden kann.1 Beschränkt der Antragsgegner (in zulässiger Weise) seinen Einspruch, wird der nicht angegriffene Teil des Vollstreckungsbescheides rechtskräftig, § 700 Abs. 1 ZPO. Auch hier gelangt das Mahnverfahren nicht in vollem Umfang an das Prozessgericht. 3615

Der Streitwert des Erkenntnisverfahrens richtet sich in beiden Fällen nach dem Umfang der Abgabe, d.h. dem Wert des streitigen Anspruchs, wobei entsprechend den allgemeinen Regeln Zinsen und Kosten unberücksichtigt bleiben, § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 GKG (§ 22 GKG a.F.).

IV. Widerspruch bzw. Einspruch gegen die Kosten 3616

Der Antragsgegner kann seinen Widerspruch bzw. Einspruch auf die im Mahnbescheid bzw. Vollstreckungsbescheid enthaltene Kostenentscheidung beschränken. Bewertungsrechtlich entspricht dies dem bereits erörterten Teilwiderspruch, da eine Abgabe des Mahnverfahrens an das Prozessgericht nur hinsichtlich der noch streitigen Kosten erfolgt, die damit nach § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 3 GKG (§ 22 Abs. 3 GKG a.F.) zur Hauptsache werden.2 Der Zuständigkeitswert bemisst sich folglich nach der Summe der durch das Mahnverfahren verursachten gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, soweit der Wert der Hauptsache nicht überschritten wird.

V. „Erledigung“ im Mahnverfahren 3617

Wie bereits dargelegt, bestimmt sich der Zuständigkeitsstreitwert danach, in welchem Umfang das Mahnverfahren an das Streitgericht abgegeben worden ist. Dies wird bei Zahlungen des Beklagten während des Mahnverfahrens maßgeblich davon beeinflusst, ob sich der Kläger bereits im Mahnverfahren, d.h. vor Abgabe der Akten an das Prozessgericht, auf eine vollständige oder nur teilweise materielle Erledigung der Mahnantragsforderung berufen und diese insoweit nicht mehr zur Entscheidung des Prozessgerichts gestellt hat.

3618

In der Praxis geschieht dies oft dadurch, dass vom Kläger „der Rechtsstreit“ in der Hauptsache (teilweise) für erledigt erklärt wird. Darin ist weder eine Rücknahme des Streitantrages noch ein Antrag auf Feststellung einer dahingehenden „Erledigung“ zu sehen. Die Erklärung ist vielmehr sachgerecht dahingehend auszulegen, dass der Kläger – unter Aufgabe des bisherigen Mahnantrages – die Feststellung der (materiell-rechtlichen) Verpflichtung des Beklagten zur Kostentragung begehrt. Denn gegen eine Wertung als Rücknahme des Streitantrages spricht, dass der „erledigte“ Teil des Mahnverfahrens nicht in das Streitverfahren übergeleitet und damit eine Entscheidung über die durch diesen verursachten Kosten verhindert wird, obwohl dem Kläger an einer Sachentscheidung gelegen ist.3 1 Zöller/Vollkommer, § 699 Rn. 9. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.9.1983 – 5 W 9/83, MDR 1984, 149 = ZIP 1983, 328; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.1994 – 5 W 117/94, JurBüro 1995, 323; OLG Zweibrücken, OLGZ 1971, 380; MünchKomm.ZPO/Schüler, § 694 Rn. 18; Zöller/Vollkommer, § 694 Rn. 1. 3 OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2001 – 23 U 59/01, OLGR 2002, 296; OLG Hamm, Beschl. v. 12.6.2001 – 21 W 29/00 + 21 W 7/01, OLGR 2001, 297; OLG München,

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Mahnverfahren Erfolgt dagegen eine Abgabe ohne einschränkende Antragstellung des Klägers, dann wird das aus dem Mahn- oder Vollstreckungsbescheid ersichtliche Klagebegehren in vollem Umfang rechtshängig.1 Der Streitwert bestimmt sich nach der Höhe des im Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheid aufgeführten Zahlungsanspruchs.

3619

Zu den Einzelheiten s. unter dem Stichwort „Erledigung“ Rn. 2162 ff., 2217 ff.

C. Gebührenstreitwert I. Allgemeines Im Mahnverfahren richten sich die Gerichtskosten (Nr. 1110 KV GKG) und Gebühren für die anwaltliche Vertretung des Antragstellers (Nr. 3305 VV RVG) gem. §§ 3, 39 GKG (entspricht weitgehend §§ 11, 12 GKG a.F.) und § 23 RVG (§ 8 BRAGO) nach dem Wert des im Mahnantrag geltend gemachten Zahlungsanspruchs.2 Dass der Antragsteller den Mahnbescheid „nur“ zur Hemmung der Verjährung (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB) beantragt hat, rechtfertigt keine geringere Bewertung.3 Insoweit wie auch im Übrigen gelten die allgemeinen Regeln, Zinsen und Kosten bleiben als Nebenforderung unberücksichtigt, § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 GKG (§ 22 GKG a.F.). Probleme des Gebührenstreitwertes ergeben sich regelmäßig erst im Zusammenhang mit der Abgabe des Verfahrens an das Prozessgericht.

3620

Wird das Verfahren nach Erhebung des Widerspruchs oder Einlegung des Einspruchs an das Streitgericht abgegeben (§§ 696 Abs. 1, 700 Abs. 3 ZPO), entsteht mit Eingang der Akten die allgemeine Verfahrensgebühr (Nr. 1210 KV GKG) unter Anrechnung der Gebühr nach Nr. 1110 KV GKG, soweit Mahnund Streitverfahren denselben Streitgegenstand betreffen.4 Entscheidend für die Wertbestimmung ist daher der Umfang, in dem das Mahnverfahren in das streitige Verfahren übergeleitet wird. Ist der Abgabe ein Teilwiderspruch bzw. -einspruch vorausgegangen, ermäßigt sich der Streitwert für das weitere Verfahren bereits mit dessen Eingang bei dem Mahngericht.5

3621

Der bislang bestehende Streit, ob sich die Verfahrensgebühr – bei einer (bedingten) Streitantragstellung bereits im Mahnbescheidsantrag (§ 696 Abs. 1 Satz 2 ZPO) – nach dem Wert des mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Anspruchs unabhängig davon bestimmt, ob der Anspruch vom Antragsteller (Kläger) noch vor Abgabe teilweise für „erledigt“ erklärt worden ist,6 ist mit

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Beschl. v. 28.2.1996 – 28 W 676/96, JurBüro 1996, 368 = NJW-RR 1996, 956; Liebheit, NJW 2000, 2235 (2236). OLG Hamm, Beschl. v. 12.6.2001 – 21 W 7/01, OLGR 2001, 297. Hartmann, KostG, KV 1100 Rn. 4; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Mahnverfahren“. BVerfG, Beschl. v. 3.1.2007 – 1 BvR 737/04, Rpfleger 2007, 427 = NJW 2007, 2032. Volpert, RVGreport 2008, 361, 362. OLG Düsseldorf, JurBüro 2004, 378; OLG Köln, Beschl. v. 16.6.2006 – 17 W 5/05, OLGR 2007, 67. So die sog. Vorverlegungstheorie – OLG Bamberg, FamRZ 1999, 1292; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 1077; OLG Hamburg, Beschl. v. 9.6.1998 – 8 W 139/98, OLGR 1998, 407 = MDR 1998, 1121 = JurBüro 1998, 652; dagegen mit Recht Liebheit, NJW 2000, 2235; OLG Hamburg, Beschl. v. 30.11.2000 – 8 W 294/00, MDR 2001, 294 mit zust. Anm. Schütt.

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Mahnverfahren dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz 2004 überholt.1 Ausweislich der amtlichen Anmerkungen zu Nr. 1210 KV GKG ist kostenrechtlich – wie auch beim Zuständigkeitsstreitwert (s. oben Rn. 3610 ff.) – der Eingang der Akten beim Prozessgericht der für die Wertbestimmung maßgebende Zeitpunkt. 3622

Bleibt ein Widerspruch des Antragsgegners innerhalb der Widerspruchsfrist aus und wird infolgedessen Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides gestellt, dann entsteht eine halbe Verfahrensgebühr (nur) für die Vertretung des Antragstellers (Nr. 3308 VV RVG).2 Die Regelung entspricht inhaltlich § 43 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO. Der Gegenstandswert dieser nicht der Anrechnung unterliegenden Verfahrensgebühr bemisst nach der Höhe des mit dem Vollstreckungsbescheid verfolgten Anspruchs.3 Zahlungen des Antragsgegners, die bei der Antragstellung gem. § 699 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen sind, führen folglich zu einer Wertminderung. Die auf den „erledigten“ Teil des Mahnverfahrens anfallenden Kosten bleiben bei der Wertbestimmung gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 3 GKG (§ 22 Abs. 3 GKG a.F.) unberücksichtigt, da es sich ausweislich §§ 696 Abs. 1 Satz 5, 281 Abs. 3 Satz 1 ZPO um Kosten des Rechtsstreits handelt.

3623

Wird der Anwalt nach Erlass des Mahnbescheids mit der Widerspruchseinlegung oder nach Erlass des Vollstreckungsbescheids mit der Erhebung des Einspruchs beauftragt, richtet sich der Gegenstandswert für die anwaltliche Vertretung des Antragsgegners (Nr. 3307 VV RVG) über § 23 RVG (§ 8 BRAGO) nach dem Wert des Mahnanspruchs, soweit nicht der Rechtsbehelf seinem Umfang nach bereits nach dem Inhalt der Mandatierung beschränkt werden soll.4

3624

Mit dem Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens erwächst dem Prozessbevollmächtigten die allgemeine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG.5 Der Gegenstandswert berechnet sich gem. § 23 Abs. 1 RVG (entspricht weitgehend § 8 Abs. 1 BRAGO) nach dem in der Instanz erreichten höchsten Wert für das streitige Verfahren, soweit keine weiter gehende Mandatierung erfolgt; nachträgliche Wertminderungen bleiben unberücksichtigt.6 Maßgebend ist daher auch hier der Umfang, in dem das Mahnverfahren in das streitige Verfahren übergeleitet wird, mithin der Wert zum Zeitpunkt des Eingangs der Akten beim Prozessgericht (§ 694 Abs. 1 Satz 3 ZPO).

3625

Mit der Abgabe des Rechtsstreits an das Prozessgericht (§§ 696 Abs. 1 bzw. 700 Abs. 3 ZPO) endet das Mahnverfahren.7 Die nunmehr nach Nr. 1210 KV GKG und Nr. 3100 VV RVG entstehende gerichtliche und anwaltliche Verfah1 Ebenso Hartmann, 36. Aufl., KV 1210 Rn. 5. 2 OLG Bamberg, Beschl. v. 3.12.1979 – 1 W 59/79, JurBüro 1980, 721; a.A. AnwK-RVG/ Mock, VV 3308 Rn. 8, der jede, also auch eine vor Antragstellung liegende Tätigkeit ausreichen lassen will. 3 Hartmann, VV 3308 Rn. 16. 4 OLG Saarbrücken, JurBüro 1973, 132 mit Anm. Schmidt; wohl auch AnwK-RVG/ Mock, VV 3307 Rn. 6, 8, und zur Anrechnung Rn. 33 f. 5 OLG Hamburg, Beschl. 15.12.1993 – 8 W 235/93, JurBüro 1994, 608 = MDR 1994, 520; OLG Jena, Beschl. v. 22.11.1999 – 5 W 594/99, JurBüro 2000, 472; OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.5.1990 – 1 W 60/90, JurBüro 1990, 613. 6 AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, VV Vorb. 3 Rn. 86. 7 OLG München, Beschl. v. 30.9.1997 – 11 W 2456/97, MDR 1998, 62 = NJW-RR 1998, 504; Zöller/Vollkommer, § 696 Rn. 5.

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Mahnverfahren rensgebühr bestimmt sich vorbehaltlich von Beschränkungen oder Erweiterung des Streitgegenstandes nach dem Umfang der Abgabe. Insoweit und bezüglich des Zeitpunktes der Wertberechnung kann auf die Ausführungen zum Zuständigkeitsstreitwert Bezug genommen werden.

II. Teilwiderspruch und -einspruch Bei einem (zulässigen) Teilwiderspruch wird nur der vom Widerspruch betroffene Teil des Mahnbescheids an das Prozessgericht abgegeben, hinsichtlich des verbliebenen Teils kann beim Mahngericht Vollstreckungsbescheid beantragt werden. Wird dies vom Kläger übersehen und vor dem Prozessgericht „der Antrag aus dem Mahnbescheid“ gestellt, bedarf es eines gerichtlichen Hinweises (§ 139 ZPO). Über die bis dahin entstandenen Kosten des Mahnverfahrens kann wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung erst mit der Schlussentscheidung im streitigen Verfahren entschieden werden. Für eine Teil-Kostenentscheidung im Teil-Vollstreckungsbescheid ist nur dann Raum, wenn diese unabhängig vom weiteren Ausgang des Rechtsstreits von dem Antragsgegner in jedem Fall zu tragen sind.1

3626

Streitig ist insoweit, ob der Kläger, anstatt die Durchführung des streitigen Verfahrens zu beantragen, den Anspruch auch unmittelbar im Wege der Klageerhebung geltend machen kann.2 Zwar steht dem nicht eine anderweitige Rechtshängigkeit der Forderung (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) entgegen, da das Mahnverfahren keine Rechtshängigkeit begründet. Jedoch fehlt es für die Klageerhebung am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis, da dem Kläger mit der Fortsetzung des Mahnverfahrens ein einfacherer und kostengünstigerer Weg zur Erlangung eines Titels (Vollstreckungsbescheid) zur Verfügung steht. Bei verständiger Würdigung ist der Klageantrag daher dahingehend auszulegen, dass der Antrag aus dem Mahnbescheid nur im Umfang der Abgabe gestellt werden soll. Dementsprechend kommt es für das streitige Verfahren auch zu keiner Erhöhung des bereits durch den Umfang der Abgabe bestimmten Streitwertes.

3627

Legt der Antragsgegner (in zulässiger Weise) gegen den Vollstreckungsbescheid nur teilweise Einspruch ein, gelangt das Mahnverfahren nur in diesem Umfang an das Prozessgericht, im Übrigen wird der Vollstreckungsbescheid rechtskräftig, § 700 Abs. 1 ZPO. Ein – ohne entsprechende Beschränkung – auf Aufrechterhaltung des Vollstreckungsbescheides gerichteter Klageantrag ist daher sprachlich ungenau und berichtigend auszulegen.

3628

III. Widerspruch bzw. Einspruch gegen die Kosten Wie bereits beim Zuständigkeitsstreitwert dargestellt, kann der Antragsgegner seinen Widerspruch bzw. Einspruch auf die im Mahnbescheid bzw. Vollstreckungsbescheid enthaltene Kostenentscheidung beschränken. Da in diesem Fall das Mahnverfahren nur hinsichtlich der noch streitigen Kosten abgegeben wird, werden diese gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 3 GKG (§ 22 Abs. 3 GKG

1 OLG Köln, Beschl. v. 16.6.2006 – 17 W 5/05, OLGR 2007, 67; Volpert, RVGreport 2008, 361, 368 m.w.N. 2 S. MünchKomm.ZPO/Schüler, § 696 Rn. 17 m.w.N.

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3629

Mahnverfahren a.F.) zur Hauptsache.1 Wertbestimmend ist auch hier die Summe der durch das Mahnverfahren verursachten gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, soweit nicht der Wert der bisherigen Hauptsache geringer ist. 3630

Teilt der Antragsteller mit Einreichung des Antrages auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides dem Mahngericht gem. § 699 Abs. 1 Satz 2 ZPO mit, die Hauptforderung sei bezahlt worden, dann „erledigt“ sich dadurch allein die Hauptsache nicht; ein auf dem Vollstreckungsbescheid angebrachter Vermerk „abzüglich gezahlter ... Euro“ stellt auch nicht die Erledigung der Hauptsache fest. Er besagt aber, dass ein auf die Kosten beschränkter Vollstreckungsbescheid ergeht. Der Wert des nach einem allein gegen die Kostenlast eingelegten Einspruch abgegebenen Mahnverfahrens ist folglich nur nach dem Wert der bis zur Einlegung des Einspruchs erwachsenen Kosten zu berechnen.2

IV. „Erledigung“ im Mahnverfahren 3631

Beim Zuständigkeitsstreitwert wurde bereits ausgeführt, dass Zahlungen mit materiell-rechtlich erledigender Wirkung auf den Wert des streitigen Verfahrens nur dann Einfluss nehmen, wenn ihnen der Antragsteller vor Abgabe durch eine entsprechende eingeschränkte Antragstellung Rechnung getragen hat. Damit ist noch nicht entschieden, welche streitwertrechtlichen Auswirkungen Antragsänderung nach Abgabe haben. Wegen der Einzelheiten wird auch insoweit auf das Stichwort „Erledigung“ Rn. 2162 ff., 2217 ff. verwiesen.

V. Rücknahme des Mahnantrags 3632

Nach Rücknahme des Mahnantrags, die entsprechend § 269 Abs. 3 ZPO bis zum Eintritt der Rechtskraft des Vollstreckungsbescheides möglich ist, bestimmt sich der Streitwert des weiteren Verfahrens nur noch nach dem Kosteninteresse der Beteiligten und damit nach der Höhe der bis dahin angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten.3

D. Rechtsmittel und Beschwer I. Zurückweisung des Mahnantrages 3633

Die Zurückweisung des Mahnantrages ist mit der sofortigen Beschwerde nur angreifbar, wenn die Zurückweisung auf eine zur maschinellen Verarbeitung ungenügende Form des Mahnantrages gestützt wird, § 691 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Im Übrigen ist die Zurückweisung nach ganz überwiegender Ansicht nicht mit der Beschwerde (arg. § 691 Abs. 3 Satz 2 ZPO), aber mit der Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RpflG angreifbar. Der Beschwerdewert richtet sich nach dem Umfang der Zurückweisung des geltend gemachten Anspruchs. 1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.9.1983 – 5 W 9/83, MDR 1984, 149 = ZIP 1983, 328; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.3.1994 – 5 W 117/94, JurBüro 1995, 323; OLG Zweibrücken, OLGZ 1971, 380; MünchKomm.ZPO/Schüler, § 694 Rn. 18; Zöller/Vollkommer, § 694 Rn. 1, § 700 Rn. 7. 2 KG, Beschl. v. 10.9.1982 – 1 W 2507/82, JurBüro 1983, 281 = MDR 1983, 323. 3 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.5.2007 – 15 W 18/07, OLGR 2008, 33 = JurBüro 2007, 437.

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Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung)

II. Zurückweisung des Antrags auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides Weist der Rechtspfleger (§ 3 Nr. 3a i.V.m. § 20 Nr. 1 RpflG) den Vollstreckungsbescheidsantrag zurück, steht dem Antragsteller die sofortige Beschwerde nach §§ 11 Abs. 1 RpflG i.V.m. 567 ZPO zu. Auch hier entspricht der Beschwerdewert dem Umfang der Zurückweisung.

3634

III. Abgabe an das Prozessgericht Wird rechtzeitig Widerspruch erhoben und beantragt eine Partei die Durchführung des streitigen Verfahrens oder wird nach Erlass des Vollstreckungsbescheides verspätet Widerspruch oder Einspruch erhoben, dann gibt das Mahngericht den Rechtsstreit von Amts wegen an das Prozessgericht ab. Diese Entscheidung ist gem. § 696 Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht anfechtbar, auch nicht mit der Erinnerung nach § 11 Abs. 1 RpflG.1

3635

Fehlt es an einem Widerspruch des Antragsgegners, scheidet eine Abgabe an das Prozessgericht aus. Ein gleichwohl angeordnete Abgabe bleibt ohne Bindungswirkung und zwingt zur Rückgabe des Verfahrens an das Mahngericht. Die Rückgabeentscheidung unterliegt wiederum der Beschwerde.2 Der im Mahnbescheid geltend gemachte Anspruch bestimmt auch hier den Beschwerdewert.

3636

Lehnt das Mahngericht den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens und damit die Abgabe an das Prozessgericht ab, ist die Erinnerung gem. § 11 Abs. 1 RpflG eröffnet.3

3637

Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung) Literatur: E. Schneider, JurBüro 1965, 873; Schalhorn, JurBüro 1968, 363; Schumann, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, NJW 1982, 2800; Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986; E. Schneider, MDR 1990, 197. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 3638 B. Zuständigkeitsstreitwert I. Grundsatz der Wertaddition II. Verbot der Wertaddition 1. Rechtliche Identität . . . . 2. Wirtschaftliche Identität . . 3. Nebenansprüche . . . . . .

. . . 3641 . . . 3650 . . . 3651 . . . 3652

C. Gebührenstreitwert I. Grundsatz der Wertaddition . . . 3653

Rn. II. Verbot der Wertaddition 1. Rechtliche Identität . . . . . . . 2. Wirtschaftliche Identität . . . . . a) Einzelfälle der objektiven Klagehäufung . . . . . . . . . . . b) Einzelfälle der subjektiven Klagehäufung . . . . . . . . . 3. Nebenansprüche . . . . . . . . .

3660 3662 3664 3669 3670

D. Rechtsmittel und Beschwer . . . 3672

1 Musielak/Voit, § 696 Rn. 3. 2 OLG Dresden, Beschl. v. 18.12.2000 – 8 W 663/00, Rpfleger 2001, 437. 3 Musielak/Voit, § 696 Rn. 3.

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Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung) Stichwortübersicht Rn. Abschluss eines Vertrags . . . . . . 3665 Aufrechnung . . . . . . . . . . 3646, 3656 Bauhandwerkersicherungshypothek 3666 Bezugsverpflichtung . . . . . . . . . 3665 Ehrverletzende Äußerungen – Widerruf und Unterlassung . . . 3665 Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . 3666 Gegenstandsbegriff . . . . . . . . . 3662 Gesamtgläubiger und -schuldner . . 3669 Gläubigeranfechtungsgesetz . . . . 3669 Grundschuldbrief . . . . . . . . . . 3668 Haupt- und Hilfsantrag . . . . 3644, 3656 – unechter Hilfsantrag . . . . . . . 3645 Hauptschuldner und Bürge . . . . . 3669 Herausgabe und Nutzungsersatz . . 3665 Hypothek . . . . . . . . . . . . . . 3665 Klage und Widerklage . . . . . 3644, 3656 Klageänderung . . . . . . . . . 3649, 3659 Löschung eingetragener Rechte 3667, 3668 Objektive Klagenhäufung – Feststellung und Leistung . . . . 3667 – Leistung und Herausgabe . . . . . 3666 – Leistung und Sicherung . . . . . 3666 – Leistung und unterstützende Zusatzanträge . . . . . . . . . . . 3668 – mehrere Leistungsansprüche . . . 3665 Mehrheit materieller Ansprüche . . 3673 Miteigentümergemeinschaft, Aufhebung . . . . . . . . . . . . . . . 3668 Nacherbenvermerk . . . . . . . . . 3668 Nebenansprüche . . . . . . . . 3652, 3670

Rn. Nichtvermögensrechtliche Ansprüche – Mehrheit von . . . . . . . . 3641, 3654 – mehrerer Kläger . . . . . . . . . . 3669 – und vermögensrechtliche . . 3641, 3655 Prozesstrennung . . . . . 3648, 3658, 3675 Prozessverbindung . . . . . . . 3648, 3658 Rechtliche Identität . . . . . . 3641, 3660 Rechtshängigkeit, doppelte . . . . . 3661 Rentenzahlung und Reallasteintragung . . . . . . . . . . . . . . . . 3666 Schadensersatz wegen Nichterfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . 3665 Schadensersatz nach Fristsetzung . 3668 Streitgenossen – und Gesamtschuldner bzw. -gläubiger . . . . . . . . . . . . . 3669 – unterschiedliche Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . 3669 Stufenstreitwerte bei Klageänderung . . . . . . . . . . . 3649, 3659 Subjektive Klagenhäufung – Beschwer . . . . . . . . . . . . . . 3673 – Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . 3669 Vermögensrechtlichen Ansprüchen – Mehrheit von . . . . . . . . 3641, 3654 Wirtschaftliche Identität . . . 3651, 3662 Zeitpunkt der Wertbestimmung . . . . . . . . . . . . . 3647, 3657 Zwangsvollstreckung – Duldung . . . . . . . . . . . . . . 3669 – Unzulässigkeitserklärung . . . . 3665

A. Einleitung 3638

Die außergerichtliche und gerichtliche Rechtsverfolgung muss sich nicht auf die Geltendmachung nur eines prozessualen Anspruches beschränken. Neben der Geltendmachung verschiedener Lebenssachverhalte sowie von vorrangig und hilfsweise verfolgten Ansprüchen treten Forderungen von oder gegen mehrere Personen sowie die wechselseitige Inanspruchnahme der Parteien. Für eine streitwertrechtlich zutreffende Erfassung bedarf es jeweils der Klärung, ob bei einer Mehrheit von geltend gemachten Ansprüchen diese rechtlich oder wirtschaftlich identisch sind, da in diesem Fall eine Wertaddition ausscheidet.

3639

Systematisch stellt sich die Häufung von Ansprüchen wie folgt dar: I. Zusammentreffen von Primäransprüchen 1. einseitig: objektive und subjektive Klagenhäufung 2. wechselseitig: Klage und Aufrechnung bzw. Widerklage II. Zusammentreffen von Hauptanspruch und Hilfsanspruch 1. einseitig: Hauptantrag und (echter) Hilfsantrag 2. wechselseitig: Klage und Hilfsaufrechnung bzw. -widerklage III. Wechselseitige Rechtsmittel 752

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Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung) Da die Themenbereiche I. 2, II. und III. zum besseren Verständnis und der Übersichtlichkeit wegen unter eigenen Stichwörtern behandelt werden, beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen – von wenigen für das Gesamtverständnis erforderlichen Ausführungen abgesehen – auf die Erörterung der Klagenhäufung. S. daher im Übrigen unter den Stichwörtern „Klage und Widerklage“, „Hilfsantrag“, „Aufrechnung“, „Hilfswiderklage“ und „Rechtsmittel“.

3640

B. Zuständigkeitsstreitwert I. Grundsatz der Wertaddition Gem. § 5 Halbs. 1 ZPO werden mehrere in einer Klage nebeneinander primär geltend gemachte Ansprüche, soweit verschiedene Streitgegenstände vorliegen, grundsätzlich zusammengerechnet.1 Dies gilt nach allgemeiner Meinung bei der subjektiven Klagenhäufung nach §§ 59 ff. ZPO sowie der objektiven Klagenhäufung nach § 260 ZPO. Im letzteren Falle auch bei einer Mehrheit von nicht vermögensrechtlichen Ansprüchen2 sowie bei dem Aufeinandertreffen von vermögensrechtlichen und nicht vermögensrechtlichen Ansprüchen.3

3641

Ist die sachliche Zuständigkeit der Gerichte für einen der geltend gemachten Ansprüche vom Streitwert unabhängig geregelt, beispielsweise gem. § 23 Nr. 2a GVG (amtsgerichtliche Zuständigkeit für Streitigkeiten bei Wohnraummiete), dann bleibt der Wert dieses Anspruchs bei der ansonsten nach § 5 Halbs. 1 ZPO gebotenen Wertaddition unberücksichtigt.4 Für die Zulässigkeit einer Klagehäufung (§ 260 ZPO) kommt es daher darauf an, dass das Prozessgericht auch für den weiteren Anspruch sachlich zuständig ist.

3642

Wird eine Klageforderung nur auf mehrere Klagegründe (materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen) gestützt, also beispielsweise ein Herausgabeverlangen zugleich aus Gesetz, Vertrag und unerlaubter Handlung hergeleitet, dann handelt es sich nicht um eine Klagenhäufung, sondern um eine Mehrheit materieller Ansprüche. Hier scheidet eine Zusammenrechnung aus.5 Der Streitwert bestimmt sich vielmehr nach der höchsten anwendbaren Bewertungsvorschrift.6

3643

Von der Addition ebenfalls ausgenommen sind Klage und Widerklage (§ 5 Halbs. 2 ZPO) sowie Haupt- und (echter) Hilfsantrag. Hier ist für den Zuständigkeitsstreitwert letztlich jeweils der höherwertigere prozessuale Anspruch wertbestimmend.7

3644

1 BGH, AnwBl. 1976, 339; Meyer, Anh. § 48 (§ 5 ZPO) Rn. 50. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 16.8.1984 – 6 U 771/83, JurBüro 1985, 257 = WRP 1985, 45 – mehrere Unterlassungsschuldner; OLG München, Beschl. v. 10.11.1992 – 21 W 2023/ 92, MDR 1993, 286 – mehrere Unterlassungsschuldner. 3 OLG Hamm, JurBüro 1951, 21; Anders/Kehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rn. 4; Zöller/Herget, § 5 Rn. 7. 4 Musielak/Heinrich, § 5 Rn. 10. 5 BGH, Beschl. v. 27.2.2003 – III ZR 115/02, MDR 2003, 716 = NJW-RR 2003, 713 = AnwBl. 2003, 596; OLG Bremen, JurBüro 1979, 731. 6 Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Klagenhäufung“. 7 Zöller/Herget, § 5 Rn. 4; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rn. 4.

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Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung) 3645

Davon abzugrenzen ist der unechte Hilfsantrag, beispielsweise der Antrag auf Schadensersatz für den Fall der Nichterfüllung einer (gleichfalls titulierten) Leistungspflicht innerhalb einer bestimmten Frist (§§ 255, 259 ZPO, 283 BGB), bei dem es sich um einen Fall der kumulativen Klagehäufung handelt. Hier gelten die allgemeinen Bewertungsregeln zur objektiven Klagehäufung (s. im Einzelnen unter dem Stichwort „Hilfsantrag“ und „Herausgabe“).

3646

Die Geltendmachung eines Anspruchs im Wege der Aufrechnung bleibt auf den Zuständigkeitsstreitwert in jedem Fall ohne Einfluss, denn dieser wird durch den Streitgegenstand bestimmt und setzt Rechtshängigkeit des Anspruchs (§ 261 Abs. 1 ZPO) voraus. Da die Gegenforderung mit der Geltendmachung der Aufrechnung nicht rechtshängig wird,1 ist insbesondere für eine Addition von Forderung und Gegenforderung gem. § 5 Satz 1 ZPO kein Raum.2

3647

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertbestimmung ist gem. § 4 ZPO der Zeitpunkt der Antrags- bzw. Klageeinreichung (und -erweiterung). Eine Veränderung der die Zuständigkeit begründenden Umstände nach Eintritt der Rechtshängigkeit ist (bei gleich bleibendem Streitgegenstand) für den Zuständigkeitswert ohne Bedeutung, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO.

3648

Dies gilt auch für die nachträgliche Zusammenführung oder Aufhebung anfänglich verbundener Ansprüche durch gerichtliche Anordnung der Prozessverbindung (§ 147 ZPO) oder Prozesstrennung (§ 146 ZPO). Eine einmal begründete Zuständigkeit des Prozessgerichts wird hierdurch nicht berührt.3 S. hier auch unter den jeweiligen Stichwörtern.

3649

Die Werte vor und nach einer Klageänderung (§ 263 ZPO) geltend gemachter Ansprüche werden für den Zuständigkeitsstreitwert ebenfalls nicht zusammengerechnet. Das Verfahren hat zu jedem Zeitpunkt nur einen Streitgegenstand. Daher müssen zeitbezogen unterschiedliche Werte – sog. Stufenwerte – festgesetzt werden.4

II. Verbot der Wertaddition 1. Rechtliche Identität 3650

Wird ein Klagebegehren auf mehrere Klagegründe (materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen) oder Haupt- und Hilfsvorbringen gestützt, dann handelt es sich nicht um eine Häufung prozessualer Ansprüche (Klagehäufung), sondern um eine Mehrheit materieller Ansprüche. Hier ist ohne Zusammenrechnung nur ein Streitwert und dieser nach der höchsten anwendbaren Bewertungsvorschrift festzusetzen.5 1 BGH, Urt. v. 11.11.1971 – VII ZR 57/70, BGHZ 57, 422 = MDR 1972, 318 = NJW 1972, 450 = WM 1972, 196 = JZ 1972, 170 = DB 1972, 236; Zöller/Greger, § 145 Rn. 18. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.8.1998 – 28 AR 63/98, MDR 1999, 438; Baumbach/Hartmann, § 3 Rn. 23; Zöller/Herget, § 5 Rn. 9. 3 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rn. 10, 11; Thomas/Putzo/Reichold, § 145 Rn. 4; Zöller/Herget, § 4 ZPO Rn. 7. 4 S. dazu Schneider, Kostenentscheidung im Zivilurteil, 2. Aufl. 1977, § 22 VII und hier das Stichwort „Klageänderung“. 5 BGH, Beschl. v. 27.2.2003 – III ZR 115/02, MDR 2003, 716 = NJW-RR 2003, 713 = AnwBl. 2003, 596; Urt. v. 21.2.1985 – VIII ZR160/83, NJW 1985, 1840; OLG Bremen,

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Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung) 2. Wirtschaftliche Identität Nur bei einer Mehrheit von Streitgegenständen (prozessualen Ansprüchen) bedarf es der Klärung, ob diese wirtschaftlich identisch sind. Betreffen diese „denselben Gegenstand“, weil der eine Anspruch aus dem anderen folgt, auf dasselbe (wirtschaftliche) Interesse ausgerichtet ist oder nur den Zweck verfolgt, den anderen Anspruch zu rechtfertigen oder ihm als Vorrausetzung oder Begründung zu dienen, scheidet eine Wertaddition aus.1 Die Bewertungsgrundlagen entsprechen daher denen des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.), sodass auf die nachfolgenden Ausführungen zur wirtschaftlichen Identität beim Gebührenstreitwert (unten Rn. 3662) verwiesen werden kann.

3651

3. Nebenansprüche Nebenforderungen sind von der eingeklagten Hauptforderung abhängige, in demselben Rechtsstreit verfolgte, jedoch getrennt von der Hauptsache berechnete Forderungen. Sie bleiben, von Ansprüchen aus Art. 45 ScheckG und Art. 48 WG abgesehen (§ 4 Abs. 2 ZPO), gem. § 4 ZPO bei der Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwertes unberücksichtigt, solange sie neben der Hauptforderung geltend gemacht werden. S. im Übrigen unter dem Stichwort „Nebenforderungen“.

3652

C. Gebührenstreitwert I. Grundsatz der Wertaddition Nach der Neufassung des § 39 Abs. 1 GKG wird nunmehr ausdrücklich bestimmt, dass mehrere in einer Klage primär geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet werden, soweit sich im GKG keine abweichende Sonderregelung findet. Eine Änderung der bisherigen Rechtslage ist damit nicht verbunden, da die Regelung inhaltlich dem Verweis des § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. auf § 5 ZPO entspricht.2

3653

Für die Zusammenrechnung unterscheidet § 39 GKG nicht danach, ob Gegenstand der Klage eine Mehrheit von vermögensrechtlichen oder von nichtvermögensrechtlichen Ansprüchen ist. Da mit Letzteren kein wirtschaftliches Interesse verfolgt wird, ist deren (Gebühren)Streitwert unter Berücksichtung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Bedeutung und des Umfangs der Sache sowie der finanziellen Verhältnisse, der Parteien zu bestimmen, § 48 Abs. 2 GKG (§ 12 Abs. 2 GKG a.F.). In beiden Fällen ist der Streitwert jedes Anspruchs einzeln festzusetzen und dann zusammenzurechnen.3

3654

JurBüro 1979, 731; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Klagenhäufung“; Wieczorek/ Gamp, ZPO, 3. Aufl. 1994, § 5 Rn. 20. 1 Zöller/Herget, § 5 ZPO Rn. 8. 2 Zum alten Recht: BGH, Beschl. v. 23.10.1990 – VI ZR 135/90, MDR 1991, 427 = VersR 1991, 360; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.8.2000 – 10 W 53/00), OLGR 2000, 458. 3 OLG Hamm, JurBüro 1951, 21; OLG Koblenz, Beschl. v. 16.8.1984 – 6 U 771/83, JurBüro 198, 257 = WRP 1985, 45; OLG Köln, JMBl.NW 1961, 286; OLG München, Beschl. v. 10.11.1992 – 21 W 2023/92, OLGR 1993, 286 = MDR 1993, 286; Anders/ Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rn. 17; Hartmann, § 48 GKG Rn. 37.

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Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung) 3655

Zu differenzieren ist hingegen bei einer Verbindung von vermögensrechtlichen und nicht vermögensrechtlichen Ansprüchen. Beispielsweise wenn mit der Klage eines nicht ehelichen Kindes auf Zahlung des Unterhaltes und der Antrag auf Feststellung der Vaterschaft verbunden ist. Hier hat gem. § 48 Abs. 4 GKG (§ 12 Abs. 3 GKG a.F.) eine Wertaddition zu unterbleiben, wenn der vermögensrechtliche Anspruch aus dem nicht vermögensrechtlichen Anspruch abgeleitet wird,1 maßgeblich ist dann der höherwertigere Einzelanspruch. Anderenfalls ist auch hier eine Zusammenrechnung der Einzelwerte geboten.

3656

Ebenso ist gem. § 45 GKG (§ 19 GKG a.F.) grundsätzlich zu addieren, wenn verschiedene (prozessuale) Ansprüche im Wege der Klage und Widerklage, Haupt- und (beschiedenem) Hilfsantrag sowie Klage und (beschiedener) Hilfsaufrechnung geltend gemacht werden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen unter den einschlägigen Stichworten verwiesen.

3657

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertbestimmung ist gem. § 40 GKG (§ 15 GKG a.F.) auch hier derjenige der Antrags- bzw. Klageeinreichung (und -erweiterung). Nachfolgende Wertänderungen bei gleich bleibendem Streitgegenstand sind unbeachtlich. Ist die Wertminderung oder -erhöhung dagegen Folge einer Veränderung des Streitgegenstandes, ist dies durch Festsetzung eines Stufenstreitwerts zu erfassen.

3658

Dies gilt auch für die nachträgliche Zusammenführung oder Aufhebung anfänglich verbundener Ansprüche durch gerichtliche Anordnung der Prozessverbindung (§ 147 ZPO) oder Prozesstrennung (§ 146 ZPO). Hier ist im Hinblick auf den zeitlich unterschiedlichen Anfall von Gebühren zwischen dem Gebührenstreitwert bis zur Anordnung der Verbindung bzw. Trennung und dem nachfolgenden Zeitraum zu differenzieren. Denn bereits entstandene Gebühren bleiben von der Anordnung unberührt.2

3659

Ob die Werte der vor und nach einer Klageänderung (§ 263 ZPO) geltend gemachten Ansprüche zusammengerechnet werden müssen, kann nicht für alle Fallgestaltungen einheitlich beantwortet werden. Während dies für die Antragsänderung und die nachträgliche Klagenhäufung zu verneinen ist, muss beim Klagewechsel maßgeblich darauf abgestellt werden, ob damit ein Austausch wirtschaftlich identischer oder nicht identischer Ansprüche verbunden ist. Zu den Einzelheiten s. unter dem Stichwort „Klageänderung“.

1 OLG Hamm, VersR 2008, 1236; OLG Köln, Beschl. v. 25.11.1975 – 2 W 133/75, ZMR 1977, 62; Hartmann, § 48 Rn. 36; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Klagenhäufung“. 2 RGZ 44, 420; OLG Celle, JW 1933, 550; Hess. VGH, JurBüro 1987, 1359 = AnwBl. 1987, 291; KG, JW 1938, 540; OLG Köln, VersR 1992, 518; OLG München, AnwBl. 1981, 155; str. ist die Berechnung, wenn eine Gebühr zunächst in einem der Verfahren entstanden ist, nach Verbindung – aus dem höheren Wert – erneut anfällt, s. KG, JurBüro 1973, 1162; OLG Düsseldorf, AnwBl. 1978, 235; OLG Zweibrücken, JurBüro 1981, 699; OLG Stuttgart, JurBüro 1982, 1670; OLG Koblenz, JurBüro 1986, 1523; gefolgt werden sollte dem OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.1.1995 – 10 WF 2/95, MDR 1995, 645 = AGS 1995, 109 = NJW-RR 1996, 192: auf die Streitwertteile bezogene anteilige Kürzung.

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Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung)

II. Verbot der Wertaddition 1. Rechtliche Identität Wird eine Klageforderung auf mehrere Klagegründe gestützt, also beispielsweise ein Herausgabeverlangen zugleich aus Gesetz, Vertrag und unerlaubter Handlung hergeleitet, dann handelt es sich nicht um eine Klagenhäufung, also um eine Häufung prozessualer Ansprüche, sondern um eine Mehrheit materieller Ansprüche. Hier ist ohne Zusammenrechnung nur ein Streitwert und dieser nach der höchsten anwendbaren Bewertungsvorschrift festzusetzen.1

3660

Wird in einer Klage derselbe Streitgegenstand mehrfach und damit – wegen des Verbots der doppelten Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) – einmal in unzulässiger Weise geltend gemacht, scheidet gleichfalls eine Wertaddition aus. Dies folgt jedoch nur mittelbar aus § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.), dessen Gegenstandsbegriff mit dem den prozessualen Streitgegenstand nicht übereinstimmt und damit Fallgestaltungen der wirtschaftlichen Identität verschiedener prozessualer Ansprüche erfasst.

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2. Wirtschaftliche Identität In § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.) ist der Grundgedanke des Streitwertrechts ausgedrückt, dass derselbe Gegenstand nicht mehrfach bewertet werden darf. Mehrere Anträge in objektiver Klagenhäufung, die denselben Gegenstand betreffen, dürfen deshalb weder für den Zuständigkeitsoder Rechtsmittelwert noch für den Gebührenwert addiert werden. Maßgebend ist dann nur der höhere Wert.

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Hierbei besteht Einigkeit, dass der „Gegenstand“ in § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.) mit dem des (zweigliedrigen) Streitgegenstand des Prozessrechts nicht identisch ist.2 Insoweit unterscheidet sich die Wertbestimmung nicht von der Beurteilung der Mehrheit von prozessualen Ansprüchen bei Klage und Widerklage, Haupt- und Hilfsantrag oder Klage und Hilfsaufrechnung. Zu den Einzelheiten s. unter den entsprechenden Stichwörtern. Maßgebend für die Streitwertberechnung ist allein das im jeweiligen Klagebegehren zum Ausdruck kommende Interesse. Nur wenn sich das den Klageanträgen (prozessualen Ansprüchen) zugrunde liegende klägerische Interesse – wirtschaftlich betrachtet – auf „denselben Gegenstand“ richtet, scheidet eine Zusammenrechnung aus.3 1 BGH, Beschl. v. 27.2.2003 – III ZR 115/02, MDR 2003, 716 = NJW-RR 2003, 713 = AnwBl. 2003, 596; Urt. v. 21.2.1985 – VIII ZR 160/83, NJW 1985, 1840; OLG Bremen, JurBüro 1979, 731; Hartmann, Anh. I § 48 (§ 5 ZPO) Rn. 7 dort unter „Mehrheit von Anspruchsbegündungen“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Klagenhäufung“; Wieczorek/Gamp, ZPO, 3. Aufl. 1994, § 5 Rn. 20. 2 BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506 = BGHR 2005, 130; Urt. v. 28.9.1994 – XII ZR 50/94, MDR 1995, 198 = NJW 1994, 3292 = WuM 1994, 705 = ZMR 1995, 117; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Echter Hilfsantrag“ Rn. 7; Lappe, Anm. zu OLG Karlsruhe, KostRsp. § 19 GKG Nr. 139. 3 BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506 = BGHR 2005, 130; LAG Brandenburg, Beschl. v. 1.9.2000 – 6 Ta 70/00, JurBüro 2001, 95; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.8.1988 – 10 W 34/88, JurBüro 1988, 1551 = MDR 1988, 1067; NJW 1976, 247; OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1989 – 24 W 26/89, KostRsp § 19 GKG Nr. 153 mit zust.

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Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung) a) Einzelfälle der objektiven Klagehäufung 3664

Um die streitwertrechtliche Einordnung zu erleichtern, ist die Rechtsprechung nach häufig auftretenden Konstellationen der Anspruchshäufung unterteilt.

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(1) Treten bei der objektiven Klagehäufung mehrere Leistungsansprüche nebeneinander, ist bei verschiedenen Sachverhalten regelmäßig von fehlender wirtschaftlicher Einheit auszugehen, sodass eine Wertaddition geboten ist. Verfolgt der Kläger hingegen Leistungsansprüche aus demselben Rechtsverhältnis, die auf das gleiche wirtschaftliche Ziel gerichtet sind, scheidet eine Wertaddition aus: – Verlangt der Kläger Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe des positiven Interesses und hilfsweise Ersatz des Vertrauensschadens handelt es sich um denselben Gegenstand, da die Ersatzpositionen einander ausschließen und daher eine wirtschaftliche Werthäufung fehlt.1 Wertbestimmend ist das regelmäßig weiter gehende positive Interesse. – Ist die Klage auf Widerruf einer ehrverletzenden Behauptung und Unterlassung künftiger entsprechender Äußerungen gerichtet, liegen zwei Gegenstände vor. Während der Widerruf auf Beseitigung einer bereits eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung zielt, dient das Unterlassungsgebot der Vermeidung weiterer, auch gleichartiger Verletzungshandlungen. Die Klagebegehren sind gesondert zu bewerten und gem. § 5 ZPO zusammenzurechnen.2 – Begehrt der Kläger dagegen von dem Beklagten Unterlassung ehrverletzender Äußerungen und zugleich die Beseitigung inhaltsgleicher Interneteinträge, ist von demselben Gegenstand auszugehen und die Einzelwerte nicht zu addieren. Das Unterlassungsverlangen ist auf Vermeidung künftiger Beeinträchtigungen gerichtet und umfasst die Verpflichtung zur Beseitigung fortwirkender Beeinträchtigungen.3 – Wird neben dem Anspruch auf Unterlassung ehrverletzender Äußerungen ein aus diesen abgeleiteter Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld oder Zahlung einer Vertragsstrafe geltend gemacht, liegen zwei Gegenstände vor. Da hier vermögensrechtliche und nicht vermögensrechtliche Ansprüche aufeinander treffen, ist für die Streitwertbestimung zu unterscheiden: Während für den Zuständigkeitstreitwert gem. § 5 ZPO eine Addition der Einzelwerte vorzunehmen ist,4 bestimmt sich der Gebührenstreitwert gem. § 48 Abs. 3 GKG (§ 48 Abs. 4 GKG a.F.) allein nach dem Wert des höheren Anspruchs.5

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Anm. E. Schneider = JurBüro 1990, 121; LAG Stuttgart, JurBüro 1992, 626; Hartmann, § 45 Rn. 11; Lappe, Anm zu KostRsp § 19 GKG Nr. 86 und 98; Musielak/Smid, § 5 Rn. 13; N. Schneider, MDR 2003, 237 = Anm. zu OLG Düsseldorf, MDR 2003, 236. OLG Rostock, Beschl. v. 23.10.2007 – 7 W 75/07, OLGR 2008, 170 = NJ 2008, 82 (Ls.). OLG Düsseldorf, AnwBl. 1980, 358; KG, JurBüro 1969, 320; 1963, 765; OLG Frankfurt, JurBüro 1974, 1413 unter Aufgabe JurBüro 1963, 38, wonach der Unterlassungsantrag von dem weiter gehenden Widerrufsantrag streitwertmäßig konsumiert werde. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2009 – 14 W 53/08, VersR 2009, 948 = JurBüro 2009, 430 (Ls). Vgl. Zöller/Herget, § 5 Rn. 7; Prütting/Gehrlein/Gehle, § 5 Rn. 2; unklar Thomas/ Putzo/Hüßtege, § 5 Rn. 4. BGH, Beschl. v. 25.4.2006 – VI ZB 73/04, WuM 2006, 396 Schmerzensgeld; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2009 – 14 W 53/08, VersR 2009, 948 = Justiz 2009, 221 = JurBüro

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Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung) – Der Antrag auf Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung in Höhe eines bestimmten bereits beigetriebenen Betrages und der Antrag auf Rückzahlung des beigetriebenen Betrages haben wirtschaftlich denselben Gegenstand und sind deshalb nicht zusammenzurechnen. 1 – Von einem wirtschaftlich einheitlichen Gegenstand ist ferner auszugehen, wenn neben dem Antrag, den Beklagten aufgrund einer Bezugsverpflichtung zu verurteilen, seinen gesamten Bedarf an einer Ware nur beim Kläger zu decken, der weitere Antrag gestellt wird, den Beklagten zur Unterlassung des anderweitigen Bezuges dieser Ware zu verurteilen. Das für die Streitwertfestsetzung maßgebende Interesse des Klägers an einer solchen Klage ergibt sich aus dem Gewinnverlust, der durch die Klage verhindert werden soll.2 – Auch bei Verbindung dinglicher und persönlicher Klage aus einer Hypothek und der ihr zugrunde liegenden Forderung ist nur ein Wert anzusetzen.3 – Im Falle einer Klage auf Zustimmung zum Abschluss eines Vertrags (z.B. Mietvertrags) verbunden mit dem Antrag auf Erbringung der Hauptleistung (z.B. Zurverfügungstellung der Mieträume) ist der letztgenannte Antrag zwangsläufige Folge des ersten Antrages und bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise in diesem enthalten. Eine Zusammenrechnung scheidet daher aus. – Klagt der Eigentümer gegen den unrechtmäßigen Besitzer auf Herausgabe (§ 985 BGB) und Ersatz entgangener Nutzungen (§§ 823 Abs. 1, 992 BGB), liegen zwei Gegenstände vor. Deren Werte sind zu addieren.4 – Ist die Klage dagegen auf Herausgabe und hilfsweise auf Wertersatz gerichtet, liegen wirtschaftlich identische Gegenstände vor, eine Zusammenrechnung scheidet aus.5 (2) Verbindet der Kläger in seiner Klage Ansprüche auf Leistung mit Ansprüchen auf Sicherung seines Leistungsinteresses kommt regelmäßig eine Wertaddition nicht in Betracht: – Wird auf Kaufpreiszahlung und zugleich auf Herausgabe der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Ware geklagt, so werden diese Streitgegenstände nicht zusammengerechnet.6 Es geht wirtschaftlich nur um einen Leistungs-

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2009, 430 (Ls) Vertragsstrafe; OLG Köln, Beschl. v. 18.8.1993 – 19 W 27/93, JurBüro 1994, 991 Schmerzensgeld; MDR 1963, 510; LAG Koblenz, Beschl. v. 24.4.2007 – 1 Ta 89/07, MDR 2007, 1045 = AE 2007, 373; Binz/Dorndörfer/Dorndörfer, § 48 Rn. 14; Hartmann, § 48 Rn. 36; a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 10.8.2007 – 9 W 33/07, OLGR 2008, 408 = AGS 2008, 463 = VersR 2008, 1236: Schmerzensgeldanspruch folge aus der unerlaubten Handlung nicht dem Unterlassungsanspruch – das übersieht jedoch, dass der Unterlassungsanspruch die Erstbegehung voraussetzt; OLG Stuttgart, RPfleger 1957, 97 – Schätzung eines Gesamtstreitwerts allein nach § 3 ZPO. OLG Schleswig, JurBüro 1958, 426. KG, JurBüro 1969, 1195. OLG Bremen, Rpfleger 1957, 274 zu ZPO § 5. A.A. OLG Karlsruhe, ZZP 68, 1955, 463: Nutzungsentgelt bleibt gem. § 4 ZPO unberücksichtigt. OLG Rostock, Urt. v. 16.7.2008 – 1 U 47/08, MDR 2009, 133 = OLGR 2009, 81. OLG Hamburg, MDR 1965, 394; Hartmann, Anh. I § 48 (§ 5 ZPO) Rn. 7 dort unter „Kaufpreis“.

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Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung) vorgang, weil das Herausgabeverlangen nur zur Sicherung des Zahlungsanspruchs geltend gemacht wird.1 – Ebenso liegt es, wenn auf Zahlung und auf Sicherstellung des geforderten Betrages geklagt wird, dann handelt es sich nicht um verschiedene Ansprüche. Es ist nicht zusammenzurechnen, sondern der Wert der zu sichernden Hauptforderung ist maßgebend.2 – Desgleichen ist nicht zu addieren, wenn ein Bauunternehmer auf Zahlung des Werklohnes und zugleich auf Einwilligung zur Eintragung einer Bauwerksicherungshypothek für diesen Betrag klagt. Beide Anträge betreffen denselben Gegenstand, nämlich die Werklohnforderung. Der Streitwert bestimmt sich daher nur nach dem einfachen Betrag des Zahlungsanspruchs.3 – Die Klage auf Zahlung einer Rente und auf Eintragung einer Reallast im Grundbuch zur Sicherung dieser Rente sind wirtschaftlich auf den gleichen Erfolg gerichtet, sodass eine Zusammenrechnung der beiden Werte nicht stattfindet.4 3667

(3) Ist die Klage neben dem Leistungsantrag auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet, ist danach zu unterscheiden, ob sich der Feststellungsantrag auf einen weiter gehenden, nicht rechtshängigen Teil des Leistungsanspruchs, auf das dem Leistungsantrag zugrundliegende Rechtsverhältnis oder nur auf die Vollstreckung erleichterende Umstände richtet: – Wird der Leistungsanspruch, etwa weil eine abschließende Berechnung noch nicht möglich ist, nur teilweise eingeklagt und zugleich Feststellung begehrt, dass der Beklagte auch zur weiter gehenden (noch unbezifferten) Leistung, etwa zum Ersatz des weiteren Schadens verpflichtet ist, müssen die Einzelwerte addiert werden. Dabei ist der für den Feststellungsantrag übliche Abschlag (20 %; s. das Stichwort „Feststellungsklage“ Rn. 2289 ff.) zu beachten. – Dagegen handelt es sich um wirtschaftlich identische Begehren, wenn auf Leistung und gleichzeitig auf Feststellung des anspruchsbegründenden Rechtsverhältnisses (vgl. § 256 Abs. 2 ZPO) geklagt wird. Das gilt zumindest dann, wenn der wirtsschaftliche Wert des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses durch den Leistungsantrag vollständig repräsentiert wird, etwa weil die Parteien über den Bestand eines Kaufvertrages und die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung oder die Eigentumslage und Verpflichtung zur Herausgabe einer Sache streiten. Maßgeblich ist dann immer der höhere 1 Ebenso Hillach/Rohs, § 41 C II, S. 180. 2 OLG Nürnberg, JurBüro 1967, 74; OLG Köln, JMBl.NW 1968, 201. 3 KG, Beschl. v. 12.9.1997 – 4 W 1583/87, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 95 = KGR 1997, 283 = BauR 1998 = 829; OLG Köln, DB 1974, 429; OLG Nürnberg, JurBüro 1968, 543; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rn. 15; a.A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.4.1996 – 23 W 19/96, OLGR 1997, 136: Aufschlag von 1/3 des Hypothekenwerts; Beschl. v. 28.1.2000 – 9 U 212/99, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 98 mit abl. Anm. Lappe = JurBüro 2000, 310 = MDR 2000, 543 = OLGR 2000, 189: Addition; OLG Hamburg, Beschl. v. 15.1.2001 – 9 W 101/00, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 100 mit abl. Anm. Lappe = OLGR 2001, 217; OLG München, Beschl. v. 27.9.1999 – 28 W 2150/99, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 97 = OLGR 1999, 347 = IBR 2000, 296. 4 OLG Nürnberg, JurBüro 1964, 684; OLG Celle, Beschl. v. 21.4.1983 – 4 W 68/83, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 52 mit Anm. Schneider = Nds.Rpfl. 1983, 159.

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Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung) Einzelwert, d.h. regelmäßig der Wert des Leistungsanspruchs.1 Werden dagegen die nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis möglichen Ansprüche durch den Leistungsantrag nicht vollständig abgebildet, ist eine differenzierte Bewertung geboten.2 Zwar sind auch hier Feststellungs- und Leistungsantrag wirtschaftlich identisch, dies aber nicht in vollem Umfang. Denn würde nur der höherwertige Feststellungsanspruch zugrundegelegt, bliebe unberücksichtigt, dass der beim Feststellungsantrag gebotene Abschlag (20 %) auch den Teil umfassen würde, der Gegenstand des Leistungsantrages ist. Hier ist daher der Wert des Fesstellunsgantrages um 20 % des Leistungsantrags zu erhöhen oder die Werte von Leistungs- und Feststsellungsantrag zu addieren, letzterer jedoch geschmälert um 80 % des Leistungsantrags.3 – Ebenso verhält es sich bei einer Klage auf Leistung Zug um Zug gegen Erbringung der Gegenleistung verbunden mit dem Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges. Zwar beruht der Leistungsanspruch nicht auf dem festzustellenden Annahmeverzug. Bei dem Feststellungsantrag handelt es sich jedoch um einen nachbereitenden Zusatzantrag, dem ein vom Leistungsantrag abweichendes wirtschaftliches Interesse nicht zugrunde liegt. Denn er dient allein dazu, die Durchsetzung des Leistungsanspruchs (§ 756 ZPO) zu erleichtern. Wird er neben dem Leistungsanspruch geltend gemacht, ist allein der Wert des Leistungsantrages maßgeblich.4 – Der neben Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages gestellte Antrag auf Verurteilung zur Abgabe der Löschungsbewilligung für eine Auflassungsvormerkung rechtfertigt keine Zusammenrechnung. Die Verpflichtung zur Erteilung der Löschungsbewilligung ist eine selbstverständliche Folge der Vertragsnichtigkeit.5 Dass die Löschungsbewilligung eine zusätzliche Willenserklärung erfordert und diese nicht durch die Nichtigkeitsverurteilung ersetzt wird, rechtfertigt keine andere Beurteilung (a.A. Vorauflage). – Ebenso scheidet eine Zusammenrechnung aus, wenn die Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Darlehensvertrages und daneben auf Freigabe der zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs zedierter Ansprüche gerichtet ist. Auch hier die begehrte Rückabtretung Folge der Rückabwicklung des Darlehensvertrages und damit mit dieser wirtschaftlich identisch.6 1 OLG München, Beschl. v. 20.3.1984 – 24 W 48/84, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 706 mit Anm. Schneider = JurBüro 1984, 1235; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rn. 14; Schumann, NJW 1982, 2800. 2 So wohl auch BGH, Beschl. v. 9.10.1991 – XII ZR 81/91, NJW-RR 1992, 698 – Zusammentreffen von Leistungs- und Zwischenfeststellungsklage; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 5 Rn. 7 – bei Teilidentität. 3 Zutr. OLG Oldenburg, Beschl.v. 29.3.2010 – 5 W 16/10, juris. 4 KG, Beschl. v. 21.3.2005 – 8 W 65/04, OLGR 2005, 526; OLG Brandenburg, Urt. v. 21.2.2007 – 4 U 121/06, juris; OLG Hamburg v. 10.5.2000 – 11 U 108/00, OLGR Hamburg 2000, 455; OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.6.2004 – 1 U 10/04, OLGR Karlsruhe 2004, 388; LG Mönchengladbach, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 57 mit zust. Anm. E. Schneider; offen lassend BGH, Beschl. v. 18.7.2007 – XII ZR 87/05, FamRZ 2007, 1314; a.A. Anders/ Gehle/Kunze, Stichwort „Feststellungsklage“ Rn. 13; E. Schneider, MDR 1990, 197. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.2.1982 – 22 W 12/82, AnwBl. 1982, 247. 6 BGH, Beschl. v. 11.4.2006 – XI ZR 199/04, NW-RR 2006, 997; OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.4.2007 – 3 W 77/06, NJ 2007, 463.

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Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung) – Eine Addition der Einzelwerte scheidet dagegen aus, wenn neben dem Leistungsantrag auf Feststellung des Rechtsgrundes der Leistungsverpflichtung geklagt wird. Insbesondere rechtfertigt die angesichts etwaiger Pfändungsschutzregelgungen oder einer möglichen Restschuldbefreieung nach Abschluss eines (etwaigen) Privatinsolvenzverfahrens begehrte Feststellung, dass die Klage auf einer vorsätzlich unerlaubten Handlung beruht, keine Werterhöhung.1 Es handelt sich vielmehr um einen nachbereitenden Zusatzantrag, dem ein vom Leistungsantrag abweichendes wirtschaftliches Interesse nicht zugrunde liegt. Der Feststellungsantrag dient allein dazu, die Durchsetzung des Leistungsanspruchs zu erleichtern bzw. zu sichern. Bei isolierter Geltendmachung des Feststellungsantrages ist ausgehend vom Wert der Hauptforderung eine Bruchteilsbewertung geboten2 (s. das Stichwort „Forderung“). 3668

(4) Werden neben dem Leistungsanspruch diesen vorbereitende, unterstützenden oder nachbereitende Zusatzanträge gestellt, ist zu prüfen, ob diesen ein vom Leistungsanspruch abweichendes wirtschaftliches Interesse zugrunde liegt. Ist das zu verneinen, sind die Einzelwerte zu addieren; anderenfalls ist der höchste Einzelwert maßgeblich. – So liegt etwa bei einer Klage auf Darlehensrückzahlung und Herausgabe des damit in Zusammenhang stehenden Grundschuldbrief wirtschaftliche Gleichheit vor, sodass nur ein Streitwert anzunehmen ist.3 – Das gilt auch dann, wenn neben der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) die Herausgabe einer dem Beklagten (Gläubiger) gestellten Sicherheit, etwa einer Bürgschaftsurkunde, verlangt wird.4 Entsprechend ist zu bewerten, wenn neben einem Zahlungsanspruch die dafür ausgestellte Bürgschaftserklärung herausverlangt wird.5 – Eine Addition scheidet ferner aus, wenn neben dem Zahlungsanspruch ein Anspruch auf Freigabe eines hinterlegten Teilbetrages geltend gemacht wird, der im Zahlungsantrag mitenthalten ist.6 – Ebenso verhält es sich bei der Klage auf Auflassung, verbunden mit dem Antrag auf Löschung einer bereits eingetragenen Eigentümergrundschuld. Nur der Auflassungsantrag ist dann wertbestimmend, weil die Anträge zusammen keinen höheren Streitwert als den Verkehrswert des Grundstücks haben können.7 Mehr als die lastenfreie Übertragung des Grundstückseigentums kann der Kläger in diesem Fall nicht erreichen. Der Verkehrswert ist deshalb zugleich Höchstwert. Das entspricht dem Grundgedanken des § 6 ZPO. 1 Dies übersieht OLG Dresden, Beschl. v. 26.10.2007 – 8 W 1224/07, MDR 2008, 50. 2 BGH, Beschl. v. 6.4.2009 – VI ZB 88/08, Schaden-Praxis 2010, 29 = ZIP 2009, 2172 (Ls): 1/4; Beschl. v. 22.1.2009 – IX ZR 235/08, juris; OLG Dresden, Beschl. v. 26.10.2007 – 8 W 1224/07, MDR 2008, 50: 1/20. 3 BGH, Beschl. v. 11.4.2006 – XI ZR 195/04, MDR 2006, 1257 = BGHR 2006, 921 = NJW-RR 2006, 997; OLG München, MDR 1968, 769. 4 BGH, Beschl. v. 11.7.1985 – III ZR 220/84, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 789 mit Anm. Schneider. 5 OLG Bamberg, JurBüro 1974, 1437. 6 OLG Frankfurt, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 93 = OLGR 1994, 96. 7 OLG Köln, Beschl. v. 8.6.1988 – 11 W 25/88, JurBüro 1988, 1388; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.7.1993 – 9 W 53/93, JurBüro 1994, 496.

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Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung) – Demgegenüber sind nach Ansicht des OLG Braunschweig1 die Werte der Klageanträge auf Löschung eines Nutzungsrechts und Herausgabe der genutzten Räume zu addieren, da mit dem einen Anspruch die Beseitigung rechtlicher Beschränkungen und mit dem anderen Anspruch die Wiederlangung auf tatsächlicher Ebene angestrebt werde. – Der Anspruch auf Einwilligung in die Löschung des Nacherbenvermerks hat neben dem Begehren der Zustimmung des Nacherben zur Veräußerung des Nachlassgrundstücks keinen eigenen Wert. – Die Aufhebung einer Miteigentümergemeinschaft läuft in Stufen ab.2 Notwendig ist neben der Zustimmung zur Aufhebung der Gemeinschaft an bestimmten Gegenständen die Zustimmung zum Verkauf dieser Gegenstände und schließlich die Auskehrung des bruchteilsmäßig zu bestimmenden Erlösanteils. Dennoch sind die Streitwerte der entsprechenden Klageanträge nicht zu addieren, weil alle diese Anträge wirtschaftlich eine Einheit bilden, abzielend auf die Aufhebung der Gemeinschaft. Deshalb ist nur der am höchsten zu bewertende Anspruch maßgebend, und das ist – wie bei der „Stufenklage“, s. beim Stichwort dort – immer der Leistungsanspruch.3 Zu beachten ist dabei, dass der Anteil des klagenden Miteigentümers wertmäßig nicht zu berücksichtigen ist. – Wird neben einer Leistungsklage ein Antrag auf Fristsetzung mit der Maßgabe gestellt, dass der Beklagte nach fruchtlosem Fristablauf Schadensersatz zu leisten habe (s. § 283 BGB, §§ 255, 259, 510b ZPO), dann sind die Einzelwerte nicht zu addieren. Mit dem Leistungs- und dem Schadensersatzantrag verfolgt der Kläger – wirtschaftlich betrachtet – dasselbe Ziel, dem Fristsetzungsantrag kommt als vorbereitendem Antrag wertmäßig keine eigenständige Bedeutung zu. Über dieses Ergebnis besteht – ungeachtet unterschiedlicher Begründungen – Einigkeit.4 Wertbestimmend ist daher der Leistungsantrag, soweit nicht der Ersatzantrag ausnahmsweise einen höheren Wert aufweist5 (s. unter den Stichworten „Fristsetzung“ und „Wert einer Sache“). Das gilt (auch) für den Gebührenstreitwert unabhängig davon, ob über den unechten Hilfsantrag entschieden wird (s. hierzu unter dem Stichwort „Hilfsantrag“). – Nicht zusammenzurechnen sind ferner die Werte eines Leistungsantrages Zug um Zug gegen Erbringung der Gegenleistung und eines Antrages auf Feststellung, dass sich der Beklagte mit der Annahme der Gegenleistung in Verzug befindet (s. hierzu oben Rn. 3667). – Eine Addition der Einzelwerte scheidet ferner aus, wenn auf Leistung zugleich auf Feststellung des Rechtsgrundes der Leistungsverpflichtung geklagt wird. S. hierzu unter Rn. 3667.

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OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.7.1998 – 5 W 13/98, OLGR 1999, 231. S. H. Schneider, DGVZ 1985, 51 ff. OLG Köln, Beschl. v. 25.4.1984 – 2 W 53/84, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 55. KG, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W 23/09, juris; OLG Jena, Beschl. v. 24.8.1998 – 5 W 513/ 98, OLGR 1999, 100; LG Hildesheim, Nds.Rpfl 1965, 253; LG Köln, Beschl. v. 20.12.1983 – 13 T 82/83, MDR 1984, 501: LAG Düsseldorf, JurBüro 1990, 243; 1989, 955; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Unechte Hilfsanträge“ Rn. 5. 5 Insoweit zutreffend KG, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W 23/09, juris; OLG Jena, Beschl. v. 24.8.1998 – 5 W 513/98, OLGR 1999, 100.

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Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung) b) Einzelfälle der subjektiven Klagehäufung 3669

Eine Anspruchshäufung kann auch dadurch erfolgen, dass mehrere Personen gemeinsam klagen oder verklagt werden, §§ 59 ff. ZPO. Hat die Klage – aus wirtschaftlicher Sicht – denselben Gegenstand zum Inhalt, beispielsweise weil die Leistung materiell-rechtlich nur einmal verlangt werden kann, scheidet eine Zusammenrechnung der Einzelwerte aus. Andernfalls ist zu addieren: – Daher erfolgt keine Zusammenrechnung, wenn die Klage von Gesamtgläubigern (§ 428 BGB) oder gegen Gesamtschuldner (§ 421 BGB) erhoben wird. Es handelt sich – wirtschaftlich betrachtet – nur um einen einzigen Anspruch, der mehreren zugleich zusteht oder von mehreren zugleich zu erfüllen ist.1 – Wird gegen einen Streitgenossen auf Erfüllung gegen den anderen hilfsweise auf Feststellung der Schadensersatzpflicht geklagt, dann handelt es sich wirtschaftlich um denselben Streitgegenstand, sodass nur der höherwertige Anspruch wertbestimmend ist.2 – Dies gilt auch dann, wenn sich der Kläger bei einer gegen mehrere Gesamtschuldner gerichteten Klage gegenüber einem Streitgenossen auf die Geltendmachung einer reduzierten Klageforderung beschränkt.3 Die nur geringere Inanspruchnahme des einen Beklagten ist beim Streitwert für seine außergerichtlichen Kosten und gem. § 100 Abs. 2 ZPO bei der Kostengrundentscheidung zu berücksichtigen.4 Dies gilt auch für den umgekehrten Fall, dass neben der gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme von einem Streitgenossen eine weitere, wirtschaftlich selbständige Leistung beansprucht wird. – Werden mehrere Beklagte ohne gesamtschuldnerische Bindung verklagt, sind die Einzelwerte für die Gerichtsgebühren und die außergerichtlichen Gebühren des Klägers zusammenzurechnen und bei den Streitgenossen entsprechend ihrer Beteiligung zu bestimmen. Deren unterschiedliche Beteiligung ist auch hier durch eine Kostenquotierung gem. §§ 100 Abs. 2, 92 Abs. 1 ZPO auszugleichen.5 – Sind nichtvermögensrechtliche Ansprüche Gegenstand des Rechtsstreits, ist regelmäßig eine Wertaddition geboten, da ihnen kein (gemeinsames) wirtschaftliches Interesse zugrunde liegt. Hiervon ist beispielsweise auszugehen, wenn der Kläger von mehreren Beklagten die Unterlassung künftiger ehrverletzender oder unzulässiger wettbewerblicher Äußerungen beansprucht.6 Selbst wenn gleichartige Verletzungshandlungen vorliegen, kann 1 BGH, Beschl. v. 29.1.1987 – V ZR 136/86, MDR 1987, 570 = Rpfleger 1987, 205 = NJW-RR 1987, 1148 = JZ 1987, 631; RGZ 116, 309; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2009 – 14 W 53/08, VersR 2009, 948 = JurBüro 2009, 430 (Ls); OLG Koblenz, Beschl. v. 22.10.1984 – 14 W 619/84, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 62 = JurBüro 1985, 590 = AnwBl. 1985, 203: für negative Feststellungsklage gegen zwei Streitgenossen; OLG Nürnberg, Rpfleger 1956, 298. 2 OLG Kiel, JVBl. 1936, 60. 3 Vgl. RG, HRR 1940 Nr. 1304. 4 Zöller/Herget, § 100 Rn. 9. 5 BGH, Beschl. v. 23.6.1983 – IVa ZR 136/82, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 53 mit Anm. Schneider – Beschwer. 6 BGH, Beschl. v. 15.4.2008 – X ZB 12/06, AGS 2008, 327 = AnwBl. 2008, 638; NJW-RR 1994, 1404; OLG Koblenz, Beschl. v. 16.8.1984 – 6 U 771/83, JurBüro 1985, 257; OLG

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Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung)











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der Kläger von jedem Streitgenossen kumulativ die Erfüllung der Unterlassungsverpflichtung verlangen.1 Gleiches gilt für die Inanspruchnahme mehrerer Beklagten auf Rechnungslegung oder Auskunftserteilung, selbst wenn für den (vorzubereitenden) Hauptanspruch eine gesamtschuldnerische Haftung besteht.2 Dass hier eine Mehrheit der Streitgegenstände zur Bewertung stehen, erhellt auch der Umstand, dass der gemeinsame Prozess gegen die Streitgenossen gem. § 145 ZPO getrennt werden kann, ohne dass sich die von jedem Kläger für sich beanspruchte oder von jedem Beklagten zu erbringende Leistung verändern würde. Hiervon abweichend stellt das KG3 bei einem Unterlassungsbegehren mehrerer Kläger gegen einen Beklagten auf das höchste Interesse eines Klägers ab und addiert für jeden weiteren Kläger einen Zuschlag in der Höhe, die seinem Interesse an einer selbständigen Verfolgung entspricht. Bei Klage gegen Hauptschuldner und Bürge auf Zahlung findet keine selbständige Bewertung und Zusammenrechnung der Ansprüche statt.4 Obwohl insoweit keine Gesamtschuldnerschaft vorliegt, ist die Leistung nur einmal zu erbringen. Ebenso verhält es sich, wenn der Kläger neben der Personenhandelsgesellschaft deren Gesellschafter persönlich in Anspruch nimmt, da diese entsprechend § 421 BGB wie Gesamtschuldner haften.5 Wird im selben Rechtsstreit die Ehefrau auf Leistung und der Ehemann auf Duldung der Zwangsvollstreckung verklagt, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Wert des Leistungsanspruchs. Eine Anspruchshäufung liegt nicht vor.6 Wenn mit der Leistungsklage gegen Erben zugleich die Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen deren Testamentsvollstrecker erhoben wird, ist der Streitwert in Anwendung des § 6 ZPO nach der Leistungsklage zu bemessen; der Duldungsantrag bleibt streitwertmäßig unberücksichtigt.7 Klagt ein Gläubiger nach dem Gläubigeranfechtungsgesetz gegen denjenigen, der von seinem Schuldner einen Gegenstand anfechtbar erworben, aber wieder veräußert hat, auf Wertersatz und zugleich gegen dessen Rechtsnachfolger auf Duldung der Zwangsvollstreckung wegen der Forderung des Gläubigers gegen seinen Schuldner in den Gegenstand, so werden beide Ansprüche nicht zusammengerechnet.8

München, Beschl. v. 10.11.1992 – 21 W 2023/92, MDR 1993, 286; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rn. 13. Für das Wettbewerbsrecht BGH, Beschl. v. 15.4.2008 – X ZB 12/06, AGS 2008, 327 = AnwBl. 2008, 638; OLG Köln, OLGR 2006, 134; OLG Düsseldorf, GRUR 2000, 825; a.A. Tillmann, GRUR 1986, 691, 694. BGH, Beschl. v. 15.4.2008 – X ZB 12/06, AGS 2008, 327 = AnwBl. 2008, 638. KG, Beschl. v. 6.4.1999 – 5 W 12/99, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1307 = KGR 1999, 344. LG Kaiserslautern, Rpfleger 1966, 347; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rn. 13; Zöller/Herget, § 5 Rn. 8. Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Klagenhäufung“ Rn. 13. OLG Frankfurt, JurBüro 1957, 360. KG, AnwBl. 1979, 229. OLG Frankfurt, MDR 1955, 496.

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Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung) 3. Nebenansprüche 3670

Wie auch beim Zuständigkeitsstreitwert bleiben Nebenforderungen neben dem Hauptanspruch bei der Wertermittlung grundsätzlich unberücksichtigt, § 43 Abs. 1 GKG (§ 22 Abs. 1 GKG a.F.). Nur im Falle einer allein auf Nebenforderung bezogenen Handlung ist deren Wert bis zur Höhe der (noch vorhandenen) Hauptforderung gem. § 43 Abs. 2 GKG (§ 22 Abs. 2 GKG a.F.) maßgebend. Eine Zusammenrechnung scheidet daher in beiden Fällen aus.

3671

Eine Wertaddition ist hingegen geboten, wenn bei einer objektiven Klagehäufung von zwei Hauptforderungen, für die zugleich eine Verzinsung beansprucht wird, nur eine in Wegfall gerät. Hier tritt die Nebenforderung des einen Streitgegenstandes als (nunmehrige) Hauptforderung neben die verbliebene Hauptforderung.1 S. im Übrigen unter dem Stichwort „Nebenforderungen“.

D. Rechtsmittel und Beschwer 3672

§ 5 Halbs. 1 ZPO gilt auch hier, sodass sich die Beschwer der gerichtlichen Entscheidung für jede Partei nach dem Umfang ihres Unterliegens bezogen auf die einzelnen (rechtlich und wirtschaftlich nicht identischen) Klageanträge bestimmt. Sie ist daher für jeden Klageantrag einzeln zu bestimmen und ggf. zu addieren.

3673

Handelt es sich um eine subjektive Klagehäufung, kann jeder durch das Urteil beschwerte Streitgenosse unabhängig von den übrigen Streitgenossen Berufung einlegen.2 Wird nur durch einen Streitgenossen Rechtsmittel eingelegt, dann ist – nach zutreffender Ansicht – allein seine Beschwer maßgebend und diese ist daher für jeden Klageantrag einzeln zu bestimmen.3

3674

Legen mehrere Streitgenossen gegen das für sie nachteilige Urteil Rechtsmittel ein, so sind für den Wert des Beschwerdegegenstandes die auf die einzelnen Streitgenossen entfallenden Beschwerdewerte zusammenzurechnen, soweit nicht ein Fall wirtschaftlicher Identität vorliegt.4 Beschränkt sich hingegen die Beschwer eines Streitgenossen auf die Verurteilung zur Zahlung eines anteilsmäßig bestimmten Teils der Kosten, dann bleibt dieser Teil bei der Berechnung außer Ansatz, wenn eine Überprüfung der Kostenentscheidung gesetzlich nicht eröffnet ist.5

3675

Im Falle der Prozesstrennung (§ 145 ZPO) kann die Beschwer den nach Aufspaltung des Verfahrens verbleibenden Wert nicht übersteigen. Dies ändert sich auch nicht, wenn die nach zulässiger Trennung getrennten Verfahrens-

1 BGH, NJW 1994, 1868. 2 BGH, Urt. v. 8.3.2004 – II ZR 175/02, MDR 2004, 960; Zöller/Heßler, § 511 Rn. 5. 3 RG, JW 1933, 2216; OLG Schleswig, SchlHA 78, 198; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Streitgenossen“ Rn. 3; Zöller/Heßler, § 511 Rn. 25; a.A. BGH, Beschl. v. 19.10.2000 – I ZR 176/00, MDR 2001, 648 = NJW 2001, 230; NJW 1984, 927. 4 BGH, Beschl. v. 19.10.2000 – I ZR 176/00, MDR 2001, 648 = NJW 2001, 230; BGH, Beschl. v. 23.6.1983 – IVa ZR 136/82, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 53; OLG Schleswig, Urt. v. 27.5.2004 – 11 U 33/03, OLGR 2005, 170; BAG, NZA 1984, 167; Zöller/Vollkommer, § 61 Rn. 9. 5 BGH, Beschl. v. 19.10.2000 – I ZR 176/00, MDR 2001, 648 = NJW 2001, 230.

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Mietstreitigkeiten teile in der Revisionsinstanz zum Zwecke gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung wieder verbunden werden.1 Hingegen bleibt der vor Trennung vorhandene Hauptsachewert wertbestimmend, wenn die Prozesstrennung allein zur Vermeidung der Rechtsmittelfähigkeit der dadurch entstehenden Einzelentscheidungen erfolgt.2

3676

Im Übrigen folgt die Wertbestimmung den allgemeinen Grundsätzen, daher wird auf die Ausführungen unter dem Stichwort „Rechtsmittel“ Bezug genommen.

3677

Mietstreitigkeiten Literatur: Tschischgale, DRiZ 1953, 8; HuW 1956, 4; Gerold, JurBüro 1956, 43 (Räumungsvergleich); JurBüro 1958, 481 (Mietaufhebungsklage); JurBüro 1959, 464 (Räumung eines Pachtgrundstücks und Beseitigung eines darauf errichteten Bauwerks); Martini, JurBüro 1967, 43; Schmidt-Futterer. MDR 1965, 347 (Kündigungswiderspruch nach §§ 555a, 556b BGB); Rpfleger 1968, 215 (Berechnung des Mietzinses); Schalhorn, JurBüro 1970, 566; (Mietzinsbegriff); Schalhorn, JurBüro 1972, 1003 (bei Streit über Hauptsacheerledigung in zweiter Instanz); Mümmler, JurBüro 1976, 1019 (Feststellung des Nichtbestehens eines Mietverhältnisses); Gallas, ZMR 1977, 263 (Zustimmungsklage zur Mieterhöhung). Schneider, MDR 1991, 499 (Mieterhöhung gewerbliche Räume); Mümmler, JurBüro 1994, 263 (Räumungsschutz § 765a); Mutter, MDR 1995, 343 (Streitwert der Räumungsklage); Gärtner, WuM 1997, 160 (Beschwer); Weyhe, MDR 1999, 773 (aktuelle Entwicklungen); Lützenkirchen, WuM 2002, 179, 194 (Miete); Gies, NZM 2003, 886 (Streitwert in Mietsachen); Meyer, JurBüro 2003, 632 (Mietrückstände); 2004, 473 (Klage auf künftige Miete); Lützenkirchen, MDR 2003, 1279 (Mietrechtliche Gewährleistungsansprüche); Geldmacher, DWW 2005, 270 (Kaution im Miet- und Pachtverhältnis); Flatow, WuM 2007, 438 Rechtsmittelstreitwert bei Räumung einer Garage); Lützenkirchen, NJW 2007, 2152 (Besichtigungsrechte des Vermieters); Peter, NJW 2007, 2298 (Geschäftswert bei Kündigung und Räumungsklage; Gies, WuM 2008, 79 (Räumungsanspruch) Winkler, ZMR 2008, 94 (Zukünftig fällig werdender Mietzins); N. Schneider, NJW-Spezial 2008, 763 (Räumungsklage bei Staffelmiete); Meyer, JurBüro 2010, 184 (Geschäftswert eines Räumungsvertrags). Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 3678 B. Zuständigkeitsstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . . II. Wohnraummietverhältnisse . . . III. Sonstige Miet-, Pacht- oder ähnliche Nutzungsverhältnisse . . . 1. Miet- und Pachtverhältnisse . . a) Miet- oder Pachtvertrag . . . . b) Streit über Bestehen oder Dauer . . . . . . . . . . . . . . c) Wertberechnung im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . .

3681 3685 3690 3691 3694 3698

aa) Streitige Zeit . . . . . . . bb) Pacht- oder Mietzins . . 2. Ähnliche und sonstige Nutzungsverhältnisse . . . . . . . a) Streit über Bestand und Dauer . . . . . . . . . . . . . b) Anderweitige Klagebegehren

Rn. . 3707 . 3713 . 3721 . 3724 . 3726

C. Gebührenstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 3727 II. Bewertungsgrundsätze 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 3731

3704

1 BGH, Urt. v. 20.7.1999 – X ZR 139/96, NJW 2000, 217. 2 BGH, Urt. v. 6.7.1995 – I ZR 20/93, MDR 1996, 296; BayVGH, Entsch. v. 22.9.2000 – Vf. 102-VI-99, NJW 2001, 2962; Zöller/Greger, § 145 Rn. 7.

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Mietstreitigkeiten Rn. 2. Miet-, Pacht- oder ähnliche Nutzungsverhältnisse a) Miete und Pacht . . . . . . . b) Ähnliche Nutzungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . c) Sonstige Nutzungsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . d) Gemischte Verträge . . . . . 3. Entgelt . . . . . . . . . . . . . . 4. Streitige Zeit . . . . . . . . . . . 5. Erfasste Ansprüche a) Streit über Bestehen oder Dauer des Nutzungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . b) Räumung eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils . c) Räumung von Wohnraum und Fortsetzung des Mietverhältnisses . . . . . . . . . . . d) Erhöhung der Miete für Wohnraum . . . . . . . . . .

3737 3738 3741 3744 3747 3766

3771 3781

3791 3794

Rn. e) Beseitigung von Mängeln der Mietsache . . . . . . . . . . . 3803 f) Modernisierung und Erhaltung der Mietsache . . . . . . 3807 6. Sonstige Ansprüche . . . . . . . 3809 D. Rechtsmittel und Beschwer I. Allgemeines . . . . . . . . . . . II. Bestehen und Dauer eines Mietoder Pachtverhältnisses . . . . . III. Mieterhöhung . . . . . . . . . . IV. Mängelbeseitigung, Instandsetzung, Modernisierung . . . . . . V. Sonstige Ansprüche . . . . . . .

3811 3814 3823 3830 3831

E. Vergleich I. Allgemeines . . . . . . . . . . . 3834 II. Räumung . . . . . . . . . . . . . 3836 III. Mieterhöhung . . . . . . . . . . 3840 F. Einzelfälle in der Rechtsprechung (alphabetischer Bewertungsschlüssel) . . . . . . . . . . 3841

Stichwortübersicht (zu Rn. 3678–3839) Rn. Abschluss des Vertrags . . . . . . . 3809 Auszugsrenovierung . . . . . . . . . 3810 Beschwer . . . . . . . . . . . . . . . 3811 Besichtigung . . . . . . . . . . . . . 3869 Besitzstörungsklagen . . . . . . . . 3780 Beherbergungsvertrag . . . . . . . . 3996 Betriebs- oder Nebenkosten . . . . 3756 – Pauschale . . . . . . . . . . . . . 3757 – Erhöhung . . . . . . . . . . . . . 3795 Bewegliche Sachen . . . . . . 3694, 3737 Dauerwohnrecht . . . . . . . . 3739, 3742 Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . 3703 Entgelt . . . . . . . . . . . . . 3714, 3747 Erfüllungsansprüche . . . 3698, 3820, 3832 Ersatzbeschaffung, Kosten der . . . 3815 Feststellungsklage – (kein) prozentualer Abschlag 3705, 3772 – betreffend Miethöhe oder Minderung . . . . . . . . . . 3780, 3810 Filmverleih . . . . . . . . . . . . . . 3696 Gebrauchsgewährung, Klage auf . . 3773 Gemischte Verträge . . . . . . . . . 3696 Hausmeistervertrag . . . . . . . . . 3696 Heimvertrag . . . . . . . . . . . . . 3697 Investitionen, nutzlose . . . . . . . 3815 Jagdpachtverhältnisse . . . . . . . . 3695 Kaufvertrag, beabsichtigter . . 3739, 3742 Künftige Leistung, Klage auf . . . . . . . . . . . 3780, 3801, 3806 Klagenhäufung – Leistung und Feststellung . 3734, 3736

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Rn. Krankenhausbehandlungsvertrag . . 3697 Kündigung, Ausschluss der . . . . . 3818 Lebenszeit, Vertrag auf . . . . . . . 3711 Mängelbeseitigung . . . . . . . 3803, 3830 Mehrere Klagebegründungen . . . . 3728 Mehrere Kündigungen . . . . . . . . 3733 Mehrwertsteuer . . . . . . . . 3717, 3762 Miete beweglicher Sachen . . 3694, 3737 Mieterhöhung . . . . . . . .3794, 3824 ff. Miet- oder Pachtvertrag – Klage auf Abschluss . . . . . . . . 3809 – Anfechtung . . . . . . . . . . . . 3788 – Veränderungen . . . . . . . 3719, 3765 Mietvertragsinhalt, Streitigkeit über . . . . 3692, 3701, 3780 Miet- oder Pachtzins . . 3713, 3714, 3747 Miet- oder Pachtverhältnis . . . 3694 ff. – Verteidigung mit angeblichem . . 3699 Mischmietverhältnis . . . . . . . . 3986 Modernisierung und Erhaltung . . . . . . . . . . . . . 3807, 3830 Neben- oder Betriebskosten . . . . . 3756 – Pauschale . . . . . . . . . . . . . 3757 – Erhöhung . . . . . . . . . . . . . 3795 Nebenleistungen . . . . . . . . 3715, 3753 Nichtzulassungsbeschwerde . . . . 3813 Nießbrauch . . . . . . . . . . . . . 3740 Nutzungsentgelt . . . . . . . . 3714, 3747 – umsatzbezogenes . . . . . . . . . 3751 – Untervermietung . . . . . . . . . 3752 Nutzungsrecht, Berufen auf . . . . . 3776

Mietstreitigkeiten Rn. Nutzungsverhältnisse . . . . . . . . 3693 – der Miete ähnliche . . . . . . 3722, 3738 – wesenverschiedene oder sonstige . . . . . . . . . . . . 3723, 3741 Räumung . . . . . . . . . . . . . 3836 ff. – Ausgleichszahlung für vorzeitige . 3836 – Räumungsaufwand . . . . . 3704, 3789 – vorübergehende . . . . . . . . . . 3784 Räumungsfrist, Verzicht auf . . . . . 3837 Säumnis des Beklagten . . . . 3768, 3777 Schadensersatz . . . . . . . . . . . . 3810 Schutzvorschriften, Berufen auf . . . 3810 Sonderleistungen . . . . . . . . 3716, 3753 Streitige Zeit . . . . . . 3707, 3766, 3817 Streit zwischen – Eheleuten oder Lebenspartner . . 3730 – Vermieter oder Mieter untereinander . . . . . . . . . . . 3702, 3730

Rn. Untermiet- und Unterpachtverhältnisse . . . . . . . . 3633, 3695 Untervermietung . . . . . . . . . . . 3752 Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . 3834 – Gegenstand des . . . . . . . . . . 3835 – Räumungs- . . . . . . . . . . . . . 3836 Vertragsinhalt, Streitigkeit über . . . . . . . 3692, 3701, 3780 Werkdienstwohnungen . . . . . . . 3687 Werkmietwohnungen . . . . . . . . 3687 Wert der Nutzung . . . . . . . . . . 3763 Wiedereinräumung des Besitzes . . 3773a Wohngemeinschaft – Streitigkeiten Innerhalb . . . . . . 3689 Wohnraum . . . . . . . . . . . . . . 3685 Wohnrecht, unentgeltliches . . . . . 3742 Zwischenfeststellungsklage . . . . . 3706

A. Einleitung Mietstreitigkeiten sind Gegenstand eines erheblichen Teils der erstinstanzlichen Tätigkeit der Gerichte. Beziehen sie sich auf die Nutzung von Wohnraum, sind zugleich elementare Bedürfnisse der jeweiligen Bürger betroffen. Das Wohnungsmietrecht ist daher in der Vergangenheit mehrfach Gegenstand gesetzgeberischer Reformbemühungen gewesen, die auch – wie zuletzt die GKG-Novelle zum 1.7.2004 zeigt – bis in das Gebührenrecht hineinreichen.

3678

Heute findet sich insbesondere im Bereich der Wohnraummiete eine kaum noch überschaubare Fülle an Rechtsprechung. Bei ihrer Auswertung können Fehler auftreten, die durch eine Nichtbeachtung zwischenzeitlich ergangener Gesetzesänderungen verursacht werden. Hier sei nur an die Änderungen der gebührenrechtlichen Regelung für mietrechtliche Streitigkeiten, heute in § 41 GKG, erinnert, etwa durch die Novellierungen vom 14.7.1964,1 vom 13.6.19802 und vom 5.5.2004.3

3679

Unter dem Stichwort „Mietstreitigkeiten“ werden vorliegend alle Mietverhältnisse und ähnliche Nutzungsverhältnisse betreffenden streitwertbezogenen Rechtsfragen behandelt sowie diejenigen, die sich unverändert auch bei Pachtverhältnissen stellen. Streitwertrechtliche Besonderheiten der Pachtund Gewerbemietverhältnisse sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung sind unter den Stichwörtern „Pacht“ und „Geschäftsräume“ zu finden.

3680

1 BGBl. I 1964, 457. 2 BGBl. I 1980, 680. 3 BGBl. I 2004, 718.

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Mietstreitigkeiten

B. Zuständigkeitsstreitwert I. Allgemeines 3681

Nach § 23 Nr. 2 lit. a) GVG sind alle Streitigkeiten aus einen Wohraummietverhältnis oder über den Bestand eines solchen Mietverhältnisses vom Streitwert unabhängig den Amtsgerichten zugewiesen; diese Zuständigkeit ist ausschließlich. Bewertungsprobleme stellen sich insoweit nicht.

3682

Demgegenüber richtet sich die Zuständigkeit für sämtliche Streitigkeiten aus sonstigen Miet-, Pacht- und ähnlichen Nutzungsverhältnissen gem. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG nach dem Streitwert, soweit nicht ausnahmsweise die amtsgerichtliche Zuständigkeit für Reisestreitigkeiten eingreift (§ 23 Nr. 2 lit. b GVG).

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Für die Zuordnung der jeweiligen Streitigkeit und deren streitwertrechtliche Behandlung ist es ohne Bedeutung, ob ein Haupt- oder Untermietverhältnis betroffen ist. Miet- und Pachtverhältnisse sind auch Untermiet- und Unterpachtverhältnisse.1

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Ergänzend zu den Rechtsprechungsnachweisen bei den Tatbestandsvoraussetzungen der jeweiligen Wertvorschriften wird auf die alphabetische Einzelfalldarstellung unter Anmerkung F. (Rn. 3940 ff.) verwiesen.

II. Wohnraumietverhältnisse 3685

Die Wohnraummiete ist seit dem Mietrechtsreformgesetz vom 19.6.20012 ein in den §§ 549 ff. BGB materiell eigenständig geregeltes Rechtsgebiet. Hierbei ist unter Wohnraum jeder zum Wohnen, das heißt insbesondere zum Schlafen, Essen und auf Dauer angelegten privaten Nutzung bestimmter, innerhalb eines Gebäudes gelegener Raum zu verstehen.3

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Bei Mischmietverhältnissen, also der Anmietung von Räumlichkeiten zu Wohn- und beispielsweise Gewerbezwecken, ist für die Einordnung nach herrschender Ansicht auf die überwiegende Nutzungsart abzustellen.4

3687

Soweit die Gebrauchsgewährung in einem Zusammenhang mit der Erbringung von Arbeitsleistungen steht, ist zwischen Werkmietwohnungen und Werkdienstwohnungen zu unterscheiden. Streitigkeiten betreffend Werkdienstwohnungen, also Wohnungen, deren Überlassung Teil des Arbeitsvertrages und der danach geschuldeten Vergütung des Arbeitnehmers sind, fallen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG in die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte.5 1 BGH, Urt. v. 21.3.1952 – V ZR 20/51, MDR 1952, 666 = NJW 1952, 821; OLG Kiel, HRR 1933, 1242; Zöller/Gummer, § 23 GVG Rn. 8. 2 BGBl. I 1542. 3 Palandt/Weidenkaff, vor § 535 Rn. 89. 4 OLG Celle, Beschl. v. 8.1.1986 – 3 W 102/1985, MDR 1986, 324; OLG Hamm, Urt. v. 12.7.1985 – 9 U 85/85, ZMR 1986, 11; OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.6.1997 – 7 U 101/97, NJW-RR 1988, 401; OLG Köln, Urt. v. 10.10.2006 – 22 U 74/06, ZMR 2007, 114; Bub/ Treier/Fischer, Handbuch der Wohn- und Geschäftsraumiete, VIII Rn. 12 m.w.N.; Zöller/Gummer, § 23 GVG Rn. 8; a.A. LG Köln, Beschl. v. 13.6.1998 – 32 O 236/88, NJW-RR 1989, 403; LG Darmstadt, Beschl. v. 19.8.1992 – 3 O 181/02, DWW 1993, 20. 5 BAG, Beschl. v. 2.11.1999 – 5 AZB 18/99, MDR 2000, 600 = WuM 2000, 362 = NZA 2000, 277; Urt. v. 24.1.1990 – 5 AZR 749/87, BAGE 64, 75, MDR 1990, 656 = WuM

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Mietstreitigkeiten Auf welche Rechtsgrundlage die Klage gestützt wird, ist für die Einordnung der Streitigkeit ohne Bedeutung. Nur wenn zwischen den Parteien unstreitig ist, dass hinsichtlich des Wohnraums kein Wohnraummietverhältnis besteht, greift § 23 Nr. 2 Buchst. a GVG nicht ein. Ob die betroffenen Räumlichkeiten als Wohnraum genutzt werden (können), ist in jedem Fall unerheblich. Denn nach dem Wortlaut von § 23 Nr. 2 Buchst. a GVG ist nicht die Eigenschaft des Raumes zuständigkeitsbegründend, sondern der Inhalt der Rechtsbeziehungen der Parteien.1 Ausgehend von seinem Schutzzweck gelangt § 23 Nr. 2 lit. a) GVG aber bereits dann zur Anwendung, wenn sich eine Partei auf den Bestand eines Wohnraummietverhältnisses beruft.2

3688

Streitigkeiten zwischen Mitgliedern einer Wohngemeinschaft fallen in keinem Fall unter § 23 Nr. 2 lit. a) GVG (oder § 8 ZPO). Denn die im Streit stehenden Ansprüche folgen nicht aus einem Wohnraummietverhältnis, sondern aus der regelmäßig gesellschaftsrechtlichen Bindung ihrer Mitglieder. So sind insbesondere Klagen betreffend die Aufhebung der Wohngemeinschaft oder auf Abgabe einer (gemeinsamen) Kündigungserklärung gegenüber dem Vermieter nach § 3 ZPO zu bewerten.3

3689

III. Sonstige Miet-, Pacht- oder ähnliche Nutzungsverhältnisse Handelt es sich nicht um eine Streitigkeit aus einem Wohnraummietverhältnis, dann bestimmt sich die Zuständigkeit nach dem Streitwert des Klagebegehrens (§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG) und damit gem. § 2 ZPO nach den §§ 3 ff. ZPO. Danach ist wie folgt zu unterscheiden:

3690

1. Miet- und Pachtverhältnisse Betrifft die Streitigkeit den Bestand oder die Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses, kommt eine Wertbestimmung nach § 8 ZPO in Betracht, der als Sondervorschrift dem § 6 ZPO vorgeht.4 Danach entspricht der Wert der für die gesamte streitige Zeit noch zu zahlenden Pacht bzw. Miete oder dem 25fachen Jahresbetrag, wenn dieser Betrag geringer ist.

3691

Hingegen fallen Streitigkeiten über die nach dem Vertragsinhalt bestehenden Handlungs- oder Unterlassungspflichten oder sich aus einer (unstreitigen) Vertragsbeendigung ergebenden Folgen nicht unter § 8 ZPO. Die Wertbestimmung erfolgt hier regelmäßig nach §§ 3 und 6 ZPO, soweit Gegenstand des Klagebegehrens nicht eine Leistung wiederkehrender Art (§ 9 ZPO) ist.

3692

1 2

3 4

1990, 391 = NZA 1990, 539; Zöller/Gummer, § 23 GVG Rn. 9; diff. Bub/Treier/Fischer, Handbuch der Wohn- und Geschäftsraumiete, VIII Rn. 13 m.w.N. Bub/Treier/Fischer, Handbuch der Wohn- und Geschäftsraumiete, VIII Rn. 10 m.w.N. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.11.2007 – WuM 2007, 712 = NZM 2008, 479. Vgl. auch BGH, Beschl. v. 7.11.2002 – LwZR 9/02, BGHR 2003, 757 für § 8 ZPO; a.A. KG, Beschl. v. 6.3.2008 – NZM 2008, 837. KG, Beschl. v. 30.3.1992 – 2 W 1331/92, NJW-RR 1992, 1490 = WuM 1992, 323; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 7. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 8 Rn. 1; Musielak/Heinrich, § 8 Rn. 2.

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Mietstreitigkeiten 3693

Auch auf Streitigkeiten betreffend Nutzungsverhältnisse, die der Miete oder Pacht nur ähnlich oder von ihnen wesensverschieden (sonstige) sind (s. hierzu unten Rn. 3721 ff.) ist § 8 ZPO nicht anwendbar.1 a) Miet- oder Pachtvertrag

3694

Unter Miete und Pacht sind schuldrechtliche Gestattungsverhältnisse zu verstehen, die zur entgeltlichen Gebrauchsgewährung auf Zeit berechtigen und verpflichten. Sie unterscheiden sich im Vertragsgegenstand, der sich bei der Pacht auch auf Rechte erstrecken kann, und dem Vertragszweck, der bei der Pacht neben der Nutzung auch die Fruchtziehung umfasst. Geregelt sind sie vornehmlich in den §§ 535–597 BGB. Für die streitwertrechtliche Beurteilung ist eine Differenzierung zwischen Miete oder Pacht nicht erforderlich.2 Wenn auch in der Praxis Streitigkeiten im Zusammenhang mit Gebäude- oder Gebäudeteilnutzung im Vordergrund stehen, darf nicht übersehen werden, dass § 8 ZPO auch die Miete beweglicher Sachen erfasst.

3695

Zu den Miet- und Pachtverhältnissen i.S. des § 8 ZPO gehören neben den Untermiet- und Unterpachtverhältnissen3 auch die Jagdpachtverhältnisse.4

3696

Bei gemischten Verträgen ist auch hier maßgeblich darauf abzustellen, ob die entgeltliche Gebrauchsüberlassung das prägende Vertragsmerkmal ist, also der miet- oder pachtrechtliche Teil des Vertrages überwiegt.5 Dies kommt etwa beim Filmverleih, Hausmeistervertrag oder bei Beherbergungsverträgen6 oder einem Vertrag über die Reinigung von Kundentoiletten7 in Betracht. Da § 8 ZPO – anders als § 41 Abs. 2 GKG (§ 16 Abs. 2 GKG a.F.) – auch die Miete oder Pacht von beweglichen Sachen erfasst, gelangt er auch bei modernen Mischformen, wie dem Fahrzeugleasing, zur Anwendung. Für die Wertberechnung ist dann der Teilwert der miet- oder pachtrechtlichen Beziehung maßgebend, falls der Teilwert der übrigen Beziehung wirtschaftlich eigenständig bewertet werden kann.8

1 BGH, Beschl. v. 27.10.2004 – XII ZB 106/04, MDR 2005, 124 = AGS 2005, 19; Beschl. v. 22.1.1992 – XII ZR 149/91, juris; BayObLG, Beschl. v. 11.3.1994 – 1 ZRR 296/93, JurBüro 1995, 27; Zöller/Herget, § 8 Rn. 3; diff. MünchKomm.ZPO/Lappe, § 8 Rn. 5; a.A. Musielak/Heinrich, § 8 Rn. 2 unter Hinweis auf die Anwendung von § 8 auf gemischttypische Verträge. 2 BGH, Beschl. v. 27.10.2004 – XII ZB 106/04, MDR 2005, 204 = AGS 2005, 19; Urt. v. 20.12.1995 – XII ZR 244/94, WuM 1996, 1064. 3 BGH, Urt. v. 21.3.1952 – V ZR 20/51, MDR 1952, 666 = NJW 1952, 821; OLG Kiel, HRR 1933, 1242; Musielak/Heinrich, § 8 Rn. 2; ebenso für § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) OLG Celle, Beschl. v. 15.7.1999 – 2 W 53/99, OLGR 1999, 263 = NZM 2000, 190; Hartmann, § 41 Rn. 4; Meyer, § 41 Rn. 3. 4 BGH, Beschl. v. 27.2.1992 – III ZR 142/91 – III ZR 142/91, KostRsp. ZPO § 8 Nr. 7 = BGHR ZPO § 8 Jagdpacht Nr. 1; JurBüro 1962, 87; OLG Bamberg, NJW 1953, 230; ebenso für § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) OLG Celle, Beschl. v. 15.7.1999 – 2 W 53/99, OLGR 1999, 263 = NZM 2000, 190; Hartmann, § 41 Rn. 12; Meyer, § 41 Rn. 3. 5 BGH, Urt. v. 20.12.1995 – XII ZR 244/94, WuM 1996, 1064 = NJWE-MietR 1996, 54 = BGHR ZPO § 8 Räumungsklage Nr. 6. 6 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 7. 7 OLG Frankfurt, Urt. v. 30.5.2008 – 2 U 26/08, NZM 2009, 334 – zu § 41 GKG. 8 BGH, Urt. v. 20.12.1995 – XII ZR 244/94, WuM 1996, 1064 = NJWE-MietR 1996, 54 = BGHR ZPO § 8 Räumungsklage Nr. 6; Stein/Jonas/Roth, § 8 Rn. 2, 15.

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Mietstreitigkeiten Stehen bei dem gemischten Vertrag dagegen andere Bestandteile, etwa dienstvertragliche Elemente, im Vordergrund, wie beispielsweise beim Bewirtungsvertrag, Krankenhausbehandlungs- oder Heimvertrag,1 scheidet eine unmittelbare Anwendung von § 8 ZPO in der Regel aus. Hier ist jedoch im Einzelfall zu erwägen, ob bei der dann nach § 3 ZPO vorzunehmenden Bewertung zum Zwecke einer angemessenen Erfassung die Wertberechnung nach § 8 ZPO mitberücksichtigt wird.2

3697

b) Streit über Bestehen oder Dauer § 8 ZPO setzt einen Streit über Bestehen oder Dauer des Miet- oder Pachtverhältnisses voraus und ist daher nicht anwendbar, wenn ein solches Rechtsverhältnis zwischen den Parteien unstreitig ist oder unstreitig nicht mehr besteht. Erfüllungsansprüche, beispielsweise auf Überlassung der Mietsache, fallen unter § 8 ZPO, sofern durch die mit der Klage erstrebte Verurteilung eine Entscheidung über den zwischen den Parteien streitigen Bestand des Vertragsverhältnisses erreicht werden soll.3 Dies gilt jedoch nicht für Klagen auf (Mietzins-)Zahlung, selbst wenn letztlich nur über den (Fort-)Bestand des zugrunde liegenden Nutzungsverhältnisses gestritten wird.4

3698

Da § 8 ZPO nicht auf den Klageantrag, sondern auf den dahinter stehenden Streit der Parteien abstellt, führt bereits die Verteidigung mit einem angeblichen Miet- oder Pachtverhältnis, etwa gegen einen dinglichen Herausgabeanspruch, zur Anwendbarkeit des § 8 ZPO.5 Ohne Bedeutung ist insoweit, ob der Streit Gegenstand einer Feststellungs-, Leistungs- oder Gestaltungsklage ist.6

3699

Wird Räumung der Miet- oder Pachtsache verlangt, bestimmt sich der Wert nur dann nach § 8 ZPO, wenn nach dem Klagevorbringen Streit darüber besteht, ob das Pacht- oder Mietverhältnis über den Zeitpunkt der verlangten Räumung hinaus bestanden hat oder noch besteht. Anderenfalls fehlt es an dem Erfordernis der „streitigen Zeit“ und es gelten die allgemeinen Wertvorschriften.7

3700

Sind sich die Parteien über die Beendigung des Miet- oder Pachtverhältnisses einig und beschränkt sich der Streit auf die nach dem Vertragsinhalt bestehenden Handlungs- oder Unterlassungspflichten, wie etwa bei Klage auf rückständiges oder künftiges Nutzungsentgelt, oder auf die Folgen der Beendigung, wie beispielsweise bei Ansprüchen auf Vornahme von Renovierungsleistungen oder Ersatz entgangener Mieteinnahmen wegen Beschädigung der

3701

1 2 3 4 5

Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 7. So MünchKomm.ZPO/Lappe, § 8 Rn. 3. BGH, Beschl. v. 19.7.2000 – XII ZR 269/99, NZM 2000, 127. BGH, Beschl. v. 19.6.2002 – XII ZR 5/02, NZM 2002, 736 = NJW-RR 2002, 1233. BGH, Beschl. v. 27.10.2004 – XII ZB 106/04, MDR 2005, 204 = AGS 2005, 19 = NJ 2005, 124; Beschl. v. 7.11.2002 – LwZR 9/02, BGHR 2003, 757; Zöller/Herget, § 8 Rn. 3; offen lassend noch BGH, Beschl. v. 30.1.1997 – III ZR 206/96, BGHR ZPO § 8 Räumungsklage Nr. 8. 6 BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, NZM 2005, 944 = NJW-RR 2006, 16; Beschl. v. 13.5.1958 – VIII ZR 16/58, NJW 1958, 1291; MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 8 Rn. 11. 7 BGH, Beschl. v. 8.3.1995 – XII ZR 240/94, MDR 1995, 530 = NJW 1995, 781; Zöller/ Herget, § 8 Rn. 4.

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Mietstreitigkeiten Mietsache oder unterlassener Abschlussrenovierung, ist § 8 ZPO nicht einschlägig. Die Wertbestimmung erfolgt hier regelmäßig nach §§ 3 und 6 ZPO, soweit Gegenstand des Klagebegehrens nicht eine Leistung wiederkehrender Art (§ 9 ZPO) ist. 3702

Da § 8 ZPO bei einem nicht auf Räumung gerichteten Streit nur auf einen Rechtsstreit zwischen den Vertragsparteien angewandt werden kann, fällt der Streit zwischen Vermietern oder Mietern untereinander nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift.1

3703

Auch der Streit darüber, ob eine Partei einen von ihr mit einem Dritten geschlossenen Miet- oder Pachtvertrag gegen sich gelten lassen, ist keine Streitigkeit nach § 8 ZPO. Dem steht schon entgegen, dass die Parteien nicht zugleich Vertragsparteien sind und damit in einer der Rechtskraft fähigen Weise über den Bestand oder die Dauer des Vertrages nicht entschieden werden kann. Die Bewertung erfolgt nach § 3 ZPO.2 c) Wertberechnung im Einzelnen

3704

Gelangt § 8 ZPO zur Anwendung, bestimmt sich der Streitwert im Grundsatz nach der auf die „streitige Zeit“ entfallenden „Pacht oder Miete“, höchstens auf den 25-fachen Jahresbetrag des Nutzungsentgelts. Der zur Räumung und Herausgabe der Miet- oder Pachtsache in vertragsgemäßem Zustand erforderliche Aufwand, ist ausweislich des klaren Wortlaus von § 8 ZPO ohne Bedeutung.3 Dies zumindest, soweit hierzu kein eigenständiger Klageantrag gestellt wird.4 (S. hierzu unten Rn. 3841 „Abbruchkosten“.)

3705

Der Bewertungsmaßstab des § 8 ZPO gilt auch für Klagen, die auf positive Feststellung hinsichtlich des Bestehens oder der Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses gerichtet sind. Denn für den bei positiven Feststellungsklagen gebotenen prozentualen Abschlag vom Streitwert (s. unter dem Stichwort „Feststellungsklage“) besteht hier kein Bedürfnis, da derartige Feststellungsbegehren zum Regelfall der von § 8 ZPO erfassten Streitigkeiten gehören und ihre Eigenart daher bereits in dessen Wertmaßstab berücksichtigt worden ist.5

3706

Überschneidet sich eine auf Zahlung von Mietzins gerichtete Leistungsklage bezogen auf den Leistungszeitraum mit einer Zwischenfeststellungswiderklage (§ 265 Abs. 2 ZPO) auf Erlöschen des Mietverhältnisse, dann findet keine Wertaddition statt.6 1 BGH, Urt. v. 21.10.1955 – V ZR 160/54, LM ZPO § 8 Nr. 6 = RdL 1955, 49; MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 8 Rn. 7; Musielak/Heinrich, § 8 Rn. 4. 2 BGH, Beschl. v. 24.2.2000 – III ZR 270/99, Jagdrechtliche Entscheidungen XVII Nr. 76. 3 BGH, Beschl. v. 4.7.1996 – III ZR 34/96, BGHR ZPO § 8 Räumungsklage Nr. 7 – Beschwer. 4 BGH, Beschl. v. 15.6.2005 – XII ZR 104/02, WuM 2005, 525 = NZM 2005, 678. 5 BGH, Beschl. v. 29.10.2008 – XII ZB 75/08, JurBüro 2009, 89 = AGS 2009, 183 = NZM 2009, 51 = NJW-RR 2009, 156; Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, BGHR 2006, 75 = NZM 2005, 944 = NJW-RR 2006, 16; Beschl. v. 13.5.1958 – VIII ZR 16/58, NJW 1958, 1291 = Rpfleger 1958, 215; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 23; Zöller/Herget, § 8 Rn. 5; a.A. ohne Begründung LG Berlin, Beschl. v. 7.7.2000 – 65 T 62/000, JurBüro 2001, 96. 6 BGH, Beschl. v. 2.11.2005 – XII ZR 137/05; MietPrax-Arbeitskommentar § 41 GKG, Nr. 2; Beschl. v. 17.3.2004 – MDR 2004, 1437 = AGS 2004, 249; Beschl. v. 9.10.1991 – XII ZR 81/91, NJW-RR 1992, 698 = WM 1991, 2121.

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Mietstreitigkeiten aa) Streitige Zeit Unter der „streitigen Zeit“ ist derjenige Zeitraum zu verstehen, für den hinsichtlich des Bestehens oder Nichtbestehens des Vertragsverhältnisses Streit zwischen den Parteien herrscht. Es ist die Spanne zwischen denjenigen Zeitpunkten, in denen nach dem jeweiligen Vorbringen der einen und der anderen Partei der Räumungsanspruch des Vermieters zu erfüllen ist.1 Dies ist nach dem Vortrag in der Klageschrift zu ermitteln, da für den Zuständigkeitsstreitwert allein das Vorbringen des Klägers maßgebend ist. Daher sind Säumnis des Beklagten (§ 331 Abs. 1 Satz 2 ZPO) und die Geständnisfiktion (§ 138 Abs. 3 ZPO) für die Wertermittlung unerheblich.2

3707

Der Beginn des streitigen Zeitraumes fällt frühestens auf den Zeitpunkt der Zustellung von Klage- oder Antragsschrift.3 Das gilt im Falle eines Räumungs- oder Herausgabebegehrens auch dann, wenn der Einreichung bereits eine Kündigung vorausgegangen ist.4 Nur wenn der Kläger Räumung erst für einen künftigen Zeitpunkt oder die Feststellung begehrt, dass das Miet- oder Pachtverhältnis bereits zu einem vor Rechtshängigkeit liegenden Zeitpunkt beendet worden ist, ist dieser Zeitpunkt der Wertberechnung zugrunde zu legen.5

3708

Das Ende des streitigen Zeitraumes fällt auf den Tag, an dem der Vertrag unstreitig ablaufen würde, d.h. bei Verträgen mit bestimmter Dauer mit Zeitablauf und bei Verträgen mit unbestimmter Dauer mit dem Tage, auf den derjenige hätte (ordentlich) kündigen können, der sich auf eine längere Bestehenszeit beruft.6 Die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung bleibt bei der Berechnung außer Betracht.7

3709

Beruft sich der Beklagte gegenüber Kündigung und Räumungsklage auf Schutzvorschriften, die das Kündigungsrecht beschränken und ein Recht zur Fortsetzung der Nutzung begründen, so dauert die „streitige Zeit“ bis zu dem Zeitpunkt an, den derjenige, der sich auf das Nutzungsrecht beruft, als den für ihn günstigsten in Anspruch nimmt.8

3710

Ist (nach dem Vorbringen in der Klageschrift) die Beendigung des Nutzungsverhältnissen ungewiss, weil der Nutzungsberechtigte kein konkretes Ende

3711

1 BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, NZM 2005, 944 = NJW-RR 2006, 16 – zu § 41 GKG; Urt. v. 1.4.1992 – XII ZR 200/91, MDR 1992, 913. 2 OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.5.1995 – 5 W 24/95, JurBüro 1995, 486; LG Passau, KostRsp. GKG § 16 Nr. 28 mit Anm. E. Schneider; Zöller/Herget, § 8 Rn. 5. 3 BGH, Beschl. v. 2.5.2007 – XII ZB 205/06, AGS 2007, 428 = WuM 2007, 328 = Grundeigentum 2007, 844 – Beschwer; Beschl. v. 12.7.1952 – V ZR 30/51, LM § 8 ZPO Nr. 1. 4 BGH, Beschl. v. 10.5.2000 – XII ZR 335/99, NZM 2000, 1227 = NJW-RR 2000, 1739 = NJ 2000, 603; Beschl. v. 2.6.1999 – XII ZR 99/99, ZMR 1999, 615 = NZM 1999, 794 = NJW-RR 1999, 1385; Zöller/Herget, § 8 Rn. 5. 5 BGH, Beschl. v. 15.5.1958 – VIII ZR 16/58, MDR 1958, 601 = NJW 1958, 1291 = Rpfleger 1959, 215; OLG Bamberg, Beschl. v. 13.5.1991 – 8 U 83/91, JurBüro 1991, 1126; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 16. 6 BGH, Beschl. v. 7.11.2002 – LWZR 9/02, BGHR 2003, 757; Beschl. v. 10.8.1999 – XII ZR 69/99, NZM 1999, 1048 = NJW-RR 1999, 1531; Urt. v. 1.4.1992 – XII ZR 200/91, MDR 1992, 913 = WuM 1992, 465; Zöller/Herget, § 8 Rn. 5. 7 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 17. 8 BGH, Beschl. v. 16.2.2005 – XII ZR 46/03, ZMR 2005, 933 = WuM 2005, 350 = NJ 2005, 369; Urt. v. 1.4.1992 – XII ZR 200/91, MDR 1992, 913 = WuM 1992, 465.

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Mietstreitigkeiten des Nutzungsverhältnisses benennt,1 sich auf einen Ausschluss der Kündigung durch den Vermieter oder darauf beruft, dass der Miet- oder Pachtvertrag auf Lebenszeit geschlossen worden sei,2 dann bestimmt sich der Wert nach Ansicht des BGH in entsprechender Anwendung nach § 9 ZPO auf das 3,5fache des Jahresnutzungsentgelts. Denn die Regelung in § 8 ZPO sei nur auf solche Fallgestalltungen zugeschnitten, „in denen die streitige Zeit genau bestimmt werden kann“.3 3712

Folgt hingegen aus dem Klagevorbringen, dass der Beklagte ebenfalls die Kündigung erklärt hat und deshalb der streitige Zeitraum kürzer als ein Jahr ist, bleibt die abstrakte Möglichkeit, dass er nach Ablauf der „streitigen Zeit“ nicht räumen wird, für die Wertbestimmung außer Betracht.4 bb) Pacht- oder Mietzins

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Der für die Wertberechnung zugrunde zu legende Pacht- oder Mietzins errechnet sich nach dem Geldwert der vom Nutzungsberechtigten für die Gebrauchsgewährung zu erbringenden Gegenleistung. Maßgebend ist das vertraglich vereinbarte Entgelt und nicht der Betrag, der nach Auffassung einer Partei angemessen wäre oder ortsüblich ist.5

3714

Nach bisherigem Verständnis entsprach das „einjährige Entgelt“ des § 8 ZPO dem „einjährigen Zins“ des § 16 Abs. 1 GKG a.F.6 Hieran hat sich mit der Neufassung von § 41 Abs. 1, 2 GKG (§ 16 Abs. 1, 2 GKG a.F.) nichts geändert, was schon die nunmehr übereinstimmende Verwendung des „einjährigen Entgelts“ erhellt. Damit ist zugleich davon auszugehen, dass die Entgeltdefinition in § 41 Abs. 1 Satz 2 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.) auch für die Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwerts heranzuziehen ist.7 Danach umfasst das Entgelt neben dem Nettogrundentgelt Nebenkosten nur noch dann, wenn diese als Pauschale vereinbart sind und nicht gesondert abgerech1 BGH, Beschl. v. 2.5.2007 – XII ZB 205/06, AGS 2007, 428 = WuM 2007, 328 = Grundeigentum 2007, 844 – Beschwer; Beschl. v. 14.4.2004 – XII ZB 224/02, MDR 2004, 931 = WuM 2004, 353 = NZM 2004, 460 = AGS 2004, 390; Beschl. v. 7.11.2002 – LwZR 9/ 02, BGHR 2003, 757. 2 BGH, Beschl. v. 13.3.2007 – VIII ZR 189/06, JurBüro 2007, 362 = NZM 2007, 512 mit krit. Anm. N. Schneider; Beschl. v. 16.2.2005 – XII ZR 46/03, ZMR 2005, 933 = WuM 2005, 350 = NJ 2005, 369; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 17; Musielak/Heinrich, § 8 Rn. 5. 3 BGH, Beschl. v. 11.12.2008 – III ZB 53/08, MDR 2009, 277 = NZM 2009, 526 = WuM 2009, 138 = NJW-RR 2009, 775; Beschl. 4.8.2008 – VIII ZR 50/06, AGS 2008, 401 = WuM 2008, 417; Beschl. v. 2.10.2007 – III ZB 47/07, NZM 2008, 461 = WuM 2007, 639; Beschl. v. 2.5.2007 – XII ZB 205/06, AGS 2007, 428; Beschl. v. 13.3.2007 – VIII ZR ZR 189/06, JurBüro 2007, 362 = NZM 2007 = WuM 2007, 283; Beschl. v. 14.4.2004 – XII ZB 224/02, MDR 2004, 931 = AGS 2004, 390; BGH, Beschl. v. 7.11.2002 – LwZR 9/02, BGHR 2003, 757. 4 BGH, Beschl. v. 2.7.2008 – XII ZR 44/07, GuT 200, 35 = MietPrax-AK § 26 Nr. 8 EGZPO Nr. 8; OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.5.1995 – 5 W 24/95, JurBüro 1995, 486. 5 BGH, Beschl. v. 27.10.2004 – XII ZB 106/04, MDR 2005, 204 = AGS 2005, 19; Urt. v. 20.12.1995 – XII ZR 244/94, WuM 1996, 1064 = NJWE-MietR 1996, 54. 6 BGH, Urt. v. 21.1.1955 – V ZR 160/54, BGHZ 18, 168; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 9. 7 Zöller/Herget, § 8 Rn. 6; offen lassend BGH, Beschl. v. 11.12.2008 – III ZB 53/08, MDR 2009, 277 = NZM 2009, 526 = WuM 2009, 138 = NJW-RR 2009, 775.

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Mietstreitigkeiten net werden. Die Neuregelung folgt damit der Rechtsprechung des BGH,1 wonach Vorauszahlungen auf Nebenkosten bei der Wertbestimmung nach § 8 ZPO schon deshalb nicht berücksichtigt werden können, weil aus ihnen nicht erkennbar ist, welche über den eigentlichen Mietzins hinausgehenden Beträge der Mieter nach Abrechnung schuldet. Zum Nutzungsentgelt zählen neben dem in Geld oder Naturalien zu erbringenden Pacht- oder Mietzins alle weiteren vertraglich vereinbarten (verbrauchsunabhängigen) Nebenleistungen, es sei denn, diese werden im Verkehr nicht als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung angesehen oder vom Mieter bzw. Pächter selbst abgerechnet.2

3715

Ferner sind alle vertragsgemäß zu erbringenden Sonderleistungen des Mieters oder Pächters zu berücksichtigen, etwa für die Unterhaltung und Instandsetzung der Mietsache, für Abgaben und sonstige öffentliche Lasten, aber auch Baukostenaufwand und Baukostenzuschüsse. 3

3716

Soweit Mehrwertsteuer zu zahlen ist, erhöht sich der Streitwert darum.4

3717

Bei der Höhe nach unterschiedlichen Jahresentgeltbeträgen ist auf den höchsten Betrag innerhalb des streitigen Zeitraums abzustellen.5

3718

Veränderungen des Mietvertrages nach Klageerhebung, die Einfluss auf den Streitwert haben könnten, bleiben gem. § 4 ZPO unberücksichtigt, solange nicht auch der Klageantrag geändert wird.

3719

S. ferner bei den Ausführungen zum Gebührenstreitwert (unten Rn. 3747 ff.).

3720

2. Ähnliche und sonstige Nutzungsverhältnisse Streiten die Parteien über Ansprüche aus einem der Pacht oder Miete nur ähnlichen oder aus einem sonstigen, d.h. wesensverschiedenen Nutzungsverhältnis, dann fehlt es an einer Sondernorm. § 8 ZPO ist schon ausweislich seines – von § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) abweichenden – Wortlauts nicht anwendbar.6 Hier ist der Streitwert vielmehr nach §§ 3 ff. ZPO zu bestimmen. 1 Beschl. v. 2.6.1999 – XII ZR 99/99, ZMR 1999, 615 = NZM 1999, 794 – Beschwer. 2 BGH, Beschl. v. 11.12.2008 – III ZB 53/08, MDR 2009, 277 = NJW-RR 2009, 775; Beschl. v. 2.6.1999 – XII ZR 99/99, ZMR 1999, 615 = NJW-RR 1999, 1385 = NZM 1999, 794; Beschl. v. 27.2.1992 – III ZR 142/91, KostRsp. ZPO § 8 Nr. 7; Zöller/Herget, § 8 Rn. 6. 3 BGH, Beschl. v. 11.12.2008 – III ZB 53/08, MDR 2009, 277 = NJW-RR 2009, 775 – öffentlich-rechtliche Lasten; Urt. v. 21.1.1955 – V ZR 160/54, BGHZ 18, 168; OLG Schleswig, JurBüro 1958, 512; krit. OLG Köln, Beschl. v. 9.2.1996 – 19 W 1/96, JurBüro 1996, 472 = MDR 1996, 859. 4 OLG Dresden, Beschl. v. 19.8.1997 – 15 W 1041/96, ZMR 1997, 527 – zu § 16 GKG a.F.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.2005 – 24 W 62/05, AGS 2006, 516 = MDR 2006, 1079 = ZMR 2006, 516; OLG Hamm, ZMR 1995, 359; KG, Beschl. v. 17.6.1999 – 8 W 4592/ 99, NZM 2000, 659; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 28.11.2000 – 4 W 53/00, OLGR 2001, 260; LG Duisburg, Beschl. v. 24.2.1989 – 7 T 63/89, JurBüro 1989, 1306. 5 BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, NZM 2005, 944 = NJW-RR 2006, 16 – zu § 41 GKG; Zöller/Herget, § 9 Rn. 6. 6 BGH, Beschl. v. 27.10.2004 – XII ZB 106/04, MDR 2005, 124 = AGS 2005, 19; Beschl. v. 22.1.1992 – XII ZR 149/91, juris; BayObLG Beschl. v. 11.3.1994 – 1 ZRR 296/93, JurBüro 1995, 27; Zöller/Herget, § 8 Rn. 3; diff. MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 8 Rn. 5; a.A. Musielak/Heinrich, § 8 Rn. 2 unter Hinweis auf die Anwendung von § 8 auf gemischttypische Verträge.

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Mietstreitigkeiten 3722

Ähnliche Nutzungsverhältnisse sind solche, die miet- oder pachtähnlichen Charakter haben, auch wenn sie nicht unmittelbar unter die §§ 535 ff., 581 ff. BGB fallen.1 Dies ist etwa bei dem mietähnlich ausgestalteten Dauerwohnrecht gem. § 1093 BGB oder § 31 WEG2 der Fall.

3723

Demgegenüber zeichnen sich wesensverschiedene Nutzungsverhältnisse insbesondere dadurch aus, dass es an einer mietzinsähnlichen Gegenleistung fehlt. Beispielhaft ist hier das unentgeltliche Nutzungsverhältnis3 oder das in letztwilliger Verfügung angeordnete Wohnvermächtnis4 zu nennen. Ausführlich hierzu nachfolgend unter Rn. 3742 ff. a) Streit über Bestand und Dauer

3724

Auf Feststellung des Bestehens oder der Dauer derartiger Rechtsverhältnisse gerichtete Klagebegehren sind nach § 3 ZPO zu bewerten. Im Einzelfall ist jedoch zu erwägen, ob zum Zwecke einer angemessenen Erfassung die Wertberechnung nach § 8 ZPO mitberücksichtigt wird.5

3725

Ist das Klagebegehren auf Räumung und Herausgabe gerichtet, bestimmt sich der Streitwert nach § 6 ZPO.6 b) Anderweitige Klagebegehren

3726

Im Übrigen bestimmt sich der Zuständigkeitsstreitwert nach § 3 ZPO, soweit nicht aufgrund des konkreten Klagebegehrens speziellere Wertvorschriften zur Anwendung gelangen und eine mittelbare Berücksichtigung von § 8 ZPO ausscheidet. So ist etwa § 9 ZPO einschlägig, wenn der Streit Leistungen wiederkehrender Art zum Gegenstand hat.7

C. Gebührenstreitwert I. Allgemeines 3727

Mit der GKG-Novelle vom 5.5.20048 hat der Gesetzgeber auch die Wertvorschriften für Miet-, Pacht- oder ähnliche Nutzungsverhältnisse betreffende Streitigkeiten (§ 41 GKG entspricht weitgehend § 16 GKG a.F.) überarbeitet und einige in Rechtsprechung und Lehre streitige Punkte entschieden. So wird mit der Regelanknüpfung in § 41 Abs. 1, 2 und 5 GKG an das Nettogrundentgelt und dessen Jahreswert die – bereits anerkannte – soziale Schutzfunktion der Gebührenvorschriften nunmehr auch für die Mängelbeseitigung, Instandsetzung und Modernisierung erweitert. Danach soll der Zu1 BGH, Rpfleger 1959, 1 zu § 10 Abs. 1 GKG a.F. 2 OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.7.1998 – 5 W 13/98, OLGR 1999, 231; OLG Frankfurt, NJW 1963, 1930; OLG München, Beschl. v. 11.12.1998 – 14 W 257/98, ZMR 1999, 173; OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 130. 3 BGH, Beschl. v. 27.10.2004 – XII ZB 106/04, MDR 2005, 204 = AGS 2005, 19. 4 KG, JurBüro 1962, 294. 5 So MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 8 Rn. 3. 6 Prütting/Gehrlein/Gehle, § 8 Rn. 6; krit. Lappe, NJW 2000, 449. 7 Musielak/Heinrich, § 9 Rn. 3. 8 BGBl. I 718.

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Mietstreitigkeiten gang zu den Gerichten nicht durch kostentreibende Streitwerte erschwert werden.1 Hierbei gelangt die Gebührenprivilegierung des § 41 GKG bereits dann zur Anwendung, wenn nur eine von mehreren Klagebegründungen dessen Voraussetzungen erfüllt.2

3728

In den noch bestehenden Streitfällen ist aus gleichen Gründen eine weite Auslegung geboten. Sie ist auf alle Sachverhalte anzuwenden, bei denen eine für das Verhältnis von Vermieter und Mieter typische Berechtigung Streitgegenstand ist.3 Dies soll jedoch nicht für gewerbliche Mietverhältnisse gelten, da dort soziale Gesichtspunkte keine Rolle spielen.4

3729

Da § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) an Rechtsstreitigkeiten zwischen den Vertragsparteien anknüpft, fällt der Streit zwischen Vermietern oder Mietern untereinander nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift.5 Zu denken ist hier an Streitigkeiten zwischen Mitgliedern einer Wohngemeinschaft oder Klagen eines Mieters gegen einen Mitmieter auf Zustimmung zur Kündigung des Mietverhältnisses. Das Verhältnis der Beteiligten ist hier in der Regel gesellschafts- oder gemeinschaftsrechtlich geprägt, sodass für eine Gebührenprivilegierung kein Anlass besteht. Daher dürfte auch für eine entsprechende Anwendung von § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.), wie sie vom OLG Frankfurt6 zur Vermeidung „übersetzter Streitwerte“ bejaht wird,7 ausscheiden.8 Im Einzelfall kann bei der Schätzung nach § 3 ZPO jedoch der Bewertungsmaßstab des § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) berücksichtigt werden.9

3730

Auch auf einen Räumungsvertrag zwischen einen potentiellen Käufer und einem Mieter des Verkäufers findet § 41 GKG keine Anwendung.10 Bei Streitigkeiten von Eheleuten oder Lebenspartnern über die gemeinsam genutzte Wohnung gem. §§ 3–7 HausrVO; 14, 18 LPartG ist die Geschäftswertregelung in § 100 KostO (§ 21 HausrVO a.F.) zu beachten, wonach der „einjährige Mietwert“ wertbestimmend ist.

1 BGH, MDR 1995, 530 = WuM 1995, 320 = ZMR 1995, 245 = NJW 1995, 781; OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.3.1995 – 19 W 8/95, OLGR 1995, 132; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.3.1997 – 11 W 21/97, JurBüro 1997, 478; OLG Köln, Beschl. v. 10.3.1997 – 19 W 3/97, ZMR 1997, 468. 2 BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, NZM 2005, 944 = NJW-RR 2006, 16. 3 OLG Köln, Beschl. v. 10.3.1997 – 19 W 3/97, JMBl.NW 1997, 167 = VersR 1997, 1161 = ZMR 1997, 468; Hartmann, § 41 Rn. 2 m.w.N. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.3.1995 – 19 W 8/95, OLGR 1995, 132; OLG München, Beschl. v. 3.3.1997 – 15 W 2857/96, OLGR 1997, 107; a.A. wohl BGH, Beschl. 8.3.1995 – XII ZR 240/94, MDR 1995, 530 = NJW 1995, 781. 5 BGH, LM ZPO § 8 Nr. 6 = LM GKG § 10 Nr. 10 – zu § 10 GKG a.F. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.3.2003 – 1 W 11/03, AGS 2004, 162 = NZM 2004, 159 = NJW-RR 2004, 299. 7 Ebenso OLG Hamburg, Beschl. v. 18.6.1965 – 11 W 20/65, NJW 1965, 2406. 8 So auch KG, Beschl. v. 30.3.1992 – 2 W 1331/92, WuM 1992, 323 = NJW-RR 1992, 1490; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 7. 9 KG, Beschl. v. 30.3.1992 – 2 W 1331/92, WuM 1992, 323 = NJW-RR 1992, 1490. 10 Meyer, JurBüro 2010, 184, 185.

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Mietstreitigkeiten

II. Bewertungsgrundsätze 1. Allgemeines 3731

§ 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) geht als Sondervorschrift für Streitigkeiten aus Miet-, Pacht- und ähnlichen Nutzungsverhältnissen einer Wertberechnung nach § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) i.V.m. §§ 3–9 ZPO vor. Zum besseren Verständnis der Streitwertberechnung werden zunächst die einzelnen von § 41 GKG erfassten Tatbestände im Zusammenhang dargestellt: – Das Bestehen eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses ist streitig. Dann bemisst sich der Streitwert nach dem auf die streitige Zeit entfallenden Entgelt oder nach dem einjährigen Entgelt, je nachdem welcher Betrag geringer ist, § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.). – Die Dauer eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses ist streitig.Maßgebend für den Streitwert ist ebenfalls das auf die streitige Zeit entfallende Entgelt oder das einjährige Entgelt, je nachdem welcher Betrag geringer ist, § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.). – Es wird Räumung wegen Beendigung des Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses (§§ 546, 578, 581 BGB) verlangt, wobei gleichgültig ist, ob die Beendigung streitig oder unstreitig ist.Auch hier ist der Streitwert gleich dem einjährigen Entgelt, sofern nicht das auf die streitige Zeit entfallende Entgelt geringer ist, § 41 Abs. 2 Satz 1 GKG (§ 16 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F). – Es wird Räumung oder Herausgabe auch aus einem anderen Rechtsgrund (z.B. § 985 BGB) verlangt, wobei wiederum gleichgültig ist, ob Streit über das Bestehen des Nutzungsverhältnisses besteht. Dann ist der Streitwert ausnahmslos gleich dem Wert der Nutzungen eines Jahres, § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG (§ 16 Abs. 2 Satz 2 GKG a.F.). Weiterhin nicht beantwortet ist in § 41 Abs. 2 GKG die Frage, wie der Streitwert zu bemessen ist, wenn Räumung oder Herausgabe allein aus einem anderen Rechtsgrund verlangt wird (s. dazu unten Rn. 3785). – Es wird die Erhöhung des Mietzinses für Wohnraum beansprucht. Der Wert richtet sich nach dem Jahresbetrag der zusätzlichen Miete, soweit nicht aufgrund kürzerer Mietdauer ein entsprechend niedriger Betrag maßgebend ist, § 41 Abs. 5 GKG (§ 16 Abs. 5 GKG a.F.). Zu beachten bleibt, dass diese Streitwertbeschränkung nur für Wohnraum gilt. – Der Mieter von Wohnraum verlangt die Instandsetzung von Wohnraum. Hier bestimmt sich der Streitwert nach dem Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung, soweit nicht auch hier wegen eines kürzeren Zeitraums ein entsprechend niedriger Betrag maßgebend ist, § 41 Abs. 5 GKG (§ 16 Abs. 5 GKG a.F.). – Der Vermieter verlangt die Duldung von Maßnahmen der Modernisierung oder Erhaltung von Wohnraum. Dann bemisst sich der Streitwert nach dem Jahresbetrag einer möglichen Mieterhöhung bzw. einer ansonsten möglichen Mietminderung, soweit nicht auch hier wegen eines kürzeren Zeitraums ein entsprechend niedriger Betrag maßgebend ist, § 41 Abs. 5 GKG (§ 16 Abs. 5 GKG a.F.). – Die gemeinsame Verhandlung des Anspruchs auf Räumung und des Anspruchs auf Fortsetzung des Mietverhältnis nach §§ 574–574b BGB. Hier ist 780

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Mietstreitigkeiten der Wert ohne Zusammenrechnung immer nach dem einjährigen Mietzins zu errechnen, § 41 Abs. 3 und 4 GKG (§ 16 Abs. 3 und 4 GKG a.F.). Das vorstehende Schema der Tatbestandsgruppen zeigt, dass praktisch kaum Bewertungsunterschiede bestehen. Es ist im Wesentlichen darauf zu achten, ob ein Fall des § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG (§ 16 Abs. 2 Satz 2 GKG) vorliegt: Räumungsverlangen aus mehreren Rechtsgründen. Denn dann ist immer das einjährige Nutzungsentgelt anzusetzen, auch wenn der streitige Zeitraum kürzer als ein Jahr ist.

3732

Hierbei erhöht sich der Streitwert nicht bei einer auf mehrere Kündigungen gestützten Räumungsklage.1 Soweit die Kündigungserklärungen auf im Wesentlichen unterschiedlichen Sachverhalten beruhen, liegen zwar verschiedene Streitgegenstände vor.2 Da diese jedoch auf den Rückerhalt derselben Mietsache gerichtet sind, ist wegen wirtschaftlicher Identität trotz objektiver Klagehäufung für eine Wertaddition kein Raum.

3733

Treffen im Zuge einer objektiven Klagehäufung Ansprüche auf Leistung und Feststellung hinsichtlich des Bestandes eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses zusammen, ist für eine Wertaddition nach § 39 Abs. 1 GKG (§ 12 GKG a.F. in Verb. mit § 5 Halbs. 1 ZPO) zu unterscheiden.

3734

Ist das den verschiedenen prozessualen Ansprüchen zugrunde liegende klägerische Interesse – wirtschaftlich betrachtet – auf denselben Gegenstand gerichtet und damit als wirtschaftliche Einheit anzusehen, scheidet eine Zusammenrechnung aus und der höhere Einzelwert ist maßgebend. Anderenfalls ist zu addieren.3

3735

Überschneidet sich eine auf Zahlung von Mietzins gerichtete Leistungsklage bezogen auf den Leistungszeitraum mit einer Zwischenfeststellungswiderklage (§ 265 Abs. 2 ZPO) auf Erlöschen des Mietverhältnisses, findet daher keine Wertaddition statt.4 S. auch unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche“.

3736

2. Miet-, Pacht- oder ähnliche Nutzungsverhältnisse a) Miete und Pacht Die mit der Bestimmung von Miet- und Pachtverhältnissen verbundenen Abgrenzungsfragen sind bereits beim Zuständigkeitsstreitwert (§ 8 ZPO) erörtert worden. Zu beachten bleibt, dass § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) auch

1 OLG Brandenburg, Urt. v. 10.10.2007 – 3 U 64/07, ZMR 2008, 361 – unzutreffend jedoch hinsichtlich der Ausführungen zu dem für die Kostengrundentscheidung im Einzelfall zu bildenden sog. fiktiven Streitwert; OLG München, Beschl. v. 9.7.2001 – 5 W 1857/01, NZM 2001, 749 = NJW-RR 2002, 521; Bub/Treier/Fischer, VIII Rn. 226; Meyer, § 41 Rn. 22; Hartmann, § 41 Rn. 24. 2 OLG Brandenburg, Urt. v. 24.2.2010 – 3 U 112/09, juris; vgl. auch BGH, Beschl. v. 23.7.1993 – VIII ZB 22/93, NJW-RR 1994, 61: Klageänderung bei Wechsel von einer Kündigung zur anderen. 3 OLG Hamburg, MDR 1965, 394; OLG Oldenburg, Beschl. v. 8.12.1996 – 3 W 139-140/ 86, JurBüro 1987, 596; OLG München, Beschl. v. 20.3.1984 – 24 W 48/84, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 706 mit Anm. Schneider = JurBüro 1984, 1235; OLG Zweibrücken, NJW 1982, 2800; LG Hamburg, Beschl. v. 11.9.1995 – 311 O 183/95, WuM 1996, 287 = ZMR 1996, 29; Zöller/Herget, § 5 Rn. 8. 4 BGH, Beschl. v. 9.10.1991 – XII ZR 81/81, NJW-RR 1992, 698 – zu § 8 ZPO.

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Mietstreitigkeiten auf Ansprüche aus der Miete beweglicher Sachen Anwendung findet,1 was sich insbesondere bei neueren Nutzungsformen, wie dem Leasing, oben bei Rn. 3691 auswirken kann (s. hierzu unter dem Stichwort „Leasingvertrag“). b) Ähnliche Nutzungsverhältnisse 3738

§ 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) erfasst – im Gegensatz zu § 8 ZPO – neben den Miet- und Pachtverhältnissen auch die ihnen „ähnlichen Nutzungsverhältnisse“. Ähnliche Nutzungsverhältnisse sind solche, die miet- oder pachtähnlichen Charakter haben, auch wenn sie nicht unmittelbar unter die §§ 535 ff., 581 ff. BGB fallen.2

3739

Hierzu zählen beispielhaft die Nutzung von Pachtland ohne Pachtvertrag,3 das mietähnlich ausgestaltete Dauerwohn- oder Nutzungsrecht gem. § 1093 BGB oder § 31 WEG,4 die Überlassung eines Siedlungsgrundstücks,5 der Werbenutzungsvertrag6 sowie die Vereinbarung einer entgeltlichen Nutzung vor Abschluss eines geplanten Kaufvertrages über ein bebautes Grundstück7 oder entgeltlicher Nutzung vor wirksamer Eigentumsübertragung nach Kauf einer Eigentumswohnung.8 S. dazu auch unter dem Stichwort „Herausgabe“.

3740

Auch ein Nießbrauchsrecht kann ein „ähnliches Nutzungsverhältnis“ i.S. des § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) sein, etwa wenn es durch den schuldrechtlichen Bestellungsvertrag mietähnlich ausgestaltet ist. Daher ist der Jahresbetrag für die Wertbestimmung maßgebend, wenn beim Kauf eines bebauten Grundstücks dem Verkäufer ein dinglicher Nießbrauch am Grundstück eingeräumt wird und der Eigentümer nach dem Tode des Nießbrauchers, der die Ausübung des Nießbrauchs einem Dritten überlassen hatte, die Herausgabe verlangt.9 Doch ist das die Ausnahme. Grundsätzlich ist § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) auf den Nießbrauch unanwendbar.10 c) Sonstige Nutzungsverhältnisse

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Sonstige, dass heißt gegenüber Miete und Pacht wesensverschiedene Nutzungsverhältnisse, werden von § 41 GKG (§ 16 GKG) nicht erfasst. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es an einer mietzinsähnlichen Gegenleistung fehlt. Hier ist der Streitwert vielmehr nach § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) i.V.m. § 3 ZPO zu bestimmen, soweit nicht aufgrund des konkreten Klagebegehren besondere Wertvorschriften, etwa § 6 ZPO, einschlägig sind. 1 OLG Bamberg, Beschl. v. 19.11.1984 – 3 W 100/84, JurBüro 1985, 589: Miete eines Blumenautomaten. 2 BGH, Rpfleger 1959, 1 zu § 10 Abs. 1 GKG a.F. 3 KG, JurBüro 1966, 964. 4 OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.7.1998 – 5 W 13/98, OLGR 1999, 231; OLG Düsseldorf, JurBüro 1965, 550; OLG Frankfurt, NJW 1963, 1930; OLG München, Beschl. v. 11.12.1998 – 14 W 257/98, ZMR 1999, 173; OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 130. 5 OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 627. 6 BVerwG, Beschl. v. 14.10.1993 – II B 72.92, JZ 1994, 3 = NVwZ-RR 1994, 420. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.7.1987 – 9 W 48/87, JurBüro 1988, 373. 8 OLG Köln, Beschl. v. 14.9.1995 – 19 W 34/95, JurBüro 1996, 194 = WuM 1995, 719 = ZMR 1995, 549: analog § 16 Abs. 2 GKG. 9 OLG Köln, Beschl. v. 11.4.1981 – 2 W 27/81, AnwBl. 1981, 500. 10 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 29.7.1986 – 7 W 40/86, JurBüro 1987, 265.

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Mietstreitigkeiten Beispielhaft sind hier zu nennen, das in letztwilliger Verfügung angeordnete Wohnvermächtnis,1 das unentgeltlich eingeräumte Nutzungsrecht aufgrund eines beabsichtigten Kaufvertrags und des damit in Aussicht genommenen Eigentumsverschaffungsanspruchs,2 das unentgeltlich eingeräumte Nutzungsrecht aufgrund Ehe oder Lebensgemeinschaft3 sowie das unentgeltlich eingeräumte Dauerwohnrecht.4 In all diesen Fällen fehlt es – neben einer periodischen Struktur des Nutzungsrechts5 – schon an einem „Entgelt“ i.S. des § 41 GKG („Zins“ i.S. des § 16 GKG a.F.), das als Berechnungsgrundlage für die Wertbestimmung dienen könnte.6

3742

Über den Maßstab, an dem sich in diesen Fällen die freie Schätzung gem. § 3 ZPO orientieren kann, besteht Uneinigkeit. Gegenüber der jetzt auch vom BGH vertretenen Anlehnung an § 24 KostO7 oder einer entsprechenden Anwendung von § 41 GKG8 erscheint es angemessener, beide Bewertungsanalogien zu kombinieren und je nach den Umständen des Einzelfalles den Jahreswert angemessen zu erhöhen. Dies zumindest dann, wenn nach der sozialen Schutzfunktion des § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) eine Begrenzung des Gebührenanfalls geboten ist. Seit seiner Neufassung 1993 bietet sich allerdings auch § 9 ZPO als Orientierung an.9

3743

d) Gemischte Verträge Bei gemischten Verträgen ist ebenfalls maßgeblich darauf abzustellen, ob die entgeltliche Gebrauchsüberlassung das prägende Vertragsmerkmal ist, also 1 KG, JurBüro 1962, 294. 2 OLG Celle, Beschl. v. 4.1.1996 – 4 W 269/95, OLGR 1996, 119; OLG Nürnberg, Beschl. v. 30.3.2004 – 9 W 1014/04 – 9 W 1014/04, MDR 2004, 966 = AGS 2004, 344 = NJW-RR 2004, 1224 a.A. OLG Schleswig, Beschl. v. 20.7.1998 – 3 W 45/98, OLGR 1998, 424 – für Räumung nach Wandlung des Kaufvertrages; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Mietstreitigkeiten“: analog § 41 Abs. 2 GKG. 3 OLG Braunschweig, NZM 2008, 423; OLG Frankfurt, Beschl. 27.5.2009 – 19 W 28/09, OLGR 2009, 930 = AGS 2009, 499: fiktiven Jahresmietbetrag; OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.5.2009 – 19 W 28/09, AGS 2009, 499: fiktiver Jahresmietbetrag; OLG Naumburg, OLGR 2001, 13; ausf. N. Schneider, MDR 1999, 637; a.A. OLG Jena, Beschl. v. 16.7.1997 – 7 W 355/97, MDR 1998, 63; OLG Köln, Beschl. v. 25.1.1999 – 22 W 52/ 98, MDR 1999, 637; Meyer, § 41 Rn. 4 unter Hinweis auf das Lebenspartnerschaftsgesetz; s. auch OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.3.1993 – 18 W 6/92, JurBüro 1994, 116 = FamRZ 1994, 249; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Mietstreitigkeiten“. 4 BGH, Beschl. v. 20.10.2005 – V ZR 73/05, juris; OLG Braunschweig, Beschl. v. 5.10.2007 – 8 W 81/07, AGS 2008, 2999; OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.9.1992 – 24 W 28/02, NZM 2002, 1046; Beschl. v. 29.3.1995 – 19 W 8/95, OLGR 1995, 132: Schätzung nach § 3 ZPO unter Berücksichtigung von § 41 GKG; OLG Naumburg, Beschl. v. 6.4.2000 – 13 W 14/00, AGS 2001, 159. 5 BGH, Beschl. v. 20.10.2005 – V ZR 73/05, juris. 6 OLG München, AnwBl. 1966, 231. 7 BGH, Beschl. v. 20.10.2005 – V ZR 73/05, juris; Beschl. v. 23.9.1992 – XII ZR 33/92, juris; OLG Braunschweig, Beschl. v. 5.10.2007 – 8 W 81/07, AGS 2008, 2999; OLG Köln, Beschl. v. 12.6.2006 – 2 W 49/06, JurBüro 2006, 477; LG Bayreuth, JurBüro 1979, 895. 8 OLG Dresden, Beschl. 2.4.2003 – 11 W 408/03, juris; OLG Naumburg, Beschl. v. 6.4.2000 – 13 W 14/00, AGS 2001, 159; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.12.1983 – 2 W 21/83, JurBüro 1984, 284; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Mietstreitigkeiten“. 9 So OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.5.2006 – 19 W 16/06, juris.

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3744

Mietstreitigkeiten der miet- oder pachtrechtliche Teil des Vertrages überwiegt. Dann kommt bereits eine Einordnung als ähnliches Nutzungsverhältnis in Betracht. 3745

Stehen hingegen andere Bestandteile im Vordergrund, etwa dienstvertragliche Elemente, scheidet eine unmittelbare Anwendung von § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) in der Regel aus. Hier ist jedoch wegen der sozialen Schutzfunktion des § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) die Abgrenzung nicht auf die materiell-rechtliche Bewertung des Vertragstyps zu beschränken,1 sondern den § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) auf den mietrechtlichen Vertragsteil anzuwenden, wenn allein dieser Gegenstand der Auseinandersetzung ist.2

3746

Wegen der Einordnung einzelner Vertragstypen wird die Erörterung bei dem Zuständigkeitsstreitwert oben bei Rn. 3696 Bezug genommen. 3. Entgelt

3747

Das für die Wertberechnung zugrunde zu legende Nutzungsentgelt (früher: Zins) errechnet sich nach der vom Mieter, Pächter oder Nutzer für die Gebrauchsgewährung zu erbringenden Gegenleistung. Hierzu zählt zunächst das in Geld oder Naturalien zu leistende „Nettogrundentgelt“, zu dem weitere vertraglich vereinbarte Nebenleistungen hinzuzurechnen sind, wenn diese als Pauschale vereinbart sind und nicht gesondert abgerechnet werden, § 41 Abs. 1 Satz 2 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.). Die vorstehende Entgeltdefinition ist über den Verweis in § 41 Abs. 2 Satz 1 GKG auch für die Bewertung der dort geregelten Räumungsklage heranzuziehen.3 Zur Entgeltbestimmung beim Zuständigkeitsstreitwert gem. § 8 ZPO s. vorstehend unter Rn. 3713.

3748

Maßgebend für die jeweilige Berechnung ist das – nach dem Klagevortrag – vertraglich vereinbarte Entgelt und nicht der Betrag, der nach Auffassung einer Partei, etwa aufgrund einer Minderung, angemessen wäre oder ortsüblich ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ein schriftlicher Miet-, Pacht- oder ähnlicher Nutzungsvertrag mit Regelungen über die Höhe des Nutzungsentgeltes besteht.4 Ebenfalls zum Entgelt i.S. des § 41 GKG gehört eine etwaig anfallende Mehrwertsteuer.5

3749

Das Klagevorbringen bleibt für die Ermittlung des vertraglich vereinbarten Nutzungsentgelts auch dann maßgeblich, wenn es nach der gerichtlichen Entscheidung von dem tatsächlich geschuldeten Nutzungsentgelt abweicht.6 1 So aber Gerold, Streitwert, S. 195 m. Nachw. Wohl auch Hartmann, § 41 Rn. 1. 2 Meyer, § 41 Rn. 5; Wieczorek/Gamp, 3. Aufl. 1994, § 8 Rn. 15. 3 KG, Beschl. v. 25.10.2004 – 8 W 75/04, ZMR 2005, 123 = GuT 2004, 237; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.2005 – 24 W 62/05, AGS 2006, 516 = MDR 2006, 1079; OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.10.2008 – 5 W 48/08, AGS 209, 46 = NZM 2009, 320. 4 BGH, Urt. v. 20.12.1995 – XII ZR 244/94, WM 1996, 1064 = NJW-MietR 1996, 54; LG Itzehoe, WuM 1965, 211 – zum Einwand der wucherisch überhöhten Miete. 5 BGH, ZMR 2006, 190; KG, Beschl. v. 15.1.2007 – 12 W 5/07, NZM 2007, 518 = ZMR 534; Beschl. v. 29.1.2005 – 8 W 20/05, GuT 2005, 179; OLG Celle, Beschl. v. 11.11.2008 – 2 W 239/08, AGS 2009, 89; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.10.2009 – 10 W 102/09, AGS 2009, 600 = GuT 2009, 321; OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.10.2008 – 5 W 48/08, AGS 209, 46; Urt. v. 2.6.2008 – 5 U 20/08, GuT 2008, 349. 6 Vgl. Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 13; OLG Köln, JurBüro 1961, 561; LG Augsburg, AnwBl. 1966, 232; Gerold, Streitgegenstand, S. 204; Schneider, Kostenentscheidung im Zivilurteil, 2. Aufl. 1977, S. 23.

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Mietstreitigkeiten Denn im Streitwertrecht gilt der Grundsatz, dass der Kläger mit seinem Angriff den Streitwert bestimmt und dieser Angriff durch seinen Klageantrag konkretisiert wird.1 Die Gegenansicht2 ist weder praktikabel noch führt sie durchweg zu tragfähigen Ergebnissen. Denn ein Abstellen auf das erst bei Beendigung des Rechtsstreits bekannte „tatsächlich“ geschuldete Nutzungsentgelt ermöglicht eine korrekte Streitwertfestsetzung frühestens nach Urteilserlass und nimmt dem Anwalt zudem die Grundlage für eine Gebührenberechnung bei einer ausschließlich außergerichtlichen Tätigkeit. Auch muss zwangsläufig auf die vom Vermieter verlangte Höhe abgestellt werden, wenn das Bestehen des Mietvertrages davon abhängt, ob die Angaben des Klägers zur Miethöhe zutreffen.3 Anderenfalls würde auch der Streitgegenstand verfehlt, weil z.B. ein Mangel über die Einigung der Miethöhe dem Zustandekommen eines Mietvertrages entgegenstehen kann (§ 155 BGB) oder weil der Vermieter ein Kündigungsrecht wegen Verzuges mit der Mietzahlung nur dann hat, wenn die von ihm behauptete Miethöhe zutrifft.

3750

Haben die Parteien ein umsatzbezogenes Nutzungsentgelt vereinbart, ist der maßgebliche Betrag gem. § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) in Verbindung mit § 3 ZPO zu schätzen, wobei die Parteiangaben berücksichtigt werden können.4

3751

Im Falle der Untervermietung ist ein Zuschlag für den höheren Verwaltungsaufwand und die höhere Abnutzung hinzuzurechnen.5

3752

Zu den berücksichtigungsfähigen Nebenleistungen gehören, soweit die bereits genannten Voraussetzungen erfüllt sind, auch alle vertragsgemäß zu erbringenden Sonderleistungen des Mieters oder Pächters, etwa für die Unterhaltung und Instandsetzung der Mietsache, für Abgaben und sonstige öffentliche Lasten, aber auch Baukostenaufwand und Baukostenzuschüsse 6 sowie die Verpflichtung des Jagdpächters, zum Ersatz der anfallenden Wildschäden einen Mindestbetrag als „weiteren Pachtzins“ zu zahlen.7 Ist deren Wert im Mietvertrag nicht beziffert, sondern nur mittelbar über einen deshalb reduzierten Mietzins berücksichtigt, bedarf es der Schätzung.8 Anders liegt es, wenn es dem Mieter gestattet ist, von ihm übernommene Ausbaukosten durch Aufrechnung mit der Miete zu verrechnen.9 Denn besteht keine Verpflichtung zur Vornahme der Maßnahmen, stehen Gebrauchsgewährung und Ausbauleistung nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis.

3753

1 LG Wuppertal, WuM 1993, 478. 2 LG Köln, WuM 1994, 624; LG Mannheim, NJW 1961, 1266 Nr. 11; LG Mönchengladbach, WuM 1965, 19; LG München, WuM 1963, 47; Meyer, § 41 Rn. 19, 20. 3 OLG Köln, JurBüro 1961, 561; hier auch Meyer, § 41 Rn. 19. 4 OLG München, Urt. v. 18.4.1997 – 21 U 6318/96, OLGR 1997, 181. 5 BGH, Beschl. v. 26.2.1996 – XII ZR 233/96, LM GKG 1975 § 16 Nr. 1a = NJW-RR 1997, 648 = NJWE-MietR 1997, 149; Urt. v. 6.10.1959 – VIII ZR 96/59, NJW 1959, 2164; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“, Rn. 9. 6 BGH, Beschl. v. 31.3.1993 – XII ZR 265/01, ZMR 1993, 326; BGHZ 18, 168; OLG Köln, Beschl. v. 9.2.1996 – 19 W 1/96, JurBüro 1996, 859 = MDR 1996, 859; OLG Schleswig, JurBüro 1958, 512; Meyer, § 41 Rn. 16, 17. 7 BGH, Beschl. v. 17.11.1962 – V ZR 15/61, MDR 1962, 293 = NJW 1962, 446. 8 BGH, Beschl. v. 31.3.1993 – XII ZR 265/01, ZMR 1993, 326; a.A. LG Hannover, NJW 1954, 1614. 9 KG, JurBüro 1969, 537.

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Mietstreitigkeiten 3754

Ein laufend zu entrichtender Betrag, der als Abgeltung für die Gestattung der Errichtung einer Einzelhandelsverkaufsstelle zu bezahlen ist und sich nach einem Prozentsatz des steuerlichen Reingewinnes errechnet, gilt für den Streitwert als Mietzins.1

3755

Nicht ansatzfähig bleiben weiterhin diejenigen Nebenleistungen, die im Verkehr nicht als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung angesehen werden, etwa Zahlungen aufgrund vom Vermieter erworbener Einrichtungsgegenstände. Auch Leistungen, die vom Mieter bzw. Pächter gegenüber einem Dritten abgerechnet werden, sind nicht hinzuzurechnen.2

3756

Die vor der GKG-Novelle vom 5.5.2004 bestehende Kontroverse, ob und in welchem Umfang laufende Neben- oder Betriebskosten bei der Ermittlung des Jahresentgelts (einjähriger Zins im Sinne des § 16 GKG a.F.) zu berücksichtigen sind, hat mit der Regelung in § 41 Abs. 1 Satz 2 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.) erheblich an praktischer Bedeutung verloren. So ist weder allein das Nettogrundentgelt maßgeblich, noch sind generell sämtliche Neben- oder Betriebskosten hinzuzurechnen. Vielmehr sind Nebenkosten dann anzusetzen, wenn sie als Pauschale oder Teil einer Inklusivmiete vereinbart sind und nicht gesondert abgerechnet werden.3

3757

Von einer Pauschale ist auszugehen, wenn die Höhe der Nebenkosten prozentual nach dem Nettogrundentgelt oder als Festbetrag vereinbart werden.4 Unerheblich ist hierbei, ob die Pauschale in monatlichen Teilbeträgen oder jährlich zu zahlen ist. Auch die Möglichkeit einer Anpassung der Pauschale für künftige Zeiträume steht einer Berücksichtigung nicht entgegen. Denn mit der Erfordernis der pauschalen Berechnung wird nur dem Umstand Rechnung getragen, dass bei einer abrechnungspflichtigen Vorauszahlung vor einer endgültigen Abrechnung die Höhe der Nebenkosten nicht sicher bestimmt werden kann.5

3758

Im Hinblick auf laufende Altverfahren soll in dieser Auflage letztmalig eine Darstellung der hierzu bislang vertretenen Ansichten erfolgen.

3759

Teilweise wurde allein auf das Nettogrundentgelt (Netto-Kaltmietzins) abgestellt und Nebenkosten allenfalls dann berücksichtigt, wenn diese ein nicht unterscheidbarer Teil des Grundentgelts waren.6

1 LG Wuppertal, MDR 1953, 499. 2 Zum alten Recht: BGH, Beschl. v. 2.6.1999 – XII ZR 99/99, ZMR 1999, 615 = NZM 1999, 794 = NJW-RR 1999, 1385 – Beschwer; Urt. v. 21.1.1955 – V ZR 160/54, BGHZ 18, 168; OLG Dresden, Beschl. v. 19.8.1997 – 15 W 1041/97, ZMR 1997, 527; Zöller/ Herget, § 3 Rn. 16 unter „Mietstreitigkeiten“. 3 BGH, Beschl. 30.10.2007 – VIII ZR 163/07, AGS 2008, 461 = NZM 2007, 935. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.6.2004 – 10 W 61/04, AGS 2004, 245 = NJW-Spezial 2005, 98; WuM 2000, 617 = ZMR 2000, 211; Hartmann, § 41 Rn. 21. 5 Vgl. BGH, Beschl. v. 2.6.1999 – XII ZR 99/99, NZM 1999, 794 = NJW-RR 1999, 1385, der deshalb schon nach altem Recht die Berücksichtung von Nebenkostenvorauszahlungen verneinte. 6 OLG Celle, OLGR 2003, 115; OLG Jena, OLGR 2000, 244; OLG Köln, WuM 2001, 33 = AGS 2001, 204; OLG Stuttgart, AGS 2003, 462; OLG Rostock, JurBüro 1994, 735; OLG Zweibrücken, NZM 2001, 420 = AGS 2001, 204; jedenfalls keine Berücksichtigung von Vorauszahlungen BGH, Beschl. v. 2.6.1999 – XII ZR 99/99, ZMR 1999, 615 = NZM 1999, 794 = NJW-RR 1999, 1385 – Beschwer; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 10.

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Mietstreitigkeiten Nach anderer Auffassung waren neben dem Nettogrundentgelt auch die nicht verbrauchsabhängigen Nebenkosten in Ansatz zu bringen.1

3760

Schließlich wurden bei der Streitwertberechnung das Nettogrundentgelt und sämtliche laufenden Nebenkosten berücksichtigt.2

3761

Auch nach altem Recht bestand Einigkeit darüber, dass eine etwaig anfallende Mehrwertsteuer gleichfalls zu berücksichtigen ist.3

3762

Bestimmt sich der Streitwert gem. § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG (§ 16 Abs. 2 Satz 2 GKG a.F.) nicht nach dem Nutzungsentgelt, sondern ist auf den Wert der Nutzung abzustellen, ist das im Verkehr erzielbare und damit objektive Nutzungsentgelt maßgebend.4 Dessen Höhe kann im Regelfall mit dem (nach dem Klagevortrag) vereinbarten Nutzungsentgelt gleichgesetzt werden5 und muss ansonsten – etwa unter Zuhilfenahme eines Mietspiegels – geschätzt oder durch Sachverständigenbeweis ermittelt werden.

3763

Soweit sich nach dem Inhalt des Mietvertrages, etwa aufgrund einer Staffelmietvereinbarung, innerhalb der streitigen Zeit der Höhe nach unterschiedliche Jahresbeträge ergeben, ist auf den höchsten Betrag und nicht auf den Durchschnittsbetrag innerhalb des streitigen Zeitraums abzustellen. Anderenfalls wäre nicht ausgeschlossen, dass sich der Streitwert trotz einer Verlängerung der streitigen Zeit aufgrund einer vereinbarten Verringerung der Miete absenkt.6

3764

Nach Klageerhebung eintretende Veränderungen des Mietvertrages, die auf die Höhe des Streitwertes Einfluss haben könnten, sind gem. §§ 4 ZPO, 40 GKG (§ 15 GKG a.F.) streitwertrechtlich unbeachtlich, solange nicht auch der Klageantrag geändert wird.7

3765

1 BGH, ZMR 1993, 326; BGHZ 18, 168; OLG Dresden, ZMR 1997, 527; OLG Düsseldorf, NZM 2005, 240 = AGS 2004, 245 = NJW-Spezial 2005, 98; OLG Hamburg, MDR 2004, 502 = AGS 2004, 299 mit Anm. N. Schneider = MietRB 2004, 169; Meyer, 6. Aufl., § 41 Rn. 14. 2 OLG Brandenburg, OLGR 1998, 170; OLG Düsseldorf, OLGR 2005, 74 = NZM 2005, 240 = AGS 2004, 245 = NJW-Spezial 2005, 98: soweit als Pauschale vereinbart; OLG Hamm, MDR 2001, 1377; OLG Oldenburg, JurBüro 1991, 416. 3 KG, Beschl. v. 17.6.1999 – 8 W 4592/99, NZM 2000, 659 = NJW-RR 2000, 966; OLG Dresden, Beschl. v. 19.8.1997 – 15 W 1041/97, ZMR 1997, 527; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.6.2004 – 10 W 61/04, AGS 2004, 245 = NJW-Spezial 2005, 98; OLG Hamm, Beschl. v. 21.12.1999 – 7 W 31/99, MDR 2001, 1377; OLG, Stuttgart, Beschl. v. 17.10.2002 – 5 W 45/02, AGS 2003, 462; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 28.11.2000 – 4 W 53/00, NZM 2001, 420 = AGS 2001, 204. 4 OLG Celle, JurBüro 1968, 251; LG Bayreuth, JurBüro 1977, 1424; Meyer, 6. Aufl., § 41 Rn. 18. 5 OLG Bamberg, Beschl. v. 9.3.1992 – 3 W 18/92, JurBüro 1992, 625; Hartmann, § 41 Rn. 30. 6 BGH, Beschl. v. 30.10.2007 – VIII ZR 163/07, AGS 2008, 461 = NZM 2007, 935 = WuM 2008, 50 mit zust. Anm. Gies; Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, NZM 2005, 944 = NJW-RR 2006, 16; OLG Bamberg, JurBüro 1971, 536; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.10.2009 – 10 W 102/09, AGS 2009, 600 = GuT 2009, 321; OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 34; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 14; Gerold, Streitwert, S. 204; N. Schneider, NJW-Spezial 2008, 763; Meyer, § 41 Rn. 20; Musielak/Heinrich, § 8 Rn. 5; Hartmann, § 41 Rn. 23. 7 LG Mannheim, ZMR 1970, 114.

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Mietstreitigkeiten 4. Streitige Zeit 3766

Die „streitige Zeit“ ist derjenige Zeitraum, für den hinsichtlich des Bestehens oder Nichtbetsehens des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien Uneinigkeit besteht. Abweichend zum Zuständigkeitsstreitwert ist hier nicht das Vorbringen in der Klageschrift maßgebend, sondern auf den tatsächlich, d.h. unter Berücksichtigung des Beklagtenvorbringens streitigen Zeitraum abzustellen. Fehlt es hierzu an Angaben der Parteien, dann bestimmt sich die „streitige Zeit“ nach dem Zeitraum zwischen Eingang der Klage und dem Zeitpunkt der nächstmöglichen (ordentlichen) Kündigung.1

3767

Ein Wert unterhalb des Jahresnutzungsentgelts ist daher anzusetzen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses zwischen den Parteien unstreitig ist, dem Beklagten jedoch an einer um drei Monate verlängerten Nutzungsmöglichkeit gelegen ist.2

3768

Ist dagegen wegen fehlender Räumung oder aufgrund Säumnis des Beklagten ungewiss, ob und wann er sich zur Räumung verpflichtet sieht, bleibt der Jahresbetrag wertbestimmend, unabhängig von der Möglichkeit einer früheren ordentlichen Kündigung.3 Dies gilt jedoch nicht, wenn nach dem Klagevorbringen auch der Beklagte das Nutzungsverhältnis gekündigt und eine Räumung zu dem aus seiner Sicht bestehenden Beendigungszeitpunkt mitgeteilt hat, im Prozess aber säumig geblieben ist. Hier reicht die bloß abstrakte Möglichkeit einer nicht fristgerechten Räumung für den Ansatz des Jahresbetrages nicht aus.4

3769

Zu beachten bleibt, dass bei der Räumungsklage der Streitwert unabhängig von der streitigen Zeit dem Wert der Nutzung für ein Jahr entspricht, wenn das Räumungsverlangen auch oder allein auf einem anderen Rechtsgrund beruht (§ 41 Abs. 2 Satz 2 GKG) und sich der Beklagte – in letztgenannten Fall – mit einem angeblichen Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnis verteidigt (s. oben Rn. 3699).

3770

Wegen der weiteren Einzelheiten kann auf die Ausführungen zum Zuständigkeitsstreitwert unter Rn. 3707 verwiesen werden. 5. Erfasste Ansprüche a) Streit über Bestehen oder Dauer des Nutzungsverhältnisses

3771

Nach § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) muss das Bestehen oder die Dauer eines Miet-, Pacht oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses streitig sein. Ohne Bedeutung ist, ob der Streit Gegenstand einer Feststellungs-, Leistungsoder Gestaltungsklage ist.

3772

Ist das Klagebegehren auf positive Feststellung, etwa bezüglich des Bestandes eines Mietverhältnisses, gerichtet, erfolgt auch die Berechnung des Gebüh1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.2005 – 24 W 62/05, AGS 2006, 516 = MDR 2006, 1079; OLG Frankfurt – 5 W 14/01, AGS 2002, 39; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 17; a.A. Meyer, § 41 Rn. 15: Jahresbetrag. 2 OLG Frankfurt – 5 W 14/01, AGS 2002, 39; OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.10.2008 – 5 E 48/08, juris. 3 OLG Hamburg, Beschl. v. 15.2.2000 – 4 W 6/00, NZM 2000, 1228 = NJW-RR 2001, 576; OLG Köln, Beschl. v. 19.1.1990 – 2 W 10/90, JurBüro 1990, 323. 4 OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.5.1995 – 5 W 24/95, JurBüro 1995, 486.

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Mietstreitigkeiten renstreitwertes ohne den bei positiven Feststellungsklagen ansonsten gebotenen prozentualen Abschlag (s. hierzu unter dem Stichwort „Feststellungsklage“). Denn dahingehende Feststellungsbegehren gehören zum Regelfall der von § 41 Abs. 1 GKG (16 Abs. 1 GKG a.F.) erfassten Streitigkeiten, ihre Eigenart ist daher bereits in dessen Wertmaßstab berücksichtigt worden.1 Erfasst werden Streitigkeiten betreffend den Fortbestand eines unstreitig entstandenen Mietverhältnisses über einen bestimmten Zeitpunkt hinaus2 sowie über die Feststellung, ob und zu welchem frühestmöglichen Zeitpunkt das Nutzungsverhältnis ordentlich gekündigt werden kann.3 Er gilt ferner für die Klage des Mieters gegen den Vermieter auf Gewährung des Mietgebrauchs4 und die Drittwiderspruchsklage gegen die Räumungsvollstreckung aus einem Zuschlagsbeschluss in der Zwangsversteigerung.5

3773

Entzieht der Vermieter dem Mieter den Besitz an der Mietsache durch verbotene Eigenmacht, ist die antragsgemäß auf Wiedereinräumung des Besitzes gerichtete einstweilige Verfügung gem. § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG nach § 3 ZPO zu bewerten. Dabei ist nicht auf den Wert der Sache (§ 6 ZPO), sondern auf das Jahresnutzungsentgelt (§ 41 Abs. 1 GKG) abzustellen.6 Denn die Besitzverschaffung entspricht – hier – der dem Vermieter obliegenden (streitigen) Gebrauchsgewährung nach § 535 BGB und wird daher von § 41 Abs. 1 GKG als für den Gebührenstreitwert speziellere Norm erfasst.

3773a

Der Streitwert bestimmt sich hier nach dem einjährigen Nutzungsentgelt, sofern nicht das auf die streitige Zeit entfallende Entgelt geringer ist. Soweit § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) begrifflich zugleich den Streit um die Räumung eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils (auch) aufgrund

3774

1 BGH, Beschl. v. 29.10.2008 – XII ZB 75/08, AGS 2009, 183 = NJW-RR 2009, 156; Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, NZM 2005, 944 = NJW-RR 2006, 16; Beschl. v. 13.5.1958 – VIII ZR 16/58, NJW 1958, 1291 = Rpfleger 1958, 215 – zu § 10 GKG a.F.; OLG Bamberg, JurBüro 1985, 1359; KG, Rpfleger 1962, 118; OLG Brandenburg, Beschl. v. 18.8.2009 – 3 W 19/09, AG kompakt 2010, 27; Urt. v. 2.7.2008 – 3 U 156/ 07, ZMR 2009, 190; OLG Celle, Beschl. v. 26.6.2001 – 2 W 75/01, juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.7.1987 – 10 W 78/87, JurBüro 1988, 227; OLG Frankfurt, OLG Frankfurt, Urt. v. 30.5.2008 – 2 U 26/08, NZM 2009, 334; Beschl. v. 5.2.2004 – 2 W 3/ 04, OLGR 2004, 201; OLG Hamburg, Rpfleger 1958, 36; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 23; Meyer, § 41 Rn. 18; Zöller/Herget, § 8 Rn. 5; a.A. OLG Jena, Beschl. v. 4.7.2008 – 4 W 338/08, JurBüro 2008, 534 = AGS 2009, 187 unter fehlerhaften Hinweis auf die Reichweite der Gebührenprivilegierung nach § 41 GKG. 2 BGH, Beschl. v. 22.2.2006 – XII ZR 134/03, JurBüro 2006, 369 = NZM 2006, 378 = NJW-RR 2006, 1004 = WuM 2006, 341; OLG Hamburg, Rpfleger 1958, 36; KG, Rpfleger 1962. 3 OLG Köln, Beschl. v. 20.12.1984 – 8 W 15/84, KostRsp. GKG § 16 Nr. 36 mit Anm. E. Schneider; a.A. OLG Frankfurt, MDR 1967, 313. 4 OLG Brandenburg, Beschl. v. 7.5.2007 – 3 W 17/07, GuT 2007, 310 – zugleich Gebrauchsüberlassung an den Pächter; OLG Celle, Beschl. v. 21.9.1988 – 2 W 66/88, KostRsp. GKG § 16 Nr. 58 mit Anm. Schneider = MDR 1989, 272; s. auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2007 – 3 W 57/06, OLGR 2007, 601 = MDR 2007, 1225 = Grundeigentum 2007, 601 = NJ 2008, 31 – Wiedereinräumung nach Störung des Besitzes durch Entziehung des vertragsmäßigen Gebrauchs. 5 OLG Köln, Beschl. v. 9.9.2002 – 19 W 35/02, InVo 2003, 206. 6 OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2007 – 3 W 57/06, MDR 2007, 1225; OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, AGS 2008, 189 = GuT 2007, 311; OLG Rostock, Beschl. v. 14.8.2006 – 3 W 78/06, OLGR 2006, 1004.

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Mietstreitigkeiten eines beendeten Nutzungsverhältnisses mitumfasst, greift § 41 Abs. 2 GKG (§ 16 Abs. 2 GKG a.F.) als speziellere Norm ein. 3775

Da § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) nicht das Bestehen eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses voraussetzt, sondern nur den Streit darüber, kann für seine Anwendbarkeit nicht allein auf den Klagevortrag abgestellt werden.1 Es ist daher gleichgültig, ob der Kläger sein Klagebegehren auf die Vorschriften zur Leihe, Eigentum, Besitz usw. stützt, sofern nur der Beklagte mit seiner Einlassung ein Miet-, Pacht- oder ähnliches Nutzungsverhältnis einwendet.2

3776

Dazu reicht es auch aus, dass der Beklagte sich auf ein durch letztwillige Verfügung begründetes schuldrechtliches Nutzungsrecht beruft3 oder sein bisheriges Nutzungsrecht auf einem (nunmehr gekündigten) Mietverhältnis zwischen seinem Ehepartner und dem klagenden Vermieter beruhte.4

3777

Bestand oder Fortdauer eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses sind auch dann streitig, wenn sich der Streit aus dem Vortrag des Klägers ergibt, der Beklagte jedoch auf die Klage nicht erwidert oder in der mündlichen Verhandlung säumig ist.5 Dies ist beispielsweise der Fall, wenn nach dem Klagevorbringen der Beklagte einer fristlosen Kündigung nicht Folge leistet, die Mietsache weiter nutzt und sich damit ein dahingehendes Recht anmaßt, im Termin zur mündlichen Verhandlung aber nicht erscheint.6

3778

Die Geständnisfiktion in den §§ 138 Abs. 3, 331 Abs. 1 Satz 2 ZPO steht hier der Anwendung des § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) nicht entgegen.7 Vielmehr ist ein Streit i.S. des § 41 GKG, sei es hinsichtlich des Nutzungsverhältnisses oder der noch verbleibenden Zeit, immer dann zu bejahen, wenn sich der Kläger durch Klageerhebung einen Titel verschaffen muss, wenn er also darlegt, dass der Beklagte nicht freiwillig zahlt oder herausgibt. Diese Lösung vermeidet die Belastung der Streitwertberechnung mit diffizilen Unterscheidungen danach, ob der Beklagte das tatsächliche Vorbringen des Klägers zugesteht (§ 138 Abs. 1 ZPO), nicht bestreitet (§ 138 Abs. 3 ZPO) oder säumig ist (§ 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sie macht zugleich einen Stufenstreit1 BGH, Beschl. v. 26.6.1967 – V ZR 75/66, BGHZ 48, 177 = NJW 1967, 2263; OLG Hamburg, WuM 1995, 197; OLG Karlsruhe, NJW 1956, 310; OLG München, NJW 1953, 1399; Hartmann, § 41 GKG Rn. 5; a.A. noch OLG Oldenburg, NJW 1955, 956. 2 BGH, Beschl. v. 26.6.1967 – V ZR 75/66, BGHZ 48, 177 = NJW 1967, 2263; JurBüro 1953, 495 Nr. 198; OLG Bamberg, Beschl. v. 9.3.1992 – 3 W 18/92, JurBüro 1992, 624; OLG Köln, Beschl. v. 6.12.2002 – 11 W 80/02, GuT 2003, 64; JMBl. NW 1997, 167 = VersR 1997, 1161 = ZMR 1997, 468; OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 177; 1956, 268; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 20; Bub/Treier/Fischer, Handbuch der Wohn- und Geschäftsraummiete VIII Rn. 230; Hartmann, § 41 GKG Rn. 5; Schneider, DGVZ 1986, 4. 3 KG, JurBüro 1978, 892. 4 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.9.2004 – 19 W 9/04, MDR 2004, 906 = NZM 2004, 880. 5 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.9.2004 – 19 W 9/04, MDR 2004, 906 = NZM 2004, 880; OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.5.1995 – 5 W 24/95, JurBüro 1995, 486; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 22. 6 Vgl. LG Passau, Beschl. v. 1.2.1994 – 1 O 407/83, KostRsp. GKG § 16 Nr. 28 mit Anm. E. Schneider. 7 Im Ergebnis ebenso OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.5.1995 – 5 W 24/95, JurBüro 1995, 486.

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Mietstreitigkeiten wert für die Zeit ab Klageeinreichung bis Einlassung des Beklagten entbehrlich.1 Umgekehrt ist § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Anm. 1 GKG a.F.) dann unanwendbar, wenn ein Miet-, Pacht- oder ähnliches Nutzungsverhältnis besteht, die Parteien darüber aber nicht streiten. Demgegenüber ist der Streit über die rechtliche Einordnung eines – in seinem Bestand unstreitigen – Miet- oder Pachtverhältnisses nach § 41 Abs. 1 GKG zu bewerten, da der Streit über die Einordnung keinen höheren Wert haben kann als der Streit über seinen Bestand.2

3779

So gelten über § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) die allgemeinen Wertvorschriften, wenn beispielsweise wegen fortlaufend unpünktlicher Entgeltzahlungen gem. § 259 ZPO eine Klage auf künftige Leistung wegen Besorgnis der Nichterfüllung erhoben wird,3 der Vermieter rückständigen oder zukünftigen Mietzins (oder Nutzungsentschädigung) beziffert einklagt,4 bei einem Mietverhältnis von unbestimmter Dauer auf Feststellung geklagt wird, dass der Mieter (keine) Miete schuldet5 oder zur Mietminderung (nicht) berechtigt ist6 oder über den Inhalt des Mietvertrages gestritten wird, ohne dass hiervon Bestand oder Dauer des Nutzungsverhältnisses betroffen ist,7 oder Löschung einer Grunddienstbarkeit verlangt wird, mit der die Gebrauchsgewährung aus einer Stellplatzanmietung gesichert wird.8 Dies gilt auch für die nach § 3 ZPO zu bewertenden Besitzstörungsklagen, wobei streitig ist, ob im Rahmen der Schätzung die Wertansätze des § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) zu berücksichtigen sind (s. hierzu unter den Stichwörtern „Besitz“ und „Beseitigung“).

3780

1 S. zur Begründung und zu den prozessualen Unterscheidungen ausführlich Schneider Anm. zu LG Passau, KostRsp. GKG § 16 Nr. 28. 2 BGH, Beschl. v. 17.12.2009 – III ZR 66/09, MDR 2010, 355 = WuM 2010, 370 – Kleingartenpachtverhältnis. 3 OLG Frankfurt, JurBüro 1980, 929 = MDR 1980, 761 = Rpfleger 1980, 299. 4 BGH, Beschl. v. 16.1.1985 – VIII ZR 112/84, KostRsp. GKG § 16 Nr. 39 mit Anm. Schneider: 6 ZPO; ebenso OLG Bamberg, Urt. v. 19.11.1984 – 3 W 100/84, JurBüro 1985, 589; KG, Beschl. v. 22.12.2005 – 12 W 46/05, MDR 2006, 958: Bewertung nach § 3 ZPO, jedoch in „einfach gelagerten Fällen“ Begrenzung auf Jahresbetrag; OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 34; weitergehend BGH, Beschl. v. 19.6.2002 – XII ZR 5/02, NZM 2002, 736 = NJW-RR 2002, 1233, auch wenn zugleich Bestehen eines Mietverhältnis streitig; a.A. KG, Beschl. v. 1.7.2009 – 8 W 59/09, JurBüro 2009, 538 = MDR 2009, 315 – künftige Nutzungsentschädigung analog § 41 Abs. 5 GKG. 5 BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, BGHR 2006, 75 = NZM 2005, 944 = NJWRR 2006, 16; Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 248/04, MDR 2005, 1101 = NJW-RR 2005, 938: § 9 ZPO; ebenso OLG Zweibrücken, KostRsp. GKG a.F. § 12 Nr. 22; abweichend OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 34: Schätzung nach § 3 ZPO. 6 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, MDR 2004, 1437 = AGS 2004, 249: Schätzung nach § 3 ZPO mit 20 %igem Abschlag und wegen § 9 ZPO begrenzt auf den 42-fachen Mietminderungsbetrag; a.A. KG, Beschl. v. 1.7.2009 – 8 W 59/09, MDR 2009, 1135 – gem. § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG analog nach dem Jahresbetrag der geltend gemachten Minderung. 7 BGH, Beschl. v. 9.8.2006 – XII ZR 165/05, MDR 2007, 202 = NJW 2006, 3060; Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, NZM 2005, 944; Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 248/04, NZM 2005, 519; OLG Koblenz, JurBüro 1977, 1132 = ZMR 1978, 64: § 3 ZPO; ebenso OLG Neustadt, JurBüro 1962, 523. 8 OLG München, Urt. v. 5.4.2000 – 3 U 5502/99, DWW 2000, 159: § 7 ZPO.

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Mietstreitigkeiten b) Räumung eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils 3781

Wie bereits aus der eingangs dargestellten Systematik erkennbar, ist das Räumungsbegehren in drei Konstellationen anzutreffen:

3782

Die Räumung wird (1) wegen der Beendigung eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses oder (2) auch aus einem anderen Rechtsgrund oder (3) nur aus einem anderen Rechtsgrund verlangt.

3783

Die beiden erstgenannten Fälle werden, soweit sie sich auf die Räumung von Grundstücken, Gebäuden und Gebäudeteilen beziehen, von § 41 Abs. 2 GKG (§ 16 Abs. 2 GKG a.F.) unmittelbar erfasst. Hiernach bestimmt sich der Wert der wegen der Beendigung erhobenen Räumungsklage nach dem einjährigen Entgelt, sofern nicht das auf die streitige Zeit entfallende Entgelt geringer ist, § 41 Abs. 2 Satz 1 GKG (§ 16 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F.), während der Wert eines auch auf einen anderen Rechtsgrund gestützten Räumungsanspruchs ausnahmslos dem Wert der Nutzungen eines Jahres entspricht, § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG (§ 16 Abs. 2 Satz 2 GKG a.F.). Unerheblich ist in beiden Fällen, ob Streit über das Bestehen des Nutzungsverhältnisses besteht. Auch für die vom KG1 vorgenommene Abgrenzung in den Fällen, in denen ein Herausgabeanspruch sowohl unter schuldrechtlichen als auch unter dinglichen Gesichtspunkten geltend gemacht wird, wonach es auf den „inhaltlichen Kern des Streits“ ankomme, besteht schon nach dem Wortlaut von § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG („auch aus einem anderen Grund“) kein Bedarf . Insbesondere wäre es verfehlt, gem. §§ 48 GKG, 6 ZPO auf den Wert der Sache (nur) deswegen abzustellen, weil die Eigentümer- und Vermieterstellung des aus Eigentum und Mietvertrag vorgehenden Klägers in Abrede gestellt wird.

3784

Dabei gelangt § 41 Abs. 2 GKG (§ 16 Abs. 2 GKG a.F.) auch dann zur Anwendung, wenn der Eigentümer nur vorübergehende Räumung zur Durchführung von Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen verlangt.2

3785

Wird das Räumungsverlangen hingegen allein auf einen anderen Rechtsgrund gestützt, ist zu unterscheiden:

3786

Ist unstreitig, dass ein Miet-, Pacht- oder ähnliches Nutzungsverhältnis nicht besteht, bestimmt sich der Streitwert gem. § 6 ZPO nach dem Verkehrswert des genutzten Objekts.3 So liegt es beispielsweise, wenn allein gegen einen unselbständigen Mitbewohner, der keinen Mietvertrag hat, auf Räumung geklagt wird4 oder der Räumungskläger nicht Mietvertragspartei ist, sondern sein Herausgabeverlangen allein auf das ihm an der Sache zustehende Eigentumsrecht stützt.5

3787

Beruft sich der Beklagte jedoch gegenüber der allein auf einen anderen Rechtsgrund (z.B. Eigentum) gerichteten Klage auf Räumung von Grundstücken, Ge1 KG, Beschl. v. 7.1.2008 – 12 U 127/06, ZMR 2008, 448 = Grundeigentum 2008, 603. 2 KG, JurBüro 1978, 892; OLG Düsseldorf, Rpfleger 2008, 160; LG Bayreuth, JurBüro 1977, 1425; LG Mannheim, DWW 1974, 112 = Justiz 1974, 303 = ZMR 1974, 275; Hartmann, § 41 GKG Rn. 28. 3 LG Bayreuth, JurBüro 1978, 533; LG Kassel, Rpfleger 1987, 425; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Mietstreitigkeiten“; Meyer, § 41 Rn. 11. 4 H. Schneider, DGVZ 1986, 8; a.A. Rabl, DGVZ 1987, 41, der jedoch übersieht, dass § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG ein (streitiges) Mietverhältnis voraussetzt. 5 LG Köln, Beschl. v. 23.10.1995 – 1 T 362/95, ZMR 1996, 268.

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Mietstreitigkeiten bäuden und Gebäudeteilen einredeweise auf ein Miet-, Pacht- oder ähnliches Nutzungsverhältnis oder auf einen Anspruch aus § 546 BGB,1 ist § 41 Abs. 2 GKG (§ 16 Abs. 2 GKG a.F.) entsprechend anzuwenden. Das dürfte auch gelten, wenn ein Beklagter sein Besitzrecht auf ein von einem Streitgenossen, der sich seinerseits auf ein Mietverhältnis mit dem Kläger beruft, eingräumtes Nutzungsrecht stützt.2 Denn unter Rechtsgrund ist im Sinne einer Mehrheit von Rechtsgründen neben dem der Klage auch derjenige der Verteidigung zu verstehen, um dem sozialen Schutzgedanken des § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) Rechnung zu tragen.3 Dazu besteht jedoch kein Anlass, wenn der Einwand eines bestehenden Nutzungverhältnisses dem (Räumungs- und) Herausgabebegehren schon aus rechtlichen Gründen nicht entgegen gehalten werden kann, wie etwa bei einem gem. § 863 BGB auf verbotene Eigenmacht gestützten Herausgabeverlangen.4 Dass gegenüber dem Vertrag, der die Nutzung begründet hat, die Anfechtung erklärt worden ist, hat für die Wertbestimmung keine Bedeutung. Die Fiktion anfänglicher Nichtigkeit in § 142 Abs. 1 BGB kann nicht die Tatsache beseitigen, dass der Beklagte das zu räumende Objekt als vertraglich Nutzender übernommen hatte. Wirtschaftlich betrachtet geht es daher um die Beendigung des Nutzungsverhältnisses. Deshalb muss nach § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG (§ 16 Abs. 2 Satz 2 GKG a.F.) und nicht nach § 6 ZPO bewertet werden.5 Die Gegenansicht, die nach § 6 ZPO bewertet, wenn sich die Täuschung begründenden Umstände und die Anfechtungserklärung aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben,6 vermag nicht zu überzeugen. Sie vermengt die Entscheidung des Rechtsstreits mit seiner streitwertrechtlichen Bewertung. Denn dass sich der Beklagte nach Ansicht des Gerichts zu Unrecht auf ein Nutzungsverhältnis beruft, vermag am „Streit“ über dessen Bestand nichts ändern.

3788

Der einjährige Mietzins bleibt gem. § 41 Abs. 2 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) grundsätzlich auch dann wertbestimmend, wenn das Klagebegehren neben Räumung auch auf Beseitigung der von dem Mieter eingebrachten Gegenstände gerichtet ist, da sie Teil des geltend gemachten Rückgabeanspruchs ist. Auch die damit verbundenen Beseitigungskosten bleiben unberücksichtigt (§ 556 BGB).7 Dies gilt zumindest dann, wenn die Vollstre-

3789

1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.2.2004 – 19 W 9/04, MDR 2004, 906 = NZM 2004, 880. 2 So OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.1.2008 – 10 W 6/08, AGS 2008, 307 = NJW-RR 2008, 1115; vgl. auch Beschl. v. 20.10.2009 – 10 W 102/09, AGS 2009, 600 – Räumungsklage gegen Untermieter. 3 BGH, Beschl. v. 26.6.1967 – V ZR 75/66, BGHZ 48, 177 = NJW 1967, 2263; OLG Bamberg, Beschl. v. 9.3.1992 – 3 W 18/92, JurBüro 1992, 625; OLG Celle, JurBüro 1968, 251; OLG Hamburg, WuM 1995, 197; KG, Beschl. v. 13.5.1996 – 8 W 2606/96, OLGR 1996, 166; OLG Köln, Beschl. v. 6.12.2002 – 11 W 80/02 – GuT 2003, 64; Beschl. v. 10.3.1997 – 19 W 3/97, VersR 1997, 1161 = ZMR 1997, 468; OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 177; OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 130; Meyer, § 41 Rn. 13; a.A. noch LG Lübeck, JurBüro 1960, 219 für Räumungsklage allein aus § 985 BGB: § 6 ZPO. 4 OLG Celle, Beschl. v. 29.9.2009 – 4 W 126/09, OLGR 2009, 1024. 5 OLG Bamberg, Beschl. v. 13.4.1981 – 4 W 93/80, JurBüro 1981, 1047; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 25; Meyer, § 41 Rn. 11. 6 Gerold, Streitwert, S. 242 Rn. 7. 7 BGH, Beschl. v. 8.3.1995 – XII ZR 240/94, MDR 1995, 530 = NJW 1995, 781.

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Mietstreitigkeiten ckung keinen gesonderten Titel voraussetzt. Anderenfalls ist ein daneben geltend gemachter Beseitigungsanspruch eigenständig zu bewerten und hinzuzurechnen.1 3790

Eine eigenständige und dann nach § 3 ZPO vorzunehmende Bewertung ist auch geboten, wenn bei unstreitiger Beendigung des Nutzungsverhältnisses nur über die Verpflichtung zur Beseitigung von Aufbauten gestritten wird, da es hier an einem Streit über Bestehen und Dauer bzw. einer streitigen Zeit fehlt.2 S. ausführlich nachfolgend unten Rn. 3841 „Abbruchkosten“. c) Räumung von Wohnraum und Fortsetzung des Mietverhältnisses

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Der Mieter von Wohnraum kann dem Räumungsverlangen des Vermieters gem. §§ 574 ff. BGB (§§ 556a, 556a BGB a.F.) widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses beanspruchen, wenn die Auflösung für ihn eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten würde. Hierbei handelt es sich nur um eine Einwendung des Beklagten, die für die Streitwertbemessung grundsätzlich unbeachtlich ist.

3792

Verfolgt der Mieter seinen Anspruch auf Fortsetzung dagegen neben dem Vermieter klageweise, ist eine demnach denkbare Addition der Werte des Räumungsverlangens (§ 41 Abs. 2 GKG) und des Fortsetzungsverlangens (§ 41 Abs. 1 GKG) nach § 41 Abs. 3 GKG (§ 16 Abs. 3 GKG a.F.) ausgeschlossen. Hierfür ist unerheblich, in welcher prozessualen Form die Räumung des Wohnraumes und die Sozialklausel jeweils geltend gemacht werden.3

3793

Wertbestimmend ist stets der Jahresbetrag des vereinbarten Mietzinses, auch wenn der Wert der Räumungsklage unterhalb des Jahresbetrags liegt, weil der auf die streitige Zeit entfallende Mietzins entsprechend niedriger ist (§ 41 Abs. 1 GKG entspricht weitgehend § 16 Abs. 1 GKG a.F.). Denn einer Bezugnahme auf die streitige Zeit steht entgegen, dass der Mieter mit seinem Fortsetzungsantrag gerade diesen Zeitraum zu verlängern sucht. Damit wird aber (s. § 308a ZPO) eine Entscheidung über mehr als die nach der Klage streitige Zeit notwendig, mit der Folge, dass auch in diesem Fall der Jahresbeitrag anzusetzen ist.4

1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.11.2007 – 24 W 82/07, AGS 2008, 402 = Grundeigentum 2008, 1255; OLG Hamburg, Beschl. v. 15.2.2000 – 4 W 6/00, NZM 2000, 1228 = NJW-RR 2001, 576 – Aufgabe der bisherigen Rsp; im Ergebnis jetzt auch BGH, Beschl. v. 15.6.2005 – XII ZR 104/02, WuM 2005, 525 = NZM 2005, 577 – Beschwer; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 25; offen lassend BGH, Beschl. v. 4.7.1996 – III ZR 34/96 = BGHR ZPO § 8 Räumungsklage Nr. 7; a.A. wohl BGH, Beschl. v. 16.5.2000 – XII ZR 335/99, NJW-RR 2000, 1739; Beschl. v. 15.6.2005 – XII ZR 104/02, WuM 2005, 525 = NZM 2005, 677 – jeweils ohne nähere Begründung. 2 BGH, Beschl. v. 29.4.2004 – III ZB 72/03, WuM 2004, 352: Kosten der Beseitigung. 3 Hartmann, § 41 Rn. 32. 4 So zutreffend Lappe, Anm. zu LG Itzehoe, KostRsp. GKG § 16 Nr. 5; ebenso Anders/ Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 28; Hartmann, § 41 Rn. 32; a.A. LG Itzehoe, Beschl. v. 1. 11. 1876 – 1 T 102/76, KostRsp. GKG § 16 Nr. 5: nur Klagewert.

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Mietstreitigkeiten d) Erhöhung der Miete für Wohnraum Bereits mit der Novellierung vom 13.6.19801 ist der Gebührenstreitwert für Ansprüche auf Mieterhöhung für Wohnraum (auch preisgebundenem,2) gesetzlich geregelt worden, § 16 Abs. 5 GKG a.F.3 Maßgebend für die Bewertung war danach der Jahresbetrag des zusätzlich geforderten Mietzinses. Diese Regelung hat der Gesetzgeber (inhaltlich) unverändert in § 41 Abs. 5 GKG übernommen und um eine Regelung zur vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses ergänzt, wonach bei einem kürzeren Zeitraum ein entsprechend niedriger Betrag wertbestimmend ist.4

3794

§ 41 Abs. 5 GKG (§ 16 Abs. 5 GKG a.F.) erfasst auch Ansprüche auf Erhöhung der Betriebskostenpauschale gem. § 560 BGB (früher § 4 MHG) sowie auf Zahlung einer nach §§ 557a, 557b BGB (früher § 10 MHG) geschuldeten Staffeloder Indexmiete.5

3795

Die Mietdifferenz bemisst sich nach dem Unterschiedsbetrag zwischen dem zum Zeitpunkt der Klageeinreichung (§ 40 GKG) geltenden und der nach dem Klageantrag verlangten Miete. Der Klageantrag ist auch dann maßgebend, wenn eine teilweise Zustimmung übersehen wurde.6

3796

Da sich die Regelung – als Spezialnorm zu § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) – unmittelbar auf Klagen auf Zustimmung des Mieters zur Mieterhöhung (§§ 557 ff. BGB) bezieht,7 besteht kein Anlass für einen prozentualen Abschlag. Unabhängig davon handelt es sich bei der Mieterhöhungsklage nicht um eine Feststellungsklage, sondern um eine auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtete Leistungsklage.

3797

Hingegen ist bei positiven Feststellungsklagen betreffend einer (künftig) erhöhten Mietzinsverpflichtung ein Abschlag von 20 % der Erhöhungsdifferenz geboten.8 Bei der negativen Feststellungsklage verbleibt es beim vollen Streitwert nach § 41 Abs. 5 GKG (§ 16 Abs. 5 GKG a.F.).9 Dies gilt auch, wenn die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Mieterhöhung gerichtet ist.

3798

Geht der Kläger dabei im Laufe eines Rechtsstreits hinsichtlich der bereits fällig gewordenen Mietbeträge von der Feststellungsklage zur Leistungsklage über, so erhöht sich der Streitwert nur um den Differenzbetrag zwischen dem Feststellungswert und dem Leistungswert, also in der Regel um 20 %.10

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1 2 3 4

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9 10

BGBl. I 680. LG Hamburg, WuM 1985, 127. Zu den Gründen der Gesetzesänderung s. Schuster, ZZP 93, 1980, 497. So schon vorher OLG München, AnwBl. 1960, 205; LG Berlin, NJW-RR 1997, 652; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 34; Bub/Treier/Fischer, Handbuch für Wohn- und Geschäftsraummiete, VIII Rn. 234. LG Bonn, WuM 1989, 435; LG Hamburg, WuM 1989, 435; Bub/Treier/Fischer, Handbuch der Wohn- und Geschäftsraummiete, VIII Rn. 234. LG Wuppertal, WuM 1993, 478. Hartmann, § 41 Rn. 35. BGH, Beschl. v. 21.5.2003 – VIII ZB 10/03, JurBüro 2004, 207 = AGS 2003, 489 – Beschwer; LG Hamburg, MDR 1978, 497; LG Berlin, Beschl. v. 24.9.1985 – 64 S 276/ 85, MDR 1986, 323. LG Hamburg, Beschl. v. 7.8.1987 – 7 T 66/87, WuM 1989, 435; LG Köln, Beschl. v. 19.1.1999 – 1 T 496/98, JurBüro 1999, 305 mit Anm. Enders = AGS 1999, 74. LG Hildesheim, Nds.Rpfl. 1965, 137.

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Mietstreitigkeiten 3800

Wird andererseits das Mietverhältnis vorzeitig beendet, dann ist dies wie eine Antragsänderung zu behandeln und für den Streitwert nur noch die wirkliche Dauer maßgebend, soweit noch Gerichts- oder Anwaltsgebühren ab Beendigung anfallen. Es müssen dann Stufenstreitwerte festgesetzt werden.1

3801

Unzutreffend ist es, auch den Wert einer Klage auf zukünftige Zahlung der Mietdifferenz nach § 41 Abs. 5 GKG (§ 16 Abs. 5 GKG a.F.) auf den Jahresbetrag des Erhöhungsbetrages zu begrenzen.2 Der Gebührenstreitwert richtet sich vielmehr gem. § 9 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag der Mietdifferenz, denn der Anspruch auf (Zustimmung zur) Erhöhung der Miete ist mit dem Anspruch aus der Mieterhöhung nicht identisch. § 41 Abs. 5 GKG (§ 16 Abs. 5 GKG a.F.) privilegiert gebührenrechtlich allein den Streit um die Mieterhöhung und nicht über die sich daraus ergebenden wiederkehrenden Verpflichtungen.

3802

Zur Frage der analogen Anwendung von § 41 Abs. 5 GKG (§ 16 Abs. 5 GKG a.F.) auf Miet- oder Pachtzinserhöhung für Geschäftsräume3 s. unter dem Stichwort „Geschäftsräume“. e) Beseitigung von Mängeln der Mietsache

3803

Schon bisher wurde der Streitwert des auf Mängelbeseitigung gerichteten Klagebegehrens überwiegend gem. §§ 3 und 9 ZPO nach einem Vielfachen des monatlichen Minderungsbetrages bemessen, da das klägerische Interesse auf Wiederherstellung des uneingeschränkten Nutzungswertes der gemieteten Räume gerichtet ist.

3804

So wurde neben dem 3,5-fachen Jahresbetrag4 der Ansatz des 3-fachen Jahresbetrags5 sowie des einfachen Jahresbetrags6 für geboten erachtet. Unzutreffend und zu Recht vereinzelt geblieben ist die Bewertung nach Maßgabe der Beseitigungskosten.7 Hier wird übersehen, dass das Interesse an Beseitigung der Ge1 Vgl. dazu Schneider, Kostenentscheidung im Zivilurteil, 2. Aufl. 1977, § 23 VII. 2 So aber LG Köln, Beschl. v. 19.1.1999 – 1 T 496/98, JurBüro 1999, 305 = AGS 1999, 74. 3 Ablehnend KG, Beschl. v. 7.4.2004 – 8 W 23/04, AGS 2005, 354; OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.10.1995 – 3 W 23/95, JurBüro 1996, 193 = NJW-RR 1996, 844; OLG Hamburg, MDR 1990, 1024 – es gelten die §§ 48 Abs. 1 GKG, 3, 9 ZPO; Bub/Treier/ Fischer, Handbuch der Wohn- und Geschäftsraummiete, VIII Rn. 235, S. 1651: § 9 ZPO. 4 So BGH, NZM 2003, 152; MDR 2000, 975; KG, GE 2002, 930; OLG Düsseldorf, MDR 2001, 354 = AGS 2001, 107; OLG Hamburg, WuM 1995, 595; OLG Hamm, OLGR 2001, 37; LG Berlin, MM 2001, 152; ZMR 1999, 556; GE 1996, 1549 = NJW-RR 1997, 652; LG Hamburg, WuM 1999, 344 = ZMR 1999, 403; ZMR 1998, 294; WuM 1998, 171 = WuM 1998, 305; LG Paderborn, WuM 2002, 55. 5 So OLG Hamm, OLGR 2001, 33; LG Aachen, NJW-RR 1996, 777 = NJWE-MietR 1996, 175 = ZMR 1996, 441; LG Hamburg, WuM 1992, 447; JurBüro 1985, 1701 = MDR 1985, 1032; LG Stendal, WuM 1994, 70; Bub/Treier, Handbuch der Wohn- und Geschäftsraummiete, VIII Rn. 239. 6 So OLG Schleswig, SchlHA 1991, 202; LG Berlin, GE 2004, 81; WuM 2000, 313; LG Frankfurt/O., NJW-RR 1999, 1459 = NZM 2000, 757; LG Hamburg, JurBüro 1994, 116; MDR 1991, 1095; LG Itzehoe, WE 2004, 22; LG Köln – 12 T 289/00, WuM 2001, 345; LG Mannheim, KostRsp. GKG a.F. § 12 Nr. 71; LG Nürnberg-Fürth, KostRsp. GKG § 16 Nr. 2. 7 So aber LG Detmold, WuM 1996, 50; LG Kiel, WuM 1995, 320; LG Siegen, WuM 1999, 48.

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Mietstreitigkeiten brauchsbeeinträchtigung wertmäßig nicht den damit verbundenen Kosten entspricht (z.B. bei Ausfall der Heizanlage wegen verunreinigter Brennerdüse). Der Gesetzgeber hat diesen Ansatz in der GKG-Novelle vom 5.5.2004 in § 41 Abs. 5 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.) aufgegriffen, jedoch der Höhe nach auf den Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung begrenzt, soweit nicht wegen kürzeren Zeitraums ein entsprechend niedriger Betrag anzusetzen ist. Die jeweils angemessene Mietminderung ist dabei unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags zu bemessen. Die Regelung gilt auch für Geschäftsräume.1

3805

Sind Mängel der Mietsache nur Ursache für eine Einstellung oder Reduzierung der Mietzahlungen, gelangt § 41 Abs. 5 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.) nicht zur Anwendung, wenn der Vermieter wegen der Mietminderung Klage auf zukünftige Mietzahlung erhebt. Hier bleibt gem. §§ 3, 9 ZPO der 42-fache Minderungsbetrag wertbestimmend.2 In gleicher Weise ist zu bewerten, wenn der Mieter gegen den Vermieter auf Feststellung klagt, dass er wegen Mängeln der Mietsache zur Mietminderung berechtigt ist. Für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke ist kein Raum.3

3806

f) Modernisierung und Erhaltung der Mietsache Auch bei Klagen auf Duldung von Modernisierungs- oder Erhaltungsmaßnahmen für Wohnraum (§§ 554, 578 BGB) und auch Geschäftsräume4 ist für den Wert nunmehr auf den Jahresbetrag einer möglichen Mieterhöhung (Modernisierung) bzw. Mietminderung (Erhaltung) abzustellen, soweit nicht auch hier wegen eines kürzeren Zeitraums ein entsprechend niedriger Betrag maßgebend ist, § 41 Abs. 5 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.). Hinsichtlich des möglichen Mieterhöhungs- bzw. Mietminderungsbetrages ist auf den klägerischen Vortrag abzustellen.

3807

Dies entspricht der wohl überwiegenden Rechtsprechung zum alten Recht, wonach gem. § 3 ZPO auf das Interesse des Klägers an der zu erwartenden Mieterhöhung nach Durchführung der Maßnahmen, begrenzt auf den einjährigen Erhöhungsbetrag, für den Gebührenstreitwert in Ansatz gebracht worden ist.5

3808

1 BGH, Beschl. v. 2.11.2005 – XII ZR 137/05, ZMR 2006, 190 = NJW-RR 2006, 378; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.3.2007 – 24 W 9/07, OLGR 2007, 535 = JurBüro 2007, 426 = AGS 2007, 472 = DWW 2007, 208 – Pachtverhältnis; a.A. Binz/Dörndorfer, § 41 GKG Rn. 15; Hartmann, § 41 GKG Rn. 36. 2 LG Berlin, Beschl. v. 1.10.2002 – 65 T 73/02, ZMR 2003, 264 = AGS 2003, 463. 3 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, JurBüro 2004, 378 = MDR 2004, 1437 = AGS 2004, 249: Schätzung nach § 3 ZPO mit 20 %igem Abschlag und wegen § 9 ZPO begrenzt auf den 42-fachen Mietminderungsbetrag; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 Rn. 101e; a.A. KG, Beschl. v. 1.7.2009 – 8 W 59/09, JurBüro 2009, 538 = MDR 2009, 1135 – gem. § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG analog nach dem Jahresbetrag der geltend gemachten Minderung. 4 BGH, Beschl. v. 2.11.2005 – XII ZR 137/05, ZMR 2006 190 = NJW-RR 2006, 378. 5 LG Berlin, GE 2003, 1082; GE 1996, 1111; ZMR 1975, 218; GE 1995, 563; LG Hamburg, ZMR 1991, 437; KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1152 = ZMR 1993, 570; LG Mannheim, MDR 1976, 1025; LG Nürnberg-Fürth, KostRsp. GKG § 16 Nr. 2; a.A. dreijähriger Betrag: LG Aachen, ZMR 1995, 161; LG Berlin, NZM 1998, 304; WuM 1995, 547; LG Freiburg, WuM 2002, 171; LG Fulda, MDR 1992, 577 = NJW-RR 1992, 658; LG Ham-

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Mietstreitigkeiten 6. Sonstige Ansprüche 3809

Hierzu zählen weiter Ansprüche, die auf Abschluss eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsvertrags1 gerichtet sind, sowie Streitigkeiten über den Inhalt des Vertrages bzw. der sich daraus ergebenden Handlungs- und Unterlassungspflichten. Da hier Fehlen bzw. Bestand eines Vertragsverhältnisses unstreitig sind, ist § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) bereits nach seinem Wortlaut nicht einschlägig. Der Streitwert ist daher gem. § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) i.V.m. § 3 ZPO zu bemessen, soweit nicht eine Sondervorschrift (§§ 4–8 ZPO) eingereift. S. hierzu nachfolgend unter Rn. 4020 „Vertragsbschluss“.

3810

Beispielhaft seien genannt die Klage des Vermieters auf Unterlassung vertragswidrigen Gebrauchs der Mietsache, auf Vornahme einer Auszugsrenovierung, Zahlung von Schadensersatz wegen Beschädigung der Mietsache oder von rückständigem oder zukünftigem Mietzins (oder Nutzungsentschädigung) sowie auf Feststellung der Berechtigung zur Mietminderung.2

D. Rechtsmittel und Beschwer I. Allgemeines 3811

Mittlerweile besteht weitgehend Einigkeit, dass zur Ermittlung der Beschwer nicht auf die Wertberechnung gem. § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) abgestellt werden kann. Die dort aus sozialpolitischen Erwägungen intendierte Gebührenabsenkung findet im Bereich der Rechtsmittelfähigkeit einer Entscheidung keine Entsprechung.3 Zur Anwendung gelangen daher über § 2 ZPO die Wertvorschriften der §§ 3 ff. ZPO, wobei im Einzelfall die Bemessungsmaßstäbe des § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) Berücksichtigung finden können.

3812

In der Berufungspraxis wird das unterschiedliche Bewertungssystem für Rechtsmittelzulässigkeit und Gebührenberechung häufiger nicht beachtet4 und erzwingt damit Entscheidungen des BVerfG,5 wonach die Anwendung des § 41 GKG (dort § 16 GKG a.F.) an Stelle § 8 ZPO (hier bei befristeten Pachtverträ-

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burg, ZMR 1985, 127; 3,5-facher Betrag; LG Hamburg, ZMR 1999, 403; WuM 1994, 624 – Instandhaltung; LG Freiburg, WuM 2002, 171; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 36 – 3,5-facher Jahresbetrag gem. § 9 ZPO. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.11.2009 – 8 W 348/09, AGS 2010, 195: Wert nicht die für die gesamte Vertragsdauer anfallende Gesamtmiete, sondern Begrenzung nach § 9 ZPO ohne Nebenkostenvorausszahlungen. BGH, Beschl. v. 17.3.2004, MDR 2004, 1437 = AGS 2004, 249; Schätzung nach § 3 ZPO mit 20 %igem Abschlag und wegen § 9 ZPO begrenzt auf den 42-fachen Mietminderungsbetrag; LG Hamburg, WuM 1996, 287 = ZMR 1996, 39: § 9 ZPO. a.A. KG, Beschl. v. 1.7.2009 – 8 W 59/09, JurBüro 2009, 538 = MDR 2009, 1135 – gem. § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG analog nach dem Jahresbetrag der geltend gemachten Minderung. BVerfG, Kammerbeschl. v. 15.1.1996 – 1 BvR 1181/95, AnwBl. 1996, 643 = NJWEMietR 1996, 54; BGH, Beschl. v. 21.5.2003 – VIII ZB 10/03, JurBüro 2004, 207 = AGS 2003, 489 = AnwBl. 2003, 597. Lappe, NJW 1984, 1212; 1985, 1875; unzutreffend beispielsweise LG Saarbrücken, WuM 1996, 468 = NJWE-MietR 1997, 5: Beschwer der Räumungsklage gem. § 16 Abs. 1 GKG a.F. Vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 15.1.1996 – 1 BvR 1181/95, AnwBl. 1996, 643 = NJWEMietR 1996, 54.

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Mietstreitigkeiten gen) dem Willkürverbot zuwiderläuft.1 Ähnlich fehlerhaft ist es, auf die Berechnung der Berufungsbeschwer § 5 ZPO anzuwenden und die Werte von Klage und Widerklage nicht zu addieren (s. dazu das Stichwort „Rechtsmittel“. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Wert der Beschwer auch maßgeblich ist für den Gebührenstreitwert für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde, § 47 Abs. 1 Satz 2 u. Abs. 3 GKG.2

3813

II. Bestehen und Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses Erkennt das Gericht über einen Streit betreffend den Bestand oder die Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses, wozu auch die Herausgabe- und Räumungsklage nach vorangegangener Kündigung gehört, dann bestimmt sich die Beschwer nach § 8 ZPO.3 Hiernach entspricht der Wert der für die gesamte streitige Zeit noch zu zahlenden Pacht bzw. Miete bzw. dem 25-fachen Jahresbetrag, wenn dieser Betrag geringer ist.

3814

Infolge einer Räumung nutzlose Investitionen oder die Kosten einer Ersatzbeschaffung bleiben unberücksichtigt.4

3815

Wie bereits ausgeführt, ist § 8 ZPO auf Streitigkeiten betreffend Nutzungsverhältnisse, die der Miete oder Pacht nur ähnlich oder von ihnen wesensverschieden (sonstige) sind, nicht anwendbar.5

3816

Soweit für die Ermittlung der Beschwer auf die streitige Zeit abzustellen ist, bleibt für deren Beginn die Einreichung der Klageschrift maßgebend, nicht etwa die Einlegung des Rechtsmittels. Denn § 8 ZPO stellt auf die „gesamte streitige Zeit“ ab und verdrängt insoweit als Sondernorm § 4 ZPO.6

3817

Wird der Räumungsklage stattgegeben, bestimmt sich die „streitige Zeit“ vom Tag der Erhebung der Räumungsklage bis zum Endzeitpunkt des Mietvertrages, den der Mieter als den für ihn günstigsten in Anspruch nimmt. Beruft er sich auf einen Ausschluss der Kündigung durch den Vermieter, läuft die „streitige Zeit“ bis zu erstmöglichen Kündigung nach Ablauf von 30 Jahren.7

3818

1 Ebenso BGH, Beschl. v. 14.4.2004 – XII ZB 224/02, MDR 2004, 931 = WuM 2004, 353 = NZM 2004, 460 = AGS 2004, 390. 2 BGH, Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 248/04, MDR 2005, 1101 = NJW-RR 2005, 938. 3 BGH, Beschl. v. 2.5.2007 – XII ZB 205/06, AGS 2007, 428 = WuM 2007, 328; Beschl. v. 10.5.2000 – XII ZR 335/99, NJW-RR 2000, 1739 = NZM 2000, 1227 = NJ 2000, 603; MDR 1995, 530 = NJW 1995, 781; Urt. v. 1.4.1992 – XII ZR 200/91, MDR 1992, 913 = WuM 1992, 465; Beschl. v. 9.10.1991 – XII ZR 81/91, WM 1991, 2121 = NJW-RR 1992, 698 – jeweils auch zur Berechnung der „streitigen Zeit“. 4 BGH, Beschl. v. 10.5.2000 – XII ZR 335/99, NJW-RR 2000, 1739 = NZM 2000, 1227; Beschl. v. 4.7.1996 – III ZR 34/96, BGHR ZPO § 8 Räumungsklage Nr. 7. 5 BGH, Beschl. v. 27.10.2004 – XII ZB 106/04, MDR 2005, 124 = AGS 2005, 19; Beschl. v. 22.1.1992 – XII ZR 149/91, juris; BayObLG, Beschl. v. 11.3.1994 – 1 ZRR 296/93, JurBüro 1995, 27; Zöller/Herget, § 8 Rn. 3; MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 8 Rn. 5. 6 BGH, Beschl. v. 2.5.2007 – XII ZB 205/06, AGS 2007, 428 = WuM 2007, 328 = Grundeigentum 2007, 844; MDR 1959, 1009 = NJW 1959, 2164; OLG Bamberg, Beschl. v. 13.5.1991 – 8 U 83/90, JurBüro 1991, 1126; OLG Schleswig, OLGR 1996, 143 = SchlHA 1996, 168; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 16; Zöller/Herget, § 8 Rn. 5. 7 BGH, Beschl. v. 10.8.1999 – XII ZR 69/99, NZM 1999, 1048 = NJW-RR 1999, 1531.

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Mietstreitigkeiten 3819

Wird die Räumungsklage auf eine fristlose Kündigung eines Vertrages mit bestimmter Dauer gestützt, kommt dem bestrittenen Vortrag des Beklagten, wonach das Mietverhältnis durch eine Ergänzungsvereinbarung um weitere 20 Jahre verlängert worden sei, nach Ansicht des BGH bei der Berechnung der für die Beschwer maßgeblichen „streitigen Zeit“ keine Bedeutung zu.1 Der Entscheidung ist nicht zuzustimmen. Der BGH begründet seine Bewertung damit, dass Gegenstand des Rechtsstreits allein die Frage gewesen sei, „ob der Kläger fristlos kündigen und eine Räumung schon vor dem im Mietvertrag vorgesehenen Zeitpunkt verlangen konnte“. Eine Klärung der streitigen Vertragsverlängerung hätte der Beklagte allein über eine Feststellungswiderklage erreichen können. Entscheidend dürfte jedoch sein, ob für die Bestimmung der streitigen Zeit allein auf den Klagevortrag abzustellen ist. Wird dies bejaht, kommt es auf die allein von dem Beklagten behauptete Vertragsergänzung nicht an. Wird hingegen der Streit über die ohne Kündigung noch verbleibende Vertragslaufzeit auch unter Berücksichtigung des Beklagtenvorbringens ermittelt, ist auf das Ende der behaupteten Vertragsverlängerung abzustellen. Denn die behauptete Vertragsverlängerung ist als Änderungsvereinbarung Bestandteil des (einen) Mietvertrages. Nur die letztere Bewertung erfasst auch die Beschwer des Beklagten zutreffend, denn mit einer rechtskräftigen Räumungsverpflichtung bleibt für die vom BGH angesprochene Feststellungsklage kein Raum, da eine wirksame Kündigung das Vertragsverhältnis unabhängig seiner beabsichtigten Dauer beendet.

3820

Nach Ansicht des BGH erfolgt auch bei Erfüllungsansprüchen, beispielsweise auf Überlassung der Mietsache, die Berechnung der Beschwer nach § 8 ZPO, sofern mit der vom Kläger erstrebten Verurteilung eine Entscheidung über den zwischen den Parteien streitigen Bestand des Vertragsverhältnisses erreicht werden soll.2 Dies gelte jedoch nicht für Klagen auf (Mietzins-)Zahlung, selbst wenn letztlich nur über den (Fort-)Bestand des zugrunde liegenden Nutzungsverhältnisses gestritten wird. Insbesondere erhöhe sich die Beschwer nicht dadurch, dass in der angefochtenen Entscheidung die Wirksamkeit einer Kündigung verneint (oder bejaht) wird, da die Entscheidung hierüber nicht in Rechtskraft erwachse.3

3821

Für die Einzelheiten der Wertberechnung nach § 8 ZPO wird auf die Ausführungen beim Zuständigkeitsstreitwert oben unter Rn. 3701 f. verwiesen.

3822

Für den Gebührenstreitwert im Rechtsmittelverfahren bleibt der einjährige Mietzins gem. § 41 Abs. 2 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) auch dann wertbestimmend, wenn der Kläger von der erstinstanzlich auf vollständige Räumung gerichteten Klage im Rechtsmittelverfahren nur noch einzelne Beseitigungsansprüche verfolgt, die zuvor Gegenstand des umfassenden Räumungsbegehren (§ 556 BGB) waren.4

1 2 3 4

BGH, Beschl. v. 5.7.1995 – XII ZR 30/95, BGHR ZPO § 8 Räumungsklage Nr. 5. Beschl. v. 19.7.2000 – XII ZR 269/99, NZM 2000, 1227. BGH, Beschl. v. 19.6.2002 – XII ZR 5/02, NZM 2002, 736 = NJW-RR 2002, 1233. BGH, Beschl. v. 8.3.1995 – XII ZR 240/94, MDR 1995, 530 = NJW 1995, 781.

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Mietstreitigkeiten

III. Mieterhöhung Die Beschwer einer stattgebenden oder abweisenden Entscheidung über eine Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung bestimmt sich nach §§ 3 ff. ZPO und nicht nach § 41 Abs. 5 GKG (§ 16 Abs. 5 GKG a.F.). Hierüber besteht weitgehend Einigkeit.

3823

Dieselben Bewertungsgrundsätze gelten für Klagen, die nach einer Mieterhöhungserklärung auf Feststellung einer zukünftig erhöhten Grundmiete gerichtet sind, ohne dass ein prozentualer Abschlag geboten wäre.1

3824

Nach Ansicht des BGH2 fallen beide Klagen als Klagen auf künftig wiederkehrende Leistungen unter § 9 ZPO.3 Einer davon abweichenden Bewertung nach § 3 ZPO stehe entgegen, dass § 9 ZPO als Sondervorschrift Vorrang habe. Maßgebend sei daher der 42-fache Mietdifferenzbetrag. Soweit die Klage nur auf positive Feststellung gerichtet ist, sei ein Abschlag von 20 % vorzunehmen.

3825

Demgegenüber wird von den Instanzgerichten für die Ermittlung der Beschwer überwiegend gem. § 3 ZPO auf das wirtschaftliche Interesse des Vermieters bzw. des von der Mieterhöhung betroffenen Mieters abgestellt. Hierbei wird sehr unterschiedlich geschätzt, wobei im Wesentlichen auf eine Jahresdifferenz,4 auf einen Differenzbetrag von 15 Monaten5 oder auf den dreijährigen Erhöhungsbetrag abgestellt wird.6 Demgegenüber wird nur vereinzelt der fünfjährige Erhöhungsbetrag7 oder der Differenzbetrag der Restdauer des Mietverhältnisses8 in Ansatz gebracht.

3826

Der erstgenannten Auffassung ist zuzustimmen. Maßgebend ist gem. § 9 ZPO der 3,5-fache Jahresdifferenzbetrag, denn mit der Höhe des Mietzinses ist das Stammrecht selbst und sind nicht nur einzelne (Teil-)Leistungen Streitgegenstand. Soziale Erwägungen stehen dem nicht entgegen, da von ihnen bereits die Streitwert- und damit auch Gebührenermäßigung in § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) getragen wird. Die §§ 3ff. ZPO tragen vielmehr dem Gesichtspunkt der Rechtsmittelfähigkeit erstinstanzlicher Entscheidungen Rechnung.9 Ohnehin

3827

1 LG Köln, Beschl. v. 5.9.1997 – 10 S 220/97, WuM 1997, 688. 2 BGH, Beschl. v. 28.11.2006 – VIII ZB 9/06, ZMR 2007, 107 = WuM 2007, 32; Beschl. v. 12.5.2004 – VIII ZB 10/03, JurBüro 2004, 207 = AGS 2003, 489 = AnwBl. 2003, 597; Beschl. v. 17.5.2000 – XII ZR 314/99, ZMR 2000, 665 = NJW 2000, 3142. 3 So auch schon LG Berlin – 61 S 472/99, MM 2000, 419; LG Kiel, MDR 1994, 834: Aufgabe der bisherigen Rspr. 4 LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 2.5.1990 – 1 S 38/90, MDR 1990, 833; LG Berlin, Urt. v. 17.10.1985 – 61 S 65/85, MDR 1986, 323; LG Darmstadt, NJW-RR 1997, 755 = NJWEMietR 1997, 172; LG Hannover, MDR 1994, 1148; LG Köln, WuM 1995, 122; LG Münster, Urt. v. 1.12.1983 – 8 S 317/83, JurBüro 1984, 453; LG Nürnberg-Fürth, WuM 1992, 636; LG Regensburg, Beschl. v. 19.11.1991 – S 347/91, WuM 1992, 145; LG Saarbrücken, WuM 1998, 171 = ZMR 1998, 232. 5 LG Köln, WuM 1998, 297; LG Bremen, WuM 1997, 334. 6 LG Arnsberg, WuM 1992, 625; LG Berlin, GE 1996, 57; LG Bonn, WuM 1985, 129; LG Gießen, WuM 1994, 27; LG Hamburg, WuM 1993, 134; LG Lübeck, Beschl. v. 25.10.1983 – 6 S 289/83, MDR 1984, 237; LG Mannheim, WuM 1985, 128; LG Stuttgart, Urt. v. 1.8.1991 – 6 S 255/91, WuM 1992, 24; Stein/Jonas/Roth, § 8 Rn. 7. 7 LG Hagen, Beschl. v. 30.5.1986 – 10 S 342/86, ZMR 1987, 97. 8 LG Berlin, Urt. v. 8.4.1985 – 61 S 247/84, MDR 1985, 1034, diff. LG Wiesbaden, Urt. v. 26.10.1992 – 1 S 525/91, WuM 1993, 470 – Begrenzung auf 36-fachen Monatsbetrag. 9 BGH, Beschl. v. 12.5.2004 – VIII ZB 10/03, JurBüro 2004, 207 = AGS 2003, 489; BVerfG, Beschl. v. 30.1.1996 – 1 BvR 2338/95, WuM 1996, 312 = NJW 1996, 1531.

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Mietstreitigkeiten liegt das wirtschaftliche Interesse der Parteien regelmäßig über dem Jahresbetrag der zusätzlich geforderten Miete, da die Mieterhöhung nicht lediglich für ein Jahr begehrt wird.1 3828

Der vorstehenden Bewertung widerspricht auch nicht, dass der Inhalt des Mietverhältnisses gem. § 558 Abs. 1 BGB (früher § 2 MHG) nur für 15 Monate festgeschrieben wird und danach erneute Erhöhung möglich ist.2 Denn die Möglichkeit einer erneuten Mieterhöhung sagt nichts über den Umfang der Beschwer des bisherigen Erhöhung aus, da diese „unter“ dem Erhöhungsbetrag des nachfolgenden Mieterhöhungsverlangens fortwirkt. Spätestens seit der Neufassung des § 9 ZPO (1993), nachdem zuvor der 12,5-fache bzw. 25-fache Jahresbetrag maßgeblich war, sind auch die gegen seine Anwendbarkeit erhobenen Bedenken3 nicht mehr tragfähig, mag auch der Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht ausdrücklich auf Mietzinserhöhungsklagen erstreckt worden sein.4 Jedenfalls missachtet eine generelle Bemessung der Beschwer nach dem Jahresbetrag entsprechend § 41 Abs. 5 GKG (§ 16 Abs. 5 GKG a.F.) den in §§ 2 ZPO und 48 Abs. 1GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) niedergelegten Vorrang des Prozesswertes.

3829

Bei der Ermittlung des Mieterhöhungsbetrages bleiben frühere Mieterhöhungen als Bestandteil des Ausgangsmietzinses außer Betracht.5

IV. Mängelbeseitigung, Instandsetzung, Modernisierung 3830

Erkennt das Gericht über einen Streit betreffend die Verpflichtung zur Mängelbeseitigung oder Instandsetzung bzw. zur Duldung von Modernisierungsmaßnahmen, dann bestimmt sich die Beschwer nach §§ 3, 9 ZPO. Sie entspricht dem 42-fachen des monatlichen Minderungsbetrages6 bzw. des zu erwartenden Mieterhöhungsbetrages.7 § 41 Abs. 5 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.), wonach für den Gebührensstreitwert der Jahresbetrag wertbestimmend ist, findet keine Anwendung.

V. Sonstige Ansprüche 3831

Ansprüche auf Zahlung eines bestimmten Betrages bemessen sich hinsichtlich der Beschwer immer nach dem Zahlbetrag, auch wenn inzident das Bestehen des Mietverhältnisses überprüft wird. Denn die Ausführungen zum Bestehen erwachsen als bloße Vorfrage nicht in Rechtskraft.8

3832

Demgegenüber bemisst sich die Beschwer aus der Abweisung eines Erfüllungsanspruchs, beispielsweise auf Überlassung der Mietsache, nach § 8 ZPO, 1 2 3 4 5 6

S. auch LG Berlin, MDR 1985, 1034. So aber LG Bremen, Beschl. v. 16.4.1997 – 2 S 127/97, WuM 1997, 334. Vgl. Schneider, MDR 1985, 371; MDR 1987, 186. Hierzu Hansens, NJW 1993, 493, 495. Nur insoweit zutr. LG Saarbrücken, Urt. v. 20.2.1998 – 13 B S 283/97, WuM 1998, 234. BGH, Beschl. v. 18.2.2004 – VIII ZB 84/03, WuM 2004, 220 = NZM 2004, 295; Beschl. v. 27.11.2002 – VIII ZB 33/02, NZM 2003, 152 = NJW-RR 2003, 229; Beschl. v. 17.5.2000 – XII ZR 314/99, MDR 2000, 975 = NJW 2000, 3142; OLG Düsseldorf, MDR 2001, 354 = ZMR 2001, 270, 341; OLG Hamm, OLGR 2001, 37; a.A. LG Berlin – 63 S 334/99, GE 1999, 1429: Jahresbetrag. 7 LG Berlin, Urt. v. 20.4.1999 – 64 S 316/98, ZMR 1999, 556 = NZM 1999, 1036. 8 BGH, Beschl. v. 19.6.2002 – XII ZR 5/02, NZM 2002, 736 = NJW-RR 2002, 1233.

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Mietstreitigkeiten wenn durch die mit der Klage erstrebte Verurteilung eine Entscheidung über den zwischen den Parteien streitigen Bestand des Vertragsverhältnisses erreicht werden soll.1 Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu den Einzelfällen in der Rechtsprechung Rn. 3840 ff. Bezug genommen.

3833

E. Vergleich I. Allgemeines Für die Berechnung des Vergleichswertes gibt es keine besonderen mietrechtlichen Vorschriften. Daher ist auf den Anspruch oder das Recht abzustellen, der bzw. das Gegenstand des Vergleichs ist. Deren Bewertung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 39 ff. GKG und §§ 3 ff. ZPO). Dabei sind den Streitwert ermäßigende Sondervorschriften, beispielsweise §§ 41 oder 42 GKG (§§ 16 oder 17 GKG a.F.), immer zu beachten.2

3834

Der Gegenstand des Vergleichs und damit die Grundlage der Bewertung bestimmt sich danach, worüber der Vergleich geschlossen, d.h. welcher Streit durch den Vergleich beigelegt wird. Unerheblich ist demgegenüber, worauf sich die Parteien verglichen haben, selbst wenn die nach dem Vergleich zu erbringende Leistung wertmäßig über dem verglichenen Anspruch liegt.3 Zu den Einzelheiten s. unter dem Stichwort „Vergleich“.

3835

II. Räumung Vergleichen sich die Parteien in einem Rechtsstreit über den Bestand oder Fortdauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses dahingehend, dass sich der Mieter (bzw. Pächter) gegen eine Ausgleichszahlung zur vorzeitigen Räumung des Miet- oder Pachtobjekts verpflichtet, bleibt für den Streitwert unabhängig von der Ausgleichszahlung der einjährige Betrag des Nutzungsentgelts maßgeblich, § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.), da sich der Vergleichswert allein nach dem Wert der verglichenen Ansprüche bestimmt.4

3836

Eine Werterhöhung ist jedoch zu bejahen, wenn mit einer vergleichsweise vereinbarten Umzugsbeihilfe angebliche Schadensersatzansprüche des Mieters wegen möglicherweise unberechtigter Eigenbedarfskündigung erledigt wer-

3837

1 BGH, Beschl. v. 19.7.2000 – XII ZR 269/99, NZM 2000, 127. 2 OLG Köln, MDR 1971, 854; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Vergleich“. 3 BGH, NJW 1964, 1523; OLG Bamberg, JurBüro 1984, 254 = AnwBl. 1984, 94; KG, Urt. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02, KGR 2004, 310; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.6.2008 – 24 W 17/08, OLGR 2008, 748 = JurBrüo 2008, 594, AGS 2008, 462 = NJW-RR 2008, 1697; OLG Frankfurt, JurBüro 1984, 423; OLG Hamburg, Beschl. v. 29.8.1986 – 2 WF 138/86, FamRZ 1987, 184; OLG Köln, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/95, OLGR 1996, 158 = JurBüro 1996, 476 = NJW-RR 1996, 1278; OLG München, Beschl. v. 22.2.2000 – 14 W 333/99, JurBüro 2001, 141; OLG Schleswig, Beschl. v. 27.11.1990 – 9 W 136/90, JurBüro 1991, 584 = SchlHA 1991, 115; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rn. 4; E. Schneider, Rpfleger 1986, 81; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Vergleich“. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.5.2009 – 24 W 16/09, AGS 2009, 496 = ZMR 2010 = 177; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.1.2008 – 4 U 145/07, JurBüro 2008, 651 = AGS 2008, 569 = NJW-RR 2008, 651 – beide Umzugskostenbeihilfe; OLG Köln, WuM 71, 136 = GE 1971, 476 = ZMR 1972, 26.

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Mietstreitigkeiten den1 oder diese mit einem Verzicht auf eine eingeräumte Räumungsfrist verbunden ist.2 3838

Erledigt sich ein Rechtsstreit, in dem der Beklagte nach § 574 BGB (nur teilweise entsprechend § 556a BGB a.F.) der Kündigung widersprochen hatte, durch einen Vergleich, wonach die Parteien das Mietverhältnis unter geänderten Bedingungen fortsetzen, dann liegt darin nicht der Abschluss eines neuen Mietvertrages. Der Wert dieses Vergleichs richtet sich nach § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.), wobei der vereinbarte höchste zulässige Mietzins zugrunde zu legen ist;3 dass der Vergleich unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen wurde, ist für die Festsetzung ohne Bedeutung.4

3839

Ebenfalls nach § 41 Abs. 1 GG (und nicht gem. § 9 ZPO) ist zu bewerten, wenn die Parteien neben den streitgegenständlichen Zahlungsansprüchen das außergerichtlich streitige Mietverhältnis durch Beendigung des alten und Begründung eines neuen Mietverhältnisses regeln.5

III. Mieterhöhung 3840

Verpflichtet sich der Beklagte in einem Vergleich, mit dem eine auf Zustimmung zur Mieterhöhung gerichtete Klage einvernehmlich geregelt wird, für den bis zum Vergleichsschluss verstrichenen Zeitraum (im Hinblick auf die erhöhte Miete) aufgelaufenen Mietzinsrückstand zu zahlen, dann bestimmt sich der Mehrwert des Vergleichs nach dem für diesen Zeitraum streitigen Erhöhungsbetrag.6

F. Einzelfälle in der Rechtsprechung (alphabetischer Bewertungsschlüssel) Stichwortübersicht Rn. Abbruchkosten (Räumungsaufwand) . . . . . . . . . . . . . . . Abgeleiteter Besitz . . . . . . . . . Abmahnung . . . . . . . . . . . . . Abschluss . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Geschäftsbedingungen (Verbandsklage) . . . . . . . . . . Anspruchshäufung . . . . . . . . . Aufbaukosten . . . . . . . . . . . .

3841 3852 3853 3854 3855 3856 3857

Ausgleichszahlung . . . . . . . Beheizung (Heizung) . . . . . . Berechtigung aus dem Vertrag Beseitigung . . . . . . . . . . . Besichtigung (Zutritt) . . . . . Besitz . . . . . . . . . . . . . . Besitzstörung . . . . . . . . . . Betriebskosten (Nebenkosten) Betriebspflicht . . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

Rn. 3858 3861 3864 3865 3869 3874 3876 3880 3881

1 LG Köln – 10 S 282/00, BRAGOreport 2001, 108; –29 S 52/97 – AnwBl. 1998, 212; unklar KG Berlin – 8 W 23/04, AGS 2005, 354. 2 AG Köln, Beschl. v. 14.8.2002 – 210 C 200/02, AGS 2003, 35 = NZM 2003, 106 = NJW-RR 2003, 233; bestätigend LG Köln, Beschl. v. 20.8.2002 – 10 T 164/02, AGS 2003, 35 mit Anm. N. Schneider; AG Augsburg, Beschl. v. 25.5.2001 – 24 C 803/01, WuM 2001, 413. 3 LG Kassel, AnwBl. 1966, 232; vgl. auch LG Limburg, Beschl. v. 10.1.2007 – 3/95/06, ZMR 2007, 700. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.2.1992 – 10 W 11/92, JurBüro 1992, 351. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.6.2008 – 24 W 17/08, JurBüro 2008, 594 = AGS 2008, 462 = NJW-RR 2008, 1697. 6 OLG Dresden, Beschl. v. 18.7.2006 – 10 W 816/06, juris.

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Mietstreitigkeiten

Beweisverfahren (selbständiges –) . . Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . Duldung . . . . . . . . . . . . . . . . Eigentumswohnung . . . . . . . . . Energie- und Wasserversorgung . . . Erhaltung . . . . . . . . . . . . . . . Ersatzmieter . . . . . . . . . . . . . Feststellung . . . . . . . . . . . . . . Hausordnung . . . . . . . . . . . . . Hausteil . . . . . . . . . . . . . . . . Heizkosten (Nebenkosten) . . . . . Hilfsantrag . . . . . . . . . . . . . . Instandsetzung (Mängelbeseitigung) Inventar . . . . . . . . . . . . . . . . Jagdpachtvertrag . . . . . . . . . . . Kaufanwartschaft . . . . . . . . . . . Kaution . . . . . . . . . . . . . . . . Kellerräumlichkeiten (Nebenräume) Kleingarten . . . . . . . . . . . . . . Konkurrentenschutz . . . . . . . . . Kündigung . . . . . . . . . . . . . . Kündigungsmöglichkeit . . . . . . . Künftige Mietzahlung . . . . . . . . Künftige Nutzungsentschädigung . . Mängelbeseitigung (Instandhaltung) Medien (Rundfunk, Fernsehen, Telefon) . . . . . . . . . . . . . . . Mietausfall . . . . . . . . . . . . . . Miete (Mietzins) . . . . . . . . . . . Mietbürgschaft . . . . . . . . . . . . Mieterschutzregelung . . . . . . . . Mietsicherheit (Bürgschaft, Kaution) Mietzins . . . . . . . . . . . . . . . Minderung . . . . . . . . . . . . . . Modernisierung . . . . . . . . . . . . Musterprozess . . . . . . . . . . . . Nebenkosten (Betriebskosten) . . . .

Rn. 3882 3883 3884 3894 3899 3900 3902 3903 3904 3912 3913 3914 3915 3916 3919 3920 3922 3923 3924 3925 3926 3927 3934 3935 3939 3942 3943 3944 3945 3953 3954 3955 3962 3963 3968 3969 3970

Nebenleistungen . . . . . . . . . . . Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . Nutzungsentgelt (Miete) . . . . . . . Nutzungswert . . . . . . . . . . . . Option . . . . . . . . . . . . . . . . . Parabolantenne (Medien) . . . . . . . Räumungsfrist . . . . . . . . . . . . Rückständige Miete . . . . . . . . . Schlüssel . . . . . . . . . . . . . . . Selbständiges Beweisverfahren . . . Schönheitsreparaturen . . . . . . . . Siedler . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozialwohnung . . . . . . . . . . . . Tauschvertrag . . . . . . . . . . . . . Teilaufhebung . . . . . . . . . . . . Teilkündigung (Gemeinschafts- und Teilflächen) . . . . . . . . . . . . . Tierhaltung . . . . . . . . . . . . . . Umgestaltung . . . . . . . . . . . . . Unterlassung . . . . . . . . . . . . . Untermieter . . . . . . . . . . . . . . Untervermietung . . . . . . . . . . . Verbandsklage (Allgemeine Geschäftsbedingungen) . . . . . . . . Vertragabschluss . . . . . . . . . . . Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . Vorauszahlung . . . . . . . . . . . . Vorkaufsrecht . . . . . . . . . . . . . Vorvertrag . . . . . . . . . . . . . . . Wegnahme von Einrichtungen . . . Widerklage . . . . . . . . . . . . . . Winterdienst . . . . . . . . . . . . . Wohnrecht . . . . . . . . . . . . . . Wohnungseigentum . . . . . . . . . Wohnungstausch . . . . . . . . . . . Zins . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsversteigerung . . . . . . . . . Zwangsvollstreckung . . . . . . . .

Rn. 3976 3980 3981 3982 3983 3984 3986 3989 3990 3992 3995 3999 4000 4001 4002 4003 4005 4006 4008 4010 4015 4019 4020 4022 4023 4024 4026 4027 4029 4031 4032 4038 4039 4040 4041 4044

Abbruchkosten (Räumungsaufwand) Hat der Beklagte ein von ihm genutztes Grundstück mit Bepflanzungen, Einrichtungen oder Gegenständen versehen, stellt sich mit Beendigung der Nutzung die Frage nach deren Verbleib. Zugleich ist zu beantworten, ob ein mit der Beseitigung verbundener Aufwand Streitwert und Beschwer bei einer Räumungsklage beeinflussen. Hier ist wie folgt zu unterscheiden:

3841

(1) Ist das Klagebegehren allein auf Entfernung von Einrichtungen gerichtet, bestimmt sich der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO. Maßgebend ist das klägerische Interesse an der Beseitigung, für dessen Bewertung allenfalls mangels weiterer Anhaltspunkte auch die Kosten der Entfernung herangezogen werden können.1 Ebenso liegt es im Übrigen, wenn vom Mieter oder Pächter Klage auf Feststellung erhoben wird, dass eine Verpflichtung zur Besei-

3841a

1 Köhler/Kossmann, Handbuch der Wohnraummiete, § 204 Rn. 14.

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Mietstreitigkeiten tigung nicht besteht. Hier ist der Wert gem. § 3 ZPO nach den Kosten zu bemessen, die zur Entfernung der Aufbauten aufgewandt werden müssten.1 3842

(2) Beantragt der Kläger allein Räumung und Herausgabe des Grundstücks, bemessen sich Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nach den allgemeinen Grundsätzen, mithin in der Regel nach § 8 ZPO bzw. § 41 Abs. 2 GKG (§ 16 Abs. 2 GKG a.F.). Dies gilt auch für die Beschwer, die ausweislich des Wortlauts von § 8 ZPO allein nach dem für die streitige Zeit anfallenden Nutzungsentgelt zu bestimmen ist. Folglich bleibt der Beseitigungsaufwand als bloß mittelbar mit der Räumung verbundene Belastung unberücksichtigt.2

3843

(3) Problematisch ist es hingegen, wenn der Kläger neben Räumung und Herausgabe die Beseitigung von Einrichtungen oder Gegenständen verlangt. Hier stellt sich bereits aufgrund der prozessualen Eigenständigkeit der Klageanträge die Frage einer Addition gem. § 5 ZPO bzw. § 39 Abs. 1 GKG (ohne Entsprechung im GKG a.F.) bei Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert.

3844

Beschränkt sich das Beseitigungsverlangen auf bewegliche Gegenstände, unterbleibt eine Wertaddition schon im Hinblick auch die Möglichkeit einer gem. § 885 Abs. 2 ZPO bereits aus dem Räumungsurteil resultierenden Möglichkeit der Beseitigung im Wege der Zwangsvollstreckung.

3845

Das Beseitigungsverlangen bleibt aus diesem Grunde trotz eigenständiger Antragstellung nur unselbständiger Teil des streitgegenständlichen Räumungsbegehrens.3 Daran ändert sich auch nichts, wenn der Kläger sein Klagebegehren während des Rechtsstreits auf das Beseitigungsverlangen reduziert.4

3846

Ob dies ebenso gilt, wenn der Kläger neben der Räumung die Beseitigung von Aufbauten, Einrichtungen oder sonstigen unbeweglichen Sachen fordert, ist streitig.

3847

Der BGH verneint in seinen Entscheidungen überwiegend auch hier eine Addition unter Hinweis darauf, dass das Beseitigungsverlangen Teil des materiell-rechtlichen Räumungsanspruchs aus § 546 BGB (§ 556 BGB a.F.) und damit keiner eigenständigen Bewertung bei der Bemessung von Zuständigkeitsstreitwert, Beschwer (§ 8 ZPO) und Gebührenstreitwert (§ 41 Abs. 2 GKG entspricht § 16 Abs. 2 GKG a.F.) zugänglich sei.5 1 BGH, Beschl. v. 29.4.2004 – III ZB 72/03, BGHR 2004, 1102 = WuM 2004, 352. 2 BGH, Beschl. v. 15.6.2005 – XII ZR 104/02, WuM 2005, 525 = NZM 2005, 678; Beschl. v. 4.7.1996 – III ZR 34/96, BGHR ZPO § 8 Räumungsklage Nr. 7 – Beschwer; vgl. auch LM ZPO § 551a Nr. 33: Beseitigung von Bäumen. 3 OLG Hamburg, Beschl. v. 15.2.2000 – 4 W 6/00, WuM 2000, 365 = NZM 2000, 1228 = NJW-RR 2001, 576 – Aufgabe der bisherigen Rsp.; nur im Ergebnis ebenso BGH, Beschl. v. 8.3.1995 – XII ZR 240/94, MDR 1995, 530 = NJW 1995, 781; Beschl. v. 14.10.1993 – LwZB 6/93, MDR 1994, 100 = NJW-RR 1994, 256. 4 BGH, Beschl. v. 8.3.1995 – XII ZR 240/94, MDR 1995, 530 = NJW 1995, 781. 5 BGH, Beschl. v. 10.5.2000 – XII ZR 335/99, NJW-RR 2000, 1739; Beschl. v. 8.3.1995 – XII ZR 240/94, LM ZPO § 8 Nr. 14 mit krit. Anm. Lappe = MDR 1995, 530 = WuM 1995, 320 = ZMR 1995, 245 = NJW 1995, 781 – Entfernen zurückgelassener Einrichtungen; Beschl. v. 14.10.1993 – LwZB 6/93, MDR 1994, 100 = NJW-RR 1994, 256 – Entfernung von Bäumen; so auch schon OLG Bremen, Rpfleger 1965, 99; ebenso Bub/ Treier/Fischer, VIII Rn. 239a – anders aber unter Rn. 240; offen gelassen BGH, Beschl. v. 29.4.2004 – III ZB 72/03, WuM 2004, 352, abweichend Beschl. v. 15.6.2005 – XII ZR 104/02, WuM 2005, 525 = NZM 2005, 577 – Beschwer, ohne Auseinandersetzung mit der bisherigen Rspr.

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Mietstreitigkeiten Die Ansicht des BGH vermag nicht zu überzeugen. Der Umfang der materiellrechtlichen Rückgabepflicht des Mieters (§ 546 BGB n.F.) ist für den Wert des Räumungsverlangens unerheblich. Zwar muss danach der Zustand der Mietsache bei Rückgabe der vertraglichen Vereinbarung entsprechen, sodass vom Mieter eingebrachte Gegenstände und Einrichtungen zu entfernen sind.1 Für den Inhalt des prozessualen Räumungsverlangens ist damit jedoch nichts gewonnen, denn dieses reicht – ebenso wie das dahinter stehende klägerische Interesse – notwendigerweise nicht weiter als der Umfang der aus einer entsprechenden Titulierung resultierenden gesetzlichen Vollstreckungsmöglichkeiten. Die Zwangsvollstreckung aus einem Räumungsurteil ist jedoch gem. § 885 Abs. 2 ZPO auf Besitzverschaffung und Beseitigung von beweglichen Gegenständen beschränkt.2 Für die Beseitigung von Gebäuden, Bepflanzungen oder Geländeveränderungen (z.B. Aufschüttungen) bedarf es demgegenüber eines gesonderten Vollsteckungstitels. Insbesondere ist das Räumungsurteil keine geeignete Grundlage für eine Ermächtigung des Klägers (als Vollstreckungsgläubiger) zur Ersatzvornahme gem. § 887 ZPO.3

3848

Zudem trägt der Verweis auf den Umfang der materiell-rechtlichen Räumungspflicht (§ 546 BGB n.F.) nicht, wenn der Kläger seinen Herausgabeanspruch auf § 985 BGB stützt und sich der Beklagte erfolglos auf den Bestand eines Nutzungsverhältnisses beruft. Denn nach § 985 BGB schuldet der Besitzer nur „Auskehrung“, d.h. nur die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes an der Sache in dem Zustand, in dem diese sich befindet.4 Dass die materiellrechtliche Perspektive eine wertmäßig voneinander abweichende Behandlung des Beseitigungsverlangens rechtfertigen könnte, ist angesichts desselben Streitgegenstandes nicht ersichtlich.

3849

Bedarf das Beseitigungsverlangen, weil eine nicht bewegliche Sache betreffend, damit für die Vollstreckung eines gesonderten Titels und deshalb eines prozessual eigenständigen Klageantrags, ist dieser auch wertmäßig zu erfassen und hinzuzurechnen.5

3850

Als Streitigkeit über den Inhalt der aus dem Nutzungs- oder bloßem Besitzverhältnis erwachsenden Verpflichtungen sind für die Bewertung eines – im vorgenannten Sinne eigenständigen – Beseitigungsverlangens weder § 8 ZPO (Zuständigkeitsstreitwert und Beschwer) noch § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F. – Gebührenstreitwert) einschlägig. Das Beseitigungsverlangen ist

3851

1 Palandt/Weidenkaff, BGB, § 546 Rn. 5 ff. m.w.N. 2 OLG Hamburg, Beschl. v. 15.2.2000 – 4 W 6/00, WuM 2000, 365 = NZM 2000, 1228 = NJW-RR 2001, 576 – Aufgabe der bisherigen Rsp. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.11.2002 – 26 W 122/02, MDR 2003, 655; Derleder, JurBüro 1994, 450; offen lassend OLG Celle, NJW 1962, 595; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.7.1999 – 3 W 195/99, MDR 2000, 414 = DGVZ 99, 155. 4 MünchKomm.BGB/Baldus, § 985 Rn. 30 m.w.N. – zugleich zu den Auswirkungen auf die Formulierung des Klageantrages. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.11.2007 – 24 W 82/07, AGS 2008, 402 = Grundeigentum 2008, 1255; OLG Hamburg, Beschl. v. 15.2.2000 – 4 W 6/00, OLGR 2000, 477 = WuM 2000, 365 = NZM 2000, 1228 = NJW-RR 2001, 576 – Aufgabe der bisherigen Rsp.; OLG Köln, AnwBl. 1968, 396; im Ergebnis jetzt auch BGH, Beschl. v. 15.6.2005 – XII ZR 104/02, WuM 2005, 525 = NZM 2005, 577; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 25; Meyer, § 41 Rn. 22; a.A. und verfehlt LG Mannheim, ZMR 1968, 96, 128: Addition nur bei Antragstellung und Streit darüber, wobei übersehen wird, das ein Anerkenntnis den Streitwert nicht berührt.

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Mietstreitigkeiten vielmehr (über § 48 Abs. 1 GKG n.F.) nach § 3 ZPO zu bewerten, wobei für die Beschwer des Klägers auf sein Beseitigungsinteresse und die Beschwer des Beklagten auf den mit der Beseitigung verbundenen Aufwand abzustellen ist. S. auch unter dem Stichwort „Beseitigung“. Abgeleiteter Besitz 3852

Der Streitwert einer auf § 985 BGB gestützten Herausgabeklage ist auch dann nach § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) aus dem einjährigen Zins zu berechnen, wenn der Besitzer sein Recht zum Besitz aus einem mit dem Rechtsvorgänger des Eigentümers geschlossenen Vertrag herleitet.1 Abmahnung

3853

Beschränkt sich die anwaltliche Tätigkeit auf die Abmahnung des Mieters unter Androhung einer Kündigung, dann bestimmt sich der Gegenstandswert nach dem Interesse des Vermieters an der Vermeidung weiteren vertragswidrigen Gebrauchs, hier Unterlassung künftiger Lärmbelästigungen aus der Wohnung des Mieters.2 Abschluss

3854

S. unter „Vertragsabschluss“. Allgemeine Geschäftsbedingungen (Verbandsklage)

3855

Ist der Inhalt von Formularmietverträgen Gegenstand eines Verbandsklageverfahrens, dann bemisst sich der Streitwert nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung gesetzeswidriger Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Verwendungsverbots für den Verwender bleiben unberücksichtigt. Im Regelfall ist – auch unter Berücksichtung des Preisverfalls im Hinblick auf ältere Rechtsprechung – eine Bewertung von 2500 Euro je angegriffener Klausel vorzunehmen.3 Anspruchshäufung

3856

Gem. § 5 ZPO und § 39 GKG (keine Entsprechung im GKG a.F.) sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammenzurechnen. Insoweit kann auf die Ausführungen unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche“ verwiesen werden. Für mietrechtliche Streitigkeiten kann ergänzend festgehalten werden:

1 OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 177. 2 AG Köln, Urt. v. 2.7.1997 – 213 C 261/96, WuM 1999, 237. 3 BGH, Beschl. v. 18.7.2000 – VIII ZR 12/00, NJW-RR 2001, 352: 3.000 DM; offen lassend Beschl. v. 15.4.1998 – VIII ZR 317/97, WuM 1998, 342 = NZM 1998, 402 = NJWRR 1998, 1465; OLG Celle, Beschl. v. 28.6.2005 – 11 W 49/05, VuR 310: 3.000 Euro; LG München, Beschl. v. 8.9.1997 – 7 O 18843/96, WuM 1997, 631 = NZM 1998, 33 = NJW-RR 1998, 417: 2.500 Euro; a.A. OLG Brandenburg, Urt. v. 1.12.1999 – 3 U 251/ 98, VuR 2000, 147: 10.000 DM je Klausel; Bub/Treier/Fischer, VIII Rn. 239b.

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Mietstreitigkeiten – Wird mit der Leistungsklage neben der Räumung die Zahlung rückständigen Nutzungsentgeltes verbunden, dann ist dem Wert für das Räumungsbegehren aus § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) der Wert für den bezifferten Klageanspruch hinzuzurechnen.1 – Verlangt der Vermieter neben der Räumung und Herausgabe die Beseitigung von Einrichtungen und Gegenständen ist maßgeblich darauf abzustellen, ob die begehrte Entfernung bewegliche oder unbewegliche Sachen zum Gegenstand hat. Nur in letzterem Fall kommt eine Wertaddition in Betracht. (S. hierzu oben „Abbruchkosten“.) – Klagt der Mieter gleichzeitig auf Überlassung der Mietwohnung und auf Verlängerung des Mietverhältnisses, so sind die Streitwerte beider Anträge nicht zusammenzurechnen.2 – Treffen Leistungs- und Feststellungsklage zusammen, ist zu unterscheiden:Begehrt der Kläger die Feststellung des (Fort-)Bestehens des Mietverhältnisses und Zahlung von Nutzungsentgelt, ist für die Bewertung darauf abzustellen, ob derselbe Zeitraum betroffen ist. Wird dies bejaht, betreffen die Ansprüche gebührenrechtlich denselben Streitgegenstand (wirtschaftliche Identität). Denn die Feststellungsklage erfasst das gesamte Rechtsverhältnis und damit auch den daraus abgeleiteten Leistungsanspruch. Daher ist nicht zu addieren, sondern lediglich ein Wert anzusetzen, und zwar der höchste.3 Anders liegt es, wenn neben der Feststellungsklage Mietzahlungen für die vorangegangene Zeit eingeklagt werden; hier ist mangels wirtschaftlicher Deckungsgleichheit zu addieren.4 Wird neben dem Antrag auf Feststellung des Bestehens eines Mietvertrages hilfsweise der Antrag auf Abschluss eines Mietvertrags mit gleichem Inhalt gestellt, unterbleibt eine Zusammenrechnung. Hier ist bei Bescheidung beider Anträge gem. § 45 Abs. 1 Satz 2, 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 2, 3 GKG a.F.) für die Streitwertbemessung der (ggf.) höhere Wert des Hilfsantrages maßgebend.5 – Erhebt der Beklagte gegenüber einer Klage auf Feststellung, dass kein Recht zur Mietminderung besteht, eine Feststellungswiderklage auf Zahlung von Schadensersatz wegen Mängeln der Mietsache, ist nach Ansicht des BGH6 der höhere Wert maßgebend, wenn es um denselben Mangel geht. – Auch soweit der Anspruch auf Räumung von Wohnraum mit dem Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses gem. §§ 556a, 556b BGB zusammentrifft und in demselben Prozess verhandelt wird, ist nicht zusammenzurechnen, § 41 Abs. 3 GKG (§ 16 Abs. 3 GKG a.F.).

1 Bub/Treier/Fischer, VIII 240; Gerold, Streitwert, S. 245. 2 LG Frankenthal, MDR 1968, 419 Nr. 76. 3 BGH, Beschl. v. 2.11.2005 – XII ZR 137/05, NZM 2006, 138; OLG Braunschweig, Beschl. v. 1.4.1975 – 5 W 13/75, MDR 1975, 848 – negative Feststellungsklage; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.2.1980 – 14 W 5/80, Justiz 1980, 272. 4 BGH, Beschl. v. 22.2.2006 – XII ZR 134/03, JurBüro 2006, 369 = AGS 2006, 298 mit Anm. N. Schneider = NZM 2006, 378 = NJW-RR 2006, 1004 = WuM 2006, 341. 5 OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 685; Meyer, § 41 Rn. 22. 6 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, JurBüro 2004, 378 = MDR 2004, 1437 = WuM 2004, 368 = ZMR 2004, 494 = NZM 2004, 423 = AGS 2004, 249 – behördliche Untersagungsverfügung.

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Mietstreitigkeiten Aufbaukosten 3857

Ein Streit über die Dauer des Mietverhältnisses liegt vor, wenn der Mieter die Feststellung begehrt, dass der Vermieter zur vorzeitigen Rückzahlung der ihm vom Mieter darlehensweise zur Verfügung gestellten aufgewandten Aufbaukosten und damit nach dem Mietvertrag zur vorzeitigen Verkürzung des Mietverhältnisses nicht berechtigt sei.1 Ausgleichszahlung

3858

Vergleichen sich die Parteien in einem Rechtsstreit über den Bestand oder die Fortdauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses dahingehend, dass sich der Mieter (bzw. Pächter) gegen eine Ausgleichszahlung zur vorzeitigen Räumung des Miet- oder Pachtobjekts verpflichtet, bleibt für den Streitwert unabhängig von der Ausgleichszahlung der einjährige Betrag des Nutzungsentgelts maßgeblich, § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.), da sich der Vergleichswert allein nach dem Wert der verglichenen Ansprüche bestimmt.2

3859

Wird demgegenüber mit einer Umzugsbeihilfe der Anspruch des Mieters bzw. dessen Verzicht auf eine bereits eingeräumte Räumungsfrist abgegolten, ist der Vergleichswert erhöht.3

3860

Ebenso ist eine Werterhöhung zu bejahen, wenn mit der vergleichsweise vereinbarten Umzugsbeihilfe angebliche Schadensersatzansprüche des Mieters wegen möglicherweise unberechtigter Eigenbedarfskündigung erledigt werden.4 Beheizung

3861

Der Wert der Klage auf ordnungsgemäße Beheizung der Mietsache ist, da es um die Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen geht, nach dem Jahresbetrag der wegen unzureichender Beheizung möglichen Mietminderung zu berechnen, soweit das Mietverhältnis nicht vor der Ablauf eines Jahres endet, § 41 Abs. 5 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.).5

3862

Fraglich ist, ob sich der Jahresbetrag immer nach dem 12-fachen des monatlich angemessenen Minderungsbetrags bestimmt. Denn das wurde schon nach altem Recht für Mängel verneint, die sich naturgemäß nur auf bestimmte Monate des Jahres auswirken. So stellt das LG Berlin für die Bewertung von Klagen auf Behebung von Beheizungsmängeln auf die (siebenmonatige) Dauer der Heizperiode ab.

3863

Dem ist nicht zuzustimmen, da die Bewertung in § 41 Abs. 5 GKG (ohne Entsprechung in § 16 Abs. 5 GKG a.F.) nach der Höhe des jeweiligen Jahres1 OLG Celle, JurBüro 1967, 598 Nr. 157. 2 OLG Köln, WuM 71, 136 = Grundeigentum 1971, 476 = ZMR 1972, 26. 3 AG Köln, Beschl. v. 14.8.2002 – 210 C 200/02, AGS 2003, 35 = NZM 2003, 106 = NJW-RR 2003, 233; bestätigend LG Köln, Beschl. v. 20.8.2002 – 10 T 164/02, AGS 2003, 35 mit zust. Anm. N. Schneider. 4 LG Köln, Beschl. v. 12.2.2001 – 10 S 282/00 – BRAGOreport 2001, 108; unklar KG Berlin, Beschl. v. 7.4.2004 – 8 W 23/04, KGR 2004, 499 = AGS 2005, 354. 5 So schon zum alten Recht, hier über § 3 ZPO, LG Hamburg, Beschl. v. 9.10.1991 – 311 T 128/91, JurBüro 1994, 116; LG Görlitz, Beschl. v. 25.3.1994 – 2 T 34/94, WuM 1994, 380 – einstweilige Verfügung.

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Mietstreitigkeiten betrages der pauschalierten Erfassung von Mieterhöhungs-, Instandsetzungoder zustandsbezogenen Duldungsansprüchen dient. Sie beruht, wie schon die Miterfassung der Mieterhöhungsansprüche zeigt, nicht auf der Annahme, dass mit dem Jahresbetrag die vermögensrechtliche Relevanz der Ansprüche realitätsnah abgebildet wird. Daher kommt es nicht darauf an, ob der zugrunde liegende Mangel zu einer Beeinträchtigung über einen Zeitraum von 12 Monaten geeignet ist. S. auch unter „Energie- und Wasserversorgung“. Berechtigung aus dem Vertrag Der Wert eines Streits darüber, wer von den Parteien aus einem Miet- oder Pachtverhältnis berechtigt ist, bemisst sich nach der gegenwärtigen Jahresmiete oder Jahrespacht. Die Vorschrift des § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) ist entsprechend anzuwenden. Der Wert der einjährigen Nutzung (§ 41 Abs. 2 Satz 2 GKG entspricht § 16 Abs. 2 Satz 2 GKG a.F.) kommt nicht in Betracht, weil kein Streit über die Beendigung des Miet- oder Pachtverhältnisses gegeben ist.1

3864

Beseitigung Zur Beseitigung eines Zustandes, der auf einem vertragswidrigen Gebrauch beruht, s. bei „Unterlassung“.

3865

Geht es um die Beseitigung von Einrichtungen und Gegenständen aufgrund eines beendeten Nutzungsverhältnisses, s. unter „Abbruchkosten“ und „Räumungsaufwand“.

3866

Streitwertrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Beseitigung von Störungen des Mietbesitzes durch Dritte werden unter „Besitzstörungen“ erörtert.

3867

Bei der Beseitigung von Mängeln geht es um die Instandsetzung oder Erhaltung der Mietsache, s. daher unter „Instandsetzung“.

3868

Besichtigung Begehrt der Vermieter vom Mieter, die Mietsache selbst oder von Dritten besichtigen zu können, ist die Wertbestimmung (über § 48 Abs. 1 GKG, entspricht § 12 Abs. 1 GKG a.F.) nach § 3 ZPO vorzunehmen, da es sich um einen Streit über die aus einem Nutzungsverhältnis erwachsenden Verpflichtungen handelt, auf den § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) nicht anwendbar ist. Dem Wesen nach handelt es sich um einen auf Duldung gerichteten Anspruch, da den zur Ermöglichung der Besichtigung erforderlichen Leistungshandlungen, etwa der Gewährung des Zutritts, nur untergeordnete Bedeutung zukommt.

3869

Das für den Streitwert maßgebliche klägerische Interesse ist ausgehend vom Zweck der Besichtigung zu ermitteln, die Beschwer des Beklagten demgegenüber nach dem mit der Besichtigung verbundenen Zeit- und Kostenaufwand.

3870

Geht es um eine Besichtigung durch Mietinteressenten, dient sie der Ermöglichung einer Weitervermietung, also dem Abschluss eines Mietvertrages. An-

3871

1 OLG Hamburg, NJW 1965, 2406.

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Mietstreitigkeiten gemessen ist eine Bruchteilsbewertung bezogen auf die für den Vertragsabschluss geltenden Bewertungsmaßstäbe (s. unter „Vertragsabschluss“). Insoweit kann das Vermietungsinteresse gem. § 9 ZPO mit dem 3 1/2-fachen des Jahresbetrags der Miete bemessen werden und entsprechend der Bewertung des Auskunftsanspruchs – je nach Dringlichkeit und Bedeutung – ein Bruchteil zwischen 1/10 und 1/5 liegen, da die Besichtigung Auskunft über den Zustand der Mietsache gibt und nur der Vorbereitung weiter gehender Ansprüche bzw. Rechtsänderungen dient.1 3872

Ähnlich liegt es, wenn es um eine Besichtigung durch Kaufinteressenten und damit um das Verwertungsinteresse des Vermieters geht. Für den Streitwert ist auf einen Bruchteil des beabsichtigten Kaufpreises abzustellen.2

3873

Dient die Besichtigung der Klärung, ob die Mietsache mit Mängeln behaftet oder sonst in ihrer Substanz gefährdet ist, ist Ausgangspunkt das Interesse des Vermieters am Substanzerhalt. Da es sich hierbei um notwendige Vorbereitungen zu etwaig geschuldeten Instandsetzungs- oder zu duldenden Erhaltungsmaßnahmen handelt, ist eine Bruchteilsbewertung des hierfür nach § 41 Abs. 5 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.) anzusetzenden Jahresbetrages einer möglichen Mieterhöhung bzw. -minderung geboten.3 Besitz

3874

Klagt der Mieter gegen den Vermieter auf Gebrauchsüberlassung ist für den Zuständigkeitsstreitwert und die Beschwer § 8 ZPO und für den Gebührenstreitwert § 41 Abs. 1 (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) anwendbar.4 Richtet sich die Herausgabeklage des Mieters gegen einen Dritten, verbleibt es bei der Anwendung von § 6 ZPO.5

3875

Der Antrag auf vorläufige Besitzverschaffung an einer Wohnung oder einem Geschäftsraum (Übergabe eines Schlüssels) im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ist gem. §§ 53 Abs. 1 Nr. GKG, 3 ZPO zu bewerten. Ist der Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes (§ 861 BGB) Streitgegenstand, richtet sich der Gebührenstreitwert nach dem Nutzungsinteresse des Besitzers. Dabei ist nicht auf den Wert der Sache (§ 6 ZPO), sondern auf das Jahresnutzungsentgelt (§ 41 Abs. 1 GKG) abzustellen. Denn die Besitzverschaffung entspricht – hier – der dem Vermieter obliegenden (streitigen) Gebrauchsgewährung nach § 535 BGB und wird daher von § 41 Abs. 1 GKG als für den Gebührenstreitwert speziellere Norm erfasst.6 Trotz Leistungsverfü-

1 Vgl. Lützenkirchen, NJW 2007, 2152, 2156; abw. Hartmann, Anh. I § 48 GKG (§ 3 ZPO) Rn. 83: 1 Monatsmiete. 2 AG Dorsten, Beschl. v. 22.9.1978 – 3 C 319/78, WuM 1979, 155: und davon 1/3 bei einstweiliger Verfügung. 3 Zust. Lützenkirchen, NJW 2007, 2152, 2156. 4 LG Halle, Beschl. v. 20.5.1994 – 2 T 175/94, MDR 1995, 208 = WuM 1994, 532; Hartmann, § 41 GKG Rn. 11; Lützenkirchen, NJW 2007, 2152, 2156: eventueller Mindererlös (aber wie soll dieser bestimmt werden?); Meyer, GKG, § 41 Rn. 6; abw. OLG Celle, Beschl. v. 21.9.1988 – 2 W 66/88, MDR 1989, 272: § 41 Abs. 2 GKG. 5 KG, HuW 1952, 293; Meyer, § 41 Rn. 9. 6 Vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2007 – 3 W 57/06, MDR 2007, 1225 = NJ 2008, 31: 1/3; OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, AGS 2008, 189 = GuT 2007, 311: voller Wert; OLG Rostock, Beschl. v. 14.8.2006 – 3 W 78/06, OLGR 2006, 1004.

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Mietstreitigkeiten gung ist wegen des nur vorläufigen Rechtssschutzes ein – wenngleich höherer – Bruchteil des Hauptsachewertes, in der Regel 2/3 der Jahresmiete/-pacht anzusetzen. Besitzstörung Wird der mit der Nutzung einer Miet- oder Pachtsache verbundene Besitz durch Dritte gestört, kann der Mieter oder Pächter gem. §§ 862, 1004 BGB die Beendigung fortdauernder und Unterlassung künftiger Störungen beanspruchen. Der Streitwert einer entsprechenden Unterlassungsklage ist nach §§ 3 ZPO, 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) zu schätzen.

3876

Dies gilt auch, wenn die Störung von der anderen Mietvertragspartei ausgeht und das Unterlassungsbegehren mietvertraglich begründet wird. Denn für eine unmittelbare Anwendung von § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) besteht nur Raum, wenn aufgrund der Störung der Bestand des Nutzungsverhältnisses selbst in Frage gestellt wird.

3877

Maßgebend ist in beiden Fällen das Interesse des Klägers an der Beseitigung bestehender oder Verhinderung weiterer Störungen. Handelt es sich um eine Streitigkeit zwischen den Mietvertragsparteien sollte im Rahmen der Schätzung nach § 3 ZPO die Bemessungsregel des § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) nicht überschritten werden.1 Sinnvoll ist eine Orientierung am Jahresbetrag der aufgrund der Störung möglichen Minderung,2 denn ist die Störung zugleich mit einer Beschädigung der Mietsache verbunden, stünde dem Mieter auch ein Instandsetzungsanspruch zu.

3878

Hieran ist auch der Wert einer Klage zu bemessen, mit der ein Vermieter zur Kündigung des Mietverhältnisses mit einem störenden Mitmieter verpflichtet werden soll. Auch hier steht das Interesse des Mieters an einem störungsfreien Gebrauch der Mietsache im Vordergrund.3

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Betriebskosten S. unter „Nebenkosten“.

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Betriebspflicht Der Streitwert einer Klage auf Einhaltung einer (vertraglich vereinbarten) Betriebspflicht bestimmt sich nach dem Interesse des Vermieters an der Aufrechterhaltung der Vermietbarkeit der übrigen Gewerberäumlichkeiten in dem Gesamtobjekt. Bei pauschalierender Betrachtungsweise kann auf die Jahresmiete der an den Beklagten vermieteten Gewerbeeinheit abgestellt werden.4

1 BGH, Beschl. v. 7.4.1993 – XII ZR 244/92, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1133; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.9.2007 – 19 W 57/07, OLGR 2008, 201 = AGS 2008, 92 = NZM 2008, 823 = NJW-RR 2008, 534; OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 2; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.12.1983 – 2 W 21/83, juris. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.9.1985 – 8 W 25/85, WuM 1986, 15. 3 BGH, Beschl. v. 2.11.2005 – XII ZR 137/05, juris-Nr. KORE 314542005. 4 KG, Beschl. v. 7.3.2006 – 8 W 2/06, ZMR 2006, 611 = GuT 2006, 153.

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Mietstreitigkeiten Beweisverfahren (selbständiges) 3882

S. unter „Selbständiges Beweisverfahren“. Dauer

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Ein Streit um die Dauer eines Mietverhältnisses liegt auch vor, wenn der Mieter die Feststellung begehrt, dass der Vermieter zur vorzeitigen Rückzahlung der von ihm aufgewandten Aufbaukosten und damit nach dem Mietvertrag zur vorzeitigen Verkürzung des Mietverhältnisses nicht berechtigt sei.1 Dritter

3884

Sind am Rechtsstreit allein die Parteien des Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnisses beteiligt, gelten für den Streitwert je nach Streitgegenstand die §§ 3 ff. ZPO, § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.). Problematischer ist die Wertbestimmung, wenn Dritte beteiligt sind, etwa weil sich die Klage einer Mietvertragspartei gegen einen Dritten richtet, Mieter bzw. Vermieter von einem Dritten verklagt werden oder der Bestand des Mietverhältnisses Gegenstand eines Rechtsstreits einer Vertragspartei mit einem Dritten ist.

3885

Dies ist jedoch noch nicht der Fall, wenn es um die Feststellung geht, ob der Kläger berechtigt ist, aus einem bestehenden Mietverhältnis auszuscheiden und einen Dritten als Ersatzmieter an seine Stelle treten zu lassen. In diesem Fall ist der Dritte am Mietverhältnis noch nicht – auch nicht mittelbar – beteiligt. Die Wertfestsetzung erfolgt hier – Bestand und Dauer des Mietverhältnisses sind unstreitig – gem. § 3 ZPO.2

3886

Im Grundsatz gilt bei einer Drittbeteiligung, dass weder § 8 ZPO noch § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) unmittelbar zur Anwendung gelangen. Denn beide Vorschriften setzten einen Streit zwischen den am Mietverhältnis beteiligten Parteien voraus, da auf die Klage eines Dritten diesen gegenüber nicht rechtskräftig über den Bestand oder die (Fort-)Dauer des Mietverhältnisses entschieden werden kann.

3887

Daher bestimmen sich bei der Klage eines Dritten gegen den Vermieter oder Verpächter auf Feststellung der Nichtigkeit eines Mietvertrages Zuständigkeitsstreitwert und Beschwer nicht nach § 8 ZPO, sondern gem. § 3 ZPO nach dem Interesse dieses Dritten an der Unwirksamkeit des Vertrages.3 Dies gilt auch für den Gebührenstreitwert, da § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) aus den gleichen Gründen nicht anwendbar ist.4

3888

Eine entsprechende Anwendung von § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) wird nur in dem Fall befürwortet, dass sich der Dritte gegenüber einer Herausgabeklage des (Haupt-)Vermieters auf ein Nutzungsrecht des Mieters5 oder ein mit diesem geschlossenes Nutzungsverhältnis6 beruft. 1 OLG Celle, JurBüro 1967, 598 Nr. 157. 2 OLG Hamburg, OLGE 37, 82. 3 BGH, Beschl. v. 24.2.2000 – III ZR 270/99, Jagdrechtliche Entscheidungen XVIIII Nr. 76 = juris-Nr. KORE551852002; LM ZPO § 256 Nr. 25 = Rpfleger 1955, 101. 4 BGH LM GKG § 10 Nr. 10 (10/1955). 5 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.2.2004 – 19 W 9/04, MDR 2004, 906 = NZM 2004, 880: Ehefrau. 6 OLG Frankfurt, JurBüro 1953, 445 Nr. 168: Untermieter.

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Mietstreitigkeiten Klagt dagegen der Mieter gegen einen Dritten auf Unterlassung von Besitzstörungen oder ein Dritter gegen einen Mieter auf Feststellung, dass ein Mietoder Pachtverhältnis nicht bestehe, ist jeweils gem. § 3 ZPO das klägerische Interesse maßgebend.1

3889

Ebenso liegt es, wenn Miterben gegen einen anderen Miterben auf Feststellung der Wirksamkeit eines von der Erbenmehrheit mit einem Dritten abgeschlossenen Miet- oder Pachtvertrages klagen.2

3890

Als Streitwert einer vom Mieter gegen einen Dritten auf Herausgabe gerichteten Klage ist gem. § 6 ZPO der Verkehrswert festzusetzen.3 Dies gilt entgegen OLG Hamburg4 auch dann, wenn die Herausgabeklage auf einem Streit der Parteien beruht, wer von ihnen aus einem mit einem (weiteren) Dritten geschlossenen Pachtverhältnis berechtigt ist. Allein der Umstand, dass der Herausgabeanspruch die Prüfung erfordert, ob überhaupt ein Pachtverhältnis besteht, rechtfertigt noch keine entsprechende Anwendung von § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.).

3891

Auch der Streit von Mietern oder Vermietern untereinander fällt nicht in den Anwendungsbereich von § 8 ZPO, § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.). Mieter und Vermieter stehen zueinander nicht in mietvertraglicher, sondern (in der Regel) in gesellschafts- oder gemeinschaftsrechtlicher Verbindung. Dies gilt etwa für die Klage eines Mieters auf Zustimmung des Mitmieters zur Kündigung des Mietverhältnisses. Hier ist nach § 3 ZPO das klägerische Interesse an der vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses wertbestimmend.5

3892

Dies gilt auch für die auf Feststellung gerichtete Klage, dass ein Dritter zusammen mit dem Kläger Partei eines mit einem anderen geschlossenen Mietvertrages ist. Denn hier geht es nicht um den Bestand des Mietverhältnisses, sondern um die – in der Regel gesellschaftsrechtlich zu beurteilende – Beteiligung daran (s. auch vorstehend unter „Berechtigung aus dem Vertrag“).

3893

Auch auf einen Räumungsvertrag zwischen einen potentiellen Käufer und einem Mieter des Verkäufers findet § 41 GKG keine Anwendung.6 Duldung Ist die Klage auf Duldung von Instandsetzungs-, Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen gerichtet, bestimmt sich der Gebührenstreitwert jetzt nach § 41 Abs. 5 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.). Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen Rn. 3807 verwiesen werden.

3894

Geht es um die Verurteilung zur Duldung einer Besichtigung der Mieträume, ist für die Wertbemessung gem. § 3 ZPO der vom Kläger mit der Besichtigung verfolgte Zweck maßgebend. S. hierzu unter „Besichtigung“.

3895

1 BGH, Beschl. v. 24.2.2000 – III ZR 270/99, Jagdrechtliche Entscheidungen XVII Nr. 76 – s. auch unter „Besitzstörung“. 2 BGH LM § 10 GKG Nr. 10 – Beschwer. 3 KG, HuW 1952, 293; Meyer, § 41 Rn. 10. 4 NJW 1965, 2406. 5 KG, Beschl. v. 30.3.1992 – 2 W 1331/92, WuM 1992, 323 = NJW-RR 1992, 1490: Orientierung an Jahresmiete; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 7. 6 Meyer, JurBüro 2010, 184, 185.

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Mietstreitigkeiten 3896

Klagt der Mieter auf Duldung der Wegnahme von ihm eingebauter Sachen, dann bestimmt sich der Streitwert gem. § 6 ZPO nach dem Verkehrswert, den die wegzunehmenden Sachen nach der Trennung haben.1 Dies gilt auch für die Beschwer des unterliegenden Vermieters.

3897

Bei einer Klage des Mieters auf Duldung einer bestimmten Nutzung des Mietobjekts handelt es sich durchweg um Streitigkeiten um den Inhalt des Mietvertrages, etwa über die Berechtigung zur Anbringung einer Parabolantenne, der Haltung von Tieren oder zum Abstellen von Gegenständen auf Gemeinschaftsflächen. Hier ist der Streitwert nach § 3 ZPO entsprechend dem klägerischen Interesse an der streitgegenständlichen Nutzung zu bemessen. Die Beschwer des unterliegenden Vermieters ist gleich dem Verhinderungsinteresse.

3898

Zum Streitwert einer auf Duldung der Unterbrechung der Energieversorgung und damit verbundener Wegnahme von Mess- und Regeleinrichtungen gerichteten Klage s. nachfolgend unter „Energie- und Wasserversorgung“. Eigentumswohnung

3899

Wird eine Eigentumswohnung dem in Aussicht genommenen Käufer aufgrund eines privatwirtschaftlichen Vorvertrages überlassen, der nur eine Verpflichtung zum Erwerb der Wohnung und die dafür geltenden Bedingungen enthält, so ist im Falle einer Herausgabeklage des Eigentümers nur die Frage Streitgegenstand, ob der spätere Käufer die Wohnung bis zur endgültigen Klärung der Rechtsbeziehungen der Parteien nutzen darf. Den Streitwert für diese Auseinandersetzung bildet der einjährige Nutzungswert der Wohnung, § 41 Abs. 2 GKG (§ 16 Abs. 2 GKG a.F.).2 Energie- und Wasserversorgung

3900

Klagt der Mieter gegen den Vermieter auf (Wieder-)Herstellung der Energieoder Wasserversorgung, steht der Umfang sich aus dem Mietverhältnis ergebender Pflichten und damit der Vertragsinhalt im Streit. Der Zuständigkeitsstreitwert bestimmt sich daher gem. § 3 ZPO nach dem klägerischen Interesse an einer dahingehenden Versorgung. Dieses entspricht wertmäßig dem Betrag einer möglichen Mietminderung und sollte daher wie der Gebührenstreitwert – nach der Neufassung des § 41 Abs. 5 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.) – mit dem Jahresbetrag einer angemessenen Minderung beziffert werden.3

3901

Die Klage des Versorgungsträgers auf Duldung der Unterbrechung bzw. Wegnahme erforderlicher Mess- und Regeleinrichtungen ist keine mietrechtliche Streitigkeit und daher gem. §§ 3, 6 ZPO zu bewerten. Zutreffend dürfte sein, auf das Interesse des Versorgungsunternehmens abzustellen, gegenüber seinem Kunden, der in Zahlungsverzug geraten ist, nicht weiter in Vorleistung 1 BGH, Beschl. v. 12.6.1992 – XII ZR 30/91, WuM 1991, 562. 2 KG, JurBüro 1969, 166. 3 So schon zum alten Recht LG Hamburg, Beschl. v. 9.10.1991 – 311 T 128/91, JurBüro 1994, 116; vgl. auch AG Kerpen, Urt. v. 6.6.1990 – 3 C 267/90, MDR 1990, 928: Duldung eines Wasseranschlusses – 1/2 des Jahresnutzungsentgelts.

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Mietstreitigkeiten treten zu müssen und die Entnahme weiterer Versorgungsleistungen bis zur Zahlung der Rückstände zu verhindern.1 Dies auch dann, wenn die Unterbrechung der Versorgung – aus technischen Gründen – mit einer Wegnahme von Mess- und Regeleinrichtungen verbunden ist.2 Dies gilt jedoch nur, wenn die Klage allein auf die Unterbrechung der Versorgung abzielt. Will sich das Versorgungsunternehmen zum Zwecke der Erneuerung oder Reparatur in den Besitz der Mess- und Regeleinrichtungen bringen, ist auf deren Verkehrswert abzustellen. Ausführlich zur Bewertung unter dem Stichwort „Energie- und Wasserversorgung“. Erhaltung S. unter „Modernisierung“.

3902

Ersatzmieter Nach § 3 ZPO ist der Streitwert festzusetzen, wenn die Frage streitig ist, ob der Kläger berechtigt ist, aus einem bestehenden Mietverhältnis auszuscheiden und einen Dritten als Mieter an seine Stelle treten zu lassen. In diesem Fall ist der Dritte am Mietverhältnis noch nicht – auch nicht mittelbar – beteiligt.3

3903

Feststellung Bei Feststellungsklagen, die den Bestand oder die Dauer eines Miet-, Pachtoder ähnlichen Nutzungsverhältnisses zum Gegenstand haben, bemisst sich der Streitwert gem. § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) nach dem Betrag des auf die streitige Zeit entfallenden Mietzinses, wenn der einjährige Zins geringer ist, nach diesem.

3904

So beispielsweise für ein auf Feststellung gerichtetes Klagebegehren, dass ein Mietverhältnis infolge fristloser Kündigung seit einem bestimmten Tag nicht mehr besteht. Das gilt auch dann, wenn feststeht, dass es inzwischen auch ohne diese Kündigung an einem späteren Tage beendet gewesen wäre.4

3905

1 OLG Celle, Beschl. v. 23.2.2010 – 13W 17/10, juris; OLG Hamburg, Beschl. v. 17.1.2008 – 14 W 3/08, ZMR 2008, 891; OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2005 – 5 W 161/05, ZMR 2006, 208; OLG Oldenburg, Beschl.v. 22.10.2009 – 5 W 54/09, MDR 2009, 1407 = NZM 2010, 135; OLG Schleswig, Beschl. v. 2.2.2009 – 14 W 6/09, NZM 2009, 680 = NJW-RR 2010, 14; LG Hamburg, Beschl. v. 16.4.2004 – 309 T 39/04, ZMR 2004, 586; LG Koblenz, Beschl. v. 10.11.2006 – 14 T 7/06, n.v: bei einstw. Verfügung 1/2 Jahresvorauszahlungsbetrag; AG Hamburg-Bergedorf, Beschl. v. 30.12.2003 – 409 C 550/03, ZMR 2004, 273; AG Neuruppin, Beschl. v. 28.7.2005 – 42 C 109/05, WuM 2005, 596. 2 Zutr. LG Hamburg, Beschl. v. 16.4.2004 – 309 T 39/04, ZMR 2004, 586; LG Koblenz, Beschl. v. 10.1.2006 – 14 T 7/06, n.v.; AG Hamburg-Bergedorf, Beschl. v. 30.12.2003 – 409 C 550/03, ZMR 2004, 273; AG Neuruppin, Beschl. v. 28.7.2005 – 42 C 109/05, WuM 2005, 596; a.A. AG Königstein, Beschl. v. 25.4.2003 – 21 C 261/03, NZM 2003, 616 = NJW-RR 2003, 949: Verkehrswert der Messeinrichtung; AG Nürnberg, Urt. v. 22.2.2001 – 20 C 567/01, NZM 2002, 144 = NJW-RR 2002, 430. 3 OLG Hamburg, OLGE 37, 82. 4 BGH, MDR 58, 601; OLG Frankfurt, MDR 67, 313; LG Würzburg, JurBüro 1977, 705.

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Mietstreitigkeiten 3906

Ebenfalls nach § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) und nicht nach § 3 ZPO richtet sich der Wert einer Klage auf Feststellung, ob bei einem Mietoder Pachtverhältnis ein einzelner Kündigungsakt wirksam ist.1

3907

Da nach § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) der Gebührenstreitwert für sämtliche Streitigkeiten über den Bestand oder die Dauer pauschaliert bemessen wird, ist bei entsprechenden positiven Feststellungsklagen entgegen der sonstigen Wertung kein Abschlag von dem sich ergebenden Wert zu machen.2

3908

Gem. § 9 ZPO ist zu bewerten, beim Gebührenstreitwert über § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.), wenn bei einem Mietverhältnis von unbestimmter Dauer auf Feststellung geklagt wird, dass der Mieter (keine) Miete schuldet.3

3909

Richtet sich das Feststellungsbegehren auf die (fehlende) Berechtigung zur Mietminderung ist gem. § 3 ZPO zu schätzen, wobei – ebenso wie im Fall der Klage auf Zahlung zukünftigen Mietzinses4 – der Streitwert (und die Beschwer) wegen § 9 ZPO auf den 42-fachen Minderungsbetrag begrenzt ist, wenn dieser niedriger ist.5 Der übliche Feststellungsabschlag von 20 % ist nur bei der Feststellungsklage des Vermieters geboten, da die Feststellung der Minderungsberechtigung der negativen Feststellungsklage gleichsteht.

3910

Für die Klage auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung einer erhöhten Miete bei einem Mietvertrag von unbestimmter Dauer gilt jetzt § 41 Abs. 5 GKG (§ 16 Abs. 5 GKG a.F.) – früher erfolgte eine Bewertung nach § 3 ZPO.6 Der Wert bestimmt sich nach dem Jahresbetrag des Erhöhungsbetrages.

3911

Auch sind die Werte von Feststellungsklage und daneben erhobener Klage auf Zahlung bereits rückständiger Miete zu addieren, wenn Feststellung erst den an Zahlung anschließenden Zeitraum erfasst, § 5 ZPO.7 Hausordnung

3912

Begehrt der klagende Mieter eine Änderung der Müllcontainerordnung, weil ihn das Herausstellen der Müllcontainer bereits am Vorabend der Leerung stört, sind nach LG Köln8 Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nach dem Jahresbetrag einer möglichen Minderung zu beziffern.

1 OLG Celle, MDR 1958, 167. 2 BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, NZM 2005, 944 = NJW-RR 2006, 16; Beschl. v. 13.5.1958 – VIII ZR 16/58, NJW 1958, 1291 = Rpfleger 1958, 215 = JurBüro 1958, 295; OLG Bamberg, Beschl. v. 13.7.1984 – 5 W 59/84, JurBüro 1985, 1359; KG, Rpfleger 1962, 118; OLG Hamburg, Rpfleger 1958, 36; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.7.1987 – 10 W 78/87, JurBüro 1988, 227. 3 BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, NZM 2005, 944 = NJW-RR 2006, 16; Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 248/04, MDR 2005, 1101 = NJW-RR 2005, 938: § 9 ZPO; ebenso OLG Zweibrücken, KostRsp. GKG a.F. § 12 Nr. 22; abweichend OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 34: Schätzung nach § 3 ZPO. 4 BGH, Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 248/05, MDR 2005, 1101 = ZMR 2005, 535 = NZM 2005, 119 = NJW-RR 2005, 938 = GuT 2005, 179. 5 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, MDR 2004, 1437 = AGS 2004, 249. 6 Vgl. OLG Celle, JurBüro 1967, 598. 7 LG Hamburg, WuM 1996, 287 = ZMR 1996, 39. 8 Beschl. v. 31.5.1990 – 1 S 46/90, WuM 1990, 394.

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Mietstreitigkeiten Hausteil Wird die Räumung eines Hausteiles verlangt, ohne dass ein Miet- oder ähnliches Rechtsverhältnis besteht, dann bietet der Wert der ganzen Sache einen Anhalt für die Bemessung des Wertes eines Hausteiles.1 Hierbei kann der Wert eines Sachteiles jedoch nicht schlechthin nach dessen Verhältnis zum Ganzen errechnet werden, vielmehr ist er regelmäßig geringer.2

3913

Heizkosten S. unter „Nebenkosten“.

3914

Hilfsantrag Wird neben dem Antrag auf Feststellung des Bestehens eines Mietvertrages hilfsweise die Verurteilung zum Abschluss eines Mietvertrages mit gleichem Inhalt beantragt, so ist für die Streitwertbemessung der höhere Wert des Hilfsantrages maßgebend, wenn über ihn entschieden wird, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.). Hierbei ist der vorbezeichnete Hilfsantrag gem. § 3 ZPO nach dem klägerischen Interesse zu bewerten. Dieses entspricht jedoch nicht der Summe aller Mietzinsen, die während der Dauer der ganzen Vertragszeit anfallen würden.3 Zu den Einzelheiten der Bewertung s. unter dem Stichwort „Vertragsabschluss“.

3915

Instandsetzung Der Gebührenstreitwert für Ansprüche des Wohnraummieters auf Vornahme von Instandhaltungsmaßnahmen bestimmt sich nach der Neufassung von § 41 Abs. 5 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.) nach dem Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung, soweit das Mietverhältnis nicht vor dem Ablauf eines Jahres endet.4 – s. zu den Einzelheiten oben Rn. 3803.

3916

Fraglich ist, ob sich der Jahresbetrag immer nach dem 12-fachen des monatlich angemessenen Minderungsbetrages bemisst. Dies wurde schon nach altem Recht für Mängel verneint, die sich ihrer Natur nach nur auf bestimmte Monate eines Jahres auswirken, beispielsweise bei Mängeln der Heizungsversorgung. So wurde bei Klagen auf Behebung von Beheizungsmängeln für die Ermittlung des Jahresbetrages auf die (siebenmonatige) Dauer der Heizperiode abgestellt.5

3917

1 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 12; Hillach/Rohs, § 30 III, S. 144. 2 OLG Schleswig, SchlHA 1967, 184. 3 OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 685: 3-facher Betrag der Jahresmiete; Meyer, § 41 Rn. 22. 4 So schon zum alten Recht: OLG Hamm, Beschl. v. 15.8.2000 – 7 W 9/00, OLGR 2001, 37; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.3.2003 – 4 W 8/02, OLGR 2003, 260 = AGS 2003, 408 = SchlHA 2004, 31; LG Hamburg, Beschl. v. 9.10.1991 – 311 T 128/91, JurBüro 1994, 116; LG Göritz, Beschl. v. 25.3.1994 – 2 T 34/94, WuM 1994, 380 – einstweilige Verfügung. 5 OLG Schleswig, Beschl. v. 28.3.2003 – 4 W 8/02, OLGR 2003, 260 = AGS 2003, 408 = SchlHA 2004, 31; LG Berlin – 64 T 69/93 – GE 1993, 861; LG Berlin, Beschl. v. 4.6.1993 – 64 T 69/93; Beschl. v. 5.2.1999 – 63 S 280/98, Grundeigentum 1999, 717: bei fehlender Beschattung des Mietobjekts nur Sommermonate.

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Mietstreitigkeiten 3918

Dem ist nicht zuzustimmen, da die Bewertung nach der Höhe des jeweiligen Jahresbetrages der pauschalierten Erfassung von Mieterhöhungs-, Instandsetzung- oder zustandsbezogenen Duldungsansprüchen dient. Sie beruht, wie schon die Miterfassung der Mieterhöhungsansprüche zeigt, nicht auf der Annahme, dass mit dem Jahresbetrag die vermögensrechtliche Relevanz der Ansprüche realitätsnah abgebildet wird. Daher kommt es nicht darauf an, ob der zugrunde liegende Mangel zu einer Beeinträchtigung über einen Zeitraum von 12 Monaten geeignet ist. Inventar

3919

Für den Anspruch des Verpächters, der Pächter habe die Entfernung von Inventar zu unterlassen, ist das Interesse des Verpächters am Verbleiben der Inventarstücke auf dem Pachtgrundstück maßgebend. Für eine Bewertung nach § 6 ZPO ist kein Raum, weil der Streit nicht um den Besitz oder das Eigentum, sondern nur um den Verbleib der Sachen geht. Es muss deshalb nach §§ 3 ff. ZPO geschätzt werden, wobei von dem Schaden auszugehen ist, der dem Verpächter droht, wenn das Inventar entfernt wird. Jagdpachtvertrag

3920

Bei der Entgeltberechnung ist eine etwaig vereinbarte Waldwildschadenspauschale zu berücksichtigen, da es sich dabei um eine vertraglich geschuldete Gegenleistung handelt.1

3921

Streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung, bestimmt sich der Gebührenstreitwert nach § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.), sodass der Betrag des einjährigen Entgelt maßgebend ist. § 8 ZPO gelangt nur für den Zuständigkeitsstreitwert und die Beschwer zur Anwendung.2 Kaufanwartschaft

3922

Der Wert eines Streites darüber, ob aufgrund der Bestimmungen eines Kaufanwartschafts- und Bewerbervertrages die Beklagten zur Räumung des Grundstückes verpflichtet sind, ist unter Berücksichtigung des in § 41 Abs. 2 Satz 1 GKG (§ 16 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F.) enthaltenen und weit auszulegenden sozialen Grundgedankens nach dieser Vorschrift zu bemessen. Daher ist der einjährige Nutzungsbetrag maßgebend und § 6 ZPO unanwendbar.3 Kaution

3923

S. unter „Mietsicherheit“.

1 BGH, Beschl. v. 17.11.1961 – V ZR 15/61, JurBüro 1962, 87 = MDR 1962, 293 = NJW 1962, 446; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.2.2005 – 10 W 398/04, Jagdrechtliche Entscheidungen III Nr. 172. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 10.2.2005 – 10 W 398/04, Jagdrechtliche Entscheidungen III Nr. 172. 3 OLG Köln, JMBl.NW 1974, 69 = MDR 1974, 323; JurBüro 1978, 1054; OLG Saarbrücken, KostRsp. GKG a.F. § 12 Nr. 64; LG Braunschweig, BlGBW 1968, 34.

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Mietstreitigkeiten Kellerräumlichkeiten (Nebenräume) Streiten die Parteien über die Einbeziehung von Kellerräumlichkeiten in den Wohnungsmietvertrag beläuft sich der Streitwert nach dem Nutzwert des Raumes.1

3924

Dies gilt auch für das auf Nebenräume beschränkte Räumungsverlangen nach entsprechender Teilkündigung. Hier ist der (flächenmäßig zu bestimmende) Mietzinsanteil im Verhältnis zum Gesamtmietzins zugrunde zu legen.2 In gleicher Weise ist zur Bestimmung des Umfangs der Mietminderung zu verfahren, wenn dem Mieter die (vertraglich geschuldete) Mitbenutzung des Fahrradkellers entzogen wird.3 Kleingarten Auf Verträge, die (in der DDR) zum Zwecke der kleingärtnerischen Nutzung geschlossen worden sind, finden gem. § 6 Abs. 1 SchuldRAnpG bzw. § 4 Abs. 1 BKleingG die Bestimmungen des BGB über die Miete oder Pacht bzw. der Pacht Anwendung, soweit das Schuldrechtsanpassungsgesetz nicht etwas Abweichendes bestimmt. Ist der Bestand oder die Dauer des Nutzungsvertrages streitig, richtet sich der Zuständigkeitsstreitwert und die Beschwer nach § 8 ZPO. Beruft sich der Nutzungsberechtigte darauf, dass der Vertrag auf Lebenszeit geschlossen worden sei, gelangt (für die Bestimmung der streitigen Zeit) § 9 ZPO zur Anwendung.4 Steht allein die rechtliche Einordnung eines zwischen den Parteien unstreitigen Pachtverhältnisses im Streit, kann dessen Wert den eines Streits über den Bestand des Nutzungsverhältnisses nicht übersteigen.5

3925

Konkurrentenschutz Klagt der Mieter gegen den Vermieter auf Unterlassung, anderweitig noch vorhandene Räumlichkeiten an einen Konkurrenten zu vermieten, bemisst sich der Streitwert gem. §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO nach dem bei Verletzung einer Konkurrentenschutzklausel drohenden voraussichtlich entgehenden Gewinn. Der maßgebliche Zeitraum bestimmt sich bei befristeten Mietverhältnissen nach der noch bevorstehenden Vertragsdauer und bei einer Befristung nach dem für den Vermieter nächstmöglichen Kündigungstermin, in beiden Fällen begrenzt auf das 3,5-fache des Jahresmietbetrages (arg. § 9 ZPO). Für eine zusätzliche Berücksichtigung eines an der Mangelhaftigkeit der Mietsache (fehlende Konkurrenzfreiheit) orientiertes Minderungs- oder Schadens1 LG Hamburg, Beschl. v. 24.2.1993 – 307 S 7/93, WuM 1993, 416 – Beschwer. 2 LG Hamburg, Beschl. v. 3.4.1991 – 311 S 22/91, WuM 1992, 145; AG Hamburg, Urt. v. 9.3.1994 – 40b C 2079/93, WuM 1993, 433; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 12. 3 AG Menden, Urt. v. 7.3.2007 – 4 C 407/06, NZM 2007, 883 = WuM 2007, 190: hier 2,5 %. 4 BGH, Beschl. v. 17.12.2009 – III ZR 66/09, MDR 2010, 355 = NZM 2010, 255 = JurBüro 2010, 201 (Ls); Beschl. v. 2.10.2007 – III ZB 47/07, NZM 2008, 461 = WuM 2007, 639; Beschl. v. 16.2.2005 – XII ZR 46/03, WuM 2005, 350 = ZMR 2005, 933 = NJ 2005, 369; Beschl. v. 30.1.1997 – III ZR 206/96, BGHR ZPO § 8 Räumungsklage Nr. 8. 5 BGH, Beschl. v. 17.12.2009 – III ZR 66/09, MDR 2010, 355= NZM 2010, 255 = JurBüro 2010, 201 (Ls).

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Mietstreitigkeiten ersatzinteresse besteht schon unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Identitat kein Raum.1 Kündigung 3927

Kündigungen sind häufig Gegenstand von Feststellungsanträgen (§ 256 ZPO). Hier ist bereits fraglich, ob bereits die Wirksamkeit einer Gestaltungserklärung ein Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 ZPO darstellt oder sich das Feststellungsbegehren vielmehr positiv oder negativ zur Gestaltungswirkung einer derartigen Erklärung verhalten muss. Nach Ansicht des BGH kommt nicht die Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung, sondern – ggf. nach Umdeutung eines darauf gerichteten Klageantrages – nur die Feststellung auf Fortbestand des Mietverhältnisses in Betracht.2 Zur Bewertung dahingehender Feststellungsklagen s. unter „Feststellung“ und allgemein unter dem Stichwort „Feststellungsklage“.

3928

Der Gegenstandswert einer auf Abgabe der Kündigungserklärung eines Mietverhältnisses gerichteten anwaltlichen Tätigkeit ist nach dem Wert der Räumungsklage, mithin nach § 41 Abs. 2 GKG zu bemessen, da beide auf den Rückerhalt der Mietsache gerichtet sind (und damit den gleichen Gegenstand betreffen).3

3929

Bei der Wertberechnung derartiger Fälle bleibt aber zu beachten, dass der Streit über die Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung nicht zwangsläufig bedeutet, dass die Parteien zugleich über die Wirksamkeit der damit regelmäßig zugleich erklärten ordentlichen Kündigung streiten. Dieser Umstand ist in der im Einzelfall notwendigen Bestimmung der „streitigen Zeit“ Rechnung zu tragen. Deshalb ist in einem solchen Fall lediglich der Differenzbetrag zwischen diesen Kündigungszeiträumen anzusetzen, sofern er unterhalb der Jahresfrist des § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) liegt (s. oben Rn. 3707, 3766).

3930

Stützt der Vermieter seine Räumungsklage auf mehrere Kündigungen, bleibt in der Regel der Jahresbetrag (§ 41 Abs. 2 Satz 1 GKG entspricht § 16 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F.) wertbestimmend. Zwar handelt es sich, wenn den Kündigungserklärungen im Wesentlichen verschiedene Sachverhalte zugrunde liegen, um eine objektive Klagehäufung.4 Da beide Streitgegenstände jedoch auf den Rückerhalt derselben Mietsache gerichtet sind, steht einer Wertaddition die wirtschaftliche Identität der prozessualen Ansprüche entgegen.5 Das 1 BGH, Beschl. v. 9.8.2006 – XII ZR 165/05, AGS 2006, 559 = NJW 2006, 3060; KG, Rpfleger 1962, 154; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.3.1993 – 10 W 36/93, JurBüro 1994, 243 = ZMR 1993, 377; a.A. zur ergänzenden Berücksichtigung der Mietminderung und Schadensersatzes aufgrund der Konkurrenz OLG Düsseldorf, Beschl. 18.7.2005 – 24 W 33/05, NZM 2006, 158 = ZMR 2006, 275. 2 BGH, Urt. v. 29.9.1999 – XII ZR 313/98, MDR 2000, 79 = NJW 2000, 354; Zöller/ Greger, § 256 ZPO Rn. 3; a.A. MünchKomm.ZPO/Becker-Eberhard, § 256 Rn. 15. 3 Zutr. BGH, Urt. v. 14.3.2007 – VIII ZR 184/06, NJW 2007, 2050; Hartmann, § 23 RVG Rn. 8; Peter, NJW 2007, 2298, 2301. 4 OLG Brandenburg, Urt. v. 24.2.2010 – 3 U 112/09, juris; vgl. auch BGH, Beschl. v. 23.7.1993 – VIII ZB 22/93, NJW-RR 1994, 61: Klageänderung bei Wechsel von einer Kündigung zur anderen. 5 Insoweit zutr. OLG Brandenburg, Urt. v. 10.10.2007 – 3 U 64/07, ZMR 2008, 361; OLG München, Beschl. v. 9.7.2001 – 5 W 1857/01, NZM 2001, 749 = NJW-RR 2002, 521; Bub/Treier/Fischer, VIII Rn. 226; Meyer, § 41 Rn. 22.

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Mietstreitigkeiten schließt es jedoch nicht aus, für eine gerechte Kostengrundentscheidung einen sog. fiktiven Streitwert zu bilden und die Kosten nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegen nach diesem Streitwert zu verteilen. So etwa, wenn dem Mieter zunächst wegen einer (in der Beweisaufnahme nicht nachweisbaren) schwerwiegenden Störung des Hausfriedens und nachfolgend wegen erheblichen Mietzinsrückstandes gekündigt worden ist. Ist die Wirksamkeit einer Kündigung nur als Vorfrage für die Entscheidung eines Räumungsbegehrens von Bedeutung, bestimmt sich der Streitwert gem. § 41 Abs. 2 Satz 1 GKG (§ 16 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.) nach dem Jahresentgelt, wenn nicht die „streitige Zeit“ geringer ist.

3931

Fehlt es demgegenüber an einem Streit der Parteien über die Wirksamkeit der Kündigung, unabhängig davon, ob sie ordentlich oder außerordentlich erklärt worden ist, räumt der Beklagte aber dennoch nicht, dann ist gem. § 41 Abs. 2 Satz 1 GKG (§ 16 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F.) der Jahresbetrag anzusetzen. Denn für das Räumungsverlangen ist der Jahresbetrag auch dann maßgebend, wenn über die Beendigung des Nutzungsverhältnisses selbst kein Streit besteht.

3932

Klagt ein Mitmieter gegen einen anderen auf Zustimmung zur gemeinsamen Kündigung des Mietverhältnisses, bestimmt sich der Streitwert der auf Abgabe einer Willenserklärung gerichteten Klage nach § 3 ZPO. Maßgebend ist das klägerische Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses. Ist es auf den alleinigen Erhalt der Wohnung gerichtet, dürfte eine Jahresmiete anzusetzen sein.1

3933

Kündigungsmöglichkeit Bei einer Klage auf Feststellung, ob der bei einem Vertrag von unbestimmter Dauer vereinbarte Kündigungsverzicht wirksam ist oder ein Mietvertrag von bestimmter Dauer bereits vor seinem Ablauf ordentlich gekündigt werden kann, ist § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) und nicht § 3 ZPO einschlägig.2 In beiden Fällen steht zwar der Bestand des Mietvertrages außer Streit, nicht jedoch seine zeitliche Bindungswirkung, mithin die Dauer des Mietverhältnisses.3 Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass die Kündigung bereits ausgesprochen worden ist, da dies auf den materiell-rechtlichen Kern des Streits keinen Einfluss hat. Angesichts der sozialen Schutzfunktion des § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) ist auch nicht erkennbar, warum es wertmäßig einen Unterschied machen soll, ob der Mieter eine drohende Kündigung erst abwartet oder bereits vorab eine gerichtliche Klärung sucht. Daher müsste selbst bei Anwendung des § 3 ZPO die Wertvorgabe des § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) mittelbar berücksichtigt werden.4

1 KG, Beschl. v. 30.3.1992 – 2 W 1331/92, WuM 1992, 323 = NJW-RR 1992, 1490. 2 OLG Köln, Beschl. v. 20.12.1984 – 8 W 15/84, KostRsp. GKG § 16 Nr. 36 mit zust. Anm. E. Schneider; a.A. OLG Frankfurt, MDR 1967, 313; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 88. 3 Ebenso für den Streit über eine Verlängerungsoption OLG Hamburg, Beschl. v. 15.12.1993 – 4 W 63/93, WuM 1994, 553. 4 Vgl. E. Schneider, Anm. zu KostRsp. GKG § 16 Nr. 36.

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Mietstreitigkeiten Künftige Mietzahlung 3935

Ist die Klage auf Zahlung von Miet- oder Pachtzins gerichtet, bestimmen sich Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert, im letztgenannten Fall über § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.), gem. § 6 ZPO nach dem bezifferten Klagebetrag, unabhängig, ob es sich hierbei um rückständiges oder künftiges Nutzungsentgelt handelt,1 und nicht nach § 8 ZPO, § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.). Dies gilt auch dann, wenn (allein) der Bestand des den Zahlungsanspruch begründenden Mietverhältnisses im Streit steht.2

3936

Nach § 9 ZPO (für den Gebührenstreitwert über § 48 Abs. 1 GKG) ist zu bewerten, wenn die Zahlungsklage auf einem Streit über die Berechtigung zur Mietminderung oder Mieterhöhung beruht. Für eine Beschränkung des Streitwerts auf den Jahresbetrag gem. § 41 Abs. 5 GKG (entspricht zum Teil § 16 Abs. 5 GKG a.F.) ist bereits nach dessen Wortlaut kein Raum.3 Denn der Anspruch „auf“ (Zustimmung zur) Erhöhung der Miete ist mit dem Anspruch „aus“ der Mieterhöhung nicht identisch. § 41 Abs. 5 GKG (§ 16 Abs. 5 GKG) privilegiert gebührenrechtlich allein den Streit um die Mieterhöhung und nicht über die sich daraus ergebenden wiederkehrenden Verpflichtungen.

3937

Angesichts der bei § 259 ZPO erforderlichen Bezifferung der Einzelleistung, d.h. der monatlichen Bruttomiete, ist eine Unterscheidung zwischen Nettogrundentgelt und Nebenkosten (§ 41 Abs. 1 Satz 2 GKG) entbehrlich. Die Nebenkosten stellen auch keine Kosten i.S.v. § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG (§ 22 Abs. 1 GKG) dar, mit denen nur Aufwendungen anlässlich der Geltendmachung der Hauptforderungen gemeint sind.

3938

Wird ohne Bezifferung des Gesamtbetrages auf Zahlung künftiger Miete oder Pacht geklagt, sind § 8 ZPO und § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) nicht anwendbar. Vielmehr ist zu unterscheiden: – Handelt es sich um ein Nutzungsverhältnis von bestimmter Dauer, ist der Wert (über § 48 Abs. 1 GKG) nach § 9 ZPO auf den 3,5-fachen Jahresbetrag und nach der Höhe der insgesamt noch fällig werdenden Miet- oder Pachtzahlungen begrenzt, wenn dieser Betrag niedriger ist. Hinzuzurechnen sind immer die bei Klageerhebung bereits aufgelaufenen Rückstände.4 1 BGH, Beschl. v. 11.8.2004 – XII ZR 101/01, NZM 2004, 824; Beschl. v. 16.1.1985 – VIII ZR 112/84, KostRsp. GKG § 16 Nr. 39 mit Anm. Schneider; OLG Bamberg, Beschl. v. 19.11.1984 – 3 W 100/84, JurBüro 1985, 589; OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 34; OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.2.1997 – 3 W 3/97, WuM 1997, 278 = NJW-RR 1997, 1303 = NJWE-MietR 1997, 277 = Justiz 1997, 167. 2 BGH, Beschl. v. 19.6.2002 – XII ZR 5/02, NZM 2002, 736 = NJW-RR 2002, 1233; OLG München, Beschl. v. 3.3.1997 – 15 W 2857/96 OLGR 1997, 107; Meyer, § 41 Rn. 8; Zöller/Herget, § 8 Rn. 4; a.A. KG, Beschl. v. 1.7.2009 – 8 W 59/09, JurBüro 2009, 538 = MDR 2009, 315 = DWW 2009, 1135 – künftige Nutzungsentschädigung analog § 41 Abs. 5 GKG; ähnlich LG Berlin, Beschl. v. 7.8.2009 – 63 T 138/09, Grundeigentum 2009, 1317 – Bewertung nach § 3 ZPO, jedoch in „einfach gelagerten Fällen“ Begrenzung auf Jahresbetrag. 3 LG Berlin – 65 T 73/02, ZMR 2003, 264 = AGS 2003, 463; a.A. LG Köln, Beschl. v. 19.1.1999 – 1 T 496/98, JurBüro 1999, 305 = AGS 1999, 74; Hartmann, § 41 Rn. 37 unter Verweis auf den sozialen Regelungszweck des § 41 GKG. 4 OLG Stuttgart – 13 W 3/97 – WuM 1997, 278 = NJW-RR 1997, 1303 = NJWE-MietR 1997, 277 = Justiz 1997, 167.

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Mietstreitigkeiten – Ist die Dauer des Nutzungsverhältnisses unbestimmt, bemisst sich der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert (zumindest seit Neufassung in 1993) nach § 9 ZPO auf den 3,5-fachen Jahresbetrag zuzüglich bei Klageerhebung bereits aufgelaufener Rückstände.1 – Ist die Zahlungsverpflichtung hingegen unstreitig und geht es dem Kläger wirtschaftlich allein darum, drohenden Zinsverlusten durch zögerliche Zahlungen vorzubeugen und der lästigen Überweisungskontrolle enthoben zu werden, dann ist eine geringere Bewertung vertretbar.2 Künftige Nutzungsentschädigung Klagt der Vermieter nach unstreitiger Kündigung des Mietverhältnisses auf Zahlung von Nutzungsentschädigung bis zur Herausgabe, bemisst sich der Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO.3 Für eine Anwendung von § 9 ZPO fehlt es aufgrund des beendeten Mietverhältnisses an einem Stammrecht.

3939

In einfach gelagerten Fällen kann der zu erwartende Zeitraum zwischen klageweiser Geltendmachung der Nutzungsentschädigung und voraussichtlicher Räumung auf 6 Monate geschätzt werden.4

3940

Ebenso ist nach § 3 ZPO zu bewerten, wenn entgangener Gewinn als Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend gemacht wird. Auch hier fehlt es für § 9 ZPO an einem Stammrecht, das auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen gerichtet ist. Vielmehr handelt es sich um einen Anspruch auf Ersatz eines bereits eingetretenen Schadens, dessen Höhe lediglich noch nicht feststeht.5

3941

Mängelbeseitigung S. unter „Instandsetzung“.

3942

Medien (Rundfunk, Fernsehen, Telefon) S. unter „Duldung“ und „Parabolantenne“.

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Mietausfall Klagt der Vermieter auf Ersatz künftigen Mietausfalls, bestimmt sich der Wert gem. § 3 ZPO nach der Höhe des nach der Vertragslaufzeit entgangenen Ge1 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00 = BGHR 2004, 1055 = JurBüro 2004, 378 = MDR 2004, 1437 = WuM 2004, 368 = ZMR 2004, 494 = NZM 2004, 423 = AGS 2004, 249 = BGHR ZPO § 3 Gebührenstreitwert Nr. 1; a.A. Vorauflage: nur bei Verträgen auf Lebenszeit; LG Hamburg, Beschl. v. 4.8.1975 – 11 T 17/75, ZMR 1977, 63: Schätzung nach § 3 ZPO. 2 AG Kerpen, Urt. v. 5.4.1991 – 22 C 32/91, KostRsp. GKG § 16 Nr. 73 mit Anm. E. Schneider = WuM 1991, 439 mit Anm. N. Schneider: 1/5 des Jahresmietzinses. 3 KG, Beschl. v. 22.5.2000 – 20 W 3878/00, KGR 2000, 234; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.2.2004 – 2 W 3/04, OLGR 2004, 201. 4 LG Berlin, Beschl. v. 24.1.2005 – 62 T 12/05, Grundeigentum 2005, 237; KG, Beschl. v. 22.5.2000 – 20 W 3878/00 – KGR 2000, 234; a.A. OLG Bamberg, JurBüro 1981, 1047; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.2.2004 – 2 W 3/04, OLGR 2004, 201: Jahresbetrag gem. § 16 Abs. 1 GKG a.F. 5 BGH, Beschl. v. 11.8.2004 – XII ZR 101/01, NZM 2004, 824.

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Mietstreitigkeiten winns. Eine Bewertung nach § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) analog steht entgegen, dass der Bestand des Mietverhältnisses, etwa weil sich der Beklagte auf eine Kündigung beruft, nicht Gegenstand des prozessualen Anspruch ist. Für eine Anwendung von § 9 ZPO fehlt es an der Geltendmachung eines Rechts, das auf wiederkehrende Leistungen gerichtet ist, denn mit der Klage beansprucht der Kläger Ersatz eines bereits eingetretenen Schadens, dessen Höhe lediglich noch nicht feststeht.1 Miete (Mietzins) 3945

Ist die Klage auf Zahlung rückständiger Miete gerichtet, bestimmen sich Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert (über § 48 Abs. 1 GKG), gem. § 6 Satz 1 ZPO nach dem bezifferten Klagebetrag2 und nicht nach § 8 ZPO, § 41 GKG (§ 16 GKG a.F). Dies gilt auch dann, wenn (allein) der Bestand des den Zahlungsanspruch begründenden Mietverhältnisses im Streit steht.3

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Den Wert einer Klage des Mieters auf Auskunft über die Zusammensetzung einer Kostenmiete nach § 29 NMVO hat das AG Köln gem. § 3 ZPO auf 500 Euro beziffert.4

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Klagt der Mieter auf Feststellung der Mietpreisüberhöhung, handelt es sich um eine negative Feststellungsklage, da über den Bestand des Anspruchs auf künftige Mietzahlung entschieden wird. Der Streitwert entspricht daher dem Wert des Zahlungsanspruchs und bemisst sich gem. § 9 ZPO auf den 3,5fachen Jahresbetrag der streitigen Mietdifferenz, wenn nicht aufgrund der bestimmten Dauer des Nutzungsverhältnisses der Gesamtbetrag der künftigen Differenzbezüge niedriger ist.5

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Der Streitwert einer Klage auf Festsetzung der ortsüblichen Miete aus einem auf bestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrag entspricht dem Unterschiedsbetrag zwischen der geforderten und der nach dem Gestaltungsurteil vom Mieter zu zahlenden Miete, berechnet auf die gesamte restliche Vertragsdauer.6

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Bei der negativen Feststellungsklage verbleibt es beim vollen Streitwert nach § 41 Abs. 5 GKG (§ 16 Abs. 5 GKG a.F.).7 Dies gilt auch, wenn die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Mieterhöhung gerichtet ist. Zu beachten bleibt, dass § 41 Abs. 5 GKG nur die Mieterhöhung für Wohnräume regelt.

1 BGH, Beschl. v. 11.8.2004 – XII ZR 101/01, NZM 2004, 824. 2 BGH, Beschl. v. 16.1.1985 – VIII ZR 112/84, KostRsp. GKG § 16 Nr. 39 mit Anm. Schneider; OLG Bamberg, Beschl. v. 19.11.1984 – 3 W 100/84, KostRsp. ZPO Nr. 741 mit Anm. E. Schneider = JurBüro 1985, 589; OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 34; OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.2.1997 – 13 W 3/97, WuM 1997, 278 = NJW-RR 1997, 1303 = NJWE-MietR 1997, 277 = Justiz 1997, 167. 3 BGH, Beschl. v. 19.6.2002 – XII ZR 5/02, NZM 2002, 736; OLG München, OLGR 1997, 107; Meyer, § 41 Rn. 8; Zöller/Herget, § 8 Rn. 4. 4 AG Köln, Urt. v. 10.5.1979 – 151 C 3027/79, WuM 1981, 283; zust. Hartmann, Anh. I § 48 GKG (§ 3 ZPO) Rn. 77. 5 BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, BGHR 2006, 75 = NZM 2005, 944 = NJWRR 2006, 16. 6 OLG München, AnwBl. 1960, 205. 7 LG Hamburg, Beschl. v. 7.8.1987 – 7 T 66/87, WuM 1989, 435; nur insoweit zutr. LG Köln, Beschl. v. 19.1.1999 - 1 T 496/98, JurBüro 1999, 305 mit Anm. Enders = AGS 1999, 74.

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Mietstreitigkeiten Für Streitigkeiten über die Mietzinshöhe für Gewerberäume verbleibt es bei der Anwendung von § 9 ZPO.1 Hingegen ist bei positiven Feststellungsklagen betreffend eine (künftig) erhöhte Mietzinsverpflichtung ein Abschlag von 20 % der Erhöhungsdifferenz geboten.2

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Geht der Kläger im Laufe eines Rechtsstreits hinsichtlich der bereits fällig gewordenen Mietbeträge von der Feststellungsklage zur Leistungsklage über, so erhöht sich der Streitwert nur um den Differenzbetrag zwischen dem Feststellungswert und dem Leistungswert, also in der Regel um 20 %.3

3951

Ist das Klagebegehren auf Unterlassung gerichtet, die Miete künftig im Lastschriftverfahren einzuziehen, soll sich der Gebührenstreitwert nach Auffassung des LG Berlin4 gem. § 9 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1GKG a.F.) auf das 3,5-fache Jahresnutzungsentgelt belaufen.

3952

Mietbürgschaft S. unter „Mietsicherheit“.

3953

Mieterschutzregelung Beruft sich der Beklagte gegenüber Kündigung und Räumungsklage auf Schutzvorschriften, die das Kündigungsrecht beschränken und ein Recht zur Fortsetzung der Nutzung begründen, so dauert die „streitige Zeit“ bis zu dem Zeitpunkt an, den derjenige, der sich auf das Nutzungsrecht beruft, als den für ihn günstigsten Zeitpunkt in Anspruch nimmt.5

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Ist die Beendigung des Nutzungsverhältnisses danach ungewiss, bestimmt sich der Wert in entsprechender Anwendung nach § 9 ZPO auf den 42-fachen monatlichen Miet- oder Pachtzins.6 Mietsicherheit (Bürgschaft, Kaution) Gem. § 551 BGB kann der Vermieter die Stellung einer Mietsicherheit von höchstens drei Nettogrundmieten beanspruchen, die bei Veräußerung der Mietsache nach § 566a BGB an den Erwerber zu übergeben ist.

3955

Klagt der Mieter auf Auskunft über die (ordnungsgemäße) Anlage der Mietsicherheit, ist gem. § 3 ZPO dessen Interesse an der Sicherung des Kautionsbetrages wertbestimmend. Das AG Neumünster7 hält hier höchstens 1/4 des anzulegenden Betrags für angemessen.

3956

1 OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.10.1995 – 3 W 23/95, NJW-RR 1996, 844 = NJWEMietR 1996, 179. 2 BGH, Beschl. v. 21.5.2003 – VIII ZB 10/03, JurBüro 2004, 207 = AGS 2003, 489 = AnwBl. 2003, 597. 3 LG Hildesheim, Nds.Rpfl. 1965, 137. 4 LG Berlin, Beschl. v. 30.10.1995 – 67 T 108/95, GE 1995, 1553. 5 BGH, Urt. v. 1.4.1992 – XII ZR 200/91, MDR 1992, 913 = NJW-RR 1992, 1359. 6 BGH, Beschl. v. 14.4.2004 –XII ZB 224/02, MDR 2004, 931 = WuM 2004, 353 = NZM 2004, 460 = AGS 2004, 390; BGH, Beschl. v. 7.11.2002 – LwZR 9/02 – BGHR 2003, 757. 7 AG Neumünster, Beschl. v. 9.5.1996 – 8 C 271/96, WuM 1996, 632.

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Mietstreitigkeiten 3957

Ebenso ist nach § 3 ZPO für die Wertfestsetzung das Sicherungs- und nicht das Leistungsinteresse maßgebend, bei einer Klage des Mieters auf Auskunft über den Verbleib einer an den vorherigen Vermieter geleisteten Mietsicherheit.1

3958

Auch für eine Klage auf ordnungsgemäße Anlage der Mietsicherheit auf einem vom Vermögen des Vermieters getrennten Konto ist das Interesse des Mieters an der Sicherung des Rückzahlungsanspruchs entscheidend. Soweit das LG Essen2 dieses unabhängig vom Insolvenzrisiko auf den Nominalbetrag beziffert, ist dem nicht zu folgen. Denn das Sicherungsinteresse entspricht nur dann dem Leistungsinteresse, wenn der Forderungsbestand durch einen drohenden Zugriff von Drittgläubigern unmittelbar gefährdet ist. Anderenfalls ist eine Bruchteilsbewertung vorzunehmen, die im Regelfall bei 1/10 der Mietsicherheit liegt.

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Klagt der Mieter auf Auszahlung der Mietsicherheit oder Herausgabe des Kautionssparbuchs, ist gem. § 6 Satz 1 ZPO der Kautionsbetrag einschließlich der bis zur Klageeinreichung (§ 4 ZPO, § 42 GKG) aufgelaufenen Zinsen wertbestimmend.3 Da die Kautionszinsen mit ihrem Anfall zugleich die Sicherheit erhöhen (§ 551 Abs. 3 Satz 4 BGB), handelt es sich nicht um Nebenforderungen i.S.v. § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG (§ 22 Abs. 1 GKG a.F.).

3960

Der Streitwert bei Inanspruchnahme aus einer Mietbürgschaft bestimmt sich gem. § 3 ZPO nach dem Leistungsantrag und nicht nach dem Jahresbetrag gem. § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.). Eine andere Bewertung lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass die Parteien über den Bestand des Mietverhältnisses und damit der Hauptschuld streiten und hierüber inzidenter mitentschieden wird.4 Denn bei Zahlungsklagen gelangen die § 8 ZPO und § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) auch dann nicht zur Anwendung, wenn allein der Bestand des Mietverhältnisses streitig ist.5

3961

Begehrt der Mieter im Wege der einstweiligen Verfügung dem Vermieter zu untersagen, eine ihm gestellte Mietbürgschaft in Anspruch zu nehmen, dann bestimmt sich der Streitwert nach Ansicht des LG Bonn6 nach einem Bruchteil des dem für den Mieter zu erwartenden Zinsschaden. Mietzins

3962

S. unter „Miete“.

1 AG Pinneberg, Beschl. v. 11.9.1989 – 65 C 185/98, WuM 1999, 337: ohne weitere Begründung 600 Euro. 2 Beschl. v. 18.7.2003 – 10 T 75/03, MDR 2004, 207 = AGS 2003, 551 mit Anm. N. Schneider. 3 LG Hamburg, Beschl. v. 8.1.1997 – 316 T 108/96, NJWE-MietR 1997, 199; LG Köln, Urt. v. 8.6.1994 – 1 S 266/94, WuM 1995, 719 = ZMR 1996, 145. 4 So aber OLG Hamburg, OLGE 15, 53; KG, OLGE 13, 71; ohne Begründung auch Hartmann, § 41 GKG Rn. 8 unter „Bürgschaft“. 5 BGH, Beschl. v. 19.6.2002 – XII ZR 5/02, NZM 2002, 736; Meyer, § 41 Rn. 8; Zöller/ Herget, § 8 Rn. 4. 6 LG Bonn, Beschl. v. 14.2.2008 – 6 T 27/08, RVGreport 2008, 317 = NZM 2008, 317: 1 /2 des Hauptsachewerts.

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Mietstreitigkeiten Minderung Gem. § 536 BGB mindert sich der Anspruch des Vermieters auf Zahlung der vereinbarten Miete kraft Gesetzes, wenn die Mietsache mit einem Fehler behaftet ist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder nicht unerheblich beeinträchtigt. Ohne Einfluss auf die Wertfestsetzung bleibt die Erhebung der rechtsvernichteten Einwendung, wenn sie auf Zahlung des ungeminderten Mietzinses erhoben wird. Denn bei bezifferten Zahlungsklagen bemisst sich der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert gem. § 6 Satz 1 ZPO nur nach dem Klagebetrag.1

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Dies gilt auch, wenn gegenüber einer Räumungsklage der Einwand erhoben wird, dass es aufgrund der Minderung an einem zur (außerordentlichen) Kündigung berechtigenden Mietrückstand fehlen würde. Auch hier bestimmt sich der Wert allein nach dem auf Räumung gerichteten Klagebegehren, mithin nach § 8 ZPO, § 41 Abs. 2 GKG (§ 16 Abs. 2 GKG a.F.).

3964

Klagt der Vermieter auf Feststellung, dass der Mieter zu einer Mietminderung nicht berechtigt ist, ist gem. § 3 ZPO der Gesamtbetrag der streitigen Kürzung wertbestimmend. Da es sich um eine positive Feststellungsklage handelt – die Miete mindert sich gem. § 536 BGB von Gesetzes wegen –, ist der übliche 20 %ige Abschlag vorzunehmen. Für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke und entsprechende Anwendung des § 41 Abs. 5 GKG ist kein Raum.2

3965

Zu beachten ist jedoch, dass der Wert der Feststellungsklage nicht über dem Wert einer auf künftige Leistung (Mietzahlung) gerichteten Klage liegen kann. Daher kann der Streitwert des vorbezeichneten Feststellungsbegehrens wegen § 9 ZPO nicht über dem 3,5-fachen Jahresbetrag der streitigen Mietdifferenz zuzüglich vor Klageerhebung aufgelaufener Rückstände liegen.3 Die zum Teil unter entsprechender Anwendung von § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) befürwortete Beschränkung auf den Jahresbetrag der möglichen Mietminderung4 überzeugt nicht. Da nach zutreffender Ansicht Zahlungsklagen weder von § 41 Abs. 1 GKG noch von § 41 Abs. 5 GKG erfasst werden, besteht auch kein Anlass, Klagen nach deren Maßstab zu bewerten, die auf Feststellung der (fehlenden) Zahlungsverpflichtung gerichtet sind.

3966

Erhebt der Mieter als Kläger oder Widerkläger Klage auf Feststellung, dass er für einen bestimmten oder unbestimmten Zeitraum wegen vorhandener Mängel zur Mietminderung berechtigt ist, ist der für positive Feststellungsklagen

3967

1 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, JurBüro 2004, 377; Beschl. v. 17.5.2000 – XII ZR 314/99, MDR 2000, 975 = NJW 2000, 3142; a.A. seit Neufassung von § 41 Abs. 5 GKG Hartmann, § 41 GKG Rn. 37. 2 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, JurBüro 2004, 378 = MDR 2004, 1437 = AGS 2004, 249: Schätzung nach § 3 ZPO mit 20%igem Abschlag und wegen § 9 ZPO begrenzt auf den 42-fachen Mietminderungsbetrag; a.A. KG, Beschl. v. 1.7.2009 – 8 W 59/09, JurBüro 2009, 538 = MDR 2009, 1135: gem. § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG analog nach dem Jahresbetrag der geltend gemachten Minderung. 3 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, JurBüro 2004, 377 = AGS 2004, 1055; WuM 2000, 427 = MDR 2000, 975 – Beschwer; LG Hamburg, Beschl. v. 11.9.1994 – 311 O 183/95, ZMR 1996, 39 = WuM 1996, 287; a.A. LG Hamburg, Beschl. v. 28.2.1989 – 16 T 19/89, WuM 1989, 430: 36-facher Minderungsbetrag – 20%iger Abschlag). 4 OLG Schleswig, Beschl. v. 28.3.2003 – 4 W 8/02, AGS 2003, 408 = SchlHA 2004, 31; Hartmann, § 41 Rn. 37.

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Mietstreitigkeiten übliche 20 %ige Abschlag nicht vorzunehmen. Zwar lautet der Urteilstenor im vorbeschriebenen Fall auf positive Feststellung, in der Sache handelt es sich jedoch um eine Verneinung des dem Vermieter (vertraglich) zustehenden Mietzahlungsanspruchs, mithin um eine negative Feststellungsklage.1 Modernisierung 3968

Bei der Klage aus § 541b BGB auf Duldung von Modernisierungsmaßnahmen für Wohnraum bestimmt sich der Zuständigkeitsstreitwert und die Beschwer gem. § 3 ZPO nach dem Interesse an der Durchführung der Modernisierung. Dieses ist wertmäßig nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag einer möglichen Mieterhöhung zu bemessen. Für den Gebührenstreitwert ist nach § 41 Abs. 5 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.) aus sozialen Gründen der Jahresbetrag der möglichen Mieterhöhung maßgeblich. Zu den Einzelheiten s. vorstehend Rn. 3807. Musterprozess

3969

Für die Beschwer ist das Interesse am konkreten Rechtsstreit entscheidend. Dass der Vermieter einen Musterprozess führen will, ist unbeachtlich.2 Nebenkosten (Betriebskosten)

3970

Nebenkosten sind alle Leistungen des Mieters, die neben dem Entgelt für die Gebrauchsüberlassung, der Grundmiete, geschuldet werden.3 Da gem. § 535 BGB mit der Miete zugleich alle mit der Gebrauchsgewährung anfallenden Nebenkosten abgegolten sind, bedarf es für deren Umlage auf den Mieter einer gesonderten Vereinbarung. Zu den Nebenkosten zählen neben den Sonderund Nebenleistungen die Betriebskosten gem. § 556 Abs. 1 BGB.

3971

Klagt der Vermieter auf Feststellung, dass neben der Miete bestimmte Nebenkosten geschuldet werden, bestimmt sich der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert (über § 48 Abs. 1 GKG) nach § 9 ZPO und entspricht daher dem 3,5fachen Jahresbetrag, wenn nicht aufgrund der bestimmten Dauer des Mietverhältnisses der Gesamtbetrag niedriger ist. Da es sich bei den Vorauszahlungen um abrechnungspflichtige Zahlungen handelt, ist das Interesse nicht immer mit dem Jahresvorauszahlungsbetrag identisch. Dieser mag jedoch einen Anhalt für die tatsächlich zu erwartenden Kosten geben.

3972

Da § 41 Abs. 5 GKG (§ 16 Abs. 5 GKG a.F.) auch Ansprüche auf Erhöhung der Betriebskostenpauschale gem. § 560 BGB (früher § 4 MHG) erfasst, ist für den Gebührenstreitwert auf den Jahresbetrag der zusätzlich geforderten Vorauszahlung abzustellen.4 Beim Zuständigkeitsstreitwert verbleibt es bei der Bemessung nach § 9 ZPO, d.h. bei dem 3,5-fachen Jahresbetrag der Differenz. 1 OLG Bamberg, JurBüro 1979, 1866. 2 LG Bonn, Beschl. v. 11.1.1993 – 6 S 416/92, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1137 mit Anm. Herget = WuM 1993, 468; LG München I, Beschl. v. 5.6.1991 – 20 S 10394/91, WuM 1992, 495; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Bezifferter Klageantrag“ Rn. 3. 3 Palandt/Weidenkaff, § 535 Rn. 87. 4 LG Bonn, Beschl. v. 14.2.1989 – 6 T 14/89, WuM 1989, 435; LG Hamburg, Beschl. v. 7.8.1987 – 7 T 66/87, WuM 1989, 435; Bub/Treier/Fischer, Handbuch der Wohn- und Geschäftsraummiete, VIII Rn. 234.

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Mietstreitigkeiten Der Wert einer Klage auf Abrechnung geleisteter Vorauszahlungen kann, wenn die (wirksame) Umlage der Nebenkosten unstreitig ist, nicht dem Vorauszahlungsbetrag entsprechen, da der Anfall von Nebenkosten (in unbekannter Höhe) nicht infrage steht. Ausgangspunkt der Wertfestsetzung ist gem. § 3 ZPO das klägerische Interesse an der Rückzahlung eines sich nach ordnungsgemäßer Abrechnung ergebenden Überschusses.1 Da das Abrechnungsverlangen insoweit einem Auskunftsverlangen gleichsteht, kommt nur eine Bruchteilsbewertung in Betracht.2

3973

Klagt der Mieter nach Abrechnung auf Einsichtnahme in die Nebenkostenbelege, sind Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert ebenfalls nach § 3 ZPO zu bestimmen. Maßgeblich ist das klägerische Interesse an der Rückzahlung möglicher Überzahlungen. Aus der Vergleichbarkeit mit einem Auskunftsanspruch ist auch hier eine Bruchteilsbewertung geboten. Diese sollte jedoch niedriger als bei einer auf Abrechnung gerichteten Klage liegen, da die Einsicht regelmäßig nur der Überprüfung einer bereits erfolgten Abrechnung dient. Angemessen ist 1/10 bis 1/5.3

3974

Dies muss entgegen LG Kiel4 auch dann gelten, wenn der Streit zum Gegenstand hat, ob der Mieter Einsicht in die Belege nur am (Wohn-)Sitz des Vermieters oder (ggfs. nach Übersendung) am Mietobjekt erhält. Zwar besteht die Differenz nur in der Tragung des zur Einsicht erforderlichen Aufwandes, jedoch dient die Einsicht auch hier der Überprüfung der vom Vermieter erstellten Abrechnung des darin ausgeworfenen Saldos. Demgegenüber bestimmt sich die Beschwer für den zur Abrechnung oder Gewährung von Belegeinsicht verurteilten Vermieter nicht nach der Höhe des erwarteten Rückzahlungsbetrages, sondern nach dem mit der Abrechnung verbundenen finanziellen und zeitlichen Aufwand.5 Auch diese Bewertung entspricht der Rechtsprechung zum Auskunftsanspruch. S. hierzu unter den Stichwörtern „Auskunftsklage“ und „Stufenklage“.

3975

Nebenleistungen Bei mietrechtlichen Streitigkeiten ist eine Streitwertfestsetzung häufig ohne Bezifferung des „einjährigen Entgelts“ (§ 8 ZPO und § 41 GKG) bzw. „einjährigen Zinsen“ (§ 16 GKG a.F.) nicht möglich. Bislang war in diesem Zusammenhang streitig, ob zum Entgelt bzw. Zins i.S. des § 8 ZPO und § 16 GKG a.F. neben der Grundmiete (Nettokaltmiete) nur Gegenleistungen für die ei1 OLG Köln, Beschl. v. 8.7.1992 – 19 U 78/92, JurBüro 1993, 165. 2 AG Witten, Urt. v. 14.2.2002 – 2 C 427/01, NZM 2003, 851: 1/3; LG Bonn, Beschl. v. 31.10.1991 – 6 T 246/91, JurBüro 1992, 117: 1/4; LG Bückeburg, Beschl. v. 13.10.1987 – 1 T 71/87, WuM 1989, 434; LG Frankfurt, Beschl. v. 14.2.2000 – 2-17 T 12/00, NZM 2000, 759: 1/3; LG Stuttgart, Beschl. v. 20.4.1988 – 2 T 238/88, WuM 1989, 434: 1/4–1/5; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 43; a.A. LG Freiburg, Beschl. v. 22.7.1991 – 2 T 48/91, WuM 1991, 504: Höhe des erfahrungsgemäß zu erwartenden Rückzahlungsanspruch. 3 LG Köln, Beschl. v. 10.3.1997 – 12 T 20/97, JurBüro 1997, 597 = MDR 1997, 894 = WuM 1997, 447 = ZMR 1997, 656 = AGS 1997, 118 mit Anm N. Schneider = AnwBl. 1997 679. 4 LG Kiel, Beschl. v. 22.12.1987 – 1 S 89/87, WuM 1988, 223. 5 OLG Köln, Beschl. v. 8.7.1992 – 19 U 78/92, OLGR 1992, 235 = JurBüro 1993, 165; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 43.

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Mietstreitigkeiten gentliche Raumüberlassung einschließlich nicht verbrauchsabhängiger Nebenkosten zählen, wie Grundsteuer, Hausversicherungen etc., oder ob weiter auch die Abgeltung zusätzlicher Leistungen des Vermieters außerhalb der Raumüberlassung dazugehören, wie die verbrauchsabhängigen Kosten für Heizung, Warmwasser etc. Zum Streitstand s. oben Rn. 3713, 3747. 3977

Mit der Aufnahme einer Entgeltdefinition in § 41 Abs. 1 GKG (ohne Entsprechung in § 16 Abs. 1 GKG) ist dieser Streit weitgehend überholt. Hiernach sind Nebenkosten, mithin sämtliche neben der Grundmiete zu erbringende Nebenleistungen, nur noch zu berücksichtigen, wenn sie pauschal und ohne Abrechnungspflicht vereinbart worden sind. Damit wird der Entgeltbegriff für das Gebührenrecht nicht mehr materiell-rechtlich, sondern abrechnungstechnisch definiert. Dies ist im Hinblick auf eine für die Beteiligten nunmehr voraussehbare und erleichterte Streitwertfestsetzung zu begrüßen.

3978

Diese gesetzgeberische Intervention sollte nicht dadurch unterlaufen werden, dass bei pauschal und nicht abrechnungspflichtigen Nebenkosten weiterhin zwischen objektbezogenen und verbrauchsabhängigen Betriebskosten unterschieden wird.1 Bei der Entgeltermittlung scheiden daher allein solche Nebenleistungen aus, die nur anlässlich der Vermietung bzw. Verpachtung vereinbart worden sind und mit der Nutzung der Miet- oder Pachtsache in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Hierzu gehört beispielsweise die (monatliche) Rückzahlung eines vom Vermieter dem Mieter zum Zwecke der Wohnungsmodernisierung gewährten Darlehens.

3979

Bis zu einer Klärung des neuen Entgeltbegriffs des § 41 Abs. 1 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.) soll die Rechtsprechung zur Einbeziehung von Nebenleistungen nach altem Recht noch dargestellt werden. Einbezogen wurden danach: – Fahrstuhlbetriebskosten,2 – Heizungskosten/Heizungskostenvorschüsse, 3 – Kaltwassergeld,4 – Kanalgebühren,5 – Müllabfuhrgebühren,6 1 So aber Hartmann, § 41 GKG Rn. 22. 2 LG Berlin, ZMR 1964, 381. 3 OLG Stuttgart, ZMR 1953, 88; KG, HuW 1955, 355; OLG Hamburg, MDR 1956, 240; OLG Oldenburg, JurBüro 1981, 1232; LG Hamburg, ZMR 1957, 180; MDR 1958, 37; LG Berlin, MDR 1962, 484; ZMR 1964, 381; LG Bielefeld, MDR 1965, 750; LG Düsseldorf, KostRsp. GKG a.F. § 12 Nr. 16; LG Mannheim, Justiz 1972, 284 = WuM 1972, 113; LG Koblenz, ZMR 1987, 23; AG Braunschweig, MDR 1984, 758; a.A. BGHZ 18, 173; LG Bonn, MDR 1957, 618; LG Hannover, Nds.Rpfl. 1974, 252; LG Saarbrücken, JurBüro 1986, 1061; LG Hagen, AnwBl. 1989, 620; LG Hamburg, JurBüro 1993, 551 = MDR 1993, 184; AG Hamburg, WuM 1972, 113; AG Hannover, MDR 1974, 412; AG Bergheim, ZMR 1982, 190. 4 OLG Hamburg, MDR 1956, 240; LG Saarbrücken, JurBüro 1986, 1061; LG Berlin, MDR 1965, 750; LG Braunschweig, ZMR 1982, 281; AG Bergheim, ZMR 1982, 190 a.A. LG Hannover, Nds.Rpfl. 1974, 252; AG Hannover, MDR 1974, 412; LG Hagen, KostRsp. GKG § 16 Nr. 63 = AnwBl. 1989, 620. 5 LG Saarbrücken, Beschl. v. 25.3.1986 – 5 T 846/85, JurBüro 1986, 1061; aufgegeben in MDR 1994, 316. 6 LG Saarbrücken, s. Fn. davor.

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Mietstreitigkeiten – Öffentliche Abgaben und Lasten, die vom Mieter vertraglich übernommen worden sind,1 – Schornsteinfegergebühren,2 – Straßenreinigung,3 – Stromgeld,4 – Treppenlicht,5 – Untermietzuschlag,6 – Warmwasserversorgung.7 Nichtigkeit Auf Räumungsklagen, denen ein Streit über ein Miet- oder Pachtverhältnis zugrunde liegt, ist § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) ohne Rücksicht auf die Klagebegründung anzuwenden, also auch dann, wenn der Räumungsanspruch auf Nichtigkeit des Miet- oder Pachtvertrages gestützt wird.8 Soweit die Gegenansicht nach § 6 ZPO bewertet, wenn sich die die Nichtigkeit begründenden Umstände (z.B. Täuschungshandlung) und die Anfechtungserklärung aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben, überzeugt das nicht. Hier werden die materiell-rechtliche Entscheidung des Rechtsstreits und seine streitwertrechtliche Beurteilung miteinander vermengt. Denn dass sich der Beklagte nach Ansicht des Gerichts zu Unrecht auf ein Nutzungsverhältnis beruft, vermag am „Streit“ über dessen Bestand nichts zu ändern.

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Nutzungsentgelt S. unter „Miete (Mietzins)“.

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Nutzungswert Wird Räumung oder Herausgabe „auch aus einem anderen Rechtsgrund“ (§ 41 Abs. 2 Satz 2 GKG entspricht § 16 Abs. 2 Satz 2 GKG a.F.) verlangt, etwa weil 1 OLG Schleswig, SchlHA 1958, 231; LG Flensburg, SchlHA 1981, 118; LG Hagen, AnwBl. 1989, 620; LG Duisburg, JurBüro 1989, 1306. 2 LG Saarbrücken, JurBüro 1986, 1061; aufgegeben in JurBüro 1994, 735 = MDR 1994, 316; LG Braunschweig, ZMR 1982, 281; LG Hagen, KostRsp. GKG § 16 Nr. 63 = AnwBl. 1989, 620; AG Bergheim, ZMR 1982, 190; LG Dresden, WuM 1994, 70; LG Hagen, WuM 1993, 478; a.A. LG Hannover, MDR 1970, 594. 3 LG Braunschweig, ZMR 1982, 281; LG Hagen, AnwBl. 1989, 620; WuM 1993, 478; LG Dresden, WuM 1994, 70; AG Bergheim, ZMR 1982, 190; a.A. LG Hannover, MDR 1970, 594. 4 LG Bielefeld, MDR 1965, 750; LG Hagen, AnwBl. 1989, 620; WuM 1993, 478; LG Dresden, WuM 1994, 70; a.A. LG Hannover, Nds.Rpfl. 1974, 252; AG Hannover, MDR 1974, 412. 5 OLG Stuttgart, 1953, 750; a.A. LG Saarbrücken, JurBüro 1994, 735 = MDR 1994, 316. 6 LG Berlin, ZMR 1964, 381. 7 LG Hamburg, MDR 1978, 37; LG Saarbrücken, Beschl. v. 25.3.1986 – 5 T 846/85, JurBüro 1986, 1061; ausgegeben in MDR 1994, 316; a.A. BGHZ 18, 173; LG Bonn, MDR 1957, 618; LG Hagen, AnwBl. 1989, 620. 8 OLG Bamberg, Beschl. v. 13.4.1981 – 4 W 93/80, JurBüro 1981, 1047; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 25; Meyer, § 41 Rn. 14 unter „Nichtigkeit“; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1955, 230.

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Mietstreitigkeiten lediglich der Beklagte das Bestehen eines Mietverhältnisses einwendet, dann ist der Nutzungswert einer Wohnung oder eines Hauses danach zu berechnen, welcher Mietzins (Nutzungsentgelt) bei vertraglicher Überlassung objektiv erzielbar wäre.1 Im Regelfall kann das Nutzungsentgelt mit dem (nach dem Vortrag des Klägers) vereinbarten Nutzungsentgelt gleichgesetzt werden.2 Anderenfalls muss – etwa unter Zuhilfenahme eines Mietspiegels – geschätzt oder durch Sachverständigenbeweis ermittelt werden. Ob der Nutzende das Gebäude verbessert hat, ist dabei unerheblich. Das objektiv zu erzielende Nutzungsentgelt ist nach dem Zustand im Zeitpunkt der Klageerhebung zu beurteilen. Option 3983

Streiten die Parteien über die Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund einer Verlängerungsoption, bestimmt sich der Streitwert nach § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.), da es sich um einen Streit über die Dauer des Mietverhältnisses handelt. Maßgeblich ist der Jahresbetrag, soweit nicht eine Fortsetzung von kürzerer Dauer beabsichtigt ist.3 Parabolantenne (Medien)

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Aus § 535 BGB folgt die Verpflichtung des Vermieters, dem Mieter die Mietsache so zur Verfügung zu stellen, dass dieser die Sache im üblichen oder vertraglich vereinbarten Umfang nutzen kann. Im Gegenzug hat der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch, insbesondere eine Veränderung der Mietsache, ohne Zustimmung des Vermieters zu unterlassen, § 541 BGB. So obliegt es grundsätzlich dem Vermieter von Wohnraum, den Anschluss von Telefon (ISDN) sowie den Empfang von Rundfunk und Fernsehen zu ermöglichen, während der Mieter in der Regel nicht berechtigt ist, ohne Zustimmung des Vermieters die hierfür notwendigen technischen Veränderungen der Mietsache vorzunehmen. Der Streit über die daraus im Einzelfall folgenden Pflichten der Vertragsparteien ist ein Streit über den Inhalt des Mietvertrages. Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert bemisst sich daher (über § 48 Abs. 1 GKG) gem. § 3 ZPO jeweils nach dem klägerischen Interesse.4 Hierbei ist zu unterscheiden: – Klagt der Mieter auf Zustimmung des Vermieters zur Errichtung einer Parabolantenne, ist dessen Informations- oder Unterhaltungsinteresse maßgebend.5 – Klagt der Vermieter auf Beseitigung einer Parabolantenne, entspricht das klägerische Interesse dem Interesse an einem Zustand ohne Rechtsbeein1 OLG Celle, JurBüro 1968, 251; LG Bayreuth, JurBüro 1977, 1424; Meyer, § 41 Rn. 20. 2 OLG Bamberg, Beschl. v. 9.3.1992 – 3 W 18/92, JurBüro 1992, 625; Hartmann, § 41 Rn. 23, 29. 3 BGH, Beschl. v. 20.1.1988 – VIII ZR 225/86, MDR 1988, 403 = NJW-RR 1988, 395; OLG Hamburg, Beschl. v. 15.12.1993 – 4 W 63/93, WuM 1994, 553; Bub/Treier/Fischer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, VIII Rn. 233. 4 Schmittmann, JurBüro 1995, 509. 5 LG Arnsberg, Beschl. v. 25.7.2001 – 6 T 382/01, WuM 2001, 577: 1.000 Euro; LG Erfurt, Urt. v. 17.8.2001 – 2 S 46/01, Grundeigentum 2001, 1467: 2.500 Euro – Beschwer; LG Köln, Urt. v. 14.2.2001 – 10 S 314/00, WuM 2001, 235: 750 Euro – Beschwer.

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Mietstreitigkeiten trächtigung und damit nur mittelbar den dafür erforderlichen Maßnahmen. Daher kommt, wie auch sonst bei Beseitigungsansprüchen, dem Aufwand zur Beseitigung keine wertbestimmende Bedeutung zu.1 Maßgebend ist allein das in der Regel auf optischen bzw. ästhetischen Gründen beruhende Interesse an einer Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes bzw. dem bis dahin bestehenden Wertminderwert.2 Die (materielle) Beschwer des zur Beseitigung verurteilten Mieters bestimmt sich demgegen nach den mit der – ihm auferlegten – Beseitigung verbundenen Aufwendungen. Im Einzelfall kann auch ein etwaiges Interesse des Mieters am Empfang zusätzlicher Fernsehprogramme werterhöhend berücksichtigt werden.3 Der gegenteiligen Ansicht, die entweder allein4 oder werterhöhend auf Beseitigungskosten abstellt, ist nicht zu folgen.5 Die Begründung, mit der Verurteilung zur Beseitigung bezwecke der Vermieter zugleich, nicht auf den Kosten der Beseitigung „sitzen zu bleiben“,6 setzt das Klageinteresse unzulässigerweise mit dem Vollstreckungsaufwand gleich. Zudem wird übersehen, dass der Vermieter im Zwangsvollstreckungsverfahren die „Verurteilung“ des Schuldners zur Vorschusszahlung herbeiführen und vollstrecken kann. Erst hier sind die Beseitigungskosten als Vorschussbetrag streitwertbestimmend.7

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Räumungsfrist Gem. §§ 721, 794a Abs. 2 ZPO ist auf Antrag oder von Amts wegen über die Gewährung und auf Antrag über die Verkürzung oder Verlängerung einer bereits gewährten Räumungsfrist zu entscheiden. Für den Wert des eigenständigen Beschluss- oder des Beschwerdeverfahrens ist das nach § 3 ZPO zu schätzende Interesse des Vollstreckungsschuldners am Räumungsaufschub bzw. des Vollstreckungsgläubigers am vorzeitigen Rückerhalt des Nutzungsobjekts maßgebend. Ist der Antrag auf Einräumung eines (weiteren) Aufschubs oder einer Verkürzung mit bestimmter Dauer gestellt, bestimmt sich der Wert nach dem für diesen Zeitraum anfallenden Nutzungsentgelt.8 Zu beachten 1 So aber LG Kiel, WuM 1996, 632; LG München I , WuM 1993, 745. 2 BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, AGS 2006, 450 = MDR 2006, 1374 = ZMR 2006, 677; LG Bonn, Beschl. v. 11.1.1993 – 6 S 416/92, WuM 1993, 468: 600 Euro; LG Bremen, Urt. v. 30.3.1999 – 6 S 34/99, WuM 2000, 364; LG Hamburg, Urt. v. 3.9.1990 – 311 T 74/90, WuM 1991, 359; Bub/Treier/Fischer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, VIII Rn. 239a; den Beseitigungsaufwand beim Streitwert zusätzlich berücksichtigend LG Frankfurt, JurBüro 2002, 531 = WuM 2002, 378 = ZMR 2002, 758. 3 BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, AGS 2006, 450 = MDR 2006, 1374 = ZMR 2006, 677, jedoch offen lassend bezüglich des Informations- bzw. Unterhaltungsinteresses; vgl. hierzu LG Erfurt, Urt. v. 17.8.2001 – 2 S 46/01, Grundeigentum 2001, 1467. 4 LG Heidelberg, Beschl. v. 2.7.1993 – 5 S 27/93, WuM 1993, 734; LG München I, Beschl. v. 12.10.1993 – 20 S 17880/92, WuM 1993, 745. 5 LG Frankfurt/M., Beschl. v. 15.3.2002, JurBüro 2002, 531 = AGS 2003, 37; LG Kiel, Beschl. v. 18.3.1994 – 1 S 319/93, WuM 1996, 632; Schmidtmann, JurBüro 1995, 509. 6 LG Frankfurt/M., Beschl. v. 15.3.2002 – 2-11 T 22/02, JurBüro 2002, 531 = AGS 2003, 37. 7 Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Ersatzvornahme nach § 887“. 8 OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.6.2006 – 13 U 89/06, AGS 2006, 563 = ZMR 2006, 863 = NJW-RR 2007, 15; LG Kempten, AnwBl. 1968, 58; LG München, Beschl. v. 26.3.2008 – 14 T 4822/08, ZMR 2009, 371 = NZM 2008, 839; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort

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Mietstreitigkeiten bleibt, dass gem. §§ 721 Abs. 5, 794a Abs. 3 ZPO die Räumungsfrist insgesamt ein Jahr nicht überschreiten darf. 3987

Wird der Antrag im Hauptsacheverfahren (hilfsweise) neben dem auf Verurteilung zur Räumung bzw. auf Klageabweisung gerichteten Sachantrag gestellt, dann scheidet eine Werterhöhung aufgrund wirtschaftlicher Identität aus.

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Für eine Bruchteilsbewertung oder unabhängig von §§ 721 Abs. 5, 794a Abs. 3 ZPO zeitbezogene Beschränkung besteht kein Anlass, auch deshalb nicht, weil mit der Räumungsfrist die (fortdauernde) Pflicht zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung verbunden ist.1 Wie auch sonst für die Bewertung nach § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) ist es unerheblich, dass mit dem festzustellenden Bestand des Mietverhältnisses zugleich Zahlungsverpflichtungen verbunden sind. Eine Saldierung der Vor- und Nachteile findet bei der Ermittlung des klägerischen Interesses (in der Regel) nicht statt. S. für das Vollstreckungsschutzverfahren nach § 765a ZPO auch unter „Vollstreckungsschutz“. Rückständige Miete

3989

Wird rückständige Miete eingeklagt, so bestimmt sich der Streitwert gem. § 6 ZPO nach dem Forderungsbetrag2 und nicht nach § 8 ZPO, § 41 GKG (§ 16 GKG a.F). S. im Übrigen unter „Miete“. Schlüssel

3990

Klagt der Mieter auf Herausgabe von Schlüsseln zur Wohnungs- bzw. Hauseingangstüre, ist die Klage auf Besitzverschaffung gerichtet. Der Zuständigkeitsstreitwert bestimmt sich nach § 8 ZPO, der als Sondernorm für mietund pachtrechtliche Streitigkeiten dem § 6 ZPO vorgeht.3 – s. oben „Besitz“. Der Gebührenstreitwert ist nach § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) mit dem Jahresbetrag festzusetzen, falls nicht die streitige Zeit geringer ist.4

3991

Der Antrag auf vorläufige Besitzverschaffung an einer Wohnung oder einem Geschäftsraum (Übergabe eines Schlüssels) im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ist gem. §§ 53 Abs. 1 Nr. GKG, 3 ZPO zu bewerten. Ist der Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes (§ 861 BGB) Streitgegenstand, richtet sich der Gebührenstreitwert nach dem Nutzungsinteresse des Besitzers. Dabei ist nicht auf den Wert der Sache (§ 6 ZPO), sondern auf das Jahresnutzungsentgelt (§ 41 Abs. 1 GKG) abzustellen. Denn die Besitzver-

1

2

3 4

„Miete und Pacht“ Rn. 41; Hartmann, Anh. I § 48 GKG (§ 3 ZPO) Rn. 93 unter „Räumungsfrist“; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 Rn. 123. A.A. LG Bad Kreuznach, JVBl. 1965, 214; KostRsp. GKG a.F. § 12 Nr. 21: Hälfte der während der Schutzfrist zu zahlenden Nutzungsentschädigung; LG Krefeld, KostRsp. GKG a.F. § 12 Nr. 25; LG Stuttgart, Rpfleger 1968, 62: 3-fache Monatsmiete bzw. Nutzungsentschädigung; und noch die 11. Auflage. BGH, JurBüro 1966, 309; OLG Bamberg, AnwBl. 1984, 94 = JurBüro 1984, 254; OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 34; OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.2.1997 – 13 W 3/97 – WuM 1997, 278 = NJW-RR 1997, 1303 = Justiz 1997, 167); Meyer, § 41 Rn. 7, 8. Zöller/Herget, § 6 Rn. 5. LG Halle, Beschl. v. 20.5.1994 – 2 T 175/94, MDR 1994, 208 = WuM 1994, 532.

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Mietstreitigkeiten schaffung entspricht – hier – der dem Vermieter obliegenden (streitigen) Gebrauchsgewährung nach § 535 BGB und wird daher von § 41 Abs. 1 GKG als für den Gebührenstreitwert speziellere Norm erfasst.1 Trotz Leistungsverfügung ist wegen des nur vorläufigen Rechtssschutzes ein – wenngleich höherer – Bruchteil des Hauptsachewertes, in der Regel 2/3 der Jahresmiete/-pacht anzusetzen. Selbständiges Beweisverfahren Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens ist in miet- oder pachtrechtlichen Streitigkeiten regelmäßig der Zustand des Nutzungsobjekts im Hinblick auf erforderliche (und zur Minderung berechtigende) Instandsetzungsmaßnahmen des Vermieters oder Schadensersatzverpflichtungen des Mieters. Weit gehende Einigkeit besteht, dass sich der Gegenstandswert des Beweisverfahrens nach dem eines möglichen Hauptsacheverfahrens richtet. Streitig ist hingegen, ob eine Bruchteilsbewertung geboten ist oder nicht. Insoweit wird auf die Ausführungen zum Stichwort „Selbständiges Beweisverfahren“ verwiesen.

3992

Geht es um die Beweissicherung des Mieters wegen bestehender Mängel, ist der Gegenstandswert auf Grundlage des Instandsetzungsanspruchs und damit gem. § 41 Abs. 5 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.) nach dem Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung zu bestimmen.2 Eine kürzere restliche Vertragsdauer ist entsprechend § 41 Abs. 5 Satz 2 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.) wertmäßig zu berücksichtigen.3 Daneben geltend gemachte Minderungs- und/oder Zurückbehaltungsrechte oder bereits aufgelaufene Mietrückstände bleiben aufgrund wirtschaftlicher Identität mit dem Instandhaltungsanspruch wertmäßig unberücksichtigt.4 Beruft sich der Antragsteller dagegen auf einen ihm zustehenden Vorschuss-/Erstattungsanspruch, bestimmt sich der Gegenstandwert nach den angenommenen Kosten der Ersatzvornahme, d.h. der Mängelbeseitigung.5

3993

Dient das Verfahren der Beweissicherung des Vermieters wegen einer vertragswidrigen Nutzung, ist der Gegenstandswert auf Grundlage möglicher Schadensersatzansprüche zu ermitteln.

3994

Schönheitsreparaturen Klagt der Vermieter auf Vornahme vereinbarter Schönheitsreparaturen, ist, da es sich um einen Streit über die sich aus dem Vertrag ergebenden Pflichten handelt, der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert gem. § 3 ZPO nach dem 1 Vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2007 – 3 W 57/06, MDR 2007, 1225: 1/3; OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, AGS 2008, 189 = GuT 2007, 311: voller Wert; OLG Rostock, Beschl. v. 14.8.2006 – 3 W 78/06, OLGR 2006, 1004. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.3.2007 – 24 W 9/07, JurBüro 2007, 426 = AGS 2007, 472 – Pacht; zum alten Recht BGH, Beschl. v. 17.5.2000 – XII ZR 314/99, MDR 2000, 975 = ZMR 2000, 665; LG Berlin, Beschl. v. 27.8.1996 – 64 T 66/96, NJW-RR 1997, 652 = Grundeigentum 1996, 1549 – gem. § 9 ZPO der 42-fache Minderungsbetrag. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.3.2007 – 24 W 9/07, JurBüro 2007, 426 = AGS 2007, 472 – Pachtverhältnis; Hartmann, § 41 GKG Rn. 37. 4 OLG Hamburg, Beschl. v. 20.2.2009 – 4 W 12/09, OLGR 2009, 707. 5 Vgl. LG Bonn, Beschl. v. 18.2.2008 – 6 T 396/07, AGS 2009, 82 = ZMR 2009, 38.

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3995

Mietstreitigkeiten Werterhaltungsinteresse des Vermieters zu bemessen. § 41 Abs. 5 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.) erfasst nach seinem Wortlaut allein Instandsetzungsansprüche des Mieters und ist auch nicht entsprechend anwendbar. Nichts anderes gilt, wenn die Wirksamkeit der Umlage von Schönheitsreparaturen Gegenstand einer Feststellungsklage ist. Es bleibt jedoch im Falle der positiven Feststellungsklage der 20 %ige Abschlag zu beachten. 3996

Denn das Werterhaltungsinteresse findet weder in dem durch die Minderung erfassten Gebrauchsinteresse des Mieters noch in dem durch die Mieterhöhung erfassten Verwertungsinteresse des Vermieters seine Entsprechung. Vielmehr sollte auf den Instandhaltungsaufwand abgestellt werden, da sich der – bei einer Veräußerung realisierbare – Wert des Nutzungsobjekts regelmäßig um diesen Aufwand reduziert. Etwaige Besonderheiten des Einzelfalls, beispielsweise eine außergewöhnliche Nachfrage nach Nutzungsobjekten dieses Typs etc., können durch eine Bruchsteilsbewertung angemessen erfasst werden.

3997

Klagt der Vermieter (bereits) auf Schadensersatz wegen unterlassener Schönheitsreparaturen, ist bei bezifferter Leistungsklage allein der Zahlungsbetrag maßgebend, arg. § 6 ZPO.

3998

Für die nach § 8 ZPO und § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) erforderliche Entgeltermittlung bleiben die auf den Mieter vereinbarungsgemäß umgelegten Schönheitsreparaturen schon aufgrund der fehlenden pauschalen Erfassung außer Betracht.1 Siedler

3999

Klagt der Siedlungsträger nach Kündigung des Nutzungsverhältnisses gegen den Siedler auf Räumung des Siedlungsgrundstückes, dann bemisst sich der Streitwert nach § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.).2 Sozialwohnung

4000

Bei einer Klage auf Räumung einer öffentlich geförderten Sozialwohnung ist der Streitwert unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt des Urteilserlasses geschuldeten Kostenmiete zu berechnen. Weder der vom Vermieter unzulässigerweise geforderte, darüber hinausgehende Mietzins noch ein von der Bewilligungsstelle zugelassener, aber nicht rechtswirksam geltend gemachter Erhöhungsbetrag dürfen bei der Streitwertberechnung berücksichtigt werden.3 Tauschvertrag

4001

Der Streitwert einer Klage auf Herausgabe einer Wohnung aufgrund eines Tauschvertrages wird gem. § 6 ZPO durch den Wert der Sache bestimmt, wenn deren Besitz Gegenstand des Rechtsstreits ist.4

1 2 3 4

So schon zum alten Recht LG Hannover, MDR 1970, 594; Nds.Rpfl. 1974, 252. OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 627. LG Mannheim, Rpfleger 1969, 218. LG Flensburg, JurBüro 1950, 126.

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Mietstreitigkeiten Teilaufhebung Der Streitwert bei einer Teilaufhebungsklage im Mietrecht kann sich nur nach der Miete des Teiles berechnen.1

4002

Teilkündigung (Gemeinschafts- und Teilflächen) Ist aufgrund einer Kündigung nur die fortdauernde Nutzung einer Teilfläche im Streit, bemisst sich der Wert nach dem dafür gesondert vereinbarten Entgelt oder in Ermangelung dessen nach einem dem Anteil der Fläche an der Gesamtfläche zu ermittelnden Teilbetrag.2

4003

Klagt daher der Vermieter nach Kündigung eines Garagenmietverhältnisses auf Räumung der Garage, so bestimmt sich der Zuständigkeitsstreitwert (und die Beschwer) bei einem Streit über die Einheitlichkeit von Garagen- und Wohnungsmietverhältnis nach § 8 ZPO. Ist die „streitige Zeit“ bei einem auf unbestimmte Dauer abgeschlossenen Mietverhältnis und bestehenden Mieterschutzregelungen ungewiss, ist der Wert entsprechend § 9 ZPO nach dem 3,5fachen Jahresnutzungsentgelt zu bemessen.3

4004

Tierhaltung Ob und in welchem Umfang die Haltung von Tieren, insbesondere in Wohnräumen, zum vertragsgemäßen Gebrauch gehört oder als Sondernutzung einer Zustimmung des Vermieters bedarf, ist streitig. Darüber hinaus sind unterschiedlichste formularvertragliche Regelungen zur Zulässigkeit der Tierhaltung anzutreffen.4 Infolgedessen ist die Tierhaltung häufig Gegenstand von Duldungs-, Unterlassungs- und auf Beseitigung gerichteten Klagen. In allen Fallkonstellationen handelt es sich um einen Streit über die sich aus dem Vertragsinhalt ergebenden Rechte und Pflichten, sodass § 8 ZPO und § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) nicht unmittelbar anwendbar sind. Für die streitwertrechtliche Beurteilung, die nicht notwendigerweise zu einem Gleichlauf von Streitwert und Beschwer führt,5 ist zu unterscheiden: – Klagt der Mieter auf Erteilung einer Erlaubnis zur Tierhaltung oder deren Duldung, ist gem. § 3 ZPO sein ideelles Interesse an Haltung des streitgegenständlichen Tieres maßgebend. Hierbei ist streitig, ob das Interesse jeweils pauschal bewertet werden kann6 oder die konkreten Umstände des

1 KG, HuW 1956, 129. 2 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 12; Hillach/Rohs, § 30 III, S. 162. 3 BGH, Beschl. v. 14.4.2002 – XII ZB 224/02, MDR 2004, 931 = AGS 2004, 390; LG Wiesbaden – 9 S 8/00 – WuM 2000, 617; a.A. AG Hamburg, Urt. v. 9.3.1994 – 40b C 2079/93, WuM 1994, 433: gem. § 3 ZPO anteilige Jahresbruttomiete. 4 Bub/Treier/Fischer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, III.A 1038 ff. m.w.N. 5 BGH, Urt. v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, MDR 2008, 134 = ZMR 2008, 111 = NZM 2008, 78 = DWW 2008, 13 = NJW 2008, 218 – unter Hinweis auf die unterschiedlichen Interessen des auf Zustimmung klagenden Mieters gegenüber dem zur Duldung verurteilten Vermieters; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl. 1988, V Rn. 88. 6 LG Berlin, Beschl. v. 13.7.2000 – 61 S 129/00, NZM 2001, 41: 1 Hund oder 2 Katzen = 800 DM; Beschl. v. 31.3.2000 – 63 S 17/00: Hund = 600 DM.

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Mietstreitigkeiten Einzelfalls, namentlich die psychische Bedeutung (Vermeidung von Depressionen) oder affektives Interesse (Kinderersatz).1 Der Wert des Tieres ist in keinem Fall maßgeblich.2 Demgegenüber stellt das LG Köln3 nicht auf das immaterielle Interesse an Hundehaltung, sondern das Interesse an vertragsgemäßer Nutzung ab. Das AG Rüsselsheim4 hält den Jahresbetrag des üblichen Mietzuschlages für maßgebend. – Verlangt der Vermieter Unterlassung oder Beseitigung der Tierhaltung in den Räumlichkeiten des Mietobjekts, ist sein Interesse am Werterhalt der Mietsache wertbestimmend. Neben dem fiktiven Wert der zusätzlichen Abnutzung kann auch ein etwaiges Interesse an der Vermeidung möglicher Belästigungen (und Mietminderungen) anderer Mieter werterhöhend berücksichtigt werden. Das Affektionsinteresse des Mieters und generalpräventive Erwägungen sind grundsätzlich unerheblich.5 Der von Sternel6 vertretenen wertmäßigen Gleichsetzung des Unterlassungsanspruchs des Vermieters gegen die Tierhaltung mit dem Interesse des Mieters an der Fortsetzung der Tierhaltung widerspricht bereits, dass das ideelle Interesse des Mieters nicht deckungsgleich ist mit dem rein vermögensrechtlichen Abwehrinteresse des Vermieters. – Klagt ein Mieter auf Unterlassung oder Beseitigung der Tierhaltung eines anderen Mieters, ist sein auf Abwehr von Besitzstörungen gerichtetes Interesse maßgeblich. Dieses findet seine wertmäßige Entsprechung in der möglichen Minderung des Mietzinses, wobei bei einer Tierhaltung von unbestimmter Dauer (entsprechend § 9 ZPO) der 3,5-fache Jahresbetrag anzusetzen ist.Die in der Rechtsprechung vorzufindenden Wertfestsetzungen bewegen sich für Katzen- und Hundehaltung – unabhängig von der vorstehenden Unterscheidung – häufig zwischen 500 Euro und 1.000 Euro.7 Umgestaltung 4006

Ist zwischen den Parteien das Zustandekommen eines Vertrages streitig, wonach sich der Beklagte zur baulichen Umgestaltung von Räumlichkeiten und nachfolgender Gebrauchsgewährung zu einem monatlichen Entgelt verpflichtet haben soll, und ist die Klage auf Umgestaltung und entgeltliche Überlassung gerichtet, liegt eine Anspruchshäufung (objektive Klagehäufung) vor.8 1 LG Braunschweig, Urt. v. 1.11.1995 – 12 S 86/95, WuM 1996, 291; LG Kassel, Beschl. v. 21.4.1997 – 1 T 80/96, WuM 1998, 296: 2.000 DM; LG Wiesbaden, Beschl. v. 21.7.1994 – 1 T 46/94, WuM 1994, 486. 2 Zutr. LG Braunschweig, Urt. v. v. 1.11.1995 – 12 S 86/95, WuM 1996, 291. 3 Beschl. v. 21.6.1999 – 30 S 145/99, WuM 2000, 94. 4 Beschl. v. 19.12.1986 – 3 C 1049/86 – WuM 1987, 144. 5 LG München, Beschl. v. 28.6.2002 – 23 T 10223/02, NZM 2002, 820; a.A. LG Wiesbaden, Beschl. v. 21.7.1994 – WuM 1994, 486. 6 Sternel, Mietrecht, 3. Aufl. 1988, V Rn. 88. 7 500 Euro: LG Hamburg, Beschl. v. 11.5.1990 – 316 T 46/90, MDR 1993, 90 = WuM 1993, 477; ZMR 1992, 506; LG Köln, Beschl. v. 21.6.1999 – 30 S 145/99, WuM 2000, 94 (420 Euro); LG München I, Beschl. v. 5.6.1991 – 20 S 10394/91, WuM 1992, 495; 1.000 Euro: LG Düsseldorf – 24 S 90/93, WuM 1993, 604; LG Kassel, Beschl. v. 21.4.1997 – 1 T 80/96, WuM 1998, 296. 8 Zutreffend daher LG Nürnberg-Fürth, MDR 1972, 430; unklar Hartmann, § 41 GKG Rn. 17.

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Mietstreitigkeiten Der Wert des auf Überlassung gerichteten Klageantrages bemisst sich nach § 8 ZPO, § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1GKG a.F.), da hier der Bestand eines Mietoder Pachtverhältnisses im Streit steht. Dabei ist eine Antragsstattgabe weder mit dem (weiteren) Vertragsinhalt verbunden, d.h. die Verpflichtung zur baulichen Umgestaltung, noch ermöglicht sie eine dahingehende Zwangsvollstreckung. Die Situation entspricht konstruktiv vielmehr einer auf Räumung und Beseitigung von unbeweglichen Einrichtungen gerichteten Klage (s. unter „Abbruchkosten“).

4007

Der auf Vornahme der Ausbauarbeiten gerichtete Klageantrag ist daher eigenständig und als Streitigkeit über den Vertragsinhalt für den Zuständigkeitsstreitwert nach § 3 ZPO und den Gebührenstreitwert nach § 41 Abs. 5 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.) zu bewerten, da die Arbeiten auf Herstellung eines vertraglich geschuldeten Zustands der Miet- oder Pachtsache gerichtet sind und damit Instandsetzungsarbeiten gleichstehen. Unterlassung Nutzt der Mieter die Mietsache vertragswidrig (§ 541 BGB) oder wird sein Besitz an der Mietsache durch Dritte oder Vermieter rechtswidrig gestört (§§ 862, 1004 BGB), kann die Beendigung fortdauernder und Unterlassung künftiger Beeinträchtigungen beansprucht werden. Darauf gerichtete Unterlassungsklagen fallen nicht unter § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.), sondern sind gem. § 3 ZPO nach dem Abwehrinteresse des Mieters bzw. dem Werterhaltungsinteresse des Vermieters zu bewerten.

4008

Hierbei wird für die Auseinandersetzung zwischen den Mietvertragparteien der Jahresbetrag des § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) als obere Wertgrenze angesehen, da der Streit wegen der Beeinträchtigung mietvertraglicher Rechte wertmäßig nicht das Interesse am Bestand des Mietverhältnisses übersteigen könne. Die Einzelheiten sind den einschlägigen Stichworten zu entnehmen.

4009

Untermieter Gem. § 540 BGB darf der Mieter die Mietsache einem Dritten nur mit Erlaubnis des Vermieters überlassen. Der Anspruch auf Rückerhalt der Mietsache wird durch § 546 Abs. 2 BGB dahingehend abgesichert, dass der Vermieter nach Beendigung des (Haupt-)Mietverhältnisses die Mietsache auch von dem Dritten zurückfordern kann. Hierbei besteht Einigkeit, dass für den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert der Räumungs- und Herausgabeklage die § 8 ZPO und § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) entsprechend anwendbar sind.1 Es finden sich im Wesentlichen folgende Fallgestaltungen:

1 KG, Beschl. v. 16.9.2004 – 8 W 64/04, KGR 2005, 58; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.10.2009 – 10 W 102/09, AGS 2009, 600 = Grundeigentum 2009, 1554 = GuT 2009, 321 – Räumungsklage gegen Untermieter; Beschl. v. 29.6.2004 – 10 W 61/04, OLGR 2005, 74 = NZM 2005, 240 = AGS 2004, 345 = NJW-Spezial 2005, 98; Beschl. v. 29.8.1997 – 24 W 89/97, OLGR 1998, 182 = MDR 1998, 126; OLG Frankfurt, JurBüro 1953, 445.

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4010

Mietstreitigkeiten – Klagt der Vermieter gegen Untermieter auf Räumung, bestimmt sich der Wert nach dem zwischen ihm und dem Hauptmieter vereinbarten und nicht nach dem vom Untermieter zu zahlenden Nutzungsentgelt.1 – Wird vom Vermieter allein gegen den Hauptmieter auf Räumung geklagt, ist das nach § 41 Abs. 2 GKG (§ 16 Abs. 2 GKG a.F.) maßgebliche Jahresnutzungsentgelt im Fall der Untervermietung nach dem im Hauptmietvertrag vereinbarten Entgelt zuzüglich eines Zuschlages für den höheren Verwaltungsaufwand und die höhere Abnutzung zu bemessen.2 – Bei einer vom Vermieter gegen Hauptmieter und Untermieter gerichteten Räumungsklage ist der Streitwert einheitlich nach dem Nutzungsentgelt für den Hauptmieter festzusetzen. Dieses repräsentiert gem. § 8 ZPO, § 41 GKG (16 GKG a.F.) wertmäßig das Durchsetzungsinteresse des Vermieters. Die subjektive Klagehäufung rechtfertigt jedoch keine Werterhöhung gem. § 5 ZPO, § 39 Abs. 1 GKG (ohne Entsprechung in § 12 GKG a.F.). Denn das gegen den Hauptmieter gerichtete Räumungsbegehren ist, da auf Rückerhalt derselben Mietsache gerichtet, mit dem gegen den Untermieter (teilweise) wirtschaftlich identisch.3 Haupt- und Untermieter haften dem Vermieter im Umfang der dem Untermieter eingeräumten Nutzung als Gesamtschuldner.4 4011

Dem Umfang der Gesamtschuld folgt auch die Verpflichtung des Untermieters zur Kostentragung, arg. § 100 Abs. 2 u. 4 ZPO. Ist die Mietsache nur teilweise an einen Dritten untervermietet worden, haftet dieser für die Kosten des Rechtsstreits daher nur im Verhältnis der von ihm genutzten Fläche zur Gesamtfläche des Mietobjekts. Einer etwaig unterschiedlichen Höhe der vereinbarten Nutzungsentgelte kommt demgegenüber keine Bedeutung zu, da die Räumungsverpflichtung flächenbezogen ist.5

4012

Wird die zunächst gegen den Hauptmieter erhobene Räumungsklage vom Vermieter nachfolgend auf den Untermieter erweitert, ist damit aufgrund der bereits beschriebenen wirtschaftlichen Identität der Klagebegehren keine Werterhöhung verbunden. Maßgeblich bleibt das mit dem Hauptmieter vereinbarte Jahresgrundentgelt.6

4013

Klagt der Vermieter auf Feststellung der Verpflichtung des Hauptmieters gegenüber dem Untermieter Räumungsklage zu erheben, ist der Streitwert nicht nach § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.), sondern nach § 3 ZPO zu bestimmen. Hierbei ist der Wert geringer als derjenige der unmittelbaren Klage des Mieters gegen den Untermieter.7

4014

Für die Bewertung der Räumungsklage des Hauptmieters gegen den Untermieter ist, da es nunmehr um das Durchsetzungsinteresse des Hauptmieters

1 KG, Beschl. v. 16.9.2004 – 8 W 64/04, KGR 2005, 58; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.6.2004 – 10 W 61/04, NZM 2005, 240 = AGS 2004, 345 = NJW-Spezial 2005, 98; Beschl. v. 29.8.1997 – 24 W 89/97, MDR 1998, 126. 2 BGH, Beschl. v. 26.2.1997 – XII ZR 233/96, NJW-RR 1997, 648. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.6.2004 – 10 W 61/04, NZM 2005, 240 = AGS 2004, 345 = NJW-Spezial 2005, 98. 4 Palandt/Weidenkaff, § 546 Rn. 21. 5 A.A. Vorauflage; LG Frankfurt, BlGBW 1954, 238 mit abl. Anm. Zöll. 6 OLG Düsseldorf – 10 W 61/04, NZM 2005, 240 = AGS 2004, 345 = NJW-Spezial 2005, 98. 7 LG Hagen, MDR 1962, 742.

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Mietstreitigkeiten geht, der jährlich gezahlte Untermietzins maßgebend, nicht etwa der nach der Zimmergröße im Verhältnis zur Größe der gesamten Wohnung zu ermittelnde entsprechende Teil der Wohnungsmiete.1 S. auch unter dem hier nachfolgenden Stichwort „Untervermietung“. Untervermietung Gem. § 540 BGB darf der Mieter die Mietsache einem Dritten nur mit Erlaubnis des Vermieters überlassen. Deren Erteilung steht wegen § 553 BGB nur bei Vermietung beweglicher Sachen und nicht zu Wohnzwecken überlassener Grundstücks(teil)flächen im freien Ermessen des Vermieters. Der Vermieter kann die Erlaubnis von einer angemessenen Mieterhöhung (Untermieterzuschlag) abhängig machen, wenn ihm nur dann die Überlassung an einen Dritten zuzumuten ist, § 553 Abs. 2 BGB.

4015

Klagt der Hauptmieter auf Erteilung der Erlaubnis zur Untervermietung, handelt es sich um einen Streit über den Vertragsinhalt und die sich daraus ergebenden Pflichten. Die Wertfestsetzung hat daher (über § 48 Abs. 1 GKG) nach § 3 ZPO zu erfolgen. Maßgeblich für die Bewertung ist das Interesse des Hauptmieters an der Kompensation der eigenen Mietschuld durch Erzielung eines eigenen Mietertrages.2 Der Streitwert entspricht folglich dem voraussichtlich zu erzielenden Untermietzins, bei unbestimmter Dauer des Untermietverhältnisses in Anlehnung an § 9 ZPO dem 3,5-fachen Jahresbetrag.3 Verfehlt ist es, hier auf die Höhe eines angemessenen Untermietzuschlages abzustellen,4 da dieser allein das Werterhaltungsinteresse des Vermieters repräsentiert.

4016

Die Klage des Vermieters gegen den Hauptmieter auf Beendigung der Untervermietung bemisst sich regelmäßig nach dem klägerischen Interesse an der Vermeidung einer übermäßigen Abnutzung (Werterhaltungsinteresse). Dessen Höhe entspricht dem Umfang eines nach § 553 Abs. 2 BGB angemessenen Untermietzuschlages, der sich bei preisgebundenem Wohnraum nach § 26 Abs. 3 NMVO 1970 bestimmt.

4017

Der Antrag auf Vorlage des Untermietvertrages bemisst sich entsprechend einer Auskunftsklage gem. § 3 ZPO nach einem Bruchteil des dahinter stehenden Hauptanspruchs, angemessen erscheint 1/10.5

4018

1 LG Hamburg, MDR 1959, 764. 2 OLG Celle, Beschl. v. 15.7.1999 – 2 W 59/99, NZM 2000, 190; LG Berlin, Urt. v. 18.12.2003 – 67 S 277/03, MM 2004, 46; Beschl. v. 19.7.1996 – 63 T 55/96, WuM 1998, 690 = MM 1996, 450; LG Kiel, Beschl. v. 13.1.1995 – 1 T 1/95, WuM 1995, 320; a.A. LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 20.5.1998 – 2 T 48/88, WuM 1989, 433: Interesse des Hauptmieters an intensiverer Nutzung. 3 LG Berlin, Urt. v. 18.12.2003 – 67 S 277/03, MM 2004, 46; a.A. KG, Beschl. v. 10.2.2006 – 22 W 47/05, KGR 2006, 370 = JurBüro 2006, 258 = ZMR 2006, 528 = GE 2006, 387 = NZM 2006, 519 – jeweils auf Jahresbetrag abstellend; OLG Celle, Beschl. v. 15.7.1999 – 2 W 59/99, OLGR 1999, 263 = NZM 2000, 190. 4 So aber LG Kiel, Beschl. v. 13.1.1995 – 1 T 1/95, WuM 1995, 320: 3-facher Jahresbetrag. 5 So BGH, Beschl. v. 26.2.1997 – XII ZR 233/96, NJW-RR 1997, 648.

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Mietstreitigkeiten Verbandsklage (Allgemeine Geschäftsbedingungen) 4019

Ist Gegenstand eines Verbandsklageverfahrens der Inhalt von Formularmietverträgen, dann bemisst sich der Streitwert nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung gesetzeswidriger Allgemeiner Geschäftsbedingungen. S. unter „Allgemeine Geschäftsbedingungen“. Vertragabschluss

4020

Wird auf die Verurteilung zum Abschluss eines Mietvertrages aufgrund eines Vorvertrages geklagt, dann fehlt es im Zeitpunkt der Klageerhebung noch an einem bestehenden Miet- oder Pachtverhältnis. Für die Streitwertfestsetzung kommt deshalb nicht § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.), sondern nur § 3 ZPO in Betracht. Da die aus dem Vertrag resultierenden Ansprüche selbst nicht den Gegenstand des Rechtsstreits bilden, sind nicht sie, sondern ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers an dem angestrebten Vertragsschluss zu bewerten.1 Dies gilt auch, wenn neben dem auf Feststellung des Bestehens eines Mietvertrages gerichteten Klagebegehren ein Hilfsantrag auf Verurteilung zum Abschluss eines Mietvertrages mit gleichem Inhalt gestellt wird. Hier ist bei Bescheidung beider Anträge gem. § 45 Abs. 1 Satz 2, 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 2, 3 GKG a.F.) für die Streitwertbemessung der (ggf.) höhere Wert des Hilfsantrages maßgebend.2 S. auch bei dem Stichwort „Hilfsantrag“.

4021

Für die Bewertung ist jeweils auf das Interesse des Klägers am Vertragsabschluss abzustellen.3 Dessen Wert bestimmt sich nach der beabsichtigten Laufzeit, wird jedoch entsprechend § 9 ZPO auf den 3,5-fachen Jahresbuttobetrag ohne Nebenkostenvorauszahlungen begrenzt, ebenso bei einem angestrebten Vertrag von unbestimmter Dauer.4 Der einfache Jahresbetrag5 repräsentiert in Zeiten der Wohnungsknappheit ohnehin nicht das Erlangungsinteresse des Mieters. Zudem greift die privilegierende, den wirklichen Wert des Interesses aus sozialen Gründen ignorierende Bewertung des § 41 Abs. 2 GKG (§ 16 Abs. 2 GKG a.F.) nicht. Vertragsinhalt

4022

Wird bei unstreitigem Bestehen und Dauer eines Nutzungsverhältnisses lediglich darüber gestritten, was die Parteien genau vereinbart haben, welchen 1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.11.2009 – I-24 U 57/09, MDR 2010, 715; OLG Hamburg, MDR 1970, 333 = Grundeigentum 1970, 263; OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 685; LG Dortmund, Beschl. v. 28.11.1990 – 21 T 78/90, KostRsp. GKG § 16 Nr. 71 mit Anm. Schneider = WuM 1991, 358; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 40; Hartmann, § 41 Rn. 18 unter „Vertragsabschluss“. 2 OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 685; Meyer, § 41 Rn. 22. 3 KG, JW 1937, 2216 Nr. 30; OLG Bremen, Beschl. v. 29.1.1993 – 2 W 116/92, juris; OLG Hamm, Rpfleger 1949, 570 Nr. 138; OLG Hamburg, MDR 1970, 333; OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 685; OLG Koblenz, ZMR 1978, 64; Meyer, § 41 Rn. 8. 4 OLG Hamburg, MDR 1970, 333; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.11.2009 – 8 W 348/ 09, AGS 2010, 195; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 40; abw. OLG Bremen, Beschl. v. 29.1.1993 – 2 W 116/92, juris: 50 % der anfallenden Gesamtmiete; OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 685: 3-facher Jahresbetrag. 5 So LG Dortmund, Beschl. v. 28.11.1990 – 21 T 78/90, WuM 1991, 358; Bub/Treier/ Fischer, Geschäfts- und Wohnraummiete, VIII Rn. 233.

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Mietstreitigkeiten Inhalt also der Mietvertrag habe, dann ist § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 GKG Abs. 1 a.F.) tatbestandsmäßig nicht anwendbar. Der Streitwert ist daher in der Regel nach § 3 ZPO zu schätzen.1 Dies gilt jedoch nicht für die Bewertung einer Klage auf Feststellung, dass die Kündigung eines Mietverhältnisses erst ab einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt wirksam erklärt werden könne, soweit darin ein Streit über den Vertragsinhalt gesehen wird. Da hier zugleich über die Dauer des Mietverhältnisses gestritten wird, ist § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) als Sondernorm einschlägig. S. hierzu im Einzelnen unter „Kündigungsmöglichkeit“. Vorauszahlung Der Anspruch auf Leistung einer Mietvorauszahlung ist unter Berücksichtigung des Zinsvorteils des Vermieters nach §§ 3, 6 ZPO zu schätzen.2

4023

Vorkaufsrecht Bei einem Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Vorkaufsrechts ist der Streitwert gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen des Gerichts zu schätzen.3

4024

Für die Bewertung der negativen Feststellungsklage dahin, dass dem Mieter ein Vorkaufsrecht an dem gemieteten Grundstück nicht zusteht, ist nur ein geringer Bruchteil des Grundstückswertes anzusetzen, wenn die Möglichkeit eines Vorkaufsfalles z.Zt. völlig fern liegt und damit eine Feststellung nur beiläufig begehrt wird.4 Im Übrigen ist stets auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, wobei Maßstab für die Bewertung jeweils die Wahrscheinlichkeit des Vorkaufsfalles ist.5 S. auch das Stichwort „Vorkaufsrecht“.

4025

Vorvertrag S. unter „Vertragsabschluss“.

4026

Wegnahme von Einrichtungen Klagt der Mieter auf Duldung der Wegnahme eingebauter Sachen, dann bestimmt sich der Streitwert gem. § 6 ZPO nach dem in der Regel verminderten Wert dieser Sachen, die sie nach der Trennung von den Mieträumen haben werden. Die Kosten des Wegnahmeberechtigten für die Wiederherstellung des 1 BGH, Beschl. v. 9.8.2006 – XII ZR 165/05, MDR 2007, 202 = NJW 2006, 3060; Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, NZM 2005, 944; Beschl. v. 20.4.2005 – XII ZR 248/04, NZM 2005, 519; OLG Koblenz, JurBüro 1977, 1132 = ZMR 1978, 64; OLG Neustadt, JurBüro 1962, 523; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 37; Meyer, § 41 Rn. 8. 2 LG Bamberg, JurBüro 1973, 1196. 3 BGH, LM § 3 ZPO Nr. 13; OLG Celle, JurBüro 1967, 598 Nr. 15. 4 OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.9.2003 – 4 U 144/03, ZOV 2004, 31; OLG Celle, JurBüro 1967, 508 Nr. 157: 1/10; OLG München, JurBüro 1951, 101. 5 BGH, JurBüro 1957, 224 = Rpfleger 1957, 374.

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4027

Mietstreitigkeiten ursprünglichen Zustandes bleiben unberücksichtigt.1 § 6 ZPO gelangt zur Anwendung, weil das Klagebegehren auf Erlangung des Besitzes an den Sachen gerichtet ist. Die Wegnahme, deren Duldung begehrt wird, ist gegenüber der Herausgabe nur ein anderes Mittel der Besitzverschaffung. Dieser Unterschied ist für die Anwendung des § 6 ZPO bedeutungslos. 4028

Erhebt der Mieter gegenüber der Klage auf Räumung eines Geschäftsraumes Widerklage auf Widerruf der Kündigung und für den Fall der Verurteilung zur Räumung hilfsweise Widerklage auf Ersatz von Verwendungen und Duldung der Wegnahme von Einrichtungen, so ist der Streitwert der Hilfsanträge dem Wert des Räumungsbegehrens hinzuzurechnen, wenn darüber entschieden wird, § 45 Abs. 1 (§ 19 Abs. 1 GKG a.F.), § 3 ZPO.2 Widerklage

4029

Erhebt der Mieter gegenüber der Klage auf Räumung eines Geschäftsraumes Widerklage auf Fortsetzung des Mietverhältnisses, dann unterbleibt eine Werterhöhung. Dies folgt bereits aus § 41 Abs. 3 (§ 16 Abs. 3 GKG a.F.), da es für dessen Ausschluss der Zusammenrechnung nicht darauf ankommt, in welcher prozessualen Form Räumung und Fortsetzungsverlangen geltend gemacht werden.3 Zutreffend ist aber auch, dass Klage und Widerklage denselben Streitgegenstand betreffen und auch aus diesem Grunde eine Wertaddition ausscheidet.4

4030

Erhebt der Mieter hingegen Widerklage auf Widerruf der Kündigung und für den Fall der Verurteilung zur Räumung hilfsweise Widerklage auf Duldung der Wegnahme von Einrichtungen, so ist der Streitwert des beschiedenen Hilfsantrages dem Wert des Räumungsbegehrens hinzuzurechnen.5 Es besteht keine Identität der Streitgegenstände; § 41 Abs. 1 Satz 3 GKG (19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.) ist nicht anwendbar (s. auch das Stichwort „Hilfswiderklage“). Winterdienst

4031

Die Klage eines Mieters auf Befreiung vom Winterdienst hat das AG Bonn6 mit 250 Euro bewertet. Wohnrecht

4032

Die Bewertung von Streitigkeiten über den Bestand eines Dauerwohnrechts richtet sich danach, ob die Gebrauchsgewährung entgeltlich oder unentgeltlich eingeräumt worden ist. Handelt es sich aufgrund entgeltlicher Einräumung um ein dem Mietverhältnis ähnliches Nutzungsverhältnis, sind die § 8 1 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 30/91, ZMR 1991, 426 = WuM 1991, 562 – Beschwer; KG, Rpfleger 1971, 227 = JurBüro 1971, 460 = WuM 1972, 112 = ZMR 1972, 80; Bub/Treier/Fischer, Geschäfts- und Wohnraummiete, VIII Rn. 241; Köhler/Kossmann, Handbuch der Wohnraummiete, § 204 Rn. 15; Zöller/Herget, § 6 Rn. 5. 2 OLG Frankfurt, ZMR 1956, 35. 3 Hartmann, § 41 Rn. 32. 4 OLG München, Beschl. v. 22.7.1988 – 21 W 3002/288, JurBüro 1989, 852. 5 OLG Frankfurt, ZMR 1956, 35. 6 AG Bonn, Urt. v. 11.4.1989 – 6 C 619/88, WuM 1989, 498.

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Mietstreitigkeiten ZPO, § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG) einschlägig; ansonsten ist (über § 48 GKG) nach § 3 ZPO zu bewerten. So bemisst sich bei einem mietähnlichen Wohnrecht der Streitwert für eine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens des Wohnrechts oder der Nichtigkeit des Vertrages über ein mietähnliches Dauerwohnrecht gem. § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) nach dem einjährigen Nutzungsentgelt.1

4033

Demgegenüber sind Auseinandersetzungen über den Bestand eines unentgeltlichen dinglichen Wohnrechts und/oder dessen Eintragung in das Grundbuch nach § 3 ZPO und nicht nach § 41 GKG zu bewerten. Die konkrete Bewertung muss dabei angesichts der Unentgeltlichkeit deutlich über dem ortsüblichen Jahresmietzins liegen. Stehen Einräumung und Eintragung im Streit, orientiert sich das OLG Köln2 an § 24 KostO und ermittelt den Streitwert unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Lebenserwartung des Nießbrauchsberechtigten. Das OLG Frankfurt3 setzt demgegenüber je nach Interesse des Klägers zwischen einjährigem und fünfjährigem Jahresmietbetrag, bei bloßer Eintragung den zweifachen Jahresbetrag an. In einer neueren Entscheidung bemisst es den Streitwert für eine Klage auf Zustimmung zur Löschung in Anlehung an § 9 ZPO mit dem 3,5-fachen Wert des Jahresnutzungswerts.4

4034

Wird mit der Klage auf Feststellung des Nichtbestehens zugleich die Bewilligung zur Löschung der Grundbucheintragung verlangt, sind die Anträge wirtschaftlich identisch. Eine Wertaddition gem. § 5 ZPO, § 39 Abs. 1 GKG (ohne Entsprechung in § 12 GKG a.F.) scheidet aus, denn zwischen den Parteien ist nur der (Fort-)Bestand des Wohnrechts streitig.5 Als nachbereitendem Zusatzantrag liegt dem Löschungsbegehren kein vom Feststellungsanspruch abweichendes wirtschaftliches Interesse zugrunde (s. für die Anspruchshäufung auch unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche“).

4035

Anders liegt es, wenn neben der Löschungsbewilligung zugleich Herausgabe und Räumung des Nutzungsobjekts beansprucht werden. Hier sind die Klagebegehren wirtschaftlich betrachtet nicht identisch, da die Löschung auf Berichtigung des Grundbuchs und Beseitigung von Verfügungsbeschränkungen, die Räumung hingegen auf tatsächliche Sachherrschaft gerichtet ist. Zudem ist das Räumungsurteil ohne Bindungswirkung für spätere Löschungsklage. Das OLG Braunschweig6 bewertet das Löschungsbegehren nach § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1GKG und das Räumungsverlangen nach § 41 Abs. 2 GKG (§ 16 Abs. 2 GKG a.F.) jeweils mit dem Jahresbetrag und addiert sodann.

4036

Die demgegenüber vertretene Bewertung des Löschungsbegehrens nach § 24 Abs. 2 KostO7 überzeugt schon deshalb nicht, weil die sehr hohen Werte 1 OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.7.1988 – 5 W 13/98, OLGR 1999, 231; OLG München, Beschl. v. 11.12.1998 – 14 W 257/98, ZMR 1999, 173: dingliches Wohnrechts (§ 1093 BGB) unklar ob entgeltlich; OLG Stuttgart, ZMR 1963, 32. 2 OLG Köln, Beschl. v. 12.6.2006 – 2 W 49/06, JurBüro 2006, 477; Beschl. v. 28.8.2003 – 2 W 129/02, juris. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.3.1995 – 19 W 8/95, OLGR 1993, 132. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.5.2006 – 19 W 16/06; juris. 5 OLG Frankfurt, MDR 1963, 937 Nr. 71; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1964, 106; OLG Düsseldorf, JurBüro 1965, 550 Nr. 160. 6 OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.7.1988 – 5 W 13/98, OLGR 1999, 231. 7 LG Heidelberg, Beschl. v. 13.3.1984 – 5 T 19/84, AnwBl. 1984, 373; LG Lübeck, JurBüro 1959, 430 Nr. 143.

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Mietstreitigkeiten dieser Vorschrift ihre Entsprechung in den niedrigeren Gebühren in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit finden.1 4037

Streiten die Parteien nur darüber, ob ein bestehendes Wohnrecht durch Eintragung in das Grundbuch dinglich gesichert werden muss, dann ist der Streitwert gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu bestimmen.2 Wohnungseigentum

4038

Unter § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) fällt nicht die Räumungs- und Herausgabeklage des Wohnungseigentumsverkäufers gegen den Käufer, weil die Überlassung des Objekts für eine Übergangszeit nicht als ein Nutzungsverhältnis i.S. des § 41 Abs. 2 Satz 2 GKG (§ 16 Abs. 2 Satz 2 GKG a.F.) angesehen wird.3 Wohnungstausch

4039

Der Klage auf Räumung und Herausgabe einer Wohnung auf Grundlage eines zwischen den Parteien vereinbarten Wohnungstausches liegt keine mietrechtliche Streitigkeit zugrunde. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert bestimmen sich daher nach §§ 3, 6 ZPO.4 Zins

4040

S. oben bei „Mietzins“. Zwangsversteigerung

4041

Nach § 57 ZVG i.V.m. § 566 BGB (§ 571 BGB a.F.) beendet der Zuschlag ein zu diesem Zeitpunkt das Versteigerungsobjekt betreffendes Miet- oder Pachtverhältnis nicht, sondern der Ersteher tritt in diesen Vertrag mit dem Recht zur Sonderkündigung (§§ 57a–d ZVG) ein.

4042

Da diese Regelung dem sozialen Schutz von Mietern und Pächtern dient, ist auch die entsprechende Gebührenprivilegierung des § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) anwendbar, mit der Folge, dass eine Drittwiderspruchklage gegen die Räumungsvollstreckung aus einem Zwangsversteigerungs-Zuschlagsbeschluss nach § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) und nicht nach § 6 ZPO zu bewerten ist, wenn der Drittwiderspruchskläger sich auf einen Pachtvertrag als „ein die Veräußerung hinderndes Recht“ beruft.5

4043

Nur wenn kein Recht zur Nutzung eingewandt wird und es allein um den Besitz am Grundstück geht, sind Räumungsklage (§ 985 BGB), Vollstreckungs1 S. Lappe, Anm. zu KostRsp. GKG § 16 Nr. 34. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.3.1995 – 19 W 8/95, OLGR 1993, 132: 2-facher Jahresbetrag; OLG Köln, JMBl.NW 1968, 177. 3 BGH, Beschl. v. 26.6.1967, NJW 1967, 2463; OLG Frankfurt, JurBüro 1979, 1888; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.2.1983 – 17 W 68/83, AnwBl. 1984, 203. 4 Vgl. auch LG Berlin, Beschl. v. 17.12.1991 – 64 T 180/91, MM 1992, 101. 5 OLG Köln, Beschl. v. 9.9.2002 – 19 W 35/02, BRAGOreport 2003, 121; OLG Celle, Beschl. v. 12.5.1987 – 7 W 16/87, KostRsp. GKG § 16 Nr. 52; a.A. LG Bayreuth, AnwBl. 1966, 403 – unzutreffend auf die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss abstellend.

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Minderung (ohne Miete) gegenklage (§ 767 ZPO) und Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) nach dem Verkehrswert des Grundstücks zu bemessen.1 Zwangsvollstreckung Gem. § 25 Abs. 1 Nr. 2 RVG (§ 57 Abs. 2 Nr. 2 BRAGO) bestimmt sich der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit bei einer auf Herausgabe oder Räumung gerichteten Zwangsvollstreckung nach dem Wert der herauszugebenden Sache, höchstens jedoch nach dem Streitwert der für die Gerichtskosten maßgeblichen Vorschriften für die Bewertung des Herausgabe- oder Räumungsanspruchs.

4044

Mit der Neufassung des § 57 BRAGO durch die Zweite Zwangsvollstreckungsnovelle vom 17.12.19972 ist die durch die vorangegangene Änderung des § 57 Abs. 2 Satz 1 BRAGO mit dem KostRÄndG 1994 ausgelöste Kontroverse überholt, ob abweichend vom Wortlaut bei Herausgabe aus beendetem Nutzungsverhältnis weiterhin für den Gegenstandswert auf das Jahresentgelt abzustellen ist.3 Der Gegenstandswert kann jetzt den sich nach § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) ergebenden Wert nicht mehr überschreiten und liegt bei einer streitigen Zeit von weniger als einem Jahr unter dem Betrag des Jahresentgelts.

Minderung (ohne Miete) Wird ein bezifferter Minderungsbetrag verlangt, dann ist für den Streitwert die geforderte Summe maßgebend (§ 6 Satz 1 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG).

4045

Soweit sich der Beklagte mit Minderungsansprüchen gegenüber einem Werklohn- oder Kaufpreisanspruch verteidigt, stellt sich die Frage der Wertaddition.

4046

Für den Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert ist diese Frage in § 5 ZPO geregelt. Werden vom Beklagten Mängel mit der Folge gerügt, dass der Anspruch selbst in seinem Entstehungstatbestand verändert wird (einredeweise geltend gemachte Minderung) oder werden Folgeschäden aus positiver Vertragsverletzung hergeleitet (Aufrechnung mit Gegensprüchen), so bleibt dies bei der Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwertes unberücksichtigt. Der Zuständigkeitsstreitwert wird allein durch den Streitgegenstand bestimmt und da die Gegenforderung mit der Geltendmachung der Einrede oder Aufrechnung nicht rechtshängig wird, ist für eine Addition von Forderung und Gegenforderung kein Raum.

4047

Für den Gebührenstreitwert gilt die Regelung in § 45 GKG. Danach ist eine rechtskraftfähig beschiedene Hilfsaufrechnung über eine bestrittene Gegenfor-

4048

1 S. LG Düsseldorf, Beschl. v. 17.3.1992 – 25 T 174/92, KostRsp. GKG § 16 Nr. 84; LG Kassel, Beschl. v. 9.3.1987 – 2 T 106/87, Rpfleger 1987, 425 = AnwBl. 1988, 645. 2 BGBl. I 309. 3 Bejahend OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.5.1996 – 10 W 51/95, JurBüro 1997, 315 = MDR 1996, 1076; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.9.1996 – 20 W 227/96, NJW-RR 1996, 1481; OLG Köln, MDR 1997, 1165; abl. OLG Hamm, Beschl. v. 4.10.1996 – 7 W 4/96, NJWRR 1997, 511; OLG München, Beschl. v. 24.3.1995 – 21 W 1088/95, OLGR 1996, 165.

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Mitbenutzungsrecht derung (§ 45 Abs. 3 GKG) bzw. ein beschiedener Hilfsantrag (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG) dem Hauptsachewert hinzuzurechnen. Ob im Einzelfall das Minderungsverlangen des Beklagten eine solche Aufrechnung darstellt oder es sich vielmehr um eine streitwertmäßig unbeachtliche Anrechnung handelt, ist durch sorgfältige Prüfung des Vorbringens zu ermitteln. S. näher dazu die Stichwörter „Aufrechnung“ und „Einrede, Einwendung“. 4049

Wird der Rechtsstreit über einen geltend gemachten Minderungsanspruch dadurch beigelegt, dass die Parteien vergleichsweise die Rückabwicklung des Kaufvertrages vollziehen, so kann darin nicht nur die Erfüllung des Minderungsanspruchs gesehen werden, denn die Vornahme eines Rücktritts in einem Vergleich über einen Minderungsanspruch setzt voraus, dass jedenfalls auch der Rücktrittsanspruch geltend gemacht wird. Wertmäßig geht der Minderungsanspruch daher in dem Rücktrittsanspruch auf, für den der zurückzuzahlende Gesamtkaufpreis maßgebend ist.1

Mitbenutzungsrecht 4050

Mitbenutzungsrechte treten in unterschiedlichen Formen auf. Streitwertrechtlich von Bedeutung sind sie nur als selbständiger Gegenstand des Klagebegehrens. Daher bleiben sie unberücksichtigt, wenn etwa im Fall der Räumungsklage neben dem Besitz des Beklagten an den von ihm genutzten Räumlichkeiten auch sein Recht zur Mitbenutzung von Gemeinschaftsflächen und -anlagen betroffen ist. Die gilt auch bei Streitigkeiten betreffend die Einräumung eines lebenslänglichen Wohn- und Mitbenutzungsrechtes. Zu einer abweichenden Bewertung besteht nur Anlass, wenn sich der Streit auf die Einräumung oder Ausübung einzelner Mitbenutzungsrechte beschränkt.

4051

So liegt es beispielsweise, wenn Miteigentümer (Ehegatten) eines ehemals gemeinsam genutzten Wohnanwesens, hinsichtlich dessen beiden ein Mitbenutzungsrecht nach § 743 Abs. 2 BGB zusteht, darüber streiten, ob der Kläger von dem in dem Objekt verbliebenen Beklagten die Gestattung der jederzeitigen Besichtigung des Objekts verlangen kann.2 Hier ist der Streitwert gem. § 3 ZPO nach dem klägerischen Zutrittsinteresse zu bemessen, wobei zu beachten ist, dass jeder der Beteiligten (im Zweifel hälftig: § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB) berechtigt ist und ein Anteilsrecht immer streitwertmindernd berücksichtigt werden muss.3

4052

Hat der Kläger in einem Rechtsstreit ein unentgeltlich eingeräumtes Mitbenutzungsrecht an Werkstatträumen und den dort befindlichen Maschinen und Werkzeugen geltend gemacht, dann richtet sich die Streitwertfestsetzung auch hier nach § 3 ZPO. Dabei ist der Anspruch auf Mitbenutzung der Werkstatt samt Einrichtung geringer zu bewerten als ein etwaiges Recht zum Mitbesitz. Denn der Mitbesitz geht weiter als das Recht auf bloße Mitbenutzung.4 1 2 3 4

KG, Rpfleger 1962, 155 (noch für die Wandlung). LG Saarbrücken, Urt. v. 1.4.2004 – 2 S 227/03 FamRZ 2004, 1580: 1.200 Euro. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.1.1980 – 10 W 60/79, Justiz 1980, 148. OLG Nürnberg, Rpfleger 1956, 298; Meyer, Anh. § 48 (§ 3 ZPO) Rn. 21 unter „Mitbenutzungsrecht“.

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Miterbe Der Wert einer Klage auf Bestellung einer Grunddienstbarkeit gem. § 116 Abs. 1 SachRBerG wegen fehlender Begründung eines Mitbenutzungsrechts nach §§ 312, 322 ZGB (DDR) bemisst sich gem. § 7 ZPO nach dem Wert der Grunddienstbarkeit.1 Die daneben hilfsweise verlangte Duldung eines Notwegerechts ist damit nicht wirtschaftlich identisch und daher – im Falle der Bescheidung – gesondert zu bewerten.2

4053

Beruft sich der Nutzungsberechtigte nach vorausgegangener Kündigung eines Mietvertrages auf ein auf Lebenszeit eingeräumtes Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht, dann bemisst sich die Beschwer nach § 9 ZPO, d.h. nach dem 3,5fachen Jahresbetrag des Nutzungsentgelts.3 Das gilt auch für den Wert (der Beschwer) einer auf Abwehr eines mietvertraglich begründeten streitigen Anspruchs auf Mitbenutzung eines Trockenbodens gerichteten Vollstreckungsabwehrklage.4

4054

S. auch die Stichwörter „Besitz“ und „Mietstreitigkeiten“.

Miterbe Literatur: Hillach, DR 1941, 1446 (Streitwert des Anspruchs eines Miterben gem. § 2039 BGB auf Leistung an alle Erben); Creutzig, NJW 1969, 1334 (Auflassung); Speckmann, NJW 1970, 1259 (Erbteilungsklage); Speckmann, NJW 1970, 1906 (Leistungsklage zwecks Erbauseinandersetzung); E. Schneider, JurBüro 1977, 433 (Entwicklung der Rspr. des BGH); E. Schneider, Rpfleger 1982, 268 (Streitwert der Miterbenklagen nach § 2039 und § 2050 BGB).

A. Die Bewertungsproblematik Der BGH hat bei der Bewertung von Miterbenstreitigkeiten ursprünglich die rechtliche Betrachtungsweise der wirtschaftlichen vorgezogen, nach § 6 ZPO bewertet und den Erbanteil des klagenden Miterben nicht berücksichtigt.5 Das entsprach auch der älteren Judikatur der Instanzgerichte.

4055

In späteren Entscheidungen6 ist er zunehmend zur „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ übergewechselt und hat schließlich seine ältere Rechtsprechung aufgegeben, indem er Miterbenstreitigkeiten nicht mehr gem. § 6 ZPO, sondern gem. § 3 ZPO nach dem wirtschaftlichen Interesse des Miterben-Klägers bewertete.7

4056

Seine Judikatur lässt sich in folgendem Rechtssatz zusammenfassen:

4057

Grundsätzlich ist von § 3 ZPO auszugehen, wobei ein Miteigentumsanteil des klagenden Erben außer Ansatz zu lassen sei. Das gilt auch für Streitigkeiten der Miterben 1 OLG Naumburg, Urt. v. 30.5.2000 – 11 U 243/99, NZM 2001, 1050; OLG Rostock, Urt. v. 20.5.1999 – 7 U 339/98, NZM 2000, 837. 2 OLG Rostock, Urt. v. 20.5.1999 – 7 U 339/98, NZM 2000, 837; LG Stendal, Urt. v. 10.5.2001 – 22 S 18/01, NZM 2002, 46. 3 BGH, Beschl. v. 21.9.2006 – V ZR 63/06, WuM 2006, 583. 4 BGH, Beschl. v. 12.3.2008 – VIII ZB 60/07, WuM 2008, 296. 5 BGH, JurBüro 1962, 278. 6 BGH, JurBüro 1969, 834 u. vor allem in MDR 1973, 125 = NJW 1972, 909. 7 BGH, Beschl. v. 28.4.1993 – IV ZR 23/92, NJW 1975, 1415 = MDR 1975, 741; KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1135.

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Miterbe untereinander, soweit Herausgabeansprüche (§ 6 ZPO) geltend gemacht werden. Sofern jedoch Ansprüche von oder gegen Dritte geltend gemacht werden, die außerhalb der Erbengemeinschaft stehen, ist voll zu bewerten.

Damit sind die Auslegungsprobleme zur Bewertung von Miterbenstreitigkeiten jedenfalls im Grundsatz gelöst. 4058

Die Rechtsvorgänge zwischen Miterben oder an denen ein Miterbe beteiligt ist, sind mannigfacher Art. Allgemeine Bewertungsregeln können nicht vorangestellt werden, da es an einer eigenen Bemessungsvorschrift für Erbschaftssachen fehlt.

4059

Die einzige Bewertungsproblematik, die sich dann allerdings durch sämtliche Einzelfälle hindurchzieht, an denen Miterben beteiligt sind, ist die, ob eine wirtschaftliche oder eine formelle Betrachtungsweise vorzuziehen ist. Im Ergebnis läuft das weitgehend auf die sich immer wieder stellende Frage hinaus, ob und wie der Anteil des klagenden oder beklagten Miterben bei der Streitwertbemessung anzusetzen ist. Deshalb erscheint es zweckdienlich, von vornherein die Erläuterungen auf die für die Bewertungspraxis wichtigen Fallgestaltungen auszurichten und diese in alphabetischer Ordnung zu erläutern.

B. Streitwert-Schlüssel Stichwortübersicht Rn. Aufhebung der Erbengemeinschaft, Auseinandersetzung . . . . . . . Auflassung . . . . . . . . . . . . . . Ausgleichungspflicht . . . . . . . . Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . Bankguthaben . . . . . . . . . . . . Befreiung . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigung . . . . . . . . . . . . . Erbauseinandersetzung, Erbteilung Erbschein . . . . . . . . . . . . . . . Erbunwürdigkeit . . . . . . . . . . . Feststellungsabschlag . . . . . . . . Genehmigung . . . . . . . . . . . . Gesetzliche Erbfolge . . . . . . . . . Grundbuchberichtigung . . . . . . .

4060 4070 4080 4081 4084 4085 4086 4088 4090 4091 4092 4095 4096 4098

Herausgabe . . . . . . . . Hinterlegung . . . . . . . Leistungsklage . . . . . . Nachlassverzeichnis . . . Nichtigkeit . . . . . . . . Pachtvertrag . . . . . . . Pflichtteil . . . . . . . . Rücktritt vom Erbvertrag Testamentsvollstreckung Unterlassung . . . . . . . Vorerbe . . . . . . . . . . Vorkaufsrecht . . . . . . Zurückbehaltungsrecht . Zuwendungen . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . .

Rn. 4099 4102 4103 4113 4115 4120 4121 4122 4123 4126 4127 4133 4134 4135

Aufhebung der Erbengemeinschaft, Auseinandersetzung 4060

Der BGH hat ursprünglich den Streitwert der Erbteilungsklage nach § 6 ZPO bemessen und den vollen Wert des Nachlasses angesetzt.1 Gegenleistungen, also der vom Kläger zu zahlende Abfindungsbetrag oder der Erbanteil des klagenden Miterben, wurden nicht berücksichtigt.

1 BGH, JurBüro 1962, 278; ebenso KG, Rpfleger 1962, 155; JurBüro 1969, 636; OLG Celle, Rpfleger 1961, 211; OLG Frankfurt, JurBüro 1957, 126; OLG Braunschweig, Rpfleger 1956, 115.

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Miterbe Jedoch hatte der BGH schon früher1 eine nicht immer hinreichend berücksichtigte Ausnahme für den Fall gemacht, dass nicht die Auseinandersetzung überhaupt, sondern nur der Auseinandersetzungsplan in einzelnen Beziehungen streitig ist. In diesem Fall hat er den Streitwert nach dem gem. § 3 ZPO frei zu schätzenden Interesse des Klägers bemessen.2 Die Gegenmeinung stellt demgegenüber mit Recht betont auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Erbauseinandersetzung und der Aufhebung der Erbengemeinschaft ab. Das führt zur Unanwendbarkeit des § 6 ZPO. Der Streitwert ist vielmehr nach § 3 ZPO zu schätzen.3 Bei Anwendung seiner Rechtsprechung ist dann auch der BGH davon ausgegangen.4 Bei Anwendung des § 3 ZPO stellt sich dann aber wiederum eine neue Frage: wie hoch nämlich im Einzelnen zu bemessen ist. Das OLG Nürnberg5 hat als Streitwert, wenn der Kläger die Übernahme eines Grundstücks gegen Abfindung der übrigen Miterben erstrebt, den Unterschiedsbetrag zwischen dem Verkehrswert des Grundstücks und der Summe der Abfindungsbeträge angesetzt. Das KG6 ist der Auffassung, wenn ein Miterbe die Auflassung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks nur von einzelnen Miterben verlange, dann komme als Wert des Streitgegenstandes lediglich der dem Anteil der Beklagten am Nachlass entsprechende Teil des Grundstückswertes in Betracht.7 Das Interesse des Klägers bestimmt sich also danach, was er bekommen will: Das ist dasjenige, was anteilsmäßig noch zum Vermögen der beklagten Miterben gehört. Das OLG Frankfurt/M.8 stellt auf das Interesse ab, das die Kläger an der Aufhebung ihrer Bindung an die Erbengemeinschaft und an der Erlangung der unbeschränkten Verfügungsbefugnis an den ihnen entsprechend ihren Erbteilen zukommenden Grundstücken haben: „Rechtlich und wirtschaftlich ist das Ziel ihrer Klage also nur darauf gerichtet, unter Aufhebung der rechtlichen Bindung an die Erbengemeinschaft freie Verfügungsmacht über die Grundstücke zu erlangen, die ihnen entsprechend ihrem Anteil und zu dessen Abgeltung von der Gemeinschaft überlassen werden sollen. Hieraus ergibt sich einmal, dass entgegen der Ansicht des OLG Kiel9 der Wert einer solchen Klage den Wert des klägerischen Nachlassanteiles nicht übersteigen kann. Zum anderen zeigen diese Überlegungen, dass der Streitwert auch nicht nach dem Anteil des beklagten Teiles bestimmt werden kann, wie dies in den Entscheidungen des KG10 und des OLG Hamburg11 geschehen ist.“ 1 BGH, Rpfleger 1959, 110. 2 S. auch BGH, JurBüro 1969, 834. 3 So OLG Frankfurt, JurBüro 1956, 467; OLG Nürnberg, JurBüro 1957, 553; OLG Stuttgart, Rpfleger 1957, 98; KG, Rpfleger 1962, 154. 4 BGH, Beschl. v. 28.4.1993 – IV ZR 23/92, NJW 1975, 1415 = MDR 1975, 741; KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1135. 5 OLG Nürnberg, JurBüro 1957, 553. 6 KG, Rpfleger 1962, 156. 7 So schon früher OLG Hamburg, OLGE 9, 49. 8 OLG Frankfurt/M., JurBüro 1956, 467 Nr. 126. 9 OLG Kiel, JW 1932, 3639. 10 KG, HuW 1950, 454. 11 OLG Hamburg, OLGE 9, 49.

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Miterbe 4062

Damit war in der Sache die heutige Rechtsprechung des BGH vorweggenommen. Der BGH1 hat – sachlich damit übereinstimmend – formuliert: „Der Miterbe, der auf Zustimmung zum Auseinandersetzungsplan klagt, verfolgt mit seiner Auseinandersetzungsklage (die auf Zustimmung zur Versilberung ging) das Rechtsschutzziel, den auf ihn entfallenden Teil des Überschusses nach der Verwertung des Nachlasses zu erhalten.“

Wirtschaftlicher Wert des Streitgegenstandes ist also nur der Erbanteil des Klägers, bei dessen Bewertung sekundär entscheidend ist, was der Beklagte nach Auffassung des Klägers diesem zu Unrecht vorenthält. Als Streitwert kann folglich, da nicht die Erbbeteiligung, sondern die Erlangung der Verfügungsbefugnis über bestimmte, dem Erbanteil wertmäßig entsprechende Nachlassgegenstände im Streit ist, nur ein Betrag in Frage kommen, der sich unter dem Wert der Erbteile der klagenden Miterben hält. 4063

Eine andere Beurteilung ist ausnahmsweise dann geboten, wenn es dem Kläger wirtschaftlich betrachtet darum geht, das gesamte Erbe auf sich zu vereinigen; dann ist für den Streitwert ausnahmsweise der von dem Beklagten gehaltene Erbteil maßgebend.2

4064

Werden wechselseitige Klagen erhoben, gilt § 45 GKG. Der Wert des Streitgegenstandes in einem auf Auseinandersetzung einer zweigliedrigen Miterbengemeinschaft gerichteten Rechtsstreit ist bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf die Punkte zu beschränken, die zwischen den Parteien streitig sind, auch wenn wechselseitig mit Klage und Widerklage die Zustimmung der jeweiligen Gegenseite zu einem Verteilungsplan verlangt wird und Gegenstand dieser Verteilungspläne auch die Übertragung eines Grundstücks von der Miterbengemeinschaft auf einen Miterben ist, sofern diese Übertragung als solche und der zugrunde zu legende Wert des Grundstücks nicht im Streit sind.3

4065

Wird der Rechtsstreit durch einen Vergleich beendet, in dem die Miterbengemeinschaft das zum Nachlass gehörige Grundstück auf einen Miterben zu dessen Alleineigentum überträgt, so ist ein übersteigender Vergleichswert in Höhe des Bruchteils des Grundstückswerts vorhanden, der (wirtschaftlich) übertragen wird.4

4066

Das Interesse an der Vermeidung der Versteigerung zur Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft ist auf 10 % des (um das Affektionsinteresse erhöhten) Wertes des der Versteigerung unterworfenen Gegenstands anzusetzen.5

4067

Verlangt ein Miterbe von anderen Miterben die Übertragung eines Erbschaftsgegenstands, so sollen nach OLG Köln deren Anteile abzuziehen sein.6

4068

Klagt ein Miterbe auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Teilungsplanes des Testamentsvollstreckers und umfasst der Teilungsplan zwar den überwie-

1 BGH, Urt. v. 24.4.1975 – III ZR 173/72, NJW 1975, 1415 = MDR 1975, 741; BGH, MDR 1973, 125 = NJW 1972, 909. 2 OLG Celle, OLGR 2001, 142. 3 OLG Bremen, Beschl. v. 16.9.2003 – 2 U 27/03, OLGR 2004, 134 = RVG-B 2004, 126. 4 OLG Bremen, Beschl. v. 16.9.2003 – 2 U 27/03, OLGR 2004, 134 = RVG-B 2004, 126. 5 BGH, Beschl. v. 24.1.1996 – IV ZR 276/95, BGHR ZPO § 3 Versteigerung 1. 6 OLG Köln, Beschl. v. 17.5.1995 – 11 W 32/95, juris.

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Miterbe genden Teil des Nachlasses (unter anderem mehrere Grundstücke), nicht aber den gesamten Nachlass, so bestimmt sich der Streitwert bezogen auf den Gesamtwert des Teilungsplanes nach der Hälfte der Miterbenquote des klagenden Erben.1 Hat das Berufungsgericht in einem Verfahren auf Auseinandersetzung einer ungeteilten Miterbengemeinschaft in Abweichung von der Teilungsanordnung des Erblassers im Teilungsplan dem Beklagten das Alleineigentum an einer Eigentumswohnung zugesprochen und ansonsten den Parteien die Erträge und Kosten von anderen Eigentumswohnungen hälftig zugewiesen, so bemisst sich die Beschwer des Klägers nach dem Wert des von ihm geltend gemachten Miteigentumsanteils an der Eigentumswohnung sowie dem 3 1/2fachen Wert des einjährigen Bezuges der Nutzungen aus den anderen Eigentumswohnungen. Demgegenüber ist der Nutzungsvorteil des Beklagten, der eine Eigentumswohnung trotz eines nur anteiligen Gebrauchsrechts allein nutzt, nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, wenn der Kläger sein eigenes Mitgebrauchsrecht nicht geltend gemacht hat.

4069

Auflassung Verlangt ein Miterbe die Auflassung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks nur von einzelnen Miterben, so kommt als Streitwert lediglich der dem Anteil aller verklagten Miterben am Nachlass entsprechende Teil des Grundstückswertes in Betracht.2

4070

Bei Klagen zweier Miterben gegen den dritten Miterben auf Auflassung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks auf einen der Kläger ist dementsprechend der Anteil des beklagten Miterben als Streitwert anzusetzen.3 Auch dann kommt es nur auf den Anteil des beklagten Miterben an, wenn der Kläger (= Miterbe) im Einverständnis mit einem dritten Miterben auf Übertragung an sich klagt.4

4071

Zum rechnerisch gleichen Ergebnis kommt das OLG Celle:5 Verlangt ein Miterbe von einem anderen Miterben aufgrund einer Anordnung des Erblassers die Auflassung des Nachlassgrundstücks, so richtet sich der Streitwert grundsätzlich nach dem Verkehrswert des Grundstücks. Von diesem Wert ist jedoch der bisherige gesamthänderische Anteil des klagenden Miterben abzusetzen.6 Eine andere Meinung bemisst dagegen das Auflassungsverlangen grundsätzlich nach § 6 ZPO.7 Es handelt sich letztlich um das bereits vorstehend (Rn. 4060 ff.) behandelte Problem, da die Auflassung unter Miterben gerade zum Zwecke der Erbauseinandersetzung erstrebt wird. 1 2 3 4 5 6 7

OLG München, Beschl. v. 26.1.1995 – 15 W 2687/94, OLGR München 1995, 142. KG, Rpfleger 1962, 156. KG, HuW 1950, 454. OLG Hamburg, JurBüro 1994, 364. OLG Celle, NJW 1969, 1355. So jetzt auch BGH, NJW 1975, 1415. BGH, JurBüro 1962, 278; KG, Rpfleger 1962, 155; OLG Celle, Rpfleger 1961, 211; OLG Frankfurt, JurBüro 1957, 126; OLG Braunschweig, Rpfleger 1956, 115.

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Miterbe Durch die Änderung der Rechtsprechung des BGH seit Anfang 1972 dürfte jedoch heute allgemein die Auffassung gelten, dass der Erbanteil des klagenden Miterben vom Grundstückswert abzuziehen ist.1 4072

Hat der Kläger das Grundstück schon auf seine Kosten bebaut, so ist der Bauwert voll abzuziehen.2

4073

Von der Bewertung des Auflassungsanspruchs unter Miterben ist der Fall zu unterscheiden, dass ein Dritter in den Streit hineingezogen wird. Dementsprechend hat das KG3 ausgeführt, der Streitwert der Klage auf Auflassung eines Grundstücks zwecks Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft sei jedenfalls dann gleich dem vollen Verkehrswert, wenn es sich dabei nicht um die Regelung der Eigentumsverhältnisse nur unter den Miterben handele. Verklagt also beispielsweise ein Miterbe einen anderen Miterben auf Mitwirkung bei der Auflassung eines Nachlassgrundstücks an einen Dritten, so liegt es nahe, den vollen Wert des Grundstücks als Streitwert anzusehen. So hat früher auch der BGH bewertet.4 Mit Rücksicht auf die Rechtsprechungsänderung5 wird aber nunmehr zu fragen sein, ob an dieser Auffassung festgehalten werden kann.

4074

Zwar können Miterben nur gemeinsam über ein Grundstück verfügen (§ 2040 Abs. 1 BGB). Diese Zustimmung soll durch die Klage erzwungen werden. Wo Miterben jedoch einzeln zur Verfügung bereit sind, entsteht kein gerichtlicher Streit. Das gilt immer für den klagenden Miterben. Daraus folgt, dass der Streitwert – jedenfalls bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise – nur nach den Anteilen derjenigen Miterben bemessen werden darf, die durch Klage zur Auflassung an einen Dritten gezwungen werden sollen. Das gilt auch dann, wenn in einem Streit unter Miterben Herausgabe des Nachlasses an einen Dritten zum Zwecke der Auseinandersetzung (Versteigerung) verlangt wird. Der Streitwert bemisst sich also nicht nach dem ganzen herauszugebenden Nachlass, sondern – wie bei der Klage auf Aufhebung der Erbengemeinschaft (Rn. 4055 ff.) – nach der vom Kläger erwarteten Quote am Erlös.6

4075

Der Streitwert der Klage eines Nachlassgläubigers gegen einen einzigen (Voll-) Erben auf Auflassung und Herausgabe eines Grundstücks ist gleich dem Wert des Grundstücks. Ebenso hat die ältere Rechtsprechung7 aber auch bewertet, wenn der Nachlassgläubiger die Auflassungsklage lediglich gegen einen einzelnen Miterben richtet.

1 BGH, Beschl. v. 23.2.1972 – IV ZR 95/71, NJW 1972, 909 = Rpfleger 1972, 252; nun auch BGH, NJW 1975, 1415; ebenso OLG Bamberg, JurBüro 1973, 768; OLG Köln, JurBüro 1975, 939. 2 OLG Bamberg, JurBüro 1973, 768. 3 KG, Rpfleger 1962, 155. 4 BGH, NJW 1956, 1071. 5 Seit BGH, JurBüro 1975, 1197; MDR 1973, 125 = NJW 1972, 909. 6 Die abweichende ältere Rspr. (OLG Hamburg, Rpfleger 1951, 633; 1957, 37) ist durch die neue Rspr. des BGH, Urt. v. 24.4.1975 – III ZR 173/72, NJW 1975, 1415 = MDR 1975, 741, überholt. 7 OLG Hamburg, JW 1934, 1371; OLG Hessen, SJZ 1949, 418.

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Miterbe Auch insoweit muss heute mit Rücksicht auf BGH1 anders bewertet werden. Aus welchen materiell-rechtlichen Gründen auch immer der Nachlassgläubiger die Klage nur gegen einzelne Miterben richtet (vielleicht sind die anderen freiwillig zur Auflassung und Herausgabe bereit): Dieser einzelne Miterbe ist nicht imstande, allein über das gesamte Grundstück zu verfügen.

4076

Dementsprechend muss der Streitwert an seinem Miteigentumsanteil ausgerichtet werden; denn der Kläger hat nur ein Interesse daran, dieses Zustimmungshindernis auszuräumen. Sein Endziel ist zwar der Erwerb des gesamten Grundstücks. Mit der Klage gegen einen einzelnen Nachlassgläubiger kann er dessen Verwirklichung jedoch nicht erreichen. Nicht zu verwechseln damit sind die Leistungsklagen auf Geldzahlung. Insoweit haftet der einzelne Miterbe voll, sodass auch entsprechend zu bewerten ist (s. unten Rn. 4103).

4077

Ebenso liegt es, wenn ein Miterbe und ein Nicht-Miterbe als Vermächtnisnehmer gegen die Mitglieder einer Erbengemeinschaft auf Übereignung eines Grundstücks klagen, selbst wenn die Übereignung nur an der fehlenden Einwilligung einzelner Miterben scheitert.2 Grund: Der Miterbenanteil des klagenden Erben kann nicht zugunsten des klagenden Nicht-Miterben abgezogen werden; maßgebend ist nur der Klageantrag auf Übereignung an den Erben und den Nicht-Miterben als Miteigentümer.3

4078

Verlangt ein Miterbe von einem anderen Miterben die Auflassung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks, bemisst sich der Streitwert nach dem Bruchteil des objektiven Grundstückswerts, der dem Anteil des verklagten Miterben am Nachlass entspricht.4

4079

Ausgleichungspflicht Bei einer Klage auf Feststellung der Ausgleichungspflicht gem. § 2050 BGB ist der Streitwert nach dem Interesse zu bemessen, das der Kläger an der Ausgleichung hat. Es ist also § 3 ZPO und nicht § 6 ZPO anzuwenden.5

4080

Die Festsetzung des Wertes nach freiem Ermessen rechtfertigt sich deshalb, weil die Verurteilung für die Beklagten nicht dieselben Folgen hat wie eine Verurteilung zur Leistung nach § 2039 BGB. Auskunft Die Bewertung hat nach § 3 ZPO zu erfolgen. Der Anspruch auf Auskunftserteilung gewährt im Falle der Verurteilung keine volle Befriedigung, sondern bereitet die Zahlungsklage nur vor. Infolgedessen stellt sich sein Wert auch nur als Bruchteil des Anspruchs dar, dessen Geltendmachung er erleichtern soll.

1 2 3 4 5

BGH, Urt. v. 24.4.1975 – III ZR 173/72, JurBüro 1975, 1071, 1197 = MDR 1975, 741. OLG Bamberg, Beschl. v. 15.10.1987 – 3 W 110/87, JurBüro 1988, 517. S. E. Schneider, Anm. zu KostRsp. ZPO § 3 Nr. 912. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.8.2000 – 14 W 54/00, AGS 2002, 13. BGH, Rpfleger 1957, 247.

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Miterbe Auszugehen ist vom Wert des Nachlasses und sodann die Miterbenquote zu bestimmen; von dem sich hieraus ergebenden Betrag ist der Streitwert für die Auskunftserteilung wiederum mit einem Bruchteil zu bemessen.1 4082

Die zweite Entscheidung des OLG Schleswig2 befasst sich mit dem Fall, dass neben dem ziffernmäßig bestimmten Pflichtteilsanspruch noch Auskunftsklage über den Gesamtumfang des Nachlasses und auf Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit des Nachlassverzeichnisses erhoben wird.

4083

Das nach § 3 ZPO zu bewertende Interesse besteht darin, Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Bestands der Erbschaft zu vermeiden, die ohne die verlangte Auskunft auftreten würden. Bei dieser Schätzung haben die Angaben des Klägers ebenso wie die des Beklagten, der wirkliche Wert der Gegenstände und auch sonstige objektive Tatsachen nur die Bedeutung von Indizien.3 OLG Marienwerder4 wollte überhaupt nur nach objektiven Unterlagen schätzen. Bankguthaben

4084

Der Streitwert der Feststellungsklage einer Miterbin gegen einen anderen Miterben, dass ein Bankguthaben zum Nachlass gehört, bestimmt sich nach dem Betrag des Guthabens abzüglich des Miterbenanteils des Beklagten. Davon ist ein Abschlag von etwa 20 % vorzunehmen.5 S. auch unten Rn. 4088. Befreiung

4085

Klagt ein Miterbe auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages der Erbengemeinschaft, der den Beklagten zum Ankauf eines Nachlassgrundstücks berechtigt, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an der Befreiung von der Verpflichtung aus dem Vertrag, nicht nach dem entsprechenden Interesse der ganzen Erbengemeinschaft.6 Berichtigung

4086

Der Streitwert einer Klage, mit der ein Erbe gegen einen Miterben einen zum Nachlass gehörenden Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs dahin geltend macht, dass anstelle des Miterben die Erben in Erbengemeinschaft als Eigentümer eines Grundstücks eingetragen werden, bemisst sich nach dem Wert des Grundstücks abzüglich des dem Erbteil des Beklagten entsprechenden Anteils.7

4087

Anders liegt der Fall, wenn der Miterbe gegen einen am Nachlass nicht beteiligten Dritten dahingehend auf Berichtigung des Grundbuches klagt, statt des eingetragenen Dritten sei die Erbengemeinschaft einzutragen. 1 2 3 4 5 6 7

OLG Schleswig, JurBüro 1960, 263; 1959, 169. OLG Schleswig, JurBüro 1959, 169. OLG Köln, MDR 1959, 223. OLG Marienwerder, OLGE 23, 68. OLG Bamberg, JurBüro 1974, 1433. BGH, JurBüro 1954, 231. BGH, MDR 1958, 676; RGZ 156, 263.

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Miterbe Der Klageantrag muss nach § 2039 Satz 1 BGB dahin lauten, dass der Dritte die Leistung an alle Erben gemeinsam zu erbringen habe. Eine verurteilende Erkenntnis kommt also allen Miterben zugute. Das gesamte Grundstück ist streitbefangen. Der Streitwert deckt sich daher mit dem Verkehrswert des Grundstücks.1 Erbauseinandersetzung, Erbteilung Streitigkeiten wegen Erbauseinandersetzungen sind in der Bewertung zweifelhaft, wenn es um die Übernahme eines Grundstücks oder mehrerer Grundstücke geht. Die Rechtsprechung war lange Zeit unübersichtlich und sehr kontrovers. Das hing damit zusammen, dass ursprünglich eine rein formale Bewertung nach § 6 ZPO befürwortet wurde.2 Der BGH hat sich von dieser Rechtsprechung langsam gelöst und ist endgültig zur wirtschaftlichen Bewertung übergegangen.3 Er stellt jetzt nicht mehr auf den Nachlasswert als solchen ab, sondern berücksichtigt den Erbanteil des klagenden Miterben, der bei der Bemessung des Streitwerts abzuziehen ist (s. oben Rn. 4055 f.).

4088

Der Streitwert einer Erbteilungsklage richtet sich nicht nach dem vollen Wert des Nachlasses,4 sondern nach dem Interesse des Klägers an dem Auseinandersetzungsplan5 Hat z.B. ein Miterbe im Einverständnis mit einem zweiten Miterben den dritten Miterben auf Übertragung eines Nachlassteils auf sich verklagt, bemisst sich der Streitwert nur nach dem Anteil des verklagten Miterben,6 den der Kläger begehrt.

4089

Erbschein Im Beschwerdeverfahren betreffend die Einziehung des Erbscheins bestimmt sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Interesse des Beschwerdeführers an der Erteilung eines neuen Erbscheins, wobei das Interesse des Beschwerdeführers auch nur einen Bruchteil des Nachlasses betragen kann.7

4090

Erbunwürdigkeit Ursprünglich nahm die Rechtsprechung an, der Streitwert der Erbunwürdigkeitsklage bemesse sich nach dem vollen Nachlasswert.8 Später hat der BGH9 den Streitwert nur noch nach dem Interesse des Klägers an der für ihn aus der Erbunwürdigkeit sich ergebenden Besserstellung bemessen.10 1 2 3 4 5

6 7 8 9 10

S. RGZ 149, 193; E. Schneider, JurBüro 1977, 440 Nr. 5. BGH, JurBüro 1962, 278. BGH, Beschl. v. 28.4.1993 – IV ZR 23/92, NJW 1975, 1415 = MDR 1975, 741. So noch BGH, JurBüro 1962, 278. BGH, Beschl. v. 28.4.1993 – IV ZR 23/92, NJW 1975, 1415 = MDR 1975, 741; BGH, Beschl. v. 3.2.1993 – IV ZR 246/92, BGHR ZPO § 546 Abs 1 Beschwer 3 = EzFamR ZPO § 3 Nr. *(44); OLG Schleswig, SchlHA 1993, 155 = JurBüro 1994, 26. OLG Hamburg, JurBüro 1994, 364. ObLGZ 2001, Nr. 67 = FamRZ 2002, 1203 = AGS 2002, 274. OLG Hamburg, Rpfleger 1951, 570; OLG Nürnberg, JurBüro 1959, 252. BGH, JurBüro 1960, 205. Ebenso OLG Hamburg, JurBüro 1959, 329; OLG Stuttgart, Rpfleger 1956, 168.

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Miterbe Auch diese Rechtsprechung ist aber mittlerweile überholt. Sie hat die schutzwürdigen Interessen des Beklagten außer Acht gelassen. Um dies zu verstehen, ist ein Blick auf die materiell-rechtliche Lage notwendig: Ein einzelner Miterbe kann den Erbfall eines anderen Miterben anfechten und Anfechtungsklage mit dem Antrag erheben, diesen für erbunwürdig zu erklären (§§ 2341, 2342 BGB). Hat er Erfolg, dann erhöht sich nicht nur seine Beteiligung am Nachlass, sondern auch die der anderen Miterben, da das stattgebende Gestaltungsurteil für diese Rechtskraft wirkt (vgl. § 2344 Abs. 1 BGB). Der Sache nach ist also die gesamte Beteiligung des Beklagten am Nachlass in Streit, sodass diese auch die Höhe des Streitwertes bestimmen muss.1 Wird mit der Erbunwürdigkeitsklage zugleich die Klage auf Herausgabe des Nachlasses verbunden, dann ist dieselbe Bewertung geboten. Denn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist Streitgegenstand nur der Anteil des beklagten Miterben, der diesem wegen Erbunwürdigkeit aberkannt werden soll.2 Feststellungsabschlag 4092

Übersehen wird bei der Bewertung von Feststellungsklagen von oder gegen Miterben nicht selten, dass bei der positiven Feststellungsklage ein Abschlag von 20 % vorzunehmen ist.3 Bei der Erbfeststellungsklage eines Vorerben ist ein noch höherer Feststellungsabschlag vorzunehmen.4 Anders bei der negativen Feststellungsklage. Da mit ihr jegliche erbrechtliche Ansprüche des Miterben vollumfänglich ausgeschlossen werden sollen, kommt ein Abschlag von dessen quotenmäßiger Beteiligung am Nachlass nicht in Betracht.5

4093

Gerade bei Erbstreitigkeiten mit ihren oft hohen Werten kann davon die Rechtsmittelfähigkeit eines Rechtsstreits abhängen.

4094

Klagt ein Verwandter gegen die durch Erbschein als Alleinerbin ausgewiesene Beklagte auf Feststellung, dass die Klägerin kraft Gesetzes zu einem Bruchteil Miterbin sei, dann steht bei Erfolg der Klage fest, dass die Klägerin Inhaberin des umstrittenen Erbteils ist. Diese, die Beklagte notwendig ausschließende Feststellung ist der negativen Feststellungsklage vergleichbar und steht einem Feststellungsabschlag entgegen.6 Genehmigung

4095

Der volle Grundstückswert soll nach OLG Bamberg7 dann maßgebend sein, wenn ein Miterbe gegen einen anderen Miterben auf Genehmigung eines notariellen Vertrages klagt, durch den ein Nachlassgrundstück zur Erfüllung eines Vermächtnisses übertragen wird. 1 BGH, JurBüro 1969, 1168; s. auch E. Schneider, JurBüro 1977, 442 zu Ziff. 10. 2 Die gegenteilige ältere Rspr. – OLG Hamburg, Rpfleger 1971, 570; OLG Stuttgart, Rpfleger 1956, 168 – ist durch BGH, JurBüro 1969, 1168 überholt. 3 OLG Köln, JurBüro 1979, 1704; OLG Bamberg, JurBüro 1974, 1433. 4 BGH, Beschl. v. 10.5.1989 – IVa ZR 126/88, FamRZ 1989, 958 = JurBüro 1991, 108: 25 %. 5 OLG Frankfurt, OLGR 1994, 66. 6 BGH, Beschl. v. 16.6.1987 – IVa ZR 24/87, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 873. 7 OLG Bamberg, JurBüro 1983, 120 mit krit. Anm. Mümmler.

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Miterbe Diese Entscheidung ist jedoch mit der gerade in Miterbenstreitigkeiten vom BGH praktizierten wirtschaftlichen Betrachtungsweise (s. oben Rn. 4055 ff.) unvereinbar. Als Streitwert ist die höchste Quote der Nachlassbeteiligung anzunehmen, die sich bei einem Vergleich des Anteils des klagenden Miterben und des die Genehmigung verweigernden beklagten Miterben ergibt.1 Gesetzliche Erbfolge Bei einer Klage auf Feststellung, dass die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei, bestimmt sich der Wert des Streitgegenstands nach dem Anteil des klagenden Erben am Nachlass, nicht aber nach dem Wert des Gesamtnachlasses.2 Zum Feststellungsabschlag s. oben Rn. 4092.

4096

Bei der Festsetzung des Streitwertes einer Klage, mit der der Kläger gegen den testamentarisch eingesetzten Erben die Feststellung begehrt, aufgrund gesetzlicher Erbfolge Erbe geworden zu sein, ist der Wert des unstreitigen Pflichtteilsanspruchs des Klägers von dem Wert des Nachlassvermögens abzuziehen.3

4097

Grundbuchberichtigung Den Streitwert einer Klage, mit der ein Erbe gegen einen Miterben einen zum Nachlass gehörenden Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs dahin geltend macht, dass anstelle des Miterben die Erben in Erbengemeinschaft als Eigentümer eines Grundstücks eingetragen werden, bildet der Wert des Grundstücks; der Anteil des beklagten Miterben ist vom Grundstückswert abzuziehen.4

4098

Herausgabe Über die Bewertung bei Streit unter Miterben wegen der Herausgabe des Nachlasses an einen Dritten s. oben Rn. 4073 ff.

4099

Werden Miterben von einem Erben verklagt, ihren Anteil am Nachlass an die Erbengemeinschaft herauszugeben, bestimmt sich der Streitwert anhand des Nachlasses abzüglich der Anteile der Beklagten. Dagegen wird der Anteil eines weiteren, am Rechtsstreit nicht beteiligten Erben nicht abgesetzt.5

4100

Der Streitwert für Klagen unter Miterben mit dem Ziel, den Beklagten als erbunwürdig aus der Erbengemeinschaft auszuschließen und das Nachlassgrundstück herauszugeben, bemisst sich gem. § 3 ZPO nach dem Anteil des Beklagten (s. oben Rn. 4091).

4101

Hinterlegung Der Streitwert für eine Klage, mit der ein Miterbe nach § 2039 BGB gegenüber einem anderen Miterben eine Nachlassforderung auf Hinterlegung einer be1 2 3 4

S. ausführlich dazu E. Schneider, Anm. zu KostRsp. ZPO § 6 Nr. 90. OLG Schleswig, SchlHA 1958, 83; OLG Bamberg, JurBüro 1975, 1367. BGH, NJW 1975, 539 = JurBüro 1975, 1197. BGH, JurBüro 1958, 387; RGZ 156, 263; OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 66 zu ZPO § 6, b; KG, Rpfleger 1962, 155 zu ZPO § 6, 1. 5 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.2.1992 – 10 W 3/92, JurBüro 1992, 418 = Rpfleger 1992, 254.

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4102

Miterbe stimmten Geldsumme zugunsten des Nachlasses geltend macht, bemisst sich nach dem Betrag der eingeklagten Forderung abzüglich eines dem Miterbenanteil des Beklagten entsprechenden Betrags.1 Leistungsklage 4103

Klagt ein Miterbe aufgrund des § 2039 BGB gegen einen Nachlassschuldner auf Leistung an die noch ungeteilte Erbengemeinschaft, dann ist die volle Leistung im Streit und gem. § 6 ZPO zu bewerten.2 Der Anteil des klagenden Miterben ist also wertmäßig unbeachtlich. Dasselbe gilt, wenn der klagende Miterbe auf Leistung an sich allein klagt, weil er von den übrigen Miterben zur Einziehung der Forderung oder des Anspruches ermächtigt worden ist.3 Bei der Zahlungsklage eines Miterben gegen die anderen Miterben auf Zahlung einer Geldsumme an die lediglich aus den Parteien bestehende Erbengemeinschaft ist jedoch der auf den Anteil des beklagten Miterben entfallende Geldbetrag streitwertmäßig grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.4

4104

Ist dagegen der beklagte Nachlassschuldner nämlich zugleich Miterbe, dann ist zu beachten, dass dem beklagten Miterben u.U. ein seinem Erbteil entsprechender Anteil an der geforderten Leistung zukommt und verbleibt. Dieser Anteil muss als außer Streit befindlich angesehen und daher von dem an sich maßgebenden Wert der gesamten Leistung abgesetzt werden.5 Diese Betrachtungsweise darf jedoch nicht schematisiert und unreflektiert übernommen werden, weil dem beklagten Miterben vor der Auseinandersetzung gar kein fester Anteil an der Forderung zusteht und im Übrigen gar nicht feststeht, ob der Beklagte an der beigetriebenen Forderung partizipiert

* Æ Beispiel: Der Kläger (zu 1/4 erbberechtigt) klagt gegen den Beklagten (ebenfalls zu 1/4 erbberechtigt) auf Zahlung eines Betrages i.H.v. 100.000 Euro an die Erbengemeinschaft. Nach Zahlung der Forderung ergibt sich ein Nachlassbestand von 0 Euro. In diesem Fall muss es bei den vollen 100.000 Euro verbleiben. Es wäre nicht sachgerecht, den Streitwert in diesem Fall auf lediglich 75.000 Euro zu reduzieren. Wäre die Forderung gegen den Beklagten unbegründet gewesen und der Nachlass damit überschuldet, hätte er das Erbe ausschlagen, zumindest die Dürftigkeitseinrede erheben können, sodass er durch den Eingang der 100.000 Euro bei der Erbengemeinschaft überhaupt keinen Nutzen hat. Daher darf in einem solchen Fall nichts abgezogen werden.

Es ist daher immer zu fragen, welcher Vorteil auf den Beklagten wieder zurückfällt oder besser aus Sicht des Klägers ausgedrückt, welcher Anteil ihm wieder verloren geht und daher für ihn wirtschaftlich kein Interesse hat. 4105

Steht der Erbteil des Miterben nicht fest, so muss dieser geschätzt werden. Dabei dürfte es ausschließlich auf die Sicht des Klägers ankommen. 1 BGH, MDR 1967, 202; vgl. auch E. Schneider, JurBüro 1977, 438 zu Ziff. 3. 2 RGZ 149, 193; OLG Düsseldorf, MDR 1962, 912; OLG Bremen, Rpfleger 1957, 274; OLG Saarbrücken, SRZ 1954, 30; beiläufig OLG Schleswig, JurBüro 1994, 26. 3 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Erbrechtliche Ansprüche“. 4 OLG Köln, JurBüro 1969, 344; OLGR 1995, 246. 5 RG, JW 1937, 228 Nr. 11; RGZ 156, 264.

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Miterbe Behauptet der Kläger, der in Anspruch genommene Miterbe sei erbunwürdig, dürfte ein Abzug nicht gerechtfertigt sein, da aus Sicht des Klägers dem Beklagten kein Vorteil zukommen kann. Ggf. ist auch hier nach § 3 ZPO zu schätzen.

4106

Bei der Streitwertfestsetzung in erbrechtlichen Angelegenheiten unter Miterben ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise angezeigt. Wenn ein Miterbe eine Nachlassforderung gegen die anderen Miterben einklagt, sind deren Anteile abzuziehen. Gleiches gilt, wenn ein Miterbe die Übertragung eines Nachlassgegenstandes verlangt.1

4107

Im umgekehrten Fall, wenn also der klagende Miterbe zugleich Gläubiger der Erbengemeinschaft ist und gegen einen Miterben seine private Forderung verfolgt, muss entsprechend der Anteil des klagenden Gläubiger-Miterben an der den Nachlass belastenden Schuld außer Ansatz bleiben. Es ist also zu berücksichtigen, dass die von dem Gläubiger-Miterben geltend gemachte Forderung ihn selbst als Miterben in Höhe seines Anteils belastet. Dieser Teil der Forderung, den der klagende Miterbe in jedem Fall selbst zu tragen hat, ist wiederum außer Betracht zu lassen.2

4108

Ist dagegen der klagende Nachlassgläubiger nicht an der Erbengemeinschaft beteiligt, dann gelten die allgemeinen Vorschriften; der Wert der Klageforderung ist uneingeschränkt anzusetzen (s. aber zu der Besonderheit der Auflassungsklage gegen einen einzelnen Miteigentümer oben Rn. 4070 ff.). Auch bei der Klage gegen einen Miterben auf Löschung einer Hypothek bestimmt sich der Streitwert nach dem eingetragenen Betrag ohne Rücksicht darauf, dass der Miterbe nur zu einem Teil berechtigt ist.3

4109

Soweit jedoch nur die Zustimmung anderer Miterben notwendig (oder freiwillig erteilt) ist, ist dies streitwertermäßigend zu berücksichtigen. Denn dann kann die Klage lediglich gegen einen Miterben nicht den vom Kläger bezweckten rechtlichen Erfolg herbeiführen.

4110

Der Anspruch auf Einwilligung in die Löschung des Nacherbenvermerks hat neben dem Begehren der Zustimmung des Nacherben zur Veräußerung des Nachlassgrundstücks keinen eigenen Wert.

4111

Die Klage eines Erben gegen einen Miterben auf Erteilung der Löschungsbewilligung für eine zugunsten der Erbengemeinschaft eingetragene Sicherungshypothek wurde früher mit dem vollen Betrag der Hypothek bewertet. Entsprechend der neueren Judikatur, die den Anteil des klagenden Erben bei der Streitwertbemessung aus wirtschaftlichen Erwägungen unberücksichtigt lässt,4 hat das OLG Frankfurt/M.5 zutreffend lediglich den Hälfteanteil des die Löschung verweigernden Miterben angesetzt.

4112

1 2 3 4 5

OLG Köln, Beschl. v. 17.5.1995 – 11 W 32/95, zitiert nach juris. RGZ 156, 265. OLG Naumburg, JW 1936, 2169; OLG Zweibrücken, Rpfleger 1967, 2. S. oben Rn. 4055 f. und E. Schneider, JurBüro 1977, 433. OLG Frankfurt/M., JurBüro 1981, 757.

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Miterbe Nachlassverzeichnis 4113

Die Klage auf Vorlegung eines Nachlassverzeichnisses und Auskunftserteilung über den Verbleib von Erbschaftsgegenständen richtet sich gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Klägers daran, Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Bestandes der Erbschaft zu vermeiden, die ohne die verlangte Auskunft auftreten würden.1

4114

Wesentlicher Anhalt für die wirtschaftliche Einschätzung dieses Interesses ist der Wert der Gegenstände, die in das Nachlassverzeichnis aufzunehmen sind, da es dem Kläger letztlich um die vermögensrechtliche Zuordnung dieser Sachen geht.2 Nichtigkeit

4115

Klagt ein Miterbe auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages der Erbengemeinschaft, der den Beklagten zum Ankauf eines Nachlassgrundstücks berechtigt, dann bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an der Befreiung von den Verpflichtungen aus dem Vertrag, nicht nach dem entsprechenden Interesse der ganzen Erbengemeinschaft.3

4116

Klagen Miterben gegen einen anderen Miterben auf Feststellung der Wirksamkeit eines von der Erbengemeinschaft mit einem Dritten abgeschlossenen Pachtvertrags, dann ist ebenfalls nicht auf die Höhe des Pachtzinses abzustellen, sondern auf das Interesse des Klägers.4

4117

Bei einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Testaments oder einer sich aus einer behaupteten Testamentsauslegung ergebenden Rechtsfolge ist der Streitwert ebenfalls nicht nach dem Wert des ganzen Nachlasses, sondern nach dem Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung zu treffen.5 Das Interesse richtet sich nach der für den Kläger bei einer Testamentsnichtigkeit gegebenen Besserstellung.6 Es entspricht nach OLG Saarbrücken7 dem Erbteil des klagenden Miterben.

4118

Für die Wertberechnung einer auf Feststellung der Rechtsgültigkeit eines Testaments gerichteten Klage ist § 3 ZPO maßgebend. Hierbei ist – ausgehend vom Nettowert des Nachlasses – streitwertmindernd der Anteil eines Erben wie auch der Anspruch eines Pflichtteilsberechtigten zu berücksichtigen.8

4119

Klagt ein Dritter auf Feststellung der Nichtigkeit eines Pachtvertrags, der zwischen der Erbengemeinschaft und einem anderen abgeschlossen worden ist, dann bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Dritten.9

1 KG, JurBüro 1973, 151; OLG Köln, MDR 1959, 223 Nr. 93; OLG Schleswig, JurBüro 1959, 169 Nr. 53. 2 KG, JurBüro 1973, 151. 3 BGH, JurBüro 1954, 231; s. dazu aber E. Schneider, JurBüro 1977, 440 zu Ziffer 6. 4 BGH, ZMR 1956, 55. 5 BGH, NJW 1956, 1877. 6 KG, Rpfleger 1962, 154 zu ZPO § 3, r. 7 OLG Saarbrücken, SRZ 1954, 30. 8 OLG Koblenz, Rpfleger 1956, 146 zu ZPO §§ 3, 6, a. 9 BGH, Rpfleger 1955, 101.

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Miterbe Hier ließe sich jedoch mit Rücksicht auf die faktische Wirkung einer erfolgreichen negativen Feststellungsklage sehr wohl auch die Auffassung vertreten, dass das Erhaltungsinteresse des Beklagten am ganzen Vertrag wertbestimmend ist.1 Pachtvertrag Klagen Miterben gegen einen anderen Miterben auf Feststellung der Wirksamkeit eines von der Erbenmehrheit für einen Dritten abgeschlossenen Pachtvertrags, dann bestimmt sich der Streitwert nicht nach der Höhe des Pachtzinses, sondern nach dem gem. § 3 ZPO zu bemessenden Interesse der Kläger.2

4120

Pflichtteil Ist der Pflichtteilsanspruch einer bestimmten Person unstreitig, die Beteiligung als Miterben am Nachlass aber streitig und wird auf Feststellung der Erbberechtigung geklagt, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Wert des halben Erbteils;3 der Wert des unstreitigen Pflichtteilsanspruchs des Klägers ist also von dem Wert des von ihm beanspruchten Nachlassvermögens abzuziehen.

4121

Rücktritt vom Erbvertrag Der Streitwert für eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Rücktritts von einem Erbvertrag bemisst sich nach OLG Celle4 auf 1/4 des derzeitigen reinen Vermögens des Erblassers. Diese Bewertung ist kaum nachvollziehbar und hat schwerlich grundsätzliche Bedeutung.

4122

Testamentsvollstreckung Klagt ein Miterbe, dessen Erbteil den Beschränkungen der Vorerbschaft und der Testamentsvollstreckung unterliegt, auf Feststellung, dass die Testamentsvollstreckung beendet ist, dann kommt als Streitwert nicht der Wert des Erbteils, sondern ein erheblich hinter diesem zurückbleibender Betrag in Betracht.5

4123

Ein Rechtsstreit um Bestehen und Fortdauer des Testamentsvollstreckeramts ist vermögensrechtlicher Art, wenn der Nachlass aus einer Stiftung besteht, die auch erwerbswirtschaftliche Zwecke verfolgt, und der Testamentsvollstrecker auf die rechtliche und wirtschaftliche Organisation der Stiftung Einfluss nehmen will.

4124

Für die Wertfestsetzung nach § 3 ZPO ist in diesem Fall das objektive Amtsinteresse bestimmend, das dem Testamentsvollstrecker nach dem Testament und kraft Gesetzes obliegt. Dafür ist der wirtschaftliche Wert der den Erben auferlegten Verfügungs- und Verwaltungsbeschränkungen bzw. die Wertmin1 2 3 4 5

S. dazu E. Schneider, JurBüro 1977, 440 zu Ziffer 6. BGH, ZMR 1956, 55 = LM § 10 GKG a.F. Nr. 10. BGH, JurBüro 1975, 460 = MDR 1975, 389 = Rpfleger 1975, 127. OLG Celle, Nds.Rpfl. 1962, 57. OLG Frankfurt, JurBüro 1961, 90.

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Miterbe derung, die der Nachlass durch die Testamentsvollstreckung erfährt, maßgebend. Dieser Wert übersteigt in der Regel nicht die Hälfte des Nachlasses.1 4125

Klagt ein Erbe gegen den Testamentsvollstrecker auf Feststellung, dass dessen Teilungsplan unwirksam sei, dann ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers maßgebend. Das OLG München2 hat berücksichtigt, dass der Streit nicht um die Erbbeteiligung ging, sondern um die Verfügungsbefugnis über bestimmte Nachlassgegenstände (hierzu oben Rn. 4068), und dass der Testamentsvollstrecker mit der Klage nicht zu einer bestimmten Art der Teilung gezwungen werden konnte; den Wert hat das Gericht dann festgesetzt auf 50 % der Miterbenquote des Klägers. Unterlassung

4126

Klagt ein Miterbe gegen einen anderen auf Untersagung der Eigentumsumschreibung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks auf den anderen Miterben, dann bemisst sich der Streitwert nur nach der quotenmäßigen Beteiligung des Miterben an der Erbengemeinschaft.3 Vorerbe

4127

Klagt der nicht befreite Vorerbe gegen den Nacherben auf Zustimmung zu einem Verkauf eines aus dem Nachlass durch den Erbfall erworbenen Grundstücks und zur Auflassung an den Käufer, dann ist der Streitwert nach § 3 ZPO zu schätzen.4 Maßgebend ist das Interesse des Klägers, das auf jeden Fall durch den Verkehrswert des Grundstücks begrenzt ist.

4128

Zugunsten des Vorerben eingetragene Belastungen des Grundstücks sind abzusetzen, wenn sie vom Eintritt der Nacherbfolge unberührt bleiben.

4129

Die vom Vorerben angebotenen Gegenleistungen für die begehrte Zustimmung zur Grundstücksveräußerung müssen dagegen unberücksichtigt bleiben. Bei der Bewertung ist die materielle Rechtslage zu berücksichtigen; der Vorerbe kann auch ohne Zustimmung verkaufen; diese nimmt aber dem Veräußerungsvorgang die Rechtswirkungen auf die Nacherbschaft.

4130

Der Anspruch auf Einwilligung in die Löschung des im Grundbuch eingetragenen Nacherbenvermerks hat nach OLG Schleswig neben der Zustimmung des Nacherben zur Veräußerung des Grundstücks keinen eigenen Streitwert.

4131

Zur Widerspruchsklage des Nacherben nach § 773 ZPO s. das Stichwort „Nacherbe“. Zur Löschung eines Nacherbenvermerks s. das Stichwort „Nacherbenvermerk“. 1 2 3 4

OLG Schleswig, JurBüro 1966, 152 Nr. 44. OLG München, OLGR 1995, 142. OLG Köln, JurBüro 1975, 939. S. dazu und zum folgenden Text OLG Schleswig, Rpfleger 1968, 325 = JurBüro 1968, 735.

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Mitverschulden Die Stellung eines Vorerben ist erheblich schwächer als die eines Vollerben. Das ist bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen und führt bei der positiven Feststellungsklage zu einem höheren Abschlag als den üblichen 20 %.1 Klagt ein Miterbe, dessen Erbteil den Beschränkungen der Vorerbschaft und der Testamentsvollstreckung unterliegt, auf Feststellung, dass die Testamentsvollstreckung beendet sei, so kommt als Streitwert nicht der Wert des Erbteils, sondern ein erheblich hinter diesem zurückbleibender Betrag in Betracht, der nach § 3 ZPO zu schätzen ist.2

4132

Vorkaufsrecht Macht ein Miterbe mit der Klage in erster Linie sein Vorkaufsrecht (§§ 2034, 2035 BGB) geltend und klagt er hilfsweise auf Zustimmung zur Erbauseinandersetzung, dann ist streitig, ob bei vergleichsweiser Beendigung dieses Rechtsstreits der Wert beider Ansprüche zu addieren oder nur der primäre Anspruch oder nur der höhere Anspruch zu bewerten ist (s. § 19 Abs. 1 Satz 2, 3, Abs. 4 GKG). Richtig erscheint es, wegen wirtschaftlicher Identität nicht zu addieren, aber vom höheren Streitwert des Hilfsantrages auszugehen.3

4133

S. dazu auch das Stichwort „Hilfsantrag“ Rn. 3102 ff. Zurückbehaltungsrecht Auch im Miterbenstreit kann es vorkommen, dass der Beklagte (sei er Erbe oder außenstehender Dritter) Abweisung der Klage lediglich unter Berufung auf eine ihm gebührende Gegenleistung beantragt. Erkennt er seine Leistungspflicht als solche an, dann fordert eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, dass der Streitwert nur an der Gegenleistung bemessen wird.4

4134

Die herrschende Auffassung lässt allerdings immer noch die Gegenleistung vollständig außer Acht, also auch dann, wenn die Hauptleistung gar nicht im Streit ist. Ausführlich dazu das Stichwort „Gegenleistung“ Rn. 2512 ff. Zuwendungen Bei einer Klage auf Feststellung der erbrechtlichen Ausgleichspflicht i.S. des § 2050 BGB ist der Streitwert nach dem Interesse zu bemessen, das der Kläger an der Ausgleichung hat.5

4135

Mitverschulden Im Rahmen einer Schadensersatzklage ist es für die Streitwertbestimmung unbeachtlich, dass der Beklagte gegenüber der Forderung des Klägers ein (anteiliges) Mitverschulden einwendet. Denn maßgeblich ist die Forderung des 1 BGH, Beschl. v. 10. 5. 1089 – IVa ZR 126/88, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 975 mit Anm. E. Schneider = FamRZ 1989, 958 = JurBüro 1991, 108: 25 %. 2 OLG Frankfurt, JurBüro 1961, 90. 3 So LG Bayreuth, Beschl. v. Beschl. v. 1.12.1978 – 2 U 69/74, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 492 mit zust. Anm. E. Schneider = JurBüro 1980, 1248 mit abl. Anm. Mümmler. 4 S. dazu speziell für Miterbenstreitigkeiten E. Schneider, JurBüro 1977, 435 zu Ziffer 1. 5 BGH, Rpfleger 1957, 247.

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Nachbarrechtliche Ansprüche Klägers, nicht die Verteidigung des Beklagten oder der spätere Ausgang des Verfahrens. 4137

Wird bei einer Schadensersatzklage allerdings nur ein Teilbetrag beansprucht und mit der Widerklage Feststellung des Nichtbestehens des gesamten Anspruchs begehrt, hat weiterhin der Kläger von vornherein ein Mitverschulden eingeräumt, so ist dieses Mitverschulden bei der Festsetzung des Streitwertes zu berücksichtigen, auch wenn der Kläger das Mitverschulden nicht bruchteilsmäßig bestimmt hat.1

4138

Auf die Höhe des Gegenstandswertes von Vergleichen über Ansprüche aus einem Unfallereignis hat es keinen Einfluss, ob und ggf. in welchem Umfang ein Mitverschulden des Geschädigten eine Rolle gespielt hat.2 Denn entscheidend ist nicht die – ggf. unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote ermittelte – Summe, auf die sich die Parteien im gerichtlichen Verfahren einigen, sondern die Summe, über die sie sich einigen.

Nachbarrechtliche Ansprüche 4139

Der Streitwert von Klagen, mit denen nachbarrechtliche Ansprüche nach den §§ 906 ff. BGB geltend gemacht werden, können dann in entsprechender Anwendung des § 7 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG bewertet werden, wenn die jeweiligen Beschränkungen ähnlich wie eine Dienstbarkeit wirken.3

* Æ Beispiel: Die Wertminderung, die das dienende Grundstück bei Bestehen eines behaupteten Lichtrechts erleiden würde, beschränkt sich nach einer Entscheidung des OLG Schleswig nicht auf den Minderwert des davon unmittelbar betroffenen Grundstücksteiles, sondern erstreckt sich auf das gesamte Grundstück, insbesondere auf die gesamte bislang nicht bebaute Grundfläche.4

4140

Ein nachbarrechtlicher Anspruch auf Beseitigung oder Unterlassung von Immissionen (§§ 903, 906, 907, 1004 BGB) ist dagegen nicht nach § 7 ZPO, sondern nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten.

4141

Den Wert einer Geräuschimmission durch Haustiere hat das LG Bonn5 auf (umgerechnet) 1.500 Euro festgesetzt.

4142

Maßgebend für die Schätzung ist die vom Kläger behauptete Entwertung seines Grundstücks, die er angesichts der voraussichtlichen Dauer der Störung befürchten muss,6 sowie sein Interesse an der Durchführung der Abwehrmaßnahmen, nicht dagegen der Betrag der Kosten, die der Beklagte zur Verhinderung der Belästigung aufwenden muss.7 Dabei ist unbeachtlich, ob das

1 OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1. 2 AG Wiesbaden, VersR 1971, 728. 3 BGH, Rpfleger 1959, 12– Lichtrecht; OLG Jena, MDR 1999, 196 – Notwegrecht; OLG Schleswig, Rpfleger 1957, 2 zu ZPO § 7, b – Licht- und Fensterrecht. 4 OLG Schleswig, Rpfleger 1957, 2 zu ZPO § 7, b. 5 LG Bonn, Beschl. v. 31.7.2001 – 8 T 212/00, JurBüro 2001, 593. 6 OLG Koblenz, JurBüro 1995, 27. 7 OLG Schleswig, Rpfleger 1957, 1 zu ZPO § 3, c.

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Nachbarrechtliche Ansprüche Klägers, nicht die Verteidigung des Beklagten oder der spätere Ausgang des Verfahrens. 4137

Wird bei einer Schadensersatzklage allerdings nur ein Teilbetrag beansprucht und mit der Widerklage Feststellung des Nichtbestehens des gesamten Anspruchs begehrt, hat weiterhin der Kläger von vornherein ein Mitverschulden eingeräumt, so ist dieses Mitverschulden bei der Festsetzung des Streitwertes zu berücksichtigen, auch wenn der Kläger das Mitverschulden nicht bruchteilsmäßig bestimmt hat.1

4138

Auf die Höhe des Gegenstandswertes von Vergleichen über Ansprüche aus einem Unfallereignis hat es keinen Einfluss, ob und ggf. in welchem Umfang ein Mitverschulden des Geschädigten eine Rolle gespielt hat.2 Denn entscheidend ist nicht die – ggf. unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote ermittelte – Summe, auf die sich die Parteien im gerichtlichen Verfahren einigen, sondern die Summe, über die sie sich einigen.

Nachbarrechtliche Ansprüche 4139

Der Streitwert von Klagen, mit denen nachbarrechtliche Ansprüche nach den §§ 906 ff. BGB geltend gemacht werden, können dann in entsprechender Anwendung des § 7 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG bewertet werden, wenn die jeweiligen Beschränkungen ähnlich wie eine Dienstbarkeit wirken.3

* Æ Beispiel: Die Wertminderung, die das dienende Grundstück bei Bestehen eines behaupteten Lichtrechts erleiden würde, beschränkt sich nach einer Entscheidung des OLG Schleswig nicht auf den Minderwert des davon unmittelbar betroffenen Grundstücksteiles, sondern erstreckt sich auf das gesamte Grundstück, insbesondere auf die gesamte bislang nicht bebaute Grundfläche.4

4140

Ein nachbarrechtlicher Anspruch auf Beseitigung oder Unterlassung von Immissionen (§§ 903, 906, 907, 1004 BGB) ist dagegen nicht nach § 7 ZPO, sondern nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten.

4141

Den Wert einer Geräuschimmission durch Haustiere hat das LG Bonn5 auf (umgerechnet) 1.500 Euro festgesetzt.

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Maßgebend für die Schätzung ist die vom Kläger behauptete Entwertung seines Grundstücks, die er angesichts der voraussichtlichen Dauer der Störung befürchten muss,6 sowie sein Interesse an der Durchführung der Abwehrmaßnahmen, nicht dagegen der Betrag der Kosten, die der Beklagte zur Verhinderung der Belästigung aufwenden muss.7 Dabei ist unbeachtlich, ob das

1 OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1. 2 AG Wiesbaden, VersR 1971, 728. 3 BGH, Rpfleger 1959, 12– Lichtrecht; OLG Jena, MDR 1999, 196 – Notwegrecht; OLG Schleswig, Rpfleger 1957, 2 zu ZPO § 7, b – Licht- und Fensterrecht. 4 OLG Schleswig, Rpfleger 1957, 2 zu ZPO § 7, b. 5 LG Bonn, Beschl. v. 31.7.2001 – 8 T 212/00, JurBüro 2001, 593. 6 OLG Koblenz, JurBüro 1995, 27. 7 OLG Schleswig, Rpfleger 1957, 1 zu ZPO § 3, c.

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Nachforderungsklage Grundstück mehreren Klägern gehört, die der Störung ausgesetzt sind, denn das Grundstück bleibt dasselbe.1 Für die Beschwer des zur Beseitigung einer Eigentumsstörung verurteilten Beklagten dagegen ist auf sein Interesse abzustellen, sich gegen die Kosten einer Ersatzvornahme zu wehren.2 Vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Rechtsmittel“.

4143

Nacherbenvermerk Für die Bemessung des Streitwerts ist nach § 3 ZPO stets das Interesse des Grundstückseigentümers als Vorerbe maßgeblich. Dieses Interesse kann sehr unterschiedlich bestimmt sein. So kann es z.B. darum gehen, über das Grundstück anderweitig frei testieren zu können oder aber darum, es lastenfrei zu veräußern.

4144

Will der Vorerbe das Grundstück lastenfrei veräußern, und beauftragt er deshalb einen Rechtsanwalt damit, die Löschung des eingetragenen Nacherbenvermerks zu erreichen, indem die zu Recht eingetragenen Nacherben zur Verzichtserklärung bewegt werden, dann ist der Grundstückswert (Kaufpreis) der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren.3 Dem OLG Celle wird man dann folgen können, wenn das Grundstück, solange und weil der Nacherbenvermerk eingetragen war, unverkäuflich war.

Nachforderungsklage Bei einer Nachforderungsklage zur Sicherheitsleistung gem. § 324 ZPO handelt es sich nicht um die Erfüllung einer gesetzlichen Schadensersatzpflicht, sondern um deren Sicherstellung. Bemessungsvorschrift ist deshalb § 6 ZPO. Der Gegenstand des Pfandrechts und der Forderung sind zu vergleichen; der geringere Wert ist anzusetzen. Die Forderung ist dabei jedoch, soweit es sich um einen Anspruch auf Entrichtung einer Geldrente handelt, ihrerseits nach § 42 Abs. 1 GKG zu bewerten.4

Nachlassverzeichnis S. das Stichwort „Miterbe“.

1 2 3 4

BGH, Beschl. v. 29.1.1987 – V ZR 136/86, MDR 1987, 570. BGH, Beschl. v. 10.12.1993 – V ZR 168/92, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1170. OLG Celle, OLGR 1995, 109. KG, JW 1927, 1169 Nr. 10.

N. Schneider

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4145

Namensrecht

Nachverfahren S. das Stichwort „Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess“.

Namensrecht 4146

Bei den Ansprüchen auf Beseitigung bzw. Unterlassung aus § 12 BGB handelt es sich um nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten, die hinsichtlich des Gebührenstreitwertes nach § 48 Abs. 2 GKG zu bewerten sind. Der Wert ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Ermessen zu bestimmen und darf 1.000.000 Euro nicht überschreiten.

4147

Anders ist es bei der Firma, die nach § 17 Abs. 1 HGB der Name des Kaufmannes ist. Wird der ungestörte Gebrauch der Firma behindert oder beeinträchtigt, so richtet sich das gegen den Gewerbebetrieb. Die daraus hergeleiteten Abwehransprüche sind deshalb vermögensrechtlicher Art.1 Das Interesse des Klägers an einem Widerruf bzw. an der Unterlassung ist in diesen Fällen nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Gleiches gilt in den Fällen, in denen der Name einer Person wirtschaftlich verwertet wird, beispielsweise als Marke oder geschäftliche Bezeichnung, da hier der Schutz der Individualsphäre hinter den vermögensrechtlichen Interessen zurücktritt.

4148

Der Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert bei den nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten um das Namensrecht wird nach § 3 ZPO bestimmt. Dabei kann auf die oben dargestellten Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG zurückgegriffen werden.

Nebenforderungen Literatur: Lappe, Rpfleger 1955, 121 (Zinsen des nicht streitbefangenen Teils der Hauptforderung); v. Lübtow, NJW 1958, 2041; Brox, Rpfleger 1967, 351; E. Schneider, JurBüro 1968, 194 (Begriff der „Kosten“); DRiZ 1979, 310 (Anrechnung bei Teilzahlung); Boetius, KTS 1967, 213; Weisbrodt, JurBüro 1995, 115 (Nebenforderungen beim Freistellungsanspruch). Gliederungsübersicht Rn. A. Begriffe . . . . . . . . . . . . . . 4149 B. Bewertungsregeln . . . . . . . . 4153 I. Zuständigkeitsstreitwert . . . . 4154 II. Gebührenstreitwert . . . . . . . 4157 C. Einordnung „als Nebenforderung“ I. Begriff der Haupt- und Nebenforderung . . . . . . . . . . . . . 4164 1 RG, JW 1931, 1919.

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Onderka

Rn. II. Anhängigkeit des Hauptanspruchs . . . . . . . . . . . III. Abhängigkeitsverhältnis . . . IV. Fortbestand der Abhängigkeit V. Form der Antragstellung . . .

. . . .

4165 4168 4169 4176

D. Streitwert-Schlüssel . . . . . . . 4177

Nebenforderungen

A. Begriffe Für Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten, die als Nebenforderungen geltend gemacht werden, enthalten § 4 Abs. 1 ZPO und § 43 Abs. 1 GKG besondere Bewertungsregeln.

4149

Was Früchte und Nutzungen sind, ergibt sich aus den §§ 99, 100 BGB. Zinsen sind das vom Schuldner zu entrichtende Entgelt für die Überlassung von Kapital.1 Für die Streitwertberechnung macht es keinen Unterschied, ob es sich um gesetzliche oder um vertragliche Zinsen handelt, um Fälligkeits-, Verzugs- oder Prozesszinsen.

4150

Zu den Kosten wiederum zählen Aufwendungen in Bezug auf die Durchsetzung oder Abwehr eines Anspruchs oder Rechtes. Für die Streitwertfestsetzung sind nur die außerhalb des Rechtsstreits angefallenen Kosten von Bedeutung. Hiervon zu unterscheiden sind die Kosten des Rechtsstreits selbst. Sie haben für den Zuständigkeitsstreitwert keine Bedeutung, wohl aber für die Beschwer bei Anfechtung von Kostenentscheidungen (§ 567 Abs. 2 ZPO) oder Streitwertbeschwerden (§ 68 GKG, § 33 RVG); für den Gebührenstreitwert gilt § 43 Abs. 3 GKG.2

4151

Ob Zinsen, Kosten und Provisionen nach dem WG und dem ScheckG Nebenforderungen darstellen, kann dahinstehen, da sie nach § 4 Abs. 2 ZPO jedenfalls als solche anzusehen sind.3

4152

B. Bewertungsregeln Ob Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten bei der Streitwertberechnung zu berücksichtigen sind, hängt davon ab, ob sie im Rechtsstreit als Hauptforderung oder als Nebenforderungen geltend gemacht werden.

4153

Werden sie als Hauptforderung geltend gemacht, wird also nur auf Zahlung von Früchten, Nutzungen, Zinsen oder Kosten geklagt, dann gelten die allgemeinen Bewertungsregeln, nicht § 4 ZPO oder § 43 GKG. Auch die Begrenzung nach § 43 Abs. 2 GKG greift in diesem Falle nicht; der Gebührenstreitwert kann daher auch den Wert der nicht anhängigen Hauptforderung überschreiten.

* Æ Beispiel: Aus einer Forderung über 1.000 Euro werden Kosten und Zinsen i.H.v. 1.500 Euro isoliert eingeklagt. Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert beträgt 1.500 Euro.

I. Zuständigkeitsstreitwert Werden Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten „als Nebenforderungen“ geltend gemacht, dann bleiben sie bei der Berechnung des Zuständigkeitsstreitwerts nach § 4 Abs. 1, 2. Halbs. ZPO unberücksichtigt. Das Gleiche gilt 1 BGH, NJW 1998, 2060. 2 S. das Stichwort „Kosten des Rechtsstreits“, Rn. 3389 ff. 3 S. ausführlich auch das Stichwort „Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess“.

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4154

Nebenforderungen für Zinsen, Kosten und Provisionen nach dem WG und dem ScheckG (§ 4 Abs. 2 ZPO). 4155

Die Berechnung des Zuständigkeitsstreitwerts bereitet weniger Probleme. Hier kommt es nur auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage, Klageerweiterung oder Widerklage an (§ 4 Abs. 1, 1. Halbs. ZPO). Ein späterer Wegfall der Hauptforderung durch Hauptsacherücknahme, -verzicht, -erledigung oder Anerkenntnis ist unerheblich. So bleibt das Landgericht zuständig, wenn eine Klage i.H.v. 6.000 Euro nebst Zinsen hinsichtlich der Hauptsumme zurückgenommen und nur noch der Zinsantrag weiter verfolgt wird.

4156

Werden vor dem Amtsgericht zunächst nur Nebenforderungen eingeklagt und wird später im Wege der Klageerweiterung auch die Hauptforderung anhängig gemacht, so ist ab Klageerweiterung nach § 4 Abs. 1, 2. Halbs. ZPO zu rechnen. Erhöht sich der Gegenstandswert, kann dies zur Verweisung nach § 506 Abs. 1 ZPO führen.

II. Gebührenstreitwert 4157

Für den Gebührenstreitwert ist eine differenziertere Betrachtung geboten, da es hier zu Teil- oder Stufenstreitwerten kommen kann. S. die Stichwörter „Teil des Hauptanspruchs“ und „Stufenklage“.

4158

Im Gegensatz zum Zuständigkeitsstreitwert bleiben beim Gebührenstreitwert die Nebenforderungen nicht außer Ansatz. Das GKG kennt kein Bewertungsverbot, sondern nur ein Additionsverbot (§ 43 Abs. 1 GKG).

4159

Als Grundsatz gilt gem. § 43 Abs. 1 GKG daher, dass Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen den Streitwert nicht erhöhen. Sie bleiben also bei der Berechnung der Gebühren ohne Ansatz, solange die gebührenauslösende Handlung auch nur einen Teil der Hauptforderung betrifft.

4160

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz schafft § 43 Abs. 2 GKG. Danach ist bei Handlungen, die zwar Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betreffen, aber nicht auch den Hauptanspruch, der Wert der Nebenforderungen maßgebend. Dieser Wert darf aber wiederum den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigen.

* Æ Beispiel: Über die Hauptforderung (4.000 Euro) ergeht sofort ein Versäumnisurteil, über den Zinsantrag (500 Euro) wird jedoch erörtert. Für die 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG gilt der Wert der Hauptsache; für die 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG, die nur die Zinsen als Nebenforderung ohne den Hauptanspruch betraf, ist dagegen der Wert der Zinsen maßgebend.1 Insgesamt darf allerdings gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr verlangt werden, als eine 1,2-Terminsgebühr aus dem Gesamtwert. Der Gesamtwert beträgt aber wiederum nur 4.000 Euro, da insoweit § 43 Abs. 1 GKG greift. Zinsen und Hauptforderung werden nicht zusammengerechnet.

1 OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2005 – 17 W 232/05, AGS 2006, 224 = JurBüro 2006, 254.

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Nebenforderungen Zu rechnen ist wie folgt: 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 10.000 Euro) 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 500 Euro) 3. 0,5-Terminsgebühr, Nrn. 3104, 3105 VV (Wert: 10.000 Euro) (die Begrenzung nach § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als 1,2 aus 10.000 Euro (583,20 Euro) ist nicht erreicht 4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV Zwischensumme 5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV Gesamt

631,80 Euro 54,00 Euro 243,00 Euro

20,00 Euro 948,80 Euro 180,27 Euro 1.129,07 Euro

Das Gleiche gilt, soweit die Gerichtsgebühren nach unterschiedlichen Streitwerten gelten, wie etwa bei einem Kostenwiderspruch im Mahnverfahren.

4161

* Æ Beispiel: Über 4.000 Euro nebst Zinsen ergeht ein Mahnbescheid. Der Antragsgegner legt nur hinsichtlich der Zinsen Widerspruch ein. Hierüber wird das streitige Verfahren durchgeführt. Für die 0,5-Verfahrensgebühr der Nr. 1110 KV GKG gilt der Wert i.H.v. 4.000 Euro. Für die 3,0-Gebühr (abzüglich der anzurechnenden 0,5-Gebühr) gilt dagegen nur noch der Wert des Zinsantrags (§ 43 Abs. 2 GKG).

Weitere Ausnahmen schafft § 25 Abs. 1 RVG, der allerdings nur für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren gilt.

4162

Nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG sind für die Anwaltsgebühren in der Zwangsvollstreckung Nebenforderungen, also insbesondere Zinsen, Zustellungskosten, Auslagen für Meldeamts- oder Registeranfragen, Kosten vorheriger erfolgloser Vollstreckungsversuche, u.U. Kosten einer Klage gegen einen Drittschuldner u.ä. bei der Berechnung des Gegenstandswertes mitzuberücksichtigen. Auch in der Zwangsversteigerung sind Nebenforderungen für die Anwaltsgebühren zu berücksichtigen. Im Verfahren über den Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO gilt § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG nicht, da es sich nicht um eine Vollstreckungsmaßnahme handelt. Daher ordnet § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG an, dass auch hier Nebenforderungen, die aus dem Vollstreckungstitel noch geschuldet werden, bei der Berechnung des Gegenstandswerts mitzuberücksichtigen sind. Hier gilt allerdings ein Betrag i.H.v. 1.500 Euro als Höchstgrenze.

4163

C. Einordnung „als Nebenforderung“ I. Begriff der Haupt- und Nebenforderung Nebenforderungen sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten dann, wenn sie zu dem gleichzeitig eingeklagten Hauptanspruch in einem objektiven Abhängigkeitsverhältnis stehen. Das wird auch so ausgedrückt, dass das Bestehen der Nebenforderung durch das Bestehen der Hauptforderung bedingt sein muss.1 1 Vgl. RGZ 55, 82; RG, JW 1909, 691 Nr. 21; RG, Warneyer, 1909 Nr. 163.

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Nebenforderungen Der „Hauptanspruch“ wiederum ist grundsätzlich der zu Beginn des Verfahrens oder durch Klageerweiterung oder Widerklage geltend gemachte Anspruch, nicht der bei Verfahrensbeendigung noch bestehende.1

II. Anhängigkeit des Hauptanspruchs 4165

Der Hauptanspruch muss anhängig sein. Wird die Nebenforderung ohne die Hauptforderung eingeklagt, dann fehlt es für diesen Prozess an dem Bedingungsverhältnis; die Nebenforderung wird damit selbst zur Hauptforderung und bestimmt allein den Streitwert. Es gelten dann die allgemeinen Bewertungsregeln (s. oben Rn. 4153 f.). Das Gleiche gilt, wenn Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten mit einer anderen Hauptforderung zusammen eingeklagt werden, die bedingende Hauptforderung also außer Streit ist.2 Auch dann werden die Nebenforderungen mitgerechnet.

4166

Gleiches gilt, wenn Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten aus einem anderen Teil der Hauptforderung stammen, als der Teil, der eingeklagt wird. Auch dann werden die Nebenforderungen mitgerechnet.

* Æ Beispiel: Der Beklagte schuldete dem Kläger eine Kaufpreisforderung i.H.v. 12.000 Euro, mit der er seit dem 1.2. in Verzug war. Im Dezember zahlte der Beklagte schließlich 7.000 Euro ausdrücklich auf die Hauptforderung, da er nach seiner Auffassung nicht verpflichtet war, Zinsen zu zahlen. Wegen des Restbetrages von 5.000 Euro sowie der gesamten Zinsen seit dem 1.2. wird nunmehr Klage eingereicht. Soweit die Zinsen aus den eingeklagten 5.000 Euro resultieren, sind sie Nebenforderung nach § 4 Abs. 1 ZPO und damit nicht werterhöhend. Soweit sich die Zinsen dagegen aus den gezahlten 7.000 Euro berechnen, sind sie Hauptforderung, da sie nicht vom Bestand der eingeklagten Hauptforderung abhängig sind. Der Streitwert beträgt auf jeden Fall mehr als 5.000 Euro, sodass das Landgericht zuständig ist.

* Æ Beispiel: Der Anwalt kündigt für den Vermieter wegen Zahlungsverzugs (monatliche Kaltmiete 500 Euro) und mahnt vier Monate Mietrückstand einschließlich Nebenkostenvorauszahlungen (monatlich insgesamt 600 Euro) an. Der Gegenstandswert der außergerichtlichen Tätigkeit berechnet sich einerseits nach dem Wert der Kündigung (6.000 Euro)3 sowie nach dem Wert der rückständigen Mieten (2.400 Euro). Beide Werte sind nach § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG zusammenzurechen. Der Anwalt rechnet daher vorgerichtlich wie folgt ab: 1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 8.400 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

673,50 Euro 20,00 Euro 693,50 Euro 31,77 Euro 825,27 Euro

Der Mieter zieht aus, zahlt aber die Mieten nicht, sodass daraufhin Klage auf Zahlung der vier Mieten erhoben wird sowie auf Ersatz der gesamten Anwaltskosten. Der Streitwert des Zahlungsantrags hinsichtlich der restlichen Mieten beläuft sich auf 2.400 Euro. 1 OLG Bamberg, JurBüro 1972, 163. 2 RG, Warneyer 1909 Nr. 163. 3 Zum Wert der Kündigung s. „Mietstreitigkeiten“ Rn. 3927.

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Nebenforderungen Der Wert des Kostenerstattungsanspruchs darf jetzt nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, da er nicht in vollem Umfang in Abhängigkeit zur Klageforderung steht. Er ist damit zum Teil selbst Hauptforderung, sodass insoweit das Bewertungsverbot des § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO nicht greift. Der Wert des Kostenerstattungsanspruchs kann andererseits aber auch nicht in voller Höhe hinzugerechnet werden, da die Kosten auf jeden Fall zum Teil in Abhängigkeit zur Hauptforderung stehen und damit Nebenforderung sind. Zur Berechnung s. „Vorgerichtliche Kosten“ Rn. 5944 ff.

Der BGH1 sieht Zinsen auch dann nicht als Nebenforderungen an, wenn von Streitgenossen einer die Hauptforderung, der andere den Zinsanspruch einklagt. Ebenso verhält es sich, wenn von mehreren beklagten Streitgenossen der eine auf die Hauptforderung, der andere auf die Zinsen verklagt wird.

4167

* Æ Beispiel: Der Kläger verklagt von zwei Gesamtschuldnern den einen auf Zahlung einer Kaufpreisforderung i.H.v. 5.000 Euro, den anderen auf Zahlung von Zinsen und Kosten (Wert 200 Euro). Sowohl der Gebührenstreitwert als auch der Zuständigkeitsstreitwert liegen nach Ansicht des BGH bei 5200 Euro (§ 5 ZPO); zuständig wäre also Landgericht. Ablehnend Lappe,2 der auf das Additionsverbot wegen wirtschaftlicher Identität abstellt.

III. Abhängigkeitsverhältnis Zur Hauptforderung muss ein Abhängigkeitsverhältnis bestehen.

4168

Das Abhängigkeitsverhältnis fehlt, wenn die Nebenforderung – meist in Form eines Zinsbegehrens – nur einen Berechnungsmaßstab bei der Bildung einer einheitlichen Geldforderung darstellt.3 So ist es beispielsweise bei Enteignungsentschädigungen, der Nutzungsentgang in Form einer Verzinsung des Substanzwertes gewähren (s. das Stichwort „Enteignungsentschädigung“ Rn. 2099 ff.) oder bei der Bemessung des Bereicherungsanspruchs (s. das Stichwort „Bereicherungsansprüche“ Rn. 1629, 1631). An einer Abhängigkeit fehlt es auch bei einer Klage auf Herausgabe einer Mietkaution; auch hier erhöhen zwischenzeitlich aufgelaufene Zinsen den Streitwert (s. unten Rn. 4201). Weitere Fälle fehlender Abhängigkeit: Hinterlegungszinsen, u. Rn. 4188 u. Befreiungsanspruch, s. unten Rn. 4179. Ebenso liegt es, wenn die Nebenforderungen nur Berechnungsposten eines selbständigen Schadensersatzanspruches sind (s. „Schadensersatz“, Rn. 4206). Auch dann, wenn Befreiung von einer Forderung und dazu gehöriger Nebenforderungen, insbesondere Zinsen oder vorgerichtliche Kosten verlangt wird, sind die Nebenforderungen zu der zu befreienden Hauptforderung im Rahmen des Befreiungsanspruchs. S. „Befreiung von einer Verbindlichkeit“ Rn. 1599.

1 BGH, Beschl. v. 14.5.1992 – II ZR 275/91, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 72. 2 Anm. Lappe zu KostRsp. ZPO § 4 Nr. 72; s. auch N. Schneider, Weniger ist mehr – Zwei Kuriosa aus dem Streitwertrecht, in FS Madert, 2006. 3 RG, HRR 1931 Nr. 252; JW 1909, 691.

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Nebenforderungen

IV. Fortbestand der Abhängigkeit 4169

Die Abhängigkeit muss fortbestehen. Das Bedingungsverhältnis kann im Laufe des Rechtsstreits wegfallen, z.B. dadurch, dass sich die Hauptforderung durch Teilurteil, Klagerücknahme, Verzicht oder Anerkenntnis erledigt. Dann wird die Nebenforderung streitwertmäßig selbständig.1

4170

Für den Zuständigkeitsstreitwert ist dies unerheblich, da es auf den Zeitpunkt der Einleitung der Instanz ankommt (§ 4 Abs. 1 ZPO) und nach § 506 ZPO nur eine Klageerweiterung relevant ist, nicht aber eine Teilerledigung oder -rücknahme.

4171

Für den Gebührenstreitwert ist die Veränderung jedoch beachtlich. Es gilt dann § 43 Abs. 2 GKG (s. oben Rn. 4160). Der Gebührenstreitwert wird fortan durch den Wert der Nebenforderungen bestimmt, begrenzt jedoch auf den Wert der Hauptsache. S. hierzu oben Rn. 4157 ff. Allerdings sind die Auswirkungen gering, da nach dem GKG kaum noch Stufenstreitwerte vorgesehen sind. Auch bei den Anwaltsgebühren sind die Auswirkungen gering. Für die Verfahrensgebühr spielt die spätere Reduzierung keine Rolle, allenfalls für eine Termins- oder Einigungsgebühr:

* Æ Beispiel: Nachdem die eingeklagte Hauptforderung (4.000 Euro) bezahlt worden ist, wird die Klage insoweit zurückgenommen und nur noch der Zinsantrag weiter verfolgt. Für die Gerichtskosten bleibt es beim Wert von 4.000 Euro. Die Verfahrensgebühr der Anwälte (Nr. 3100 VV RVG) richtet sich ebenfalls nach 4.000 Euro. Die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) und eine eventuelle Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV RVG) richtet sich dagegen nur nach dem Wert des Zinsantrags (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 2 GKG).

4172

Das Bedingungsverhältnis kann bei einer Hauptforderung auch teilweise wegfallen.

4173

Zinsen aus einem nicht oder nicht mehr in Streit stehenden Hauptanspruch sind nach § 43 Abs. 2 GKG zu behandeln, auch wenn ein anderer Teil des Hauptanspruchs in derselben Instanz noch anhängig ist.2 Die bis zu der Entscheidung BGHZ 26, 174 insbesondere vom RG vertretene Gegenmeinung,3 der der BGH zunächst gefolgt war,4 hat die Praxis stark beeinflusst. Allerdings lassen sich gegen die in BGHZ 26, 174 vertretene Auffassung mancherlei Bedenken geltend machen.5 Die Auffassung des BGH wird daher teilweise abgelehnt.6 S. zu dieser Streitfrage näher m.w.N. das Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rn. 2140 ff.

4174

Die Abhängigkeit kann auch in höherer Instanz fortfallen, wenn der verurteilte Beklagte Berufung nur wegen seiner Verurteilung hinsichtlich der Ne1 RGZ 60, 114; JW 1927, 2129 u. 2803; KG, OLGE 23, 68. 2 BGHZ 26, 174 – unter Aufgabe der bisherigen Rspr.; bestätigt BGH, Urt. v. 24.3.1994 – VII ZR 146/93, MDR 1994, 720 = NJW 1994, 1869. 3 RG, JW 1927, 2129; HRR 1932, 2195; DR 1939, 1182. 4 BGH, LM § 4 ZPO Nr. 1. 5 Vgl. v. Lübtow, NJW 1958, 2041; E. Schneider, Logik für Juristen, 4. Aufl., 1995, § 46 S. 205 f. 6 S. Brox, Rpfleger 1967, 351; OLG Karlsruhe, Rpfleger 1970, 31 u. OLG Köln, JMBl.NW 1974, 46: Zinsen, die auf einen erledigten Teil der Hauptsache entfallen, werden dem Wert der verbliebenen Hauptsache nicht hinzugerechnet.

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N. Schneider

Nebenforderungen benforderungen einlegt oder der Kläger nur wegen deren Abweisung. Die erstinstanzlichen Nebenforderungen werden dann im Berufungsverfahren zur Hauptforderung.1 Zu beachten ist allerdings § 47 Abs. 2 GKG. Dagegen bleibt Abhängigkeit bestehen, wenn der abgewiesene Kläger oder der verurteile Beklagte die Entscheidung hinsichtlich der Nebenforderung nur mit einer Anschlussberufung angreift. Wird eine Berufung wegen einer Nebenforderung mit der wegen der Hauptforderung verbunden, dann wird die Abhängigkeit wiederhergestellt. Es gilt dann zwar § 45 Abs. 1 GKG, sodass die Werte zusammenzurechnen sind: jedoch ist das Additionsverbot des § 43 Abs. 1 GKG auch hier zu berücksichtigen. S. hierzu auch das Stichwort „Rechtsmittel“ Rn. 4766 f.).

4175

V. Form der Antragstellung Unerheblich ist, in welcher rechtlichen Form die Nebenforderungen geltend gemacht werden.2 So macht es insbesondere bei Zinsen keinen Unterschied, ob eine Verzinsung der Hauptforderung beantragt wird oder ob die Zinsen ausgerechnet und als Kapitalbetrag der Hauptforderung zugeschlagen werden.3 Darauf hinzuweisen besteht deshalb Anlass, weil selbst von Anwaltsseite der falsche Rat erteilt wird, die Nichtberücksichtigung von Zinsen durch Einberechnung in den Hauptanspruch zu verschleiern.4 Die Kapitalisierung von Nebenforderungen ist aber zu unterscheiden von denjenigen Fällen, in denen die Zinsen, Kosten u.Ä. nur eine Berechnungsposition einer einheitlichen Hauptforderung sind. S. Rn. 4168.

D. Streitwert-Schlüssel Stichwortübersicht Rn. Abnahme der eidesstattlichen Versicherung . . . . . . . . . . . . . Ausländisches Urteil . . . . . . . . Befreiungsanspruch . . . . . . . . Beschwer . . . . . . . . . . . . . . Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . Deckungsschutz . . . . . . . . . . Duldungsklage . . . . . . . . . . . Enteignungszinsen . . . . . . . . . Feststellungsklage . . . . . . . . . Finanzierungskosten . . . . . . . . Hinterlegungszinsen . . . . . . . . Inkassogebühren . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

4177 4178 4179 4181 4182 4183 4184 4185 4186 4187 4188 4189

Inzidentantrag . . . . . . . . . Kontokorrent . . . . . . . . . . Kosten . . . . . . . . . . . . . . Lastenausgleich . . . . . . . . . Mahnkosten . . . . . . . . . . Mehrwertsteuer . . . . . . . . Mietkaution . . . . . . . . . . Milchgeld . . . . . . . . . . . . Prozesszinsen . . . . . . . . . . Sachverständigenkosten . . . . Selbständiges Beweisverfahren, Kosten . . . . . . . . . . . . Schadensersatz . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

Rn. 4190 4191 4192 4198 4199 4200 4201 4202 4203 4204

. . . 4205 . . . 4206

1 BGH, Beschl. v. 11.1.2011 – VIII ZB 62/10. 2 S. aber auch das Stichwort „Kreditgebühren“. 3 Einhellige Meinung: BGH, Beschl. v. 10.5.1962 – VII ZR 104/61, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 2; BGH, Beschl. v. 18.1.1995 – XII ZB 204/94, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1200 = NJWRR 1995, 706; LM § 4 ZPO Nr. 5; OLG Köln, KostRsp. GKG § 22 Nr. 5, 8. 4 S. Strohm/Herrmann, BRAK-Mitteilung 1983, 21.

N. Schneider

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Nebenforderungen

Scheck und Wechsel . Schiedsspruch . . . . . Schuldanerkenntnis . . Steuersäumniszuschlag Teilzahlung . . . . . . Umsatzsteuer . . . . . Vergleich (Einigung) . . Verrechnung . . . . . . Verzugszinsen . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

Rn. 4208 4210 4211 4213 4214 4216 4218 4221 4222

Viehmängelhaftung . . . . . . . . . Vollstreckungsabwehrklage . . . . . Vollstreckungsklausel-Klage . . . . Wechsel . . . . . . . . . . . . . . . Widerklage . . . . . . . . . . . . . . Wiederaufnahmeverfahren . . . . . Zwangsversteigerung . . . . . . . . Zwangsvollstreckung . . . . . . . . Zwangsvollstreckungsabwehrklage

Rn. 4228 4236 4229 4230 4231 4232 4233 4234 4236

Abnahme der eidesstattlichen Versicherung 4177

Im Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO sind die bis zur Antragstellung aufgelaufenen Zinsen und Kosten dem Gegenstandswert der Hauptorderung hinzuzurechnen (§ 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG). Diese Vorschrift geht der des § 43 Abs. 1 GKG vor. Ausländisches Urteil

4178

Die Kosten, die in einem ausländischen Urteil zuerkannt sind, bleiben bei der Festsetzung des Streitwerts dann unberücksichtigt, wenn sie im ausländischen Urteil nicht ziffernmäßig genannt sind, sei es allein oder neben der Hauptforderung.1 Befreiungsanspruch

4179

Bei einer Klage auf Befreiung von einer Verbindlichkeit sind die Zinsen des Anspruchs, von dem Befreiung begehrt wird, keine Nebenforderungen des Befreiungsanspruchs und daher anzusetzen.2 S. „Befreiung von einer Verbindlichkeit“ Rn. 1554 ff. A.A. ist der BGH,3 der die Zinsen als Nebenforderungen bei dessen Wertfestsetzung grundsätzlich unberücksichtigt lassen will. Ausnahmsweise sollen sie aber dann zu berücksichtigen sein, wenn bereits eine rechtskräftige Verurteilung des zu befreienden Schuldners erfolgt ist und dabei Zinsen und Kosten einbezogen sind. In diesem Fall sei die Befreiungsklage auf einen (neuen und einheitlichen) Schadensersatzanspruch ausgerichtet:4 Ein rechtskräftig zum Schadensersatz verurteilter Versicherungsnehmer hatte gegen seinen Haftpflichtversicherer auf Befreiung von der Urteilssumme und den zugunsten des Geschädigten festgesetzten Kosten geklagt. Der BGH hat die festgesetzten Kosten des Vorprozesses dem Streitwert hinzugerechnet. Gleicher Ansicht ist Weisbrod,5 der darauf abstellt, dass einmal die Nebenforderung auch gegenüber dem Befreiungsschuldner selbst in Abhängigkeit vom Hauptanspruch entstehe, im anderen Fall die Zinsen ihre Abhängigkeit durch Tilgung oder Titulierung verlören und damit Teil eines einzigen Gesamtanspruchs würden. 1 2 3 4 5

BGH, LM § 4 ZPO Nr. 7. RG, DR 1940, 2009. BGH, JurBüro 1961, 91. BGH, Warneyer 1976 Nr. 14. JurBüro 1995, 115.

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Nebenforderungen Die Ansicht des BGH1 ist unzutreffend. Nach der vom BGH selbst gegebenen Definition sind Zinsen „das vom Schuldner zu entrichtende Entgelt für die Überlassung von Kapital“. Hieran fehlt es aber im Verhältnis zwischen Befreiungsschuldner und -gläubiger. Dem Befreiungsgläubiger kann nie ein eigener Zinsanspruch zustehen. Ein Zinsanspruch steht nur dem Forderungsgläubiger zu. Dessen Zinsanspruch ist daher nur eine Berechnungsposition eines einheitlichen Befreiungsanspruchs. Ein eigener Zinsanspruch des Befreiungsschuldners kann erst entstehen, wenn er gezahlt hat. Dann geht aber der Befreiungsanspruch unter und verwandelt sich in einen gewöhnlichen Zahlungsanspruch. Auch Kosten des Forderungsgläubigers sind Teil des einheitlichen Befreiungsanspruchs. Lediglich dann, wenn für den Befreiungsgläubiger selbst Kosten anfallen, etwa durch eine anwaltliche Mahnung zur Freistellung, sind Nebenforderungen i.S. der § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1, 2 GKG gegeben.

4180

S. ausführlich m.w.N. zur Rspr. bei dem Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“. Beschwer S. dazu das Stichwort „Rechtsmittel“ Rn. 4675 ff.

4181

Bürgschaft Der Streitwert eines Rechtsstreits zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen richtet sich nach dem Wert der Hauptschuld. Die daneben zu entrichteten Zinsen bleiben bei der Wertberechnung außer Ansatz, da es sich auch im Verhältnis zum Bürgen um Nebenforderungen handelt, auf die er unmittelbar haftet.2

4182

Der Streitwert geht auch dann nicht über den vereinbarten Höchstbetrag der Bürgschaft hinaus, wenn Gegenstand des Rechtsstreits auch die Zinsen, Provisionen und Spesen der Bürgschaftssumme sind, für die sich der Bürge zusätzlich verbürgt hat.3 Für den Befreiungsanspruch des Bürgen gegen den Hauptschuldner sind die Zinsen dagegen mitzurechnen (s. Rn. 4179). Deckungsschutz Der Deckungsschutzprozess des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer hat einen Befreiungsanspruch zum Gegenstand (s. oben Rn. 4179). Daher sind Zins- und Kostenansprüche des freizustellenden Geschädigten zu berücksichtigen.4

4183

Duldungsklage Wenn der Eigentümer eines Grundstücks aus einer auf dem Grundstück lastenden Grundschuld auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grund1 2 3 4

BGH, JurBüro 1961, 91. BGH, JurBüro 1958, 390. BGH, WM 1956, 889. BGH, Beschl. v. 8.3.2006 – IV ZB 19/05, NJW-RR 2006, 791 = VersR 2006, 716; a.A. Vorauflage; OLG Nürnberg, VersR 1978, 854.

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4184

Nebenforderungen stück wegen der Grundschuld verklagt wird (dingliche Klage), bleiben die Kosten der die Befriedigung aus dem Grundstück bezweckenden Rechtsverfolgung bei der Festsetzung des Streitwertes außer Betracht.1 Enteignungszinsen 4185

S. das Stichwort „Enteignungsentschädigung“ (Rn. 2099 ff.). Feststellungsklage

4186

Wird auf Feststellung der Nichtigkeit eines Darlehensvertrages geklagt, bestimmt sich der Streitwert nach der Höhe der noch offenen Darlehensvaluta. Die aufgrund des Darlehensvertrages geschuldeten Zinsen erhöhen den Streitwert nicht. Die Vorschrift des § 9 ZPO gilt nur für die Bewertung eines Stammrechts.2 Ebenso wenig erhöhen Ansprüche auf Rückgabe von Sicherheiten den Streitwert.3 Finanzierungskosten

4187

Für die Schätzung des Verkehrswerts einer finanzierten Kaufsache sind die Finanzierungskosten außer Betracht zu lassen.4 Hinterlegungszinsen

4188

Bei der Klage auf Zustimmung in die Auszahlung eines beim Notar hinterlegten Betrages ist die Summe maßgebend, die das Hinterlegungskonto zum Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 40 GKG) ausweist.5 Es geht um diesen Endbetrag. Die Hinterlegungsmasse darf nicht in einen Hauptanspruch und einen Nebenanspruch zerlegt werden. Es fehlt nämlich an dem in § 43 Abs. 1 GKG vorausgesetzten objektiven Abhängigkeitsverhältnis, da nicht der Beklagte Zinsschuldner ist, sondern die Hinterlegungsstelle. Deshalb sind auch die Hinterlegungszinsen, die den Hinterlegungsbetrag erhöhen, zu berücksichtigen.6 Streiten zwei Parteien um die Berechtigung des Zahlungsanspruchs gegen einen Dritten und klagt einer von ihnen gegen den anderen auf Einwilligung in die Auszahlung einer hinterlegten oder vom Drittschuldner bis zur gerichtlichen Ermittlung des Berechtigten zurückgehaltenen Streitsumme, so sind die von jenem Dritten mit der Hauptsumme geschuldeten Zinsen keine Nebenforderungen i.S. des § 4 ZPO.7 Hier geht es nur um einen verzinslichen Hauptanspruch, nicht um einen Festbetrag, in dem Zinsen enthalten sind.

1 2 3 4 5 6 7

BGH LM § 3 ZPO Nr. 6. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.4.2005 – 17 W 21/05, n.v. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.4.2005 – 17 W 21/05, n.v. OLG Köln, JurBüro 1971, 86; s. auch OLG Köln, JMBl.NW 1974, 46. OLG Köln, JurBüro 1980, 281. BGH, Warneyer 1967 Nr. 7; RG, HRR 1931 Nr. 252. OLG Zweibrücken, JurBüro 1965, 1007.

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Nebenforderungen Inkassogebühren Inkassogebühren sind vorgerichtliche Kosten und bleiben als Nebenforderungen daher außer Ansatz.1

4189

Inzidentantrag Bei der Widerklage gem. § 717 Abs. 2 oder 3 ZPO auf Verurteilung des Klägers zur Rückzahlung der Beträge, die der Kläger aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil beigetrieben oder die der Beklagte zur Abwendung der Vollstreckung geleistet hat, bleiben beigetriebene Zinsen und Kosten bei der Streitwertfestsetzung außer Betracht.2

4190

Kontokorrent Zinsen verlieren ihre Eigenschaft als Nebenforderung beim Kontokorrent nur dann, wenn sie jeweils bei Periodenschluss dem Saldo (§ 355 HGB) hinzugerechnet und zusammen mit diesem in die neue Rechnungsperiode übernommen werden; es liegt dann eine Novation vor.3

4191

Kosten Unter Kosten ist die Summe aller gerichtlichen, außergerichtlichen und vorgerichtlichen Kosten zu verstehen, die bis zur Vornahme der gebührenrechtlich erheblichen Handlung erfallen sind sowie die durch die Handlung selbst entstehenden Kosten.4

4192

Vorgerichtliche Kosten sind z.B. Kosten eines Privatgutachtens (s. Rn. 4204), eines früheren Prozesses oder einer Zwangsvollstreckung,5 ferner etwa Bearbeitungsgebühren, die anlässlich einer Unfallfinanzierung erfallen sind.6 Kosten bleiben auch dann bei der Streitwertberechnung als Nebenforderungen unberücksichtigt, wenn sie zu einem früheren Zeitpunkt in einem Verfahren gegen einen zunächst allein in Anspruch genommenen Mitschuldner entstanden sind.7

4193

Nur dann, wenn Kosten allein eingeklagt werden, bestimmen sie den Streitgegenstand, weil es dann an einer bedingenden Hauptforderung in diesem Verfahren fehlt.8 Kreditgebühren, die im Rahmen eines Teilzahlungskredits vereinbart werden, sind Zinsen und damit Nebenforderungen.9

1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG Köln, JurBüro 1974, 1594. BGHZ 43, 33; LG Kiel, MDR 1960, 324. OLG Bamberg, JurBüro 1964, 32. RGZ 118, 149; OLG Celle, JW 1930, 657; OLG Braunschweig, OLGE 33, 174; OLG Dresden, OLGE 43, 122. OLG Bremen, Rpfleger 1957, 274 zu ZPO § 4, c. OLG Köln, JMBl.NW 1974, 46. LG Mönchengladbach, JurBüro 1963, 608. Sog. materieller Kostenerstattungsanspruch; s. dazu Zöller/Herget, vor § 91 ZPO Rn. 11. OLG Düsseldorf, MDR 1976, 663.

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Nebenforderungen 4195

Umstritten ist, ob beim Ratenzahlungskredit die Zusammenfassung des Darlehens und der Kreditgebühren in einem Betrag daran etwas ändert und ob auch in diesem Fall die Kreditgebühren als Nebenforderung bei der Streitwertbemessung außer Ansatz zu bleiben haben.

4196

Das OLG Bamberg1 lässt auch dann die Kreditgebühren unberücksichtigt, während das OLG München2 die Zinsen dem Streitwert hinzurechnet.

4197

Zuzustimmen ist dem OLG München, dessen Auffassung allein der Forderung gerecht wird, die Streitwertermittlung einfach und übersichtlich zu halten. Es wäre damit unvereinbar, die oft schwierige Frage, wie sich die Restschuld aus einem Finanzierungsdarlehen zusammensetzt und welcher Zinsanteil darin steckt, ausgerechnet bei der Streitwertfestsetzung zu prüfen und zu lösen. Dem OLG München hat sich das OLG Düsseldorf angeschlossen.3 Lastenausgleich

4198

Zinsen eines rechtskräftig zuerkannten LAG-Anspruchs müssen bei der Streitwertfestsetzung mit ihrem vollen Betrag berücksichtigt werden.4 Mahnkosten

4199

Vorgerichtliche Mahnkosten zur eingeklagten Forderung, die mit in den Klageantrag genommen werden, erhöhen den Streitwert nicht.5 Mehrwertsteuer

4200

S. unten „Umsatzsteuer“, Rn. 4216. Mietkaution

4201

Zinsen aus einer Mietkaution erhöhen die Sicherheit (§ 551 Abs. 3 Satz 4 BGB) und werden daher Teil des Kautionsguthabens. Sie sind folglich keine Nebenforderungen, sondern in voller Höhe zu bewerten. S. „Mietsachen“ Rn. 3959. Milchgeld

4202

Entgangenes Milchgeld, das neben dem Anspruch auf Ersatz des Schadens für den Verlust von Kühen verlangt wird, ist keine Nebenforderung i.S. des § 4 Abs. 1 ZPO.6 Prozesszinsen

4203

Prozesszinsen als Nebenforderungen bleiben bei der Bewertung außer Ansatz. 1 OLG Bamberg, JurBüro 1976, 343. 2 OLG München, JurBüro 1976, 237. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.11.1989 – 24 W 105/89; s. auch das Stichwort „Kreditgebühren“. 4 OLG Frankfurt, JurBüro 1966, 241. 5 OLG Bamberg, Beschl. v. 19.11.1984 – 3 W 100/84, JurBüro 1985, 589. 6 OLG Schleswig, SchlHA 1951, 46.

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Nebenforderungen Sachverständigenkosten Sachverständigenkosten, die als Schadensersatz – etwa bei einem Verkehrsunfallprozess oder anderweitig auf Deliktsrecht gestützt – mit eingeklagt werden, sind keine Nebenforderungen, sondern eine von mehreren gleichwertigen und gleichrangigen Schadenspositionen.1

4204

Selbständiges Beweisverfahren, Kosten Bei den Kosten eines vorangegangenen selbständigen Beweisverfahrens handelt es sich im Rahmen des nachfolgenden Hauptsacheprozesses i.d.R. um Kosten des Verfahrens, die nicht gesondert geltend zu machen sind,2 sodass ihr Wert beim Zuständigkeitsstreitwert außer Ansatz bleibt und beim Gebührenstreitwert nur im Fall des § 43 Abs. 3 GKG eine Rolle spielt.

4205

Werden die Kosten dagegen isoliert eingeklagt, etwa, weil es nicht mehr zur Hauptsache kommt, dann sind sie Hauptforderung, sodass ihr Wert maßgebend ist. Werden die Kosten eines vorangegangenen selbständigen Beweisverfahrens ausnahmsweise neben der Hauptforderung eingeklagt, dann handelt es sich um eine Nebenforderung i.S. des § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG, selbst wenn sie in den bezifferten Hauptantrag eingerechnet wurden.3 Schadensersatz Ein auf § 992 BGB gestützter Schadensersatzanspruch, der in Abhängigkeit vom Hauptanspruch auf Herausgabe der Sache erhoben wird, bleibt bei der Wertberechnung unberücksichtigt, auch wenn er den sich aus § 987 BGB ergebenden Nutzungsanspruch übersteigt.4 Zweifelhaft! S. das Stichwort „Herausgabe“ Rn. 3049a.

4206

Wird Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung in Form von Zinsen verlangt, so bleiben diese nach BGH5 nicht außer Betracht, weil es sich nicht um Nebenforderungen i.S. der § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG handelt.

4207

Die bloße Zusammenfassung von Zinsen und Kapital macht die Zinsen jedoch nicht zur Hauptforderung, selbst wenn der Kläger sie als Verzugszinsen unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes geltend macht.6 Dementsprechend bleibt die Zinsforderung auf eine Schadensersatzzahlung Nebenforderung, selbst wenn eine höhere als die gesetzliche Verzinsung aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes verlangt wird.

1 2 3 4 5

OLG München, NJW-RR 1994, 1484. BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – VII ZB 59/05, NJW 2006, 2557 = MDR 2006, 1075. OLG Jena, Beschl. v. 20.11.2003 – 5 W 288/03, n.v. OLG Karlsruhe, ZZP 68, 1955, 463. BGH, Beschl. v. 29.4.1971 – III ZR 142/70, KostRsp. § 4 ZPO Nr. 30; BGH, Beschl. v. 28.9.1992 – II ZR 277/90, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 74. 6 BGH, Beschl. v. 10.5.1962 – VII ZR 104/61, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 2; BGH, Beschl. v. 18.1.1995 – XII ZB 204/94, NJW-RR 1995, 706; WPM 1981, 1092; OLG Bamberg, JurBüro 1978, 1549; OLG Köln, Beschl. v. 19.6.1979 – 2 U 29/79, JurBüro 1980, 578.

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Nebenforderungen Dabei ist es gleichgültig, ob der geforderte Zinssatz mit einem entgangenen Gewinn durch günstige Anlage oder durch das Entstehen von Zinsverpflichtungen des Schadensersatzklägers gerechtfertigt wird.1 Scheck und Wechsel 4208

Werden in die Scheck- oder Wechselforderung Zinsen und Kosten aus dem Grundgeschäft aufgenommen, so werden sie bei der Bewertung der Wechselforderung mitberechnet, da diese eine neue selbständige Forderung und damit auch einen anderen Streitgegenstand schafft als die Forderung aus dem Grundgeschäft.

4209

Dagegen bleiben Zinsen, Kosten und Provisionen nach dem WG oder ScheckG gem. § 4 Abs. 2 ZPO unberücksichtigt. Ausführlich, auch zum Übergang der Klage aus dem Grundverhältnis in den Urkundenprozess bei dem Stichwort „Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess“ Rn. 4360 ff. Schiedsspruch

4210

Im Verfahren auf Vollstreckbarkeitserklärung von Schiedssprüchen bleiben die Nebenforderungen und Kosten bei der Berechnung des Streitwerts außer Ansatz.2 Demgegenüber will OLG Hamburg3 Zinsen und Kosten bei der Streitwertberechnung berücksichtigen. Wird auf Aufhebung eines Schiedsspruches geklagt, so sind die Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens und die im Schiedsspruch zuerkannten Zinsen Nebenforderungen.4 Schuldanerkenntnis

4211

Wird die Klageforderung auf ein schriftliches deklaratorisches Schuldanerkenntnis gestützt, in dem Hauptforderung und Zinsrückstand in eine Summe aufaddiert worden sind, bleiben die Zinsen Nebenforderung.5

4212

Anders nur dann, wenn die Zinsforderung zusammen mit der Hauptforderung durch Abgabe eines abstrakten Schuldversprechens oder Schuldanerkenntnisses (§§ 780, 781 BGB) oder durch Kontokorrentsaldierung noviert wird. Dann entsteht eine neue einheitliche Forderung, so auch bei einem Scheck oder Wechsel (s. Rn. 4208).

1 BGH, VersR 1957, 244. 2 RG, JW 1925, 2005; KG, JW 1936, 3330; LG Frankfurt, JurBüro 1952, 90; OLG Köln, JurBüro 1969, 558. 3 OLG Hamburg, Rpfleger 1956, 169 mit abl. Anm. Lappe. 4 BGH, MDR 1957, 95. 5 OLG Köln, JurBüro 1980, 578.

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Nebenforderungen Steuersäumniszuschlag Werden Steuersäumniszuschläge im ordentlichen Rechtsweg zugleich mit der Steuerhauptforderung als Nebenforderung eingeklagt, so bleiben sie bei der Wertberechnung außer Ansatz.1

4213

Teilzahlung Wird Kapital nebst Zinsen eingeklagt, der Antrag aber eingeschränkt durch den Zusatz:

4214

„abzüglich bereits gezahlter ... Euro“,

dann ist die Zahlung, wenn der Schuldner keine andere Anrechnung bestimmt hat (§ 367 Abs. 2 BGB), nach § 367 Abs. 1 BGB zunächst auf die Kosten und dann auf die Zinsen zu verrechnen. Der Streitwert vermindert sich also erst dann, wenn die Zahlung auch (teilweise) das Kapital getilgt hat.2 Das kann auch für die Rechtsmittelfähigkeit einer Sache ausschlaggebend sein.3 Wird auf eine titulierte Forderung ein Teilbetrag bezahlt, so ist dieser dementsprechend wiederum zunächst auf die Kosten und Zinsen anzurechnen.4

4215

Umsatzsteuer Die Umsatzsteuer ist keine Nebenforderung, sondern Teil der Hauptforderung; s. das Stichwort „Umsatzsteuer“ Rn. 5227 ff.

4216

Entgegen früherer Ansicht5 entfällt auf Verzugs- oder Fälligkeitszinsen keine Umsatzsteuer,6 sodass sich damit auch die Frage nach der Einordnung als Nebenforderung erledigt hat.7

4217

Vergleich (Einigung) Nach Nr. 1000 VV RVG erhält der Rechtsanwalt für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vergleichs eine Einigungsgebühr. Gerichtskosten fallen für den Abschluss eines Vergleichs nur an, soweit der Wert des Vergleichsgegenstandes den Wert des Streitgegenstandes übersteigt (Nr. 1900 KV GKG). Man spricht hier vom „Mehrwert“ des Vergleichs.

4218

Kosten und Zinsen bleiben bei der Wertberechnung unberücksichtigt. Das gilt auch dann, wenn ein gerichtlicher Vergleich über Hauptsache und Kosten abgeschlossen wird.8

4219

Vergleichen sich die Parteien nicht nur über den streitig gebliebenen und in der Berufungsinstanz allein angefallenen Teil des Zinsanspruches, sondern auch über den unangefochten gebliebenen Haupt- und Zinsanspruch mit der

4220

1 2 3 4 5 6 7 8

BGH, NJW 1956, 1562. RG, DR 1939, 1182; OLG Kiel, HRR 1939 Nr. 435; OLG Hamm, JurBüro 1969, 765. S. E. Schneider, DRiZ 1979, 310. S. E. Schneider, DRiZ 1979, 310. BGH, JurBüro 1976, 1629 = NJW 1977, 583 = Warneyer 1976 Nr. 190. EuGH, NJW 1983, 505. S. E. Schneider, DGVZ 1983, 113. OLG Neustadt, JurBüro 1964, 195; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.1.1984 – 5 WF 317/ 83, JurBüro 1984, 1865.

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Nebenforderungen Maßgabe, dass der Kläger dem Beklagten sowohl für den bereits zuerkannten als auch für den streitig gebliebenen Betrag Ratenzahlung gewährt, so erhöht sich der Wert des Vergleichs um den nach § 3 ZPO zu schätzenden Wert der Ratenzahlung bezüglich der nicht angefochtenen Haupt- und ZinsanspruchVerurteilung.1 Für die Revisionsinstanz gelten diese Grundsätze ebenfalls.2 Verrechnung 4221

Wird Kapital nebst Zinsen eingeklagt, der Antrag aber eingeschränkt durch den Zusatz „abzüglich bereits gezahlter ... Euro“,

dann ist die Zahlung, wenn der Schuldner keine andere Anrechnung bestimmt hat (§ 367 Abs. 2 BGB), nach § 367 Abs. 1 BGB zunächst auf die Zinsen zu berechnen. Der Streitwert vermindert sich also erst dann, wenn die Zahlung auch (teilweise) das Kapital getilgt hat.3 Das kann auch für die Rechtsmittelfähigkeit einer Sache ausschlaggebend sein.4 Verzugszinsen 4222

Verzugszinsen fallen als Nebenforderungen immer unter § 4 ZPO, § 43 GKG. Sie sind bei Geltendmachung ohne den Hauptanspruch (§ 43 Abs. 2 GKG) – im Gegensatz zu Hypothekenzinsen – nicht gem. § 9 ZPO zu bewerten, sondern auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu berechnen.5

4223

Werden neben einer Hauptforderung Verzugszinsen geltend gemacht, so sind diese bei der Berechnung des Streitwertes nicht besonders zu berücksichtigen.6 Das gilt auch dann, wenn die Verzugszinsen im Klageantrag ausgerechnet sind und mit der Hauptforderung zu einem einheitlichen Forderungsbetrag zusammengefasst werden.7 S. oben Rn. 4176.

4224

In der Praxis wird manchmal versucht, diese Rechtsfolge zu umgehen, um die Gebühren zu erhöhen.8

4225

Eine Zinsforderung, die in Abhängigkeit von der Hauptforderung erhoben wird, bleibt für die Wertberechnung auch dann außer Ansatz, wenn der Zinsfuß den gesetzlichen Rahmen (§ 288 Abs. 1 BGB, § 362 HGB usw.) wegen eines weiter gehenden Verzugsschadens überschreitet.9 1 2 3 4 5 6

OLG Celle, JurBüro 1971, 237. RGZ 60, 114. RG, DR 1939, 1182; OLG Kiel, HRR 1939 Nr. 435; OLG Hamm, JurBüro 1969, 765. S. E. Schneider, DRiZ 1979, 310. OLG Celle, Nds.Rpfl. 1965, 229. OLG Hamburg, JurBüro 1994, 364 – Zinsen als Schaden aus Verzug mit der Abgabe einer Willenserklärung. 7 BGH, LM § 4 ZPO Nr. 5; BGH, Beschl. v. 10.5.1962 – VII ZR 104/61, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 2; KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1200 = NJW-RR 1995, 706; RG, JW 1934, 2771. 8 Vgl. Strohm/Herrmann, BRAK-Mitt. 1983, 21 und dazu E. Schneider, MDR 1984, 265. 9 RGZ 158, 350; OLG Nürnberg, BayJMBl. 1952, 267; OLG Neustadt, Rpfleger 1956, 238 Nr. 2; RG, JW 1934, 2771.

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Nebenforderungen Dem kann auch nicht dadurch ausgewichen werden, dass über den Zinsbetrag ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis abgegeben wird.1 Anders ist es, wenn die Endsumme aus Hauptforderung und Zinsen durch ein abstraktes Schuldanerkenntnis oder Schuldversprechen (§§ 780, 781 BGB). in eine neue einheitliche Schuld verwandelt wird. Denn darin liegt eine schuldverändernde Novation, durch die die Zinsen ihre Eigenschaft als Nebenforderung verlieren, sodass sich der Streitwert fortan nach dem abstrakt anerkannten Schuldgesamtbetrag richtet.

4226

Hauptforderung sind Zinsen dagegen dann, wenn sie aus einer anderen Hauptforderung resultieren oder aus einem anderen Teil der Hauptforderung. S. dazu „Zinsen“ Rn. 6407 ff.

4227

Zur Bewertung des Zinsantrages als Hauptforderung s. das Stichwort „Zinsen“. Viehmängelhaftung Bei Rechtsstreitigkeiten wegen Viehmängelhaftung zählen Frachtkosten, Futterkosten und Tierarztkosten zu den in und außer dem Prozess gemachten Aufwendungen zur Durchführung des Anspruches, die gem. § 5 ZPO dem Hauptanspruch zuzurechnen sind.2

4228

Vollstreckungsklausel-Klage Bei einer Klage aus § 768 ZPO gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel, deren Streitwert nach § 3 ZPO zu schätzen ist, bleiben Zinsen und Kosten außer Ansatz, selbst wenn sie durch ein Festsetzungsbeschluss bereits tituliert worden sind.3

4229

Wechsel S. oben „Scheck und Wechsel“, Rn. 4208.

4230

Widerklage Klagt der Kläger auf Feststellung, dass dem Beklagten eine bestimmte Forderung nicht zustehe, und erhebt der Beklagte seinerseits Widerklage auf Zahlung von Zinsen aus dieser Forderung, so soll § 4 Abs. 1 ZPO nicht anzuwenden sein; die Widerklage gehe über eine selbständige Hauptforderung, deren Wert gem. § 5 ZPO dem Streitwert der Klage zuzurechnen ist, hinaus, da die Zinsen dort wegen § 4 Abs. 1 ZPO nicht berücksichtigt würden.4 Dies dürfte unzutreffend sein. Sicherlich hat die Widerklage einen eigenen Wert, nämlich den des Zinsanspruchs. Eine Addition der Werte hat wegen wirtschaftlicher Identität bzw. wegen des Additionsverbotes der § 4 Abs. 1, § 43 Abs. 1 GKG jedoch zu unterbleiben. 1 2 3 4

OLG Köln, Beschl. v. 30.1.1980 – 2 W 6/80. KG, JVBl. 1933, 250; LG Lübeck, JurBüro 1951, 301. OLG Köln, MDR 1980, 852. KG, JW 1937, 2779.

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4231

Nebenforderungen Zum Anerkenntnis der Klage und streitiger Verhandlung über die Widerklage s. oben Rn. 4155. Wiederaufnahmeverfahren 4232

Bei der Berechnung des Streitwerts der Wiederaufnahmeklage sind die Kosten des Vorprozesses und die inzwischen aufgelaufenen Zinsen nicht hinzuzurechnen.1 Zwangsversteigerung

4233

In der Zwangsversteigerung werden die Zinsen und Kosten bei der Streitwertberechnung hinzugesetzt (§ 26 RVG). Zwangsvollstreckung

4234

In der Zwangsvollstreckung werden die Zinsen und Kosten bei der Streitwertberechnung hinzugesetzt (§ 25 Abs. 1 Nr. 2 RVG); s. Rn. 4162.

4235

Bei der Vollstreckung nach § 866 Abs. 3 Satz 1 ZPO kommt es dafür, ob Zinsen Nebenforderungen sind, nicht auf den Zeitpunkt der Geltendmachung, sondern auf den Titel an.2 Zwangsvollstreckungsabwehrklage

4236

Der Streitwert einer Vollstreckungsabwehrklage wird nur nach der titulierten Hauptforderung berechnet, also ohne Berücksichtigung der Kosten; diese sind Nebenforderungen i.S. der § 43 Abs. 1 GKG, § 4 ZPO.3 Das gilt auch dann, wenn sie im Klageantrag ausgerechnet sind und mit der Hauptforderung zu einem einheitlichen Forderungsbetrag zusammengefasst werden.4

4237

Die aufgrund des streitigen Urteils festgesetzten Zinsen und Kosten, wegen derer der Kläger ebenfalls die Unzulässigkeitserklärung der Zwangsvollstreckung erstrebt, gelten auch für die Vollstreckungsabwehrklage aus § 767 ZPO als Nebenforderungen und sind deshalb bei der Wertberechnung nicht anzusetzen.5

4238

Das LG Köln6 ist der herrschenden Auffassung entgegengetreten und will § 4 ZPO auf die Vollstreckungsabwehrklage nicht anwenden; diese Auffassung hat sich nicht durchzusetzen vermocht.

4239

Behauptet der Vollstreckungsschuldner, der Gläubiger habe zugesagt, er werde von einem Vollstreckungstitel keinen Gebrauch machen, und begehrt er eine 1 OLG Hamburg, MDR 1969, 228. 2 OLG Schleswig, JurBüro 1982, 913. 3 BGH, LM § 4 ZPO Nr. 4; OLG Nürnberg, Rpfleger 1966, 323 zu ZPO §§ 4, 767; OLG Koblenz, 1956, 147 zu ZPO § 4 Abs. 1; KG, Rpfleger 1962, 155 zu ZPO § 4, c; OLG Köln, JurBüro 1992, 251. 4 BGH, LM § 4 ZPO Nr. 4. 5 KG, Rpfleger 1962, 155; OLG Nürnberg, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 9; OLG Hamburg, MDR 1957, 754; LG Mannheim, WM 1965, 174. 6 LG Köln, NJW 1964, 2165.

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Nebenintervention gerichtliche Entscheidung darüber, dass aus diesem Grunde eine Vollstreckung des Titels und der aufgrund des Titels festgesetzten Kosten nicht erfolgen darf, so sind die Kosten Nebenforderung und daher dem Streitwert nicht zuzurechnen.1 Zum Streitwert einer auf § 826 BGB gestützten Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung s. bei dem Stichwort „Unterlassung“ Rn. 5296. Hat der Schuldner Teilzahlungen geleistet, dann sind die Zahlungen zunächst gem. § 367 BGB zu verrechnen (s. oben Rn. 4214, 4221).

4240

Bei der Bemessung des Streitwertes der sodann erhobenen Zwangsvollstreckungsabwehrklage ist nur der die Kosten und Zinsen übersteigende Betrag des Tilgungsbetrages von dem Forderungsbetrag abzusetzen.2

4241

Nebenintervention Literatur: Schmidt, NJW 1968, 94; Schneider, JurBüro 1974, 273 ff.; Schneider, MDR 1977, 268; Hülsmann, Streitwert der Nebenintervention, JurBüro 2003, 84; Freund, Zur Streitverkündung: Zulässigkeit, Zwischenstreit und Gegenstandswert, NZBau 2010, 83.

A. Einleitung Die einfache Nebenintervention (auch Streithilfe) ist der Beitritt eines Dritten zur Unterstützung einer Partei in einem bereits anhängigen Prozess. Die Zulässigkeit des Beitritts, der durch Einreichung eines den Erfordernissen des § 70 ZPO entsprechenden Schriftsatzes erfolgt, setzt insbesondere ein „rechtliches Interesse“ des Beitretenden am Obsiegen der Hauptpartei voraus, § 66 Abs. 1 ZPO. Davon ist auszugehen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits sich mittelbar oder unmittelbar auf die privat- oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des Beitretenden rechtlich günstig oder ungünstig auswirkt. Hierbei ist ausreichend, dass sich das Interesse des Streithelfers auf einen Teil der Hauptsache beschränkt.3

4242

Mit dem Betritt erlangt der Streithelfer die Stellung eines kraft eigenes Rechts handelnden Gehilfen der Partei,4 dessen Erklärungen und Prozesshandlungen jedoch nicht in Widerspruch zu denen der Hauptpartei stehen dürfen, § 67 ZPO. Da der Beitritt zu einem laufenden Verfahren erstrebt wird bzw. erfolgt, hat er auf die Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwert keinen Einfluss.

4243

B. Gebührenstreitwert I. Zulassung der Nebenintervention Auf Antrag einer Partei oder eines bereits beigetretenen Streithelfers (und bei Fehlen der Prozesshandlungsvoraussetzung auf Seiten des Nebenintervenien1 2 3 4

BGH, ZZP 69, 1956, 176. OLG Nürnberg, MDR 1967, 410. OLG Düsseldorf, MDR 1966, 852; Zöller/Vollkommer, § 66 Rn. 8. Zöller/Vollkommer, § 67 Rn. 1.

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Nebenintervention ten auch von Amts wegen) ist gem. § 71 ZPO nach mündlicher Verhandlung über die Zulässigkeit der Nebenintervention zu entscheiden. 4245

Der Streitwert des Zwischenverfahrens bestimmt sich nach § 3 ZPO, wobei wohl einhellig auf das Interesse des Streithelfers an seiner Zulassung abgestellt wird.1 Dass der Wert des Zwischenverfahrens geringer als der Hauptsachewert sein kann, folgt schon aus seinem Verfahrensgegenstand. Denn Gegenstand ist nicht die Stellung des Beitretenden zum Klagebegehren, sondern die Zulässigkeit seiner Nebenintervention. Das Zwischenurteil entscheidet allein darüber, ob der Streithelfer sein rechtliches Interesse am Obsiegen der Hauptpartei glaubhaft gemacht hat (§ 71 Abs. 1 ZPO). Wertbestimmend ist daher das Interesse des Beitretenden an der Einwirkung auf den Prozess und seine Entscheidung. Wirtschaftlich kann dies, muss aber nicht mit dem Hauptsachewert übereinstimmen. Unzutreffend dürfte daher die Annahme sein, dass sich der Streitwert des Zwischenstreits über die Zulässigkeit der Nebenintervention nur ganz ausnahmsweise mit dem Wert der Hauptsache decke.2

4246

Vielmehr wird der Streitwert des Zwischenverfahrens dem Hauptsachewert entsprechen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache in einem Umfang auf die vermögensrechtlichen Verhältnisse des Beitretenden auswirkt, der mit dem Wert der Hauptsache übereinstimmt. Zwar ist es zutreffend, dass mit der Entscheidung des Zwischenstreits noch keine Entscheidung über die Hauptsache und eine damit möglicherweise verbundene vermögensrechtliche Auswirkungen getroffen wird.3 Da jedoch abschließend über die Möglichkeit des Beitretenden entschieden wird, auf den Verlauf des Rechtsstreits in der Hauptsache einzuwirken, entsprechen die Interessen an der Zulassung und der Einwirkung wertmäßig einander.4 Dies ist für die gleichartige Situation des Zwischenstreits über die Zuständigkeit des Gerichts oder Zulässigkeit eines Rechtsmittels anerkannt (s. hierzu unter dem Stichwort „Zwischenstreit, Zwischenurteil“).

II. Durchführung der Nebenintervention 4247

Uneinigkeit besteht hingegen darüber, wie der Gebührenstreitwert im Falle der Beteiligung des Streithelfers zu bestimmen ist.

4248

Stellt der Nebenintervenient – wie meist – zur Hauptsache denselben Antrag wie die von ihm unterstützte Partei, dann deckt sich der Wert der Nebenintervention nach einer (früher fast ausschließlich vertretenen) Meinung mit dem Wert der Hauptsache.5 Entscheidend sei die verfahrensrechtliche Stellung des 1 RGZ 111, 410; BGH, JurBüro 1953, 305; OLG München, AnwBl. 1985, 646; LG Köln, Beschl. v. 16.9.1965 – 2 O 35/61, KostRsp. § 3 ZPO Nr. 139 = MDR 1966, 423; Anders/ Gehle/Kunze, Stichwort „Nebenintervention“; Meyer, Anh. § 48 (§ 3 ZPO) Rn. 22 unter „Nebenintervention“; Musielak/Heinrich, § 3 Rn. 32 „Nebenintervention“; Zöller/Vollkommer, § 71 Rn. 7a. 2 So aber OLG Frankfurt, JurBüro 1964, 516. 3 Schneider, Anmerkung zu OLG Hamburg, KostRsp. § 3 ZPO Nr. 744. 4 OLG Hamburg, Beschl. v. 27.2.1985 – 6 W 20/85, KostRsp. § 3 ZPO Nr. 744 = AnwBl. 1985, 263 mit Anm. E. Schneider. 5 BGH, Beschl. v. 30.10.1959 – V ZR 204/57, MDR 1960, 41 = NJW 1960, 42; KG, Beschl. v. 26.7.2004 – 2 W 18/04, MDR 2004, 1445; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.1.2006 – I-24 W 64/05, MDR 2006, 1017; OLG Düsseldorf v. 28.4.1996 – 6 U 182/

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Nebenintervention Streithelfers, der am Prozess im gleichen Umfang beteiligt sei, wie die Partei, der er zur Seite getreten sei. Sein prozessuales Verhalten richte sich auf denselben Streitgegenstand und seine Angriffs- und Verteidigungsmittel bezweckten das Obsiegen der von ihm unterstützten Partei.1 Dies gelte, soweit der Streithelfer sein Angriffs- oder Verteidigungserverhalten nicht erkennbar auf Teile des Streitgegenstandes beschränkt habe, auch bei fehlender Antragstellung.2 Diese Ansicht führt jedoch streitwertrechtlich zu gänzlich unbefriedigenden Ergebnissen, wenn der Wert der Hauptsache und die mit der Hauptsacheentscheidung verbundene Einwirkung auf die vermögensrechtlichen Verhältnisse des Nebenintervenienten erheblich voneinander abweichen. So müsste ein Streithelfer, der bei einer Klage über 50.000 Euro mit einem Regress von 1.000 Euro zu rechnen hat und sich deshalb dem Klageabweisungsantrag des Beklagten anschließt, einem Streitwert von 50.000 Euro unterworfen werden. Denn im Kostenfestsetzungsverfahren darf nicht geprüft werden, ob die vom Nebenintervenienten gestellten Anträge voll gerechtfertigt waren.3

4249

Richtiger – und mittlerweile in der neueren obergerichtlichen Rechtsprechung ganz überwiegender – Auffassung nach ist deshalb auch bei durchgeführter Nebenintervention nicht auf die Anträge des Streithelfers, sondern auf sein nach § 3 ZPO zu schätzendes Interesse abzustellen.4

4250

So dürfte bei sach- und interessengemäßer Auslegung des Sachantrags des Nebenintervenienten, auch wenn er unbeschränkt gefasst ist, dahingehend

4251

1 2 3 4

65, MDR 1966, 852; OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.2.2009 – 10 W 4/09, IBR 2009, 305; OLG Hamburg, Beschl. v. 27.2.1985 – 6 W 20/85, AnwBl. 1985, 263; JurBüro 1969, 555 = MDR 1969, 317; OLG Hamm, Beschl. v. 16.1.2007 – 27 W 86/06, OLGR 2007, 607; OLG München, Beschl. v. 23.5.1997 – 15 W 1590/97, MDR 1997, 1166; Beschl. v. 27.3.1997 – 28 U 2631/96, MDR 1997, 788 = NJW-RR 1998, 420; OLG Nürnberg, JurBüro 1968, 240 m. abl. Anm. Tschischgale; OLG Stuttgart, Rpfleger 1957, 97; weitergehend OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.10.2002 – 9 E 38/02, JurBüro 2003, 83 = MDR 2003, 357 = NJW-RR 2003, 1007: Hauptsachewert unabhängig von Antragstellung; Hülsmann, JurBüro 2003, 84. BGH, Beschl. v. 30.10.1959 – V ZR 204/97, MDR 1960, 41 = NJW 1960, 42. OLG München, Beschl. v. 24.4.2007 – 28 W 1334/07, JurBüro 2007, 426. OLG Hamburg, Beschl. v. 8.1.1992 – 8 W 2/92, JurBüro 1992, 251; JurBüro 1978, 442. Vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 17.6.1998 – 3 W 73/98, OLGR 1999, 100; KG, Beschl. v. 23.8.2002 – 4 W 219/01, MDR 2002, 1453 = NJW-RR 2003, 133 = AGS 2003, 216; IBR 2002, 650; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.8.1996 – 21 W 23/96, IBR 1997, 395; JurBüro 1980, 282 mit zust. Anm. Mümmler; OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.2.2009 – 10 W 4/09, OLGR 2009, 763 = IBR 2009, 305; OLG Hamburg, Beschl. v. 8.1.1992 – 8 W 2/92, JurBüro 1992, 251; OLG Koblenz, Beschl. v. 27.10.2003 – 3 W 653/03, OLGR 2004, 200; OLG Köln, Beschl. v. 12.3.2004 – 11 W 13/04, MDR 2004, 1025; Beschl. v. 25.5.1992 – 11 W 25/92, JMBl.NW 1992, 283 = OLGZ 1993, 104; OLG München, Beschl. v. 12.9.1985 – 11 W 2147/85, JurBüro 1985, 1854; OLG Naumburg, Beschl. v. 12.6.2009 – 9 U 31/09, AGS 2009, 499; OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.4.2006 – 4 W 137/ 06, MDR 2006, 1318; OLG Oldenburg, Beschl. v. 19.8.1999 – 2 W 102/99, AGS 1999, 171 mit Anm. Madert; OLG Rostock, Beschl. v. 21.10.2009 – 3 W 50/08, juris; OLG Saarbrücken, JurBüro 1985, 445; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.8.2008 – 14 W 51/08, OLGR 2008, 878; OLG Stuttgart, Beschl. v. 6.6.2002 – 20 U 94/99, BB 2002, 2085; JurBüro 1981, 273 = Justiz 1981, 46; LAG Hamburg, Beschl. v. 27.2.2004, juris; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Nebenintervention“; Meyer, GKG, Anh § 48 (§ 3 ZPO) Rn. 22; Musielak/Heinrich, § 3 Rn. 32 Stichwort „Nebenintervention“; Schneider, JurBüro 1974, 273 ff.; Zöller/Vollkommer, § 71 Rn. 7a.

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Nebenintervention auszulegen sein, dass er die Partei nur soweit unterstützt, als sein eigenes Interesse betroffen ist.1 Zumal der auf Beklagtenseite beitretende Streithelfer, den nur ein Teil des Streitgegenstandes betrifft, nicht nur eine Teilabweisung der Klage beantragen kann.2 Zudem bestimmt sich die verfahrensrechtliche Stellung des Nebenintervenienten weniger durch den von ihm gestellten Sachantrag, als durch sein – auch für die Zulässigkeit der Streithilfe maßgebliches – Interesse am Obsiegen der von ihm unterstützen Partei. Nur aus diesem Grunde (§ 66 ZPO) wird ihm die Möglichkeit eingeräumt, zusätzliche Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen. Demgegenüber bringt seine Antragstellung zur Hauptsache nur die Unterstützung der Hauptpartei zum Ausdruck und wirkt sich nicht auf den Streitgegenstand aus.3 Dass sich die für seine Rechtsmitteleinlegung notwendige Beschwer nach der der unterlegenen Hauptpartei richtet, zwingt zu keiner abweichenden Bewertung,4 da das Rechtsmittel nicht die Überprüfung ihm etwaig drohender Regressansprüche, sondern der Hauptsacheentscheidung eröffnet. 4252

Das Interesse des Nebenintervenienten entspricht wertmäßig der (drohenden) Einwirkung der Hauptsacheentscheidung auf seine vermögensrechtlichen Verhältnisse. Abzustellen ist daher auf die nach dem Sachvortrag des Nebenintervenienten möglichen Wirkungen der Hauptsacheentscheidung zu seinen Lasten.5

4253

Dient die Nebenintervention der Abwehr von Regressansprüchen, die der unterstützten Partei im Falle des Prozessverlustes gegen den Streithelfer zustehen, dann ist für die Wertbestimmung regelmäßig auf deren – nach dem Vortrag der Hauptpartei zu erwartenden – Höhe abzustellen.6 Aufgrund der beschränkten Wirkung der Nebenintervention ist auch zu berücksichtigten, in welchem Umfang die Möglichkeiten des Streithelfers zur Rechtsverteidigung im Folgeprozess präkludiert wären.7

4254

Hierbei kann der Wert der Nebenintervention nicht höher sein als der Wert der Hauptsache.8 Dies gilt auch, wenn der Hauptsachewert durch privilegierende Vorschriften gesperrt und der drohende Regress den verbleibenden Wert deutlich übersteigt. Die Berücksichtigung dieser Sperrwirkung entspricht wohl allgemeiner Meinung, wie sie insbesondere bei Feststellungsklagen praktiziert wird, wenn die entsprechende Leistungsklage nach den §§ 41 oder 42 GKG (§§ 16 oder 17 GKG a.F.) privilegiert ist.

1 OLG Köln, Beschl. v. 12.3.2004 – 11 W 13/04, OLGR 2004, 201 = MDR 2004, 1025. 2 Hierauf weist OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.4.2006 – 4 W 137/06, MDR 2006, 1318 mit Recht hin. 3 OLG Schleswig, Beschl. v. 28.8.2008 – 14 W 51/08, OLGR 2008, 878; OLG Stuttgart, Beschl. v. 6.6.2002 = 20 U 94/99, OLGR 2003, 55 = BB 2002, 2085. 4 So aber OLG Hamm, Beschl. v. 16.1.2007 – 27 W 86/06, OLGR 2007, 607. 5 Zutr. Musielak/Heinrich, § 3 Rn. 32 Stichwort „Nebenintervention“; a.A. OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.4.2006 – 4 W 137/06, MDR 2006, 1318, das die Darlegungs- und Beweislast bei der Partei sieht, die ein geringeres Interesse behauptet. 6 OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.4.2006 – 4 W 137/06, OLGR 2006, 684 = MDR 2006, 1318; LAG Hamburg, Beschl. v. 27.2.2004 juris. 7 OLG Köln, Beschl. v. 16.10.1989 – 7 W 37/89, MDR 1990, 251 = JurBüro 1990, 240. 8 OLG Hamburg, Beschl. v. 13.7.1977 – 10 W 17/77, MDR 1977, 1026; MDR 1958, 112; OLG München, Beschl. v. 27.3.1997 – 28 U 2631/96, MDR 1997, 788 = NJW-RR 1998, 420.

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Nebenintervention Trotz der beschränkten Interventionswirkung (§ 68 ZPO) ist für eine prozentuale Reduzierung des Streitwerts entsprechend den Bemessungsgrundsätzen zur Feststellungsklage kein Raum.1 Zwar hat das Haupturteil zu seinen Lasten nur feststellende Wirkung, dass steht der Berücksichtung des vollen Hauptsachewertes jedoch nicht entgegen. Denn maßgeblich für den Gebührenstreitwert ist nicht die Beschwer des Streithelfers im Fall des Unterliegens der Hauptpartei, sondern sein Interesse an deren „Obsiegen“ (§ 68 ZPO) und damit an der (mittelbaren) negativen Feststellung bezüglich der Grundlage eines gegen ihn gerichteten Regressanspruches.

4255

Unterstützt der Beitretende beispielsweise den Beklagten bei dessen Antrag auf Klageabweisung, dann ist sein Interesse auf die mit der Klageabweisung inhaltlich verbundene (negative) Feststellung gerichtet, dass für einen Regress seitens der unterstützten Partei kein Anlass besteht. Unterstützt der Beitretende den Kläger bei dessen Leistungsantrag, so zielt er auf die mit der Verurteilung verbundene Befriedigung des Klägers, die seine eigene ersatzweise Inanspruchnahme ausschließt. Die Nebenintervention zielt in beiden Fällen auf eine abschließende, wenngleich mittelbare Klärung etwaiger Regressansprüche. Für einen regelmäßigen prozentualen Wertabschlag besteht, wie auch bei der negativen Feststellungsklage – entgegen den Ausführungen in der Vorauflage – kein Anlass.

4256

Beschränkt der Streithelfer seine Nebenintervention auf einem Teil der Streitgegenstände des Rechtsstreits, dann ist für die Wert der Streithilfe nur deren Wert anzusetzen,2 ein entsprechendes Abwehrinteresse des Nebenintervenienten vorausgesetzt.

4257

Unterstützt er dagegen die Hauptpartei auch in Bezug auf eine von ihr erhobenen oder gegen sie gerichteten Widerklage, so ist auch für die Kosten der Streithilfe die Summe der Werte von Klage und Widerklage maßgebend.3

4258

C. Rechtsmittel und Beschwer I. Zwischenstreit Gegen das Zwischenurteil, dass über die Zulässigkeit der Nebenintervention entscheidet, ist die sofortige Beschwerde eröffnet, § 71 Abs. 2 ZPO. Für den im 1 So auch OLG Bamberg, Beschl. v. 17.6.1998 – 3 W 73/98, OLGR 1999, 100; OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.2.2009 – 10 W 4/09, OLGR 2009, 763 = IBR 2009, 305; OLG Hamburg, Beschl. v. 8.1.1992 – 8 W 2/92, JurBüro 1992, 251; OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.10.1980 – 10 U 140/80, JurBüro 1981, 273 = Justiz 1981, 46; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Nebenintervention“; OLG Rostock, Beschl. v. 21.10.2009 – 3 W 50/08, juris; a.A. 11. Auflage; OLG München, Beschl. v. 12.9.1985 – 11 W 2147/85, JurBüro 1985, 1854 = AnwBl. 1985, 646; OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.4.2006 – 4 W 137/06, OLGR 2006, 684 = MDR 2006, 1318; LAG Hamburg, Beschl. v. 27.2.2004 – 7 Ta 3/04, juris; E. Schneider, MDR 1982, 270; Musielak/Heinrich, § 3 ZPO Rn. 32 „Nebenintervention“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Nebenintervention“; weitergehend OLG Köln, Beschl. v. 16.10.1989 – 7 W 37/89, MDR 1990, 251 = JurBüro 1990, 240. 2 KG, Beschl. v. 23.8.2002 – 4 W 219/01, MDR 2002, 1453 = NJW-RR 2003, 133 = AGS 2003, 216; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.10.2002 – 9 W 38/02, JurBüro 2003, 83 = MDR 2003, 357 = NJW-RR 2003, 1007; LAG Hamburg, Beschl. v. 27.2.2004 juris; OLG Stuttgart, Rpfleger 1957, 97; Meyer, Anh. § 48 (§ 3 ZPO) Rn. 22 unter „Nebenintervention“. 3 OLG München, JurBüro 1973, 1085 = AnwBl. 1973, 359.

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Nebenintervention Zwischenstreit unterlegenen Nebenintervenienten folgt der Wert der Beschwer seinem Interesse an einem Beitritt zum Rechtsstreit und damit dem Gebührenstreitwert.1 War nach Klagerücknahme abschließend über die Zulassung der Nebenintervention und Auferlegung der hierdurch veranlassten außergerichtlichen Kosten zu entscheiden, dann bemisst sich der Wert des Beschwerdeverfahrens nach der Höhe eben dieser Kosten.2

II. Hauptsacheverfahren 4260

Zur Rechtsmitteleinlegung allein in eigenem Namen ist der Streithelfer nur berechtigt, soweit sich die gerichtliche Entscheidung, etwa hinsichtlich der Kostentragung, gegen ihn selbst richtet.3 Danach bestimmt sich dann auch seine Beschwer.

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Für die Zulässigkeit des vom Nebenintervenienten für die Hauptpartei eingelegten Rechtsmittel (§ 66 Abs. 2 ZPO) kommt es hingegen auf die Beschwer der unterstützten Partei an.4 Deren Bewertung folgt daher ebenso wie die Bestimmung des Rechtsmittelstreitwerts den allgemeinen Regeln. Bei streitgenössischer Nebenintervention soll wegen § 69 ZPO, wonach der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei gilt, nach überwiegender Ansicht die Beschwer des Nebenintervenienten unabhängig von derjenigen der Hauptpartei bestimmt werden.5 Eine Zusammenrechnung der Beschwer von Hauptpartei und Nebenintervenient scheidet in jedem Fall aus, da § 69 ZPO nur auf eine prozessrechtliche Gleichstellung abzielt und selbst bei einer weitergehenden gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme von Hauptpartei und Nebenintervenient aufgrund wirtschaftlicher Identität nicht addiert werden könnte.6 Insoweit kann auf die Ausführungen unter dem Stichwort „Rechtsmittel“ verwiesen werden.

D. Vergleich 4262

Werden in einem Prozessvergleich über die Klageforderung zugleich Ansprüche des Streithelfers mitverglichen, so erhöht sich der Vergleichswert entsprechend.7

4263

Im Übrigen erwächst dem Prozessbevollmächtigten des Streithelfers eine Vergleichsgebühr nur dann, wenn der Vergleich zugleich Rechtsbeziehungen des Streithelfers zu den Parteien regelt. Hiervon ist bereits dann auszugehen, 1 Zöller/Vollkommer, § 71 ZPO Rn. 7a. 2 OLG Nürnberg, Beschl. v. 17.7.2009 – 12 W 1050/09, OLGR 2009, 740 = MDR 2009, 1401 = AG 2009, 748. 3 OLG Oldenburg, Beschl. v. 8.7.1994 – 8 W 51/94, NJW-RR 1995, 829; Zöller/Vollkommer, § 67 Rn. 10. 4 BGH, Urt. v. 16.1.1997 – I ZR 208/94, NJW 1997, 2385; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.1.2006 - I-24 W 64/05, MDR 2006, 1017; OLG Hamm, Beschl. v. 16.1.2007 – 27 W 86/06, OLGR 2007, 607; OLG Köln, Beschl. v. 12.3.2004 – 11 W 13/04, OLGR 2004, 201 = MDR 2004, 1025; Zöller/Vollkommer, § 67 Rn. 5. 5 MünchKomm.ZPO/Rimmelspacher, § 511 Rn. 33; Stein/Jonas/Bork, § 69 Rn. 10 m.w.N.; offenlassend BGH, Urt. v. 30.4.2001 – II ZR 328/00, MDR 2001, 1006. 6 BGH, Urt. v. 30.4.2001 – II ZR 328/00, MDR 2001, 1006. 7 OLG Koblenz, Beschl. v. 22.12.1997 – 14 W 771/97, JurBüro 1999, 196; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Nebenintervention“.

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Nicht rechtshängig gewordene Gegenstände wenn dem Streithelfer in der Kostenregelung des Vergleichs ein Erstattungsanspruch gegen die von ihm unterstützte Partei eingeräumt wird. Der Gegenstandswert der Vergleichsgebühr für den Prozessbevollmächtigten des Streithelfers bestimmt sich in diesem Fall nach den dem Streithelfer bis dahin entstandenen Kosten.1

Negative Feststellungsklage S. das Stichwort „Feststellungsklage“.

Nicht rechtshängig gewordene Gegenstände A. Zuständigkeitsstreitwert Gegenstände, die nicht rechtshängig geworden sind, spielen für den Zuständigkeitsstreitwert keine Rolle. Für den Zuständigkeitsstreitwert kommt es nur auf die rechtshängigen Ansprüche an.

4264

B. Rechtsmittelstreitwert Auch für den Rechtsmittelstreitwert sind nicht anhängige Gegenstände irrelevant. Bei der Bestimmung des Beschwerdegegenstands bleibt daher eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung geltend gemachte Klageerweiterung grundsätzlich außer Ansatz.2

4265

C. Gerichtsgebühren Für die Gerichtsgebühren können nicht rechtshängig gewordene Gegenstände dagegen Bedeutung haben, da hier schon die bloße Anhängigkeit ausreicht. Die Gerichtsgebühren für das Verfahren im Allgemeinen fallen nämlich grundsätzlich mit Einreichung des Antrags an (§ 6 GKG). Eine Rücknahme vor Rechtshängigkeit kann nur zu einer Ermäßigung führen (Nr. 1211 Nr. 1 KV GKG), nicht aber zum Wegfall der Gebühr.

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Eine Klageerweiterung, die anhängig, aber mangels Zustellung nicht rechtshängig geworden ist, erhöht daher den Streitwert für die Gerichtsgebühren.3

4267

Das OLG Düsseldorf4 lässt die Bewertung einer Klageerweiterung für den Fall offen, dass sie erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei Gericht 1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.8.2008 – 10 W 53/08, JurBüro 2009, 26 = AGS 2008, 589 – bei Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO auch die Terminsgebühr; OLG Karlsruhe, AnwBl. 1996, 290 = NJW-RR 1996, 447. 2 BGH, Beschl. v. 19.3.2009 – IX ZB 152/08, AGS 2009, 295; FamRZ 2009, 972 = NJWRR 2009, 853 = MDR 2009, 824 = FamRB 2009, 277. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.1.2009 – 24 W 87/08, AGS 2009, 127. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.1.2009 – 24 W 87/08, AGS 2009, 127.

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Nichtigkeit eines Vertrages eingereicht worden ist. Auch dann ist sie jedoch für den Gebührenstreitwert zu bewerten. Nach OLG Karlsruhe soll eine – unzulässige – Klageerweiterung nach Schluss der mündlichen Verhandlung dagegen keine Auswirkungen auf den Streitwert haben, wenn das Gericht von einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung absieht. Das soll auch dann gelten, wenn das Gericht im Urteilstenor die Klageerweiterung als unzulässig abweist.1 Das dürfte auf jeden Fall unzutreffend sein. Wenn das Gericht auch noch entscheidet, muss immer bewertet werden, weil dann die Klageerweiterung Streitgegenstand i.S. des § 3 GKG geworden ist.

D. Anwaltsgebühren 4268

Bei den Anwaltsgebühren verhält es sich anders. Der Anwalt kann seine Gebühren im gerichtlichen Verfahren auch aus nicht anhängigen Gegenständen erhalten, da es für ihn nicht auf den Streitgegenstand ankommt, sondern auf den Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit. Soweit der Gegenstand anhängig, aber nicht rechtshängig geworden ist, gilt über § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG das Gleiche wie für die Gerichtsgebühren. Soweit der Gegenstand nicht anhängig geworden ist, können dennoch Anwaltsgebühren ausgelöst werden.2

Nichtigkeit eines Vertrages A. Allgemeines 4269

Auch bei Streitigkeiten über die (Un-)Wirksamkeit eines von den Parteien geschlossenen Vertrages kommt es für den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert maßgeblich auf das klägerische Interesse an. Grundsätzlich ist das gleich bedeutend mit dem Wunsch, vom Vertrag loszukommen.3 Bei der Bewertung ist jedoch nicht abstrakt auf die Motivlage des Klägers, sondern auf seinen Klageantrag abzustellen. Hier ist wie folgt zu unterscheiden:

B. Freistellung von einer vertraglich vereinbarten Leistung 4270

Verlangt der Kläger von dem Vertragspartner, ihn von der Erbringung einer vertraglich vereinbarten Leistung, beispielsweise der Kaufpreiszahlung oder Lieferung der Kaufsache freizustellen, handelt es sich konstruktiv um eine negative Feststellungsklage. Dem Kläger ist – hier – nicht an der Erfüllung der ihn treffenden Verpflichtung durch einen Dritten interessiert, sondern sein 1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.2.2006 – 15 W 72/05, AGS 2007, 579 m. abl. Anm. E. Schneider. 2 AG Siegburg, Beschl. v. 25.3.2008 – 107 C 120/07, AGS 2008, 361. 3 S. dazu den Fall des OLG Bamberg, Beschl. v. 27.7.1990 – 8 W 17/90, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1010 mit Anm. E. Schneider = JurBüro 1990, 1659.

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Nichtigkeit eines Vertrages Klageantrag zielt auf die Feststellung, nicht zur Vertragserfüllung verpflichtet zu sein. Der Wert der negativen Feststellungsklage bestimmt sich gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) ohne Abschlag nach dem Betrag der Hauptforderung, auf die Kläger in Anspruch genommen wird.1

C. Rückabwicklung bereits erbrachter Leistungen Wird auf Rückzahlung einer bereits geleisteten Vergütung oder Herausgabe (und Rückübereignung) eines schon gelieferten Gegenstandes geklagt, bestimmt sich der Streitwert gem. §§ 3, 6 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) nach dem Zahlbetrag bzw. dem Wert der Sache. Streitgegenstand und Streitwert sind identisch.2 Einem zugleich gestellten Antrages auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages, ist – wirtschaftlich betrachtet – dasselbe Ziel gerichtet und wertmäßig nicht gesondert zu berücksichtigen.

4271

D. Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages Ist die Klage auf Feststellung gerichtet, dass der zwischen den Parteien geschlossen Vertrag unwirksam bzw. nichtig sei, besteht über die Bewertung Uneinigkeit. Während einerseits auf den „Wert des Vertragsverhältnisses“3 abgestellt wird, soll nach anderer Auffassung der Vermögensunterschied vor und nach Rückgängigmachung des Vertrages4 bzw. der Saldo der mit der Vertragsdurchführung verbundenen Vor- und Nachteile maßgeblich sein.5

4272

Beide Ansätze überzeugen nicht. Ein objektiver „Wert des Vertragsverhältnisses“ existiert schon deswegen nicht, weil Leistung und Gegenleistung sich wertmäßig nicht notwendigerweise entsprechen.6 So beispielsweise, wenn eine nach Irrtumsanfechtung erhobene Klage auf Feststellungsklage der Vertragsnichtigkeit darauf zielt, eine Kaufsache nicht übereignen zu müssen, deren Wert deutlich über dem vereinbarten Kaufpreis liegt.7 Auch eine Saldierung der vermögensrechtlichen Folgen bei Durchführung und Abstandnahme von der Vertragserfüllung bzw. der Vor- und Nachteile bei Vertragserfüllung repräsentiert nicht das klägerische Interesse. Denn es ist wenig nachvollziehbar, warum – abweichend zur Leistungsklage (s. hierzu unter dem Stichwort

4273

1 BGH, Beschl. v. 15.11.1994 – XI ZR 174/94, MDR 1995, 196 = NJW-RR 1995, 362; WM 1990, 616; OLG Düsseldorf, FamRZ 1994, 57; OLG Hamm, JurBüro 2003, 537; OLG Köln, Beschl. v. 15.5.1985 – 2 U 37/85, MDR 1985, 769; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“ Rn. 1; Musielak/Heinrich, § 3 Rn. 27. 2 KG, Rpfleger 1962, 153; OLG Celle, Urt. v. 23.11.1983 – 3 U 42/83, VersR 1985, 397; OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.9.1995 – 5 W 150/95, MDR 1996, 101. 3 So OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.9.1995 – 5 W 150/95, MDR 1996, 101 – Feststellung der Nichtigkeit wegen Geschäftsunfähigkeit. 4 OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 162; OLG Düsseldorf, JurBüro 1967, 161; aufgegeben durch Beschl. v. 11.3.1981 – 9 W 34/81, vgl. JurBüro 1994, 494; LG Wiesbaden, JurBüro 1979, 1670; Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts, § 26 Anm. L., S. 118. 5 So RG, Gruchot Bd. 49, 1005; OLG Braunschweig, Beschl. v. 2.11.1982 – 2 W 113/83, JurBüro 1983, 434 mit Anm. Mümmler; OLG München, OLGE 29, 222. 6 Vgl. etwa OLG Celle, Urt. v. 23.11.1983 – 3 U 42/83, VersR 1985, 397. 7 Unzutreffend daher OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.9.1995 – 5 W 150/95, MDR 1996, 101, dass zur Vereinfachung auf den Kaufpreis abstellt.

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Nichtigkeit eines Vertrages „Gegenleistung“) – die mit der Vertragsdurchführung verbundene Gegenleistung einen Einfluss auf die Bewertung haben soll. Abgesehen davon, dass bei diesem Ansatz ein kostenrechtlich unbrauchbarer Nullwert nicht ausgeschlossen werden kann. 4274

Entscheidend ist vielmehr auch hier der Wert der Leistung, von der der Kläger bei Unwirksamkeit des Vertrages freigestellt werden will1 oder die im Falle schon erbrachter Leistung an ihn zurückzugewähren ist.2

4275

Hierbei ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten, d.h. beschränkt sich die Auseinandersetzung um die Wirksamkeit des Vertrages auf einen Teilbetrag der dem Kläger obliegenden Leistung, dann ist nur dieser maßgebend. So liegt es etwa bei einem Streit über die Nichtigkeit eines notariellen Grundstückskaufvertrages wegen Vereinbarung eines Schwarzpreises. Der Streit und damit dessen Wert beschränkt sich (wirtschaftlich) auf die Differenz von beurkundetem zu angeblich vereinbartem Kaufpreis.3 Ebenso erscheint es sachgerecht, bei einem Streit über die Nichtigkeit eines Ratenkreditvertrages (§ 138 BGB) für die Bewertung allein auf die Summe der Kreditzinsen abzustellen.4

4276

Da mit der Klage zugleich eine (negative) Entscheidung über den Bestand etwaiger vertraglicher Verpflichtungen angestrebt wird, kommt der bei der positiven Feststellungsklage übliche prozentuale Abschlag nicht in Betracht.5

4277

Will der Kläger den mit der Feststellungsklage gegenüber konkreten Rückabwicklungsanträgen regelmäßig höheren Streitwert vermeiden, muss er eben einen anderen Klageantrag stellen. Er kann beispielsweise lediglich Ersatz der unnütz gezahlten Grunderwerbsteuer oder der Beurkundungskosten verlangen. Dann ist der Streitwert gleich der Bezifferung, obschon die Frage der Vertragsnichtigkeit inzidenter voll überprüft wird. Diese Lösung wird auch den Interessen des Beklagten gerecht, der dann die Möglichkeit hat, durch Feststellungswiderklage nach § 256 Abs. 2 ZPO das Gesamtinteresse zur Entscheidung zu stellen.6 1 OLG Bamberg, Beschl. v. 27.7.1990 – 8 W 17/90, JurBüro 1990, 1659; OLG Celle, Beschl. v. 18.10.1983 – 4 W 29/83, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 666 = Nds.Rpfl. 1984, 14; OLG Düsseldorf, JurBüro 1994, 494 = AnwBl. 1994, 47; OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.6.1999 – 21 W 24/99, NJW-RR 2000, 587; OLG Koblenz, NJW 1953, 1918; OLG München, Beschl. v. 20.3.1984 – 24 W 48/84, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 706 = JurBüro 1984, 1235 mit Anm. E. Schneider; OLG Oldenburg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1218; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.9.1978 – 1 W 20/78, JurBüro 1978, 1718 = AnwBl. 1978, 467; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Feststellungsklage“ Rn. 8. 2 OLG Bamberg, JurBüro 1985, 1703; OLG Bremen, Beschl. v. 14.8.1979 – 2 W 52/79, JurBüro 1979, 1705; OLG Celle, Beschl. v. 18.6.1984 – 16 W 32/84, AnwBl. 1984, 448; OLG Koblenz, NJW 1952, 1918; OLG München, JurBüro 1984, 1235. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.2.1982 – 22 W 12/82, AnwBl. 1982, 247. 4 OLG Hamburg, JurBüro 1988, 1060; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.11.2009 – I-24 U 57/09, MDR 2010, 715 – Zinsdifferenz für Streit über Abschluss eines Darlehensvertrages. 5 OLG Celle, Beschl. v. 18.6.1984 – 16 W 32/84, AnwBl. 1984, 448; Urt. v. 23.11.1983 – 3 U 42/83, VersR 1985, 397; OLG Hamm, Beschl. v. 9.11.2002 – 21 U 115/02, AnwBl. 2003, 597; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Feststellungsklage“ Rn. 8; a.A. noch 11. Auflage. 6 S. E. Schneider in Anm. zu OLG Bremen, Beschl. v. 14.8.1979 – 2 W 52/79, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 450.

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Nichtigkeitsklage

E. Mehrere Ansprüche Begehrt der Kläger neben dem Rückerhalt der von ihm bereits errbachten Vertragsleistung die Feststellung, dass der Vertrag unwirksam ist, sind beide Anträge – wirtschaftlich betrachtet – auf dasselbe Ziel gerichtet und der Feststellungsantrag wertmäßig nicht gesondert zu berücksichtigen.

4278

Ebenso rechtfertigt der neben der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages gestellte Antrag auf Verurteilung zur Abgabe der Löschungsbewilligung für eine Auflassungsvormerkung keine Zusammenrechnung. Die Verpflichtung zur Erteilung der Löschungsbewilligung ist eine selbstverständliche Folge der Vertragsnichtigkeit.1 Dass die Löschungsbewilligung eine zusätzliche Willenserklärung erfordert und diese nicht durch die Nichtigkeitsverurteilung ersetzt wird, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Vielmehr handelt es sich um einen gegenüber der Verpflichtung zur Rückabwicklung nachbereitenden und damit wirtschaftlich identischen Zusatzantrag.

Nichtigkeitsklage Mit der gesellschaftsrechtlichen Anfechtungsklage und der Nichtigkeitsklage wird die Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen geltend gemacht.2 Nach der h.M. ist die Anfechtungsklage Gestaltungsklage, die Nichtigkeitsklage Feststellungsklage.3 Die Nichtigkeitsklage kann nach § 249 AktG von einem Aktionär, dem Vorstand sowie einem Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats erhoben werden. Die Klage ist gegen die Gesellschaft zu richten (§§ 249 Abs. 1 Satz 1, 246 Abs. 2 AktG).

4279

Der Streitwert der Nichtigkeitsklage ist nach § 247 Abs. 1 AktG bzw. § 3 ZPO unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls und des wirtschaftlichen und gesellschaftsrechtlichen Interesses des Gesellschafters an der Gültigkeit des angefochtenen Beschlusses nach billigem Ermessen zu bestimmen.4

4280

Abweichend von der üblichen Bestimmung des Streitwertes nach dem Interesse des Klägers bzw. Antragstellers ist nach § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG die Bedeutung der Sache für die Parteien, also auch für den Antraggegner, zu berücksichtigen.

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Der Streitwert darf ein Zehntel des Grundkapitals bzw. maximal 500.000 Euro nur dann übersteigen, wenn das Interesse des Klägers höher zu bewerten ist. Darüber hinaus besteht nach § 247 Abs. 2 AktG die Möglichkeit der Streitwertbegünstigung.5

4282

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.2.1982 – 22 W 12/82, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 582 = AnwBl. 1982, 247; a.A. noch 11. Auflage. 2 Vgl. BGH, Urt. v. 22.7.2002 – II ZR 286/01, MDR 2003, 38. 3 A.A. K. Schmidt, JZ 1977, 769 ff. m.w.N. 4 BGH, Beschl. v. 11.7.1994 – II ZR 58/94, NJW-RR 1995, 225. 5 Vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen“.

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Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit

Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit Literatur: Schack, Die nichtvermögensrechtliche Streitigkeit, MDR 1984, 456. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . 4283 B. Gebührenstreitwert I. Anzuwendende Vorschriften . . 4296 II. Bewertungsumstände . . . . . . 4300 1. Umfang der Sache . . . . . . . . 4301

Rn. 2. Bedeutung der Sache . . . . . . 4304 3. Vermögens- und Einkommensverhältnisse . . . . . . . . . . . 4307 4. Einzelfälle . . . . . . . . . . . . 4310 C. Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert . . . . . . . . . . . 4315

Stichwortübersicht Rn. Ablehnung von Richtern und Sachverständigen . . . . . . . . . . . . 4285 Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . 4286 Anfechtung einer Delegiertenwahl . 4318 Anspruchshäufung . . . . . . . . . 4299 Arbeitsrechtliche Streitigkeiten . . 4293 Auflösung eines Partei-Landesverbands . . . . . . . . . . . . . . . . 4285 Ausschluss aus Verein . . . . 4285, 4313 Bedeutung der Sache . . . . . . . . 4303 Beisetzung in bestimmter Grabstätte . . . . . . . . . . . . . . . . 4285 Ehrverletzung . . . . . . 4287, 4295, 4311 Einsicht in Personalakten . . . . . . 4285 Einstweilige Verfügung . . . . 4298, 4312 Gewerkschaften . . . . . . . . . . . 4290 Herabsetzung unter Regelwert . . . 4302

Herausgabe eines Tagebuches . . . Idealverein . . . . . . . . . . . . . . Klagerücknahme . . . . . . . . . . . Recht am eigenen Bild . . . . . . . Regelstreitwert . . . . . . . . . . . . Stiftung, Satzungsänderung . . . . . Umbettung einer Leiche . . . . . . Unterlassung von kreditgefährdenden Behauptungen . . . . . . . . Verfassungsbeschwerde . . . . . . . Vermögens- und Einkommensverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . Vorbeugende Unterlassungsklagen wegen Ehrverletzung . . . . . . . Zeugnisverweigerung, Zwischenstreit darüber . . . . . . . . . . .

Rn. 4285 4291 4303 4285 4297 4291 4285 4289 4292 4307 4285 4285

A. Einleitung 4283

Die einer Streitwertbestimmung im Bereich des § 48 Abs. 2 GKG stets vorgelagerte Frage betrifft die Abgrenzung der nichtvermögensrechtlichen von der vermögensrechtlichen Streitigkeit. Ausschlaggebend für die Abgrenzung und damit auch für die Wertbestimmung ist die Rechtsnatur des Anspruches, den der Kläger geltend macht.1

4284

– Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten sind solche, die nicht auf Geld oder Geldeswert gerichtet sind und nicht aus vermögensrechtlichen Verhältnissen entspringen.2 – Vermögensrechtliche Streitigkeiten sind solche, bei denen die Ansprüche auf Geld oder eine geldwerte Leistung gerichtet sind, gleichgültig, ob sie aus einem vermögensrechtlichen oder nichtvermögensrechtlichen Grundverhältnis entspringen.

1 BGH, JZ 1982, 512. 2 RGZ 144, 159; LAG München, Beschl. v. 21.2.2003 – 8 Ta 61/02, JurBüro 2004, 85.

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Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit Nichtvermögensrechtliche Ansprüche sind in erster Linie Angelegenheiten in Personenstands- und Familienrechtssachen. Als nichtvermögensrechtlich sind beispielsweise angesehen worden: – die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen,1 – die Umbettung einer Leiche,2 – die Beisetzung in einer bestimmten Grabstätte,3 – der Ausschluss aus einem Verein,4 – die Erteilung eines Hausverbots gegen den Vorstand einer rechtsextremistischen Partei,5 – ein einstweiliges Verfügungsverfahren nach dem Gewaltschutzgesetz,6 – die Herausgabe eines Tagebuches oder die Unterlassung der Verletzung des Rechts am eigenen Bild,7 – die Unterlassung belästigender Telefonanrufe,8 – der Anspruch auf Einsicht in Personalakten, die bei einer privatrechtlich organisierten Begabtenförderungsstelle für einen Stipendiaten geführt werden,9 – die Auflösung des Landesverbandes einer politischen Partei oder die Anfechtung einer parteiinternen Delegiertenwahl,10 – der Zwischenstreit wegen Zeugnisverweigerung11 – die Ablehnung von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen12 (streitig). Bei der Abgrenzung kann jedoch nicht nur auf die Art des betroffenen Rechtsverhältnisses abgestellt werden. Vielmehr kommt es auch darauf an, welcher Klageantrag (z.B. Zahlung von Geld oder einer geldwerten Leistung) im Einzelfall verfolgt wird.13 Gerade im Bereich der Ehrverletzungen ist bei der Frage der Abgrenzung von vermögensrechtlichen und nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten zu differenzieren: 1 2 3 4 5 6 7 8 9

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BayObLG, Beschl. v. 8.9.1998 – 1 Z BR 16/98, NJW-RR 1999, 1375. RGZ 108, 219. RG, HHR 1931, 138; RG, JR 1926 Nr. 792. OLG Köln, MDR 1984, 153; OLG Koblenz, JurBüro 1990, 1034. LG Frankfurt/Oder, Urt. v. 22.6.2010 – 12 O 17/10, juris. LG Verden, Beschl. v. 8.1.2008 – 1 T 449/07, AGS 2008, 253. KG, JurBüro 1969, 1190; BGH, Urt. v. 17.10.1995 – VI ZR 352/94, NJW 1996, 999. BGH, VersR 1985, 185. OLG Köln, JurBüro 1980, 578 = KostRsp. GKG § 12 Nr. 30 mit Anm. Schneider. Vermögensrechtlich ist dagegen der Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte, vgl. LAG Hamm, MDR 1984, 877. KG, JurBüro 1970, 309; KG, Beschl. v. 24.9.1984 – 13 W 4000/84, KostRsp. GKG § 12 Nr. 88. BayObLG, Beschl. v. 21.8.1986 – BReg. 1 Z 34/86, FamRZ 1986, 1237 = BayObLGZ 1986 Nr. 61. Vgl. zum Streitstand: BGH, Beschl. v. 15.12.2003 – II ZB 32/03, AGS 2004, 159; BGH, NJW 1968, 796; OLG München, Beschl. v. 28.5.2010 – 5 W 1403/10, AGS 2010, 403; OLG Nürnberg, AnwBl. 1983, 516; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.12.2003 – 5 W 48/03, AGS 2004, 392 mit Anm. Madert; OLG Bamberg, BauR 2000, 773; OLG Koblenz, NJW-RR 198, 1222; OLG Köln, KostRsp. GKG § 12 Nr. 115 mit Anm. Schneider = Rpfleger 1987, 166; ausführlich hierzu unter dem Stichwort „Ablehnung von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen“. LAG München, Beschl. v. 21.2.2003 – 8 Ta 61/02, JurBüro 2004, 85.

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Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit Vorbeugende Unterlassungsklagen aus Rechtsbeziehungen, die den sozialen Geltungsanspruch des Klägers in der Öffentlichkeit vor drohenden Beeinträchtigungen schützen sollen, sind grundsätzlich nichtvermögensrechtlicher Natur, sofern sich nicht aus der Klage ergibt oder offenkundig ist, dass in wesentlicher Weise wirtschaftliche Belange gesichert werden sollen.1

* Æ Beispiel: Der Kläger sieht sich durch einzelne Textstellen in einem Buch in seiner Ehre verletzt, ohne dass ihm Vermögensnachteile drohten. Dies wurde als nichtvermögensrechtliche Streitigkeit eingestuft.2

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Andererseits ist ein Widerrufsanspruch im Hinblick auf ehrverletzende Behauptungen vermögensrechtlicher Natur, wenn er allein oder auch aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt.3 Darüber hinaus kann ein Rechtsstreit nach dem Inhalt des Klageanspruchs auch dann vermögensrechtlicher Natur sein, wenn es dem Kläger nach dem Klagevortrag nur um die Verteidigung seiner Ehre geht.4

4289

Vermögensrechtlich ist auch der Anspruch auf Unterlassung von kreditgefährdenden Behauptungen, da er die Abwehr eines drohenden Vermögensschadens bezweckt.5 Andererseits ist ein Unterlassungsanspruch, der den sozialen Geltungsanspruch in der Öffentlichkeit schützen soll, nicht schon deshalb vermögensrechtlicher Natur, weil es um die Berufsehre eines Journalisten geht, der mit öffentlichkeitswirksamer Arbeit Geld verdient.6

4290

Wenn in der Auseinandersetzung zweier konkurrierender Gewerkschaften die eine von der anderen die Unterlassung bestimmter Äußerungen begehrt, handelt es sich um einen nichtvermögensrechtlichen Streit, soweit die Untersagung nur nach §§ 823, 1004 BGB i.V.m. §§ 185, 186 StGB begehrt wird. Ist daneben aber eine Verletzung des § 824 BGB schlüssig behauptet, so wird neben dem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch i.S. des § 48 Abs. 3 GKG geltend gemacht.7

4291

Eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit liegt auch vor, wenn gegen einen Idealverein auf Feststellung geklagt wird, dass sein Vorstand nicht rechtmäßig gewählt worden sei.8 Dagegen ist der Streit über eine Satzungsänderung einer Stiftung bezüglich des Verfahrens der Benennung von Kuratoriumsmitgliedern vermögensrechtlicher Natur.9

4292

Das BVerfG10 hat eine Verfassungsbeschwerde als nichtvermögensrechtlich bewertet, weil mit ihr die Verletzung von Grundrechten gerügt wurde. 1 BGH, Urt. v. 17.10.1995 – VI ZR 352/94, NJW 1996, 999 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 3.4.1984 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43. 2 BGH, VersR 1983, 832; BGH, Beschl. v. 3.4.1984 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43; BGH, VersR 1991, 202; BGH, VersR 1991, 792; LAG Hamm, AnwBl. 1984, 156. 3 BGH, Beschl. v. 3.4.1984 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43. 4 BGH, Beschl. v. 16.12.1980 – VI ZR 308/79, MDR 1981, 486 – das Verfahren betraf den Anspruch auf Unterlassung u.a. der Behauptung, das Buch „Das Tagebuch der Anne Frank“ sei eine Fälschung. Der Senat hat im Hinblick auf die Einordnung als vermögensrechtliche Streitigkeit gewürdigt, dass nicht nur die Ehre des Klägers, sondern auch sein Interesse an der wirtschaftlichen Auswertung des Buches betroffen seien. 5 OLG Frankfurt, KostRsp. GKG a.F. § 18 Nr. 5. 6 BGH, KostRsp. GKG § 14 Nr. 36 = NJW-RR 1990, 1276. 7 OLG Frankfurt, JurBüro 1969, 538 zu § 12 GKG a.F. 8 KG, JurBüro 1969, 1193. 9 OLG Hamm, Beschl. v. 30.6.1993 – 8 W 48/92, OLGZ 1994, 96 = ZIP 1993, 1384. 10 BVerfG, JurBüro 1954, 411.

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Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit Auch in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten wird die Unterscheidung häufig praktisch. Als nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten sind in diesem Bereich beispielsweise angesehen worden: – der Anspruch des Betriebsrats auf Untersagung des Einsatzes von Arbeitnehmern aus Fremdfirmen,1 – der Anspruch auf Untersagung der Behauptung, dass der Arbeitnehmer für Inventurverluste verantwortlich sei,2 – der Streit über die Verkürzung der Arbeitszeit.3

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Um eine vermögensrechtliche Angelegenheit handelt es sich dagegen bei dem Streit darüber, ob der Arbeitnehmer berechtigt ist, bestimmte ihm zugewiesene Arbeiten zu verweigern4 und bei dem Streit um den Anspruch des Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung.5

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Begehrt ein Verfügungskläger die künftige Unterlassung bestimmter Äußerungen, durch die er nicht nur seine Ehre und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt sieht, sondern durch die er auch seinen Arbeitsplatz zu verlieren fürchtet, macht er damit einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch (Schutz der Ehre und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts) sowie einen vermögensrechtlichen Anspruch (Bestand des Arbeitsverhältnisses) geltend. Bei der Festsetzung des Gegenstandswertes kommt in einem solchen Fall neben § 48 Abs. 2 GKG für den nichtvermögensrechtlichen Teil nach § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO für den vermögensrechtlichen Teil ein eigener Wert in Betracht, wobei nach § 48 Abs. 4 GKG nur der höhere Anspruch maßgebend ist.6

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B. Gebührenstreitwert I. Anzuwendende Vorschriften Die Bestimmung des Gebührenstreitwertes für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten ist in § 48 Abs. 2 GKG geregelt. Der Wert ist danach unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien zu bestimmen. Jedoch darf der Wert nicht über eine Mio. Euro angenommen werden.

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Einen Regelstreitwert für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten wie früher in § 14 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. gibt es heute nicht mehr. Das LAG Hamm7 hat sich in einer früheren Entscheidung für eine Anlehnung an den in § 12 Abs. 2 Satz 3 GKG a.F. bzw. § 8 Abs. 2 BRAGO genannten Wert von 4.000 Euro aus-

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1 LAG Bremen, KostRsp. ArbGG § 12 Nr. 76. 2 LAG Hamm, AnwBl. 1984, 156 = KostRsp. GKG § 20 Nr. 64, jedoch entgegen BAG, AP GKG a. F § 11 Nr. 1; BGB § 611 – Beschäftigungspflicht – Nr. 2, 4. 3 LAG München, Beschl. v. 21.2.2003 – 8 Ta 61/02, JurBüro 2004, 85 – das LAG hat die Festsetzung des Streitwertes auf einen Monatslohn nicht beanstandet, auch wenn es diese Bewertung wohl selbst so nicht vorgenommen hätte. 4 BAG, KostRsp. ArbGG § 12 Nr. 208 = DB 1990, 640. 5 LAG Hamm, MDR 1980, 347 = BB 1980, 212. 6 LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 10.9.2007 – 1 Ta 209/07, juris. 7 LAG Hamm, MDR 1980, 613 = AnwBl. 1981, 38 = KostRsp. GKG § 12 Nr. 31 mit zust. Anm. Schneider; ebenso: LG Bochum, Beschl. v. 6.6.2007 – 10 T 28/07, juris.

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Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit gesprochen, der im Regelfall nicht unterschritten werden sollte. Da sich aber der Gesetzgeber in § 48 Abs. 2 GKG eben nicht auf einen bestimmten Regelwert festgelegt hat, erscheint die umgekehrte Vorgehensweise vorzugswürdig: Zunächst sind die Umstände des Einzelfalls i.S. von § 48 Abs. 2 GKG zu bewerten. Nur in den Fällen, in denen jeder Anhaltspunkt für eine Schätzung fehlt, kann man sich an den Werten von § 52 Abs. 2 GKG (5.000 Euro) bzw. § 23 Abs. 3 RVG (4.000 Euro) orientieren. 4298

In nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten ist der Streitwert für eine einstweilige Verfügung nach § 3 ZPO, § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG zu schätzen.1 Es gelten die üblichen Bewertungsgrundsätze (Bruchteil des Hauptsacheverfahrens bzw. in Ausnahmefällen voller Hauptsachewert2).

4299

Die Fälle der Anspruchshäufung sind wie folgt zu bewerten: – Macht der Kläger mehrere nichtvermögensrechtliche Ansprüche geltend, sind die einzelnen Werte zu bestimmen und dann gem. § 5 ZPO zu addieren. – Gleiches gilt, wenn der Kläger neben einem vermögensrechtlichen Anspruch einen davon unabhängigen nichtvermögensrechtlichen Anspruch geltend macht, z.B. bei einer Klage auf Übertragung der Personensorge, in der auch ein Anspruch auf Unterhaltszahlung geltend gemacht wird.3 – Wird dagegen ein nichtvermögensrechtlicher Anspruch mit einem aus ihm abgeleiteten vermögensrechtlichen Anspruch geltend gemacht, so greift § 48 Abs. 4 GKG ein. In diesem Fall – beispielsweise einer Klage auf Unterlassung ehrenrühriger Behauptungen und Anspruch auf Schmerzensgeld4 – ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.

II. Bewertungsumstände 4300

Gem. § 48 Abs. 2 GKG ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. 1. Umfang der Sache

4301

Da es im Rahmen von § 48 Abs. 2 GKG primär um die Bestimmung der Gerichtsgebühren geht, ist der Umfang der Sache aus Sicht des Gerichts zu bewerten.5 Hier können Umstände wie Umfang der Akten und ggf. Beiakten, Zahl und Umfang der erforderlichen Termine sowie der Schwierigkeitsgrad der Sache in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht6 eine Rolle spielen.

4302

Entscheidend für die Beurteilung, ob der Umfang und die Bedeutung der Sache eine Herabsetzung des Streitwerts rechtfertigen kann, soll nach dem OLG 1 2 3 4 5

OLG Frankfurt, AnwBl. 1983, 89 = KostRsp. GKG § 20 Nr. 55; KG, JurBüro 1967, 806. Vgl. das Stichwort „Einstweilige Verfügung“. OLG Saarbrücken, NJW 1975, 1791; OLG Schleswig, JurBüro 1977, 836. OLG Köln, JMBl.NW 1976, 71 = VersR 1976, 740; OLG Köln, JurBüro 1994, 491. OLG Bamberg, JurBüro 1977, 1590; OLG Celle, JurBüro 1976, 797; OLG Düsseldorf, AnwBl. 1986, 250. 6 OLG Hamm, JurBüro 1994, 364; OLG Zweibrücken, JurBüro 1984, 899; OLG Koblenz, JurBüro 1975, 1092.

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Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit Schleswig1 der Zeitpunkt der Klageerhebung sein. Das erscheint jedoch problematisch, da sich zumindest der Umfang der Sache erst später erkennen lässt. Da gerade im Bereich der nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten mangels Wertangabe im Regelfall mit einer vorläufigen Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 1 GKG gearbeitet werden muss, können die im Laufe des Verfahrens festgestellten Umstände zum Umfang der Sache dann bei der endgültigen Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG berücksichtigt werden. Bei der Klagerücknahme ist darauf abzustellen, welchen Umfang die Sache im Falle ihrer Durchführung nach dem im Zeitpunkt der Rücknahme gegebenen Sach- und Streitgegenstand angenommen hätte.2

4303

2. Bedeutung der Sache Die Streitwertbemessung hat bei der Frage der Bedeutung der Sache nur an die Bedeutung der gerichtlichen Entscheidung anzuknüpfen. Denn nur dies entspricht dem im Klageantrag zum Ausdruck gekommenen Interesse. Die Frage, ob sich aus der gerichtlichen Entscheidung Folgewirkungen – etwa in wirtschaftlicher Hinsicht – ergeben, kann allenfalls insofern noch beachtlich sein, als sie Erkenntniswert für Bedeutung der Entscheidung hat.

4304

Ob das Verfahren dagegen allgemeines Interesse erregt oder für andere Streitigkeiten vorgreiflich ist, spielt bei der Bestimmung des Streitwertes keine Rolle. Keine Partei kann verpflichtet werden, über eine Streitwerterhöhung mit ihrem Geld die Befriedigung des Allgemeininteresses oder die Entbehrlichkeit einer gerichtlichen Auseinandersetzung wegen anderer Streitigkeiten zu finanzieren.

4305

Der Begriff „Bedeutung der Sache“ ist also dahingehend auszulegen, dass er diejenige Bedeutung umfasst, die der Rechtsstreit ausweislich des Klageantrages für den Kläger hat. Das Interesse des Beklagten oder der Allgemeinheit ist nicht wertbestimmend.3

4306

3. Vermögens- und Einkommensverhältnisse Bei Bewertung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, die vom Gericht im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens herangezogen werden können, ist problematisch, inwiefern das Gericht eigene Ermittlungen anstellen muss.

4307

Das OLG München4 hat auf die Streitwertfestsetzung das Beweislastprinzip angewandt mit der Folge, dass das Gericht an die Parteiangaben zu den Vermögensverhältnissen grundsätzlich gebunden ist und keine eigenen Recherchen anzustellen hat. Noch weiter ist das OLG Köln5 gegangen, das die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien lediglich für Streitigkeiten in Familiensachen als Bewertungsumstand akzeptiert hat, nicht jedoch für sonstige nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten. Dem kann in dieser All-

4308

1 2 3 4 5

OLG Schleswig, NJW 1958, 1733. KG, JurBüro 1973, 53. OLG Köln, JurBüro 1980, 577. OLG München, JurBüro 1979, 1543. OLG Köln, JurBüro 1980, 577.

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Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit gemeinheit allerdings nicht zugestimmt werden: Der Gesetzgeber hat in § 48 Abs. 2 GKG die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien ausdrücklich als einen Umstand aufgeführt, der bei der Wertbestimmung berücksichtigt werden soll. Es mag zutreffen, dass dieses Kriterium bei bestimmten nichtsvermögensrechtlichen Streitigkeiten ungeeignet ist, um das Interesse der Parteien sachgerecht zu erfassen – beispielsweise spielen bei einem Streit um die Umbettung einer Leiche oder die Beisetzung in einer bestimmten Grabstätte die Vermögensverhältnisse von Kläger und Beklagten sicherlich keine Rolle. Dies sollte jedoch immer eine Frage des Einzelfalls bleiben. 4309

Der Streitwert kann bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten nur für beide Parteien einheitlich festgesetzt und deshalb nicht durch die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse lediglich einer Partei beeinflusst werden.1 4. Einzelfälle

4310

Den Anspruch auf Unterlassung der Behauptung, ein Anwalt habe Mandantengelder i.H.v. (umgerechnet) 6.000 Euro veruntreut, hat das OLG Schleswig2 mit (umgerechnet) 10.000 Euro bemessen.

4311

Das LG Oldenburg bewertet eine ehrenschutzrechtliche Unterlassungsklage im Regelfall mit (umgerechnet) 3.000 Euro und eine Klage auf Widerruf einer ehrverletzenden Behauptung mit (umgerechnet) 4.500 Euro.3

4312

Das OLG Köln4 hat in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung den erstinstanzlich mit (umgerechnet) 50.000 Euro angesetzten Streit über eine verbale Auseinandersetzung in einer Kneipe auf (umgerechnet) 1.500 Euro herabgesetzt.

4313

Den Streit über die Wirksamkeit des Ausschlusses aus einem Verein hat das OLG Köln5 mit (umgerechnet) 500 Euro, das OLG Koblenz6 mit (umgerechnet) 2.000 Euro bewertet.7 Die immer wieder zu beobachtenden hohen Wertansätze bei belanglosen Vereinsstreitigkeiten mögen sich teilweise dadurch erklären, dass die Gerichte auf diese Weise die Kostenlast vergrößern, um die Betroffenen davon abzuhalten, ihre Querelen in einem Zivilprozess auszutragen.

4314

Bei einer Klage wegen Anfechtung einer Delegiertenwahl hat das KG8 den vom Landgericht angenommenen Streitwert i.H.v. (umgerechnet) 10.000 Euro im Beschwerdeverfahren auf (umgerechnet) 2.000 Euro herabgesetzt.

C. Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert 4315

Die Streitwerte zur Bestimmung der Zuständigkeit (§§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG) und zur Zulässigkeit der Berufung (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) werden bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten gem. § 3 ZPO bestimmt. Bei dieser 1 2 3 4 5 6 7 8

OVG Münster, DÖV 1957, 483. OLG Schleswig, Beschl. v. 25.1.2002 – 1 W 3/02, JurBüro 2002, 316. LG Oldenburg, Beschl. v. 6.3.1995 – 5 T 1310/94, JurBüro 1995, 369. OLG Köln, KostRsp. GKG a.F. § 14 C Nr. 69. OLG Köln, MDR 1984, 153 = KostRsp. GKG § 12 Nr. 67 – Eilverfahren. OLG Koblenz, KostRsp. GKG § 12 Nr. 139 = JurBüro 1990, 1034 – Idealverein. Vgl. dazu bei dem Stichwort „Ausschließung“. KG, KostRsp. GKG § 12 Nr. 88 mit Anm. Schneider.

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Nießbrauch Schätzung kann auf die oben dargestellten Grundsätze zurückgegriffen werden.

Nichtzulassungsbeschwerde Nach § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO findet die Revision nur statt, wenn sie durch das Berufungsgericht im Berufungsurteil zugelassen wurde. Unterbleibt eine solche Zulassung, kann die Partei den Zugang zum Revisionsverfahren durch die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) erwirken.

4316

Der Gebührenstreitwert der Nichtzulassungsbeschwerde richtet sich gem. § 47 Abs. 3 2. Alt. GKG nach dem Streitwert, der für das Rechtsmittelverfahren maßgeblich ist. Hinsichtlich der Einzelheiten kann daher das auf das Stichwort „Rechtsmittel“ verwiesen werden.

4317

Nießbrauch A. Einleitung Nach § 1030 Abs. 1 BGB kann eine Sache – bzw. nach § 1068 BGB ein Recht – in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzungen der Sache (des Rechts) zu ziehen. Ein solches Nutzungsrecht bezeichnet man als Nießbrauch.

4318

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Einräumung (Bestellung) Beim Nießbrauch handelt es sich um ein Recht auf fortdauernde und ununterbrochene Nutzung einer Sache oder eines Rechts, nicht um einen Anspruch auf wiederkehrende Nutzungen oder um eine Grunddienstbarkeit, sodass § 7 ZPO oder § 9 ZPO1 auf die Bestimmung des Streitwertes keine Anwendung finden können. Vielmehr wird nach heute ganz herrschender Auffassung die Klage auf Einräumung eines Nießbrauchs nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG bewertet.2

4319

Dabei stellt sich die Frage, anhand welcher Umstände das Schätzungsermessen auszuüben ist. Auszugehen ist vom jährlichen Rohertrag. Davon sind die öffentlichen Lasten und die Erhaltungskosten abzuziehen.3 Hypotheken- und Grundschuldzinsen hingegen bleiben unberücksichtigt.4

4320

1 So aber OLG Schleswig, SchlHA 1961, 329; Lappe, Anm. zu KostRsp. ZPO § 3 Nr. 852. 2 BGH, Beschl. v. 20.1.1988 – VIII ZR 225/86, NJW-RR 1988, 395 = MDR 1988, 403; OLG Celle, Rpfleger 1960, 413; OLG Bamberg, JurBüro 1975, 649; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 29.7.1986 – 7 W 40/86, JurBüro 1987, 265; OLG Celle, OLGR 1999, 330. 3 OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 217; OLG Celle, Rpfleger 1960, 413. 4 OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 217; OLG Celle, Rpfleger 1960, 413; a.A. Hillach/ Rohs, § 45 A, S. 217 u.a. unter Berufung auf OLG Frankfurt, MDR 1962, 742.

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Nießbrauch 4321

Der verbleibende Reinertrag ist in Anlehnung an die Tabelle in § 24 Abs. 2 KostO zu vervielfachen.1 Bestehen besondere persönliche Beziehungen – Ehe, frühere Ehe, Verwandtschaft, Schwägerschaft –, dann zieht OLG Bamberg2 die Vorschrift des § 24 Abs. 3 KostO als Grundlage für eine Schätzung heran.

4322

Ebenso ist § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auf die Bewertung eines Sicherungsnießbrauchs anzuwenden.3 Bei ihm darf jedoch als Richtlinie nicht die Vorschrift des § 24 Abs. 2 KostO herangezogen werden.4

II. Erfüllung 4323

Der Streitwert für die Klage auf Erfüllung der dem Nießbraucher zustehenden Ansprüche bestimmt sich nach dem Klageantrag. Es ist ebenfalls § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG anzuwenden, sofern nicht eine konkrete Leistung begehrt wird (Herausgabe, Geldzahlung), die unter § 6 ZPO fällt. Hartmann5 dagegen will § 6 ZPO ohne Einschränkung anwenden.

III. Herausgabe 4324

Ist an einem Grundstück ein Nießbrauch bestellt (vgl. § 1031 BGB), so bemisst sich der Streitwert für die Klage auf Herausgabe dieses Grundstücks an den Nießbraucher (vgl. § 1035 BGB) nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG. Er entspricht dem objektiven Verkehrswert des Grundstücks,6 wobei Belastungen in Abzug zu bringen sind.7

4325

Ist der Nießbrauch als ein einem Miet- oder Pachtverhältnis ähnliches Nutzungsverhältnis ausgestaltet und verlangt der Eigentümer das Grundstück nach Beendigung des Nutzungsverhältnisses wieder heraus, so kann auf den Gebührenstreitwert § 41 Abs. 2 GKG Anwendung finden.8

IV. Löschung 4326

Der Wert des Antrags auf Löschung eines Nießbrauchrechts ist gleich dem Wert dieses Nießbrauchrechts. Dieser ist wiederum nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.9 Dabei kann man von dem Reinertrag des Nießbrauchs abzüglich der im Laufe der voraussichtlichen Dauer anfallenden Unkosten ausgehen. 1 OLG Celle, Rpfleger 1960, 413; OLG Nürnberg, Rpfleger 1956, 298; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 29.7.1986 – 7 W 40/86, JurBüro 1987, 265. 2 OLG Bamberg, JurBüro 1975, 649. 3 OLG Frankfurt, JurBüro 1984, 1236 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 702 mit Anm. Schneider. 4 Schneider, Anm. zu KostRsp. ZPO § 3 Nr. 702. 5 Hartmann, GKG, § 48 Anh. I (§ 3 ZPO) Rn. 86. 6 BGH, NJW-RR 2001, 518; OLG Köln, MDR 2005, 299; OLG Oldenburg, MDR 1998, 1406; AG Königstein, NJW-RR 2003, 949. 7 OLG Celle, Rpfleger 1960, 413. 8 OLG Köln, Beschl. v. 11.4.1981 – 2 W 27/81, WuM 1985, 125; a.A. OLG Schleswig, SchlHA 1986, 46, das auch in diesen Fällen § 3 ZPO anwendet. 9 OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 217; OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 422; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Nießbrauch“ Rn. 2 m.w.N.; a.A. Hartmann, GKG, § 48 Anh. I (§ 3 ZPO), Rn. 86: § 6 ZPO ist anzuwenden.

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Notwegrecht Mangels anderer Anhaltspunkte bestehen keine Bedenken, die Höhe des Wertes in entsprechender Anwendung des § 9 ZPO1 oder auch des § 24 Abs. 2 KostO zu ermitteln.

4327

Der Streitwert einer Klage auf Löschung eines nicht mehr existenten Nießbrauchrechts bemisst sich gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Interesse des Klägers an einem obsiegenden Urteil. Es besteht bei der Löschung eines bloßen Buchrechtes, dem keinerlei materielle Rechtswirkung mehr zukommt, ausschließlich in der Herstellung des Übereinstimmens von Grundbuch und wahrer Rechtslage.2

4328

Notwegrecht Literatur: E. Schneider, ZMR 1976, 193 (Klagen auf Einräumung eines Notwegs).

A. Einleitung Fehlt einem Grundstück die notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg, um es ordnungsgemäß benutzen zu können, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt. Bei Einrichtung eines solches Notweges sind die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, durch eine Geldrente zu entschädigen.

4329

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Bei der Frage, wie Streitigkeiten um ein Notwegrecht zu bewerten sind, muss unterschieden werden zwischen der Einräumung eines Notwegrechts und der Zahlung einer Notwegrente.

4330

I. Einräumung eines Notwegrechts Der Streitwert für den Anspruch auf Einräumung eines Notwegrechts ist in entsprechender Anwendung des § 7 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG festzusetzen.3 Entscheidend ist der Wert, den das Notwegrecht für das herrschende Grundstück hat bzw. die höhere Wertminderung, die das dienende Grundstück durch das Notwegrecht erfährt. Der Wert für das herrschende Grundstück und die Wertminderung beim dienenden Grundstück sind also miteinander zu vergleichen. Maßgebend ist dann der höhere Wert.4 1 OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 422 = MDR 1962, 742. 2 OLG Frankfurt, JurBüro 1963, 360: Es wurden (umgerechnet) 600 Euro angenommen. 3 OLG Schleswig, Rpfleger 1957, 2; OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 163; OLG Köln, Beschl. v. 1.7.1991 – 2 W 199/91, JurBüro 1991, 1386 (mit allerdings missverständlicher oder ungenauer Begründung); LG Stuttgart, Rpfleger 1959, 393; LG Bayreuth, Beschl. v. 13.6.1988 – S 98/87, JurBüro 1988, 52. 4 OLG Jena, JurBüro 1999, 196; LG Bayreuth, Beschl. v. 13.6.1988 – S 98/87, JurBüro 1988, 52; vgl. auch BGH, MDR 2004, 296.

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Notwegrecht 4332

* Æ Anmerkung: Das LG Freiburg1 lehnt zwar bei dieser Frage die Analogie zu § 7 ZPO ab, kommt aber über die ohnehin notwendige Schätzung nach § 3 ZPO im Ergebnis zu keiner anderen Bewertung. Es gelten daher im Ergebnis die Bewertungsregeln für Grunddienstbarkeiten. Vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Grunddienstbarkeit“.

4333

Der nach § 7 ZPO maßgebliche Wert wiederum ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Hat ein Sachverständiger eine Ersatzlösung geprüft und deren voraussichtliche Kosten berechnet, so liegt das Interesse des Klägers nicht unter diesen Kosten, da er bei Verneinung eines Notwegrechts zumindest die Ausgaben für diese Ersatzlösung aufzuwenden hat.2

4334

Verfehlt ist es, wenn das OLG Frankfurt3 einfach auf den Bodenwert der Grundstücksfläche abstellt, die für das Wegerecht in Anspruch genommen werden soll. Denn es geht nicht um die Veräußerung der betreffenden Fläche, sondern um die Belastung des Eigentums. Vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Erbbaurecht“.

4335

Zuverlässigster Schätzungsanhalt für die Wertsteigerung des herrschenden Grundstückes und damit das Interesse des Klägers ist die Summe der Kosten für die Herrichtung und Unterhaltung des Notweges sowie der nach § 917 Abs. 2 Satz 1 BGB an den Nachbarn zu zahlenden Geldrente.4

4336

Wird das Wegerecht mit einer einstweiligen Verfügung beansprucht, dann ist der Wert nach § 53 GKG, § 3 ZPO zu schätzen, und zwar niedriger als der Wert der Hauptsache. Wie auch sonst (s. das Stichwort „Einstweilige Verfügung“) ist in der Regel der Hauptsachewert um 1/3 zu ermäßigen. Wiederum ist dabei aber vom Interesse des Klägers auszugehen und nicht etwa vom Wert der in Anspruch genommenen Bodenfläche.5

II. Zahlung einer Notwegrente 4337

Die Notwegrente ist nach §§ 917 Abs. 2 Satz 2, 913 Abs. 2 BGB jährlich im Voraus zu entrichten und der Dauer nach unbegrenzt. Um willkürliche Bemessungen zu vermeiden, ist der für die Streitwertberechnung maßgebende Zeitraum analog zu § 9 ZPO zu bestimmen. Danach ist der 3,5-fache Jahresbetrag maßgebend.

4338

Damit stellt sich die weitere Frage, ob die voraussichtlichen Kosten einer Ersatzlösung streitwertbegrenzend zu berücksichtigen sind. Das sollte entsprechend der ratio des § 9 Satz 2 ZPO bejaht werden. Bei bestimmter Dauer eines Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der zukünftigen Bezüge maßgebend, wenn er geringer ist als der Höchstbetrag des § 9 Satz 1 ZPO. Auf das Notwegrecht übertragen bedeutet das, dass das Interesse des Klägers an der Einräumung des Notwegrechts nicht höher sein kann als der finanzielle Aufwand für eine Ersatzlösung an Stelle des Notwegrechts.

1 2 3 4

LG Freiburg, Beschl. v. 22.2.1988 – 9 S 113/87, KostRsp. ZPO § 7 Nr. 4. RGZ 63, 100; OLG Schleswig, Rpfleger 1957, 2. OLG Frankfurt, JurBüro 1970, 435. Staudinger/Beutler, BGB, 12. Aufl. 1982, § 917 Rn. 39; LG Freiburg, Beschl. v. 22.2.1988 – 9 S 113/87, KostRsp. ZPO § 7 Nr. 4 mit Anm. Schneider. 5 Insofern unrichtig LG Braunschweig, BlGBW 1969, 138.

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Nutzungen Für die Bewertung von Notwegrechten lässt sich daher folgende Bemessungsregel aufstellen: – Der Streitwert einer Klage auf Einräumung eines Notwegrechts bemisst sich analog den §§ 7, 9 ZPO nach dem gem. § 3 ZPO zu schätzenden Interesse des Klägers an der Einräumung des Rechts. Dieses Interesse wiederum ist wertmäßig gleich der Summe der Herstellungs- und Unterhaltungskosten des Weges sowie der 3,5-fachen jährlichen Notwegrente. – Würden jedoch die Kosten einer das Notwegrecht überflüssig machenden Ersatzlösung geringer ausfallen als die so errechnete Summe, dann ist nur der geringere Betrag streitwertbestimmend.

4339

Novation Nach § 4 Abs. 1 ZPO bzw. § 43 Abs. 1 GKG sind Zinsen, die als Nebenforderung geltend gemacht werden, bei der Berechnung des Zuständigkeits- und Gebührenstreitwertes nicht zu berücksichtigen. Eine Ausnahme gilt nach § 43 Abs. 2 GKG, wenn die Zinsen ohne den Hauptanspruch betroffen sind und damit gleichsam zur Hauptsache werden,1 oder wenn sie durch Novation zum Teil der Hauptforderung werden.2

4340

Zinsen verlieren ihre Eigenschaft als Nebenforderung i.S. der § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG auch beim Kontokorrent nur dann, wenn sie jeweils bei Periodenschluss dem Saldo hinzugerechnet und zusammen mit diesem in die neue Rechnungsperiode übernommen werden. In diesem Fall liegt eine Novation der Schuld vor.3 Lediglich die vom Tag des Rechnungsabschlusses an laufenden Zinsen sind dann Nebenforderungen.4

4341

Ebenso liegt es, wenn Hauptsumme und Zinsen durch abstraktes Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis nach §§ 780, 781 BGB novelliert und als Gesamtsumme ausgewiesen werden.5 Ein lediglich deklaratorisches Schuldanerkenntnis nimmt dem Zinsanspruch indessen nicht die Eigenschaft als Nebenforderung.6

Nutzungen A. Zuständigkeitsstreitwert Nutzungen (§ 100 BGB), die als Nebenforderungen geltend gemacht werden, bleiben gem. § 4 Abs. 1 ZPO wertmäßig außer Ansatz. Nebenforderungen sind sie dann, wenn sie zu dem gleichzeitig eingeklagten Hauptanspruch in einem 1 Vgl. BGH, Urt. v. 25.6.1981 – III ZR 96/80, JurBüro 1981, 1490; BGH, Urt. v. 24.3.1994 – VII ZR 146/93, MDR 1994, 720. 2 OLG München, JurBüro 1976, 238; BGH, Beschl. v. 15.11.1994 – XI ZR 174/94, MDR 1995, 196; LG Köln, Urt. v. 8.6.1995 – 1 S 266/94, ZMR 1996, 145. 3 OLG Bamberg, JurBüro 1964, 32. 4 RGZ 32, 377. 5 OLG Koblenz, Beschl. v. 16.12.1997 – 5 W 797/97, JurBüro 1999, 197. 6 OLG Köln, KostRsp. GKG § 22 Nr. 8 mit Anm. Schneider.

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Öffentliche Zustellung objektiven Abhängigkeitsverhältnis stehen. Das Bestehen der Nebenforderung muss durch das Bestehen der Hauptforderung bedingt sein.1 4343

Werden Nutzungen dagegen als Hauptforderung geltend gemacht, wird also nur auf Zahlung von Nutzungen geklagt, dann gelten die allgemeinen Bewertungsregeln.

4344

Werden laufende Nutzungen als wiederkehrende Leistung nach §§ 258 ff. ZPO geltend gemacht, gilt § 9 ZPO. Maßgebend ist der Betrag der zukünftigen Nutzungen, höchstens jedoch der 3 1/2-fache Jahresbetrag.

4345

Keine Nebenforderung ist der Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 546a BGB bei weiterer Benutzung einer Mietwohnung nach Kündigung. Ebenso keine Nebenforderung ist der Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach Beschädigung oder Zerstörung eines Kraftfahrzeugs (s. das Stichwort „Verkehrsunfallschadensregulierung“). S. zu weiteren Einzelheiten das Stichwort „Nebenforderungen“.

B. Beschwer 4346

Der Wert der Beschwer folgt den gleichen Grundsätzen, die für den Zuständigkeitsstreitwert gelten. Als Nebenforderung bleiben sie außer Ansatz; ansonsten sind sie wertbestimmend.

C. Gebührenstreitwert 4347

Soweit Nutzungen als Nebenforderungen geltend gemacht werden, wird ihr Wert gem. § 43 Abs. 1 GKG dem Wert der Hauptsache nicht hinzugerechnet.

4348

Werden Nutzungen neben der Hauptforderung geltend gemacht, entstehen aber aus den Nutzungen gesonderte Gebühren, was wohl nur bei den Anwaltsgebühren vorkommen dürfte, dann ist insoweit der Wert der Nutzungen nach § 43 Abs. 2 GKG zu berücksichtigen, wobei ihr Wert den Wert der Hauptsache nicht übersteigen darf.

4349

Soweit Nutzungen dagegen als Hauptforderung geltend gemacht werden, ist ihr Wert nach allgemeinen Grundsätzen festzusetzen. Die Begrenzung nach § 43 Abs. 2 GKG greift in diesem Falle nicht; der Gebührenstreitwert kann daher auch den Wert der nicht anhängigen Hauptforderung überschreiten. S. zu weiteren Einzelheiten auch hier das Stichwort „Nebenforderungen“.

Öffentliche Zustellung 4350

Ist der Aufenthaltsort einer Person unbekannt, eine Zustellung an einen Vertreter nicht möglich oder eine Zustellung im Ausland nicht erfolgversprechend, kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, § 185 ZPO. Gegen die Ablehnung einer dahingehenden prozessleitenden Beschlussfassung ist die sofortige Beschwerde eröffnet, § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. 1 Vgl. RGZ 55, 82; RG, JW 1909, 691 Nr. 21; RG, Warneyer 1909 Nr. 163.

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Kurpat

Öffentliche Zustellung objektiven Abhängigkeitsverhältnis stehen. Das Bestehen der Nebenforderung muss durch das Bestehen der Hauptforderung bedingt sein.1 4343

Werden Nutzungen dagegen als Hauptforderung geltend gemacht, wird also nur auf Zahlung von Nutzungen geklagt, dann gelten die allgemeinen Bewertungsregeln.

4344

Werden laufende Nutzungen als wiederkehrende Leistung nach §§ 258 ff. ZPO geltend gemacht, gilt § 9 ZPO. Maßgebend ist der Betrag der zukünftigen Nutzungen, höchstens jedoch der 3 1/2-fache Jahresbetrag.

4345

Keine Nebenforderung ist der Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 546a BGB bei weiterer Benutzung einer Mietwohnung nach Kündigung. Ebenso keine Nebenforderung ist der Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach Beschädigung oder Zerstörung eines Kraftfahrzeugs (s. das Stichwort „Verkehrsunfallschadensregulierung“). S. zu weiteren Einzelheiten das Stichwort „Nebenforderungen“.

B. Beschwer 4346

Der Wert der Beschwer folgt den gleichen Grundsätzen, die für den Zuständigkeitsstreitwert gelten. Als Nebenforderung bleiben sie außer Ansatz; ansonsten sind sie wertbestimmend.

C. Gebührenstreitwert 4347

Soweit Nutzungen als Nebenforderungen geltend gemacht werden, wird ihr Wert gem. § 43 Abs. 1 GKG dem Wert der Hauptsache nicht hinzugerechnet.

4348

Werden Nutzungen neben der Hauptforderung geltend gemacht, entstehen aber aus den Nutzungen gesonderte Gebühren, was wohl nur bei den Anwaltsgebühren vorkommen dürfte, dann ist insoweit der Wert der Nutzungen nach § 43 Abs. 2 GKG zu berücksichtigen, wobei ihr Wert den Wert der Hauptsache nicht übersteigen darf.

4349

Soweit Nutzungen dagegen als Hauptforderung geltend gemacht werden, ist ihr Wert nach allgemeinen Grundsätzen festzusetzen. Die Begrenzung nach § 43 Abs. 2 GKG greift in diesem Falle nicht; der Gebührenstreitwert kann daher auch den Wert der nicht anhängigen Hauptforderung überschreiten. S. zu weiteren Einzelheiten auch hier das Stichwort „Nebenforderungen“.

Öffentliche Zustellung 4350

Ist der Aufenthaltsort einer Person unbekannt, eine Zustellung an einen Vertreter nicht möglich oder eine Zustellung im Ausland nicht erfolgversprechend, kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, § 185 ZPO. Gegen die Ablehnung einer dahingehenden prozessleitenden Beschlussfassung ist die sofortige Beschwerde eröffnet, § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. 1 Vgl. RGZ 55, 82; RG, JW 1909, 691 Nr. 21; RG, Warneyer 1909 Nr. 163.

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Kurpat

Ordnungsmittel Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren bestimmt sich gem. § 3 ZPO mit einem Bruchteil des Hauptsachewertes. Denn die Versagung der öffentlichen Zustellung hindert den Antragsteller nicht dauerhaft daran, zu einem Vollstreckungstitel zu gelangen, sondern macht die Zustellung nur von weiteren Voraussetzungen, regelmäßig weiteren Nachforschungen über den Verbleib des Zustellungsadressaten abhängig.1 Die Rechtslage entspricht daher den Fällen, in denen es um die vorbereitenden prozessualen Maßnahmen zur Titelschaffung geht, etwa der Auskunftsstufe bei der Stufenklage oder der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung bei der Vollstreckungsklage (s. hierzu die Stichwörter „Auskunftsanspruch“ und „Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung“).

4351

Der Wert ist daher nicht auf den Streitwert der Hauptsache zu bemessen,2 sondern in der Regel auf einen Bruchteil des Hauptsachewertes, denn die Zustellung der Klageschrift ist nur ein Schritt zur Erlangung des Vollstreckungstitels.3

4352

Örtliche Zuständigkeit S. das Stichwort „Einrede, Einwendung“.

Ordnungsmittel Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 4353 B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert . . . . . . . . . . . . I. Ordnungsgeld (§ 890 ZPO) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . 2. Vertretung des Gläubigers . . . 3. Vertretung des Schuldners . . .

. 4354 . 4356 . 4358 . 4367

Rn. II. Zwangsgeld (§ 888 ZPO) . . . . . 4368 III. Ordnungsgeld gegen Sachverständigen . . . . . . . . . . . . . 4375 C. Rechtsmittel und Beschwer . . . 4377 I. Beschwerden des Schuldners . . 4378 II. Beschwerden des Gläubigers . . . 4380

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.5.1999 – 5 W 4/99, MDR 1999, 1402 = JurBüro, 2000, 164; OLG Naumburg, Beschl. v. 15.5.2001 – 14 W 58/01, juris; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Öffentliche Zustellung“; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Öffentliche Zustellung“. 2 So aber OLG Frankfurt, Urt. v. 8.7.2004 – 2 W 44/02, OLGR 2004, 327 – ohne Begründung; OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.11.2001 – 6 W 30/2001, MDR 2002, 353 = NJW-RR 2002, 716 – ohne Begründung; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.2.1983 – 2 WF 21, 22/ 83, FamRZ 1983, 630. 3 OLG Braunschweig, Beschl. 11.1.2008 – 3 W 73/07, NJW-RR 2008, 1523: 1/10; OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.5.1999 – 5 W 4/99, MDR 1999, 1402; OLG Naumburg, Beschl. v. 15.5.2001 – 14 W 58/01, juris: 1/5; LG Leipzig, Beschl. v. 3.1.2007 – 16 T 1119/06, JurBüro 2007, 268: 1/2.

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Ordnungsmittel Stichwortübersicht Rn. Androhung eines Ordnungsgelds . . 4356 Anwaltsgebühren . . . . . . . 4355, 4357 Beschwerde – des Gläubigers . . . . . . . . 4359, 4380 – des Schuldners gegen Ordnungsgeldbeschluss . . . . . . . . . . . 4878 Einstweilige Verfügung, Verstöße dagegen . . . . . . . . . . . . . . 4378 Gerichtsgebühr im ersten Rechtszug . . . . . . . . . . . . . . . . . 4354 Gläubigerinteresse . . . . . . . . . 4358 ff. Mehrere Zuwiderhandlungen . . . . 4366 Ordnungsgeld – Androhung . . . . . . . . . . . . 4356 – mehrere Anträge auf Festsetzung 4366 Rechnungslegung . . . . . . . . . . 4373 Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . 4377

Sachverständigen-Ordnungsgeld . Sicherungshypothek . . . . . . . . Schuldnerbeschwerde – gegen Androhung . . . . . . . . – gegen Festsetzung . . . . . . . . – gegen Höhe . . . . . . . . . . . Strafandrohung im Urteil . . . . . Streitwert der Hauptsache, Bruchteil . . . . . . . . . . . . . . . . – Berechnung, Quote . . . . . . . Verstöße gegen einstweilige Verfügung . . . . . . . . . . . . . . Zwangsgeld . . . . . . . . . . . . – Bruchteil des Hauptsachewerts – Gläubigerinteresse . . . . . . . – Wert der zu erwirkenden Leistungen . . . . . . . . . . . . . .

Rn. . 4375 . 4373 . . . .

4378 4379 4379 4358

4359 ff. 4363 ff. . 4374 4368 ff. 4369 ff. . 4369 . 4369

A. Einleitung 4353

Nach §§ 888, 890 ZPO kann das Gericht unter bestimmten Umständen gegen den Schuldner Zwangs- bzw. Ordnungsgeld oder Zwangs- bzw. Ordnungshaft anordnen. Es sind dies insbesondere die Fälle, in denen der Schuldner eine nicht vertretbare Handlung nicht vornimmt (§ 888 ZPO), gegen eine Duldungs- oder Unterlassungsverpflichtung verstößt (§ 890 ZPO) oder die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verweigert (§ 889 ZPO).

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 4354

Ein Zuständigkeitsstreitwert muss nicht bestimmt werden, da für die betreffenden Maßnahmen das Prozessgericht des ersten Rechtszugs (§§ 888 Abs. 1 Satz 1, 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO) bzw. das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht (§ 889 Abs. 1 Satz 1 ZPO) jeweils ausschließlich (§ 802 ZPO) zuständig sind. Eine Wertfestsetzung für die Berechnung der Gerichtsgebühren ist ebenfalls nicht erforderlich. Für das Verfahren auf Verhängung eines Zwangs- oder Ordnungsgeldes (§§ 888, 890 ZPO) fällt nämlich im ersten Rechtszug nach Nr. 2111 KV GKG eine Festgebühr i.H.v. 15 Euro an. Gleiches gilt für das Verfahren der Beschwerde und der Rechtsbeschwerde, da auch in diesen Festgebühren nach Nr. 2121 KV GKG und Nr. 2124 KV GKG anfallen. Die Kosten der Zwangshaft werden von Nr. 9010 KV GKG erfasst.

4355

Hinsichtlich der erforderlichen Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren (Nr. 3309 ff. VV RVG) sind die verschiedenen Vollstreckungsmaßnahmen zu unterscheiden:

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Ordnungsmittel

I. Ordnungsgeld (§ 890 ZPO) 1. Allgemeines Nach § 18 Nr. 14 RVG ist jede Verurteilung zu einem Ordnungsgeld gem. § 890 Abs. 1 ZPO eine besondere Angelegenheit.1 Keine besondere Angelegenheit ist dagegen die der Verurteilung vorausgehende Androhung (vgl. § 19 Abs. 2 Nr. 4 RVG). Sie ist sowohl für den Prozessbevollmächtigten als auch für den mit der Zwangsvollstreckung beauftragten Anwalt mit der Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG bzw. Nr. 3309 VV RVG abgegolten.

4356

Die Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren richtet sich bei einer Tätigkeit im Verfahren nach § 890 ZPO nach § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG bzw. § 25 Abs. 2 RVG: – Vertritt der Anwalt den Gläubiger, so bestimmt sich der Gegenstandswert nach dem Wert, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat (§ 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG). – Im Verfahren über Anträge des Schuldners ist der Wert für die Gebühren des ihn vertretenden Anwalts nach dem Interesse des Antragstellers nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 25 Abs. 3 RVG).

4357

2. Vertretung des Gläubigers Welchen Wert die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat, ist im Einzelfall zu schätzen. Das Interesse des Gläubigers geht regelmäßig dahin, dass der Schuldner durch Ordnungsgeld oder Ordnungshaft zur Befolgung des Unterlassungsgebotes bzw. zur Vornahme der unvertretbaren Handlung angehalten wird. Folglich ist darauf abzustellen, wie ernst der Gläubiger bei objektiver Würdigung der Verhaltensweise des Schuldners die Bedrohung seines jeweiligen Anspruchs einschätzen muss.2

4358

Dies ist jedoch nur der allgemeine Ausgangspunkt. Wie das Interesse des Gläubigers im Einzelfall zu bestimmen ist, ist umstritten. Einigkeit besteht insoweit, als das Interesse sich nicht nach der Höhe des beantragten/festgesetzten Zwangs- bzw. Ordnungsgeldes bemisst.3 Auch eine im Urteil enthaltene Strafandrohung kann nicht als Wert angesetzt werden, weil sie nicht den Klageanspruch selbst betrifft, sondern die Zwangsvollstreckung vorbereitet. Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles an, insbesondere auf die

4359

1 Vgl. zur alten Rechtslage nach § 58 Abs. 3 Nr. 9 BRAGO: OLG Hamm, JurBüro 1979, 1166. 2 OLG Braunschweig, Beschl. v. 20.5.1997 – 15 W 1590/97, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1262 = OLGR 1997, 195; OLG Bremen, JurBüro 1979, 1394; OLG Karlsruhe, Justiz 1966, 213; OLG München, MDR 1983, 1029 = KostRsp. § 3 Nr. 644; OLG Nürnberg, MDR 1984, 762; OLG Celle, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 207 u. Nds.Rpfl. 1991, 54. 3 BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZR 107/08, AGS 2009, 240 = NJW-RR 2009, 549; OLG Celle, Beschl. v. 26.6.2006 – 4 W 103/06, FamRZ 2006, 1689; OLG Köln, OLGR 1994, 138; OLG Düsseldorf,OLGR 1993, 125; OLG Karlsruhe, MDR 2000, 229; OLG Hamburg, InVo 1998, 264; LAG Bremen, AnwBl. 1988, 173; noch zu den früher anfallenden Wertgebühren des Gerichts: OLG München, Beschl. v. 17.8.1983 – 25 W 1621/83, MDR 1983, 1029; OLG Bamberg, GRUR 1953, 255; OLG Karlsruhe, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1084 = WRP 1992, 198; LG Bonn, JR 1960, 225.

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Ordnungsmittel Art und Weise des Verstoßes sowie das Ausmaß der konkreten Verletzung.1 Hierzu werden drei Ansichten vertreten: 4360

– Nach einer Meinung ist das Interesse des Gläubigers, dass gegen den Schuldner ein Zwangs- oder Ordnungsmittel festgesetzt wird, auf einen Bruchteil des Streitwertes in der Hauptsache anzusetzen.2 Denn auch wenn das Ordnungsmittelverfahren rechtlich selbständig gegenüber dem Hauptsacheverfahren sei, sei doch der Streitwert der Hauptsache – etwa des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs – der wichtigste Orientierungspunkt.3

4361

– Nach einer anderen Meinung entspricht das maßgebliche Interesse des Gläubigers in der Regel dem Erfüllungsinteresse und damit dem vollen Wert der Hauptsache.4

4362

– Eine dritte Meinung5 lehnt eine Bewertung nach Bruchteilen des Hauptsachestreitwertes ab und will das Interesse des Gläubigers an der konkreten Bestrafung entsprechend der Umstände des Einzelfalls wie folgt bestimmen: Zunächst sei von der im Antrag enthaltenen Bezifferung des Ordnungsgeldes auszugehen, falls sich die Höhe durch die Angaben des Gläubigers zu den befürchteten eigenen Nachteilen aus den Verstößen gegen den Unterlassungstitel rechtfertige. Von Bedeutung für den Umsatz des Gläubigers seien dabei die Schwere, Zahl, Vorwerfbarkeit und insbesondere die Gefährlichkeit der Verstöße.6

4363

Folgt man der Meinung, die eine Bruchteilsbewertung vornimmt, stellt sich die Frage nach der konkreten Berechnung. Hier werden wiederum unterschiedliche Quoten vertreten: – Nach dem OLG Celle7 ist das Interesse des Gläubigers an der Zwangsvollstreckung am ehesten vergleichbar mit dem Interesse desjenigen, der eine 1 OLG Nürnberg, JurBüro 1979, 872. 2 Vgl. OLG Celle, Beschl. v. 23.4.2009 – 13 W 33/09, JurBüro 2009, 441; KG, Beschl. v. 5.4.2005 – 5 W 168/04, AGS 2005, 304; OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.7.2000 – 2 W 83/ 00, OLGR 2000, 430; OLG Hamburg, WRP 1994, 42; OLG Nürnberg, Beschl. v. 8.3.1984 – 3 W 662/84, MDR 1984, 762; OLG Nürnberg, JurBüro 1979, 872; OLG Bremen, JurBüro 1979, 1394 (unter Aufgabe der in Rpfleger 1965, 130 vertretenen Ansicht, es sei immer der Hauptsachewert maßgebend); KG, WRP 1975, 444; KG, Rpfleger 1970, 97; OLG Celle, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 207; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1991, 54. 3 OLG Köln, WRP 1982, 288; OLG Karlsruhe, WRP 1992, 198; OLG Hamburg, WRP 1981, 222. 4 Schneider/Wolf, RVG, § 25 Rn. 19; OLG Köln, Beschl. v. 24.3.2005 – 25 WF 45/05, AGS 2005, 262; LG Bonn, JR 1960, 225; ebenso – allerdings nur für Ausnahmefälle – OLG Celle, NJW 1963, 2031; OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 218; KG, JurBüro 1973, 150. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.9.2003 – 25 W 54/03, OLGR 2004, 121 unter Bezugnahme auf BGH, NJW 1994, 45; ebenso: OLG München, NJW E-WettbR 2000, 147; OLG Dresden, Beschl. v. 25.6.1999 – 14 W 1190/98, WRP 1999, 1204; OLG Hamburg, Beschl. v. 21.10.1997 – 3 W 122/97, OLGR 1998, 89. 6 Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 Stichwort „Ordnungs- und Zwangsmittelfestsetzung“, weist allerdings in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass sich ein nach § 3 ZPO unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls geschätzter Wert auf Basis des beantragten Ordnungsgeldes rechnerisch ebenso wenig erklären lässt wie eine Bruchteilsbewertung auf Basis des Hauptsachewertes. Letztlich ist dieser Streit eher akademischer Natur. 7 OLG Celle, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 207.

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Ordnungsmittel einstweilige Verfügung beantragt, weil in beiden Fällen das gestörte Recht gegenwärtig hergestellt werden soll, ohne dass die Einwirkung eines Urteils in der Hauptsache Gegenstand des Antrages ist. Auf der Grundlage dieser Überlegungen wurde ein Bruchteil von 1/6 des Hauptsachewerts angenommen. In einer weiteren Entscheidung hat das OLG Celle1 den Streitwert mit 1 /3 des Hauptsachewerts angesetzt und bewusst dem Wertansatz bei einstweiligen Verfügungen angeglichen. – Das OLG Hamburg2 ist in einer Wettbewerbssache von 1/5 des Hauptsacheverfahrens ausgegangen, allerdings mit der Einschränkung, der Wert des Ordnungsmittelverfahrens könne dann höher sein, wenn der Gläubiger eine ganz bestimmte Höhe anstrebe. In gleicher Weise setzte das OLG Hamm3 fest, wobei es den Wert auch dann erhöht, wenn sich der Schuldner besonders hartnäckig gezeigt hat.

4364

– Ähnlich hat das KG4 eine Bruchteilsbewertung von 1/4 bis 1/3 des Hauptsachewerts für angemessen angesehen und in einer späteren Entscheidung5 folgende Regelwerte für den Beschwerdewert eines Ordnungsmittelverfahrens nach § 890 ZPO aufgestellt: Angemessen sei 1/2 des Wertes für ein einstweiliges Verfügungsverfahren bzw. 1/6 des Wertes des Hauptsacheverfahrens um den Unterlassungsanspruch, wobei in beiden Fällen ein nach § 12 Abs. 4 UWG herabgesetzter Streitwert als Bezugsgröße außer Betracht bleiben müsse.

4365

Mehrere Anträge auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen denselben Schuldner sind in einem einheitlichen Beschluss zu bescheiden. Dementsprechend ist auch ein einheitlicher Streitwert festzusetzen.6 Auch bei mehreren fortgesetzten Zuwiderhandlungen, für die nur ein einziges Ordnungsmittel verhängt wurde, findet keine Zusammenrechnung statt, weil nur eine Verurteilung vorliegt.7 Verhängt das Gericht dagegen in verschiedenen Verfahren wegen mehrfacher Verstöße Ordnungsmittel, entstehen so viele Gebühren, wie es Verfahren gegeben hat.8

4366

1 OLG Celle, Beschl. v. 23.4.2009 – 13 W 33/09, JurBüro 2009, 441; OLG Celle, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1029 mit Anm. Schneider = Nds.Rpfl. 1991, 54; so auch LG Bayreuth, JurBüro 1980, 1885. 2 OLG Hamburg, Beschl. v. 11.5.1982 – 3 W 53/82, WRP 1982, 592. 3 OLG Hamm, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1160 = WRP 1994, 42. 4 KG, JurBüro 1969, 1204 = Rpfleger 1970, 97; ähnlich auch OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.11.1991 – 4 W 72/91, WRP 1992, 198 – es wird im Regelfall ein Wert von 1/5 bis 1/3 angesetzt. Gegen eine solche Regelbewertung mit 1/3 des Hauptsachewertes hat sich das OLG Frankfurt (OLG Frankfurt JurBüro 1961, 303; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.9.2003 – 25 W 54/03, OLGR 2004, 121) in Wettbewerbssachen ausgesprochen. Denn bei dieser Festsetzung bliebe außer Betracht, dass im Verfügungsverfahren die Vertragstreue des Antragsgegners für die ganze Dauer des Vertrages erzwungen werden solle. 5 KG, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1082 = WRP 1992, 176. 6 OLG Hamm, JurBüro 1979, 1166. 7 OLG München, NJW 1970, 60; OLG Frankfurt, JurBüro 1982, 245; OLG Hamburg, JurBüro 1993, 96 m.w.N. 8 Schneider/Wolf (N. Schneider/Wolf), RVG, § 18 Rn. 73.

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Ordnungsmittel 3. Vertretung des Schuldners 4367

In Verfahren über Anträge des Schuldners ist der Wert nach § 25 Abs. 2 RVG zu bestimmen. Ein abstrakter Gegenstandswert lässt sich hier nicht angeben. Maßgeblich ist das Interesse des Schuldners, das sich aus dem konkreten Antrag und dem damit verfolgten Rechtsschutzziel unter Anwendung billigen Ermessens festlegen lässt.

II. Zwangsgeld (§ 888 ZPO) 4368

Das Verfahren zur Vollstreckung einer nicht vertretbaren Handlung durch Verhängung eines Zwangsgeldes (§ 888 ZPO) stellt für den Anwalt nach § 18 Nr. 13 RVG eine besondere Angelegenheit dar.

4369

Bei der Vollstreckung einer Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungsverpflichtung bestimmt sich der Gegenstandswert nach dem Wert, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für die Gläubiger hat (§ 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG).1 Umstritten ist auch hier, ob dieses Interesse des Gläubigers an der Durchsetzung der Leistung regelmäßig dem Wert der Hauptsache gleichzusetzen ist,2 oder ob ein Bruchteil des Hauptsachewerts3 bzw. die Höhe des beantragten Zwangsgeldes maßgebend ist.4

4370

– Das OLG Düsseldorf5 sieht 1/4 des Hauptsachewertes als Werthöchstbetrag an. – Das OLG Köln6 hat für das Verfahren auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen den Antragsteller, der zur lastenfreien Umschreibung eines mit einer Grundschuld belasteten Grundstücks verpflichtet war, den Nominalwert der Grundschuld von rd. 53.000 Euro festgesetzt, obwohl das Darlehen, zu dessen Absicherung die Grundschuld eingetragen war, schon teilweise zurückgezahlt worden war.

4371

Richtig erscheint es, weder die eine noch die andere starre Regelung zu praktizieren, sondern das Interesse des Gläubigers an der Durchführung der Zwangsvollstreckung je nach den Umständen des Einzelfalles auf den angemessenen 1 Vgl. dazu BayObLG, Beschl. v. 18.4.2002 – 2 Z BR 9/02, NJW-RR 2002, 1381. 2 So OLG Rostock, Beschl. v. 26.9.2008 – 1 W 82/08, AGS 2009, 187; OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 218; KG, JurBüro 1973, 150; LAG Bremen, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 908 mit Anm. Schneider = AnwBl. 1988, 173; OLG Düsseldorf, MDR 1999, 506; OLG Köln, Beschl. v. 24.3.2005 – 25 WF 45/05, AGS 2005, 262 mit Anm. Mock; OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.6.2001 – 16 WF 248/01, OLGR 2001, 375; OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 71/07, AGS 2008, 189; OLG Köln, Beschl. v. 24.3.2005 – 25 WF 45/ 05, AGS 2005, 262 = OLGR 2005, 259; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 25 Rn. 19; Schneider/Wolf, RVG, § 25 Rn. 19; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Ordnungsund Zwangsmittelfestsetzung“. 3 KG, Beschl. v. 5.4.2005 – 5 W 168/04, AGS 2005, 304; Stein/Jonas/Roth, ZPO, § 3 Rn. 70 Stichwort „Zwangsgeld“. 4 So OLG Stuttgart, Rpfleger 1973, 314; wohl auch LAG Bremen, LAGE BetrVG § 23 Nr. 19, das den Beschwerdewert für einen Androhungsbeschluss mit 50 % des im Falle der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bemisst. 5 OLG Düsseldorf, KostRsp. BRAGO § 8 Nr. 54 = JurBüro 1993, 554. 6 OLG Köln, Beschl. v. 24.3.2005 – 25 WF 45/05, AGS 2005, 262 mit Anm. Mock – unter der Prämisse, dass der Wert der Hauptsache entscheidend ist, ist dies konsequent, denn mangels Akzessorietät besteht die Grundschuld nach wie vor in voller Höhe.

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Ordnungsmittel Betrag zu schätzen, der regelmäßig unterhalb des Wertes der Hauptsache liegt, da der Zwang gegenüber dem Schuldner noch keine Erfüllung ist.1 Wegen der einfacheren Berechenbarkeit des Streitwerts sollten Bruchteile von 1/4 bis zu 1/3 als Richtschnur der Bewertung übernommen werden, also ebenso verfahren werden wie beim Ordnungsgeld. So ist beispielsweise auch das OLG Nürnberg2 vorgegangen: Es ging um die Verpflichtung zur Rechnungslegung. Der Gläubiger erwartete nach der Rechnungslegung etwa 8.000 bis 12.000 DM als Leistung. Das OLG Nürnberg hat den Streitwert der Zwangsvollstreckung auf 3.000 DM festgesetzt. Das BayObLG3 hat hinsichtlich einer Verpflichtung zur Rechnungslegung, aus der der Gläubiger einen Betrag von ca. 14.000 Euro erwartete, den Beschwerdewert für den Gläubiger auf 2.000 Euro festgesetzt.

4372

Das OLG Stuttgart4 setzt für den Antrag auf Festsetzung von Zwangsgeld wegen Nichtbefolgung der Pflicht zur Löschung einer Sicherungshypothek einen Bruchteil von 1/4 bis 1/5 des Nennbetrages des Grundpfandrechtes an.

4373

Auch der Wert eines Antrags auf Festsetzung von Zwangsgeld bei Verstößen gegen eine einstweilige Verfügung, die vom Auftraggegner für eine voraussichtlich längere Zeit ein bestimmtes Verhalten verlangt, richtet sich nach dem Interesse des Antragstellers an der Abwehr weiterer Verstöße. Dieses Interesse ist niedriger zu bewerten als der Hauptantrag, wobei nach dem KG5 in der Regel ein Bruchteil von 1/3 bis 1/4 als angemessen angenommen werden kann.

4374

III. Ordnungsgeld gegen Sachverständigen Den Fall, dass ein gerichtlich bestellter Sachverständiger sich gegen die Androhung eines Ordnungsgeldes nach § 411 Abs. 2 Satz 2 ZPO wehrt, hat das OLG München6 mit 1/5 des Höchstbetrages für Ordnungsgelder (jetzt 1.000 Euro gem. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EGStGB) beziffert, da es sich nur um eine vorbereitende Maßnahme handele. Der Senat hat sich dabei an die Quotierung des OLG Köln7 bei Beschwerden wegen einstweiliger Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 767, 769 ZPO gehalten.

4375

Der Wert einer Beschwerde gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes (§ 411 Abs. 2 Satz 1 ZPO) bestimmt sich nach dessen Höhe, da der Sachverständige die Aufhebung dieser Beeinträchtigung anstrebt.

4376

C. Rechtsmittel und Beschwer Vertritt der Anwalt den Gläubiger oder den Schuldner in einem Beschwerdeverfahren gegen die Androhung oder die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels, so bestimmt sich der Gegenstandswert nach § 23 Abs. 2 RVG. 1 S. OLG Nürnberg, ZPO § 3 Nr. 710 = MDR 1984, 762; BayObLG, Beschl. v. 18.4.2002 – 2 Z BR 9/02, NJW-RR 2002, 1381. 2 OLG Nürnberg, Rpfleger 1963, 281. 3 BayObLG, Beschl. v. 18.4.2002 – 2 Z BR 9/02, NJW-RR 2002, 1381. 4 OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.6.2001 – 16 WF 248/01, OLGR 2001, 375. 5 KG, JurBüro 1969, 1204. 6 OLG München, ZSW 1981, 68, 70 (damals betrug der Höchstsatz 1.000 DM). 7 OLG Köln, Rpfleger 1976, 138 = VersR 1976, 975.

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Organe, Organmitglieder Danach ist der Wert unter Berücksichtigung der Interessen des Beschwerdeführers nach billigem Ermessen zu bestimmen.

I. Beschwerden des Schuldners 4378

Wendet sich der Schuldner mit seiner Beschwerde gegen die Androhung eines Ordungsgeldes, so kann 1/2 des im Falle der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes veranschlagt werden.1

4379

Legt der Schuldner Beschwerde gegen die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsgeldes ein, dann ist danach zu differenzieren, ob er die Verpflichtung zur Handlung/Duldung/Unterlassung an sich angreift oder nur die Höhe des festgesetzten Zwangs-/Ordnungsgelds. Im ersten Fall entspricht der Gegenstandswert dem Interesse des Schuldners, die Handlung nicht ausführen zu müssen.2 Die Höhe des Zwangs-/Ordnungsgelds ist nicht entscheidend.3 Wendet sich der Schuldner allerdings nur gegen die Höhe des Zwangsgeldes, dann ist sein Interesse wertmäßig gleich dem Betrag, um den er das Zwangsgeld vermindert sehen möchte. Denn dies entspricht dem Interesse des Schuldners, den festgesetzten Betrag nicht zahlen zu müssen.4

II. Beschwerden des Gläubigers 4380

Für die Bewertung der Beschwerden des Gläubigers ist weiterhin dessen Interesse an der zu erzwingenden Handlung wertbestimmend und darf nicht überschritten werden.

Organe, Organmitglieder Literatur: Kuhn, DRiZ 1953, 190 (Pensionsansprüche von Vorstandsmitgliedern); Lappe, GmbHR 1956, 37 (Gehalt und Versorgungsbezüge der Geschäftsführer einer GmbH); Schneider, JurBüro 1969, 803 (Organe als „Arbeitnehmer“ i.S. des § 13 Abs. 4 GKG a.F.); Lappe, NJW 2006, 270. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . 4381 B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Vergütungsklagen . . . . . . . . 4382 II. Klagen wegen Kündigung/Abberufung . . . . . . . . . . . . . . 4390 1. Abberufung . . . . . . . . . . . 4391

2. Kündigung . . . . . . . . . . . 3. Feststellung . . . . . . . . . . III. Klagen wegen Entlastung . . . 1. Bezifferte Ersatzansprüche . . 2. Unbezifferte Ersatzansprüche . 3. Anfechtung des Entlastungsbeschlusses . . . . . . . . . . .

. . . . .

Rn. 4397 4398 4399 4400 4401

. 4402

1 In diesem Sinne: LAG Bremen, LAGE BetrVG § 23 Nr. 19. 2 OLG Braunschweig, JurBüro 1977, 1148. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.9.1996 – 5 W 18/96, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1241 = OLGR 1996, 238; OLG Frankfurt, JurBüro 1969, 1203; LAG Berlin, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 409. 4 OLG Celle, Beschl. v. 1.4.2003 – 6 W 25/03, OLGR 2003, 294.

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Organe, Organmitglieder

A. Einleitung Juristische Personen handeln durch Organe, z.B. Geschäftsführer, Gesellschafter oder den Aufsichtsrat. Die Organe können aus einer Person (z.B. Alleingeschäftsführer) oder aus mehreren Personen (Aufsichtsratsmitglieder) bestehen. Zu unterscheiden ist bei der Streitwertbestimmung das Organverhältnis und das Anstellungsverhältnis.

4381

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Vergütungsklagen Bei Vergütungsklagen der Organmitglieder (Ansprüche auf Gehalt oder Versorgungsbezüge aus dem Arbeits- bzw. Anstellungsvertrag mit der juristischen Person) richtet sich der Zuständigkeitsstreitwert nach § 9 ZPO. Danach ist der 3,5-fache Wert des einjährigen Bezuges zugrunde zu legen (§ 9 Satz 1 ZPO). Ist der Gesamtbetrag während der Dauer des Bezugsrechts geringer, ist auf diesen abzustellen (§ 9 Satz 2 ZPO).

4382

Die Bestimmung des Gebührenstreitwertes für solche Klagen ist im Hinblick auf die Abgrenzung von § 9 ZPO und § 42 Abs. 2 GKG umstritten:

4383

Nach Ansicht des BGH ist auf Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis eines Organmitgliedes mit seiner Gesellschaft auch hinsichtlich des Gebührenstreitwertes die Regelung des § 9 ZPO anzuwenden. Eine Berechnung nach (jetzt) § 42 Abs. 2 GKG (3-facher Jahresbetrag) scheide aus, weil ein Organmitglied nicht als Arbeitnehmer eingestuft werden könne.1 Vielmehr nehme das Organmitglied als Leiter eines Unternehmens aufgrund des gegenüber allen darin Beschäftigten bestehenden Direktionsrechts eine Arbeitnehmerfunktion wahr. Das soll auch dann gelten, wenn Versorgungsansprüche der Hinterbliebenen geltend gemacht würden, deren Höhe nach den Grundsätzen des Beamtenrechts bemessen sei.2

4384

Diese strikte Anwendung von § 9 ZPO auf den Gebührenstreitwert hat der BGH in einigen späteren Entscheidungen zwar teilweise auch außer Acht gelassen: – Bei einer Vergütungsstreitigkeit eines hoch betagten Geschäftsführers einer OHG wurde der Streitwert nach § 3 ZPO frei geschätzt, weil die Annahme gerechtfertigt war, dass der geschäftsführende Gesellschafter wegen seines Alters nicht mehr 12,5 Jahre (= § 9 ZPO a.F.) als Geschäftsführer tätig sein würde.3 – Den Streitwert für eine auf künftige Rentenleistungen gerichtete Insolvenzsicherungsklage wurde, obwohl sie ein früheres Mitglied des Vertretungsorgans einer juristischen Person erhoben hatte, auf den dreifachen Jahresbetrag (§ 17 Abs. 3 GKG a.F. = § 42 Abs. 2 GKG) festgesetzt.4

4385

1 BGH, Rpfleger 1954, 439; BGH, JurBüro 1979, 41; BGHZ 12, 1; BGH, WM 1978, 319; BGH, NJW 1978, 2202; ebenso: OLG Celle, Rpfleger 1962, 223; OLG Karlsruhe, MDR 1960, 608; OLG Hamm, AnwBl. 1977, 111. Kritisch: Lappe, Rpfleger 1961, 130. 2 BGH, Rpfleger 1954, 439. 3 BGHZ 19, 172. 4 BGH, KostRsp. GKG § 17 Nr. 26 = MDR 1980, 1001.

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Organe, Organmitglieder – Für Gehalts- und Pensionsklagen von Mitgliedern des Vertretungsorgans einer Handelsgesellschaft oder Genossenschaft wurde der Streitwert nach § 17 Abs. 3 GKG a.F. (= § 42 Abs. 2 GKG) berechnet.1 Dabei wurde auf den Sinn dieser Vorschrift abgestellt, welche die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen, aus denen der Berechtigte seinen Lebensunterhalt erzielt, erleichtern soll. Dass dies wohl aber keine Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung sein sollte, zeigt die Entscheidung vom 17.8.2000,2 in welcher der Streit um die Vergütungsforderung aus einem Anstellungsverhältnis des Geschäftsführeres wiederum nach § 9 ZPO bewertet wurde. 4386

Nach einer zweiten Meinung bemisst sich der Streitwert von Gehaltsklagen von Organen juristischer Personen, die in gleicher Weise wie andere Arbeitnehmer der juristischen Person für eine längere Dauer ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen und nach Zeit, Ort und Dauer ihrer Arbeiten einem Weisungsrecht unterliegen, immer gem. (dem jetzigen) § 42 Abs. 2 GKG nach dem 3-fachen Jahresbetrag, sofern nicht der gesamte Betrag geringer ist.3

4387

Schließlich wird noch eine dritte Meinung vertreten, die bei der Bestimmung des Gebührenstreitwertes differenziert: Befindet sich das Organmitglied in einer ähnlichen beruflichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit von seinem Unternehmen wie ein Arbeitnehmer, dann ist der Wert für eine Klage des Organmitglieds oder seiner Hinterbliebenen auf Zahlung von Gehalt oder Versorgungsbezügen nach § 42 Abs. 2 GKG festzusetzen. Fehlt es hinsichtlich der sozialen Abhängigkeit an einer „arbeitnehmerähnlichen“ Stellung, richtet sich die Wertfestsetzung nach § 9 ZPO.4

4388

Dieser dritten Meinung, die auf die Umstände des Einzelfalls abstellt, ist zuzustimmen. Das OLG Schleswig5 hat mit Recht darauf abgestellt, dass (der jetzige) § 42 Abs. 2 GKG eine soziale Schutzvorschrift ist und das Organ, etwa der Geschäftsführer einer GmbH, aus den wiederkehrenden Leistungen seinen Lebensunterhalt erzielt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass seine Altersund Hinterbliebenenversorgung nicht aus seiner Organstellung erwächst, die lediglich das Außenverhältnis betrifft, sondern auf dem Anstellungsvertrag, also dem Innenverhältnis, beruht.

4389

Die praktische Bedeutung dieses Meinungsstreits ist allerdings durch die Neufassung von § 9 ZPO erheblich gesunken. Denn während § 9 ZPO früher auf den 12,5-fachen Jahresbetrag abstellte, was gegenüber dem 3-fachen Jahresbetrag nach § 17 Abs. 3 GKG a.F. (jetzt § 42 Abs. 2 GKG) einen erheblichen Gebührenunterschied bedeutete, sind die Differenzen nach den heutigen Regelungen (3,5-facher bzw. 3-facher Jahreswert) nur noch geringfügig.

1 BGH, JurBüro 1981, 845 – in Abweichung von BGH, JurBüro 1979, 41 = MDR 1979, 35. 2 BGH, Beschl. v. 17.8.2000 – II ZR 302/99, KostRsp. ZPO § 9 Nr. 71. 3 KG, NJW 1955, 857; 1956, 689; JurBüro 1968, 319; OLG Celle, MDR 1957, 431; OLG Frankfurt, MDR 1961, 244; OLG Bamberg, JurBüro 1988, 227. 4 OLG Stuttgart, Justiz 1968, 306; OLG Köln, MDR 1968, 593; OLG Koblenz, MDR 1980, 319; OLG Schleswig, JurBüro 1980, 480; Schneider, JurBüro 1969, 803; Zöller/ Herget, § 3 Rn. 16 unter „Arbeitnehmer“. 5 OLG Schleswig, JurBüro 1980, 480.

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Organe, Organmitglieder

II. Klagen wegen Kündigung/Abberufung Bei Klagen im Zusammenhang mit der Beendigung der Organstellung ist danach zu unterscheiden, worauf die Beendigung beruht.1 Das Erlöschen der körperschaftlichen Organstellung führt nicht ohne Weiteres zur Beendigung des schuldrechtlichen Anstellungsvertrags. Deshalb muss bei Bestimmung des Streitwerts unterschieden werden zwischen der Klage auf Abwehr der Abberufung als Geschäftsführer und der Klage auf Feststellung, dass das Dienstverhältnis nicht beendet worden ist. Beides kann zwar miteinander verkoppelt sein, beispielsweise wenn der Widerruf der Bestellung gleichzeitig in kurzer zeitlicher Folge von der Kündigung des Anstellungsvertrages begleitet wird.2 Auch dann bleibt es jedoch dabei, dass es um zwei verschiedene Rechtsverhältnisse geht, die getrennt zu bewerten sind.

4390

1. Abberufung Bei Klagen gegen die Abberufung als Geschäftsführers erfolgt die Streitwertbestimmung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, wobei das Interesse beider Parteien berücksichtigt wird.3 Kämpft der Kläger also nur um seine Organstellung und will er weiterhin als Geschäftsführer die Lenkungs- und Leitungsmacht des beklagten Unternehmens behalten oder wieder in die Hand bekommen, dann berücksichtigt der BGH auch das gegenteilige Interesse des Beklagten, den Kläger von der Geschäftsführung fern zu halten.4

4391

Dies ist eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass bei der Streitwertbemessung das Interesse des Beklagten am Prozessausgang nicht zu berücksichtigen ist. Die Ausnahme ist in Anlehnung an den Grundgedanken des § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG zu rechtfertigen, wonach der Streitwert im Anfechtungsprozess unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien (also für beide!) festzusetzen ist.

4392

Die Ermäßigungsregelung in § 247 Abs. 2 AktG ist auf einen Gesellschafterbeschluss, durch den ein Geschäftsführer abberufen wird, jedoch nicht anwendbar.5

4393

Das Gehaltsinteresse des Abberufenen und etwaige Ansprüche der Gesellschaft aus der Abberufung sind dagegen unbeachtlich, weil sie nicht die organschaftliche Stellung, sondern den Dienstvertrag aus dem Innenverhältnis betreffen. Die gegenteilige Auffassung würde in denjenigen Fällen, in denen der abberufene Geschäftsführer seine Gehaltsansprüche im Hinblick auf die behauptete Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung seines Dienstvertrages in einem weiteren Rechtsstreit geltend macht, zu einer unangebrachten Verdopplung des Streitwertes führen.6

4394

1 S. dazu BGH, Beschl. v. 28.5.1990 – II ZR 245/89, NJW-RR 1990, 1123. 2 BGH, WM 1989, 1246. 3 BGH, Beschl. v. 28.5.1990 – II ZR 245/89, NJW-RR 1990, 1123; BGH, Beschl. v. 22.5.1995 – II ZR 247/94, NJW-RR 1995, 1502. 4 BGH, Beschl. v. 2.3.2009 – II ZR 59/08, AGS 2009, 346 (hier zieht der BGH eine Wertobergrenze durch den wirtschaftlichen Wert der Geschäftsanteile des Klägers); BGH, Beschl. v. 22.5.1995 – II ZR 247/94, NJW-RR 1995, 1502. 5 OLG Frankfurt, JurBüro 1968, 829 = NJW 1968, 2112. 6 BGH, Beschl. v. 28.5.1990 – II ZR 245/89, NJW-RR 1990, 1123.

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Organe, Organmitglieder 4395

Die aufgezeigten Grundsätze gelten gleichermaßen, wenn der Streit darum geht, ob das abberufene Organmitglied überhaupt wirksam bestellt worden ist.1

4396

Die Vorschrift des § 42 Abs. 3 GKG ist im Verfahren vor den allgemeinen Zivilgerichten nicht anwendbar, auch wenn das Verfahren von einem Arbeitsgericht verwiesen wurde.2 2. Kündigung

4397

Nur dann, wenn auch die Beendigung des Anstellungsverhältnisses (Kündigung des Dienstvertrags) und damit der Verlust der daraus abgeleiteten Gehaltsansprüche angegriffen wird, ist § 9 ZPO für den Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert bzw. die Beschwer anwendbar3 und § 42 Abs. 2 GKG für die Gebührenberechnung.4 3. Feststellung

4398

Bei einem Antrag auf Feststellung des Fortbestehens des Dienstverhältnisses wendet der BGH die Regelung des § 42 Abs. 2 GKG für die Bestimmung des Gebührenstreitwerts (Vergütungsinteresse des Klägers) und die Regelung des § 9 ZPO für die Beschwer an.5 Nach anderer Ansicht ist der Gebührenstreitwert einer Feststellungsklage über das Bestehen eines Dienstverhältnisses des Geschäftsführers nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.

III. Klagen wegen Entlastung 4399

Der Wert für Streitigkeiten betreffend die Entlastung von Organen und Organmitgliedern einer Gesellschaft ist nach den Grundsätzen zu bestimmen, die für die Bemessung des Streitwerts einer negativen Feststellungsklage gelten. Nach überwiegender Auffassung ist die Klage auf Entlastungserteilung keine Leistungs-, sondern eine negative Feststellungsklage, da die Entlastung wie ein Verzicht auf Ersatzansprüche oder wie das Anerkenntnis des Nichtbestehens derartiger Ansprüche gegen das Organ bzw. Organmitglied wirkt. 1. Bezifferte Ersatzansprüche

4400

Macht die Gesellschaft bereits konkrete Ansprüche geltend, kommt als Streitwert des Anspruchs auf Entlastungserteilung gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG derjenige Wert in Betracht, der dem Interesse des Klägers an der Fest1 BGH, Beschl. v. 22.5.1995 – II ZR 247/94, NJW-RR 1995, 1502. 2 KG, Beschl. v. 21.6.1996 – 5 W 2444/96, NJW-RR 1997, 543; BGH, Beschl. v. 13.2.1986 – IX ZR 114/85, NJW-RR 1986, 676; BGH, Beschl. v. 9.6.2005 – III ZR 21/ 04, MDR 2005, 1376 = NJW-RR 2006, 213. 3 BGH, 17.1.1994 – II ZR 219/93, KostRsp. ZPO § 9 Nr. 49 = GmbHR 1994, 244 – Beschwer richtet sich nach dem Vergütungsinteresse. 4 BGH, Beschl. v. 9.6.2005 – III ZR 21/04, MDR 2005, 1376 = NJW-RR 2006, 213. 5 BGH, Beschl. v. 17.1.1994 – II ZR 219/93, KostRsp. ZPO § 9 Nr. 49 = GmbHR 1994, 244; KG, Beschl. v. 21.6.1996 – 5 W 2444/96, NJW-RR 1997, 543; BGH, Beschl. v. 9.6.2005 – III ZR 21/04, MDR 2005, 1376 = NJW-RR 2006, 213; anders BGH, Beschl. v. 17.8.2000 – II ZR 302/99, KostRsp. ZPO § 9 Nr. 71 – keine Anwendung von § 17 Abs. 3 und 4 GKG a.F., sondern von § 9 ZPO. Vgl. dazu Lappe, NJW 2006, 270.

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Pacht stellung entspricht, dass er aus Anlass seiner Tätigkeit nicht auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann. Maßgebend ist deshalb der bezifferte Betrag der drohenden Inanspruchnahme.1 2. Unbezifferte Ersatzansprüche Werden von der Gesellschaft unbezifferte Ersatzansprüche gegen das Organ oder Organmitglied geltend gemacht, dann ist auf deren voraussichtliche Höhe abzustellen, also auf die Berühmung. Notfalls ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen, welche Ansprüche sich auf der Grundlage des Vorbringens der Gesellschaft, das der Kläger der negativen Feststellungsklage darzulegen hat, ergeben können. Insoweit entspricht die Bewertungssituation derjenigen der Bestimmung des Leistungsantrages in der Auskunftsstufe der Stufenklage.2

4401

3. Anfechtung des Entlastungsbeschlusses Wird der Hauptversammlungsbeschluss über die Entlastung des Vorstands angefochten, ist der Streitwert nach § 247 Abs. 1 AktG zu bestimmen. Es sind u.a. der Umfang des Aktienbesitzes des Klägers, die Größe und wirtschaftliche Bedeutung der Gesellschaft sowie die Beeinträchtigung des geschäftlichen Ansehens mit Wegfall der Entlastung zu berücksichtigen.3

4402

Pacht A. Anzuwendende Vorschriften Ebenso wie im BGB der Pachtvertrag in Anlehnung an den Mietvertrag geregelt ist (§ 581 Abs. 2 BGB), verhält es sich im Streitwertrecht. Die Sondervorschrift des § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) behandelt die Miet-, Pacht- und ähnlichen Nutzungsverhältnisse gemeinsam. Einer Unterscheidung zwischen Miet- und Pachtverhältnissen bedarf es im Einzelfall nur, als sich daran unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen.

4403

Dies ist für den Zuständigkeitsstreitwert und die Rechtsmittelbeschwer nicht der Fall.4 Beide berechnen sich nach Maßgabe der §§ 3 ff. ZPO, insbesondere der §§ 8 und 9 ZPO.5 Dieser Gleichlauf besteht – mit Ausnahme der allein die Wohnraummiete betreffenden Regelungen – auch beim Gebührenstreitwert, der sich vorrangig nach § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) richtet.

4404

1 KG, JurBüro 1962, 281. 2 Vgl. dazu das Stichwort „Stufenklage“. 3 BGH, Beschl. v. 15.3.1999 – II ZR 94/98, NJW-RR 1999, 910; OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.1.1995 – 3 W 47/94, WM 1995, 620; vgl. auch das Stichwort „Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen“. 4 BGH, Urt. v. 20.12.1995 – XII ZR 244/94, WM 1996, 1064 = NJWE-MietR 1996, 54. 5 BGH, Beschl. v. 13.10.2004 – XII ZR 110/02, MDR 2005, 228 = NJW-RR 2005, 224; BGH, Beschl. v. 14.10.1993 – LwZB 6/93, MDR 1994, 100 = NJW-RR 1994, 256 – landwirtschaftliches Grundstück; Beschl. v. 27.2.1992 – III ZR 142/91, KostRsp. ZPO § 8 Nr. 7 – Jagdpachtvertrag; Beschl. v. 29.5.1991 – XII ZR 22/91, = WM 1991, 1616 = NJW-RR 1992, 190; OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.3.2007 – 5 U (lW) 117/06, juris – Beschwer bei Räumungsklage gegen Pächter.

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Pacht stellung entspricht, dass er aus Anlass seiner Tätigkeit nicht auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann. Maßgebend ist deshalb der bezifferte Betrag der drohenden Inanspruchnahme.1 2. Unbezifferte Ersatzansprüche Werden von der Gesellschaft unbezifferte Ersatzansprüche gegen das Organ oder Organmitglied geltend gemacht, dann ist auf deren voraussichtliche Höhe abzustellen, also auf die Berühmung. Notfalls ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen, welche Ansprüche sich auf der Grundlage des Vorbringens der Gesellschaft, das der Kläger der negativen Feststellungsklage darzulegen hat, ergeben können. Insoweit entspricht die Bewertungssituation derjenigen der Bestimmung des Leistungsantrages in der Auskunftsstufe der Stufenklage.2

4401

3. Anfechtung des Entlastungsbeschlusses Wird der Hauptversammlungsbeschluss über die Entlastung des Vorstands angefochten, ist der Streitwert nach § 247 Abs. 1 AktG zu bestimmen. Es sind u.a. der Umfang des Aktienbesitzes des Klägers, die Größe und wirtschaftliche Bedeutung der Gesellschaft sowie die Beeinträchtigung des geschäftlichen Ansehens mit Wegfall der Entlastung zu berücksichtigen.3

4402

Pacht A. Anzuwendende Vorschriften Ebenso wie im BGB der Pachtvertrag in Anlehnung an den Mietvertrag geregelt ist (§ 581 Abs. 2 BGB), verhält es sich im Streitwertrecht. Die Sondervorschrift des § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) behandelt die Miet-, Pacht- und ähnlichen Nutzungsverhältnisse gemeinsam. Einer Unterscheidung zwischen Miet- und Pachtverhältnissen bedarf es im Einzelfall nur, als sich daran unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen.

4403

Dies ist für den Zuständigkeitsstreitwert und die Rechtsmittelbeschwer nicht der Fall.4 Beide berechnen sich nach Maßgabe der §§ 3 ff. ZPO, insbesondere der §§ 8 und 9 ZPO.5 Dieser Gleichlauf besteht – mit Ausnahme der allein die Wohnraummiete betreffenden Regelungen – auch beim Gebührenstreitwert, der sich vorrangig nach § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) richtet.

4404

1 KG, JurBüro 1962, 281. 2 Vgl. dazu das Stichwort „Stufenklage“. 3 BGH, Beschl. v. 15.3.1999 – II ZR 94/98, NJW-RR 1999, 910; OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.1.1995 – 3 W 47/94, WM 1995, 620; vgl. auch das Stichwort „Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen“. 4 BGH, Urt. v. 20.12.1995 – XII ZR 244/94, WM 1996, 1064 = NJWE-MietR 1996, 54. 5 BGH, Beschl. v. 13.10.2004 – XII ZR 110/02, MDR 2005, 228 = NJW-RR 2005, 224; BGH, Beschl. v. 14.10.1993 – LwZB 6/93, MDR 1994, 100 = NJW-RR 1994, 256 – landwirtschaftliches Grundstück; Beschl. v. 27.2.1992 – III ZR 142/91, KostRsp. ZPO § 8 Nr. 7 – Jagdpachtvertrag; Beschl. v. 29.5.1991 – XII ZR 22/91, = WM 1991, 1616 = NJW-RR 1992, 190; OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.3.2007 – 5 U (lW) 117/06, juris – Beschwer bei Räumungsklage gegen Pächter.

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Pacht 4405

Daher wird für die Bewertung pachtrechtlicher Streitigkeiten zunächst auf die Ausführungen zum Stichwort „Mietstreitigkeiten“ verwiesen. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die Darstellung Einzelner spezifisch pachtrechtlicher Fragestellungen.

B. Einzelfälle in der Rechtsprechung Stichwortübersicht Dritter . . . . . . . . . . . Erhöhung des Pachtzinses Inventar . . . . . . . . . . Kiesausbeutevertrag . . . . Kleingärten . . . . . . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

Rn. 4406 4409 4411 4412 4413

Pachtzins . . . . . . . . . . . . Selbständiges Beweisverfahren Räumung . . . . . . . . . . . . Vergleich . . . . . . . . . . . .

. . . .

. . . .

. . . .

Rn. 4414 4420 4422 4423

Dritter 4406

Sind am Rechtsstreit allein die Parteien des Pachtverhältnisses beteiligt, gelten für den Streitwert je nach Streitgegenstand die §§ 3 ff. ZPO, § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.). Problematischer ist die Wertbestimmung, wenn Dritte beteiligt sind, etwa weil sich die Klage einer Pachtvertragspartei gegen einen Dritten richtet, die Pächter bzw. Verpächter von einem Dritten verklagt werden oder der Bestand des Pachtverhältnisses Gegenstand eines Rechtsstreit einer Vertragspartei mit einem Dritten ist. Im Grundsatz gilt bei einer Drittbeteiligung, dass weder § 8 ZPO noch § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) unmittelbar zur Anwendung gelangen. Denn beide Vorschriften setzten einen Streit zwischen den am Pachtverhältnis beteiligten Parteien voraus, da auf die Klage eines Dritten diesen gegenüber nicht rechtskräftig über den Bestand oder die (Fort-) Dauer des Pachtverhältnisses entschieden werden kann.

4407

Daher bestimmen sich bei der Klage eines Dritten gegen den Verpächter auf Feststellung der Nichtigkeit eines Pachtvertrages Zuständigkeitsstreitwert und Beschwer nicht nach § 8 ZPO, sondern gem. § 3 ZPO nach dem Interesse dieses Dritten an der Unwirksamkeit des Vertrages.1 Dies gilt auch für den Gebührenstreitwert, da hier § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) aus den gleichen Gründen nicht anwendbar ist.2

4408

Klagt der Pächter gegen einen Dritten auf Unterlassung von Besitzstörungen oder ein Dritter gegen einen Mieter auf Feststellung, dass ein Miet- oder Pachtverhältnis nicht bestehe, ist jeweils gem. § 3 ZPO das klägerische Interesse maßgebend.3 Ebenso liegt es, wenn Miterben gegen einen anderen Miterben auf Feststellung der Wirksamkeit eines von der Erbenmehrheit mit einem Dritten abgeschlossenen Pachtvertrages klagen.4 Erhöhung des Pachtzinses

4409

Ist das Klagebegehren des Vermieters auf Zustimmung zur Pachtzinserhöhung gerichtet, gelangt § 41 Abs. 5 GKG (§ 16 Abs. 5 GKG a.F.) nicht zur Anwen1 2 3 4

BGH, Beschl. v. 24.2.2000 – III ZR 270/99, juris; Rpfleger 1955, 101. BGH LM GKG § 10 Nr. 10 (10/1955). BGH, Beschl. v. 10.2.1983 – III ZR 64/82, KostRsp. GKG § 16 Nr. 23. BGH LM § 10 GKG Nr. 10 – Beschwer.

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Pacht dung, da diese Vorschrift nur für die Wohnraummiete gilt. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert bestimmen sich gem. § 9 ZPO, § 48 GKG (§ 12 GKG a.F.) nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag der Erhöhungsdifferenz, soweit die verbleibende Dauer des Pachtverhältnis nicht geringer ist.1 Der Gesetzgeber hat die Neufassung des GKG durch das KostRMoG 2004 nicht zum Anlass genommen, die in § 16 Abs. 5 GKG a.F. (jetzt § 41 Abs. 5 GKG) enthaltene Beschränkung auf Wohnraumietverhältnisse aufzuheben. Für eine analoge Anwendung fehlt es an einer planwidrigen Lücke.2 Dass dessen sozialer Schutzzweck auch eine Erstreckung auf kleine Gewerbetreibende und Unternehmen rechtfertigen könnte, vermag über den klaren Wortlaut nicht hinweg zu helfen. Einer Bemessung nach § 3 ZPO steht entgegen, dass § 9 ZPO als speziellere Norm vorgeht.3 Denn mit dem Streit über die Zustimmung zur Erhöhung der Miete sind wiederkehrende Leistungen aus einem in seinem Umfang streitigen Stammrecht betroffen. Dass mit § 9 ZPO nicht die Rechtslage bei Mieterhöhungsklagen geregelt sein sollte und dieser zudem nur über § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) zur Anwendung gelangt, rechtfertigt (spätestens) seit dem KostRMoG 2004 keine abweichende Beurteilung mehr. Die gegen eine Anwendung des § 9 ZPO im Hinblick auf die erhebliche Wertdifferenz zu § 41 GKG erhobenen Bedenken sind bereits mit der Neufassung und Beschränkung auf den 3,5-fachen Jahresbetrag durch das RpflEntlG 1993 überholt.4

4410

Bei einer Gestaltungsklage, z.B. auf Neufestsetzung des Pachtzinses, ist die Wertbemessung derjenigen bei der positiven Feststellungsklage anzupassen. Daher ist der Streitwert grundsätzlich niedriger als bei einer entsprechenden Leistungsklage.5 Inventar Für den Anspruch des Verpächters, der Pächter habe die Entfernung von Inventar zu unterlassen, ist das Interesse des Verpächters am Verbleib der Inventarstücke auf dem Pachtgrundstück maßgebend. Für eine Bewertung nach 1 OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.8.1982 – 4 W 14/82, AnwBl. 1982, 486; ebenso für die Klage auf Erhöhung der Gewerbemiete: OLG Bamberg, Beschl. v. 8.12.1983 – 3 W 110/83, JurBüro 1984, 254 mit zust. Anm. Mümmler = AnwBl. 1984, 94; OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.10.1995 – 3 W 23/95, JurBüro 1996, 193 = NJW-RR 1996, 844; KG, Beschl. v. 7.4.2004 – 8 W 23/04, KGR 2004, 499 = AGS 2005, 354; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.10.1992 – 24 W 47/92, MDR 1993, 697; OLG Hamburg, Beschl. v. 27.6.1995 – 4 W 26/95, WuM 1995, 595; MDR 1990, 1024; OLG Köln, Beschl. v. 21.2.1991 – 18 U 78/90, MDR 1991, 545; MDR 1991, 545; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.10.1992 – 24 W 47/92, JurBüro 1994, 117 = MDR 1993, 697; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 35; Baumbach/Hartmann, Anh. § 3 Rn. 79; Bub/ Treier/Fischer, Handbuch der Wohn- und Geschäftsraummiete, VIII Rn. 235, S. 1651: § 9 ZPO; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 Rn. 101c: § 9 ZPO; a.A. Vorauflage; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.1.1983 – 11 W 2/83, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 627 = AnwBl. 1983, 174; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Mietstreitigkeiten“. 2 KG, Beschl. v. 7.4.2004 – 8 W 23/04, KGR 2004, 499 = AGS 2005, 354 – Miete. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.10.1992 – 24 W 47/92, MDR 1993, 697; OLG Köln, Beschl. v. 21.2.1991 – 18 U 78/90, MDR 1991, 545. 4 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 35; Bub/Treier/Fischer, Wohn- und Geschäftsraummiete, VIII Rn. 235, S. 1651. 5 LG Lübeck, SchlHA 1956, 266.

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4411

Pacht § 6 ZPO ist kein Raum, weil der Streit nicht um den Besitz oder das Eigentum, sondern nur um den Verbleib der Sache geht. Es muss deshalb nach §§ 3 ff. ZPO geschätzt werden, wobei von dem Schaden auszugehen ist, der dem Verpächter droht, wenn das Inventar entfernt wird. Kiesausbeutevertrag 4412

Ein Vertrag, durch den einer Partei das Recht eingeräumt worden ist, das Sand- und Kiesvorkommen auf einem Grundstück auszubeuten, ist rechtlich ein Pachtvertrag. Der Streitwert für eine Klage auf Feststellung der Rechtswirksamkeit eines solchen Vertrages ist gem. § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) festzusetzen. Der Pachtzins besteht aus dem für jeden abbauwürdigen Kubikmeter an den Verpächter zu zahlenden Entgelt. Ein Abzug dafür, dass es sich um eine positive Feststellungsklage handelt, ist nicht zu machen.1 Kleingärten

4413

Auf Verträge, die (in der DDR) zum Zwecke der kleingärtnerischen Nutzung geschlossen worden sind, finden gem. § 6 Abs. 1 SchuldRAnpG bzw. § 4 Abs. 1 BKleingG die Bestimmungen des BGB über die Miete oder Pacht bzw. der Pacht Anwendung, soweit das Schuldrechtsanpassungsgesetz nicht etwas Abweichendes bestimmt. Ist der Bestand oder die Dauer des Nutzungsvertrages streitig, richtet sich der Zuständigkeitsstreitwert und die Beschwer nach § 8 ZPO. Beruft sich der Nutzungsberechtigte darauf, dass der Vertrag auf Lebenszeit geschlossen worden sei, gelangt (für die Bestimmung der streitigen Zeit) § 9 ZPO zur Anwendung.2 Pachtzins

4414

Der für die Wertberechnung zugrunde zu legende Pachtzins errechnet sich nach dem Geldwert der vom Nutzungsberechtigten für die Gebrauchsgewährung zu erbringenden Gegenleistung. Maßgebend ist das vertraglich vereinbarte Entgelt und nicht der Betrag, der nach Auffassung einer Partei angemessen wäre oder ortsüblich ist.3 Hierbei ist Entgeltdefinition in § 41 Abs. 1 Satz 2 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG) auch für die Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwert heranzuziehen. Danach umfasst das Entgelt neben dem Nettogrundentgelt Nebenkosten nur noch dann, wenn diese als Pauschale vereinbart sind und nicht gesondert abgerechnet werden.

4415

Zum Nettogrundentgelt zählen neben dem in Geld oder Naturalien zu erbringenden Pacht- oder Mietzins alle weitere vertraglich vereinbarten Neben- oder Sonderleistungen des Pächters, es sei denn, diese werden im Verkehr nicht als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung angesehen oder vom Pächter selbst ab1 OLG Stuttgart, Justiz 1972, 204. 2 BGH, Beschl. v. 16.2.2005 – XII ZR 46/03, WuM 2005, 350 = ZMR 2005, 933; BGH, Beschl. v. 30.1.1997 – III ZR 206/96, BGHR ZPO § 8 Räumungsklage Nr. 8. 3 BGH, Beschl. v. 27.10.2004 – XII ZB 106/04, MDR 2005, 204 = NZM 2005, 157; BGH, Urt. v. 20.12.1995 – XII ZR 244/94, WM 1996, 1064 = NJWE-MietR 1996, 54; BGH, Urt. v. 28.9.1994 – XII ZR 50/94, MDR 1995, 198 = NJW 1994, 3292.

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Pacht gerechnet.1 Hierzu gehören etwa Zahlungen für die Errichtung (Baukostenzuschüsse), Unterhaltung oder Instandsetzung der Pachtsache2 sowie die halben Landwirtschaftskammerbeiträge, aber nicht die Berufsgenossenschaftsbeiträge.3 Ferner ist eine vertraglich vereinbarte Waldwildschadenspauschale zu berücksichtigen.4 Ein laufend zu entrichtender Betrag, der als Abgeltung für die Gestattung der Errichtung einer Einzelhandelsverkaufsstelle zu bezahlen ist und sich nach einem Prozentsatz des steuerlichen Reingewinns errechnet, gilt für den Streitwert ebenfalls als Pachtzins,5 desgleichen eine Entschädigung für die Nutzung des Inventars,6 beispielsweise für das nach Benutzungsstunden berechnete Nutzungsentgelt einer Kegelbahn, die der Pächter von seinen Gästen erhebt.7

4416

Ist der Wert der Neben- oder Sonderleistungen im Pachtvertrag nicht beziffert, sondern nur mittelbar über einen deshalb reduzierten Pachtzins berücksichtigt, bedarf es der Schätzung.8 Nicht ansatzfähig bleiben weiterhin diejenigen Nebenleistungen, die im Verkehr nicht als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung angesehen, etwa Zahlungen aufgrund vom Verpächter erworbener Einrichtungsgegenstände. Auch Leistungen, die vom Pächter gegenüber einem Dritten abgerechnet werden, sind nicht hinzuzurechnen.9

4417

Für die Bemessung der Beschwer bleiben die mit der Räumung verbundene Kosten des Herausgabeschuldners, von ihm nutzlos aufgewandte Investitionen10 und Kosten der Anpachtung einer Ersatzsache11 bereits nach dem Wortlaut von § 8 ZPO bei der Wertfestsetzung außer Betracht.

4419

4418

Selbständiges Beweisverfahren Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens ist in pachtrechtlichen Streitigkeiten regelmäßig der Zustand des Nutzungsobjekts im Hinblick auf erforderliche (und zur Minderung berechtigende) Instandsetzungsmaßnahmen des Vermieters oder Schadensersatzverpflichtungen des Mieters. Weitgehende Einigkeit besteht, dass sich der Gegenstandswert des Beweisverfahrens nach 1 BGH, Beschl. v. 2.6.1999 – XII ZR 99/99, KostRsp. ZPO § 8 Nr. 15 = ZMR 1999, 615 = NJW-RR 1999, 1385 = NZM 1999, 794; KostRsp. ZPO § 8 Nr. 7; Zöller/Herget, § 8 Rn. 6. 2 BGH, Urt. v. 31.3.1993 – XII ZR 265/91, MDR 1993, 1204 = WM 1993, 1383; BGHZ 18, 168; OLG Dresden, Beschl. v. 19.8.1997 – 15 W 1041/97, ZMR 1997, 527; OLG Schleswig, JurBüro 1958, 512; krit. OLG Köln, Beschl. v. 9.2.1996 – 19 W 1/96, JurBüro 1996, 472 = MDR 1996, 859. 3 OLG Schleswig, JurBüro 1958, 512. 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 10.2.2005 – 10 W 398/04, Jagdrechtliche Entscheidungen III Nr. 172; a.A. BGH, NJW 1962, 446. 5 LG Wuppertal, MDR 1953, 499 Nr. 377. 6 OLG Oldenburg, Beschl. v. 19.11.1990 – 1 W 120/90, WuM 1991, 286 = ZMR 1991, 142. 7 LG Essen, JurBüro 1972, 897. 8 BGH, Urt. v. 31.3.1993 – XII ZR 265/91, MDR 1993, 1204 – zur Miete. 9 Zum alten Recht: BGH, Beschl. v. 2.6.1999 – XII ZR 99/99, NJW-RR 1999, 1385 – Beschwer; KostRsp. ZPO § 8 Nr. 5 = BGHZ 18, 168; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Mietstreitigkeiten“. 10 BGH, Beschl. v. 7.11.2002 – LwZR 9/02, BGHR 2003, 757; Beschl. v. 10.5.2000 – XII ZR 335/99, NJW-RR 2000, 1739 = NZM 2000, 1227. 11 BGH, Beschl. v. 10.5.2000 – XII ZR 335/99, NJW-RR 2000, 1739 = NZM 2000, 1227.

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4420

Personalakten dem eines möglichen Hauptsacheverfahrens richtet. Streitig ist hingegen, ob eine Bruchteilsbewertung geboten ist oder nicht. Insoweit wird auf die Ausführungen zum Stichwort „Selbständiges Beweisverfahren“ verwiesen. 4421

Geht es um die Beweissicherung des Pächters wegen bestehender Mängel, ist der Gegenstandswert auf Grundlage des Instandsetzungsanspruchs und damit gem. § 41 Abs. 5 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.) nach dem Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung zu bestimmen.1 Eine kürzere restliche Vertragsdauer ist entsprechend § 41 Abs. 5 Satz 2 GKG (ohne Entsprechung in § 16 GKG a.F.) wertmäßig zu berücksichtigen.2 Daneben geltend gemachte Minderungs- und/oder Zurückbehaltungsrechte oder bereits aufgelaufene Pachtrückstände bleiben aufgrund wirtschaftlicher Identität mit dem Instandhaltungsanspruch wertmäßig unberücksichtigt.3 Beruft sich der Antragsteller dagegen auf einen ihm zustehenden Vorschuss- bzw. Erstattungsanspruch bestimmt sich der Gegenstandswert nach den angenommenen Kosten der Ersatzvornahme, d.h. der Mängelbeseitigung.4 Räumung

4422

Der Streitwert einer Räumungsklage gegen den Pächter oder gegen den Unterpächter ist unter Zugrundelegung des einjährigen Nutzungsentgeltes und nicht nach dem Verkehrswert des Grundstückes zu berechnen.5 Das gilt auch dann, wenn der Grundstückseigentümer nach Beendigung des Pachtverhältnisses unmittelbar gegen den Unterpächter auf Räumung klagt.6 Vergleich

4423

Die Vorschrift des § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) ist auch auf die vergleichsweise Auflösung eines Pachtverhältnisses anwendbar und schließt für die Gebührenberechnung den § 8 ZPO aus.7 Die Streitwertvergünstigung des § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) gilt jedoch nur im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien.

Personalakten 4424

Der Antrag auf Einsichtnahme in Personalakten betrifft eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit,8 da der Anspruch nicht auf Geld oder Geldeswert gerichtet ist und nicht aus vermögensrechtlichen Verhältnissen ent1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.3.2007 – 24 W 9/07, JurBüro 2007, 426 = AGS 2007, 472 = DWW 2007, 208 – Pacht; zum alten Recht BGH, Beschl. v. 17.5.2000 – XII ZR 314/ 99, MDR 2000, 975 = ZMR 2000, 665; LG Berlin, Beschl. v. 27.8.1996 – 64 T 66/96, NJW-RR 1997, 652 – gem. § 9 ZPO der 42-fache Minderungsbetrag. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.3.2007 – 24 W 9/07, JurBüro 2007, 426 = AGS 2007, 472 = DWW 2007, 208 – Pachtverhältnis; Hartmann, § 41 GKG Rn. 37. 3 OLG Hamburg, Beschl. v. 20.2.2009, 4 W 12/09, OLGR 2009, 707. 4 Vgl. LG Bonn, Beschl. v. 1.2.2008 – 6 T 396/07, AGS 2009, 82 = ZMR 2009, 38. 5 LG Mannheim, MDR 1964, 1016. 6 OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.3.2007 – 5 U (Lw) 117/06, juris; KG, Rpfleger 1962, 118. 7 OLG Frankfurt, JurBüro 1969, 1213. 8 OLG Köln, JurBüro 1980, 578.

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Pfändung springt.1 Der Gebührenstreitwert eines solchen Antrags ist deshalb nach § 48 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen und darf 1.000.000 Euro nicht übersteigen. Der Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert ist unter Beachtung dieser Grundsätze nach § 3 ZPO zu schätzen. Die in § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG erwähnten Vermögens- und Einkommensverhältnisse sind dabei allerdings als Bewertungsumstand meist unergiebig. Maßgebend ist nur die Bedeutung der Sache für denjenigen, der die Auskunft verlangt.

4425

Auf arbeitsrechtliche Streitigkeiten wegen Zurücknahme einer Abmahnung und deren Entfernung aus den Personalakten wird die Begrenzungsvorschrift des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG angewandt und meist ein Streitwert von einem Monatseinkommen angesetzt.2 Nicht selten werden auch Festbeträge angesetzt, dann meist um die 250 Euro.3 Das LAG Hamm4 hat den Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus einer Personalakte als vermögensrechtliche Streitigkeit angesehen.

4426

Persönliche Dienstbarkeit, beschränkte S. das Stichwort „Dienstbarkeit (§ 1090 BGB)“.

Pfandrecht S. das Stichwort „Pfändung“.

Pfändung Literatur: Gerold, JurBüro 1955, 425 (Freigabeaufforderung gegenüber mehreren Pfändungsgläubigern). Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 4427 B. Streitigkeiten um ein Pfandrecht 4428 C. Pfändungs- und Überweisungsbeschluss I. Allgemeines . . . . . . . . . . . 4437 II. Gerichtsgebühren . . . . . . . . 4438

III. Anwaltsgebühren . . . . . . . . 1. Vorratspfändung . . . . . . . . 2. Pfändbarkeit streitig/Forderung unpfändbar . . . . . . . . . . . 3. Pfändung von Gehaltsforderungen . . . . . . . . . . . . . . . .

Rn. . 4439 . 4441 . 4444 . 4447

D. Klage gegen den Drittschuldner . 4452

1 RGZ 144, 159; LAG München, Beschl. v. 21.2.2003 – 8 Ta 61/02, JurBüro 2004, 85. 2 S. etwa LAG Frankfurt, KostRsp. ArbGG § 12 Nr. 178 = LAGE ArbGG § 12 Nr. 72. 3 Vgl. LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.5.1990 – 8 Ta 55/90, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1004 = JurBüro 1990, 1333. 4 LAG Hamm, MDR 1984, 877.

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Pfändung Stichwortübersicht Rn. Anwaltsgebühren . . . . . . . 4429, 4439 Arbeitseinkommen, künftiges 4441, 4447 Arrest, Vollziehung . . . . . . . . . 4434 Drittschuldner . . . . . . . . . . . . 4452 Erfolgserwartungen des Gläubigers 4444 Festgebühr . . . . . . . . . . . . . . 4436 Feststellung der Pfandrechtsfreiheit 4432 Forderung – Betrag maßgebend . . . . . . 4442, 4444 – gepfändete besteht nicht . . . . . 4446 Freistellung von Verpfändung . . . 4430 Gesamthypothek, Neueintragung . 4435 Grundpfandrecht, Rangstreitigkeit . 4435 Herausgabe des Pfands . . . . . . . 4432 Insolvenzanfechtung . . . . . . . . 4431 Lohnanteil, voraussichtlich pfändbarer . . . . . . . . . . . . . . . . 4449 Pfändbarkeit, streitige . . . . . . . . 4444 Pfandrecht – einredeweise Geltendmachung . 4434

Rn. Pfandrechtsklage verbunden mit persönlicher Klage . . . . . . . Pfändung in Forderung unterhalb Schuldbetrag . . . . . . . . . . . Pfändungs- und Überweisungsbeschluss . . . . . . . . . . . . – Anwaltskosten . . . . . . . . . – Beschwerdegebühren . . . . . . Rangeinräumung . . . . . . . . . Rangstreitigkeit bei Grundpfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . Rangverbesserung . . . . . . . . . Sicherheitsleistung . . . . . . . . Sozialleistungen, unpfändbare . . Streitwertprivilegierung . . . . . . Vorratspfändung . . . . . . . . . . Vorzugsweise Befriedigung . . . . Wert des Pfandgegenstandes maßgebend . . . . . . . . . . . . . . Zinsen und Kosten . . . . . . . .

. 4433 . 4443 . . . .

4437 4439 4438 4432

. . . . . . .

4435 4435 4433 4445 4454 4441 4430

. 4428 . 4457

A. Einleitung 4427

Zu unterscheiden sind im Rahmen der Wertbestimmung zum einen Streitigkeiten im Hinblick auf ein Pfandrecht sowie zum anderen das Verfahren auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Streitigkeiten um ein Pfandrecht spielen beispielsweise eine Rolle bei der Klage auf vorzugsweise Befriedigung (§ 805 ZPO), bei Rangstreitigkeiten von Pfandgläubigern, Klagen auf Feststellung, dass ein Pfandrecht besteht, erloschen ist, aufgehoben werden muss oder in Insolvenzanfechtungsverfahren bzw. bei Klagen nach §§ 47 ff. InsO. Das Verfahren auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist dagegen kein Klageverfahren, sondern Teil der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in Geldforderungen (§ 829 ZPO).

B. Streitigkeiten um ein Pfandrecht 4428

Grundregel für die Wertbemessung bei Streitigkeiten um ein Pfandrecht ist die Vorschrift des § 6 ZPO, wonach der Forderungsbetrag oder der Wert des Pfandgegenstands maßgebend ist, je nachdem, welcher geringer ist. Ob das Pfandrecht, um das gestritten wird, auf Vertrag, Gesetz oder Pfändung beruht, ist unerheblich.

4429

Die Gerichtsgebühren für Verfahren, in denen über ein Pfandrecht gestritten wird, berechnen sich aufgrund der Verweisung in § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG ebenfalls nach § 6 ZPO. Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren bestimmt sich gem. § 32 RVG nach dem für die Gerichtsgebühren festgesetzten Wert. Die Regelung des § 25 RVG ist nur dann einschlägig, wenn der Anwalt im Zwangsvollstreckungsverfahren tätig wird, nicht aber bei einer Tätigkeit in einem Klageverfahren, in welchem um ein Pfandrecht gestritten wird.

4430

Die Regelung in § 6 ZPO (i.V.m. § 48 GKG) ist auch anwendbar, wenn ein Pfandrecht noch nicht besteht, sondern erst bestellt werden soll. Dann ist 932

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Pfändung jedoch nur die Forderung wertbestimmung und § 6 Satz 2 ZPO noch nicht anzuwenden. Auch für die Klage auf vorzugsweise Befriedigung nach § 805 ZPO1 sowie für einen Antrag auf Freistellung von einer Verpfändung2 gilt § 6 ZPO entsprechend. Analog anwendbar ist § 6 ZPO auf die Insolvenzanfechtung3 und die Geltendmachung der Rechte auf Aussonderung und abgesonderte Befriedigung nach § 47 ff. InsO.4 Dagegen ist der Streitwert des Aufgebotsverfahrens zur Kraftloserklärung eines Hypothekenbriefes nach § 3 ZPO zu bemessen, nicht nach § 6 ZPO. Wertbestimmend ist das Interesse des Antragstellers.5

4431

Ebenfalls nach § 6 ZPO werden bewertet: – Klagen auf Herausgabe eines Pfands, – Streitigkeiten, ob ein Pfandrecht besteht/erloschen ist/aufgehoben werden muss, – Klagen des Eigentümers auf Feststellung der Pfandrechtsfreiheit oder – Klagen auf Rangeinräumung.

4432

Wird die Pfandrechtsklage mit der persönlichen Klage verbunden, dann ist nur der Betrag der Forderung wertbestimmend.6 Das gilt auch dann, wenn im Verlaufe des Rechtsstreits Sicherheit geleistet und fortan um die Rückgabe dieser Sicherheit gestritten wird.7

4433

Die Pfändung zur Vollziehung des Arrests hat wegen ihres Sicherungscharakters keinen höheren Streitwert als das Verfahren auf Anordnung des Arrests.8

4434

Wird das Pfandrecht einredeweise – beispielsweise gegenüber dem Herausgabeanspruch des Eigentümers – geltend gemacht, dann entsteht dadurch ein Streit um das Pfandrecht, und es ist § 6 ZPO anzuwenden.9 Reine Rangstreitigkeiten wegen der Stelle eines Grundpfandrechtes sind nach § 3 ZPO zu bewerten. Jedoch ist § 6 ZPO dann anwendbar, wenn nicht nur die Rangverbesserung eines bereits eingetragenen Pfandrechts, sondern zugleich Neueintragung einer Gesamthypothek auf anderen Grundstücken gefordert wird. § 6 ZPO ist in diesem Fall sogar dann anwendbar, wenn die wirtschaftliche Sicherstellung der Forderung schon durch die Rangverbesserung allein der bereits eingetragenen Hypothek mit Sicherheit erreicht würde.10

4435

Für die Gerichtsgebühren im Beschwerdeverfahren gilt: Wird in erster Instanz eine Festgebühr erhoben, ist das Beschwerdeverfahren gebührenfrei, es sei denn, die Beschwerde wird verworfen oder zurückgewiesen. Dann fällt wie-

4436

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Vorzugsweise Befriedigung“. BGH, Beschl. v. 15.11.1994 – XI ZR 174/94, MDR 1995, 196. RGZ 151, 319. OLG Bremen, Rpfleger 1957, 274 zu ZPO § 6, a; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Insolvenzverfahren“. LG Hildesheim, Rpfleger 1965, 241 Nr. 116. RGZ 31, 387; Zöller/Herget, § 6 ZPO Rn. 10. OLG Karlsruhe, HRR 1930 Nr. 252. OLG Koblenz, JurBüro 1981, 572; OLG Karlsruhe, Rpfleger 1999, 509; KG, Rpfleger 1991, 126. OLG Celle, NJW 1957, 1640; OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.10.2002 – 24 U 158/01, MDR 2003, 356. OLG Frankfurt, Rpfleger 1956, 318.

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Pfändung derum eine Festgebühr an (Nr. 2121 KV GKG und Nr. 2124 KV GKG). Auf einen Streitwert kommt es also nicht an.

C. Pfändungs- und Überweisungsbeschluss I. Allgemeines 4437

Nach § 829 ZPO werden Geldforderungen dadurch gepfändet, dass das Gericht dem Drittschuldner verbietet, an den Schuldner zu zahlen, und zugleich dem Schuldner verbietet, über die Forderung zu verfügen. Die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner hat der Gläubiger vorzunehmen (§ 829 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Erst mit der Zustellung wird die Pfändung wirksam (§ 829 Abs. 3 ZPO). Ein Zuständigkeitsstreitwert muss nicht bestimmt werden, weil für das Verfahren das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht ausschließlich zuständig ist (§ 828 ZPO).

II. Gerichtsgebühren 4438

Erstinstanzliche Verfahren auf Erlass von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen sowie das Beschwerdeverfahren werden für das Gericht unabhängig vom Streitwert mit einer Festgebühr abgegolten (Nrn. 2111, 2121 KV GKG). Eine Wertfestsetzung ist daher nicht erforderlich.

III. Anwaltsgebühren 4439

Der Gegenstandswert für die Berechnung der Anwaltsgebühren bestimmt sich nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG: Entscheidend ist zunächst der Betrag der zu vollstreckenden Forderung – die geringer sein kann als die titulierte Forderung – einschließlich der Nebenforderungen, also Zinsen und bisherige Kosten (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 1. Halbs. RVG). Zu den Kosten zählen insbesondere die bisherigen Anwaltskosten und auch die Kosten vergangener Vollstreckungsversuche. Bezieht sich die Pfändung auf ein konkretes Pfandobjekt, welches einen geringeren Wert hat, dann ist dieser maßgebend (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbs. RVG).

4440

In Verfahren über Anträge des Schuldners ist der Wert nach dessen Interesse unter Anwendung billigen Ermessens zu bestimmen (§ 25 Abs. 2 RVG).1 1. Vorratspfändung

4441

Bei der Pfändung künftig fällig werdenden Arbeitseinkommens nach § 850d Abs. 3 ZPO (sog. Vorratspfändung) sind gem. § 25 Abs. 1 Nr. 1 3. Halbs. RVG bei der Ermittlung des Wertes der zu vollstreckenden Forderung die noch nicht fälligen Ansprüche gem. § 42 Abs. 1 GKG bzw. § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG zu bewerten. Die Vorschrift betrifft nach ihrem eindeutigen Wortlaut

1 Das LG Koblenz (Beschl. v. 8.8.1990 – 4 T 508/90, JurBüro 1991, 109) spricht sich für einen gestaffelten Wertansatz je nach den Zielen des Rechtsmittelführers (einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, Beschränkung der Vollstreckungsmaßnahme, Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme) aus.

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Pfändung nicht die Pfändung von Gehaltsforderung nach § 832 ZPO, sondern nur die Fälle der Vorratspfändung nach § 850d Abs. 3 ZPO. Bei einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist folglich der Wert der zu pfändenden Forderung im Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend, wenn dieser niedriger ist als der Wert der Forderung, derentwegen gepfändet wird.1

4442

Wird wegen einer Forderung in eine Forderung vollstreckt, die unter dem Schuldbetrag bleibt, dann steht der Wert des „Pfandrechts“ fest. Deshalb ist § 25 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbs. RVG schon anwendbar, bevor die Pfändung in das Forderungsrecht vollzogen ist.

4443

2. Pfändbarkeit streitig/Forderung unpfändbar Ist die Pfändbarkeit streitig, dann stehen bei der Bewertung die Interessen des Gläubigers im Vordergrund. Abzustellen ist auf seine Erwartungen hinsichtlich des Erfolges der von ihm eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen. Auszugehen ist also von der Rechtsbehauptung des Gläubigers und den daran geknüpften Erfolgserwartungen.2 Erwartet der Gläubiger volle Befriedigung aus der Forderungspfändung, dann ist der Wert des Gegenstands des Pfandrechtes gleich dem Wert der zu sichernden Forderung.3

4444

Erfasst ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nur Ansprüche des Schuldners auf Sozialleistungen, die unpfändbar sind, dann ist der Streitwert auf die niedrigste Gebührenstufe festzusetzen.4 Ebenso verhält es sich, wenn die angebliche Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner nach dem eigenen Vorbringen des Gläubigers wirtschaftlich keinen Wert hat.5

4445

Umstritten ist die Bestimmung des Gegenstandswerts, wenn sich im Rahmen der Vollstreckung herausstellt, dass die zu pfändende Forderung nicht existiert: – Nach zutreffender Ansicht ist in diesen Fällen ein Wert in Höhe der geringsten Gebührenstufe (zurzeit 300 Euro) festzusetzen, weil dies der geringste Wert i.S. von § 25 Abs. 1 Nr. 1 1. Halbs. RVG ist.6 – Nach anderer Ansicht ist die Mindestgebühr von 10 Euro nach § 13 Abs. 2 RVG anzusetzen.7

4446

1 KG, Rpfleger 1962, 156; LG Krefeld, JurBüro 1953, 198; aus der älteren Rechtsprechung: KG, DR 1943, 416; OLG Hamburg, JW 1936, 2480; OLG Frankfurt, JVBl. 1937, 197. 2 OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 2; LG Koblenz, Beschl. v. 13.6.2004 – 2 T 330/05, RVGBerater 2005, 135. 3 OLG Neustadt, JurBüro 1964, 601. 4 OLG Köln, KostRsp. GKG § 17 Nr. 22; OLG Köln, InVo 2001, 148; LG Kiel, SchlHA 1990, 12; a.A. LG Detmold, Rpfleger 1992, 538 für das Beschwerdeverfahren bei der Pfändung von Sozialgeldleistungen oder Arbeitseinkommen. 5 OLG Köln, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 839 = JurBüro 1987, 1048. 6 LG Hamburg, Beschl. v. 19.1.2009 – 332 T 109/08, ZMR 2009, 697; LG Hamburg, Beschl. v. 11.5.2000 – 314 T 43/00, JurBüro 2001, 110; AG Hamburg-Altona, Beschl. v. 6.7.2006 – 322 M 540/06, AGS 2007, 100 mit Anm. von Mock; Schneider/Wolf, § 25 Rn. 8; Mayer/Kroiß/Gierl, § 25 Rn. 10. 7 OLG Köln, Beschl. v. 15.11.2000 – 17 W 278/99, Rpfleger 2001, 149; OLG Köln, JurBüro 1987, 1048; AG Hamburg-Altona, Beschl. v. 6.7.2006 – 322 M 540/06, AGS 2007, 100; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 25 Rn. 8.

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Pfändung – Eine dritte Meinung schließlich spricht sich dafür aus, auf den Wert des Pfandgegenstandes abzustellen, wie er sich nach der Behauptung des Gläubigers zu Beginn der Vollstreckung darstellte1 bzw. auf den Wert der zu vollstreckenden Forderung.2 3. Pfändung von Gehaltsforderungen 4447

Wird wegen einer hohen Geldforderung künftig fällig werdendes Arbeitseinkommen gepfändet (§ 832 ZPO), dann müsste der Streitwert nach dem Wortlaut des für die Wertberechnung maßgebenden § 25 Abs. 1 Nr. 1 1. Halbs. RVG auf den Betrag der zu vollstreckenden Forderung einschließlich Zinsen und Kosten festgesetzt werden.

4448

Dabei können sich jedoch ähnliche Bedenken ergeben wie bei Vollstreckungsmaßnahmen gegen einen vermögenslosen Schuldner. Ist beispielsweise der pfändbare Teil des Arbeitseinkommens geringfügig oder wird über die Pfändbarkeit eines verhältnismäßig geringfügigen Anteils gestritten, dann müsste die Vollstreckung unter Umständen über Jahre oder Jahrzehnte hinaus durchgeführt werden, ehe Hauptforderung und Nebenforderungen getilgt wären.

4449

* Æ Anmerkung: Das AG Freyung3 hat deshalb in Anlehnung an §§ 17 Abs. 3 GKG a.F., 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG nicht nach der Höhe der zu vollstreckenden Forderung, sondern nach dem dreifachen Jahresbetrag des voraussichtlich pfändbaren Lohnanteils bewertet. Im Fall des AG Freyung kam eine Zwangsvollstreckung bis zu 75 Jahre in Betracht.

4450

Einer solchen Bewertungsweise ist nicht zuzustimmen.4 Es mag sein, dass diese Betrachtungsweise den wirtschaftlichen Umständen Rechnung trägt. Der eindeutige Wortlaut des § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG steht jedoch ebenso entgegen, wie der Gedanke der Rechtssicherheit. Ab welcher Grenze soll die Wertbeschränkung eingreifen?

4451

Auch der Vorschlag, den Wert auf einen „realistischen Betrag“ herabzusetzen, weil selbst bei geringen Zeiträumen mit einer Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit des gepfändeten Arbeitnehmers gerechnet werden müsse,5 begegnet Bedenken: Eine Gleichstellung mit Prozessvergleichen, die dubiose oder völlig unsichere Forderungen mit erledigen und daher nicht mit ihrem Nennwert angesetzt werden (s. das Stichwort „Vergleich“), überzeugt nicht. Gerade bei schlechter wirtschaftlicher Lage mag die Position des Schuldners als Arbeitnehmer nicht sicher sein. Dies rechtfertigt jedoch keine Festsetzung des Gegenstandswertes nach Billigkeitserwägungen. Zum einen hat sich der Gesetzgeber in § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG gegen eine Wertbegrenzung und auch gegen eine Festsetzung nach Ermessensgesichtspunkten entschieden. Ein Ab1 OLG Neustadt, Rpfleger 1968, 2; ebenso LG Kiel, Beschl. v. 21.3.1991 – 3 T 130/90, JurBüro 1991, 1198: Entscheidend ist der volle, vom Gläubiger bezeichnete Anspruch. 2 LG Düsseldorf, Beschl. v. 12.7.2005 – 19 T 154/05, AGS 2006, 86; LG Hamburg, Beschl. v. 20.3.2006 – 322 T 10/06, AnwBl. 2006, 499; LG Kiel, Beschl. v. 21.3.1991 – 3 T 130/90, JurBüro 1991, 1198. 3 AG Freyung, MDR 1985, 858 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 775 mit Anm. Schneider. 4 So auch: Schneider/Wolf/Wolf, § 25 RVG Rn. 9; kritisch hinsichtlich der Anwendung von § 42 Abs. 3 GKG, § 12 Abs. 7 ArbGG: Lappe, Anm. zu AG Freyung, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 775; anders die Vorauflage. 5 Vgl. 11. Auflage Rn. 3592 und Bezug auf LG Hannover, MDR 1995, 1075.

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Pfändung stellen auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls – vergleichbar mit § 3 ZPO – widerspricht darüber hinaus den berechtigten Anliegen der Bestimmbarkeit und der Rechtssicherheit. Das Wertfestsetzungsverfahren darf nicht damit belastet werden, dass Gerichte die Einzelumstände im (Arbeits-)Leben des Schuldners ermitteln müssen.

D. Klage gegen den Drittschuldner Klagt ein Gläubiger gegen den Drittschuldner, nachdem Ansprüche des Schuldners gegen den Drittschuldner aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auf ihn übergegangen sind, dann ist für die Streitwertbemessung ausschlaggebend, welchen Streitgegenstand diese Klage hat.1 – Das OLG Köln2 sah in einer früheren Entscheidung in diesen Fällen ein Pfandrecht als Gegenstand des Rechtsstreits an und bestimmte deshalb den Streitwert nach dem Wert der Forderung, gleichgültig ob diese in ihrem Bestand bestritten waren oder nicht.3 – Demgegenüber stellt das LAG Niedersachsen4 allein darauf ab, mit welchem Antrag der Kläger klagt.5 Gegenstand der Streitwertbemessung ist also nicht der titulierte, sondern der eingeklagte Anspruch.6 Daraus folgt, dass Streitwertprivilegierungen für den gepfändeten, zur Einziehung überwiesenen und eingeklagten Anspruch fortwirken, vor allem also in den Fällen des § 42 GKG.

4452

Dieser zweiten Auffassung ist zuzustimmen, weil der Klageantrag auf Zahlung und nicht auf die Feststellung gerichtet ist, ob ein Pfändungspfandrecht entstanden ist.7 Das OLG Köln8 hat in einer weiteren Entscheidung dafür eine einleuchtende Begründung gegeben:

4453

„Die ,Weitergabe‘ dieser Privilegierung ist gerechtfertigt, weil der in Anspruch genommene Drittschuldner nicht mit einem höheren Kostenrisiko belastet werden soll als in dem Fall, in dem er von einem Gläubiger in Anspruch genommen wird. Die Rechtsnatur des Anspruchs ändert sich durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, der dem Kläger nur ein Einziehungsrecht verleiht, nicht.“

In der Regel werden zudem beide Auffassungen zum selben Bewertungsergebnis führen, da auch nach § 6 ZPO bei unterschiedlichen Werten von Forderung und Pfandrecht nur der geringere Wert anzusetzen ist.9 Streitwertprivilegierungen, die für den Rechtsstreit zwischen dem Schuldner und dem Dritten gelten, sind also zu berücksichtigen. Streitwertprivilegierungen, die nur für die titulierte Forderung gelten, bleiben dagegen außer Betracht. 1 Ausführlich dazu Schneider, MDR 1990, 20. 2 OLG Köln, Rpfleger 1974, 164. 3 Ebenso auch OLG Saarbrücken, KostRsp,. ZPO § 3 Nr. 965 mit Anm. Schneider = JurBüro 1989, 849, allerdings mit reichlich verworrener Begründung. 4 LAG Niedersachsen, JurBüro 1980, 1375. 5 Ebenso OLG München, JurBüro 1985, 1522; LAG Hamm, AnwBl. 1983, 38 = MDR 1983, 170. 6 Schneider, MDR 1990, 20; OLG Köln, JurBüro 1991, 986 = MDR 1991, 899. 7 Schneider, MDR 1990, 20. 8 OLG Köln, Beschl. v. 37.3.1991 – 2 W 46/91, JurBüro 1991, 986 = MDR 1991, 899. 9 S. Schneider, MDR 1982, 271 zu VI 3.

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Pflegekosten 4455

In arbeitsrechtlichen Streitigkeiten führt auch die Sondervorschrift des § 42 Abs. 3 GKG zu Abweichungen, weil dort der Wert des dreijährigen Bezugs Höchstwert ist.1 Handelt es sich um einen gepfändeten und zur Einziehung überwiesenen Lohnanspruch, der eingeklagt wird, dann richtet sich dementsprechend der Streitwert nach § 42 Abs. 3 GKG.2

4456

Würde es sich bei der eingeklagten Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner um einen Darlehensanspruch oder um einen Kaufpreisanspruch handeln, dann ist mangels einer Streitwertprivilegierung der Nennbetrag der Forderung bis zur Höhe des Betrages maßgebend, dessen Zahlung an sich der Gläubiger zur Befriedigung seiner eigenen titulierten Forderung verlangt.

4457

Wird mit einer Drittschuldnerklage nur die Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner bis zur Höhe der dem klagenden Gläubiger zustehenden titulierten Forderung geltend gemacht, dann erhöhen die in der titulierten Hauptforderung mit erfassten Zinsen und Kosten den Streitwert.3 Dabei geht es um die Begrenzung des Gläubigerrechts im Klageantrag.

4458

* Æ Beispiel: Beläuft sich beispielsweise die titulierte Forderung des Gläubigers auf 10.000 Euro nebst 500 Euro Zinsen und 1.000 Euro Kosten, die gepfändete Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner auf 50.000 Euro nebst Zinsen und Kosten, dann bleiben für die Berechnung der Streitwerte beider Forderungen Zinsen und Kosten an sich unberücksichtigt (§§ 43 Abs. 1 GKG, 4 Abs. 2 ZPO). Da der Gläubiger aber nicht berechtigt ist, vom Drittschuldner Zahlung i.H.v. 50.000 Euro an sich zu verlangen, muss er seinen Klageantrag auf den ihm zustehenden titulierten Anspruch beschränken; anderenfalls würde er teilweise abgewiesen. Insoweit stehen ihm aber gegen den Schuldner und kraft der Pfändung und Überweisung auch gegen den Drittschuldner die Zinsen und Kosten zu. Sie erhöhen den Klageantrag im Drittschuldnerprozess auf insgesamt 10.000 + 500 + 1.000 = 11.500 Euro.

Die Summe von Hauptforderung des Gläubigers und den darauf entfallenden Zinsen und Kosten bestimmt solange den Streitwert des Drittschuldnerprozesses, wie sie von der gepfändeten Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner ohne die darauf entfallenden Zinsen und Kosten gedeckt wird. Das entspricht auch dem Grundgedanken des § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG.

Pfändungs- und Überweisungsbeschluss S. das Stichwort „Pfändung“.

Pflegekosten 4459

Werden Pflegekosten wegen der Verletzung aus einem Verkehrsunfall geltend gemacht, dann ist für die Bewertung von den jährlichen Aufwendungen für die Pflege auszugehen, die gem. § 42 Abs. 1 GKG (§ 42 Abs. 2 GKG a.F.) auf den 1 LAG Saarland, JurBüro 1988, 725 – noch zu § 12 Abs. 7 ArbGG. 2 LAG Düsseldorf, JurBüro 1992, 91 – noch zu § 12 Abs. 7 ArbGG. 3 OLG Köln, Beschl. v. 27.3.1991 – 2 W 49/91, JurBüro 1991, 986 = MDR 1991, 899.

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N. Schneider

Pflichtteilsanspruch fünffachen Betrag zu erhöhen sind.1 Hiervon ist dann bei der positiven Feststellungsklage ein Abzug von 20 % zu machen. Das gilt auch dann, wenn der Haftpflichtversicherer mitverklagt wird. Hinzuzurechnen sind die bei Klageeinreichung fälligen Beträge (§ 42 Abs. 4 GKG = § 42 Abs. 5 GKG a.F.).2

4460

Pflichtteilsanspruch A. Zuständigkeitsstreitwert/Gebührenstreitwert I. Leistungsklage Da der Pflichtteilsanspruch stets auf Geldzahlung gerichtet ist, gelten für eine bezifferte Leistungsklage keine Besonderheiten. Der Streitwert entspricht also der bezifferten Summe (§ 3 ZPO).

4461

II. Feststellungsklage Wird lediglich beantragt, ein Pflichtteilsrecht festzustellen, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Wert des halben gesetzlichen Erbteils abzüglich eventueller Vorausempfänger oder anderweitig anzurechnender oder auszugleichender Zuwendungen. Hiervon ist dann je nach den Umständen des Einzelfalls noch ein Feststellungsabschlag vorzunehmen; s. dazu das Stichwort „Feststellungsklage“.

4462

Ist der Pflichtteilsanspruch an sich unstreitig, die Beteiligung als Miterbe am Nachlass aber streitig und wird auf Feststellung der Erbberechtigung geklagt, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Wert des halben Erbteils;3 der Wert des unstreitigen Pflichtteilsanspruchs des Klägers ist also von dem Wert des von ihm beanspruchten Nachlassvermögens abzuziehen.

4463

III. Isolierte Auskunftsklage Wird Auskunft oder die Vorlage eines Vermögensverzeichnisses nach § 2314 BGB oder Abgabe einer eidesstattliche Versicherung verlangt, so ist zu berücksichtigen, dass diese Ansprüche die Zahlungsklage nur vorbereiten und ihr nicht gleichgesetzt werden können, da sie im Falle der Verurteilung nicht volle Befriedigung sichern. ihr Wert stellt deshalb nur einen Bruchteil des Anspruches dar, dessen Geltendmachung er erleichtern soll.4 S. dazu das Stichwort „Auskunftsanspruch“. 1 OLG Schleswig, JurBüro 1971, 539. 2 OLG Schleswig, JurBüro 1971, 539. 3 BGH, Beschl. v. 15.1.1975 – IV ZR 124/73, JurBüro 1975, 460 = MDR 1975, 389 = Rpfleger 1975, 127 = Warneyer, 1975, Nr. 7. 4 OLG Schleswig, Beschl. v. 22.4.1958 – 5 W 35/58, JurBüro 1959, 169; RG, JW 1933, 2769.

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4464

Pflichtteilsanspruch 4465

Der Auskunftsanspruch ist in der Regel mit 10 %–20 % des (ggf. nach § 3 ZPO zu schätzenden) Leistungsinteresses zu bewerten.1

4466

Der Wert eines Auskunftsanspruchs (Stufenklage) bei einem der Höhe nach unbekannten Nachlass kann im Regelfall auf 1/4 bis 1/8 des geschätzten Wertes festgesetzt werden.2

IV. Stufenklage auf Auskunft und Zahlung 4467

Werden der Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB und der Pflichtteilsanspruch im Wege der Stufenklage geltend gemacht, – so gilt für den Zuständigkeitsstreitwert § 5 ZPO. Auskunfts- und Zahlungsantrag sind zu addieren (str., s. das Stichwort „Stufenklage“) und – so ist für den Gebührenstreitwert jeder Anspruch zunächst gesondert zu bewerten. Soweit die Gebühren nach Auskunft und Zahlung entstehen, gilt § 44 GKG, wonach nur der höchste der verbundenen Ansprüche, regelmäßig also der Zahlungsanspruch, maßgebend ist. In beiden Fällen ist der Leistungsanspruch zunächst auf der Grundlage des Vorbringens des Anspruchstellers zu schätzen.3

4468

Stellt sich nach Auskunftserteilung heraus, dass der Leistungsanspruch geringer ist, oder besteht er gar nicht, gilt bis zur Einreichung des spezifizierten Leistungsantrags der Wert des anfänglich Erwarteten. Der Wert ist nachträglich zu erhöhen, wenn sich nach Erteilung der Auskunft herausstellt, dass der Kläger weit höhere Ansprüche hat. In diesem Fall gilt nach § 44 GKG wieder nur der höhere Wert.

4469

Unzutreffend ist die Auffassung, die Gerichtsgebühr und die Verfahrensgebühr des Anwalts für eine sog. „stecken gebliebene Stufenklage“ bestimme sich nicht nach dem Wert des erwarteten – unbezifferten – Leistungsanspruchs, sondern nach demjenigen der Auskunft.4 Bei der Stufenklage wird mit Erhebung der Klage nicht nur der geltend gemachte Auskunftsanspruch (1. Stufe), sondern sogleich die Klage zu allen Stufen rechtshängig. Damit ist sie bereits Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens und Streitgegenstand i.S. des § 3 GKG. Sie ist auch Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 RVG. Folglich ist nach § 44 GKG der höhere Wert anzusetzen. Der Streitwert wird nicht geringer, wenn bereits mit der Entscheidung zur Auskunftsstufe die weiter gehende Klage abgewiesen wird.5

4470

Da die Gerichtsgebühren und die Verfahrensgebühr des Anwalts durch jede Handlung ausgelöst wird, also bereits schon durch Einreichung des unbezifferten Klageantrags, sind beide Gebühren damit nach dem hohen Wert angefallen. 1 2 3 4

OLG Schleswig, Beschl. v. 31.7.2001 – 3 W 46/01, JurBüro 2002, 80. OLG Koblenz, Beschl. v. 28.10.1996 – 5 W 659/96, AGS 1997, 132. Madert, Rn. 442. OLG Dresden, Beschl. v. 21.2.1997 – 7 W 107/97, MDR 1997, 691 (Anschluss OLG Schleswig, Beschl. v. 28.3.1995 – 13 WF 164/94, MDR 1995, 642); OLG Stuttgart, FamRZ 2005, 1765. 5 KG, MDR 2008, 45; OLG Stuttgart, FamRZ 2008, 533; OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 71; OLG Köln, AGS 2005, 451; OLG Nürnberg, FamRZ 2004, 962; OLG Celle, FamRZ 1997, 99.

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Pflichtteilsergänzungsanspruch Etwas anderes kann lediglich für sonstige Gebühren gelten, etwa für die Terminsgebühr. Bei einer „stecken gebliebenen Stufenklage“ wird sich die Terminsgebühr in aller Regel nur nach dem Wert der Auskunft richten, da i.d.R. über die zweite Stufe nicht verhandelt oder erörtert worden ist.

4471

Gleiches gilt, wenn nur über die erste Stufe, die Auskunft, eine Einigung erzielt worden ist und dann später die zweite Stufe nicht weiter verfolgt wird. Dann entsteht die Einigungsgebühr nur aus dem geringeren Wert.

4472

B. Rechtsmittelstreitwert Legt der Beklagte Berufung ein gegen seine Verurteilung, dem pflichtteilsergänzungsberechtigten Kläger Auskunft über den Wert von Grundbesitz durch Vorlage des Wertgutachtens eines vereidigten Sachverständigen zu erteilen, dann kann sein Abwehrinteresse betragsmäßig nicht geringer sein als die voraussichtlichen Kosten des Wertgutachtens.1

4473

Ist der Beklagte verurteilt worden, den Wert des dem Kläger zustehenden Auseinandersetzungsguthabens durch einen Wirtschaftsprüfer ermitteln zu lassen, dann ist der Streitwert des Abwehrinteresses seiner Berufung gleich dem voraussichtlichen Vergütungsanspruch des Wirtschaftsprüfers.

4474

Wird gegen eine Verurteilung zur Auskunft bzw. Rechnungslegung Rechtsmittel eingelegt, so bemisst sich der Wert des Beschwerdegegenstandes grundsätzlich allein nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert.2

4475

Bei der Beschwer können auch die Kosten eines zur Auskunftserteilung hinzuzuziehenden Anwalts zu berücksichtigen sein. Wer zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verurteilt ist, ist nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die erteilte Auskunft auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen und ggf. zu ergänzen und zu berichtigen. Dabei kann dem verurteilten Beklagten die Einschaltung eines Rechtsanwalts nicht verwehrt werden, wenn der Urteilsausspruch nicht hinreichend bestimmt genug ist, sodass Zweifel über seinen Inhalt und Umfang im Vollstreckungsverfahren zu klären sind, oder wenn die sorgfältige Erfüllung des titulierten Anspruchs Rechtskenntnisse voraussetzt. Ist nach diesen Grundsätzen die Einschaltung eines Anwalts geboten, so sind die dafür aufzuwendenden Kosten bei der Bemessung der Berufungsbeschwer des Verurteilten jedenfalls zu berücksichtigen.3

4476

Pflichtteilsergänzungsanspruch Es gelten hier dieselben Grundsätze wie beim Pflichtteilsanspruch (s. Rn. 4461 ff.).

4477

Wird neben dem Pflichtteilsanspruch auch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend gemacht, sind die Werte beider Ansprüche sowohl beim Zuständig-

4478

1 BGH, Beschl. v. 10.6.1991 – II ZR 66/91, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1042; BGH, Beschl. v. 1.4.1987 – IVa ZB 4/87, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 866 mit Anm. E. Schneider. 2 OLG Köln, Beschl. v. 16.1.1997 – 1 U 63/96, JurBüro 1998, 261. 3 BGH, Beschl. v. 29.11.1995 – IV ZB 19/95, WM 1996, 466 = ZEV 1996, 194.

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Pflichtteilsrestanspruch keitsstreitwert (§ 5 ZPO) als auch beim Gebührenstreitwert (§ 39 Abs. 1 GKG, § 22 Abs. 1 RVG) zu addieren.

Pflichtteilsrestanspruch 4479

Ist ein pflichtteilsberechtiger Miterbe vom Erblaser nicht „ausreichend“ bedacht worden, steht ihm nach § 2305 BGB ein Pflichtteilsrestanspruch zu. Der Anspruch ist auf die Differenz zwischen dem Wert des zugewandten Erbteils und dem Wert des Pflichtteils gerichtet.

4480

Wird neben dem Pflichtteilsrestanspruch auch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend gemacht, sind die Werte beider Ansprüche sowohl beim Zuständigkeitsstreitwert (§ 5 ZPO) als auch beim Gebührenstreitwert (§ 39 Abs. 1 GKG, § 22 Abs. 1 RVG) zu addieren.

Positive Beschlussfeststellungsklage 4481

Mit der Anfechtungsklage und der Nichtigkeitsklage kann der angestrebte rechtmäßige Beschluss der Gesellschafter nicht erzwungen werden. Gegen einen ablehnenden Beschluss ist daher im Verhältnis zur Gesellschaft zusätzlich zur Anfechtungsklage eine sog. positive Beschlussfeststellungsklage erforderlich. Das Gericht ersetzt bei Obsiegen dann den ablehnenden Beschluss durch den rechtmäßigen.

4482

Der Streitwert wird in diesem Fall analog § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien berechnet, nach – angreifbarer – herrschender Ansicht jedoch ohne Anwendung des § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG.1

Postentgeltpauschale I. Überblick 4483

Nach Nr. 7002 VV RVG kann der Anwalt die im Rahmen eines Mandats anfallenden Kosten für Post- und Telekommunikationsentgelte nach Nr. 7002 VV RVG pauschal abrechnen. Voraussetzung ist, dass zumindest 1 Cent an Post- und Telekommunikationsentgelten angefallen ist.

4484

Bei dieser Pauschale handelt es sich zwar um einen Auslagentatbestand. Dieser ist jedoch wertabhängig. Maßgebend ist der Wert der gesetzlichen Nettogebühren. Davon beträgt die Pauschale 20 %, höchstens jedoch 20 Euro.

* Æ Beispiel: Der Anwalt legt gegen einen Mahnbescheid über 3.000 Euro Widerspruch ein. Da die Gebühr unter 100 Euro liegt, sind die vollen 20 % abzurechnen. 1 Gegen die h.A. Scholz/K. Schmidt, Kommentar zum GmbHG, 9. Aufl. 2000, § 45 Rn. 153 m.w.N.

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Postentgeltpauschale 1. 0,5-Mahnverfahrensgebühr, Nr. 3307 VV RVG (Wert: 3.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamtsumme

94,50 Euro 18,90 Euro 113,40 Euro 21,55 Euro 134,95 Euro

* Æ Beispiel: Der Anwalt wird nach einem Wert von 3.000,00 Euro außergerichtlich tätig und rechnet eine 1,3.Geschäftsgebühr ab. Da die Gebühr über 100 Euro liegt, greift die Begrenzung auf 20 Euro. I. Außergerichtliche Vertretung 1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 3.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamtsumme

245,70 Euro 20,00 Euro 265,70 Euro 50,48 Euro 316,18 Euro

II. Anrechnungsfälle In Anrechnungsfällen richtet sich das für die Berechnung der Postentgeltpauschale maßgebliche Gebührenaufkommen aus den gesetzlichen Gebühren vor Anrechnung und nicht aus einem nach Anrechnung verbleibenden rechnerischen Differenzbetrag, selbst wenn nach Anrechnung keine Gebühren verbleiben.1 Diese Rechtslage ist nach Einführung des § 15a RVG zwischenzeitlich eindeutig, da die Gebühren unbeschadet einer Anrechnung selbständig sind.

* Æ Beispiel: Der Anwalt ist außergerichtlich beauftragt, eine Forderung i.H.v. 3.000 Euro abzuwehren. Angemessen ist eine 1,0-Geschäftsgebühr. Anschließend ergeht ein Mahnbescheid, gegen den der Anwalt Widerspruch einlegt. Die 0,5-Gebühr im Mahnverfahren beträgt 94,50 Euro. Zwar geht sie infolge der Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG letztlich unter; dennoch bleibt ihr Wert maßgebend für die Berechnung der Postentgeltpauschale. I. Außergerichtliche Vertretung 1. 1,0-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 3.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamtsumme II. Mahnverfahren 1. 0,5-Mahnverfahrensgebühr, Nr. 3307 VV RVG (Wert: 3.000 Euro) 2. anzurechnen gem. Vorbem 3 Abs. 4 VV RVG, 0,5 aus 3.000 Euro 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG (Wert: 94,50 Euro) Zwischensumme 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamtsumme

189,00 Euro 20,00 Euro 209,00 Euro 39,71 Euro 248,71 Euro

94,50 Euro – 94,50 Euro 18,90 Euro 18,90 Euro 3,59 Euro 22,49 Euro

1 AG Kassel, Beschl. v. 26.7.2006 – 451 C 4969/05, AGS 2007, 133 = JurBüro 2006, 592; AnwK-RVG/N. Schneider, Nrn. 7001–7002 Rn. 36 ff.

N. Schneider

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4485

Prätendentenstreit

III. Prozesskostenhilfe 4486

Im Rahmen der Prozesskostenhilfe sind für die Bemessung der Postentgeltpauschale die gesetzlichen Gebührenbeträge des § 13 RVG heranzuziehen, nicht die ggf. geringeren Beträge nach § 49 RVG.1

* Æ Beispiel: In einer Zwangsvollstreckungssache (Gegenstandwert: 6.000 Euro) wird der Anwalt im Rahmen der PKH beigeordnet. Obwohl die PKH-Verfahrensgebühr hier unter 100 Euro liegt, erhält der Anwalt die volle Pauschale, da die gesetzliche Gebühr über 100 Euro liegt: 1. 0,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3309 VV RVG, § 49 RVG (Wert: 6.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG (20 % aus 101,40 Euro) Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamtsumme

67,50 Euro 20,00 Euro 87,50 Euro 16,63 Euro 104,13 Euro

IV. Beratungshilfe 4487

Anders verhält es sich im Rahmen der Beratungshilfe. Hier gibt es keine „gesetzlichen Gebühren“. Daher ist hier auf die Beratungshilfegebühren abzustellen und nicht auf die fiktiven gesetzlichen Gebühren.2

* Æ Beispiel: Der Anwalt wird im Rahmen der Beratungshilfe mit einer Vertretung beauftragt. Der Anwalt erhält eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV RVG i.H.v. 70 Euro. Daher beträgt die Pauschale nur 14 Euro, unabhängig davon, wie hoch sich die gesetzlichen Gebühren belaufen hätten.

Prätendentenstreit 4488

Bei Streit zwischen Abtretungsgläubiger und Pfändungsgläubiger über den vom Drittschuldner hinterlegten pfändbaren Teil der Lohnforderung des Schuldners bestimmt sich der Streitwert nach der geringerwertigen Forderung.3

4489

Streiten die Parteien darüber, wem der von einem Dritten geschuldete Betrag nebst Zinsen zusteht, so bilden Hauptsumme und Zinsbetrag den Streitwert.4 S. auch das Stichwort „Hinterlegung“.

1 Zuletzt OLG Nürnberg, Beschl. v. 13.10.2009 – 6 W 377/09, AGS 2010, 137 = JurBüro 2010, 40; AnwK-RVG/N. Schneider, Nr. 7001–7002 Rn. 48. 2 OLG Celle, Beschl. v. 9.12.2008 – 2 W 266/08, AGS 2009, 189 = NJW-Spezial 2009, 285; KG, RVGreport 2008, 433; OLG Hamm, Beschl. v. 11.9.2008 – 23 W 72/08, FamRZ 2009, 721; OLG Dresden, Beschl. v. 11.9.2008 – 3 W 932/08, AGS 2008, 559 = MDR 2009, 414; OLG Bamberg, Beschl. v. 29.8.2007 – 4 W 74/07, JurBüro 2007, 645. 3 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1964, 107. 4 OLG Zweibrücken, JurBüro 1965, 1007.

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Kurpat

Prozesskostenhilfe

Provision Eine ausdrückliche Regelung zur Berücksichtigung von Provisionsansprüchen in der Streitwertberechnung findet sich für den Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert in § 4 Abs. 2 ZPO. Danach ist bei Ansprüchen aus Wechseln die außerhalb der Wechselsumme geforderte Provision als Nebenforderung anzusehen. Sie findet daher bei der Streitwertberechnung keine Berücksichtigung.

4490

Dies gilt in analoger Anwendung auch für sonstige Ansprüche auf Provisionszahlung, die neben der Hauptforderung und in Abhängigkeit von dieser gefordert werden: – So bleibt beispielsweise beim Selbsthilfeverkauf die eigene Provision des Verkäufers streitwertmäßig unberücksichtigt.1 – Der Streitwert eines Rechtsstreits zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen geht auch dann nicht über den vereinbarten Höchstbetrag der Bürgschaft hinaus, wenn Gegenstand des Rechtsstreits auch die Zinsen, Provisionen und Spesen der Bürgschaftssumme sind, für die sich der Bürge zusätzlich verbürgt hatte.2

4491

Prozesskostenhilfe Gliederungsübersicht Rn. A. Gerichtskosten . . . . . . . . . . 4492 B. Beschwer . . . . . . . . . . . . . 4498 C. Gegenstandswert der Anwaltsgebühren I. Überblick . . . . . . . . . . . . . II. Verfahren nach § 118 ZPO auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe 1. Grundsatz: Hauptsachewert . . . 2. Mehrere Verfahren . . . . . . . . 3. Prozesskostenhilfe nur für einen Teil der Hauptsache . . . . . . . 4. Prozesskostenhilfe für den Mehrwert eines Vergleichs in der Hauptsache . . . . . . . . . . 5. Mehrwertvergleich im Prozesskostenhilfe-Bewilligungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bloßer Antrag auf Beiordnung . . IV. Aufhebungsverfahren nach § 124 Nr. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . V. Aufhebungsverfahren nach § 124 Nr. 2 bis 4 ZPO . . . . . . . . . .

4500

4511 4513 4515

4516

4518 4519

Rn. VI. Abänderungsverfahren nach § 120 Abs. 4 ZPO . . . . . . . . VII. Beschwerdeverfahren 1. Beschwerde gegen Versagung der Prozesskostenhilfe . . . . . 2. Beschwerde gegen unterbliebene Beiordnung . . . . . . . . 3. Beschwerde gegen eingeschränkte Beiordnung . . . . . 4. Beschwerde gegen Anordnung einer Ratenzahlung . . . . . . . 5. Beschwerde gegen Höhe der Ratenzahlung . . . . . . . . . . 6. Beschwerde gegen die Abänderung der Ratenzahlung . . . . . 7. Beschwerde gegen Aufhebung nach § 120 Nr. 1 ZPO . . . . . 8. Beschwerde gegen Aufhebung nach § 120 Nr. 2 bis 4 ZPO . . VIII. Rechtsbeschwerde . . . . . . . IX. Vergütungsfestsetzung . . . . .

4530

4531 4535 4536 4537 4540 4543 4545 4546 4548 4549

4521

D. Die Wertfestsetzung . . . . . . 4550

4524

E. Nachfolgendes Hauptsacheverfahren . . . . . . . . . . . . . . 4552

1 RGZ 33, 408. 2 BGH, WM 1956, 889; BGH, MDR 1958, 765.

N. Schneider

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Prozesskostenhilfe

A. Gerichtskosten 4492

In den Verfahren über die Bewilligung, Abänderung oder Aufhebung der Prozesskostenhilfe entstehen keine Gerichtsgebühren.

4493

Das gilt auch dann, wenn in diesen Verfahren ein Vergleich mit Mehrwert geschlossen wird. Die Vergleichsgebühr der Nr. 1900 KV GKG ist in diesem Fall ausdrücklich nach Anm. zu Nr. 1900 KV GKG ausgeschlossen.

4494

In Beschwerdeverfahren wird zwar eine Gerichtsgebühr erhoben; diese richtet sich jedoch nicht nach dem Wert. Es entsteht vielmehr nach Nr. 1812 KV GKG bei Verwerfung oder Zurückweisung der Beschwerde eine Festgebühr i.H.v. 50 Euro, die bei nur teilweiser Verwerfung oder Zurückweisung auf die Hälfte reduziert werden oder völlig entfallen kann (Anm. zu Nr. 1812 KV GKG).

4495

Im Verfahren über die Rechtsbeschwerde wird nach Nr. 1826 KV GKG bei Verwerfung oder Zurückweisung der Beschwerde eine Festgebühr von 100 Euro erhoben, die bei nur teilweiser Verwerfung oder Zurückweisung auf 50 Euro reduziert werden oder völlig entfallen kann (Anm. zu Nr. 1826 KV GKG). Im Falle einer Rücknahme ist die Gebühr auf 50 Euro zu ermäßigen (Nr. 1827 KV GKG).

4496

Auch in Verfahren auf Festsetzung der Prozesskostenhilfe-Vergütung werden keine Gerichtsgebühren erhoben.

4497

Eine Wertfestsetzung von Amts wegen für die Gerichtsgebühren kommt daher in keinem Fall in Betracht.1

B. Beschwer 4498

Beschwerden und Rechtsbeschwerden in Verfahren über die Bewilligung, Abänderung oder Aufhebung von Prozesskostenhilfe sind unabhängig von der Höhe der Beschwer zulässig, sodass es auch nicht der Festsetzung eines Beschwerdewertes bedarf. Das Erreichen eines bestimmten Werts ist nur insoweit von Bedeutung, als ggf. die Hauptsache rechtsmittelfähig sein muss.

4499

Lediglich im Beschwerdeverfahren gegen die Vergütungsfestsetzung ist eine Beschwer von mehr als 200 Euro erforderlich, wenn die Beschwerde nicht ohnehin zugelassen ist (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG), sodass hier ggf. eine Wertfestsetzung zur Zulässigkeit des Rechtsmittels in Betracht kommt.

C. Gegenstandswert der Anwaltsgebühren I. Überblick 4500

Im Gegensatz zu den Gerichtsgebühren kann die anwaltliche Tätigkeit in Verfahren auf Bewilligung, Aufhebung und Abänderung der Prozesskostenhilfe Gebühren auslösen, nämlich dann, – wenn der Anwalt ausschließlich in diesen Verfahren über die Prozesskostenhilfe beauftragt wird oder – seit Abschluss der Hauptsache mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind (§ 15 Abs. 5 Satz 2 RVG), s. unten Rn. 4504, 4529. 1 OLG Celle, Beschl. v. 12.7.1955 – 3 W 94/55, JurBüro 1955, 406 = Nds.Rpfl. 1955, 228.

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N. Schneider

Prozesskostenhilfe Die Vergütung ergibt sich dann aus den Nrn. 3335, 3337, Vorbem. 3.3.6 i.V.m. Nr. 3104 VV RVG. Diese Gebühren richten sich nach dem Gegenstandswert (§ 2 Abs. 1 RVG).

4501

Wird der Anwalt von vornherein mit der Hauptsache beauftragt, entstehen gem. § 16 Nr. 2 RVG nur die Gebühren der Hauptsache.

4502

Eine Ausnahme gilt allerdings dann, wenn nach Erledigung des Verfahrens mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind. Dies wird insbesondere der Fall sein, wenn nach mehr als zwei Kalenderjahren seit Abschluss des Verfahrens gem. § 120 Abs. 1, 4 ZPO eine Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse stattfindet. Der Anwalt kann dann wiederum eine gesonderte Vergütung nach Nr. 3335 VV RVG verlangen.

4503

Ist der Anwalt zunächst im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren tätig und kommt es später zur Hauptsache, gilt ebenfalls § 16 Nr. 2 RVG. Die Gebühren des Prozesskostenhilfeverfahrens gehen in den höheren Gebühren der Hauptsache auf.1

4504

Wird nur teilweise Prozesskostenhilfe bewilligt, greift § 16 Nr. 2 RVG nur hinsichtlich des bewilligten Teils. Im Übrigen bleibt dem Anwalt die Vergütung aus dem überschießenden Wert des Prozesskostenhilfeverfahrens erhalten, sodass es eines Gegenstandswertes bedarf.

4505

Auch in einem Beschwerdeverfahren erhält der Anwalt wertabhängige Gebühren und zwar nach den Nrn. 3500, 3513 VV RVG.

4506

Im Verfahren über eine Rechtsbeschwerde entstehen ebenfalls wertabhängige Gebühren, nämlich nach den Nrn. 3502, 3516 VV RVG.

4507

Für diese Gebühren muss das Gericht auf Antrag eines Beteiligten den Gegenstandswert festsetzen. Die Festsetzung erfolgt nur auf Antrag im Verfahren nach § 33 RVG. Eine Festsetzung von Amts wegen ist unzulässig. Folgende Verfahren kommen hier in Betracht: – das Bewilligungsverfahren nach § 118 ZPO; – die Verfahren auf Aufhebung der Bewilligung, wenn – die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat (§ 124 Nr. 1 ZPO); – die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hat (§ 124 Nr. 2 ZPO); – die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben und seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens noch nicht vier Jahre vergangen sind (§ 124 Nr. 3 ZPO); – die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist (§ 124 Nr. 4 ZPO). 1 Im Ergebnis ebenso, allerdings davon ausgehend, dass die Gebühren wegfallen: BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – I ZR 142/06, AGS 2008, 435 = FamRZ 2008, 982.

N. Schneider

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4508

Prozesskostenhilfe – das Abänderungsverfahren nach § 120 Abs. 4 ZPO, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. 4509

Der Gegenstandswert für die Rechtsanwaltsgebühren im erstinstanzlichen Bewilligungs-, Aufhebungs- oder Abänderungsverfahren bemisst sich gem. Anm. Abs. 1 zu Nr. 3335 VV RVG. Danach bestimmt sich der Wert – im Verfahren über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe oder die Aufhebung der Bewilligung nach § 124 Nr. 1 ZPO nach dem für die Hauptsache maßgebenden Wert (Anm. Abs. 1, 1. Halbs. zu Nr. 3335 VV RVG); – im Übrigen ist der Gegenstandswert nach dem Kosteninteresse gem. billigem Ermessen zu bestimmen (Anm. Abs. 1, 2. Halbs. zu Nr. 3335 VV RVG).

4510

Im Beschwerdeverfahren ergibt sich der Gegenstandswert aus § 23 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 RVG, wobei hier auf Anm. Abs. 1 zu Nr. 3335 VV RVG zurückgegriffen werden kann. Einzelheiten sind hier strittig.

II. Verfahren nach § 118 ZPO auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe 1. Grundsatz: Hauptsachewert 4511

Im Verfahren über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe richtet sich der Gegenstandswert nach dem für die Hauptsache maßgebenden Wert (Anm. Abs. 1, Halbs. 1, 1. Alt. zu Nr. 3335 VV RVG). Insoweit kann die Rechtsprechung zur früheren Regelung des § 51 Abs. 2 BRAGO übernommen worden.

* Æ Beispiel: Der Rechtsanwalt beantragt für seinen Mandanten Prozesskostenhilfe für eine Klage i.H.v. 5.000 Euro. Die Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt und dem Anwalt auch kein Hauptsacheauftrag erteilt. Der Gegenstandswert bestimmt sich im Prozesskostenhilfe-Bewilligungsverfahren gem. Anm. Abs. 1 zu Nr. 3335 VV RVG nach dem Wert der Hauptsache und beträgt 5.000 Euro. Der Rechtsanwalt kann vom Mandanten für seine Tätigkeit eine 1,0Verfahrensgebühr nach Nr. 3335 VV RVG aus diesem Wert beanspruchen.

* Æ Beispiel: Der Rechtsanwalt beantragt für seinen Mandanten Prozesskostenhilfe für eine Zwangsvollstreckung aus einem Urteil über 5.000 Euro nebst Zinsen. Die Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt. Der Gegenstandswert bestimmt sich wiederum gem. Anm. Abs. 1 zu Nr. 3335 VV RVG nach dem Wert der Hauptsache. Dieser Wert richtet sich jetzt nach § 25 Nr. 1 RVG und beläuft sich auf den Wert der Hauptsache zuzüglich aufgelaufener Zinsen. Der Rechtsanwalt kann eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3335 VV RVG aus diesem Wert beanspruchen.

4512

Das Interesse an der Befreiung von Prozesskosten ist unerheblich. Daher kommt es insbesondere nicht darauf an, ob die Prozesskosten geringer sind als die Hauptsache. Ebenso wenig spielt es für den Gegenstandswert eine Rolle, ob die Prozesskosten höher sind als die Hauptsache. Der Wert der Hauptsache bleibt auch dann maßgebend, wenn die Kosten höher liegen. Auch dann, wenn lediglich Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlung beantragt ist oder mit der Maßgabe, dass die Partei einen Teil ihres Vermögens einzusetzen 948

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N. Schneider

Prozesskostenhilfe hat oder aus einem durch den Rechtsstreit erzielten Erlös die Prozesskosten später zurückzahlen soll, bleibt es beim Wert der Hauptsache.1 Auch die Höhe der Raten ist unerheblich. 2. Mehrere Verfahren Mehrere Verfahren auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe betreffend dieselbe Hauptsache zählen nach § 16 Nr. 3 RVG als eine Angelegenheit. Daher ist in diesen Verfahren gem. § 22 Abs. 1 RVG nur ein (Gesamt-)Wert festzusetzen.

4513

* Æ Beispiel: Der Rechtsanwalt beantragt für seinen Mandanten Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Zahlung von drei Mieten zu jeweils 1.500 Euro. Die Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt. Später wird ein neuer Antrag über dieselben Mieten eingereicht. Die Prozesskostenhilfe wird erneut abgelehnt. Es liegt nur eine Angelegenheit vor. Der Gegenstandswert beläuft sich zwar für jeden Antrag auf 1.500 Euro (Anm. Abs. 1 zu Nr. 3335 VV RVG). Insgesamt ist jedoch wegen wirtschaftlicher Identität nicht zu addieren. Der Gesamtwert nach § 22 Abs. 1 RVG beträgt 1.500 Euro.

* Æ Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel; jedoch bezieht sich der zweite Antrag auf die ursprünglichen drei Mieten und zwei weitere Mieten. Auch jetzt liegt nach § 16 Nr. 3 RVG nur eine Angelegenheit vor. Der Gegenstandswert beläuft sich gem. Anm. Abs. 1 zu Nr. 3335 VV RVG i.V.m. § 22 Abs. 1 RVG auf insgesamt 2.500 Euro.

Mehre Verfahren betreffend verschiedene Gegenstände bzw. Hauptsacheverfahren sind dagegen eigene Angelegenheiten und daher gesondert zu bewerten.

4514

* Æ Beispiel: Der Anwalt beantragt Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Rückzahlung nicht verbrauchter Nebenkostenvorauszahlungen. Der Antrag wird zurückgewiesen. Später beantragt er Prozesskostenhilfe für die Verteidigung gegen eine Räumungsklage. Jetzt liegen zwei Angelegenheiten vor. Die Regelung des § 16 Nr. 3 RVG greift nicht. Der Anwalt erhält die Gebühren gesondert. Daher sind auch zwei Werte festzusetzen.

3. Prozesskostenhilfe nur für einen Teil der Hauptsache Mit dem „Wert der Hauptsache“ gemeint ist die Hauptsache, soweit sich der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe darauf bezieht. Wird die Prozesskostenhilfe nur für einen Teil der Hauptsache beantragt (etwa nur für die Widerklage, nicht auch für die Klageabwehr, weil insoweit Rechtsschutz besteht), so ist auch nur dieser Teilwert maßgebend.

* Æ Beispiel In einem Verkehrsunfallprozess wird der Anwalt vom Haftpflichtversicherer beauftragt, diesen, den Halter sowie den Fahrer zu vertreten. Der bedürftige Fahrer möchte Widerklage auf Schmerzensgeld erheben und beauftragt den Anwalt, dafür Prozesskostenhilfe zu beantragen, die jedoch abgelehnt wird. Der Gegenstandswert des Prozesskostenhilfeverfahrens berechnet sich nur nach dem Wert der angestrebten Widerklage. 1 OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.4.1962 – 4 W 14/62, JurBüro 1962, 345.

N. Schneider

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4515

Prozesskostenhilfe 4. Prozesskostenhilfe für den Mehrwert eines Vergleichs in der Hauptsache 4516

Wird der Anwalt beauftragt, für den Mehrwert eines (beabsichtigten) Vergleichs Prozesskostenhilfe zu beantragen, und wird die Prozesskostenhilfe auch für den Abschluss des Vergleichs bewilligt, gilt wiederum § 16 Nr. 2 RVG, sodass keine Gebühren im Bewilligungsverfahren anfallen.

4517

Wird die Prozesskostenhilfe dagegen abgelehnt, entsteht insoweit die Gebühr nach Nr. 3335 VV RVG und, wenn der Antrag in der mündlichen Verhandlung gestellt wird, auch die Terminsgebühr nach Vorbem 3.3.6 i.V.m. Nr. 3104 VV RVG. Der Gegenstandswert richtet sich nach dem Wert der Hauptsache, also nach dem Wert der Ansprüche, auf die sich der (beabsichtigte) Vergleich erstreckt.

* Æ Beispiel: Der Rechtsanwalt ist seinem Mandanten im Wege der Prozesskostenhilfe für eine Klage i.H.v. 5.000 Euro beigeordnet worden. Die Parteien wollen sodann einen schriftlichen Vergleich über die 5.000 Euro sowie weitere nicht anhängige 3.000 Euro schließen und beantragen dafür die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, die jedoch nicht bewilligt wird, sodass der Vergleich auch nicht geschlossen wird. Es wird sodann über die 5.000 Euro verhandelt und entschieden. Aus dem Mehrwert entsteht jetzt eine 1,0-Verfahrensgebühr. Der Gegenstandswert für das Bewilligungsverfahren beläuft sich auf 3.000 Euro. Bei der Abrechnung ist allerdings § 15 Abs. 3 RVG zu beachten. Zu rechnen ist wie folgt: 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 5.000 Euro) 2. 1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 3335 VV RVG (Wert: 3.000 Euro) gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,3 aus 8.000 Euro 3. abzüglich 1,3-Verfahrensgebühr aus 5.000,00 Euro, da insoweit Prozesskostenhilfe bewilligt (§ 122 Nr. 3 ZPO) Zwischensumme 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

391,30 Euro 189,00 Euro 535,60 Euro

– 391,30 Euro 144,30 Euro 27,42 Euro 171,72 Euro

5. Mehrwertvergleich im Prozesskostenhilfe-Bewilligungsverfahren 4518

Wird im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren ein Vergleich über weiter gehende Gegenstände geschlossen, für deren Durchsetzung keine Prozesskostenhilfe beantragt war, erhöht sich der Wert des Gegenstands. Soweit aus dem Mehrwert nur die ermäßigte Verfahrensgebühr der Nr. 3337 VV RVG oder die erhöhte Einigungsgebühr der Nr. 1000 VV RVG anfällt, muss dieser Mehrwert gesondert ermittelt werden.

* Æ Beispiel: Der Rechtsanwalt beantragt für seinen Mandanten Prozesskostenhilfe für eine Klage i.H.v. 5.000 Euro. Die Parteien schließen sodann im Prozesskostenhilfeverfahren einen schriftlichen Vergleich über die 5.000 Euro sowie über weitere nicht anhängige 3.000 Euro. Die Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt. Der Gegenstandswert beläuft sich auf 8.000 Euro, wobei sich 5.000 Euro auf den Gegenstand des Antrags beziehen und 3.000 Euro auf den Mehrwert.

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N. Schneider

Prozesskostenhilfe Abzurechnen ist wie folgt:1 1. 1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 3335 VV RVG (Wert: 5.000 Euro) 2. 0,5-Verfahrensgebühr, Nr. 3335, 3337 VV RVG (Wert: 3.000 Euro) (die Höchstgrenze des § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als 1,0 aus 8.000 Euro = 412,00 Euro, ist nicht erreicht) 3. 1,0-Einigungsgebühr, Nr. 1000, 1003 VV RVG (Wert: 5.000 Euro) 4. 1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV RVG (Wert: 3.000 Euro) (die Höchstgrenze des § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als 1,5 aus 8.000 Euro = 618 Euro, ist nicht erreicht) 5. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 6. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

301,00 Euro 94,50 Euro

301,00 Euro 283,50 Euro

20,00 Euro 1.000 Euro 190,00 Euro 1.190,00 Euro

III. Bloßer Antrag auf Beiordnung Ist die Prozesskostenhilfe bereits bewilligt und beantragt der Anwalt für den Auftraggeber lediglich seine Beiordnung, ist fraglich, ob der volle Hauptsachewert anzusetzen ist. Dagegen spricht, dass es sich nicht um ein Bewilligungsverfahren im eigentlichen Sinne handelt; es werden hier nämlich weder die Erfolgsaussicht noch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse geprüft. Daher könnte man gem. Anm. Abs. 1, Halbs. 2 zu Nr. 3335 VV RVG auf das Kosteninteresse abstellen, also auf die Höhe der voraussichtlichen Wahlanwaltsvergütung, von der der Antragsteller nach § 122 Nr. 3 ZPO befreit werden will. Von den Gerichtskosten ist er bereits befreit (§ 122 Nr. 1 ZPO). Der BGH2 hat dagegen in einem Beschwerdeverfahren (s. unten Rn. 4535) den vollen Wert der Hauptsache angenommen. Er hat dies damit begründet, dass der Antragsteller mit dem Antrag auf Beiordnung geltend mache, ohne die Beiordnung eines Anwalts nicht in der Lage zu sein, seine Rechte wahrzunehmen. Daher gehe es ihm also mit dem Beiordnungsantrag nicht (nur) um die Kosten, sondern um die Durchsetzung seiner Rechte.

4519

Bedeutung hat diese Fallgruppe zum einen in dem selteneren Fall, dass die Partei selbst Prozesskostenhilfe beantragt hat und dann später einen Anwalt beauftragen will, der zunächst seine Beiordnung beantragen soll. Größere Bedeutung hat sie bei dem Antrag auf Beiordnung eines anderen Anwalts, also bei einem Anwaltswechsel.

4520

* Æ Beispiel: Dem Kläger ist für seine Klage über 5.000 Euro Prozesskostenhilfe bewilligt. Er ist mit seiner bisherigen Anwältin nicht zufrieden und möchte nunmehr einen anderen 1 Eine Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. zu Nr. 3104 VV RVG fällt nicht an, da im PKH-Bewilligungsverfahren eine mündliche Verhandlung nicht vorschrieben ist. A.A. KG, Beschl. v. 3.8.2007 – 1 W 261/07 AGS 2008, 68 = NJW-Spezial 2007, 619. 2 Beschl. v. 15.9.2010 – XII ZB 82/10, MDR 2010, 1350 = FamRZ 2010, 1892 = AGS 2010, 549.

N. Schneider

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Prozesskostenhilfe Anwalt beiordnen lassen. Dieser stellt den Antrag auf seine Beiordnung an Stelle der bisher beigeordneten Anwältin. Der Antrag wird jedoch abgelehnt. Der Gegenstandswert richtet sich gem. Anm. Abs. 1, Halbs. 2 zu Nr. 3335 VV RVG nach dem Wert der Hauptsache.

IV. Aufhebungsverfahren nach § 124 Nr. 1 ZPO 4521

Im Verfahren über Aufhebung der Bewilligung nach § 124 Nr. 1 ZPO richtet sich der Gegenstandswert ebenfalls nach dem für die Hauptsache maßgebenden Wert (Anm. Abs. 1, Halbs. 1, 2. Alt. zu Nr. 3335 VV RVG). Auch insoweit kann die Rspr. zur früheren Regelung des § 51 Abs. 2 BRAGO übernommen werden.

* Æ Beispiel: Das Gericht hatte dem Kläger Prozesskostenhilfe für eine Klage i.H.v. 5.000 Euro bewilligt. Später stellt sich heraus, dass die Partei unwahre Angaben zum Sachverhalt gemacht hat. Das Gericht hebt daraufhin die Prozesskostenhilfebewilligung gem. § 124 Nr. 1 ZPO auf. Der Gegenstandswert des Aufhebungsverfahrens bestimmt sich wiederum nach der Hauptsacheforderung und beträgt 5.000 Euro.

4522

Da in diesen Fällen der Anwalt in der Regel bereits in der Hauptsache tätig gewesen ist und damit gem. § 16 Nr. 2 RVG neben den Gebühren der Hauptsache keine weiteren Gebühren ausgelöst werden, kommt eine Wertfestsetzung in diesen Verfahren kaum in Betracht. Ausreichend ist, dass (auch) § 124 Nr. 1 ZPO zu prüfen ist. Der Hauptsachewert greift also auch dann, wenn der Aufhebungsgrund des § 124 Nr. 1 ZPO neben denen des § 124 Nr. 2–4 ZPO in Betracht kommt.1 Dass hier auf den Hauptsachewert abzustellen ist, hat seinen Grund darin, dass in diesen Verfahren stets die Erfolgsaussichten der Hauptsache mit geprüft werden müssen. In allen Fällen, in denen eine solche Prüfung erforderlich ist, ist auf den Hauptsachewert abzustellen.

4523

Soweit nur die Aufhebung für einen Teil der Hauptsache erfolgen soll, ist auch nur dieser Teilwert maßgebend. Unerheblich ist auch hier, ob ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt war oder Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung. Auch die Höhe der Raten ist unerheblich.

V. Aufhebungsverfahren nach § 124 Nr. 2 bis 4 ZPO 4524

In sonstigen Verfahren, die nicht auf Bewilligung, Aufhebung oder Abänderung gerichtet sind, also in den Verfahren nach § 124 Nr. 2 bis 4 ZPO, ergibt sich der Gegenstandswert aus dem Kosteninteresse und ist nach billigem Ermessen zu bestimmen (Anm. Abs. 1, 2. Halbs. zu Nr. 3335 VV RVG). Grund hierfür ist, dass in den Fällen des § 124 Nr. 2–4 ZPO die Erfolgsaussichten der Hauptsache keine Rolle spielen. Hier geht es um die Aufhebung der Prozesskostenhilfe aus anderen Gründen.

1 Gerold/Schmidt/Müller-Rabe/Mayer, Anhang Gegenstandswert Rn. 268.

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Prozesskostenhilfe Da es in den Verfahren nach §§ 124 Nr. 2–4 ZPO um die gänzliche Aufhebung der zuvor bewilligten Prozesskostenhilfe geht, sind sämtliche angefallenen und voraussichtlich noch anfallenden Kosten nach § 122 ZPO zu berücksichtigen, also Gerichtsgebühren, sonstige Gerichtskosten, wie etwa Auslagen für Zeugen und Sachverständige und Anwaltskosten.

4525

Hinsichtlich der Anwaltsgebühren ist dabei auf die Wahlanwaltsgebühren abzustellen, da bei Aufhebung die Partei ihrem Anwalt nicht nur die PKH-Vergütung schuldet, sondern die vollen Wahlanwaltsgebühren.

4526

Soweit bislang ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt war, sind die gesamten Kosten anzusetzen.

4527

* Æ Beispiel: In einem Rechtsstreit war dem Mandanten für eine Klage auf Zahlung von 10.000 Euro Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Rechtsanwalts bewilligt worden. Die Klage wurde abgewiesen. Die von der Staatskasse gezahlten Anwaltskosten belaufen sich auf 743,75 Euro, die Gerichtskosten auf 588 Euro. Später wird ein Aufhebungsverfahren nach § 124 Nr. 2 ZPO eingeleitet, weil sich herausgestellt hat, dass die Partei unwahre Angaben zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht hat. Das Kosteninteresse beläuft sich auf (743,75 Euro + 588 Euro =) 1.331,75 Euro, da die bedürftige Partei von diesem Betrag nach wie vor freigestellt bleiben will.

Soweit Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung, Einmalzahlung oder Rückzahlung aus dem Prozesserlös angeordnet war, ist auf die Mehrbeträge abzustellen, die sich jetzt ergeben. Ggf. ist auch das Interesse mit zu berücksichtigen, die Kosten jetzt auf einmal zahlen zu müssen.

4528

* Æ Beispiel: In einem Rechtsstreit war dem Mandanten Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung i.H.v. 45 Euro bewilligt worden. Die voraussichtlichen Anwaltskosten belaufen sich auf 1.000 Euro und die voraussichtlichen Gerichtskosten auf 2.000 Euro. Es wird ein Aufhebungsverfahren nach § 124 Nr. 4 ZPO eingeleitet, weil die Partei keine Raten mehr zahlt. Jetzt hätte der Mandant ohnehin (48 6 45 Euro =) 2.160 Euro selbst aufbringen müssen. Der Gegenstandswert beläuft sich also auf (3.000 Euro - 2.160 Euro =) 840 Euro. Dieser Wert ist ggf. zu erhöhen, da die 2.160 Euro jetzt nicht mehr in Raten getilgt werden können, sondern auf einmal zu zahlen sind. Hier wird man auf das Zins- und Finanzierungsinteresse abstellen können.

* Æ Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel; jedoch war dem Mandanten Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung i.H.v. 150 Euro bewilligt worden. Jetzt hätte der Mandant ohnehin die gesamten Kosten letztlich selbst aufbringen müssen. Der Gegenstandswert beläuft sich also lediglich auf das Interesse, den Betrag nicht auf einmal, sondern in Raten tilgen zu dürfen. Hier wird man nur auf das Zins- und Finanzierungsinteresse abstellen dürfen.

Eine Wertfestsetzung gem. § 33 RVG wird in diesen Fällen allerdings kaum Bedeutung haben, da der Anwalt in der Regel bereits in der Hauptsache tätig war und damit nachträgliche Aufhebungsverfahren nach § 16 Nr. 2 u. 3 RVG durch die Gebühren in der Hauptsache abgegolten sind. Selbständige Bedeutung gewinnt der Gegenstandswert daher nur, wenn ein anderer Anwalt im Aufhebungsverfahren beauftragt wird oder wenn seit Beendigung des Verfahrens mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind (§ 15 Abs. 5 Satz 2 RVG).

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Prozesskostenhilfe

VI. Abänderungsverfahren nach § 120 Abs. 4 ZPO 4530

Geht es nicht um die Aufhebung, sondern nur um die Anordnung von Raten oder die Abänderung der Raten, ist der Mehr- oder Minderbetrag der noch zu zahlenden Raten zugrunde zu legen.

* Æ Beispiel: In einem Rechtsstreit war dem Mandanten Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung von 45 Euro bewilligt worden. Die gesamten von der Staatskasse übernommenen Kosten belaufen sich auf 2.400 Euro. Aufgrund der verschlechterten wirtschaftlichen Verhältnisse beantragt der Anwalt die Herabsetzung auf 15 Euro, nachdem bereits acht Raten gezahlt worden sind. Maßgebend ist jetzt der Differenzbetrag der noch offenen Raten. Wenn es bei 45 Euro bliebe, wären noch 40 6 45 Euro zu zahlen, also 1.800 Euro. Werden die Raten dagegen auf 15 Euro herabgesetzt, sind nur noch 40 6 15 Euro zahlen, also 600 Euro. Der Gegenstandswert beläuft sich als auf (1.800 Euro – 600 Euro =) 1.200 Euro.

* Æ Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel, jedoch belaufen sich die von der Staatskasse übernommenen Kosten auf lediglich 1.500 Euro. Da bereits 360 Euro gezahlt und damit nur noch 1.140 Euro offen sind, wären auch bei der herabgesetzten Rate die gesamten Kosten abzuzahlen. Das Interesse der bedürftigen Partei geht hier letztlich also nicht auf eine Freistellung, sondern nur auf eine Streckung der Ratenzahlung. Daher wird man hier nur das Zinsinteresse an der Streckung der Raten berücksichtigen dürfen. Dieses dürfte wohl in der untersten Wertstufe liegen.

VII. Beschwerdeverfahren 1. Beschwerde gegen Versagung der Prozesskostenhilfe 4531

Im Beschwerdeverfahren gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe ist strittig, welcher Gegenstandswert zugrunde zu legen ist. Nach einer Auffassung gilt die Anm. zu Nr. 3335 VV RVG auch hier, sodass auch im Beschwerdeverfahren der volle Hauptsachewert anzusetzen ist.1 Nach anderer Auffassung soll im Beschwerdeverfahren nur das Kosteninteresse gelten.2

4532

Zutreffend dürfte auf § 23 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 RVG abzustellen sein. Dies ergibt sich daraus, dass diese Vorschrift die speziellere ist. Der Wert der Hauptsache ist ausdrücklich nur für die Verfahrensgebühr der Nr. 3335 VV

1 OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.6.2009 – 7 W 25/10, AGS 2010, 545; noch zu § 51 Abs. 2 BRAGO OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.7.1998 – 14 W 15/80, JurBüro 1980, 1853 mit Anm. Mümmler; OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.11.1991 – 12 W 83/91, AnwBl. 1992, 93 = JurBüro 1992, 98 mit Anm. Mümmler = MDR 1992, 524; OLG Jena, Beschl. v. 6.5.1994 – 4 W 181/93, OLG-NL 1994, 149; OLG Oldenburg, Beschl. v. 3.2.1994 – 2 W 87/93, KostRsp. BRAGO § 51 Nr. 9 m.w.N.; OLG Koblenz (2. Senat), Beschl. v. 27.11.1991 – 2 W 415/91, JurBüro 1992, 325; Beschl. v. 14.1.1992 – 15 WF 1342/91, JurBüro 1993, 423. 2 VGH BaWü, Beschl. v. 12.3.2009 – 9 S 2832/08, NJW 2009, 1692 = AGS 2009, 404; Bay. VGH, Beschl. v. 16.7.2009 – 10 C 09.874, RVGreport 2009, 397; OLG Koblenz (14. Senat), Beschl. v. 30.3.1990 – 14 W 108/90, VersR 1992, 375 = JurBüro 1991, 253.

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Prozesskostenhilfe RVG vorgesehen, die aber nur im erstinstanzlichen Bewilligungsverfahren anzuwenden ist, nicht auch im Beschwerdeverfahren.1 Im Ergebnis ist dennoch auf den Hauptsachewert abzustellen, da die Wertung der Anm. zu Nr. 3335 VV RVG auch im Rahmen des § 23 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 RVG zu berücksichtigen ist. Der Gegenstand und das Interesse der Partei ist dasselbe wie im erstinstanzlichen Verfahren.

4533

* Æ Beispiel: Der Rechtsanwalt beantragt für seinen Mandanten Prozesskostenhilfe für eine Klage über 6.000 Euro. In der mündlichen Verhandlung stellt sich heraus, dass der Mandant unwahre Angaben zum Sachverhalt gemacht hat. Das Gericht hebt daher die Prozesskostenhilfe-Bewilligung unter Berufung auf § 124 Nr. 1 ZPO auf. Hiergegen wird Beschwerde eingelegt. Der Gegenstandswert richtet sich auch im Beschwerdeverfahren nach der Hauptsacheforderung und beträgt 6.000 Euro. Der Rechtsanwalt kann für seine Tätigkeit eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG aus diesem Wert beanspruchen.

Soweit sich die Beschwerde nur gegen eine Teil-Nichtbewilligung richtet, ist auch insoweit nur der Teilwert maßgebend.

4534

* Æ Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel. Gegen den Kläger wird eine Widerklage i.H.v. 3.000 Euro erhoben, für die ebenfalls Prozesskostenhilfe bewilligt wird. Später stellt sich heraus, dass zum Sachverhalt der Widerklage unwahre Angaben gemacht worden sind. Die Prozesskostenhilfe wird daher nur zur Widerklage aufgehoben. Hiergegen wird Beschwerde eingelegt. Der Gegenstandswert richtet sich im Beschwerdeverfahren nur nach dem Wert der Widerklage und beläuft sich somit auf 3.000 Euro.

2. Beschwerde gegen unterbliebene Beiordnung Hat das Gericht zwar Prozesskostenhilfe bewilligt, es aber abgelehnt, einen Anwalt beizuordnen und wird dagegen Beschwerde mit dem Ziel der Beiordnung erhoben, so ist auf den vollen Wert der Hauptsache abzustellen.2 Begründet wird dies damit, dass der Beschwerdeführer mit der Beschwerde geltend mache, ohne die Beiordnung eines Anwalts nicht in der Lage zu sein, seine Rechte wahrzunehmen. Daher gehe es ihm also mit dem Beiordnungsantrag nicht (nur) um die Kosten, sondern um die Durchsetzung seiner Rechte.

4535

3. Beschwerde gegen eingeschränkte Beiordnung Hat das Gericht zwar Prozesskostenhilfe bewilligt und einen Anwalt beigeordnet, die Beiordnung aber eingeschränkt und wendet sich die Partei hiergegen mit der Beschwerde, so ist nicht auf die Hauptsache, sondern auf das Interesse an einer uneingeschränkten Bewilligung der Beiordnung abzustellen. Dieses Interesse dürfte mit den Wahlanwaltskosten gleichzusetzen sein, die die Partei selbst tragen müsste, wenn es bei der Einschränkung verbliebe.

1 So ausdrücklich OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.6.2009 – 7 W 25/10, AGS 2010, 454. 2 BGH, Beschl. v. 15.9.2010 – XII ZB 82/10, MDR 2010, 1350 = FamRZ 2010, 1892 = AGS 2010, 549.

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Prozesskostenhilfe

* Æ Beispiel: Der im Gerichtsbezirk ansässige Anwalt wird zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beigeordnet. Die Partei legt hiergegen Beschwerde ein und beantragt die uneingeschränkte Beiordnung, weil ein im Gerichtsbezirk niedergelassener Anwalt nicht eingeschränkt beigeordnet werden darf. Der Beschwerdewert dürfte jetzt mit dem Betrag der Reisekosten anzusetzen sei, die die Partei bei eingeschränkter Beiordnung selbst tragen müsste.

* Æ Beispiel: Der auswärtige Anwalt wird zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beigeordnet. Die Partei legt hiergegen Beschwerde ein, da sie eine uneingeschränkte Beiordnung begehrt. Sie trägt vor, durch die uneingeschränkte Beiordnung würden Verkehrsanwaltskosten erspart, die die Landeskasse andernfalls zu zahlen hätte.1 Hier dürfte wiederum auf die anfallenden Reisekosten abzustellen sein, ggf. beschränkt auf die Höhe der zusätzlichen Kosten eines Verkehrsanwalts.

4. Beschwerde gegen Anordnung einer Ratenzahlung 4537

Richtet sich die Beschwerde dagegen, dass eine Ratenzahlung angeordnet worden ist, will die bedürftige Partei also ratenfreie Prozesskostenhilfe erhalten, dann ist wiederum auf das Kosteninteresse abzustellen.

4538

Das Kosteninteresse ergibt sich aus der Summe der insgesamt zu zahlenden Raten, also höchstens 48 Raten, es sei denn, die (voraussichtlichen) Anwalts- und Gerichtskosten sind geringer, sodass es nicht zu 48 Raten kommen wird.

* Æ Beispiel: Das Gericht hat eine Ratenzahlung i.H.v. 15 Euro angeordnet. Die voraussichtlichen Anwalts- und Gerichtskosten belaufen sich auf 5.000 Euro. Die Partei legt Beschwerde ein mit dem Ziel, ratenfreie Prozesskostenhilfe zu erhalten. Da bei 48 Raten zu 15 Euro lediglich 720 Euro zu zahlen sind, ist dieser Wert maßgebend. Abwandlung: Die gesamten Anwalts- und Gerichtskosten werden sich lediglich auf 600 Euro belaufen. Jetzt gilt der geringere Wert von 600 Euro.

4539

Soweit Raten bereits gezahlt sind, bleibt deren Wert außer Ansatz.

* Æ Beispiel: Im Beispiel davor und in der Abwandlung waren bereits zehn Raten gezahlt. Im Beispiel davor bemisst sich der Wert jetzt lediglich auf 38 Raten zu 15 Euro, also 570 Euro. In der Abwandlung dagegen bemisst sich der Wert jetzt lediglich auf 30 Euro, da nur noch zwei Raten zu zahlen sind.

5. Beschwerde gegen die Höhe der Ratenzahlung 4540

Wird mit der Beschwerde lediglich die Höhe der angeordneten Raten angegriffen, ist auf die Differenz der noch zu zahlenden Raten abzustellen. 1 BGH, Beschl. v. 23.6.2004 – XII ZB 61/04, NJW 2004, 2749 = MDR 2004, 1373.

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Prozesskostenhilfe

* Æ Beispiel: Das Gericht hat Ratenzahlung i.H.v. 30 Euro angeordnet. Die Partei legt Beschwerde ein, da sie der Auffassung ist, es hätten nur Raten i,H.v. 15 Euro festgesetzt werden dürfen. Bei 15 Euro wären auf 48 Monate 720 Euro zu zahlen, bei 30 Euro 1.440 Euro. Die Differenz und damit der Gegenstandswert belaufen sich auf 720 Euro.

Liegen die Anwalts- und Gerichtskosten unter dem 48-fachen Ratenbetrag, dann darf insoweit nur der geringere Kostenbetrag berücksichtigt werden.

4541

* Æ Abwandlung Im vorgenannten Beispiel belaufen sich die Anwalts- und Gerichtskosten auf a) 1.000 Euro b) 600 Euro Im Fall a) wären bei Ratenzahlungen i.H.v. 30 Euro nicht sämtliche 48 Raten zu zahlen, sondern insgesamt nur 1.000 Euro. Die streitige Differenz und damit der Gegenstandswert belaufen sich auf 280 Euro. Im Fall b) wirkt sich die Herabsetzung der Raten auf das Endergebnis nicht aus. Hier dürfte auf das Zins- und Liquiditätsinteresse der Partei abzustellen sein, das zu schätzen ist.

Soweit Raten bereits gezahlt sind, bleibt deren Wert außer Ansatz.

4542

* Æ Beispiel: Im Beispiel Rn. 4538 waren bereits zehn Raten gezahlt. Der Gegenstandswert beläuft jetzt lediglich auf 38 6 15 Euro = 570 Euro.

6. Beschwerde gegen die Abänderung der Ratenzahlung Hat das Gericht die Ratenzahlung nach § 120 Abs. 4 ZPO abgeändert, also die Raten wegen Veränderung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse heraufgesetzt und wird hiergegen Beschwerde erhoben, so ist nach den gleichen Grundsätzen zu bewerten wie bei einer Beschwerde gegen die Ratenzahlungsanordnung selbst.

4543

Zu berücksichtigen ist aber, dass bereits gezahlte Raten insoweit außer Ansatz bleiben, da sich die Abänderung nach § 120 Abs. 4 ZPO nur auf zukünftige Raten bezieht.

4544

7. Beschwerde gegen Aufhebung nach § 120 Nr. 1 ZPO Hier ist nach zutreffender Ansicht ebenso zu bewerten wie bei einer Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung (s. Rn. 4531 ff.).

4545

8. Beschwerde gegen Aufhebung nach § 120 Nr. 2 bis 4 ZPO Hier ergeben sich keine Probleme, da es sowohl nach Anm. zu Nr. 3335 VV RVG als auch nach § 23 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 RVG auf das Interesse des Beschwerdeführers, also auf das Kosteninteresse ankommt.

4546

Legt der Anwalt also beispielsweise Beschwerde gegen einen Prozesskostenhilfe-Aufhebungsbeschluss ein, der sich auf die Gründe des § 124 Nr. 2 bis 4 ZPO stützt, bestimmt sich der Wert nach dem Kosteninteresse.

4547

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Prozesskostenhilfe

* Æ Beispiel: Der Rechtsanwalt beantragt für seinen Mandanten Prozesskostenhilfe für eine Klage über 6.000 Euro. Hierbei versichert der Mandant an Eides statt, dass er über kein Vermögen verfügt. In der mündlichen Verhandlung stellt sich heraus, dass der Mandant ein erhebliches Sparvermögen nicht angegeben hat. Das Gericht hebt die Prozesskostenhilfe-Bewilligung daher unter Berufung auf § 124 Nr. 1 ZPO auf. Der Rechtsanwalt legt hiergegen Beschwerde ein. Der Gegenstandswert richtet sich auch im Beschwerdeverfahren nach den Wahlanwaltskosten, die die Partei jetzt selbst zahlen muss.

VIII. Rechtsbeschwerde 4548

Im Rechtsbeschwerdeverfahren gelten die gleichen Bewertungen wie im Beschwerdeverfahren. Abzustellen ist auch hier auf § 23 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 RVG.

IX. Vergütungsfestsetzung 4549

Im Verfahren auf Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung (§ 55 RVG) entstehen keine Gebühren, da der Anwalt diese Tätigkeit nicht für den Mandanten erbringt, sondern im eigenen Interesse. Solche Tätigkeiten sind zudem durch die jeweiligen Gebühren mit abgegolten (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14 RVG).

D. Die Wertfestsetzung 4550

Die Festsetzung des Gegenstandswertes für ein Verfahren über die Bewilligung, Aufhebung oder Abänderung der Prozesskostenhilfe erfolgt im Verfahren nach § 33 RVG.1 Die Festsetzung darf nur auf Antrag des Anwalts oder des Auftraggebers vorgenommen werden. Ein Gegner kann nicht antragsberechtigt sein, da eine Kostenerstattung in diesen Verfahren ausgeschlossen ist.

4551

Ausnahmsweise kann auch die Landeskasse antragsberechtigt sein, wenn für das Prozesskostenhilfeverfahren seinerseits Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist.

E. Nachfolgendes Hauptsacheverfahren 4552

Kommt es nachfolgend zum Hauptsacheverfahren, gehen die im Prozesskostenhilfeverfahren verdienten Gebühren in den Gebühren der Hauptsache auf. Unzutreffend insoweit der BGH,2 der von einer Anrechnung ausgeht. Obwohl hier verschiedene Gegenstände zugrunde liegen (einerseits Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe – andererseits Hauptsache) werden die Werte von Bewilligungsverfahren und Hauptsacheverfahren nicht zusammengerechnet. Nach Anm. Abs. 2 zu Nr. 3335 VV RVG entstehen insgesamt nur die Gebühren aus der Hauptsache.

1 S. dazu Teil 1 – Verfahrensrecht Rn. 682. 2 BGH, Beschl v. 21.2.2008 – I ZR 142/06, AGS 2008, 435 = FamRZ 2008, 982.

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Prozesstrennung

Prozesstrennung A. Allgemeines Gem. § 145 ZPO können auf Anordnung des Gerichts mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden. Ziel der Verfahrenstrennung ist es, den Prozessstoff zu ordnen und übersichtlicher zu gestalten, wenn dies durch eine Anspruchshäufung erschwert wird, ferner einer Prozessverschleppung wegen des Streits nur in einzelnen Punkten entgegenzuwirken.1 Eine Notwendigkeit zur Prozesstrennung und anschließenden Verweisung (§ 281 ZPO) kann sich auch aus der fehlenden Zuständigkeit des Prozessgerichts für einen der erhobenen Ansprüche ergeben.2

4553

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Auf eine einmal begründete Zuständigkeit (§ 5 ZPO) hat die Prozesstrennung naturgemäß keinen Einfluss, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO.

4554

Im Fall der Prozesstrennung bestimmt sich der Gebührenstreitwert für die erhobenen Ansprüche bis zur Trennung einheitlich, im Anschluss daran sind die getrennten Verfahren selbständig zu bewerten.3 Besondere Streitwertvorschriften sind dabei nicht zu beachten.

4555

C. Rechtsmittel und Beschwer Gegen die Anordnung oder Ablehnung der Prozesstrennung ist ein Rechtsmittel nicht eröffnet. Hingegen kann das Rechtmittel gegen das Urteil darauf gestützt werden, dass § 145 ZPO verfahrensfehlerhaft angewandt worden ist,4 was wiederum eine Aufhebung und Zurückverweisung (§ 538 ZPO) rechtfertigt.5

4556

Eine unzulässige Prozesstrennung hat auf die Rechtsmittelfähigkeit der danach ergehenden mehreren Urteile keinen Einfluss; für die Beschwer sind sie als – anders als bei einer Trennung – Einheit zu behandeln.6

4557

1 BGH, Urt. v. 6.7.1991 – I ZR 20/93, MDR 1996, 269 = NJW 1995, 3120. 2 Zum Gebührenanfall und Verrechnung des Gerichtskostenvorschuss OLG München, Beschl. v. 1.3.1996 – 11 W 811/96, MDR 1996, 642. 3 BGH, NJW 2000, 217; OLG München, Beschl. v. 1. 3. 1996 – 11 W 811/96, MDR 1996, 642. 4 BGH, Urt. v. 6.7.1995 – I ZR 20/93, MDR 1996, 269 = NJW 1995, 3120; OLG Naumburg, Urt. v. 28.2.2002 – 3 U 51/01, OLGR 2002, 526; Zöller/Greger, § 145 ZPO Rn. 6a. 5 OLG Naumburg, Urt. v. 28.2.2002 – 3 U 51/01, OLGR 2002, 526. 6 BGH, Urt. v. 20.7.1999 – X ZR 139/96, NJW 2000, 217; Urt. v. 6.7.1995 – I ZR 20/93, NJW 1995, 3120 = MDR 1996, 269; BayVGH, Entsch. v. 22.9.2000 – Vf. 102 – VI – 99, BayVBl 2001, 634 = NJW 2001, 2962; Zöller/Greger, § 145 ZPO Rn. 7.

Kurpat

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Prozess- und Sachleitung

Prozess- und Sachleitung 4558

Anträge und Verhandlungen, welche die Prozessleitung betreffen, lösen keine Gerichtsgebühren aus; es fallen lediglich Anwaltsgebühren an. Deren Gegenstandswert entspricht nicht dem Streitwert des Hauptverfahrens. Maßgeblich ist vielmehr das Interesse der antragstellenden Partei an der prozessleitenden Entscheidung,1 welches sich in der Regel nicht mit dem Interesse des Antragstellers deckt, im Rechtsstreit zu obsiegen.2 Gegen eine Heranziehung des Streitwerts der Hauptsache spricht bereits, dass mit der Anfechtung prozessleitender Anordnungen (§ 567 Abs. 1 ZPO) keine inhaltliche Ausgestaltung der Sachentscheidung, sondern nur deren prozessordnungsgemäße Herbeiführung begehrt wird. Folglich ist eine Schätzung nach § 3 ZPO geboten.3

4559

Für einen Antrag auf Vertagung der mündlichen Verhandlung hat das OLG Düsseldorf4 den Gegenstandswert nach § 3 ZPO mit 1/3 des Hauptsachewertes geschätzt. Verfehlt ist es dagegen auf den vollen Wert der Hauptsache abzustellen, wenn wegen „unzureichender Vorbereitung“ eines Prozessbevollmächtigten eine Beilegung des Rechtsstreits ausbleibt und vertagt werden muss.5 Denn der Streitwert kann nicht in Abhängigkeit zur Qualität anwaltlicher Leistung gestellt werden. Möglicherweise kommt die Verhängung einer Verzögerungsgebühr gem. § 38 GKG (§ 34 GKG a.F.) in Betracht.

4560

Ebenso ist nach § 3 ZPO zu bewerten, wenn Streit darüber besteht, ob eine Aussetzung des Rechtsstreits geboten oder eine dahingehende Anordnung rechtmäßig ist.6 Hier entspricht der Gegenstandswert regelmäßig 1/5 des Hauptsachewertes, wenn nicht besondere Umstände auf ein besonderes Interesse des Antragstellers schließen lassen.7 S. hierzu auch unter dem Stichwort „Aussetzung“.

4561

Eine Bruchteilsbewertung des Hauptsachewerts ist ferner angemessen, wenn – während des laufenden Verfahrens – über einen Antrag des Klägers auf Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 ZPO zu entscheiden ist.8 S. hierzu ausführlich unter dem Stichwort „Zuständigkeit“ Rn. 6440.

4562

Geht es um die Verhängung eines Ordnungsmittels gegen eine Partei (§ 141 Abs. 3 ZPO), einen Zeugen (§ 380 Abs. 1 u. 2 ZPO), einen Sachverständigen 1 Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 Stichwort „Beschwerde“. 2 So aber noch KG, DR 1943, 414; OLG München, OLGE 25, 85; OLG Düsseldorf, JMBl.NW 1956, 187; OLG Hamm, Beschl. v. 19.8.1971 – 15b W 73/71, NJW 1971, 2317 – alle zur Aussetzung. 3 BGH, Beschl. v. 29.11.1956 – III ZR 4/56, NJW 1957, 242 – Aussetzung. 4 Beschl. v. 13.2.1990 – 10 W 11/90, JurBüro 1990, 865 = MDR 1990, 561 = AnwBl. 1990, 324; Beschl. v. 21.1.1959 – 10 W 316/58, JurBüro 1959, 214. 5 So aber OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.6.1993 – 17 W 37/93, JurBüro 1994, 158. 6 BGH, Beschl. v. 29.11.1956 – III ZR 4/56, BGHZ 22, 283 = NJW 1957, 242. 7 OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.10.1995 – 10 UF 61/95 = OLGR 1996, 43 = NJ 1996, 316 = FamRZ 1996, 496; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.11.2001 – 6 W 39/01, OLGR 2002, 598 = JurBüro 2002, 598; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.1.1994 – 22 W 49/93, OLGR 1994, 34 = NJW-RR 1994, 957; OLG Hamburg, Beschl. v. 30.11.2001 – 12 W 23/01, OLGR 2002, 180 = MDR 2002, 479; OLG Köln, Beschl. v. 23.11.1981 – 6 W 65/ 81, WRP 1982, 236; OLG München, Beschl. v. 22.8.2002 – 14 W 150/02, JurBüro 2003, 154; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Aussetzungsbeschluss“. 8 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.9.2005 – 19 AR 16/05, Justiz 2005, 451.

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Kurpat

Prozess- und Sachleitung (§§ 409 Abs. 1, 411 Abs. 2 ZPO) oder das Sitzungspublikum (§ 178 GVG) ist danach zu unterscheiden, ob bereits dessen Androhung oder erst dessen Verhängung angegriffen wird. Wendet sich der Betroffene bereits gegen die Androhung des Ordnungsmittels, ist eine Bruchteilsbewertung von in der Regel 1/5 des Ordnungsgeld-Höchstbetrages geboten.1 Begehrt der Betroffene dagegen die Aufhebung des Ordnungsmittel-Beschlusses, bestimmt sich der Gegenstandswert nach der Höhe des verhängten Betrages.2 Eine die Verhängung ablehnende Entscheidung kann von den Parteien mangels Beschwer nicht angegriffen werden. Anders liegt es jedoch bezüglich der Entscheidung des Gerichts, dem Zeugen oder Sachverständigen nicht die durch ihr Fernbleiben verursachten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.3 Hier bestimmt sich der Wert nach dem Betrag der insoweit angefallenen Kosten. S. im Übrigen auch unter dem Stichwort „Ordnungsmittel“.

4563

Ordnet das Gericht die Trennung in einer Klage erhobener prozessualer Ansprüche an (§ 145 ZPO), so bestimmt sich der Gebührenstreitwert für die erhobenen Ansprüche bis zur Trennung einheitlich, im Anschluss daran sind die getrennten Verfahren selbständig zu bewerten.4 Auf eine einmal begründete Zuständigkeit (§ 5 ZPO) hat die Prozesstrennung keinen Einfluss, arg. § 261 ZPO. Die Beschwer der nachfolgenden Entscheidungen wird, wenn die Trennung nicht ohne jeden sachlichen Grund erfolgte, im jeweiligen Verfahren ermittelt.5 S. ferner unter dem Stichwort „Prozesstrennung“.

4564

Letzteres gilt auch bei gerichtlicher Anordnungen der Verbindung bei ihm anhängiger Prozesse (§ 147 ZPO), d.h. die sachliche Zuständigkeit des anordnenden Gerichts bleibt erhalten.6 Davon abweichend sind die Werte der verbundenen Verfahren ausnahmsweise zu addieren (§ 5 ZPO), wenn der Kläger durch eine willkürliche Aufspaltung seines Gesamtanspruches in mehrere Prozesse sich die Zuständigkeit des Amtsgerichts (§§ 23 Nr. 1, 71 GVG) erschleichen wollte.7 S. auch unter dem Stichwort „Prozessverbindung“.

4565

Wendet sich eine Partei mit der gesetzlich (bislang) nicht geregelten Untätigkeitsbeschwerde gegen eine unzureichende Förderung des Verfahrens durch das Gericht, dann bestimmt sich der Beschwerdewert nach dem Interesse des Beschwerdeführers an einer zeitnahen Entscheidung des Rechtsstreits, § 3 ZPO. Da es um den Zeitpunkt und nicht den Inhalt der Entscheidung geht, ist eine Bruchteilsbewertung vorzunehmen. Soweit nicht Besonderheiten des Einzelfalles, wie beispielsweise die drohende Insolvenz des Beklagten, eine

4566

1 OLG München, Beschl. v. 18.6.1980 – 25 W 1260/80, ZSW 1981, 68. 2 BGH, Beschl. v. 12.6.2007 – VI ZB 4/07, MDR 2007, 1090 = NJW-RR 2007, 1364 ohne Begründung; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Ordnungsgeld“ Rn. 1; Hartmann, GKG Anh. I § 48 (§ 3 ZPO) Rn. 87 „Ordnungs- und Zwangsmittel“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Ordnungs- und Zwangsmittelfestsetzung“. 3 Zöller/Greger, § 380 ZPO Rn. 10. 4 BGH, Urt. v. 20.7.1999 – X ZR 139/96, NJW 2000, 217; OLG München, Beschl. v. 1.3.1996 – 11 W 811/96, MDR 1996, 642. 5 BGH, Urt. v. 20.7.1999 – X ZR 139/96, NJW 2000, 217. 6 RGZ 6, 417; Zöller/Greger, § 147 ZPO Rn. 8; Prütting/Gerlein/Dörr, § 147 ZPO Rn. 6; Thomas/Putzo/Reichold, §147 ZPO Rn. 10. 7 Zöller/Greger, § 147 ZPO Rn. 8.

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Prozessverbindung abweichende Bewertung rechtfertigen, dürfte der Ansatz von 1/5 des Hauptsachewertes angemessen sein.1

Prozessverbindung Literatur: Bauer, JurBüro 1956, 439; Schneider, MDR 1974, 7 ff.

A. Allgemeines 4567

Gem. § 147 ZPO können mehrere selbständige Prozesse miteinander zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden werden (§ 147 ZPO). Ziel der Prozessverbindung ist eine prozessökonomische Bearbeitung des ohne sachlichen Grund in mehrere Verfahren zerlegten Streitstoffes.2

B. Zuständigkeitsstreitwert 4568

Auf den Zuständigkeitswert hat die Prozessverbindung keinen Einfluss, die bisherige Zuständigkeit des Amtsgerichts bleibt unberührt, §§ 261 Abs. 3 Nr. 2, 506 Abs. 1 ZPO.3 Dies gilt jedoch nicht, wenn sich der Kläger durch eine willkürliche Aufspaltung seines Gesamtanspruchs in mehrere Prozesse die sachliche Zuständigkeit (§§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG) erschleichen wollte.4

C. Gebührenstreitwert 4569

Die Anordnung der Verbindung ist auf die bereits entstandenen Gebühren sowie auf die Streitwerte beider Prozesse bzw. Rechtsmittel vor der Verbindung ohne Einfluss.5 Deshalb sind bis zur Verbindung auch getrennte Streitwerte festzusetzen, da zumindest die Verfahrensgebühren nach unterschiedlichen Werten angefallen sind.6 Das gilt auch dann, wenn das Gesetz – wie in § 246 Abs. 3 AktG – die Verbindung mehrerer Prozesse zwingend vorschreibt.7

4570

Ab Verbindung bestimmen sich die Gebühren nach dem neuen Streitwert, der durch Addition der Einzelwerte der verbundenen Sachen ermittelt wird.8 1 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.9.2008 – 5 W 46/08, OLGR 2009, 401 = BauR 2009, 1933 mit einem nicht näher begründeten Ansatz von 1/5 der Klageforderung; OLG Rostock, Beschl. v. 4.9.2009 – 3 W 74/09, OLGR 2009, 959: 1.000 Euro. 2 Zöller/Greger, § 147 Rn. 1. 3 RGZ 6, 417; Zöller/Greger, § 147 Rn. 8; Thomas/Putzo/Reichold, § 147 Rn. 10. 4 Zöller/Greger, § 147 Rn. 8. 5 OLG Hamm, JurBüro 1955, 441; OLG Köln, VersR 1992, 518; OLG München, Beschl. v. 8.4.1999 – 11 W 1231/99, MDR 1999, 829 = NJW-RR 1999, 1232; OLG München, Beschl. v. 11.12.1980 – 11 W 2016/80, AnwBl. 1981, 155; OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.2.2001 – 20 W 1/01, AGS 2001, 251 = DB 2001, 1549 = AG 2002, 296. 6 OLG Köln, VersR 1992, 518. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.7.2009 – 10 W 59/09, JurBüro 2009, 542 = AGS 2009, 455. 8 OLG Celle, JurBüro 1987, 109; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.2.2009 – 17 W 08/09, AG 2009, 666; OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.2.2001 – 20 W 1/01, AGS 2001, 251 = DB 2001, 1549 = AG 2002, 296.

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Prozesszinsen Werden verschiedene Prozesse hingegen nach Anordnung nur gemeinsam verhandelt, nicht aber auch gemeinsam entschieden,1 fehlt es an einer streitwerterheblichen Verbindung im Sinne des § 147 ZPO. In einem derartigen Fall muss eine Wertaddition unterbleiben und ist nach Einzelstreitwerten abzurechnen.2

4571

Ohne Verbindungsbeschluss treten gebührenerhöhende Rechtsfolgen nicht ein, auch dann nicht, wenn mehrere Sachen im selben Termin verhandelt und die eine im Prozessvergleich über die andere miterledigt wird.3 Wohl kann ein Verbindungsbeschluss mündlich oder sogar stillschweigend erlassen werden. Es ist nicht erforderlich, dass der Verbindungsbeschluss schriftlich fixiert, etwa ins Protokoll aufgenommen wird.4 Jedoch muss sich ein Verbindungswille des Gerichts aus erkennbaren Umständen ergeben.

4572

D. Einzelfälle aus der Rechtsprechung Bei der Verbindung einer Feststellungsklage über das Bestehen eines Mietverhältnisses mit einer Leistungsklage auf rückständigen Mietzins ist für die Festsetzung des Gebührenstreitwertes der nach § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) ermittelte Wert der Feststellungsklage nicht mit dem Wert der Leistungsklage zusammenzurechnen, wenn lediglich das Mietverhältnis streitig ist, nicht aber die Höhe des Mietzinses.5

4573

Erheben mehrere Aktionäre in verschiedenen Prozessen Anfechtungsklage gegen denselben Hauptversammlungsbeschluss soll nach einer Verbindung der Klagen, die Kläger sind notwendige Streitgenossen (§ 62 Abs. 1 ZPO), sich der Gesamtstreitwert nach dem höchsten Einzelstreitwert bestimmen.6

4574

S. unter dem Stichwort „Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage“ Rn. 211.

Prozesszinsen A. Begriff Prozesszinsen sind in § 291 Satz 1 BGB geregelt. Danach hat der Schuldner einer Geldschuld diese von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist. Wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Da der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit bei Einreichung der Klage noch ungewiss ist, kann Verzinsung ab Rechtshängigkeit beantragt werden. Das Gericht muss im späteren Tenor dann das Da1 S. dazu Schneider, MDR 1974, 7 ff. 2 OLG München, Beschl. v. 28.11.1989 – 11 W 2823/89, MDR Büro 1990, 393 = Rpfleger 1990, 184; Zöller/Greger, § 3 ZPO verbindung“. 3 VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 9.8.1995 – 8 S 1458/95, temberg, BB 1983, 2188 = KostRsp. ArbGG § 12 Nr. 63. 4 OLG Celle, JW 1933, 550. 5 OLG Karlsruhe, Justiz 1980, 272. 6 OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.2.2001 – 20 W 1/01, AGS 2001, AG 2002, 296.

1990, 345 Nr. 72 = JurRn. 16, unter „Prozessn.v.; LAG Baden-Würt-

251 = DB 2001, 1549 =

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4575

Prozesszinsen tum einsetzen. Der Zinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (§ 291 Satz 2 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB).

B. Zuständigkeitsstreitwert I. Klageverfahren 4576

Für den Zuständigkeitsstreitwert eines Klageverfahrens spielen Prozesszinsen keine Rolle, da sie als Nebenforderung außer Ansatz bleiben (§ 4 Abs. 1, 2. Halbs. ZPO).

II. Übergang vom Mahnverfahren in das streitige Verfahren 4577

Wird nach Widerspruch gegen einen Mahnbescheid das streitige Verfahren durchgeführt und wird nur noch ein Teil der geltend gemachten Ansprüche weiter verfolgt, aber die Zinsen aus dem vollen Betrag, auch soweit dieser nicht mehr im streitigen Verfahren geltend gemacht wird, handelt es sich nicht um Prozesszinsen. Prozesszinsen setzen Rechtshängigkeit des Hauptsacheanspruchs voraus. Daran fehlt es aber, wenn nur ein Teil im streitigen Verfahren geltend gemacht wird. Zwar fingiert § 696 Abs. 3 ZPO den Eintritt Rechtshängigkeit bereits mit Zustellung des Mahnbescheids, aber nur, soweit die Ansprüche tatsächlich auch rechtshängig und damit zur „Streitsache“ i.S. des § 696 Abs. 3 ZPO geworden sind. Das werden sie aber nur, soweit sie auch begründet werden (§ 697 Abs. 2 ZPO). Fehlt es daran, können nur vertragliche Zinsen, Fälligkeits- und Verzugszinsen geltend gemacht werden. Zu deren Bewertung s. „Zinsen“ Rn. 6407 ff.

* Æ Beispiel: Der Antragsteller macht per Mahnbescheid 20.000 Euro nebst Zinsen ab Zustellung des Mahnbescheids gegen den Antragsgegner geltend. Dieser legt Widerspruch ein und zahlt 5.000 Euro. Daraufhin beantragt der Antragsteller die Abgabe an das Streitgericht und die Durchführung des streitigen Verfahrens wegen der dann noch offenen 15.000 Euro sowie sämtlicher Zinsen. Die Zinsen aus den 15.000 Euro bleiben als Prozesszinsen gem. § 43 Abs. 1 GKG unberücksichtigt. Bei den Zinsen aus den weiteren 5.000 Euro handelt es sich nicht um Prozesszinsen, da die 5.000 Euro mangels Anspruchsbegründung nie anhängig geworden sind. Der Antragsteller kann diese lediglich als vertragliche Zinsen, Fälligkeits- und Verzugszinsen verlangen. Insoweit sind sie allerdings keine Nebenforderung, sondern zusätzlich zu bewerten. S. „Zinsen“ Rn. 6407 ff.

4578

Anders verhält es sich nach einem Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid. Der Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid führt bereits zum Eintritt der Rechtshängigkeit (§ 700 Abs. 2 ZPO), mit der Maßgabe, dass die Rechtshängigkeit auf den Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheids zurückfingiert wird. Wird hinsichtlich der Hauptsache nur eingeschränkt Einspruch eingelegt, aber hinsichtlich der Zinsen in vollem Umfang, dann handelt es sich um Prozesszinsen, die insoweit zu berücksichtigen sind, als sie aus den erledigten Ansprüchen resultieren.

* Æ Beispiel: Der Antragsteller hatte per Mahnbescheid 20.000 Euro nebst Zinsen ab Zustellung des Mahnbescheids geltend gemacht. Da der Antragsgegner keinen Widerspruch ein-

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Prozesszinsen gelegt hat, ist ein Vollsteckungsbescheid über die 20.000 Euro nebst Zinsen ab Zustellung des Mahnbescheids ergangen. Gegen den Vollsteckungsbescheid legt der Antragsgegner nunmehr Einspruch ein, beschränkt diesen jedoch auf einen Teilbetrag von 5.000 Euro sowie auf die Zinsen aus den gesamten 20.000 Euro. Daraufhin wird die Sache an das Amtsgericht abgegeben. Die Zinsen aus den mit dem Einspruch nicht angegriffenen 15.000 Euro sind zwar Prozesszinsen. Sie bleiben jetzt jedoch nicht gem. § 4 Abs. 1, 2. Halbs. ZPO unberücksichtigt, das sie nicht (mehr) vom Bestand der Hauptforderung abhängen und somit keine Nebenforderung mehr sind. Der Streitwert liegt daher auf jeden Fall über 5.000 Euro, sodass nicht das Amtsgericht, sondern das Landgericht zuständig ist.

C. Rechtsmittelstreitwert Für den Rechtsmittelstreitwert können Prozesszinsen eine Rolle spielen. Hier ist zu differenzieren: – Soweit sich das Rechtsmittel auch gegen die Hauptsache richtet, aus der die Zinsen hergeleitet werden, bleiben die Prozesszinsen als Nebenforderung wiederum gem. § 4 Abs. 1, 2. Halbs. ZPO außer Ansatz.

* Æ Beispiel: Der Beklagte war zur Zahlung von 20.000 Euro nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit verurteilt worden. Dagegen legte er Berufung ein, und zwar a) in vollem Umfang b) gegen seine Verurteilung, soweit sie 15.000 Euro nebst Zinsen daraus übersteigt. Im Fall a) beträgt der Rechtsmittelstreitwert 20.000 Euro und im Fall b) 5.000 Euro. Die darauf entfallenen Zinsen bleiben jeweils nach § 4 Abs. 1, 2. Halbs. ZPO außer Ansatz.

– Soweit sich das Rechtsmittel nur gegen die Prozesszinsen richtet, werden diese im Rechtsmittelverfahren zur Hauptsache und sind zu bewerten. – Soweit sich das Rechtsmittel gegen einen Teil der Hauptsache richtet und darüber hinaus gegen Prozesszinsen aus einem nicht angegriffenen Teil der Hauptsache, bleiben die Zinsen, die auf die angefochtene Hauptsache entfallen gem. § 4 Abs. 1, 2. Halbs. ZPO außer Ansatz. Die Prozesszinsen aus dem nicht angegriffenen Teil sind dagegen jetzt als Hauptforderung hinzuzurechnen.

* Æ Beispiele: Eingeklagt waren 20.000 Euro nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit. Im Verlaufe des Verfahrens werden 15.000 Euro gezahlt. Nach übereinstimmender Erledigung der Hauptsache wird der Beklagte verurteilt, 5.000 Euro zu zahlen nebst Prozesszinsen aus 20.000 Euro bis zur Zahlung der 15.000 Euro und ab dann aus den restlichen 5.000 Euro. Gegen das Urteil legt der Beklagte im vollem Umfang Berufung ein. Der Rechtsmittelstreitwert berechnet sich auf 5.000 Euro zuzüglich der Prozesszinsen aus den gezahlten 15.000 Euro. Die Zinsen aus den 5.000 Euro bleiben dagegen außer Ansatz. Der Beklagte wird verurteilt, 20.000 Euro nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Er legt Berufung ein, soweit er verurteilt worden ist, mehr als 15.000 Euro zu zahlen, sowie wegen der gesamten Zinsen. Der Rechtsmittelstreitwert berechnet sich auf 5.000 Euro zuzüglich der Prozesszinsen aus den nicht angefochtenen 15.000 Euro. Die Zinsen aus den 5.000 Euro bleiben dagegen wiederum als Nebenforderung außer Ansatz.

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D. Gebührenstreitwert I. Gerichtsgebühren 1. Grundsatz 4580

Für den Gebührenstreitwert gilt § 43 Abs. 1 GKG. Prozesszinsen haben zwar ihren Wert (s. unten Rn. 6423). Sie werden jedoch als Nebenforderung nicht zur Hauptsache hinzugerechnet, soweit Gerichtsgebühren aus dem Wert der zugehörigen Hauptsache anfallen. 2. Erstinstanzliches Verfahren

4581

Für das erstinstanzliche Verfahren können Prozesszinsen grundsätzlich keine Rolle spielen, da Prozesszinsen begrifflich schon voraussetzen, dass die Hauptsache, aus der sie sich ergeben, rechtshängig war. Da im erstinstanzlichen Verfahren die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen aber nur einmal erhoben wird, und die Gebühr logischerweise bereits aus dem Wert der Hauptsache angefallen sein muss, kann der Wert der Zinsen hier wegen § 43 Abs. 1 GKG keine Rolle spielen. Eine Wertfestsetzung nach § 63 GKG hat daher insoweit zu unterbleiben. 3. Übergang vom Mahnverfahren in das streitige Verfahren

4582

Kommt es nach einem Mahnverfahren auf Widerspruch oder Einspruch hin zur Durchführung des streitigen Verfahrens, können sich Stufenstreitwerte ergeben. Hinsichtlich der Bewertung gilt das Gleiche wie für den Zuständigkeitsstreitwert (s. Rn. 4576 ff.). Daher können sich hier die Gebühren aus unterschiedlichen Werten ergeben. Das Gericht muss dann für das Mahnverfahren und das streitige Verfahren gesonderte Werte festsetzen.

* Æ Beispiel: Wie Beispiel Rn. 4579. Das Gericht setzt den Wert für das Mahnverfahren auf 20.000 Euro fest und den Wert für das streitige Verfahren auf 16.000 Euro (15.000 Euro restliche Hauptforderung + 1.000 Euro Zinsen). Angefallen ist im Mahnverfahren eine 0,5-Gebühr (Nr. 1110 KV GKG) aus 20.000 Euro und im streitigen Verfahren eine 3,0-Gebühr aus 16.000 Euro (Nr. 1210 KV GKG), wobei 0,5 aus 16.000 Euro anzurechnen sind (Anm. zu Nr. 1210 KV GKG). Zu rechnen ist also wie folgt: 0,5-Gebühr, Nr. 1100 KV GKG (Wert 20.000 Euro) 3,0-Gebühr, Nr. 1210 KV GKG (Wert 16.000 Euro) gem. Anm. zu Nr. 1210 KV GKG anzurechnen, 0,5-Gebühr aus 16.000 Euro Gesamt

144,00 Euro 726,00 Euro – 109,50 Euro 760,50 Euro1

* Æ Beispiel: Wie Beispiel Rn. 4579. Das Gericht setzt den Wert für das Mahnverfahren auf 20.000 Euro fest und den Wert für das streitige Verfahren auf 5.500 Euro (5.000 Euro restliche Hauptforderung + 500 Euro Zinsen). Angefallen ist im Mahnverfahren eine 0,5-Gebühr (Nr. 1110 KV GKG) aus 20.000 Euro und im streitigen Verfahren eine 3,0-Gebühr aus 5.500 Euro (Nr. 1210 KV 1 Die Höchstgrenze des § 36 Abs. 3 GKG, nicht mehr als 3,0 aus dem Gesamtwert von 20.000 Euro (= 864 Euro), ist nicht erreicht.

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Prozesszinsen GKG), wobei 0,5 aus 5.500 Euro anzurechnen sind (Anm. zu Nr. 1210 KV GKG). Zu rechnen ist also wie folgt: 0,5-Gebühr, Nr. 1100 KV GKG (Wert 20.000 Euro) 3,0-Gebühr, Nr. 1210 KV GKG (Wert 5.500 Euro) abzüglich 0,5-Gebühr, aus 5.500 Euro, Anm. zu Nr. 1210 KV GKG Gesamt

144,00 Euro 408,00 Euro – 68,00 Euro 484,00 Euro1

4. Rechtsmittelverfahren a) Rechtsmittel gegen Hauptsache und Zinsen Soweit sich das Rechtsmittel auch gegen die Hauptsache richtet, aus der sich die Prozesszinsen berechnen, bleiben die Prozesszinsen gem. § 43 Abs. 1 GKG wiederum außer Ansatz.

4583

b) Rechtsmittel nur gegen Zinsen Soweit sich das Rechtsmittel nur gegen die Prozesszinsen richtet, sind diese nach § 43 Abs. 2 GKG mit ihrem Wert zu berücksichtigen. Maßgebend ist der Wert der bis zur Einlegung des Rechtsmittels angefallenen Prozesszinsen (§ 40 GKG). ihr Wert darf den der Hauptsache jedoch nicht übersteigen (§§ 43 Abs. 1, 47 Abs. 2 GKG).

4584

c) Rechtsmittel nur gegen einen Teil der Hauptsache und Zinsen aus nicht angegriffenem Teil der Hauptsache Soweit sich das Rechtsmittel gegen einen Teil der Hauptsache richtet und darüber hinaus gegen Prozesszinsen aus einem nicht angegriffenen Teil der Hauptsache, bleiben die Zinsen, die auf die angefochtene Hauptsache entfallen, gem. § 43 Abs. 1 GKG wiederum außer Ansatz. Die Prozesszinsen aus dem erledigten Teil sind dagegen jetzt nach § 43 Abs. 2 GKG zu bewerten und mit der Hauptforderung nach § 39 Abs. 1 GKG zusammenzurechnen.

* Æ Beispiele: Eingeklagt waren 20.000 Euro nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit. Der Beklagte wird verurteilt, 20.000 Euro nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Er legt Berufung ein, soweit er verurteilt worden ist, mehr als 5.000 Euro zu zahlen, sowie wegen der gesamten Zinsen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beläuft sich auf 5.000 Euro zuzüglich der Prozesszinsen aus den nicht angefochtenen 15.000 Euro. Die Zinsen aus den 5.000 Euro bleiben dagegen wiederum als Nebenforderung außer Ansatz. Eingeklagt waren 20.000 Euro nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit. Im Verlaufe des Verfahrens werden 15.000 Euro gezahlt. Nach übereinstimmender Erledigung der Hauptsache wird der Beklagte verurteilt, 5.000 Euro zu zahlen, nebst Prozesszinsen aus 20.000 Euro bis zur Zahlung der 15.000 Euro und ab dann aus den restlichen 5.000 Euro. Gegen das Urteil legt der Beklagte im vollem Umfang Berufung ein. Der Streitwert des Berufungsverfahrens berechnet sich auf 5.000 Euro zuzüglich der Prozesszinsen aus den gezahlten 15.000 Euro. Die Zinsen aus den 5.000 Euro werden dagegen nicht hinzugerechnet (§ 43 Abs. 1 GKG).

1 Die Höchstgrenze des § 36 Abs. 3 GKG, nicht mehr als 3,0 aus dem Gesamtwert von 20.000 Euro (= 864 Euro), ist nicht erreicht.

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Prozesszinsen d) Wechselseitige Rechtsmittel einerseits gegen Zinsen, andererseits gegen Hauptsache 4586

Im Falle wechselseitiger Rechtsmittel kann § 43 Abs. 1 GKG greifen. Legt der Kläger Rechtsmittel gegen die Abweisung seines Zinsantrags ein und der Beklagte gegen seine Verurteilung zur Hauptsache, so werden die Werte der Rechtsmittel insoweit nicht addiert, soweit die angefochtenen Zinsen aus der angefochtenen Hauptsache resultieren.1 Soweit sich die angefochtenen Zinsen dagegen aus einem nicht angefochtenen Teil der Hauptsache berechnen, ist deren Wert nach § 43 Abs. 2 GKG zu berücksichtigen.

II. Anwaltsgebühren 4587

Für den Anwalt gilt über § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG das Gleiche wie für die Gerichtsgebühren. Hier kann es allerdings für die einzelnen Gebühren auch zu unterschiedlichen Werten kommen (Stufenstreitwerte).

* Æ Beispiele: Eingeklagt waren 20.000 Euro nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit. Im Verlaufe des Verfahrens werden 15.000 Euro gezahlt. Nach schriftsätzlich übereinstimmend erklärter Erledigung der Hauptsache wird Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und dort über die restlichen 5.000 Euro sowie die gesamten Zinsen verhandelt. Der Gegenstandswert der Verfahrensgebühr der Anwälte (Nr. 3100 VV RVG) beläuft sich auf 20.000 Euro. Die Prozesszinsen werden gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG nicht hinzugerechnet. Der Gegenstandswert der Terminsgebühr der Anwälte (Nr. 3104 VV RVG) beläuft sich 5.000 Euro zuzüglich der bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärung angefallen Zinsen aus den erledigten 15.000 Euro. Eingeklagt waren 20.000 Euro nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit. Im Verlaufe des Verfahrens erkennt der Beklagte die Hauptforderung an. Über die Zinsen schließen die Parteien einen Vergleich. Der Gegenstandswert der Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) und der Terminsgebühr der Anwälte (Nr. 3104 VV RVG) beläuft sich auf 20.000 Euro. Die Prozesszinsen werden gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG nicht hinzugerechnet. Der Gegenstandswert der Einigungsgebühr beläuft sich auf den Wert der Zinsen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 2 GKG).

E. Die Bewertung I. Maßgebende Wertvorschrift 4588

Prozesszinsen sind – im Gegensatz zu Hypothekenzinsen – nicht gem. § 9 ZPO zu bewerten, da sie keine wiederkehrenden Leistungen oder Rechte sind. Abzustellen ist auf § 3 ZPO.2 Das gilt auch für die Gerichtsgebühren (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) und die Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG).

1 OLG Koblenz, AGS 2007, 260 = FamRZ 2006, 1839 = FamRB 2006, 326. 2 BGH, Urt. v. 6.11.1961 – III ZR 143/60, NJW 1962, 583 = MDR 1962, 285; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1965, 229; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.8.1992 – 9 W 69/92, JurBüro 1993, 166.

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Prozesszinsen

II. Maßgebender Zeitpunkt 1. Zuständigkeitsstreitwert Soweit Zinsen für den Zuständigkeitsstreitwert zu berücksichtigen sind (s. Rn. 4576 ff.), ist nach § 4 Abs. 1, 1. Halbs. ZPO auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage abzustellen. Das entspricht nach Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid dem Antrag auf Erlass des Mahnbescheids.

4589

2. Rechtsmittelstreitwert Im Rechtsmittelverfahren kommt es auf den Zeitpunkt der Einreichung des Rechtsmittelantrags an (§ 4 Abs. 1, 1. Halbs. ZPO).

4590

Nach OLG Celle soll es für die Beschwer auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommen.1 Das ist jedoch unzutreffend, weil es dem eindeutigen Wortlaut des § 4 ZPO widerspricht. 3. Gebührenstreitwert Maßgebender Zeitpunkt für die Bewertung der Zinsen für den Gebührenstreitwert ist gem. § 40 GKG der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung, die den Rechtszug einleitet.

4591

Im Klageverfahren ist daher auf die Einreichung der Klage bzw. der Klageerweiterung oder der Widerklage abzustellen. Bei vorangegangenem Mahnverfahren (s. Rn. 4576 ff.) ist der Zeitpunkt der Einreichung des Mahnbescheids maßgebend. Im Rechtsmittelverfahren kommt es auf die Einreichung des Rechtsmittelantrags an.

III. Die Bewertung Da es sich bei den geforderten Prozesszinsen um eine Forderung mit ungewissem Erfüllungszeitpunkt handelt, ist der Streitwert nach § 3 ZPO frei zu schätzen.2 Bei gewöhnlichen Zinsen geht der BGH3 von Rückständen und dem auf ein Jahr geschätzten Zinsschaden aus. Da es bei den Prozesszinsen im erstinstanzlichen Verfahren begrifflich keine Rückstände geben kann, wäre insoweit vom Jahreswert auszugehen. Im Rechtsmittelverfahren können dagegen auch Rückstände zu berücksichtigen sein.

4592

Der Jahreswert dürfte in vielen Fällen jedoch zu gering bemessen sein. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt, zu nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit einer Zahlung der Zinsen zu rechnen ist. Dabei ist insbesondere die voraussichtliche Verfahrensdauer zugrunde zu legen. Diese kann je nach Verfahren (und Gericht) unterschiedlich zu schätzen sein. Handelt es sich z.B. um ein Verfahren nach § 495a ZPO kann je nach Gericht mit einer Verfahrensdauer

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1 OLG Celle, Beschl. v. 12.4.1965 – 3 U 195/64, Nds.Rpfl. 1965, 229. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.8.1992 – 9 W 69/92, JurBüro 1993, 166. 3 BGH, Urt. v. 25.6.1981 – III ZR 96/80, Rpfleger 1981, 396 = NJW 1981, 2360.

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Rangverbesserung von unter einem Jahr zu rechnen sein, sodass ein geringerer Wert zugrunde zu legen ist. Handelt es sich dagegen um ein aufwendiges Verfahren, in dem mehrere Beweiserhebungen zu erwarten sind, dürfte von einem höheren Wert auszugehen sein. In entsprechender Anwendung des § 9 ZPO dürfte ein höher Wert als der 3 1/2-fache Jahreswert nicht überschritten werden. 4594

Eine Begrenzung des Wertes der Zinsen auf den Wert der Hauptforderung, aus der sie hergeleitet werden, ist für den Rechtsmittelstreitwert nicht vorgesehen. Der Wert der Zinsen kann daher auch höher liegen.

4595

Soweit es um den Wert für die Gerichts- oder Anwaltsgebühren geht, ist § 43 Abs. 2 GKG zu berücksichtigen. Der Wert der Zinsen darf nicht höher angesetzt werden als die Hauptforderung, aus der sie hergeleitet werden. Das gilt erst recht im Rechtsmittelverfahren (§ 47 Abs. 2 GKG).

Rangverbesserung Literatur: Schneider, JurBüro 1969, 1029 (Verschaffung eines Rangvorbehaltes).

4596

Vorrangstreitigkeiten hinsichtlich im Grundbuch eingetragener Rechte sind nach § 3 ZPO zu bemessen, da es nicht um die Begründung eines Pfandrechts, sondern nur um dessen Werterhöhung geht.

4597

Bei der Bewertung eines Anspruchs auf Vorrangseinräumung für ein Grundpfandrecht kann im Rahmen des § 3 ZPO zwar die Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 1 KostO (Wert des zurücktretenden Rechts als Begrenzung) entsprechend angewandt werden, nicht aber § 24 KostO, da insoweit die zivilprozessuale Regelung des § 9 ZPO vorrangig ist.1

4598

Die Sperrklausel des § 6 Satz 2 ZPO ist immer zu berücksichtigen.2 Der Wert kann also nicht höher als die Gefährdung des Gläubigers sein, der den Vorrang anstrebt.3

4599

Bezweckt die Klage, der eine Vereinbarung über die Eintragung einer Gesamthypothek an bestimmter Rangstelle auf mehreren Grundstücken zugrunde liegt, nicht nur die Rangverbesserung der auf einem der Grundstücke bereits eingetragenen Sicherungshypothek, sondern zugleich ihre Eintragung als Gesamthypothek mit der bereits auf den anderen Grundstücken eingetragenen Hypothek, so bestimmt sich der Streitwert auch dann nach § 6 ZPO, wenn die wirtschaftliche Sicherung der Forderung schon allein durch die Rangverbesserung der bereits eingetragenen Hypothek mit Sicherheit erreicht würde.

4600

Als Streitwert ist daher der Forderungsbetrag anzunehmen, nicht gem. § 3 ZPO nur der geringere Wert des wirtschaftlichen Interesses des Klägers an der Rangverbesserung der bereits vorhandenen Hypothek.4

1 2 3 4

OLG Frankfurt, MDR 1982, 411 = AnwBl. 1982, 111. OLG Kiel, JW 1933, 2471 Nr. 7. Gerold, Streitwert, S. 238. OLG Frankfurt, Rpfleger 1956, 318.

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Monschau

Rangverbesserung von unter einem Jahr zu rechnen sein, sodass ein geringerer Wert zugrunde zu legen ist. Handelt es sich dagegen um ein aufwendiges Verfahren, in dem mehrere Beweiserhebungen zu erwarten sind, dürfte von einem höheren Wert auszugehen sein. In entsprechender Anwendung des § 9 ZPO dürfte ein höher Wert als der 3 1/2-fache Jahreswert nicht überschritten werden. 4594

Eine Begrenzung des Wertes der Zinsen auf den Wert der Hauptforderung, aus der sie hergeleitet werden, ist für den Rechtsmittelstreitwert nicht vorgesehen. Der Wert der Zinsen kann daher auch höher liegen.

4595

Soweit es um den Wert für die Gerichts- oder Anwaltsgebühren geht, ist § 43 Abs. 2 GKG zu berücksichtigen. Der Wert der Zinsen darf nicht höher angesetzt werden als die Hauptforderung, aus der sie hergeleitet werden. Das gilt erst recht im Rechtsmittelverfahren (§ 47 Abs. 2 GKG).

Rangverbesserung Literatur: Schneider, JurBüro 1969, 1029 (Verschaffung eines Rangvorbehaltes).

4596

Vorrangstreitigkeiten hinsichtlich im Grundbuch eingetragener Rechte sind nach § 3 ZPO zu bemessen, da es nicht um die Begründung eines Pfandrechts, sondern nur um dessen Werterhöhung geht.

4597

Bei der Bewertung eines Anspruchs auf Vorrangseinräumung für ein Grundpfandrecht kann im Rahmen des § 3 ZPO zwar die Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 1 KostO (Wert des zurücktretenden Rechts als Begrenzung) entsprechend angewandt werden, nicht aber § 24 KostO, da insoweit die zivilprozessuale Regelung des § 9 ZPO vorrangig ist.1

4598

Die Sperrklausel des § 6 Satz 2 ZPO ist immer zu berücksichtigen.2 Der Wert kann also nicht höher als die Gefährdung des Gläubigers sein, der den Vorrang anstrebt.3

4599

Bezweckt die Klage, der eine Vereinbarung über die Eintragung einer Gesamthypothek an bestimmter Rangstelle auf mehreren Grundstücken zugrunde liegt, nicht nur die Rangverbesserung der auf einem der Grundstücke bereits eingetragenen Sicherungshypothek, sondern zugleich ihre Eintragung als Gesamthypothek mit der bereits auf den anderen Grundstücken eingetragenen Hypothek, so bestimmt sich der Streitwert auch dann nach § 6 ZPO, wenn die wirtschaftliche Sicherung der Forderung schon allein durch die Rangverbesserung der bereits eingetragenen Hypothek mit Sicherheit erreicht würde.

4600

Als Streitwert ist daher der Forderungsbetrag anzunehmen, nicht gem. § 3 ZPO nur der geringere Wert des wirtschaftlichen Interesses des Klägers an der Rangverbesserung der bereits vorhandenen Hypothek.4

1 2 3 4

OLG Frankfurt, MDR 1982, 411 = AnwBl. 1982, 111. OLG Kiel, JW 1933, 2471 Nr. 7. Gerold, Streitwert, S. 238. OLG Frankfurt, Rpfleger 1956, 318.

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Ratenzahlung

Ratenzahlung Literatur: Bräuer, JurBüro 2008, 62.

Eine hinsichtlich der Klageforderung vereinbarte Ratenzahlung ist auf die Höhe des Zuständigkeits- und Gebührenstreitwerts grundsätzlich ohne Einfluss, da im wirtschaftlichen Ergebnis immer der volle Betrag verlangt wird und daher dieser auch der Streitwertberechnung zugrunde zu legen ist.

4601

Eine geringere Bewertung der Streitigkeit kommt nur dann in Betracht, wenn die Forderung als solche zwischen den Parteien unstreitig bzw. bereits rechtskräftig beschieden ist, der Streit also nur darüber geht, ob der Anspruch des Klägers sofort in voller Höhe oder in Raten zu begleichen ist.1 Hier ist der Wert der Ratenzahlungsvereinbarung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.

4602

* Æ Hinweis:

4603

In Betracht kommt eine solche Vereinbarung insbesondere dann, wenn in einem Prozessvergleich für den durch Teilurteil erledigten Teil des Klagebegehrens Ratenzahlung vereinbart wird. Denn dann bildet nicht der ganze ursprüngliche Klageanspruch den Streitwert, sondern das Interesse der Parteien an der Ratenzahlungsvereinbarung.

Zu dieser Schätzung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG werden unterschiedliche Ansichten vertreten: – Teilweise wird ein Wert in Höhe eines Drittels der Forderung angenommen.2 – Andere Stimmen sprechen sich für eine Wertfestsetzung i.H.v. 1/6 bis 1/5 der Forderung aus.3 – Das KG hat lediglich 1/10 der bereits rechtskräftig titulierten Forderung angesetzt.4 – Das AG Lüdenscheid schließlich wendet sich grundsätzlich gegen eine Bruchteilsbewertung, sondern will das konkrete Interesse der Parteien am Zustandekommen der Ratenzahlungsvereinbarung berücksichtigen.5 Dieses Interesse könne bei einer Ratenzahlungsvereinbarung über eine durch Versäumnisurteil bereits erledigte Forderung darin bestehen, die Mehrkosten zu vermeiden, die hätten anfallen können, wenn es nach dem Erlass des Versäumnisurteils zu einem weiteren Termin oder einer Zwangsvollstreckung gekommen wäre.

4604

Von dieser Wertfrage zu unterscheiden ist, ob bei einer Ratenzahlungsabrede eine Gebühr entstehen kann. Während dies bei der Vergleichsgebühr nach früherem Recht6 daran scheiterte, dass es in der Regel am gegenseitigen Nachgeben fehlte, ist dies für die Entstehung der Einigungsgebühr nach Nr. 1000

4605

1 Vgl. dazu das Stichwort „Fälligkeit“. 2 OLG Celle, JurBüro 1971, 237; Anders/Gehle, Handbuch des Streitwerts, „Vergleich“ Rn. 11; zweifelnd OLG Jena, Beschl. v. 31.5.2006 – 9 W 119/06, MDR 2006, 1436. 3 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.4.1961 – 1 W 35/61, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 35. 4 KG, Urt. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02, KGR 2004, 446. 5 AG Lüdenscheid, Urt. v. 31.5.2007 – 94 C 393/06, JurBüro 2008, 90 = AGS 2008, 251. 6 Vgl. OLG Köln, KostRsp. BRAGO § 23 Nr. 4 mit Anm. Schneider; LG Ravensburg, KostRsp. BRAGO § 23 Nr. 54 mit Anm. Herget.

Onderka

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Räumungsfristverfahren VV RVG nicht mehr erforderlich. Denn es reicht aus, dass der Anwalt bei Abschluss eines Vertrages mitwirkt, durch den die Parteien ihren Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigen. Die Gebühr entsteht nur in denjenigen Fällen nicht, in denen sich der Vertrag zwischen den Parteien auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beschränkt, was bei einer Ratenzahlungsabrede allerdings nicht der Fall ist. 4606

Bei Anfechtung einer Wertsicherungsklausel (z.B. Angleichung an die Beamtenbesoldung) bestimmt sich der Streitwert gem. § 3 ZPO1 nach dem Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung dieser Klausel. Es sind also bei der Wertfestsetzung die aus dieser Klausel sich ergebenden Möglichkeiten einer Erhöhung, aber auch einer Herabsetzung des in Raten zu tilgenden Kaufpreises in Betracht zu ziehen.

Räumungsfristverfahren 4607

Gem. §§ 721, 794a ZPO ist auf Antrag oder von Amts wegen über die Gewährung einer Räumungsfrist und auf Antrag über deren Verkürzung oder Verlängerung zu entscheiden. Wird der Antrag im Hauptsacheverfahren (hilfsweise) neben dem auf Verurteilung zur Räumung bzw. auf Klageabweisung gerichteten Sachantrag gestellt, dann scheidet eine Werterhöhung aufgrund wirtschaftlicher Identität aus. Für den Wert des eigenständigen Beschluss- oder des Beschwerdeverfahrens ist das nach § 3 ZPO zu schätzende Interesse des Vollstreckungsschuldners am Räumungsaufschub bzw. des Vollstreckungsgläubigers am vorzeitigen Rückerhalt des Nutzungsobjekts maßgebend. Ist der Antrag auf Einräumung eines (weiteren) Aufschubs oder einer Verkürzung mit bestimmter Dauer gestellt, bestimmt sich der Wert nach dem für diesen Zeitraum anfallenden Nutzungsentgelt.2 Zu beachten bleibt, dass gem. §§ 721 Abs. 5, 794a Abs. 3 ZPO die Räumungsfrist insgesamt ein Jahr nicht überschreiten darf.3

4608

Für eine Bruchteilsbewertung oder unabhängig von §§ 721 Abs. 5, 794a Abs. 3 ZPO zeitbezogene Beschränkung besteht kein Anlass, auch nicht weil mit der Räumungsfrist die (fortdauernde) Pflicht zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung verbunden ist.4 Wie auch sonst für die Bewertung nach § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) ist es unerheblich, dass mit dem festzustellenden Bestand des Mietverhältnis zugleich Zahlungsverpflichtungen verbunden sind. 1 OLG Bamberg, JurBüro 1962, 689 Nr. 221. 2 OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.6.2006 – 13 U 89/06, AGS 2006, 563 = NJW-RR 2007, 15; LG Kempten, AnwBl. 1968, 58; LG München, Beschl. v. 26.3.2008 – 14 T 4822/08, ZMR 2009, 371; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Miete und Pacht“ Rn. 41; Hartmann, Anh. I § 48 (§ 3 ZPO) Rn. 93 unter „Räumungsfrist“; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 Rn. 123. 3 Daher zutreffend Hartmann, Anh. I § 48 GKG (§ 3 ZPO) Rn. 93 unter „Räumungsfrist“: Wert höchstens Jahresbetrag. 4 LG Bad Kreuznach, JVBl. 1965, 214; KostRsp. GKG a.F. § 12 Nr. 21: Hälfte der während der Schutzfrist zu zahlenden Nutzungsentschädigung; LG Krefeld, KostRsp. GKG a.F. § 12 Nr. 25; LG Stuttgart, Rpfleger 1968, 62: in der Regel 3-fache Monatsmiete bzw. Nutzungsentschädigung; und 11. Auflage.

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Kurpat

Rechnungslegung Eine Saldierung der Vor- und Nachteile findet bei der Ermittlung des klägerischen Interesses (in der Regel) nicht statt. S. für das Vollstreckungsschutzverfahren nach § 765a ZPO auch unter dem Stichwort „Vollstreckungsschutz“.

4609

Reallast Zum Begriff der Reallast gehört die Entrichtung wiederkehrender Leistungen (§ 1105 BGB). Deshalb ist § 9 ZPO die maßgebende Bewertungsvorschrift.1

4610

Die für Grunddienstbarkeiten geltende Regel des § 7 ZPO ist auf Reallasten nicht anwendbar.

4611

Die Klage auf Zahlung einer Rente und auf Eintragung einer Reallast im Grundbuch zur Sicherung dieser Rente sind wirtschaftlich auf denselben Erfolg gerichtet. Eine Zusammenrechnung der beiden Werte findet deshalb nicht statt.2

4612

Ebenso ist zu bewerten, wenn auf Zahlung eines erhöhten Erbbauzinses und die Eintragung einer entsprechend erhöhten Reallast im Grundbuch geklagt wird.3

4613

Bei Klagen auf Löschung einer Reallast begrenzt der Verkehrswert des Grundstücks entsprechend § 6 ZPO den Höchstbetrag des Streitwerts.4

4614

Rechnungslegung Der Streitwert einer Klage auf Rechnungslegung bemisst sich gem. § 3 ZPO nach dem Interesse, das der Kläger hat, mit einem solchen Anspruch die Begründung des Leistungsanspruchs zu erleichtern, wobei er sich zugleich Mühe und Kosten der eigenen Aufklärung erspart.5

4615

Das Interesse des Klägers an der Rechnungslegung ist stets geringer als der Wert des Hauptanspruches, dem die Rechnungslegung dienen soll. Beschränkt sich das Interesse ausnahmsweise auf Rechnungslegung, ist also keine Zahlungsklage beabsichtigt, dann ist der Streitwert nach dem Zeit- und Sachaufwand für die Rechnungserteilung zu bemessen.6

4616

Der künftige Leistungsanspruch, der durch die Klage auf Rechnungslegung vorbereitet werden soll, bildet nur eine Schätzungsgrundlage,7 die keinesfalls überschritten werden darf.8

4617

1 2 3 4 5

OLG Frankfurt/M., MDR 1982, 411 = AnwBl. 1982, 111. OLG Nürnberg, JurBüro 1964, 684. OLG Celle, Nds.Rpfl. 1983, 159 = KostRsp. ZPO § 5 Nr. 52 mit Anm. Schneider. OLG Bremen, Rpfleger 1957, 275. BGH, Rpfleger 1959, 110; OLG Neustadt, Rpfleger 1957, 238; KG, Rpfleger 1962, 153; OLG Köln, DB 1955, 724; OLG Celle, Rpfleger 1956, 347. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.1.1995 – 22 W 65/94, OLGR 1995, 192. 7 OLG Köln, DB 1955, 724. 8 BGH, NJW 1960, 1252; KG, JW 1932, 2893.

N. Schneider

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Rechnungslegung 4618

Der Wert des Interesses des Klägers ist nicht nach seiner Vorstellung und nicht nach dem Ergebnis zu bemessen, sondern nach objektiven Anhaltspunkten für die Zeit der Klageerhebung. Wertangaben der Parteien und wirklicher Wert der Gegenstände, über die Auskunft verlangt wird, haben nur die Bedeutung von Indizien.1

4619

Unrichtig erscheint es, wenn OLG Bremen2 nach dem ermittelten Geldbetrag bewerten will. Dann könnte der Streitwert auf Null sinken!

4620

Keine sachliche Abweichung liegt in der Formulierung, Ausgangspunkt sei der Betrag, den der Kläger sich nach seinem Sachvortrag von der Rechnungslegung bestenfalls verspreche. Denn auch dabei wird „auf den Sachvortrag“ abgestellt.

4621

Dies ist nötig, um der Möglichkeit zu begegnen, dass der Kläger durch willkürliche Zahlenangaben den Streitwert hochtreibt.

4622

Für das maßgebende Interesse des Klägers ist von dem Zahlungs- oder anderweitigen Leistungsanspruch auszugehen, den er nach seiner Darlegung zu erwarten hat. Der Streitwert dieses möglichen Leistungsanspruchs ist dann wegen bloßen Auskunftsbegehrens zu kürzen, nämlich mit einem Bruchteil des erwarteten Anspruchs zu bewerten.3 Da es stets auf den Einzelfall ankommt, ist eine gleich bleibende Quotierung ausgeschlossen.4

4623

Der Spielraum für das Schätzungsermessen5 liegt zwischen 1/10 und 2/56 oder 1/3 und 1/5.7 Als Regelbruchteil wird vielfach 1/4 angesetzt.8 Andere Gerichte haben z.B. mit 1/10 bewertet.9 Der BGH10 hat einmal 1/5 angesetzt.

4624

Kann der Kläger ohne Abrechnung seinen Zahlungsanspruch gar nicht verfolgen, dann mag im Einzelfall der Wert des Anspruchs auf Rechnungslegung bis nahe an den Wert des Zahlungsanspruchs herankommen.11 Entsprechend liegt es, wenn mit der Rechnungslegung zugleich eine Feststellungswirkung erzielt wird.12

4625

Der Begründung eines BGH-Beschlusses13 ist eine aufschlussreiche Zusammenstellung der beim Kläger zu bewertenden Interessenkonstellationen zu entnehmen: – Die Durchsetzbarkeit des Zahlungsanspruchs hängt von der Rechnungslegung ab: hohe Bewertung, ggf. wie der Zahlungsanspruch selbst. – Die Durchsetzbarkeit wird durch Rechnungslegung erleichtert: Streitwert etwa die Hälfte des Wertes des Zahlungsanspruchs. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

OLG Celle, Nds.Rpfl. 1961, 221. OLG Bremen, Rpfleger 1957, 273. LG Freiburg, KostRsp. GKG § 25 Nr. 151 mit Anm. Schneider = WuM 1991, 504. BGH, NJW 1960, 1252. Krit. zum Begriff Lappe, NJW 1993, 1750. OLG Celle, Nds.Rpfl. 1961, 221. KG, Rpfleger 1962, 153. S. z.B. KG, Rpfleger 1972, 153; OLG Köln, VersR 1976, 1154; LG Bonn, Beschl. v. 31.10.1991 – 6 T 246/91, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1094 = JurBüro 1992, 117. OLG Celle, Nds.Rpfl. 1960, 177; OLG Nürnberg, MDR 1960, 570. BGH, JurBüro 1960, 796. BGH, MDR 1962, 564; LG Freiburg, WuM 1991, 504. BGH, NJW 1960, 1252. BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 613 mit Anm. Schneider = JurBüro 1983, 1182.

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N. Schneider

Rechnungslegung – Der Leistungsanspruch ist im Wesentlichen auch ohne Rechnungslegung durchzusetzen: geringer Wertansatz, etwa 1/4 des Zahlungsbegehrens. – Der Kläger ist bereits im Besitz der Unterlagen, sodass ihm die Mithilfe des Beklagten nur noch der Kontrolle dient: geringster Wertansatz, etwa 1/10 des Streitwerts des Zahlungsanspruchs. Eine Zusammenrechnung des Anspruches auf Rechnungslegung mit dem Anspruch auf Zahlung scheidet wegen der bloß vorbereitenden Zweckbestimmung des Rechnungslegungsanspruchs aus.

4626

Das gilt auch dann, wenn von vornherein ein bereits bezifferter Leistungsantrag als Teilforderung gestellt wird, sofern die Rechnungslegung auch der Ermittlung dieses Teilbetrages dient.1

4627

Ist dies nicht der Fall, wird also über den durch Rechnungslegung vorzubereitenden erhofften Leistungsbetrag hinaus ein zusätzlicher Betrag verlangt, dann fällt die Anspruchsüberlagerung weg.

4628

Die Streitwerte eines Anspruches auf Rechnungslegung und eines davon unabhängigen Anspruchs auf Leistung müssen, soweit die Selbständigkeit des Leistungsanspruches reicht, nach § 5 ZPO addiert werden.2

4629

Hat umgekehrt der Rechnungslegungsanspruch nur den Zweck, einen neben der Hauptforderung verfolgten Zinsanspruch zu klären, ist er streitwertmäßig bedeutungslos.3

4630

Auf das Interesse des Beklagten kommt es dann an, wenn über seinen Sachantrag zu entscheiden ist, also bei Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung zur Rechnungslegung. Maßgebend ist dann der Aufwand an Zeit und Kosten, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert.4 S. näher dazu bei den Stichwörtern „Auskunftsanspruch“ Rn. 1406 ff. und „Stufenklage“ Rn. 5099 ff. sowie „Rechtsmittel“ Rn. 4675 ff.

4631

Zu beachten ist Folgendes: – Das Interesse des Beklagten an der Abwehr eines ausgeurteilten Rechnungslegungsanspruchs des Klägers ist maßgebend, auch soweit es auf schutzwürdige Geheimhaltung bestimmter Tatsachen gerichtet ist, also beispielsweise nicht beim Unterhaltsanspruch über das Einkommen. – Unmaßgeblich ist aber das bloße Interesse, durch Verschweigen die Rechtsverfolgung des Gegners zu vereiteln oder zu erschweren.5 – Das Interesse des Beklagten ist entsprechend geringer zu bewerten, wenn der Beklagte bereits weitgehend durch von ihm gemachte Angaben die Unklarheit über die Höhe des Hauptanspruchs beseitigt hatte. Das Interesse des Beklagten ist schutzwürdig, wenn es ihm darum geht, den mit der Rechnungslegung voraussichtlich verbundenen Aufwand an Zeit und Kosten zu vermeiden.6

4632

1 2 3 4

KG, JW 1927, 1360; 1934, 2633. OLG Naumburg, JVBl. 1939, 169; KG, JW 1927, 1388. RGZ 29, 395. BGH, NJW 1991, 1833 = MDR 1991, 679; BGH, NJW-RR 1991, 956; jetzt der Große Zivilsenat des BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1192. 5 BGH, JurBüro 1983, 1182; BGH, JurBüro 1978, 357 = Rpfleger 1978, 53. 6 BGH, NJW 1970, 1083; JurBüro 1983, 1181.

N. Schneider

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Recht am eigenen Bild 4633

Hat bei einer Stufenklage das Gericht den Rechnungslegungsanspruch durch Teilurteil zuerkannt und das Berufungsgericht die gesamte Klage abgewiesen, so ist bei uneingeschränkter Revision für den Streitwert jedenfalls der Revisionsinstanz die gesamte Klage maßgebend.1

4634

Diese Bewertung muss aber auch für den zweiten Rechtszug gelten, weil das Berufungsgericht durch seine umfassende Entscheidung den ganzen Rechtsstreit an sich gezogen hat.

4635

Ob dabei von Anwälten und Gerichten bei Antragstellung oder Entscheidung prozessuale Fehler begangen worden sind, ist für den Streitwert unmaßgeblich.

4636

Jedoch ist das Beklagteninteresse nicht deshalb höher zu bewerten, weil die Parteien auch über den Grund des Leistungsanspruchs streiten und das angefochtene Urteil in seinen Entscheidungsgründen den Grund des Anspruchs bejaht hat.2

Recht am eigenen Bild 4637

Das Recht am eigenen Bild ist Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die (vorbeugende) Unterlassungsklage wegen Verletzung des Rechts am eigenen Bild ist daher eine hinsichtlich des Gebührenstreitwertes nach § 48 Abs. 2 GKG zu bewertende nichtvermögensrechtliche Streitigkeit.3 Der Wert ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen und darf nicht über 1.000.000 Euro angenommen werden. Der Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze nach § 3 ZPO frei zu schätzen.

4638

Wird der Unterlassungsanspruch mit einem aus der Verletzung des Rechts am eigenen Bild hergeleiteten Schadensersatzanspruch verbunden, so ist nach § 48 Abs. 4 GKG nur der höhere der beiden Ansprüche maßgebend.

Rechtsbeschwerde 4639

Ein Zuständigkeitsstreitwert muss für die Rechtsbeschwerde nicht festgesetzt werden, da sich die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des BGH bereits aus § 133 GVG ergibt.

4640

Für die Gerichtsgebühren ist eine Wertfestsetzung überwiegend nicht erforderlich, da Festgebühren anfallen (vgl. Nr. 1823 ff. KV GKG). Soweit ausnahmsweise Wertgebühren anfallen – insbesondere bei der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss, durch den die Berufung als unzulässig verworfen wurde (Nr. 1820 KV GKG) sowie bei Rechtsbeschwerden gem. § 15 KapMuG – ist der Gebührenstreitwert nach § 47 GKG zu bestimmen. Maßgeblich ist in erster Linie der Antrag des Beschwerdeführers (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG). Wird die 1 BGH, NJW 1960, 576: Abgrenzung zu BGH, NJW 1959, 1827. 2 BGH, MDR 1964, 840. 3 KG, JurBüro 1969, 1190.

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Onderka

Rechtsmittel Rechtsbeschwerde nicht bzw. nicht fristgerecht begründet, richtet sich der Streitwert nach der Beschwer. Der Anwalt erhält die Wertgebühren nach Nr. 3502 VV RVG (Verfahrensgebühr) und nach Nr. 3516 VV RVG (Terminsgebühr). Der Gegenstandswert ist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG, § 47 GKG zu bestimmen. Hinsichtlich der Einzelheiten vgl. das Stichwort „Rechtsmittel“.

Rechtshängigkeit S. das Stichwort „Einrede, Einwendung“.

Rechtsmittel Literatur: H. Schmidt, JurBüro 1953, 377 (Streitgenossen-Prozess); Tschischgale, MDR 1962, 617 (Berufung und Revision); Mümmler, JurBüro 1975, 313 (Gebührenansatz nach Zurückverweisung); Baumgärtel/Klingmüller, VersR 1980, 420 (fiktive Anträge in Verbindung mit Rechtsmittelrücknahme); Ewers, FamRZ 2001, 1050; Otto, JurBüro 1997, 286; Jauernig, NJW 2001, 3027; Mayer/Mayer, JurBüro 1993, 325; Lappe, NJW 1999, 1432; Schulte, MDR 2000, 807; N. Schneider, AGS 2004, 89. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 4642 B. Gebührenstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . II. Rechtsmittelantrag (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG) 1. Inhalt des Antrags . . . . . . . 2. Unbeachtlicher Antrag . . . . . a) Teilbarer oder unteilbarer Streitgegenstand . . . . . . . b) Rechtsmissbrauch . . . . . . c) Rechtsfolgen . . . . . . . . . 3. Bewertungszeitpunkt . . . . . III. Beschwer (§ 47 Abs. 1 Satz 2 GKG) . . . . . . . . . . . . . . IV. Wertbegrenzung (§ 47 Abs. 2 GKG) . . . . . . . . . . . . . . C. Beschwer I. Allgemeines . . . . . . . . II. Bestimmung der Beschwer 1. Formelle und materielle Beschwer . . . . . . . . . . 2. Änderung der Beschwer . .

. 4646

. 4648 . 4653 . . . .

4654 4658 4665 4667

. 4673 . 4674

. . . 4675 . . . 4676 . . . 4678 . . . 4682

D. Rechtsmittelstreitwert . . . . . . 4686 E. Einzelfälle I. Beschwerde 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . 4689 2. Einzelne Beschwerdearten . . . . 4691

3. Verfahrensfragen . . . . . . . II. Wechselseitig eingelegte Rechtsmittel . . . . . . . . . III. Widerklage . . . . . . . . . . IV. Grundurteil . . . . . . . . . . V. Teilurteil 1. Streitiges Teilurteil . . . . . . 2. Teilanerkenntnisurteil . . . . VI. Zwischenurteil . . . . . . . . VII. Streitgenossen . . . . . . . . . 1. Rechtsmittel gegen mehrere Streitgenossen . . . . . . . . . 2. Rechtsmittel durch mehrere Streitgenossen . . . . . . . . . VIII. Eventualaufrechnung . . . . . IX. Haupt- und Hilfsantrag . . . . X. Zurückbehaltungsrecht . . . XI. Verurteilung Zug um Zug 1. Rechtsmittel des Klägers . . . 2. Rechtsmittel des Beklagten . 3. Einzelfälle . . . . . . . . . . . XII. Erledigung der Hauptsache . . XIII. Verlustigerklärung . . . . . . XIV. Auskunftsanspruch . . . . . . XV. Versehentliches Rechtsmittel XVI. Unzulässiges Rechtsmittel . .

Rn. . 4697 . 4701 . 4711 . 4716 . . . .

4718 4720 4722 4725

. 4726 . . . .

4727 4734 4738 4742

. . . . . . . .

4744 4747 4749 4754 4755 4758 4764 4765

F. Zinsen . . . . . . . . . . . . . . 4766 G. Kosten . . . . . . . . . . . . . . 4773

Onderka

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4641

Rechtsmittel Stichwortübersicht Rn. Angemessenheit der Anträge . . . . 4649 Anschlussberufung . . . . . . . . . 4706 – wegen Zinsen . . . . . . . . . . . 4768 Anschlussrevision . . . . . . . . . . 4709 Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . 4648 – nachgeholter . . . . . . . . . . . . 4652 – nicht ernst gemeinter . . . . . . . 4661 – rechtsmissbräuchlich . . . . . . . 5658 – unbeachtlicher . . . . . . . . . . 4653 – uneingeschränkter . . . . . . . . 4650 – zulässiger/angemessener . . . . . 4649 Antragsänderung/-erweiterung . . . 4684 Arrest . . . . . . . . . . . . . . . . . 4696 Aufhebung . . . . . . . . . . . 4681, 4721 Auflassungsvormerkung . . . . . . 4749 Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . 4752 Außergerichtliche Kosten . . . . . . 4773 Auskunftsanspruch . . . . . . . . . 4758 Aussetzung, Beschwerde . . . . . . 4694 Begründung des Rechtsmittels . . . . . . . . . . . 4651, 4675 Berufung – und Anschlussberufung . . . . . 4706 Betragsurteil . . . . . . . . . . . . . 4593 – gegen Teilurteil . . . . . . . . . . 4718 – Vergleich . . . . . . . . . . . . . 4737 – versehentlich eingelegte . . . . . 4764 Beschränkung – der Berufung . . . . . . . . . . . . 4650 – der Beschwerde . . . . . . . . . . 4665 Beschwer . . . . . . . . . . . . . . . 4675 – bei Anfechtung mehrerer Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . 4700 – bei kapitalisierten Zinsen . . . . 4768 – bei Klage und Widerklage . . . . 4711 – Obergrenze . . . . . . . . . . . . 4680 Beschwerde . . . . . . . . . . . . . 4689 – bei Aussetzung . . . . . . . . . . 4694 – gegen mehrere Beschlüsse . . . . 4700 – gegen Kostenentscheidung . . . . 4633 – offensichtlich unzulässig . . . . . 4697 – bei Verweisungsantrag . . . . . . 4722 Beschwerdewert . . . . . . . . . . . 4689 Bewertungszeitpunkt . . . . . . . . 4667 Bruchteilsbewertung . . . . . . . . 4759 Derselbe Streitgegenstand – bei Streitgenossen . . . . . . . . . 4733 Einlegung des Rechtsmittels . . . . 4675 Einrede . . . . . . . . . . . . . . . . 4753 Einseitige Erledigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . 4754 Einstweilige Verfügung . . . . . . . 4672 Erhöhung des Streitwerts . . . . . . 4739 Erledigung der Hauptsache . . . . . 4754 Erledigungserklärung, einseitige . . 4754

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Rn. Ermessensüberprüfung durch Revisionsgericht . . . . . . . . . . . . Erwachsenheitssumme unterschritten . . . . . . . . . . . . . . . . . Eventualaufrechnung . . . . . . . . Formelle Beschwer . . . . . . . . . Frist zur Klageerhebung, § 926 Abs. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . Gebührenstreitwert und Revisionswert . . . . . . . . . . . . . . . . Gegenleistung . . . . . . . . . . . . Geringwertige Anträge . . . . . . . Gesamtschuldner . . . . . . . . . . Grenzregelung, Zulässigkeit . . . . Grundurteil und Schlussurteil . . . Grund- und Betragsurteil . . . . . . Haupt- und Hilfsantrag . . . . . . . Hauptsache – Erledigung . . . . . . . . . . . . . – Erledigung, einseitig erklärte . . . – Zinsen als Hauptsache . . . . . . Herausgabe von Sachen . . . . . . . Hilfsantrag . . . . . . . . . . . . . . Hilfsaufrechnung . . . . . . . . . . Hilfswiderklage . . . . . . . . . . . Hypothetische Anträge . . . . . . . Inkassogebühren . . . . . . . . . . . Interesse des Rechtsmittelbeklagten unbeachtlich . . . . . . . . . Interessenveränderung . . . . . . . Irrtümliche Berufung . . . . . . . . Kapitalisierte Zinsen und Beschwer Klage und Hilfswiderklage . . . . . Klage und Widerklage – Beschwer . . . . . . . . . . . . . . Klageerweiterung in zweiter Instanz Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . Kostenfestsetzungsbeschlüsse, Beschwerde gegen mehrere . . . . Kostenschlussurteil . . . . . . . . . – nach Teilanerkenntnisurteil . . . Materielle Beschwer . . . . . . . . . Nachbesserung . . . . . . . . . . . . Nebenintervention . . . . . . . . . Nebenforderungen . . . . . . . . . . Nichtzulassungsbeschwerde . . . . Obergrenze der Beschwer des Beklagten . . . . . . . . . . . . . Offensichtlich unzulässige Beschwerde . . . . . . . . . . . . Prozesskostensicherheit . . . . . . . Quotenberufung bei Grundurteil . . Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . Rechtsmittel – Antrag . . . . . . . . . . . . . . .

4683 4684 4734 4678 4696 5117 4744 4655 4705 1530 4716 4703 4738 4754 4754 4766 4743 4738 4734 4740 4665 4773 4648 4672 4764 4768 4740 4711 4669 4773 4700 4771 4775 4679 4751 4733 4766 4692 4680 4697 4724 4717 4691 4648

Rechtsmittel Rn. – Antrag und Beschwer . . . . . . . 4675 – unzulässiges . . . . . . . . . . . . 4765 – versehentliches . . . . . . . . . . 4765 Rechtsmittelsumme unterschritten 4649 Revision – Teilurteil . . . . . . . . . . . . . . 4718 – Widerklage . . . . . . . . . . . . . 4715 Sachherausgabe . . . . . . . . . . . . 4743 Schlussurteil – nach Grundurteil . . . . . . . . . 4717 – über Kosten . . . . . . . . . . . . 4771 Sicherheitsleistung für Prozesskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . 4724 Streitgegenstand . . . . . . . . . . . 4654 Streitgenossen . . . . . . . . . . . 4725 ff. Streithelfer . . . . . . . . . . . . . . 4732 Streitwerterhöhung . . . . . . . . . 4739 Streitwertverminderung . . . . 4668, 4688 Stufenklage . . . . . . . . . . . . . . 4763 Teilanerkenntnisurteil . . . . . 4720, 4775 – Kostenschlussurteil . . . . . . . . 4775 Teilbarer Streitgegenstand und Rechtsmittelrücknahme . . . . . 4654 Teilbetragsberufung . . . . . . . . . 4650 Teilurteil . . . . . . . . . . . . . . . 4718 – und Kostenschlussurteil . . . . . 4771 – gegen Streitgenossen . . . . . . . 4728 Umsatzsteuer, Beschwerdewert . . . 4689 Unerkennbare Willensmängel . . . . 4649 Unterlassungsinteresse . . . . . . . 4681 Unzulässige Beschwerde, Offensichtlichkeit . . . . . . . . . . . . 4697 Unzuständigkeit . . . . . . . . . . . 4722

Rn. Verbindung . . . . . . . . . . . . . . 4759 Verfahrensmängel . . . . . . . . . . 4697 Verlustigerklärung . . . . . . . . . . 4755 Verminderung des Streitwerts . . . . . . . . . . . . . 4668, 4688 Versehentlich eingelegte Berufung . 4764 Verstoß gegen § 308 ZPO . . . . . . 4741 Verurteilung Zug um Zug . . . . . . 4744 Verweisungsantrag – Beschwerdeverfahren . . . . . . . 4695 Verwerfung . . . . . . . . . . . . . . 4691 Wechselkurse, steigende . . . . . . . 4670 Wechselseitige Rechtsmittel . . . . 4701 Wertbegrenzung . . . . . . . . . . . 4674 Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . 4570 Wertänderung . . . . . . . . . . . . 4667 f. Widerklage . . . . . . . . . . . . 4711 ff. – Teilbetrag . . . . . . . . . . . . . . 4715 Willensmängel . . . . . . . . . . . . 4649 Zahlungen vor Beschwerdeeinlegung . . . . . . . . . . . . . . . . 4698 Zeitpunkt der Bewertung . . . . . . 4688 Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4766 – mit Anschlussberufung . . . . . . 4768 – als Hauptsache . . . . . . . . 4766, 4774 – bei Kapitalisierung . . . . . . . . . 4768 Zug-um-Zug-Verurteilung . . . 4744, 4770 Zurückbehaltungsrecht . . . . . . . 4742 Zurücknahme – der Berufung . . . . . . . . . . . . 4707 – des Rechtsmittels . . . . . . . . . 4675 – teilweise bei Beschwerde . . . . . 4653 Zwischenurteil . . . . . . . . . . . . 4722

A. Einleitung Bei der Wertbestimmung im Rechtsmittelverfahren ist zwischen dem Rechtsmittelstreitwert, dem Gebührenstreitwert, der Beschwer und dem Wert des Beschwerdegegenstandes zu unterscheiden.

4642

Die Beschwer des Rechtsmittelführers, die für die Frage der Statthaftigkeit des Rechtsmittels und in bestimmten Fällen für den Gebührenstreitwert von Bedeutung ist, bestimmt sich nach dem Inhalt der angefochtenen Entscheidung, soweit diese den Beschwerdeführer unmittelbar rechtlich benachteiligt. Der Wert des Beschwerdegegenstands richtet sich dagegen nach dem konkreten Antrag des Rechtsmittelführers – er kann mit der Beschwer übereinstimmen, aber auch hinter ihr zurückbleiben. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das beschwerende Urteil mit dem Rechtsmittel nur teilweise angegriffen und im Übrigen hingenommen wird. Der Wert des Beschwerdegegenstands kann aber nicht größer sein als die Beschwer.1

4643

1 Vgl. auch die Ausführungen von Jauernig, NJW 2001, 3027.

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Rechtsmittel

* Æ Beispiel: A wird zur Zahlung von 15.000 Euro verurteilt. Seine Beschwer beträgt daher 15.000 Euro. Legt A in vollem Umfang Berufung ein, beläuft sich auch der Wert des Beschwerdegegenstands auf 15.000 Euro. Greift A das Urteil dagegen nur insoweit an, als er zur Zahlung von mehr als 10.000 Euro verurteilt wurde, beträgt der Wert des Beschwerdegegenstands 5.000 Euro.

4644

Der Rechtsmittelstreitwert betrifft die Frage der Zulässigkeit eines Rechtsmittels. Seit dem 1.1.20021 ist er nur noch für Berufung und Beschwerde von Bedeutung, da die Wertrevision (vgl. § 546 Abs. 1 ZPO a.F.) entfallen ist. Nach § 26 Nr. 8 EGZPO gilt allerdings während einer Übergangszeit für die revisionsrechtliche Nichtzulassungsbeschwerde eine Grenze von 20.000 Euro. Die Berufung ist – mangels Zulassung durch das Erstgericht – nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt. Für die Beschwerden in Kostensachen muss der Wert des Beschwerdegegenstandes einen Betrag von 200 Euro übersteigen (§ 567 Abs. 2 ZPO).

4645

Der Gebührenstreitwert schließlich hat nichts mit der Zulässigkeit des Rechtsmittels zu tun, sondern ist Maßstab für die Berechnung der Gerichtsund Anwaltsgebühren im Rechtsmittelverfahren.

B. Gebührenstreitwert I. Allgemeines 4646

Der Gebührenstreitwert richtet sich nach § 47 GKG, also in erster Linie nach den Anträgen des Rechtsmittelklägers (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG). Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Berufungs- oder Revisionsbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Berufungs- oder Revisionsanträge nicht eingereicht, so ist die Beschwer des Rechtsmittelklägers maßgebend (§ 47 Abs. 1 Satz 2 GKG). Weitere Wertvorschriften für die Gebühren in der Rechtsmittelinstanz finden sich in § 41 Abs. 4 GKG (Rechtsmittel bei Ansprüchen aus §§ 574– 574b BGB), § 45 Abs. 2 GKG (wechselseitig eingelegte Rechtsmittel) und § 62 GKG (Bindung an den Rechtsmittelstreitwert).

4647

Die Wertvorschriften gelten für sämtliche Rechtsmittel (Berufung, Revision, Beschwerde, weitere Beschwerde, Rechtsbeschwerde). Für die Nichtzulassungsbeschwerde sowie für das Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels bestimmt sich der Streitwert nach § 47 Abs. 3 GKG.

II. Rechtsmittelantrag (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG) 1. Inhalt des Antrags 4648

Der Gebührenstreitwert für das Rechtsmittelverfahren bestimmt sich gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG in erster Linie nach dem Antrag des Rechtsmittelführers.2 Ein darüber hinausgehendes oder dahinter stehendes Interesse des 1 Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes v. 27.7.2001, BGBl. I, 1887. 2 Vgl. auch BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 814 mit Anm. Schneider; BVerwG, Beschl. v. 9.11.1988 – 4 B 185/88, JurBüro 1989, 528; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2000 –

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Rechtsmittel Rechtsmittelführers an der Durchführung des Verfahrens bleibt bei der Wertbestimmung außer Betracht.1 Wenn in § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG von den „Anträgen des Rechtsmittelklägers“ die Rede ist, so bedeutet das, wie stets im Bewertungsrecht, dass die tatsächlich gestellten Anträge gemeint sind. Es ist unbeachtlich, ob diese Anträge prozessual zulässig oder sachlich angemessen sind, denn auf den Erfolg des Rechtsmittels kommt es im Rahmen der Wertbestimmung nicht an.2 Der Antrag ist also nicht nur dann wertbestimmend, wenn er unter der Beschwer, sondern auch dann, wenn er unter der Rechtsmittelsumme liegt.3 Auf der anderen Seite erhöht auch eine im Antrag enthaltene, prozessual unzulässige Klageerweiterung den Streitwert mit der Folge, dass nach diesem höheren Streitwert die Gebühren zu berechnen sind.4 Der Antrag des Rechtsmittelführers ist ggf. auszulegen, jedoch sind unerkennbare Willensmängel unbeachtlich.5

4649

Wird das Rechtsmittel gegen die vollständige erstinstanzliche Verurteilung eingelegt, dann ist der volle Wert für den Gebührenstreitwert des Rechtsmittelverfahrens maßgeblich. Bei einem solchen uneingeschränkten Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils ist der Streitwert selbst dann gleich dem vorinstanzlichen Verurteilungsbetrag, wenn in der Rechtsmittelbegründung erwähnt ist, dass die Verurteilungssumme vom Rechtsmittelbeklagten zwischenzeitlich im Wesentlichen bezahlt wurde.6 Wird das Rechtsmittel dagegen nur hinsichtlich eines Teilbetrags aus der ersten Instanz eingelegt, dann ist der Streitwert nach diesem Teilbetrag zu bemessen.7

4650

Im Rahmen von § 47 Abs. 1 GKG ist ein förmlicher Antrag zur Beschränkung des Rechtsmittels und damit des Streitwertes nicht immer erforderlich, sodass auch ohne einen solchen förmlichen Antrag die Wertberechnung nach § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG vorgenommen werden kann.8 Endet das Rechtsmittelverfahren beispielsweise ohne Einreichung der Anträge, hat der Rechtsmittelführer aber innerhalb der Begründungsfrist erklärt, dass er sein Rechtsmittel auf einen bestimmten Teil der abgewiesenen Klageansprüche beschränken wolle, so ist der Streitwert nicht gem. § 47 Abs. 1 Satz 2 GKG nach der gesamten Beschwer, sondern nur entsprechend dem Umfang der erklärten Anfechtung festzusetzen.

4651

Einen nachgeholten Antrag gibt es jedoch nicht: Ist beispielsweise die Berufung antragslos eingelegt und später zurückgenommen worden, dann können die Rechtsfolgen des § 47 Abs. 1 Satz 2 GKG nicht durch eine nachträgliche „Klarstellung“ beseitigt werden, die Berufung habe sich nur gegen einen Teil des angefochtenen Urteils richten sollen.9 Ab Berufungsrücknahme besteht

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20 U 14/00, JurBüro 2001, 642; OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.9.2000 – 3 U 268/99, MDR 2001, 113. BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 814 mit Anm. Schneider. OLG Karlsruhe, NJW 1975, 1933; KG, Rpfleger 1962, 154; BFH, BStBl II 1975, 304. BGH, NJW 1974, 1286; OLG München, MDR 1974, 590. BGH, AnwBl. 1979, 113. OLG Karlsruhe, NJW 75, 1933. OLG Köln, MDR 1972, 791 = KostRsp. GKG a.F. § 11 Nr. 21. OLG Celle, JurBüro 1961, 89. OLG München, NJW 1967, 59 Nr. 27. OLG Köln, Beschl. v. 25.4.1984 – 2 U 13/84, MDR 1984, 766.

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Rechtsmittel keine Möglichkeit mehr, eine versäumte Beschränkung der Rechtsmittelanträge nachzuholen. 2. Unbeachtlicher Antrag 4653

Wird das Rechtsmittel ohne Stellung von Anträgen eingelegt – was in der Praxis der Regelfall ist – und wird dann vor der Zurücknahme gewissermaßen pro forma nur noch ein im Hinblick auf den ursprünglichen Streit der Parteien geringfügiger Antrag gestellt, ist zu prüfen, ob dieser Antrag zur Bestimmung des Gebührenstreitwerts herangezogen werden darf. a) Teilbarer oder unteilbarer Streitgegenstand

4654

In diesen Fällen muss zunächst einmal zwischen teilbaren und unteilbaren Streitgegenständen differenziert werden: Unzulässige Anträge bei unteilbarem Streitgegenstand mit dem bloßen Ziel der Streitwertminderung verringern die Beschwer nicht.1 Man pflegt dabei von sog. „unechten Anträgen“ zu sprechen, die bei der Bewertung unberücksichtigt bleiben,2 weil sich ein Beschwerderecht nicht „künstlich herstellen“ lässt.

4655

Bei teilbarem Streitgegenstand dürfen jedoch nach herrschender Meinung vor Rechtsmittelrücknahme geringwertige Anträge gestellt werden, die den Streitwert bestimmen. Das bloße Gebrauchmachen von vorteilhaften Möglichkeiten, die das Gesetz bietet, stellt keinen Missbrauch dar.3 Diese Ansicht entspricht auch den Prinzipien des Kostenrechts, welches klare und einfache Richtlinien verlangt und damit den gestellten Antrag als wertbestimmend anzusehen hat.4

4656

* Æ Anmerkung: Das OLG Düsseldorf5 betont in diesem Zusammenhang zu Recht, dass eine Prüfung der Frage, ob der Antrag zwecks Kostenersparnis willkürlich niedrig gehalten sei, im Streitwertfestsetzungsverfahren nicht stattzufinden habe. Das OLG Bamberg6 hat diese Grundsätze auch auf die Zurücknahme einer verspätet eingelegten und damit anfänglich unzulässigen Berufung angewandt.

4657

Der Streitwert des Rechtsmittelverfahrens bei teilbaren Streitgegenständen bemisst sich also auch dann nach den während der Begründungsfrist gestellten Anträgen, wenn diese hinter der Beschwer des Rechtsmittelführers zurückbleiben und das Rechtsmittel bald darauf zurückgenommen wird, selbst wenn die Rechtsmittelsumme unterschritten wird.7

1 OLG Celle, MDR 1975, 767; OLG Bamberg, Beschl. v. 12.3.1998 – 3 U 1/98, OLGR 1998, 352. 2 S. OLG Hamm, JurBüro 1977, 704 im Anschluss an BGH, NJW 1973, 370 = JurBüro 1973, 295 = MDR 1973, 311. 3 BGH, JurBüro 1974, 1125 = MDR 1974, 832. 4 OLG Köln, JMBl.NW 1967, 132; OLG Celle, NJW 1964, 359; OLG Hamburg, MDR 1964, 514; OLG Hamm, MDR 1964, 931; OLG Schleswig, JurBüro 1956, 424; JurBüro 1960, 399; OLG Bamberg, JurBüro 1976, 482; LG Stade, JurBüro 1960, 80. 5 OLG Düsseldorf, MDR 1962, 142. 6 OLG Bamberg, JurBüro 1978, 890; ebenso LG Stade, JurBüro 1960, 80. 7 Ebenso schon früher OLG Düsseldorf, NJW 1971, 147; OLG München, MDR 1974, 590.

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Rechtsmittel b) Rechtsmissbrauch Die vorstehenden Grundsätze entbinden allerdings nicht von der Prüfung, ob der geringwertige Antrag ausnahmsweise streitwertmäßig unbeachtlich ist. Wenn auch der Rechtsmittelkläger einen Antrag stellen darf, der unterhalb seiner Beschwer liegt, weil niemand gezwungen werden kann, eine Verurteilung bzw. Klageabweisung in vollem Umfang und nicht nur teilweise anzugreifen, so sind doch die Fälle abzugrenzen, in denen der reduzierte Antrag rechtsmissbräuchlich lediglich zur Verringerung des Rechtsmittelstreitwertes gestellt wird.

4658

Nach einer Entscheidung des Großen Zivilsenats des BGH1 sind eingeschränkte Rechtsmittelanträge bei der Streitwertfestsetzung nach § 47 Abs. 1 GKG nicht zu berücksichtigen, wenn sie offensichtlich nicht auf Durchführung des Rechtsmittels gerichtet sind.2 Der Umstand, dass der Rechtsmittelführer das Verfahren nicht durchführen will, muss allerdings durch objektive Umstände zum Ausdruck kommen, damit die gebührenmäßige Unbeachtlichkeit der Rechtsmittelanträge bejaht werden kann.3

4659

Diesem Grundsatz ist zuzustimmen: Die Vorschrift des § 47 Abs. 1 GKG sollte dahin ausgelegt werden, dass mit Einlegung des Rechtsmittels konkludent erklärt wird, der Rechtsmittelangriff bezwecke eine oberhalb der Beschwer liegende Abänderung des angefochtenen Urteils. Ein später anlässlich der Rechtsmittelrücknahme gestellter Sachantrag unterhalb der Mindestbeschwer ist dann für den Gebührenstreitwert unbeachtlich, es sei denn, der Rechtsmittelführer bringt eine plausible Erklärung dafür vor, dass der Antrag tatsächlich von Anfang an gewollt so gewesen ist.4

4660

Ein objektiver Umstand, der erkennen lässt, dass das Rechtsmittelverfahren nicht ernsthaft durchgeführt werden soll, liegt beispielsweise vor: – wenn der eingeschränkte Rechtsmittelantrag in dem Schriftsatz enthalten ist, mit dem gleichzeitig die Rücknahme des Rechtsmittels erklärt wird,5 – wenn der Berufungsantrag dahin lautet, den Beklagten die Kosten gesamtschuldnerisch statt nach Bruchteilen aufzuerlegen,6

4661

1 BGHZ 70, 365 = KostRsp. GKG § 14 Nr. 3 mit Anm. Schneider = JurBüro 1978, 684; st. Rspr., vgl. z.B. BGH, EzFamR ZPO § 3 Nr. 3; BGH, Beschl. v. 30.9.1997 – VI ZB 29/ 97, MDR 1997, 1164; BGH, Beschl. v. 17.7.2008 – IX ZR 126/07, MDR 2008, 1360. 2 Vgl. auch BGH, KostRsp. GKG § 14 Nr. 25 mit Anm. Schneider: Der erstinstanzlich mit einer Beschwer von 50.000 DM unterlegene Kläger hat antragslos Berufung „zur Fristwahrung“ eingelegt und später unter gleichzeitiger Zurücknahme der Berufung einen Berufungsantrag von 10.000 DM ohne Begründung angekündigt; ebenso OLG Hamm, OLGR 1993, 252; OLGR 1994, 252; OLG Jena, Beschl. v. 29.1.1998 – 7 U 162/ 97, OLGR 1998, 130; OLG Bamberg, Beschl. v. 12.3.1998 – 3 U 1/98, OLGR 1998, 352; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2000 – 20 U 14/00, JurBüro 2001, 642; OLG München, Beschl. v. 4.7.1990 – 28 U 3209/90, JurBüro 1992, 252; OLG Schleswig, Beschl. v. 25.11.2003 – 4 U 72/03, JurBüro 2004, 133; OLG Koblenz, Beschl. v. 22.12.2004 – 5 U 1332/04, AGS 2005, 163 mit Anm. Schneider; OLG Koblenz, Beschl. v. 22.12.2004 – 5 U 1332/04, AGS 2005, 162. 3 Vgl. beispielsweise BGH, Beschl. v. 30.9.1997 – VI ZB 29/97, JurBüro 1998, 262 – mit der Berufung werden willkürlich 40 DM von ursprünglich rd. 336.000 DM geltend gemacht und die Berufung zehn Tage später zurückgenommen. 4 S. Schneider, NJW 1978, 786. 5 OLG Jena, Beschl. v. 29.1.1998 – 7 U 162/97, OLGR 1998, 130. 6 OLG Nürnberg, KostRsp. GKG a.F. § 11 Nr. 16 – der Senat hat angenommen, der wegen § 99 Abs. 1 ZPO unzulässige Berufungsantrag sei nur gestellt worden, um einer

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Rechtsmittel – wenn nach Abweisung der Klage mangels Anspruchsgrund eine einzelne Schadensposition weiter geltend gemacht wird, ohne dass ersichtlich ist, warum gerade diese Position weiter verfolgt werden soll,1 – wenn ein Antrag unterhalb der Erwachsenheitssumme gestellt und im selben Schriftsatz die Berufung zurückgenommen wird.2 Ähnliche Ansätze vertreten das OLG Düsseldorf,3 das OLG München,4 das OLG Saarbrücken5 und das OLG Schleswig.6 4662

Dagegen halten andere Oberlandesgerichte an der alten Rechtsprechung fest, wonach auch ein lediglich aus Kostengründen gestellter geringer Berufungsantrag streitwertbestimmend bleibt.7 Das OLG Celle8 stützt sich dabei maßgeblich auf eine Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer des OLG-Bezirks Celle, die zu dem Ergebnis geführt hat, dass die Monatsfrist des § 517 ZPO für den Anwalt in aller Regel nicht ausreiche, um mit seiner Partei abzuklären, ob überhaupt Berufung einzulegen sei.

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* Æ Anmerkung: Die erforderliche Rücksprache mit dem Mandanten ist gewiss ein wichtiges Argument. Offen geblieben ist beim OLG Celle aber, ob dieser Umstand wirklich ausreicht, um die Festsetzung von Scheinstreitwerten zu rechtfertigen. Denn unzweifelhaft dürfte sein, dass der Prozessbevollmächtigte, der sich nach Einlegung einer Berufung für den Berufungsbeklagten bestellt, keine gerechte (erstattungsfähige) Vergütung erhält, wenn für seine bis zur Rücknahme erbrachten Bemühungen eine Verfahrensgebühr aus einem Streitwert von wenigen hundert Euro berechnet wird.

4664

Soweit das OLG Schleswig9 weiter darauf hingewiesen hat, es sei anzustreben, „dass einer Partei schon aus prozessökonomischen Gründen die Entscheidung, ein Rechtsmittel zurückzunehmen, so leicht wie möglich gemacht werden sollte. Hindernisse sollten ab-, nicht aufgebaut werden.“, ist dieses Argument nur geeignet, der Entlastung der Gerichte zu dienen.

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ohne Antrag eingereichten, zurückgenommenen Berufung auf diese Weise einen geringen Streitwert zu verschaffen. Es wurde der volle Wert angesetzt. OLG Bamberg, Beschl. v. 12.3.1998 – 3 U 1/98, OLGR 1998, 352. OLG Jena, Beschl. v. 29.1.1998 – 7 U 1621/97, OLGR 1998, 130 – allerdings wurde nicht die volle Beschwer als Gebührenstreitwert angesetzt, weil aus anderen Erklärungen des Rechtsmittelführers deutlich war, inwieweit er das Urt. tatsächlich angreifen wollte. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2000 – 20 U 14/00, JurBüro 2001, 642 – willkürliche Beschränkung der Berufungsanträge und Rücknahme am nächsten Tag. OLG München, Beschl. v. 4.7.1990 – 28 U 3209/90, JurBüro 1992, 252 – Anfechtung ohne Anhaltspunkte in Sachvortrag und Prozessgeschichte auf 701 DM beschränkt und am nächsten Tag zurückgenommen; vgl. auch OLG München, KostRsp. GKG § 14 Nr. 39 mit Anm. Schneider = JurBüro 1992, 252 mit Anm. Mümmler. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.3.2000 – 1 U 1064/99, OLGR 2000, 343. OLG Schleswig, Beschl. v. 25.11.2003 – 4 U 72/03, JurBüro 2004, 140 – Antrag auf Zahlung von einem (weiteren) Euro und gleichzeitige Rücknahme der Berufung. OLG Celle, MDR 1979, 1033; OLG Schleswig, SchlHA 1988, 172; OLG Hamm, NJW 1979, 171 = MDR 1978, 1030; OLG Hamm, JurBüro 1979, 1548; OLG Hamm, MDR 1979, 591 gegen OLG Hamm, AnwBl. 1979, 273. OLG Celle, MDR 1979, 1033 (ihm folgend das OLG Schleswig, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 943 mit Anm. Schneider = SchlHA 1988, 172. OLG Schleswig, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 943 mit Anm. Schneider = SchlHA 1988, 172.

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Rechtsmittel c) Rechtsfolgen Welcher Gebührenstreitwert in den Fällen eines unbeachtlichen Rechtsmittelantrags festzusetzen ist, hat der Große Zivilsenat nicht ausdrücklich festgelegt. Es bleibt eigentlich nur die Möglichkeit, gem. § 47 Abs. 1 Satz 2 GKG auf die Beschwer abzustellen.1 Denn ist der Antrag nach den oben dargestellten Grundsätzen unbeachtlich, darf nicht mehr darauf abgestellt werden, in welchem Umfang der Rechtsmittelführer das Rechtsmittel zulässigerweise hätte beschränken können. Hypothetische Anträge scheiden für die Berechnung der Beschwer aus.2

4665

Eine andere Vorgehensweise hat in diesem Zusammenhang das OLG Oldenburg3 vorgeschlagen: Legt der Rechtsmittelkläger Berufung ohne Antragstellung ein und beschränkt er sie vor Zurücknahme des Rechtsmittels auf einen geringen Betrag, dann ist der Streitwert für die Berufungsinstanz auf den doppelten Mindestwert nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (heute 1.200 Euro)4 festzusetzen, höchstens jedoch auf 5 % der vollen Beschwer. In dieser Bewertungsregel „doppelte Erwachsenheitssumme, jedoch nicht mehr als 5 v.H. der vollen Beschwer“ eine überzeugende Lösung zu sehen, fällt allerdings nicht leicht. Es mutet letztlich doch willkürlich an, den Rechtsmittelstreitwert so einzuengen. Vor allem aber hätte dieses Vorgehen nur dann einen Sinn, wenn es zu einer durchgehend einheitlichen Rechtsprechung führen könnte. Das aber ist nicht ersichtlich.

4666

3. Bewertungszeitpunkt Bei der Bestimmung des Gebührenstreitwerts ist – ebenso wie beim Rechtsmittelstreitwert – als maßgblicher Bewertungszeitpunkt der Zeitpunkt der Antragstellung (vgl. § 40 GKG) anzusehen. Abzustellen ist auf die in der Rechtsmittelfrist angekündigten Anträge.5

4667

Vermindert sich der Streitwert nach Einlegung des Rechtsmittels, so ist diese Minderung für die Wertfestsetzung der Rechtsmittelinstanz unbeachtlich.6 Dies ergibt sich nicht nur aus dem maßgeblichen Zeitpunkt nach § 40 GKG, sondern auch aus einem Umkehrschluss aus § 47 Abs. 2 GKG. Die Begrenzung des Streitwertes, die nur durch eine Änderung des Streitgegenstandes durchbrochen werden kann, gilt nur nach oben, da nur eine Erweiterung des Streitgegenstandes für gebührenrechtlich bedeutsam angesehen wird.

4668

Erhöht sich im Verlaufe der Rechtsmittelinstanz der Streitwert, so ist dies nach § 47 Abs. 2 Satz 2 GKG bei der Bestimmung des Gebührenstreitwertes zu berücksichtigen, wenn es sich um eine Erweiterung des Streitgegenstandes

4669

1 OLG Koblenz, Beschl. v. 22.12.2004 – 5 U 1332/04, AGS 2005, 163 mit Anm. Schneider; der BGH (Beschl. v. 30.9.1997 – VI ZB 29/97, JurBüro 1998, 262) hat dieses Ergebnis im Rahmen einer außerordentlichen Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung eines OLG jedenfalls gebilligt. 2 So auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.9.1990 – 5 U 181/90, JurBüro 1991, 107. 3 OLG Oldenburg, KostRsp. GKG § 14 Rn. 30 mit Anm. Schneider. 4 Zurzeit der Entscheidung des OLG Oldenburg waren 1.400 DM der doppelte Mindestwert des § 511a ZPO a.F. 5 OLG Braunschweig, Nds.Rpfl. 1963, 150. 6 BGH, Beschl. v. 30.7.1998 – III ZR 56/98, KostRsp. GKG § 14 Nr. 47 = JurBüro 1999, 195 mit Anm. Herget; OLG Hamm, JurBüro 1955, 441.

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Rechtsmittel handelt. So kann das Berufungsverfahren beispielsweise durch Klageerweiterung in zweiter Instanz einen höheren Gebührenstreitwert haben als das erstinstanzliche Verfahren. 4670

Dagegen sind reine Wertänderungen (z.B. Kursschwankungen bei Wertpapieren, steigende Wechselkurse bei ausländischen Währungen etc.) ohne Änderung des Streitgegenstandes für den Gebührenstreitwert unbeachtlich. Eine etwas andere Tendenz lässt hier allerdings die Entscheidung des BGH vom 30.7.19981 erkennen: Nach Ansicht des Senats richtet sich der Streitwert einer Klage auf Rückgabe von Wertpapieren im Revisionsverfahren nach dem Wert der Papiere im Zeitpunkt der Revisionseinlegung (§ 40 GKG). § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG steht nach Ansicht des BGH2 auch dann nicht entgegen, wenn sich der Wert der Papiere (Fonds-Anteile) gegenüber der Berufungsinstanz gesteigert hat, da diese Vorschrift nicht die Fälle betrifft, in denen sich der Wert des unverändert gebliebenen Streitgegenstandes während des Berufungs- oder Revisionsverfahrens über den Wert des Streitgegenstandes der ersten Instanz erhöht hat.

4671

* Æ Anmerkung: Diese Entscheidung halte ich für bedenklich: Es entspricht zwar grundsätzlich der Regelung in § 40 GKG, den Wert des Rechtsmittelverfahrens nach dem Wert der Papiere bei Einlegung des Rechtsmittels festzusetzen. Wenn sich der Wert der Papiere im Laufe der ersten Instanz jedoch erhöht hatte, kann der Streitwert des Rechtsmittelverfahrens nicht über dem Streitwert der vorangegangenen Instanz liegen. Denn dies ist mit dem insofern eindeutigen Wortlaut von § 47 Abs. 2 GKG nicht in Einklang zu bringen, da sich der Streitgegenstand nicht verändert hatte.3

4672

Selbst bei gleich bleibendem Streitobjekt kann das Interesse des Berufungsklägers höher oder niedriger zu bewerten sein als das des Klägers erster Instanz, beispielsweise wenn sich die Dringlichkeit oder das Schadensrisiko während des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wesentlich verändert.4 Abzustellen ist auch dann aber auf das Interesse im Zeitpunkt der Instanzeinleitung.

III. Beschwer (§ 47 Abs. 1 Satz 2 GKG) 4673

Bei Einlegung des Rechtsmittels (vgl. §§ 519, 549 ZPO) muss noch kein Antrag gestellt werden. Dieser wird erst in der Rechtsmittelbegründung (vgl. §§ 520, 551 ZPO) formuliert. Wird das Rechtsmittel jedoch nach Einlegung nicht weiter verfolgt, weil es sich durch Rücknahme erledigt hat oder stellt der Rechtsmittelführer den erforderlichen Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist, dann fehlt es an einem Rechtsmittelantrag zur Bestimmung des Gebührenstreitwerts. Für diesen Fall sieht § 47 Abs. 1 Satz 2 GKG vor, dass die Beschwer maßgebend ist. Hinsichtlich der Einzelheiten zur Bestimmung der Beschwer kann auf die nachfolgenden Ausführungen unter Ziffer C. verwiesen werden.

1 2 3 4

BGH, Urt. v. 30.7.1998 – III ZR 56/98, NJW-RR 1998, 1452. BGH, Beschl. v. 30.7.1998 – III ZR 56/98, JurBüro 1999, 195. So auch Hartmann, § 47 GKG Rn. 8. Vgl. OLG Köln, JurBüro 1980, 244; OLG Köln, BB 1974, 1184.

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Rechtsmittel

IV. Wertbegrenzung (§ 47 Abs. 2 GKG) Die Streitwerthöhe des ersten Rechtszugs stellt – soweit der Streitgegenstand unverändert bleibt – gem. § 47 Abs. 2 GKG die Wertobergrenze dar.1 Ein späterer Wechsel der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu einer Streitwertfrage gibt keinen Anlass, in davon unabhängigen Verfahren die frühere Streitwertfestsetzung abzuändern.2 Andererseits kann der Rechtsmittelführer aber auch keinen Vertrauenstatbestand im Hinblick auf eine einmal erfolgte Streitwertfestsetzung geltend machen, da das Erstgericht und das Rechtsmittelgericht nach § 63 Abs. 3 GKG diese von Amts wegen abändern können.3

4674

C. Beschwer I. Allgemeines Die Einlegung des Rechtsmittels (§§ 519, 549 ZPO) ist von seiner Begründung (§§ 520, 551 ZPO) zu unterscheiden. Bei der Einlegung braucht kein Antrag gestellt zu werden und wird meist auch keiner gestellt. Er wird erst in der Begründungsschrift formuliert. Wird das Rechtsmittel in derartigen Fällen nach Einlegung nicht weiterverfolgt, weil es sich durch Rücknahme erledigt oder stellt der Rechtsmittelführer den erforderlichen Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist, dann fehlt es an einem Rechtsmittelantrag zur Bestimmung des Gebührenstreitwerts. Für diesen Fall sieht § 47 Abs. 1 Satz 2 GKG vor, dass die Beschwer für die Bestimmung des Gebührenstreitwerts maßgebend ist.

4675

II. Bestimmung der Beschwer Die Beschwer und der Wert des Beschwerdegegenstands (§§ 511 Abs. 2, 567 Abs. 2 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO) werden nach §§ 3–9 ZPO berechnet (§ 2 ZPO). Hinsichtlich der Einzelheiten zu speziellen Verfahrenssituationen vgl. die Ausführungen unter Ziffer E.

4676

Der Umfang der Beschwer beurteilt sich danach, welche Auswirkungen das erstinstanzliche Urteil für den Rechtsmittelführer hat. Mit einem Rechtsmittel will der Rechtsmittelführer in aller Regel seine durch das angefochtene Urteil gesetzte Beschwer gänzlich beseitigen. Diese Beschwer ist dann gleich dem Streitgegenstand des Rechtsmittelverfahrens.

4677

1. Formelle und materielle Beschwer Die Berechnung der Beschwer kann beim Kläger anders erfolgen als beim Beklagten. Für den Kläger ist die sog. formelle Beschwer maßgebend, also die Differenz zwischen dem, was er vorinstanzlich erstrebt hat, und dem, was ihm zuerkannt worden ist. 1 BGH, FamRZ 2003, 1274; BverwG, JurBüro 1993, 738. 2 OLG Köln, JurBüro 1971, 1060; OLG Hamm, MDR 1973, 147 mit Anm. Schneider, S. 418; OLG Hamm, KostRsp. GKG § 14 Nr. 10 = MDR 1979, 599. 3 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.12.1992 – 6 B 42/92, JurBüro 1993, 738.

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Rechtsmittel 4679

Beim Beklagten ist auf die sog. materielle Beschwer abzustellen, da bei ihm kein Antrag abgewiesen oder zugesprochen wird. Der Klageabweisungsantrag ist kein Sachantrag, sodass darüber auch nicht entschieden wird. Die materielle Beschwer ist gleich derjenigen Leistung, zu der der Beklagte verurteilt worden ist. Sie kann wesentlich höher sein als das Interesse des Klägers am Erlass dieser Entscheidung, welches für die Wertfestsetzung im vorausgegangenen Rechtszug maßgebend war.1

4680

* Æ Anmerkung: Früher wurde vom BGH allerdings die Ansicht vertreten, die Beschwer könne – von Ausnahmen wie z.B. der beschiedenen Hilfsaufrechnung abgesehen – nicht größer sein als der Streitwert erster Instanz und stelle die Obergrenze des Beschwerdegegenstandes dar.2 Der 5. Zivilsenat hat dann seine frühere Rechtsprechung3 aufgegeben und – für den Fall einer Verurteilung zur Beseitigung einer Eigentumsstörung – entschieden, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes den Wert des erstinstanzlichen Streitgegenstandes übersteigen könne.4 Der Große Zivilsenat5 hat in den Gründen seiner Entscheidung (Ziffer II 2b) dem 5. Zivilsenat darin zugestimmt, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes auch bei unverändertem Streitgegenstand niedriger, ggf. aber auch höher sein kann als der für den Kläger nach seinem Antrag im ersten Rechtszug festgesetzte Wert.6

4681

Die Unterscheidung zwischen formeller und materieller Beschwer wirkt sich vor allem bei der Berufung des Beklagten gegen seine Verurteilung zur Auskunftserteilung,7 aber auch bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen und Ansprüchen wegen Eigentumsverletzungen aus. Die Beschwer des im Unterlassungsprozess unterlegenen Beklagten muss nicht mit dem Unterlassungsinteresse des Klägers identisch sein, da seine Interessen an einer Aufhebung der Entscheidung völlig anders zu bewerten sein können als die Interessen des Klägers an der Aufrechterhaltung der Entscheidung. 2. Änderung der Beschwer

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Der maßgebliche Zeitpunkt für die Ermittlung der Beschwer ist gem. § 4 Abs. 1 i.V.m. § 2 ZPO die Einlegung des Rechtsmittels. Die Beschwer muss im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung vorliegen und darf nicht vor der Entscheidung entfallen.8

4683

Für die Ermittlung der Beschwer des Revisionsklägers war bisher gem. § 546 Abs. 2 ZPO a.F. auf die letzte mündliche Verhandlung vor dem Berufungsge-

1 BGH, Beschl. v. 26.6.1997 – IX ZR 59/97, WM 1997, 2049. 2 Z.B. BGH, KostRsp. ZPO § 8 Nr. 11 = MDR 1994, 100. 3 BGH, MDR 1986, 663; BGH, KostRsp. ZPO § 7 Nr. 2 mit Anm. Schneider; BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1134. 4 BGH, Beschl. v. 10.12.1993 – V ZR 168/92, MDR 1994, 839 (beschränkt auf den Anwendungsbereich des § 3 ZPO); BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1170 = MDR 1994, 839; zustimmend Zöller/Heßler, vor § 511 ZPO Rn. 19b; angeschlossen hat sich OLG Koblenz, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1195 mit Anm. Herget. 5 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1192 = JZ 1995, 681 mit Anm. Roth. 6 Ablehnend Roth, JZ 1995, 63 II. 1: Verstoß gegen den Grundsatz, dass sich die Streitwertberechnung am prozessualen Streitgegenstand zu orientieren hat; kritisch auch Grunsky, Anm. 2.b zu LM ZPO § 2 Nr. 8. 7 Vgl. das Stichwort „Auskunftsanspruch“. 8 BGH, Beschl. v. 29.6.2004 – X ZB 11/04, NJW-RR 2004, 1365.

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Rechtsmittel richt abzustellen.1 Mit dem Wegfall der Wertrevision hat die Beschwer jedoch nur noch für die Berufung und für die Gebührenberechnung Bedeutung. Insofern entfällt auch künftig die Überprüfung des Revisionsgerichts, ob das Berufungsgericht bei der Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstandes die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder ob es von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.2 Der Rechtsmittelführer kann die Beschwer nicht durch Antragsänderungen erhöhen.3 Liegt die Urteilsbeschwer unterhalb der Erwachsenheitssumme, dann wird das Rechtsmittel nicht dadurch zulässig, dass der Rechtsmittelführer in der höheren Instanz seinen abgewiesenen Antrag erhöht oder nicht mehr den Hauptanspruch verfolgt, sondern nur den selbständig gewordenen höheren Zinsanspruch.4 Denn die Erweiterung des Antrags setzt ebenso wie die Antragsänderung ein zunächst zulässig eingelegtes Rechtsmittel voraus,5 da sich die Beschwer nur in Bezug auf den Streitgegenstand der ersten Instanz ergeben kann.6

4684

Auch eine Antragserweiterung in erster Instanz schafft nicht die notwendige Beschwer, wenn sie erkennbar nur dazu dient, den Rechtsmittelzug zu eröffnen.7 Eine Änderung des Klageantrags in der Berufungsinstanz ist allerdings dann zulässig, wenn er sich im Rahmen des § 264 Nr. 3 ZPO hält.8

4685

D. Rechtsmittelstreitwert Der Rechtsmittelstreitwert betrifft die Frage der Zulässigkeit eines Rechtsmittels. Seit dem 1.1.20029 ist er nur noch für Berufung und Beschwerde von Bedeutung, da die Wertrevision (vgl. § 546 Abs. 1 ZPO a.F.) entfallen ist. Nach § 26 Nr. 8 EGZPO gilt für eine Übergangszeit für die revisionsrechtliche Nichtzulassungsbeschwerde eine Grenze von 20.000 Euro. Die Berufung ist – mangels Zulassung durch das Erstgericht – nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt. Für die Beschwerden in Kostensachen muss der Wert des Beschwerdegegenstandes einen Betrag von 200 Euro übersteigen (§ 567 Abs. 2 ZPO).

4686

Der Rechtsmittelstreitwert berechnet sich nach §§ 3–9 ZPO (§ 2 ZPO). Maßgeblich ist das Interesse des Rechtsmittelführers, die erstinstanzliche Entscheidung im angegriffenen Umfang zu beseitigen. Dabei richtet sich der Wert

4687

1 BGH, NJW 1989, 2755 = MDR 1989, 909; BGH, MDR 1992, 83 = NJW-RR 1991, 1210. 2 Vgl. dazu BGH, MDR 1982, 653; BGH, JurBüro 1984, 379; BGH, MDR 1988, 568; BGH, NJW-RR 1989, 580; BGH, MDR 1989, 796; BGH, Beschl. v. 30.9.1997 – VI ZB 29/97, MDR 1997, 1164. 3 S. dazu näher Zöller/Heßler, vor § 511 ZPO Rn. 10a; RGZ 90, 85; RGZ 139, 221; LG Bonn, NJW-RR 1995, 959. 4 BGH, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 70. 5 BGH, Beschl. v. 30.11.2005 – XII ZR 112/03, MDR 2006, 828 = FamRZ 2006, 402; BGH, NJW 2003, 2172; BGH, NJW-RR 2002, 1085; BAG, Beschl. v. 4.6.2008 – 3 AZB 37/08, NJW 2009, 171. 6 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.6.2005 – 4 U 105/05, MDR 2006, 169. 7 LG Bonn, NJW-RR 1995, 959. 8 BGH, Urt. v. 11.11.2004 – VII ZR 128/03, ProzRB 2005, 182. 9 Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes vom 27.7.2001, BGBl. I, 1887.

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Rechtsmittel des Beschwerdegegenstandes nach dem konkreten Antrag des Rechtsmittelführers – er kann mit der Beschwer übereinstimmen, aber auch hinter ihr zurückbleiben, wenn beispielsweise das beschwerende Urteil mit dem Rechtsmittel nur teilweise angegriffen und im Übrigen hingenommen wird. Der Wert des Beschwerdegegenstandes kann aber nicht größer sein als die Beschwer.1 4688

Für die Berechnung des Rechtsmittelstreitwerts ist der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels maßgebend.2 Spätere Verminderungen des Beschwerdegegenstandes bleiben außer Betracht.3

E. Einzelfälle I. Beschwerde 1. Allgemeines 4689

Der Gebührenstreitwert für das Beschwerdeverfahren ist – hinsichtlich der Gerichtsgebühren nur, soweit keine Festgebühren anfallen – selbständig zu bestimmen. Er richtet sich nach dem mit der Beschwerde verfolgten Begehren, nicht nach dem Streitgegenstand des Hauptprozesses. Der Beschwerdewert wird mit der Einlegung der Beschwerde fixiert. Sie kann auf abtrennbare Teile der Entscheidung beschränkt werden.

4690

Grundregelung ist wiederum § 47 Abs. 1 GKG, wonach für den Streitwert zunächst der Antrag des Rechtsmittelführers maßgeblich ist. Fehlt ein solcher Antrag, ist auf die Beschwer abzustellen (§ 47 Abs. 1 Satz 2 GKG). Diese Regelungen gelten auch für die Bestimmung des Gegenstandswerts für die Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 RVG). Als Bemessungsvorschrift für die Beschwer ist weitgehend § 3 ZPO anzuwenden und das Interesse des Beschwerdeführers an der begehrten Entscheidung zu schätzen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens selbst bleiben, wie stets, beim Wertansatz außer Betracht.4 Die Umsatzsteuer ist hingegen hinzuzurechnen.5 2. Einzelne Beschwerdearten

4691

Die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung der Berufung als unzulässig (früher: sofortige Beschwerde) gem. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO hat denselben Streitwert wie die Berufung,6 da mit ihr die Durchführung des Berufungsverfahrens angestrebt wird.

4692

Der Streitwert einer Nichtzulassungsbeschwerde richtet sich gem. § 47 Abs. 3 GKG nach dem Wert des Rechtsmittelverfahrens. Damit ist in erster Linie gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG auf den Antrag des Rechtsmittelführers abzustellen, sonst gem. § 47 Abs. 2 GKG auf die Beschwer.7 1 2 3 4 5 6 7

Vgl. auch die Ausführungen von Jauernig, NJW 2001, 3027. Vgl. BGH, Beschl. v. 17.7.2008 – IX ZR 126/07, MDR 2008, 1360. Zöller/Heßler, vor § 511 Rn. 10a. RG, JW 1900, 647 Nr. 2; RGZ 50, 369. Nachweise bei Schneider, JurBüro 1974, 966. BGH, Beschl. v. 17.11.1997 – II ZB 10/97, NJW-RR 1998, 354. Otto, JurBüro 1997, 286.

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Rechtsmittel Hat das Beschwerdegericht die Beschwerde gegen eine Kostenentscheidung als unzulässig verworfen, weil unter Zugrundelegung des von ihm angenommenen Streitwerts der ersten Instanz die Beschwerdesumme nicht erreicht war, so darf der Streitwert nicht nachträglich auf einen Betrag festgesetzt werden, bei dessen Zugrundelegen die Beschwerde zulässig gewesen wäre.1

4693

Der Wert des Gegenstandes der Beschwerde gegen einen den Rechtsstreit aussetzenden Beschluss ist nicht gleich dem Streitwert des Hauptverfahrens. Er ist vielmehr nach dem Interesse der Parteien an der Entscheidung über die Aussetzung gem. § 3 ZPO zu schätzen.2

4694

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren, in dem darüber zu entscheiden ist, ob über einen Verweisungsantrag nur aufgrund mündlicher Verhandlung oder ohne solche entschieden werden kann, ist nicht auf den Betrag der Hauptsache festzusetzen, sondern ist ebenfalls gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu schätzen.3

4695

Wird die Anordnung einer Frist zur Erhebung der Klage nach § 926 Abs. 1 ZPO abgelehnt, dann ist die dagegen eingelegte Beschwerde ebenso wie das Arrestoder Verfügungsverfahren selbst zu bewerten.4

4696

3. Verfahrensfragen Grundsätzlich ist es für die Bewertung des Beschwerdegegenstandes unerheblich, ob die Beschwerde zulässig ist oder nicht. Jedoch erscheint es angebracht, in Fällen offensichtlicher Unzulässigkeit den Beschwerdewert auf die unterste Gebührenstufe zu schätzen, da in derartigen Fällen das Rechtsmittel meist formularmäßig nach § 572 Abs. 2 ZPO verworfen wird.5 Soweit der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 567 Abs. 2 ZPO) nicht erreicht ist, kann dies nicht durch Berufung auf Verfahrensmängel oder Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ersetzt werden.6

4697

Ermäßigt sich die Forderung durch Zahlungen bis zur Einlegung der Beschwerde und wird ein entsprechend ermäßigter Antrag gestellt, dann ist gem. § 4 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. ZPO der Streitwert des Beschwerderechtszuges nur in der niedrigen Höhe festzusetzen. Bei uneingeschränkter Einlegung wirkt eine spätere Einschränkung in der Beschwerdebegründung erst ab deren Eingang, sodass die Beschwerde im Übrigen zurückgenommen werden muss und erst ab dann der Wert des Beschwerdeverfahrens sinkt.7 Für die Wertberechnung ist § 40 GKG zu beachten, der für alle vom GKG erfassten Verfahren gilt.8

4698

1 LG Münster, JMBl.NW 1951, 174. 2 BGHZ 22, 283 – diese Ansicht ist allerdings umstritten, vgl. das Stichwort „Aussetzung“. 3 OLG München, Bay.JMBl. 1954, 64. 4 OLG Frankfurt, JurBüro 1981, 626 = KostRsp. GKG § 20 Nr. 41. 5 S. Schneider, Anm. KostRsp. GKG § 29 Nr. 3 [4] u. ZPO § 3 Nr. 460; MDR 1976, 181; zustimmend Mümmler, JurBüro 1979, 1864; vgl. ferner das Stichwort „Zwangsversteigerung“. 6 LG Berlin, DGVZ 1972, 70. 7 OLG Oldenburg, JurBüro 1981, 589 = Nds.Rpfl. 1981, 146: Beschwerde gegen Entscheidung zum Versorgungsausgleich. 8 Hartmann, GKG, § 40 Rn. 1.

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Rechtsmittel 4699

Der bei Einlegung einer Beschwerde gegebene Beschwerdewert bleibt auch dann maßgebend, wenn durch spätere Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens über das Vermögen des Beschwerdegegners das Interesse des Beschwerdeführers an der Eröffnung der Revision auf die mögliche Befriedigungsquote der geltend gemachten Forderung abgesunken ist.1

4700

Bei Anfechtung mehrerer in derselben Sache ergangener Kostenfestsetzungsbeschlüsse richtet sich die Zulässigkeit der Beschwerde nach dem jeweils angegriffenen Beschluss, sodass die Beschwer nicht durch Zusammenrechnung ermittelt werden darf.2

II. Wechselseitig eingelegte Rechtsmittel 4701

Die Bestimmung des Gebührenstreitwertes bei wechselseitig eingelegten Rechtsmitteln richtet sich nach § 45 Abs. 2 GKG. Danach sind – soweit die Rechtsmittel nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden – die Regelungen in § 45 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG anzuwenden: – Die Werte der Ansprüche von Rechtsmittel und Anschlussrechtsmittel werden nach §§ 45 Abs. 1 Satz 1, 45 Abs. 2 GKG grundsätzlich zusammengerechnet. – Betreffen die Ansprüche aber denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgeblich. Schließen sich also die Begehren der Parteien im Berufungsverfahren dergestalt aus, dass der Erfolg der einen Berufung zwangsläufig den Misserfolg der anderen Berufung zur Folge hat, so ist für die Streitwertbemessung der höhere der beiden Werte maßgebend.3

4702

Die Zusammenrechnung der Ansprüche nach §§ 45 Abs. 1 Satz 1, 45 Abs. 2 GKG unterbleibt allerdings in den Fällen, in denen die Addition gesetzlich ausgeschlossen ist, wie bei Berufung des Beklagten gegen die Verurteilung nach der Hauptforderung und Anschlussberufung des Klägers wegen des abgewiesenen (weiter gehenden) Zinsanspruchs.4 Denn da der Zinsanspruch nach § 43 Abs. 1 GKG streitwertneutral ist, darf er auch bei einem Anschlussrechtsmittel nicht berücksichtigt werden.

4703

Die Regelung in § 45 Abs. 2 GKG bezieht sich auf wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, das heißt um Rechtsmittel, die von beiden Parteien gegen dasselbe Urteil eingelegt sind. Davon zu unterscheiden ist der Fall zweier Berufungen derselben Partei gegen verschiedene Urteile,5 beispielsweise wenn dieselbe Partei erst gegen das Grundurteil und später in demselben Prozess gegen das Betragsurteil Berufung einlegt. Hier erfolgt jeweils eine gesonderte Wertfestsetzung für jedes Berufungsverfahren.

4704

Ist im Zwei-Parteien-Streit oder auch im Streitgenossenprozess zwischen Kläger und einem Streitgenossen die Klage teils abgewiesen, teils zugesprochen worden, dann sind – wenn Berufung und Anschlussberufung eingelegt werden 1 BGH, Beschl. v. 22.2.2008 – IX ZR 234/04, KostRsp. GKG 2004 § 47 Nr. 7. 2 OLG Stuttgart, JurBüro 1979, 609 gegen OLG Nürnberg, JurBüro 1975, 191. 3 OLG Celle, Beschl. v. 8.6.2007 – 14 U 64/07, AGS 2008, 39 mit abl. Anm. von Schneider. 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 10.8.2006 – 7 UF 850/05, AGS 2007, 260; OLG Hamm, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 64 = JurBüro 1988, 1550. 5 OLG Hamm, JurBüro 1955, 441.

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Rechtsmittel – die Werte der Rechtsmittel zusammenzurechnen. Die Streitgegenstände sind nicht identisch.1 Wenn von mehreren als Gesamtschuldnern in Anspruch Genommenen der eine verurteilt und die Klage gegen den anderen durch dasselbe Urteil abgewiesen wird und der Verurteilte wegen seiner Verurteilung, der Kläger wegen Abweisung seiner Klage gegen den anderen Beklagten Rechtsmittel einlegen, so betreffen die wechselseitig eingelegten Rechtsmittel jedoch denselben Gegenstand. Die Streitwerte der beiden Rechtsmittel sind nicht zusammenzurechnen,2 weil die Grundsätze zur Verschiedenheit der Streitgegenstände3 nicht auf Gesamtschuldverhältnisse anwendbar sind.

4705

Soweit Berufung und Anschlussberufung, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, denselben Streitgegenstand betreffen, sind die Gebühren nach dem einfachen Wert dieses Gegenstandes zu berechnen (§ 45 Abs. 2 GKG). Das Kriterium gemeinsamer Behandlung mehrerer Berufungen in einem Prozess (§ 45 Abs. 2 GKG) ist schon durch den Angriff auf dasselbe Urteil gegeben und solange zu bejahen, wie nicht ein Verfahren abgetrennt wird.4

4706

Der Streitwert erhöht sich nicht dadurch, dass bei wechselseitigen Berufungen gegen ein Urteil eine der Berufungen ganz oder teilweise zurückgenommen und wegen desselben Streitgegenstandes anschließend eine unselbständige Anschlussberufung eingelegt wird.5

4707

Schließt der Berufungsbeklagte sich an eine von Anfang an wegen Versäumung der Berufungsfrist unzulässige Berufung an, erhöht dies nicht den Streitwert.6

4708

Die Bewertung der Anschlussrevision richtet sich nach § 45 Abs. 2 GKG: Wird sie mit der Revision in demselben Prozess verhandelt, so werden die Werte addiert, soweit es sich um verschiedene Gegenstände handelt. Ansonsten ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgeblich.

4709

Wird eine Anschlussrevision kostenpflichtig als unzulässig verworfen, bevor über die Revision entschieden ist, dann werden die beiden Streitwerte nicht nach § 45 Abs. 2 GKG zusammengerechnet, sondern getrennt festgesetzt. Gemeinsam verhandelt werden kann nämlich nur, wenn ein zulässiges Rechtsmittel zu einem noch anhängigen zulässigen Rechtsmittel hinzutritt, nicht jedoch, wenn sich der Kläger mit einer unzulässigen Revision an eine zulässige Revision des Beklagten anschließt.7

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III. Widerklage Soweit der Beklagte selbst Kläger ist, nämlich als Widerkläger, kommt es für den Gebührenstreitwert seines Rechtsmittels auf seine formelle Beschwer an. Werden also in einem Rechtsstreit Klage und Widerklage abgewiesen, dann

1 Zöller/Herget, § 3 Rn. 16, Stichwort „Berufung“. 2 BGHZ 7, 152; KG, JW 1938, 251; OLG Bremen, Rpfleger 1957, 271; a.A. die ältere Rspr., z.B. RGZ 145, 164; OLG Kiel, JW 1932, 2910. 3 Vgl. RGZ 145, 164. 4 OLG Celle, MDR 1961, 67. 5 KG, JurBüro 1971, 79. 6 S. dazu ausführlich Schneider, MDR 1988, 462 m.w.N.; OLG Köln, JurBüro 1971, 717. 7 BAG, MDR 1960, 616.

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Rechtsmittel bemisst sich die Beschwer des Klägers nur nach dem Wert des abgewiesenen Klageantrages, diejenige des Beklagten (= Widerklägers) nur nach dem Wert des abgewiesenen Widerklageantrages. Lediglich insoweit ist die jeweilige Partei beschwert. 4712

Soweit die Berufung nur wertabhängig zulässig ist, so ist – wenn beide Parteien Berufung einlegen – die Mindestbeschwer des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für jede Partei gesondert nach ihrer Beschwer zu berechnen. Es darf nicht addiert werden (§ 5 ZPO). Der Gebührenstreitwert errechnet sich in solchen Fällen jedoch gem. § 45 Abs. 2 GKG nach der Summe der Beschwer von Kläger und Widerkläger, soweit die geltend gemachten Ansprüche nicht denselben Gegenstand betreffen.

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Wird der Klage stattgegeben und zugleich die Widerklage abgewiesen, ist die Beschwer des Beklagten und Widerklägers gleich der Summe der Streitwerte von Klage und Widerklage,1 da der Beklagte durch die Verurteilung materiell und durch die Abweisung der Widerklage formell beschwert ist. Legt der Beklagte gegen dieses ihn „doppelt beschwerende“ Urteil Berufung ein, dann gilt auch für den Gebührenstreitwert das Gebot der Streitwertaddition.

4714

* Æ Anmerkung: Von einigen Gerichten2 wird vertreten, dass für die Ermittlung der Rechtsmittelbeschwer ein Additionsverbot gelte, wenn der voll unterlegene Beklagte Berufung einlegt. Die herrschende Meinung ist seit einer Entscheidung der Vereinigten Civilsenate des Reichsgerichts vom 29. 9. 18823 stets gegenteiliger Auffassung gewesen. Die Anwendung des Additionsverbotes auf die Berechnung der Beschwer verkennt den grundlegenden Unterschied zwischen Eingangszuständigkeit und Rechtsmittelbeschwer. Es ist nicht mit einer Rechtseinbuße verbunden, wenn über Klage und Widerklage in erster Instanz vom Amtsgericht statt vom Landgericht entschieden wird oder umgekehrt. Wohl wird eine Partei um ihr Recht auf Berufung gebracht, wenn sie zur Klage und zur Widerklage mit – beispielsweise – je 500 Euro unterlegen ist, dann aber so behandelt wird, als sei sie insgesamt nur mit 500 Euro unterlegen. Das LG Aachen stützt seine von der ganz herrschenden Meinung abweichende Auffassung darauf, dass der Gesetzgeber im Jahre 1976 in der Überschrift vor § 1 ZPO die Worte „und Wertvorschriften“ eingefügt hat. Mittlerweile hat das LG Gießen, mit dem alles begann, seine Meinung aufgegeben,4 das OLG Oldenburg hat das Additionsverbot schlicht und treffend als abwegig bezeichnet5 und der BGH6 hat – hoffentlich – das Schlusswort gesprochen: Für die Rechtsmittelbeschwer sind Klage und Widerklage zu addieren, soweit ihr Gegenstand nicht wirtschaftlich identisch ist.

4715

Klagt der Kläger aus einer angeblichen Forderung einen Teilbetrag ein und erhebt der Beklagte Widerklage, dass dem Kläger auch keine über den Teilbetrag hinausgehende Vergütung zustehe, dann beläuft sich der Rechtsmittel1 Zöller/Herget, § 5 Rn. 9. 2 LG Tübingen, NJW-RR 1992, 119; LG Gießen, NJW 1975, 2206; LG Gießen, NJW 1985, 870 (wieder aufgegeben NJW 1992, 2709); LG Aachen, MDR 1987, 853; LG Aachen, MDR 1990, 451 = NJW-RR 1990, 959; LG Siegen, MDR 1992, 807; LG Memmingen, NJW 1992, 2710; LG Darmstadt, Urt. v. 21.5.1992 – 6 S 36/92; LG Berlin, NJW 1992, 2710; OLG Düsseldorf, NJW 1992, 3246; aus der Literatur zustimmend: Glaremin, NJW 1992, 1146; zur Gegenansicht: Schneider, NJW 1992, 2680; Oehlers, NJW 1992, 1667. 3 RGZ 7, 383. 4 LG Gießen, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 89 = NJW 1992, 2709. 5 OLG Oldenburg, NJW-RR 1993, 827. 6 BGH, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 94 = MDR 1995, 198.

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Rechtsmittel streitwert bei vollem Obsiegen des Beklagten, gegen das sich der Kläger mit einem Rechtsmittel wehrt, auf den vollen Wert der angeblichen Forderung.1

IV. Grundurteil Der Streitwert der Berufung gegen ein Grundurteil ist gleich dem Wert der bezifferten Klage. Wird Berufung gegen das Grundurteil nur hinsichtlich einer Quote eingelegt, dann bestimmt diese Quote den Wert des Berufungsverfahrens.

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Ergeht nach Einlegung der Berufung gegen das Grundurteil in der ersten Instanz ein Schlussurteil und greift der Kläger auch dieses Schlussurteil an, dann beeinflusst diese Berufung unter Umständen den Streitwert der Berufung gegen das Grundurteil.

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* Æ Beispiel: Im Grundurteil ist der Schaden des Klägers zu 1/2 für gerechtfertigt erklärt worden. Im Schlussurteil werden mehrere Schadenspositionen wegen Beweisfälligkeit nicht zugesprochen. Von dem verbleibenden Rest wird die Hälfte zuerkannt. Der Kläger will die Abzüge wegen Beweisfälligkeit hinnehmen. Er wehrt sich aber dagegen, dass auch das Schlussurteil auf der Quote des Grundurteils aufbaut. Um der rechtskräftigen Entscheidung zu entgehen, muss er Berufung einlegen. Obgleich dann zwei selbständige Berufungen in der Welt sind, muss der innere Zusammenhang der Verfahren berücksichtigt werden und der niedrigere Wert der Berufung gegen das Schlussurteil maßgebend sein.2

V. Teilurteil 1. Streitiges Teilurteil Erlässt das Erstgericht ein Teilurteil zugunsten des Klägers, weist dann jedoch das Berufungsgericht auf die Berufung des Beklagten die Klage nicht nur in Höhe des durch das Teilurteil erfassten Betrages, sondern in voller Höhe ab, so berechnet sich der Streitwert für die gegen das Berufungsurteil uneingeschränkt eingelegte Revision nach dem Wert der gesamten Klageforderung.3

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Wird auf Feststellung des gesamten Rechtsverhältnisses und zugleich auf Leistung eines Teils geklagt, so sind in erster Instanz die Werte beider Ansprüche nicht zusammenzurechnen. Wird über den Feststellungsantrag sodann durch Teilurteil entschieden und dieses angefochten, so ist dem Streitwert in den Rechtsmittelinstanzen der Wert des gesamten vom Feststellungsbegehren erfassten Rechtsverhältnisses zugrunde zu legen.4

4719

2. Teilanerkenntnisurteil Hat der Beklagte eine Forderung in erster Instanz teilweise anerkannt, sodann gegen die teils aufgrund des Anerkenntnisses, teils aufgrund streitiger Verhandlung ergangene Verurteilung Berufung eingelegt und diese ohne Stellung 1 2 3 4

BGH, JurBüro 1982, 222. OLG Schleswig, JurBüro 1957, 273. BAG, NJW 1968, 271. BGH, JurBüro 1969, 833 = LM ZPO § 5 Nr. 8.

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Rechtsmittel

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von Berufungsanträgen zurückgenommen, dann ist die Bestimmung des Gebührenstreitwerts umstritten: – Nach einer Meinung bestimmt er sich nach der vollen materiellen Beschwer ohne Berücksichtigung des Anerkenntnisses. 1 – Nach der Gegenansicht muss der auf das Teilanerkenntnis entfallende Betrag bei der Wertfestsetzung in Abzug gebracht werden, da die formelle Beschwer entscheidend sei.2 Denn die grundlegende Funktion der Gebührenwertfestsetzung bestehe darin, den Gerichten und Prozessbevollmächtigten einen am Wert des Streitgegenstandes orientierten und dadurch dem mit der Sachbehandlung verbundenen Aufwand Rechnung tragenden Gebührenanspruch zu verschaffen. Es liege jedoch auf der Hand, dass eine Klageforderung, die vom Beklagten erstinstanzlich anerkannt wurde, in der zweiten Instanz mit hoher Wahrscheinlichkeit weder für das Gericht noch für die Parteivertreter irgendeinen Arbeitsaufwand mehr nach sich ziehen werde. Die grundsätzlich gegebene Möglichkeit, ein prozessuales Anerkenntnis anzufechten und das Berufungsverfahren darauf zu erstrecken, liege praktisch so fern, dass sie einer Streitwertbemessung nur dann zugrunde gelegt werden könne, wenn besondere Umstände vorlägen. Gegen die zweite Meinung spricht, dass es kaum eine praktikable Vorgehensweise darstellt, bei der Bestimmung des Gebührenstreitwertes darauf abzustellen, ob eine bestimmte prozessuale Situation für das Gericht oder die Parteivertreter einen wie auch immer gearteten Arbeitsaufwand mit sich bringen wird. Dies würde doch in letzter Konsequenz bedeuten, dass man aussichtslose Rechtsmittel ebenfalls wertmäßig auf die geringste Stufe festsetzt, weil auch hier die Arbeit für Gericht und Anwälte gering ausfällt. Auch wenn im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens prozessuale Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die in der Praxis selten zum Erfolg führen (wie die Anfechtung eines Anerkenntnisses), so darf sich gerade das Streitwertrecht, das auf eine einfache Handhabung angewiesen ist, auf solche Problemkonstellationen nicht einlassen. Es ist vielmehr Sache der Partei, durch eindeutige Rechtsmittelanträge klarzustellen, in welchem Umfang die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung beantragt wird. Geschieht dies nicht, so ist die Beschwer maßgeblich – und der Beklagte ist nun mal durch ein verpflichtendes Urteil auch dann beschwert, wenn er selbst durch ein Anerkenntnis zu seinem Erlass beigetragen hat.

VI. Zwischenurteil 4722

Die Bestimmung des Streitwerts bei Berufung gegen ein Zwischenurteil, das die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts bejaht und damit die Einrede der Unzuständigkeit verwirft, ist umstritten: – Die herrschende Meinung setzt den Wert des erhobenen Anspruchs an, weil mit der Berufung auch der Klageanspruch selbst bekämpft werde.3 1 OLG Karlsruhe, JurBüro 1982, 262 = KostRsp. GKG § 14 Nr. 19 mit Anm. Schneider; OLG Rostock, Beschl. v. 19.4.2004, OLGR 2005, 17. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.8.2008 – 24 U 80/08, MDR 2008, 1244; OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001, MDR 2002, 480; Zöller/Herget, ZPO, § 3 Rn. 16, Stichwort „Berufung“. 3 So OLG München, JurBüro 1954, 181; OLG Hamm, JurBüro 1968, 991; OLG Celle, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 208; vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 21.3.2002 – 2 Z BR 170701, NJW-RR 2002, 882 für den Wert einer Beschwerde gegen einen Verweisungsbeschluss.

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Rechtsmittel – Nach anderer Auffassung1 ist der Streitwert selbständig nach § 3 ZPO festzusetzen und zwar mit 1/3 des Hauptsachewertes. – Teilweise wird bei der Wertbestimmung auch dahingehend differenziert, ob der Kläger hilfsweise einen Verweisungsantrag gestellt hatte oder nicht.2 Die zweite Auffassung, die den Wert auf einen Bruchteil des Hauptsachewertes festsetzt, erscheint entgegen herrschender Meinung zutreffend. Das Zwischenurteil entscheidet nur über die Zuständigkeit. Die materielle Rechtslage dagegen wird nicht rechtskräftig geklärt. Das Interesse des Klägers im Rechtsmittelverfahren liegt deshalb unterhalb des Wertes der Hauptsache. Hierin liegt auch kein Widerspruch zur erstinstanzlichen Bewertung. Im ersten Rechtszug streiten die Parteien über das Klagebegehren insgesamt, also auch über dessen sachliche Berechtigung. Spätestens aber ab Erlass des angefochtenen Zwischenurteils streiten sie – worauf das LG Braunschweig zu Recht hingewiesen hat – zunächst nur noch über die Frage der sachlichen Zuständigkeit. Nur damit befassen sich das Zwischenurteil und auch die höhere Instanz.

4723

Wird gegen ein Zwischenurteil Berufung eingelegt, das die Sicherheitsleistung für die Prozesskosten eines klagenden Ausländers innerhalb einer bestimmten Frist anordnet, dann bemisst sich die Beschwer nach der Höhe der angeordneten Sicherheitsleistung.3 Denn der Kläger könnte ohne Berufungseinlegung durch Zahlung der angeordneten Sicherheit die Zulässigkeitsvoraussetzung schaffen, sodass sein Interesse an einer abändernden Entscheidung nicht höher als der Sicherheitsbetrag sein kann.

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VII. Streitgenossen Probleme bei der Gebührenstreitwertbestimmung stellen sich im Zusammenhang mit Streitgenossen dann, wenn diese in einem einheitlichen Rechtsmittelverfahren auftreten. Wenn dagegen der Kläger nur einen der erstinstanzlichen streitgenössischen Beklagten mit einem Rechtsmittel angreift oder nur einer der verurteilten Streitgenossen ein solches einlegt, gelten die üblichen Berechnungsvorschriften. Das Kriterium gemeinsamer Behandlung mehrerer Berufungen in einem Prozess ist schon durch den Angriff auf dasselbe Urteil gegeben und solange zu bejahen, wie nicht ein Verfahren abgetrennt wird.4

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1. Rechtsmittel gegen mehrere Streitgenossen Die gegen mehrere Streitgenossen gerichtete Berufung schafft einen einheitlichen Beschwerdegegenstand. Es ist somit unschädlich, dass die gegen den einen Streitgenossen geltend gemachte Forderung die Berufungssumme nicht erreicht.5 Soweit die Einzelbeschwer eines Streitgenossen sich nicht mit derje-

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.3.1999 – 5 U 189/98, OLGR 1999, 153; LG Braunschweig, NJW 1973, 1846; eine Bruchteilsbewertung nimmt der BGH für das Rechtswegbeschwerdeverfahren nach § 17a GVG an (BGH, Beschl. v. 19.12.1996 – III ZB 105/96, MDR 1997, 386). 2 MünchKomm.ZPO/Lappe, § 3 ZPO Rn. 154. 3 OLG Karlsruhe, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 826 = MDR 1986, 593. 4 OLG Celle, MDR 1961, 67. 5 OLG Celle, JurBüro 1969, 280.

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Rechtsmittel nigen eines anderen Streitgenossen deckt, ist die Gesamtbeschwer durch Addition der einzelnen Beschwerungen zu ermitteln.1 Die Vorschrift des § 5 ZPO ist nämlich auch dann anwendbar, wenn mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche sich gegen mehrere als Beklagte in Anspruch genommene Personen richten oder wenn mehrere Gläubiger in demselben Rechtsstreit ihre selbständigen Ansprüche gegen denselben Beklagten verfolgen. Lediglich Doppelberechnungen sind unzulässig.2 Die Berufung ist dann aber nur solange zulässig, wie sie auch gegen beide Beklagte durchgeführt wird. 2. Rechtsmittel durch mehrere Streitgenossen 4727

Werden Streitgenossen, gegen die je selbständige Ansprüche im Wege der Klagenhäufung verfolgt werden, antragsgemäß verurteilt, dann berechnet sich der Streitwert ihrer Berufung durch Addition der je einzelnen Beschwer, selbst wenn Berufungen durch gesonderte Schriftsätze eingelegt werden.3 Das geht auf den Grundsatz zurück, dass sich der Streitwert auch bei Mehrheit unterschiedlich beteiligter Beklagter immer nur nach dem im Klageantrag zum Ausdruck gelangten Interesse des Klägers bemisst.4 Die unterschiedliche Beteiligung auf der Passivseite muss bei einheitlichem Streitwert in der Kostenquotelung nach §§ 92, 100 Abs. 2 ZPO berücksichtigt werden.

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Ergehen Teilurteile gegen einzelne Streitgenossen, die als Gesamtschuldner in Anspruch genommen worden sind, dann ist für jede dagegen eingelegte Berufung der volle Streitwert anzusetzen,5 der allerdings wegen Streitgegenstandsidentität auch dann unverändert bleibt, wenn die Berufungen gemeinsam verhandelt und entschieden werden.6 Zum Rechtsmittel bei Gesamtschuldnerschaft s. auch das Stichwort „Gesamtschuldner“.

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Wenn von mehreren als Gesamtschuldnern in Anspruch Genommenen durch dasselbe Urteil der eine verurteilt und die Klage gegen den anderen abgewiesen wird und der Verurteilte wegen seiner Verurteilung, der Kläger wegen Abweisung seiner Klage gegen den anderen Beklagten Rechtsmittel einlegen, so betreffen die wechselseitig eingelegten Rechtsmittel denselben Gegenstand. Die Streitwerte der beiden Rechtsmittel sind nicht zusammenzurechnen.7 Der BGH lehnt damit die Auffassung des RG8 ab, dass Verschiedenheit der Streitgegenstände immer dann gegeben sei, wenn die mehreren Ansprüche in der Art nebeneinander bestehen können, dass das Gericht u.U. beiden Anträgen stattgeben kann. Dieser Grundsatz sei jedenfalls nicht auf Gesamtschuldverhältnisse anwendbar. 1 BGHZ 23, 333 = NJW 1957, 628 = MDR 1957, 662 mit Anm. Pohle = JZ 1957, 457 mit Anm. Beitzke = WPM 1957, 390. 2 So schon früher z.B. RGZ 116, 308; RGZ 164, 90. 3 BAG, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 89 = NZA 1984, 167. 4 LG Saarbrücken, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 464. 5 OLG Celle, JurBüro 1959, 175. 6 KG, JW 1938, 397. 7 BGH, Beschl. v. 25.11.2003 – VI ZR 418/02, RVG-Berater 2004, 104 (zur Beschwer); BGHZ 7, 152; KG, JW 1938, 251; OLG Bremen, Rpfleger 1957, 271; a.A. die ältere Rspr., z.B. RGZ 145, 164; OLG Kiel, JW 1932, 2910. 8 RGZ 145, 164.

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Rechtsmittel Diese Ansicht überzeugt deshalb, weil sonst in erster und in zweiter Instanz verschiedene Streitwerte anzunehmen wären, obwohl in beiden Rechtszügen der Gegenstand des Verfahrens identisch ist: Auch im Rechtsmittelverfahren wird nur über das entschieden, worüber bereits im ersten Rechtszug erkannt worden ist, nämlich darüber, ob die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen sind oder nur der eine oder der andere oder keiner von ihnen.1

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Derselbe Streitgegenstand kann bei einer Klage gegen Streitgenossen mit unterschiedlichem Obsiegen und Unterliegen jedoch nur insoweit angenommen werden, als gegen die verschiedenen Beklagten auch dieselben Ansprüche als Gesamtschuldner erhoben worden sind. Soweit Einzelansprüche nur gegen einen der Beklagten geltend gemacht werden, erhöht sich der Streitwert für das diesen Beklagten betreffende Rechtsmittel um den Wert des allein ihm gegenüber erhobenen Anspruchs.2 Das gilt auch für die Berechnung der Rechtsmittelbeschwer.3

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Legt der Streithelfer (Nebenintervenient) das Rechtsmittel ein, was er nach § 67 ZPO kann, ist für die Wertberechnung allein die Beschwer der unterstützten Partei maßgeblich.4 Auch bei eigenständiger Einlegung des Rechtsmittels durch Hauptpartei und Streithelfer handelt es sich nur um ein einheitliches Rechtsmittel.5

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Bei der streitgenössischen Nebenintervention (§ 69 ZPO), in deren Rahmen der Streithelfer unabhängig und selbst in Widerspruch zur Hauptpartei Rechtsmittel einlegen kann, handelt es sich dagegen um ein eigenständiges Rechtsmittel, dessen Streitwert nach der Beschwer des Nebenintervenienten zu bestimmen ist.6 Eine Addition der Beschwerdewerte von Nebenintervenient und Hauptpartei nach § 5 ZPO kommt nach Ansicht des BGH7 wegen wirtschaftlicher Identität nicht in Betracht, da nur ein einheitlicher Streitgegenstand vorliege, dessen Auswirkungen sich bei den Beteiligten wirtschaftlich decke.

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VIII. Eventualaufrechnung Wird erstmals in der Rechtsmittelinstanz über die Hilfsaufrechnung entschieden, findet eine Streitwerterhöhung um den Wert der zur Aufrechnung gestellten Forderung statt. Zwar begrenzt § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG den Wert der Rechtsmittelinstanz durch den Wert der ersten Instanz. Dies gilt jedoch dann nicht (§ 47 Abs. 2 Satz 2 GKG), wenn der Streitgegenstand erweitert wird.

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Die Rechtsmittelbeschwer bei Eventualaufrechnung richtet sich danach, wer das Rechtsmittel einlegt. Wird der Kläger mit der Klage abgewiesen, weil seine Klageforderung durch Hilfsaufrechnung des Beklagten erloschen sei, dann ist er nur wegen der Aufrechnung beschwert, denn sein eingeklagter

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BGHZ 7, 154. BGHZ 7, 154. BGH, MDR 1991, 427 = ZAP Fach 24 S. 85 mit Anm. Lappe. BGH, NJW 1986, 257. BGH, Beschl. v. 30.4.2001 – II ZR 328/00, MDR 2001, 1006. BGH, Beschl. v. 30.4.2001 – II ZR 328/00, MDR 2001, 1006; BGH, Beschl. v. 4.10.1993 – II ZB 9/93, DtZ 1994, 29. 7 BGH, Beschl. v. 30.4.2001 – II ZR 328/00, MDR 2001, 1006.

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Rechtsmittel Anspruch ist bejaht worden. Wird der Beklagte trotz Hilfsaufrechnung verurteilt, ist er doppelt beschwert, bei Klageabweisung nur aufgrund Hilfsaufrechnung – ebenso wie der Kläger – nur einfach, da der Anspruch des Klägers nicht bejaht wurde.1 4736

Wird erstinstanzlich über Klage und Eventualaufrechnung entschieden, dagegen auch Berufung eingelegt, diese jedoch zurückgenommen, dann findet im zweiten Rechtszug keine Wertaddition nach § 45 Abs. 3 GKG statt, weil dort keine „der Rechtskraft fähige Entscheidung“ erlassen worden ist.2 Der BGH ist insoweit anderer Ansicht3 und bejaht die Wertaddition. Dabei verkennt er jedoch, dass § 45 Abs. 3 GKG lex specialis zu § 47 Abs. 1 GKG ist. Es muss in solchen Fällen unterschieden werden zwischen der Beschwer als Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels und dem Gebührenstreitwert, der sich nach § 45 Abs. 3 GKG richtet. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 GKG sind aber nicht gegeben, weil im zweiten Rechtszug keine Entscheidung über den Gegenanspruch getroffen und kein diese Entscheidung ersetzender Prozessvergleich abgeschlossen worden ist.

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Nach einer Entscheidung des OLG München4 erhöht eine hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung den Streitwert für das Verfahren auch dann, wenn der Rechtsstreit durch Vergleich erledigt wird.

IX. Haupt- und Hilfsantrag 4738

Ist ein abgewiesener geringerwertiger Hauptantrag nicht berufungsfähig, wohl aber der (ebenfalls abgewiesene) höherwertige Hilfsantrag, so ist das Rechtsmittel insgesamt zulässig, da es nicht auf die Reihenfolge der Anträge ankommt.5 Nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG werden die Ansprüche, wenn sie nicht denselben Gegenstand betreffen (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG), zusammengerechnet. Der Gebührenstreitwert und – im Falle der Abweisung beider Anträge – die Beschwer des Klägers ergeben sich dann aus der Summe der Werte.

1 BGHZ 48, 212; 59, 17; Zöller/Heßler, vor § 511 ZPO Rn. 26a; Schulte, Die Kostenentscheidung bei der Aufrechnung durch den Beklagten im Zivilprozess, Europäische Hochschulschriften, Reihe II Bd. 940 S. 31 m.w.N.; Lappe, Justizkostenrecht, 2. Aufl. 1995, § 8 III 1d; Übersicht zur jeweiligen Beschwer je nach Entscheidung über die Aufrechnung: MünchKomm.ZPO/Lappe, § 5 Rn. 35–39. 2 OLG Karlsruhe, KostRsp. GKG § 19 Nr. 16 mit Anm. Schneider; OLG Köln, JurBüro 1995, 485; OLG München, JurBüro 1990, 1337; OLG Celle, JurBüro 1987, 1053; OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.11.1997 – 10 U 38/97, MDR 1998, 497 = NJW-RR 1998, 643; OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.7.1997 – 7 W 21/97, OLGR 1998, 70; OLG Jena, AGS 2002, 159; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.9.2000 – 9 W 69/00, KostRsp. GKG § 19 Nr. 224 = OLGR 2000, 477; OLG Jena, Beschl. v. 5.11.2001 – 5 U 667/00, KostRsp. GKG § 14 Nr. 52 = OLGR 2002, 53 = MDR 2002, 480; a.A. OLG Frankfurt, KostRsp. GKG § 19 Nr. 212. 3 BGH, KostRsp. GKG § 19 Nr. 15; BGH, KostRsp. GKG § 14 Nr. 6 mit abl. Anm. Schneider = JurBüro 1979, 358; ablehnend auch Mümmler, JurBüro 1979, 843; dem BGH folgend OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.1.1999 – 25 U 40/98, OLGR 1999, 121 – der Senat vertritt die unzutreffende Ansicht, dass allein durch den Berufungsangriff mit Primäraufwendung und Hilfsaufrechnung die Addition der Gebührenstreitwerte zu erfolgen hat. 4 OLG München, Beschl. v. 12.1.1998 – 7 W 3384/97, OLGR 1998, 103 = MDR 1998, 680. 5 KG, OLGZ 1979, 348.

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Rechtsmittel Nicht beschiedene Hilfsanträge führen nicht zu einer Erhöhung des Streitwertes.1 Das gilt auch dann, wenn der Berufungsbeklagte sich an eine von Anfang an wegen Versäumung der Berufungsfrist unzulässige Hauptberufung anschließt.2 Legt der Beklagte aber gegen seine Verurteilung nach dem Hauptantrag Berufung ein, so ist allein dadurch auch der nicht beschiedene Hilfsantrag des Klägers Gegenstand des Berufungsverfahrens.3

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Die Werte von Klage und Hilfswiderklage sind zusammenzurechnen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 GKG), wenn der Eventualfall für die Widerklage eingetreten ist. Das gilt auch dann, wenn die Hilfswiderklage trotz versagter Zulassung (§ 533 ZPO) weiterverfolgt und deshalb als unzulässig abgewiesen wird.4 Denn § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG stellt nicht, wie § 45 Abs. 3 GKG, darauf ab, ob über die Widerklage im Zulässigkeitsbereich oder im Begründetheitsbereich entschieden wird.5

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Tritt die Bedingung, von der die Stellung des Widerklageantrages abhängig gemacht worden ist, nicht ein, dann erhöht sich der Streitwert nicht, und zwar auch dann nicht, wenn das Gericht unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO über die Widerklage entscheidet.6

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X. Zurückbehaltungsrecht Bei Klagen auf Herausgabe von Sachen ist gem. § 6 ZPO als Streitwert der Verkehrswert der herausverlangten Sache maßgebend. Das gilt nach herrschender Meinung auch dann, wenn nicht der geltend gemachte Herausgabeanspruch, sondern nur ein vom Beklagten geltend gemachtes Zurückbehaltungsrecht streitig ist und die Höhe der Forderung, für die das Zurückbehaltungsrecht ausgeübt wird, geringer ist als der Verkehrswert der Sache.7

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Wenn der Beklagte aber ein Urteil auf Herausgabe der Sache nur deshalb anficht, weil das von ihm geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht nicht oder nicht in voller Höhe anerkannt worden ist, so ist für die Beschwer nicht der Streitwert der Klage, sondern das Interesse maßgebend, das der Rechtsmittelkläger an der Abänderung der angegriffenen Entscheidung hat. Es ist auf den Wert des Gegenrechtes abzustellen,8 wobei der Gebührenstreitwert (nicht die Beschwer) nach § 47 Abs. 2 GKG durch den Streitwert erster Instanz begrenzt wird. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Beklagte, der mit dem Rechtsmittel seinen Antrag auf Klagabweisung weiterverfolgen will, neben anderen Einwendungen auch mit einem hilfsweise geltend gemachten Zu-

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1 BGH, Beschl. v. 14.4.1999 – IV ZR 253/98, NJW-RR 1999, 1157; OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.7.1997 – 7 W 21/97, OLGR 1998, 70; OLG Schleswig, Beschl. v. 22.6.2001 – 5 U 87/01, KostRsp. GKG § 19 Nr. 232 = BRAGOreport 2002, 95; s. dazu ausführlich Schneider, MDR 1988, 462 m.w.N. 2 OLG Köln, JurBüro 1971, 717. 3 BGH, Urt. v. 20.9.2004 – II ZR 264/02, ProzRB 2005, 37. 4 OLG Stuttgart, KostRsp. GKG § 19 Nr. 45 = JurBüro 1980, 1374; Schneider, MDR 1982, 266. 5 Vgl. zur Unzulässigkeit einer Hilfsaufrechnung das Stichwort „Aufrechnung“. 6 BGH, MDR 1974, 36 = NJW 1973, 2206. 7 Vgl. das Stichwort „Gegenleistung“. 8 BGH, Beschl. v. 28.6.1995 – VIII ZR 1/95, MDR 1995, 1162.

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Rechtsmittel rückbehaltungsrecht ohne Erfolg geblieben war.1 Dann erhöht sich der Wert des Beschwerdegegenstands nicht über den Betrag der Verurteilung hinaus.

XI. Verurteilung Zug um Zug 1. Rechtsmittel des Klägers 4744

Bei uneingeschränktem Antrag wird der Kläger durch eine Verurteilung Zug um Zug beschwert, sodass für den Gebührenstreitwert seines Rechtsmittels auf den Wert der noch zu erbringenden Gegenleistung abzustellen ist, begrenzt durch den Wert des Klageanspruchs.2 Dieser Wert ist dann in voller Höhe maßgebend, wenn die zu erbringende Gegenleistung nicht eindeutig bestimmt ist und deshalb das stattgebende Urteil nicht vollstreckt werden kann.3

4745

Die Beschwer für ein Rechtsmittel des Klägers gegen die Verurteilung nur Zug um Zug statt der beantragten unbeschränkten Verurteilung fehlt nicht schon deshalb, weil in der Zwangsvollstreckung der Tatbestand des Urteils als Nachweis für die Befriedigung des Schuldners i.S. von § 756 ZPO dienen kann.4 Denn der Kläger hat Anspruch darauf, dass ihm im Erkenntnisverfahren ein der Rechtslage entsprechendes richtiges Urteil als Vollstreckungstitel zur Verfügung gestellt wird.

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Wird der bezifferte Klageanspruch im Berufungsverfahren teilweise abgewiesen und im Übrigen nur gegen eine Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung zuerkannt, dann sind für die Beschwer zusammenzurechnen: a) der Wert der Teilabweisung und b) der Wert der Gegenleistung, die Zug um Zug zu erbringen ist, diese allerdings nach oben begrenzt durch den Wert des Klageanspruchs.5 2. Rechtsmittel des Beklagten

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Legt der Beklagte ein Rechtsmittel ein, um an Stelle der erstinstanzlich unbedingten Verurteilung eine Verurteilung Zug um Zug aufgrund eines von ihm geltend gemachten Gegenrechtes zu erreichen, dann bemisst sich der Gebührenstreitwert für das Rechtsmittelverfahren nur nach dem Wert der Gegenleistung.6 Dieser Wert wird nach oben durch den Streitwert erster Instanz beschränkt,7 denn § 47 Abs. 2 GKG beinhaltet insofern eine Sondervorschrift, wie es sie für die Beschwer nicht gibt. Die Beschwer für den Beklagten ist 1 2 3 4 5 6

BGH, Beschl. v. 1.12.2004 – IV ZR 1/04, MDR 2005, 345 = BGHR 2005, 317. BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 560 = JurBüro 1982, 377. BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1167 = MDR 1994, 510. BGH, JurBüro 1982, 377 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 560. BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 743. BGH, Beschl. v. 27.10.2004 – XII ZB 106/04, AGS 2005, 19; BGH, Beschl. v. 28.6.1995 – VIII ZR 1/95, MDR 1995, 1162. 7 BGH, MDR 1982, 488; BGH, MDR 1985, 1022; MDR 1991, 794; BGH, NJW-RR 1995, 706; BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 829 = MDR 1986, 1007 – keine Erhöhung der Beschwer durch das Interesse an der Aufrechterhaltung der Zug-um-Zug-Verurteilung; BGH, MDR 1973, 398 = JR 1973, 423 mit zust. Anm. Kuntze; RGZ 133, 289; RGZ 122, 209; RG, JW 1936, 322 Nr. 11; KG, JurBüro 1955, 273; OLGZ 1979, 348; OLG Saarbrücken, AnwBl. 1979, 153; OLG Hamm, JurBüro 1981, 1545; OLG Celle, OLGR 1995, 227 – „kein Druckzuschlag“ auf den Wert der im Wege der Einrede geltend gemachten Mängelbeseitigungskosten; LAG Berlin, MDR 1980, 612.

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Rechtsmittel nach seinem Interesse an der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zu bestimmen. Sie kann höher liegen als der Streitwert der ersten Instanz, der sich nach den Interessen des Klägers an der Durchsetzung des Klageanspruchs gerichtet hat. Der Gebührenstreitwert ist dagegen – soweit nicht eine Erweiterung des Streitgegenstandes erfolgt – nach § 47 Abs. 2 GKG durch den Streitwert erster Instanz beschränkt.1 In einem solchen Fall darf nicht lediglich auf das Interesse des Beklagten abgestellt werden, die vom Kläger beantragte Leistung nicht erbringen zu müssen. Der Streitwert bestimmt sich vielmehr zunächst nach dem vollen Wert der Gegenleistung, auf die das Zurückbehaltungsrecht gestützt wird. Der so ermittelte Wert ist nach oben begrenzt durch den Wert des vom Kläger verfolgten Anspruchs. Es ist daher folgendes Prüfungsschema zu beachten: – Bestimmung des Wertes der Gegenleistung. – Bestimmung des Wertes der Klageforderung. – Erreicht die Klageforderung den Wert der Gegenleistung, oder übersteigt sie diesen, dann ist der Wert der Gegenleistung maßgeblich. – Ist die Klageforderung geringer als der Wert der Gegenleistung, dann ist höchstens der Wert der Klageforderung anzusetzen.

4748

* Æ Beispiel: Geklagt wird mit Erfolg auf Herausgabe eines Kraftfahrzeugbriefes, den der Kläger benötigt, um eine beabsichtigte Veräußerung des Fahrzeuges verwirklichen zu können. Das Interesse des Klägers ist daher hoch zu bewerten. Der Beklagte macht am Brief wegen einer geringfügigen Forderung ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Der Wert der Berufung des verurteilten Beklagten beurteilt sich also nach dem (geringeren) Betrag der Forderung, wegen derer er zurückbehalten will.2

3. Einzelfälle Begehrt der Beklagte als Berufungskläger die Abänderung des ihn zur Einwilligung in die Löschung einer Auflassungsvormerkung verurteilenden Urteils in eine Verurteilung Zug um Zug gegen Zahlungen des Klägers, so ist sein Interesse durch den Wert der Auflassungsvormerkung begrenzt, solange er nicht Widerklage erhoben hat.3

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Steht die Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung bereits aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung fest, dann ist der Streitwert noch geringer als die Gegenleistung anzusetzen und ein frei zu schätzender (§ 3 ZPO) Abschlag vorzunehmen.4

4750

Wird dem Beklagten bei einer Verurteilung Zug um Zug die begehrte Nachbesserung versagt und auf eine andere Art der Nachbesserung erkannt, dann wird er in Höhe der Kosten der ihm versagten Nachbesserung beschwert, auch wenn die Zug um Zug zuerkannte Nachbesserung gleich hohe Kosten verursachen würde.5

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1 BGH, Beschl. v. 10.12.1993 – V ZR 168/92, MDR 1994, 839. 2 OLG Nürnberg, MDR 1969, 1020: Klagewert 1/2 des Wertes des Kraftfahrzeugs, Wert der Berufung 20 DM entsprechend der Zurückbehaltungsforderung. 3 OLG Celle, JurBüro 1970, 434. 4 LAG Berlin, MDR 1980, 612. 5 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 799 = NJW 1986, 1110.

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Rechtsmittel 4752

Macht der Beklagte zweitinstanzlich nur noch die Aufrechnung mit einer Gegenforderung gegen eine unbestrittene Klageforderung geltend und verurteilt ihn das Berufungsgericht zur Zahlung, ohne diese im Gegensatz zum Landgericht von der Erfüllung der Nachbesserung abhängig zu machen, dann wird der Beklagte durch den Wert der ursprünglichen Zug-um-Zug-Leistung nicht beschwert.1

4753

Wendet sich der Beklagte in zweiter Instanz gegen die Verurteilung unter Berufung auf die (noch streitige) Einrede des nicht erfüllten Vertrages, entspricht seine Beschwer dem vollen Wert der Kaufpreisforderung, wenn er glaubhaft macht, wegen eines fehlenden Teils der Kaufsache sei diese insgesamt unbrauchbar.2

XII. Erledigung der Hauptsache 4754

Erklärt der Kläger die Hauptsache einseitig für erledigt, sodass das Gericht die anfängliche Begründetheit der Klage prüfen muss, dann bemisst sich der Streitwert auch für die Zeit ab einseitiger Erledigungserklärung nach der Hauptsache. Stellt das erstinstanzliche Gericht sodann entsprechend dem Antrag des Klägers die Erledigung der Hauptsache fest, so bemisst sich der Streitwert für das Berufungsverfahren, in dem der Beklagte die Abweisung der Klage als anfänglich unbegründet anstrebt, ebenfalls nach dem Wert der Hauptsache.3 Zum Streitstand vgl. die Ausführungen bei dem Stichwort „Erledigung der Hauptsache“.

XIII. Verlustigerklärung 4755

Nach Rücknahme eines Rechtsmittels ergeht von Amts wegen ein Beschluss, in dem der Rechtsmittelführer des Rechtsmittels für verlustig erklärt wird und ihm die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auferlegt werden (§§ 516 Abs. 3, 565 ZPO). Gerichtsgebühren fallen für den Beschluss nach § 516 Abs. 3 ZPO nicht an. Die Frage, welcher Gegenstandswert für die Verlustigerklärung im Hinblick auf die Anwaltsgebühren festzusetzen ist, ist umstritten.

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Nach einer Ansicht4 ist der Wert des Hauptsacheverfahrens maßgeblich. Nach anderer Ansicht5 richtet sich der Streitwert nach dem Betrag derjenigen Kosten, die bis zur Rücknahme des Rechtsmittels angefallen sind. Darüber hinaus 1 2 3 4

BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1073 = MDR 1992, 518. BGH, Beschl. v. 28.6.1995 – VIII ZR 1/95, MDR 1995, 1162. OLG Köln, JMBl.NW 1973, 175. RGZ 155, 382; RG, JW 1883, 269; RG, JW 1894, 85; OLG München, Beschl. v. 27.2.2004 – 19 U 1540/04, MDR 2004, 966; OLG Rostock, Beschl. v. 30.8.2007 – 6 U 1/06, MDR 2007, 1398 = AGS 2008, 305 (hier ging es allerdings in der Sache um den Wert des Berufungsverfahrens und nicht um einen isolierten Wert für das Verfahren nach Berufungsrücknahme); Zöller/Heßler, § 516 ZPO Rn. 27. 5 BGH, Beschl. v. 14.12.1954 – V ZR 8/53, BGHZ 15, 394; OLG Hamm, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 23; OLG Koblenz, Beschl. v. 3.12.1982 – 14 W 651/82, MDR 1983, 414; OLG Koblenz, Beschl. v. 13.7.1995 – 13 UF 375/95, JurBüro 1996, 307.

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Rechtsmittel sei ggf. für die Verlustigerklärung ein eigener, nach § 3 ZPO zu schätzender Wert zu addieren.1

* Æ Beispiel: Der in erster Instanz unterlegene Kläger verlangt mit der Berufung weiterhin die Zahlung von 15.000 Euro. Nach Hinweis des Senates auf die mangelnden Erfolgsaussichten nimmt er die Berufung zurück. Es ergeht ein Beschluss nach § 516 Abs. 3 ZPO. Nach der ersten Meinung gilt für diesen Beschluss ein Gegenstandswert von 15.000 Euro (Hauptsachewert). Nach der zweiten Meinung sind für den Gegenstandswert die bislang angefallenen Kosten (Gerichtsgebühren sowie Anwaltsgebühren für zwei Parteien) zu berechnen.

Da sowohl die Verlustigerklärung als auch die Kostentragungspflicht des Rechtsmittelführers von Amts wegen in demselben Beschluss ausgesprochen werden, kommt nur ein gemeinsamer Gegenstandswert in Betracht. Richtigerweise muss für die Berechnung dieses Wertes nach dem Zeitpunkt der Rechtsmittelrücknahme differenziert werden: Ist – was in der Praxis allerdings selten sein dürfte – die Rechtsmittelfrist noch nicht abgelaufen, kann dem Beschluss über Verlustigerklärung und Kosten nur der Wert der bisher entstandenen Kosten beigemessen werden. Denn die Verlustigerklärung hat für den Rechtsmittelbeklagten in diesem Fall kein zusätzlich messbares Interesse, da sie sich nur auf das konkrete Rechtsmittel bezieht und ein erneutes Rechtsmittel innerhalb der laufenden Frist eingelegt werden kann.2 Ist jedoch die Rechtsmittelfrist im Zeitpunkt der Rücknahme bereits abgelaufen, so bedeutet die Verlustigerklärung, dass der Rechtsmittelbeklagte vor einem erneuten Angriff gegen das ergangene Urteil geschützt und der Rechtsstreit abgeschlossen ist. Insofern ist es hier gerechtfertigt, den Wert des Beschlusses nach §§ 516 Abs. 3, 565 ZPO gem. § 3 ZPO auf den Wert des Rechtsmittelverfahrens zu schätzen.

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Zu den Einzelheiten vgl. die Ausführungen beim Stichwort „Berufungsrücknahme“.

XIV. Auskunftsanspruch Die Beschwer des zur Auskunft verurteilten Beklagten richtet sich in erster Linie nach dessen Aufwand an Zeit und Kosten, den titulierten Anspruch (= Auskunftserteilung, Rechnungslegung) zu erfüllen.3 Der Große Zivilsenat 1 Vgl. BGHZ 15, 394; Herget, Anm. zu KostRsp. BRAGO § 31 Ziff. 1 Nr. 81; Schneider, JurBüro 1970, 899 f.; vgl. auch das Stichwort „Klagerücknahme“. 2 BGHZ 27, 60; BGH, NJW 1994, 737. 3 BGH, Beschl. v. 5.2.2001 – II ZB 7/00, MDR 2001, 709 = NJW 2001, 1284; BGH, Beschl. v. 11.5.2005 – XII ZB 63/05, FamRZ 2005, 1064; BGH, Beschl. v. 2.12.2004 – IX ZB 188/04, ZVI 2005, 199; BGH, Beschl. v. 14.2.2007 – XII ZB 150/05, FamRZ 2007, 711; BGH, Beschl. v. 31.1.2007 – XII ZB 133/06, MDR 2007, 781 = FamRZ 2007, 714; BGH, Beschl. v. 25.4.2007 – XII ZB 10/07, MDR 2007, 1136 = FamRZ 2007, 1090; BGH, Beschl. v. 20.6.2007 – XII ZB 142/05, MDR 2007, 1259 = FamRZ 2007, 1461; BGH, Beschl. v. 29.1.2008 – X ZR 136/07, WuM 2008, 160 = AGS 2008, 464; BGH, Beschl. v. 1.10.2008 – IV ZB 27/07, NJW-RR 2009, 80 = FamRZ 2008, 2274; OLG Celle, Beschl. v. 15.7.1993 – 10 UF 37/93, OLGR 1994, 57; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.1.1994 – 7 U 13/93, OLGR 1994, 70; OLG Köln, Beschl. v. 11.8.1998 – 4 U 11/98, NJW-RR 1999, 833; BVerfG, Beschl. v. 13.2.1997 – 2 BvR 2726/93, NJW 1997, 2229; Vgl. auch das Stichwort „Auskunftsanspruch“.

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Rechtsmittel hat auf den Vorlagebeschluss des 2. Zivilsenats1 die bisherige Rechtsprechung zur Beschwer des verurteilten Beklagten bzw. zum Wert des Beschwerdegegenstandes bestätigt2 und dabei auch entschieden, dass bei der Wertbestimmung das Interesse des Beklagten an der Vermeidung einer ihm nachteiligen Kostenentscheidung außer Betracht bleibt.3 4759

* Æ Anmerkung: In dem betreffenden Vorlagebeschluss war ausgeführt, dass die Auskunftsklage der Vorbereitung der Zahlungsklage diene und für den Zahlungsanspruch keine Rechtskraftwirkung habe. Von daher sei die Bruchteilsbewertung begründet. Die vom Beklagten erstrebte „Nichtauskunft“ soll die Durchsetzung des Zahlungsanspruchs verhindern, ist daher das Gegenstück zu dessen Vorbereitung und verdient somit die gleiche Bewertung.4 Demgegenüber sieht der Große Senat zwar auf Seiten des Klägers eine enge Verbindung zwischen Haupt- und Auskunftsanspruch, weshalb sich trotz der Heranziehung des Hauptanspruchs zur Bewertung die Festsetzung noch am unmittelbaren Gegenstand der Auskunftsklage orientiere. Auf Seiten des Beklagten gehe aber das Interesse, die Durchsetzung des Hauptanspruchs zu verhindern, über den unmittelbaren Gegenstand der Entscheidung hinaus, womit die enge Verknüpfung fehle.

4760

In seiner Entscheidung vom 29.1.2008 hat der BGH den Streitwert für das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nach Verurteilung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung auf 1.000 Euro festgesetzt. Dies bemesse sich nach dem voraussichtlichen Aufwand an Zeit und Kosten, der mit der sorgfältigen Erteilung der Auskunft verbunden sei.5 Diese Entscheidung ist auch auf das Rechtsmittelverfahren selbst übertragbar, da sich der Wert der Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 47 Abs. 3 GKG nach dem Wert des Rechtsmittelverfahrens richtet.

4761

Kritische Resonanz hat diese Rechtsprechung zur Bestimmung der Beschwer des zur Auskunft verurteilten Beklagten beim OLG Stuttgart erfahren.6 Der Senat bemängelt, dass die Bemessung des Gebührenstreitwerts nach der Beschwer des Rechtsmittelführers zu Differenzierungen führe, die nicht plausibel zu begründen seien: Werde die Klage um den Auskunftsanspruch abgewiesen, so bleibe es beim dann folgenden klägerischen Rechtsmittel beim Streitwert der ersten Instanz. Weshalb der Streitwert wesentlich niedriger sein solle, wenn das Rechtsmittel gegen ein stattgebendes Urteil vom Beklagten eingelegt werde, vermöge nicht einzuleuchten. Denn in beiden Fällen werde über die Berechtigung des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs entschieden, ohne dass sich Inhalt und Umfang der beiden Prüfungen per se unterschieden.

4762

Die unterschiedlichen Gebührenstreitwerte für die Rechtsmittel von Kläger und Beklagten muten auf den ersten Blick tatsächlich seltsam an. Der herrschenden Meinung zu dieser Bewertungsfrage ist dennoch zu folgen, denn sie findet ihre Stütze in § 47 Abs. 1 GKG: Danach ist zur Berechnung des Gebührenstreitwerts auf die Anträge des Rechtsmittelführers abzustellen. Selbst 1 2 3 4 5

BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1189 = MDR 1994, 1035. BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1192 = JZ 1995, 681 mit Anm. Roth. So noch BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1179 = MDR 1994, 518. S. Roth, JZ 1995, 684 IV. 2., der im Ergebnis aber dem Großen Senat zustimmt. St. Rspr., vgl. BGH, Beschl. v. 29.1.2008 – X ZR 136/07, WuM 2008, 160 = AGS 2008, 464. 6 OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.9.2000 – 3 U 268/99, MDR 2001, 112.

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Rechtsmittel wenn man – wie es das OLG Stuttgart vertritt – eine Unterscheidung zwischen materieller und formeller Beschwer nicht aus dem Gesetz herzuleiten vermag, so muss doch, um einen Gebührenstreitwert bestimmen zu können, der Rechtsmittelantrag des Beklagten bewertet werden. Es läuft demnach – ob man es nun materielle Beschwer nennt oder nicht – auf eine Bewertung des Interesses hinaus, das der Beklagte an der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung hat. Sein Interesse liegt darin, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dies wird in den meisten Fällen geringer zu bewerten sein als das Interesse des Klägers, Auskunft zu erhalten. Denn der Beklagte will keinen Zahlungs- oder sonstigen Leistungsanspruch vorbereiten, sondern sich lediglich die Arbeit ersparen, die im konkreten Fall für ihn mit der Auskunftserteilung verbunden ist. Dem OLG Stuttgart kann auch nicht darin zugestimmt werden, dass in beiden Fällen (Rechtsmittel des Klägers bzw. Rechtsmittel des Beklagten) über die Berechtigung des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs entschieden wird. Denn eine umfassende Überprüfung des klägerischen Anspruchs könnte der Beklagte nur mit einer negativen Feststellungswiderklage, nicht jedoch mit einem bloßen Klageabweisungsantrag erreichen. Verurteilt das Berufungsgericht den Beklagten auf eine Stufenklage hin zur Auskunft und verweist es die Sache wegen der weiteren Stufen an das erstinstanzliche Gericht zurück, richtet sich der Streitwert einer gegen dieses Urteil gerichteten Revision lediglich nach der Beschwer des Beklagten durch die Verurteilung zur Auskunft. Dies gilt auch dann, wenn das erstinstanzliche Gericht ursprünglich die Stufenklage insgesamt abgewiesen hat.1

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XV. Versehentliches Rechtsmittel Wird für eine nicht beschwerte Partei versehentlich Berufung eingelegt und diese alsbald nach Erkennen des Irrtums zurückgenommen, setzt das OLG Frankfurt2 den Streitwert auf (jetzt) 601 Euro fest. Richtig erscheint es, den Streitwert in solchen Fällen mangels wirklicher Beschwer auf den geringsten Tabellenwert der Gebührengesetze festzusetzen3 oder den Streitwert mit null zu bewerten, womit ebenfalls nur die Mindestgebühren anfallen.4

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XVI. Unzulässiges Rechtsmittel Nur der wirkliche Wert ist anzusetzen, wenn der Rechtsmittelführer meint, ein zulässiges Rechtsmittel einzulegen, später aber durch die gerichtliche Wertfestsetzung erfährt, dass die Erwachsenheitssumme nicht erreicht ist.5 Dem Berufungskläger, der erst in der mündlichen Verhandlung erfährt, dass sein erstinstanzlich abgewiesener, nicht auf bezifferte Geldleistung gerichteter Antrag unterhalb 600 Euro zu bewerten ist, kann kein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden, da er lediglich erstrebt, dass seine wirkliche Beschwer richtig beziffert wird. 1 2 3 4 5

BGH, Beschl. v. 3.7.2002 – IV ZR 191/01, MDR 2002, 1390. KostRsp. GKG § 14 Nr. 22 mit Anm. Schneider und Lappe = JurBüro 1984, 902. So Schneider, Anm. zu KostRsp. GKG § 14 Nr. 22. So Lappe, Anm. zu KostRsp. GKG § 14 Nr. 22. S. OLG Bamberg, Beschl. v. 27.12.1985 – 5 U 196/85 Bau, JurBüro 1986, 1220.

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Rechtsmittel

F. Zinsen 4766

Dringt ein Kläger in der ersten Instanz mit der Hauptforderung in vollem Umfang, mit dem als Nebenforderung geltend gemachten Zinsanspruch jedoch nur teilweise durch, so kann er wegen des abgewiesenen Zinsanspruches Berufung einlegen, wenn dieser die Berufungssumme übersteigt.1 Der Zinsanspruch ist dann zur Hauptsache geworden, nach dem sich der Streitwert berechnet.2 Maßgeblich sind die Zinsen, die auf der Grundlage der Behauptungen des Rechtsmittelführers anfallen.3

4767

Wertbestimmend für die Gebühren ist die Summe der Zinsen bei Abschluss der zweiten Instanz.4 Der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Zinsforderung mit ungewissem Erfüllungszeitpunkt und damit ungewisse Laufzeit ist nach § 3 ZPO zu schätzen.5

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Zinsen, die im ersten Rechtszug aberkannt worden sind, bleiben nach einer Meinung eine nicht zu berücksichtigende Nebenforderung, wenn sie mit einer Anschlussberufung weiterverfolgt werden,6 und zwar auch dann, wenn die Zinsen kapitalisiert und in einem festen Betrag geltend gemacht werden,7 denn durch die Berufung des Beklagten gegen seine Verurteilung in der Hauptsache ist auch die Hauptforderung Streitgegenstand geworden.8 Nach der Gegenmeinung des OLG Brandenburg9 sind für die Berechnung der Beschwer die allein vom Kläger in zweiter Instanz mit der Anschlussberufung weiterverfolgten Zinsansprüche zu berücksichtigen. Sie werden auch dann nicht zu einer Nebenforderung im Sinne des § 4 Abs. 1 ZPO, wenn der Beklagte zuvor Berufung im Hinblick auf die Hauptforderung eingelegt hat.

4769

Dem ist zuzustimmen: Auch wenn es im gesamten Berufungsverfahren weiterhin (auch) um die Hauptforderung geht, ist bei wechselseitigen Rechtsmitteln die Beschwer danach zu bestimmen, in welchem Umfang der jeweilige Rechtsmittelführer durch das erstinstanzliche Urteil belastet ist. Die Entscheidung des BGH vom 18.1.199510 steht dem nicht entgegen, denn im dort vorliegenden Fall, in welchem die Anwendung des § 4 Abs. 1 ZPO bejaht wurde, ging es im Rechtsmittelverfahren um Zinsen, die neben der Hauptforderung geltend gemacht wurden.

4770

Will der unbedingt verurteilte Beklagte mit seinem Rechtsmittel aufgrund eines Gegenrechts eine Zug-um-Zug-Verurteilung erreichen, sind bei der

1 OLG Stuttgart, BB 1962, 1178. 2 OLG Brandenburg, Urt. v. 17.1.2001 – 7 U 151/00, MDR 2001, 588; OLG Köln, Urt. v. 19.8.1992 – 19 U 15/92, NJW-RR 1993, 1215. 3 OLG Köln, JurBüro 1972, 244; OLG Celle, JurBüro 1971, 237. 4 OLG Köln, JurBüro 1972, 244 = KostRsp. GKG a.F. § 11 Nr. 20; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1965, 229; OLG Celle, JurBüro 1971, 237; a.A. Lappe Anm. zu KostRsp. ZPO § 4 Nr. 28, der gem. § 3 ZPO den Wert in diesem Fall nach freiem Ermessen schätzen will. 5 BGH, JurBüro 1981, 1490; OLG Köln, NJW-RR 1993, 1215. 6 OLG Schleswig, SchlHA 1976, 14; LG Kiel SchlHA 1953, 209. 7 OLG Hamm, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 64 = JurBüro 1988, 1550. 8 BGH, JurBüro 1953, 201; BGH, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 52 mit Anm. Schneider. 9 OLG Brandenburg, Urt. v. 17.1.2001 – 7 U 151/00, MDR 2001, 588 unter Berufung auf BGHZ 26, 174. 10 BGH, Urt. v. 18.1.1995 – XII ZB 204/94, NJW-RR 1995, 706.

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Rechtsmittel Wertberechnung dieses Gegenrechts Zinsen nicht zu berücksichtigen, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden, auch wenn sie dabei mit der Hauptforderung zu einem einheitlichen Zahlungsbetrag zusammengefasst werden.1 Wenn das Landgericht in der Sache selbst durch Teilurteil und über die Kosten durch Schlussurteil entschieden hat, dann ist als Streitwert für die gegen diese beiden Urteile eingelegten Berufungen ab Verbindung nur der Wert der Berufung gegen die Sachentscheidung anzusetzen. Eine besondere Wertberechnung für die auf den Kostenpunkt beschränkte Berufung gegen das Schlussurteil kommt nicht in Betracht.2 Das ist die Konsequenz aus § 99 Abs. 1 ZPO, wonach die Kostenentscheidung nicht isoliert anfechtbar ist, die isolierte Anfechtung in diesem Sonderfall aber deshalb zugelassen wird, weil Teil- und Schlussurteil als Einheit betrachtet werden.3

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Verfehlt ist es aber, wenn das OLG Köln4 diese Sonderregelung auch auf das Schlussurteil über den Zinsanspruch übertragen will. Sobald das Teilurteil über die Hauptforderung ergangen ist, ist das Bedingungsverhältnis zwischen Zinsbegehren und Hauptsache gelöst. Das Schlussurteil ist gem. § 43 Abs. 2 GKG nur nach dem Zinsbetrag zu bewerten. Die getrennt eingelegten Berufungen haben selbständige Streitwerte, zumal die möglichen Entscheidungen nicht notwendig wechselseitig präjudiziell sein müssen. Der Zinsanspruch kann z.B. ohne weiteres als unbegründet erkannt werden, obwohl die Hauptforderung als berechtigt angesehen wird. Nach allgemeinen Bemessungsgrundsätzen kommt eine Nichtbewertung des Zinsanspruches gem. § 4 Abs. 1 ZPO erst in Betracht, wenn die beiden Berufungen verbunden werden. Das ergibt sich sowohl aus der prozessualen wie der gebührenrechtlichen Situation.5

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G. Kosten Kosten des laufenden Prozesses sind bei der Berechnung der Berufungssumme nicht zu berücksichtigen, solange die Hauptsache Gegenstand des Rechtsstreits ist.6 Auch außergerichtliche Kosten, z.B. Inkassogebühren, erhöhen den Streitwert nicht.7 Folglich kann durch Einbeziehung solcher Positionen ein an sich nicht erreichter Berufungsstreitwert (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht geschaffen werden. Der Berufungsantrag ist zurückzurechnen und das Rechtsmittel ggf. zu verwerfen.8

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Ist nur noch der Zinsanspruch Gegenstand der Berufung, so bleibt dieser nach seiner Erledigung für den Streitwert bestimmend, selbst wenn die nach Erledigung gem. § 43 Abs. 3 GKG wertbestimmenden Kosten sich auf einen

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1 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1200 = NJW-RR 1995, 706. 2 OLG Frankfurt, JurBüro 1981, 1732 = KostRsp. ZPO § 4 Nr. 46; OLG Köln, JurBüro 1982, 912; ZZP Bd. 69, 1956, 382 = MDR 1957, 173; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1956, 128; Schneider, MDR 1982, 265 zu Ziff. I 4. 3 BGHZ 19, 174/175; s. näher Zöller/Gummer, ZPO, § 511a Rn. 16. 4 ZZP 70, 1957, 134. 5 S. Schneider, MDR 1982, 265 zu Ziff. I 4. 6 BGH, Beschl. v. 18.1.1995 – XII ZB 204/94, NJW-RR 1995, 706. 7 OLG Köln, BB 1974, 1414. 8 OLG Saarbrücken, JurBüro 1977, 1276.

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Rechtsmittel höheren Betrag als die Zinsen belaufen.1 Das folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 43 Abs. 1 GKG. Diese ist geboten, weil anderenfalls die den Rechtsstreit im Entscheidungsgegenstand beschränkende Hauptsacheerledigung des Zinsbegehrens den Streitwert erhöhen würde, was nach dem Grundgedanken des § 43 Abs. 1 GKG nicht der Fall sein soll. 4775

Wird nach Erlass eines Teilanerkenntnisurteils gegen das Schlussurteil, das über den Restanspruch und die gesamten Kosten des Rechtsstreits entscheidet, in vollem Umfang Berufung eingelegt, so bilden nach OLG Nürnberg2 der restliche Hauptanspruch und der auf das Anerkenntnisurteil entfallende Teil der Kosten den Streitwert für das Berufungsverfahren.

4776

Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Dass bei vollem Anerkenntnis die Kostenentscheidung nach § 99 Abs. 2 ZPO isoliert angefochten werden könnte, ist unerheblich, denn ein solcher Fall ist nicht gegeben. Hier liegt es vielmehr so, dass die (Teil-)Kosten neben einem (Teil-)Hauptanspruch geltend gemacht werden. Das ist der Fall des § 43 Abs. 1 GKG.

4777

Der Streitwert für das Berufungsverfahren, in dem die Berufungen gegen ein Teilurteil und gegen das Schlussurteil, das nur noch über die Kosten entschieden hat, miteinander verbunden sind, berechnet sich nur nach dem Anspruch, über den in dem Teilurteil entschieden worden ist.3 Da das Schlussurteil nur die Bedeutung einer ergänzenden Entscheidung hat, dürfen die Kosten, über die im Schlussurteil erkannt ist, nicht bei der Berechnung des Streitwertes für die Berufungsinstanz besonders berücksichtigt werden.4

4778

Wird der Rechtsstreit auf einseitige Erklärung des Klägers hin teilweise für erledigt erklärt und der Beklagte im Übrigen verurteilt, dann soll sich der Berufungsstreitwert nach OLG Düsseldorf5 aus dem Wert der verbliebenen Hauptsache und dem Kostenanteil errechnen, der auf den erstinstanzlich für erledigt erklärten Teil des Rechtsstreits entfällt. Diese auch vom OLG Karlsruhe6 vertretene Auffassung ist jedoch abzulehnen, weil sie die Streitwertermittlung übermäßig kompliziert und es sogar nicht einmal möglich ist, die auf die umstrittene Teilerledigung entfallende Kostenquote bei der Berufungseinlegung betragsmäßig genau zu ermitteln.

4779

Nach und nach ist die Streitwertberechnung bei Hauptsacheerledigung so kontrovers und kompliziert geworden, dass die Problematik mancher Einzelfälle ohne intensives und zeitraubendes Studium der Rechtsprechung kaum noch erfasst werden kann.7 Eine weitere Komplizierung durch Einbeziehung von Zins- und Kostenbeträgen erscheint nicht mehr vertretbar.

1 2 3 4

OLG Schleswig, JurBüro 1956, 424. OLG Nürnberg, JurBüro 1959, 512. BGH, MDR 1964, 231 = JurBüro 1964, 110 – für die Revision. OLG Celle, Nds.Rpfl. 1956, 128; OLG Köln, ZZP 1956, 382 = MDR 1957, 173; OLG Köln, ZZP 1957, 134. 5 OLG Düsseldorf, MDR 1979, 676. 6 OLG Karlsruhe, Rpfleger 1979, 31. 7 S. dazu die kurze Übersicht bei Schneider, Anm. zu KostRsp. § 22 GKG Nr. 6 und die ausführliche Darstellung in JurBüro 1979, 1589 ff. sowie das Stichwort „Erledigung der Hauptsache“.

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Rechtswegverweisung

Rechtswegverweisung Literatur: N. Schneider, NJW 2003, 2436 (Gebühren im Verfahren auf Bestimmung des zuständigen Gerichts).

Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, hat das Gericht dies von Amts wegen auszusprechen, § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG. Ist der Rechtsweg zu dem angerufenen Gericht eröffnet, steht eine dahingehende Entscheidung gem. § 17a Abs. 3 GVG im Ermessen des Gerichts, soweit nicht eine der Parteien die Zulässigkeit rügt. Gegen die jeweilige Entscheidung, die nach Anhörung durch Beschluss ergeht, ist gem. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG die sofortige Beschwerde eröffnet.

4780

Die Rechtsprechung zur Höhe des Beschwerdewerts ist uneinheitlich: – voller Hauptsachewert;1 – 1/2 des Hauptsachewertes;2 – 1/3 des Hauptsachewertes;3 – 1/5 des Hauptsachewertes.4

4781

Der BGH5 billigt eine Bandbreite von 1/5 bis 1/3 des Hauptsachewerts. Richtet sich die Beschwerde gegen einen Beschluss, durch den das Verfahren an das ArbG verwiesen wird, orientiert sich das OLG Karlsruhe6 an den geschätzten Anwaltskosten des Beschwerdeführers im Hauptsacheverfahren; das OLG Braunschweig7 stellt auf das Kosteninteresse des Klägers ab.

4782

Alle Bewertungen haben ihren Nachteil. Die Kostenschätzung trägt Unsicherheit in sich, da nicht abzusehen ist, welche Gebühren im Einzelnen im Hauptsacheverfahren erwachsen werden. Hauptsache- und Bruchteilsbewertung vermögen nicht überzeugend erklären, warum sich das Interesse, das Verfahren in einem bestimmten Rechtszug durchzuführen, jeweils mit dem Hauptsachewert ändert, in Abhängigkeit von ihm mal hoch, mal niedrig zu bewerten ist. Es bietet sich daher an, die Werte für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten heranzuziehen.8

4783

1 BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – V ZB 113/07, NVwZ-RR 2008, 742; OLG Köln, Beschl. v. 8.12.1992 – 2 W 160/92, OLGR 1993, 140. 2 OLG Köln, Beschl. v. 24.4.1997 – 6 W 5/97, OLGR 1997, 228; OVG Münster, Beschl. v. 25.5.2004 – 21 E 62/04, NVwZ-RR 2004, 776 = BauR 2004, 1759. 3 OLG Celle, OLGR 1997, 43; OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.4.1994 – 5 W 6/94, OLGR 1994, 119; OLG Köln, Beschl. v. 8.7.1993 – 7 W 93/93, OLGR 1993, 294; LAG Nürnberg, Beschl. v. 20.8.2002 – 6 Ta 63/02, ARST 2002, 265; OLG Thüringen, OLG-NL 1997, 96; OLG Köln, NJW-RR 1993, 639. 4 OLG Dresden, Beschl. v. 21.8.20008 – 5 W 597/08, ZfZ 2008, 328; OLG Düsselddorf, Beschl. v. 11.5.2000 – 10 W 25/00, WuM 2000, 427; OLG Naumburg, Beschl. v. 12.6.1997 – 6 W 50/97, OLGR 1997, 356: da Verweisung von Amts wegen möglich; OLG Rostock, Beschl. v. 15.6.2005 – 1 W 64/03, OLGR 2005, 720; OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.8.2009 – 12 W 39/09, OLGR 2009, 910. 5 BGH, Beschl. v. 27.10.2005 – III ZB 66/05, MDR 2006, 530 = NJW-RR 2006,286; Beschl. v. 19.12.1996 – III ZB 105/96, MDR 1997, 386; Beschl. v. 24.2.2000 – III ZB 33/99, MDR 2000, 598 = NJW 2000, 1343; abweichend mit vollem Hauptsachewert BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – V ZB 113/07, NVwZ-RR 2008, 742. 6 OLG Karlsruhe, MDR 1994, 415 = Justiz 1994, 243. 7 OLG Braunschweig, DAR 1993, 390. 8 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Rechtswegverweisung“.

Kurpat

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Regressansprüche der Sozialleistungsträger 4784

Allerdings bewertet die Rechtsprechung, wenn es um die sachliche Zuständigkeit geht, nach der Hauptsache (s. oben das Stichwort „Einrede, Einwendung“). Diese hohe Bewertung hat ihren Grund aber darin, dass bei Durchgreifen der Einrede der gesamte Anspruch durch Endurteil abzuweisen ist, während eine solche Folge im Anwendungsbereich des § 17a GVG gerade nicht droht.

Regressansprüche der Sozialleistungsträger 4785

Die Ansprüche der Sozialleistungsträger gegen private Dritte, die den Sozialleistungsberechtigten geschädigt haben, waren früher in § 1542 RVO geregelt. Die Vorschrift galt weiterhin fort für diejenigen Fälle, die sich bis zum 30. Juni 1983 ereignet hatten. Für die Zeit danach ist § 1542 RVO außer Kraft getreten und durch § 116 SGB X ersetzt worden (BGBl. I 1982, 1450 ff.). Dabei ist das sog. Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers zugunsten des Geschädigten abgeschwächt worden. Geblieben ist der gesetzliche Übergang des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten gegen den Schädiger auf den Sozialleistungsträger (sog. cessio legis).

4786

Ratio beider Vorschriften ist die Entlastung der Gemeinschaft der Sozialversicherten, wenn Sozialleistungen wegen haftungsrechtlich relevanten schädigenden Handelns eines Dritten gewährt werden müssen. Der Regressanspruch gegen den Dritten entlastet im Ergebnis die öffentliche Hand. Die Ausgleichsregelung des § 1542 RVO und des § 116 SGB X vermeidet eine Begünstigung des Schädigers, der nicht einwenden kann, es fehle am Schaden, weil der Geschädigte Leistungen der öffentlichen Versicherung erhalte. Sie verhindert andererseits, dass der Geschädigte von zwei Seiten, also doppelt entschädigt wird.1 Die Ersatzpflicht des Schädigers wird durch das Regressrecht nicht erweitert.2

4787

Ansprüche aus Sozialversicherung bestimmen sich nach § 42 Abs. 2 GKG (§ 17 Abs. 2 GKG a.F.), auch wenn sie auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen sind.3

4788

Dieselbe Bewertung gilt, wenn Ansprüche nach § 640 RVO originär auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen sind und dieser Rückgriff nimmt.4

4789

Beim Übergang von der Feststellungsklage zur Leistungsklage sind die bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Rückstände der nach § 1542 RVO übergegangenen Schadensersatzansprüche, die besonders geltend gemacht werden, dem Streitwert der Hauptklage hinzuzurechnen.5

1 BGHZ 9, 186. 2 BGH, NJW 1984, 736. 3 OLG Zweibrücken, Rpfleger 1966, 354; OLG München, Rpfleger 1968, 364; OLG Bamberg, JurBüro 1971, 778. 4 BGH, NJW 1972, 1760 = MDR 1972, 859; DB 1972, 1626 = Rpfleger 1972, 364. 5 OLG Bamberg, JurBüro 1971, 778.

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Monschau

Rente

Rente Literatur: Schalhorn, JurBüro 1976, 33 und 299 (Abänderungsklagen); E. Schneider, MDR 1977, 270 (Bewertung der Ansprüche hochbetagter Personen).

A. Anzuwendende Vorschriften Bemessungsvorschrift ist § 9 ZPO, der aber im Gebührenrecht für wichtige Anwendungsfälle durch § 42 Abs. 1, 2 und 3 GKG ersetzt wird, nämlich: § 42 Abs. 12 GKG:

5-facher Jahresbezug bei Unfallrenten;

§ 42 Abs. 2 GKG:

3-facher Jahresbezug bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen.

§ 42 Abs. 4 GKG:

Bei Einreichung der Klage fällige Beträge werden hinzugerechnet 3-facher Jahresbezug bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen.

4790

Werden für verschiedene Zeitabschnitte unterschiedliche Rentenbeträge verlangt, so ist nicht von einem Durchschnittsbetrag auszugehen, sondern es sind die höchsten Jahresleistungen zugrunde zu legen.1

4791

Durch den Tod des Rentenberechtigten wird der Streitwert hinsichtlich bereits entstandener Gebühren nicht beeinflusst.2

4792

B. Streitwertschlüssel Stichwortübersicht Abänderung . . . . . . . Einstweilige Verfügung Fällige Beträge . . . . . Feststellung . . . . . . . Freiwillige Zahlungen . Hochbetagte . . . . . . Schmerzensgeldrente . .

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Rn. 4793 4797 4799 4812 4820 4821 4832

Sicherung . . . . . . . . . Sittenwidrige Schädigung Unerlaubte Handlung . . Vergleich . . . . . . . . . Versicherungsschutz . . . Versicherungsträger . . . Vertragliche Ansprüche .

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Rn. 4833 4834 4835 4836 4838 4842 4843

Abänderung Der Klage auf Abänderung einer Rente ist, falls nicht der Gesamtbetrag geringer ist, der fünfjährige (§ 42 Abs. 1 GKG) oder der dreijährige (§ 42 Abs. 2 GKG) Unterschiedsbetrag zugrunde zu legen.

4793

Fällige abzuändernde Beträge sind hinzuzurechnen (§ 42 Abs. 4 GKG).

4794

Einstweilen frei.

4795–4796

1 RGZ 160, 83; BGHZ 7, 335; OLG München, NJW 1974, 370. 2 OLG Saarbrücken, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 15 mit Anm. Lappe.

N. Schneider

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Rente Einstweilige Verfügung 4797

Der Streitwert für eine einstweilige Verfügung des Inhalts, dass der Antragsgegner bis zur rechtskräftigen Entscheidung des noch anzustrengenden Hauptprozesses an den Antragsteller eine monatlich im Voraus zahlbare Rente zu leisten habe, ist nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO festzusetzen. Auszugehen ist von dem Fünfjahresbezug des § 42 Abs. 1 GKG oder des Dreijahresbezugs des § 42 Abs. 2 GKG und hiervon ein entsprechender Abschlag vorzunehmen.

4798

Fällige Beträge sind nach § 42 Abs. 4 GKG hinzuzurechnen (s. nachstehend „Fällige Beträge“). Fällige Beträge

4799

Fällige Beträge i.S. des § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG sind diejenigen Raten, die am Tage der Klageeinreichung datumsmäßig bereits fällig waren; das ist wegen § 1612 Abs. 3 Satz 1 BGB bei Schadensersatzrenten wegen entgangen Unterhaltsansprüchen stets der volle laufende Monatsbetrag.1

4800

Soweit die Wertfestsetzung nach § 42 Abs. 1 und 2 GKG vorgenommen wird, werden fällige Beträge aus der Zeit vor der Klageeinreichung hinzugerechnet (auch wenn nach § 9 ZPO zu berechnen ist).2

4801

Wird bei einer von Anfang an erhobenen Leistungsklage auf Rentenzahlung die Rente später rückwirkend zu einem höheren Betrag geltend gemacht, so gilt der Differenzbetrag zwischen der zuletzt und der zunächst verlangten Rente streitwertmäßig als fälliger Betrag.

4802

S. aber für BEG-Ansprüche BGH, MDR 1958, 758; spätere Erhöhung bleibt unberücksichtigt.

4803

Beim Übergang vom unbezifferten Schmerzensgeld zur Schmerzensgeldrente ist der Betrag zwischen Klageeinreichung und Antragsänderung kein „Rückstand“.3

4804

Gehen die Parteien einverständlich vom Verfügungsverfahren in das Hauptsacheverfahren über, dann sind – unabhängig von der Streitfrage, ob dies zulässig ist – die bis zum Übergang in das Hauptsacheverfahren aufgelaufenen Unterhaltsrückstände dem Streitwert hinzuzurechnen.4

4805

Werden Rentenansprüche wegen Tötung oder Verletzung eines Menschen außergerichtlich durchgesetzt, dann entfällt eine Wertfestsetzung für Gerichtsgebühren. Es muss dann der Wert nach § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG ermittelt werden.

* Æ Beispiel: Der Anwalt wird im Januar beauftragt, eine Schadensersatzrente i.H.v. monatlich 1.000 Euro außergerichtlich geltend zu machen. Er schreibt den Gegner im Februar an. Dieser ist lediglich bereit, 500 Euro zu zahlen. Im Juni vergleichen sich die Parteien schließlich dahingehend, dass 800 Euro monatlich gezahlt werden.

1 2 3 4

S. E. Schneider, Anm. zu OLG Hamm, KostRsp. GKG § 12 Nr. 75. OLG Bamberg, Beschl. v. 12.6.1973 – 3 W 24/73, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 320. OLG Zweibrücken, JurBüro 1978, 1550. OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.10.1988, FamRZ 1989, 296.

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N. Schneider

Rente Vielfach wird ausgehend von § 42 Abs. 1 GKG sowie ausgehend von dem Betrag, auf den man sich geeinigt hat, lediglich der 5-fache Jahreswert angesetzt. Dies würde im vorliegenden Fall einen Betrag i.H.v. 60 6 800 Euro = 48.000 Euro ergeben.

4806

Bereits dieser Ansatzpunkt ist unzutreffend. Für die anwaltliche Tätigkeit ist vom Auftrag auszugehen und nicht davon, welches Ergebnis der Anwalt erreicht. Auf den „Erledigungswert“ kommt es nicht an; dieser ist allenfalls für das Erstattungsverhältnis von Bedeutung. Auszugehen ist vielmehr von dem Rentenbetrag, den der Anwalt geltend machen sollte. Dies sind im Beispiel 1.000 Euro, sodass sich insoweit also bereits ein Fünf-Jahreswert i.H.v. 60.000 Euro ergibt.

4807

In aller Regel wird weiterhin verkannt, dass es sich bei dem Fünf-Jahreswert nur um den Gegenstandswert für die laufenden Renten handelt (§ 42 Abs. 1 GKG) und dass damit die fälligen Rentenbeträge noch nicht erfasst sind.

4808

Wie die fälligen Renten bei außergerichtlicher Tätigkeit zu bewerten sind, ist allerdings strittig. – Zum Teil wird vertreten, analog § 42 Abs. 4 GKG sei auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem außergerichtlich erstmals Rente geltend gemacht bzw. in dem erstmals bei Unterhaltsforderungen zur Auskunft aufgefordert werde.1 Hiernach wäre gem. § 42 Abs. 4 GKG lediglich der Wert von zwei Monaten hinzuzurechnen, da bei Aufforderung zur Zahlung nur die Renten für die Monate Januar und Februar bereits fällig waren. – Diese Auffassung ist jedoch unzutreffend und wird von der ganz h.M. auch abgelehnt.2 Der Wortlaut der Vorschrift des § 42 Abs. 4 GKG ist eindeutig. Sämtliche bis zur Klageeinreichung fälligen Rentenbeträge werden dem Wert der laufenden Rente hinzuaddiert. Kommt es nicht zu einer Klageerhebung, so sind sämtliche bis zur Erledigung, also in der Regel bis zum Vergleichsabschluss, fälligen Rentenbeträge der laufenden Rente hinzuzuaddieren. Danach wären im Beispiel der laufenden Rente (48.000 Euro) die fällige Beträgen für den Zeitraum von Januar bis Juni (6 6 1.000 Euro = 6.000 Euro) hinzuzurechnen, sodass sich ein Gesamtwert i.H.v. 54.000 Euro ergibt.

4809

Dass allein diese Berechnung zutreffend ist, zeigt sich an folgender Abwandlung:

4810

* Æ Beispiel (Abwandlung): Es kommt im Juni nicht zu einer Einigung. Vielmehr wird im Juni Klage erhoben. Der Gegenstandswert für den Rechtsstreit beliefe sich wie nunmehr folgt: laufende Leistungen, § 42 Abs. 1 GKG fällige Beträge, § 42 Abs. 4 GKG Gesamt

48.000 Euro 6.000 Euro 54.000 Euro

Gem. § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG ist dieser Wert auch für die außergerichtliche Tätigkeit maßgebend. Es ist im Übrigen kein Grund ersichtlich, einen geringeren Gegenstandswert anzunehmen, wenn es dem Anwalt gelingt, die Parteien zu einer Einigung zu

1 LG Stuttgart, AnwBl. 1978, 234. 2 S. hierzu OLG Nürnberg, Beschl. v. 8.1.2002 – 3 U 319/01, AGS 2002, 232; N. Schneider, AGS 2004, 58.

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4811

Rente bewegen. Würde man der Gegenauffassung folgen, so ergäbe sich für die außergerichtliche Tätigkeit ein weitaus geringerer Gegenstandswert als für den Rechtsstreit, obwohl der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist. Feststellung 4812

Soweit nicht die Umstände eines Einzelfalles Anlass zu einer anderen Feststellung des Streitwertes geben, kann bei einem Feststellungsantrag, der eine auf einem Unfall beruhende Jahresrente zum Gegenstand hat, in der Regel das 4-fache des Jahresbetrags (= § 42 Abs. 1 GKG abzüglich 20 % Feststellungsabschlag) zugrunde gelegt werden.1 Das gilt jedenfalls dann, wenn keine hinreichende Gewähr dafür besteht, dass die beklagte Partei aufgrund des Feststellungsurteils zahlt.2

4813

Eine weitere Kürzung des bereits nach dem Gesetz auf den 5-fachen Jahresbetrag verkürzten Wertansatzes wegen des bloßen Feststellungsinteresses hat dagegen auszuscheiden, wenn der Feststellungsantrag bestimmte Leistungen betrifft und die Erfüllung aufgrund der Feststellung sicher ist.3

4814

Der Streitwert einer leugnenden Feststellungsklage ist ohne den üblichen Feststellungs-Abzug auf den vollen Betrag festzusetzen, auch wenn die Berühmung in Form einer Schadensersatzforderung erfolgt.4

4815

Der Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Rentenerhöhung hat einen eigenen, nach § 3 ZPO zu schätzenden Streitwert gegenüber dem nach § 42 Abs. 1 GKG.5

4816

Dieser zusätzliche Streitwert kann mit 1/5 des Wertes aus § 42 Abs. 1 GKG, also mit einem Jahresbetrag der jetzigen Rente angenommen werden.6

4817

Bei langfristigen Rentenverpflichtungen beträgt er nach OLG Frankfurt/M.7 in der Regel nicht weniger als 1/10 des eingeklagten Betrages.

4818

Werden umgekehrt in einem Rechtsstreit über die Feststellung einer Verpflichtung zur Zahlung einer Rente die im Rechtsstreit bereits fällig gewordenen Renten neben dem Feststellungsantrag durch einen Leistungsantrag geltend gemacht, so ist der Streitwert für den Leistungsantrag dem Streitwert für den Feststellungsantrag hinzuzurechnen.8

4819

Hat der Kläger auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Schadensersatz geklagt und geht er alsdann im Laufe des Verfahrens zur Leistungsklage auf Entrichtung von Rente über, so sind die bis zu dem Übergang zur Leistungsklage fällig gewordenen Rentenbeträge bei der Streitwertfestsetzung hinzuzurechnen,9 und zwar auch dann, wenn die Feststellungsklage daneben weitergeführt wird.10 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BGHZ 1, 43. OLG Schleswig, SchlHA 1960, 24. OLG Köln, NJW 1960, 2248. OLG München, MDR 1962, 223; OLG Bamberg, JurBüro 1971, 536. OLG Köln, JurBüro 1961, 562; OLG Frankfurt, JurBüro 1968, 634. OLG Köln, JurBüro 1961, 562. OLG Frankfurt/M., JurBüro 1968, 634. BGHZ 2, 74. RGZ 77, 324; BGHZ 7, 335. OLG Düsseldorf, MDR 1957, 686.

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N. Schneider

Rente Freiwillige Zahlungen Freiwillige Zahlungen, die auf eine nach § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG bewertete Rentenklage geleistet werden, mindern den Streitwert nicht, solange die Summe der ausstehenden streitigen Leistungen den Fünfjahresbetrag nicht erreicht.1 In einem derartigen Fall ist allein darauf abzustellen, ob der auch nach der Teilzahlung geforderte Gesamtbetrag oberhalb des Streitwerts des § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG liegt. Anderenfalls würde der Streitwert auf Null absinken, wenn der Beklagte aus dem geforderten Gesamtbetrag die Leistung für fünf Jahre freiwillig zahlen würde.

4820

Hochbetagte Nach OLG Hamm2 richtet sich der Streitwert einer Rentenklage auch bei hochbetagten Personen nach § 9 ZPO. Die nachfolgend dargestellte Rechtsprechung ist nur noch eingeschränkt verwertbar. Die Bedenken gegen eine Anwendung von § 9 ZPO resultierten daraus, dass die Vorschrift früher für Renten, ohne Rücksicht auf das Alter der Bezugsberechtigten, den 12 1/2-fachen Jahresbetrag vorsah. Jetzt gilt § 9 ZPO i.d.F. des RpflegeEntlG 1993: 3 1/2-facher Jahresbetrag. Das Problem ist damit weitgehend erledigt.3

4821

Bislang wurde das Ergebnis in der Rechtsprechung teils auch dadurch gewonnen, dass man die Lebenserwartung übersteigert. So ist nach KG4 auch bei einer über 80 Jahre alten Person davon auszugehen, dass sie noch eine Lebenserwartung von 12 1/2 Jahren hat, wenn nicht besondere Umstände für eine gegenteilige Annahme sprechen.

4822

Das OLG Schleswig5 hat dieselbe Lebenserwartung bei einer 82 Jahre alten Berechtigten angenommen.

4823

In JurBüro 1960, 449 hat das KG ausgeführt: Der Wert eines nicht auf gesetzlicher Unterhaltspflicht beruhenden Rentenbegehrens einer 83-jährigen Frau sei auf den 12 1/2-fachen Jahresbetrag festzusetzen. Nur wenn es ausgeschlossen erscheine oder wenn jedenfalls eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit dagegen spreche, dass sich die Rentenleistung noch über 12 1/2 Jahre erstrecke, sei es zulässig, einen geringeren Wert anzusetzen. Die bloß statistischen Zahlen für die Errechnung durchschnittlicher Lebenserwartung seien nicht entscheidend, sondern allenfalls ein Anhalt, wenn feststehe, dass die Rentenleistungen keinesfalls eine Dauer von 12 1/2 Jahren erreichen würden und wenn deshalb ein Abweichen von den in § 9 ZPO vorgeschriebenen Bewertungsmaßstäben ausnahmsweise zulässig sei.

4824

Ähnlich hat das OLG Schleswig6 formuliert und hinzugefügt, es genüge nicht, dass nur zweifelhaft oder ungewiss sei, ob der Rentenberechtigte bei seinem hohen Alter noch in den Genuss der Rentenleistung für die Dauer von 12 1/2 Jahren gelangen könne; dies müsse vielmehr mit Sicherheit feststehen.

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1 OLG Koblenz, Beschl. v. 28.1.1986 – 14 W 770/85, KostRsp. GKG § 17 Nr. 79 mit zust. Anm. E. Schneider. 2 JVBl. 1960, 136. 3 Herget, Anm. zu BGH KostRsp. ZPO § 9 Nr. 47. 4 KG, Rpfleger 1962, 156. 5 OLG Schleswig, JurBüro 1952, 229. 6 OLG Schleswig, SchlHA 1968, 142.

N. Schneider

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Rente 4826

Demgegenüber ist die Rechtsprechung im Allgemeinen mit Recht sehr viel großzügiger. Der Streitwert für Rentenansprüche auf Lebenszeit kann bei besonders hohem Alter des Gläubigers auf einen unter dem 12 1/2-fachen Jahreswert liegenden Betrag festgesetzt werden.1

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Der Streitwert ist dann also nicht nach § 9 ZPO, sondern nach § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen.2

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Das KG3 hat eine Bewertung nach freiem Ermessen vorgenommen bei schwerem Siechtum eines hochbetagten Unterhaltsempfängers.

4829

Weitere Entscheidungen, die bei Hochbetagten für die Anwendung des § 3 ZPO eintreten: OLG Schleswig;4 OLG Düsseldorf5 (bei einer 77 Jahre alten Klägerin der 5-fache Jahresbetrag); OLG Frankfurt/M.6 (10-fache Jahresbetrag bei einer 81-jährigen Frau); LG Krefeld7 (3-facher Jahresbetrag bei einer 83-jährigen).

4830

Um den Unsicherheitsfaktor auszuräumen, der stets mit einer freien Schätzung nach § 3 ZPO angesetzt ist, wollen mehrere Gerichte sich bei der Bewertung an § 24 Abs. 2 KostO anschließen.8

4831

Diese Analogie erschien ungeachtet dessen, dass die hohen Werte der KostO mit den geringeren Gebührenansätzen in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit korrespondieren, vertretbar. Denn § 24 Abs. 2 Satz 1 KostO enthält eine einleuchtende Bewertungsstaffel für Hochbetagte. Zu § 9 ZPO i.d.F. des RpflegeEntlG 1993 ist einschlägige Rechtsprechung, soweit ersichtlich, bislang noch nicht veröffentlicht. Schmerzensgeldrente

4832

§ 42 Abs. 1 GKG ist anwendbar.9 Sicherung

4833

Die Klage auf Zahlung einer Rente und auf Eintragung einer Reallast im Grundbuch zur Sicherung dieser Rente sind wirtschaftlich auf den gleichen Erfolg gerichtet. Eine Zusammenrechnung der beiden Werte findet deshalb nicht statt.10

1 BGH, JurBüro 1962, 342. 2 OLG Hamburg, JurBüro 1951, 394; MDR 1964, 855; OLG Frankfurt, JurBüro 1970, 1096; OLG Karlsruhe, JurBüro 1988, 51 mit Anm. Mümmler; OLG Nürnberg, JurBüro 1992, 50. 3 KG, Rpfleger 1962, 156. 4 OLG Schleswig, SchlHA 1962, 270. 5 OLG Düsseldorf, JurBüro 1950, 104. 6 OLG Frankfurt/M., JurBüro 1964, 32. 7 LG Krefeld, Beschl. v. 17.5.1967 – 5 T 65/67, KostRsp. ZPO § 9 Nr. 13. 8 So OLG Celle, JurBüro 1967, 73 und 515; OLG Braunschweig, NJW 1967, 161; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.5.1988 – 10 W 26/88, JurBüro 1988, 1551; OLG Nürnberg, Beschl. v. 5.2.1990 – 12 W 202/90, JurBüro 1992, 50; ausführlich dazu E. Schneider, MDR 1977, 270 ff. 9 OLG Zweibrücken, JurBüro 1978, 1550. 10 OLG Nürnberg, JurBüro 1964, 684.

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N. Schneider

Rente Sittenwidrige Schädigung Wird nach § 826 BGB Zahlung einer Rente mit der Behauptung verlangt, der Beklagte habe ein den Kläger benachteiligendes Scheidungsurteil erschlichen oder er nutze ein unrichtiges Scheidungsurteil in sittenwidriger Weise aus, so ist der Streitwert nach § 9 ZPO festzusetzen.1

4834

Unerlaubte Handlung Für die Streitwertberechnung bei Rentenansprüchen aus § 845 BGB ist nicht § 9 ZPO, sondern § 42 Abs. 1 GKG maßgebend.2 Die zwischen § 9 ZPO und § 42 Abs. 1 GKG wählende ältere Rechtsprechung gehört allerdings auf den Prüfstand. Früher war es die Entscheidung zwischen dem 12 1/2-fachen und dem 5-fachen Jahresbetrag. Jetzt liegt die „privilegierende“ Vorschrift § 42 Abs. 1 GKG über dem 3 1/2-fachen Jahresbetrag des § 9 ZPO i.d.F. des RpflegeEntlG 1993. Das Verhältnis Prozesswert – Gebührenwert ist „auf den Kopf“ gestellt.3

4835

Vergleich Vergleichen sich die Parteien bei einem Rentenanspruch durch Zahlung eines Kapitalbetrags, so wird der Streitwert durch den Wert des Rechtsverhältnisses, über das die Parteien sich verglichen haben, nicht aber durch den Kapitalbetrag bestimmt (s. das Stichwort „Vergleich“).

4836

Soweit in einen Prozessvergleich unstreitige Ansprüche einbezogen und mit tituliert werden, ist das werterhöhend zu berücksichtigen.4

4837

Versicherungsschutz Die Klage auf Gewährung von Versicherungsschutz, wenn der Kläger des Deckungsprozesses als Schädiger auf laufende Schadensrenten in Anspruch genommen wird, bemisst sich weder nach § 9 ZPO noch nach § 42 GKG, sondern ist gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu schätzen.

4838

Das OLG Nürnberg5 hat in diesem Fall gleichwohl eine Annäherung an § 42 GKG vorgenommen. Einmal darf danach der Deckungsprozess nicht höher bewertet werden als der Rechtsstreit zwischen Schädiger und Geschädigtem. Ferner bedarf das Gericht, um sein Ermessen pflichtgemäß ausüben zu können, einer irgendwie gearteten Berechnungsgrundlage; und dazu wird dann als hauptsächlicher Bemessungsfaktor neben anderen im Rahmen des § 3 ZPO die Regelung des § 42 Abs. 1 GKG herangezogen.

4839

Soweit der Deckungsschutzprozess auf Feststellung geht, ist der übliche Abzug von 20 % vorzunehmen.

4840

1 BGH, MDR 1960, 749. 2 OLG Köln, VersR 1964, 272; OLG Stuttgart, VersR 1964, 1258. 3 Lappe, NJW 1994, 1189, der den neuen § 9 ZPO für verfassungswidrig hält, MünchKomm.ZPO/Lappe, Ergänzungsband § 9 Rn. 15; NJW 1993, 2785. 4 OLG Zweibrücken, JurBüro 1978, 896 = MDR 1978, 496. 5 OLG Nürnberg, JurBüro 1970, 305.

N. Schneider

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Restitutionsklage 4841

Im Anschluss an den BGH1 wird vielfach nach § 9 ZPO bewertet.2 S. auch Rn. 4835. Versicherungsträger

4842

Der Streitwert einer Schadensersatzrente des Versicherungsträgers nach § 640 RVO bemisst sich nach § 42 Abs. 1 GKG, weil es sich um einen Schadensersatzanspruch i.S. dieser Vorschrift handelt.3 Demgegenüber wendet das OLG Frankfurt/M.4 § 9 ZPO an. S. auch Rn. 4835. Vertragliche Ansprüche

4843

Wird wegen der Tötung eines Menschen Schadensersatz durch Entrichtung einer Geldrente verlangt, so ist der 5-fache Betrag des einjährigen Bezuges maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.

4844

Das gilt jedoch nicht bei Ansprüchen aus einem Vertrag, der auf Leistung einer solchen Rente gerichtet ist (§ 42 Abs. 1 GKG). Bei einer auf Vertrag beruhenden Unterhaltsrente berechnet sich der Streitwert vielmehr nach § 9 ZPO.5

4845

Nach BGH6 ist § 9 ZPO auch dann anzuwenden, wenn der Rentenanspruch sowohl auf unerlaubte Handlung wie auf Vertrag gestützt wird. Diese Auffassung verfehlt jedoch den Zweck des § 42 Abs. 1 GKG. Es ist kein zureichender Grund dafür ersichtlich, dass der streitwertmäßig privilegierte Geschädigte diese Rechtswohltat verliert, nur weil sich sein Schadensersatzanspruch auch vertraglich konstruieren lässt. Zur Privilegierung durch § 42 Abs. 1 GKG s. Rn. 4835.

4846

Wenn die Höhe des nach § 9 ZPO zu bewertenden Rechts auf wiederkehrende Leistungen bei einer Klage aus vertraglichen Rentenansprüchen wechselt, ist nicht ein Durchschnittsbetrag anzusetzen, sondern es ist auf die höchste Jahresleistung abzustellen.7

Restitutionsklage Literatur: Seetzen, NJW 1984, 348.

4847

Mit der Restitutionsklage nach § 580 ZPO und der Nichtigkeitsklage nach § 579 ZPO sollen die Aufhebung und Neuverhandlung eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Rechtsstreits erreicht werden. Das Klägerinteres1 BGH, NJW 1974, 1710. 2 Dagegen E. Schneider, MDR 1973, 181 und unten das Stichwort „Versicherungsschutz“ Rn. 4739 ff. 3 OLG Celle, KostRsp. GKG a.F. § 13 Nr. 42; OLG München, Rpfleger 1968, 364. 4 OLG Frankfurt/M., JürBüro 1968, 634. 5 OLG Oldenburg, JurBüro 1952, 340. 6 BGH, JurBüro 1953, 304; ebenso OLG Schleswig, SchlHA 1950, 92. 7 OLG Bamberg, JurBüro 1971, 536.

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Onderka

Restschuldbefreiung se deckt sich daher mit dem Streitwert des abgeschlossenen Verfahrens, soweit die Aufhebung der Verurteilung begehrt wird.1 Wird die Beseitigung der früheren nachteiligen Entscheidungen insgesamt erstrebt, dann ist der volle erstinstanzliche Wert maßgebend.2 Der Streitwert für die Restitutionsklage oder die Nichtigkeitsklage kann jedoch nie höher sein als der Wert des Hauptprozesses, in dem das zu beseitigende Urteil ergangen ist.3

4848

Für den Streitwert des abgeschlossenen Verfahrens gelten die allgemeinen Bewertungsvorschriften, sodass insbesondere zuerkannte Zinsen und angefallene Prozesskosten den Streitwert nicht erhöhen (§§ 4 Abs. 2 ZPO, 43 Abs. 1 GKG).

4849

Zum Streitwert einer auf § 826 BGB gestützten Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus dem Titel des abgeschlossenen Verfahrens vgl. das Stichwort „Unterlassung“.

4850

Restkaufpreisforderung S. das Stichwort „Eigentumsvorbehalt“.

Restschuldbefreiung Im gesamten Verfahren der Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO) sind nur die in Nr. 2350 KV GKG abschließend genannten Entscheidungen besonders gebührenpflichtig. Soweit überhaupt eine gerichtliche Gebühr in diesem Bereich anfällt – sei es in erster Instanz oder im Beschwerdeverfahren –, ist sie als Festgebühr ausgestaltet, sodass es der Festsetzung eines Streitwerts für die Gerichtsgebühren insgesamt nicht bedarf.4

4851

Für die Bestimmung des Gegenstandswertes für die Anwaltsgebühren (Nr. 3500, 3513 VV RVG) ist der Wert nach dem objektiven wirtschaftlichen Interesse desjenigen zu bemessen, der den jeweiligen Antrag stellt oder das entsprechende Rechtsmittel verfolgt. Maßgeblich ist dabei nicht der Nennbetrag der dem verfahrensbeteiligten Gläubiger verbleibenden Forderung, sondern deren wirtschaftlicher Wert, bei dem auch die Erfolgsaussichten einer künftigen Beitreibung zu berücksichtigen sind. Der BGH5 hat ausgeführt, dass in den Fällen, in denen eine greifbare Schätzungsgrundlage nicht existiert, hilfsweise ein Wert von 4.000 Euro (§ 23 Abs. 3 Satz 2 RVG) herangezogen werden könne.

4852

1 2 3 4

BGH, Beschl. v. 4.4.1978 – VI ZB 11/77, AnwBl. 1978, 260. RG, HRR 1933 Nr. 1043. RG, HRR 1933 Nr. 1043; RG, Warneyer 1909 Nr. 544; LG Verden, JurBüro 1956, 227. Insoweit ist die Entscheidung des BGH v. 8.2.2007 – IX ZB 266/05, JurBüro 2007, 315, zur Bestimmung des Gegenstandswerts für das einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung betreffende Verfahren hinsichtlich der Gerichtsgebühren überholt. 5 BGH, Beschl. v. 8.2.2007 – IX ZB 266/05, JurBüro 2007, 315; so auch OLG Celle, Beschl. v. 29.10.2001 – 2 W 71/01, ZInsO 2002, 32 = InVo 2002, 277.

Onderka

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Rückgängigmachung eines Kaufvertrages 4853

Vertritt der Anwalt den Schuldner in einem Beschwerdeverfahren gegen die Ankündigung der Restschuldbefreiung, so kann nach Ansicht des OLG Düsseldorf1 für die Berechnung des Gegenstandswertes weder auf den Nennbetrag der offenen Forderung des Versagungsantragstellers noch auf den Nennbetrag der Gesamtheit aller im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten abgestellt werden. Bei der Bemessung des wirtschaftlichen Wertes sind vielmehr auch die Erfolgsaussichten einer möglichen Beitreibung zu berücksichtigen, weil es ansonsten zu Gebührenansätzen kommen würde, die in keinem angemessenen Verhältnis zum tatsächlichen Wert des Verfahrens stehen. Ist völlig ungewiss, wie sich die Vermögensverhältnisse des Schuldners entwickeln werden und ob bzw. in welchem Umfang er in Zukunft wieder in der Lage sein wird, Zahlungen zu leisten, kann auch hier auf den Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG abgestellt werden.

Rückgängigmachung eines Kaufvertrages Literatur: Riedel, JurBüro 1961, 521.

4854

Wird ein Kaufvertrag rückabgewickelt – beispielsweise nach Rücktritt, Nichtigkeit oder fehlender Genehmigung bei Geschäften eines Minderjährigen – so ist der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert für die entsprechenden Klagen in der Regel nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.2 Gleiches gilt für die Klage des Vertragspartners auf Feststellung, dass ein erklärter Rücktritt unwirksam ist.3

4855

Maßgeblich für die Schätzung ist, was der Kläger im Rahmen der Rückabwicklung verlangt,4 also regelmäßig der Wert der zurückverlangten Kaufpreisforderung bzw. des zurückverlangten Kaufgegenstandes. Richtet sich das Begehren des Klägers auf Rückübereignung oder Besitzeinräumung, so ist § 6 ZPO maßgeblich.5 Verlangt er eine bezifferte Kaufpreisforderung, ist die Klagesumme entscheidend.6

4856

* Æ Anmerkung: Das AG Aschaffenburg7 bestimmt den Streitwert für die Rückabwicklung des Kaufvertrages nicht nach der Höhe des Kaufpreises, sondern nach dem entgangenen Gewinn des Verkäufers, da dies der Nachteil sei, der dem Kläger durch das Scheitern des Vertrages entstanden sei. Dieser Bewertungsgrundsatz begegnet allerdings Bedenken. Denn dann müsste in Kauf genommen werden, dass der Streitwert auch gleich Null sein könnte, etwa wenn der Verkäufer ohne Gewinn oder gar mit Verlust veräußert hat. 1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.6.2007 – 10 W 6/07, OLGR 2007, 603 = NZI 2008, 252. 2 BGH, Beschl. v. 21.2.2002 – II ZR 91/00, NJW-RR 2002, 823; AG Hamburg, Beschl. v. 12.2.1991 – 4 C 913/90, JurBüro 1992, 560; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.6.1985 – 9 W 42/85, JurBüro 1986, 433; OLG Hamm, Beschl. v. 10.6.1999 – 22 W 13/99, MDR 1999, 1225. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 18.5.1999 – 5 W 318/99, NJW-RR 2000, 163. 4 Vgl. die Stichwörter „Rücktritt“ und „Nichtigkeit eines Vertrages“. 5 OLG Oldenburg, Urt. v. 14.1.1998 – 2 U 259/97, MDR 1998, 1406; BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518. 6 BGH, Urt. v. 17.6.2004 – IX ZR 56/03, JurBüro 2005, 141. 7 AG Aschaffenburg, JurBüro 1987, 595.

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Rücktritt Fordert der Kläger nach § 463 BGB a.F. zugleich die Rückabwicklung des Kaufvertrages über ein Grundstück und die Abgabe einer Rückauflassungserklärung, so ist das Interesse des Klägers für die Abgabe der Erklärung nicht noch einmal mit dem Wert des Grundstücks, sondern erheblich geringer zu bewerten.1

4857

Rückgriffsanspruch der Sozialleistungsträger S. das Stichwort „Regressansprüche der Sozialleistungsträger“.

Rückkaufsrecht Der Streitwert eines Rechtsstreits um ein Rückkaufsrecht an einem belasteten Grundstück bemisst sich nach dem Interesse des Klägers an der Wiedererlangung des Grundstückes.

4858

Das nach § 3 ZPO zu schätzende Interesse2 wird – in Anlehnung an § 6 ZPO – mit dem Verkehrswert des Grundstücks3 oder mit dem geringerwertigen Kaufpreis anzusetzen sein.4 Eine auf einem Rückkaufsrecht beruhende Herausgabeklage ist nach § 6 ZPO zu bewerten.

4859

Wird auf Rückübertragung des früher abgetretenen Anspruchs aus einem noch nicht prämienfreien Versicherungsvertrag geklagt, so ist der Wert des Anspruchs nicht ohne weiteres dem Wert des Rückkaufsrechts gleichzusetzen, da der Berechtigte die Wahl hat, entweder das Rückkaufsrecht auszuüben oder die Versicherung fortzusetzen. Deshalb ist nach § 3 ZPO zu schätzen.5

4860

Rückstände S. das Stichwort „Fällige Beträge“.

Rücktritt Literatur: Mümmler, Gegenstandswert der RA-Gebühren bei Vertragsrücktritt, JurBüro 1995, 631 ff.; ders., Rücktritt von einem Grundstückskaufvertrag, JurBüro 1998, 182 ff.; Wielgoss, Beurkundung eines Rücktrittsrechts, JurBüro 2004, 187 ff.

Zum Rücktritt kann eine Vertragspartei aufgrund vertraglicher oder gesetzlicher Regelung berechtigt sein. Mit Inkraftreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts ist seit dem 1.1.2002 die bis dahin im Kauf- und Werkvertragsrecht bestehende rechtsgeschäftliche Rückabwicklung des Vertrages 1 2 3 4 5

OLG Schleswig, Beschl. v. 29.4.1998 – 5 W 12/98, JurBüro 1998, 421. Meyer, GKG, Anh. § 48 (§ 3 ZPO) Rn. 26 unter „Rückkaufsrecht“. OLG Nürnberg, JurBüro 1963, 110. OLG Köln, Beschl. v. 26.6.1998 – 19 W 17/98, OLGR 1999, 15. OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1.

Kurpat

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4861

Rücktritt (§§ 462, 634 BGB a.F.) durch die Erklärung des Rücktritts als Gestaltungsrechts (§§ 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB) abgelöst worden. Die mit der Wandlung verbundenen Bewertungsprobleme, hier waren Klagen auf (Zustimmung zur) Wandlung und solche aus Wandlung zu unterscheiden, werden für Altfälle unter dem Stichwort „Wandlung“ erörtert. 4862

Wird aus Rücktritt vom Vertrag geklagt, dann richtet sich der Streitwert danach, welche im Klageantrag konkretisierte Rechtsfolge (§§ 346 ff. BGB) aus dem Rücktritt hergeleitet wird. Das kann beispielsweise ein Rückzahlungsanspruch sein; dann ist der Nennbetrag der Forderung maßgebend.

4863

Ist der Antrag dagegen auf Feststellung der Wirksamkeit des Rücktritts vom Vertrag gerichtet, dann muss der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG geschätzt werden. Dabei ist das klägerische Interesse an der Bindungsfreiheit weder mit dem „Wert des Vertragsverhältnisses“1 noch mit dem Vermögensunterschied vor und nach Rückgängigmachung des Vertrages2 bzw. dem Saldo der mit der Vertragsdurchführung verbundenen Vor- und Nachteile3 gleichzusetzen. Entscheidend ist vielmehr der Wert der Leistung, von der der Kläger bei Unwirksamkeit bzw. Rückabwicklung des Vertrages freigestellt werden will4 oder die im Falle bereits erbrachter Leistung an ihn zurückzugewähren ist.5 Für den bei der positiven Feststellungsklage üblichen prozentualen Abschlag (20 %) besteht nur Anlass, soweit der Kläger auf seine vertragliche Verpflichtungen bereits Leistungen erbracht hat, deren Rückgewähr er anstrebt. Geht es ihm dagegen um die Freistellung von noch zu erbringenden Leistungen, kommt dem die Wirksamkeit des Rücktritts feststellenden Urteil eine dem negativen Feststellungsurteil entsprechenden „vernichtende“ Rechtskraftwirkung zu.6 S. weiter bei den Stichwörtern „Vertragsauflösung“, „Widerruf“ und „Nichtigkeit eines Vertrages“.

4864

Der Streitwert für die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Rücktritts bestimmt sich gem. §§ 3 ZPO, 48 Abs. 1 GKG nach dem Interesse des Klägers am Fortbestand des Vertrages, folglich nach dem Wert der daraus für ihn resultierenden (Hauptleistungs-)Ansprüche.7 1 So OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.9.1995 – 5 W 150/95, MDR 1996, 101 – Nichtigkeit. 2 So OLG Düsseldorf, JurBüro 1967, 161; OLG Stuttgart, Rpfleger 1964, 162. 3 So OLG Braunschweig, Beschl. v. 2.11.1982 – 2 W 113/83, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 617 mit abl. Anm. E. Schneider; OLG München, OLGE 29, 222. 4 OLG Bamberg, Beschl. v. 27.7.1990 – 8 W 17/90, JurBüro 1990, 1659; OLG Celle, Beschl. v. 18.10.1983 – 4 W 29/83, Nds.Rpfl. 1984, 14; OLG Düsseldorf, JurBüro 1994, 494 = AnwBl. 1994, 47; OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.6.1999 – 21 W 24/99, NJW-RR 2000, 587; OLG Koblenz, NJW 1953, 1918; OLG München, Beschl. v. 20.3.1984 – 24 W 48/84, JurBüro 1984, 1235 mit Anm. E. Schneider; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.9.1978 – 1 W 20/78, JurBüro 1978, 1718 = AnwBl. 1978, 467; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Feststellungsklage“ Rn. 8. 5 OLG Bremen, Beschl. v. 14.8.1979 – 2 W 52/79, JurBüro 1979, 1705; OLG Celle, Beschl. v. 18.6.1984 – 16 W 32/84, AnwBl. 1984, 448 = Nds.Rpfl. 1994, 215; Musielak/Heinrichs, § 3 Rn. 33; Stein/Jonas/Roth, § 3 Rn. 64 Stichwort „Rücktritt“. 6 Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 Stichwort „Rücktritt“; vgl. auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.6.1999 – 21 W 24/99, NJW-RR 2000, 587 – Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages. 7 OLG Hamburg, Beschl. v. 25.6.2007 – 5 W 74/07, ZUM 2008, 66 – Kündigung eines Verlagsvertrages.

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Rückübertragung Streiten die Parteien über die Unwirksamkeit des Rücktritt von einem Erbvertrag, bemisst sich der Streitwert ebenfalls nach dem Interesse des Klägers an dem Weiterbestehen des Erbvertrages. Enthält dieser die Einsetzung des Klägers als Alleinerbe, dann ist gleichwohl nicht der Wert der gesamten Erbmasse maßgebend, weil der Erblasser nicht gehindert ist, über sein Vermögen zu verfügen und die Erbmasse zu schmälern. Das OLG Celle1 hat aus diesen Erwägungen heraus die Feststellungsklage nur mit 1/4 des Wertes der Erbmasse im Zeitpunkt der Klage bewertet. Enthält der Erbvertrag eine letztwillige Verfügung, die den Kläger begünstigt, ohne ihn als Alleinerben einzusetzen, dann ist deren wirtschaftlicher Wert maßgebend. S. zu den Einzelheiten der Bewertung unter den Stichwörtern „Nichtigkeit eines Vertrages“ und „Vertragsauflösung“.

Rückübertragung Wird auf Rückübertragung des früher abgetretenen Anspruchs aus einem noch nicht prämienfreien Versicherungsvertrag geklagt, so ist der Wert des Anspruchs nicht ohne weiteres dem Wert des Rückkaufsrechts gleichzusetzen, da der Berechtigte die Wahl hat, entweder das Rückkaufsrecht auszuüben oder die Versicherung fortzusetzen; der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert ist nach §§ 3 ZPO, 48 Abs. 1 GKG zu schätzen.2

4865

Verlangt der Sicherungsgeber von dem Sicherungsnehmer die Rückübertragung des Sicherungseigentums, weil die zu sichernde Forderung erfüllt sei, so richtet sich der Wert dieses Anspruches, nach dem Wert der Sache, wenn nicht der Wert der streitigen Forderung geringer ist. Es ist § 6 ZPO entsprechend anzuwenden, weil das Sicherungseigentum dem Pfandrecht näher steht, als das Volleigentum.3

4866

Zur Rückübertragung eines Grundstückes s. das Stichwort „Auflassung“. Der Wert bestimmt sich gem. § 6 ZPO grundsätzlich nach dessen Verkehrswert ohne dingliche Belastungen,4 und zwar im Zeitpunkt der Klageerhebung.5 Beschränkt sich der dahinter stehende Streit auf die Verpflichtung zur Restkaufpreiszahlung oder Mängelbeseitigung, kann eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten sein (s. hierzu unter dem Stichwort „Auflassung“).

4867

Wird neben der Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages im Vorgriff auf die Abwicklung zugleich die Abgabe einer Rückauflassungserklärung kann der Verkehrswert nicht zweimal in Ansatz gebracht werden. Soweit nicht bereits wegen wirtschaftlicher Identität der prozessualen Ansprüche eine Zusammenrechnung verneint wird (vgl. hierzu das Stichwort „Mehrere Ansprüche“), ist das Interesse am grundbuchrechtlichen Vollzug mit 2.500 Euro zu bewerten.6

4868

1 2 3 4 5 6

OLG Celle, Nds.Rpfl. 1962, 57 = NJW 1957, 540. OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1. BGH, NJW 1959, 939. OLG Schleswig, AnwBl. 1980, 255; LG Bayreuth, JurBüro 1977, 1116. OLG München, JurBüro 1979, 896. OLG Schleswig, Beschl. v. 29.4.1998 – 5 W 12/98, JurBüro 1998, 421.

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Rückzahlung geleisteten Unterhalts 4869

Der Streitwert für die Klage des Grundstückseigentümers auf Rückübertragung des Erbbaurechts – Heimfallanspruch nach § 2 Nr. 4 ErbbauVO – ist entsprechend § 6 ZPO nach dem objektiven Verkehrswert des Erbbaurechts zu bemessen.1 S. auch das Stichwort „Heimfallanspruch“.

Rückzahlung geleisteten Unterhalts Zur Bewertung ist § 35 FamGKG heranzuziehen. Maßgebend ist die bezifferte Forderung. Die Auffassung des OLG Hamburg,2 wonach sich der Rückforderungsanspruch nach § 17 GKG a.F. (jetzt § 51 FamGKG) richtet, ist abzulehnen.

Sachurteilsvoraussetzung S. das Stichwort „Einrede, Einwendung“.

Schadensersatz Literatur: Dunz, MDR 1956, 580 (Zukunftsschaden); Gerold, JurBüro 1957, 152 (Zukunftsschaden).

A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 4870

Bei der Bewertung einer auf Schadensersatz gerichteten Klage gibt es für den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert keine spezielle Bewertungsvorschrift. Maßgebend ist der Klageantrag, von dem ausgehend die im Einzelfall einschlägige Bewertungsvorschrift zu ermitteln ist. Einige Fallkonstellationen lassen sich unterscheiden – hinsichtlich der Einzelheiten dienen die nachfolgenden Fälle aus der Rechtsprechung der näheren Orientierung.

4871

– Wird eine bezifferte Geldforderung als Schadensersatz eingeklagt, ist deren Betrag maßgebend (§ 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG). – Bei Feststellungsklagen auf Leistung von Schadensersatz ist der Streitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Vgl. dazu auch das Stichwort „Feststellungsklage“. – Bei bezifferter Leistung und dem zusätzlichen Antrag auf Feststellung der Haftung für zukünftigen Schaden ist jeder Antrag gesondert zu bewerten und sodann eine Wertaddition vorzunehmen (§ 5 ZPO, § 39 GKG). – Wird ein Herausgabeantrag mit dem Antrag auf Verurteilung zu Schadensersatz nach fruchtlosem Ablauf einer Frist (§§ 255, 510b ZPO) verbunden, 1 OLG Bamberg, Beschl. v. 26.8.1985 – 4 W 77/85, JurBüro 1985, 1705. 2 OLG Hamburg, Beschl. v. 16.9.1997 – 12 VF 38/96, MDR 1998, 125 = FamRZ 1998, 311.

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Rückzahlung geleisteten Unterhalts 4869

Der Streitwert für die Klage des Grundstückseigentümers auf Rückübertragung des Erbbaurechts – Heimfallanspruch nach § 2 Nr. 4 ErbbauVO – ist entsprechend § 6 ZPO nach dem objektiven Verkehrswert des Erbbaurechts zu bemessen.1 S. auch das Stichwort „Heimfallanspruch“.

Rückzahlung geleisteten Unterhalts Zur Bewertung ist § 35 FamGKG heranzuziehen. Maßgebend ist die bezifferte Forderung. Die Auffassung des OLG Hamburg,2 wonach sich der Rückforderungsanspruch nach § 17 GKG a.F. (jetzt § 51 FamGKG) richtet, ist abzulehnen.

Sachurteilsvoraussetzung S. das Stichwort „Einrede, Einwendung“.

Schadensersatz Literatur: Dunz, MDR 1956, 580 (Zukunftsschaden); Gerold, JurBüro 1957, 152 (Zukunftsschaden).

A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 4870

Bei der Bewertung einer auf Schadensersatz gerichteten Klage gibt es für den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert keine spezielle Bewertungsvorschrift. Maßgebend ist der Klageantrag, von dem ausgehend die im Einzelfall einschlägige Bewertungsvorschrift zu ermitteln ist. Einige Fallkonstellationen lassen sich unterscheiden – hinsichtlich der Einzelheiten dienen die nachfolgenden Fälle aus der Rechtsprechung der näheren Orientierung.

4871

– Wird eine bezifferte Geldforderung als Schadensersatz eingeklagt, ist deren Betrag maßgebend (§ 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG). – Bei Feststellungsklagen auf Leistung von Schadensersatz ist der Streitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Vgl. dazu auch das Stichwort „Feststellungsklage“. – Bei bezifferter Leistung und dem zusätzlichen Antrag auf Feststellung der Haftung für zukünftigen Schaden ist jeder Antrag gesondert zu bewerten und sodann eine Wertaddition vorzunehmen (§ 5 ZPO, § 39 GKG). – Wird ein Herausgabeantrag mit dem Antrag auf Verurteilung zu Schadensersatz nach fruchtlosem Ablauf einer Frist (§§ 255, 510b ZPO) verbunden, 1 OLG Bamberg, Beschl. v. 26.8.1985 – 4 W 77/85, JurBüro 1985, 1705. 2 OLG Hamburg, Beschl. v. 16.9.1997 – 12 VF 38/96, MDR 1998, 125 = FamRZ 1998, 311.

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Schadensersatz dann ist nur der Hauptanspruch wertbestimmend, also weder gem. § 5 ZPO zu addieren noch analog § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG auf den höherwertigen Schadensersatzantrag abzustellen.1 Entgegen LG Karlsruhe2 ist der Streitwert auch nicht um einen Bruchteil des Entschädigungsbetrages zu erhöhen.

B. Einzelfälle aus der Rechtsprechung Stichwortübersicht Aufhebung eines Kaufvertrages Auskunft . . . . . . . . . . . . Befreiung . . . . . . . . . . . . Feststellung . . . . . . . . . . . Garantievertrag . . . . . . . . . Künftiger Schaden . . . . . . . Mängelrechte . . . . . . . . . .

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Rn. 4872 4874 4875 4876 4880 4881 4885

Nutzungsanspruch . . . . Rechtsanwalt . . . . . . . Rente . . . . . . . . . . . Rückzahlung . . . . . . . Sterilisation . . . . . . . . Veröffentlichungsbefugnis Zinsen . . . . . . . . . . .

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Rn. 4886 4887 4888 4890 4891 4892 4895

Aufhebung eines Kaufvertrages Verlangt der Käufer die Aufhebung des Vertrages wegen Nichtigkeit einer in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verkäufers aufgenommenen Preisgleitklausel und fordert daraufhin der Verkäufer statt der Erfüllung des Vertrages pauschalierten Schadensersatz i.H.v. 15 % wegen Nichterfüllung, dann ist der Streitwert nicht gleich dem Kaufpreis, sondern bestimmt sich nach dem geringeren Interesse des Anfechtenden an der Vertragsaufhebung.3

4872

Das AG Bremen-Blumenthal hat in einem solchen Fall statt des Kaufpreises als Streitwert den von dem klagenden Verkäufer verlangten pauschalierten Schadensersatz festgesetzt. Dies entsprach zugleich dem Abwehrinteresse des Beklagten, der diesen Betrag nicht zahlen wollte, sodass auch der von ihm beauftragte Rechtsanwalt nur nach diesem Streitwert abrechnen durfte (§ 8 Abs. 1 Satz 2 BRAGO = § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG). S. dazu auch das Stichwort „Nichtigkeit eines Vertrages“.

4873

Auskunft Begehrt der Kläger zunächst nur Auskunftserteilung und geht er erst nach der im Prozess erteilten Auskunft zur Schadensersatzklage über, so bildet nur der (höhere) Wert der Schadensersatzklage den Streitwert. Ein gesonderter Wert für die zunächst erhobene Auskunftsklage ist dann nicht hinzuzurechnen.4 Dies entspricht dem Rechtsgedanken des § 44 GKG.

1 OLG Jena, OLGR 1999, 100; Schneider, MDR 1985, 268; a.A. LG Köln, MDR 1984, 501 mit abl. Anm. Schneider, S. 853; s. näher das Stichwort „Herausgabe“. 2 LG Karlsruhe, Beschl. v. 11.2.1986 – 9 S 370/84, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 832 mit abl. Anm. Schneider. 3 AG Bremen-Blumenthal, Beschl. v. 14.9.1983 – 2a C 302/83, JurBüro 1984, 392. 4 OLG Celle, WRP 1971, 233.

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Schadensersatz Befreiung 4875

Bei Klagen auf Befreiung von einer Schadensersatzverpflichtung gegenüber einem Dritten bemisst sich der Wert des Streitgegenstandes nach dem ziffernmäßig bestimmten Betrag, für den der Kläger wegen seiner Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen wird. Für die Festsetzung des Streitwertes nach freiem Ermessen gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG ist kein Raum.1 S. dazu näher das Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“. Feststellung

4876

Der Anspruch auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Schadensersatzpflicht ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG durch freies Ermessen des Gerichts unter Zugrundelegen des Interesses des Klägers an der begehrten Feststellung zu bewerten. Es kommt entscheidend darauf an, inwieweit dem Geschädigten das Urteil zur Verwirklichung seines Anspruchs dienen kann.2

4877

Der Wert des bloßen Feststellungsanspruches bleibt regelmäßig hinter dem Wert eines Leistungsantrages zurück, da die Feststellung keine Leistungspflicht des Beklagten begründet und das Beweisrisiko des Klägers insofern noch verbleibt, als er die Höhe des behaupteten Schadens noch nachweisen muss.3 Nach der Rechtsprechung ist regelmäßig ein Abschlag von 20 % angemessen.4

4878

Ist die Höhe des zukünftigen Schadens, auf den sich der Feststellungsantrag bezieht, bei Klageerhebung bzw. Urteilserlass nicht absehbar, so kann der Antrag auf Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet sei, den künftig erwachsenden Schaden zu ersetzen, unter Heranziehung der Grundsätze der (jetzt) §§ 48 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG, 30 Abs. 2 KostO, § 23 Abs. 3 RVG mit 4.000 bis 5.000 Euro bewertet werden.5

4879

Bei einer Klagehäufung von Leistungs- und Feststellungsanträgen gilt Folgendes: – Wird mit dem Klageantrag ein bezifferter Geldbetrag verlangt, daneben aber auf Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich weiteren Schadens geklagt, dann ist jeder Antrag gesondert zu bewerten und nach § 5 ZPO zusammenzurechnen.6 – Geht der Kläger im Laufe des Rechtsstreits mit dem zunehmenden Fälligwerden der Schadensersatzansprüche von der Feststellungsklage zur Leistungsklage über, so ist eine Summierung der Werte des Leistungsantrages und des Feststellungsanspruchs in seiner vollen Höhe nur dann zulässig, wenn der Kläger zu erkennen gibt, dass er neben dem Leistungsantrag den Feststellungsantrag in der ursprünglichen Höhe für die Zukunft aufrechter1 2 3 4 5

BAG, MDR 1960, 616. OLG Celle, DB 1962, 1565. OLG Frankfurt, MDR 1957, 734; OLG Stuttgart, BB 1959, 460. OLG Stuttgart, BB 1959, 460. OLG Frankfurt Rpfleger 1957, 124; OLG Köln, JurBüro 1971, 719; OLG Braunschweig, JurBüro 1977, 403. 6 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Schadensersatz“; OLG München BayZ 1931, 329.

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Schadensersatz halten will, dass also der Übergang von der Leistungs- zur Feststellungsklage das Feststellungsinteresse der Höhe nach nicht gemindert hat. – Liegt es dagegen so, dass der Kläger den Feststellungsantrag in der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr stellt, weil dieser Feststellungsantrag durch die laufende Erhöhung des Leistungsantrages aufgezehrt worden ist, dann ist nur das Leistungsbegehren für den Streitwert bestimmend.1 Zu den bei Feststellungsklagen zu berücksichtigenden Umständen im Einzelnen s. das Stichwort „Feststellungsklage“. Garantievertrag Maßgebend ist, welche Rechte aus einer Garantievereinbarung hergeleitet werden. Für Zahlungsansprüche beispielsweise gilt § 6 ZPO, für Ansprüche auf Nachbesserungen der nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 2 GKG zu schätzende Reparaturwert.

4880

Künftiger Schaden Bei der Bewertung des Feststellungsinteresses hinsichtlich eines zukünftigen Schadens ist nach dem Grundsatz des § 4 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 40 GKG von den Erkenntnismöglichkeiten auszugehen, wie sie im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits vorhanden waren. In erster Linie ist auf die Höhe des drohenden Schadens abzustellen, jedoch unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts oder einer Inanspruchnahme des Gegners.2

4881

Bestand bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung die Möglichkeit, zu einer bestimmten, für die Beurteilung des Streitwerts wichtigen Erkenntnis zu gelangen, wurde sie nur nicht genutzt und wird dies nachträglich erkannt, so können diese Erkenntnisquellen nachträglich für die Streitwertfestsetzung nutzbar gemacht werden.3 Aufgrund nachträglich entstandener Erkenntnismöglichkeiten kann aber eine Änderung des bereits festgesetzten Streitwerts nicht begehrt werden. Das zu Beginn des Rechtsstreits ermittelte Feststellungsinteresse bleibt für die ganze Prozessdauer maßgebend.4

4882

Dies gilt jedoch nur, sofern sich der Streitgegenstand nicht ändert. Für den Gebührenwert entspricht dem § 40 GKG, der nicht mehr darauf abstellt, ob – bei unverändertem Streitgegenstand – der Wert bei Beendigung der Instanz höher ist als zu Beginn. Erkenntnisse des Gerichts nach der letzten mündlichen Verhandlung müssen außer Betracht bleiben.5 Das ergibt sich auch aus § 296a ZPO.

4883

Ist das künftige Entstehen eines Schadens zwar möglich, aber nahezu unwahrscheinlich, dann kann dies die Festsetzung eines ganz geringen „Erinnerungswertes“ rechtfertigen.6

4884

1 OLG Frankfurt, JurBüro 1960, 302. 2 BGH, Beschl. v. 28.11.1990 – VIII ZB 27/90, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1017 mit Anm. Lappe = MDR 1991, 526. 3 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.10.1997 – 5 W 336/97, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1273 = JurBüro 1998, 363; Lappe, ZAP Fach 24, S. 251 V. 4 OLG Schleswig, Rpfleger 1962, 425. 5 OLG Schleswig, Rpfleger 1962, 425. 6 OLG Düsseldorf, JurBüro 1975, 232.

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Schadensersatz Mängelrechte 4885

Soweit sich der Beklagte mit Gewährleistungsansprüchen gegenüber einem Werklohn- oder Kaufpreisanspruch verteidigt, stellt sich die Frage der Wertaddition nach § 45 Abs. 3 GKG. Hier ist zu unterscheiden, ob Mängel mit der Folge gerügt werden, dass der Anspruch selbst in seinem Entstehungstatbestand verändert wird, oder ob echte Schadensersatzansprüche als Folgeschäden aus positiver Vertragsverletzung hergeleitet werden. Nur im letzteren Fall kommt eine Wertaddition in Betracht. S. näher dazu auch das Stichwort „Aufrechnung“. Nutzungsanspruch

4886

Ein auf § 992 BGB gestützter Schadensersatzanspruch, der in Abhängigkeit vom Hauptanspruch auf Herausgabe der Sache erhoben wird, bleibt bei der Wertberechnung unberücksichtigt, auch wenn er den sich aus § 986 BGB ergebenen Nutzungsanspruch übersteigt.1 Vgl. zu den Einzelheiten auch das Stichwort „Herausgabe“. Rechtsanwalt

4887

Wird ein Rechtsanwalt in Anspruch genommen, weil er eine nach § 42 GKG privilegierte Forderung nicht durchgesetzt, beispielsweise den Verjährungsablauf nicht beachtet hat, dann gilt das Streitwertprivileg des § 42 GKG in diesem Regressverfahren nicht. Denn der Anwalt wird nicht wegen einer bevorrechtigten Forderung, sondern aus dem Mandatsvertrag in Anspruch genommen.2 Rente

4888

Hat der Kläger auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Schadensersatz geklagt und geht er dann im Laufe des Verfahrens zur Leistungsklage auf Entrichtung von Rente über, so sind entsprechend § 42 Abs. 4 GKG die bis zu dem Übergang zur Leistungsklage bereits fällig gewordenen Rentenbeträge bei der Streitwertfestsetzung hinzuzurechnen.3

4889

Klagen auf Schadensersatzrenten wegen Tötung oder Verletzung eines Menschen sind streitwertmäßig nach § 42 Abs. 1 GKG privilegiert. Es ist höchstens der 5-fache Betrag des einjährigen Bezugs anzusetzen. Zahlt der Schädiger freiwillig einen Teil der Schadensersatzforderung, dann mindert sich der Streitwert nicht, solange der noch ausstehende Betrag den nach § 42 Abs. 1 GKG zu berechnenden Betrag nicht unterschreitet.4 Rückzahlung

4890

Ist der Beklagte durch Vorbehaltsurteil (§§ 302, 599 ZPO) verurteilt worden, so kann ein etwaiger Anspruch auf Rückzahlung des beigetriebenen Hauptan1 2 3 4

OLG Karlsruhe, ZZP Bd. 68, 1955, 463. BGH, JurBüro 1979, 193 = MDR 1979, 302. RGZ 77, 324. OLG Koblenz, KostRsp. GKG § 17 Nr. 79 mit zust. Anm. Schneider.

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Schadensersatz spruchs nebst Zinsen und Kosten im Nachverfahren selbst geltend gemacht werden (§§ 302 Abs. 4 Satz 3, 600 Abs. 2 ZPO). Dieser Rückzahlungsanspruch bleibt bei der Streitwertfestsetzung außer Betracht, soweit nicht darüber hinaus Schadensersatz wegen unberechtigter Vollstreckung verlangt wird.1 Sterilisation Der Anspruch der Eltern auf Ersatz ihrer Unterhaltsaufwendungen, die auf eine fehlgeschlagene Sterilisation zurückzuführen sind, ist vom BGH nach § 9 ZPO bewertet worden.2 Während die Anwendung des § 9 ZPO in seiner damaligen Fassung zu sehr hohen Streitwerten führte und die Diskussion um die wirtschaftliche Tragbarkeit in Gang setzte, hat das Problem heute an Bedeutung verloren, da der Höchstbetrag in § 9 ZPO auf den 3,5-fachen Jahresbetrag reduziert ist.

4891

Veröffentlichungsbefugnis Der Anspruch des Klägers, das erstrittene Urteil öffentlich bekannt zu machen, ergibt sich zumeist als Folgeanspruch aus Wettbewerbsverletzungen (vgl. § 7 UKlaG, § 12 Abs. 3 UWG, § 103 UrhG) bzw. aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht bei Ehrverletzungen. Wird mit einer Schadensersatzklage der Antrag auf Bewilligung einer Veröffentlichungsbefugnis verbunden, dann liegen verschiedene Streitgegenstände vor, sodass nach § 5 ZPO zu addieren ist.3

4892

Der Wert der öffentlichen Bekanntmachung eines Urteils in mehreren Zeitungen beschränkt sich nicht auf die Druckkosten,4 sondern ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Überwiegend werden als Wert 10 % des Wertes des Unterlassungsanspruchs angesetzt.5

4893

Ist der Klageantrag auf Bewilligung einer Veröffentlichungsbefugnis mit einer Unterlassungs- oder Schadensfeststellungsklage verbunden, hat er nach Meinung einiger Gerichte keinen eigenen Streitwert.6 Diese Auffassung ist allerdings bedenklich. Sie verstößt gegen den Grundsatz, dass das Begehren, also das Interesse des Klägers für den Streitwert maßgebend ist. Wer aber zur Unterlassung zusätzlich Veröffentlichung begehrt, verlangt mehr als nur Unterlassung. Das sollte bei der Streitwertbemessung zum Ausdruck kommen.7

4894

1 LG Kiel, MDR 1960, 324; RGZ 9, 410. 2 BGH, Beschl. v. 20.1.1981 – VI ZR 202/79, NJW 1981, 1318; BGH, Beschl. v. 30.9.1993 – IX ZR 247/92, WPM 1994, 182. 3 OLG Hamburg, MDR 1977, 142; OLG Frankfurt, GRUR 1955, 450; s. auch das Stichwort „Veröffentlichungsbefugnis“. 4 OLG Hamm, JMBl.NW 1954, 177. 5 OLG Köln, Urt. v. 14.4.2000 – 6 U 135/99, ZIP 2000, 2017; OLG Celle, Urt. v. 2.3.2000 – 13 U 280/98, GRUR-RR 2001, 125; OLG Nürnberg, Urt. v. 20.7.1999 – 3 U 1559/99, JurBüro 2000, 275. 6 OLG Stuttgart, NJW 1959, 890; OLG Karlsruhe, WRP 1958, 190; OLG Nürnberg, JurBüro 1967, 72. 7 Richtig daher OLG Frankfurt, JurBüro 1972, 706 und OLG Hamburg, MDR 1977, 142, welche die Veröffentlichungsbefugnis gesondert bewerten; s. auch OLG Frankfurt, GRUR 1955, 450.

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Schenkung Zinsen 4895

Zinsen werden nicht dadurch zur Hauptforderung, dass der Kläger sie als Verzugszinsen unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes geltend macht.1 Sie bleiben – auch bei einer summenmäßigen Berechnung – streitwertneutrale Nebenforderungen. S. näher dazu das Stichwort „Nebenforderungen“.

Scheckprozess S. das Stichwort „Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess“.

Schenkung 4896

Der Wert einer Klage auf der Grundlage einer Schenkung richtet sich danach, welche Ansprüche aus dem Schenkungsrecht geltend gemacht werden.

4897

Der Wert einer Klage auf Vollzug der Schenkung (Übergabe und Übereignung der geschenkten Sache) bestimmt sich gem. § 6 ZPO nach dem Verkehrswert der Sache.

4898

Ebenso richtet sich der Wert der Rückforderung einer geschenkten Sache nach Widerruf oder Anfechtung der Schenkung nach dem Verkehrswert der Sache. Dabei ist jedoch auch der Endzweck des Prozesses und das der Rückforderung zugrunde liegende Rechtsverhältnis sowie das vom Kläger verfolgte Ziel zu berücksichtigen.2

* Æ Beispiel: Das OLG München3 hat den Streitwert eines Prozesses über die Rückabwicklung der Übergabe eines landwirtschaftlichen Anwesens in Form der gemischten Schenkung unter Anwendung dieser Grundsätze wesentlich ermäßigen können. Bei der Übergabe des Hofes war der Ertragswert zugrunde gelegt worden, nicht der sehr hohe Verkehrswert. Die Gegenleistung des Übernehmers überstieg den Ertragswert, blieb jedoch erheblich hinter dem Verkehrswert zurück. Das OLG München hat den Rechtsstreit daher nur nach dem Ertragswert des Anwesens beziffert, um nicht gezwungen zu sein, Schenkung und damit das Klagebegehren zu verneinen, weil es nur auf den Ertragswert ankomme, zugleich aber die Kläger mit den Unterliegenskosten nach dem vielfach höheren Verkehrswert zu belasten.

Schiedsgutachten 4899

Der Schiedsgutachter hat die Aufgabe, im Auftrag der Parteien bestimmte Tatsachen im Verhältnis zwischen den Parteien bindend festzustellen, beispielsweise den Wert oder den Preis von Waren oder die Höhe eines entstan1 BGH, Beschl. v. 10.5.1962 – VII ZR 104/61, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 2. 2 OLG Braunschweig, Beschl. v. 29.12.1999 – 7 W 45/99, OLGR 2000, 290; Zöller/Herget, § 6 Rn. 5; vgl. dazu auch das Stichwort „Herausgabe“. 3 OLG München, Beschl. v. 30.3.1984 – 25 W 1059/84, JurBüro 1984, 1401 = KostRsp. ZPO § 6 Nr. 103.

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Schiedsrichterliches Verfahren denen Schadens. Im Gegensatz zum Schiedsrichter ist es nicht seine Aufgabe, rechtliche Entscheidungen an Stelle der staatlichen Gerichte zu treffen, also Rechtsfolgen aus festgestellten Tatsachen abzuleiten. Das Schiedsgutachten ist in entsprechender Anwendung von § 319 BGB dann nicht verbindlich, wenn es offensichtlich unrichtig oder unbillig ist.1 Der Wert eines Rechtsstreits, in dem eine Partei nach Erstellung des Gutachtens dessen offenbare Unrichtigkeit oder Unbilligkeit geltend macht, bestimmt sich gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Interesse, das die Partei an der durch das Gericht zu treffenden Bestimmung hat.

4900

* Æ Beispiel: Der Streitwert eines Rechtsstreits, in dem der Verpächter die offenbare Unrichtigkeit eines über die angemessene Höhe des Pachtzinses erstatteten Schiedsgutachtens geltend macht, bemisst sich nicht nach dem Jahresbetrag des von ihm begehrten erhöhten Pachtzinses, sondern nach dem Interesses, das der Kläger am Obsiegen hat. Dieses Interesse beläuft sich grundsätzlich auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem in dem Schiedsgutachten festgesetzten Pachtzins und der von dem Kläger geforderten angemessenen Pachtzinserhöhung für die Dauer des noch bestehenden Pachtvertrages.2

Schiedsrichterliches Verfahren Literatur: Enders, JurBüro 1998, 282. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 4901 B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Zuständigkeitsstreitwert . . . . 4902 II. Gebührenstreitwert . . . . . . . 4903 1. Vorbereitung des Verfahrens . . 4905

2. Durchführung des Verfahrens . 3. Schiedsvergleich . . . . . . . . 4. Vollstreckbarerklärung . . . . . 5. Klauselerteilung . . . . . . . . 6. Aufhebung des Schiedsspruchs 7. Bestandsstreit . . . . . . . . . .

. . . . . .

Rn. 4910 4913 4915 4918 4919 4920

A. Einleitung Das schiedsrichterliche Verfahren gestattet unter Beachtung der in §§ 1025 ff. ZPO normierten Grundsätze die Ausübung privater Gerichtsbarkeit. Über die Kosten des eigentlichen Schiedsverfahrens (also die Kosten der Schiedsrichter sowie die Parteikosten) entscheidet nach § 1057 ZPO das Schiedsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Soweit allerdings im schiedsrichterlichen Verfahren auch die staatlichen Gerichte tätig werden, fallen (weitere) Gerichts- und ggf. Anwaltsgebühren an, sodass hier auch die Frage einer Wertfestsetzung geprüft werden muss.

1 BGHZ 6, 335; BGH, Urt. v. 27.6.2001 – VIII ZR 235/00, NJW 2001, 3775. 2 OLG Celle, MDR 1966, 769.

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4901

Schiedsrichterliches Verfahren

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Zuständigkeitsstreitwert 4902

Die Festsetzung eines Zuständigkeitsstreitwertes für die Tätigkeit der staatlichen Gerichte im schiedsrichterlichen Verfahren ist nicht erforderlich, da nach § 1062 ZPO das in der Schiedsvereinbarung bezeichnete bzw. am Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens gelegene Oberlandesgericht für die gerichtlichen Entscheidungen zuständig ist.

II. Gebührenstreitwert 4903

Für die im schiedsrichterlichen Verfahren in Betracht kommenden Entscheidungen der staatlichen Gerichte, namentlich über Anträge bezüglich: – der Bestellung eines Schiedsrichters (§§ 1034, 1035 ZPO), – der Ablehnung eines Schiedsrichters (§ 1037 ZPO), – der Beendigung des Schiedsrichteramtes (§ 1038 ZPO), – der Feststellung der (Un-)Zulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens (§ 1032 ZPO), – der Überprüfung der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts (§ 1040 ZPO), – der Vollziehung, Aufhebung oder Änderung der Anordnung vorläufiger/ sichernder Maßnahgmen des Schiedsgerichts (§ 1041 ZPO), – der Aufhebung des Schiedsspruchs (§ 1059 ZPO), – der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs (§§ 1060 ff. ZPO) sowie – der Aufhebung der Vollstreckbarerklärung (§ 1061 ZPO) fallen Gerichtsgebühren in Gestalt von Wertgebühren nach Nr. 1620 ff. KV GKG an. Der Streitwert für diese Gebühren ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen. Maßgeblich ist das Interesse des Antragstellers an der konkret beantragten Maßnahme.

4904

Die anwaltlichen Gebühren für die Vertretung des Mandanten in solchen Verfahren nach §§ 1032 ff. ZPO richten sich aufgrund der Verweisung in § 36 Abs. 1 RVG nach Teil 3 Abschnitt 1 und 2 VV RVG (also Nr. 3100 ff. VV RVG), wobei der Gegenstandswert demjenigen für die Gerichtsgebühren folgt (§ 23 Abs. 1 RVG). 1. Vorbereitung des Verfahrens

4905

Für gerichtliche Maßnahmen, die der Vorbereitung des Schiedsgerichtsverfahrens dienen (z.B. Ernennung des Obmanns, Ablehnung von Schiedsrichtern), ist der Wert nach § 3 ZPO zu schätzen, wobei nur das Interesse der Parteien an der Austragung ihres Streites auf diesem Wege maßgeblich ist.1

4906

Der Wert eines selbständigen Beweisverfahrens vor dem ordentlichen Gericht, das der Vorbereitung eines Schiedsgerichtsverfahrens dienen soll, bemisst sich 1 OLG Frankfurt, JurBüro 1968, 915; OLG Düsseldorf, NJW 1954, 1492; OLG Hamburg, NJW 1963, 660.

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Schiedsrichterliches Verfahren nach dem vollen Wert der im Schiedsgerichtsverfahren geltend gemachten Ansprüche, soweit der erhobene Beweis sämtliche dort anhängigen Ansprüche betrifft. Gleiches gilt für die gerichtliche Ladung von Zeugen, die vor dem Schiedsgericht aussagen sollen, wenn die Aussagen der Zeugen sämtliche im Schiedsgerichtsverfahren anhängigen Ansprüche betreffen.1 Nach § 3 ZPO ist auch dann frei zu schätzen, wenn gem. § 1032 Abs. 2 ZPO über die Zulässigkeit des Schiedsverfahrens überhaupt entschieden wird.2 Entscheidend ist das Interesse an der Durchführung bzw. an der Vermeidung des schiedsrichterlichen Verfahrens. Hier wird in der Regel auf einen Bruchteil der Hauptsache zurückgegriffen werden können.

4907

Der Streitwert für das Verfahren nach § 1035 Abs. 3 ZPO auf Ernennung eines Schiedsrichters ist umstritten: – Nach einer Meinung ist der volle Hauptsachewert anzusetzen. Zwar handele es sich bei der Schiedsrichterbestellung nur um einen vorbereitenden Akt. Dieser bilde jedoch eine unerlässliche Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Schiedsgerichts im Ganzen. Dem Umstand, dass der Verfahrensaufwand für das Gericht wie für die Parteien im Allgemeinen geringer als in einem Hauptsacheverfahren sei, trügen die Gebührensätze des Kostenverzeichnisses (Nr. 1623 KV GKG) bzw. des Vergütungsverzeichnisses (Nr. 3327 VV RVG) bereits Rechnung.3 – Nach der Gegenansicht ist der Wert für das Ernennungsverfahren nicht mit dem Streitwert für das Schiedsgerichtsverfahren gleichzusetzen, sondern erheblich niedriger,4 wobei die Festlegung des Bruchteils im Einzelfall wiederum umstritten ist: Nach der Rechtsprechung des KG5 ist das Ernennungsverfahren in aller Regel nur mit 1/10 des Wertes des Hauptanspruchs anzusetzen, dessen Vorbereitung es dient. Das OLG Frankfurt6 hat den Wert des Verfahrens auf Bestellung des Vorsitzenden eines Schiedsgerichts dagegen auf 1/3 des Hauptsachewertes angesetzt.

4908

Der zweiten Meinung dürfte hier der Vorzug zu geben sein. Das Interesse der Parteien an einem funktionsfähigen Schiedsgericht ist sicher hoch einzustufen. Allerdings spricht gegen den Ansatz des vollen Hauptsachewertes, dass eine irgendwie geartete Sachentscheidung mit der Bestellung der Schiedsrichter noch nicht verbunden ist. Selbst wenn die Parteien völlig untätig bleiben, kommt das schiedsrichterliche Verfahren nicht zum Stillstand, da das Ernennungsrecht nach Ablauf der Frist automatisch auf das staatliche Gericht übergeht (§ 1062 ZPO). Nur ausnahmsweise mag für das Ernennungsverfahren der Hauptsachewert angesetzt werden, wenn zugleich aufgrund eines Widerantrages die Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens geprüft wird.

4909

1 OLG Frankfurt, JurBüro 1968, 915. 2 LG Hannover, NJW 1959, 945. 3 OLG München, Beschl. v. 26.4.2006 – 34 SchH 4/06, MDR 2006, 1308 MünchKomm.ZPO/Münch, § 1035 Rn. 32. 4 OLG Hamburg, NJW 1963, 660; OLG Düsseldorf, NJW 1954, 1492; OLG Frankfurt, JurBüro 1968, 915; a.A. 5 KG, Rpfleger 1962, 154. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.10.2003 – 1 SchH 1/03, OLGR 2004, 121.

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Schiedsrichterliches Verfahren 2. Durchführung des Verfahrens 4910

Der Streitwert für die Unterstützung bei der Beweisaufnahme (§ 1050 ZPO) ist nach dem Wert des Anspruchs zu bestimmen, auf den sich die Unterstützung bzw. die sonstige richterliche Handlung bezieht. In Betracht kommen hier die Vernehmung eines nicht freiwillig erscheinenden Zeugen oder Sachverständigen (notfalls mit Zwang), die Abnahme von Eiden und eidesstattlichen Versicherungen, die auswärtige Vernehmung im Wege der Rechtshilfe oder auch die Erzwingung der Vorlage einer Urkunde durch einen Dritten. Maßgeblich für das Interesse des Antragstellers an der jeweiligen Unterstützungshandlung ist u.a. der Einfluss, den diese Handlung auf den weiteren Verfahrensverlauf hat.

4911

Das Verfahren der Ablehnung von Schiedsrichtern (§ 1036 ZPO) ist hinsichtlich seiner Bewertung umstritten: – Nach einer Meinung1 bemisst sich der Streitwert des Ablehnungsverfahrens auch dann als nichtvermögensrechtliche Streitigkeit nach § 48 Abs. 2 GKG, wenn das eigentliche Schiedsverfahren wegen eines vermögensrechtlichen Anspruchs betrieben wird. – Die Gegenmeinung bewertet das Verfahren als vermögensrechtliche Streitigkeit und schätzt den Wert des Verfahrens gem. § 3 ZPO nach dem Wert der Hauptsache2 bzw. auf einen Bruchteil des Hauptsachewertes.3

4912

Gegen die erste Meinung spricht, dass die nichtvermögensrechtlichen Aspekte – das Ansehen der abgelehnten Schiedsrichter ist möglicherweise betroffen oder die Interessen des Prozessgegners – bloße Reflexwirkungen des Ablehnungsverfahrens sind, welches das Ziel hat, die Durchführung des (vermögensrechtlichen) Hauptverfahrens zu ermöglichen. Es ist daher der zweiten Ansicht zuzustimmen, wobei eine Bruchteilsbewertung den zu schätzenden Interessen der Partei eher entsprechen dürfte als der Ansatz des vollen Hauptsachewertes. Denn selbst wenn die Partei bei Mitwirkung eines befangenen Schiedsrichters einen für sie ungünstigen Verfahrensausgang fürchtet, hat das Ablehnungsverfahren (noch) keine zwingenden Auswirkungen auf das Ergebnis des späteren Hauptsacheverfahrens. Auch bei einem erfolglosen Ablehnungsantrag ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens für die Partei weiter ungewiss, da man von der fortbestehenden Unparteilichkeit des Schiedsrichters ausgehen kann. Insofern erscheint die Gleichsetzung mit dem vollen Wert des Hauptsacheverfahrens nicht sachgerecht.

1 OLG Köln, Beschl. v. 16.10.1986 – 12 W 54/86, Rpfleger 1987, 166, das sich dann für eine Wertfestsetzung „deutlich unter dem Wert des Hauptsacheverfahrens“ ausspricht; OLG Nürnberg, Beschl. v. 6.4.1983 – 8 W 2480/80, MDR 1983, 846; OLG Bamberg, Rpfleger 1982, 313; OLG Oldenburg, OLGR 1994, 341. 2 BGH, NJW 1968, 796; OLG Hamm, Beschl. v. 30.5.1977 – 1 W 80/76, MDR 1978, 582; OLG Frankfurt, JurBüro 1980, 279; OLG Düsseldorf, JurBüro 1982, 761; OLG Koblenz, Beschl. v. 1.12.1997 – 4 W 617/97, NJW-RR 1998, 1222; OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.1.2006 – 4 W 33/05, MDR 2006, 1079 (Ablehnung eines Richters). 3 OLG Celle, Beschl. v. 17.7.2008 – 4 W 99/08, AGS 2008, 620 (Ablehnung eines Richters): 1/3 der Hauptsache; OLG Hamburg, Beschl. v. 30.8.1989 – 11 W 75/89, MDR 1990, 58: 1/3 des Hauptsachewertes; OLG Koblenz, Beschl. v. 19.9.1988 – 14 W 508/ 88, VersR 1990, 66: 1/3 des Hauptsachewertes, bei einer Dreierbesetzung des Gerichts 10 % für jeden abgelehnten Richter.

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Schiedsrichterliches Verfahren 3. Schiedsvergleich Der Wert eines Vergleichs, der einen Rechtsstreit beendet und der lediglich vorsieht, dass an Stelle des staatlichen Gerichts ein Schiedsgericht entscheiden soll, entspricht nicht dem Wert der vor dem Schiedsgericht anhängig zu machenden Ansprüche. Maßgebend für den Wert des Vergleichs ist vielmehr das Interesse der Parteien daran, dass ein Schiedsgericht an Stelle des staatlichen Gerichts (schneller, billiger und ggf. sachverständiger) entscheidet.

4913

Der Wert des Vergleichs ist jedoch mindestens so hoch festzusetzen wie der Wert einer bei dem staatlichen Gericht anhängigen Teilklage, da er diesen Rechtsstreit endgültig erledigt.1

4914

4. Vollstreckbarerklärung Der Streitwert im Verfahren zur Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs (§ 1060 ZPO) ist regelmäßig mit dem Wert des Schiedsspruchs identisch,2 und zwar ohne Zinsen und Kosten,3 es sei denn, der Antragsteller hat seinen Antrag auf einen – und zwar den für ihn günstigen – Teil des Streitgegenstandes beschränkt.4 Dann ist der Streitwert nur in Höhe dieses Teilbetrages festzusetzen.

4915

Auch wenn der Kläger im Schiedsverfahren nur zum Teil durchgedrungen ist, kann im Allgemeinen der Streitwert nur in Höhe dieses Teilbetrages angenommen werden.5 Bei dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs oder auf Umschreibung seiner Vollstreckungsklausel ist nämlich im Zweifel davon auszugehen, dass er eine im Schiedsspruch enthaltene Klageabweisung nicht erfassen soll.6

4916

Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsvergleichs bemisst sich nicht nach dem Wert des Schiedsgerichtsverfahrens, sondern nach der Höhe der zu vollstreckenden Vergleichssumme.7

4917

5. Klauselerteilung Bei Klagen auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zu einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Schiedsspruch bleiben die Zinsen und die Kosten des Schiedsgerichtsverfahrens als Nebenforderung außer Ansatz.8

1 OLG Frankfurt, JurBüro 1968, 915. 2 OLG Hamburg, NJW 1958, 1046; OLG Frankfurt, NJW 1961, 735; OLG Düsseldorf, JurBüro 1975, 647 = Rpfleger 1975, 257. 3 Vgl. das Stichwort „Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils“ Rn. 5875. 4 OLG Frankfurt, NJW 1961, 735; OLG Düsseldorf, JurBüro 1975, 647 = Rpfleger 1975, 257. 5 OLG Hamburg, NJW 1958, 1046; OLG Düsseldorf, Rpfleger 1975, 257. 6 OLG Köln, JurBüro 1969, 558; KG, JW 1929, 143; OLG Düsseldorf, JurBüro 1975, 647 = Rpfleger 1975, 257; LG Bonn, NJW 1976, 1981. 7 OLG Frankfurt, JurBüro 1975, 228. 8 OLG Köln, JurBüro 1969, 558; RG, JW 1925, 2005; KG, JW 1936, 3330; LG Frankfurt, JurBüro 1952, 90; s. auch das Stichwort „Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils“ Rn. 5875; a.A. OLG Hamburg, Rpfleger 1956, 169 mit abl. Anm. Lappe.

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4918

Schlichtungsverfahren 6. Aufhebung eines Schiedsspruchs 4919

Wird der Antrag auf Aufhebung eines Schiedsspruchs gestellt (§ 1059 ZPO), so sind die Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens und die im Schiedsspruch zuerkannten Zinsen ebenfalls „Nebenforderungen“ und bleiben deshalb bei der Streitwertberechnung unberücksichtigt.1 Maßgebend ist also nur das Interesse des Klägers am Freiwerden von den ihm durch Schiedsspruch auferlegten Hauptleistungen. 7. Bestandsstreit

4920

Wird auf Feststellung des Bestehens eines Schiedsvertrages geklagt, dann ist das Interesse des Klägers daran maßgebend, dass das Schiedsgericht und nicht das ordentliche Gericht für zuständig erklärt wird. Der Wert des Anspruchs selbst ist nicht ausschlaggebend.2 Indessen wird die nach § 3 ZPO notwendige Schätzung den eigentlichen Streitgegenstand zum Anhalt nehmen müssen, weil anderenfalls jeder Maßstab fehlen würde.

4921

Im Verfahren über einen Antrag betreffend das Erlöschen eines Schiedsvertrages ist der Streitwert gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen. Maßgebend ist das Interesse des Antragstellers an dem von ihm in diesem Verfahren erstrebten Erfolg. Es ist nur mit einem Bruchteil des Wertes anzunehmen, der im schiedsrichterlichen Verfahren selbst als Streitwert anzusetzen wäre.3

Schiedsvertrag S. das Stichwort „Schiedsrichterliches Verfahren“.

Schlichtungsverfahren Literatur: N. Schneider, Zur Berechnung des Zulässigkeitsstreitwerts nach § 15a EGZPO, MietRB 2006, 55.

A. Überblick 4922

Im Güte- und Schlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO kommt es zum einen auf den Zulässigkeitsstreitwert an, also dem Wert, bis zu dem unter den übrigen Voraussetzungen des § 15a EGZPO i.V.m. dem jeweiligen Landesrecht die Zulässigkeit der Klage von der vorherigen Durchführung des Schlichtungsverfahrens abhängt. Zum anderen ist für die Anwaltsgebühren (Nr. 2301 Nr. 1 VV RVG) der Gebührenstreitwert zu ermitteln. Gerichtsgebühren fallen dagegen nicht an; für die Verfahren werden lediglich wertunabhängige Gebühren erhoben, die sich nach dem jeweiligen Landesrecht richten. 1 BGH, MDR 1957, 95; OLG Hamburg, 1958, 36. 2 OLG Hamburg, OLGE 15, 49. 3 KG, NJW 1967, 55.

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N. Schneider

Schlichtungsverfahren

B. Zulässigkeitsstreitwert Nach § 15a EGZPO i.V.m. den jeweiligen Landesgesetzen1 ist vor Durchführung eines Rechtsstreits ein Schlichtungsverfahren durchzuführen. Unterbleibt das Schlichtungsverfahren, so ist die Klage als unzulässig abzuweisen.2

4923

Neben einzelnen besonders aufgeführten Streitigkeiten, insbesondere Nachbarrechtsstreitigkeiten, ist das Schlichtungsverfahren nach einigen Landesgesetzen vorgeschrieben, wenn die Klage vor dem Amtsgericht erhoben werden soll und der Streitwert einen bestimmten Betrag nicht überschreitet. Die Streitwertgrenzen sind je nach Bundesland unterschiedlich:

4924

– – – – – – –

Baden-Württemberg Bayern Saarland Brandenburg Sachsen-Anhalt Hessen Schleswig-Holstein

750 Euro 750 Euro 600 Euro 750 Euro 600 Euro 750 Euro 750 Euro

Im Rahmen des § 15a EGZPO und der Landesgesetze kommt es nicht auf den Gebührenstreitwert des GKG an, sondern auf den Zuständigkeitsstreitwert der ZPO. Dies ergibt sich bereits aus der Systematik des Gesetzes, da das Schlichtungsverfahren in der Prozessordnung geregelt ist und hierfür gem. § 2 ZPO die §§ 3 ff. ZPO gelten.3

4925

Dies kann insbesondere in Mietsachen zu abweichenden Streitwertberechnungen führen.

4926

* Æ Beispiel: Der Vermieter hat eine Garage auf drei Jahre vermietet (monatliche Miete 50 Euro). Nach Ablauf des ersten Jahres kündigt der Vermieter wegen Zahlungsverzugs des Mieters und will auf Räumung klagen. Der Mieter bestreitet die Wirksamkeit der Kündigung, da er gegen die Miete aufgerechnet habe. Abzustellen ist auf die §§ 3 ff. ZPO, hier also auf § 8 ZPO. Der Streitwert bemisst sich nach dem Wert der auf die streitige Zeit entfallenden Miete, höchstens auf den 25-fachen Jahresbetrag. Ausgehend hiervon ergibt sich im Beispiel eine streitige Zeit i.S. des § 8 ZPO von zwei Jahren (vertragliche Restlaufzeit) und somit ein Zuständigkeitsstreitwert i.H.v. (24 6 50 Euro =) 1.200 Euro. Eines Schlichtungsverfahrens bedarf es also nicht. Unberührt hiervon bleibt allerdings die Festsetzung des Gegenstandswerts für die Anwalts- und Gerichtgebühren (s. Rn. 4927). Insoweit ist § 41 Abs. 2 GKG heranzuziehen. Der Gegenstandswert für die Gerichts- und Anwaltsgebühren beläuft sich auf lediglich 600 Euro.

1 S. zu den Landesgesetzen Zöller/Heßler, § 15a EGZPO Rn. 27. 2 BGH, Urt. v. 23.11.2004 – VI ZR 336/03, MDR 2005, 285 = FamRZ 2005, 264 = NJW 2005, 437. 3 Baumbach/Hartmann, § 15a EGZPO Rn. 6; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 15a EGZPO Rn. 3; Lützenkirchen, Anwaltshandbuch Mietrecht Rn. M 15; Stein/Jonas/Schlosser, § 15a EGZPO Rn. 6.

N. Schneider

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Schlussurteil

C. Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren 4927

Für die Anwaltsgebühren gilt § 23 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 1 RVG, der wiederum auf das GKG verweist. Nur soweit das GKG keine vorrangigen Regelungen enthält, sind nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG die Wertvorschriften der ZPO maßgebend. Es kann hier also zu Abweichungen zwischen Zulässigkeitsstreitwert und Gebührenstreitwert kommen.

Schlussurteil 4928

Maßgebend für den Rechtsmittelstreitwert ist der Streitgegenstand des Schlussurteils.1 Wird erstinstanzlich in der Sache selbst durch Teilurteil und über die Kosten durch Schlussurteil entschieden hat, dann ist als Streitwert für die gegen diese beiden Urteile eingelegten Berufungen nur der Wert der Berufung gegen die Sachentscheidung anzusetzen; eine besondere Wertberechnung für die auf den Kostenpunkt beschränkte Berufung gegen das Schlussurteil kommt nicht in Betracht (s. das Stichwort „Rechtsmittel“ Rn. 4771).

4929

Die streitwertmäßige Unselbständigkeit des Angriffs gegen das Schlussurteil wirkt sich allerdings erst ab Verbindung aus.

4930

Wird nach Erlass eines Teilanerkenntnisurteils gegen das Schlussurteil, das über den Restanspruch und über die gesamten Kosten des Rechtsstreits entscheidet, in vollem Umfang Berufung eingelegt, so ist nur der restliche Hauptanspruch streitwertbestimmend. Der auf das Anerkenntnis entfallende Teil der Kosten bleibt unberücksichtigt (s. das Stichwort „Rechtsmittel“ Rn. 4775 ff.).

4931

Dementsprechend werden auch die auf einen erledigten Hauptsacheteil entfallenden Kosten streitwertmäßig nicht berücksichtigt.2

4932

War eine Verfahrenstrennung in der Vorinstanz nicht willkürlich, kann die Beschwer aus einem Schlussurteil auch dann nicht mit der aus einem Teilurteil zusammengerechnet werden, wenn die getrennten Verfahren in der Rechtsmittelinstanz zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden werden.3

Schmerzensgeld S. das Stichwort „Unbezifferte Anträge“.

1 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Schlussurteil“. 2 Sehr str.; s. dazu das Stichwort „Erledigung der Hauptsache“ Rn. 2208 ff. 3 BGH, Urt. v. 20.7.1999 – X ZR 139/96, NJW 2000, 217 = BB 1999, 2532.

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Kurpat

Schufa-Eintragung

Schufa-Eintragung Der Begründung von Giro-, Kredit- und Mietverhältnissen geht regelmäßig eine Abfrage der bei der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung Holding AG (Schufa Holding AG) vorhandenen Informationen voraus. Mitteilung und Abfrage von kreditrelevanten Daten an die Schufa Holding AG setzt eine Einwilligung des Betroffenen, die insbesondere in der Vereinbarung einer sog. Schufa-Klausel liegen kann,1 oder ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse der Kreditwirtschaft voraus. Denn eine nicht von den Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) gedeckte Übermittlung (und Vorhaltung) personenbezogener Daten stellt eine Verletzung des als sonstiges Recht i.S. des § 823 Abs. 1 BGB geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Unrichtige, ohne Einwilligung (§§ 4 Abs. 1, 4a Abs. 1 BDSG) übermittelte oder gespeicherte Daten berechtigen den Betroffenen gem. §§ 12, 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB deren Berichtigung, Widerruf oder Beseitigung zu verlangen.2

4933

Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert bestimmen sich gem. §§ 3 ZPO, 48 Abs 1 GKG nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der Beseitigung der kredithinderlichen Eintragungen und an dem Ausmaß etwaiger durch sie drohender Nachteile für den Abschluss von Kredit- oder sonstigen Verträgen.3

4934

Dabei kann, soweit die Rechtsverfolgung nicht allein der Abwendung nachteiliger Vertragsgestaltungen (höherer Zins, Notwendigkeit einer Bürgschaft etc.) dient, auf die Grundsätze zur Bewertung eines auf Vertragsabschluss gerichteten Interesses zurückgegriffen werden. S. hierzu unter dem Stichwort „Vertragsabschluss“.

4935

Beziffert der Kläger selbst sein Interesse, ist diese – soweit für einen höhere Bewertung keine Anhaltspunkte bestehen – der Bewertung zugrunde zu legen.4 Fehlt es nach den Umständen des Einzelfalles an hinreichenden Anhaltspunkten, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig ein Streitwert von 10.000 Euro angesetzt.5

4936

Die Beschwer des zum Widerruf verurteilten Kreditinstituts bemisst sich nach dem damit verbundenen Kostenaufwand. In gleicher Weise ist die Beschwer zu bestimmen, wenn die Schufa Holding AG zur Richtigstellung oder Beseitigung kredithinderlicher Daten verurteilt worden ist.

4937

1 Vgl. zu deren Reichweite Kloepfer/Kutzschbach, Schufa und Datenschutzrecht, MMR 1998, 650 (652). 2 Vgl. BGH, NJW 1984, 436; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 84 mwN. 3 OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2007 – 3 W 69/06, NJ 2008, 83 (Ls). 4 Zutr. AG Hamm, Urt. v. 14.10.2008 – 16 C 127/08, RDV 2009, 124. 5 Vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2007 – 3 W 69/06, NJ 2008, 83 (Ls); ohne nähere Begründung OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.12.2006 – 10 U 69/06, MDR 2007, 836 = MMR 2007, 387 = ZMR 2007, 108; Urt. v. 11.5.2005 – 15 U 196/04, NMR 205, 538 = NJW 2005, 2401.

Kurpat

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Schwarzpreis

Schuldbefreiung S. das Stichwort „Befreiung von einer Verbindlichkeit“.

Schwarzpreis 4938

Der Streitwert einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines notariellen Grundstückskaufvertrages wegen Vereinbarung eines Schwarzpreises ist die Differenz zwischen dem angeblich vereinbarten und dem beurkundeten Kaufpreis.1 S. zu den Problemen solcher Sachverhalte das Stichwort „Nichtigkeit eines Vertrages“.

Selbständiges Beweisverfahren Literatur: Ulbrich, BauR 1994, 691; Wirth, BauR 1993, 281; Cuypers, MDR 2004, 245.

A. Einleitung 4939

Die Streitwertbemessung in Beweissicherungsverfahren alten Rechts (§§ 485 ff. ZPO a.F.) war höchst umstritten.2 Die Rechtslage hat sich durch Einführung des selbständigen Beweisverfahrens (§§ 485 ff. ZPO) dahin geändert, dass die Beweissicherung jetzt die Funktion einer vorweggenommenen Beweisaufnahme im späteren Hauptverfahren hat (vgl. § 493 Abs. 1 ZPO). Entsprechend diesem Verwertungsgebot sind zunächst durch § 48 BRAGO die Anwaltsgebühren auf die vollen Sätze des § 31 BRAGO angehoben worden.

4940

Nach der Reform des anwaltlichen Vergütungsrechts durch das RVG bildet das selbständige Beweisverfahren eine eigene gebührenrechtliche Angelegenheit, da es in § 19 RVG – im Gegensatz zu § 37 Nr. 3 BRAGO – nicht mehr aufgeführt ist. Der Anwalt kann daher in diesem Verfahren sämtliche Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses verdienen. Einer Anrechnung im nachfolgenden Streitverfahren unterliegt nur die Verfahrensgebühr (Vorbemerkung 3 Abs. 5 VV RVG).

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Meinungsstreit 4941

Aufgrund des Verwertungsgebotes in § 493 Abs. 1 ZPO spricht sich die herrschende Meinung dafür aus, dass für den nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzenden Wert des selbständigen Beweisverfahrens der Wert des 1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.2.1982 – 22 W 12/82, AnwBl. 1982, 247. 2 S. dazu die 9. Auflage 1991.

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N. Schneider

Selbständiges Beweisverfahren Hauptverfahrens maßgeblich ist. Dagegen wird von den Vertretern der Bruchteilsbewertung eingewandt, dass der Antrag im selbständigen Beweisverfahren gerade nicht auf Verurteilung zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme, sondern nur auf die Feststellung von Tatsachen und die Ermittlung von Grundlagen für einen möglichen künftigen Prozess gerichtet sei.1 Insofern dürfe ein solches Verfahren keinen höheren Wert haben als eine Feststellungsklage mit dem gleichen Ziel.2

* Æ Anmerkung:

4942

Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte differenzierte bis 2004 bei Art und Weise der Streitwertbestimmung sehr stark. So stellte das OLG Koblenz3 auf den Mittelwert des in der Antragsschrift genannten Kostenrahmens zur Mängelbeseitigung ab, das OLG Celle4 auf das Interesse an der alsbaldigen Beweisaufnahme. Das OLG Braunschweig5 nahm den Hauptsachewert nur, soweit sich die Gegenstände von Beweisund Hauptsacheverfahren deckten. Das OLG Frankfurt6 machte den Wert davon abhängig, ob das Beweisverfahren von vornherein geeignet erschien, die Angelegenheit abschließend zu erledigen. Kamen Wandlung und Minderung in Betracht und hing die Entscheidung hierüber vom Ausgang des Beweisverfahrens ab, stellte das OLG Köln7 auf den Mittelwert der denkbaren Ansprüche ab. In einer weiteren Entscheidung berücksichtigte das OLG Köln8 bei der Wertfestsetzung die Umstände des Einzelfalles.

II. Entscheidung des BGH In seiner Entscheidung vom 16.9.20049 hat sich der BGH in dem zwischen den Oberlandesgerichten bestehenden Streit, ob für das selbständige Beweisverfahren der volle Wert des Hauptverfahrens10 anzusetzen ist oder nur ein Bruchteil,11 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. OLG Bamberg, BauR 1993, 371 mit ablehnender Anm. Ulbrich und Luz. Vgl. insbesondere OLG Schleswig, SchlHA 2003, 257. OLG Koblenz, MDR 1993, 288. OLG Celle, MDR 1993, 914. OLG Braunschweig, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1197 mit ablehnender Anm. Herget. OLG Frankfurt, JurBüro 1994, 495. OLG Köln, OLGR 1994, 27. OLG Köln, OLGR 1994, 251 = VersR 1995, 360. BGH, Beschl. v. 16.9.2004 – III ZB 33/04, MDR 2005, 162. So OLG Köln, MDR 1992, 192; OLG Köln, JurBüro 1993, 552; OLG Köln, MDR 1994, 414; OLG Köln, JurBüro 1996, 31; OLG München, JurBüro 1992, 561; OLG München, MDR 1993, 287; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1992, 766; OLG Koblenz, MDR 1993, 287; OLG Frankfurt, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1213 mit Anm. Herget = OLGR 1995, 239; OLG Frankfurt, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1126 mit Anm. Herget = JurBüro 1993, 554; OLG Frankfurt, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1143 = OLGR 1993, 226; OLG Frankfurt, OLGR 1993, 348; OLG Stuttgart, BauR 1993, 120; OLG Celle, MDR 1993, 1019; OLG Celle, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1190 = OLGR 1994, 298; OLG Celle, OLGR 1994, 240; OLG Rostock, BauR 1993, 367 mit Anm. Wirth; OLG Oldenburg, OLGR 1994, 127; OLG Oldenburg, OLGR 1995, 64; OLG Düsseldorf, BauR 1995, 586; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.3.2004 – 21 W 17/04, BauR 2005, 142; OLG Nürnberg, BauR 1995, 134; OLG Jena, OLGR 1996, 12; OLG Braunschweig, Beschl. v. 26.11.2002 – 8 W 76/02, AGS 2003, 407; LG Bayreuth, JurBüro 1992, 763; LG Hamburg, MDR 1993, 288; LG Duisburg, MDR 1993, 288. Ähnlich OLG München, BauR 1994, 408 – Streitwert ist das Interesse an der sachkundigen Begutachtung. 11 OLG Karlsruhe, MDR 1992, 615; OLG Karlsruhe, MDR 1992, 812: OLG Köln, MDR 1992, 1190; OLG Frankfurt, OLGR 1993, 228; OLG Schleswig, SchlHA 1993, 26: OLG Schleswig, SchlHA 1993, 154: OLG Schleswig, MDR 1994, 949; OLG Schleswig, Beschl. v. 4.6.2002 – 16 W 50/02, AGS 2003, 515; BezG Frankfurt/O., MDR

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4943

Selbständiges Beweisverfahren der herrschenden Meinung (Wert des Hauptsacheverfahrens) angeschlossen. Es komme bei der Wertfestsetzung nicht darauf an, ob das selbständige Beweisverfahren als solches auf die Schaffung eines Titels ausgerichtet sei, sondern darauf, dass es bestimmt und geeignet sei, im Hauptsacheverfahren verwendet zu werden. Die Gleichstellung mit einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht müsse sich auch in der Wertfestsetzung widerspiegeln.

III. Bemessungsgrundsätze 4944

Dieser Entscheidung des BGH hat sich eine Vielzahl von Oberlandesgerichten angeschlossen.1 Der Wert des selbständigen Beweisverfahrens bestimmt sich daher nach dem Hauptsachewert bzw. dem Teil des Hauptsachewertes, auf den sich die Beweiserhebung bezieht. Bei der Berechung ist von Folgendem auszugehen: 1. Angaben des Antragstellers

4945

Der vom Antragsteller bei Einleitung des Verfahrens geschätzte Wert ist für die Wertfestsetzung nach§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG weder bindend noch maßgeblich. Vielmehr setzt das Gericht nach Einholung des Sachverständigengutachtens den zutreffenden Wert – bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und das Interesse des Antragstellers – fest.2 Dabei werden Unter- bzw. Überbewertungen durch den Antragsteller korrigiert.3 Das Gericht kann mit seiner Festsetzung auch über die Wertangaben des Antragstellers hinausgehen.4 2. Mängel nur teilweise bestätigt

4946

Soweit sich im selbständigen Beweisverfahren nicht alle behaupteten Mängel bestätigen, sind für die Wertfestsetzung diejenigen Kosten zu berücksichtigen, die sich ergeben hätten, wenn die Mängel festgestellt worden wären. Die fiktiven Mängelbeseitigungskosten sind nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.5 Insoweit ist – mangels anderer objektiver Anhaltspunkte – auf die Angaben des Antragstellers zurückzugreifen.6

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1993, 480; OLG Celle, MDR 1994, 415; OLG Düsseldorf, OLGR 1995, 127: OLG Hamm, BauR 1995, 430. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.1.2005 – 7 W 44/04, OLGR 2005, 216; OLG Schleswig, Beschl. v. 16.12.2004 – 16 W 85/04, OLGR 2005, 217 – Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung; OLG Stuttgart, Beschl. v. 29.11.2004 – 10 W 75/04, MDR 2005, 347. OLG Celle, Beschl. v. 5.3.2008 – 14 W 6/08, BauR 2008, 1188; insofern ist auch nicht schädlich, wenn (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 11.10.1999 – 5 W 676/99, AGS 2000, 94) der Antragsteller zu Beginn des selbständigen Beweisverfahrens nicht in der Lage ist, die voraussichtlichen Kosten zu schätzen. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.2.2004 – 21 W 17/04, BauR 2005, 142; OLG Bamberg, Beschl. v. 16.5.2002 – 8 W 18/02, BauR 2002, 1594. OLG München, Beschl. v. 10.6.2003 – 13 W 1577/03, BauR 2004, 707. OLG Hamm, Beschl. v. 10.3.2004 – 25 W 1/04, BauR 2005, 142; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.1.2005 – 7 W 44/04, OLGR 2005, 216; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.2.2009 – I-10 W 132/08, AGS 2009, 240; OLG Celle, Beschl. v. 5.3.2008 – 14 W 6/08, BauR 2008, 1188; LG Bonn, Beschl. v. 18.2.2008 – 6 T 396/07, AGS 2009, 82. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.1.2005 – 7 W 44/04, OLGR 2005, 216; OLG Hamburg, Beschl. v. 1.2.2000 – 9 W 2/00, NJW-RR 2000, 827; KG, Beschl. v. 9.1.2003 – 27 W

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Selbständiges Beweisverfahren

* Æ Anmerkung:

4947

Einen leicht abweichenden Ansatz vertrat in diesem Zusammenhang der 16. Senat des OLG Celle,1 wobei die betreffenden Entscheidungen noch aus der Zeit vor der BGH-Entscheidung vom 16.9.2004 stammen. Danach ist für die Bewertung grundsätzlich auf die Tatsachenbehauptung des Antragstellers bei Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens abzustellen. Die später vom Sachverständigen festgestellten objektivierbaren Kosten dienten lediglich der Korrektur von offensichtlichen Überoder Unterbewertungen des geschätzten Betrages.2 Entscheidend sei vielmehr der Wert der Hauptsache.

Im Ergebnis kommt diese Berechnungsmethode aber im Wesentlichen zu denselben Ergebnissen. Entscheidend ist nur – und darin stimmen beide Wege überein –, dass nach Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens der Wert nicht entsprechend dem „erfolgreichen“ Teil der Begutachtung festgesetzt werden darf, sondern zu berücksichtigen ist, inwieweit sich die Behauptungen des Antragstellers bestätigt haben.

4948

* Æ Beispiel: Will der Antragsteller Mängel an einem Fahrzeug feststellen lassen, welches er für 25.000 Euro gekauft hat und das aufgrund der Mängel zurückgegeben werden soll, dann ist der Streitwert auch dann auf 25.000 Euro festzusetzen, wenn der Sachverständige nur Mängel i.H.v. 10.000 Euro feststellt, denn das Hauptsacheverfahren wird sich auf Rückgabe richten. Will dagegen der Antragsteller eine Klage auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten vorbereiten und schätzt er – aus Sicht des Laien – den Aufwand zur Beseitigung der vorhandenen Mängel auf 15.000 Euro, dann ist der Streitwert auf 10.000 Euro festzusetzen, wenn das Gutachten unter Bejahung aller behaupteten Mängel einen Aufwand von nur 10.000 Euro für die Beseitigung dieser Mängel feststellt.

3. Bestimmte Form der Mängelbeseitigung Hat der Antragsteller in der Antragsschrift ausdrücklich klargestellt, dass er hinsichtlich der behaupteten Mängel, die im selbständigen Beweisverfahren überprüft werden sollen, eine bestimmte Form der Mängelbeseitigung anstrebt, dann sind deren Kosten für den Streitwert entscheidend. Dies gilt auch dann, wenn der Sachverständige in seinem Gutachten eine alternative (und preisgünstigere) Form der Mängelbeseitigung vorschlägt.3 Eine solche Fallgestaltung dürfte in der Praxis jedoch nur selten vorliegen, da es einem Antragsteller in der Regel um die Feststellung der Mängel und deren fachgerechte Beseitigung in einer vom Sachverständigen vorgeschlagenen Art und Weise geht.

4/02, BauR 2003, 1765; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.7.2003 – 21 W 35/03, NJW-RR 2003, 1530; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.12.2004 – 10 W 803/04, JurBüro 2005, 312; OLG Hamm, Beschl. v. 10.3.2004 – 25 W 1/04, BauR 2005, 142; OLG Naumburg, Beschl. v. 10.10.2007 – 12 W 92/07, BauR 2008, 873; OLG Celle, Beschl. v. 5.3.2008 – 14 W 6/08, OLGR 2008, 506 = BauR 2008, 1188. 1 Vgl. OLG Celle, Beschl. v. 10.6.2004 – 16 W 87/04, OLGR 2004, 411 m.w.N. aus der Senatsrechtsprechung und unter Bezugnahme auf OLG Dresden, OLGR 2002, 240; OLG Braunschweig, OLGR 2003, 115. 2 Vgl. OLG Celle, Beschl. v. 15.9.1998 – 16 W 70/98, OLGR 1999, 199. 3 OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.8.2008 – 10 W 43/08, MDR 2009, 234 = NZM 2008, 823.

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4949

Sequesterbestellung 4. Vergleich im selbständigen Beweisverfahren 4950

Der Wert des selbständigen Beweisverfahrens ist auch dann nach den vorstehenden Ausführungen zu bestimmen, wenn es nicht mehr zum Hauptverfahren kommt, beispielsweise weil im selbständigen Beweisverfahren gem. § 492 Abs. 3 ZPO ein Vergleich abgeschlossen wird.1 5. Einzelfälle

4951

Sind sämtliche Beteiligte des selbständigen Beweisverfahrens vorsteuerabzugsberechtigt, dann ist für den Gegenstandswert der Nettobetrag der Mängelbeseitigungskosten anzusetzen.2

4952

Im selbständigen Beweisverfahren ist Streitverkündung möglich.3 Den Wert einer Beschwerde, mit der die Zustellung einer Streitverkündungsschrift durchgesetzt werden sollte, hat das OLG München4 mit 3/4 des Wertes des Beweisverfahrens – und damit doch recht hoch – angesetzt.

4953

Dient ein gegen den Insolvenzverwalter geführtes selbständiges Beweisverfahren dazu, die Mängelbeseitigungskosten für die vor Insolvenz von der Gemeinschuldnerin verursachten Mängel festzustellen, bemisst sich der Gegenstandswert nach der voraussichtlichen Quote.5

Sequesterbestellung 4954

Der Streitwert der Klage auf Bestellung eines Sequesters zur Sicherung der Befriedigung aus den Einahmen eines Grundstücks richtet sich nach dem Wert der zu sichernden Forderung des Klägers.6

4955

Die Sequestrierung im Eilverfahren führt nur zu einer vorläufigen Regelung. Der Streitwert ist daher nur mit einem Bruchteil der Hauptsache anzusetzen, wobei in der Regel 1/3 des Hauptsachewerts genommen wird.7

Sicherheitsleistung im Prozess 4956

Im Hinblick auf die vor bzw. nach einem Prozess zu erbringende Sicherheitsleistung können verschiedene Verfahrenssituationen unterschieden werden, die im Hinblick auf den betreffenden Streitwert zu beurteilen sind.

1 Schneider, ZAP F. 13 S. 173; Schneider, ZAP F. 24, S. 189; MünchKomm. ZPO/Lappe, § 3 Rn. 147; Cuypers, NJW 1994, 1985, 1990. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.6.1996 – 22 W 21/96, NJW-RR 1996, 1469. 3 Zöller/Herget, § 487 Rn. 3 m.w.N. 4 OLG München, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1186 = OLGR 1994, 155. 5 OLG München, Beschl. v. 21.6.2004 – 28 W 1600/04, BauR 2004, 1819. 6 KG, Rpfleger 1962, 155. 7 Vgl. dazu das Stichwort „Einstweilige Verfügung“.

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Sicherheitsleistung im Prozess 1. Urteilsergänzung nach § 716 ZPO Im Regelfall wird zusammen mit der Hauptsache über die Frage der vorläufigen Vollstreckbarkeit der betreffenden Entscheidung und über die Höhe der Sicherheitsleistung entschieden. Ist dies unterblieben, kann die Ergänzung des Urteils im Verfahren nach § 321 ZPO beantragt werden (vgl. §§ 716, 321 ZPO). Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei und gehört für den Prozessbevollmächtigten gebührenrechtlich noch zum Rechtszug (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 RVG), sodass es einer Wertfestsetzung nicht bedarf.

4957

Wird der Anwalt im Rahmen einer Einzeltätigkeit (Nr. 3401 VV RVG) tätig, ist der Gegenstandswert nach § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen. Abzustellen ist auf die Gefahr des Forderungsausfalls, die dann droht, wenn ohne Sicherheitsleistung oder ohne Abwendungsbefugnis (§§ 711, 712 ZPO) vollstreckt werden kann. In der Regel wird der Wert nur einen Bruchteil der Hauptsache ausmachen.1 Der volle Hauptsachewert kann allerdings erreicht werden, wenn ohne Sicherheitsleistung wegen der Zahlungsunfähigkeit des Gegners die Gefahr besteht, dass der Gläubiger völlig leer ausgeht.2

4958

Hinsichtlich der Bewertungsgrundsätze für die Vorabentscheidung in der Berufungsinstanz nach § 718 Abs. 1 ZPO vgl. die Ausführungen zu dem Stichwort „Vorläufige Vollstreckbarkeit“.

4959

2. Beschwerde gegen die Art der Sicherheitsleistung Bei Beschwerden gegen die Art der Sicherheitsleistung3 ist das nach § 3 ZPO zu schätzende wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers maßgebend. Es besteht in der Zinsdifferenz zwischen Geldhinterlegung und anderer Sicherheitsform.4 Praktisch geht es fast immer um die wesentlich günstigeren Zinskonditionen (Avalkosten) bei Stellung einer Bankbürgschaft. Hier werden zumeist 5 % der Sicherheitsleistung als Wert festgesetzt.5

4960

3. Anordnung nach § 769 ZPO Die Beschlüsse nach § 769 ZPO über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, mit denen auch eine Sicherheitsleistung angeordnet bzw. eine entsprechende Anordnung abgelehnt werden kann, sind analog § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht anfechtbar. Seit Inkrafttreten des ZPO-Reformgesetzes am 1.1.2002 ist auch keine Ausnahmebeschwerde mehr statthaft,6 sodass sich die Streitwertfrage für das Beschwerdeverfahren7 erübrigt.

1 2 3 4 5

OLG Celle, NJW 1966, 2414. KG, JurBüro 1973, 1083. Soweit eine solche überhaupt möglich ist, s. dazu Zöller/Herget, § 108 ZPO Rn. 16. LG Berlin, Beschl. v. 10.10.1989 – 82 AR 332/89, MDR 1990, 349. OLG Hamburg, Beschl. v. 6.10.1989 – 4 W 75/89, MDR 1990, 252; OLG München, Beschl. v. 25.5.1981 – 25 W 1271/81, MDR 1981, 1029. 6 BGH, NJW 2004, 2224; BGH, NJW 2002, 1577. 7 Vgl. zur alten Rechtslage noch OLG München, Beschl. v. 25.5.1981 – 25 W 1271/81, MDR 1981, 1029.

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4961

Sicherung 4. Zwischenurteil 4962

Der Streitwert eines Zwischenurteils auf Anordnung einer Sicherheitsleistung für die Prozesskosten oder eines Rechtsmittels gegen ein solches Zwischenurteil richtet sich nach dem Streitwert der Klage.1 Gleiches gilt für die Revision gegen ein Urteil, das die von einem Ausländer erhobene Klage wegen Nichtleistung der Prozesskostensicherheit für zurückgenommen erklärt. Entscheidend ist nicht die Höhe der auferlegten Sicherheitsleistung, sondern der Streitwert der Hauptsache selbst.2

4963

Die Beschwer durch eine im Urteil angeordnete Sicherheitsleistung ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Wird gegen ein Zwischenurteil, das die Sicherheitsleistung für die Prozesskosten eines klagenden Ausländers innerhalb einer bestimmten Frist anordnet, Berufung eingelegt, dann bemisst sich die Beschwer nach der Höhe der angeordneten Sicherheitsleistung.3 Die Beschwer des Klägers, der sich dagegen wendet, dass der Beklagte nur Zug um Zug gegen Leistung einer Sicherheit verurteilt worden ist, bestimmt sich nach den für die Sicherheitsleistung zu erwartenden Finanzierungskosten4 und kann mit 1/5 der zu erbringenden Sicherheitsleistung angesetzt werden.

Sicherung 4964

Für die Bewertung von Streitigkeiten, bei denen es um die Sicherung eines Anspruchs geht, gibt es keine spezielle Gebührenvorschrift. Abzustellen ist darauf, welcher Anspruch (z.B. Zahlung, Herausgabe etc.) auf welche Weise (z.B. einstweilige Verfügung, Arrest, Bürgschaft etc.) gesichert werden soll.

4965

Die für den zu sichernden Anspruch maßgebende Bewertungsvorschrift – beispielsweise § 42 GKG oder §§ 3, 6 ZPO (i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) – ist zunächst anzuwenden. Das Sicherungsinteresse als solches wird dann nach § 3 ZPO geschätzt und zwar in der Regel mit einem Bruchteil des Wertes des zu sichernden Anspruchs. Ausnahmsweise kann der volle Wert erreicht werden, wenn dem Kläger oder Gläubiger ohne die verlangte Sicherheit der völlige Ausfall seines Rechts droht. Im Folgenden werden zur Verdeutlichung dieser Bewertungssituation einige Fälle aus der Rechtsprechung dargestellt. Altenteil

4966

Der Gebührenstreitwert für eine vertraglich vereinbarte Altenteilsforderung ist nach § 42 Abs. 1 GKG zu berechnen, sowie sie sich im Rahmen der gesetzlichen Unterhaltspflicht hält. Dieser Wert ist auch für die Sicherung maßgebend.5 1 OLG Hamburg, MDR 1974, 53; BGH, JurBüro 1962, 213; BGH, Beschl. v. 21.6.1990 – IX ZR 227/89, VersR 1991, 122. 2 BGH, Beschl. v. 21.6.1990 – IX ZR 227/89, VersR 1991, 122. 3 OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.3.1986 – 10 U 8/86, MDR 1986, 593. 4 BGH, Beschl. v. 16.12.1998 – XII ZB 105/97, MDR 1999, 295. 5 LG Braunschweig, Nds.Rpfl. 1959, 64.

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Sicherung Arrest/einstweilige Verfügung Der Wert eines Verfahrens auf Erlass eines Arrestes bzw. einer einstweiligen Verfügung ist nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO zu schätzen und beläuft sich im Regelfall auf einen Bruchteil des Wertes des Hauptsacheverfahrens.1

4967

Der Streitwert eines Arrestes, durch den Unterhaltsforderungen gesichert werden, darf nicht höher sein, als die in § 42 Abs. 1 GKG vorgeschriebene Bemessung, weil sonst der Streitwert über die Sicherstellung der Forderung höher sein könnte als der für die Forderung selbst.2 Insofern ist bei einem Arrestverfahren in Unterhaltssachen vom Jahresbetrag bzw. dem darunter liegenden Gesamtbetrag der Forderung auszugehen und von diesem der Bruchteil entsprechend dem Sicherungsinteresse des Antragstellers zu berechnen.3

4968

Bauhandwerkersicherungshypothek Wird im Rahmen einer Bauhandwerkersicherungshypothek die Eintragung einer Vormerkung verlangt, sind die wichtigsten Bemessungsfaktoren neben der Höhe der zu sichernden Forderung die Dringlichkeit des Sicherungsinteresses und die Rangwahrung einer Vormerkung. Als Bruchteil wird hier meist ein Wert von 1/4 bis 1/3 des Wertes der erstrebten Sicherungshypothek angesetzt.4

4969

Bürgschaft Wird der Bürge aus der Bürgschaft in Anspruch genommen, so ist der geforderte Betrag maßgebend (§ 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG).5 Das gilt auch dann, wenn es im Rechtsstreit um die Bestellung einer Bürgschaft oder um Freistellung von der Bürgschaftsverpflichtung geht. Zinsen und Kosten bleiben bei der Inanspruchnahme des Bürgen unberücksichtigt.6

4970

Eigentumsvorbehalt Für das Herausgabeverlangen einer unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Sache ist § 6 ZPO (i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) maßgebend.7 Es kommt auf den Verkehrswert der Sache an. Das gilt auch dann, wenn die Restkaufpreis1 Vgl. hinsichtlich der Einzelheiten die Stichworte „Arrest“ und „Einstweilige Verfügung“. 2 OLG Hamm, MDR 1955, 429; OLG Düsseldorf, FamRZ 1985, 1155; OLG Bamberg, Rpfleger 1983, 127; OLG Bamberg, JurBüro 1989, 1605; OLG Braunschweig, NJW-RR 1996, 256; OLG Karlsruhe, OLGR 1998, 386. 3 OLG Köln (FamRZ 2001, 432) und OLG Braunschweig (NJW-RR 1996, 256) bewerten das Arrestverfahren mit 50 % des Jahresbetrags. 4 OLG Bamberg, JurBüro 1975, 940; OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 719; OLG Bremen, Beschl. v. 22.12.1980 – 2 W 101/80, JurBüro 1982, 1052; OLG Celle, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 781; OLG Düsseldorf, JurBüro 1975, 649; LG Leipzig, JurBüro 1995, 26; vgl. auch OLG Saarbrücken, JurBüro 1987, 1218: 1/2 der Forderung inkl. Kostenpauschale. Hinsichtlich der Einzelheiten vgl. das Stichwort „Bauhandwerkersicherungshypothek“. 5 Vgl. hinsichtlich der Einzelheiten das Stichwort „Bürgschaft“. 6 BGH, MDR 1958, 765. 7 Vgl. hinsichtlich der Einzelheiten das Stichwort „Eigentumsvorbehalt“.

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4971

Sicherung forderung geringer ist,1 denn § 6 Satz 2 ZPO ist auf diesen Fall nicht anwendbar. Forderung 4972

Bei der Sicherstellung einer Forderung wird der Streitgegenstand durch den Betrag der Forderung bestimmt (§ 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG). Wird gleichzeitig auf Zahlung und auf Sicherstellung des geforderten Betrages geklagt, dann handelt es sich nicht um verschiedene Ansprüche, da der Kläger insgesamt nicht mehr erhalten kann als die Forderung. Eine Zusammenrechnung erfolgt deshalb nicht. Der Wert der zu sichernden Hauptforderung ist maßgebend.2 Herausgabe von Sachen

4973

Werden Sachen herausverlangt, die zur Sicherung einer Forderung übereignet sind, dann ist § 6 ZPO (i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) mit der Maßgabe anzuwenden, dass bei einer Differenz des Sachwertes und des Wertes der Forderung nur der geringere Wert anzusetzen ist.3 Rückübertragung

4974

Verlangt der Sicherungsgeber vom Sicherungsnehmer die Rückübertragung des Sicherungseigentums mit der Behauptung, dass die zu sichernde Forderung erfüllt sei, so richtet sich der Wert des Anspruchs nach dem Wert der streitigen Forderung, wenn dieser geringer ist als der Wert der Sache. § 6 ZPO (i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) ist auf diese Fälle entsprechend anzuwenden, da das Sicherungseigentum dem Pfandrecht näher steht als dem Volleigentum.4 Selbständiges Beweisverfahren

4975

Der Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens, mit dem eine bestimmte Beweissituation gesichert werden soll, wird gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach freiem Ermessen festgesetzt5 und entspricht im Regelfall dem Wert des Hauptsacheverfahrens.6 Veräußerungsverbot

4976

Lässt der Käufer, um seinen Erfüllungsanspruch zu sichern, dem Verkäufer verbieten, den gekauften Pkw anderweit zu veräußern, stellt das OLG Koblenz7 zutreffend auf den Wert des Wagens ab, den es im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf 1/3 reduziert. 1 2 3 4 5 6 7

OLG Frankfurt, JurBüro 1970, 172. OLG Nürnberg, JurBüro 1957, 74; OLG Köln, JW 1939, 707. BGH, NJW 1959, 939; OLG Hamburg, HRR 1930 Nr. 747. BGH, NJW 1959, 939; vgl. auch das Stichwort „Sicherungsübereignung“. KG, MDR 1957, 48. Vgl. hinsichtlich der Einzelheiten das Stichwort „Selbständiges Beweisverfahren“. OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 2 W 161/93, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1165 = JurBüro 1994, 738.

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SMS, unerwünschte

Sicherungsübereignung Literatur: Danschke, JurBüro 1953, 276.

Das Sicherungseigentum steht dem Pfandrecht näher als dem Volleigentum. Verlangt daher der Sicherungsgeber von dem Sicherungsnehmer die Rückübertragung des Sicherungseigentums, weil die zu sichernde Forderung erfüllt ist, so richtet sich der Wert dieses Anspruchs nach dem Wert der streitigen Forderung, wenn dieser geringer ist als der Wert der Sache (§ 6 ZPO analog).1

4977

Siedlungsverhältnis Klagt der Siedlungsträger nach Kündigung des Nutzungsverhältnisses gegen den Siedler auf Räumung des Siedlungsgrundstücks, dann bemisst sich der Streitwert nach § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.).2

4978

S. auch das Stichwort „Herausgabe“ Rn. 3014 ff.

SMS, unerwünschte Die Bewertung von Streitigkeiten, die sich mit Unterlassungsansprüchen bzgl. unerwünschter Kurznachrichten auf dem Mobiltelefon (SMS) beschäftigen, hängt vom Inhalt der übermittelten Nachricht ab.

A. Werbung Soweit es sich beim Inhalt der SMS um Werbung oder um eine in sonstiger Weise gewerblich bzw. geschäftlich geprägte Mitteilung handelt, ist der Unterlassungsanspruch des Empfängers vermögensrechtlicher Natur, denn hier erfolgt das Verfahren allein bzw. maßgeblich auch aus wirtschaftlichen Gründen. Sein Wert ist dann nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen. Hinsichtlich der Einzelheiten kann auf das Stichwort „Werbung, unverlangte“ verwiesen werden.

4979

B. Private Mitteilungen Soweit der Empfänger der SMS dagegen durch private Mitteilungen beleidigt, belästigt oder in sonstiger Weise in seiner Privatsphäre gestört wird, handelt es sich – vergleichbar mit einem belästigenden Telefonanruf3 – um einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch, dessen Gebührenstreitwert nach § 48 1 BGH, NJW 1959, 939; OLG Celle, NJW 1957, 593; OLG Düsseldorf, MDR 1955, 622; OLG Hamm, JurBüro 1956, 231; OLG München, NJW 1953, 1870; OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 228; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.9.1994 – 15 W 2006/94, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 143 = OLGR 1994, 27; LG Stuttgart, MDR 1977, 676. 2 OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 627. 3 Vgl. BGH, VersR 1985, 185.

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4980

Sparkassenbuch Abs. 2 GKG zu bestimmen ist. In solchen Fällen geht es nämlich um Rechtsbeziehungen, die den sozialen Geltungsanspruch des Klägers in der Öffentlichkeit vor drohenden Beeinträchtigungen schützen sollen.1 4981

Der Wert des Streitgegenstandes ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien zu bestimmen. Jedoch darf der Wert nicht über 1.000.000 Euro angenommen werden. Der Zuständigkeitsstreitwert solcher Verfahren ist unter Beachtung der Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG nach § 3 ZPO zu schätzen.

4982

Man wird in Anlehnung an § 23 Abs. 3 RVG von einem Regelstreitwert von 4.000 Euro für das Hauptsacheverfahren und 1.000 Euro bis 2.000 Euro für das einstweilige Verfügungsverfahren ausgehen können.2 Sodann ist anhand der Einzelheiten des jeweiligen Falles zu entscheiden, ob der Streitwert von diesem Ausgangspunkt nach oben oder nach unten abweicht. Hinsichtlich der Einzelheiten der Wertbestimmung kann auf das Stichwort „Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit“ sowie auf das Stichwort „Belästigung“ verwiesen werden.

Sparkassenbuch 4983

Wird auf Herausgabe eines Sparkassenbuchs geklagt, bestimmen sich Zuständigkeit- und Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) und nicht nach § 6 ZPO. Da es sich bei dem Sparkassenbuch um eine qualifiziertes Legitimationspapier (§ 808 BGB) handelt, folgt das Recht am Papier dem Recht aus dem Papier. Die Inhaberschaft des Buches erleichtert nur die Geltendmachung der darin aufgeführten Forderung. Wertbestimmend ist daher nicht der Wert des Papiers oder der darin verbrieften Spareinlage, sondern das Interesse des Klägers an dessen Herausgabe. In der Regel wird daher ein Bruchteil der darin bescheinigten Forderung anzusetzen sein.3

4984

Auf den vollen Betrag der Einlageforderung ist jedoch abzustellen, wenn die Gefahr besteht, dass der Beklagte das Sparguthaben abhebt,4 der Kläger mit der Herausgabeklage zugleich eine Klärung des Streits über das Recht an der Spareinlage herbeiführen will oder durch das gleichzeitige Verlangen nach Herausgabe der zum Sparkonto gehörenden Sicherungskarte die Verfügungsgewalt beansprucht.5

4985

Ist die Klage auf Feststellung gerichtet, der Kläger sei Berechtigter hinsichtlich des Guthabens, dann bemisst sich der Streitwert nach dem vollen Einlagebe1 Vgl. BGH, Urt. v. 17.10.1995 – VI ZR 352/94, NJW 1996, 999 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 3.4.1984 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43. 2 Vgl. Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Belästigung“. 3 OLG Bremen, Rpfleger 1985, 77; OLG Frankfurt, JurBüro 1975, 373; LG Würzburg, JurBüro 1990, 108; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Sparkassenbuch“ Rn. 1; a.A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.7.1993 – 11 W 29/93, OLGR 1993, 266; OLG München, JurBüro 1974, 1169 – Betrag der eingetragenen Forderung. 4 KG, JurBüro 1970, 202 = Rpfleger 1970, 96; OLG München, JurBüro 1974, 1169. 5 KG, JurBüro 1970, 202 = Rpfleger 1970, 96.

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Kurpat

Spesen trag abzüglich des für positive Feststellungsklage üblichen prozentualen Abschlages. Verbindet der Kläger jedoch den Feststellungsanspruch mit dem Antrag auf Herausgabe des Sparkassenbuches, liegen zwei selbständig zu bewertende Streitgegenstände vor. Höherwertig ist der umfassende Feststellungsanspruch, da der Herausgabeantrag nur das Ziel hat, die Geltendmachung der Forderung gegenüber der Bank zu erleichtern.1 In einem solchen Fall ist der Streitwert ebenfalls gleich dem vollen Guthaben anzusetzen, wegen der Feststellung also kein Abschlag zu machen, da Herausgabe und Feststellung zusammen die endgültige Durchsetzung des Rechts des Klägers gewährleisten (s. auch das Stichwort „Herausgabe“ Rn. 3057 ff.).

4986

Klagt der Kläger auf Verpfändung und Herausgabe eines Sparkassenbuches, etwa weil zwischen den Parteien die Hingabe eines Kautionssparbuches vereinbart worden ist, bemisst sich der Streitwert gem. § 6 ZPO nach dem Wert der gesicherten Forderung oder nach dem geringeren Wert des Gegenstands des Pfandrechts, mithin nach dem Einlagebetrag einschließlich darin bereits enthaltener Zinsen, d.h. dem jeweiligen Kontostand. Dies gilt auch, wenn der Kläger die Freistellung von der Verpfändung eines Sparbuches verlangt.2

4987

Wird schließlich (noch) nach altem Recht gem. §§ 946 ff., 1003 ff. ZPO bzw. seit dem 1.9.2009 nach neuem Recht gem. §§ 466 bis 484 FamFG das Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Kraftloserklärung des Sparkassenbuches betrieben, berechnet sich der Verfahrenswert angesichts der bloßen Legitimationsfunktion des Papiers in der Regel nach 10–20 % des Guthabenbetrages.3

4988

Spesen Der Begriff „Spesen“ bedeutet soviel wie Ausgaben oder Aufwand, insbesondere die Auslagen oder Kosten, die anlässlich der Durchführung eines Geschäfts erwachsen, beispielsweise Reisekosten oder Übernachtungskosten, Taxifahrten und dergleichen. Solche Auslagen oder Kosten können zusätzlich erwachsen oder bereits mit der Gegenleistung, vornehmlich dem Arbeitsentgelt, abgegolten sein. So liegt es vielfach beim Handelsvertreter oder Handlungsgehilfen, bei dem Teile der Vergütung als „Spesen“ ausgewiesen werden.

4989

Im Streitwertrecht sind geltend gemachte Spesen werterhöhend zu berücksichtigen, es sei denn, dass es sich dabei in Wirklichkeit um Kosten oder anderweitige Nebenforderungen i.S. der § 43 Abs. 1 GKG, § 4 ZPO handelt. Dazu rechnen außer den Prozesskosten auch alle außergerichtlichen Kosten, die zur Durchsetzung des Anspruchs aufgewandt worden sind.4

4990

1 OLG Frankfurt, JurBüro 1975, 373. 2 BGH, Urt. v. 15.11.1994 – XI ZR 174/94, MDR 1995, 196 mit zust. Anm. Röttger, EwiR 1995, 307. 3 BGH, Beschl. 3.3.2004 – IV ZB 38/03, MDR 2004, 640; OLG Rostock, Beschl. v. 5.8.2009 – 3 W 44/09, OLGR 2009, 969; LG Berlin, Rpfleger 1988, 548 – Grundschuldbrief; LG Hildesheim, NJW 1964, 1232 = Rpfleger 1965, 241; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Sparkassenbuch“ Rn. 2; Wagner, JR 1952, 234. 4 S. dazu Stein/Jonas/Roth, § 4 ZPO Rn. 23 mit Beispielen, Zöller/Herget, § 4 ZPO Rn. 12.

N. Schneider

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Sprungrevision 4991

In diesem Fall bleiben die Spesen = Kosten bei der Streitwertberechnung außer Betracht, wenn sie als Nebenforderung geltend gemacht werden (§ 43 Abs. 1 GKG, § 4 Abs. 1 ZPO). Das muss im Einzelfall anhand des jeweils einschlägigen Sachverhalts geklärt werden.

4992

Der Streitwert eines Rechtsstreits zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen geht auch dann nicht über den vereinbarten Höchstbetrag der Bürgschaft hinaus, wenn Gegenstand des Rechtsstreits auch die Zinsen, Provisionen und Spesen der Bürgschaftssumme sind, für die sich der Bürge zusätzlich verbürgt hat.1

4993

Werden neben Geldbezügen auch Spesen zusätzlich erstattet, handelt es sich dagegen um Leistungen mit Entgeltcharakter; sie erhöhen damit den Streitwert, auch wenn sie zusammen mit den Geldbezügen geltend gemacht werden.

Sprungrevision A. Überblick 4994

Von Bedeutung ist hier nur der Gebührenstreitwert. Auf einen Zuständigkeits- oder Rechtsmittelstreitwert kommt es nicht an.

B. Sprungrevision 4995

Wird die zugelassene Sprungrevision durchgeführt, so berechnen sich die Werte wie in einem gewöhnlichen Revisonsverfahren. S. „Rechtsmittel“ Rn. 4642 ff.

C. Zustimmungserklärung des Gegners 4996

Das Einholen und die Erklärung der Zustimmung des Gegners zur Sprungrevision (§ 566 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) lösen keine Gerichtsgebühren aus. Diese Tätigkeiten können allerdings Anwaltsgebühren auslösen. Für den in der Vorinstanz tätigen Anwalt zählen das Einholen und Abgeben der Zustimmungserklärung noch zum Rechtszug (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 RVG). Soweit jedoch ein anderer Anwalt damit beauftragt wird, liegt eine Einzeltätigkeit nach Nr. 3403 VV RVG vor, die eine gesonderte Gebühr auslöst. Der Wert der anwaltlichen Tätigkeit dürfte in diesem Fall nach § 23 Abs. 1 Satz 3, 2 RVG i.V.m. den Wertvorschriften zu bemessen sein, die für das beabsichtigte Revisionsverfahren gelten.

D. Zulassungsverfahren nach § 566 Abs. 2 ZPO 4997

Das Zulassungsverfahren nach § 566 Abs. 2 ZPO löst eine Wert abhängige Gerichtsgebühr aus, soweit der Antrag abgelehnt wird (Nr. 1240 KV GKG) oder soweit der Antrag zurückgenommen wird oder sich anderweitig erledigt 1 BGH, WPM 1956, 889.

1054

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N. Schneider

Sprungrevision, Zulassung der (Nr. 1241 KV GKG). In diesen Fällen ist eine gesonderte Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG erforderlich. Wird die Revision zugelassen, fallen für das Zulassungsverfahren keine gesonderten Gebühren an, sondern nur im Revisionsverfahren. Daher ist in diesem Fall eine gesonderte Wertfestsetzung nicht vorzunehmen. Der Wert richtet sich in diesem Fall nach § 47 Abs. 3 GKG. Maßgebend ist der für das Revisionsverfahren geltende Wert.

4998

Sprungrevision, Zulassung der I. Gerichtsgebühren 1. Erforderlichkeit einer Festsetzung Im Verfahren auf Zulassung der Sprungrevision (§ 566 ZPO) werden nach Nrn. 1240, 1241 GKG-KostVerz. wertabhängige Gerichtsgebühren erhoben, wenn der Antrag auf Zulassung der Sprungrevision – zurückgewiesen wird (Nrn. 1240 KV GKG), – zurückgenommen wird (Nrn. 1241 KV GKG) oder – sich anderweitig erledigt (Nrn. 1241 KV GKG).

4999

Das Gericht muss daher in diesen Fällen nach § 63 Abs. 2 GKG einen Streitwert festsetzen. Gibt das Gericht dem Zulassungsantrag statt, fallen für das Zulassungsverfahren keine Gerichtsgebühren an. Der Antrag auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde gilt dann als Einlegung der Revision (§ 566 Abs. 7 ZPO), sodass damit die Gebühren des Revisionsverfahrens entstehen (Nrn. 1230 ff. KV GKG). Eine gesonderte Wertfestsetzung für das Zulassungsverfahren hat dann zu unterbleiben.

5000

Weist das Gericht dem Zulassungsantrag nur teilweise zurück, wird der Antrag nur teilweise zurückgenommen oder erledigt sich der Zulassungsantrag nur teilweise und wird dem Zulassungsantrag im Übrigen stattgegeben, dann ist nur der Teilwert der Zurückweisung, Rücknahme oder Erledigung, nach § 63 Abs. 2 GKG mit Abschluss des Zulassungsverfahrens festzusetzen, damit daraus die Gerichtsgebühren der Nrn. 1240, 1241 KV GKG erhoben werden können.

5001

2. Bewertung Das Verfahren auf Zulassung der Sprungrevision ist kein Rechtsmittelverfahren. Die Zulassung soll erst die Voraussetzungen für die Zulässigkeit dieses Rechtsmittels schaffen. Daher greifen die Vorschriften des § 47 Abs. 1 und 2 GKG hier nicht unmittelbar. Es ist folglich eine gesonderte Regelung erforderlich, die in § 47 Abs. 3 GKG enthalten ist. Es wird insoweit auf die entsprechende Anwendung des § 47 Abs. 1 und 2 GKG verwiesen.

5002

Maßgebend ist also der Wert der Revision, deren Zulassung beantragt wird. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Revision in den Rn. 4642 ff. verwiesen werden.

5003

N. Schneider

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Stalking

II. Anwaltsgebühren 5004

Die Vorschrift des § 47 Abs. 3 GKG gilt auch für die Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG). Der Anwalt ist an die Wertfestsetzung des Gerichts nach § 32 Abs. 1 RVG gebunden.

5005

Wird der Anwalt nur im Zulassungsverfahren tätig, nicht aber auch im nachfolgenden Revisionsverfahren, so gilt für ihn gem. § 32 Abs. 1 RVG der Wert des Revisionsverfahrens, soweit die Gegenstände des Zulassungsverfahrens und des Revisionsverfahrens identisch sind. Weichen die Gegenstände voneinander ab, etwa infolge einer Anschlussrevision, einer Erweiterung oder einer Teilerledigung oder Teilrücknahme des Zulassungsantrags, muss für seine Gebühren auf Antrag eine gesonderte Festsetzung des Gegenstandswertes nach § 33 RVG erfolgen.

Stalking 5006

Unter Stalking (deutsch: Nachstellung) versteht man das willentliche und wiederholte (beharrliche) Verfolgen oder Belästigen einer Person, deren physische oder psychische Unversehrtheit dadurch unmittelbar, mittelbar oder langfristig bedroht und geschädigt werden kann. Hinsichtlich der Bewertung von Ansprüchen, die aus einem Stalking resultieren, kann auf die Ausführungen unter dem Stichwort „Belästigung“ verwiesen werden.

Standgeld 5007

Der Streitwert des Anspruches eines Grundstückseigentümers auf Feststellung, dass ein Kfz-Besitzer für jeden Tag der unbefugten Benutzung des Grundstücks ein Standgeld zu entrichten habe, ist nicht nach § 9 ZPO, sondern nach § 3 ZPO zu bemessen.1

5008

Soweit fällige Beträge gefordert werden, ist dieser Betrag maßgebend.

5009

Soweit zukünftige Leistung gefordert wird, ist der nach dem Vortrag des Anspruchsstellers zu besorgende Zeitraum der weiteren unbefugten Nutzung nach § 3 ZPO zu schätzen und zugrunde zu legen.

5010

Rückstände und zukünftige Beträge sind zu addieren (§ 5 ZPO, § 39 Abs. 1 GKG, § 22 RVG). Zur Schadensposition „Standgeld“ im Rahmen einer Verkehrsunfallschadenregulierung s. das Stichwort „Verkehrsunfallschadenregulierung“.

1 OLG Nürnberg, JurBüro 1965, 920.

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Onderka

Streitgenossen

Sterilisation Der Anspruch der Eltern auf Ersatz ihrer Unterhaltsaufwendungen, die auf eine fehlgeschlagene Sterilisation zurückzuführen sind, ist vom BGH noch nach § 9 a.F. ZPO bewertet worden.1

5011

Die analoge Anwendung des § 42 Abs. 1 GKG (§ 17 Abs. 1 GKG a.F.) wäre sachgerechter gewesen, da die Berechnung nach § 9 ZPO zu wirtschaftlich untragbar hohen Streitwerten führte. Das Problem hat an Bedeutung verloren, seit der Höchstbetrag in § 9 ZPO auf den 3 1/2-fachen Jahresbetrag reduziert ist.

5012

Seine Rechtsauffassung ausdrücklich bestätigt hat der BGH in einer späteren Entscheidung.2 Dort hat er nochmals klargestellt, dass § 42 GKG (§ 17 Abs. 1 GKG a.F), wonach bei Ansprüchen auf Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht grundsätzlich auf den 5-fachen Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen abzustellen ist, auf eine Klage gegen Dritte, mit der Schadenersatz wegen schuldhafter Verursachung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht wird, keine Anwendung findet. Vielmehr richte sich der Streitwert nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F) i.V.m. § 3 ZPO. Innerhalb dieser Ermessensausübung sei dann auf § 9 ZPO zurückzugreifen.

5013

Streitgenossen A. Einleitung Von einer Streitgenossenschaft ist auszugehen, wenn die Prozesse mehrerer Kläger gegen einen oder gegen mehrere Beklagte äußerlich miteinander verbunden sind, sog. subjektive Klagehäufung. Sie entsteht u.a. im Falle der Klage von oder gegen mehrere Parteien, der (auch) gegen einen Dritten gerichteten Widerklage, der subjektiven Klageerweiterung und durch Verbindung bislang selbständiger Prozesse.3 Die prozessualen Auswirkungen der Streitgenossenschaft regeln die §§ 61 bis 63 ZPO. Ihre streitwertrechtliche Behandlung folgt den allgemeinen Regeln unter der Maßgabe, dass die Selbständigkeit der Prozessrechtsverhältnisse zu beachten ist.

5014

B. Zuständigkeitsstreitwert Werden in einer Klage mehrere prozessuale Ansprüche geltend gemacht, sind deren Einzelwerte gem. § 5 Halbs. 1 ZPO zu addieren. Daher bedürfen die der subjektiven Klagehäufung zugrunde liegenden einzelnen prozessualer Ansprüche einer eigenständigen Bewertung. Ob die Einzelwerte im Anschluss für den Zuständigkeitsstreitwert zusammenzurechnen sind, hängt davon ab, ob es sich um rechtlich und wirtschaftlich selbständige Ansprüche handelt, und 1 BGH, Beschl. v. 20.1.1981 – VI ZR 202/79, MDR 1981, 746 = NJW 1981, 1318 = WPM 1994, 182 = FamRZ 1981, 536. 2 BGH, Beschl. v. 30.9.1993 – IX ZR 247/92, WM 1994, 182. 3 BGH, ZIP 2008, 1197; Zöller/Vollkommer, § 60 ZPO Rn. 2 ff.

Kurpat

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1057

5015

Streitgenossen zwar unabhängig von der Art des Verfahrens.1 Unerheblich ist insoweit auch, ob im Streitgenossenprozess vermögensrechtliche oder nichtvermögensrechtliche Ansprüche verfolgt werden. 5016

Ausgehend vom streitwertrechtlichen Grundsatz, wonach – wirtschaftlich betrachtet – ein und derselbe Gegenstand nicht mehrfach bewertet werden darf, scheidet eine Zusammenrechnung von prozessualen Ansprüchen mit wirtschaftlich identischen Gegenständen bei der Ermittlung des Zuständigkeits-, und Gebührenstreitwerts sowie der Beschwer zu unterbleiben, arg. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG.2 Maßgebend ist in diesem Fall allein der höhere Wert.3 Hierbei entspricht der Gegenstandsbegriff nicht dem (zweigliedrigen) Streitgegenstand des Prozessrechts.4

5017

Entscheidend für die Streitwertberechnung ist vielmehr das im jeweiligen Klagebegehren zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Interesse. Ist dieses bei verschiedenen prozessualen Ansprüche – wirtschaftlich betrachtet – auf denselben Gegenstand gerichtet und stellt sich damit als wirtschaftliche Einheit dar, scheidet bei der subjektiven Klagenhäufung eine Zusammenrechnung aus.5

5018

So liegt es beispielsweise, wenn die Klage von Gesamtgläubigern (§ 428 BGB) oder gegen Gesamtschuldner (§ 421 BGB) erhoben wird. Es handelt sich – wirtschaftlich betrachtet – nur um einen einzigen Anspruch, der mehreren zugleich zusteht oder von mehreren zugleich zu erfüllen ist.6

5019

Stehen demgegenüber auf der Klägerseite Streitgenossen mit je selbständigen Anträgen gegen einen Beklagten oder stehen auf der Beklagtenseite Streitgenossen, die von einem Kläger wegen je selbständiger Ansprüche verklagt werden, dann sind die Einzelstreitwerte für den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nach § 5 Halbs. 1 ZPO, § 39 Abs. 1 GKG zu addieren.7 Eine etwaig unterschiedliche Beteiligung ist bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen (§§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 2 ZPO).

5020

Zu den möglichen Fallgestaltungen und Bewertungsproblemen bei der subjektiven Klagehäufung s. unter den Stichwörter „Mehrere Ansprüche“ und „Gesamtschuldner“.

1 Zöller/Herget, § 5 ZPO Rn. 3. 2 § 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F. 3 BGH, Beschl. v. 19.10.2000 – I ZR 176/00, MDR 2001, 648 = NJW 2001, 230; Beschl. v. 23.6.1983 – IVa ZR 136/82, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 53. 4 BGH, Beschl. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506; BGH, Urt. v. 28.9.1994 – XII ZR 50/94, MDR 1995, 198 = NJW 1994, 3292; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Echter Hilfsantrag“ Rn. 7; Lappe, Anm. zu OLG Karlsruhe, KostRsp. § 19 GKG Nr. 139. 5 OLG Hamburg, MDR 1965, 394; OLG Koblenz, Beschl. v. 8.12.1986 – 3 W 139+140/ 86, KostRsp. § 5 Nr. 67 = JurBüro 1987, 596; OLG Zweibrücken, NJW 1982, 2800; Zöller/Herget, § 5 ZPO Rn. 8. 6 BGH, Beschl. v. 29.1.1987 – V ZR 136/86, MDR 1987, 570 = Rpfleger 1987, 205 = NJW-RR 1987, 1148 = JZ 1987, 631; RGZ 116, 309; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2009 – 14 W 53/08, VersR 2009, 948 = JurBüro 2009, 430 (Ls); OLG Koblenz, Beschl. v. 22.10.1984 – 14 W 619/84, JurBüro 1985, 590 = AnwBl. 1985, 203 – neg. Feststellungsklage gegen zwei Streitgenossen; OLG Nürnberg, Rpfleger 1956, 298. 7 BGH, Beschl. v. 23.6.1983 – IVa ZR 136/82, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 53 mit Anm. E. Schneider; AnwBl. 1976, 339; Zöller/Herget, § 5 ZPO Rn. 3.

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Kurpat

Streitgenossen

C. Gebührenstreitwert Nach der Neufassung des § 39 Abs. 1 GKG wird nunmehr ausdrücklich bestimmt, dass mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet werden, soweit sich im GKG keine abweichende Sonderregelung findet. Eine Änderung der bisherigen Rechtslage ist damit nicht verbunden, da die Regelung inhaltlich dem Verweis des § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. auf § 5 ZPO entspricht. Der Gebührenstreitwert folgt daher dem Zuständigkeitsstreitwert, sodass auf die dortigen Ausführungen Bezug genommen werden kann.

5021

Zu beachten bleibt jedoch, dass bei einer subjektiven Klagehäufung mit rechtlich und wirtschaftlich nicht identischen Gegenstände eine nach Prozessrechtsverhältnissen differenzierende Streitwertfestsetzung erfolgen muss. Nur so kann berücksichtigt werden, dass die Parteien auf Kläger- und Beklagtenseite in unterschiedlichem Umfang an den angefallenen Kosten des Rechtsstreits beteiligt sind. Neben den Einzelwerten ist daher der für die Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der an allen Prozessrechtverhältnissen beteiligten Partei maßgebliche Gesamtstreitwert festzusetzen. Gleiches gilt, wenn die Streitgenossen trotz wirtschaftlicher Identität in unterschiedlichem Umfang in Anspruch genommen werden.1

5022

S. im Einzelnen unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche“.

D. Beschwer Die aus der gerichtlichen Entscheidung erwachsene Beschwer ist gem. § 5 Halbs. 1 ZPO für jede Partei nach dem Umfang ihres Unterliegens bezogen auf die einzelnen prozessualen Ansprüche zu bestimmen und ggf. zusammen zu rechnen.

5023

Erfolgt die Rechtsmitteleinlegung nur durch einen Streitgenossen, dann ist – nach zutreffender Ansicht – allein seine Beschwer maßgebend und diese daher für jeden Klageantrag einzeln zu bestimmen.2

5024

Legen mehrere Streitgenossen gegen das für sie nachteilige Urteil Rechtsmittel ein, so sind für den Wert des Beschwerdegegenstandes die auf die einzelnen Streitgenossen entfallenden Beschwerdewerte zusammenzurechnen, soweit nicht ein Fall wirtschaftlicher Identität vorliegt.3 Beschränkt sich hingegen die Beschwer eines Streitgenossen auf die Verurteilung zur Zahlung eines anteilsmäßig bestimmten Teils der Kosten, dann bleibt dieser Teil bei der Berechnung außer Ansatz, wenn eine Überprüfung der Kostenentscheidung gesetzlich nicht eröffnet ist.4

5025

1 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Streitgenossen“ Rn. 5. 2 RG, JW 1933, 2216; OLG Schleswig, SchlHA 78, 198; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Streitgenossen“ Rn. 3; Zöller/Heßler, § 511 ZPO Rn. 25; a.A. BGH, Beschl. v. 19.10.2000 – I ZR 176/00, MDR 2001, 648 = NJW 2001, 230. 3 BGH, Beschl. v. 19.10.2000 – I ZR 176/00, MDR 2001, 648 = NJW 2001, 230; Beschl. v. 23.6.1983 – IVa ZR 136/82, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 53; BAG, NZA 1984, 167; LG Köln, VersR 1989, 1160; Zöller/Heßler, § 511 ZPO Rn. 25. 4 BGH, Beschl. v. 19.10.2000 – I ZR 176/00, MDR 2001, 648 = NJW 2001, 230 = LM ZPO § 546 Nr. 11 (10/2001).

Kurpat

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Streitgenossen 5026

Im Fall der Rechtsmitteleinlegung (auch) durch den einfachen Nebenintervenienten bestimmt sich die Beschwer nach der von ihm unterstützten Hauptpartei.1 Bei streitgenössischer Nebenintervention soll wegen § 69 ZPO, wonach der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei gilt, nach überwiegender Ansicht die Beschwer des Nebenintervernienten unabhängig von derjenigen der Hauptpartei bestimmt werden.2 Eine Zusammenrechnung der Beschwer von Hauptpartei und Nebenintervenient scheidet in jedem Fall aus, da § 69 ZPO nur auf eine prozessrechtliche Gleichstellung abzielt und selbst bei weiter gehenden gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme von Hauptpartei und Nebenintervenient aufgrund wirtschaftlicher Identität nicht addiert werden könnte.3

5027

Wird die Verbindung der Prozessrechtsverhältnisse durch eine Prozesstrennung (§ 145 ZPO) aufgehoben, kann die Beschwer den nach Aufspaltung des Verfahrens verbliebenden Wert nicht übersteigen. Dies gilt auch dann, wenn die nach zulässiger Trennung getrennten Verfahrensteile in der Revisionsinstanz zum Zwecke gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung wieder verbunden werden.4

5028

Im Übrigen folgt die Wertbestimmung den allgemeinen Grundsätzen, daher wird auf die Ausführungen unter dem Stichwort „Rechtsmittel“ Bezug genommen.

Streithilfe S. das Stichwort „Nebenintervention“.

Streitwertvereinbarung S. das Stichwort „Vereinbarungen zum Streitwert“.

1 BGH, Urt. v. 16.1.1997 – I ZR 208/94, NJW 1997, 2385; Urt. v. 15.6.1989 – VII ZR 227/88, MDR 1989, 1095 = NJW 1990, 190; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.1.2006 – 24 W 64/05, OLGR 2006, 243 = MDR 2006, 1017 = AGS 2006, 355 = JurBüro 2006, 200; OLG Hamm, Beschl. v. 16.1.2007 – 27 W 86/06, OLGR 2007, 607; OLG Köln, Beschl. v. 12.3.2004 – 11 W 13/04, MDR 2004, 1025; Zöller/Vollkommer, § 67 ZPO Rn. 5. 2 MünchKomm.ZPO/Rimmelspacher, § 511 ZPO Rn. 33; Stein/Jonas/Bork, § 69 ZPO Rn. 10 m.w.N.; offen lassend BGH, Urt. v. 30.4.2001 – II ZR 328/00, MDR 2001, 1006. 3 BGH, Urt. v. 30.4.2001 – II ZR 328/00, MDR 2001, 1006. 4 BGH, Urt. v. 20.7.1999 – X ZR 139/96, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1319 = NJW 2000, 217.

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Kurpat

Stufenklage

Stufenklage Literatur: Tschischgale, JurBüro 1966, 273; Schneider, JurBüro 1968, 497; MDR 1969, 624; Rpfleger 1977, 92; Lappe, NJW 1988, 3130; Assmann, Das Verfahren der Stufenklage, 1990; Schulte, MDR 2000, 805 (Verurteilung zur Auskunftserteilung). Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 5029 B. Zuständigkeitsstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . II. Leistungsanspruch 1. Einfache Stufenklage . . . . . . 2. Teilbezifferung . . . . . . . . . 3. Rückstände . . . . . . . . . . . III. Auskunft und Versicherung an Eides statt . . . . . . . . . . . .

. 5035 . 5041 . 5044 . 5046 . 5048

C. Gebührenstreitwert I. Allgemeines 1. Anwendbare Vorschriften . . . . 2. Sonderfälle a) „Nachträgliche Stufenklage“ . b) „Steckengebliebene Stufenklage“ . . . . . . . . . . . . . c) Zusammentreffen von Leistungs- und Stufenklage . . . . d) Rückstände . . . . . . . . . . 3. Notwendigkeit von Stufenstreitwerten . . . . . . . . . . . . . . . a) Gerichts- und Verfahrensgebühr . . . . . . . . . . . . . b) Terminsgebühr . . . . . . . .

5049 5053 5055 5061 5063 5064 5065 5066

II. Auskunft . . . . . . . . . . III. Abgabe der eidesstattlichen Versicherung . . . . . . . . IV. Leistung . . . . . . . . . . . V. Fehlerhafte Prozessführung VI. Wertänderungen . . . . . . VII. Einzelfälle in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . .

Rn. . . 5071 . . . .

. . . .

5076 5079 5086 5089

. . 5092

D. Rechtsmittel und Beschwer . . . I. Bescheidung des Auskunftsanspruchs . . . . . . . . . . . . . 1. Als Teilurteil . . . . . . . . . . . 2. Als (abweisendes) Gesamturteil . II. Bescheidung des Versicherungsanspruchs 1. Als Teilurteil . . . . . . . . . . . 2. Als (abweisendes) Gesamturteil . III. Bescheidung des Leistungsanspruchs 1. Als Schlussurteil . . . . . . . . . 2. Als (abweisendes) Gesamturteil . IV. Instanzielle Unterschiede . . . .

5098 5099 5100 5107

5108 5111

5112 5113 5114

E. Vergleich . . . . . . . . . . . . . 5118

Stichwortübersicht Rn. Anwaltsgebühren . . . . 5065, 5066, 5091 Aufwand – für die Auskunftserteilung . . . . 5102 – für die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung . . . . . . . . 5110 Ausgleich nach § 89b HGB . . . . . 5094 Auskunftsanspruch . . . . . . 5071, 5099 Bucheinsicht und Rechnungslegung 5034 Fehlerhafte Prozessführung . . . . . 5086 Geheimhaltungsinteresse des Beklagten . . . . . . . . . . . . . . 5104 Gerichtsgebühren . . . . . . . 5065, 5091 Güteverhandlung . . . . . . . . . . . 5069 Instanzielle Unterschiede . . . . . . 5114 Klagenhäufung, objektive . . . . . . 5032 Kostenrisiko . . . . . . . . . . . . . 5082 Landwirtschaftsverfahren . . . . . . 5052 Leistungsanspruch . . . . . . . 5041, 5079 – Wertschätzung . . . . . . . . . . . 5041

Rn. Leistungsklage, Zusammentreffen mit – . . . . . . . . . . . . . . . . 5061 Mindestbetrag, Bezifferung der Leistungsklage mit . . . . . . . . . . . 5045 Nachträgliche Stufenklage . . . . . . 5053 Pflichtteilsanspruch . . . . . . . . . 5092 Rechtshängigkeit . . . . . . . . . . . 5033 Rechnungslegung und Bucheinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 5034 Rückstände, bei Klageeinreichung aufgelaufene . . . . . 5046, 5063 Schadensfeststellungsklage . . . . . 5093 Stecken gebliebene Stufenklage . . . 5055 Steuerstrafrechtliche Folgen der Auskunft . . . . . . . . . . . . . . 5105 Streitwertangabe des Klägers . . . . 5084 Stufenstreitwerte . . . . . . . . . . . 5064 Stufenwiderklage . . . . . . . . . . . 5096 Teilklage, bezifferte . . . . . . . . . 5044

Kurpat

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Stufenklage Rn. Teilurteil – über den Auskunftsanspruch . . 5100 – über Versicherungsanspruch . . . 5108 Unterhaltsstufenklage . . . . . . . 5063 Vergleich – über den erhobenen Leistungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . 5119 – allein über Auskunft bzw. Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . 5120 Versicherungsanspruch . . . . 5048, 5067

Wertaddition . . . . . . . . . Wertänderungen . . . . . . . Wertvorstellungen der Parteien – des Klägers zu Beginn der Instanz . . . . . . . . . . . – übersetzte . . . . . . . . . Widerklage . . . . . . . . . . Zeitpunkt der Wertberechnung . . . . . . . . . . . .

Rn. . . . . 5036 . . . . 5089

. 5041, 5080 . 5042, 5084 . 5095, 5096 . 5041, 5072

A. Einleitung 5029

Die Stufenklage ist eine aus prozessökonomischen Gründen geschaffene Verbindung mehrerer Klageansprüche in einem Rechtsstreit. Ihr Zweck ist es, demjenigen, der eine Leistung begehrt, die er noch nicht genügend konkretisieren kann, das dazu erforderliche Wissen zu verschaffen, indem durch entsprechende vorbereitende Anträge ein Auskunfts- und Offenbarungszwang auf den Beklagten ausgeübt wird.

5030

Die Zulässigkeit dieser Verbindung folgt aus § 254 ZPO, wonach mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden werden kann, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet, dessen bestimmte Angabe vorbehalten werden darf, bis die Rechnung mitgeteilt, das Vermögensverzeichnis vorgelegt oder die eidesstattliche Versicherung abgegeben ist.

5031

Hierbei ist trotz der tatbestandlichen Bezugnahme auf Leistungsanträge eine Verbindung von Auskunfts- und Offenbarungsanträge mit einem Feststellungs- oder Gestaltungsantrag als Hauptantrag nicht ausgeschlossen.1 Die Stufenklage ist jedoch nur zulässig, wenn die begehrte Auskunft der Bestimmung des (zugleich) erhobenen Leistungsanspruchs dient, anderenfalls ist von einer Auskunftsklage in Verbindung mit einer mangels Bestimmtheit des Klageantrages unzulässigen Leistungsklage auszugehen.2

5032

Da es sich bei den stufenweise erhobenen Ansprüchen um prozessual selbständige Streitgegenstände eines einheitlichen Verfahrens handelt,3 stellt die Stufenklage einen Fall der objektiven Klagenhäufung (§ 260 ZPO) dar. Die Besonderheit liegt darin, dass die Klagebegehren stufenweise entschieden werden. So wird auf der ersten Stufe über den Antrag des Klägers auf Auskunft bzw. Rechnungslegung verhandelt und durch Teilurteil entschieden, soweit die Klage mangels denkbarem (Haupt)Leistungsanspruchs nicht vollständig abgewiesen wird. Hat der Beklagte die Auskunft erteilt und erachtet der Kläger diese für unvollständig oder unzutreffend, ist sodann (auf der zweiten Stufe) über den Antrag auf eidesstattliche Versicherung zu verhandeln und durch weiteres Teil1 BGH, Urt. v. 26.9.1984 – IVb ZR 30/83, MDR 1985, 304 = NJW 1985, 195 = FamRZ 1984, 1211 – Abänderungsstufenklage; OLG Frankfurt, Urt. v. 3.11.1986 – 3 UF 104/ 86, FamRZ 1987, 175 – negative Feststellungsklage; MünchKomm.ZPO/Becker-Eberhard, § 254 Rn. 11 m.w.N. 2 Zöller/Greger, § 254 ZPO Rn. 2 m.w.N. 3 BGH, Urt. v. 5.5.1994 – III ZR 98/93, MDR 1994, 717 = NJW 1994, 2895.

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Kurpat

Stufenklage urteil zu entscheiden. Auf der dritten Stufe konkretisiert der Kläger sein Leistungsbegehren, über das verhandelt und durch Schlussurteil befunden wird. Dabei bleibt – auch für die Streitwertbemessung – zu beachten, dass bereits mit der Erhebung der Stufenklage neben dem Auskunftsanspruch auch die Klageansprüche auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und Leistung rechtshängig werden.1 Die Vorschrift des § 254 ZPO ist weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden, wenn nur auf Rechnungslegung und Bucheinsicht geklagt, nicht aber ein unbezifferter Leistungsanspruch erhoben worden ist.2 Anders liegt es demgegenüber, wenn der Kläger zunächst nur Auskunft verlangt und nach deren Erteilung zum Leistungsanspruch übergeht.3

5033

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B. Zuständigkeitsstreitwert I. Allgemeines Als Sonderfall der objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) bestimmt sich der Zuständigkeitsstreitwert nach § 5 Halbs. 1 ZPO. Danach sind die Werte prozessualer Einzelansprüche zusammenzurechnen, wenn kein Fall der wirtschaftlichen Identität gegeben ist.4 Nach einer Ansicht in Rechtsprechung und Lehre ist auch bei der Stufenklage eine Addition der einzelnen Stufenwerte geboten.5 Dieser Auffassung ist nicht zuzustimmen, vielmehr scheidet bei der Stufenklage eine Zusammenrechnung der Einzelwerte nach § 5 Halbs. 1 ZPO aus. Wertbestimmend ist allein der höchste Einzelwert,6 mithin grundsätzlich der (unbezifferte) Leistungsanspruch. Wie in § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.) ist für die Frage der Wertaddition nach § 5 ZPO maßgeblich darauf abzustellen, ob das den verschiedenen prozessualen Ansprüchen zugrunde liegende klägerische Interesse sich – wirtschaftlich betrachtet – auf denselben Gegenstand richtet und damit als wirtschaftliche Einheit darstellt.7 Mit der Aufnahme von § 39 GKG (entspricht § 12 GKG a.F. i.V.m. § 5 ZPO) ist die Mehrheit von Ansprüchen nunmehr im Gebührenrecht eigenständig geregelt. Damit begründet auch das Fehlen einer eigenständigen Regelung der 1 BGH, Beschl. v. 18.1.1995 – XII ARZ 36/94, NJW-RR 1995, 513 = FamRZ 1995, 729; Zöller/Greger, § 254 ZPO Rn. 1. 2 OLG Frankfurt, KostRsp. GKG a.F. § 15 Nr. 4. 3 OLG Frankfurt, EzFamR aktuell 2003, 91 – Ls. 4 Vgl. nur Zöller/Herget, § 5 ZPO Rn. 8 m.w.N. 5 OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.11.2001 – 1 AR 44/01, OLGR 2002, 52 = MDR 2002, 536 = FamRZ 2002, 1642; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.7.1992 – 7 W 49/92, OLGR 1992, 294; KG, JW 1934, 2633; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Stufenklage“ Rn. 2; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 5 ZPO Rn. 4; Zöller/Herget, § 5 ZPO Rn. 7; Baumbach/ Hartmann, § 5 ZPO Rn. 8. 6 Stein/Jonas/Roth, § 5 ZPO Rn. 20; MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 5 ZPO Rn. 20; Lappe, NJW 1988, 3130 (3131); Musielak/Heinrich, § 3 ZPO Rn. 34 Stichwort „Stufenklage“ sowie Musielak/Smid, § 5 ZPO Rn. 9; a.A. 11. Auflage. 7 So zu § 45 GKG: OLG Hamburg, MDR 1965, 394; OLG Oldenburg, Beschl. v. 8.12.1996 – 3 W 139-140/86, JurBüro 1987, 596; OLG Zweibrücken, NJW 1982, 2800; Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, § 12; Zöller/Herget, § 5 Rn. 8.

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Stufenklage

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Stufenklage in den §§ 3 ff. ZPO keine Abstandnahme (mehr) von der – zumindest ansonsten unstreitig gebotenen – teleologischen Reduktion von § 5 Halbs. 1 ZPO. Auch das „gesteigerte Prozessvolumen“ rechtfertigt keine Wertaddition,1 da Überlegungen zum Arbeitsaufwand den §§ 3 ff. ZPO nicht zugrunde liegen,2 was bei § 5 ZPO schon der Umstand erhellt, dass die Werte von Klage und Widerlage nicht zusammengerechnet werden. Werden daher neben dem Leistungsanspruch vorbereitende, sichernde oder nachbereitende Zusatzanträge gestellt, ist zu prüfen, ob diesen ein vom Leistungsanspruch abweichenden wirtschaftliches Interesse zugrunde liegt. Das ist bei der Stufenklage zu verneinen, da Auskunft und Offenbarung allein der Durchsetzung des Leistungsbegehrens dienen (s. auch unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche“). Damit kann ihr Einzelwert bei Einleitung des Verfahrens auch niemals den Wert des Hauptanspruchs überschreiten, sodass der Zuständigkeitswert immer dem Wert des Leistungsanspruchs entspricht. Folgerichtig bemisst der BGH auch die Beschwer des Klägers im Falle einer Abweisung der Stufenklage bereits auf den Auskunftsantrag nur nach dem vollen Wert des Leistungsanspruchs und erhöht diese nicht etwa um den Wert des Auskunftsverlangen.3

II. Leistungsanspruch 1. Einfache Stufenklage 5041

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Für die Wertbestimmung des Leistungsbegehrens ist gem. § 3 ZPO das klägerische Interesse entscheidend, soweit nicht besondere Wertvorschriften (z.B. § 9 ZPO) Anwendung finden. Die Bewertung folgt daher nach den allgemeinen Regeln unter Berücksichtigung des Umstandes, dass zu dem für die Wertbestimmung maßgebenden Zeitpunkt der Einreichung der Klage (§ 4 Abs. 1 ZPO), Unklarheit über den Umfang des Leistungsbegehrens besteht. Erforderlich ist daher in jedem Fall eine Schätzung des Leistungsanspruchs. Grundlage für die Schätzung sind die Erwartungen des Klägers bei Einleitung des Verfahrens. Hierüber besteht für den Zuständigkeitsstreitwert kein Streit.4 Hingegen bleiben übersetzte, nicht nachvollziehbare Vorstellungen des Klägers bei der Wertbestimmung außer Ansatz.5 Unberücksichtigt bleibt auch eine übersetzte Berechnung des auskunftspflichtigen Beklagten mit dem mittelbaren Ziel, den Zuständigkeitswert über den Gebührenwertansatz zu präjudizieren.6 1 So aber OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.11.2001 – 1 AR 44/01, OLGR 2002, 52 = MDR 2002, 536 = FamRZ 2002, 1642 = OLG/NL 2002, 167. 2 Vgl. auch OLG Köln, Beschl. v. 11.10.2004 – 8 W 24/04, OLGR 2005, 79 = JMBl NW 2005, 19. 3 BGH, Beschl. v. 1.10.2001 – II ZR 217/01, MDR 2002, 107 = NJW 2002, 71; Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, JurBüro 1993, 164 = MDR 1992, 1091 = NJW-RR 1992, 549. 4 OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.11.2001 – 1 AR 44/01, OLGR 2002, 52 = MDR 2002, 536 = FamRZ 2002, 1642 = OLG/NL 2002, 167; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.7.1992 – 7 W 49/92, OLGR 1992, 294; Musielak/Heinrich, § 3 ZPO Rn. 34 unter „Stufenklage“; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Stufenklage“ Rn. 3; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Stufenklage“. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.7.1986 – 4 WF 105/86, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 845 mit Anm. E. Schneider = JurBüro 1986, 1685; Musielak/Heinrich, § 3 ZPO Rn. 32 unter „Stufenklage“. 6 OLG Köln, JurBüro 72, 244.

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Stufenklage Maßgeblich ist vielmehr, welche Leistungen der Kläger aufgrund der Sachund Rechtslage objektiv zu erwarten hatte.1 Dies ist auf Grundlage seines Tatsachenvortrages zu ermitteln.2 Fehlt es an einem solchen, kann hilfsweise auf die vom Kläger gem. § 61 GKG (§ 23 GKG a.F.) geschuldeten Angaben des Klägers zum Streitwert abgestellt werden.3

5043

2. Teilbezifferung Hat der Kläger mit dem verfolgten Leistungsanspruch einen Teilbetrag sogleich geltend gemacht und Auskunftserteilung nur wegen weiter gehender Beträge verlangt, dann liegt nur hinsichtlich des unbezifferten Restanspruches eine Stufenklage vor; die Werte der bezifferten Teilklage und der Stufenklage sind gem. § 5 ZPO zu addieren.4

5044

Anders liegt es, wenn der Kläger seinen Leistungsantrag nur vorläufig oder im Sinne eines Mindestbetrags beziffert, aber von vorneherein nur eine stufenweise Erledigung seines Klagebegehrens anstrebt.5 Hier wird der Streitwert allein durch den Leistungsantrag der Stufenklage bestimmt.

5045

3. Rückstände Hat der Leistungsanspruch der Stufenklage eine wiederkehrende Leistung zum Gegenstand, bemisst sich der Streitwert gem. § 9 ZPO nach dem Wert des 3 1/2fachen Werts des einjährigen Bezugs. Bis zur Klageeinreichung aufgelaufene Rückstände sind – wie bei der Bestimmung des Gebührenstreitwerts (§ 42 Abs. 5 GKG entspricht weitgehend § 17 Abs. 4 GKG a.F.) – hinzuzurechnen.6

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Ebenso ist zu entscheiden, wenn die Rückstände zwar gesondert eingeklagt, aber das Leistungsbegehren erst später beziffert wird, weil die Rechtshängigkeit des unbezifferten Leistungsantrages bereits mit Klageerhebung eintritt.7

5047

III. Auskunft und Versicherung an Eides statt Soweit mit der Gegenansicht der Zuständigkeitsstreitwert unter Addition der Einzelwerte ermittelt wird, entspricht die Bewertung der Einzelansprüche derjenigen bei der Ermittlung des Gebührenstreitwertes. Insoweit kann auf die nachfolgenden Ausführungen verwiesen werden. 1 OLG Köln, Beschl. v. 3.11.2004 – 19 W 54/04, OLGR 2005, 69 = AGS 2005, 451. 2 BGH, Urt. v. 8.1.1997 – XII ZR 307/95, MDR 1997, 504 = NJW 1997, 1016 = FamRZ 1997, 546; OLG Celle, Beschl. v. 13.5.2003 – 12 WF 141/03, OLGR 2005, 9; Musielak/ Heinrich, § 3 ZPO Rn. 32 unter „Stufenklage“. 3 OLG Bremen, Beschl. v. 13.3.1998 – 2 W 13/98, OLGR 1998, 192. 4 KG, JurBüro 1973, 754; Rpfleger 1962, 120. 5 BGH, WM 1972, 1121; Zöller/Greger, § 254 ZPO Rn. 3, 7 m.w.N. 6 KG, AnwBl. 1984, 612; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.1.1984 – 5 WF 299/83, KostRsp. GKG § 17 Nr. 59 = JurBüro 1984, 1864; Zöller/Herget, § 9 ZPO Rn. 5. 7 OLG Bamberg, Beschl. v. 10.10.1990 – 2 WF 138/90, KostRsp. GKG § 17 Nr. 128 = JurBüro 1991, 108; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.1.1984 – 5 WF 299/83, KostRsp. GKG § 17 Nr. 59 = JurBüro 1984, 1864; Beschl. v. 14.12.1982 – 6 WF 121/82, KostRsp. GKG § 17 Nr. 45 = JurBüro 1983, 408; OLG Hamburg, Beschl. v. 9.7.1990 – 2 WF 46/ 90, KostRsp. GKG § 17 Nr. 126 = JurBüro 1990, 1336; Beschl. v. 23.6.1983 – 15 WF 70/ 83, JurBüro 1984, 255 = MDR 1983, 1032.

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Stufenklage

C. Gebührenstreitwert I. Allgemeines 1. Anwendbare Vorschriften 5049

Für die Gebührenberechnung bei der Stufenklage enthält § 44 GKG (§ 18 GKG a.F.) eine Sondervorschrift, die den §§ 3 ff. ZPO vorgeht und nach § 23 Abs. 1 RVG (§ 8 Abs. 1 BRAGO) auch für einen Teil der anwaltlichen Gebühren gilt (s. hierzu nachfolgend unter „Stufenstreitwerte“). Danach ist für die Wertberechnung der Stufenklage nur einer der verbundenen Ansprüche maßgebend, und zwar der höhere.

5050

Da die Ansprüche auf Auskunftserteilung und Leistung der Offenbarungsversicherung nur der Vorbereitung des Zahlungsanspruchs dienen, ist ihr Wert niedriger als der des Zahlungsanspruchs, sodass für den Streitwert der Stufenklage der Zahlungsanspruch als der höhere maßgebend ist,1 und zwar ist der Leistungsanspruch ausnahmslos der höherwertige Anspruch. Er kann nie hinter dem Wert des Anspruchs auf Auskunftserteilung zurückbleiben, da der Auskunftsanspruch den Leistungsanspruch immer nur vorbereitet.2

5051

Der erwartete Leistungsanspruch bildet also stets die obere Grenze für die Bewertung der anderen Ansprüche. Dies unabhängig davon, ob über den Leistungsanspruch verhandelt worden ist.3

5052

Die für die Wertbestimmung der Stufenklage entwickelten Grundsätze gelten sinngemäß für Stufenanträge auf der Grundlage des Landwirtschaftsverfahrengesetzes.4 2. Sonderfälle a) „Nachträgliche Stufenklage“

5053

Diese Bewertung gilt auch für sog. nachträgliche Stufenklagen, d.h., in Fällen, in denen die Verbindung zwischen Auskunft, Versicherung und Leistung nicht von Verfahrensbeginn an besteht. Daher ist nach § 44 GKG (§ 18 GKG a.F.) auch dann zu bewerten, wenn der Kläger zunächst nur Auskunft verlangt

1 KG, Beschl. v. 27.6.2006 – 1 W 89/06, KGR 2006, 964 = JurBüro 2006, 594; OLG Düsseldorf, NJW 1961, 2021. 2 Vgl. OLG Bamberg, KostRsp. GKG § 18 Nr. 25 = JurBüro 1986, 1062; KostRsp. GKG § 18 Nr. 20 = JurBüro 1985, 576; KostRsp. GKG § 18 Nr. 15 = JurBüro 1984, 1375; OLG Celle, KostRsp. GKG § 18 Nr. 27 = AnwBl. 1987, 286; OLG Düsseldorf, KostRsp. GKG § 18 Nr. 11 = JurBüro 1983, 1876; JurBüro 1984, 87 mit zust. Anm. Mümmler; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 9.9.2009 – 9 WF 89/99, juris; OLG Zweibrücken, JurBüro 1987, 563; JurBüro 1987, 255; LAG Düsseldorf, KostRsp. GKG § 18 Nr. 35 = JurBüro 1990, 41; Meyer, § 44 Rn. 7. 3 OLG Celle, Beschl. v. 9.2.1987– 21 WF 31/87, KostRsp. GKG § 18 Nr. 27 = AnwBl. 1987, 286; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 25.9.1986 – 2 WF 182/86, KostRsp. GKG § 18 Nr. 27 = JurBüro 1987, 255; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 23.3.1989 – 7 Ta 101/89, JurBüro 1990, 41; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Stufenklage“ Rn. 4. 4 OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.4.1997 – 5 W 90/96, OLGR 1997, 184 = OLG-NL 1997, 279 = AgrarR 1998, 28; OLG Jena, Beschl. v. 17.4.2003 – 2 Ww 39/01, AUR 2004, 99 = VIZ 2004, 47.

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Stufenklage hat und nach deren (außergerichtlichen) Erteilung im Wege der Klageänderung zum Leistungsanspruch übergeht.1 Beschränkt der Kläger seine Rechtsverfolgung dagegen auf die Erhebung einer Auskunftsklage nebst Antrag auf eidesstattliche Versicherung, gelangt § 44 GKG (§ 18 GKG a.F.) nicht zur Anwendung. Mangels Verbindung mit dem Hauptanspruch gilt in diesem Fall zwar grundsätzlich § 39 GKG (ohne Entsprechung in GKG a.F.). Der danach vorgesehenen Zusammenrechnung der Einzelwerte steht jedoch entgegen, dass der Kläger mit dem Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung – wirtschaftlich betrachtet – auf dasselbe Ziel verfolgt, die Klärung eines etwaigen Leistungsanspruchs. Der Antrag bleibt daher gegenüber dem höherwertigeren Auskunftsantrag wertmäßig unberücksichtigt2 (s. hier auch unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche“).

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b) „Steckengebliebene Stufenklage“ Der höhere Wert des Leistungsanspruchs ist für die Gerichtsgebühren (und die anwaltliche Verfahrensgebühr) – nach ganz überwiegender Ansicht – auch dann maßgebend, wenn der Kläger die Stufenklage nach Erledigung des Auskunftsanspruchs zurücknimmt3 oder die Leistungsklage nach Auskunftserteilung nicht weiter betrieben wird, etwa weil der Rechtsstreit zum Ruhen kommt,4 die Parteien sich nach Auskunftserteilung vergleichen5 oder, den Rechtsstreit in der Hauptsache aufgrund einer Zahlung des Beklagten übereinstimmend für erledigt erklären.6

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Insbesondere ist es nicht gerechtfertigt, bei diesen sog. steckengebliebenen Stufenklagen in Abweichung von § 44 GKG (§ 18 GKG a.F.) mangels Bezifferung des Leistungsantrags auf den Wert des Auskunftsverlagen abzustellen. Wertbestimmend bleibt auch hier der Leistungsanspruch als der höchste Einzelanspruch.7 Soweit diese Problematik – in unzutreffender Weise – mit der

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1 OLG Hamm, KostRsp. GKG § 18 Nr. 24 mit zust. Anm. E. Schneider; OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.11.2002 – 2 WF 315/01, EzFamR Aktuell 2003, 91 (Ls); OLG München, Urt. v. 20.10.1994 – 16 UF 797/94, FamRZ 1995, 678: Rückkehr zur Stufenklage; OLG Stuttgart, Urt. v. 1.6.1999 – 12 U 239/98, OLGR 1999, 293; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Stufenklage“. 2 I. Erg. ebenso OLG München, Beschl. v. 3.4.2006 – 17 W 1187/06, MDR 2006, 1134; a.A. OLG Bamberg, Beschl. v. 11.5.1995 – 7 WF 47/95, FamRZ 1997, 40 und noch die 11. Auflage. 3 KG, Beschl. v. 28.2.2000 – 16 WF 1335/00, KGR 2000, 252. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.6.1983 – 6 WF 100/83, KostRsp. GKG § 18 Nr. 11 = JurBüro 1983, 1876; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.3.1989 – 2 WF 24/89, KostRsp. GKG § 18 Nr. 34 = JurBüro 1989, 1455. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.4.1995 – 3 WF 46/95, JurBüro 1995, 484; Beschl. v. 5.9.1983 – 5 WF 185/83, JurBüro 1984, 87; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.1.1984 – 6 WF 12/84, JurBüro 1984, 736. 6 KG, Beschl. v. 26.4.2007 – 12 W 34/07, MDR 2008, 45 = KGR 2007, 888 = AGS 2008, 40; Beschl. v. 27.6.2006 – 1 W 89/06, KGR 2006, 964 = JurBüro 2006, 594. 7 KG, Beschl. v. 27.6.2006 – 1 W 89/06, KGR 2006, 964 = JurBüro 2006, 594; Beschl. v. 28.2.2000 – 16 WF 1335/00, KGR 2000, 252; OLG Bamberg, Beschl. v. 12.12.1996 – 7 WF 173/96, FamRZ 1998, 312; OLG Bremen, Beschl. v. 13.3.1998 – 2 W 13/98, OLGR 1998, 192; OLG Celle, FamRZ 1997, 99; OLG Dresden, Beschl. v. 15.7.1997 – 10 WF 198/97, MDR 1998, 64; OLG Köln, Beschl. v. 13.7.2009 – 19 W 17/09, nrwe.de; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.1.2000 – 13 WF 142/99, AGS 2000, 93 = FamRZ 2001,

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Stufenklage Fragestellung vermischt wird, ob sich der Wert des Leistungsanspruch nach dem Erwartungen des Klägers bei Verfahrenseinleitung oder nach den Erkenntnisses zum Ende der Instanz bestimmt, wird diesbezüglich auf die Ausführungen unten Rn. 5040 verwiesen. 5057

Die demgegenüber auf den Wert des Auskunftsbegehrens abstellende Auffassung1 übersieht, dass der Leistungsantrag mit der Klageerhebung bereits rechtshängig geworden ist und damit – unabhängig von seiner Bezifferung – wegen des nur vorbereitenden Charakters des Auskunfts- und Versicherungsverlangens immer den höchsten Einzelwert darstellt.

5058

Prozessual gleicht die Situation derjenigen, in der auf Feststellung einer ziffernmäßig noch unbestimmten Leistungsverpflichtung, beispielsweise auf im Umfang noch unbekannten Schadensersatzes geklagt wird. Denn, dass der Kläger von einer Leistungsverpflichtung ausgeht, folgt aus der Erhebung der Stufenklage selbst, die gerade über eine allein auf Auskunft gerichtete Klage hinausgeht. Das auf Feststellung gerichtete Klagebegehren ist als Minus in jedem Leistungsantrag enthalten2 und sein Streitwert bemisst nach den objektivierten Erwartungen des Klägers über den Umfang der Leistungspflicht,3 gem. § 40 GKG (§ 15 GKG a.F.) ebenfalls zum Zeitpunkt der verfahrenseinleitenden Antragstellung. Daher bleibt die Wertbemessung (für bereits entstandene Gebühren) unbeeinflusst, wenn der Kläger im Laufe des Verfahrens zur Leistungsklage übergeht, die betragsmäßig unter seinen anfänglichen Vorstellung liegt. Für den ansonsten gebotenen prozentualen Abschlag besteht bei der Stufenklage kein Anlass, da die Klage in der 3. Stufe auf die Schaffung eines vollstreckungsfähigen Titels gerichtet ist.

5059

Eine abweichende Bewertung rechtfertigt sich auch nicht aus kostenrechtlichen Billigkeitserwägungen im Hinblick auf eine negative, aber vom Schuldner pflichtwidrig verspätet erteilte Auskunft. Insoweit kann dahinstehen, ob und in welcher Form der insoweit „unterliegende“ Kläger eine für ihn nachteilige Kostengrundentscheidung abwenden kann, wenn auch die vom BGH4 erwogene Änderung der Klage auf Feststellung der Kostentragungspflicht nahe

1

2 3 4

240: Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung; OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.8.2007 – 11 WF 134/07, AGS 2007, 632 = FamRZ 2008, 534. OLG Bamberg, Beschl. v. 14.10.1988 – 5 W 76/88, KostRsp. GKG § 18 Nr. 30 mit abl. Anm. Schneider = JurBüro 1989, 685 mit abl. Anm. Mümmler; OLG Dresden, Beschl. v. 21.2.1997 – 7 W 107/97, OLGR 1997, 239 = MDR 1997, 691 = NJ 1997, 431 = OLGNL 1997, 187; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.1.1987 – 4 WF 152/86, MDR 1987, 508 = JurBüro 1987, 878; KG, Beschl. v. 13.3.1997 – 16 U 8282/96, NJW-RR 1998, 418 = MDR 1997, 598; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.3.1995 – 13 WF 164/94, KostRsp. GKG § 18 Nr. 45 = MDR 1995, 642; OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.7.2008 – 16 WF 173/08, Beschl. v. 29.3.2005 – 16 WF 3/05, FamRZ 2005, 1765; Beschl. v. 17.1.1990 – 17 WF 23/90, KostRsp. GKG § 18 Nr. 36 mit Anm. Schneider = FamRZ 1990, 652; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 4.1.2000 – 5 WF 93/99, OLGR 2000, 515 = JurBüro 2000, 251: Wert der Auskunftsstufe maßgeblich, wenn die Stufenklage nicht nur stecken geblieben, sondern gar nicht in Gang gekommen ist; Lappe, Anm. 2 zu OLG Stuttgart, KostRsp. GKG § 18 Nr. 36. BGH, Urt. v. 24.10.1994 – II ZR 231/93, MDR 1995, 53 = NJW 1995, 188: gesellschaftsrechtliche Stufenklage; Zöller/Greger, § 256 Rn. 15c). Baumbach/Hartmann, Anh. § 3 Rn. 53 „Feststellungsklage“. BGH, Urt. v. 5.5.1994 – III ZR 98/93, MDR 1994, 717 = NJW 1994, 2895; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.1.2000 – 7 U 90/99, OLGR 2000, 189.

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Stufenklage liegt.1 Denn es ist nicht ersichtlich, warum diese kostenrechtlichen Fragestellungen (bei gleich bleibendem Streitgegenstand) streitwertrechtliche Auswirkungen haben sollen. Anderenfalls liefe dies – bis zu einer Klageänderung – auf eine streitwertrechtlich unzulässige Gleichsetzung des klägerischen Leistungsinteresses mit seinem Kosteninteresse hinaus.2 Die Gegenansicht verkennt zudem, dass § 44 GKG (§ 18 GKG a.F.) auch seinem Wortlaut nach die streitwertrechtliche Relevanz des Leistungsanspruchs nicht vom Ergebnis der Auskunft abhängig macht. Denn dort wird nicht der Anspruch auf Herausgabe des nach der Auskunft geschuldeten bewertet, sondern der Anspruch auf Herausgabe desjenigen, das der Beklagte (nach Ansicht des Klägers) „aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis“ schuldet. Dies stimmt nicht notwendigerweise mit dem Inhalt der Auskunft des Beklagten überein. Zudem bleibt es dem Kläger unbenommen, abweichend von der Auskunft einen höheren Betrag zu verlangen und die Voraussetzungen hierfür in der Beweisaufnahme nachzuweisen.

5060

c) Zusammentreffen von Leistungs- und Stufenklage Macht der Kläger neben der Stufenklage einen weiteren Leistungsanspruch geltend, gelten die allgemeinen Regel. Gem. § 39 GKG (entspricht § 12 GKG a.F. i.V.m. § 5 ZPO) sind die Werte der jeweiligen Leistungsansprüche zu addieren.3

5061

Gleiches gilt daher, wenn der Kläger mit dem verfolgten Leistungsanspruch einen Teilbetrag sogleich geltend gemacht und Auskunftserteilung nur wegen weiter gehender Beträge verlangt. Hier liegt nur hinsichtlich des unbezifferten Restanspruches eine Stufenklage vor und die Werte der bezifferten Teilklage und der Stufenklage sind zu addieren.4

5062

d) Rückstände Bei der Unterhaltsstufenklage erhöhen die bezifferten Rückstände nach § 47 Abs. 5 GKG (§ 17 Abs. 4 GKG a.F.) den Streitwert einer jeden Stufe. Ebenso ist zu entscheiden, wenn die Rückstände zwar eingeklagt, aber das Leistungsbegehren erst später beziffert wird, weil die Rechtshängigkeit des unbezifferten Leistungsantrages bereits mit Klageerhebung eintritt.5

5063

3. Notwendigkeit von Stufenstreitwerten Da mit § 44 GKG (§ 18 GKG a.F.) unmittelbar nur der Streitwert für die Gerichtskosten bestimmt wird und anwaltliche Gebühren je nach Mandatie1 Diese erwägt auch das KG, Beschl. v. 27.6.2006 – 1 W 89/06, FamRZ 2007, 69. 2 S. auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.10.1998 – 1 W 41/98, OLGR 1999, 59. 3 BGH, Urt. v. 25.9.2002 – XII ZR 55/00, NJW-RR 2003, 68 = FamRZ 2003, 31; OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.11.1994 – 22 W 41/94, MDR 1995, 207; OLG München, Beschl. v. 13.3.1989 – 27 W 53/89, JurBüro 1989, 1164 = MDR 1989, 646. 4 KG, JurBüro 1973, 754; Rpfleger 1962, 120. 5 OLG Bamberg, Beschl. v. 10.10.1990 – 2 WF 138/90, KostRsp. GKG § 17 Nr. 128 = JurBüro 1991, 108; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.11.1983 – 8 U 5240/82, KostRsp. GKG § 17 Nr. 59 = JurBüro 1984, 1864; OLG Hamburg, Beschl. v. 9.7.1990 – 2 WF 46/ 90, JurBüro 1990, 1336; MDR 1983, 1032.

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5064

Stufenklage rung oder gesetzlicher Regelung (RVG) in unterschiedlichen Verfahrensstadien anfallen, ist die Festsetzung von Stufenstreitwerten geboten. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der während des Prozesses und abhängig vom konkreten Verfahrensablauf entstehenden anwaltlichen Termins- und Einigungsgebühr.1 a) Gerichts- und Verfahrensgebühr 5065

Hier besteht Einigkeit, dass sich die anwaltliche Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG (entspricht der Prozessgebühr nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) gem. § 23 Abs. 1 RVG (§ 8 Abs. 1 BRAGO) nach dem Streitwert für die Gerichtsgebühren (Nr. 1210 KV GKG) und damit nach dem Wert des unbezifferten Leistungsanspruchs richtet, da dieser bereits mit der Erhebung der Stufenklage rechtshängig wird.2 b) Terminsgebühr

5066

Demgegenüber bestimmt sich der Gegenstandswert der Terminsgebühr gem. Nrn. 3104 bis 3106 VV RVG nach dem Wert derjenigen Verfahrensstufe, in der diese Gebühren anfallen.3

5067

Hieran hat sich durch die von einer Antragstellung unabhängige, mit dem Erlass des RVG eingeführte Terminsgebühr (Nrn. 3104 bis 3106 VV RVG) nichts geändert. Sie tritt an die Stelle der früheren Verhandlungs-, Erörterungs- und Beweisgebühren und bezweckt eine Vereinfachung der anwaltlichen Gebührenabrechnung ohne Verdiensteinbuße.4 Erforderlich ist (nur noch) die aktive Anwesenheit an einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin.5 Der Gegenstandswert für die Tätigkeit bemisst sich jedoch weiterhin nach den in der Verhandlung gestellten Anträgen bzw. dem Gegenstand der Erörterung oder Beweisaufnahme, § 2 Abs. 1 RVG.

5068

Dies gilt auch für die anwaltliche Tätigkeit im Rahmen einer Stufenklage. Maßgebend bleibt daher der Wert des auf der jeweiligen Stufe gestellten An-

1 OLG München, Beschl. v. 30.3.1984 – 25 W 1148/84, JurBüro 1984, 1376; OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.8.2007 – 11 WF 134/07, AGS 2007, 632 = FamRZ 2008, 534. 2 OLG Bamberg, Beschl. v. 10.4.1986 – 5 W 5/86, KostRsp. GKG § 18 Nr. 25 = JurBüro 1986, 1062; 1981, 1547; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.9.1997 – 7 W 69/97, OLGR 1998, 23; OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.7.1993 – 18 W 167/93, KostRsp. GKG § 18 Nr. 43 = OLGR 1994, 36; OLG Hamm, KostRsp. GKG § 18 Nr. 32 = JurBüro 1989, 1004; OLG Köln, Beschl. v. 24.2.2003 – 19 W 5/03, OLGR 2003, 207; Beschl. v. 14.2.2003 – 2 W 6/03, JMBl.NW 2003, 95. 3 Zum alten Recht: OLG Bamberg, Beschl. v. 5.4.1984 – 7 WF 7/84, KostRsp. GKG § 18 Nr. 15 = JurBüro 1984, 1375; KG, Beschl. v. 20.11.2003 – 1 W 437/03, KGR 2004, 393; Beschl. v. 31.10.2003 – 19 WF 115/03, KGR 2004, 375; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.9.1997 – 7 W 69/97, OLGR 1998, 23; OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.7.1993 – 18 W 167/93, OLGR 1994, 36; OLG Köln, Beschl. v. 21.1.2004 – 2 W 7/04, JMBl NW 2004, 82; Beschl. v. 24.2.2004 – 19 W 5/03, OLGR 2003, 207; Beschl. v. 14.2.2003 – 2 W 6/ 03, JMBl.NW 2003, 95; OLG München, Beschl. v. 30.3.1984 – 25 W 1148/84, JurBüro 1984, 1376; OLG Schleswig, Beschl. v. 31.7.2001 – 3 W 46/01, JurBüro 2002, 80; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 19.12.2001, juris. 4 Hartmann, VV 3104 RVG Rn. 2. 5 AnwK-RVG/N. Schneider, VV Vorb. 3 RVG Rn. 98, 99; Hartmann, VV 3104 Rn. 4.

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Stufenklage trages, der in der mündlichen Verhandlung gestellt wird, bzw. des Gegenstandes der auf der jeweiligen Stufe geführten Erörterung.1 Damit bleibt streitwertrechtlich weiterhin eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Stufen der Stufenklage sowie eine Festsetzung der damit verbundenen Einzelstreitwerte erforderlich. Hierzu besteht Anlass, wenn die Stufenklage bereits nach Verhandlung über den Auskunftsantrag (1. Stufe) abgewiesen wird. Hier ist die Verfahrensgebühr nach dem Wert des unbezifferten Leistungsantrages und die Terminsgebühr nach dem Wert des Auskunftsanspruchs entstanden.2 Problematisch sind die Fälle, in denen der auf Auskunft (1. Stufe) oder Versicherung (2. Stufe) gerichteten Antragstellung in mündlichen Verhandlung eine Erörterung auch des Leistungsbegehrens vorausgegangen ist. Oder wenn in der nach § 278 Abs. 2 ZPO vorgesehenen Güteverhandlung das gesamte Klagebegehren umfänglich besprochen wird. Hier soll nach dem OLG Hamburg3 der Gegenstandswert des Leistungsanspruch für die Terminsgebühr (seinerzeit noch Erörterungsgebühr) maßgebend sein.

5069

Die durch eine seitens des Anwalts oder des Gerichts prozessual fehlerhafte Behandlung der Stufenklage entstehenden Probleme werden nachfolgend unter „C. V. Fehlerhafte Prozessführung“ erörtert.

5070

II. Auskunft Das Auskunftsbegehren ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) nach dem klägerischen Interesse zu bewerten. Da dieses allein auf die Vorbereitung des Hauptanspruchs, konkret dessen Bezifferung gerichtet ist, entspricht der Wert des Auskunftsbegehrens einem Bruchteil des Leistungsanspruchs und bestimmt sich danach, in welchen Umfang dessen Durchsetzbarkeit von der Auskunft abhängt.4

5071

Dies gilt auch dann, wenn der Hauptanspruch im Rechtsstreit noch nicht beziffert und deshalb nach § 3 ZPO geschätzt worden ist. Ohne eine Bewertung des Hauptanspruchs ist der Streitwert des Auskunftsbegehren folglich nicht zutreffend zu bestimmen. Dabei ist der für die Bewertung maßgebende Zeitpunkt gem. § 40 GKG (§ 15 GKG a.F.) die verfahrenseinleitende (Klage-) Antragstellung.5 Entscheidend sind – auch für eine isolierte Bewertung des Auskunftsanspruchs – die Erwartungen des Klägers bei Klageeinreichung. Jede abweichende Betrachtung führt auch zu inakzeptablen Ergebnissen, wenn nach Auskunftserteilung feststeht, dass ein Hauptsacheanspruch nicht besteht und damit jede am tatsächlichen Forderungsbestand orientierte Bruchteilsbewertung ausscheidet.

5072

1 Vgl. AnwK-RVG/N. Schneider, VV Vorb. 3 Rn. 179. 2 Zum alten Recht: OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.7.1993 – 18 W 167/93, KostRsp. GKG § 18 Nr. 43 = OLGR 1994, 36; KG, Beschl. v. 25.2.2002 – 18 WF 23/02, KGR 2002, 117 = AGS 2002, 147; OLG Köln, Beschl. v. 21.1.2004 – 2 W 7/04, OLGR 2004, 181 = JMBl.NW 2004, 82; Beschl. v. 24.2.2003 – 19 W 5/03, OLGR 2003, 207. 3 OLG Hamburg, Beschl. v. 14.10.2003 – 8 W 224/03, MDR 2004, 417. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.9.1997 – 7 W 69/97, OLGR 1998, 23. 5 Vgl. OLG Celle, JurBüro 1968, 734; OLG Köln, MDR 1969, 582; OLG Nürnberg, JurBüro 1974, 1439; OLG Bamberg, JurBüro 1979, 251; OLG München, Beschl. v. 8.10.2002 – 6 W 77/02, MDR 2006, 1134.

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Stufenklage 5073

Dementsprechend ist es wertmäßig auch bedeutungslos, wenn der Beklagten im Laufe des Verfahrens, beispielsweise nach Verurteilung zur Auskunft, den Leistungsanspruch freiwillig ganz oder teilweise erfüllt.1

5074

Klagt der Kläger einen bezifferten Teilunterhalt ein und geht er wegen weiter gehender Ansprüche im Wege der Stufenklage vor, dann ist der Streitwert des Auskunftsanspruchs nur nach dem noch unbezifferten Begehren zu bewerten, das aufgrund der Höhenvorstellung des Klägers zu schätzen und entsprechend dem Auskunftsbedürfnis geringer zu beziffern ist.2 Anders ist es jedoch, wenn die Auskunft oder die Rechnungslegung sich auch auf die Ermittlung des Teilbetrages, nicht nur des Mehrbetrages beziehen soll.3

5075

Rechtsprechung und Literatur zur Bewertung des Auskunftsverlangen sind uneinheitlich. Es überwiegt jedoch eine Bewertung zwischen 1/10 und 1/4, wobei die Bestimmung innerhalb dieses Rahmens von der Kenntnis des Klägers betreffend die zur Begründung des Leistungsanspruchs maßgeblichen Umstände abhängt.4 Kann der Kläger seinen Zahlungsanspruch ohne Abrechnung praktisch überhaupt nicht durchsetzen, ist das Auskunftsinteresse unter Umständen nicht erheblich geringer als der Leistungsanspruch zu bewerten.5 Geht es um die Verurteilung zu fortlaufenden Leistungen, bleiben freiwillige Teil-Leistungen bei der Wertermittlung betreffend den Leistungsanspruch unberücksichtigt.6 Im Einzelnen finden sich folgende Bewertungen: – 1/10 bis 1/5 des Leistungsanspruchs,7 – 1/10 bis 2/5 des Leistungsanspruchs,8 – 1/10 bis 1/4 des Leistungsanspruchs,9 – 1/8 bis 1/4 des Leistungsanspruchs,10 – 1/5 bis 1/4 des Leistungsanspruchs,11 – 1/3 des Leistungsanspruchs,12 1 OLG Bamberg, JurBüro 1982, 1246; OLG Celle, JurBüro 1968, 734. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.2.1986 – 10 WF 14/86, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 810 = JurBüro 1986, 585. 3 KG, JW 1927, 1388 Nr. 1. 4 BGH, Beschl. v. 20.3.2002 – IV ZR 3/01, juris = BGHR 2002, 951; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.9.1997 – 7 W 69/97, OLGR 1998, 23; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Stufenklage“ Rn. 4; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Auskunft“. 5 BGH, Urt. v. 9.7.1964 – VII ZR 113/63, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 27 = MDR 1964, 840 = NJW 1964, 2061. 6 Zutr. OLG Hamm, Beschl. v. 5.9.2006 – 1 WF 211/06, FamRZ 2007, 163. 7 OLG Schleswig, Beschl. v. 31.7.2001 – 3 W 46/01, JurBüro 2002, 80. 8 OLG München, JurBüro 1984, 1376; OLG Düsseldorf, NJW 1961, 2021; MDR 1963, 937; MDR 1962, 912; OLG Frankfurt, JurBüro 1973, 766; KG, Rpfleger 1962, 120; LAG Düsseldorf – 7 Ta 425/01 – Bibliothek BAG = juris. 9 BGH, Beschl. v. 20.3.2002 – IV ZR 3/01, juris = BGHR 2002, 951; Urt. v. 8.1.1997 – XII ZR 307/95, MDR 1997, 504 = NJW 1997, 1016 = FamRZ 1997, 546; Urt. v. 31.3.1993 – XII ZR 67/92, FamRZ 1993, 1189; KG, Beschl. v. 27.6.2006 – 1 W 89/06, KGR 2006, 1005 = FamRZ 2007, 69; FamRZ 1996, 500; OLG Bamberg, FamRZ 1997, 40; 1986, 1144; OLG Köln, Urt. v. 29.6.1984 – 4 UF 33/84, FamRZ 1984, 1029; OLG München, Beschl. v. 8.10.2002 – 6 W 77/02, MDR 2006, 1134; ; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 9.9.2009 – 9 WF 89/99, juris. 10 OLG Koblenz, Beschl. v. 28.10.1996 – 5 W 659/96, AGS 1997, 132. 11 OLG Düsseldorf, FamRZ 1988, 1144; OLG Nürnberg, MDR 1960, 507. 12 OLG Rostock, Beschl. v. 31.1.2008 – 10 WF 22/08, JurBüro 2008, 265 = FamRZ 2008, 1202.

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Stufenklage – 1/4 des Leistungsanspruchs,1 – 1/5 des Leistungsanspruchs.2

III. Abgabe der eidesstattlichen Versicherung Besteht die begründete Besorgnis, dass der Beklagte seiner Auskunftspflicht nicht mit der gebotenen Sorgfalt nachgekommen ist, kann der Kläger gem. §§ 259, 260 BGB verlangen, dass der Beklagte die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Rechnungslegung an Eides statt versichert. Der Wert des Auskunftsverlangen bestimmt sich gem. § 48 GKG, § 3 ZPO nach dem Interesse des Klägers an einer zutreffenden Auskunft.3

5076

Dessen Wert entspricht einem Bruchteil des Mehrbetrags, den sich der Kläger aus der eidesstattlichen Versicherung verspricht.4 Da der vom Beklagten in der Auskunft eingeräumte Leistungsumfang keiner Absicherung mehr bedarf, ist der bei Verfahrenseinleitung geschätzte Wert des Leistungsbegehrens nur noch dann ein geeigneter Anknüpfungspunkt, wenn nach der Auskunft- keine Leistungspflicht besteht. Dies übersehen Entscheidungen, die davon unabhängig weiter an den Hauptsachwert anknüpfen.5

5077

Nimmt der Kläger die bereits erteilte Auskunft nicht zum Anlass, seine bei Verfahrenseinleitung geäußerten Erwartungen zum Umfang des Leistungsanspruchs zu korrigieren, ist der Bruchteilsbewertung die Differenz zwischen dem bei Verfahrenseinleitung erwarteten Umfang und der vom Beklagten eingeräumten Höhe zugrunde zu legen. Der Bruchteil selbst ist nach dem Umständen des Einzelfalls zu bestimmen6 und entspricht ohne hinreichende Anhaltspunkte dem Bruchteil bei der Bewertung des Auskunftsverlangens.

5078

1 KG, KGR 1994, 251; OLG Bamberg, Beschl. v. 15.11.1984 – 7 WF 85/84, JurBüro 1985, 576 = KostRsp. GKG § 18 Nr. 20; OLG Düsseldorf, JurBüro 1995, 484; OLG Köln, MDR 1969, 582; VersR 1976, 1154; OLG München, Beschl. v. 30.3.1984 – 25 W 1148/ 84, KostRsp. GKG § 18 Nr. 14 = JurBüro 1984, 1376. 2 So noch BGH, Beschl. v. 10.3.1960 – VII ZR 246/59, BB 1960, 796; OLG Bamberg, Beschl. v. 14.10.1988 – 5 W 76/88, JurBüro 1989, 685 mit abl. Anm. Mümmler; OLG Hamm, Beschl. v. 5.9.2006 – 1 WF 211/06, FamRZ 2007, 163 – isolierte Unterhaltsauskunftsklage; OLG München, Beschl. v. 21.3.1995 – 16 WF 670/95, OLGR 1995, 131; OLG Nürnberg, JurBüro 1998, 262 = FamRZ 1998, 685. 3 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 113; OLG Bamberg, JurBüro 1972, 1091; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Stufenklage“ Rn. 5; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Offenbarungsversicherung“. 4 BGH, Beschl. v. 2.7.1964 – III ZR 4/63, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 113 – zu § 2028 BGB; OLG Bamberg, Beschl. v. 11.5.1995 – 7 WF 47/95, FamRZ 1997, 40; JurBüro 1972, 1091; OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.5.2007 – 6 W 35/07, MDR 2007, 1037 = FamRZ 2007, 1346 = NJW-RR 2007, 1580; Hartmann, Kostengesetze, § 44 Rn. 6; Anders/ Gehle/Kunze, Stichwort „Stufenklage“ Rn. 5. 5 So OLG Bremen, Teilurteil v. 17.2.2000 – 2 U 101/99, OLGR 2000, 162: 1/10 des Hauptsachewertes; OLG Köln, KostRsp. GKG § 18 Nr. 1 = Rpfleger 1977, 115: Bruchteil des „Zahlungs- oder Auskunftsverlangen“, ohne hinreichende Anhaltspunkte 1/2 des Auskunftswertes; OLG München, Beschl. v. 21.3.1995 – 16 WF 670/95, KostRsp. GKG § 18 Nr. 44 = OLGR 1995, 131: 1/5 des Hauptsachewerts. 6 BGH, Urt. v. 20.6.1991 – I ZR 13/90, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 113 = MDR 1992, 302 = NJW-RR 1991, 1467 = GRUR 1991, 873 = WRP 1991, 777.

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Stufenklage

IV. Leistung 5079

Die Bewertung des Leistungsanspruchs richtet sich über § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) nach den §§ 3 ff. ZPO. Wertbestimmend ist das klägerische Interesse. Da der Leistungsanspruch bei Einreichung der Stufenklage mangels Auskunft bzw. Rechnungslegung nicht (vollständig) beziffert werden kann, bedarf es einer Schätzung gem. § 3 ZPO.1

5080

Hierbei ist gem. § 40 GKG (§ 15 GKG a.F.) auf die Erwartungen des Klägers zu Beginn der Instanz abzustellen, und zwar unabhängig davon, ob später noch zum Leistungsanspruch erkannt wird (s. hierzu auch oben Rn. 5055), oder ob zwar darüber entschieden wird, die spätere Bezifferung jedoch hinter den ursprünglichen Erwartungen des Klägers zurückbleibt2 oder diese übertrifft.3 Streitwerterhöhend wirkt sich im letztgenannten Fall daher erst der Übergang von der Auskunfts- auf die Leistungsstufe aus.4 Die gem. § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Erweiterung des Klageantrags5 wirkt sich nur noch auf die Höhe der Gebühren aus, die mit oder nach der Bezifferung des Leistungsantrags entstehen.

5081

Vereinzelt wird in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, der Wert des Leistungsantrags bedürfe keiner Schätzung, sondern bestimme sich nach seiner Bezifferung, auch wenn diese wertmäßig hinter den vom Kläger bei Prozessbeginn zum Ausdruck gebrachten Erwartungen zurückbleibt. Daher sei der Wert des Auskunftsanspruchs gem. § 44 ZPO (§ 18 GKG a.F.) maßgebend, wenn nach dem Inhalt der Auskunft kein oder nur geringwertiger Leistungsanspruch besteht (bzw. durchsetzbar ist). So sei mit dem Zweck von § 254 ZPO nicht zu vereinbaren, dem Kläger durch ein Festhalten an den von ihm zu Beginn des Prozesses geäußerten Größenvorstellungen das Prozessrisiko für den Fall aufzuerlegen, dass sich seine Erwartungen nach dem Inhalt der Auskunft nicht erfüllen.6

1 OLG Köln, MDR 1969, 582; OLG Zweibrücken, JurBüro 1973, 444; OLG Nürnberg, JurBüro 1974, 1439; Musielak/Heinrich, § 3 ZPO Rn. 32 unter „Stufenklage“. 2 KG, Beschl. v. 27.6.2008 – 1 W 386/05, KGR 2006, 964 = JurBüro, 594; OLG Bamberg, Beschl. v. 3.5.1993 – 2 WF 38/95, FamRZ 1994, 640 = JurBüro 1994, 114; OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.1.2002 – 9 WF 214/01, FamRZ 2003, 240; KG, Beschl. v. 25.2.2002 – 18 WF 23/02, KGR 2002, 117 = AGS 2002, 158; Beschl. v. 23.3.1993 – 1 W 6310/92, MDR 1993, 696 = JurBüro 1994, 108; OLG Celle, MDR 2003, 55; OLG Dresden, Beschl. v. 15.7.1997 – 10 WF 198/97, OLGR 1997, 364 = MDR 1998, 64; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.12.1991 – 3 WF 196/91, AnwBl. 1992, 286 = FamRZ 1992, 1095 = JurBüro 1992, 419; JurBüro 1987, 736; OLG Frankfurt, JurBüro 1973, 766; OLG Hamm, FamRZ 2004, 1664; JurBüro 1989, 1004; OLG Karlsruhe, Justiz 1985, 374; OLG Köln, Beschl. v. 3.11.2004 – 19 W 54/04, AGS 2005, 451; Beschl. v. 18.5.2004 – 3 U 136/03, JMBl NW 2004, 82; OLG Nürnberg, FamRZ 2004, 962; OLG München, Beschl. v. 3.4.2006 – 17 W 1187/06, OLGR 2006, 457 = MDR 2006, 1134; MDR 1989, 646 = JurBüro 1989, 1164; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.2.1986 – 6 WF 16/86, JurBüro 1987, 563. 3 KG, Beschl. v. 27.6.2008 – 1 W 386/05, KGR 2006, 964 = JurBüro, 594. 4 KG, Beschl. v. 27.6.2008 – 1 W 386/05, KGR 2006, 964 = JurBüro 2006, 594; a.A. OLG München, Beschl. v. 3.4.2006 – 17 W 1187/06, MDR 2006, 1134 – das zur Verhinderung von Streitwertmanipulationen eine Rückwirkung der Werterhöhung auf den Verfahrensbeginn bejaht. 5 Vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2000, NJW 2001, 833 = MDR 2001, 408. 6 OLG Frankfurt, KostRsp. GKG § 18 Nr. 29 mit abl. Anm. Schneider = MDR 1987, 508 = JurBüro 1987, 878 mit abl. Anm. Mümmler.

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Stufenklage Diesem Ansatz ist nicht zu folgen, denn er verkennt den Charakter des unbezifferten Leistungsantrags und ist im Ergebnis nicht folgerichtig. Wie bereits ausgeführt worden ist, entspricht der Leistungsantrag bis zu seiner Bezifferung einem Antrag auf Feststellung einer unbestimmten Leistungsverpflichtung (s. oben Rn. 5058). Hieraus folgt, dass auch dem unbezifferten Leistungsantrag ab Klageeinreichung ein Wert zugewiesen werden kann und gem. § 40 GKG (§ 15 GKG a.F.) zugewiesen werden muss. Dass mit der Schätzung verbundene Kostenrisiko ist keine Eigenart der Stufenklage, denn es ist das Risiko eines jeden Klägers, dass er seine Erwartungen zu hoch beziffert. Auch eine Zahlungsklage wird abgewiesen, soweit der Kläger zu viel verlangt oder, wie bei der unbezifferten Schmerzensgeldklage, einen unangemessenen Mindestbetrag genannt hat.

5082

Zudem vermag nicht zu überzeugen, dass der mit Klageerhebung rechtshängige, wenngleich unbezifferte Leistungsantrag keinen Wert haben soll, wenn nach Rechnungslegung (angeblich) kein Leistungsanspruch besteht. Diesem Bewertungsfehler kann nicht dadurch abgeholfen werden, dass kurzerhand auf den Wert des Auskunftsanspruch abgestellt wird. Eine Möglichkeit, die etwa bei dem Antrag auf Feststellung einer unbezifferten Leistungsverpflichtung nicht zur Verfügung stehen würde. Schließlich müsste bei folgerichtiger Bewertung der Auskunftsanspruch, dessen Wert sich unstreitig am Leistungsanspruch orientiert, mit einem Bruchteil von null bewertet werden, was notwendigerweise ausscheidet.

5083

Für die Wertbemessung nicht maßgeblich sind hingegen die Wunschvorstellungen des Klägers, sondern es ist nur danach zu bemessen, welche Leistungen er aufgrund der Sach- und Rechtslage, die er zur Klagebegründung vorgetragen hat, nach Auskunftserteilung objektiv zu erwarten hatte.1 Dies ist anhand seines Tatsachenvortrages zu ermitteln.2 Fehlt es an einem solchen, kann zur Wertbestimmung auch der Inhalt der nachfolgend erteilten Auskunft berücksichtigt werden,3 hilfsweise ist auf die vom Kläger gem. § 61 GKG (§ 23 GKG a.F.) geschuldeten Angaben des Klägers zum Streitwert abzustellen.4

5084

Übersetzte, nicht nachvollziehbare Vorstellungen bleiben unberücksichtigt.5 Unberücksichtigt bleibt auch eine übersetzte Berechnung des auskunftspflichtigen Beklagten mit dem mittelbaren Ziel, den Zuständigkeitswert über den Gebührenwertansatz zu präjudizieren.6

5085

Zur Bezifferung nach Auskunft/Rechnungslegung s. unten Rn. 5089 ff.

1 OLG Köln, Beschl. v. 3.11.2004 – 19 W 54/04, AGS 2005, 451 = OLGR 2005, 69. 2 BGH, Urt. v. 8.1.1997 – XII ZR 307/95, MDR 1997, 504 = NJW 1997, 1016 = FamRZ 1997, 546; OLG Celle, Beschl. v. 13.5.2003 – 12 WF 141/03, OLGR 2005, 9. 3 OLG Celle, Beschl. v. 13.5.2003 – 12 WF 141/03, OLGR 2005, 9. 4 OLG Bremen, Beschl. v. 13.3.1998 – 2 W 13/98, OLGR 1998, 192 = KostRsp. GKG § 18 Nr. 53 mit krit. Anm. Herget. 5 OLG Düsseldorf, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 845 mit Anm. E. Schneider = JurBüro 1986, 1685. 6 OLG Köln, JurBüro 72, 244.

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Stufenklage

V. Fehlerhafte Prozessführung 5086

Nicht selten kommt es vor, dass Gericht und Anwälte die Stufenklage prozessual falsch behandeln und nicht Stufe für Stufe in Teilurteilen fortschreiten, sondern zu Beginn der mündlichen Verhandlung alle Anträge einschließlich des unbezifferten Zahlungsanspruches verlesen werden. Nach welchem Streitwert dann abzurechnen ist, ist umstritten. Man wird zu unterscheiden haben.1

5087

– Sämtliche Anträge werden fehlerhaft gebündelt verlesen, jedoch wird nur durch Teilurteil über die erste (oder weitere) Stufe entschieden. Dann ist die Terminsgebühr nur nach dem Wert des Auskunftsanspruches, nicht nach dem des Zahlungsanspruches zu berechnen. Es ist nämlich nicht möglich, über einen Zahlungsanspruch zu verhandeln, über den ausweislich der gewählten Klageart vor seiner Bezifferung gerade nicht verhandelt werden soll.2

5088

– Alle Anträge werden zugleich verlesen und das Urteil erkennt fehlerhaft über sämtliche Stufenansprüche. Dann ist der Fehler nicht mehr auszugleichen. Die Gebühren müssen nach dem höchsten Wert, dem Wert des Leistungsanspruchs berechnet werden.3

VI. Wertänderungen 5089

Im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Klageerhebung bestehende Ungewissheit über den Umfang des Leistungsanspruchs sind Wertänderungen bei der Stufenklage nicht ungewöhnlich. So kann die Rechnungslegung des Beklagten den Kläger veranlassen, seine Vorstellungen zum Leistungsumfang zu revidieren und mit einer entsprechend reduzierten Antragstellung auf der 3. Stufe Rechnung zu tragen. Auch das Gegenteil ist denkbar: Die Auskunft erhellt erstmals den weiter gehenden Umfang des Leistungsanspruchs und veranlasst den Kläger zu einem entsprechend erhöhten Leistungsantrag.

5090

Die Behandlung dieser Wertänderungen folgt den allgemeinen Regelungen. Dass bedeutet zunächst einmal, dass die bei Klageeinreichung bestehende Erwartung des Klägers zum Leistungsanspruch solange wertbestimmend bleibt, bis er seinen Leistungsantrag beziffert. Erst ab dann tritt die Wertänderung ein, sodass lediglich die mit oder nach Bezifferung entstehenden Gebühren nach dem veränderten Streitwert zu berechnen sind.4

5091

Für die bereits entstandenen Gerichtsgebühren und die anwaltliche Verfahrengebühr ist zu unterscheiden: Führt die Wertänderung zu einer Erhöhung 1 Vgl. Schneider, MDR 1969, 625 ff. 2 OLG Düsseldorf, NJW 1961, 2021 – 7. ZS; OLG Hamburg, JurBüro 1978, 1664; OLG Hamm, Beschl. v. 24.1.1996 – 23 W 362/95, JurBüro 1997, 139 – für die Beweisgebühr; OLG München, Rpfleger 1956, 29; a.A. OLG Düsseldorf, NJW 1964, 2164 – 8. ZS. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.10.1998 – 5 W 12/98, JurBüro 1999, 302; OLG Köln, NJW 1973, 1848; Hartmann, (§ 3 ZPO) Anh. I § 48 GKG Rn. 112; a.A. OLG Düsseldorf, Entsch. v. 1.6.1973 – 6 U 39/3, NJW 1973, 2034; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Stufenklage“ Rn. 16. 4 OLG Bamberg, Beschl. v. 3.5.1993 – 2 WF 38/93, FamRZ 1994, 640 = JurBüro 1994, 114; JurBüro 1979, 251; KG, Beschl. v. 23.3.1993 – 1 W 6310/92, MDR 1993, 696 = JurBüro 1994, 108; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.10.1984 – 5 W 17/84, JurBüro 1985, 443; OLG Hamm, JurBüro 1982, 1377; OLG Karlsruhe, OLGE 13, 67; LG Köln, Urt. v. 27.2.2007 – 27 O 407/04, juris.

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Stufenklage des Streitwert, ist dieser maßgebend und eine frühere Wertfestsetzung zu berichtigen, § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG (§ 25 Abs. 2 Satz 2 GKG a.F.). Läuft die Wertänderung auf eine Minderung des bisherigen Streitwert hinaus, bleibt dies für die Gerichtsgebühren und damit über § 23 Abs. 1 RVG (§ 8 Abs. 1 BRAGO) auch für die anwaltliche Verfahrensgebühr ohne Auswirkungen.

VII. Einzelfälle in der Rechtsprechung Werden der Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB und der Pflichtteilsanspruch durch die Stufenklage verfolgt, dann ist für den Gebührenstreitwert gem. § 44 GKG (§ 18 GKG a.F.) nur der höchste der verbundenen Ansprüche maßgebend; das gilt auch für den Anspruch nach § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Ermittlung des Wertes der Nachlassgegenstände.1

5092

Demgegenüber ist gem. § 39 GKG (ohne Entsprechung in GKG a.F.) zusammenzurechnen, wenn der Anspruch auf Auskunftserteilung mit einer positiven Schadensfeststellungsklage verbunden ist.2

5093

Desgleichen ist der mit einer Stufenklage verbundene Anspruch auf Leistung eines Ausgleichs nach § 89b HGB dem Streitwert der Stufenklage hinzuzurechnen.3

5094

Nach allgemeinen Regeln, dass heißt nach § 45 Abs. 1 Satz 1 u. 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 1 u. 3. GKG a.F.) ist zu bewerten, wenn auf eine Stufenklage mit einer Widerklage erwidert wird. Hier ist eine Wertaddition geboten, wenn der Leistungsanspruch (3. Stufe) und die Widerklage nicht denselben Gegenstand betreffen. Dies ist etwa der Fall, wenn einer Stufenklage auf Auskunft und Unterhaltserhöhung mit der Widerklage auf Herabsetzung der titulierten Unterhaltsrente begegnet wird.4

5095

Ebenso ist zu bewerten in dem Fall zu bewerten, dass auf eine Leistungsklage eine Stufenwiderklage erhoben wird. Hier ist bezüglich der Identität der Gegenstände (im gebührenrechtlichen Sinne) auf die wechselseitig erhobenen Leistungsansprüche abzustellen.5 Betreffen die Leistungsansprüche denselben Gegenstand ist gem. § 44 Abs. 1 Satz 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.) der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.

5096

Unabhängig davon, ob die Stufenklage vom Kläger oder im Wege der Widerklage vom Beklagten erhoben worden ist und welcher der Leistungsansprüche den höheren Wert aufweist, erfolgt keine Hinzurechnung der Werte für den Auskunfts- und Versicherungsanspruch (Stufen 1 und 2). Die abweichende Ansicht des OLG München6 übersieht, dass die Bewertung der Einzelansprüche durch § 44 GKG (§ 18 GKG a.F.) abschließend geregelt und durch § 45 Abs. 1 Satz 1 u. 3 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 1 u. 3 GKG a.F.) nicht aufgehoben wird.

5097

1 2 3 4 5 6

OLG Hamm, JurBüro 1981, 247 = AnwBl. 1981, 69. OLG Stuttgart, NJW 1959, 890. LG Bayreuth, JurBüro 1977, 1747. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.3.1983 – 5 WF 1/83, AnwBl. 1984, 203. Insoweit zutr. OLG München, Beschl. v. 21.3.1995 – 16 WF 670/95, OLGR 1995, 131. OLG München, Beschl. v. 21.3.1995 – 16 WF 670/95, OLGR 1995, 131.

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Stufenklage

D. Rechtsmittel und Beschwer 5098

Streiten die Parteien in der Rechtsmittelinstanz darüber, ob bisher nur über den ersten oder auch schon über die weiteren mit einer Stufenklage geltend gemachten Ansprüche entschieden worden sei, so sind für den Streitwert der Rechtsmittelinstanz alle Ansprüche zu berücksichtigen.1 Im Übrigen ist wie folgt zu unterscheiden:

I. Bescheidung des Auskunftsanspruchs 5099

Wie bereits ausgeführt, sind die einzelnen Stufen prozessual eigenständig und die Antragstellung demnach in der ersten Stufe allein auf Auskunft gerichtet. Aufgrund der materiell-rechtlichen Verbindung der einzelnen Stufen ist es jedoch zulässig, die gesamte Stufenklage abzuweisen, wenn das Auskunftsverlangen aus Gründen verneint wird, nach denen auch eine Verurteilung zur Leistung ausgeschlossen ist.2 Bei der Ermittlung von Rechtsmittelstreitwert und Beschwer ist daher danach zu differenzieren, ob nur über eine Stufe (positiv oder negativ) oder über die gesamte Stufenklage (negativ) erkannt worden ist. 1. Als Teilurteil

5100

Beschränkt sich die Abweisung – etwa wegen bereits erteilter Auskunft – auf das Auskunftsbegehren, dann ist die Beschwer des Klägers nach seinem Auskunftsinteresse zu bemessen. Dessen Wert bestimmt sich gem. § 3 ZPO danach, in welchen Umfang die Durchsetzbarkeit des Leistungsanspruchs von der Auskunft abhängt.3

5101

Die demnach gebotene Bruchteilsbewertung bewegt sich nach der Rechtsprechung zwischen 1/10 und 1/4 und hängt im Einzelfall von der Kenntnis des Kläger betreffend zur Begründung des Leistungsanspruchs maßgeblichen Umstände ab.4 Sie entspricht in der Regel derjenigen des Gebührenstreitwerts.

5102

Wenn der Beklagte gegen seine Verurteilung zur Auskunftserteilung ein Rechtsmittel einlegt, ist der Streitwert (und seine Beschwer) nach dem Interesse zu bemessen, das er daran hat, die Rechnung nicht legen zu müssen.5 Dieses bemisst sich regelmäßig nach dem Aufwand des Beklagten an Arbeitszeit und Kosten, die mit der Erteilung einer sorgfältig erteilten Auskunft ver1 BGH, Urt. v. 26./28.5.1965 – III ZR 67/64, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 131. 2 BGH LM ZPO § 254 Nr. 8 = MDR 1964, 655; Zöller/Greger, § 254 ZPO Rn. 9; a.A. OLG Hamm, NJW-RR 1990, 709. 3 BGH, Beschl. v. 20.3.2002 – IV ZR 3/01, juris; BGH, Beschl. v. 1.10.2001 – II ZR 217/ 01 – MDR 2002, 107 = AGS 2002, 112 = NJW 2002, 71; BGH, Urt. v. 31.3.1993 – XII ZR 67/92, FamRZ 1993, 1189 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 24.11.1994 – GSZ 1/94, BGHZ 128, 85 = GmbHR 1995, 301 = BRAK 1995, 131. 4 BGH, Beschl. v. 20.3.2002 – IV ZR 3/01, juris = BGHR 2002, 951; BGH, Urt. v. 8.1.1997 – XII ZR 307/95, MDR 1997, 504 = NJW 1997, 1016 = FamRZ 1997, 546; BGHZ 128, 85; OLG Düsseldorf, MDR 1963, 937; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 Rn. 21; a.A. OLG Köln, MDR 1963, 144. 5 BGH, Beschl. v. 14.1.2009 – XII ZB 146/08, MDR 2009, 521 = NJW-RR 2009, 793 = FamRZ 2009; (GrZS), Beschl. v. 24.11.1994 – GSZ 1/94, BGHZ 128, 85 = GmbHR 1995, 301 = BRAK 1995, 131; OLG Celle, JurBüro 1969, 174; OLG Köln, Beschl. v. 12.6.2007 – 2 W 41/07, JurBüro 2007, 488 = InVo 2008, 22 – Vollstreckungsabwehrklage.

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Stufenklage bunden ist.1 Hier können neben dem persönlichen Einsatz auch der Aufwand für Leistungen Dritter in Ansatz gebracht werden, insbesondere von Hilfskräften, Steuerberatern und Rechtsanwälten, soweit deren Hinzuziehung aus sachlichen Gründen, d.h., zur Erfüllung der Auskunftspflicht erforderlich ist.2 Nach oben begrenzt wird die Beschwer des Beklagten durch das Interesse des Klägers an der Auskunft.3 Ist die Auskunftsverurteilung zu unbestimmt und nicht vollstreckungsfähig, dann bemisst sich die Beschwer nach den mit Abwehr der ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung verbundenen (Anwalts-)Kosten.4

5103

Im Einzelfall kann ein besonderes Geheimhaltungsinteresse des Beklagten zu berücksichtigen sein. Erforderlich ist hierfür, dass der Beklagte die mit der Auskunft verbundenen Nachteile konkret darlegt.5 In der Person des die Auskunft Begehrenden muss die konkrete Gefahr begründet sein, dass dieser die ihm mit der Auskunftserteilung offenbarten Tatsachen in einer Weise gebrauchen, die schützenswerte (wirtschaftliche) Interessen des Beklagten gefährden könnten.6 Allein die Geheimhaltungsverpflichtung des Beklagten gegenüber einem Dritten ist nicht werterhöhend zu berücksichtigen.7

5104

Das Interesse, die Auskunft wegen eventuell damit verbundener steuerstrafrechtlicher Folgen nicht zu erteilen und damit verbundenen Rechtsverfolgungskosten nicht aufwenden zu wollen, ist insoweit nicht erheblich. Denn etwaige steuerstrafrechtliche Nachteile wären nicht Folge der Auskunftserteilung, sondern des vorangegangenen Fehlverhaltens.8

5105

Für die Wertbemessung unerheblich ist auch das Bestreben des Beklagten, die Rechtsverfolgung des Klägers zu erschweren oder zu vereiteln, sowie der Wunsch, mit der Entscheidung über die Auskunft auch den Grund des Leistungsanspruchs zu präjudizieren.9

5106

S. auch das Stichwort „Auskunftsanspruch“. 1 BGH, Beschl. v. 3.11.2004 – XII ZB 165/00, FamRZ 2005, 104 = FuR 2005, 186 = BGH/ NV 2005, 284; Beschl. v. 24.7.2002 – XII ZB 31/02 – FamRZ 2003, 597 = FuR 2003, 47; OLG Köln, Beschl. v. 12.6.2007 – 2 W 41/07, JurBüro 2007, 488 = InVo 2008, 22 – Vollstreckungsabwehrklage; OLG Schleswig, Urt. v. 6.2.1996 – 8 UF 114/95, OLGR 1996, 171; OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.9.2001 – 4 U 142/01, CR 2001, 817; Urt. v. 30.9.1998 – 20 U 21/98, ZIP 1998, 1880 = DB 1998, 2210 = AG 1999, 280. 2 BGH, Beschl. v. 22.4.2009 – XII ZB 49/07, BGHR 2009, 885 = MDR 2009, 929 = NZG 2009, 1211 = NZG 2009, 755 = NJW 2009, 2218 – Auskunft bzgl. Gesellschaftsbeteiligungen; Beschl. v. 24.7.2002 – XII ZB 31/02, FamRZ 2003, 597 = FR 2003, 47 = FuR 2003, 145; BGH, Beschl. v. 31.10.2001 – XII ZB 161/01, FuR 2002, 161. 3 OLG Köln, Beschl. v. 8.7.1992 – 19 U 78/92, JurBüro 1993, 165. 4 BGH, Urt. v. 11.7.2001 – XII ZR 14/00, BGHR 2001, 892 = NJW-RR 2002, 145 = FamRZ 2002, 666. 5 BGH v. 4.7.2001 – IV ZB 7/01, BGHR 2001, 809 in Abgrenzung zu BGH, NJW 1999, 3049; Beschl. v. 10.6.1999 – VII ZB 17/98, MDR 1999, 1082 = NJW 1999, 3049. 6 BGH, Beschl. v. 22.2.1995 – IV ZB 20/94, NJW-RR 1995, 764; OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.9.2001 – 4 U 142/01, CR 2001, 817. 7 OLG Celle, Beschl. v. 13.8.1996 – 11 U 106/96, OLGR Celle 1997, 60. 8 BGH, Beschl. v. 16.8.2000 – XII ZB 98/98, NJW-RR 2001, 210 = FuR 2001, 234. 9 BGH, Beschl. v. 24.7.2002 – XII ZB 31/02, FamRZ 2003, 597; Beschl. v. 10.6.1999 – VII ZB 17/98; JurBüro 1984, 382 = WPM 1984, 180 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 668 mit Anm. Schneider; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.12.2001 – 7 U 167/01, OLGR 2002, 419; OLG Stuttgart, CR 2001, 817.

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Stufenklage 2. Als (abweisendes) Gesamturteil 5107

Weist das Gericht über den Auskunftsantrag hinaus die Stufenklage wegen Fehlens einer materiell-rechtlichen Grundlage für die mit ihr verfolgten Ansprüche insgesamt ab, bestimmt sich die Beschwer des Klägers nach dem vollen Wert des Leistungsanspruchs. Denn mit der bestandskräftigen Entscheidung wird der Leistungsanspruch rechtkräftig aberkannt.1

II. Bescheidung des Versicherungsanspruchs 1. Als Teilurteil 5108

Beschränkt sich die Abweisung auf das Versicherungsbegehren, etwa wegen fehlender Besorgnis der sorgfaltswidrigen Auskunft (§ 259 Abs. 2 BGB) oder weil eine Verpflichtung zur Versicherung aufgrund der geringen Bedeutung der Angelegenheit ausgeschlossen ist (§ 259 Abs. 3 BGB), dann ist die Beschwer des Klägers nach seinem fortdauernden Auskunftsinteresse und damit nach einem Bruchteil des angestrebten Mehrbetrags zu bemessen und entspricht damit der Bewertung beim Gebührenstreitwert.2

5109

Unzutreffend ist es, demgegenüber auf den Wert des Hauptanspruchs abzustellen3 oder die Differenz zwischen dem Wert des Auskunftsanspruchs und dem Hauptsachewert4 abzustellen. Denn die Versicherung dient nur der Vorbereitung der Durchsetzung eines über den Inhalt der Auskunft hinausgehenden Leistungsanspruchs.

5110

Im Falle der Verurteilung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bemisst sich die Beschwer des Beklagten – wie bei Verurteilung zur Auskunft – nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, den die Abgabe der Versicherung erfordert.5 Hierbei wird die Berücksichtigung des Aufwandes durch den Wert des Auskunftsanspruchs begrenzt.6 2. Als (abweisendes) Gesamturteil

5111

Ein abweisendes Endurteil in der zweiten Stufe ist praktisch kaum denkbar, da die gemeinsame materiell-rechtlichen Grundlage der einzelnen Stufen bereits bei der Bescheidung des Auskunftsanspruch hätte geprüft werden müssen. Es verbleiben daher Fälle, in denen, etwa aufgrund (zwischenzeitlicher) 1 BGH, Beschl. v. 1.10.2001 – II ZR 217/01, BGHR 2002, 38 = MDR 2002, 107 = AGS 2002, 112 = LM ZPO § 3 Nr. 111 (3/2002) = NJW 2002, 71; Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091. 2 OLG Düsseldorf, MDR 1963, 937; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Stufenklage“ Rn. 10. 3 So aber OLG Celle, NJW 1954, 1493. 4 So OLG Köln, MDR 1963, 144. 5 BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZR 107/08, AGS 2009, 240 = NJW-RR 2009, 549; Beschl. v. 30.3.2000 – III ZB 2/00, NJW 2000, 2113; Beschl. v. 13.4.1994 – XII ZB 33/94, NJWRR 1994, 898; MDR 1991, 679 = NJW 1991, 1833 = FamRZ 1991, 791; Beschl. v. 27.3.1991 – XII ZB 25/91, NJW-RR 1991, 956; OLG Dresden, Urt. v. 12.4.2000 – 6 U 3646/99, OLG-NL 2001, 1. 6 BGH, Beschl. v. 13.4.1994 – XII ZB 33/94, NJW-RR 1994, 898; BGH, Urt. v. 20.6.1991 – I ZR 13/90, MDR 1992, 302 = NJW-RR 1991, 1467 = GRUR 1991, 873; OLG Köln, Beschl. v. 19.9.1997 – 4 UF 122/97, OLGR 1998, 307 = FamRZ 1998, 1309.

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Stufenklage Auskunftserteilung, das Auskunftsverlangen nicht mehr aufrechterhalten oder sogleich mit der zweiten Stufe begonnen wird. Im Falle der vollumfänglichen Abweisung der Stufenklage entspricht auch hier die Beschwer des Klägers dem (geschätzten) Wert des Leistungsanspruchs. Insoweit kann auf die Ausführungen oben Rn. 5107 verwiesen werden.

III. Bescheidung des Leistungsanspruchs 1. Als Schlussurteil Wird über den Leistungsanspruch eigenständig erst auf der letzten Stufen entschieden, dann folgt die Bewertung der Beschwer des Klägers dem Umfang der Abweisung und die Beschwer des Beklagten dem Umfang der Stattgabe des nunmehr bezifferten Leistungsantrags.

5112

2. Als (abweisendes) Gesamturteil Wird der Leistungsanspruch zusammen mit dem vorbereitenden Anspruch bereits auf der ersten Stufe abgewiesen, bemisst sich die Beschwer des Klägers nach dem Wert des Leistungsanspruchs. Denn dieser wird, anders als bei einer nur auf den Auskunftsanspruch beschränkten Abweisung, rechtskräftig aberkannt.1

5113

IV. Instanzielle Unterschiede Diese treten auf, wenn das Rechtsmittelgericht abweichend vom Ausgangsgericht nur über einen Stufenantrag oder weitergehend über die gesamte Stufenklage entscheidet. Hier ist wie folgt zu differenzieren:

5114

Ist bei einer Stufenklage erstinstanzlich der Auskunftsanspruch durch Teilurteil zuerkannt und im Berufungsverfahren die gesamte Klage abgewiesen, so ist bei uneingeschränkter Revision für den Streitwert der Revisionsinstanz2 und für die Urteilsgebühr des Berufungsverfahrens der volle Wert der Klage maßgebend.3 Erfolgt die Abweisung erst im Revisionsverfahren, führt dies nicht zu einer nachträglichen Erhöhung des Berufungswerts,4 denn die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Wertvorschrift müssen ausgehend vom „Grundsatz der nach Instanzen getrennten Wertfestsetzung“5 innerhalb der Instanz erfüllt werden.

5115

Bei erstinstanzlicher Abweisung der Stufenklage und zweitinstanzlicher Verurteilung zur Auskunft und Rückverweisung im Übrigen, beschränkt sich die Revisionsbeschwer des Beklagten auf die Verurteilung zur Auskunft. Das Interesse des Beklagten an einem abschließenden, ihm günstigen Sachurteil

5116

1 BGH, Beschl. v. 1.10.2001 – II ZR 217/01, MDR 2002, 107 = NJW 2002, 71 = AGS 2002, 112. 2 BGH, NJW 1960, 576 – Abgrenzung zu BGH, NJW 1959, 1827. 3 BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091 = NJW-RR 1992, 1021 – Abgrenzung zu BGH, GRUR 1959, 552 = MDR 1959, 909 = NJW 1959, 1827. 4 KG, Beschl. v. 5.3.1997 – 24 U 1574/95, KGR 1997, 152. 5 Vgl. BGH, Urt. v. 10.7.1986 – I ZR 102/84, MDR 1987, 117 = Rpfleger 1987, 37.

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Stufenklage geht über den Gegenstand der angefochtenen Entscheidung hinaus und rechtfertigt nicht die Annahme einer höheren Beschwer. Denn mangels sachlicher Entscheidung der weiteren Stufen ist noch nicht ersichtlich, dass mit der Zurückverweisung eine für den Beklagten letztlich ungünstige Entscheidung vorliegt. Dies erhellt der Umstand, dass das Berufungsgericht von einer Zurückverweisung hätte absehen könne und durch Teilurteil über den Auskunftsanspruch entscheiden können.1 5117

Auch bei Abweisung einer erst im zweiten Rechtszug erhobenen Stufenklage ist der Leistungsanspruch wertbestimmend2 und dementsprechend auch der Revisionswert anzusetzen. Wird hingegen der erst zweitinstanzlich erhobenen Stufenklage hinsichtlich des Auskunftsanspruchs stattgegeben und der Rechtsstreit wegen des Leistungsanspruchs zurückverwiesen, bestimmt sich die Beschwer des Beklagten für das Revisionsverfahren allein nach dem mit der Erfüllung des Auskunftsanspruchs verbundenen Aufwand.3

E. Vergleich 5118

Wird der Rechtsstreit durch den Abschluss eines Vergleich beendet, bestimmt sich der Gegenstandwert der Einigungsgebühr grundsätzlich nach dem Wert der von der Einigung erfassten Ansprüche (s. zu den Einzelheiten unter dem Stichwort „Vergleich“). Daher ist für die Bewertung maßgeblich, welche Ansprüche (Stufe) der Stufenklage abschließend erledigt werden.

5119

Einigen sich die Parteien über den vom Kläger geltend gemachten (unbezifferten) Leistungsanspruch (3. Stufe), ist für den Vergleichswert der nach § 44 GKG (§ 18 GKG a.F.) zu bestimmende Hauptsachewert maßgeblich. Dies unabhängig davon, ob die Einigung im Prozess erst auf der 3. Stufe erzielt wird, also nach bezifferter Antragstellung, oder bereits vor Auskunftserteilung oder Versicherung an Eides statt. Zu beachten bleibt jedoch, dass bei einer Einigung (erst) auf der 3. Stufe der Gegenstandswert nach dem nunmehr bezifferten und nicht nach dem eingangs (§ 40 GKG entspricht § 15 GKG a.F.) geschätzten Hauptsachewert zu bemessen ist.

5120

Beschränkt sich der Vergleich auf eine Einigung über Auskunft bzw. Rechnungslegung (1. Stufe) entspricht der Vergleichswert folglich nicht dem (geschätzten) Wert der Leistungsstufe, wenn durch den Vergleich der Rechtstreit zwar insgesamt erledigt wird, die Parteien sich inhaltlich aber nur über den Auskunftsanspruch vergleichen.4

1 BGH, Beschl. v. 3.7.2002 – IV ZR 191/01, MDR 2002, 1390 = NJW 2002, 3477 = FamRZ 2003, 87 = BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse Nr. 52; BGH, Beschl. v. 23.3.1970 – VII ZR 137/68, MDR 1970, 671 = NJW 1970, 1083. 2 KG, JurBüro 1973, 754. 3 BGH, Beschl. v. 15.2.2000 – X ZR 127/99, NJW 2000, 1724. 4 LAG Düsseldorf, Beschl. v. 19.12.2001 – 7 Ta 425/01, juris = Bibliothek BAG.

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Kurpat

Tauschvertrag

Tagebuch Bei der Klage auf Herausgabe eines Tagebuches ist der Gebührenstreitwert in der Regel nach § 48 Abs. 2 GKG zu bemessen, da es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit handelt.1 Der Wert ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Ermessen zu bestimmen und darf 1.000.000 Euro nicht übersteigen. Der Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze nach § 3 ZPO zu schätzen.

5121

Tankstellendienstbarkeit Literatur: Schalhorn, JurBüro 1974, 169.

Bei Streit über die Verpflichtung zur Eintragung einer Tankstellendienstbarkeit ist der Wert weder analog § 24 KostO noch gem. § 7 ZPO noch nach dem Gewinn der Tankstelle zu bemessen, sondern gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Klägers auf Sicherung seines Rechts durch Eintragung im Grundbuch.2

5122

Auf den 20-fachen Jahresbetrag (noch ausstehende Vertragsdauer) der zu zahlenden Mindestvergütung hat das OLG Celle3 gem. § 9 ZPO a.F. (§ 9 Satz 1 ZPO i.d.F. des KostRÄndG 1994 sieht nur noch den 3,5-fachen Jahresbetrag als Höchstwert vor) in folgendem Fall bewertet: Aufgrund eines Tankstellenvertrages hatte der Grundeigentümer einem Betriebsstoffkonzern eine Grundfläche zum Bau und Betrieb einer Tankstelle gegen Umsatzbeteiligung überlassen. Dieses Nutzungsrecht war durch eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit dinglich gesichert. Zusätzlich hatte der Grundstückseigentümer dem Konzern ein Vorkaufsrecht für die überlassene Grundfläche einräumen und sich einem Konkurrenzverbot unterwerfen müssen.

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S. im Übrigen bei dem Stichwort „Dienstbarkeit (§ 1090 BGB)“.

Tauschvertrag Die Bewertung richtet sich danach, welche Ansprüche aus dem Tauschvertrag hergeleitet werden. Beim Tausch beweglicher Sachen beispielsweise richtet sich der Wert des Herausgabeverlangens des Klägers nach dem Verkehrswert der ihm gebührenden Sache (§ 6 ZPO).

1 KG, JurBüro 1969, 1190. 2 OLG Nürnberg, Beschl. v. 11.1.1967 – 5 W 73/66, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 166; JurBüro 1967, 829. 3 OLG Celle, Beschl. v. 12.7.1955 – 3 W 86/55, JurBüro 1955, 443.

Onderka

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Teil des Hauptanspruchs

Teil des Hauptanspruchs A. Zuständigkeitsstreitwert 5125

Wird nur ein Teil des Hauptanspruchs eingeklagt, so richtet sich der Zuständigkeitsstreitwert auch nur nach dem Wert dieses Teils (§§ 3 ff. ZPO).

5126

Werden im Verlaufe des Rechtsstreits Teile des Hauptanspruchs ausgetauscht, wird – im Gegensatz zum Gebührenstreitwert (s. Rn. 5132 ff.) – nicht addiert. Es gilt immer nur der aktuelle Wert.

* Æ Beispiel: Der Mieter schuldet für insgesamt zwölf Monate (Januar bis Dezember) Miete zu jeweils 1.000 Euro. Der Vermieter erhebt eine Teilklage über die ersten fünf Mieten (Januar bis Mai). Der Mieter zahlt daraufhin drei Mieten, sodass insoweit der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt wird. Gleichzeitig wird die Klage um weitere drei Mieten (Juni bis August) erweitert. Der Zuständigkeitsstreitwert betrug bei Klageeinreichung 5.000 Euro. Er verringerte sich dann durch die übereinstimmende Erledigung um 3000 Euro und erhöhte sich durch die Klageerweiterung wieder um 3.000 Euro, sodass er bei 5.000 Euro blieb. Nur für den Gebührenstreitwert wäre zu addieren gewesen (§ 39 Abs. 1 GKG). S. Rn. 5132 ff.

5127

Wird später die Klage erweitert, kommt es auf den Gesamtwert an, nicht auf den Teil der anfangs geltend gemacht worden war. Daher kann die Klageerweiterung zur Zuständigkeit des Landgerichts führen, wenn durch sie der Wert über 5.000 Euro überschritten wird. Das Verfahren richtet sich dann nach § 506 ZPO.

* Æ Beispiel: Eingeklagt werden 4.500 Euro. Später wird die Klage um weitere 1.000 Euro erweitert. Der Zuständigkeitsstreitwert betrug bei Klageeinreichung 4.500 Euro. Er erhöhte sich durch die Klageerweiterung auf 5.500 Euro, sodass nunmehr das Landgericht zuständig ist.

5128

Wird zwar nur ein Teil des Hauptanspruchs eingeklagt, daneben aber im selben Prozess eine Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) erhoben, so richtet sich der Wert der Teilklage nach dem Wert, der beziffert oder bestimmt geltend gemachten Leistung (§ 3 ZPO). Der Wert der Zwischenfeststellungsklage richtet sich nach der Summe aller Gegenstände, die hier in Betracht kommen – einschließlich der beziffert oder bestimmt geltend gemachten. Hiervon ist dann wie bei einer Feststellungsklage ggf. ein Abschlag vorzunehmen (s. Rn. 2289). Die Werte von Klage und Zwischenfeststellungsklage sind sodann zusammenzurechnen (§ 5 ZPO), wobei zu beachten ist, dass hinsichtlich der Schadenspositionen, die bereits durch die Teilklage erfasst sind, wirtschaftliche Identität besteht und damit ein Additionsverbot.

* Æ Beispiel: Ausgehend von einer 100 %igen Haftung klagt der Kläger aus einem Verkehrsunfall 5.000 Euro Sachschaden ein und beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm den gesamten Schaden aus dem zugrunde liegenden Verkehrsunfall zu ersetzen. Zu erwarten sind noch weitere Schäden (Nutzungsausfall, Sachverständigenkosten, Schmerzensgeld etc.) i.H.v. weiteren 5.000 Euro.

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N. Schneider

Teil des Hauptanspruchs Der Wert der Klageforderung beläuft sich auf 5.000 Euro. Für die Zwischenfeststellungsklage ist von dem Gesamtschaden i.H.v. 10.000 Euro auszugehen. Geht man von einem Feststellungsabschlag von 20 % aus, beträgt der Wert der Zwischenfeststellungsklage 8.000 Euro. Da in der Zwischenfeststellungsklage bereits 80 % des Sachschadens enthalten sind, darf insoweit nicht addiert werden. In Höhe von 80 % aus 5.000 Euro besteht wirtschaftliche Identität. Der Streitwert des Verfahrens beläuft sich insgesamt auf 9.000 Euro. Zum selben Ergebnis käme man auch, wenn man zu den 5.000 Euro der Leistungsklage 80 % der weiteren Ansprüche, also 4.000 Euro hinzuaddiert. Dies mag für den Zuständigkeitsstreitwert unerheblich sein. Beim Gebührenstreitwert würde dies jedoch zu falschen Ergebnissen führen. S. unten Rn. 5144 f.

Wird vom Beklagten eine negative Feststellungswiderklage erhoben, mit der festgestellt werden soll, dass dem Kläger keine (weiteren) Forderungen zustehen, so ist auch der Wert dieser Widerklage für den Zuständigkeitsstreitwert zu beachten. Eine Addition findet dagegen – im Gegensatz zum Gebührenstreitwert – nicht statt.

5129

* Æ Beispiel: Wie vorausgegangenes Beispiel. a) Der Beklagte beantragt Klageabweisung und erhebt Widerklage, dass dem Kläger auch keine weiteren Schadensersatzansprüche zustehen. b) Der Beklagte beantragt Klageabweisung und erhebt Widerklage, dass dem Kläger überhaupt keine Schadensersatzansprüche zustehen. Im Fall a) beträgt der Wert der Widerklage 5.000 Euro, da sich der Kläger weiterer 5.000 Euro berühmt. Ein Feststellungsabschlag ist bei negativer Feststellung nicht vorzunehmen. S. „Feststellungsklage“ Rn. 2300. Der Zuständigkeitsstreitwert bleibt daher bei 5.000 Euro. Im Fall b) erstreckt sich die negative Feststellung auf die gesamten 10.000 Euro, sodass jetzt ihr Wert 10.000 Euro beträgt und damit die Zuständigkeit des Landgerichts gegeben ist. Das Verfahren richtet sich dann nach § 506 ZPO. Ob die negative Feststellungsklage zulässig ist, spielt für den Zuständigkeitsstreitwert keine Rolle. Im Übrigen ist sie zulässig. Soweit sie die bereits rechtshängigen 5.000 Euro erfasst, entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für die negative Feststellung erst mit mündlicher Verhandlung, weil dann die Klage nicht mehr ohne Einwilligung des Beklagten zurückgenommen werden kann. Hiernach müsste sie aber auch als Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) zulässig bleiben.

B. Rechtsmittelstreitwert Soweit es für den Rechtsmittelstreitwert nicht auf die Beschwer, sondern auf den Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ankommt, richtet sich die Zulässigkeit nach dem Wert des Streitgegenstands, wegen dem das Rechtsmittel durchgeführt wird. Soweit also eine Entscheidung nur wegen eines Teils des Streitgegenstands angefochten wird, kommt es nur auf den Wert der Teilanfechtung an.

* Æ Beispiel: Die Klage über eine Forderung i.H.v. 1.000 Euro ist abgewiesen worden. Der Kläger will wegen 500 Euro Berufung einlegen. Die Beschwer beläuft sich zwar auf 1.000 Euro. Der Wert des Beschwerdegegenstands würde sich bei einer Teilanfechtung von 500 Euro jedoch nur auf diesen Betrag belaufen. Eine Berufung mit dieser Maßgabe wäre unzulässig, da sie den Berufungswert von 600,01 Euro (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht erreicht. Die Berufung wäre nur bei Zulassung statthaft (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

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Teil des Hauptanspruchs 5131

Soweit eine Abhilfemöglichkeit besteht (wie z.B. im Kostenfestsetzungsverfahren oder im Verfahren auf Streitwertfestsetzung), kommt es auf den nach Abhilfe noch verbleibenden Teil an, nicht auf den ursprünglichen Wert.

* Æ Beispiel: Gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss wird sofortige Beschwerde erhoben, da 250 Euro aus sich des Erstattungsberechtigten zu Unrecht abgesetzt worden sind. Der Rechtspfleger hilft teilweise ab und setzt weitere 100 Euro fest. Der Wert des Beschwerdegegenstands ist infolge der Teilabhilfe auf 150 Euro gesunken. Die sofortige Beschwerde ist damit nicht mehr zulässig.

C. Gebührenstreitwert für die Gerichtskosten I. Nur Teil des Hauptanspruchs ist eingeklagt 5132

Wird nur ein Teil des Hauptanspruchs eingeklagt, so richtet sich auch der Gebührenstreitwert nur nach dem Wert dieses Teils (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO). Wird später die Klage erweitert, kommt es auf den Gesamtwert an (§ 39 Abs. 1 GKG).

5133

Das gilt auch dann, wenn nacheinander verschiedene Teile des Hauptanspruchs eingeklagt werden.

* Æ Beispiel: Nach einem Verkehrsunfall klagt der Kläger zunächst nur 5.000 Euro Reparaturkosten ein. Da er die Zahlung des Kaskoversicherers übersehen hat, nimmt er die Klage insoweit wieder zurück und macht nunmehr Nutzungsausfall, Sachverständigenkosten, Schmerzensgeld i.H.v. insgesamt 5.000 Euro geltend. Nach § 39 Abs. 1 GKG sind die Werte aller Gegenstände zusammenzurechnen. Der Gebührenstreitwert beläuft sich auf 10.000 Euro.

5134

Wird nur ein Teil des Hauptanspruchs eingeklagt, daneben aber im selben Prozess eine Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) erhoben, so richtet sich der Wert der Teilklage nach dem Betrag, der beziffert geltend gemachten Schadenspositionen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO). Der Wert der Zwischenfeststellungsklage richtet sich nach der Summe aller Schadenspositionen, die hier in Betracht kommen – einschließlich der beziffert geltend gemachten. Hiervon ist dann wie bei einer Feststellungsklage ggf. ein Abschlag vorzunehmen (s. Rn. 5128). Die Werte von Klage und Zwischenfeststellungsklage sind sodann zusammenzurechnen, wobei zu beachten ist, dass hinsichtlich der Schadenspositionen, die bereits durch die Teilklage erfasst sind, wirtschaftliche Identität besteht und damit ein Additionsverbot.

* Æ Beispiel: Wie Beispiel Rn. 5133. Der Wert der Klageforderung beläuft sich auf 5.000 Euro; der Wert der Zwischenfeststellungsklage auf 10.000 Euro abzüglich eines eventuellen Feststellungsabschlags von 20 %. Unzutreffend wäre es hier zu den 5.000 Euro der Leistungsklage 80 % der weiteren Ansprüche, also 4.000 Euro hinzuzuaddieren, denn aus dem Wert der Feststellung können gesonderte Gebühren anfallen.

* Æ Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel. Der Versicherer erkennt den Feststellungsantrag an, sodass insoweit ein Teilanerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren nach § 307 ZPO ergeht. Hiernach zahlt der Versicherer 4.000 Euro auf den Sachschaden, da sich

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Teil des Hauptanspruchs die Reparaturkosten nach seiner Auffassung nur auf diesen Betrag belaufen. Insoweit wird der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt und der Kläger nimmt die Klageorderung i.H. der weiteren 1.000 Euro zurück. Die Terminsgebühr (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG) ist nach dem Wert der Zwischenfeststellungsklage angefallen, also aus den vollen 9.000 Euro – nicht etwa nur aus 4.000 Euro.

II. Hauptanspruch ist voll eingeklagt, Gebühren fallen aber nur aus einem Teil an 1. Gebühren nur nach Teilwerten Für Handlungen, die nur einen Teil des Streitgegenstands betreffen, sind die Gerichtsgebühren nur nach dem Wert dieses Teils zu berechnen (§ 36 Abs. 1 GKG).

5135

Damit sind die Fälle gemeint, in denen in derselben Gebührenangelegenheit einzelne Gebühren nach Teilwerten anfallen. Nicht gemeint sind damit die Fälle verschiedener Instanzen, etwa bei einer Teilanfechtung. Dann gelten die §§ 40, 47 GKG. Jede Instanz ist gesondert zu bewerten.

5136

Solche Prozesslagen, in denen sich die Gebühren gem. § 36 Abs. 1 GKG aus Teilwerten berechnen, treten seit dem Wegfall der Urteilsgebühren kaum noch auf. Möglich sind solche Fallkonstellationen z.B. in Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren.

5137

* Æ Beispiel: Es wird eine einstweilige Verfügung beantragt wegen dreier Unterlassungsansprüche (Wert jeweils 20.000 Euro), die vom Gericht auch erlassen wird. Auf den Widerspruch hin beraumt das Gericht mündliche Verhandlung an. Vor der Verhandlung wird der Antrag hinsichtlich eines Unterlassungsanspruchs zurückgenommen. Nach Verhandlung ergeht ein Urteil über die verbliebenen Ansprüche. Für die 1,5-Verfahrensgebühr der Nr. 1410 KV GKG gilt lediglich der Wert von 20.000 Euro, da insoweit der Antrag zurückgenommen worden ist. Für die Erhöhung auf eine 3,0-Gebühr nach Nr. 1412 KV GKG gilt der Wert von 40.000 Euro. Zu rechnen ist also wie folgt: 1,5-Gebühr, Nr. 1410 KV GKG (Wert 20.000 Euro) 3,0-Gebühr, Nr. 1412 KV GKG (Wert 40.000 Euro) Gesamt

432,00 Euro 1.194,00 Euro 1.626,00 Euro1

Des Weiteren können solche Fälle im Verfahren auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde oder im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vorkommen, wenn nur teilweise zugelassen und im Übrigen der Antrag zurückgewiesen wird.

* Æ Beispiel: Es wird gegen das Urteil des OLG (Klageabweisung i.H.v. 60.000 Euro) Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. I.H.v. 40.000 Euro wird der Beschwerde stattgegeben und die Revision zugelassen. Im Übrigen wird der Antrag zurückgenommen oder abgewiesen. Die Gebühr für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (Nrn. 1240, 1241 KV GKG) richtet sich nur nach dem Teilwert von 20.000 Euro. 1 Die Höchstgrenze des § 36 Abs. 3 GKG, nicht mehr als 3,0 aus dem Gesamtwert von 60.000 Euro (= 1.668 Euro), ist nicht erreicht. S. dazu Rn. 5140 f.

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Teil des Hauptanspruchs 5139

In diesen Fällen muss das Gericht nach § 63 Abs. 2 GKG zwei Werte festsetzen, einen Wert für die Gebühr nach Nr. 1410 KV GKG und einen Wert für die Gebühr nach Nr. 1412 KV GKG. Eine Wertfestsetzung nach Zeiträumen – wie sie häufig vorgenommen wird – ist unzulässig. 2. Begrenzung auf eine Gebühr nach dem Gesamtwert

5140

Sind von einzelnen Wertteilen in demselben Rechtszug für gleiche Handlungen Gebühren zu berechnen, darf nicht mehr erhoben werden, als wenn die Gebühr von dem Gesamtbetrag der Wertteile zu berechnen wäre (§ 36 Abs. 2 GKG).

5141

Auch hier kommen Anwendungsfälle kaum vor. Möglich sind solche Fallkonstellationen z.B. in Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren oder im Verfahren auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde oder im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde.

* Æ Beispiel: Es wird der Erlass einer einstweiligen Verfügung (Wert. 5.000 Euro) beantragt. Das Gericht beraumt mündliche Verhandlung an. Vor der Verhandlung wird der Antrag im Wert von 1.000 Euro teilweise zurückgenommen. Nach Verhandlung ergeht ein Urteil über den verbliebenen Anspruch. Jetzt entsteht eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nrn. 1410, 1411 KV GKG aus 1.000 Euro, und eine 3,0-Gebühr nach Nr. 1412 KV GKG aus 4.000 Euro. Insgesamt darf gem. § 36 Abs. 3 GKG jedoch nicht mehr abgerechnet werden als eine 3,0-Gebühr aus dem Gesamtwert. Zu rechnen ist also wie folgt: 1,0-Gebühr, Nrn. 1410, 1411 KV GKG (Wert 1.000 Euro) 3,0-Gebühr, Nr. 1412 KV GKG (Wert 4.000 Euro) Gesamt gem. § 36 Abs. 3 GKG jedoch nicht mehr als 3,0 aus 5.000 Euro

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55,00 Euro 315,00 Euro 370,00 Euro 363,00 Euro

Auch bei mehreren Vergleichen kann ein Fall des § 36 Abs 3 GKG vorkommen, sofern man nicht bereits § 35 GKG – der seinem Wortlaut nach für die Vergleichsgebühr nicht gilt – analog anwendet.

* Æ Beispiel: Es wird ein Teilvergleich geschlossen, der nicht anhängige Gegenstände i.H.v. 5.000 Euro mit einbezieht. Später wird ein Schlussvergleich geschlossen, in dem weitere 10.000 Euro an nicht anhängigen Gegenständen mit verglichen werden. Für den ersten Vergleich fällt nach Nr. 1900 KV GKG eine 0,25-Gebühr aus 5.000 Euro an. Für den zweiten Vergleich fällt erneut eine Gebühr nach Nr. 1900 KV GKG an, diesmal aus 10.000 Euro. Insgesamt darf nach § 36 Abs. 2 GKG nicht mehr erhoben werden als eine 0,25Gebühr aus dem Gesamtwert von 15.000 Euro. Zu rechnen ist also wie folgt: 0,25-Gebühr, Nr. 1900 KV GKG. (Wert 5.000 Euro) 30,25 Euro 0,25-Gebühr, Nr. 1900 KV GKG (Wert 10.000 Euro) 49,00 Euro insgesamt nicht mehr als 0,25-Gebühr aus 15.000 Euro 60,50 Euro

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Die Vorschrift des § 36 Abs. 3 GKG gilt auch im Verhältnis der Verfahrensgebühr zur Vergleichsgebühr.1

1 OLG Köln, Beschl. v. 22.4.2010 – 27 WF 175/09, AGS 2010, 337 = NJW-RR 2010, 1512 = NJW-Spezial 2010, 433.

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Teil des Hauptanspruchs

D. Gebührenstreitwert für die Anwaltsgebühren Für den Gebührenstreitwert der Anwaltsgebühren gilt Gleiches wie für die Gerichtsgebühren (§ 23 Abs. 1 Satz 1, 3 RVG), wobei sich hier Abweichungen ergeben können.

5144

Auch bei den Anwaltsgebühren kann es vorkommen, dass innerhalb derselben Angelegenheit gleichartige Gebühren aus Teilen des Gegenstandswertes nach verschiedenen Gebührensätzen anfallen. In diesem Fall gilt § 15 Abs. 3 RVG. Danach erhält der Anwalt höchstens eine Gebühr nach dem höchsten Gebührensatz aus dem Gesamtwert.

5145

* Æ Beispiel: In einem Rechtsstreit über 8.000 Euro ergeht zunächst ein Versäumnisurteil im schriftlichen Verfahren. Daraufhin wird Einspruch eingelegt, dieser aber auf 6.000 Euro beschränkt. Darüber wird verhandelt.

Die Terminsgebühr aus dem Teilwert von 2.000 Euro entsteht nur zu 0,5 (Nrn. 3104, 3105 VV RVG). Die Terminsgebühr aus 6.000 Euro entsteht dagegen in voller Höhe zu 1,2 (Nr. 3104 VV RVG), da insoweit verhandelt worden ist. Es ergibt sich folgende Berechnung: 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 8.000 Euro) 2. 0,5-Terminsgebühr, Nrn. 3104, 3105 VV RVG (Wert: 2.000 Euro) 3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 6.000 Euro) 4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

535,60 Euro 66,50 Euro 405,60 Euro 20,00 Euro 1.027,70 Euro 195,26 Euro 1.222,96 Euro

Voraussetzung für die Anwendung des § 15 Abs. 3 RVG ist, dass die Gebühren in derselben Angelegenheit entstehen. Daher gilt § 15 Abs. 3 RVG nicht, wenn das Gesetz anordnet, dass zwei verschiedene Angelegenheiten vorliegen, etwa bei Urkunden- und Nachverfahren (§ 17 Nr. 5 RVG) oder beim Verfahren nach Zurückverweisung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 RVG).

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Zu beachten ist, dass die Summe der Einzelgebühren niemals den Wert einer Gebühr nach dem höchsten Gebührensatz aus dem Gesamtwert übersteigen darf (§ 15 Abs. 3, 2. Halbs. RVG). Übersteigt die Summe der Einzelgebühren einen Betrag nach dem höchsten Satz aus dem Gesamtwert, so sind die Einzelgebühren auf diesen Betrag zu begrenzen.

5147

Hauptanwendungsfall des § 15 Abs. 3, 2. Halbs. RVG ist die Einigung, in die nicht anhängige Ansprüche einbezogen werden. Hier kann § 15 Abs. 3 RVG sowohl hinsichtlich der Verfahrens- als auch der Einigungsgebühr zu berücksichtigen sein. Der Anwalt erhält für die rechtshängigen Ansprüche eine 1,3Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) und eine 1,0-Einigungsgebühr (Nrn. 1000, 1003 VV RVG). Für die nicht anhängigen Ansprüche erhält er daneben eine 0,8-Verfahrensgebühr (Nrn. 3100, 3101 Nr. 2 VV RVG) sowie eine 1,5Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV RVG).

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* Æ Beispiel: In einem Rechtsstreit werden 10.000 Euro eingeklagt. Die Parteien einigen sich außergerichtlich über die gesamte Klageforderung sowie über weitere 6.000 Euro, die

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Teil des Hauptanspruchs bislang nicht anhängig waren, und lassen diesen Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO protokollieren. 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 Euro) 2. 0,8-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100 3101 Nr. 2 VV RVG (Wert: 6.000 Euro) gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,3 aus 16.000 Euro 3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 16.000 Euro)1 4. 1,0-Einigungsgebühr, Nr. 1000, 1003 VV RVG (Wert: 10.000 Euro) 5. 1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV RVG (Wert: 6.000 Euro) gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,5 aus 16.000 Euro 6. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 7. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

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631,80 Euro 270,40 Euro 735,80 Euro 679,20 Euro 486,00 Euro 507,00 Euro 849,00 Euro 20,00 Euro 2.284,00 Euro 433,96 Euro 2.717,96 Euro

Des Weiteren ist ein Fall des § 15 Abs. 3 RVG gegeben, wenn mehrere Auftraggeber nur hinsichtlich eines Teils des Streitgegenstandes gemeinschaftlich beteiligt sind. Aus dem Teil der einfachen Beteiligung entsteht dann nur die einfache Gebühr; aus dem Wert der mehrfachen Beteiligung entsteht eine nach Nr. 1008 VV RVG erhöhte Gebühr. Alsdann ist nach § 15 Abs. 3, 2. Halbs. RVG zu kürzen.2

* Æ Beispiel: Der aus einem Verkehrsunfall Geschädigte erhebt eine Schadensersatzklage (2.000 Euro) gegen den gegnerischen Fahrer, Halter und Haftpflichtversicherer. Der verklagte Halter erhebt daraufhin Widerklage gegen den Kläger und dessen Haftpflichtversicherer i.H.v. 10.000 Euro. Beide Anwälte sind hier nach einem Gegenstandswert von 12.000 Euro tätig geworden, da Klage und Widerklage addiert werden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 45 Abs. 1 GKG). Der Anwalt des Klägers ist dabei nach einem Gegenstandswert von 2.000 Euro für einen Auftraggeber (Kläger) tätig geworden und nach einem Gegenstandswert i.H.v. 10.000 Euro für zwei Auftraggeber (Kläger und drittwiderbeklagter Haftpflichtversicherer). Der Anwalt des Beklagten wiederum ist nach einem Gegenstandswert von 2.000 Euro für drei Auftraggeber (drei Beklagte) tätig geworden und nach einem Gegenstandswert von 10.000 Euro für einen Auftraggeber (Widerkläger). Die zutreffende Berechnung ergibt sich aus § 15 Abs. 3 RVG. Für jeden Teilstreitwert sind gesonderte Gebühren zu berechnen, wobei die Summe der Einzel-Gebühren nicht höher liegen darf als eine nach dem höchsten angefallenen Gebührensatz berechnete Gebühr aus dem Gesamtstreitwert. Im Beispiel ergibt dies folgende Berechnung:

1 Die Terminsgebühr entsteht aus dem Gesamtwert (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.11.2009 – 9 W 340/09, AGS 2010, 161 = MDR 2010, 720 = NJW-Spezial 2010, 188. 2 OLG Hamburg, Beschl. v. 3.4.1978 – 8 W 33/78, MDR 1978, 767; LG Bonn, Beschl. v. 1.7.1994 – 3 O 501/92, AGS 1998, 115 = Rpfleger 1995, 384 mit Anm. N. Schneider; AG Augsburg, Beschl. v. 23.7.2008 – 25 C 6176/06, AGS 2008, 434 = NJW-Spezial 2008, 636; AnwK-RVG/N. Schneider, § 15 Rn. 217 ff.

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Teilklage Anwalt Kläger: 1. 1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3100, 1008 VV RVG (Wert: 10.000 Euro) 2. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 2.000 Euro) gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,6 aus 12.000 Euro 3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 12.000 Euro) 4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

777,60 Euro 172,90 Euro 841,60 Euro 631,20 Euro 20,00 Euro 924,72 Euro 175,69 Euro 1.100,42 Euro

Anwalt Beklagter: 1. 1,9-Verfahrensgebühr, Nr. 3100, 1008 VV RVG, (Wert: 2.000 Euro) 2. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 Euro) 3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 12.000 Euro) 4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

252,70 Euro 631,80 Euro1 631,20 Euro 20,00 Euro 1.535,70 Euro 291,78 Euro 1.827,48 Euro

Teilanerkenntnisurteil S. die Stichwörter „Anerkenntnis und Anerkenntnisurteil“ sowie „Teilurteil“.

Teilklage Literatur: Boennecke, MDR 1954, 83 (Teilklage auf Unterhalt); Holste, AnwBl. 1959, 46 (Benachteiligung der Rechtsanwälte); Geissler, AnwBl. 1961, 101.

A. Einleitung Aus der Dispositionsmaxime folgt, dass der Kläger sein prozessuales Rechtsschutzbegehren auf einen Teil eines teilbaren Gesamtanspruches beschränken kann. Ob ein Anspruch im rechtlichen Sinne teilbar ist, ist davon abhängig, ob er quantitativ abgrenzbar und eindeutig individualisierbar ist2 und in welchem Umfang über ihn Streit bestehen kann, ohne dass die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen besteht.3

5150

Zur Individualisierung des Streitgegenstandes bedarf es jedoch der Abgrenzung des eingeklagten Teils gegenüber dem verbleibenden Teil des Gesamtan-

5151

1 Die Höchstgrenze des § 15 Abs. 3 RVG i.H. einer 1,9-Gebühr aus 12.000 Euro (999,40 Euro) ist nicht erreicht. 2 BGH, Urt. v. 21.2.1992 – V ZR 253/90, MDR 1992, 805 = NJW 1992, 1769 = WM 1992, 970. 3 BGH, Urt. v. 20.1.2004 – VII ZR 70/03, MDR 2004, 701 = NJW 2004, 1243.

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Teilklage spruchs, anderenfalls ist die Klage unzulässig.1 Eine nachträglich Abgrenzung heilt rückwirkend, jedoch sind bis dahin alle Einzelforderungen in vollem Umfang bedingt rechtshängig.2

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 5152

Für die Bewertung der Teilklage ist nur maßgebend, was eingeklagt wird. Dass beispielsweise eine Teilklage aus einer einheitlichen Kaufpreisforderung sich auf alle Rechnungsforderungen eines Sukzessivlieferungsvertrages stützt, rechtfertigt keine Erhöhung des Streitwertes, insbesondere keine Wertaddition aller Rechnungsforderungen.

5153

Auch ist für die Streitwertfestsetzung grundsätzlich unerheblich, ob die zu bewertende Antragstellung prozessual zulässig war oder nicht.3 Dient etwa die Erhebung mehrerer Teilklagen allein der Erschleichung der amtsgerichtlichen Zuständigkeit, ist diese zwar wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis unzulässig,4 der Streitwert der jeweiligen Teilklage bemisst sich (bis zu einer etwaigen Verbindung) jedoch nur nach dem jeweiligen Klagebetrag.

5154

Verbindet der Kläger seinen Teilleistungsantrag mit einem Feststellungsantrag, ist zu unterscheiden: – Begehrt der Kläger festzustellen, dass der Beklagte hinsichtlich des vom Leistungsantrag nicht erfassten Teils der Forderung dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet ist, sind die Einzelwerte zu addieren. – Erhebt der Kläger dagegen neben dem Teilleistungsantrag eine Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO), sind die Anträge – wirtschaftlich betrachtet – auf dasselbe Ziel gerichtet. Eine Zusammenrechnung der Einzelwerte nach § 5 ZPO, § 39 Abs. 1 GKG scheidet grundsätzlich aus. So etwa, wenn der Kläger neben Teilzahlung beantragt, den Bestand des zwischen den Parteien streitigen Vertragsverhältnisses (Werkvertrag etc.). Wertbestimmend ist damit der höherwertige Feststellungsanspruch, wobei nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass der beim Feststellungsantrag gebotene prozentuale Abschlag (20 %) auch den Teil umfassen würde, der Gegenstand des Leistungsantrages ist. Hier ist daher der Wert des Feststellungsantrages um 20 % des Leistungsantrages zu erhöhen oder die Werte von Leistungs- und Feststellungsantrag zu addieren, letzterer jedoch geschmälert um 80 % des Leistungsantrages.5

5155

Wird bei einer Schadensersatzklage nur ein Teilbetrag beansprucht und im Wege der Widerklage auf Feststellung des Nichtbestehens des gesamten Anspruches begehrt, hat weiterhin der Kläger von vornherein ein Mitverschulden eingeräumt, so ist dieses Mitverschulden bei der Festsetzung des Streitwertes zu berücksichtigen, auch wenn der Kläger das Mitverschulden nicht bruchteilsmäßig bestimmt hat.6 1 BGH, Urt. v. 20.1.2004 – VII ZR 70/03, MDR 2004, 701 = NJW 2004, 1243; BGH, Urt. v. 13.3.2003 – VII ZR 418/01, MDR 2003, 824 = NJW-RR 1075; BGHZ 11, 192; Zöller/ Greger, § 253 Rn. 15. 2 BGH, Urt. v. 17.7.2003 – I ZR 295/00, MDR 2004, 219 = NJW-RR 2004, 639. 3 KG, Rpfleger 1962, 154. 4 OLG Hamm, OLGZ 1987, 336; LG Berlin, JW 1931, 1766; LG Gießen, MDR 1996, 527. 5 OLG Bamberg, JurBüro 1969, 955; OLG Oldenburg, Beschl.v. 29.3.2010 – 5 W 16/10, juris. 6 OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1.

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Teilklage Gegenstand einer Feststellungswiderklage kann auch ein Teil einer Forderung sein; nur dieser Anspruchsteil ist dann als Streitgegenstand zu berücksichtigen. Hierbei ist unerheblich, ob sich für den unterlegenen Beklagten aus der Abweisung der begrenzten Feststellungswiderklage mittelbar ergibt, dass auch eine nicht eingeschränkte Feststellungswiderklage erfolglos geblieben wäre.1

5156

Ist bei einer Vollstreckungsabwehrklage unstreitig, dass die Zwangsvollstreckung nur wegen eines Bruchteils des im Titel festgelegten Zahlungsanspruchs für unzulässig erklärt werden soll, so ist nur dieser Teilbetrag der Streitwertfestsetzung zugrunde zu legen.2 Hierbei kann sich die Beschränkung der Vollstreckungsabwehrklage aus der Fassung des Antrages oder auch konkludent aus den Umständen ergeben, etwa der Streitwertangabe des Klägers und dem Umfang der dem Beklagten erteilten Vollstreckungsklausel.3

5157

S. näher dazu das Stichwort „Vollstreckungsabwehrklage“.

C. Rechtsmittel und Beschwer Die Bestimmung der Beschwer entspricht der auf den Gesamtbetrag gerichteten Klage. Dies gilt auch, wenn die Teilklage mit einer Begründung abgewiesen wird, die auch die Erfolgaussichten des nichts rechtshängigen Teil des Gesamtanspruchs beeinflusst, also insbesondere, wenn bereits der Anspruchsgrund verneint wird.

5158

Wenn die Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil nach der Berufungsschrift nur eingelegt wird, soweit die Klage in Höhe eines bestimmten Teilbetrages abgewiesen worden ist, dann ist der Streitwert nach diesem Teilbetrag zu bemessen.4 Liegt der Beschwerdegegenstand unter der Berufungssumme (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) kommt eine Verwerfung der Berufung erst in Betracht, wenn eine Änderung des Berufungsantrags nicht mehr möglich ist.5

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D. Vergleich Nehmen die Parteien die Teilklage zum Anlass, sich erstinstanzlich über den Gesamtanspruch des Klägers zu vergleichen, ist dessen Wert für die Einigungsgebühr maßgebend.

5160

Ist über einen abtrennbaren Teil der Klageforderung durch Teilurteil entschieden und hiergegen Berufung eingelegt worden, dann ist für einen Vergleich im zweiten Rechtszug, der auch den erstinstanzlich noch anhängigen Teil der Klageforderung erfasst, der volle Klagewert anzusetzen.6

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Dies gilt jedoch nicht, wenn in erster Instanz nur ein Teil der Klageforderung zugesprochen wird, der Beklagte insoweit Berufung einlegt und sich die Par-

5162

1 OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 2. 2 BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 310/04, MDR 2006, 1064 = NJW-RR 2006, 1146 = FamRZ 2006, 620; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.1.1999 – 21 W 56/98, OLGR 1999, 436 = JurBüro 1999, 326; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.3.2008 – 23 U 30/07, JurBüro 2008, 316, JurBüro 1954, 375. 3 OLG Köln, Rpfleger 1976, 183. 4 OLG Celle, JurBüro 1961, 89; Thomas/Putzo/Reichold, § 511 ZPO Rn. 12. 5 BGH, Beschl. v. 16.10.2007 – VIII ZB 26/07, BGHR 2008, 256 = MDR 2008, 225 = NJW-RR 2008, 584. 6 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 Stichwort „Teilklagen“.

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Teilurteil teien in der Berufungsinstanz über die gesamte Klageforderung vergleichen. Hier ist nur jene im zweiten Rechtszug noch umstrittene Teilforderung Streitgegenstand, auch wenn der Kläger wegen der Abweisung der Mehrforderung Anschlussberufung angekündigt, aber nicht eingelegt hat.1

Teilleistungen S. das Stichwort „Teilzahlungen“.

Teilungsversteigerung S. das Stichwort „Drittwiderspruchsklage“, „Zwangsversteigerung“.

Teilurteil Literatur: Mayer/Mayer, JurBüro 1993, 325 (zum Streitwert der Berufung des Beklagten gegen ein Teilurteil).

A. Einleitung 5163

Die Zulässigkeit des Teilurteils folgt aus § 301 ZPO. Voraussetzung ist zunächst, dass es sich über einen individualisierbaren, selbständig entscheidbaren und größenmäßig bestimmten Teil eines teilbaren Streitgegenstandes verhält.2 Die Anforderungen gleichen denen der Zulässigkeit der Teilklage (s. unter dem Stichwort „Teilklage“), d.h., das Teilurteil müsste auf eine entsprechende Teilklage als Endurteil ergehen können.3 Erforderlich ist ferner, das die Teilentscheidung nicht in einen inhaltlichen Widerspruch zu einem etwaigen nachfolgenden Schlussurteil geraten kann.4

B. Gebührenstreitwert 5164

Der Streitwert des Teilurteils wird durch den Umfang des von ihm entschiedenen Klagebegehrens bestimmt und bedarf der gesonderten Festsetzung nur, soweit nach neuem Recht noch eine Urteilsgebühr anfällt, beispielsweise gem. Nr. 1412 KV GKG.5 Anlass für eine Wertfestsetzung besteht ferner, wenn mit dem Teilurteil das Prozessrechtsverhältnis gegenüber einem Streit1 2 3 4

OLG Neustadt, MDR 1960, 593. Zöller/Vollkommer, § 301 Rn. 1. BGH, Urt. v. 10.1.1989 – VI ZR 43/88, MDR 1989, 535 = NJW-RR 1989, 1149. BGH, Urt. v. 26.11.2003 – VI ZR 8/03, BGHR 2004, 1452 = VersR 2004, 626 = NJW 2004, 1452; Urt. v. 12.1.1994 – XII ZR 167/92, MDR 1994, 613 = NJW-RR 1994, 380; Urt. v. 10.10.1991 – III ZR 93/90, MDR 1992, 519 = NJW 1992, 511. 5 Vgl. zum alten Recht etwa Nrn. 1224–1227, Nrn. 1236, 1237 und Nrn. 1321, 1322 KV GKG zu § 11 GKG a.F.

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Teilurteil genossen umfassend beschieden und diesbezüglich eine (insoweit zulässige) (Teil-)Kostenentscheidung aufgenommen worden ist.1 Im Übrigen hat die Verkündung des Teilurteils auf den Gebührenstreitwert nur insoweit Einfluss, als nachfolgend entstehende Gebührentatbestände nach dem verbleibenden, nicht entschiedenen Teil des Klagebegehrens zu bestimmen sind. Wird etwa bei Klage und Widerklage der Klageanspruch anerkannt, sodass nur noch über die Kosten und die Widerklage streitig zu verhandeln ist, dann bemisst sich der Streitwert für nachfolgend entstehende Gebührenstatbestände lediglich nach dem Wert der Widerklage. Die anteiligen Kosten der Klage bleiben unberücksichtigt.2

5165

Dies folgt aus § 43 Abs. 3 GKG (§ 21 Abs. 3 GKG a.F.), wonach die Kosten des Verfahrens für die Streitwertbestimmung unerheblich sind, solange noch ein Teil der Hauptsache anhängig ist. Hierbei unterscheidet sich der Hauptsachebegriff des § 43 Abs. 3 GKG (§ 21 Abs. 3 GKG a.F.) nach überwiegender Ansicht von dem des Abs. 1 und umfasst – hier – Klage und Widerklage in ihrer Gesamtheit.3

5166

Wenn über einen abtrennbaren Teil durch Teilurteil entschieden worden ist und dieser Teil im weiteren Verfahren durch einen neuen, sprachlich umformulierten Antrag wieder in den Prozess eingeführt wird, dann ist nach OLG Oldenburg auch für das weitere Verfahren der volle Streitwert anzusetzen.4

5167

C. Rechtsmittel und Beschwer Mit dem Erlass des Teilurteils wird der Rechtsstreit in zwei selbständige Verfahren geteilt. Daher muss die Beschwer für jedes Teilurteil sowie für das Schlussurteil gesondert ermittelt werden.5 Folglich bestimmt sich auch der Gebührenstreitwert für das Rechtsmittelverfahren nach dem Umfang, in dem die Aufhebung oder Abänderung des Teilurteils begehrt wird.6

5168

Die für ein Rechtsmittel gegen das Teilurteil erforderliche Beschwer muss sich dabei aus dem Urteil selbst ergeben. Der aufgrund der Teilabweisung unterlegene Kläger kann sich insoweit nicht auf den Bestand von Ansprüchen berufen, die Teil des noch nicht entschiedenen Rechtsstreits sind.7

5169

Dies gilt nicht, wenn dem Teilurteil eine willkürliche Trennung des Rechtsstreits in mehrere Verfahren, deren Streitwert jeweils unter der Rechtsmittelsumme liegt, vorausging. Hier bemisst sich die Beschwer des Rechtsmittelführers nach dem einheitlichen, die Rechtsmittelsumme übersteigenden Wert des Rechtsstreits vor dem Trennungsbeschluss.8

5170

1 OLG Köln, MDR 1976, 496. 2 OLG Oldenburg, Beschl. v. 20.7.1989 – 5 W 90/89, JurBüro 1989, 1727 = MDR 1989, 1006. 3 OLG Hamm, NJW-RR 1996, 1279 – Rücknahme des Rechtsmittels einer Partei; Hartmann, § 43 Rn. 12. 4 OLG Oldenburg, Beschl. v. 8.12.1986 – 3 W 139 + 140/86, JurBüro 1987, 596. 5 BGH, Beschl. v. 25.4.1989 – VI ZB 13/89, MDR 1989, 903 = NJW 1989, 2757. 6 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.11.2008 – 4 W 88/08, juris. 7 OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.1.1996 – 5 U 69/95, OLGR 1996, 72. 8 BGH, Beschl. v. 30.10.1997 – VII ZR 299/95, MDR 1998, 179 = NJW 1998, 179; Urt. v. 6.7.1995 – I ZR 20/93, MDR 1996, 269 = NJW 1995, 3120.

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Teilurteil 5171

Eine dahingehende „Aufwertung“ der Beschwer wird jedoch nicht bereits dadurch gerechtfertigt, dass der Erlass des Teilurteils wegen der Gefahr eines inhaltlichen Widerspruchs zum Schlussurteil unzulässig war und die Aufspaltung des Verfahrens zur fehlenden Rechtsmittelfähigkeit von Teil- und Schlussurteil führt.1

5172

Wird nach Erlass eines Teil-Anerkenntnisurteils gegen das Schlussurteil, das über den Restanspruch und die gesamten Kosten des Rechtsstreits entscheidet, in vollem Umfang Berufung eingelegt, so sind die auf das Anerkenntnisurteil entfallenden Kosten bei der Berechnung des Rechtsmittelstreitwerts nicht zu berücksichtigten.2 Der gegenteiligen Ansicht des OLG Nürnberg steht § 43 Abs. 3 GKG (§ 22 Abs. 3 GKG a.F.) entgegen, wonach die Verfahrenskosten unberücksichtigt bleiben, wenn noch ein Teil des Hauptanspruches im Streit ist. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung des BGH,3 die sich allein zur streitwertmäßigen Berücksichtigung von Zinsen aus einem erledigten Hauptsacheteil und damit zu § 43 Abs. 1 GKG (§ 22 Abs. 1 GKG a.F.) verhält.

5173

Wird auf die Berufung gegen ein klagezusprechendes Teilurteil nach entsprechender mündlicher Verhandlung unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abgewiesen, so richtet sich der Streitwert der Berufungsinstanz nach dem vollen Wert der Klage.4 Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Erlass eines Teilurteils unzulässig ist (und das Berufungsgericht die Klage vollständig bescheidet)5 oder der vom Teilurteil erfasste Anspruch die Grundlage des erstinstanzlich verbliebenen Anspruchs bildet.6

5174

Eine Addition der Teilwerte ist auch geboten, wenn das Rechtsmittelgericht im Einverständnis der Parteien auch über den noch beim Ausgangsgericht anhängigen Teil der Klage entscheidet, diesen „hinaufzieht“.7 Dies unabhängig davon, ob eine derartige Mitbefassung für prozessual zulässig erachtet wird.8

5175

Hat bei einer Stufenklage das erstinstanzliche Gericht den Auskunfts- oder Rechnungslegungsanspruch durch Teilurteil zuerkannt und das Berufungsgericht die gesamte Klage abgewiesen, so ist bei uneingeschränkter Revision für den Streitwert der Revisionsinstanz9 und für die Urteilsgebühr des Berufungsverfahrens10 die gesamte Klage maßgebend.11 S. zu den Einzelheiten unter dem Stichwort „Stufenklage“. 1 BGH, Beschl. v. 3.7.1996 – VIII ZR 302/95, MDR 1996, 1176 = AGS 1997, 20 = NJW 1996, 3116. 2 A.A. OLG Nürnberg, JurBüro 1959, 512. 3 BGH, Beschl. v. 12.12.1957 – VII ZR 135/57, NJW 1958, 342 = Rpfleger 1958, 83. 4 Hartmann, Anh. I § 48 GKG (§ 3 ZPO) Rn. 114 Stichwort „Teilklage“. 5 BGH, Urt. v. 19.11.1959 – VII ZR 93/59, MDR 1960, 219 = NJW 1960, 339. 6 BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, JurBüro 1993, 164 = MDR 1992, 1091 = NJW-RR 1992, 1021; Urt. v. 16.6.1959 – VI ZR 81/58, BGHZ 30, 215 = MDR 1959, 746 = NJW 1959, 1824. 7 Mayer/Mayer, JurBüro 1993, 325. 8 Bejahend BGH, Urt. v. 25.3.1986 – IX ZR 104/85, BGHZ 97, 280 = MDR 1986, 930 = NJW 1986, 2108 = WM 1986, 763 = ZIP 1986, 900; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.6.1988 – 8 U 214/86, VersR 1989, 705. 9 BGH, NJW 1960, 576 – Abgrenzung zu BGH, NJW 1959, 1827. 10 BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, JurBüro 1993, 164 = MDR 1992, 1091 = NJW-RR 1992, 1021 = WRP 1992, 549 = AnwBl. 1992, 498. 11 S. auch Mayer/Mayer, JurBüro 1993, 325.

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Teilzahlungen Wenn eine Partei gegen ein Teilurteil, das keine abschließende Kostenentscheidung enthält, Revision eingelegt hat, kann auch die Kostenentscheidung des Schlussurteils selbständig mit der Revision angegriffen werden, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob für das Rechtsmittel gegen das Schlussurteil die Beschwerdesumme erreicht ist.1 S. auch die Stichwortübersicht zu dem Stichwort „Rechtsmittel“.

5176

D. Vergleich Wird erstinstanzlich nur über einen Teil der Klageforderung entschieden, hiergegen Rechtsmittel eingelegt und vergleichen sich die Parteien sodann vor dem Rechtsmittelgericht über „die Klageforderung“, dann ist der volle Hauptsachewert für den Vergleichswert maßgeblich.

5177

Teilzahlungen Literatur: Touissant, MDR 2004, 1332.

Erbringt der Beklagte im Verlaufe des Rechtsstreits Teilzahlungen, muss der Kläger seinen Antrag anpassen. Meist wird der neue Klageantrag dann dahin formuliert, dass Zahlung „von ... Euro abzüglich am ... geleisteter ... Euro“ gefordert wird.

5178

Das Gericht darf sich jedoch mit dieser Formulierung nicht begnügen. Es muss vielmehr durch einen Hinweis nach § 139 ZPO den Kläger klarstellen lassen, wie der im ursprünglichen Hauptantrag enthaltene und durch Zahlung beglichene Forderungsteil prozessual zu behandeln ist. Der Kläger wird sich insbesondere dazu erklären müssen, ob er insoweit die Hauptsache für erledigt erklärt oder die Klage teilweise zurücknimmt (§ 269 ZPO).

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Der Streitwert berechnet sich ab Antragsänderung für die dann noch entstehenden Gebühren nur noch nach dem Restbetrag der Hauptforderung.2

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* Æ Beispiel: Der Kläger erhebt Zahlungsklage über 15.000 Euro. Eine Woche vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung zahlt der Beklagte einen Teilbetrag von 5.000 Euro. Die Parteien erklären daraufhin gegenüber dem Gericht den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt. Für die dann folgende mündliche Verhandlung können die Anwälte der Parteien die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) also nur noch aus einem Wert von 10.000 Euro geltend machen. Auf die bereits angefallenen Gerichtsgebühren (Nr. 1210 KV GKG) und die bereits entstandene Verfahrensgebühr der Anwälte (Nr. 3100 VV RVG) hat die Streitwertreduzierung dagegen keinen Einfluss.

Ein in der Praxis immer wieder anzutreffender Fehler ist es, die im Rechtsstreit geleisteten Teilzahlungen vollständig von der Hauptforderung abzuziehen.3 Das ist mit der Anrechnungsregel des § 367 Abs. 1 BGB – gegenüber der 1 BGH, Urt. v. 16.9.1969 – VI ZR 241/68, VersR 1969, 1039. 2 OLG Celle, Beschl. v. 30.9.1985 – 8 W 507/85, JurBüro 1985, 1855 mit Anm. Jelinsky (zur alten Rechtslage, nach der eine Urteilsgebühr anfiel). 3 Z.B. AG Hagen, Beschl. v. 8.1.1992 – 91-2300460-07-N, JurBüro 1992, 192 mit abl. Anm. Mümmler.

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Teilzahlungskredit die Bestimmungen des Kostenrechts keinen Vorrang haben – unvereinbar, nach der eine Teilzahlung zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptforderung zu verrechnen ist.1 Es führt nicht nur zur Verkürzung der Gebührenansprüche, sondern kann sogar – scheinbar – dazu führen, dass die Erwachsenheitssumme nicht erreicht wird.2 5182

Hat der Schuldner also keine Bestimmung im Sinne des § 367 Abs. 2 BGB getroffen, müssen immer erst die zur Hauptforderung verlangten Zinsen getilgt werden. Sie sind für die Streitwertberechnung unerheblich (§§ 43 Abs. 1 GKG, 4 Abs. 2 ZPO). Die Hauptforderung vermindert sich insoweit ebenso wenig wie der Streitwert. Eine Teilzahlung zwischen den Instanzen hat auf den Wert der Beschwer keinen Einfluss.3

Teilzahlungskredit 5183

Kreditgebühren, die im Rahmen eines Teilzahlungskredits vereinbart werden, sind Zinsen im Sinne von § 4 Abs. 2 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG.4 Als Nebenforderung beeinflussen sie also den Streitwert nicht.

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Umstritten ist, ob die Zusammenfassung des Darlehens und der Kreditgebühren in einem Betrag daran etwas ändert und ob auch in diesem Fall die Kreditgebühren als Nebenforderung außer Ansatz zu bleiben haben.

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Das OLG Bamberg5 lässt die Kreditgebühren bei der Streitwertbemessung unberücksichtigt, während das OLG München6 davon ausgeht, eine Zinsforderung verliere die Eigenschaft als Nebenforderung und werde zum Bestandteil des Hauptanspruchs, wenn der Zins aufgrund einer besonderen Vereinbarung dem Kapital zugeschlagen wird. Das geschehe beispielsweise durch Teilzahlungskreditverträge, in denen Kapital und Kreditgebühren zu einem „Gesamtkreditbetrag“ zusammengefasst würden. Das OLG Düsseldorf7 schließlich setzt ebenfalls den Streitwert nach der aus Hauptforderung und Gebühren bestehenden Gesamtforderung fest, um die Streitwertermittlung einfach und übersichtlich zu halten.

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Dem OLG Düsseldorf ist zuzustimmen. Gerade die Frage, wie sich die Restschuld aus einem Finanzierungsdarlehen zusammensetzt und welcher Zinsbzw. Kostenanteil in ihr steckt, ist oft streitig und dann nur unter mühseliger Auswertung der Kreditunterlagen feststellbar. Es erscheint wenig sinnvoll, dieser Arbeit im Erkenntnisverfahren durch Anwendung des § 287 ZPO aus1 Vgl. OLG Hamm, JurBüro 1969, 765. 2 Vgl. Schneider, DRiZ 1979, 310. 3 BGH, Urt. v. 6.10.1977 – II ZR 4/77, MDR 1978, 210 (zu § 546 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. – künftig überwiegend ohne praktische Bedeutung, da es keine Wertrevision mehr gibt). 4 OLG Düsseldorf, MDR 1976, 663; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.11.1989 – 24 W 105/ 89, KostRsp. GKG § 12 Nr. 17. 5 OLG Bamberg, JurBüro 1976, 343. 6 OLG München, JurBüro 1976, 237; vgl. dazu auch die ausführliche Darstellung unter dem Stichwort „Darlehen“ (Ziffer 5. „Kosten und Gebühren“). 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.11.1989 – 24 W 105/89, KostRsp. GKG § 12 Nr. 17; ebenso Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Ratenzahlungskredit“.

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Telefax, unerwünschtes zuweichen, sie dann aber im Streitwertfestsetzungsverfahren nachzuholen. Da es sich aber letztlich um eine Form der Berechnungsvereinfachung handelt, erscheint der teilweise1 vorgeschlagene pauschale, nach § 3 ZPO zu berechnende Abschlag nicht angebracht. Dies würde eine Form der Festsetzungsgenauigkeit suggerieren, die schon vorher im Sinne einer einfacheren Festsetzung aufgegeben wurde.

Telefax, unerwünschtes Die Bewertung von Streitigkeiten, die sich mit Unterlassungsansprüchen bzgl. unerwünschter Telefaxe beschäftigen, hängt vom Inhalt der übermittelten Nachricht ab.

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1. Werbung Soweit es sich beim Inhalt des Telefax um Werbung oder um eine in sonstiger Weise gewerblich bzw. geschäftlich geprägte Mitteilungen handelt, ist der Unterlassungsanspruch des Empfängers vermögensrechtlicher Natur, denn hier erfolgt das Verfahren allein bzw. maßgeblich auch aus wirtschaftlichen Gründen. Sein Wert ist dann nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen. Hinsichtlich der Einzelheiten kann auf das Stichwort „Werbung, unverlangte“ verwiesen werden.

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2. Private Mitteilungen Soweit der Empfänger des Telefax dagegen durch private Mitteilungen beleidigt, belästigt oder in sonstiger Weise in seiner Privatsphäre gestört wird, handelt es sich – vergleichbar mit einem belästigenden Telefonanruf2 – um einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch, dessen Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 2 GKG zu bestimmen ist. In solchen Fällen geht es nämlich um Rechtsbeziehungen, die den sozialen Geltungsanspruch des Klägers in der Öffentlichkeit vor drohenden Beeinträchtigungen schützen sollen.3

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Der Wert des Streitgegenstandes ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien zu bestimmen. Jedoch darf der Wert nicht über 1.000.000 Euro angenommen werden. Der Zuständigkeitsstreitwert solcher Verfahren ist unter Beachtung der Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG nach § 3 ZPO zu schätzen.

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Man wird in Anlehnung an § 23 Abs. 3 RVG von einem Regelstreitwert von 4.000 Euro für das Hauptsacheverfahren und 1.000 Euro bis 2.000 Euro für das einstweilige Verfügungsverfahren ausgehen können.4 Sodann ist anhand der Einzelheiten des jeweiligen Falles zu entscheiden, ob der Streitwert von diesem Ausgangspunkt nach oben oder nach unten abweicht.

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1 Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Ratenzahlungskredit“. 2 Vgl. BGH, VersR 1985, 185. 3 Vgl. BGH, Urt. v. 17.10.1995 – VI ZR 352/94, NJW 1996, 999 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 3.4.1984 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43. 4 Vgl. Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Belästigung“.

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Telefonanrufe, unerwünschte Hinsichtlich der Einzelheiten der Wertbestimmung kann auf das Stichwort „Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit“ sowie auf das Stichwort „Belästigung“ verwiesen werden.

Telefonanrufe, unerwünschte 5192

Die Bewertung von Streitigkeiten, die sich mit Unterlassungsansprüchen bzgl. unerwünschter Telefonanrufe beschäftigen, hängt vom Inhalt des jeweiligen Anrufs ab.

A. Werbung 5193

Soweit es sich beim Inhalt des Telefonanrufs um Werbung oder um eine in sonstiger Weise gewerblich bzw. geschäftlich geprägte Mitteilungen handelt, ist der Unterlassungsanspruch des Empfängers vermögensrechtlicher Natur, denn hier erfolgt das Verfahren allein bzw. maßgeblich auch aus wirtschaftlichen Gründen. Sein Wert ist dann nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen. Hinsichtlich der Einzelheiten kann auf das Stichwort „Werbung, unverlangte“ verwiesen werden.

B. Private Mitteilungen 5194

Soweit der Empfänger des Telefonanrufs dagegen durch private Mitteilungen beleidigt, belästigt oder in sonstiger Weise in seiner Privatsphäre gestört wird, handelt es sich1 um einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch, dessen Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 2 GKG zu bestimmen ist. In solchen Fällen geht es nämlich um Rechtsbeziehungen, die den sozialen Geltungsanspruch des Klägers in der Öffentlichkeit vor drohenden Beeinträchtigungen schützen sollen.2

5195

Der Wert des Streitgegenstandes ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien zu bestimmen. Jedoch darf der Wert nicht über 1.000.000 Euro angenommen werden. Der Zuständigkeitsstreitwert solcher Verfahren ist unter Beachtung der Grundsätze des § 48 Abs. 2 GKG nach § 3 ZPO zu schätzen.

5196

Man wird in Anlehnung an § 23 Abs. 3 RVG von einem Regelstreitwert von 4.000 Euro für das Hauptsacheverfahren und 1.000 Euro bis 2.000 Euro für das einstweilige Verfügungsverfahren ausgehen können.3 Sodann ist anhand der Einzelheiten des jeweiligen Falles zu entscheiden, ob der Streitwert von diesem Ausgangspunkt nach oben oder nach unten abweicht. Hinsichtlich der Einzelheiten der Wertbestimmung kann auf das Stichwort „Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit“ sowie auf das Stichwort „Belästigung“ verwiesen werden. 1 Vgl. BGH, VersR 1985, 185. 2 Vgl. BGH, Urt. v. 17.10.1995 – VI ZR 352/94, NJW 1996, 999 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 3.4.1984 – VI ZR 80/83, MDR 1985, 43. 3 Vgl. Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Belästigung“.

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Onderka

Testamentsvollstreckung

Telefongebühren Wird auf Zahlung von Fernsprechgebühren für in Anspruch genommene Verbindungen geklagt, dann ist der geltend gemachte Betrag maßgebend (§ 3 ZPO).

5197

Werden regelmäßig wiederkehrende, verbrauchsunabhängige Beträge geltend gemacht, etwa eine monatliche Grundgebühr, eine Flat-Rate o.Ä., handelt es sich um Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen. Maßgebend sind dann die Entgelte der restlichen Vertragslaufzeit, höchstens jedoch der Betrag der nächsten dreieinhalb Jahre (§ 9 ZPO).

5198

Zum Streit über das Bestehen eines Vertragsverhältnisses selbst s. „Vertragserfüllung“ Rn. 5840 ff. und „Feststellungsklage“ Rn. 2277 ff.

Testament Der Wert des Anspruchs auf Herausgabe eines Testaments ist gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Anspruchstellers an der Verwendung des Testaments zu schätzen, in der Regel nach dem Wert des Erbteils oder Vermächtnisses, das sich nach dem Vortrag des Anspruchstellers aus dem Testament ergibt.

5199

Ansprüche, die aus der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit eines Testaments hergeleitet werden, sind entsprechend dem Interesse des Klägers am Wert des gesamten Nachlasses zu bemessen, und nicht nach dem Anteil des Klägers daran.1 S. auch das Stichwort „Vermächtnis“.

5200

Entscheidend ist also nicht das Interesse des Klägers schlechthin, sondern dasjenige, das in seinem konkreten Klageantrag ausgedrückt wird. Es kommt darauf an, wie er stehen würde, wenn seine Klage Erfolg hätte.2

5201

Ist der Kläger bereits am Nachlass beteiligt, dann darf der ihm zustehende Erbanteil nicht mitbewertet werden.3

5202

Bei einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Testaments oder einer sich aus der behaupteten Testamentsauslegung ergebenden Rechtsfolge ist der Streitwert nicht nach dem Wert des ganzen Nachlasses, sondern nach dem Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung zu bemessen.4

5203

Testamentsvollstreckung Ein Rechtsstreit um Bestehen und Fortdauer des Testamentsvollstreckeramts ist vermögensrechtlicher Art, wenn der Nachlass aus einer Stiftung besteht, die auch erwerbswirtschaftliche Zwecke verfolgt, und der Testamentsvoll1 So aber noch BGH LM Nr. 16 zu § 3 ZPO; OLG Koblenz, MDR 1997, 693 = JurBüro 1997, 419. 2 S. BGH, Beschl. v. 17.10.1956 – IV ZR 270/56, FamRZ 1956, 382 = NJW 1956, 1877. 3 S. dazu näher E. Schneider, JurBüro 1977, 433 und bei dem Stichwort „Miterbe“ Rn. 4055 ff. 4 BGH, Beschl. v. 17.10.1956 – IV ZR 270/56, FamRZ 1956, 382 = NJW 1956, 1877.

Monschau

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5204

Tierarztkosten strecker auf die rechtliche und wirtschaftliche Organisation der Stiftung Einfluss nehmen will.1 5205

Für die Wertfestsetzung nach den § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG ist das objektive Amtsinteresse bestimmend, das dem Testamentsvollstrecker nach dem Testament und kraft Gesetzes obliegt. Dafür ist der wirtschaftliche Wert der dem Erben auferlegten Verfügungs- und Verwaltungsbeschränkung bzw. die Wertminderung, die der Nachlass durch die Testamentsvollstreckung erfährt, maßgebend.

5206

Dieser Wert ist mit einem Bruchteil des Nachlasswertes zu schätzen und übersteigt in der Regel nicht die Hälfte des Nachlasses.2

5207

Erhebt ein Testamentsvollstrecker Feststellungsklage, dass seine Einsetzung als Testamentsvollstrecker durch Testament wirksam verfügt ist, dann besteht der Wert der Klage in dem nach § 9 ZPO zu bestimmenden Mehrfachen der nach dem Testament zu zahlenden Jahresvergütung.3 Zum Feststellungsabschlag s. das Stichwort „Feststellungsklage“.

5208

Klagt ein Miterbe, dessen Erbteil den Beschränkungen der Vorerbschaft und der Testamentsvollstreckung unterliegt, auf Feststellung, dass die Testamentsvollstreckung beendet sei, so kommt als Streitwert nicht der Wert des Erbteils, sondern ein erheblich hinter diesem zurückbleibender Betrag in Betracht.4 Klagt ein Miterbe auf Feststellung, dass der Teilungsplan des Testamentsvollstreckers unwirksam sei, setzt das OLG München5 den Wert – bezogen auf den Gesamtwert der Teilung – auf die Hälfte der Miterbenquote des Klägers fest (s. Rn. 4125).

5209

Klagt ein Erbe gegen den Testamentsvollstrecker auf Feststellung, dass dessen Teilungsplan unwirksam sei, dann ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers maßgebend. Das OLG München6 hat berücksichtigt, dass der Streit nicht um die Erbbeteiligung ging, sondern um die Verfügungsbefugnis über bestimmte Nachlassgegenstände (hierzu oben Rn. 4068), und dass der Testamentsvollstrecker mit der Klage nicht zu einer bestimmten Art der Teilung gezwungen werden konnte; den Wert hat das Gericht dann festgesetzt auf 50 % der Miterbenquote des Klägers.

Tierarztkosten 5210

Bei Rechtsstreitigkeiten wegen Viehmängelhaftung zählen Frachtkosten, Futterkosten und Tierarztkosten zu den in und außer dem Prozess gemachten Aufwendungen zur Durchführung des Anspruches, die gem. § 5 ZPO zusammenzurechnen sind.7 Es handelt sich also nicht um Nebenforderungen i.S. der § 43 Abs. 1 GKG, § 4 Abs. 1 ZPO. 1 2 3 4 5 6 7

OLG Schleswig, Beschl. v. 9.7.1965 – 1 W 145/65, JurBüro 1966, 152. OLG Schleswig, Beschl. v. 9.7.1965 – 1 W 145/65, JurBüro 1966, 152. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 29.10.1965 – 2 W 75/65, Rpfleger 1967, 2. OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.11.1960 – 6 W 490/60, JurBüro 1961, 90. OLG München, Beschl. v. 26.1.1995 – 15 W 2687/94, OLGR 1995, 142. OLG München, Beschl. v. 26.1.1995 – 15 W 2687/94, OLGR 1995, 142. LG Lübeck, Beschl. v. 11.12.1950 – 1 T 1449/50, JurBüro 1951, 301.

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N. Schneider

Titulierungsinteresse

Titulierungsinteresse Literatur: Wielgloss, JurBüro 1999, 629; Büttner/Niepmann, NJW 2000, 2547.

Da jede gerichtliche Rechtsverfolgung auf die Schaffung eines Vollstreckungstitels gerichtet ist, kommt dem Titulierungsinteresse eine eigenständige streitwertbezogene Bedeutung nur dort zu, wo anlässlich der Titulierung streitiger Ansprüche bis dahin nicht rechtshängige unstreitige Ansprüche miterfasst werden. Über deren streitwertmäßige Behandlung besteht Uneinigkeit.

5211

So endet das gerichtliche Verfahren häufig mit einem Prozessvergleich, in dessen protokollierten Text auch unstreitige Leistungen einer Partei aufgenommen oder unstreitige Ansprüche bei der Ermittlung eines (abschließenden) Zahlungssaldos berücksichtigt worden sind. Fraglich ist, wie der Streitwert für die gerichtliche Mehrvergleichsgebühr (Nr. 1900 KV GKG) und die anwaltliche Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV RVG) zu bemessen ist.

5212

Während ein Teil die nicht anhängigen Ansprüche nur dann berücksichtigt, wenn sie streitig sind,1 sieht eine andere Ansicht die nicht streitigen Ansprüche als für die Abschlussbereitschaft relevanten Bestandteil des Vergleiches an, sodass die Ansprüche spätestens mit Abschluss des Vergleichs als streitig anzusehen seien.2

5213

Demgegenüber stellt eine vermittelnde Ansicht auf das bloße Titulierungsinteresse ab und beziffert dieses je nach Einzelfall mit 1/10 bis 1/3 des Wertes der miterfassten unstreitigen Forderung.3

5214

Der letztgenannten Ansicht ist zuzustimmen. Da mit der Aufnahme unstreitiger Leistungen oder Ansprüche nicht eine zuvor bestehende Ungewissheit oder Uneinigkeit der Parteien über das Bestehen dieser Ansprüche behoben wird, sind sie bei der Streitwertbestimmung nur mit einem Bruchteil ihres Hauptsachewertes in Ansatz zu bringen. Denn ihre Aufnahme in den Vergleich erfolgt nur anlässlich einer umfassenden Regelung der (künftigen) Rechtsverhältnisse der Parteien und hat – über die Titulierung hinaus – allein klarstellenden Charakter. Sie ermöglicht dem Gläubiger die künftige Inanspruchnahme des Schuldners, ohne dass er bei dessen später etwaig vorhande-

5215

1 KG, NJW 1969, 434; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 7.7.1994 – 8 Ta 42/94, JurBüro 1995, 248; LAG Rheinland-Pfalz, MDR 1985, 397; LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 16.10.2000 – 3 Ta 119/00, JurBüro 2001, 197. 2 OLG Bamberg, JurBüro 1989, 201; OLG Frankfurt a.M., MDR 1962, 662; OLG Nürnberg, JurBüro 1985, 1395. 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 10.2.1992 – 7 WF 21/92, JurBüro 1992, 628: 1/10; KG, Urt. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02, KGR 2004, 309: 1/10; OLG Düsseldorf, JurBüro 1988, 778; OLG Hamburg, AnwBl. 1988, 313; OLG OLG Hamm, JurBüro 1985, 1360: 1/10; JurBüro 1979, 1867; OLG Koblenz, Beschl. v. 14.9.1998 – 13 WF 693/98, EzFamR aktuell 1999, 10, JurBüro 1984, 1218 = AnwBl. 1984, 204; OLG Köln, MDR 1963, 690; OLG Nürnberg, JurBüro 1994, 747: 1/20; OLG Zweibrücken, JurBüro 1978, 896 = MDR 1978, 496 ; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 29.5.1990 – 8 Ta 54/90, JurBüro 1991, 418: 1 /5; LAG Nürnberg, Beschl. v. 15.2.2005 – 8 Ta 26/05, Bibliothek BAG; Beschl. v. 14.7.2004 – 6 Ta 2/04, MDR 2005, 223.

Kurpat

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Treuhändereinsetzung ner Zahlungsunwilligkeit oder -fähigkeit einen (weiteren) Prozess führen muss.1 S. auch unter Stichwort „Vergleich“. 5216

Demgegenüber rechtfertigt der Umstand, dass rechtshängige Ansprüche nicht oder nur teilweise streitig sind, regelmäßig keine Reduzierung ihres Streitwerts im Hinblick auf den unstreitigen Teil. Vorprozessuale Erklärung des Beklagten zum Bestand der Forderung bleiben ebenso wie sein Verteidigungsverhalten (Nichtbestreiten, Anerkenntnis) im Prozess auf die Bewertung ohne Einfluss, denn das Erkenntnisverfahren ist auf eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über den Bestand des gesamten Anspruchs gerichtet.2 Kostenrechtliche Auswirkungen, wie etwa über § 93 ZPO, sind dagegen nicht ausgeschlossen.

5217

Ebenso verhält es sich, wenn bei Rechtsstreitigkeiten auf Zahlung von Unterhalt, der Beklagte einen Teilbetrag freiwillig zahlt, sodass darüber kein Vollstreckungstitel vorliegt. Dass bei der Erhöhungsklage der freiwillig gezahlte Unterhalt betragsmäßig in den bezifferten Klageantrag mithineingenommen wird, um ihn für die Zukunft tituliert zu bekommen, ändert nichts daran, dass die Entscheidung über die Klageforderung auch hinsichtlich des unstreitigen Teils in Rechtskraft erwächst. S. unter dem Stichwort „Unterhaltssachen“ im FamFG-Teil Rn. 8479 ff.

Treuhändereinsetzung 5218

Beantragt ein Gesellschafter, für die Gesellschaft einen Treuhänder zu bestellen, weil die Gesellschafter darüber streiten, ob nach dem Tode des persönlich haftenden Gesellschafters noch ein Komplementär vorhanden ist, ist der Streitwert für diesen Antrag auf Einsetzung eines Treuhänders nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bemessen. Es ist auf den Erfolg abzustellen, den diese Maßnahme für den Kläger haben soll. Die wirtschaftliche Bedeutung des Unternehmens kommt bei dieser Schätzung erst in zweiter Linie in Betracht.3

5219

In ähnlicher Weise bestimmt der BGH4 den Streitwert für Verfahren über die Befugnisse und Pflichten des Testamentsvollstreckers. Maßgeblich sind die jeweils geltend gemachten Ansprüche, was zu einer Streitwertbestimmung als Bruchteil des zu verwaltenden Vermögens führen kann, aber ebenso zu einer Bewertung nach Aufwand an Zeit und Kosten für eine konkrete Tätigkeit.

1 2 3 4

Vgl. LAG Hamm, JurBüro 2002, 312. OLG Oldenburg, FamRz 1979, 64; OLG Bamberg, JurBüro 1979, 1681 und 874. OLG Hamm, Rpfleger 1956, 140. BGH, Beschl. v. 17.12.2003 – IV ZR 28/03, RVG-Berater 2004, 82.

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Onderka

Überbau

Überbau A. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert einer Klage auf Beseitigung oder Unterlassung eines Überbaus ist, wie bei jeder anderen Klage auf Entfernung einer Eigentumsstörung, nach § 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 GKG zu ermitteln.1 Die vereinzelt gebliebene Ansicht, es sei § 7 ZPO anzuwenden,2 dürfte heute nicht mehr vertreten werden.

5220

Abzustellen ist daher erstinstanzlich auf das Interesse des Klägers an der Beseitigung. Es deckt sich mit der objektiven Wertminderung, die das Grundstück des Klägers durch den Überbau erleidet.3

5221

Umstritten ist die Streitwertbestimmung, wenn der Beklagte der Beseitigungsklage entgegenhält, er sei durch eine Grunddienstbarkeit zum Überbau berechtigt: – Nach einer Ansicht4 ist auch in diesem Fall nach § 3 ZPO anhand des klägerischen Interesses an der Beseitigung zu schätzen. – Nach anderer Ansicht ist in einem solchen Fall nach § 7 ZPO zu bewerten.5 Es genüge dazu, dass der Beklagte die Berechtigung aus der Grunddienstbarkeit im Rechtsstreit einwende. Nach § 3 ZPO dürfe in einem solchen Fall nur bewertet werden, wenn der Bestand der Grunddienstbarkeit unstreitig ist und lediglich Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien über die Ausübung der Störung bestehen.

5222

Der zweiten Meinung ist zuzustimmen: Wenn der Kläger seinen Abwehranspruch darauf stützt, dass der Beklagte sich zu Unrecht auf eine Grunddienstbarkeit beruft, dann muss über deren Bestand entschieden werden. Nicht anders liegt es, wenn der Beklagte die Grunddienstbarkeit einwendet. Auch dann gehört es zum unstreitigen Vorbringen und damit zum Klägervortrag, dass der Beklagte sich auf eine Grunddienstbarkeit beruft, die ihn zum Überbau berechtigt. Damit ist es in beiden Fällen unumgänglich, über den Bestand der Grunddienstbarkeit mit zu entscheiden. Auch wenn die Entscheidung über die Abwehrklage keine Rechtskraft hinsichtlich des Bestandes der Grunddienstbarkeit schafft, ist doch § 7 ZPO die passende Bewertungsvorschrift und nicht § 3 ZPO.

5223

Auch im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Einstellung eines Überbaues ist das Interesse des Klägers an der Beseitigung des Überbaues maßgebend, nicht die Höhe der für die Beseitigung aufzuwendenden Kosten.6

5224

1 BGH, Beschl. v. 23.1.1986 – V ZR 119/85, MDR 1986, 663 = NJW-RR 1986, 737; OLG München, OLGR 1997, 140; LG Düsseldorf, NJW 1963, 2178; h.M., vgl. Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Überbau“. 2 LG Bonn, NJW 1961, 1823; LG Bayreuth, JurBüro 1985, 441. 3 OLG Frankfurt, JurBüro 1959, 169; LG Bayreuth, JurBüro 1979, 437 mit Anm. Mümmler; LG Bayreuth, Beschl. v. 13.8.1984 – 2 T 103/84, JurBüro 1985, 441. 4 BGH, Beschl. v. 23.1.1986 – V ZR 119/85, KostRsp. ZPO § 7 Nr. 2 mit insoweit abl. Anm. Schneider = MDR 1986, 654. 5 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Überbau“. 6 OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 365.

Onderka

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Umsatzsteuer 5225

Die Frage, welche Kosten für die Beseitigung des Überbaus aufzuwenden sind, findet erst Einfluss in die Bestimmung der Beschwer des in erster Instanz zu Beseitigung verurteilten Beklagten. Für die Bemessung der Beschwer vertritt der BGH die Auffassung, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes ggf. auch den Wert des – unveränderten – Streitgegenstandes übersteigen kann.1

5226

Der Wert eines Verfahrens, in welchem eine Überbaurente geltend gemacht wird, ist nach § 9 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 ZPO zu bestimmen.2 Maßgeblich ist der 3,5-fache Wert des einjährigen Bezugs, wenn nicht – bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts – der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge geringer ist.

Überweisungsbeschlüsse S. das Stichwort „Pfändung“.

Umsatzsteuer A. Zuständigkeitsstreitwert 5227

Wird eine Forderung (Kaufpreis, Werklohn, Miete, o.Ä.) eingeklagt, so ist die darin enthaltene Umsatzsteuer bei der Streitwertfestsetzung mitzurechnen.3 Es handelt sich keinesweges um Nebenforderungen i.S. des § 5 ZPO. Dabei ist es gleichgültig, ob die Umsatzsteuer im Klageantrag einfach einbezogen oder gesondert gekennzeichnet und beziffert worden ist.4

5228

Auch dann, wenn Schadens- oder Aufwendungsersatz geltend gemacht wird, ist die in der Klageforderung enthalte Umsatzsteuer hinzuzurechnen. Eine Berechtigung des Klägers zum Vorsteuerabzug ist in diesem Zusammenhang unerheblich, da es nur auf den eingeklagten Betrag ankommt, nicht auf die Berechtigung der Forderung.

5229

Wird auf Herausgabe geklagt, so ist der Verkehrswert einschließlich Umsatzsteuer maßgebend. Auch hier kommt es auf eine Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht an.

5230

Richtet sich die Klage lediglich auf Feststellung einer Schadens- oder Aufwendungsersatzpflicht, so ist grundsätzlich ebenfalls vom Brutto-Betrag auszugehen. Ist die Partei dagegen nach ihrem eigenem Vorbringen zum Vorsteuerabzug berechtigt, so darf lediglich vom Netto-Betrag ausgegangen werden, da im Falle einer Leistungsklage nur der Netto-Betrag geltend gemacht würde.

5231

Gleiches dürfte bei der Feststellung einer Schadens- oder Aufwendungsersatzpflicht nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB gelten, wenn der Kläger davon ausgeht, 1 BGH, Beschl. v. 10.12.1993 – V ZR 168/92, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1170 = BGHZ 124, 313 = LM ZPO § 2 Nr. 8 mit Anm. Grunsky; Aufgabe von BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 812 = KostRsp. ZPO § 7 Nr. 2; näher beim Stichwort „Rechtsmittel“. 2 OLG Celle, JR 1951, 56; Hartmann, GKG, Anh. I § 48 (§§ 8, 9 ZPO) Rn. 5. 3 OLG Köln, Beschl. v. 23.11.1981 – 17 W 360/81, JurBüro 1982, 1070 = AnwBl. 1982, 198. 4 LG Hannover, Beschl. v. 10.1.1974 – 24 O 109/72, Nds.Rpfl. 1974, 157.

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N. Schneider

Umsatzsteuer den Schaden in Eigenregie zu reparieren, sodass keine Umsatzsteuer anfallen wird. Hier kann allerdings die anteilige Umsatzsteuer aus Ersatzteilen zu berücksichtigen sein, die der Geschädigte zur Reparatur in Eigenregie aufwenden muss. Ebenso wird die Umsatzsteuer außer Ansatz zu lassen sein, wenn der Geschädigte eine umsatzsteuerfreie Ersatzbeschaffung vornehmen wird.

5232

Das Gleiche gilt, wenn unbeziffert Deckungsschutz aus einem Versicherungsverhältnis geltend gemacht wird. Auch hier ist grundsätzlich vom Bruttobetrag auszugehen, es sei denn, der Versicherer schuldet wegen der Vorsteuerabzugsberechtigung des Versicherten unstreitig Deckungsschutz nur in Höhe der Netto-Beträge, so z.B. in der Fahrzeugversicherung nach § 13 AKB1 oder bei einer Deckungsschutzklage aus einer Rechtsschutzversicherung, wenn der Versicherungsnehmer unstreitig zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

5233

Ist die Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung dagegen streitig, behauptet dies also lediglich der Gegner, ist dies unerheblich, da es auf den Antrag des Klägers ankommt. Solange sich dieser (auch) eines Anspruchs auf Ersatz der Umsatzsteuer berühmt, ist sie mitzubewerten.

5234

Wird lediglich die Erteilung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis verlangt, richtet sich der Streitwert nach der Höhe der auszuweisenden Umsatzsteuer, da der Kläger diese im Wege des Vorsteuerabzugs geltend machen kann.2

5234a

B. Beschwer Bei der Beschwer ist die Umsatzsteuer anch denselben Grundsätzen zu berücksichtigen wie beim Zuständigkeitssttreitwert.

5235

Die Beschwer kann auch ausschließlich in der Umsatzstezuer liegen, wenn Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens alleine die Frage ist, ob auch Umsatzsteuer gerschuldet ist. Im Falle einer Verurteilung zur Erstellung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis ist der Rechtsmittelkläger in Höhe der auszuweisenden Umsatzsteuer beschwert.3

5235a

C. Gebührenstreitwert Für den Gebührenstreitwert gelten die gleichen Grundsätze wie zum Zustänmdigkeitsstreitwert.

5236

Soweit nach § 41 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5 GKG auf das Entgelt für einen bestimmten Zeitraum abgestellt wird, ist die auf das Netto-Entgelt zu zahlende Umsatzsteuer hinzuzurechnen.4

5237

1 BGH, Beschl. v. 30.4.1991 – IV ZR 243/90, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1050 mit Anm. Schneider = NJW-RR 1991, 1149. 2 BGH, MDR 2010, 766 = AGS 2010, 404 = NJW-RR 2010, 1579. 3 BGH, MDR 2010, 766 = AGS 2010, 404 = NJW-RR 2010, 1579. 4 OLG Celle, Beschl. v. 11.11.2008 – 2 W 239/08, AGS 2009, 89 = NJW-Spezial 2009, 67 = MietRB 2009, 101; OLG Stuttgart, Beschl. v. 9.10.2008 – 5 W 48/08, GuT 2008, 445 = AGS 2009, 46 = NZM 2009, 320 = NJW-Spezial 2008, 764 = MietRB 2009, 132; KG, Beschl. v. 17.6.1999 – 8 W 4592/99, KGR 1999, 310 = NJW-RR 2000, 966 = NZM 2000,

N. Schneider

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Umsatzsteuerausweis

D. Besonderheiten beim Kostenstreitwert 5238

Werden Kosten zur Hauptsache, etwa nach Erledigungserklärung, Hauptsacheanerkenntnis oder Klagrücknahme, oder in gesonderten Kostenverfahren (Kosten- oder Streitwertbeschwerde, Kostenfestsetzung u.ä.), so ist die auf die Anwaltskosten und sonstige Parteikosten erfallende Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) grundsätzlich mitzuberechnen.

5239

Soweit eine Partei jedoch zum Vorsteuerabzug berechtigt ist oder ausnahmsweise keine Umsatzsteuer anfällt (z.B. in Auslandsfällen oder beim Anwalt in eigener Sache, § 91 Abs. 1 Satz 3 ZPO), bleibt die Umsatzsteuer außer Ansatz, da sie für die betreffende Parte nur ein durchlaufender Posten ist, insbesondere nicht erstattet verlangt werden kann (§§ 91, 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO).

5240

Gleiches gilt für die Berechnung des Wertes des Beschwerdegegenstandes bei Beschwerden in Kostensachen nach § 567 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 ZPO, § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG. Auch hier bleibt die Umsatzsteuer außer Ansatz, soweit unstreitig Vorsteuerabzugsberechtigung besteht.

* Æ Beispiel: Im Kostenfestsetzungsverfahren streiten die Parteien über die Berechtigung einer Terminsgebühr des Klägers aus dem Wert von 2.500 Euro (netto 192,30 Euro), die das Gericht abgesetzt hat. Der Kläger will dagegen Rechtsmittel einlegen. a) Der Kläger zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt b) Der Kläger zum Vorsteuerabzug berechtigt Im Fall a) beträgt die Beschwer 192,30 Euro zuzüglich 19 % Umsatzsteuer. Die Beschwerde ist also zulässig. Im Fall a) beträgt die Beschwer nur 192,30 Euro. Die Umsatzsteuer bleibt wegen der Vorsteuerabzugsberechtigung außer Ansatz, da sie ohnehin nicht festsetzungsfähig ist. Die Beschwerde ist in diesem Fall unzulässig. Es bleibt nur die Erinnerung.

Umsatzsteuerausweis A. Zuständigkeitsstreitwert 5241

Verlangt der Kläger die gesonderte Ausweisung der Umsatzsteuer in einer Rechnung, so richtet sich der Streitwert nach dem Betrag der auszuweisenden Umsatzsteuer.1 Sein Interesse besteht nämlich darin, die Umsatzsteuer im Wege des Vorsteuerabzugs zurück erstattet zu erhalten bzw. mit eignen Steuerschulden verrechnen zu können. Das Gleiche gilt, wenn aus anderen Gründen eine ordnungsgemäße Rechnung zum Zwecke des Vorsteuerabzugs verlangt wird.

5242

Verlangt der Kläger die Ausweisung eines höheren Umsatzsteuersatzes als ausgewiesen (etwa 19 % statt 7 %), richtet sich der Wert nach der streitigen Differenz.

659; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 28.11.2000 – 4 W 53/00, AGS 2001, 204 = NZM 2001, 420. 1 BGH, Urt. v. 10.3.2010 – VIII ZR 65/09, MDR 2010, 766.

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N. Schneider

Unbezifferte Anträge

B. Beschwer Bei der Beschwer ist zu differenzieren: – Für den Kläger richtet sich die Beschwer nach dem auszuweisenden Umsatzsteuerbetrag. – Für die Beschwer des beklagten Rechnungsausstellers kommt es darauf an, ob die im Rechnungsbetrag enthaltene Umsatzsteuer unstreitig ist oder nicht: Ist unstreitig, dass in dem Rechnungsbetrag Umsatzsteuer enthalten ist, dürfte sich die Beschwer für ihn lediglich auf die Kosten belaufen, die mit der Erstellung der Rechnung verbunden sind, denn die Umsatzsteuer muss unabhängig davon abgeführt werden, ob sie ausgewiesen ist oder nicht. Es gilt hier nichts anderes als bei einem Auskunftsanspruch (s. Rn. 1406). Bestreitet der Rechnungsaussteller dagegen, dass in dem Rechnungsbetrag Umsatzsteuer enthalten ist, ist wiederum der volle Wert maßgebend, da der Rechnungsaussteller im Falle der Ausweisung die Umsatzsteuer auch abführen muss.1 Ist nur die Höhe des Umsatzsteuersatzes streitig, richtet sich der Wert nach der streitigen Differenz.

5243

C. Gebührenstreitwert Für den Gebührenstreitwert gelten die gleichen Bewertungen wie für den Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Unbezifferte Anträge Literatur: Willms, JZ 1952, 618; Martini, JurBüro 1956, 433; Quardt, JurBüro 1957, 516; Pawlowski, NJW 1961, 341; Weiland, JurBüro 1980, 993; Dunz, NJW 1984, 1734; Husmann, VersR 1985, 718; Schneider, MDR 1985, 992; Bähr, VersR 1986, 533; Allgaier, VersR 1987, 31; Gerstenberg, NJW 1988, 1352; Husmann, NJW 1989, 3126; Wurm, JA 1989, 65; Steinle, VersR 1992, 425; Butzer, MDR 1992, 539 (Prozessuale und kostenrechtliche Probleme beim unbezifferten Klageantrag); Röttger, NJW 1994, 368 (Bindung an den unbezifferten Antrag); Deubner, JuS 1994, 1050; Schlosser, JZ 1996, 1082; Jaeger, MDR 1996, 888. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 5245 B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . . 5246 II. Grundlagen der Streitwertschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . 5249 1. Abgrenzung zum Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . 5251

2. Abgrenzung zur Antragsbindung 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . III. Bewertungsmaßstäbe . . . . . . . 1. Zahlungsvorschlag des Klägers . 2. Verurteilungsbetrag . . . . . . . 3. Sachvortrag des Klägers . . . . . a) Erster Rechtszug . . . . . . . . b) Rechtsmittelinstanz . . . . . .

Rn. 5255 5261 5264 5265 5271 5274 5277 5287

C. Streitwertbeschwerde . . . . . . 5292

1 BGH, Urt. v. 10.3.2010 – VIII ZR 65/09, MDR 2010, 766.

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5244

Unbezifferte Anträge Stichwortübersicht Beschwer . . . . . . . . . . . . Betragsvorstellung des Klägers gleich Streitwert . . . . . . Beweisfälligkeit des Klägers . Größenangabe des Klägers . . Höchstbetragsangabe . . . . . Klageänderung . . . . . . . . . Klagerücknahme . . . . . . . . Kostenbelastung des Klägers . Kostenrisiko . . . . . . . . . . Kostenverteilung . . . . . . .

Rn. . . . 5288 . . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

5253 5282 5251 5254 5257 5284 5282 5266 5256

Rn. Mindestbetrag, vom Kläger genannter . . . . . . . . . . . . . . . . . 5258 Mitverschulden . . . . . . . . . . . 5283 Prozessvergleich . . . . . . . . . . . 5285 Rechtsmittelbeschwer . . . . . . . . 5288 Spielraumtheorie . . . . . . . . . . 5260 Streitwertbeschwerde . . . . . . . . 5292 Verurteilungsbetrag – gleich Streitwert . . . . . . . . . 5271 – Vergleichswert . . . . . . . . . . 5272 Vorläufige Festsetzung . . . . 5267, 5292

A. Einleitung 5245

Mit einem unbezifferten Antrag stellt der Kläger die Entscheidung über die Anspruchshöhe in das Ermessen des Gerichts. Hauptanwendungsgebiet der Streitwertbemessung bei unbezifferten Anträgen sind in der Praxis die Schmerzensgeldansprüche. Die Schätzungsgesichtspunkte sind dementsprechend dieselben wie diejenigen für die Bemessung der „billigen Entschädigung“ nach § 253 Abs. 2 BGB.1 Die Bemessungsgrundsätze gelten darüber hinaus auch für alle sonstigen unbezifferten Anträge, z.B. für die Schätzung des merkantilen Minderwertes eines unfallbeschädigten Kraftfahrzeuges (vgl. § 287 ZPO).

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Allgemeines 5246

Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert ist bei unbezifferten Anträgen nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Bei einem von vornherein bezifferten Anspruch ist jedoch nach § 6 ZPO der geforderte Betrag maßgeblich.

5247

Wenn das Schmerzensgeld in Form einer Rente beansprucht wird, ist der Streitwert nach § 42 Abs. 1 GKG auf den fünffachen Jahresbetrag festzusetzen.2 Der Jahresbetrag ist wiederum durch Schätzung zu ermitteln. Bei einer Klageänderung vom unbezifferten Antrag zum Rentenantrag entstehen in der Zwischenzeit keine „Rückstände“.3

5248

Wird der (unbezifferte) Schmerzensgeldantrag neben einem Antrag auf Unterlassung ehrkränkender Äußerungen gestellt, dann sind nach dem OLG Frankfurt4 zwei Werte anzusetzen und diese zu addieren. Nach der richtigen An-

1 Husmann, VersR 1985, 718 zu § 847 BGB a.F. 2 OLG Nürnberg, JurBüro 1964, 685; OLG Freiburg, Rpfleger 1951, 571; OLG Zweibrücken, JurBüro 1978, 1550. 3 OLG Zweibrücken, JurBüro 1978, 1550. 4 OLG Frankfurt, JurBüro 1974, 1413.

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Unbezifferte Anträge sicht des OLG Köln1 bestimmt sich jedoch gem. § 48 Abs. 3 GKG der Streitwert allein nach dem Wert des höheren Anspruchs.

II. Grundlagen der Streitwertschätzung Bei der Schätzung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG sind die Wertvorstellungen des Klägers wichtige Anhaltspunkte.2 Entscheidend sind dabei die Angaben in der Antragsschrift. Eine vor Klageerhebung vom Kläger außergerichtlich geforderte höhere Summe bleibt dagegen außer Betracht, wenn sie im Verfahren nicht mehr geltend gemacht wird.3

5249

Auf welche Angaben des Klägers zum Wert seines Anspruchs darf man sich aber stützen? Hier sind zwei weitere Besonderheiten des unbezifferten Klageantrages zu beachten, die mit dem Streitwert zwar nicht unmittelbar etwas zu tun haben, aber dennoch nicht immer klar getrennt werden. Dies ist zum einen die Frage des Bestimmtheitsgebotes (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und zum anderen die Frage der Antragsbindung (§ 308 Abs. 1 ZPO).

5250

1. Abgrenzung zum Bestimmtheitsgebot Wenn der Kläger in der Klageschrift Angaben zu seinen Wertvorstellungen hinsichtlich des (unbezifferten) Anspruchs macht, geschieht dies nicht unbedingt zur Bestimmung des Streitwerts. Denn im Rahmen der Zulässigkeit der Klage (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) fordert die ganz herrschende Meinung4 beim unbezifferten Klageantrag, dass der Kläger die „allgemeine Größenordnung seines Begehrens“ kennzeichnet, wozu das Gericht ihn ggf. aufzufordern hat.5 Hiervon ausgehend gibt es dann natürlich keine unbezifferte Klageanträge ohne Größenangabe des Klägers.6

5251

* Æ Anmerkung:

5252

Allerdings sieht auch der BGH7 eine Klage ohne Angabe der Größenordnung der Forderung nicht zwingend als unzulässig wegen Verstoßes gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO an, denn er umgeht diese prozessuale Konsequenz mit einem kleinen Trick: Er sieht eine konkludente Größenangabe darin, dass der Kläger eine Wertfestsetzung des Gerichts stillschweigend hinnimmt und sich damit die Kennzeichnung der Größenordnung des Klagebegehrens durch das Gericht zu Eigen macht. Auf diese Weise wird die unzulässige Klage am Ende doch wieder zulässig.8 1 2 3 4

5 6

7 8

OLG Köln, KostRsp. GKG § 12 Nr. 162 = JurBüro 1994, 491 = OLGR 1993, 283. OLG Bamberg, JurBüro 1978, 1391. LG Stuttgart, ZZP 1969, 1956, 206. BGH, Urt. v. 9.7.1974 – VI ZR 236/73, VersR 1974, 1182; BGH, Beschl. v. 21.6.1977 – VI ZA 3/75, VersR 1977, 861; BGH, Urt. v. 13.10.1981 – VI ZR 162/80, MDR 1982, 313 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 556 mit Anm. Schneider; BGH, Urt. v. 9.11.1982 – VI ZR 23/81, NJW 1983, 332; BGH, Urt. v. 15.5.1984 – VI ZR 155/82, VersR 1984, 739; BGH, Beschl. v. 30.4.1996 – VI ZR 55/95, MDR 1996, 886. OLG Bamberg, VersR 1984, 875 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 718. Kritisch Schneider (MDR 1985, 992) und Husmann (VersR 1985, 718 und NJW 1989, 3126), der diese Praxis sogar für verfassungswidrig hält, weil sie mit dem prozessualen Bestimmungsrecht des Klägers unvereinbar und willkürlich im Sinne des Art. 3 GG sei. BGH, JurBüro 1980, 46 = VersR 1979, 472. Nach Schneider (MDR 1985, 992) hat der BGH mit dieser Rspr. nur neue Schwierigkeiten geschaffen, weil es widersprüchlich sei, unbezifferte Klageanträge zuzulassen, zugleich aber eine Betragsangabe zu fordern und dann von dieser auszugehen.

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Unbezifferte Anträge 5253

Die Angabe einer mit Rücksicht auf § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO geäußerten Betragsvorstellung durch den Kläger verführt manche Gerichte dazu, diese Summe auch für die Streitwertbemessung als verbindlich anzusehen.1 Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn der Kläger seine Betragsvorstellungen äußert, ohne hinzuzufügen, dass sie keine Bindungswirkung haben sollen.2

5254

Das OLG München3 setzt den Gebührenstreitwert selbst in solchen Fällen auf die vom Kläger nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO angegebene Größenordnung fest, wenn das nach dem Sachvortrag des Klägers gerechtfertigte Schmerzensgeld um ein Vielfaches geringer ist. Die Kostenvergünstigung der unbezifferten Leistungsklage4 ist damit praktisch abgeschafft.5 Noch weiter geht das OLG München in einer anderen Entscheidung,6 wonach ein vom Kläger angegebener Mindestbetrag das Gericht streitwertmäßig binde, wenn der Kläger keinen Höchstbetrag genannt habe. 2. Abgrenzung zur Antragsbindung

5255

Stellt eine Partei nur einen unbezifferten Antrag, so kann nicht ohne weiteres festgestellt werden, ob und in welchem Maße sie mit dem später ergehenden Urteil obsiegt hat bzw. unterlegen ist, denn bei unbezifferten Anträgen stellt der Kläger die Höhe seiner Forderung in das Ermessen des Gerichtes. Hier muss das Gericht entscheiden, ob ein Fall des § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vorliegt oder die Kosten zu teilen sind.

5256

* Æ Anmerkung: Nach einer Entscheidung des OLG Koblenz7 hat eine Teilabweisung und Kostenquotelung zu unterbleiben, wenn eine Partei als vorgestelltes Schmerzensgeld den Betrag von 15.000 DM nennt und 13.000 DM zugesprochen erhält. Der zugesprochene Betrag bewege sich dann noch innerhalb der von der Partei geäußerten Größenordnung des geforderten Betrags.

5257

Fraglich ist in solchen Fällen ebenso, ob und in welchem Umfang das Gericht die vom Kläger geäußerte Betragsvorstellung überschreiten darf – ob also die vom Kläger geäußerte Betragsvorstellung im Rahmen des § 308 Abs. 1 ZPO Bindung entfaltet.8 1 So etwa OLG Schleswig, JurBüro 1980, 604 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 471; OLG Karlsruhe, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 440 mit Anm. Schneider; OLG Karlsruhe, Justiz 1985, 167 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 751; OLG Bamberg, JurBüro 1985, 765 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 748; OLG Bamberg, JurBüro 1986, 908. 2 S. OLG Celle, NJW 1977, 334; OLG Nürnberg, MDR 1976, 411; OLG Hamm, VersR 1977, 935; OLG Bamberg, JurBüro 1978, 588; OLG Zweibrücken, JurBüro 1978, 586; OLG Zweibrücken, JurBüro 1978, 739; OLG Karlsruhe, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 440; OLG Schleswig, JurBüro 1980, 604; LG Itzehoe, AnwBl. 1985, 43. 3 OLG München, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 874 mit abl. Anm. Schneider = NJW 1988, 1396. 4 Hierzu Zöller/Herget, § 92 Rn. 12; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.6.1994 – 22 W 28/ 94, OLGR 1994, 239: Keine Kostenbelastung bei 20 % Unterschreitung der angegebenen Größenordnung. 5 Insofern ist es zwar verfehlt aber konsequent, generell die Zulässigkeit unbestimmter Anträge zu verneinen; vgl. Gerstenberg, NJW 1988, 1352. 6 OLG München, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 841 mit abl. Anm. Schneider = NJW 1986, 3089. 7 OLG Koblenz, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 989 mit Anm. Schneider = VersR 1990, 402. 8 Vgl. auch Lappe, Anm. zu KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1002.

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Unbezifferte Anträge Nach Meinung des OLG Karlsruhe1 soll ein vom Kläger genannter Mindestbetrag wie folgt zu beachten sein (sog. Spielraumtheorie): – Liegt der vom Gericht für angemessen gehaltene Betrag unterhalb der Mindestangabe des Klägers, dann ist diese maßgebend. – Liegt der vom Gericht als angemessen angesehene Betrag zwischen der Mindestangabe und der Mindestangabe + 25 %, dann ist der vom Gericht für angemessen gehaltene Betrag anzusetzen. – Liegt der vom Gericht als angemessen angesehene Betrag über der Grenze der Mindestangabe + 25 %, dann soll der Streitwert gleich der Summe der Mindestangabe + 25 % sein.

5258

Solche Kriterien lassen sich nicht aus dem Gesetz ableiten und auch nicht mit „freiem Ermessen“ (§ 3 ZPO) begründen, sondern laufen auf eine willkürliche Bewertung hinaus. Ein Schmerzensgeldkläger, der einen Mindestbetrag nennt, ohne einen Höchstbetrag zu beziffern, erstrebt die ihm günstigste Verurteilung des Beklagten und begrenzt seinen Antrag nicht auf eine Mindestangabe + 25 %.2 Weder dem Gesetz noch der Rechtsprechung des BGH lässt sich entnehmen, dass dem Kläger, der nur einen Mindestbetrag nennt, nicht mehr als dieser Betrag + 25 % zugesprochen werden dürfe, selbst wenn das Gericht der Auffassung sei, dem Kläger stehe weit mehr zu.

5259

In einer neueren Entscheidung3 hat der BGH sowohl der „Spielraumtheorie“4 als auch der Bindung ohne prozentualen Aufschlag5 eine Absage erteilt und ausgeführt, in der Überschreitung der vom Kläger als Mindestbetrag genannten Schmerzensgeldsumme um das Doppelte liege kein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO. Weder Mindestbetrag noch Größenvorstellung zögen im Hinblick auf § 308 ZPO eine Grenze und auch eine Eingrenzung auf einen prozentualen Rahmen käme nicht in Betracht.

5260

3. Stellungnahme Die rein prozessualen Anforderungen an die Bestimmtheit eines Antrages (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) haben nichts mit den Bemessungsumständen für den Streitwert zu tun. Das zeigt sich schon daran, dass ein Streitwert auch dann nach dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers bemessen und festgesetzt werden muss, wenn seine Klage mangels „Kennzeichnung der allgemeinen Größenordnung seines Begehrens“ als unzulässig abgewiesen werden müsste.

5261

Es ist zwar richtig, dass der Kläger dann, wenn er „die allgemeine Größenordnung seines Begehrens“ kennzeichnet, auch seine Betragsvorstellung offen

5262

1 OLG Karlsruhe, Justiz 1990, 330; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.6.1994 – 22 W 28/94, NJW-RR 1995, 955 (20 %); Dunz, NJW 1984, 1734; Wurm, JA 1989, 65; Steinle, VersR 1992, 425; Butzer, MDR 1992, 539. 2 Oder + 20 %; so aber OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.6.1994 – 22 W 28/94, NJW-RR 1995, 955; s. auch Röttger, NJW 1994, 368 (2) zur „Spielraumtheorie“; Zöller/Greger, § 253 Rn. 14. 3 BGH, Beschl. v. 30.4.1996 – VI ZR 55/95, MDR 1996, 886 = NJW 1996, 2425. 4 Das Gericht kann sein Ermessen bezüglich der Höhe des Schmerzensgeldes nicht ganz frei ausüben, sondern muss sich nach oben und unten an die vom Kläger durch die Größenordnung vorgegebene Bandbreite (zzgl. 20 bis 25 %) halten. 5 OLG München, NJW 1986, 3089; Gerstenberg, NJW 1988, 1352; Röttger, NJW 1994, 368.

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Unbezifferte Anträge legt. Daraus ergibt sich aber noch nicht, dass insoweit für ihn Bindungswirkungen zur Streitwerthöhe, Kostenentscheidung oder Beschwer eintreten. Dies ist vielmehr eine gesondert zu stellende und zu beantwortende Frage.1 Insofern kann es bei Festsetzung des Streitwertes auch keine Rolle spielen, ob und in welcher Höhe die ausgeurteilte Summe hinter den Betragsvorstellungen des Klägers zurückgeblieben ist. 5263

Anders ausgedrückt: Man kann zur Zulässigkeit der Klage die Äußerung einer Betragsvorstellung verlangen, bei der Streitwertbemessung aber diese Betragsvorstellung völlig ignorieren oder sie als verbindlichen Wert ansehen oder als untere Grenze der Bezifferung deuten.

III. Bewertungsmaßstäbe 5264

Der Streit um die Bewertung des unbestimmten Antrages dreht sich im Wesentlichen darum, an welchen Kriterien sich die Schätzung des Gerichts (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO) auszurichten hat. In Betracht kommen alternativ – der Zahlungsvorschlag des Klägers, – der Sachvortrag des Klägers, – der Betrag, auf den das Gericht erkennt. 1. Zahlungsvorschlag des Klägers

5265

Eine Meinung zur Bewertung des unbezifferten Leistungsantrages geht dahin, dass der Streitwert sich nach dem Betrag bemisst, den der Kläger als angemessen bezeichnet hat.2

5266

Dass der Kläger seine Meinung über die Höhe beispielsweise des angemessenen Schmerzensgeldes äußert, darf jedoch sein Kostenrisiko nicht erhöhen.3 Insofern sind Äußerungen des Klägers über die Höhe des Anspruchs für den Streitwert nur dann von Bedeutung, wenn sie das Ermessen des Gerichts – nach oben oder nach unten – begrenzen sollen.4

5267

Der Kläger kann jederzeit erklären, dass er eine solche Begrenzung nicht zum Ausdruck bringen will. Insbesondere sollte das Gericht sich durch Rückfrage (§§ 139, 278 Abs. 2 ZPO) vergewissern, wenn auch die vorläufige Streitwertfestsetzung (§ 63 Abs. 1 GKG) bei unbeziffertem Antrag ohne vorangegangene Erörterung mit Parteien und Anwälten beschlossen werden kann.5

5268

Unbeachtlich sind die Angaben für den Streitwert dann, wenn aus dem Vorbringen des Klägers hervorgeht, dass er die von ihm angegebene Summe nicht als maßgebliche Schätzung angesehen wissen will.6 Hier ist auch die Auffassung einzuordnen, die – wohl unter dem Einfluss der BGH-Rechtsprechung zu 1 So richtig OLG München, JurBüro 1980, 125 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 462 mit Anm. Schneider. 2 OLG Schleswig, Rpfleger 1962, 425 – aufgegeben in JurBüro 1963, 147; OLG München, Rpfleger 1962, 2. 3 OLG Köln, JMBl.NW 1971, 77 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 264; OLG Köln, AfP 1978, 268. 4 OLG Schleswig, JurBüro 1971, 613; LG Kassel, JurBüro 1988, 917. 5 Dies stellt keinen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 oder Art. 103 Abs. 1 GG dar, da es sich nicht um die endgültige Festsetzung handelt (vgl. BVerfGE 101, 404). 6 OLG Neustadt, JurBüro 1961, 506.

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Unbezifferte Anträge § 253 Abs. 2 ZPO – den Streitwert des unbezifferten Antrages nach der Betragsvorstellung bemisst, die der Kläger in der Begründung zum Ausdruck gebracht hat.1 Soweit der Kläger in der Klageschrift Größenvorstellungen äußert, ist zwischen einem Mindest- und einem Höchstbetrag zu unterscheiden:

5269

– Vom Kläger in der Klageschrift gesetzte Höchstbeträge stellen immer die obere Bemessungsgrenze dar.2 – Nach OLG München3 ist der Streitwert grundsätzlich mit dem angegebenen Mindestbetrag anzusetzen. Bei Vorliegen besonderer Umstände kann der Streitwert höher zu bemessen sein. Dies ist allerdings dann nicht gerechtfertigt, wenn der Kläger zu erkennen gegeben hat, dass er das Kostenrisiko eines höheren Streitwerts nicht übernehmen will.4 – Nach OLG Frankfurt5 ist der vom Kläger als angemessen genannte Betrag um 20 % zu vermindern, wenn seine Vorstellung viel zu hoch erscheint.6

5270

2. Verurteilungsbetrag Nach einer anderen Ansicht richtet sich der Streitwert beim unbezifferten Leistungsantrag nach dem Betrag, auf den das Gericht im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens – im letzten Rechtszug7 – erkennt.8 Die Darlegungen des Klägers über die Höhe des ihm billigerweise zu zahlenden Schmerzensgeldes sind danach für die Bewertung des Streitgegenstandes unerheblich.9 Nur wenn der Kläger die Zuerkennung eines Mindestbetrages fordert, bestimmt dieser die untere Grenze des Streitwertes.10 1 OLG Schleswig, JurBüro 1980, 604 = SchlHA 1980, 118 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 471; OLG Karlsruhe, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 440 mit Anm. Schneider. Damit im Ergebnis weitgehend übereinstimmend Steinle, VersR 1992, 4259, wonach der Streitwert dem Betrag entspricht, den das Gericht aufgrund der tatsächlichen Ausführungen des Klägers für angemessen hält, sofern der Betrag sich noch in dem vom Kläger angegebenen Rahmen hält. Wie diese Einschränkung allerdings konkretisiert werden soll, das ist zweifelhaft und streitig. Nach Röttger (NW 1994, 368) ist die vom Kläger zu nennende Größenordnung regelmäßig die maßgebende Obergrenze, über die das Gericht nicht hinausgehen darf. 2 BGH, Beschl. v. 30.4.1996 – VI ZR 55/95, MDR 1996, 886 = NJW 1996, 2425; OLG München, NJW 1968, 1937. 3 OLG München, Beschl. v. 26.4.1994 – 1 W 2878/93, OLGR 1994, 165. 4 BGH, Beschl. v. 30.4.1996 – VI ZR 55/95, MDR 1996, 886 = NJW 1996, 2425; BGH, Urt. v. 12.11.1991 – VI ZR 369/90, VersR 1992, 237; OLG München, NJW 1986, 3089; OLG Stuttgart, BB 1959, 460. 5 OLG Frankfurt, MDR 1982, 674. 6 Zur 20 %-Grenze: Röttger, NJW 1994, 368 (2) „Spielraumtheorie“; Zöller/Greger, § 253 Rn. 14. 7 Vgl. OLG Schleswig, SchlHA 1956, 260. 8 OLG Stuttgart, NJW 1961, 81; OLG Stuttgart, NJW 1957, 147; OLG Frankfurt, MDR 1957, 173; OLG Frankfurt, JurBüro 1953, 407; OLG Frankfurt, 1971, 1061 – hier unter Aufzählung zahlreicher Ausnahmen, die den praktischen Wert des Grundsatzes in Frage stellen; OLG Frankfurt, JurBüro 1973, 433; LG Stuttgart, ZZP 69, 1956, 206; Fuchs, JurBüro 1990, 559. 9 OLG Schleswig, SchlHA 1956, 260; OLG München, Rpfleger 1962, 2. 10 OLG München, Rpfleger 1962, 2; OLG München, Rpfleger 1967, 166; OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 224.

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5271

Unbezifferte Anträge 5272

Konsequenterweise werden diese Bewertungsgrundsätze auch auf den Gegenstandswert eines Vergleichs angewandt.1 Haben sich die Parteien über einen Betrag geeinigt, den auch das Gericht für angemessen hält, so können Vergleichssumme und Gegenstandswert zusammenfallen.2 Hätte das Gericht jedoch im Urteil einen höheren Betrag zugebilligt, so ist dieser maßgebend.3

5273

Ob der Streitwert für das Verfahren gleich der Höhe der Vergleichssumme ist, hängt somit davon ab, ob sich die Vergleichsvorstellungen der Partei und die Vorstellung des Gerichts über den Schmerzensgeldbetrag decken. Das ist dann anzunehmen, wenn der Vergleich entsprechend einem fundierten Vergleichsvorschlag des Gerichts abgeschlossen worden ist.4 3. Sachvortrag des Klägers

5274

Die dritte, zutreffende Meinung stellt weder auf den vom Gericht zugesprochenen Betrag noch auf den Vorschlag des Klägers, sondern darauf ab, welcher Betrag auf der Grundlage des klagebegründenden Sachvortrages zuzubilligen wäre.5 Dies stützt sich auf folgende Erwägungen:

5275

Der vom Gericht zugesprochene Betrag kommt deshalb nicht in Betracht, weil sich dann bei völliger Ablehnung eines Anspruchs überhaupt kein Streitwert ergäbe.

5276

Der vom Kläger angegebene Betrag scheidet aus, weil der erstrebte Zweck der Streitwertsenkung nicht erreicht würde, wenn er ohne weiteres zugrunde gelegt würde.6 Würde man nämlich nicht den Sachvortrag des Klägers, sondern seine Meinung über die Höhe des Anspruchs zugrunde legen, dann würde man ihm damit das Kostenrisiko aufbürden, das ihm durch die Zulassung des unbezifferten Klageantrages gerade erspart werden soll. Um diese kostenrechtliche Folge zu vermeiden, müsste der Kläger seine Ansicht über die Höhe der Forderung zurückhalten. Das aber wäre im Interesse des Verfahrens unerwünscht, denn die Auffassungen der Parteien können für das Gericht bei der Ermittlung des angemessenen Betrages eine wesentliche Hilfe sein. a) Erster Rechtszug

5277

Für die Streitwertbemessung ist deshalb das – unbezifferte! – Begehren des Klägers ausschlaggebend.7 Das hiermit gleich bedeutende wirtschaftliche Interesse des Klägers8 ergibt sich aus seinem Sachvortrag. Es ist also darauf abzustellen, welcher Betrag auf der Grundlage des Klagevorbringens angemes1 2 3 4 5

OLG Frankfurt, JurBüro 1971, 1061. OLG Frankfurt, VersR 1965, 295. OLG Stuttgart, MDR 1956, 623. OLG Frankfurt, VersR 1965, 295. BGH, Urt. v. 30.4.1996 – VI ZR 55/95, MDR 1996, 886; BGH, Warneyer 1964 Nr. 235; KG, Beschl. v. 15.3.2010 – 12 W 9/10, juris; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.1.1998 – 5 W 20/97, JurBüro 1998, 260; OLG Hamm, AnwBl. 1984, 202; KG, NJW 1964, 821; OLG Bamberg, JurBüro 1959, 82; OLG Nürnberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 165. 6 KG, Rpfleger 1962, 153; OLG München, Rpfleger 1968, 361; OLG München, JurBüro 1980, 125 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 462 mit Anm. Schneider. 7 OLG Neustadt, JurBüro 1954, 104; OLG Bremen, JurBüro 1956, 229; OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 647. 8 OLG Schleswig, SchlHA 1953, 153; OLG Bamberg, JurBüro 1965, 403.

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Unbezifferte Anträge sen wäre.1 Die auf einer rechtlichen Beurteilung des tatsächlichen Vorbringens in der Klageschrift beruhende Bewertung kann daher sowohl von den unverbindlichen Angaben des Klägers als auch von der im Urteil zuerkannten Summe abweichen. Beantragt der Kläger die Zuerkennung eines Mindestbetrages, so bestimmt dieser die untere Grenze des Streitwertes.2

5278

Diese Grenzwertbindung tritt aber nur ein, wenn der Kläger das Gericht im Hinblick auf den Streitwert an eine geäußerte Betragsvorstellung binden will. Die Angabe der Größenordnung, die er möglicherweise mit Rücksicht auf die Zulässigkeit der Klage (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) macht, enthält noch keine Festlegung dieser Art. Im Zweifel ist der Kläger zu befragen (§ 139 ZPO).3

5279

Die – bindende oder nicht bindende – Angabe eines Mindestbetrages hindert das Gericht nicht, den Streitwert höher als diese Angabe festzusetzen, wenn der Tatsachenvortrag des Klägers als Bemessungsgrundlage für einen höheren Wert in Betracht kommt.4

5280

Wenn sich die für die Entscheidung über die Höhe des Anspruchs maßgebenden Gesichtspunkte zwischen Klageerhebung und Urteil nicht geändert haben, ist der im voll stattgebenden Urteil zuerkannte Betrag auch für die abschließende Streitwertfestsetzung bestimmend.5 Bei Verurteilung des Beklagten auf der Grundlage des Tatsachenvortrages des Klägers deckt sich nämlich der Streitwert mit der Verurteilungssumme; mangels einer Klageabweisung ist der Kläger auch kostenfrei.6

5281

Die Klage ist teilweise zu Lasten des Klägers abzuweisen, wenn sein Obsiegen hinter dem Erfolg zurückbleibt, den er erreicht hätte, wenn er seinen gesamten Sachvortrag hätte beweisen können.7 Ergibt sich wegen Beweisfälligkeit ein geringerer Verurteilungsbetrag, ist das aber auf den Streitwert ohne Einfluss, da dieser vom Antragsinteresse, nicht vom Prozesserfolg abhängt. Allerdings wird die teilweise Beweisfälligkeit kostenmäßig nach § 92 ZPO zu erfassen sein. Der Unterschied zwischen dem auf der Grundlage der Klagebehauptungen errechneten Streitwert und der hinter diesem Wert zurückbleibenden Ver-

5282

1 Vgl. KG, NJW 1964, 821; KG, MDR 1973, 146; OLG Schleswig, SchlHA 1953, 153; OLG Schleswig, JurBüro 1971, 613; OLG Neustadt, MDR 1960, 935; OLG Celle, MDR 1962, 826; OLG Bamberg, JVBl. 1965, 62; OLG Bamberg, JurBüro 1971, 91 u. 1765; OLG Zweibrücken, JurBüro 1970, 984; OLG Karlsruhe, MDR 1967, 773; OLG Frankfurt, BB 1964, 10; OLG München, JurBüro 1980, 125; OLG Köln, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1060 mit Anm. Schneider = VersR 1991, 1430; OLG Nürnberg, VersR 1977, 262; OLG Düsseldorf, OLGR 1995, 45; OLG Koblenz, JurBüro 1977, 718; OLG Hamm, AnwBl. 1984, 202 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 673; LAG Nürnberg-Fürth, AnwBl. 1984, 448; LG Itzehoe, AnwBl. 1985, 43 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 734; LG Saarbrücken, AnwBl. 1980, 358; LG Karlsruhe, AnwBl. 1981, 445. 2 KG, Beschl. v. 15.3.2010 – 12 W 9/10, juris; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.11.2009 – 4 W 343/09, juris; OLG München, Beschl. v. 15.6.2007 – 1 W 1734/07, juris; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.1.1998 – 5 W 20/97, JurBüro 1998, 260; KG, VersR 1969, 1119. 3 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.1.1998 – 5 W 20/97, JurBüro 1998, 260 (dies gilt auch dann, wenn die Partei nicht ausdrücklich erklärt, dass die Wertangabe für den Gebührenwert keine Bindungswirkung entfalten soll). 4 KG, VersR 1969, 1119. 5 KG, JurBüro 1966, 238; KG, MDR 1970, 152. 6 OLG Köln, AfP 1978, 268. 7 OLG Köln, MDR 1969, 317.

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Unbezifferte Anträge urteilungssumme darf also nur über die Kostenbelastung ausgeglichen werden, nicht auf dem Weg einer Herabsetzung des Streitwertes,1 auch nicht durch eine Unterschreitung des vom teilweise beweisfällig bleibenden Klägers genannten Mindestbetrages.2 5283

Auch die Frage der Anwendung des § 254 BGB löst sich nach herrschender Auffassung einfach. Wenn der Kläger davon ausgeht, dass ihm voller Schadensersatz zusteht, das Gericht ihn aber ein Mitverschulden anlastet, so bestimmt sich der Streitwert nach dem vollen Betrag, den der Kläger begehrt hat.3 Die ihn belastende Kostenquote (§ 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO) entspricht dann seinem Mitverschuldensanteil.

5284

Bei Klagerücknahme ist der Streitwert mit dem Betrag anzusetzen, den das Gericht auf der Grundlage des Sachvortrags zur Klage vermutlich zuerkannt hätte. Ob der Kläger bei einer Schmerzensgeldklage das die Schmerzen und körperlichen Nachteile auslösende Leiden in seiner medizinischen Bedeutung richtig erkannt hatte oder nicht, ist dabei unerheblich.4

5285

Ebenso liegt es bei teilweiser Klagerücknahme5 und bei Beendigung des Rechtsstreits durch Prozessvergleich.6 Die Bemessung des Gegenstandswertes des Vergleichs ist danach auszurichten, welche Forderung auf der Grundlage des Tatsachenvortrages des Klägers anzusetzen gewesen wäre; Mindest- und Höchstbeträge, die der Kläger beziffert hat, sind dabei zu berücksichtigen.

5286

Folgt man der vorstehend wiedergegebenen Ansicht, dann ist auch die Auffassung des OLG Frankfurt7 abzulehnen, wonach der unbestimmte Antrag analog § 48 Abs. 2 GKG regelmäßig mit vorläufig 2.000 Euro zu bewerten sei, solange die für die Schätzung bedeutsamen Unterlagen noch nicht vorliegen. Es kommt nicht auf die Beweislage oder die künftige Entwicklung des Rechtsstreites, sondern lediglich auf den Klagevortrag an. b) Rechtsmittelinstanz

5287

Wird der in erster Instanz zuerkannte Betrag im Berufungsrechtszug herabgesetzt, dann richtet sich der Streitwert erster Instanz nicht stets nach der erstinstanzlichen Verurteilung.8 Auch hier ist vielmehr darauf abzustellen, wie das erstinstanzliche Gericht den Streitwert auf der Grundlage des Sachvortrages zur Klage hätte beurteilen müssen. Nur dann, wenn die Verurteilungssumme sich mit diesem zu ermittelnden Betrag deckt, bestimmt sich der erstinstanzliche Wert nach der Urteilssumme.

5288

Davon, welcher Auffassung man bei der Streitwertbemessung folgt, kann auch die Ermittlung der Rechtsmittelbeschwer abhängen. Nennt der Kläger verbindliche Mindest- oder Höchstbeträge, dann ist er nicht beschwert, wenn das Gericht entsprechend erkennt.9 1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG Zweibrücken, JurBüro 1970, 984; KG, JurBüro 1969, 1205 = MDR 1970, 152. BGH, VersR 1972, 98. KG, Rpfleger 1962, 154; JurBüro 1969, 1205 = MDR 1970, 152. OLG Frankfurt, MDR 1956, 432; OLG Bamberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 125. KG, JurBüro 1969, 1205. OLG Frankfurt, BB 1964, 10. OLG Frankfurt, MDR 1965, 145. A.A. OLG Köln, NJW 1963, 659. Vgl. Zöller/Heßler, vor § 511 ZPO Rn. 17b.

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Unbezifferte Anträge

* Æ Hinweis: So liegt es nach dem OLG Köln1 auch dann, wenn ohne Betragsangabe ein „angemessenes“ Schmerzensgeld gefordert und in der Klagebegründung dazu lediglich ausgeführt wird, das Schmerzensgeld müsse „empfindlich“ sein; eine Beschwer ist dann nicht anzunehmen, wenn der zugesprochene Betrag aufgrund des angenommenen Sachverhalts nicht „schlechthin unvereinbar ist“.2

Der BGH nimmt eine Beschwer nur an, wenn der zuerkannte Betrag wesentlich von der Größenordnung abweicht, die sich der Kläger vorgestellt und im Klageantrag zum Ausdruck gebracht hat.3 Er hat diese Auffassung zur Rechtsmittelbeschwer bei unbezifferten Anträgen u.a. in zwei Entscheidungen dargelegt. – Die Beschwer ist bei Abweisung der Schmerzensgeldklage nach oben durch den verlangten Mindestbetrag begrenzt. Die Absicht, erstmals mit der Revision eine die Wertgrenze übersteigende Größenordnung des Schmerzensgeldes geltend zu machen, führt nicht zur Zulässigkeit eines Rechtsmittels. Erhält der Kläger das zugesprochen, was er (mindestens) verlangt hat, besteht kein Anlass, den Zugang zur Rechtsmittelinstanz mit dem Ziel der Durchsetzung einer höheren Klageforderung zu eröffnen.4 – Entsprechendes gilt, wenn der Kläger ein Schmerzensgeld unter Angaben einer konkreten Betragsvorstellung verlangt und das Gericht ihm diese Höhe zuerkannt hat. In diesem Fall kann er das Urteil nicht mit dem alleinigen Ziel eines höheren Schmerzensgeldes anfechten. Will sich der Kläger ein Rechtsmittel offen halten, so muss er den Betrag nennen, den er auf jeden Fall zugesprochen haben will und bei dessen Unterschreitung er sich als nicht befriedigt ansehen würde.5

5289

Hat der Kläger keine genaue Betragsvorstellung geäußert, dringt er aber mit der Klage durch, dann kann er die fehlende Beschwer nicht durch nachgeholte Angabe einer höheren Betragsvorstellung schaffen.6

5290

Wird in Verkennung der anzuwendenden Bewertungsgrundsätze der Gebührenstreitwert vom Instanzgericht später fälschlich herabgesetzt, dann ist das für die Berechnung der Rechtsmittelbeschwer unerheblich.7

5291

C. Streitwertbeschwerde Der Streitwert ist bei Eingang der Klage vorläufig festzusetzen (§ 63 Abs. 1 Satz 1 GKG). Eine Anhörung der Parteien ist nicht vorgeschrieben. Damit wird deren Beteiligung allerdings nicht „ohne Not“ in das Beschwerdeverfahren nach § 68 GKG verlagert.8 Denn vor der endgültigen Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG ist eine Anhörung der Parteien zwingend erforderlich.9 1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG Köln, JMBl.NW 1988, 29 = MDR 1988, 62. Berufung auf BGHZ 45, 91; BGH, MDR 1978, 44. BGH, MDR 1992, 519; BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1144 = MDR 1994, 511. BGH, Beschl. v. 30.9.2003 – VI ZR 78/03, NJW-RR 2004, 102 = VersR 2004, 102. BGH, Beschl. v. 2.2.1999 – VI ZR 25/98, MDR 1999, 545 = NJW 1999, 1339. OLG Oldenburg, VersR 1979, 657. BGH, JurBüro 1980, 49 = VersR 1979, 472. Anders die 11. Auflage des Streitwert-Kommentars, Rn. 4404 ff. Vgl. BVerfGE 101, 404.

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Unfallfinanzierung 5293

Hat das Landgericht einer Klage auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes unter Auferlegung der gesamten Kosten des Rechtsstreits auf den Beklagten stattgegeben und den Streitwert in Höhe der Verurteilungssumme festgesetzt, dann kann eine spätere Streitwertbeschwerde auf Erhöhung keinen Erfolg haben. Der Streitwert entspricht der Urteilssumme, da die Verurteilung auf dem Klagevorbringen aufbaut.1

5294

Zur Frage, ob im Streitwertbeschwerde-Verfahren eine Bindung an eine unrichtige Bewertung eines unbezifferten Antrages besteht, wenn die Abänderung zur Unrichtigkeit einer rechtskräftigen Kostenentscheidung aus § 92 Abs. 1 ZPO führen würde, s. den Teil 1: Verfahrensrecht. Die Befugnis und die Pflicht des Beschwerdegerichts zur richtigen Streitwertfestsetzung gehen jedenfalls vor. Ob dann die Kostenentscheidung entsprechend berichtigt werden kann, ist sehr streitig.

Unerlaubte Handlung S. das Stichwort „Feststellungsklage“, Rn. 2405 ff.

Unfallfinanzierung 5295

Bearbeitungsgebühren, die anlässlich einer Unfallfinanzierung angefallen sind, stellen keine Nebenforderungen i.S. der § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG dar, sondern erhöhen den Streitwert.2 S. hierzu ausführlich unter dem Stichwort „Verkehrsunfallschadenregulierung“.

Unterbrechung des Verfahrens S. das Stichwort „Verfahrensruhe“.

Unterlassung Literatur: Schalhorn, JurBüro 1972, 203 (Namensschutz).

A. Bewertungsgrundsätze 5296

Unterlassungsklagen richten sich in ihrer Bewertung danach, was verlangt wird. Eine besondere Bewertungsvorschrift fehlt, sodass der Zuständigkeitsund Gebührenstreitwert bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten nach § 3 1 OLG Celle, JurBüro 1969, 541. 2 A.A. OLG Köln, Beschl. v. 31.10.1973 – 2 W 21/73, JMBl.NW 1974, 45.

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N. Schneider

Unterlassung ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen ist.1 Handelt es sich um einen nicht vermögensrechtlichen Anspruch, so richtet sich die Schätzung nach § 48 Abs. 2 GKG. Tritt das vermögensrechtliche Interesse neben dem nichtvermögensrechtlichen Interesse völlig zurück oder umgekehrt, dann ist nur auf den Wert des ganz überwiegenden Interesses abzustellen.2

5297

Wird der nichtvermögensrechtliche Unterlassungsanspruch mit einem vermögensrechtlichen Folgeanspruch verbunden, so ist nach § 48 Abs. 3 GKG nur der höherwertige Anspruch maßgebend.3 Der Wert eines mit dem nichtvermögensrechtlichen Unterlassungsanspruch gleichzeitig geltend gemachten Widerrufsanspruchs wird dagegen addiert.

5298

Die Bemessung des Unterlassungsanspruchs kann sich nachträglich nur ausnahmsweise mindern, wenn die bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigenden Umstände zunächst nicht oder falsch bewertet worden sind.4 Die Rechtsprechung tritt damit den immer wieder unternommenen Versuchen entgegen, nach Abschluss des Rechtsstreites entgegen den eigenen Wertangaben eine kostenmäßig günstigere Wertfestsetzung zu erreichen.5

5299

S. auch das Stichwort „Ehrkränkende Äußerung“. Sofern Unterlassungsansprüche aus dem gewerblichen Rechtsschutz zu bewerten sind, wo sie besonders häufig vorkommen, s. das Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“.

5300

B. Einzelfälle aus der Rechtsprechung Die folgenden Einzelbewertungen sollen nur einen Eindruck von der Vielfalt der möglichen Bewertungssituationen verschaffen. Weitgehend handelt es sich dabei um Entscheidungen, die in speziellen Stichwörtern behandelt werden. Stichwortübersicht Allgemeine Geschäftsbedingungen Androhung . . . . . . . . . . . . . Anspruchshäufung . . . . . . . . . Besitz- und Eigentumsstörung . . Bezugsverpflichtung . . . . . . . . Computerprogramm . . . . . . . . Ehre . . . . . . . . . . . . . . . . . Energieversorgung . . . . . . . . . Forderung . . . . . . . . . . . . . . Häftling . . . . . . . . . . . . . . . Kraftfahrzeug . . . . . . . . . . . . Konkurrenzverbot . . . . . . . . . Lärmimmission . . . . . . . . . .

1 2 3 4 5

. . . . . . . . . . . . .

Rn. 5302 5303 5304 5308 5318 5319 5320 5326 5328 5329 5330 5331 5333

Makler . . . . . . . . . . . . . . . . . Negativmitteilung . . . . . . . . . . Revision . . . . . . . . . . . . . . . . Unerlaubte Handlung . . . . . . . . Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . Verunreinigung . . . . . . . . . . . . Vorlage eines Wechsels . . . . . . . Wegerecht . . . . . . . . . . . . . . . Werbung . . . . . . . . . . . . . . . Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsvollstreckung . . . . . . . .

Rn. 5336 5337 5338 5339 5340 5344 5345 5346 5347 5352 5353 5355

OLG Celle, JurBüro 1974, 1434; OLG Köln, JurBüro 1990, 246. OLG München, JurBüro 1972, 534; Schneider, JurBüro 1965, 590. OLG München, JurBüro 1972, 534. OLG München, Rpfleger 1967, 166. S. dazu Schneider, AnwBl. 1977, 233.

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5301

Unterlassung Allgemeine Geschäftsbedingungen 5302

Der Wert einer Klage auf Unterlassung der Verwendung bestimmter Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach dem UKlaG1 ist nach § 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Entscheidend ist das Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der gesetzwidrigen Klausel – nicht dagegen die wirtschaftliche Bedeutung des Verwendungsverbotes.2 Grund dafür ist, die Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeininteresse eingeräumten Befugnis möglichst vor Kostenrisiken zu schützen.3 Gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 GKG darf der Streitwert 250.000 Euro nicht überschreiten. Pro angegriffene Klausel kann etwa ein Betrag von 1.500 bis 2.500 Euro angesetzt werden.4 Androhung

5303

Der Antrag auf Verurteilung zu einer Bezugsverpflichtung und der Antrag, den Beklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes zur Unterlassung anderweitigen Bezugs von Ware zu verurteilen, haben denselben Gegenstand. Das für die Streitwertfestsetzung maßgebende Interesse des Klägers ergibt sich aus dem Gewinnverlust, der durch die Klage verhindert werden soll.5 Anspruchshäufung

5304

Wird mit einer Unterlassungsklage der Anspruch auf Schadensersatz verbunden, so hat der Unterlassungsanspruch jedenfalls im Bereich des wirtschaftlichen Wettbewerbs einen höheren Wert.6 Beide Ansprüche sind getrennt zu bewerten und gem. § 5 ZPO, § 39 GKG die Werte zusammenzurechnen. Gleiches gilt, wenn mit dem Antrag auf Unterlassung zugleich der Antrag auf Verurteilung zum Widerruf gestellt wird. Dann ist für jeden Antrag jeweils ein gesonderter Streitwert festzusetzen und die Summe beider Werte Bemessungsgrundlage.7

5305

Anders verhält es sich aber, wenn zusammen mit einem nichtvermögensrechtlichen Unterlassungsanspruch (z.B. wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten) ein vermögensrechtlicher Folgeanspruch (Schmerzensgeld, Vertragsstrafe etc.) geltend gemacht wird. Dann zählt nach zutreffender Ansicht gem. § 48 Abs. 3 GKG nur der höhere der beiden Ansprüche.8 Nach der Gegenmeinung sind für die Streitwertfestsetzung die Werte der Anträge zu addieren.9 1 2 3 4

5 6 7 8 9

Früher §§ 13 ff. AGBG (Verbandsprozess). BGH, Beschl. v. 18.7.2000 – VII ZR 12/00, NJW-RR 2001, 352. BGH, Beschl. v. 17.9.2003 – IV ZR 83/03, NJW-RR 2003, 1694. BGH, Beschl. v. 30.5.1990 – VIII ZR 208/89, NJW-RR 1991, 179; BGH, Beschl. v. 15.4.1998 – VIII ZR 317/97, NJW-RR 1998, 1465 (3000 DM); OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.5.1993 – 6 W 46/93, AnwBl. 1994, 47 (3.000 bis 5.000 DM pro Klausel, ggf. mehr, wenn die Klausel für ganze Wirtschaftszweige von Bedeutung ist). KG, JurBüro 1969, 1195. OLG München, JurBüro 1954, 181 Nr. 48. Vgl. auch KG, JurBüro 1960, 350; KG, Rpfleger 1962, 119; KG, JurBüro 1969, 320; OLG Düsseldorf, AnwBl. 1980, 358. OLG Köln, Beschl. v. 18.8.1993 – 19 W 37/93, JurBüro 1994, 491; ebenso: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2009 – 14 W 53/08, JurBüro 2009, 430. OLG Hamm, Beschl. v. 10.8.2007 – 9 W 33/07, OLGR 2008, 408 = AGS 2008, 463.

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Unterlassung Ob der Anspruch auf öffentliche Bekanntmachung des Urteils neben dem Unterlassungsanspruch einen eigenen Wert hat, ist umstritten, aber mit der wohl überwiegenden Meinung zu bejahen.1 Der Wert richtet sich nicht nach der Höhe der Veröffentlichungskosten, sondern nach dem Interesse des Klägers an der Veröffentlichung, das nach § 3 ZPO zu schätzen ist.

5306

Verfolgen mehrere Kläger im Wege der Klagehäufung ein identisches Unterlassungsbegehren, erfolgt keine Zusammenrechnung nach § 5 ZPO, sondern es ist vom höchsten Interesse eines Klägers auszugehen.2 Für jeden weiteren Kläger hat dann ein Zuschlag in der Höhe zu erfolgen, die seinem Interesse daran entspricht, den titulierten Anspruch ggf. selbständig geltend machen zu können.3

5307

Besitz- und Eigentumsstörung Besitzstörungsklagen sind ebenso wie Eigentumsstörungsklagen nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten.4 Abzustellen ist auf die Wertminderung, die der Kläger – meist hinsichtlich seines Grundstückes – erleidet, also auf das Interesse des Klägers an der Unterlassung der konkret behaupteten Störung.5 Auf die Höhe der Kosten, die der Beklagte zur Vermeidung der Störungen aufwenden müsste, kommt es nicht an,6 desgleichen nicht auf die Art seiner Rechtsverteidigung, etwa die Berufung auf ein Notwegerecht.7

5308

* Æ Anmerkung: Anders liegt es nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf8 ausnahmsweise, wenn die Beseitigung einer durch Lagerung von Sondermüll verursachten Eigentumsstörung verlangt wird und auch der Kläger als eigentlich Gestörter nach Ordnungswidrigkeitsrecht verpflichtet war, die Gefahr zu beseitigen, nämlich als Zustandsstörer. Der Senat hat in diesem Fall maßgeblich auf die Kosten der Entsorgung abgestellt.

Die Höhe eines angedrohten Ordnungsgeldes ist für die Streitwertfestsetzung unbeachtlich, da das Gericht befugt ist, für verhältnismäßig geringfügige Zuwiderhandlungen hohe Ordnungsgelder anzudrohen.9

5309

Bei vorübergehenden Störungen ist das Interesse des Klägers geringer zu bewerten.10 Das ist etwa der Fall, wenn feststeht, dass der Betrieb des Störers kurzfristig eingestellt wird.11

5310

1 Vgl. z.B. OLG Hamm, JMBl.NW 1954, 177; MDR 1977, 142; OLG Frankfurt, GRUR 1955, 450; OLG Neustadt, WRP 1958, 114; a.A. OLG Stuttgart, NJW 1959, 890; OLG Karlsruhe, WRP 1958, 190; zu den Einzelheiten vgl. das Stichwort „Veröffentlichungsbefugnis“. 2 BGH, GRUR 1998, 958; KG, Beschl. v. 6.4.1999 – 5 W 12/99, NJW-RR 2000, 285. 3 KG, Beschl. v. 6.4.1999 – 5 W 12/99, NJW-RR 2000, 285. 4 OLG Köln, JurBüro 1990, 246; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.12.1983 – 2 W 21/83, JurBüro 1984, 284; BGH, Beschl. v. 23.1.1986 – V ZR 119/85, NJW-RR 1986, 737. 5 BGH, Urt. v. 24.4.1998 – V ZR 225/97, MDR 1998, 982; OLG Köln, JurBüro 1990, 246; LG Bayreuth, Beschl. v. 13.8.1984 – 2 T 103/84, JurBüro 1985, 441. 6 BGH, Beschl. v. 23.1.1986 – V ZR 119/85, NJW-RR 1986, 737; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.2.1994 – 5 W 119/94, JurBüro 1995, 27; OLG Frankfurt, Rpfleger 1955, 210 zu ZPO § 3, a: betrifft Immissionen. 7 OLG Köln, Beschl. v. 20.10.1989 – 2 W 181/89, JurBüro 1990, 246. 8 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.11.1990 – 9 W 97/90, MDR 1991, 353. 9 OLG Neustadt, Rpfleger 1963, 66 zu ZPO § 3, q. 10 RG, HRR 1932 Nr. 169. 11 RG, Recht 1915 N. 605.

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Unterlassung 5311

Wird die Besitzstörung dagegen unter Verletzung von Strafgesetzen begangen und in besonders aggressiver Weise ausgeführt, dann ist auch der Streitwert entsprechend anzuheben.1

5312

Der Streitwert einer einstweiligen Verfügung auf Abwehr solcher Störungen ist mit einem höheren Bruchteil als ein gewöhnliches Verfügungsverfahren anzusetzen, weil in derartigen Fällen das Verfügungsverfahren weitergehend als sonst endgültigen Rechtsschutz bringt.2

5313

Wird jemand im Besitz einer Wohnung gestört, dann ist der Wert einer entsprechenden Unterlassungsklage nicht höher anzusetzen als eine mögliche Klage über das Bestehen oder die Dauer des Mietverhältnisses, die nach § 41 Abs. 1 GKG zu bemessen wäre.3 Diese Wertobergrenze gilt ebenso bei einem Unterlassungsanspruch, der auf das – streitige – Bestehen eines Pachtverhältnisses gestützt wird.4

5314

Erhebt ein Mieter gegen einen Mitmieter Klage wegen Besitzstörung, ist der Streitwert auf der Grundlage der nach der Klage in Betracht kommenden Mietminderung zu bemessen. Denn dies entspricht dem zu schätzenden wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der Beseitigung der Störung.5

5315

Bei der Bemessung des Streitwertes einer Klage auf Beseitigung einer Parabolantenne muss auch das ideelle Interesse des Klägers an der Vermeidung der Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks des Gebäudes berücksichtigt werden.6 Das LG Karlsruhe hat diesen Punkt besonders herausgehoben, weil angesichts der technisch völlig unproblematischen Entfernung einer solchen Antenne der Streitwert ansonsten gegen Null tendieren würde.

5316

In diesem Sinne hat auch der BGH7 für die Beschwer des in erster Instanz unterlegenen Vermieters entschieden: Wird dessen Klage auf Beseitigung einer durch den Mieter errichteten Satellitenempfangsantenne abgewiesen, richtet sich die Beschwer nach dem Wertverlust, den der Vermieter durch eine von der Satellitenempfangsantenne verursachte Beeinträchtigung der Substanz und/oder des optischen Gesamteindrucks seines Hauses erleidet. In den Gründen dieser Entscheidung hat der BGH auch Ausführungen zum Wert der Klage in erster Instanz gemacht: „Der Wert einer Beseitigungsklage wird allgemein durch das Interesse des Klägers an der Beseitigung bestimmt. Dieses bemisst sich bei der Störung von Grundeigentum grundsätzlich nach dem Wertverlust, den die Sache durch die Störung erleidet. Dafür ist ein zu erwartender Aufwand bei der Beseitigung der Antenne allenfalls mittelbar von Bedeutung, wenn man – bei einer mit der Anbringung der Antenne verbundenen Beeinträchtigung der Gebäudesubstanz – die auf die Wiederherstellung des Gebäudes entfallenden Kosten als Anhaltspunkt für die Wertminderung betrachtet. Fehlt es wie hier an 1 OLG Köln, JMBl.NW 1976, 71. 2 OLG Köln, JMBl.NW 1976, 71: 1/2 des Werts der Hauptsache. 3 OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 2 (zu § 16 GKG a.F.); OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.12.1983 – 2 W 21/83, JurBüro 1984, 284 (zu § 16 GKG a.F.). 4 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1133. 5 OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 17.9.2007 – 19 W 57/07, AGS 2008, 92 m.w.N. 6 LG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2000 – 9 T 40/99, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1344 = AGS 2000, 135. 7 BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, AGS 2006, 450; dagegen stellt das OLG Köln (Beschl. v. 21.10.2004 – 16 Wx 166/04, AGS 2005, 305) auf den Wert der Antenne zuzüglich der Kosten der Wiederherstellung des Zustands vor Anbringung der Antenne ab.

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Unterlassung einer Substanzbeeinträchtigung, ist der Beseitigungsaufwand bei der Bemessung des Wertverlustes zu vernachlässigen. Unter dem Gesichtspunkt der Beseitigungskosten beeinträchtigt die Parabolantenne in einem solchen Fall den Wert des Gebäudes nicht mehr als jeder andere Gegenstand, den ein Mieter am Ende der Mietzeit möglicherweise vertragswidrig in den Mieträumen zurücklässt.“

Wird der Beklagte zur Beseitigung der Eigentumsstörung verurteilt, bemisst der BGH die Beschwer – unabhängig vom Streitgegenstand – nach dem Interesse des Beklagten, sich gegen die Kosten einer Ersatzvornahme zu wehren bzw. mit den Kosten der für die Beseitigung erforderlichen Maßnahmen. Dies hat zur Folge, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes den Wert des Streitgegenstandes übersteigen kann.1

5317

Bezugsverpflichtung Der Antrag, den Beklagten aufgrund einer Bezugsverpflichtung unter Androhung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verurteilen, seinen gesamten Bedarf an einer Ware nur beim Kläger zu decken, und der Antrag, den Beklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes zur Unterlassung des anderweitigen Bezuges dieser Ware zu verurteilen, haben denselben Gegenstand. Das für die Streitwertfestsetzung maßgebende Interesse des Klägers an einer solchen Klage ergibt sich aus dem Gewinnverlust, der durch die Klage verhindert werden soll.2 Es ist vom durchschnittlichen Jahresgewinnausfall des Klägers auszugehen, wobei hinsichtlich des zeitlichen Interesses die in § 9 ZPO enthaltenen Grundsätze angewendet werden können.3

5318

Computerprogramm Der Unterlassungsanspruch gegen den Anwender eines Programms ist mit dem Verkaufspreis des Programms zu bewerten.4 Eine höhere Wertfestsetzung kommt in Betracht, wenn die Gefahr der unbefugten Weiterverbreitung besteht.

5319

Ehre Der Streitwert einer Klage auf Unterlassung ehrverletzender Behauptungen bestimmt sich nach § 48 Abs. 2 GKG. Wird daneben noch ein aus der Ehrverletzung hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch (i.d.R. Schadensersatz oder Schmerzensgeld) geltend gemacht, ist § 48 Abs. 3 GKG zu beachten. Der Streitwert bestimmt sich in einem solchen Fall nur nach dem höheren Anspruch.5

5320

Über den Grundstreitwert ist deutlich hinauszugehen, wenn die Ehrenkränkung stark den Bereich des sozialen Ansehens berührt6 oder der Betroffene

5321

1 BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 31/05, AGS 2006, 450; BGH, Beschl. v. 10.12.1993 – V ZR 168/92, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1170 = NJW 1994, 735; Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung. 2 KG, JurBüro 1969, 1195. 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 5.7.1984 – 1 W 47/84, JurBüro 1985, 441. 4 OLG Frankfurt, OLGR 1995, 47 m.w.N. 5 OLG Köln, KostRsp. GKG § 12 Nr. 162 = JurBüro 1994, 491. 6 OLG Koblenz, JurBüro 1967, 1015.

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Unterlassung innerhalb seines Berufsstandes eine herausgehobene Stellung einnimmt, sodass auch sein Mitarbeiterkreis betroffen ist, insbesondere wenn der Streit in die breite Öffentlichkeit getragen worden ist.1 5322

Bei der Klage einerseits auf Unterlassung einer ehrkränkenden Behauptung für die Zukunft und andererseits auf Zurücknahme der Äußerung, soweit sie bereits erfolgt ist, handelt es sich streitwertrechtlich um zwei getrennt zu bewertende Anträge.2 Das LG Oldenburg nahm für den Unterlassungsantrag einen Regelstreitwert von (umgerechnet) 3.000 Euro und für die entsprechende Klage auf Widerruf einen um 50 % erhöhten Streitwert an. Demgegenüber nimmt das OLG Frankfurt3 an, der Antrag auf Unterlassung ehrverletzender Äußerungen werde von dem gleichzeitig gestellten Antrag auf Verurteilung zum Widerruf streitwertmäßig konsumiert.

5323

Bei Klagen auf Unterlassung von beleidigenden Behauptungen ist, wenn dabei auch ein wirtschaftliches Interesse verfolgt wird, der Streitwert nach § 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.4 Es handelt sich dann um eine vermögensrechtliche Angelegenheit.

5324

Der Antrag des Eigentümers zweier Hochhäuser gegen die in einem eingetragenen Verein zusammengeschlossenen Mieter auf Unterlassung zweier Äußerungen in einer Tageszeitung, wonach Brandschutzmängel in den Häusern unverantwortlich verharmlost würden, ist mit (umgerechnet) 2.500 Euro bemessen worden.5

5325

Vermögensrechtlicher Natur ist auch eine Unterlassungsklage, die auf § 824 BGB gestützt wird.6 Wird eine Klage zum einen auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185, 186 StGB (nichtvermögensrechtlich) und daneben auch auf § 824 BGB (vermögensrechtlich) gestützt, so zeigt dies, dass es sich insgesamt um eine vermögensrechtliche Angelegenheit handelt, deren Wert nach § 3 ZPO zu schätzen ist.7 Energieversorgung

5326

Der Streitwert einer einstweiligen Verfügung, durch die der Gaskunde das Versorgungsunternehmen daran hindern will, die weitere Energieversorgung einzustellen, richtet sich nicht nach dem Wert künftiger Gaslieferungen, sondern nach dem Umfang der Beeinträchtigung, die dem Antragsteller im Falle der Sperre droht. Erfordert sie den Einbau einer anderen Heizungsanlage, kann auf deren Kosten abgestellt werden.8 Wegen des vorläufigen Charakters der erstrebten Regelung ist ein Abschlag von 2/3 vorzunehmen.

5327

Der Wert zukünftiger Gaslieferungen ist für die Streitwertbestimmung nur dann ausschlaggebend, wenn umgekehrt das Versorgungsunternehmen einen 1 OLG Frankfurt, AnwBl. 1983, 89 = KostRsp. GKG § 20 Nr. 55. 2 KG, JurBüro 1960, 350; LG Oldenburg, Beschl. v. 6.3.1995 – 5 T 1310/94, JurBüro 1995, 369. 3 OLG Frankfurt, KostRsp. GKG a.F. § 14 C Nr. 12. 4 OLG Stuttgart, Rpfleger 1957, 97. 5 OLG Köln, Grundeigentum 1974, 581. 6 OLG Köln, MDR 1957, 238. 7 OLG Köln, MDR 1957, 238. 8 OLG Koblenz, Beschl. v. 4.7.2007 – 5 W 503/07, OLGR 2008, 248 = NZM 2009, 55.

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Unterlassung Prozess einleitete, um als Lieferantin gerichtlich eine Liefersperre durchzusetzen, weil dann ihr Interesse im Streit wäre, bestimmte für sie kostenträchtige Leistungen nicht erbringen zu müssen.1 Forderung Eine begehrte Verurteilung zur Unterlassung der Verfügung über eine Forderung ist nicht geeignet, eine endgültige Regelung der einschlägigen Verhältnisse zwischen den Parteien herbeizuführen. Der Streitwert muss deshalb hinter dem Betrag der betroffenen Forderung zurückbleiben. Das Interesse des Klägers kommt jedoch dem vollen Wert nahe.2 S. auch das Stichwort „Erwerbsverbot“ und „Veräußerungsverbot“.

5328

Häftling Die Klage eines zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Häftlings auf ungestörten Schriftverkehr mit der Presse ist nichtvermögensrechtlicher Natur. Das KG3 hatte einen Wert von (umgerechnet) 2.000 Euro angesetzt.

5329

Kraftfahrzeug Der Streitwert einer Unterlassungsklage, mit der das Verbot begehrt wird, Grundstücke mit Kraftfahrzeugen zu befahren und sie dort abzustellen, ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten.4 Für die Bezifferung dieses Interesses bietet nach Ansicht des OLG Bamberg § 41 GKG (damals § 12 GKG) einen Anhaltspunkt.

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Konkurrenzverbot Der Gebührenstreitwert einer Klage, mit der ein Geschäftsraummieter gegen seinen Vermieter einen auf ein Konkurrenzverbot gestützten Unterlassungsanspruch geltend macht, richtet sich gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Interesse des Klägers, sein Geschäft ohne die angeblich unzulässige Konkurrenz betreiben und den ihm dadurch drohenden Schaden von sich abwehren zu können.5 Dieser Schaden entspricht dem Reingewinn, der dem Kläger infolge der vertragswidrigen Konkurrenzsituation entgeht.6

5331

Dabei ist hinsichtlich der Wertbemessung nach dem voraussichtlich entgehenden Gewinn bei Mietverhältnissen zu differenzieren: – Bei einem ordentlich kündbaren Mietverhältnis ist der Wert auf den zukünftigen Schaden beschränkt, der dem Mieter bis zu dem auf die Klage-

5332

1 Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2005 – 5 W 161/05, ZMR 2006, 208: Der Senat hat dem Verhinderungsinteresse des Versorgers den Wert dieser Leistungen für einen einjährigen Bezug zugrunde gelegt, da dies ein realistischer Zeitraum sei, um einen Vollstreckungstitel zur Unterbindung der Energie- und Wasserzufuhr zu erlangen; LG Frankfurt/Oder, Urt. v. 1.2.2002 – 6a S 75/01, WuM 2002, 312 = NJW-RR 2002, 803. 2 KG, Rpfleger 1962, 154. 3 KG, Rpfleger 1962, 119. 4 OLG Bamberg, Beschl. v. 27.1.1971 – 4 U 17/70, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 262. 5 BGH, Beschl. v. 9.8.2006 – XII ZR 165/05, NJW 2006, 3060. 6 KG, Rpfleger 1962, 154; OLG Düsseldorf, ZMR 1993, 377.

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Unterlassung erhebung folgenden nächstmöglichen Kündigungstermin entstehen kann, weil der Vermieter in diesen Fällen die Möglichkeit besitzt, durch die Ausübung des ordentlichen Kündigungsrechts die ihm drohenden Schadenersatzansprüche zeitlich zu begrenzen.1 – Bei befristeten Mietverhältnissen dagegen geht das Interesse des Mieters grundsätzlich auf die Abwendung des durch die Konkurrenzsituation bis zum Ablauf der restlichen Vertragslaufzeit drohenden Schadens.2 Lärmimmission 5333

Klagen Miteigentümer eines Grundstücks auf Unterlassung einer Lärmimmission, so ist der Wert ihrer Klagen nicht nach § 5 ZPO zusammenzurechnen. 3 Das Verlangen der Lärmunterlassung wird zwar von mehreren Streitgenossen geltend gemacht. Begehrt wird aber von allen dasselbe, womit wirtschaftliche Identität vorliegt. Diese schließt eine Zusammenrechnung der Einzelansprüche aus.4

5334

Fühlt sich ein Hauseigentümer, dessen Grundstück an einer stark befahrenen Bundesstraße und in der Nähe einer Eisenbahnlinie liegt, zusätzlich durch einen benachbarten Lkw-Parkplatz für 55 Lkw gestört, hält sich die Streitwertfestsetzung auf (umgerechnet) 5.000 Euro noch im Rahmen des richterlichen Ermessens.5

5335

Wird auf Unterlassung von Geräuschimmissionen durch eine Vielzahl von Haustieren für einen bestimmten Zeitraum geklagt, so ist ein Streitwert von 1.500 Euro angemessen.6 Makler

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Der Streitwert der Klage eines Maklers gegen einen aus seinem Betrieb ausgeschiedenen bisherigen Angestellten auf Unterlassung, entsprechend der früheren vertraglichen Vereinbarung bestimmte, ihm während seiner Angestelltenzeit bekannt gewordene Objekte im eigenen Namen zu vermitteln, ist mit etwa 1 /5 der aus den fraglichen Geschäften erwarteten Provisionen anzunehmen.7 Negativmitteilung

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Ein Anspruch auf Unterlassung von Negativmitteilungen an die Schufa und andere Wirtschaftsinformationsdienste kann, je nachdem, welche Interessen des Klägers von einer solchen Meldung betroffen sind, mit einem Betrag von 1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.7.2005 – 24 W 33/05, NZM 2006, 158. 2 Um die Parteien in solchen Fällen keinem unübersehbaren Kostenrisiko auszusetzen, wird der Streitwert in der Praxis anhand eines auf drei Jahren (OLG Düsseldorf, ZMR 1993, 377; KG, KG Rpfleger 1962, 154) bzw. 3 1/2 Jahren (BGH, Beschl. v. 9.8.2006 – XII ZR 165/05, NJW 2006, 3060) hochgerechneten Schadensbetrages bemessen. 3 BGH, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 68 = MDR 1987, 570. 4 Vgl. näher das Stichwort „Mehrere Ansprüche“. 5 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.2.1994 – 5 W 119/94, JurBüro 1995, 27. 6 Vgl. LG Bonn, Beschl. v. 31.7.2001 – 8 T 212/00, JurBüro 2001, 593 – die Kammer hatte 3.000 DM angesetzt. 7 OLG Frankfurt, JurBüro 1964, 355.

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Unterlassung 6.000 bis 10.000 Euro bewertet werden.1 Das KG hat im Rahmen einer Willkürüberprüfung einer Streitwertfesetzung ausgeführt, dass das Interesse des Klägers auch dann mit einem Betrag von über 5.000 Euro bewertet werden könne, wenn es diesem lediglich um den Erhalt seiner „Ehre“ als guter Schuldner ginge und nicht um den Schutz irgendwelcher Vermögensnachteile. Ein Wert von 2.500 Euro sei jedenfalls zu niedrig.2 Revision Bei der befristeten Unterlassungsklage ist der Streitwert nach dem Interesse des Revisionsklägers zu bemessen, nicht mehr zur Unterlassung verpflichtet zu sein, und weiter nach dem Interesse, die „Feststellungswirkung“ des Unterlassungsurteils zu beseitigen.3

5338

Unerlaubte Handlung Wird ein Unterlassungsbegehren sowie ein Schmerzensgeldanspruch aus derselben unerlaubten Handlung hergeleitet, sind nach Meinung des OLG Hamm für die Streitwertfestsetzung die Werte der Anträge zu addieren. § 48 Abs. 3 GKG finde keine Anwendung, weil der vermögensrechtliche Zahlungsanspruch nicht aus dem nichtvermögensrechtlichen Unterlassungsanspruch folge, sondern beide Ansprüche ihre gemeinsame Grundlage in der dem Anspruchsgegner vorgeworfenen unerlaubten Handlung fänden.4

5339

Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung Der Streitwert einer auf § 826 BGB gestützten Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung ist unter Berücksichtigung von § 4 Abs. 2 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG zu bemessen,5 sodass Zinsen und Kosten nicht werterhöhend berücksichtigt werden dürfen.6 Die gegenteilige Auffassung des OLG Hamburg7 ist abzulehnen. Sie hätte zur Folge, dass sich aufgrund der anwachsenden Zinsen bei einem langjährigen Rechtsstreit ständig der Streitwert erhöht und beispielsweise auch die Berufungs- oder Revisionsmöglichkeit davon abhängt, wann das Gericht sein Urteil verkündet.

5340

Eine auf § 826 BGB gestützte Unterlassungsklage mit dem Ziel, die Zwangsvollstreckung aus einem Unterhaltstitel zu unterbinden, will das OLG Düsseldorf8 nicht nach § 42 Abs. 1 GKG, sondern nach § 9 ZPO bewerten. Dage-

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1 OLG Düsseldorf, Urt. v.11.5.2005 – 15 U 196/04, NJW 2005, 2401 (in diesem Fall ging es zusätzlich um den Widerruf bereits erfolgte Meldungen); AG Elmshorn, Beschl. v. 2.6.2005 – 50 C 60/05, NJW 2005, 2404. 2 KG, Beschl. v. 25.5.2009 – 2 AR 16/09, JurBüro 2009, 485. 3 BGH, LM § 3 ZPO Nr. 37. 4 OLG Hamm, Beschl. v. 10.8.2007 – 9 W 33/07, OLGR 2008, 408 = AGS 2008, 463; a.A. OLG Köln, Beschl. v. 18.8.1993 – 19 W 37/93, OLGR 1993, 284. 5 BGH, Beschl. v. 29.3.1968 – VIII ZR 141/65, MDR 1968, 662. 6 RGZ 158, 350; BGH, LM ZPO § 4 Nr. 4; OLG München, Beschl. v. 12.7.1988 – 25 U 1524/88, BB 1988, 1843; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.11.1990 – 1 W 53/90, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1022 = MDR 1991, 353; OLG Köln, JurBüro 1992, 251. 7 OLG Hamburg, Beschl. v. 23.8.1988 – 5 W 68/88, MDR 1988, 1060. 8 OLG Düsseldorf, FamRZ 1980, 377.

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Unterlassung gen bestehen jedoch Bedenken. Der Streitwert der Unterlassungsklage fiele dann so hoch aus, dass das Kostenrisiko wesentlich übersetzt würde. Wenn schon nicht nach § 42 GKG bewertet wird, dann sollte wenigstens ermäßigend nach § 3 ZPO geschätzt werden. 5342

Hat der Gläubiger gegen die Gesamtschuldner jeweils isolierte Vollstreckungsbescheide erwirkt und wenden die Gesamtschuldner sich in einer einzigen Zwangsvollstreckungsabwehrklage gemeinsam gegen diese Titel, dann findet keine Wertaddition statt, weil es um ein und dieselbe Forderung geht, der Betrag dem Kläger also auch nur einmal zusteht.1

5343

In derartigen Fällen wird häufig auch der weitere Antrag auf Herausgabe des Vollstreckungstitels gestellt. Die streitwertmäßige Behandlung dieser Konstellation ist umstritten: – Nach einer Meinung2 erhöht sich der Streitwert dadurch nicht, da zwischen dem Unterlassungsbegehren und dem Herausgabeverlangen wirtschaftliche Identität besteht. – Nach anderer Ansicht muss für das Herausgabeverlangen ein besonderer, nach § 3 ZPO zu schätzender Wert angesetzt und dieser dem Wert des Unterlassungsanspruchs hinzugerechnet werden. Die erste Meinung begegnet aus folgenden Gründen Bedenken: Wird der Beklagte nur zur Unterlassung der Zwangsvollstreckung verurteilt, dann bleibt er im Besitz des Vollstreckungstitels. Die zusätzliche Verurteilung zur Herausgabe ist daher ein Mehr, das nicht im Unterlassungsanspruch enthalten ist. Prozessual ist es sogar denkbar, dass dem Unterlassungsantrag stattgegeben und gleichzeitig der Herausgabeantrag abgewiesen wird, etwa weil der Beklagte den Titel nicht mehr besitzt, beispielsweise weil er ihn schon einem Streitgenossen ausgehändigt hat. Das zeigt, dass das Herausgabeverlangen prozessual und wirtschaftlich selbständig ist und eine divergierende Entscheidung sogar zur Kostenbelastung nach § 92 Abs. 1 ZPO führen könnte. Hätte der abgewiesene Herausgabeanspruch keinen eigenen zu berücksichtigenden Streitwert, dann wäre eine gebotene Kostenquotierung nicht möglich. Zur Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Ratenkreditvertrages wegen Sittenwidrigkeit s. das Stichwort „Nichtigkeit eines Vertrages“. Verunreinigung

5344

Der Streitwert einer Klage auf Unterlassung der Verunreinigung von Brunnenwasser durch Jauche ist eine vermögensrechtliche Streitigkeit, deren Wert nach § 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen ist.3 Vorlage eines Wechsels

5345

Der Streitwert des Anspruchs auf Unterlassung der Vorlage eines Wechsels zur Zahlung ist gem. § 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Unter1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.11.1990 – 1 W 53/90, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1022 = MDR 1991, 353. 2 OLG München, Beschl. v. 12.7.1988 – 25 U 1542/88, BB 1988, 1843; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.11.1990 – 1 W 53/90; KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1022 = MDR 1991, 353. 3 LG Koblenz, JurBüro 1967, 894.

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Unterlassung lassungsinteresse des Klägers zu schätzen, das regelmäßig gleich hoch ist wie der bekämpfte Wechselanspruch.1 Wegerecht Fürchtet der Kläger eine dauernde Beeinträchtigung seines Geh- und Fahrtrechtes, dann ist der Streitwert der von ihm erhobenen Unterlassungsklage auch dann nach der Dauerbeeinträchtigung zu bemessen, wenn der Beklagte nach Klagezustellung weitere Beeinträchtigungen unterlässt und vorbringt, die Beeinträchtigung sei nicht auf Dauer beabsichtigt gewesen.2

5346

Werbung Der Unterlassungsanspruch gegen die unverlangte Übersendung von Werbung ist nach § 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG anhand des Interesses des Klägers zu schätzen, künftige Belästigungen und Kosten zu vermeiden. Dabei ist danach zu differenzieren, auf welchem Wege die Werbung den Empfänger erreicht:3

5347

Der Unterlassungsanspruch gegen die Übersendung von Werbung per Telefax wurde mit (umgerechnet) 1.500 Euro beziffert, wenn der Versender vorprozessual die Auffassung vertreten hat, er dürfe trotz der Ablehnung des Empfängers diesem weiter Werbefaxe übermitteln.4 Wird ein solcher Unterlassungsanspruch von einem Anwalt geltend gemacht, dem Werbefaxe an die Kanzlei gesandt wurden, kann auch ein höherer Streitwert gerechtfertigt sein. Das AG Siegburg5 hat beispielsweise 4.000 Euro angesetzt.

5348

Das Unterlassungsinteresse gegenüber unerwünschter Werbung per E-Mail wird in der Rechtsprechung sehr unterschiedlich bewertet.6 Die Wertfestsetzungen reichen – je nach den Umständen des betreffenden Einzelfalls – von 350 Euro bis hin zu 10.000 Euro.7 Die Festsetzung eines hohen Streitwertes kann insbesondere angezeigt sein, wenn es sich beim Beworbenen gleichzeitig um einen Mitbewerber des Werbenden handelt und der Unterlassungsanspruch demnach außer auf §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB auch auf § 8 UWG gestützt werden kann.8

5349

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 30.11.20049 im Rahmen einer Streitwertüberprüfung einen Wert von 3.000 Euro bei einer „verhältnismäßig geringfügigen Belästigung“ nicht beanstandet. Daraus kann jedoch kein Regel-

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1 2 3 4 5 6 7

BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 907 = NJW 1988, 2804. OLG Nürnberg, JurBüro 1965, 153 – angenommen wurden 3.000 DM. Vgl. zu den Einzelheiten das Stichwort „Werbung, unverlangte“. OLG Stuttgart, Beschl. v. 1.10.1999 – 10 W 37/99, OLGR 2000, 280. AG Siegburg, Beschl. v. 11.4.2002 – 10 C 190/02, MDR 2002, 849. Vgl. auch Richter, MMR-Aktuell 2010, 305649. OLG Schleswig, Beschl. v. 5.1.2009 – 1 W 57/08, OLGR 2009, 196 = JurBüro 2009, 256; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.1.2008 – 6 W 121/07, GRUR-RR 2008, 262; KG, Beschl. v. 26.2.2007 – 12 W 16/07, MDR 2007, 923; OLG Koblenz, Beschl. v. 29.9.2006 – 14 W 590/06, MDR 2007, 356 = AGS 2006, 561; KG, Beschl. v. 5.4.2002 – 14 W 40/ 02, JurBüro 2002, 371; LG Berlin, Beschl. v. 19.9.2002 – 16 O 515/02, JurBüro 2003, 143; KG, Beschl. v. 23.9.2002 – 5 W 106/02 und 5 W 124/02, JurBüro 2003, 142. 8 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.9.2005 – 4 W 52/05, JurBüro 2006, 81. 9 BGH, Beschl. v. 30.11.2004 – VI ZR 65/04, RVGreport 2005, 80.

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Unterlassung streitwert für sonstige Fälle abgeleitet werden, weil der Senat erkennbar die Einzelfallabwägung des Berufungsgerichts unterstellt hat. 5351

Es ist daher auf die jeweiligen Umstände abzustellen und bei der Schätzung des Streitwerts nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu beachten, dass neben der Belästigung im Einzelfall durch das notwendige Durchlesen, Sortieren und ggf. Löschen der E-Mails auch die Breitenwirkung und das häufige Erscheinen solcher Zusendungen berücksichtigt werden. Die Nachahmungsgefahr ist bei einer derartigen, für den Absender einfachen und kostengünstigen Werbemöglichkeit groß, sodass nicht nur die Unterlassung im Einzelfall das Ziel der begehrten Unterlassung, sondern auch ein Abschreckungseffekt für die Zukunft beabsichtigt ist. Wettbewerb

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Der Streitwert eines wettbewerblichen Unterlassungsanspruchs ist gem. § 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Maßgebend ist das Interesse des Klägers an der begehrten Unterlassung. Dieses Interesse hängt vor allen von der Größe des klägerischen Unternehmens und von der Gefährlichkeit des behaupteten Wettbewerbsverstoßes ab.1 Widerruf

5353

Der Streitwert des Antrags auf Widerruf einer ehrverletzenden Äußerung ist in der Regel nicht geringer anzusetzen als derjenige auf künftige Unterlassung dieser Äußerung.2 Das LG Oldenburg3 setzt ihn sogar 50 % höher an.

5354

Für die Anträge auf Widerruf und auf Unterlassung einer Behauptung sind jeweils gesonderte Streitwerte festzusetzen und zusammenzurechnen. Die Anträge auf Widerruf einer Äußerung gegenüber verschiedenen Adressaten haben ebenfalls verschiedene, zusammenzurechnende Werte. Zwangsvollstreckung

5355

Aus der Tatsache, dass es sich bei dem Verfahren auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes um eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung zur Verwirklichung des zuerkannten Unterlassungsanspruches handelt, folgt, dass für die Festsetzung des Streitwertes das Interesse maßgebend ist, das der Antragsteller an der Durchführung der Zwangsvollstreckung hat. Dieses Interesse ergibt sich aber nicht daraus, welches Ordnungsgeld für den Zuwiderhandlungsfall beantragt ist, sondern ist nach § 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.4

5356

Nach dem LG Dortmund5 ist maßgebend das Interesse des Gläubigers an der Duldung oder Unterlassung der Handlung und dem Widerstand des Schuldners.6 1 2 3 4 5 6

Hinsichtlich der Einzelheiten vgl. das Stichwort „Gewerblicher Rechtsschutz“. OLG Celle, Nds.Rpfl. 1970, 207 = WRP 1969, 382. LG Oldenburg, Beschl. v. 6.3.1995 – 5 T 1310/94, JurBüro 1995, 369. LG Bonn, JR 1960, 225. LG Dortmund, NJW 1949, 829. Vgl. dazu das Stichwort „Ordnungsmittel“.

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Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess

Unzuständigkeit S. das Stichwort „Einrede, Einwendung“.

Urheberrecht, Verlagsrecht Der Streitwert der Klage auf Unterlassung der Verletzung des Urheberrechts und Verlagsrechts bemisst sich nach dem gem. § 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG frei zu schätzenden Interesse des Klägers.1

5357

Bei der Bewertung einer Klage, die auf die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung eines Verlagsvertrages und dessen Fortbestand gerichtet ist, sind die in der Vergangenheit erzielten Erträge und der Umstand zu berücksichtigen, dass Verlagsverträge in der Regel auf unbestimmte Zeit, praktisch also auf Lebensdauer des Urhebers und des Verlegers, darüber hinaus sogar noch für deren Erben oder sonstige Rechtsnachfolger von Bedeutung sind.2

5358

Das Antragsverfahren gem. § 101 Abs. 9 UrhG ist ein Vorschaltverfahren zu einem Auskunftsanspruch handelt, durch den Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüchen gegen den zu ermittelnden Urheberrechtsverletzer vorbereitet werden. In einem solchen Verfahren kann der Wert nur einen Bruchteil des Interesses des Verletzten an der Durchsetzung der Hauptansprüche ausmachen. Soweit nicht besondere tatsächliche Umstände vorliegen, die Anhaltspunkte für eine höhere oder niedrigere Festsetzung geben, wird für das Vorschaltverfahren der in § 30 Abs. 2 KostO vorgesehene Regelwert von 3.000,00 Euro zugrunde gelegt werden können.3 Dies gilt, wenn mit dem Antrag nach § 101 Abs. 9 UrhG die Verletzung eines einzigen Werks geltend gemacht wird, auch bei mehreren mitgeteilten IP-Adressen.

5359

Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess Gliederungsübersicht Rn. A. Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess I. Zuständigkeitsstreitwert 1. Zahlung . . . . . . . . . . 2. Herausgabe . . . . . . . . II. Rechtsmittelstreitwert . . III. Gebührenstreitwert 1. Zahlung . . . . . . . . . . 2. Hilfsaufrechnung . . . . .

. . . . 5360 . . . . 5367 . . . . 5371 . . . . 5373 . . . . 5375

B. Nachverfahren, ordentliches Verfahren nach Abstandnahme I. Zuständigkeitsstreitwert . . . . 5377

Rn. II. Rechtsmittelstreitwert . . . . . . 5378 III. Streitwert für die Gerichtsgebühren 1. Einheitliche Festsetzung . . . . . 5379 2. Bewertung a) Nachverfahren aa) Nachverfahren beschränkt sich auf die im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess geltend gemachten Ansprüche . . . . . . . . . 5380

1 OLG Frankfurt, GRUR 1954, 228. 2 KG, Ufita Bd. 76, 352. 3 OLG Köln, Beschl. v. 9.10.2008 – 6 W 123/08, MDR 2009, 159.

N. Schneider

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Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess Rn. bb) Nachverfahren erfasst auch weitere Gegenstände 5382 b) Verfahren nach Abstandnahme . . . . . . . . . . . . . 5383

Rn. IV. Streitwert für die Anwaltsgebühren 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . 5387 2. Problem: Kapitalisierte Zinsen oder andere Nebenforderungen . 5396

A. Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess I. Zuständigkeitsstreitwert 1. Zahlung 5360

Die Bewertung richtet sich nach allgemeinen Vorschriften (§§ 3 ff. ZPO). Zu beachten ist allerdings die besondere Regelung des § 4 Abs. 2 ZPO.

5361

Wird auf Zahlung geklagt, richtet sich der Streitwert im Wechselprozess nach dem Betrag der Forderung. Zinsen, Kosten und Provision, die außer der Wechselsumme gefordert werden, sind als Nebenforderungen unberücksichtigt zu lassen (§ 4 Abs. 2 ZPO).

5362

Soweit in der Wechselforderung auch Zinsen aus dem Grundgeschäft enthalten sind, ist dies für die Streitwertbemessung im Wechselprozess unerheblich. Die Wechselforderung ist eine eigene selbständige Forderung, die unabhängig vom Grundgeschäft entstanden ist und sich ausschließlich auf den Wechsel stützt, sodass es letztlich völlig unerheblich ist, aus welchen Positionen sich die Wechselforderung zusammensetzt.1 Gleiches gilt z.B. auch für ein (novierendes) abstraktes Schuldanerkenntnis, in das bisher aufgelaufene Zinsen und Kosten mit aufgenommen und damit zu einer neuen eigenständigen (Haupt-) Forderung werden2 oder auch für den Anspruch auf Herausgabe einer Mietkaution, bei der die aufgelaufenen Zinsen der Kaution zugeschlagen werden (§ 551 Abs. 3 Satz 4 BGB).3

5363

Dies ergibt sich letztlich auch aus § 4 Abs. 2 ZPO. Danach sind lediglich Wechselkosten und -spesen sowie Zinsen aus der Wechselsumme beim Streitwert nicht zu berücksichtigen, da diese wiederum im Verhältnis zur Wechselhauptforderung als Nebenforderungen (§ 4 Abs. 1, 2. Halbs. Satz 2 ZPO) gelten. Die Wechselsumme selbst ist dagegen immer Hauptforderung.

* Æ Beispiel: Der Beklagte schuldet dem Kläger 5.000 Euro nebst zwischenzeitlichen Zinsen i.H.v. 200 Euro. Er gibt ihm einen Wechsel über 5.200 Euro. Da dieser nicht eingelöst wird, klagt der Kläger im Wechselprozess auf Zahlung der Wechselsumme i.H.v. 5.200 Euro. Der Streitwert beläuft sich auf 5.200 Euro. 1 OLG Hamm, Beschl. vom 8.6.1984 – 7 U 6/84, AnwBl. 1984, 504; Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts in Zivilsachen, 9. Aufl. 1994, S. 391. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 16.12.1997 – 5 W 597/97, JurBüro 1999, 197; Wieczorek/ Schulze, ZPO, 3. Aufl. 1994, § 4 ZPO Rn. 47; Musielak/Smid, 6. Aufl. 2008, § 4 ZPO Rn. 14. 3 LG Köln, Beschl. v. 8.6.1995 – 1 S 266/94, Lützenkirchen, Kölner Mietrecht, Fach 20 Nr. 31; Herrlein/Kandelhard/N. Schneider, Mietrecht 3. Aufl. 2003, §§ 551 Rn. 56; N. Schneider in Lützenkirchen, Anwaltshandbuch Mietrecht, 4. Aufl. 2010, N Rn. 517 ff.

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N. Schneider

Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess Werden mehrere selbständige Wechselansprüche vom Kläger in einer Klage verfolgt, dann sind die Werte der verschiedenen Gegenstände nach § 5 ZPO zusammenzurechnen. 1

5364

Für den Scheckprozess gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend.2

5365

Für den Urkundenprozess ist dagegen zu differenzieren. – Soweit die Urkunde gegenüber der zugrunde liegenden Forderung eine eigenständige neue (Haupt-)Forderung schafft, etwa im Wege eines (novierenden) abstrakten Schuldanerkenntnisses, gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. – Wird in der Urkunde dagegen nur die bisherige Hauptforderung bestätigt, dann bleibt der Wert der zugrunde liegenden Hauptforderung maßgebend.

5366

* Æ Beispiel: Der Beklagte schuldet dem Kläger ein Darlehen i.H.v. 5.000 Euro nebst zwischenzeitlicher Zinsen i.H.v. 200 Euro. Er gibt ihm a) ein schriftliches Anerkenntnis der Forderung i.H.v. 5.200 Euro einschließlich Zinsen. b) eine abstraktes Schuldanerkenntnis. Da der Beklagte nicht zahlt, klagt der Kläger im Urkundenprozess. Im Fall a) bleibt die Darlehnsforderung Streitgegenstand; der Streitwert beläuft sich auf 5.000 Euro. Die Zinsen bleiben als Nebenforderung nach § 4 Abs. 1, 2. Halbs. ZPO unberücksichtigt. Im Fall b) ist die Forderung aus dem abstrakten Schuldanerkenntnis – nicht die Darlehnsforderung – Streitgegenstand; der Streitwert beläuft sich auf 5.200 Euro.

2. Herausgabe Die Herausgabe eines Wechsels, Schecks oder der Urkunde, aus der sich der Anspruch ergibt, kann nicht im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess geltend gemacht werden (arg. e, § 592 Abs. 1 ZPO). Dennoch seien an dieser Stelle kurze Hinweise zum Wert der Herausgabe gegeben.

5367

Wird Herausgabe eines Wechsels beantragt und ist der Wechsel noch nicht bezahlt, so ist die Wechselsumme für den Streitwert maßgebend, weil es sich um ein Wertpapier handelt;3 ebenso OLG Düsseldorf4 für die Wechsel-Herausgabeklage, wenn ein fälliger Wechsel noch nicht bezahlt ist.

5368

Der Streitwert für den Anspruch auf Herausgabe eines schon eingelösten Wechsels bemisst sich nicht nach dessen Nennbetrag, sondern nach dem Interesse des Klägers an der Herausgabe des Papiers. Es ist gem. § 3 ZPO zu schätzen, wobei abzustellen ist auf das Bestreben des Klägers, eine missbräuchliche Verwendung des – bereits bezahlten – Wechsels auszuschließen und einer erneuten Inanspruchnahme vorzubeugen.5 Voraussetzung ist aber, dass der Wechsel noch verwertbar ist.

5369

1 So für den Gebührenstreitwert: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.1994 – 6 W 42/94, AGS 1997, 133 = ZfSch 1998, 112. 2 Zöller/Herget, § 4 ZPO Rn. 14. 3 RGZ 46, 463. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17. 3 1993 – 9 W 21/93, AnwBl. 1994, 47 = JurBüro 1994, 494 = OLGR 1993, 267. 5 LG Kiel, JurBüro 1964, 212: Wechselsumme rd. 8.200 DM; Streitwert 1.500 DM.

N. Schneider

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Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess 5370

In einem Fall, in dem das nach den übereinstimmenden Darlegungen der Parteien zu verneinen war, hat sich das OLG Köln1 an dem Richtwert für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten orientiert und das Herausgabeinteresse des Klägers mit 1/10 des Nominalwerts bemessen, was unter Umständen noch zu hoch gegriffen sein kann.

II. Rechtsmittelstreitwert 5371

Im Rechtsmittelverfahren gelten grundsätzlich die gleichen Bewertungen wie in erster Instanz.

5372

Klagt der Wechselgeber auf Herausgabe des Wechsels, so ist die Beschwer des unterliegenden Wechselnehmers nach § 3 ZPO zu bemessen.2

III. Gebührenstreitwert 1. Zahlung 5373

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG gelten die Bewertungen für den Zuständigkeitsstreitwert auch für den Gebührenstreitwert. Es gilt somit auch § 4 Abs. 2 ZPO, sodass offen bleiben kann, ob es sich tatsächlich um Nebenforderungen handelt und daher § 43 Abs. 1 GKG bereits gelten würde.

5374

Werden mehrere selbständige Wechselansprüche gegen vom Kläger in einer Klage verfolgt, dann wird der Prozessbevollmächtigte des Klägers in derselben Angelegenheit tätig, sodass die Werte der Gegenstände gem. § 39 Abs. 1 RVG zusammenzurechnen sind.3 2. Hilfsaufrechnung

5375

Eine Wertaddition nach 45 Abs. 3 GKG wegen einer Hilfsaufrechnung kommt im Urkundenverfahren nur in Betracht, wenn dort abschließend entschieden wird, wenn also auch über die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Forderung eine Entscheidung ergeht, die der Rechtskraft fähig ist (§ 45 Abs. 3 GKG) oder wenn über die Hilfsaufrechnungsforderung ein Vergleich geschlossen wird (§ 45 Abs. 4 GKG).

5376

Ergeht lediglich ein Vorbehaltsurteil, gilt § 45 Abs. 3 GKG nicht, weil ein Vorbehaltsurteil im Urkunden- oder Wechselprozess keiner materiellen Rechtskraft fähig ist, sodass die Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 GKG nicht gegeben sind.4 Der Streitwert erhöht sich also nicht. Die Hilfsaufrechnung erlangt in diesem Fall Bedeutung erst durch die eine hierüber ergehende der Rechtskraft fähige Entscheidung oder einen Vergleich im Nachverfahren oder im Verfahren nach Abstandnahme und wirkt dann dort werterhöhend.5

1 2 3 4

OLG Köln, MDR 1975, 60. BGH, Beschl. v. 20.1.1988 – VIII ZR 231/87, NJW 1988, 2804 = WM 1988, 882. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.1994 – 6 W 42/94, AGS 1997, 133 = ZfSch 1998, 112. OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.7.1985 – 22 W 24/85, JurBüro 1985, 1676 = Rpfleger 1985, 510 = KostRsp. GKG § 19 Nr. 105. 5 OLG Hamburg, Beschl. v. 12.5.2000 – 14 U 65/99, BRAGOreport 2001, 139.

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N. Schneider

Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess

B. Nachverfahren, ordentliches Verfahren nach Abstandnahme I. Zuständigkeitsstreitwert Im Nachverfahren oder im ordentlichen Verfahren nach Abstandnahme kann sich der Zuständigkeitsstreitwert verändern. – Soweit er sich reduziert, ist dies unbeachtlich (§ 261 Abs. 3 Nr. 3 ZPO). – Soweit der Wert durch eine Klageerweiterung auf über 5.000 Euro steigt oder soweit eine über 5.000 Euro hinausgehende Widerklage erhoben wird, so ist ab dann der höhere Wert maßgebend, sodass das Landgericht zuständig wird, sofern keine ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts begründet ist oder die Parteien sich im Nachverfahren rügelos einlassen. Das Verfahren richtet sich nach § 506 ZPO.

5377

II. Rechtsmittelstreitwert Der Rechtsmittelstreitwert im Nachverfahren oder im ordentlichen Verfahren nach Abstandnahme richtet sich ausschließlich nach dem Wert des Beschwerdegegenstands, der sich aus der im Nachverfahren oder im ordentlichen Verfahren nach Abstandnahme ergehenden Entscheidung ergibt. Die sich aus der Beschwer des Vorbehaltsurteils ergebende Beschwer spielt hier keine Rolle mehr.

5378

III. Streitwert für die Gerichtsgebühren 1. Einheitliche Festsetzung Nach dem GKG werden für den Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess einerseits und das Nachverfahren oder das ordentliche Verfahren nach Abstandnahme andererseits keine gesonderten Gebühren erhoben. Die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen deckt beide Verfahren ab. Daher ist auch nur ein einziger Wert für das gesamte Verfahren festzusetzen. Eine gestaffelte Wertfestsetzung ist unzulässig. S. Rn. 188.

5379

2. Bewertung a) Nachverfahren aa) Nachverfahren beschränkt sich auf die im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess geltend gemachten Ansprüche Wird im Nachverfahren nur die im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess ergangene Entscheidung „überprüft“, dann wird der Streitwert des Nachverfahrens durch den Wert des Gegenstands begrenzt, hinsichtlich dessen dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte vorbehalten worden ist. Da dieser Wert nie höher sein kann als der des Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozesses, und da im Nachverfahren keine weiteren Gerichtsgebühren ausgelöst werden, ist der Wert des Nachverfahrens in diesem Fall für die Gerichtsgebühren irrelevant. Eine Festsetzung ist unzulässig und überflüssig.

5380

Der Umstand, dass der Beklagte während oder nach dem Ende des Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozesses in Insolvenz geraten ist, ist für die Höhe des

5381

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Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess Streitwertes beim Nachverfahren nicht von Bedeutung. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhält der Rechtsstreit keinen anderen Gegenstand. Der Streitwert mindert sich zwar und ist fortan nach § 182 InsO (früher § 148 KO) zu bemessen. Das gilt aber nur für neue selbständige Verfahren. Beim Nachverfahren bleibt der höhere Wert des Vorverfahrens bestimmend, weil Vorverfahren und Nachverfahren streitwertmäßig eine Instanz bilden und deshalb auch der Zeitpunkt für die Bewertung des Nachverfahrens nicht dessen Beginn, sondern die Klageeinreichung ist.1 Erst mit der Einleitung neuer Verfahren, insbesondere eines Rechtsmittelverfahrens, kann sich der Wert des Nachverfahrens ändern. Dann ist auch für die höhere Instanz § 182 InsO (früher § 148 KO) zu beachten.2 bb) Nachverfahren erfasst auch weitere Gegenstände 5382

Wird im Nachverfahren der Streitgegenstand erweitert, etwa durch eine Klageerweiterung, eine Widerklage (§ 45 Abs. 1 GKG), einen Hilfsantrag, über den entschieden oder ein Vergleich geschlossen wird (§ 45 Abs. 2, 4 GKG), oder eine streitige Hilfsaufrechnung, die beschieden oder über die ein Vergleich geschlossen wird (§ 45 Abs. 3, 4 GKG), dann kann das Nachverfahren zu einer Werterhöhung führen. – Soweit im Nachverfahren die Aufhebung des Vorbehalturteils beantragt wird, bleibt dessen Wert wiederum unberücksichtigt, da er bereits im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess erfasst ist. – Diesem Wert ist dann gem. § 39 Abs. 1 GKG der Wert der Klagerweiterung, gem. § 45 Abs. 1 GKG der Wert der Widerklage3 gem. § 45 Abs. 2 GKG der Wert des Hilfsantrags oder gem. § 45 Abs. 3, 4 GKG der Wert der Hilfsaufrechnung hinzuzurechnen. b) Verfahren nach Abstandnahme

5383

Im Verfahren nach Abstandnahme kann es sich anders verhalten, da jetzt ein anderer Streitgegenstand in den Rechtsstreit eingeführt werden kann, der folglich auch einen anderen Wert haben kann.

5384

Soweit der Wert des im Verfahren nach Abstandnahme geltend gemachten Anspruchs geringer ist, spielt das für die Gerichtsgebühren keine Rolle, da sie nur einmal erhoben werden. Eine gesonderte Festsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG ist daher unzulässig.

5385

Hat der im Verfahren nach Abstandnahme geltend gemachte Anspruch dagegen einen höheren Wert, dann ist zu differenzieren. – Soweit zwischen den Ansprüchen wirtschaftliche Identität besteht, soweit sie also auf dasselbe Interesse gestützt sind, gilt nur der höhere Wert. Eine Addition unterbleibt. – Soweit dagegen ein neuer Streitgegenstand eingeführt wird, ist nach § 39 Abs. 1 GKG zu addieren (s. „Klageänderung“ Rn. 3330).

1 OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 425. 2 OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 425. 3 LG Gießen, AnwBl. 1954, 89 mit Stellungnahme von Hillach, S. 78.

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Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess

* Æ Beispiele: Der Kläger klagt im Scheckprozess aus einem Scheck über 2.000 Euro, den er von seinem Mieter für die Monatsmiete Mai erhalten hat. Später nimmt er vom Scheckverfahren Abstand und macht die Mietforderung Mai im ordentlichen Verfahren geltend. Der Wert bleibt unverändert. Der Kläger klagt im Scheckprozess aus einem Scheck über 2.000 Euro, den er von seinem Mieter für die Monatsmiete Mai erhalten hat. Später nimmt er vom Scheckverfahren Abstand und ändert die Klage dahingehend, dass jetzt die Mietforderung Juni im ordentlichen Verfahren geltend wird. Der Wert für die Gerichtsgebühr beträgt auch jetzt 4.000 Euro (§ 39 Abs. 1 GKG), da die Werte sämtliche im Verlauf des Verfahrens geltend gemachten Gegenstände zusammenzurechnen sind.

Im Übrigen kann sich der Wert auch hier durch Klageerweiterungen, Widerklagen, Hilfsanträge und Hifsaufrechnungen erhöhen.

5386

* Æ Beispiel: Der Kläger klagt im Scheckprozess aus einem Scheck über 2.000 Euro, den er von seinem Mieter für die Monatsmiete Mai erhalten hat. Später nimmt er vom Scheckverfahren Abstand und macht die Mietforderung Mai im ordentlichen Verfahren geltend. Gleichzeitig erweitert er die Klage um weitere 2.000 Euro für die Miete Juni. Der Wert beträgt jetzt 4.000 Euro (§ 39 Abs. 1 GKG).

IV. Streitwert für die Anwaltsgebühren 1. Allgemeines Für den Anwalt gelten über § 23 Abs. 1 Satz 1 u. 3 RVG die gleichen Werte wie für die Gerichtsgebühren.

5387

Da für die Anwaltsgebühren der Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess einerseits und das Nachverfahren bzw. das Verfahren nach Abstandnahme zwei verschiedene Angelegenheiten sind (§ 17 Nr. 5 RVG), kann es hier für die einzelnen Gebühren zu unterschiedlichen Werten kommen.

5388

Daher ist ggf. für die im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess geltend gemachten Ansprüche und die im Nachverfahren bzw. im Verfahren nach Abstandnahme geltend gemachten Ansprüche eine getrennte Wertfestsetzung vorzunehmen. Soweit sich die Anwaltsgebühren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richten, ist dieser Wert nach § 33 RVG gesondert festzusetzen.

5389

Der Streitwert im Nachverfahren wird grundsätzlich durch den Wert des Gegenstandes bestimmt, hinsichtlich dessen dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte vorbehalten worden ist. Regelmäßig geschieht das wegen des gesamten Klageanspruchs, sodass dieser auch den Wert des Nachverfahrens bestimmt. Der Streitwert im Urkunden- und Wechselprozess-Nachverfahren ist daher grundsätzlich gleich dem Streitwert im Urkunden- oder Wechselprozess.1

5390

Ergeht im Urkunden- und Wechselprozess ein Vorbehaltsurteil und beantragt der Beklagte nur wegen eines Teilbetrages Klageabweisung, dann gilt für die

5391

1 RGZ 18, 408; 31, 1.

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Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess Anwaltsgebühren insoweit ein geringerer Wert, nicht auch für die Gerichtsgebühren, da es sich verfahrensrechtlich um eine Einheit handele.1 Ergeht im Urkunden- und Wechselprozess ein Vorbehaltsurteil über die ganze Klageforderung, dann soll sich der Streitwert selbst dann nicht verringern, wenn der Beklagte im Nachverfahren nur wegen eines Teilbetrages Klageabweisung beantragt, da es sich verfahrensrechtlich um eine Einheit handele.2 Das ist so nicht zutreffend. Der Wert des Nachverfahrens bestimmt sich nach den Anträgen, die dort gestellt werden. Wird nur teilweise die Aufhebung des Vorbehaltsurteils und die Abweisung der Klage beantragt, dann gilt auch nur dieser Wert. Erst wenn der Kläger beantragt, das Urteil im Übrigen für vorbehaltlos zu erklären, wird auch dieser Teil zum Streitgegenstand und ist mit zu bewerten. 5392

Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass sich der Beklagte nur wegen eines Teils die Rechte im Nachverfahren vorbehalten hat und dieses dann auch nur insoweit durchgeführt wird. In diesem Fall gilt nur der geringere Wert.

* Æ Beispiele: Der Kläger klagt im Scheckprozess 4.000 Euro ein. Es ergeht ein Vorbehaltsurteil a) über 4.000 Euro b) über 3.000 Euro. Anschließend beantragt der Kläger im Nachverfahren, das Urteil für vorbehaltlos zu erklären und Beklagte die Klage abzuweisen. Der Gegenstandswert des Scheckprozesses beläuft sich auf 4.000 Euro. Der Wert des Nachverfahrens beträgt im Fall a) ebenfalls 4.000 Euro und im Fall b) 3.000 Euro. Der Kläger klagt im Scheckprozess 4.000 Euro ein. Es ergeht ein Vorbehaltsurteil über 4.000 Euro. Anschließend beantragt der Beklagte im Nachverfahren, die Klage i.H.v. 3.000 Euro abzuweisen. Der Kläger beantragt, das Urteil i.H.v. 3.000 Euro für vorbehaltlos zu erklären. Im Übrigen werden keine Anträge gestellt. Der Gegenstandswert des Scheckprozesses beläuft sich auf 4.000 Euro. Der Wert des Nachverfahrens beträgt lediglich Euro.

5393

Auch sonstige Antragsänderungen können bei den Anwaltsgebühren zu unterschiedlichen Wertfestsetzungen für den Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess einerseits und das Nachverfahren oder das ordentliche Verfahren nach Abstandnahme andererseits zu unterschiedlichen Wertfestsetzungen führen.

* Æ Beispiele: Der Kläger klagt im Scheckprozess 4.000 Euro ein. Später nimmt er vom Scheckverfahren Abstand und verlangt nur noch 3.000 Euro. Der Wert der Gerichtsgebühren ist auf 4.000 Euro festzusetzen. Die Reduzierung des Wertes ist hier unerheblich. Für die im Scheckprozess angefallenen Anwaltsgebühren gilt gem. § 32 Abs. 1 RVG der Wert von 4.000 Euro. Für die im ordentlichen Verfahren nach Abstandnahme angefallenen Anwaltsgebühren gilt jedoch ein geringerer Wert, der auf Antrag nach § 33 RVG festzusetzen ist. Der Kläger klagt im Scheckprozess 2.000 Euro (Miete Mai) ein. Später nimmt er vom Scheckverfahren Abstand und verlangt im Wege der Klageänderung 2.000 Euro (Miete Juni). 1 OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 425; OLG München, Beschl. v. 27.4.1987 – 11 W 1439/ 87, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 875 = MDR 1987, 766; LG Schweinfurt, AnwBl. 1954, 88; LG Gießen, AnwBl. 1954, 89; Hillach, AnwBl. 1954, 78. 2 OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 425; OLG München, Beschl. v. 27.4.1987 – 11 W 1439/ 87, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 875 = MDR 1987, 766; LG Schweinfurt, AnwBl. 1954, 88; LG Gießen, AnwBl. 1954, 89; Hillach, AnwBl. 1954, 78.

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N. Schneider

Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess Der Wert der Gerichtsgebühren ist auf 4.000 Euro festzusetzen (§ 39 Abs. 1 GKG, s. Rn. 5385). Für die im Scheckprozess angefallenen Anwaltsgebühren gilt ein Gegenstandswert von 2.000 Euro. Für die im ordentlichen Verfahren nach Abstandnahme angefallenen Anwaltsgebühren gilt ebenfalls ein Wert von 2.000 Euro. Jetzt sind beide Werte auf Antrag nach § 33 RVG festzusetzen.

Gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 40 GKG ist für die Bewertung im Nachverfahren oder im ordentlichen Verfahren nach Abstandnahme der Zeitpunkt der Erhebung der Klage und nicht der Beginn des Nachverfahrens oder des ordentlichen Verfahrens nach Abstandnahme maßgebend.

5394

Bei den Anwaltsgebühren ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Verfahrensgebühr des Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozesses gem. Anm. Abs. 2 zu Nr. 3100 VV RVG auf die Verfahrensgebühr des Nachverfahrens bzw. des Verfahrens nach Abstandnahme anzurechnen ist, soweit der Gegenstand derselbe ist.

5395

* Æ Beispiel: Es wird eine Urkundenklage i.H.v. 5.000 Euro erhoben. Nach mündlicher Verhandlung ergeht ein Vorbehaltsurteil. Der Kläger beantragt, dieses für vorbehaltlos zu erklären. Der Beklagte erklärt im Nachverfahren die Hilfsaufrechnung mit einer streitigen Forderung i.H.v. 1.500 Euro. Hierüber wird verhandelt und unter Einbeziehung der Hilfsaufrechnung entschieden. Der Wert des Nachverfahrens erhöht sich durch die Hilfsaufrechnung um deren Wert, da hierüber entschieden worden ist (§ 45 Abs. 3 GKG). Angerechnet werden darf aber nur nach dem Wert des Urkundenverfahrens, also nach 5.000 Euro. I. Urkundenverfahren (Wert: 5.000 Euro) 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt II. Nachverfahren (Wert: 6.500 Euro) 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 2. gem. Anm. Abs. 2 zu Nr. 3100 VV RVG anzurechnen, 1,3 aus 5.000 Euro 3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

391,30 Euro 361,20 Euro 20,00 Euro 772,50 Euro 146,78 Euro 919,28 Euro 487,50 Euro – 391,30 Euro 450,00 Euro 20,00 Euro 566,20 Euro 107,58 Euro 673,78 Euro

* Æ Beispiel: Es wird eine Urkundenklage i.H.v. 6.500 Euro erhoben. Nach mündlicher Verhandlung ergeht ein Vorbehaltsurteil. Der Beklagte beantragt, i.H.v. 5.000 Euro das Urteil aufzuheben. Hierüber wird verhandelt und entschieden. Auch hier darf nur angerechnet werden, soweit sich die Werte von Urkunden- und Nachverfahren decken, also nach 5.000 Euro (analog Vorbem. 3 Abs. 4 Satz 3 VV RVG). I. Urkundenverfahren (Wert: 6.500 Euro) 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

487,50 Euro 450,00 Euro 20,00 Euro 957,50 Euro 181,93 Euro 1.139,43 Euro

N. Schneider

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Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess II. Nachverfahren (Wert: 5.000 Euro) 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 2. gem. Anm. Abs. 2 zu Nr. 3100 VV RVG anzurechnen, 1,3 aus 5.000 Euro 3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

391,30 Euro – 391,30 Euro 361,20 Euro 20,00 Euro 381,20 Euro 72,43 Euro 453,63 Euro

* Æ Beispiel: Es wird eine Urkundenklage i.H.v. 6.500 Euro erhoben. Nach mündlicher Verhandlung ergeht ein Vorbehaltsurteil. Der Beklagte beantragt, i.H.v. 5.000 Euro das Urteil aufzuheben. Der Kläger erweitert daraufhin die Klage um 3000 Euro. Hierüber wird verhandelt und entschieden. Das Nachverfahren hat einen Gegenstandswert i.H.v. (5.000 Euro + 3.000 Euro =) 8.000 Euro (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG). Das Urkundenverfahren hat einen Gegenstandswert von 6.500 Euro. Hiervon gehen aber nur 5.000 Euro in das Nachverfahren über, sodass nur insoweit (analog Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG) anzurechnen ist. I. Urkundenverfahren (Wert: 6.500 Euro) 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt II. Nachverfahren (Wert: 8.000 Euro) 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 2. gem. Anm. Abs. 2 zu Nr. 3100 VV RVG anzurechnen 1,3 aus 5.000 Euro 3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

487,50 Euro 450,00 Euro 20,00 Euro 957,50 Euro 181,93 Euro 1.139,43 Euro 535,60 Euro – 391,30 Euro 494,40 Euro 20,00 Euro 658,70 Euro 125,15 Euro 783,85 Euro

2. Problem: Kapitalisierte Zinsen oder andere Nebenforderungen 5396

Bei den Anwaltsgebühren kann sich ein Problem ergeben, wenn in der im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess geltend gemachten Forderung Zinsen oder andere Nebenforderungen enthalten sind. Diese werden dann nämlich bewertet, soweit sie Teil der dortigen Hauptforderung sind (Rn. 5362). Zieht sich der Kläger im Verfahren nach Abstandnahme dann auf die zugrunde liegende Forderung zurück, werden die Zinsen oder anderen Nebenforderungen dagegen gem. § 43 Abs. 1 GKG nicht mehr berücksichtigt.

5397

Nach OLG Hamm sind Zinsen, die in die Wechselsumme aufgenommen werden, im Urkundenprozess Hauptforderung und damit streitwertmäßig zu berücksichtigen; erst bei Abstandnahme vom Urkundenprozess unter Übergang in das ordentliche Verfahren werden sie wertmäßig unbeachtliche Nebenforderungen, was zur Annahme einer teilweisen Klagerücknahme zwinge.1 1 OLG Hamm, Beschl. v. 8.6.1984 – 7 U 6/84; KostRsp. ZPO § 4 Nr. 53 mit Anm. E. Schneider = AnwBl. 1984, 504 mit abl. Anm. Chemnitz.

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N. Schneider

Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess Diese Auffassung ist im Ansatz zutreffend; die Konsequenz ist falsch und verblüfft: Der Kläger soll im ordentlichen Verfahren mit Kosten belastet werden, obwohl er seinen bezifferten Antrag nicht ändert.

5398

Soweit in der Wechselforderung auch Zinsen aus dem Grundgeschäft enthalten sind, ist dies für die Streitwertbemessung im Wechselprozess unerheblich. S. dazu Rn. 5362.

5399

Nimmt der Kläger im Nachhinein vom Wechselprozess Abstand und stützt seine Forderung nunmehr auf das Grundgeschäft, ist der anwaltliche Gebührenstreitwert für das ordentliche Verfahren nach Abstandnahme (§ 592 ZPO) nach § 33 RVG gesondert festzusetzen. Insoweit liegt nämlich eine Klageänderung vor. Der Streitgegenstand wechselt. Während ursprünglich die Wechselforderung Gegenstand der Klage war, ist jetzt die Forderung aus dem Grundgeschäft Gegenstand der Klage. Auch wenn im Ergebnis derselbe Zahlbetrag verlangt wird, sind es doch verschiedene Streitgegenstände.

5400

Bei der Bewertung der Klageforderung im ordentlichen Verfahren ist jetzt zu berücksichtigen, dass Zinsen und Kosten nach § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG als Nebenforderung gelten. Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 ZPO (über § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) ist dann nicht mehr anwendbar, da der Kläger im ordentlichen Verfahren keinen Anspruch mehr aus dem Wechsel geltend macht.

5401

So ist es für den Kläger möglich, auch nach Abstandnahme weiterhin aus der Wechselforderung vorzugehen; er muss dies jedoch nicht. Geht er nach Abstandnahme weiterhin aus der Wechselforderung vor, dann ändert sich im ordentlichen Verfahren der Wert nicht, da nach wie vor die Wechselforderung Streitgegenstand bleibt und nicht die Forderung aus dem Grundgeschäft.

5402

* Æ Beispiel: Dem A steht gegen den B eine Kaufpreisforderung i.H.v. 9.000 Euro zuzüglich zwischenzeitlich aufgelaufener Zinsen i.H.v. 3.000 Euro zu. Da der B nicht zahlen kann, gibt er dem A einen Wechsel über die gesamten 12.000 Euro. Der Wechsel „platzt“ und geht zu Protest. Der A klagt daraufhin gegen den B auf Zahlung von 12.000 Euro im Wechselprozess (§§ 592, 602 ff. ZPO) und beruft sich auf die Wechselforderung. Nach mündlicher Verhandlung nimmt der Kläger vom Wechselprozess Abstand (§ 596 ZPO) und geht ins ordentliche Verfahren über. Er stützt jetzt sein Klagebegehren nicht mehr auf die Wechselforderung, sondern auf das Grundgeschäft, also auf den Kaufvertrag, ohne jedoch den Klageantrag zu ändern. Der Streitwert des Wechselprozesses beläuft sich gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO auf 12.000 Euro, da es hier ausschließlich auf die Wechselforderung ankommt (§§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 4 Abs. 2 ZPO). Bei der Bewertung der Klageforderung im ordentlichen Verfahren ist aber zu berücksichtigen, dass die Hauptforderung nur lediglich noch 9.000 Euro beträgt. Hinzu kommen 3.000 Euro Zinsen, die nach § 43 Abs. 1 GKG jetzt als Nebenforderung gelten. Abwandlung: Der A macht auch im ordentlichen Verfahren die Ansprüche aus dem Wechsel gelten und nicht aus dem Grundgeschäft. Der Streitwert ändert sich nicht, sondern bleibt bei 12.000 Euro.

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Urteils- und Tatbestandsberichtigung

Urteils- und Tatbestandsberichtigung 5403

Offenbare Unrichtigkeiten des Urteils, die auf nicht auf rechtlichen sondern „technischen Fehlleistungen“1 beruhen, sind von Amts wegen oder auf Antrag zu berichtigen, § 319 ZPO. Fehler, Auslassungen und Widersprüche des Urteilstatbestandes können demgegenüber gem. § 320 ZPO nur auf Antrag berichtigt werden. Zulässig ist der Berichtigungsantrag nur, wenn eine entsprechende Beschwer dargetan wird.2

5404

In beiden Fällen folgt der Gegenstandswert des Berichtigungsverfahrens in der Regel nicht dem Hauptsachewert, da die Berichtigung nicht auf eine erneute materiell-rechtliche sondern nur auf eine technische Prüfung abzielt. Grundsätzlich ist daher eine Bruchteilsbewertung geboten.3 Der Wert ist nach § 3 ZPO zu schätzen, wobei es darauf ankommt, welche Rechtsfolgen und wirtschaftlichen Auswirkungen mit der Berichtigung bzw. dem dagegen gerichteten Rechtsmittel erstrebt werden. Bloße Tatbestandsberichtigungen dürften mit 1/10 des Hauptsachewertes hinreichend erfasst werden.4

5405

Geht es um eine Korrektur der Kostenentscheidung, in der entgegen der Urteilsgründe die Kosten der Streithilfe nicht aufgenommen worden sind, bestimmt sich der Gegenstandswert des Berichtigungsantrags wie auch der Wert der Beschwerde gegen eine von Amts wegen vorgenommene Berichtigung nach den voraussichtlichen Kosten des Streithelfers.5 Berichtigt das Gericht unzulässigerweise die Kostengrundentscheidung des Urteils gem. § 319 ZPO (analog) aufgrund einer nachträglich geänderten Streitwertfestsetzung, bestimmen sich Gegenstands- und Beschwerdewert nach den mit der Berichtigung abweichend verteilten Kosten des Rechtsstreits.6

5406

Soweit die Vollstreckbarkeit eines Urteils aufgrund eines fehlenden Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit vorübergehend blockiert wird, ist der Streitwert nach OLG Saarbrücken7 mit 1/5 des Hauptsachewertes zu bemessen. Würde das Ausbleiben der Berichtigung die Vollstreckbarkeit des Urteils beseitigen, kann dies zum Ansatz des Hauptsachewertes führen.8 Dies ist etwa der Fall, wenn erst eine zwischen den Parteien streitige Rubrumsberichtigung eine Vollstreckung der titulierten Klageforderung ermöglicht.9

5407

Der Ansatz des vollen Hauptsachewertes, hier des Wertes der Leistungsstufe, ist nach Ansicht des OLG Bamberg geboten, wenn bei einer Stufenklage mit 1 BVerfG, Beschl. v. 15.1.1992 – 1 BvR 1140/86, NJW 1992, 1496. 2 BFH, Beschl. v. 28.10.2005 – VIII R 3/03, BFH/NV 2006, 565. 3 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Urteils- und Tabestandsberichtigung“; Meyer, Anh. § 48 (§ 3 ZPO) Rn. 28. 4 BFH, Beschl. v. 28.10.2005 – VIII R 3/03, BFH/NV 2006, 565; BFH, Beschl. v. 26.11.2002 – IV E 3/02, BFH/NV 2003, 339. 5 OLG Jena, Beschl. v. 5.3.2009 – 5 W 34/09, MDR 2009, 1066. 6 BGH, Beschl. v. 30.7.2008 – II ZB 40/07, MDR 2008, 1292 = AGS 2008, 1925 = AnwBl. 2008, 471. 7 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 21.5.1987 – 1 W 31/86, JurBüro 1989, 522. 8 OLG Frankfurt, JurBüro 1980, 1893; Meyer, Anh. § 48 (§ 3 ZPO) Rn. 28; Musielak/ Heinrich, § 3 ZPO Rn. 24 unter „Berichtigung nach § 319“; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Urteilsergänzung“. 9 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 25.4.2001 – 4 W 27/01, OLGR 2001, 433.

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Kurpat

Urteilsergänzung der Berichtigung des Urteilstenors die Streichung des nach einem Anerkenntnis den Auskunftsanspruch versehentlich ebenfalls titulierten Leistungsanspruch begehrt wird.1 Den Wert einer Berichtigungsbeschwerde im Verfahren über den Versorgungsausgleich hat das OLG Zweibrücken2 nach dem Änderungsinteresse der beteiligten Eheleute berechnet, und zwar analog § 17a GKG a.F. unter Vervielfältigung des Differenzbetrages auf den Jahresbetrag (vgl. jetzt aber § 49 GKG).

5408

Ob und inwieweit eine Beschwerde betreffend die Berichtigung des Sitzungsprotokolls (§ 164 ZPO) zulässig ist, ist umstritten.3 Auch wenn die Zulässigkeit verneint wird, muss jedoch ein Gegenstandswert festgesetzt werden, der allerdings in der Regel gering ausfallen dürfte.

5409

Urteilsergänzung A. Allgemeines Übergeht das Gericht bei seiner Entscheidung versehentlich einen von einer Partei geltend gemachten Haupt- oder Nebenanspruch oder eine von Amts wegen zu treffende Kosten(grund)entscheidung, ist das Urteil auf Antrag durch ein selbständig anfechtbares (Teil-)Urteil zu ergänzen, § 321 ZPO. In einigen Fällen kann es zu Überschneidungen des Urteilsergänzungsverfahrens gem. § 321 ZPO mit den der Überprüfung der sachlichen Richtigkeit einer Entscheidung dienenden Rechtsmitteln kommen, etwa wenn das Urteil durch die Übergehung unselbständiger Teile der Entscheidung sowohl unvollständig als auch inhaltlich unrichtig ist.4 § 321 ZPO findet nach allgemeiner Ansicht auf Beschlüsse entsprechende Anwendung.5

5410

B. Gegenstandswert Maßgebend ist das Interesse der antragstellenden Partei an der Ergänzung des Urteils bzw. Beschlusses, § 3 ZPO.6 Die Wertbestimmung hängt daher im Einzelfall vom Gegenstand der Ergänzung ab und folgt daher nur bei einem übergangenem Haupt- oder Nebenanspruch dessen Wert.

5411

Hinsichtlich der weiteren anerkannten Fälle der Urteilsergänzung gilt es zu differenzieren. Bei einem übergangenen Vorbehalt der Rechte im Nachverfahren zum Urkunden- oder Wechselprozess (§ 599 Abs. 2 ZPO) ist auf den Wert der Hauptsache abzustellen, da der Beklagte mit der Ausübung seiner Rechte im Nachverfahren den Klageanspruch zu Fall bringen will.

5412

1 OLG Bamberg, Beschl. v. 4.2.1999 – 7 WF 180/98, FamRZ 2000, 900. 2 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 2.3.1984 – 2 UF 180/83, JurBüro 1984, 917. 3 S. Zöller/Stöber, § 164 ZPO Rn. 11; OLG Koblenz, Beschl. v. 26.2.1986 – 8 W 121/86, MDR 1986, 593. 4 BGH, Urt. v. 30.9.2009 – VIII ZR 29/09, MDR 2009, 1409 = JurBüro 2010, 110 = NJW 2010, 1148; Urt. v. 25.6.1996 – VI ZR 300/95, NJW-RR 1996, 1238; Musielak/Musielak, § 321 Rn. 1; Zöller/Vollkommer, § 321 Rn. 2. 5 Musielak/Musielak, § 321 Rn. 2; Zöller/Vollkommer, § 321 Rn. 1. 6 Celle, NJW 1966, 2414; Stein/Jonas/Roth, § 3 ZPO Rn. 67 unter „Urteilsergänzung“.

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Urteilsergänzung 5413

Im Fall des übergangenen Einrede der beschränkten Erbenhaftung (§ 780 ZPO)1 ist ebenfalls der volle Hauptsachewert anzusetzen, denn der Haftungsvorbehalt erhält dem Erben die Möglichkeit, die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeit zu verweigern, §§ 1989, 1990 BGB.2

5414

Bei einer fehlenden oder unvollständigen Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils (hier findet gem. § 716 ZPO die Regelung zur Urteilsergänzung entsprechende Anwendung) ist das Interesse an der sofortigen Vollstreckbarkeit des titulierten Anspruchs (Gläubiger) bzw. an deren Abwendung der Vollstreckung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung (Schuldner). In der Regel wird hier der drohende Zinsverlust stehen, der dadurch eintritt, dass mangels vorläufiger Vollstreckbarkeit überhaupt nicht vollstreckt werden kann (Gläubiger) bzw. aufgrund fehlender Abwendungsbefugnis statt einer Bürgschaft der volle Urteilsbetrag geleistet werden muss.3 Vertretbar ist auch, den Gegenstandswert pauschal auf 1/5 des Hauptsachewertes festzusetzen.4

5415

Im Fall des im Mietprozess nicht beschiedenen Antrag auf Gewährung einer Räumungsfrist (§ 721 Abs. 1 Satz 3 ZPO) wird auf das Interesse an der Vermeidung einer sofortigen Räumung und damit auf die Höhe des für den begehrten Zeitraum anfallenden Nutzungsentgelts abzustellen sein.5

5416

Auch eine fehlende Entscheidung über die Zulassung der Berufung (§ 511 Abs. 4 ZPO) und Revision (§§ 543 Abs. 1, 43 ZPO) eröffnet das Verfahren der Urteilsergänzung, da es sich hierbei wie die Kosten- oder Vollstreckbarkeitsentscheidung um eine prozessuale Nebenentscheidung.6 Der Wert entspricht dem der Beschwer des Antragstellers, da diese zu beseitigen das Ziel der Rechtsmitteleinlegung ist.

C. Rechtsmittel und Beschwer 5417

Die Beschwer des unterliegenden Antragstellers entspricht dem Gegenstandswert. Die Beschwer des unterliegenden Antragsgegners bemisst sich nach dem Wert der mit der Urteilsergänzung verbundenen Nachteile und damit ebenfalls regelmäßig nach dem Gegenstandswert.

5418

Überschneiden sich Urteilsergänzungs- und Rechtsmittelverfahren, entfällt die für die Rechtsmitteleinlegung notwendige Beschwer erst mit der Verkündung des stattgebenden Urteilsergänzungsurteils.7

1 2 3 4

Vgl. zur diesbezüglichen Ergänzung Zöller/Stöber, § 780 Rn. 13. Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Urteilsergänzung“. OLG Celle, NJW 1966, 2414. Vgl. für Urteilsberichtigung OLG Saarbrücken, Beschl. v. 21.5.1987 – 1 W 31/86, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 958 = JurBüro 1989, 522. 5 S. auch unter dem Stichwort „Räumungsfristverfahren“. 6 Zöller/Vollkommer, § 312 ZPO Rn. 5. 7 BGH, Urt. v. 30.9.2009 – VIII ZR 29/09, MDR 2009, 1409 = NJW 2010, 1148.

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Verein

Veräußerungsverbot Durch einstweilige Verfügung kann das Verbot erwirkt werden, über eine Forderung, über eine bewegliche Sache oder über ein Grundstück zu verfügen, insbesondere eine Sache nicht zu veräußern.1 Der Wert eines solchen Verfahrens bestimmt sich nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG: Es ist auf den Verkehrswert der Sache bzw. des Grundstücks oder den Betrag der Forderung abzustellen.2

5419

Es kommt nicht darauf an, welche wirtschaftlichen Absichten mit dem Veräußerungsverbot vom Antragsteller verbunden werden.3 Erstrebt er beispielsweise die Sicherung des Gewinns einer Weiterveräußerung nach Ausübung eines Optionsrechts, dann ist dies nicht bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen, weil dieses Begehren nicht Streitgegenstand ist.4

5420

Nur dann, wenn das Veräußerungsverbot auf eine pfandrechtsartige Sicherung abzielt, ist § 6 Satz 2 ZPO mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Wert des zu sichernden Anspruchs und der Wert des Sicherungsobjektes zu vergleichen sind und nur der geringere Wert anzusetzen ist. Hieraus ergibt sich, wie wichtig es für den Antragsteller ist, sein Rechtsschutzziel im Verfügungsverfahren genau zu konkretisieren. Andererseits darf das Gericht wegen seiner Gestaltungsfreiheit nach § 938 Abs. 1 ZPO die vom Antragsteller vorformulierten Verfügungsanträge nicht unbesehen als Bewertungsgegenstand annehmen, sondern muss das wirkliche Begehren vorab klarstellen.5

5421

Verbindung S. das Stichwort „Prozessverbindung“.

Verein A. Einleitung Das BGB unterscheidet zwischen wirtschaftlichen Vereinen (§ 22 BGB) und Idealvereinen (§ 21 BGB). Zu den Werten des von einem oder gegen einen Idealverein geführten Verfahren kann auf die Ausführungen beim Stichwort „Idealverein“ verwiesen werden.

5422

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Ob die von einem wirtschaftlichen Verein geführten Verfahren als vermögensrechtliche oder nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten anzusehen sind, was 1 2 3 4 5

S. Zöller/Vollkommer, § 938 Rn. 12, 13. OLG Köln, KostRsp. GKG § 20 Nr. 36 = JurBüro 1980, 244. OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, JurBüro 1994, 738. OLG Köln, KostRsp. GKG § 20 Nr. 36 = JurBüro 1980, 244. OLG Köln, KostRsp. GKG § 20 Nr. 38; s. auch OLG Stuttgart, WRP 1980, 582.

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5423

Verein dann auf die Bestimmung des Zuständigkeits- und Gebührenstreitwerts Auswirkungen hat, entscheidet sich nicht nach der materiellrechtlichen Einordnung des Vereins, sondern nach dem Charakter des im Einzelfalls geltend gemachten Anspruchs. 5424

– Verfolgt ein Verein mit der Klage keine eigenen vermögensrechtlichen oder wirtschaftlichen Interessen oder derartige Interessen seiner Mitglieder, so handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit, bei der der Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 2 GKG festzusetzen ist.1 Die gesamten Umstände des Einzelfalles sind maßgebend.2 § 247 Abs. 1 AktG ist nicht entsprechend anwendbar.3 Der Zuständigkeitsstreitwert ist unter Beachtung dieser Grundsätze nach § 3 ZPO zu schätzen. – Handelt es sich dagegen um Streitigkeiten vermögensrechtlicher Art, so ist der Wert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.

5425

Der Streit um die Identität mit einem Idealverein ist dann vermögensrechtlicher Art, wenn mit der Klage im Wesentlichen oder ausschließlich wirtschaftliche Zwecke verfolgt werden.4

5426

Auch das Unterlassungsbegehren wegen unerlaubter Führung des Namens eines Vereins, der die beruflichen Interessen seiner Mitglieder wahrnimmt, ist vermögensrechtlicher Natur und deshalb nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten.5

5427

Gleiches gilt für die Klage auf Feststellung der Zugehörigkeit zu einem wirtschaftlichen Verein oder bei Streit über die Wirksamkeit des Ausschlusses. Denn die Mitgliedschaft hat wirtschaftliche Auswirkungen.6

5428

Die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einzelner Beschlüsse einer Generalversammlung ist nichtvermögensrechtlicher Natur, soweit es sich um die Entlastung des Vorstandes und die Wahl des stellvertretenden Vorsitzenden, des Schriftführers und des Beisitzers handelt, dagegen vermögensrechtlicher Natur, soweit es um eine Sonderumlage zur Finanzierung eines vermögensrechtlichen Rechtsstreites geht.

5429

Demnach ist getrennt aus § 48 Abs. 2 GKG und § 3 ZPO zu bewerten und der Streitwert gem. § 5 ZPO aus der Wertsumme zu bilden.7

1 2 3 4 5 6

OLG Karlsruhe, WRP 1968, 229. OLG Frankfurt, JurBüro 1985, 1083. BGH, KostRsp. AktG § 247 Nr. 16 = NJW-RR 1992, 1209 = MDR 1993, 183. OLG Celle, NJW 1964, 359. BGH, GRUR 1953, 446. Anders verhält es sich bei der streitigen Mitgliedschaft in einem Idealverein, vgl. KG, Rpfleger 1962, 118; OLG Köln, MDR 1984, 153 = KostRsp. GKG § 12 Nr. 67, bewertet mit 1.000 DM im Eilverfahren wegen vereinsinterner Differenzen von geringer Bedeutung; OLG Koblenz, JurBüro 1990, 1034 = KostRsp. GKG § 12 Nr. 139, bewertet mit 4.000 DM wegen Streit um Ausschluss aus einem Idealverein „Porsche-Club“. Dagegen berücksichtigt das OLG Frankfurt (Beschl. v. 15.7.2003 – 9 W 13/03, JurBüro 2003, 644) auch wirtschaftliche Interessen, nämlich die Vereinsmitgliedschaft als Voraussetzung für den Verkauf selbst gezüchteter Rassehunde sowie eine eventuelle persönliche Haftung als nicht entlastetes Vorstandsmitglied. Vgl. zu den Einzelheiten die Ausführungen beim Stichwort „Idealverein“. 7 LG Lübeck, JurBüro 1959, 376.

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Onderka

Vereinbarungen zum Streitwert

Vereinbarte Vergütung S. das Stichwort „Herabsetzung einer vereinbarten Vergütung“ und „Vereinbarungen zum Streitwert“.

Vereinbarungen zum Streitwert A. Überblick Vereinbarungen zur Höhe des Streitwertes sind möglich. Sie kommen in der Praxis in zwei Fällen vor, nämlich: – bei Vereinbarungen zwischen Anwalt und Auftraggeber über die Höhe des der Vergütung zugrunde zu legenden Gegenstandswertes und – oder bei Vereinbarungen zur Höhe des Gegenstandswerts im Rahmen der Kostenerstattung.

5430

B. Vereinbarungen zwischen Anwalt und Auftraggeber Anwalt und Auftraggeber können für die vom Auftraggeber zu zahlende Vergütung einen Gegenstandswert frei vereinbaren. Dieser Gegenstandswert ist dann allerdings nur dem Vergütungsanspruch dieses Anwalts gegen seinen Auftraggeber zugrundezulegen und führt zu einem höheren oder niedrigeren Vergütungsanspruch als dem gesetzlichen.

5431

Gegenüber Dritten sind solche Vereinbarungen unmittelbar bedeutungslos. Sie führen also weder zu höheren oder geringeren Gerichtskosten, noch zu einem höheren Kostenerstattungsanspruch oder einem höheren Vergütungsanspruch gegenüber der Staatskasse.

5432

Lediglich für den Kostenerstattungsanspruch kann die Vereinbarung eines geringeren Gegenstandswerts von Bedeutung sein, da der Erstattungsberechtigte vom Erstattungspflichtigen nie mehr erstattet verlangen kann, als er an seinen Anwalt zu zahlen verpflichtet ist. Da im gerichtlichen Verfahren eine Vereinbarung einer geringeren Vergütung nicht zulässig ist, hätte eine solche Vereinbarung lediglich im außergerichtlichen Bereich Bedeutung. Sie kommt in der Praxis aber kaum vor.

5433

Soweit zwischen Anwalt und Auftraggeber eine Vereinbarung über die Höhe des Gegenstandswerts getroffen wird, handelt es sich um eine Vergütungsvereinbarung nach §§ 3a ff. RVG.

5434

Das gilt auch dann, wenn die Vertragsparteien den tatsächlichen Streitwert nicht kennen und dieser möglicherweise schwer zu ermitteln ist und die Parteien durch eine Vereinbarung die Ungewissheit beseitigen wollen. Die Formvorschriften des § 3a Abs. 1 RVG müssen daher beachtet werden. Die Vereinbarung muss insbesondere schriftlich geschlossen und als solche bezeichnet sein.

5435

Der Anwalt ist auch verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass eine Kostenerstattung nur nach dem zutreffenden, nicht nach dem vereinbarten Streitwert vorzunehmen ist (§ 3a Abs. 1 Satz 3 RVG).

5436

N. Schneider

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Verfahrensruhe 5437

In gerichtlichen Verfahren ist darüber hinaus zu beachten, dass die gesetzliche Vergütung nicht unterschritten werden darf (§ 49b Abs. 1 BRAO). Daher ist es in gerichtlichen Verfahren unzulässig, einen geringeren Streitwert als den gesetzlichen zu vereinbaren. Lediglich in außergerichtlichen Tätigkeiten kann auch ein geringerer Gegenstandswert vereinbart werden (§ 4 Abs. 1 Satz 1 RVG).

C. Vereinbarungen im Erstattungsverhältnis 5438

In der Praxis werden häufig auch im Rahmen der Kostenerstattung Vereinbarungen zur Höhe des Gegenstandswerts bzw. Erledigungswerts geschlossen. Hintergrund ist, dass der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch bei teilweiser Durchsetzung eigener Ansprüche sich nicht nach der Quote der durchgesetzten Ansprüche berechnet, sondern nach den vollen Gebühren aus dem sog. Erledigungswert, also dem Wert der berechtigten Ansprüche (s. hierzu auch „Verkehrsunfallregulierung“ Rn. 5621 ff.). Hier kommt es im Rahmen des Erstattungsverhältnisses mitunter zu Vereinbarungen über den Wert, nach dem sich die zu erstattenden Kosten berechnen sollen. Eine solche Vereinbarung ist formlos möglich, da es sich nicht um eine Vergütungsvereinbarung handelt, sondern lediglich um die Regelung des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs.

5439

Für das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Auftraggeber ist diese Vereinbarung unerheblich. Der Anwalt rechnet gegenüber seinem Auftraggeber nach dem tatsächlichen zutreffenden Gegenstandswert ab. Der Auftraggeber erhält die Kostenerstattung nur nach dem vereinbarten Wert. Den Differenzbetrag muss der Auftraggeber dann aus eigener Tasche zahlen.

5440

Mitunter verpflichtet sich ein Erstattungspflichtiger vergleichsweise auch, die Anwaltskosten nach einem höheren Wert als dem Erledigungswert (s. hierzu „Verkehrsunfallregulierung“ Rn. 5621 ff.) zu zahlen. Dann muss er nach diesem Wert erstatten.

Verfahrensruhe 5441

Wird ein Rechtsstreit, der einen Anspruch auf Zahlung zum Gegenstand hat, infolge der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Beklagten unterbrochen, dann bestimmt sich der Streitwert für den Zeitraum nach Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Betrag, der bei einer Verteilung der Insolvenzmasse für die Klageforderung zu erwarten ist.1

5442

Den Wert einer Beschwerde gegen die Ablehnung umgehender Aufnahme des Verfahrens nach Anordnung des Ruhens bewertet das OLG Köln mit regelmäßig 1/5 des Hauptsachewertes, weil es nur darum geht, ob der Kläger den begehrten Titel früher erwirken kann.2 Das Beschwerdeverfahren zur Streitwertfestsetzung kann während des Ruhens des Verfahrens durchgeführt werden.3 1 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.6.2009 – 5 W 414/09, JurBüro 2010, 201. 2 OLG Köln, Beschl. v. 25.9.1984 – 2 W 114/84, KostRsp. § 3 Nr. 719. 3 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.2.1993 – 3 W 2/93, MDR 1993, 471.

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Vergabesachen

Verfahrenstrennung S. das Stichwort „Prozesstrennung“.

Vergabesachen A. Einleitung Die Beschaffung von Waren, Bau- und Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber hat – soweit bestimmte Schwellenwerte überschritten werden – im Rahmen eines Vergabeverfahrens nach §§ 97 ff. GWB zu erfolgen. Die Vergabe öffentlicher Aufträge nach diesen Vorschriften unterliegt der Nachprüfung durch die Vergabekammern (Nachprüfungsverfahren, §§ 102 ff. GWB). Gegen Entscheidungen der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde (§ 116 GWB) gegeben. Hinsichtlich der Streitwertbestimmung ist also zwischen Nachprüfungsverfahren und Beschwerdeverfahren zu unterscheiden.

5443

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Zuständigkeitsstreitwert Ein Zuständigkeitsstreitwert muss nicht bestimmt werden, da für Streitigkeiten nach dem GWB die Landgerichte ausschließlich zuständig sind (§§ 87, 95 GWB). Für Berufungen und Beschwerden ist nach §§ 93, 95 GWB das Oberlandesgericht ausschließlich zuständig.

5444

II. Gebührenstreitwert 1. Nachprüfungsverfahren In den Verfahren vor der Vergabekammer fallen gem. § 128 Abs. 1 und 2 GWB keine streitwertabhängigen Gebühren an, sodass für diese Verwaltungsverfahren auch kein Wert festgesetzt werden muss. Vielmehr werden für die Amtshandlungen der Vergabekammern Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben, wobei das Verwaltungskostengesetz Anwendung findet. Die Gebühr beträgt dabei gem. § 128 Abs. 2 GWB mindestens 2.500 Euro und kann aus Gründen der Billigkeit bis auf ein Zehntel ermäßigt werden. Sie soll 50.000 Euro nicht überschreiten; allerdings kann sie bis auf 100.000 Euro erhöht werden, wenn im Einzelfall der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind.

5445

Der Wert eines Verfahrens vor der Vorgabekammer ist daher nur für die Anwaltsgebühren von Bedeutung. Der Anwalt kann im Nachprüfungsverfahren die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG abrechnen.1 Ob dies auch dann gilt, wenn der Anwalt schon im Vergabeverfahren tätig war oder ob er in

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1 OLG München, AGS 2007, 86; OLG München, AGS 2006, 171; OLG Düsseldorf, ZfBR 2005, 622; BayObLG, AGS 2005, 205; OLG Jena, AGS 2005, 204.

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Vergabesachen diesem Fall nur eine Geschäftsgebühr aus dem reduzierten Rahmen von Nr. 2301 VV RVG erhält, ist umstritten.1 Der BGH hat sich in seiner Entscheidung vom 23.9.20082 der zweiten Meinung (Gebühr nach Nr. 2301 VV RVG) angeschlossen. 5447

Eine eigenständige Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren durch die Vergabekammer ist weder im GWB noch im RVG vorgesehen.3 Bei der Bestimmung des Gegenstandswertes ist das am 24.4.2009 in Kraft getretenen Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts zu beachten: – Nach der bisher geltenden Fassung des § 128 GWB, der auf § 80 Abs. 3 Satz 1 VwVfG verwies, musste der Anwalt zunächst den Gegenstandstandswert seiner Tätigkeit selbst bestimmen und auf Basis dieser Berechnung für seinen Mandanten einen Kostenfestsetzungsantrag stellen.4 Die Vergabekammer setzte dann nach § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB a.F. unter inzidenter Prüfung des Wertansatzes des Anwalts5 den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest. Dabei erfolgte jedoch keine gesonderte Festsetzung des Gegenstandswertes, sondern der von der Vergabekammer angenommene Wert war lediglich unselbständige Berechnungsgröße.6 – Nach der am 24.4.2009 in Kraft getretenen Änderung des § 128 GWB setzt die Vergabekammer künftig nur noch die eigenen Gebühren und Auslagen fest. Die Verweisung auf § 80 Abs. 3 Satz 1 VwVfG ist entfallen, sodass die Vergabekammer keine Kostenfestsetzung zugunsten eines Verfahrensbeteiligten mehr vornehmen kann. Vielmehr ist in § 128 Abs. 4 Satz 5 GWB nun ausdrücklich geregelt, dass ein gesondertes Kostenfestsetzungsverfahren nicht stattfindet. Der Anwalt muss daher – wiederum nach selbständiger Bestimmung des Gegenstandswertes – den Gegner zur Kostenerstattung auffordern. Benötigt er mangels Zahlung eines vollstreckbaren Titel über die Forderung, muss der diese einklagen bzw. einen entsprechenden Mahnbescheid beantragen. Schließt sich allerdings an das Nachprüfungsverfahren ein Beschwerdeverfahren an, in welchem die Entscheidung der Vergabekammer in der Hauptsache angegriffen wird, so setzt das Oberlandesgericht – unter inzidenter Prüfung bzw. Bestimmung des Gegenstandeswertes – die erstattungsfähigen Kosten sowohl für das Beschwerdeverfahren als auch für das Verfahren vor der Vergabekammer fest. 1 Vgl. OLG München, AGS 2007, 86 (für eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG); OLG Düsseldorf, RVGreport 2006, 184 (für eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2301 VV RVG). 2 BGH, AGS 2008, 553. 3 OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.8.2004 – Verg W 2/04, JurBüro 2005, 37. 4 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 19.2.2003 – Verg 32/02, JurBüro 2003, 307 = VergabeR 2003, 371; BayObLG, Beschl. v. 12.3.2002 – Verg 3/02, juris; OLG Jena, VergabeR 2002, 202; OLG Jena, Beschl. v. 13.9.2001 – 6 Verg 1/01, JurBüro 2002, 434 = AGS 2003, 115; vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 8.2.2001 – 1 Verg 5/00, VergabeR 2001, 123. 5 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 19.2.2003 – Verg 32/02, JurBüro 2003, 307 = VergabeR 2003, 371; BayObLG, Beschl. v 12.3.2002 – Verg 3/02, juris; OLG Jena, VergabeR 2002, 202; OLG Jena, Beschl. v. 13.9.2001 – 6 Verg 1/01, JurBüro 2002, 434 = AGS 2003, 115; vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 8.2.2001 – 1 Verg 5/00, VergabeR 2001, 123; OLG München, Beschl. v. 13.8.2008 – 8/08, juris; OLG Naumburg, Beschl. v. 30.12.2002 – 1 Verg 11/ 02, JurBüro 2004, 86. 6 OLG Jena, Beschl. v. 13.9.2001 – 6 Verg 1/01, JurBüro 2002, 434 = AGS 2003, 115; vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 8.2.2001 – 1 Verg 5/00, VergabeR 2001, 123.

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Vergabesachen Der Gegenstandswert zur Berechnung der Anwaltsgebühren für das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer bestimmt sich nach § 50 Abs. 2 GKG, § 23 Abs. 1 RVG.1 Danach sind 5 % der Bruttoauftragssumme anzusetzen. Die Vorschrift des § 50 Abs. 2 GKG regelt zwar ausdrücklich nur den Streitwert für das gerichtliche Beschwerdeverfahren. Schon weil der Streitgegenstand im Regelfall identisch ist, können jedoch für das vorangehende Verfahren vor der Vergabekammer keine anderen Bemessungsgrundlagen gelten.2 Zudem verweist § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG für Tätigkeiten des Rechtsanwalts außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, wenn der Gegenstand der Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte, ebenfalls auf die Wertvorschriften des Gerichtskostengesetzes.3

5448

Hinsichtlich der Einzelheiten zur Wertbestimmung nach § 50 Abs. 2 GKG kann auf die nachfolgenden Ausführungen zum Beschwerdeverfahren verwiesen werden.

5449

2. Beschwerdeverfahren a) Allgemeines Im Beschwerdeverfahren fällt für das Gericht eine Verfahrensgebühr i.H.v. 4,0 nach Nr. 1220 KV GKG an. In Nr. 1221–1223 KV GKG sind für bestimmte Fälle (Rücknahme, Anerkenntnis, Vergleich, Urteil ohne Entscheidungsgründe etc.) Ermäßigungstatbestände vorgesehen.

5450

Der Anwalt erhält im Beschwerdeverfahren nach § 116 GWB die Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG und ggf. die Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV RVG. Ob eine vor der Vergabekammer verdiente Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) auf diese Verfahrensgebühr des Beschwerdeverfahrens anzurechnen ist, war in der Rechtsprechung umstritten. Nach einer Meinung war die Anrechnung ausgeschlossen, da das Verfahren vor der Vergabekammer einerseits und das Beschwerdeverfahren vor dem Vergabesenat andererseits dem Stufenverhältnis zweier Rechtszüge gleiche und nicht dem Verhältnis zwischen außergerichtlicher Vertretung und nachfolgendem gerichtlichen Verfahren.4 Die Gegenansicht hatte dagegen die Anrechnung bejaht und darauf verwiesen, dass es sich bei dem Verfahren vor dem Vergabesenat nicht um ein Rechtsmittelverfahren handele. Zwar finde das Nachprüfungsverfahren vor dem Landgericht statt, dieses werde aber nicht als Spruchkörper, sondern als Aufsichtsbehörde in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren tätig.

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1 BGH, Beschl. v. 25.10.2005 – X ZB 15/05, NZBau 2006, 392; OLG Naumburg, Beschl. v. 6.4.2005 – 1 Verg 2/05, VergabeR 2005, 676 = NZBau 2005, 486; OLG Rostock, Beschl. v. 28.1.2007 – 17 Verg 9/04, JurBüro 2006, 369; OLG Naumburg, Beschl. v. 30.12.2002 – 1 Verg 11/02, JurBüro 2004, 86; OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.8.2004 – Verg W 2/04, JurBüro 2005, 37; OLG Jena, Beschl. v. 13.9.2001 – 6 Verg 1/01, JurBüro 2002, 434 = AGS 2003, 115; OLG Stuttgart, NZBau 2000, 599. 2 OLG Naumburg, Beschl. v. 1.10.2009 – 1 Verg 6/09, juris; BayObLG, Beschl. v. 19.2.2003 – Verg 32/02, JurBüro 2003, 307 = VergabeR 2003, 371. 3 BayObLG, Beschl. v. 19.2.2003 – Verg 32/02, JurBüro 2003, 307 = VergabeR 2003, 371; BayObLG, VergabeR 2002, 204; Bär, NZBau 2002, 63; Kaiser, NZBau 2002, 315. 4 OLG Celle, RVGreport 2008, 355 ; OLG Frankfurt a.M., AGS 2008, 555 = JurBüro 2008, 644; KG, AGS 2005, 155 = JurBüro 2005, 256; OLG München, VergabeR 2009, 106 = ZfBR 2008, 733; Rojahn, VergabeR 2004, 454.

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Vergabesachen Damit überprüfe der Vergabesenat keine gerichtliche, sondern eine (von einem Gericht erlassene) behördliche Entscheidung.1 Diese zweite Auffassung hat der BGH jetzt im Rahmen einer Vorlage nach § 124 Abs. 32 GWB bestätigt.2 b) Bruttoauftragssumme 5452

Die Regelung des § 50 Abs. 2 GKG orientiert sich am Rechtsgedanken der § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO, wonach für den Kostenstreitwert eines Verfahrens das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers am Verfahrensergebnis, im Vergabeverfahren letztlich also dessen Gewinnerwartung bei Zuschlagerteilung auf sein Angebot, maßgeblich ist.3 Um Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Gewinnerwartung zu vermeiden und die Streitwertermittlung zu vereinfachen, pauschaliert § 50 Abs. 2 GKG den Streitwert auf 5 % der Bruttoauftragssumme.4

5453

Maßgeblich ist also im Regelfall die Auftragssumme, also der Bruttowert desjenigen Auftrags, um den sich der jeweilige Bieter bewirbt. In der bis zum 30.6.2004 geltenden Vorgängerregelung des § 50 Abs. 2 GKG (§ 12a Abs. 2 GKG a.F.) waren für die Wertbestimmung 5 % der Auftragssumme vorgesehen. An dieser Formulierung („Auftragssumme“) hatte sich ein Streit dahingehend entzündet, ob bei der Gegenstandswertberechnung auf den Bruttobetrag des Angebotspreises,5 den bei Verfahrenseinleitung geschätzten Auftragswert (Schwellenwert)6 oder auf den Nettobetrag des Angebotspreises7 abzustellen sei. Angesichts der nunmehr geltenden Fassung, die eindeutig von einer Bruttoauftragssumme spricht, dürfte dieser Streit im Sinne der damals herrschenden ersten Meinung entschieden sein.

5454

Solange kein Auftrag erteilt wurde und damit keine Auftragssumme als Anknüpfungspunkt vorliegt, ist die Bruttoangebotssumme (geprüfter Gesamtbetrag) des Bieters maßgeblich, der das Nachprüfungsverfahren eingeleitet hat.8 Denn die Regelung in § 50 GKG knüpft an die Gewinnerwartung des Antragstellers an. Fehlt es im Zeitpunkt des Nachprüfungsverfahrens noch an konkreten Angeboten der Bieter, ist auf den von der Vergabestelle geschätzten Auftragswert zurückzugreifen. Fehlt es auch an diesem, ist die Auftragssum1 N. Schneider, AGS 2008, 556. 2 BGH, Beschl. v. 29.9.2009 – X ZB 1/09, JurBüro 2010, 78 = AGS 2009, 540. 3 OLG Naumburg, Beschl. v. 6.4.2005 – 1 Verg 2/05, VergabeR 2005, 676 = NZBau 2005, 486; OLG Naumburg, Beschl. v. 10.1.2002 – 1 Verg 13/01, juris; Kaiser, NZBau 2002, 315. 4 OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.8.2004 – Verg W 2/04, JurBüro 2005, 37. 5 OLG Dresden, Beschl. v. 5.4.2001 – W Verg 8/00, juris; OLG Naumburg, Beschl. v. 23.6.2003 – 1 Verg 12/02, VergabeR 2003, 608; OLG Naumburg, Beschl. v. 11.10.1999 – 10 Verg 1/99, OLGR 2000, 108; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.5.2002 – 5 Verg 1/01, OLGR 2002, 372; BayObLG, Beschl. v. 19.2.2003 – Verg 32/02, JurBüro 2003, 307. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.12.2002 – Verg 42/01, NZBau 2003, 175; OLG Celle, Beschl. v. 8.11.2001 – 13 Verg 11/01, OLGR 2002, 56; OLG Rostock, Beschl. v. 16.5.2001 – 17 W 1/01, juris; OLG Koblenz, Beschl. v. 8.2.2001 – Verg 5/00, juris. 7 KG, Beschl. v. 18.7.2002 – 2 Kart Verg 4/02, VergabeR 2003, 78. 8 BGH, Beschl. v. 25.10.2005 – X ZB 15/05, NZBau 2006, 392; OLG Jena, Beschl. v. 5.3.2010 – 9 Verg 2/08, juris; OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.8.2004 – Verg W 2/04, JurBüro 2005, 37.

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Vergabesachen me in entsprechender Anwendung von § 3 ZPO zu schätzen.1 Dabei ist es ermessensfehlerfrei, wenn die Vergabekammer bei ihrer Schätzung den von der Vergabestelle ursprünglich geschätzten Auftragswert oder konkrete Angebote anderer Anbieter heranzieht.2 Kein geeigneter Anknüpfungspunkt ist dagegen die bloße Angabe eines Vertragswertes im Nachprüfungsverfahren durch den Antragsteller, solange diese Angabe nicht durch Anknüpfungstatsachen unterlegt wird, wie z.B. die Vorlage eines eigenen Angebotes oder Darlegungen dazu, aus welchen Gründen der Vertragswert für den Antragsteller gerade den angegebenen Wert hat. Die Wertbestimmung nach § 50 Abs. 2 GKG greift auch dann ein, wenn der Antragsteller mit seinem Nachprüfungsantrag nicht die Erteilung des Zuschlags, sondern die Aufhebung der Ausschreibung anstrebt.3 Denn zum einen kommt es nach § 50 Abs. 2 GKG grundsätzlich nicht auf die Formulierung des Antrages, sondern nur auf die Bruttoauftragssumme an, zum anderen liegt auch in dem Fall, in dem die Aufhebung der Ausschreibung verlangt wird, das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers letztlich darin, mit seinem Angebot nachträglich noch zum Zuge zu kommen.

5455

Der Gegenstandswert für die im Nachprüfungsverfahren angefallenen Anwaltsgebühren bestimmt sich auch dann nach § 50 Abs. 2 GKG, § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG, wenn das Nachprüfungsverfahren nur die Klärung Einzelner vergaberechtlicher, die Ausschreibung betreffende Fragen bezweckt.4 Denn eine Differenzierung dahingehend, dass bei der Klärung nur einzelner Fragen lediglich auf die vergeblichen Aufwendungen des Bieters abgestellt werden muss, ist dem insofern eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen.

5456

Wird der Antrag gem. §§ 114 Abs. 2 Satz 2, 123 Satz 3 GWB auf einen Feststellungsantrag umgestellt, hat das auf den Gegenstandswert keinen Einfluss.5 Gleiches gilt, wenn der Nachprüfungsantrag sich auf ein Vergabeverfahren bezieht, welches über das Stadium des Teilnahmewettbewerbs noch nicht hinausgelangt ist.6

5457

c) Vertragsdauer Umstritten ist bei der Wertbestimmung nach § 50 Abs. 2 GKG, ob die Bruttoauftragssumme nach der gesamten Vertragsdauer zu berechnen oder in entsprechender Anwendung von § 3 Abs. 3 Satz 3 VgV auf den vierjährigen Jahreswert zu begrenzen ist. – Nach einer Meinung ist die gesamte Vertragsdauer – einschließlich ggf. vorhandener Verlängerungsoptionen – für die Wertberechnung maßgeblich.7 1 OLG Jena, Beschl. v. 13.9.2001 – 6 Verg 1/01, JurBüro 2002, 434 = AGS 2003, 115; OLG Rostock, Beschl. v. 28.1.2005 – 17 Verg 9/04, JurBüro 2006, 369. 2 So auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 7.4.2009 – Verg W 14/08, NZBau 2010, 71. 3 OLG Naumburg, Beschl. v. 6.4.2005 – 1 Verg 2/05, OLGR 2005, 726 = VergabeR 2005, 676 = NZBau 2005, 486. 4 OLG Jena, Beschl. v. 13.9.2001 – 6 Verg 1/01, JurBüro 2002, 434 = AGS 2003, 115; OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.9.2000 – 2 Verg 2/99, NZBau 2000, 599. 5 BayObLG, Beschl. v. 3.7.2002 – Verg 12/02, VergabeR 2002, 637. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.2.2006 – VII-Verg 85/05, juris. 7 KG, Beschl. v. 2.12.2009 – 2 Verg 8/09, juris; BVerfG, NZBau 2007, 117; OLG München, Beschl. v. 16.3.2009 – Verg 25/08, juris; OLG Jena, Beschl. v. 5.3.2010 – 9 Verg

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Vergabesachen – Die Gegenansicht begrenzt den Gegenstandswert in entsprechender Anwendung von § 3 Abs. 3 Satz 3 VgV bzw. der Vorgängervorschrift des § 1a Nr. 4 Abs. 2 Satz 1 VOL/A auf den vierjährigen Jahreswert.1 5459

Gegen die zweite Meinung spricht, dass § 1a Nr. 4 Abs. 2 Satz 1 a.E. VOL/A a.F. bzw. § 3 Abs. 3 Satz 3 VgV schon deshalb nicht für die Streitwertbemessung im Nachprüfungsverfahren herangezogen werden können, weil sie der Beantwortung der Frage dienen, wann der Schwellenwert erreicht oder überschritten war. Sie haben also nicht den Zweck, den gebührenrechtlichen Gegenstandswert zu bestimmen, sondern regeln die Anwendbarkeit des Vergaberechts auf den konkreten Sachverhalt. Darüber hinaus ist bei der Streitwertbestimmung auf das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers (Bieters) abzustellen. Dieses wirtschaftliche Interesse des Bieters, der ein Vergabenachprüfungsverfahren einleitet, liegt im Allgemeinen darin, den Auftrag für den gesamten Zeitraum einschließlich der optional angebotenen Vertragslaufzeit zu erhalten. 3. Einzelfälle

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Bei einer Baukonzession erhält der Baukonzessionär vom Auftraggeber statt einer Vergütung das Recht zur Nutzung des von ihm errichteten Bauwerks ggf. zzgl. der Zahlung eines Preises. Die Frage, inwieweit bei Baukonzessionen in Form von Grundstückskaufverträgen mit Bauverpflichtungen der Kaufpreis für das Grundstück bei der Bemessung des Beschwerdewertes zu berücksichtigen ist, ist umstritten: – Nach Ansicht des OLG Düsseldorf ist bei „zusammengesetzten“ Verträgen lediglich auf die Teile der Verträge abzustellen, die unmittelbar Bau- bzw. Dienstleistungsaufträge im Sinne des § 99 GWB betreffen. Weitere mit den Verträgen verbundene Elemente (z.B. Übertragung einer Gesellschafterstellung) sind demgegenüber bei der Streitwertbemessung nicht zu berücksichtigen. Das OLG Düsseldorf hat daher den Streitwert am Wert der allein vergabepflichtigen Bauleistung bemessen und weitere, nicht vergabepflichtige Elemente des Vertrages (insbesondere den Grundstückskaufpreis) bei der Streitwertbemessung nicht berücksichtigt.2 – Ähnlich verfährt bei der Bewertung das OLG Brandenburg, das das Nutzungsrecht als „Vergütung“ des Konzessionärs ansieht, dessen Wert geschätzt werden müsse. Bei der Schätzung kann nach Ansicht des Senats auf 2/08, juris; OLG Düsseldorf, NZBau 2003, 175; OLG Naumburg, Beschl. v. 6.4.2005 – 1 Verg 2/05, VergabeR 2005, 676 = NZBau 2005, 486; OLG Naumburg, Beschl. v. 30.12.2002 – 1 Verg 11/02, NZBau 2003, 464; OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.8.2004 – Verg W 2/04, JurBüro 2005, 37; BayObLG, VergabeR 2004, 121; OLG Brandenburg, NZBau 2003, 688. 1 OLG München, Beschl. v. 12.8.2008 – Verg 6/08, juris; OLG Jena, Beschl. v. 13.9.2001 – 6 Verg 1/01, JurBüro 2002, 434 = AGS 2003, 115; OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.9.2000 – 2 Verg 2/99, NZBau 2000, 599. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.7.2008 – Verg 27/08, VergabeR 2008, 991; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.9.2007 – VII Verg 2/07, juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.10.2005 – VII Verg 30/05, juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.7.2005 – VII Verg 201/04, NZBau 2005, 654; in der Entscheidung vom 6.2.2008 (VII-Verg 37/07, juris) wurden bei der Streitwertfestsetzung allerdings von den Planungs- und Erstellungskosten die Erstehungskosten abgesetzt.

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Vergleich den Wert der vom Konzessionär zu erbringenden Bauleistungen als Untergrenze zurückgegriffen werden. Hinzuzurechnen ist eine Gewinnmarge, die pauschalisiert mit 5 % bemessen werden kann.1 – Das OLG Karlsruhe dagegen hat in einem vergleichbaren Fall die Kosten für den Grundstückserwerb mit einbezogen.2 Bei einer Dienstleistungskonzession erfolgt ähnlich wie bei der Baukonzession keine unmittelbare Vergütung durch den Auftraggeber, weil der Auftragnehmer als Gegenleistung das Recht zur Verwertung der Dienstleistung erhält.3 Für die Ermittlung des Auftragswerts ist daher auf diejenigen Erlöse abzustellen, die der Auftragnehmer – nach dem Inhalt seines Angebots – aus der Verwertung seiner Leistung voraussichtlich während der Vertragsdauer erzielen wird.

* Æ Beispiel: Bei der Vergabe eines Dienstleistungsauftrags über die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung sind diese Verwertungserlöse die Wasser- und Abwasserentgelte, die der Konzessionär von den Abnehmern erheben darf.4 Bei der Vergabe eines Dienstleistungsauftrags über die Durchführung des Schienenverkehrs besteht die Gegenleistung des Auftraggebers in der Zahlung aller derjenigen Positionen, welche der Auftragnehmer für seine Leistung fordert bzw. erhält. Dies sind zum einen die Zuschüsse für die auftretenden Defizite und zum, anderen die Fahrgeldeinnahmen. Dass letztere von dritten Personen (Zugreisenden) stammen, steht der Berücksichtigung bei der Streitwertbemessung nicht entgegen.5

Vergleich Literatur: Gerold, JurBüro 1956, 43 (Räumungsvergleich); Tschischgale, HuW 1956, 4 (Mietsachen); Martini, JurBüro 1957, 43 (Miet- und Pachtverhältnisse); Schmidt, JurBüro 1962, 601 (Abgeltung von Rentenansprüchen); Schmidt, JurBüro 1964, 99 (Vergleich über teilweise streitige Ansprüche); Deichmann, VersR 1964, 577 (gegen die Orientierung am Wert der Klage); Schneider, JurBüro 1969, 1153 (Einbeziehen unstreitiger Forderungen in den Vergleich); Schalhorn, JurBüro 1970, 1013; Speckmann, MDR 1974, 359 (Einbeziehen unstreitiger Forderungen); Schmidt, MDR 1975, 26 (ebenso); Markl, Festschrift für H. Schmidt, 1982 (Einbeziehung nicht streitbefangener Rechte und Kapitalabfindung); Schneider, Rpfleger 1986, 81 (Zweifelsfragen zur Berechnung des Gegenstandswertes von Vergleichen); MDR 1990, 682 (faule Forderungen); Mümmler, JurBüro 1991, 767 (Aufgabe des normativen Streitwerts?); Enders, JurBüro 1995, 3 (15/10 Vergleichsgebühr); JurBüro 1995, 393 (PKH für den Vergleich über nicht anhängige Ansprüche); Bräuer, Gegenstandswert bei Ratenzahlungsvereinbarungen, JurBüro 2008, 62.

1 2 3 4 5

OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.6.2008 – Verg W 4/08, OLGR 2008, 853. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13.6.2008 – 15 Verg 3/08, juris. OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.1.2010 – Verg W 7/09, juris. OLG Jena, Beschl. v. 5.3.2010 – 9 Verg 2/08, juris. OLG München, Beschl. v. 12.8.2008 – Verg 6/08, ZfBR 2009, 104; a.A. OLG Düsseldorf (Beschl. v. 20.7.2005 – Verg 201/04, NZBau 2005, 654), wonach das zu erwartende Fahrgeldaufkommen nur einen Anhaltspunkt für die Schätzung geben kann. Der Senat hat 30 % der voraussichtlich anfallenden Fahrentgelte als Streitwert angesetzt.

Kurpat

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Vergleich Gliederungsübersicht Rn.

Rn. A. Einleitung I. Begriff und Voraussetzungen . . II. Verpflichtung zur Klagerücknahme . . . . . . . . . . . . . . III. Verpflichtung zur Erledigungserklärung . . . . . . . . . . . . . IV. Verpflichtung zur Rechtsmittelrücknahme . . . . . . . . . . . .

5462 5465 5469 5471

B. Gebührenstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . . 5473 II. Bewertungsgrundsätze 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . 5483 2. Vergleich über streitgegenständliche Ansprüche a) Streitige und unstreitige Ansprüche . . . . . . . . . . . 5491

b) Deklaratorische Erwähnung von Ansprüchen . . . . . . . c) Hilfsantrag . . . . . . . . . . d) Hilfswiderklage . . . . . . . . e) Stufenklage . . . . . . . . . . f) Nebenforderungen und Kosten . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vergleich über nicht rechtshängige Ansprüche a) Streitige und unstreitige Ansprüche . . . . . . . . . . . b) Haupt- und Hilfsaufrechnung 4. Vergleich über Kosten . . . . . . 5. Gesamtvergleich . . . . . . . . . 6. Genehmigung des Vergleichs . . 7. Unwirksamkeit des Vergleichs . C. Rechtsmittel und Beschwer

5502 5506 5511 5514 5517

5522 5528 5536 5538 5542 5543

. . 5549

A. Einleitung I. Begriff und Voraussetzungen 5462

Der Vergleich ist ein schuldrechtlicher Vertrag, mit dem die Vertragsparteien Streit oder Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis im Wege des gegenseitigen Nachgebens beseitigen, § 779 Abs. 1 BGB. Ob Streit oder Ungewissheit vorliegen, bestimmt sich allein nach den subjektiven Vorstellungen der Parteien. Für die Annahme gegenseitigen Nachgebens genügt, dass die Parteien zum Zwecke der Einigung einander irgendwelche, nicht notwendigerweise gleichwertige Zugeständnisse machen.

5463

Kommt es zu seinem Abschluss innerhalb eines laufenden Rechtsstreits fallen Rechtsgeschäft und Prozesshandlung zusammen und bilden nach ganz überwiegender Ansicht eine Einheit, die eine wechselseitige Abhängigkeit der materiellen Regelung und der prozessualen Wirkungen zur Folge hat, sog. Doppelnatur des Vergleichs.1 Nur wenn es dem mutmaßlichen Willen der Parteien entspricht, kann ein aus prozessrechtlichen Gründen unwirksamer Vergleich als außergerichtlicher Vergleich aufrechterhalten werden.2

5464

Da ein Vergleich eine mit seinem Abschluss verbundene Klärung tatsächlicher oder rechtlicher Unklarheiten voraussetzt, ist die bloße Übereinstimmung hinsichtlich des Bestands ohnehin unstreitiger Ansprüche hierfür in der Regel unzureichend. Daher lehnt die gerichtliche Praxis es überwiegend ab, den Parteien durch Protokollierung eines Vergleichs einen Vollstreckungstitel zu verschaffen, für den sie außergerichtlich Notarkosten bezahlen müssten.3 1 BGH, Urt. v. 21.3.2000 – IX ZR 39/99, MDR 2000, 943 = NJW 2000, 1942 = DM 2000, 1588 = WM 2000, 1003 = ZIP 2000, 1000; BGH, Urt. v. 10.3.1995 – II ZR 201/53, BGHZ 16, 388 = NJW 1955, 705 = DRiZ 1955, 102; Zöller/Stöber, § 794 ZPO Rn. 3 m.w.N. 2 BGH, Urt. v. 24.10.1984 – IVb ZR 35/83, MDR 1985, 392 = NJW 1985, 1962 = JR 1985, 290 = FamRZ 1985, 166; Palandt/Sprau, § 779 BGB Rn. 29. 3 Ebenso Wenzel, GK-ArbGG § 12 Rn. 178, S. 111.

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Vergleich Von einem sog. verdeckten oder informellen Prozessvergleich1 ist auszugehen, wenn das Einvernehmen der Parteien nicht als Vergleich protokolliert wird, sondern die Parteien den Rechtsstreit absprachegemäß durch (z.B.) Teilklagerücknahme und Anerkenntnis der verbleibenden Klageforderung beenden.2 Die bei einem Vergleichsschluss möglichen weiteren Gerichtsgebühren, so bei einem Mehrwert des Vergleichs (Nr. 1900 KV GKG), lassen sich durch eine deratige Vorgehensweise nicht vermeiden.

II. Verpflichtung zur Klagerücknahme Bestandteil eines außergerichtlichen Vergleichs kann auch die Verpflichtung sein, gegenüber dem Gericht die Klagerücknahme zu erklären.3 Erfüllt der Kläger die Abrede nicht, ist die Klage auf Arglisteinrede des Beklagten als unzulässig abzuweisen.4

5465

Für eine derartige Verbindung von vergleichsweiser Einigung und Klagerücknahme in einem Prozessvergleich besteht kein Bedarf, da der Rechtsstreit (bereits) durch den Abschluss des Vergleichs, soweit es sich nicht allein um einen Teil- oder Zwischenvergleich handelt, unmittelbar beendet wird.5 In diesen Fällen ist daher durch Auslegung zu ermitteln, ob die Parteien eine Beendigung des Rechtsstreits durch Klagerücknahme oder Vergleich gewollt haben. S. im Übrigen unter dem Stichwort „Klagerücknahme“.

5466

Maßgebend für die Streitwertbestimmung ist in beiden Fällen der Streitwert der Hauptsache.6 Auch eine im Prozessvergleich über die Klagerücknahmeverpflichtung hinaus enthaltene, von § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO abweichende Kostenregelung, bleibt gem. § 43 Abs. 3 GKG (§ 22 Abs. 3 GKG a.F.) bei der Streitwertbemessung unberücksichtigt.7 Denn als kostenverursachende Handlung im Sinne des § 43 Abs. 3 Satz 2 ZPO (§ 22 Abs. 3 GKG a.F.) betrifft der Prozessvergleich neben den Kosten des Rechtsstreits auch den Hauptanspruch. Der Kostenbetrag ist aber lediglich dann maßgebend, wenn Handlungen den Kostenpunkt ohne den Hauptanspruch betreffen.

5467

Folgerichtig bleiben auch die Kosten des Prozessvergleichs selbst nach § 43 Abs. 3 GKG (§ 22 Abs. 1 GKG a.F.), § 4 Abs. 1 ZPO außer Ansatz.8

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1 Vgl hierzu Treuer, MDR 1999, 520; Rasehorn, ZRP 1980, 6, 9. 2 OLG Köln, Beschl. v. 18.6.2009 – 17 W 144/09, juris; OLG München, Beschl. v. 12.6.2006 – 10 W 1672/06, RVG professionell 2006, 129 (Ls); OLG Rostock, Beschl. v. 26.5.2008 – 5 W 94/08, AGS 2008, 326 = MDR 2008, 1308. 3 BGH, Urt. v. 14.5.1996 – IVa ZR 146/85, JurBüro 1986, 1660 = NJW-RR 1987, 307 = WM 1986, 1061; NJW 1956, 990. 4 BGH, Urt. v. 7.3.2002 – III ZR 73/01, MDR 2002, 839 = NJW 2002, 1503; BAG, Urt. v. 9.7.1981 – 2 AZR 788/78, BAGE 36, 112 = MDR 1982, 258 = NJW 1982, 788. 5 BGH, Urt. v. 7.3.2002 – III ZR 73/01, MDR 2002, 839 = NJW 2002, 1503. 6 OLG Köln, JurBüro 1970, 803; OLG Oldenburg, JurBüro 1957, 33; OLG Stuttgart, MDR 1955, 368. 7 OLG Köln, JurBüro 1970, 803; OLG Neustadt, JurBüro 1964, 195. 8 OLG Nürnberg, BayJMBl. 1959, 170; OLG Köln, JurBüro 1970, 803.

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III. Verpflichtung zur Erledigungserklärung 5469

Aufgrund der unmittelbar prozessbeendigenden Wirkung des Prozessvergleichs besteht auch für eine Verbindung von Vergleich und Erledigungserklärung keine Notwendigkeit. Die im Vergleich enthaltenen Formulierung, wonach der „Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist“, kommt eine eigenständige Bedeutung allenfalls dann zu, wenn die Parteien daneben keine oder nur eine negative Kostenregelung getroffen haben. Dann beschränkt sich der Vergleich auf die Hauptsache, sodass das Gericht in Abweichung von § 98 ZPO nach Maßgabe der allgemeinen Kostenregelungen, insbesondere von § 91a ZPO über die Kosten zu entscheiden hat.1

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Auch hier bestimmt sich der Streitwert des Vergleichs allein nach dem Wert der Hauptsache. Demgegenüber ist der Verfahrenswert nach Abschluss des Vergleichs, ebenso wie bei der übereinstimmenden Erledigungserklärung (s. hierzu unter dem Stichwort „Erledigung“), nach der Summe der bis dahin angefallenen Gerichts- und Anwaltskosten2 zu bestimmen, bei denen wiederum die Kosten des Prozessvergleichs selbst gem. § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 3 GKG (§ 22 Abs. 1 GKG a.F.) unberücksichtigt bleiben.

IV. Verpflichtung zur Rechtsmittelrücknahme 5471

Übernimmt eine Partei in einem Prozessvergleich die Verpflichtung, ein von ihr in einem anderweitig zwischen den Parteien oder gegen einen Dritten geführten Verfahren eingelegtes Rechtsmittel zurückzunehmen, bestimmt sich der Streitwert nach der wirtschaftlichen Bedeutung, die der Eintritt einer bestandskräftigen Entscheidung zwischen den Vergleichsparteien hat. Diese wird regelmäßig mit dem Beschwerdegegenstand des Rechtsmittelverfahrens übereinstimmen.

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Der abweichenden Ansicht des LAG Hamm,3 wonach der Verpflichtung zur Rechtsmittelrücknahme keine werterhöhende Bedeutung zukomme, da die Rücknahme wegen § 516 Abs. 3 ZPO für den Rechtsmittelführer ohnehin mit der vollen Kostenlast verbunden sei, ist nicht zu folgen. Mit der Kostenlast der Rücknahme wird der falsche Anknüpfungspunkt gewählt, da diese nur Folge aber regelmäßig nicht Ziel der vergleichsweisen Regelung ist. Diese bezweckt vielmehr den Eintritt der Bestandskraft der angegriffenen Entscheidung.

B. Gebührenstreitwert I. Allgemeines 5473

Für den Anfall von Gerichtsgebühren ist der Abschluss eines Prozessvergleichs bei Identität von Vergleichs- und Streitgegenstand weitgehend ohne Bedeutung. Nur wenn mit dem Vergleich eine Regelung bislang nicht anhängiger Ansprüche erfolgt, also der Wert des Vergleichsgegenstandes den Wert 1 BGH, MDR 1965, 25 = NJW 1965, 103; OLG Koblenz, JurBüro 1991, 120; OLG München, MDR 1990, 344; OLG Saarbrücken, Beschl. 24.5.2004 – 5 W 38/04, juris; Zöller/ Herget, § 98 ZPO Rn. 3. 2 OLG Köln, JurBüro 1972, 161. 3 LAG Hamm, MDR 1980, 613 Nr. 127; ebenso Wenzel, GK-ArbGG § 12 Rn. 179.

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Vergleich des Streitgegenstandes übersteigt (sog. Mehrwert), bedarf dieser einer gesonderten Festsetzung.1 Dann erhöhen sich die Gerichtsgebühren um eine 0,25 Gebühr gem. Nr. 1900 KV GKG (entspricht inhaltlich weitgehend Nr. 1653 KV GKG a.F.) nach dem Unterschied der Streitwerte,2 auch wenn der höhere Vergleichswert keinen Gebührensprung ausgelöst hätte.3 Für die gerichtliche Vergleichsgebühr haftet in diesem Fall nur diejenige Partei, deren nichtrechtshängige Ansprüche in den Vergleich einbezogen worden sind.4 Bei den anwaltlichen Gebühren löst die anwaltliche Mitwirkung beim Abschluss eines Prozessvergleichs oder an den diesem vorausgehenden Verhandlungen gem. Nr. 1000, 1003 VV RVG (entspricht nur teilweise § 23 Abs. 1 BRAGO) eine Einigungsgebühr (ehemals Vergleichsgebühr) aus. Hierbei ist im RVG die Privilegierung der außergerichtlichen Einigung (Nr. 1000 VV RVG: 1,5) gegenüber der gerichtlichen (Nr. 1003 VV RVG: 1,0) beibehalten worden. Mit der Neufassung in Nr. 1000 VV RVG hat der Gesetzgeber die noch in § 23 Abs. 1 BRAGO vorhandene Anknüpfung an den materiell-rechtlichen Vergleich (§ 779 BGB) aufgegeben. Dies ist bei der Heranziehung davor ergangener Judikate zu berücksichtigen. Erforderlich ist nach neuem Recht nur noch ein Vertrag, durch den ein Streit oder eine Ungewissheit der über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird; eines gegenseitiges Nachgeben bedarf es für den Anfall der Einigungsgebühr nicht mehr. Hingegen darf sich die Einigung nicht auf die Abgabe eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts beschränken, sodass ein geringfügiges einseitiges Nachgeben notwendig bleiben wird. Der Ungewissheit über Rechtsverhältnis steht analog § 779 Abs. 2 BGB gleich, dass die Verwirklichung des Anspruchs unsicher ist.5 Neben dem Prozessvergleich kommt auch dem außergerichtlichen Vergleich streitwertrechtlich eine Bedeutung zu. Denn gem. Nr. 1000 VV RVG (§ 23 Abs. 1 BRAGO) entsteht auch bei Mitwirkung eines Anwaltes am Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs eine Einigungsgebühr (Vergleichsgebühr nach altem Recht). Im Verhältnis zum Prozessvergleich gelangen die gleichen Bewertungsgrundsätze zur Anwendung. Soweit durch den Abschluss eines Prozessvergleichs nur anwaltliche Gebührenansprüche entstehen oder der Rechtsstreit durch einen außergerichtlichen Vergleich erledigt wird, ist der Gegenstandswert gem. § 33 Abs. 1 RVG (§ 10 Abs. 1 BRAGO), der auch nicht anhängige Ansprüche erfassen kann, nur auf Antrag festzusetzen.6 In der Praxis wird häufig auch ohne ausdrücklichen Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG (§ 10 Abs. 1 BRAGO) mit der Streitwertfestsetzung nach § 63 GKG (§ 25 GKG a.F.) zugleich der Gegenstandswert der anwaltlichen Vergleichsgebühr festgesetzt, wenn er nicht mit dem Streitwert des gerichtlichen Verfahrens übereinstimmt. Dies begegnet keinen Bedenken, 1 OLG Zweibrücken, JurBüro 1984, 736. 2 Hartmann, GKG, KV 1900 Rn. 7; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rn. 1. 3 OLG München, Beschl. v. 10.12.2008 – 11 W 2504/08, AGS 2009, 491 = MDR 200, 894; Hartmann, KV 1900 GKG Rn. 14. 4 OLG München, NJW 1973, 1889. 5 BGH, Beschl. v. 17.9.2008 – IV ZB 17/08, MDR 2009, 104 = NJW 2009, 234; Beschl. v. 1.3.2005 – VIII ZB 54/04, JurBüro 2005, 309; AnwK-RVG/N. Schneider, RVG, VV 1000 Rn. 32. 6 LAG Düsseldorf, Beschl. v. 22.4.1992 – 7 Ta 63/92, JurBüro 1993, 165.

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Vergleich da regelmäßig von einem entsprechenden mutmaßlichen Willen der Prozessbevollmächtigten auszugehen ist. Zu beachten ist jedoch, dass sich ein etwaiges Beschwerdeverfahren nicht nach § 68 GKG (§ 25 Abs. 3 u. 4 GKG a.F.) sondern nach § 33 Abs. 1 RVG (§ 10 Abs. 3 u. 4 BRAGO) richtet. 5479

Für die gerichtliche Wertfestsetzung ist es unstatthaft, den Gegenstandswert von Vergleichen künstlich niedrig zu halten.1 Demgegenüber steht es den Parteien aufgrund der Dispositionsmaxime frei, für die Berechnung der Anwaltsgebühren einen vom wirklichen Wert abweichende Vereinbarung über den Gegenstandswert zu treffen. Es handelt sich dabei um ein Entgegenkommen im Kosteninteresse.2 Das kann auch verbindlich im Prozessvergleich selbst geschehen, Einfluss auf den nach dem wirtschaftliches Interesse zu bestimmenden Verfahrenswert hat dies nicht.3

5480

Zur Erstfestsetzung ist nur dasjenige Gericht zuständig, vor dem der Prozessvergleich protokolliert worden ist, also nicht das Rechtsmittelgericht, wenn der Vergleich in der Vorinstanz geschlossen worden war.4

5481

Hierbei darf die Festsetzung des Wertes für einen gerichtlich protokollierten Vergleich unterbleiben, wenn der Vergleich ersichtlich unwirksam oder nichtig ist. Ein solcher Vergleich kann nämlich keine Gebühren auslösen, seien es gerichtliche oder außergerichtliche.5 Ebenso entfällt die Vergleichsgebühr im Falle der wirksamen Anfechtung des Prozessvergleichs. Aus § 15 Abs. 4 RVG (§ 14 Abs. 4 BRAGO) folgt nichts anderes, da hier nur die gebührenrechtlichen Auswirkungen der vorzeitigen Erledigung bzw. Beendigung des Mandats geregelt werden. Die Anfechtung des Vergleichs führt jedoch zu seiner Unwirksamkeit ex tunc, die Voraussetzungen für den Anfall der – erfolgsbezogenen – Einigungsgebühr bestanden folglich zu keinem Zeitpunkt.6

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Bei der nachfolgenden Kostenberechnung darf das Gericht keinen von der Wertbestimmung abweichenden Vergleichswert zugrunde legen.7

II. Bewertungsgrundsätze 1. Allgemeines 5483

Da für die Berechnung des Vergleichswertes keine besonderen Vorschriften existieren, ist auf den Anspruch oder das Recht abzustellen, das Gegenstand des Vergleichs ist. Deren Bewertung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften, d.h., nach den §§ 39 ff. GKG (§§ 12 ff. GKG a.F.) und §§ 3 ff. ZPO. 1 OLG Köln, JurBüro 1961, 292. 2 OLG Hamm, Beschl. v. 7.11.2002 – 4 W 169/02, juris. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.6.2008 – 24 W 17/08, OLGR 2008, 748 = AGS 2008, 462; OLG Hamm, Beschl. v. 7.11.2002 – 4 W 169/02, juris; LAG Hamm, KostRsp. GKG § 25 Nr. 144. 4 OLG Bamberg, Beschl. v. 10.4.1984 – 2 WF 80/84, JurBüro 1984, 1398; OLG Celle, JurBüro 1971, 1066; a.A. OLG Hamburg, MDR 1958, 696. 5 KG, Rpfleger 1962, 121. 6 OLG München, MDR 1991, 263; Schneider/Wolf/N. Schneider, RVG, VV 1000 Rn. 57; a.A. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.3.1999 – 20 WF 19/99, OLGR 1999, 332; OLG Schleswig, Beschl. v. 11.7.1990 – 15 WF 104/90, JurBüro 1991, 932; Hartmann, VV 1000 Rn. 21; vgl. auch BGH, DB 1980, 2076 zum Wegfall des Maklerprovisionsanspruch bei Anfechtung des vermittelten Vertrages. 7 OLG Düsseldorf, Rpfleger 1969, 195.

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Vergleich Erfolgt die Einigung in einem Verfahren vor dem Nachlassgericht, richtet sich der Gegenstandswert hingegen nach den Vorschriften der KostO.1 Im Zweifel ist der Wert des Vergleichs gem. § 3 ZPO zu schätzen. Etwaige den Streitwert ermäßigende Sondervorschriften, beispielsweise §§ 41, 42, u. 53 GKG (§§ 16, 17 u. 20 GKG a.F.), sind in jedem Fall zu beachten.2 Diesbezüglich wird auf die bei den einschlägigen Stichwörtern jeweils am Schluss der Kommentierung befindlichen Ausführungen verwiesen.

5484

Der Gegenstand des Vergleichs und damit die Grundlage der Bewertung bestimmt sich danach, worüber der Vergleich geschlossen, d.h., welcher Streit durch den Vergleich beigelegt wird. Unerheblich ist demgegenüber, worauf sich die Parteien verglichen haben, selbst wenn die nach dem Vergleich zu erbringende Leistung wertmäßig über dem verglichenen Anspruch liegt. Erschöpft sich der Vergleich in der Feststellung, dass der Rechtsstreit mit dem Vergleichsabschluss erledigt ist, bestimmt sich der Gebührenstreitwert nach dem Wert der Klageanträge. All das ist nahezu einhellige Auffassung.3

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Ist dem Abschluss des Prozessvergleichs aufgrund einer von den Parteien erzielten Gesamtregelung eine Teilklagerücknahme vorausgegangen, bestimmt sich der Wert des Vergleichs unter Einbeziehung des von der Klagerücknahme betroffenen Teils der Klageforderung.4 In gleicher Weise ist zu bewerten, wenn sich das Einvernehmen der Parteien nicht in der Protokollierung eines Vergleichs niederschlägt, sondern der Kläger die Klage teilweise zurücknimmt und der Beklagte die verbleibende Klageforderung anerkennt oder auf eine vollumfängliche Klagerücknahme – absprachegemäß – keinen Kostenantrag (§ 269 Abs. 3 ZPO) stellt. Gegenstand des sog. verdeckten oder informellen Vergleichs5 und damit wertbestimmend ist die volle Klageforderung. So ist etwa ein Prozessvergleich über ein Miet- oder Pachtverhältnis auch dann lediglich nach dem einjährigen Betrag gem. § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) zu bewerten, wenn unabhängig vom Nutzungsentgelt eine Ausgleichszahlung wegen vorzeitiger Räumung des Miet- oder Pachtobjekts vereinbart wird.6 1 BayObLG, Beschl. v. 1.10.2001 – 3 ZBR 112/01, KostRsp. BRAGO § 23 Nr. 152. 2 OLG Köln, MDR 1971, 854; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Vergleich“. 3 BGH, NJW 1964, 1523 = AnwBl. 1964, 204; BAG, JurBüro 2005, 479; NJW-RR 2001; OLG Bamberg JurBüro 1980, 1862; 1984, 254 = AnwBl. 1984, 94; KG, Urt. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02, KGR 2004, 310; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.6.2008 – 24 W 17/08, AGS 2008, 462 = NJW-RR 2008, 1697; VersR 1977, 863; OLG Frankfurt, JurBüro 1984, 423; OLG Hamburg, JurBüro 1981, 1182; FamRZ 1987, 184; OLG Hamm, DR 1939, 885; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.1.2008 – 4 U 145/07, JurBüro 2008, 651 = AGS 2008, 569 = NJW-RR 2008, 651 – Umzugskostenbeihilfe; OLG Köln, Beschl. v. 27.3.2007 – 27 WF 208/06, AGS 2007, 322; Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/95, JurBüro 1996, 476 = NJW-RR 1996, 1278; OLG München, Beschl. v. 22.2.2000 – 14 W 333/99, JurBüro 2001, 141; OLG Schleswig, Beschl. v. 27.11.1990 – 9 W 136/90, JurBüro 1991, 584; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rn. 4; E. Schneider, Rpfleger 1986, 81; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 unter „Vergleich“. 4 Zutr. OLG München, Beschl. v. 12.6.2006 – 10 W 1672/06, RVG professionell 2006, 129 (Ls). 5 Vgl. hierzu Treuer, MDR 1999, 520; Rasehorn, ZRP 1980, 6, 9. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.5.2009 – 24 W 16/09, AGS 2009, 496 = ZMR 2010 = 177; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.1.2008 – 4 U 145/07, AGS 2008, 569 = NJW-RR 2008, 651 – beide Umzugskostenbeihilfe; OLG Köln, MDR 1971, 854.

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Vergleich 5487

Die vom OLG Frankfurt1 für den Fall einer auf Zahlung von Unterhalt gerichteten Klage abweichend vertretene Ansicht, wonach der im Zuge der Vergleichsverhandlungen vom Kläger geforderten Abfindungsbetrag maßgebend sei, überzeugt nicht. Der Vergleichswert bestimmt sich nach dem Gegenstand der durch ihn behobenen tatsächlichen oder rechtlichen Ungewissheit. Diese besteht – hier – nicht hinsichtlich der Höhe eines Abfindungsbetrages, sondern in der streitigen Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt. Der Wert dieses Klagebegehrens bemisst sich nach dem Jahresbetrag der monatlichen Unterhalts, § 42 Abs. 1 GKG (§ 17 Abs. 1 GKG a.F.). S. hierzu auch unter dem Stichwort „Unterhalt“ im FamFG-Teil.

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Regeln die Parteien in einem außergerichtlichen Vergleich wechselseitige Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb von bebautem Grundeigentum ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Dies insbesondere, wenn beispielsweise ein Bauträger die Erfüllung des Auflassungsanspruchs von der Zahlung des restlichen Kaufpreises abhängig macht, den der Käufer wiederum wegen gerügter Mängel des Bauwerks zurückhält. Der unmittelbaren Anwendung des § 6 ZPO steht entgegen, dass im Kern nur ein kleiner Spitzenbetrag streitig ist,2 sodass unter Berücksichtigung von § 3 ZPO der Streitwert zwischen dem Verkehrswert und der streitigen Restforderung anzusetzen ist. S. im Einzelnen unter dem Stichwort „Auflassung“.

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Werden in einem Vergleich noch nicht fällige Ansprüche einbezogen, dann sind sie auf den Zeitpunkt des Vergleichsschlusses abzuzinsen. Der ungeminderte Ansatz des Forderungsnennwerts berücksichtigt nicht, dass eine noch nicht fälliger Anspruch weniger wert ist als eine fälliger. Die Nennbetrag ist nach § 3 ZPO um den Zinsbetrag zu kürzen, der aufzuwenden ist, um den Forderungsbetrag bereits jetzt und nicht erst bei Fälligkeit zur Verfügung zu haben.3

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Neben der Summe der durch den Vergleich erledigten Ansprüche ist auch der Betrag belanglos, für den Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist.4 Denn die Bewilligung verhält sich allein zur Frage, ob und in welchen Umfang eine Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung Aussicht auf Erfolg hat und nicht über den Umfang des – vom Vergleich erfassten – Klagebegehrens selbst. 2. Vergleich über streitgegenständliche Ansprüche a) Streitige und unstreitige Ansprüche

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Unproblematisch ist die Bewertung des Vergleichs, wenn dieser sich über einen in vollem Umfang streitigen Anspruch verhält. Hier ist – wie bereits ausgeführt – der Wert dieses Anspruchs maßgebend. Eine mit dem Vergleich getroffene Ratenzahlungsvereinbarung wirkt sich nicht werterhöhend aus.5

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Fraglich ist jedoch, ob die Einbeziehung unstreitig bestehender Ansprüche eine Einigungsgebühr auslöst und nach welchem Wert diese zu berechnen ist. 1 OLG Frankfurt, JurBüro 1980, 1215 mit abl. Anm. Mümmler = Rpfleger 1980, 239; zustimmend Schmidt, AnwBl. 1977, 444. 2 Sehr str.; vgl. OLG Köln, Beschl. v. 29.4.1981 – 2 W 17/81, ZIP 1981, 781. 3 LAG Köln, Beschl. v. 2.6.1986 – 3 Ta 38/86, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 849 mit zust. Anm. E. Schneider = MDR 1987, 169 mit Anm. Hirte. 4 OLG Frankfurt, AnwBl. 1964, 122; OLG Schleswig, AnwBl. 1963, 85. 5 Bräuer, JurBüro 2008, 62 mit Berechnungsbeispielen.

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Vergleich Nach Nr. 1000 VV RVG (und § 779 Abs. 1 BGB) muss die Einigung die Behebung eines Streits oder einer Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis zum Inhalt haben. Danach erscheint es geboten, die Aufnahme unstreitiger Ansprüche wertmäßig generell nicht zu berücksichtigen.1 Dementsprechend hat auch der BGH2 in einem Darlehensprozess bei Erhöhung der monatlichen Rückzahlungen die Mittitulierung der unstreitigen Zahlungen nicht zur Beschwer gerechnet. Diesem Ansatz steht jedoch § 779 Abs. 2 BGB (analog) entgegen, wonach der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis gleichsteht, dass (allein) die Verwirklichung eines Anspruch unsicher ist, etwa weil der Erfolg einer Vollstreckung offen ist.3 Hierbei ist die Ungewissheit einer Partei ausreichend, wenn deren Zweifel der anderen Partei bekannt sind.4 Für die Streitwertbestimmung ist demnach zu unterscheiden:

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– Dient die Einbeziehung des unstreitigen Anspruchs nach dem Willen der Parteien allein seiner Titulierung, so ist damit die Behebung einer Unsicherheit dann verbunden, wenn ohne vergleichsweise Regelung das künftige (Prozess-)Verhalten des Schuldners die Erlangung eines gerichtlichen Vollstreckungstitels verzögern bzw. erschweren könnte.5 Die mit dem Vergleich bebeseitigte Unsicherheit erfasst wirtschaftlich betrachtet daher nicht die Forderung in ihrem Bestand, sondern nur den Aufwand der Forderungsdurchsetzung. Das Interesse an einer Titulierung ist daher werterhöhend zu berücksichtigen.

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– Demgegenüber scheidet eine Werterhöhung bei Einbeziehung eines bereits prozessual wirksam anerkannten oder von einem Verzicht erfassten Teils der Klageforderung regelmäßig aus. Denn hat der Beklagte von Beginn an keinerlei Einwendungen gegen den anerkannten Teil der Klageforderung erhoben, wird mit der Aufnahme in den Vergleich kein Streit oder eine Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis behoben.6 Zudem behalten Anerkenntnis und Verzicht auch ohne Erlass eines darauf beruhenden Urteils ihre Wirkung für den ganzen Prozess. Denn die Wirksamkeit von Anerkenntnis und Verzicht wird durch ein nachfolgendes Bestreiten oder Be-

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1 So OLG Celle, Nds.Rpfl 1952, 116; 1965, 16; OLG Hamm, Beschl. v. 25.6.1995 – 8 W 648/94, JurBüro 1996, 148 = Justiz 1996, 60; OLG Koblenz, Beschl. v. 16.1.1984 – 13 WF 1238/83, JurBüro 1984, 1218 = AnwBl. 1984, 204, dass jedoch unter Hinweis auf die Vergütungspflicht anwaltlicher Tätigkeit dann doch einen Vergleich bejaht; OLG Neustadt, NJW 1962, 1163. 2 BGH, Beschl. v. 29.11.1984 – III ZR 151/84, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 736 mit Anm. E. Schneider = WPM 1985, 279 – Beschwer. 3 BGH, Beschl. v. 17.9.2008 – IV ZB 17/08, MDR 2009, 104 = NJW 2009, 234; Beschl. v. 1.3.2005 – VIII ZB 54/04, JurBüro 2005, 309; Urt. v. 12.12.1991 – IX ZR 178/91, BGHZ 116, 319 = MDR 1992, 252; MünchKomm.BGB/Habersack, § 779 BGB Rn. 25. 4 Vgl. Palandt/Sprau, § 779 BGB Rn. 4 m.w.N.; AnwK-RVG/N. Schneider, VV 1000 Rn. 73; Hansen, BRAGO, § 23 Rn. 6; zweifelnd noch E. Schneider, Anm. II 3 zu KostRsp. BRAGO § 23 Nr. 4. 5 BGH, Beschl. v. 1.3.2005 – VIII ZB 54/04, JurBüro 2005, 309 – Ratenzahlungsvergleich; AnwK-RVG/N. Schneider, VV 1000 Rn. 73; Hansen, BRAGO, § 23 Rn. 6; a.A. wohl OLG Hamm, Beschl. v. 17.2.2005 – 23 W 24/05, OLGR 2005, 415 = JurBüro 2005, 588 = AGS 2005, 326 mit abl. Anm. Madert – Ratenzahlungsvergleich. 6 Herget, Anm. zu OLG Bamberg, KostRsp. BRAGO § 23 Nr. 58.

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Vergleich anspruchen nicht mehr berührt.1 Die Ablehnung einer Werterhöhung entspricht auch der Umgestaltung des Gebührentatbestandes durch Nr. 1000 VV RVG gegenüber § 23 Abs. 1 BRAGO, wonach es für den Gebührenanfall nicht ausreicht, wenn sich die Einigung auf die Abgabe eines Anerkenntnis oder eines Verzicht beschränkt. 5496

– Anders liegt es hingegen, wenn die Einbeziehung einer unstreitigen oder bereits anerkannten Forderung neben der Titulierung eine erleichterte Realisierung bezweckt, etwa weil der finanzschwache oder vermögenslose Schuldner erst durch seine Einbindung in die Beendigung des Rechtsstreits und die Gewährung günstiger Zahlungsmodalitäten zur Zahlung „motiviert“ werden kann.2 Der Kläger verzichtet durch sein Zugeständnis auf schnellere Befriedigung. In diesem Fall rechtfertigt daher auch eine Vereinbarung über die ratenweise Rückführung unstreitiger, anerkannter oder schon rechtskräftig titulierter Ansprüche die Annahme einer Einigung und damit eine wertmäßige Berücksichtigung.3 Diese entspricht jedoch regelmäßig nicht dem Wert der Hauptsache.4 Zutreffend dürfte es sein, sich an der Rechtsprechung zum Titulierungsinteresse orientieren und im Regelfall eine Bruchteilsbewertung von 1/10 in Ansatz zu bringen.5 Die vorstehenden Erwägungen tragen jedoch nicht, wenn die Parteien sich der Form des Prozessvergleichs allein zum Zwecke der kostengünstigeren Titelschaffung bedienen, beispielsweise durch die Aufnahme grundbuchrechtlich relevanter Beurkundungsvorgänge statt der Inanspruchnahme eines Notars. Dem ist nicht durch eine dogmatisch fragwürdige Ausweitung des Vergleichsbegriff, sondern durch eine prozessordnungsgemäße Verweigerung der Protokollierung zu begegnen.6

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– Beschränkt sich das Interesse der Parteien (zulässigerweise) auf die Titulierung unstreitiger Ansprüche, ist dies zugleich für die Bemessung des Vergleichswert bestimmend. Das bedeutet im Ergebnis, dass insoweit nicht der volle Wert der unstreitigen Ansprüche anzusetzen ist, sondern dass das 1 Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 17.3.1991 – XII ZR 256/91, MDR 1993, 1238 = NJW 1993, 1717 = WM 1993, 1569. 2 Ausf. Bräuer, JurBüro 2008, 62 mit Berechnungsbeispielen; E. Schneider, Anm. II 3 zu OLG Köln, KostRsp. BRAGO § 23 Nr. 4. 3 BGH, Beschl. v. 1.3.2005 – VIII ZB 54/04, JurBüro; KG, Beschl. v. 5.1.2004 – 12 U 157/ 02, KGR 2004, 309; OLG Bamberg, Beschl. v. 28.8.1990 – 3 W 27/90, JurBüro 1990, 1619; OLG München, Beschl. v. 9.7.1999 – 11 W 1975/99, AGS 2000, 3 = MDR 1999,1286, das allein problematisiert, ob ein Nachgeben i.S. des § 779 BGB vorliegt; OLG Rostock, Beschl. v. 26.5.2008 – 5 W 94/08, AGS 2008, 326 = MDR 2008, 1308; AnwK-RVG/N. Schneider, RVG, VV 1000 Rn. 204; a.A. OLG Hamburg, Beschl. v. 29.2.1984 – 8 W 48/84, JurBüro 1984, 1358 mit zust. Anm. Mümmler; OLG Hamm, Beschl. v. 17.2.2005 – 23 W 24/05, JurBüro 2005, 588 = AGS 2005, 326 mit abl. Anm. Madert; OLG Nürnberg, Beschl. v. 28.5.1984 – 8 W 876/84, JurBüro 1984, 1675 = MDR 1984, 1036. 4 Im Ergebnis OLG Bamberg, Beschl. v. 28.8.1990 – 3 W 27/90, JurBüro 1990, 1619; KG, Beschl. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02, KGR 2004, 309; unklar OLG München, Beschl. v. 9.7.1999 – 11 W 1975/99, JurBüro 1999, 634 = AGS 2000, 3 = MDR 1999, 1286; a.A. Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, § 23 Rn. 47: voller Wert. 5 KG, Beschl. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02, KGR 2004, 309; a.A. OLG Celle, JurBüro 1971, 237: 1/3; fehlerhaft AG Lüdenscheid, JurBüro 2008, 90, das für das Abschlussinteresse (spekulativ) auf den weiteren Prozessverlauf und die damit verbundenen Kosten abstellt. 6 Ebenso Wenzel, GK-ArbGG § 12 Rn. 178, S. 111.

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Vergleich Titulierungsinteresse des Gläubigers nur mit einem nach § 3 ZPO frei zu schätzenden Bruchteil des unstreitigen Anspruchs bemessen werden darf. – Eine gleichartige Bewertungsproblematik stellt sich, wenn mit dem Prozessvergleich ein – in vollem Umfang rechtshängiger – Anspruch geregelt wird, der nur zu einem Teil streitig ist (streitige Anspruchsspitze). Anzutreffen ist diese Konstellation beispielsweise im Unterhaltsrecht, wenn der auf Verurteilung zur Zahlung des monatlichen Unterhalts gerichtete Rechtsstreit nur hinsichtlich eines Teilbetrages streitig ist und durch einen Vergleich beendet wird, in dem neben der streitigen Mehrforderung auch die bislang monatlich unstreitig und freiwillig gezahlten Beträge einbezogen werden.Nach überwiegender und zutreffender Ansicht ist der Vergleichswert (auch) hier nach der streitigen Mehrforderung zuzüglich eines Bruchteils des unstreitigen (freiwilligen) Betrages zu bemessen. Da der bislang freiwillig gezahlte Unterhaltsbetrag zwischen den Parteien nicht im Streit steht, erfolgt insoweit auch keine vergleichsweise Regelung, die einen vollen Wertansatz rechtfertigen könnte. Jedoch trägt die Aufnahme auch des unstreitigen Forderungsteils dem „Titulierungsinteresse“ des Klägers Rechnung, sodass eine Bruchteilsbewertung angemessen erscheint.1 Die Regelbewertung für das Titulierungsinteresse dürfte nach der Rechtsprechung bei 1/10 des unstreitigen Forderungsteils liegen.2 Es ist jedoch immer auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, sodass auch eine davon abweichende Bruchteilsbewertung geboten sein kann, um wirkliches Interesse und Streitwert zur Deckung zu bringen. Das OLG Frankfurt.3 hat um 1/5 erhöht; ebenso das OLG Hamburg4 und das LAG Baden-Württemberg.5 Das OLG Koblenz6 hat 1/4 des vollen nach § 42 Abs. 1 GKG (§ 17 Abs. 1 GKG a.F.) berechneten Wertes angenommen; das OLG Zweibrücken7 hat 1/2 angenommen, allerdings aufgrund erschwerender Umstände. Soweit das OLG Nürnberg8 das Titulierungsinteresse mit dem vollen Gegenstandswert ansetzt, kann dies nicht überzeugen, da es auf eine wirtschaftliche Gleichsetzung von unstreitigen mit streitigen Ansprüchen hinausläuft (s. auch unter dem Stichwort „Titulierungsinteresse“). 1 So etwa OLG Hamm, JurBüro 1979, 1867 mit zust. Anm. Mümmler; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.1.1978 – 6 WF 48/77, JurBüro 1978, 896 = MDR 1978, 496; OLG Bamberg, JurBüro 1983, 103; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.3.1988 – 2 WF 36/88, FamRZ 1988, 739 = Rpfleger 1988, 380; LAG Baden-Württemberg, Beschl. 17.9.1990 – 8 Ta 107/90, JurBüro 1991, 834. 2 OLG Bamberg, Beschl. v. 10.2.1992 – 7 WF 21/92, JurBüro 1992, 628; Beschl. v. 30.1.1985 – 2 WF 17/85, JurBüro 1985, 740 mit Anm. Mümmler; OLG Hamm, Beschl. v. 22.1.1985 – 1 WF 651/84, JurBüro 1985, 739 mit zust. Anm. Mümmler; Beschl. v. 27.3.1985 – 5 WF 373/84, JurBüro 1985, 1360 = AnwBl. 1985, 385 mit abl. Anm. Chemnitz; LAG Baden-Württemberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 931 = JurBüro 1988, 1234 mit Anm. Mümmler. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.10.1984 – 4 WF 217/84, JurBüro 1985, 424. 4 OLG Hamburg, Beschl. v. 19.11.1987 – 12 WF 131/87, AnwBl. 1988, 313. 5 LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 17.9.1990 – 8 Ta 107/90, JurBüro 1991, 834. 6 OLG Koblenz, Beschl. v. 16.1.1984 – 13 WF 1238/83, JurBüro 1984, 1218 = AnwBl. 1984, 204; Beschl. v. 25.9.1985 – 13 WF 905/85, JurBüro 1986, 415. 7 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.1.1987 – 6 WF 48/77, JurBüro 1978, 896 = MDR 1978, 496. 8 OLG Nürnberg, Beschl. v. 7.1.1985 – 10 WF 2855/84, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 770 mit Anm. Schneider = JurBüro 1985, 1395 mit Anm. Mümmler.

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Vergleich 5501

Von der Bewertung des Vergleichs ist die Bewertung des Verfahrens zu unterscheiden. Für das Erkenntnisverfahrens ist immer der volle Streitwert des bezifferten Antrages maßgebend,1 da dieses auf eine Entscheidung über Bestand des gesamten Anspruchs gerichtet ist. Der Beklagte kann jedoch die unbeschränkte Klageerhebung zum Anlass nehmen, die Klageforderung in dem von ihm nicht bestrittenen Umfang sofort anzuerkennen. Die erst nach Erlass des Teilanerkenntnisurteils entstehenden Gebühren richten sich dann nach dem verbliebenen Hauptsachewert (s. unter dem Stichwort „Anerkenntnis“). Hat der Beklagte durch sein vorgerichtliches Verhalten zur Klageerhebung auch hinsichtlich des unstreitigen Teils keinen Anlass gegeben, sind dem Kläger insoweit gem. § 93 ZPO die Kosten aufzuerlegen. b) Deklaratorische Erwähnung von Ansprüchen

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Von den vorerwähnten Fallgestaltungen abzugrenzen ist die Aufnahme eines unstreitigen Anspruchs allein zu deklaratorischen Zwecken, wenn also der Prozessvergleich nicht Mittel zum Regelungs- und Gestaltungszweck ist, sondern die Aufnahme nur der Klarstellung dient, ohne dass insoweit ein Vollstreckungstitel geschaffen werden soll.2

5503

Davon ist beispielsweise bei einem erst in der Rechtsmittelinstanz geschlossenen Ratenzahlungsvergleich auszugehen, der auch bereits rechtskräftig entschiedene Teile der Hauptforderung erfasst.3 Nach Ansicht des KG4 ist jedoch angesichts des Stundungsinteresse des Schuldners eine Erhöhung des Gegenstandswert um 1/10 geboten.

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Dies ist etwa der Fall, wenn die Parteien in einer Einleitung des Vergleichs die Einigkeit über eine Rechtsposition erklären, auf deren Grundlage im Nachgang die – allein – streitgegenständlichen Folgen geregelt werden.5 Ebenso liegt es, wenn in dem Vergleich vorprozessual erbrachte Leistungen aufgeführt werden, etwa um den Saldo einer nachfolgenden Zahlungsverpflichtung zu erläutern.6

5505

Auch die Aufnahme von unstreitigen Rechtsbeziehungen oder Handlungspflichten, ohne dass damit die Möglichkeit zur Zwangsvollstreckung eröffnet werden sollte, bleibt wertmäßig unberücksichtigt.7 Werden derartige Hand1 OLG Bamberg, JurBüro 1979, 1681 und 1979, 874; OLG Oldenburg, FamRZ 1979, 64. 2 KG, Urt. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02, KGR 2004, 310; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.3.2009 – 8 WF 38/08, FamRZ 2009, 1620 – deklaratorischer Unterhaltsverzicht; OLG Koblenz, JurBüro 1987, 108; OLG Schleswig, Beschl. v. 3.12.2001 – 15 WF 256/ 01, OLGR 2002, 119 = SchlHA 2002, 140; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 7.7.1994 – 8 Ta 42/94, JurBüro 1995, 248; LAG Rheinland-Pfalz, NZA 1984, 99, JurBüro 1969, 1153 ff. 3 OLG Hamm, Beschl. v. 25.6.1995 – 20 U 339/94, JurBüro 1996, 148 mit zust. Anm. Enders. 4 KG, Urt. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02, KDR 2004, 310. 5 LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 3.4.1984 – 1 Ta 43/84, NZA 1984, 99: Einigkeit über Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei streitiger Entgeltfortzahlung. 6 OLG Schleswig, Beschl. v. 14.11.1979 – 8 WF 289/79, JurBüro 1980, 411 = SchlHA 1980, 23. 7 OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1 – Inhaberschaft Sparbuch; LAG Baden-Württemberg, KostRsp. ArbGG § 12 Nr. 86; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 3.4.1984 – 1 Ta 43/84, NZA 1984, 99 – beide Erteilung Zwischenzeugnis.

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Vergleich lungspflichten jedoch zugunsten einer Partei wirtschaftlich verändert, kann ein Wertzuschlag angemessen sein.1 c) Hilfsantrag Die Beendigung des Rechtsstreits durch einen Vergleich allein über den Hauptantrag führt nicht zu einer Streitwertaddition. Darüber, ob die Forderung des Hilfsantrages in den Vergleich einbezogen worden ist, entscheidet der sachliche Gehalt der Vereinbarung, nicht der bloße Wortlaut.2

5506

Wird die mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Forderung in den Vergleich einbezogen, dann erhöht sich der Gegenstandswert des Vergleichs um den Wert des Hilfsantrages, soweit der Hilfsantrag nicht mit dem Hauptantrag wirtschaftlich identisch ist, § 45 Abs. 1 Satz 3 u. Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4 GKG a.F.). Hierüber besteht kein Streit.3

5507

Erledigen sich Hauptantrag und Hilfsantrag dadurch, dass die Parteien einen umfassenden Prozessvergleich darüber abschließen, dann steht das einer gerichtlichen Entscheidung gleich, sodass sich auch der Verfahrenswert erhöht, § 45 Abs. 1 Satz 2 u. Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 2 u. Abs. 4 GKG a.F.). Dabei ist die Werterhöhung auch nicht davon abhängig, dass zum Zeitpunkt des Vergleichsschluss die innerprozessuale Bedingung des Hilfsantrages, nämlich die negative Bescheidung des Hauptantrages bereits eingetreten war.4 Die Gegenansicht verkennt die Reichweite von § 45 Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 4 GKG a.F.). Mit der gesetzgeberischen Vorgabe, die § 45 Abs. 1–3 GKG (§ 19 Abs. 1–3 GKG a.F.) „entsprechend“ anzuwenden, wird die vergleichsweise Regelung dem Bedingungseintritt gleichgestellt. S. ausführlich hierzu unter dem Stichwort „Hilfsantrag“ Rn. 3104 f.

5508

Eine Erhöhung des Verfahrenswertes kommt – abweichend zum Gegenstandswert der Einigungsgebühr gem. Nrn. 1000, 1003 RVG (§ 23 Abs. 1 BRAGO) – jedoch nur in Betracht, wenn der Rechtsstreit durch einen gerichtlich protokollierten Vergleich beendet wurde. Eine entsprechende Anwendung von § 45 Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 4 GKG a.F.) auf außergerichtliche Vergleiche, denen eine übereinstimmende Erledigungserklärung nachfolgt, scheidet aus.5

5509

Bei der Prüfung der Wertaddition ist zu beachten, dass Haupt- und Hilfsanspruch häufig zumindest teilweise wirtschaftlich identische Klagebegehren zugrunde liegen. Betreffen Haupt- und Hilfsantrag oder Klage und (Hilfs-)Widerklage denselben Gegenstand, ist nur der höherwertigere Anspruch wertbestimmend. S. hierzu unter den Stichworten „Hilfsantrag“ Rn. 3104 ff. und „Klage und Widerklage“.

5510

1 LAG Köln, Beschl. v. 17.4.1985 – 7 Ts 219/84, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 815 mit Anm. Schneider = AnwBl. 1986, 205 – unstreitige Lohnfortzahlung unter Freistellung von der Arbeit. 2 OLG Köln, JurBüro 1975, 506 = JMBl NW 1975, 143 – zur Hilfswiderklage. 3 OLG Köln, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/94, JurBüro 1996, 476 = NJW-RR 1996, 1278. 4 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rn. 18; offen lassend KG, Beschl. v. 3.6.2003 – 1 W 495/02, MDR 2004, 56; a.A. OLG Köln, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/94, JurBüro 1996, 476 = NJW-RR 1996, 1278. 5 OLG Hamm, Beschl. v. 12.8.2003 – 23 W 120/03, OLGR 2004, 14 = AGS 2004, 27 mit Anm. N. Schneider.

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Vergleich d) Hilfswiderklage 5511

Wird die mit der Hilfswiderklage geltend gemachte Forderung in den Vergleich einbezogen, dann erhöht sich der Gegenstandswert des Vergleichs um den Wert der Widerklageforderung, soweit diese nicht denselben Gegenstand (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG entspricht § 19 Abs. 1 Satz 3 GKG a.F.) betrifft.1

5512

Erledigen sich Klage und Hilfswiderklage dadurch, dass die Parteien einen umfassenden Prozessvergleich darüber abschließen, dann steht das einer gerichtlichen Entscheidung gleich. Der Verfahrenswert erhöht sich um den Wert des mit der Hilfswiderklage geltend gemachten Anspruch, soweit er nicht mit der Klageforderung wirtschaftlich identisch ist, § 45 Abs. 1 Satz 2 u. Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 1 Satz 2 u. Abs. 4 GKG a.F.).

5513

Dabei ist die Werterhöhung auch nicht davon abhängig, dass zum Zeitpunkt des Vergleichsschluss die innerprozessuale Bedingung des Widerklageantrages, nämlich die (positive) Bescheidung des Klageforderung bereits eingetreten war.2 Die Gegenansicht3 verkennt die Reichweite von § 45 Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 4 GKG a.F.). Vielmehr wird mit der gesetzgeberischen Vorgabe, die § 45 Abs. 1–3 GKG (§ 19 Abs. 1–3 GKG a.F.) „entsprechend“ anzuwenden, die vergleichsweise Regelung dem Bedingungseintritt gleichgestellt.4 e) Stufenklage

5514

Wird der Rechtsstreit durch den Abschluss eines Vergleich beendet, bestimmt sich der Gegenstandwert der Einigungsgebühr auch hier nach dem Wert, der von der Einigung erfassten Ansprüche. Daher ist für die Bewertung maßgeblich, welche Ansprüche (Stufen) der Stufenklage abschließend erledigt werden.

5515

Einigen sich die Parteien über den vom Kläger geltend gemachten (unbezifferten) Leistungsanspruch (3. Stufe) ist für den Vergleichswert der nach §§ 44 GKG (§ 18 GKG a.F.) zu bestimmende Hauptsachewert maßgeblich. Dies unabhängig davon, ob die Einigung im Prozess erst auf der 3. Stufe, also nach bezifferter Antragstellung, oder bereits vor Auskunftserteilung oder Versicherung an Eides statt. Zu beachten bleibt jedoch, dass bei einer Einigung (erst) auf der 3. Stufe der Gegenstandswert nach dem nunmehr bezifferten und nicht

1 OLG Bamberg, Beschl. v. 4.3.1993 – 8 W 9/93, JurBüro 1994, 112; OLG Braunschweig, Beschl. v. 23.1.1990 – 2 W 203/89, JurBüro 1990, 456; OLG Köln, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/94, JurBüro 1996, 476 = NJW-RR 1996, 1278 = VersR 1997, 471. 2 So auch OLG Braunschweig, Beschl. v. 23.1.1990 – 2 W 203/89, JurBüro 1990, 912; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.6.2005 – 5 W 13/05, OLGR 2005, 586; OLG Köln, Beschl. v. 10.9.1990 – 17 U 31/89; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rn. 18; unklar KG, Beschl. v. 13.12.2001 – 8 W 372/01, AGS 2002, 158. 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 4.3.1993 – 8 W 9/93, JurBüro 1994, 112; OLG Koblenz, Beschl. v. 7.6.1996 – 5 W 318/96, MDR 1997, 404 = VersR 1997, 897; OLG Köln, Beschl. v. 22.2.1996 – 18 W 57/95, JurBüro 1996, 476 = NJW-RR 1996, 1278; wohl auch OLG Koblenz, Beschl. v. 7.6.1996 – 5 W 318/96, MDR 1997, 404 = VersR 1997, 897; Meyer, § 19 Nr. 43. 4 Wie hier OLG Braunschweig, KostRsp. GKG § 19 Nr. 161 mit zust. Anm. E. Schneider = JurBüro 1990, 456; OLG Köln, Beschl. v. 10.9.1990 – 17 U 31/89, KostRsp. GKG § 19 Nr. 163; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rn. 19; Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, S. 321; Lappe, Kommentar zum GKG, 1975, § 19 Rn. 21.

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Vergleich nach dem eingangs (§ 40 GKG – entspricht § 15 GKG a.F.) geschätzten Hauptsachewert zu bemessen ist. Beschränkt sich der Vergleich auf eine Einigung über Auskunft bzw. Rechnungslegung (1. Stufe) entspricht der Vergleichswert folglich nicht dem (geschätzten) Wert der Leistungsstufe, wenn durch den Vergleich der Rechtsstreit zwar insgesamt erledigt wird, die Parteien sich inhaltlich aber nur den Auskunftsanspruch vergleichen.1

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f) Nebenforderungen und Kosten Erfasst der Vergleich über die Klageforderung hinaus auch Nebenforderungen, bleiben diese gem. § 4 ZPO, § 43 GKG (§ 22 Abs. 1 GKG a.F.) bei der Wertbestimmung außer Ansatz. Dies gilt auch dann, wenn der Vergleich die volle Hauptforderung tituliert und das Nachgeben des Klägers nur die Nebenforderung betrifft.2

5517

Ebenso bleiben die Kosten des Rechtsstreits bei der Wertberechnung unberücksichtigt, solange Hauptforderung oder Nebenforderung Gegenstand des Vergleichs sind, etwa wenn ein Vergleich über die Hauptsache und Kosten abgeschlossen wird und die Kosten von einer Partei vollständig übernommen werden.3

5518

Dies gilt, wenn der Rechtsstreit bereits teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, auch bezüglich der durch den für erledigt erklärten Teil verursachten Kosten.4 Denn nach § 43 Abs. 3 Satz 2 ZPO (§ 22 Abs. 3 GKG a.F.) sind die Kosten des Rechtsstreits erst dann streitwertrelevant, wenn es an einem (sachbezogenen) Hauptanspruch fehlt und die Kosten an seiner Stelle zur Hauptforderung geworden sind.5 Bei der Teilerledigung bleibt ein Teil der prozessbezogen verstandenen Hauptsache notwendigerweise im Streit. S. hierzu auch unter den Stichwörtern „Erledigung“ und „Nebenforderungen“.

5519

Vergleichen sich die Parteien (auch) auf die Übernahme der Kosten eines anderweitigen Verfahrens, dann erhöht sich der Gegenstandswert im Umfang der dort angefallenen Kosten, wenn der Hauptsachewert des anderweitigen Verfahrens unberücksichtigt bleibt.6 Für den Fall, dass sich der Vergleich in einer Verteilung der Kosten des zugrunde liegenden Verfahrens erschöpft (sog. Kostenvergleich), s. nachfolgend Rn. 5536 f.

5520

Die Kosten des Vergleichs selbst sind bei der Bemessung des Vergleichswertes nicht zu berücksichtigen, solange die Hauptsache Gegenstand des Vergleichs ist.7

5521

1 LAG Düsseldorf, Beschl. v. 19.12.2001 – 7 Ta 425/01, juris. 2 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rn. 6. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.1.1984 – 5 WF 317/83, KostRspr. GKG § 22 Nr. 10 = JurBüro 1984, 1865 mit zust. Anm. Mümmler; OLG Neustadt, JurBüro 1964, 194. 4 A.A. Vorauflage; OLG Bamberg, JurBüro 1974, 1440. 5 OLG München, Beschl. v. 20.4.1994 – 11 W 1195/94, JurBüro 1994, 745 = AnwBl. 1995, 315; Hartmann, § 43 GKG Rn. 8 ff. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.2.1981 – 6 W 147/80, JurBüro 1981, 918. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.1.1984 – 5 WF 317/83, JurBüro 1984, 1865 mit zust. Anm. Mümmler; OLG Köln, JurBüro 1973, 854; OLG Nürnberg, BayMBl 1959, 170; OLG Neustadt, JurBüro 1964, 195.

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Vergleich 3. Vergleich über nicht rechtshängige Ansprüche a) Streitige und unstreitige Ansprüche 5522

Werden mit dem Vergleich neben den streitgegenständlichen Ansprüchen auch nicht rechtshängige Ansprüche oder Rechte geregelt, ist der Vergleichswert in der Regel durch eine Wertaddition der erfassten Ansprüche zu ermitteln,1 wobei der Einzelwert des zusätzlich geregelten Gegenstandes (sog. Mehrwert des Vergleichs)2 selbständig nach den allgemeinen Bewertungsregeln allgemeinen Vorschriften, d.h., nach den §§ 39 ff. GKG (§§ 12 ff. GKG a.F.) und §§ 3 ff. ZPO zu beziffern ist.3

5523

Zu beachten ist hierbei, dass eine volle Wertaddition nur in Betracht kommt, wenn es sich bei dem zusätzlich geregelten Gegenstand um selbständige und zwischen den Parteien4 streitige Ansprüche handeln muss.5 Daher wirkt sich beispielsweise ein als „Aufrechnung“ bezeichneter und durch den Vergleich miterledigter Minderungseinwand nicht streitwerterhöhend aus.6 (S. hierzu unter dem Stichwort „Aufrechnung“).

5524

Ebenso kommt eine Werterhöhung nicht deshalb in Betracht, weil in dem Vergleich Ansprüche einbezogen worden sind, die einer Partei gegen einen am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten zustanden. Gleiches gilt, wenn mit dem Vergleich neben der Klageforderung auch etwaige Ausgleichs- oder Regressansprüche der als Streitgegenossen in Anspruch genommenen Beklagten untereinander geregelt werden.7

5525

Soweit die Einbeziehung unstreitige Ansprüche der Parteien erfasst, ist bei der Zusammenrechnung neben dem Hauptsachestreitwert in der Regel allenfalls ein nach § 3 ZPO zu bemessendes Titulierungsinteresse in Ansatz zu bringen (s. ausführlich oben Rn. 5493 ff.).

5526

Eine Erhöhung um den vollen Wert der einbezogenen Forderung scheidet jedoch regelmäßig aus, wenn diese mit Rücksicht auf zweifelhafte Realisierungsmöglichkeit nicht eingeklagt worden ist. Dann dürfte ihr wirtschaftlicher Wert unterhalb des Nennbetrages liegen, und es ist abzuschätzen, inwieweit mit einer Befriedigung überhaupt zu rechnen ist.8

5527

Zu berücksichtigen ist daher beim Vergleichswert derjenige Teilbetrag der miteinbezogenen Forderung, der bei summarischer Prüfung durchsetzbar er1 LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 7.7.1984 – 8 Ta 42/94, KostRsp. BRAGO § 23 Nr. 74 mit Anm. Herget = JurBüro 1995, 248. 2 Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 11.9.2006 – 7 U 60/03, juris. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.5.2009 – 23 W 16/09, AGS 2009, 496 = ZMR 2010, 177. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.3.2009 – 3 W 10/09, NJW-RR 2009, 1079 – keine Werterhöhung bei Aufnahme von Ansprüchen gegen Dritte oder von Regressansprüchen zwischen Streitgenossen. 5 LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 7.7.1984 – 8 Ta 42/94, KostRsp. BRAGO § 23 Nr. 74 mit Anm. Herget = JurBüro 1995, 248 mit zust. Anm. Enders. 6 OLG Köln, Beschl. v. 9.5.1984 – 16 W 36/84, KostRsp. GKG § 19 Nr. 81. 7 OLG Frankfurt, Beschl. 12.3.2009 – 3 W 10/09, NJW-RR 2009, 1079. 8 OLG Bamberg, Beschl. v. 22.9.1988 – 6 W 29/88, JurBüro 1989, 201; OLG Frankfurt, MDR 1981, 57; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.5.2000 – 10 W 19/00, OLGR 2000, 404; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 30.9.1987 – 7 Ta 140/87, JurBüro 1988, 778 mit abl. Anm. Mümmler; LAGE ZPO § 3 Nr. 5; LAG Hamm, MDR 1980, 613; LAG Hamburg, Beschl. v. 15.10.1985 – 3 Ta 16/85, JurBüro 1986, 752; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Vergleich“; a.A. Mümmler, JurBüro 1991, 767, 770.

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Vergleich scheint. Diese wirtschaftliche Betrachtungsweise entspricht derjenigen, die auch die Bewertung der Forderungspfändung anerkannt ist (s. die Nachweise bei dem Stichwort „Pfändung“). Seinen gesetzlichen Niederschlag findet der Gedanke der Geringerbewertung wertloser Forderungen in § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG (§ 57 Abs. 2 Satz 5 BRAGO), wonach sich der Gegenstandswert der Zwangsvollstreckung bei Anträgen auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach dem Wert der Hauptforderung bestimmt, 1500 Euro jedoch nicht überschreiten kann.1 b) Haupt- und Hilfsaufrechnung Eine werterhöhende Einbeziehung kommt regelmäßig in Betracht, wenn sich die Parteien vergleichen, nachdem der Beklagte gegenüber der Klageforderung die Aufrechnung erklärt hat und der Vergleich auch die Gegenforderung erfasst. Hier ist jedoch zwischen folgenden Konstellationen zu unterscheiden:

5528

Im Falle der Primäraufrechnung ist die Klageforderung unstreitig, sodass eine Wertaddition ausscheidet. Vielmehr ist für den Vergleichswert auf die höherwertige Forderung abzustellen, denn die Sperrwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO findet hier keine Anwendung, da es mit dem Vergleich an einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung mangelt. Für den Verfahrenswert ist immer der Wert der Klageforderung entscheidend, da § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) hier keine Anwendung findet.

5529

Eine Zusammenrechnung von Forderung und Gegenforderung für den Vergleichswert ist hingegen geboten, wenn der Beklagte primär die Aufrechnung erklärt und andere Einwendungen gegen die Klageforderung nur hilfsweise geltend macht.2 Denn für den Vergleich ist das Eventualverhältnis bedeutungslos, sodass sich die Klageforderung trotz der nur hilfsweise erhobenen anderweitigen Einwendungen als streitig darstellt. Demgegenüber verbleibt es beim Verfahrenswert bei der Klageforderung, da § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) für andere Einreden und Einwendungen als die Hilfsaufrechnung nicht gilt und der Beklagte sich nur primär auf Aufrechnung beruft.

5530

Hat der Beklagte die Aufrechnung nur hilfsweise erklärt (Eventualaufrechnung), ist der Vergleichswert immer aus der Summe der verglichenen Ansprüche zu bilden. Hier stehen Klageforderung und Gegenforderung im Streit, der durch die vergleichsweise Einigung beendet wird. Hierbei wird der Vergleichswert durch die Sperrwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO nicht begrenzt, da § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) nur für den Verfahrenswert gilt.3

5531

1 Vgl. ausführlich zu dieser Problematik Schneider, MDR 1990, 682. 2 KG, Beschl. v. 21.12.1976 – 5 W 1061/76, KostRsp. GKG § 19 Nr. 6. 3 OLG Bamberg, JurBüro 1983, 106; OLG Frankfurt, JurBüro 1980, 413 = MDR 1980, 64; OLG Hamm, Beschl. v. 29.7.1983 – 26 W 10/83, JurBüro 1983, 1680 = Rpfleger 1983, 504; OLG Köln, JurBüro 1994, 496; OLG München, JurBüro 1978, 1226; OLG Nürnberg, JurBüro 1982, 1380; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.12.1979 – 4 W 16/79, KostRsp. GKG § 19 Nr. 31; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rn. 15; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Vergleich“; die Problematik nicht erkennend und daher fehlerhaft OLG Celle, Beschl. v. 20.12.2006 – 2 W 501/06, OLGR 2007, 198 = Nds.Rpfl. 2007, 69.

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Vergleich 5532

Für den Verfahrenswert bleibt es für die Addition von Forderung und Gegenforderung trotz Vergleichsschluss bei der Sperrwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO, was sich bereits aus § 45 Abs. 4 GKG (§ 19 Abs. 4 GKG a.F.) ergibt, da dessen Bezugnahme auf § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.) den Abschluss eines Vergleichs voraussetzt.1 Verfahrensstreitwert und Vergleichswert müssen folglich gesondert berechnet werden.2 S. ausführlich unter dem Stichwort „Aufrechnung“ Rn. 1368 ff.

5533

Wird der Vergleich nach einer abschlägigen Bescheidung der Hilfsaufrechnung erst im Rechtsmittelverfahren geschlossen, so bemisst sich der dessen Gebührenstreitwert mangels zweitinstanzlicher Entscheidung über die Gegenforderung allein nach dem Wert der Klageforderung.3 Für die erste Instanz verbleibt es ausgehend vom Grundsatz der instanzbezogenen Wertfestsetzung bei der Werterhöhung gem. § 45 Abs. 3 GKG (§ 19 Abs. 3 GKG a.F.). Dass die erstinstanzliche Entscheidung nicht rechtskräftig wird, ist unerheblich, da es für die Werterhöhung allein einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung bedarf.4

5534

Zu beachten bleibt, dass sich die Gerichtsgebühren bei einer vergleichsweisen Regelung nicht anhängiger Ansprüche um eine 0,25 Gebühr gem. Nr. 1900 KV GKG (entspricht inhaltlich weitgehend Nr. 1653 KV GKG a.F.) erhöhen, berechnet nach dem Unterschied der Streitwerte.5

5535

Verteidigt sich der Beklagte durch hilfsweise Aufrechnung mit Gegenforderungen, die nur geringen wirtschaftlichen Wert haben, vielleicht sogar „aus der Luft gegriffen“ sind, ist auch hier deren Wert nur mit einem Teilbetrag anzusetzen, der nach summarischer Prüfung ihrem wirtschaftlichen Wert unter Berücksichtigung der zweifelhaften Realisierbarkeit entspricht.6 S. ausführlich oben Rn. 5493 ff. 4. Vergleich über Kosten

5536

Beschränkt sich der Vergleich auf eine Verteilung der Kosten des Rechtsstreit (sog. Kostenvergleich), etwa nach einer vollständigen Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, so bestimmt sich der Wert des Vergleichs nach der Summe aller bis zum Vergleichsabschluss entstandenen gerichtlichen und 1 OLG Bamberg, Beschl. v. 10.8.1982 – 3 W 90/82, JurBüro 1983, 105 mit zust. Anm. Mümmler; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.4.1987 – 9 W 29/87, JurBüro 1987, 1383; OLG Hamm, Beschl. 29.7.1983 – 26 W 10/83, JurBüro 1983, 1680 = Rpfleger 1983, 504; OLG Köln, Beschl. v. 20.12.1978 – 7 W 67/78, MDR 1979, 412; OLG München, Beschl. v. 12.1.1998 – 7 W 3384/97, JurBüro 1998, 260 = MDR 1998, 680; Beschl. v. 11.7.1997 – 21 W 1688/97, AGS 2000, 10, AnwBl. 1999, 132; Lappe Anm. zu OLG München, KostRsp. GKG § 19 Nr. 14; Madert, FS für Schmidt, S. 80 u. AnwBl. 1988, 247; Mümmler, JurBüro 1978, 1227; E. Schneider, NJW 1979, 853; wohl auch KG, Rpfleger 1983, 505; a.A. OLG München, Beschl. v. 20.3.1987 – 15 W 1132/87, AnwBl. 1988, 247 mit abl. Anm. Madert; Beschl. v. 7.6.1978 – 5 W 1412/78, JurBüro 1978, 1226 mit abl. Anm. Mümmler; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28.1.2008 – 4 W 4/08, OLGR 2008, 364. 2 Binz/Dorndörfer, § 45 Rn. 34; Schneider, NJW 1979, 853; Mümmler, JurBüro 1978, 1227; s. ferner unter dem Stichwort „Aufrechnung“. 3 OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.11.2004 – 13 U 93/04, NJW-RR 2005, 507. 4 OLG Frankfurt, Beschl. 2.4.2001 – 23 W 50/00, MDR 2001, 776 = NJW-RR 2001, 1653. 5 Hartmann, GKG, KV 1900 Rn. 7. 6 LAG Hamm, MDR 1980, 613.

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Vergleich außergerichtlichen Kosten.1 Dies auch dann, wenn die Einigung nur teilweise von der gesetzlichen Folge abweicht.2 Wird in dem Vergleich (auch) die Übernahme der Kosten eines anderweitigen Verfahrens geregelt, erhöht sich der Gegenstandswert im Umfang der dort angefallenen Kosten, wenn der Hauptsachewert des anderweitigen Verfahrens unberücksichtigt bleibt.3

5537

5. Gesamtvergleich In der Praxis nicht selten ist eine anlässlich eines Rechtsstreits erzielte Einigung der Parteien über alle zwischen ihnen im Streit stehenden Ansprüche und Rechte. Neben der bereits erörterten Einbeziehung nichtrechtshängiger Ansprüche und Rechte ist hier die vergleichsweise Erledigung mehrerer Prozesse von Bedeutung.

5538

Wertbestimmend ist auch hier – unter Berücksichtung der vorerwähnten Einschränkungen – die Summe aller durch den Vergleich erledigten Ansprüche. Da bei der Berechnung des Gegenstandswertes eines Vergleichs nur darauf abzustellen ist, worüber die Parteien sich verglichen haben, welchen Streit sie also vergleichsweise erledigt haben, ist auch bei einem sog. Gesamtvergleich nur darauf abzustellen, welche Streitpunkte bereinigt worden sind.4

5539

Wird im Hauptprozess ein anhängiges Eilverfahren mitverglichen, sind nach überwiegender Ansicht die Streitwerte von Eilverfahren und Hauptprozess zu addieren.5

5540

Dem ist nicht zu folgen, da die Gegenstände des Eil- und Hautverfahren wirtschaftlich identisch sind. Maßgebend ist daher der höherwertigere Anspruch, mithin der des Hauptsacheverfahrens.6 Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass es im vorläufigen Rechtsschutz (in der Regel) um die Sicherung und im Hauptsacheverfahren um die Durchsetzung des Anspruchs geht.7 Denn die

5541

1 Hartmann, GKG, Anh I § 48 (§ 3 ZPO) Rn. 128 Stichwort „Vergleich“, Musielak/ Heinrich, § 3 Rn. 32 unter „Prozessvergleich“; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 ZPO Rn. 157 Stichwort „Vergleich“. 2 LG Nürnberg-Fürth, AnwBl. 1952, 53, 135. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.2.1981 – 6 W 147/80, JurBüro 1981, 918. 4 OLG Köln, Beschl. v. 29.11.1972 – 2 W 101/72, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 305 = MDR 1973, 324. 5 OLG Hamburg, Beschl. v. 22.5.1991 – 8 W 129/91, MDR 1991, 904 = JurBüro 1991, 1066; OLG Koblenz, Beschl. v. 22.1.2008 – 11 WF 24/08, JurBüro 2008, 471 = MDR 2008, 1068, AGS 2008, 493; OLG Köln, KostRsp. GKG § 20 Nr. 90; OLG München, Beschl. v. 23.3.1993 – 11 WF 582/93, Rpfleger 1993, 463 = AnwBl. 1993, 530; OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.9.1995 – 8 W 648/94, JurBüro 1996, 137 = Justiz 1996, 60; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rn. 5; Hartmann, VV 1000 RVG Rn. 84 unter „Arrest, einstweilige Anordnung oder Verfügung“; a.A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.2.1981 – 6 W 147/80, JurBüro 1981, 918; OLG München, Beschl. v. 30.4.1991 – 11 WF 678/91, FamRZ 1991, 1217; Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, § 23 Rn. 55; Lappe, Anm. zu OLG Hamburg, KostRsp. BRAGO § 23 Nr. 65. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.2.1981 – 6 W 147/80, JurBüro 1981, 918; Lappe Anm. zu OLG Hamburg, KostRsp. BRAGO § 23 Nr. 65; ders. Anm. zu OLG München KostRsp. BRAGO § 23 Nr. 70; Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, § 23 Rn. 55; a.A. Vorauflage. 7 So aber AnwK-RVG/N. Schneider, VV 1000 Rn. 209.

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Vergleich Sicherung eines Anspruchs ist gegenüber seiner Durchsetzung wirtschaftlich betrachtet ein minus und kein aliud. Folgerichtig besteht auch bei der objektiven Klagehäufung Einigkeit darüber, dass sichernde Begleitansprüche wertmäßig unberücksichtigt bleiben (s. ausführlich unter dem Stichwort „Mehrere Ansprüche“ Rn. 3651 ff.). Da der Hauptsachewert des anderweitigen Verfahrens unberücksichtigt bleibt, sind jedoch dessen etwaig mitverglichene Kosten werterhöhend zu berücksichtigen.1 6. Genehmigung des Vergleichs 5542

Ist ein Vergleich von der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts abhängig, so ist der Wert der Klage der einen Vergleichspartei gegen die andere mit dem Antrag, die andere Partei zu verurteilen, den Antrag auf Erteilung der Genehmigung beim Vormundschaftsgericht zu stellen, der gleiche wie der Wert des gesamten Vergleichs.2 7. Unwirksamkeit des Vergleichs

5543

Der Streit über die verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Wirksamkeit ist durch Fortsetzung des bisherigen Verfahrens auszutragen. Im Falle seiner Wirksamkeit ist nach mündlicher Verhandlung durch Urteil darauf zu erkennen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist. Anderenfalls ist über die (ursprüngliche) Klage zu entscheiden.3 Demgegenüber ist der Streit über die Auslegung des Prozessvergleichs in einem eigenständigen auf Feststellung oder Verurteilung zur Leistung gerichteten Verfahren auszutragen.4

5544

Wird über die Fortsetzung des bisherigen Verfahrens gestritten, besteht über dessen streitwertrechtliche Bewertung Uneinigkeit. Überwiegend wird die Ansicht vertreten, maßgeblich sei der Wert des urspünglichen Klageantrags. Streitgegenstand des Rechtsstreits und damit für die Wertbestimung allein relevant sei der Klageantrag. Unerheblich sei demgegenüber, dass mittelbar auch über den Bestand der in dem Vergleich aufgenommenen Rechte und Pflichten entschieden werde.5

5545

Dem ist nicht zuzustimmen, vielmehr bestimmt sich der Wert des Verfahrens nach dem Interesse desjenigen, der die Unwirksamkeit des Vergleichs geltend macht. Allein der Umstand, dass dieser Streit durch Fortsetzung des bisherigen Verfahrens geführt werden muss, rechtfertigt keine schematische Gleich1 2 3 4 5

OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.2.1981 – 6 W 147/80, JurBüro 1981, 918. OLG Frankfurt, NJW 1959, 680 mit abl. Anm. Lappe in Rpfleger 1959, 137. BGH, Beschl. v. 18.9.1996 – VIII ZB 28/96, MDR 1996, 1286 = NJW 1996, 3345. Palandt/Sprau, § 779 BGB Rn. 31 m.w.N. BGH, Beschl. v. 8.2.2007 – V ZR 160/06, RVGreport 2007, 158 (Ls.); mit der Einschränkung, dass dies nur gelte, wenn die Anfechtung des Vergleichs den Rechtsstreit auf den ursprünglichen Streitstand zurückführe und sich nicht schon anderweitig erledigt habe; Beschl. v. 30.9.1964 – Ib ZR 215/62, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 119; offen gelassen in Beschl. v. 14.2.2007 – XII ZB 52/03, FamRZ 2007, 630 = FuR 2007, 160; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 6.7.2000 – 7 Ta 211/00, MDR 2000, 1099; Baumbach/Hartmann, § 3 Rn. 128; Musielak/Heinrich, § 3 Rn. 32 Stichwort „Vergleich“; Stein/Jonas/ Roth, § 3 Rn. 68 Stichwort „Vergleich“; wohl auch OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.9.1989 – 6 WF 105/89, JurBüro 1990, 97.

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Vergleich setzung mit dessen Hauptsachewert.1 Vielmehr entspricht die Situation einem Zwischenstreit. Das nach § 3 ZPO maßgebliche Interesse des „Fortsetzungsklägers“, bemisst sich nach der Differenz zwischen seinem Sachantrag im bisherigen Verfahren und der mit dem Vergleich übernommenen Verpflichtung. Denn der Fortsetzungsantrag zielt (bei unverändertem Sachantrag) auf Herbeiführung der im bisherigen Verfahren angestrebten Rechtsposition (Klagestattgabe, Klageabweisung etc.). Dem widerspricht auch nicht, dass sich der Gegenstandswert des Vergleichs nur nach dem Wert der verglichenen Ansprüche nicht aber nach dem Wert der übernommenen Verpflichtung bestimmt. Denn während der Gegenstandswert des Vergleichs an die mit dem Vergleichsschluss angestrebte Beseitigung der Ungewissheit eben über diese Ansprüche anknüpft, zielt der Fortsetzungsantrag auf die Wiederherstellung der ursprünglichen prozessualen Situation. Dies zugleich unter Entledigung von den im Vergleich übernommenen Verpflichtungen bzw. unter Aufgabe der mit dem Vergleich erlangten Rechtspositionen. Der Wertbestimmung hat daher eine Saldierung der mit dem Vergleichsabschluss verbundenen vermögensrechtlichen Vor- und Nachteile für den „Fortsetzungskläger“ vorauszugehen.2

5546

Werden im Prozessvergleich nichtrechtshängige Ansprüche einbezogen und wird im weiteren Verfahren über die Wirksamkeit des Vergleichs gestritten, dann ist bei der Bewertung des „Nachverfahrens“ zu berücksichtigen, dass nunmehr auch über den Bestand bzw. Wegfall der mitverglichenen Ansprüche gestritten und eine Entscheidung wegen der titulierten nicht rechtshängigen Ansprüche beantragt wird.3

5547

Wird ein durch Vergleich beendeter Rechtsstreit aufgrund der Geltendmachung der Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Vergleichs mit den ursprünglichen Anträgen einvernehmlich fortgesetzt, also ohne dass eine der Parteien die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich geltend macht oder die Feststellung der Wirksamkeit des Vergleichs begehrt, so bemisst sich der Streitwert allein nach den ursprünglichen Anträgen, auch wenn durch den Vergleich weitere Ansprüche erledigt worden sind.4

5548

1 OLG Bamberg, Beschl. v. 26.5.1998 – 3 U 149/97, OLGR 1999, 115; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.9.2003 – 24 U 221/01, OLGR 2004, 122 = NJW-RR 2004, 1296; OLG Stuttgart, Beschl. v. 3.7.1978 – 8 W 515/77, JurBüro 1978, 1654; Münch.Komm.ZPO/ Wöstmann, § 3 Rn. 127 – Wert des Vergleichs; LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 21.9.2009 – 15 SaGa 1227/09, RVGReport 2009, 438; offen lassend BGH, Beschl. v. 14.2.2007 – XII ZB 52/03, FamRZ 2007, 630 = FuR 2007, 160. 2 Zutr. daher LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 21.9.2009 – 15 SaGa 1227/09, RVGReport 2009, 438. Im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.9.2003 – 24 U 221/ 01, OLGR 2004, 122; OLG Naumburg, Urt. v. 16.11.2004 – 11 U 44/04, OLGR 2005, 288 = JMBl St 2005, 141 – Abwehr der vom Beklagten im Vergleich übernommenen Verpflichtung. 3 OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.9.2003 – 24 U 221/01, OLGR 2004, 122; OLG Hamm, Beschl. v. 14.12.1979 – 23 W 578/79, JurBüro 1980, 550 u. 1027 = Rpfleger 1980, 162 = AnwBl. 1980, 154; OLG Köln, Beschl. v. 11.1.1988 – 14 WF 269/87, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 926; OLG Stuttgart, JurBüro 1978, 1654; a.A. Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vergleich“ Rn. 21. 4 BGH, Beschl. v. 30.9.1964 – IV ZR 215/62, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 119.

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Vergleich

C. Rechtsmittel und Beschwer 5549

Wird in erster Instanz nur ein Teil der Klageforderung zuerkannt und legt der Beklagte insoweit Berufung ein, dann ist, wenn sich die Parteien im Berufungsrechtszug „über die Klageforderung“ vergleichen, nur jene im zweiten Rechtszug noch umstrittene Teilforderung Vergleichsgegenstand.1 Dies gilt auch, wenn der Kläger wegen der Abweisung der Mehrforderung eine Anschlussberufung (nur) angekündigt hat.2

5550

Anders ist hingegen zu bewerten, wenn die Einigung den unangefochten gebliebenen Teil der Klageforderung mit der Maßgabe erfasst, dass der Kläger dem Beklagten sowohl für den zuerkannten als auch den streitig gebliebenen Betrag Ratenzahlung gewährt. Hier ist zu dem Wert des angefochtenen Teils um den nach § 3 ZPO zu schätzenden Wert der Ratenzahlungsvereinbarung zu erhöhen.3 S. ausführlich oben Rn. 5493 ff.

5551

Ist über die Wirksamkeit des Prozessvergleichs und die Fortsetzung streitig entschieden worden, bedarf die Bemessung der Beschwer ebenfalls einer differenzierten Betrachtung. Hat das Ausgangsgericht eine Fortsetzung des Verfahrens unter Hinweis auf die verfahrensbeendigende Wirkung des Prozessvergleichs abgelehnt, bestimmt sich die Beschwer nach dem Interesse des Berufungsklägers an der Unwirksamkeit des Vergleichs. Dessen Wert bemisst sich nach der Differenz seines Sachantrags zu der von ihm im Vergleich (in der Hauptsache) übernommenen Rechte und Pflichten.

5552

Soweit der BGH hierbei nur auf die Hauptsache abstellt und weitere Verpflichtungen unberücksichtigt lässt, wenn dessen weiter gehende Regelungen nicht durch gesonderte Anträge zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht werden,4 vermag das nicht zu überzeugen. Es ist schon fraglich, wie der die Fortsetzung begehrende Beklagte eine im Vergleich überenommene weiter gehende Verpflichtung zum Gegenstand des Verfahrens machen könnte. Die Zulässigkeit einer (Feststellungs)Widerklage scheitert – in dieser Fallgestaltung (Prozessbeendigung aufgrund wirksamen Vergleichs) – schon an der dafür notwendigen (fortdauernden) Rechtshängigkeit der Klage. Zudem wird übersehen, dass mit dem - weiter gehenden – Prozessvergleich ein dem Urteil gleichwertiger Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) vorliegt.

5553

Erachtet das Gericht den Vergleich dagegen für unwirksam und entscheidet in der Hauptsache, richtet sich die Beschwer nach den allgemeinen Regeln, dh. nach dem für die Fortsetzung gestellten Sachanträge. Dass die sich danach ergebende Beschwer unter Berücksichtigung der im Vergleich bereits aufgegebenen Positionen geringer zu bewerten wäre, ist unerheblich. Denn Grundlage für dieses Nachgeben (wie auch eine etwaige Übernahme weiterer Verpflichtungen) war das Zustandekommen des Vergleichs, die mit der Fortsetzung des Hauptsacheverfahrens weggefallen ist. 1 KG, Urt. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02, KDR 2004, 310; OLG Hamm, Beschl. v. 25.6.1995 – 20 U 339/94, JurBüro 1996, 148 mit zust. Anm. Enders. 2 OLG Neustadt, JurBüro 1960, 210. 3 KG, Urt. v. 5.1.2004 – 12 U 157/02, KDR 2004, 310: Erhöhung um Stundungsinteresse = 1 /10; OLG Celle, JurBüro 1971, 237; a.A. OLG Hamburg, MDR 1981, 945; OLG Hamm, Beschl. v. 25.6.1995 – 20 U 339/94, KostRsp. BRAGO § 23 Nr. 82 = JurBüro 1996, 148. 4 BGH, Beschl. v. 14.2.2007 – XII ZB 52/03, FamRZ 2007, 630 = FuR 2007, 160; wohl auch Beschl. v. 30.9.1964 – Ib ZR 215/62, KostRspr. ZPO § 3 Nr. 119.

1178

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Kurpat

Vergütungsfestsetzung

Vergleichsverfahren Der Streitwert einer Klage auf Leistung „nach Maßgabe des Vergleichs“ ist die nach diesem Vergleich geschuldete Quote.1

5554

Der Umstand, dass der Kläger, der eine negative Feststellungsklage erhoben hat, sich im Insolvenzverfahren befindet, rechtfertigt nicht die Herabsetzung des Streitwerts entsprechend der etwa erwarteten Insolvenzquote.2

5555

Vergütungsfestsetzung Gliederungsübersicht Rn. A. Gegenstandswert des Festsetzungsverfahrens I. Keine Wertfestsetzung für Gerichtsgebühren . . . . . . . . 5556 II. Festsetzung für Anwaltsgebühren 1. Notwendigkeit . . . . . . . . . . 5557 2. Vergütungsfestsetzungsantrag des Anwalts . . . . . . . . . . . . 5559

Rn. 3. Festsetzungsantrag des Gebührenschuldners . . . . . . . . . . . 5568 4. Beschwerde- und Erinnerungsverfahren . . . . . . . . . . . . . 5571 5. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . 5572 B. Wert des der Festsetzung zugrunde liegenden Verfahrens . . 5573 C. Wert des Beschwerdegegenstands 5578

A. Gegenstandswert des Festsetzungsverfahrens I. Keine Wertfestsetzung für Gerichtsgebühren Im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG fallen vor dem Gericht des ersten Rechtszugs keine Gerichtsgebühren an (§ 11 Abs. 2 Satz 4 RVG). Nur im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren werden Gerichtsgebühren erhoben (§ 1 Abs. 4 GKG). Im Beschwerdeverfahren (Nr. 1812 KV GKG; 50,00 Euro) und im Rechtsbeschwerdeverfahren (Nr. 1824 KV GKG; 150,00 Euro) werden Festgebühren erhoben, sofern die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird. Eine Wertfestsetzung des Gerichts von Amts wegen nach § 63 Abs. 1 GKG hat daher in allen Verfahren zu unterbleiben.

5556

II. Festsetzung für Anwaltsgebühren 1. Notwendigkeit Anwaltsgebühren können dagegen im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG entstehen, allerdings nur, wenn der Anwalt für einen anderen Anwalt oder den früheren Auftraggeber eines anderen Anwalts tätig wird. Er erhält dann im Antragsverfahren eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV RVG (Einzeltätigkeit),3 im Beschwerdeverfahren eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG und im Rechtsbeschwerdeverfahren eine 1,0-Verfah1 OLG München, MDR 1955, 750. 2 OLG Frankfurt, JurBüro 1963, 97. 3 AnwK-RVG/N. Schneider, Nr. 3403 VV Rn. 21.

N. Schneider

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5557

Vergütungsfestsetzung rensgebühr nach Nr. 3502 VV RVG. In eigener Sache kann der Anwalt dagegen keine Gebühren verlangen, weil es an einem Auftraggeber fehlt (überflüssig daher § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 14, 2. Alt. RVG). Da zudem eine Kostenerstattung in allen Instanzen ausgeschlossen ist, kommt auch § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht zum Tragen. 5558

Fallen danach für eine Fremdvertretung Anwaltsgebühren an, so richten sich diese nach dem Gegenstandswert (§ 2 Abs. 1 Satz 1 RVG), sodass auf Antrag eines Beteiligten der Wert im Verfahren nach § 33 Abs. 1 RVG festzusetzen ist.

2. Vergütungsfestsetzungsantrag des Anwalts 5559

Beantragt der Anwalt die Vergütungsfestsetzung, richtet sich der Wert gem. § 23 Abs. 1 Satz 2, Satz 1 RVG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO und bemisst sich nach dem Betrag, der zur Festsetzung angemeldet wird.

5560

Dies wird in aller Regel der volle Vergütungsanspruch sein. Auslagen nach den Nr. 7000 ff. VV RVG sind voll zu bewerten, gleichfalls vorgelegte Kosten, die nach § 675 BGB i.V.m. Vorbem. 7 Abs. 1 Satz 1 VV RVG eingefordert werden. Es handelt sich nicht um Nebenforderungen i.S. des § 43 Abs. 1 GKG.

5561

Soweit auch die Verzinsung des festzusetzenden Betrages verlangt wird, gilt § 23 Abs. 1 Satz 2, Satz 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG. Ihr Wert bleibt als Nebenforderung unberücksichtigt. Wird nur die Verzinsung beantragt (ggf. im Wege der Nachfestsetzung), dann ist der Wert der Zinsen maßgebend und nach § 23 Abs. 1 Satz 2, Satz 1 RVG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen. S. Stichwort „Zinsen“ Rn. 6407 ff.

5562

Soweit die Aufnahme weiterer Kosten, etwa von Zustellungskosten, in den Festsetzungsbeschluss beantragt wird, bleiben sie als Kosten des Verfahrens unberücksichtigt.

5563

Wird nur ein Teil der Vergütung angemeldet, etwa wegen bereits geleisteter Teilzahlungen des Aufraggebers, ist der zur Festsetzung angemeldete Teilwert maßgebend.

* Æ Beispiel: Der Anwalt beantragt die Festsetzung einer Einigungsgebühr nebst Umsatzsteuer; die Verfahrens- und Terminsgebühr hatte der Mandant bereits bezahlt. Maßgebender Gegenstandswert ist nur der Betrag der Einigungsgebühr nebst Umsatzsteuer.

5564

Wird zwar einerseits die volle Vergütung zur Festsetzung angemeldet, andererseits aber eine Vorschusszahlung abgesetzt, so ist dennoch der volle Wert der Vergütungsforderung maßgebend. Da der Vorschuss keine Erfüllungswirkung hat, ist die gesamte Vergütungsforderung Gegenstand der gerichtlichen Prüfung und Festsetzung, sodass daher auch der gesamte Wert anzusetzen ist.

* Æ Beispiel: Der Anwalt rechnet ausgehend von einem Streitwert i.H.v. 10.000 Euro eine 1,3Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG), eine 1,2-Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) und eine 1,0-Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV RVG) nebst Auslagen und Umsatzsteuer (2047,99 Euro) ab und beantragt diese Vergütung festzusetzen, abzüglich eines gezahlten Vorschusses i.H.v. 595 Euro. Der Gegenstandswert beläuft sich auf 2047,99 Euro. Der gezahlte Vorschuss mindert den Gegenstandswert nicht, da sämtliche Positionen zu prüfen sind.

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N. Schneider

Vergütungsfestsetzung Anders verhält es sich, wenn sich der Festsetzungsantrag auf bestimmte Positionen beschränkt. Dann ist nur dieser Wert maßgebend.

5565

* Æ Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel. Der Auftraggeber hat die 1,3-Verfahrensgebühr und die 1,2-Terminsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer bezahlt. Er ist jedoch der Auffassung, eine Einigungsgebühr sei nicht angefallen und zahlt diese nicht. Daraufhin wird auch nur diese 1,0-Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV RVG) nebst Umsatzsteuer zur Festsetzung angemeldet. Der Gegenstandswert beläuft sich auf nur die angemeldete Vergütung Einigungsgebühr nebst Umsatzsteuer. Die bereits gezahlten Positionen sind unbeachtlich.

Erhebt der Antragsgegner nicht gebührenrechtliche Einwände, so erhöhen diese den Gegenstandswert nicht. Gebührenrechtliche Einwände werden im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht geprüft, sondern führen nur dazu, dass die Vergütungsfestsetzung abgelehnt wird (§ 19 Abs. 5 RVG). Sie werden daher nicht Gegenstand des Verfahrens und bleiben außer Ansatz.

5566

Lediglich dann, wenn nicht gebührenrechtliche Einwände unstreitig sind, wie z.B. eine unstreitige Erfüllung, werden sie im Verfahren berücksichtigt. Eine Erhöhung des Gegenstandswertes tritt dann aber nicht ein. Ein Fall des § 45 Abs. 3 GKG kann im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht auftreten, da dieser eine streitige Gegenforderung voraussetzt, über die im Vergütungsfestsetzungsverfahren jedoch nicht entschieden werden kann.

5567

3. Festsetzungsantrag des Gebührenschuldners Beantragt der Gebührenschuldner die Vergütungsfestsetzung, wozu er nach § 11 Abs. 1 RVG berechtigt ist, richtet sich der Gegenstandswert nach seinem Interesse. Es kommt dann auf die Vergütungsforderung an, deren sich der Anwalt (noch) berühmt. Geleistete Zahlungen sind abzuziehen.

5568

* Æ Beispiel: Der Anwalt stellt dem Mandanten 3.000 Euro in Rechnung. Der Mandant ist der Auffassung, er schulde nur 2.000 Euro und zahlt diese. Im Übrigen beantragt er die Vergütungsfestsetzung. Gegenstandswert ist nur der Betrag i.H.v. 1.000 Euro. Unerheblich ist insoweit, ob der Anwalt im Festsetzungsverfahren seinen vermeintlichen Anspruch i.H.v. 1.000 Euro weiter verfolgt. Es verhält sich hier ähnlich wie bei einer negativen Feststellungsklage.

Zahlt der Auftraggeber den unstreitigen Teil der Vergütungsforderung nicht, dann ist die volle Forderung maßgebend.

5569

* Æ Beispiel: Der Anwalt stellt dem Auftraggeber 3.000 Euro in Rechnung. Der Auftraggeber bestreitet, mehr als 2.000 Euro zu schulden und beantragt die Vergütungsfestsetzung, ohne den unstreitigen Teilbetrag zu zahlen. Jetzt sind die vollen 3.000 Euro maßgebend, da die vollen 3.000 Euro zum Gegenstand des Verfahrens werden und das Gericht diesen vollen Betrag auch festsetzt, unabhängig davon, ob er streitig ist oder nicht.

Beantragt der Auftraggeber die Rückfestsetzung, so ist der beantragte Rückzahlungsbetrag maßgebend, unabhängig davon, ob die Rückfestsetzung statthaft ist oder nicht. Das Streitwertrecht fragt nicht nach Zulässigkeit.

N. Schneider

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5570

Vergütungsfestsetzung 4. Beschwerde- und Erinnerungsverfahren 5571

Der Gegenstandswert richtet sich in der Beschwerde nach § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG und im Erinnerungsverfahren nach § 23 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 RVG. Maßgebend ist der mit der Beschwerde oder Erinnerung per Saldo geltend gemachte Mehr- oder Minderbetrag. Wer die Beschwerde führt, ist unerheblich. 5. Rechtsbeschwerde

5572

Der Wert richtet sich nach § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG. Maßgebend ist die mit der Rechtsbeschwerde verfolgte Abänderung.

B. Wert des der Festsetzung zugrunde liegenden Verfahrens 5573

Im Rahmen der Festsetzung darf nicht inzidenter auch über den zugrunde liegenden Gegenstandswert der zur Festsetzung angemeldeten Gebühren entschieden werden. Wird der vom Antragsteller angegebene Gegenstandswert von einem Beteiligten bestritten, so ist vielmehr das Festsetzungsverfahren auszusetzen, bis das Gericht den Streitwert im Verfahren nach §§ 32 Abs. 1, 33 Abs. 1 RVG festgesetzt hat (§ 11 Abs. 4 RVG). Es handelt sich keineswegs um einen nichtgebührenrechtlichen Einwand, der nach § 11 Abs. 5 RVG zur Unzulässigkeit der Vergütungsfestsetzung führen würde.

5574

Hat zwar keiner der Beteiligten, aber das Festsetzungsorgan Bedenken gegen die Richtigkeit des angesetzten Gegenstandswertes, so kann es – wenn die Wertfestsetzung nach § 32 Abs. 1 GKG erfolgt – die erstmalige Wertfestsetzung oder eine amtswegige Korrektur beantragen.1 Es kann dagegen nicht Erinnerung oder Beschwerde gegen die Wertfestsetzung einlegen.

5575

Richtet sich die Wertfestsetzung in dem zugrunde liegenden Verfahren dagegen ausschließlich nach § 33 Abs. 1 RVG, steht nur dem Anwalt und dem Gebührenschuldner das Antragsrecht zu. Der Festsetzungsbeamte darf dann weder die erstmalige Wertfestsetzung oder eine amtswegige Korrektur beantragen, solange der Wert zwischen den Parteien des Vergütungsfestsetzungsverfahrens unstreitig ist. Erst Recht kann er nicht Erinnerung oder Beschwerde gegen die Wertfestsetzung einlegen.

5576

Eine während des Vergütungsfestsetzungsverfahren ergehende Abänderung der Wertfestsetzung ist stets zu beachten.

5577

Wird der Gegenstandswert des zugrunde liegenden Verfahrens erst nach Abschluss des Vergütungsfestsetzungsverfahren gerichtlich abgeändert, so gilt § 107 ZPO entsprechend (§ 11 Abs. 2 Satz 3 RVG).

C. Wert des Beschwerdegegenstands 5578

Während Erinnerung und Rechtsbeschwerde (bei entsprechender Zulassung) wertunabhängig zulässig sind, setzt die sofortige Beschwerde einen Beschwerdewert von mehr als 200 Euro voraus (§ 11 Abs. 2 RVG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 1 AnwK-RVG/N. Schneider, § 11 Rn. 146; v. Eicken/Hellstab/Lappe/Madert/Mathias, I Rn. 25.

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N. Schneider

Verkehrsunfallschadenregulierung Satz 1, 567 Abs. 2 ZPO). Der Beschwerdewert ergibt sich aus der Differenz des festgesetzten Betrags zu dem Betrag der begehrten Festsetzung. Für den Anwalt ist also der Betrag der angefochtenen Absetzung maßgebend und für den Auftraggeber der Wert der angefochtenen Festsetzung. Dabei bleiben auch hier Zinsen und Kosten (insbesondere Zustellungskosten) neben der Hauptforderung ohne Ansatz (§ 4 ZPO). Wird nur die Verzinsung oder unterbliebene Verzinsung angefochten, ist deren Wert maßgebend.

Vergütungsvereinbarung, Herabsetzung S. das Stichwort „Herabsetzung einer vereinbarten Vergütung“ und „Vereinbarungen zum Streitwert“.

Verkehrsunfallschadenregulierung Literatur: Fölsch, Anwaltsvergütung im Verkehrsrecht, 1. Aufl. 2008; Onderka, Anwaltsgebühren in Verkehrssachen, 3. Aufl. 2010; N. Schneider, Gegenstandswerte bei Schadensregulierung in Verkehrsunfallsachen, AGS 2005, 323; N. Schneider, Streitwert des materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs, NJW 2008, 3317.

A. Überblick Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall sind grundsätzlich auf Geld oder Freistellung gerichtet. Auch Feststellungsanträge – insbesondere für Zukunftsschäden – kommen vor. Insoweit gelten bei der Bewertung keine Besonderheiten. Auseinander zu halten sind auch hier Zuständigkeitsstreitwert, Rechtsmittelstreitwert und Gebührenstreitwert. Hinzu kommt noch der Erledigungswert, der für die Berechnung des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs von Bedeutung ist.

5579

B. Zuständigkeitsstreitwert Für den Zuständigkeitsstreitwert ist auf die § 3 ff. ZPO abzustellen.

5580

Wird eine Unterhaltsrente verlangt, richtet sich der Wert nach § 9 ZPO. S. dazu Rn. 5675 ff.

5581

Häufig ergeben sich Probleme, welche Positionen als Nebenforderungen (§ 4 ZPO) außer Ansatz bleiben. S. dazu Rn. 5639 ff.

5582

Wird eine Vielzahl von Positionen im Wege der objektiven oder zum Teil auch subjektiven Klagenhäufung geltend gemacht, so sind die Werte der einzelnen Schadenspositionen, sofern es sich um Hauptforderungen handelt, zusammenzurechnen (§ 5 ZPO).

5583

* Æ Beispiel: Eingeklagt werden für den Eigentümer 5.000 Euro Reparaturkosten und für den Fahrer 1.000 Euro Schmerzensgeld. Der Zuständigkeitsstreitwert beläuft sich auf 6.000 Euro.

N. Schneider

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Verkehrsunfallschadenregulierung 5584

Eine Zusammenrechnung kommt allerdings nur in Betracht, soweit die Schadenspositionen zeitgleich geltend gemacht werden (§ 5 ZPO).

* Æ Beispiel: Eingeklagt werden 4.000 Euro Reparaturkosten und 1.000 Euro Sachverständigenkosten. Nach Zahlung des Kaskoversicherers wird die Klage i.H.v. 4.700 Euro übereinstimmend für erledigt erklärt und um 500 Euro Nutzungsentschädigung erweitert. Der Zuständigkeitsstreitwert belief sich zunächst auf 5.000 Euro, später auf 300 Euro und hiernach auf 800 Euro. An der Zuständigkeit des Amtsgerichts hat sich daher nichts geändert. Eine Addition der Werte von ursprünglicher Klage und Klageerweiterung kommt beim Zuständigkeitsstreitwert nicht in Betracht; es kommt nur auf die zeitgleich anhängigen Gegenstände an.

5585

Auch im Falle von Klage und Widerklage wird für den Zuständigkeitsstreitwert nicht addiert (§ 5 ZPO).

5586

Wird auf Feststellung der vollen Haftung geklagt, sind zunächst die zu erwartenden Schadenspositionen zu ermitteln. Hiernach ist ggf. ein Feststellungsabschlag vorzunehmen.

5587

Soll nur einer quotale Haftung festgestellt werden, etwa weil der Kläger ein Mitverschulden einräumt, ist von der entsprechenden Quote der zu erwartenden Schadenspositionen auszugehen und hiervon dann ggf. ein Feststellungsabschlag vorzunehmen.

5588

In Anbetracht dessen, dass bei einem Haftpflichtversicherer grundsätzlich davon auszugehen ist, dass er nach einem entsprechenden Feststellungsurteil die Schadenspositionen auch ohne Weiteres nach der gegebenen Quote regulieren wird, wird hier zum Teil auch vertreten, keinen Feststellungsabschlag vorzunehmen, da der Feststellung faktisch die gleiche Wirkung wie einem Zahlungstitel zukomme. S. dazu „Feststellungsklage“ Rn. 2296 f.

5589

Es ist unstatthaft, bei einem nicht einfach gelagerten Verkehrsunfall mit nicht unerheblichem Schaden durch allzu knappe Streitwertbemessung für ein Feststellungsbegehren die Zuständigkeit des Landgerichts zu verneinen, besonders dann, wenn die Bestimmung des Streitwerts im Rahmen eines Gesuchs um Prozesskostenhilfe auch noch von einer Schadensersatzquote abhängt, die in ihrer Höhe ohne Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit festgestellt werden kann.1

5590

Wird eine Teilklage hinsichtlich einzelner Schadenspositionen mit einer Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) verbunden, so richtet sich der Wert der Teilklage nach dem Betrag, der beziffert geltend gemachten Schadenspositionen (§ 3 ZPO). Der Wert der Zwischenfeststellungsklage richtet sich nach der Summe aller Schadenspositionen, die hier in Betracht kommen – einschließlich der beziffert geltend gemachten. Hiervon ist dann – wie bei einer Feststellungsklage – ggf. ein Abschlag vorzunehmen (s. Rn. 5595). Die Werte von Klage und Zwischenfeststellungsklage sind sodann zusammenzurechnen (§ 5 ZPO), wobei zu beachten ist, dass hinsichtlich derjenigen Schadenspositionen, die bereits durch die Teilklage erfasst sind, wirtschaftliche Identität besteht und damit ein Additionsverbot. 1 OLG Köln, NJW 1960, 1623.

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N. Schneider

Verkehrsunfallschadenregulierung

* Æ Beispiel: Ausgehend von einer 100 %igen Haftung klagt der Kläger 5.000 Euro Sachschaden ein und beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn den gesamten Schaden aus dem zugrunde liegenden Verkehrsunfall zu ersetzen. Zu erwarten sind noch weitere Schäden (Nutzungsausfall, Sachverständigenkosten, Schmerzensgeld etc.) i.H.v. weiteren 5.000 Euro. Der Wert der Klageforderung beläuft sich auf 5.000 Euro. Für die Zwischenfeststellungsklage ist von dem Gesamtschaden i.H.v. 10.000 Euro auszugehen. Geht man von einem Feststellungsabschlag von 20 % aus, beträgt der Wert der Zwischenfeststellungsklage 8.000 Euro. Da in der Zwischenfeststellungsklage bereits 80 % des Sachschadens enthalten sind, darf insoweit nicht addiert werden. In Höhe von 80 % aus 5.000 Euro besteht insoweit wirtschaftliche Identität. Der Streitwert des Verfahrens beläuft sich insgesamt auf 9.000 Euro. Zum gleichen Ergebnis käme man auch, wenn man zu den 5.000 Euro der Leistungsklage 80 % der weiteren Ansprüche, also 4.000 Euro hinzuaddiert. Dies mag für den Zuständigkeitsstreitwert unerheblich sein. Beim Gebührenstreitwert würde dies jedoch zu falschen Ergebnissen führen (s. unten Rn. 5594).

C. Rechtsmittelstreitwert Der Rechtsmittelstreitwert ist ebenso zu bewerten wie der Zuständigkeitsstreitwert. Hier sind die Werte von Klage und Widerklage allerdings zusammenzurechnen, wenn sich der Rechtsmittelführer gegen die Abweisung seiner Klage und zugleich gegen seine Verurteilung auf die Widerklage hin wendet oder umgekehrt.

5591

D. Gebührenstreitwert I. Gerichtsgebühren 1. Überblick Der Gebührenstreitwert für die Gerichtsgebühren wiederum folgt aus § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. den §§ 3 ff. ZPO. Daneben kann auch § 42 Abs. 1, 2 GKG eine Rolle spielen, nämlich bei Schadensersatzrenten. S. dazu Rn. 5675 f.

5592

Des Weiteren ergeben sich auch hier zahlreiche Probleme bei der Frage, welche Schadenspositionen als Nebenforderungen gelten, insbesondere bei den vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten. Die Bewertung erfolgt hier nach § 43 Abs. 1 u. 2 GKG. S. dazu Rn. 5639 ff.

5593

2. Zusammenrechnung aller Schadenspositionen Werden im Verlaufe des Rechtsstreits oder der außergerichtlichen Regulierung mehrere Schadenspositionen im Wege der objektiven oder subjektiven Klagenhäufung geltend gemacht, werden die Werte aller Gegenstände, soweit es sich bei den einzelnen Schadenspositionen um Hauptforderungen handelt, zusammengerechnet, und zwar – im Gegensatz zum Zuständigkeitsstreitwert – unabhängig davon, ob sie zeitgleich geltend gemacht werden oder nacheinander (§ 39 Abs. 1 GKG).1 1 S. „Mehrere Ansprüche“ Rn. 3638 ff.

N. Schneider

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5594

Verkehrsunfallschadenregulierung

* Æ Beispiel:1 Der Kläger hatte aufgrund eines Verkehrsunfalls zunächst nur die anfallenden Reparaturkosten (3.045 Euro), die Kosten des Sachverständigen (727,09 Euro) sowie die allgemeine Kostenpauschale (25 Euro) geltend gemacht (insgesamt 3.770,09 Euro). Nachdem im Verlauf des Rechtsstreits der Kaskoversicherer die Reparaturkosten abzüglich der Selbstbeteiligung von 300 Euro zahlte, nahm der Kläger die Klage insoweit zurück. Gleichzeitig erweiterte er die Klage um weitere Schadenspositionen i.H.v. 318,27 Euro. Der Streitwert des Verfahrens belief sich auf 4.088,27 Euro. Nach § 39 Abs. 1 GKG waren die Werte alle Positionen zusammenzurechnen.

3. Feststellungsklage 5595

Bei einer Feststellungsklage sind zunächst sämtliche Schadenspositionen maßgebend, soweit es sich nicht um Nebenforderungen handelt (§ 43 Abs. 1 GKG). Hiervon ist dann ggf. ein entsprechender Feststellungsabschlag vorzunehmen. In Anbetracht dessen, dass ein Haftpflichtversicherer nach einem entsprechenden Feststellungsurteil die zugrunde liegenden Schadenspositionen ohne Weiteres entsprechend der gegebenen Quote regulieren wird, kann ein Feststellungsabschlag auch zu verneinen sein, da der Feststellung faktisch die gleiche Wirkung wie einem Zahlungstitel zukommt. S. im Einzelnen das Stichwort „Feststellungsklage“ Rn. 2296 f.

5596

Hatte der Beklagte vor Klageerhebung eine bestimmte Haftungsquote unstreitig gestellt, und wird nur noch die Feststellung einer weiter gehenden Haftungsquote begehrt, so sind die Schadenspositionen nur nach der verbleibenden Quote zu bemessen.

5597

Wird eine Quote erst nach Klageerhebung unstreitig gestellt, hat dies für die Gerichtsgebühren keine Auswirkung (§ 40 GKG). 4. Zwischenfeststellungsklage

5598

Zu rechnen ist wie beim Zuständigkeitsstreitwert. Die Werte von Klage und Zwischenfeststellungsklage sind auch hier zusammenzurechnen, wobei zu beachten ist, dass hinsichtlich der Schadenspositionen, die bereits durch die Teilklage erfasst sind, wirtschaftliche Identität besteht und damit ein Additionsverbot.

* Æ Beispiel: Der Wert der Klageforderung beläuft sich auf 5.000 Euro; der Wert der Zwischenfeststellungsklage auf 10.000 Euro abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20 %, also 8.000 Euro. Der Gesamtwert beläuft sich jedoch nur auf 9.000, da i.H.v. 5.000 Euro wegen wirtschaftlicher Identität ein Additionsverbot besteht. Unzutreffend wäre es hier, zu den 5.000 Euro der Leistungsklage 80 % der weiteren Ansprüche, also 4.000 Euro hinzuzuaddieren. Denn aus dem Wert der Feststellung können gesonderte Gebühren anfallen.

* Æ Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel. Der Versicherer erkennt den Feststellungsantrag an, sodass insoweit ein Teilanerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren nach § 307 ZPO ergeht. Hiernach zahlt der 1 Fall nach AG Siegburg, Beschl. v. 29.3.2010 – 118 C 192/09, AGkompakt 2010, 66.

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N. Schneider

Verkehrsunfallschadenregulierung Versicherer 4.000 Euro auf den Sachsachen, da sich die Reparaturkosten nach seiner Auffassung nur auf diesen Betrag belaufen. Insoweit wird der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt und der Kläger nimmt die Klageorderung in Höhe der weiteren 1.000 Euro zurück. Die Terminsgebühr (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG) ist nach dem Wert der Zwischenfeststellungsklage angefallen, also aus 9.000 Euro – nicht etwa aus 4.000 Euro.

5. Klage und Widerklage Die Werte von Klage und Widerklage sind für den Gebührenstreitwert zusammenzurechnen (§ 45 Abs. 1 GKG), soweit sie nicht denselben Streitgegenstand betreffen, was in Verkehrsunfallsachen jedoch kaum vorkommt.

5599

6. Wechselseitige Rechtsmittel Werden wechselseitige Rechtsmittel eingelegt, so sind deren Werte nach § 45 Abs. 2 GKG zu addieren. Dies gilt auch dann, wenn sich die Erfolgsaussichten der wechselseitigen Rechtsmittel gegenseitig ausschließen. Es gilt hier nichts anderes als in erster Instanz. Entscheidend ist insoweit (auch) eine wirtschaftliche Betrachtung.

5600

* Æ Beispiel: Der Kläger klagt ausgehend von einer vollen Haftung des Beklagten 10.000 Euro Schadenersatz ein. Der Beklagte wiederum erhebt Widerklage und klagt auf Zahlung von 8.000 Euro, ausgehend von einer 100 %igen Haftung des Klägers. Das Gericht geht von einer beiderseitigen hälftigen Mithaftung aus und verurteilt den Beklagten zur Zahlung von 5.000 Euro; den Kläger zur Zahlung von 4.000 Euro. Beide Parteien legen gegen ihre Verurteilung und die Abweisung ihrer eigenen Klage Berufung ein. In erster Instanz beläuft sich der Streitwert auf 18.000 Euro, da Klage und Widerklage zusammengerechnet werden (§ 45 Abs. 1 GKG). Dass sich die Erfolgsaussichten wechselseitig ausschließen, ist unerheblich. Zwar hat bei einer solchen Konstellation das Stattgeben der Klage zwingend zur Folge, dass die Widerklage abgewiesen werden muss und umgekehrt; es liegen jedoch unterschiedliche wirtschaftliche Interessen vor, sodass zu addieren ist. In zweiter Instanz gilt nichts anderes. Die Berufung des Klägers hat einen Wert von 5.000 Euro (Klageabweisung) + 4.000 Euro (Verurteilung) = 9.000 Euro. Die Berufung des Beklagten hat einen Wert i.H.v. 4.000 Euro (Widerklageabweisung) + 5.000 Euro (Verurteilung auf die Klage) = 9.000 Euro. Die Werte sind nach § 45 Abs. 2 GKG zusammenzurechnen, sodass sich auch in der Berufungsinstanz ein Gebührenstreitwert von 18.000 Euro ergibt.

Die gegenteilige Auffassung des OLG Celle,1 die zu Recht auch vereinzelt geblieben ist, verkennt, dass derselbe Streitgegenstand bei Klage und Widerklage auch eine wirtschaftliche Identität voraussetzt.

5601

7. Mehrwertvergleich Wird im gerichtlichen Verfahren ein Vergleich geschlossen und werden darin auch weitere Schadenspositionen mit einbezogen, die bislang nicht anhängig waren, ist nach § 63 Abs. 2 GKG ein Mehrwert für den Vergleich festzusetzen, da daraus die Vergleichsgebühr aus Nr. 1900 KV GKG erhoben wird. 1 OLG Celle, Beschl. v. 23.1.2008 – 14 U 98/07, OLGR 2008, 313.

N. Schneider

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5602

Verkehrsunfallschadenregulierung 5603

Zu solchen Vergleichen mit Mehrwerten kommt es in der Regel dann, wenn zunächst – u.U. aus Kostengründen – lediglich eine Teilklage erhoben worden ist und im gerichtlichen Verfahren dann sämtliche Schadenspositionen verglichen werden.

5604

Ein Mehrwert liegt auch dann vor, wenn nur ein Teil der Schadenspositionen eingeklagt wird, die Parteien sich dann aber über den Haftungsgrund endgültig vergleichen. Der Mehrvergleich hat dann die gleichen Wirkungen wie ein Feststellungsurteil. Maßgebend ist für den Mehrwert dann die streitige Haftungsquote aus dem noch zu erwartenden Schadenspositionen, ggf. abzüglich eines Feststellungsabschlags.

* Æ Beispiel: – Eingeklagt werden zunächst 1.000 Euro Sachschaden ausgehend von einer 100 %igen Haftung. Im Termin schließen die Parteien einen Vergleich, dass ein Betrag i.H.v. 1.000 Euro gezahlt wird und damit auch alle weiter gehenden Schadenersatzansprüche abgegolten sein sollen. Der Streitwert des Verfahrens beläuft sich auf 1.000 Euro. Der Mehrwert beläuft sich auf die Summe derjenigen Positionen, die noch zu erwarten waren (Nutzungsausfall, Kostenpauschale, Sachverständigenkosten etc.) ausgehend von einer 100 %igen Haftung. – Eingeklagt werden ausgehend von einer 75 %igen Haftung zunächst nur die Reparaturkosten i.H.v. 3.000 Euro (75 % aus 4.000 Euro). Die Parteien schließen sodann einen Vergleich, dass auf die Reparaturkosten 2.000 Euro gezahlt werden und auch die weiteren Schadenpositionen auf der Basis einer 50 %igen Haftung reguliert werden. Der Streitwert des Verfahrens beläuft sich auf 3.000 Euro. Der Mehrwert des Vergleichs richtet sich nach den noch zu erwartenden Schadenpositionen (Nutzungsausfall, Sachverständigengutachten etc.) zu 75 %, ggf. abzüglich eines Feststellungsabschlags.

II. Anwaltsgebühren 1. Überblick 5605

Der Gegenstandswert der Anwaltsgebühren richtet sich im Rechtsstreit gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG nach den Wertvorschriften des gerichtlichen Verfahrens.

5606

Im Fall einer außergerichtlichen Regulierung gilt das Gleiche (§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG), da die auf Schadensregulierung gerichtete anwaltliche Tätigkeit auch Gegenstand eines Rechtsstreits sein könnte.

5607

Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass es für die einzelnen Gebühren zu unterschiedlichen Werten kommen kann. Im Gegensatz zu den gerichtlichen Gebühren wird vom Anwalt nicht eine einzige Gebühr für das gesamte Verfahren erhoben. Hier können drei Gebühren anfallen, nämlich Verfahrensgebühr, Terminsgebühr und Einigungsgebühr. 2. Verfahrensgebühr

5608

Der Wert der Verfahrensgebühr berechnet sich zum einen nach der Summe sämtlicher im laufenden Verfahren anhängig gewordener Gegenstände (§ 23 Abs. 1 Satz 1, 3 i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG), soweit der Anwalt damit beauftragt war. Es gilt das Gleiche wie bei den Gerichtsgebühren (s. Rn. 5592 ff.). 1188

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N. Schneider

Verkehrsunfallschadenregulierung Ein geringerer Wert kann sich für den Anwalt nur dann ergeben, wenn er erst im Verlaufe des Verfahrens nach einer Wertermäßigung beauftragt worden ist.

5609

* Æ Beispiel: Eingeklagt werden 4.000 Euro Sachschaden. Nach Klageerhebung zahlt der Versicherer 2.000 Euro, worauf der Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt wird. Hiernach beauftragt der Versicherer einen Anwalt mit der Klageverteidigung. Für den Anwalt des Klägers gilt der volle Wert von 4.000 Euro, für den Anwalt des Versicherers lediglich der Wert von 2.000 Euro.

Der Gegenstandswert für die Verfahrensgebühr kann auch höher liegen als der Wert des gerichtlichen Verfahrens, nämlich dann, wenn sich die Sache vor Klageerhebung erledigt hat (Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG) oder wenn im Verlaufe des Rechtsstreits nicht anhängige Gegenstände in Verhandlungen oder Vergleiche mit einbezogen werden (Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG).

5610

* Æ Beispiel: Der Anwalt erhält den Auftrag, 10.000 Euro Sachschaden einzuklagen. Bevor die Klage eingereicht wird, zahlt der Versicherer auf der Basis 50 %iger Haftung 5.000 Euro, sodass die Klage nur noch i.H.v. 5.000 Euro eingereicht wird. Der Wert des gerichtlichen Verfahrens beläuft sich auf 5.000 Euro. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit beläuft sich dagegen auf 10.000 Euro. Wobei der Anwalt aus den weiteren 5.000 Euro lediglich die ermäßigte 0,8-Verfahrensgebühr nach Nrn. 3100, 3101 Nr. 1 VV RVG erhält, da es hinsichtlich des Mehrwerts nicht mehr zur Klageerhebung gekommen ist. Erhoben wird eine Teilklage i.H.v. 3.000 Euro. Im Termin verhandeln die Parteien über eine Gesamteinigung und versuchen darin auch die noch weiteren bislang nicht eingeklagten Schadenspositionen i.H.v. 2.000 Euro mit einzubeziehen. Der Gegenstandswert für die gerichtliche Verfahrensgebühr beläuft sich auf 3.000 Euro; der Gegenstandswert für die anwaltliche Verfahrensgebühr beläuft sich auf 5.000 Euro,1 wobei aus dem Mehrwert nach Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG wiederum lediglich eine 0,8-Verfahrensgebühr anfällt.

Der (Mehr-)wert der anwaltlichen Tätigkeit ist ggf. im Verfahren nach § 33 RVG festzusetzen.2

5611

Schließen die Parteien einen Vergleich mit Mehrwert, dann berechnet sich die Verfahrensgebühr des Anwalts aus der Summe der Werte für die gerichtliche Verfahrensgebühr und für den Mehrwert des gerichtlichen Vergleichs, den das Gericht nach § 63 Abs. 2 GKG bereits für die Gerichtsgebühren festzusetzen hat. In diesem Fall bedarf es keiner Wertfestsetzung nach § 33 RVG, da der Anwalt insoweit gem. § 32 Abs. 1 RVG an die für die Gerichtsgebühren festgesetzten Werte gebunden ist, auch wenn sich seine Gebühren anders zusammensetzen.

5612

* Æ Beispiel: Eingeklagt sind 3.000 Euro Sachschaden. Im Termin schließen die Parteien einen Vergleich, dass die Beklagte insgesamt 3.000 Euro zu zahlen habe und damit auch die bislang nicht eingeklagten weiteren Schadenspositionen i.H.v. 2.000 Euro abgegolten sein sollen. Das Gericht setzt den Streitwert des Verfahrens auf 3.000 Euro fest und den Mehrwert des Vergleichs auf 2.000 Euro. 1 AG Siegburg, Beschl. v. 25.3.2008 – 107 C 120/07, AGS 2008, 361 u. 579. 2 AG Siegburg, Beschl. v. 25.3.2008 – 107 C 120/07, AGS 2008, 361 u. 579.

N. Schneider

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1189

Verkehrsunfallschadenregulierung Diese Wertfestsetzung ist auch für den Anwalt bindend. Er erhält seine Verfahrensgebühr aus dem Gesamtwert von 5.000 Euro.

5613

Übersehen wird insoweit häufig, dass der Anwalt nur an die Festsetzung der Werte gebunden ist. Die Werte von 3.000 Euro und 2.000 Euro sind also für ihn gem. § 32 Abs. 1 RVG bindend. Die Wertfestsetzung des Gerichts entfaltet dagegen keine Bindungswirkung, dass der Wert von 3.000 Euro auch für die anwaltliche Verfahrensgebühr gelte. Welche Gebühren sich aus den gerichtlichen Werten ergeben, ist unabhängig von § 32 Abs. 1 RVG nach den Tatbeständen des Vergütungsverzeichnisses zum RVG zu prüfen. 2. Terminsgebühr

5614

Der Gegenstandswert der Terminsgebühr bestimmt sich nach der Summe sämtlicher Gegenstände, über die im Verlaufe des Verfahrens verhandelt oder erörtert worden ist oder über die die Anwälte Besprechungen zur Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens geführt haben (Vorbem. 3 Abs. 3, 1. u. 3. Var. VV RVG). Der Wert der Terminsgebühr kann dabei dem Wert des gerichtlichen Verfahrens entsprechen, er kann auch geringer oder höher liegen.

* Æ Beispiel: – Eingeklagt sind 3.000 Euro Sachschaden. Darüber wird verhandelt und entschieden. Die Terminsgebühr richtet sich nach dem Wert von 3.000 Euro. – Eingeklagt sind 3.000 Euro. Der Versicherer zahlt daraufhin 1.500 Euro, sodass der Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wird. Verhandelt wird nur noch über die weiteren 1.500 Euro. Der Wert des Verfahrens bleibt bei 3.000 Euro; der Wert der Terminsgebühr richtet sich jetzt jedoch lediglich nach 1.500 Euro. – Eingeklagt sind 3.000 Euro im Wege der Teilklage. Im Termin verhandeln die Parteien auch über weiter gehende nicht anhängige Gegenstände von 2.000 Euro. Die Verhandlungen führen jedoch nicht zu einer Einigung. Der Wert der Terminsgebühr beläuft sich jetzt auf 5.000 Euro, unabhängig davon, ob eine Einigung zu Stande kommt oder nicht.

5615

Die Terminsgebühr kann auch schon vor Anhängigkeit anfallen.

* Æ Beispiel: Der Anwalt erhält Auftrag, gegen den gegnerischen Haftpflichtversicherer Klage auf Schadenersatz i.H.v. 10.000 Euro zu erheben. Bevor die Klage eingereicht wird, kommt es zu einem Gespräch mit dem Sachbearbeiter des Versicherers. Es wird eine Einigung geschlossen, sodass es nicht mehr zur Klageerhebung kommt. Angefallen ist jetzt zwar nur die ermäßigte 0,8-Verfahrensgebühr nach Nrn. 3100, 3101 Nr. 1 VV RVG; daneben entsteht aber aus dem vollen Wert von 10.000 Euro auch die 1,2-Terminsgebühr.

3. Einigungsgebühr 5616

S. hierzu auch die Stichwörter „Vergleich“ und „Einigung“. Für den Gegenstandswert der Einigung ist auch im Rahmen der Verkehrsunfallregulierung die Leistung, auf die sich die Parteien geeinigt haben, unbeachtlich. Allein maßgebend sind die Gegenstände, über die sich die Parteien geeinigt haben. Bei der Schadensregulierung wird also in aller Regel der streitige (Rest-)Betrag der jeweiligen Schadensposition(en) maßgebend sein. 1190

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N. Schneider

Verkehrsunfallschadenregulierung

* Æ Beispiel: Geltend gemacht werden 5.000 Euro Schmerzensgeld. Der Versicherer erkennt 3.000 Euro an. Anschießend einigen sich die Parteien schließlich auf 4.000 Euro, die dann auch gezahlt werden. Der Gegenstandswert für die Einigung beläuft sich hier nur auf 2.000 Euro, da nur dieser Differenzbetrag strittig war. Welcher Betrag letztlich gezahlt wird, ist nicht entscheidend.1

Dies gilt auch im umgekehrten Fall:

5617

* Æ Beispiel: Auf die geforderten 5.000 Euro zahlt der Versicherer vorschussweise 3.000 Euro; anschließend vertritt er jedoch die Auffassung, ein Schmerzensgeld stehe dem Geschädigten überhaupt nicht zu. Die Parteien einigen sich später auf 4.000 Euro. Der Gegenstandswert für den Vergleich beläuft sich hier auf 5.000 Euro. Die Vorschusszahlung wird beim Gegenstandswert jetzt nicht abgezogen, da über ihre Berechtigung nach wie vor Streit bestand.

Wird lediglich eine Einigung über die Haftungsquote geschlossen und die Bezifferung des Schadens noch offen gelassen, so ist der Gegenstandswert der bis dahin vom Schädiger geltend gemachten Positionen maßgebend. Ggf. ist hier ein Feststellungsabschlag vorzunehmen.

5618

Umstritten ist die Berechnung des Gegenstandswertes, wenn zum Abschluss der Regulierung eine Gesamteinigung geschlossen wird, wonach die gezahlten oder noch zu zahlenden Beträge sämtliche Schadensersatzansprüche abgelten sollen.

5619

* Æ Beispiel: Es werden 6.000 Euro Sachschaden, 3.000 Euro Schmerzensgeld und 2.000 Mietwagenkosten verlangt. Der Versicherer erkennt zunächst die Mietwagenkosten an und bezahlt sie. Auf den Sachschaden leistet er ohne Anerkennung einer Rechtspflicht einen Vorschuss i.H.v. 3.000 Euro. Später einigen sich die Parteien darauf, dass zum Ausgleich aller Ansprüche 8.000 Euro unter Einbeziehung der bereits geleisteten Beträge gezahlt werden.

Einige Gerichte wollen in diesem Fall die Summe aller geltenden gemachten Ansprüche bei der Berechnung des Gegenstandswertes berücksichtigen. Im Beispielsfall wäre nach dieser Auffassung also ein Gegenstandswert i.H.v. 11.000 Euro anzunehmen. Dies dürfte jedoch unzutreffend sein. Soweit einzelne Positionen ausgeglichen werden, sind sie außer Streit und damit nicht mehr Gegenstand der Einigung. Nur soweit es sich um Vorschüsse oder um Vorbehaltszahlungen handelt, also noch keine endgültige Erfüllung eingetreten ist, sind die Positionen zu berücksichtigen. Im Beispielsfall bleiben damit die bereits bezahlten Mietwagenkosten außer Ansatz. Berücksichtigt wird dagegen das Schmerzensgeld und der volle Sachschaden, da insoweit nur ein Vorschuss geleistet worden ist. Der Gegenstandswert für die Einigung beläuft sich damit auf 9.000 Euro.

5620

E. Erledigungswert Der Erledigungswert wiederum folgt der Berechnung des Gebührenstreitwerts. Hier sind allerdings nur die berechtigten Ansprüche zu berücksichtigen. 1 AG Frankfurt, Urt. v. 15.10.1991 – 23 C 1466/91, zfs 1992, 243; a.A. AG Karlsruhe, Urt. v. 2.4.1982 – 10 S 112/81, AnwBl. 1983, 95.

N. Schneider

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Verkehrsunfallschadenregulierung

I. Erstattungsverhältnis 5622

Bedeutung hat der Erledigungswert unmittelbar für die Frage, welche Kosten der Schädiger dem Geschädigten zu ersetzen hat. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH berechnet sich der materiell-rechtliche Kostenersatzanspruch des Geschädigten hinsichtlich der ihm entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten nach dem Gegenstandswert, der der Summe aller berechtigten Schadensersatzansprüche entspricht.1

* Æ Beispiel: In einer Verkehrsunfallsache macht der Anwalt für den Geschädigten außergerichtlich Schadenersatzansprüche i.H.v. 15.000 Euro geltend. Der Versicherer reguliert schließlich 10.000 Euro, womit sich der Geschädigte zufrieden gibt. Angefallen sind beim Anwalt folgende Gebühren, wobei hinsichtlich der Geschäftsgebühr von einer Mittelgebühr ausgegangen werden soll. 1. 1,5 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 15.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

5623

849,00 Euro 20,00 Euro 869,00 Euro 165,11 Euro 1.034,11 Euro

Immer wieder wird versucht,2 den Ersatzanspruch quotal nach dem Anteil der berechtigten Ansprüche von den insgesamt geltend gemachten Ansprüchen zu berechnen. Im Beispiel würde das zu einer Quote von 10.000/15.000 führen. Damit würde sich ein Erstattungsbetrag ergeben i.H.v. 1.034,11 Euro 6 10.000/15.000 =

5624

689,41 Euro.

Nach der Berechnungsmethode des BGH kann der Geschädigte dagegen die vollen Kosten aus dem Erledigungswert verlangen, also die Koten, die ihm entstanden wären, wenn er sich von vornherein auf die berechtigten Ansprüche beschränkt hätte. Im Beispiel erhält er also seine Gebühren aus dem Gegenstandswert von 10.000 Euro erstattet: 1. 1,5 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 10.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

5625

729,00 Euro 20,00 Euro 749,00 Euro 142,31 Euro 891,31 Euro

Der Unterschied ist erheblich, da dem Geschädigten die Gebührendegression in voller Höhe zugutekommt. Bei ihm verbleibt also nur der Spitzenbetrag, der sich aus der Gebührendifferenz zwischen Auftrags- und Erledigungswert ergibt. Im Beispiel muss der Geschädigte nur die Gebührendifferenz zwischen den Gebühren aus 10.000 Euro und 15.000 Euro selbst tragen; bei den Auslagen verbleibt gar kein Eigenanteil:

1 BGH, Beschl. v. 18.1.2005 – VI ZR 73/04, NJW 2005, 1112 = MDR 2005, 751; BGH v. 7.11.2007 – VIII ZR 341/06, MDR 2008, 351 = NJW 2008, 1888. 2 So die Vorinstanz (LG Gießen) zu BGH, Beschl. v. 7.11.2007 – VIII ZR 341/06, AGS 2008, 107 = MietRB 2008, 74 = MDR 2008, 351 = NJW 2008, 1888.

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N. Schneider

Verkehrsunfallschadenregulierung 1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 15.000 Euro) 2. Erstattung (1,5-Geschäftsgebühr aus 10.000 Euro) 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 4. Erstattung Postentgeltpauschale Zwischensumme 5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

849,00 Euro – 729,00 Euro 20,00 Euro – 20,00 Euro 120,00 Euro 22,80 Euro 142,80 Euro

Abzustellen ist auf die begründeten Ansprüche, nicht auf die gezahlten Beträge. Dies wird immer wieder verwechselt. Der Erledigungswert muss nicht mit dem Betrag identisch sein, den der Versicherer auszahlt. Schon gar nicht kommt es darauf an, ob an den Mandanten gezahlt worden ist. Auch Zahlungen an Abtretungsempfänger wie z.B. den Mietwagenunternehmer oder die Werkstatt, sind beim Erledigungswert mit zu berücksichtigen (s. Rn. 5631 f.).

5626

Erledigungswert, also der Gesamtwert der berechtigten Ansprüche, und tatsächlich gezahlter Betrag können insbesondere dann auseinander fallen, wenn im Verlaufe der Regulierung der Kaskoversicherer in Anspruch genommen wird und er einen Teil der Ansprüche zahlt, sodass sich im Haftpflichtverhältnis wegen Forderungsübergang der Schaden verringert.

5627

* Æ Beispiel: Der Geschädigte verlangt ausgehend von einer vollen Haftung des Schädigers 10.000 Euro. Da sich die Regulierung hinzieht, nimmt er seinen Kaskoversicherer in Anspruch, der abzüglich einer Selbstbeteiligung i.H.v. 600 Euro eine Entschädigung in Höhe 9.400 Euro zahlt. Später reguliert der Haftpflichtversicherer auf der Basis einer 50 %igen Haftung und zahlt unter Berücksichtigung des Quotenvorrechts noch die restlichen 600 Euro. Der Erledigungswert beträgt jetzt nicht etwa nur 600 Euro, weil nur dieser Betrag gezahlt worden ist. Ausgehend von einer hälftigen Haftung war ein Schadensersatzanspruch i.H.v. 5.000 Euro berechtigt. Der Erledigungswert beträgt folglich 5.000 Euro Nach diesem Wert muss der Haftpflichtversicherer die angefallenen Anwaltskosten ersetzen.1

II. Auftragsverhältnis Der Erledigungswert hat für die Abrechnung zwischen Anwalt und Auftraggeber keine unmittelbare Bedeutung. Im Vergütungsverhältnis zwischen Anwalt und Auftraggeber ist alleine der Auftragswert entscheidend. Die vom Auftraggeber zu zahlende Vergütung berechnet sich nach dem Gesamtwert derjenigen Schadenersatzansprüche, die der Anwalt für den Geschädigten durchsetzen soll.

5628

Es ergibt sich allenfalls eine mittelbare Bedeutung. Soweit der Anwalt dem Auftraggeber zu überhöhten Schadenersatzforderungen rät, kann dem Vergütungsanspruch ggf. ein Schadenersatzanspruch wegen fehlerhafter Beratung entgegenstehen mit der Folge, dass der Anwalt die Vergütung nur in der Höhe geltend machen kann, in der sie entstanden wäre, wenn er ordnungsgemäß beraten hätte und der Geschädigte daraufhin Schadenersatzansprüche nur einer geringen Höhe geltend gemacht hätte.

5629

1 Soweit die Kaskoregulierung von Anwalt durchgeführt wurde, sind dessen Kosten vom Versicherer zu erstatten und erhöhen ihrerseits den Erledigungswert (s. Rn. 5666).

N. Schneider

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Verkehrsunfallschadenregulierung

F. Einzelfälle 5630

Im Einzelnen gilt Folgendes: Stichwortübersicht Abgetretene Ansprüche . . . . . . . Ab- und Anmeldekosten . . . . . . Abänderung . . . . . . . . . . . . . Aktenversendungskosten . . . . . . Allgemeine Kostenpauschale . . . . Anwaltskosten der Haftpflichtregulierung . . . . . . . . . . . . . . . Anwaltskosten der Kaskoregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . Attest . . . . . . . . . . . . . . . . . Bearbeitungskosten/-gebühren . . . Behandlungskosten . . . . . . . . . Befreiungsansprüche . . . . . . . . Begutachtungskosten . . . . . . . . Fahrtkosten . . . . . . . . . . . . . Finanzierungskosten . . . . . . . . Freistellungsansprüche . . . . . . . Haushaltsführungsschaden . . . . . Kapitalabfindung . . . . . . . . . . Kaskoentschädigung . . . . . . . . . Kostenpauschale . . . . . . . . . . . Mehrwertsteuer . . . . . . . . . . . Merkantiler Minderwert . . . . . .

Rn. 5631 5633 5634 5636 5638 5639 5654 5655 5656 5657 5658 5659 5661 5662 5663 5664 5665 5666 5668 5669 5670

Mietwagenkosten . . . . . . . . . . Nutzungsausfallentschädigung . . . Pflegekosten . . . . . . . . . . . . . Radioumbaukosten . . . . . . . . . Rentenansprüche . . . . . . . . . . Restwert . . . . . . . . . . . . . . . Rückstufung . . . . . . . . . . . . . Sachschaden . . . . . . . . . . . . . Sachverständigenkosten . . . . . . . Schadensfreiheitsrabatt . . . . . . . Schmerzensgeldforderungen, bezifferte . . . . . . . . . . . . . . . . Schmerzensgeldforderungen, unbezifferte . . . . . . . . . . . . . . . Schmerzensgeldrente . . . . . . . . Standgeld . . . . . . . . . . . . . . . Transportkosten . . . . . . . . . . . Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . Verdienstausfall . . . . . . . . . . . Wertminderung . . . . . . . . . . . Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . Zulassungskosten . . . . . . . . . .

Rn. 5671 5672 5673 5674 5675 5684 5685 5686 5690 5691 5692 5693 5694 5695 5696 5697 5700 5701 5702 5707

Abgetretene Ansprüche 5631

Werden Schadensersatzforderungen hinsichtlich einzelner Positionen abgetreten, etwa an den Autovermieter wegen der Mietwagenkosten oder an den Sachverständigen hinsichtlich seiner Vergütung, und wird im Rahmen der Regulierung Zahlung an den Abtretungsempfänger verlangt, so wird der Wert der abgetretenen Forderungen für den Anwalt des Geschädigten in voller Höhe berücksichtigt.

5632

In diesen Fällen liegt lediglich eine Sicherungsabtretung vor, sodass der Geschädigte berechtigt bleibt, den abgetretenen Anspruch weiterhin in eigenem Namen als Freistellungsanspruch geltend zu machen, auch wenn er nur Zahlung an den Zessionar verlangen kann.1 S. auch „Befreiung von einer Verbindlichkeit“ Rn. 1554 ff. Ab- und Anmeldekosten

5633

Ab- und Anmeldekosten für Unfall- bzw. Neuwagen sind mit dem vollen Wert anzusetzen. Es handelt sich nicht um Nebenforderungen i.S. der § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG. 1 AG Biberach, Urt. v. 17.9.1987 – 5 C 604/87, DAR 1988, 27 = VersR 1988, 499 = ZfSch 1988, 78; AG Tettnang v. 21.6.1985 – 3 C 297/85, DAR 1986, 63 = ZfSch 1986, 109 = VersR 1986, 776; AG Limburg, Urt. v. 6.3.2006 – 4 C 118/06, AGS 2007, 100.

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N. Schneider

Verkehrsunfallschadenregulierung Abänderung Wird die Abänderung einer Rentenzahlungen aus einer Hinterbliebenenrente begehrt, so handelt es sich um eine selbständige Angelegenheit, die gesondert zu bewerten ist.1 Maßgebend für die Gerichts- und Anwaltsgebühren ist der für den Abänderungszeitraum geforderte Mehr- bzw. Minderbetrag. In der Regel wird eine jährliche Abänderung begehrt, da sich die Bemessungsfaktoren jährlich ändern. Wird für einen längeren Zeitrum Abänderung beantragt, so ist dieser maßgebend, höchstens jedoch der Betrag der nächsten fünf Jahre (§ 42 Abs. 1 GKG). Außergerichtlich sind alle fälligen Beträge sind hinzuzurechen; im gerichtlichen Verfahren nur die bei Klageeinreichung fälligen Beträge (§ 42 Abs. 4 GKG). S. dazu Rn. 5675 ff.

5634

Für den Zuständigkeitsstreitwert gilt dagegen nicht § 42 GKG, sondern § 9 ZPO. Maßgebend sind die für den Abänderungszeitraum verlangten Mehroder Minderbeträge, höchstens jedoch der dreieinhalbfache Jahreswert.

5635

Aktenversendungskosten Wird im Rahmen der Unfallregulierung Akteneinsicht genommen, so entsteht eine Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 KV GKG oder den entsprechenden Gebührenvorschriften der Länder. Da diese als verauslagte Kosten (Vorbem. 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG) Teil der Anwaltsvergütung sind, teilen sie auch streitwertmäßig deren Schicksal (s. Rn. 5639 ff.).

5636

Wird die Akteneinsicht im Rechtsstreit eingeholt, handelt es um Kosten des Verfahrens, die nicht bewertet werden.

5637

Allgemeine Kostenpauschale Es handelt sich nicht um eine Nebenforderung i.S. des § 4 ZPO und § 43 Abs. 1 GKG.2 Die geltend gemachte Pauschale ist mit dem geforderten Wert anzusetzen.

5638

Anwaltskosten der Haftpflichtregulierung 1. Überblick Die Kosten der anwaltlichen Regulierung können Nebenforderungen oder Hauptforderung sein.

5639

Im Rahmen der außergerichtlichen Schadensregulierung sind die Anwaltskosten, die in der Regel nach Abschluss der Regulierung eingefordert werden, immer Nebenforderung (§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG).

5640

Im Rechtsstreit sind die dort angefallenen Kosten gar nicht Streitgegenstand und damit nicht zu bewerten. Erst wenn nur noch die Kosten betroffen sind, werden sie zur Hauptsache und sind zu bewerten (§ 43 Abs. 3 GKG). S. hierzu „Kosten des Rechtsstreits“ Rn. 3389 ff.

5641

1 AG Siegburg, Urt. v. 11.7.2003 – 8 C 167/03, AGS 2003, 345 mit Anm. N. Schneider = MDR 2003, 1143 = JurBüro 2003, 530 = NZV 2004, 150 = VersR 2004, 396. 2 BGH, Beschl. v. 13.2.2007 – VI ZB 39/06, NJW 2007, 1752 = MDR 2007, 852; OLG München, Beschl. v. 16.11.1993 – 5 W 2314/93, NJW-RR 1994, 1484.

N. Schneider

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Verkehrsunfallschadenregulierung 5642

Werden vorgerichtliche Anwaltskosten im Schadensersatzprozess mit geltend gemacht, so sind sie – Hauptforderung, soweit sie isoliert eingeklagt werden, – Nebenforderung, soweit die Gegenstände, aus denen sie sich berechnen, Gegenstand des Rechtsstreits sind, – Hauptforderung, soweit die Gegenstände, aus denen sie sich berechnen, nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits sind, – Hauptforderung, soweit sie aus einer anderen Angelegenheit resultieren. 2. Anwaltskosten werden isoliert eingeklagt

5643

Werden vorgerichtliche Anwaltskosten oder wird ein Teil davon isoliert eingeklagt, dann sind die Kosten Hauptforderung und damit nach § 3 ZPO zu bewerten. Das gilt auch für die Anwalts- und Gerichtsgebühren (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG; § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG).

* Æ Beispiel: Es wird vorgerichtlich ein Schaden i.H.v. insgesamt 8.000 Euro geltend gemacht. Der Versicherer zahlt die 8.000 Euro. Der Geschädigte verlangt daraufhin noch den Ersatz seiner Anwaltskosten i.H.v. 1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 8.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

618,00 Euro 20,00 Euro 638,00 Euro 121,22 Euro 759,22 Euro

a) Der Versicherer zahlt diese Kosten nicht, da er der Auffassung ist, die Anwaltskosten seien nicht notwendig. Der Geschädigte erhebt daraufhin Klage auf Zahlung i.H.v. 759,22 Euro. b) Der Versicherer ist der Auffassung, eine 1,3-Geschäftsgebühr sei angemessen und zahlt nur 1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 8.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

535,60 Euro 20,00 Euro 555,60 Euro 105,56 Euro 661,16 Euro

Der Geschädigte erhebt daraufhin Klage auf Zahlung der restlichen (759,22 Euro – 661,16 Euro =) 98,06 Euro. Im Fall a) beträgt der Streitwert gem. § 3 ZPO 759,22 Euro, im Fall b) 98,06 Euro.

5644

Gleiches gilt, wenn die Anwaltskosten isoliert im Wege einer Widerklage geltend gemacht werden.1 3. Die Gegenstände, aus denen sich die Anwaltsgebühren berechnen, sind Gegenstand des Rechtsstreits

5645

Werden vorgerichtliche Anwaltskosten oder ein Teil davon neben der Hauptforderung, aus der sie resultieren, geltend gemacht, dann handelt es sich um Nebenforderungen, die nach § 4 ZPO für den Zuständigkeitsstreitwert außer 1 LG Aachen, Beschl. v. 29.12.2006 – 11 O 478/04, AGS 2007, 539.

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N. Schneider

Verkehrsunfallschadenregulierung Ansatz bleiben, und zwar unabhängig davon, ob diese Kosten der Hauptforderung hinzugerechnet werden oder neben der im Klagewege geltend gemachten Hauptforderung Gegenstand eines eigenen Antrags sind.1 Die gegenteilige Auffassung, die vor der ersten BGH-Entscheidung noch vertreten wurde,2 dürfte seit den Entscheidungen des BGH nicht mehr vertretbar sein und wird vom KG3 sogar als willkürlich bezeichnet, die im Falle der Verweisung keine Bindungswirkung entfaltet. Beim Gebührenstreitwert haben die Kosten zwar einen eigenen Wert; dieser wird nach § 43 Abs. 1 GKG jedoch dem Wert der Hauptforderung nicht hinzugerechnet. Es handelt sich aus denselben Erwägungen wie beim Zuständigkeitsstreitwert um Nebenforderungen.

5646

* Æ Beispiel: Es wird vorgerichtlich ein Schaden i.H.v. insgesamt 8.000 Euro geltend gemacht. Der Versicherer zahlt nicht Der Geschädigte klagt daraufhin auf Zahlung der 8.000 Euro sowie auf Ersatz seiner Anwaltskosten i.H.v. 759,22 Euro (zur Berechnung s. Beispiel Rn. 5643). Der Streitwert beläuft sich nur auf 8.000 Euro. Die Anwaltskosten werden nicht mitgerechnet.

Beim Gebührenstreitwert können die Kosten allerdings Bedeutung gewinnen, wenn alleine daraus einzelne Gebühren anfallen (§ 43 Abs. 2 GKG), was nur beim Anwalt vorkommen dürfte.

5647

* Æ Beispiel: Wie vorangegangenes Rn. 5646 Beispiel; der Versicherer zahlt die 8.000 Euro Schaden. Über die Kosten wird eine Einigung getroffen. Für die Einigungsgebühr der Anwälte ist jetzt nur der Wert der Kosten (759,22 Euro) maßgebend (§ 43 Abs. 2 GKG).

4. Die Gegenstände, aus denen sich die Gebühren berechnen, sind nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits Werden vorgerichtliche Anwaltskosten im Schadensersatzprozess aus Gegenständen geltend gemacht, die nicht4 oder nicht mehr5 Gegenstand des Rechtsstreits sind, dann sind diese Kosten als Hauptforderung zu berücksichtigen. 1 BGH, Beschl. v. 30.1.2007 – X ZB 7/06, MDR 2007, 919 = NJW 2007, 3289; BGH, Beschl. v. 15.5.2007 – VI ZB 18/06, MDR 2007, 1149 = AGS 2007, 516; BGH, Beschl. v. 12.6.2007 – VI ZR 200/06, AGS 2007, 578; BGH, Beschl. v. 25.9.2007 – VI ZB 22/07, NJW-RR 2008, 374; BGH, Beschl. v. 23.1.2008 – IV ZB 8/07, SVR 2008, 351; Beschl. v. 13.2.2007 – VI ZB 39/06, NJW 2007, 1752 = MDR 2007, 852; ebenso zuvor bereits LG Berlin, Beschl. v. 9.5.2005 – 5 O 162/05, AGS 2006, 86 = MDR 2005, 1318; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 16.3.2005 – 3 W 20/05, AGS 2006, 251. 2 OLG Bamberg, Beschl. v. 12.1.2006 – 1 U 167/05; LG Hof, Beschl. v. 17.6.2005 – 22 O 300/05; Beschl. v. 22.5.2006 – 34 = 286/06 (sämtlich unveröffentlicht; nachgewiesen im MittBl. der ARGE Verkehrsrecht 2006, 89); LG Braunschweig, Beschl. v. 28.12.2004 – 1 O 3125/04, AGS 2005, 75. 3 Beschl. v. 8.2.2008 – 2 AR 7/08, AGS 2008, 249 = NJW-RR 2008, 879. 4 BGH, Beschl. v. 17.2.2009 – VI ZB 60/07, FamRZ 2009, 867 = AGS 2009, 344 = NJWSpezial 2009, 380; KG, Beschl. v. 8.2.2008 – 2 AR 7/08, AGS 2008, 249 = NJW-RR 2008, 879 = NJW-Spezial 2008, 252 = VRR 2008, 279. 5 BGH, Beschl. v. 4.12.2007 – VI ZB 73/06, NJW 2008, 999 = MDR 2008, 404.

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Verkehrsunfallschadenregulierung

* Æ Beispiel: Der Anwalt hatte für den Geschädigten in einer Verkehrsunfallsache 6.000 Euro Schadensersatz nebst Kosten i.H.v. 627,13 Euro geltend gemacht. Der Versicherer zahlt außergerichtlich 4.000 Euro, weigert sich jedoch, auch die Anwaltskosten zu zahlen. Er ist der Auffassung, diese seien nicht notwendig. Daher klagt der Geschädigte auf Zahlung von 2.000 Euro Schaden sowie 627,13 Euro Ersatz vorgerichtlicher Kosten. Die Kosten, soweit sie auf die vorgerichtlich erledigten Gegenstände entfallen, sind jetzt keine Nebenforderung, sondern Hauptforderung. Zu den verschiedenen Berechnungsmethoden s. „Vorgerichtliche Kosten“ Rn. 5951 ff. Nach zutreffender Ansicht sind die Kosten zu berücksichtigten, soweit sie nur aus dem Wert der erledigten Gegenständen angefallen wären, also 1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 4000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

367,50 Euro 20,00 Euro 387,50 Euro 73,63 Euro 461,13 Euro

Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert beläuft sich damit auf 2.461,13 Euro.

5649

Das gilt auch, wenn nur ein Teil der Kosten geltend gemacht wird.

* Æ Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel; Der Versicherer zahlt außergerichtlich 4.000 Euro sowie eine 1,3-Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer, also 1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 4.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

318,50 Euro 20,00 Euro 338,50 Euro 64,32 Euro 402,82 Euro

Er ist der Auffassung eine Geschäftsgebühr von 1,5 sei unbillig. Der Geschädigte klagt jetzt auf Zahlung von 2000 Euro Schaden sowie (627,13 Euro – 402,82 Euro =) 224,31 Euro Ersatz vorgerichtlicher Kosten. Auch jetzt sind die Kosten, soweit sie auf die vorgerichtlich erledigten Gegenstände entfallen, keine Nebenforderung, sondern Hauptforderung. Zu den verschiedenen Berechnungsmethoden s. Rn. 5951 ff. Nach zutreffender Ansicht sind die Kosten zu berücksichtigten, soweit sie nur aus dem Wert der erledigten Gegenstände angefallen wären, also 1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 4.000 Euro) 2. ./. gezahlter 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 4.000 Euro) 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 4. ./. gezahlter Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

367,50 Euro – 318,50 Euro 20,00 Euro – 20,00 Euro 49,00 Euro 9,31 Euro 58,31 Euro

Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert beläuft sich damit auf 2.058,31 Euro.

5650

Für den Rechtsmittelstreitwert gilt Gleiches.

* Æ Beispiel: Der Anwalt hatte für den Geschädigten in einer Verkehrsunfallsache 3.000 Euro Schadensersatz nebst Kosten i.H.v.

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Verkehrsunfallschadenregulierung 1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 3.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

245,70 Euro 20,00 Euro 265,70 Euro 50,48 Euro 316,18 Euro

geltend gemacht. Das AG spricht dem Geschädigten 2.500 Euro zu im Übrigen (also hinsichtlich des weiteren Schadens über 500 Euro sowie der gesamten vorgerichtlichen Kosten) weist das Gericht die Klage ab. Gegen die Abweisung der Klage legt der Kläger Berufung ein. Der Wert des Beschwerdegegenstands beläuft sich auf 500 Euro zuzüglich der Kosten aus den erstinstanzlich zugesprochenen Schadenspositionen, die sich auf 1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 2.500 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

209,30 Euro 20,00 Euro 229,30 Euro 43,57 Euro 272,87 Euro

belaufen. Der Wert des Beschwerdegegenstands beläuft sich damit auf (500 Euro + 272,87 Euro =) 727,87 Euro. Die Berufung ist zulässig.

Für den Gebührenstreitwert können sich darüber hinaus Stufenstreitwerte ergeben, allerdings nur für die Anwaltsgebühren. Solche Fälle können auftreten, wenn sich nur die Hauptforderung – ohne Kosten – erledigt und die Kosten anhängig bleiben. Dann sind die anteiligen Kosten wiederum als Hauptforderung zu berücksichtigten.

* Æ Beispiel: Der Anwalt hatte für den Geschädigten in einer Verkehrsunfallsache 6.000 Euro Schadensersatz nebst Kosten i.H.v. 627,13 Euro geltend gemacht. Der Versicherer zahlt nach Klagezustellung 4.000 Euro, weigert sich jedoch, auch die Anwaltskosten zu zahlen. Er ist der Auffassung, diese seien nicht notwendig. In Höhe der 4.000 Euro wird die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Über die restlichen 2.000 Euro Schaden sowie die Kosten i.H.v. 627,13 Euro wird verhandelt. Die Gerichtsgebühr bemisst sich nach dem Wert von 6.000 Euro. Die Kosten werden nicht hinzugerechnet (§ 43 Abs. 1 GKG). Die teilweise Erledigung hat für sie keine Bedeutung. Die Verfahrensgebühr der Anwälte (Nr. 3100 VV RVG) bemisst sich ebenfalls nach 6.000 Euro. Die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) entsteht zum einen aus der verbliebenen Hauptforderung von 2.000 Euro. Daneben sind aber jetzt auch die Kosten, soweit sie auf die erledigten 4.000 Euro entfallen, zu berücksichtigen, da sie jetzt ohne die Hauptforderung betroffen sind (§ 43 Abs. 2 GKG). Dieser Wert beläuft sich auf 461,13 Euro. Zur Berechnung der Kosten s. Rn. 5648. 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 6.000 Euro) 2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,65 aus 6.000 Euro 3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 2.461,13 Euro) 4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

439,40 Euro – 219,70 Euro 193,20 Euro 20,00 Euro 432,90 Euro 82,25 Euro 515,15 Euro

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5651

Verkehrsunfallschadenregulierung 5. Die Kosten resultieren aus einer anderen Angelegenheit 5652

Werden vorgerichtliche Anwaltskosten geltend gemacht, die eine andere Angelegenheit betreffen, sind die Kosten immer Hauptforderung.1

* Æ Beispiel: Der Anwalt hatte für den Geschädigten anlässlich einer Verkehrsunfallsache dessen Ansprüche mit dem Unfallversicherer reguliert. Da der Haftpflichtversicherer seine Haftung bestreitet, klagt der Geschädigte auf Ersatz seines Schadens nebst vorgerichtlicher Anwaltskosten zuzüglich der Anwaltskosten für die Regulierung mit dem Unfallversicherer. Die Regulierung mit dem Unfallversicherer ist eine eigene Angelegenheit. Die hierdurch bedingten Kosten sind vom Haftpflichtversicherer zu tragen.2 ihr Wert erhöht daher sowohl den Zuständigkeits- als auch den Gebührenstreitwert.

5653

Gleiches gilt, wenn die Kosten der Kaskoregulierung als weitere Schadensposition mit geltend gemacht werden (s. Rn. 5653 ff.). Anwaltskosten der Kaskoregulierung

5654

Werden die Kosten der Kaskoregulierung als Schadensposition mit geltend gemacht, so handelt es sich immer um eine Hauptforderung, da die Kosten aus einer anderen Angelegenheit stammen. Ihr Wert ist daher gem. § 5 ZPO, § 39 Abs. 1 GKG hinzuzurechnen.

* Æ Beispiel: Der Anwalt ist mit einer Verkehrsunfallschadenregulierung beauftragt (Gesamtschaden 25.000 Euro). Da der Unfallgegner seine Haftpflichtversicherungsprämie nicht gezahlt hatte, verweist der Haftpflichtversicherer den Geschädigten auf die Inanspruchnahme des eigenen Kaskoversicherers. Der Anwalt reguliert daraufhin den Sachschaden (20.000 Euro abzüglich 600 Euro Selbstbeteiligung) mit dem Kaskoversicherer. Hier liegen zwei verschiedene Angelegenheiten vor.3 Der Anwalt erhält zum einen die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG aus dem Wert der Kaskoschadenregulierung (19.400 Euro). Die Geschäftsgebühr für die Kaskoregulierung ist zudem auch vom Haftpflichtversicherer als Schadensposition zu ersetzen.4 I. Regulierung des Kaskoschadens 1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 19.400 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

969,00 Euro 20,00 Euro 989,00 Euro 187,91 Euro 1.176,91 Euro

Daneben erhält der Anwalt eine weitere Geschäftsgebühr für die Haftpflichtschadenregulierung. Hier belief sich der Wert bei Auftragserteilung zunächst auf 25.000 Euro. Durch die Zahlung des Kaskoversicherers konnte sich dieser Wert für die 1 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 20.1.2010 – 14 UH 3/10, AGS 2010, 310. 2 BGH, Urt. v. 10.1.2006 – VI ZR 43/05, NJW 2006, 1065 = MDR 2006, 929. 3 OLG Zweibrücken AnwBl. 1968, 363; OLG Hamm, Beschl. v. 7.10.1982 – 27 U 161/ 82, MDR 1983, 315 = AnwBl. 1983, 141; LG Flensburg, Urt. v. 20.1.1986 – 4 O 303/85, JurBüro 1986, 723; AG Lippstadt, AnwBl. 1966, 405; 1967, 67; AG Erfurt, Urt. v. 14.10.1998 – 27 C 1070/98, zfs 1999, 31; AG Limburg, Urt. v. 20.2.2006 – 4 C 2279/ 05, AGS 2006, 267; a.A. AG Bad Homburg, Urt. v. 5.3.1987 – 3 C 1369/86, zfs 1987, 173. 4 S. Fn. davor.

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Verkehrsunfallschadenregulierung bereits entstandene Gebühr nicht mehr verringern (s. § 15 Abs. 4 RVG). Dadurch, dass der Auftrag erweitert worden ist und später auch noch die Kosten der Kaskoregulierung als weiterer Schaden mit geltend gemacht wurden, hat sich der Wert für die Haftpflichtschadenregulierung um die Kosten der Kaskoregulierung (1.176,91 Euro) auf 26.176,91 Euro erhöht. Für die Haftpflichtregulierung erhält der Anwalt weitere: II. Regulierung des Haftpflichtschadens 1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 26.176,91 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

1.137,00 Euro 20,00 Euro 1.157,00 Euro 219,83 Euro 1.376,83 Euro

Attest Werden die Kosten für ein ärztliches Attest geltend gemacht, handelt es sich nicht um eine Nebenforderung, sondern um eine werterhöhende Hauptforderung. Es gilt das Gleiche wie bei (sonstigen) Sachverständigenkosten.

5655

Bearbeitungskosten/-gebühren S. unten „Finanzierungskosten“.

5656

Behandlungskosten Behandlungskosten sind mit ihrem vollen Wert zu berücksichtigen, soweit vom Gegner Erstattung verlangt wird. Wenn jedoch der Krankenversicherer in Anspruch genommen wird, so geht ein eventueller Ersatzanspruch auf diesen über. Der Geschädigte ist nicht mehr berechtigt, diesen Anspruch geltend zu machen, auch nicht als Befreiungsanspruch, sodass er streitwertmäßig z.B. bei einem Feststellungsantrag nicht mehr zu berücksichtigen ist.

5657

Befreiungsansprüche S. „Abgetretene Ansprüche“.

5658

Begutachtungskosten Begutachtungskosten sind mit ihrem vollen Wert anzusetzen.1 Das gilt nicht nur für die Kosten der Schadensbegutachtung, sondern auch für die Kosten der Reparaturbestätigung des Sachverständigen.

5659

Gleiches gilt für die Kosten der Begutachtung des zu erwerbenden Ersatzwagens. Wird insoweit eine fiktive Pauschale2 geltend gemacht, so ist deren Wert maßgebend.

5660

1 OLG München, Beschl. v. 16.11.1993 – 5 W 2314/93, NJW-RR 1994, 1484. 2 S. hierzu OLG Frankfurt, Urt. v. 29.11.1989 – 12 U 32/89, NZV 1990, 265 = NJW 1990, 3212 = VersR 1990, 1367 = MDR 1991, 54 = NJW-RR 1991, 356.

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Verkehrsunfallschadenregulierung Fahrtkosten 5661

Fahrtkosten (z.B. zum Arzt, zum Abholen von der Unfallstelle, zur Werkstatt, zur Zulassungsstelle etc.) sind mit ihrem vollen Wert anzusetzen. Es handelt sich nicht um Nebenforderungen. Finanzierungskosten

5662

Nimmt der Geschädigte einen Unfallkredit auf, so sind die hiermit verbundenen Finanzierungskosten und Zinsen mit ihrem Wert anzusetzen. Es handelt sich nicht um Nebenforderungen i.S. der § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG.1 S. auch das Stichwort „Bearbeitungsgebühren“. Freistellungsansprüche

5663

Freistellungsansprüche sind nach § 3 ZPO mit dem vollen Wert der zu tilgenden Forderung anzusetzen. S. auch „Abgetretene Ansprüche“, Rn. 5631 ff. Haushaltsführungsschaden

5664

Schadensersatz wegen entgangener Haushaltsführung ist Hauptforderung und voll zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob die konkreten Kosten einer Hilfskraft geltend gemacht werden oder ob fiktiv berechnet wird. Kapitalabfindung

5665

S. unten „Rentenanspruch“. Kaskoentschädigung

5666

Soweit von dem Kaskoversicherer Zahlung der Versicherungsleistung verlangt wird, richtet sich der Wert nach dem geltend gemachten Betrag. Wird zunächst unbeziffert die Kaskoentschädigung gefordert, dürfte von dem Betrag der Versicherungssumme auszugehen sein, also ggf. um Selbstbeteiligung und andere Anrechnungspositionen gekürzt.

5667

Die Abrechnung mit dem Kaskoversicherer kann auch beim Wert des Sachschadens zu berücksichtigen sein (s. Rn. 5654). Kostenpauschale

5668

S. oben „Allgemeine Kostenpauschale“. Mehrwertsteuer

5669

S. unten „Umsatzsteuer“. Merkantiler Minderwert

5670

S. unten „Wertminderung“. 1 A.A. für Bearbeitungsgebühren OLG Köln, JMBl.NW 1974, 46.

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Verkehrsunfallschadenregulierung Mietwagenkosten Mietwagenkosten sind mit ihrem vollen Wert anzusetzen. Dies gilt auch dann, wenn die entsprechende Schadensersatzforderung an den Mietwagenunternehmer abgetreten worden ist (s. „Abgetretene Ansprüche“). Maßgebend ist der verlangte Betrag, auch wenn er sich letztlich als überhöht herausstellt und nicht reguliert wird.

5671

Nutzungsausfallentschädigung Der volle Wert des verlangten Betrags ist maßgebend.

5672

Pflegekosten Werden Pflegekosten wegen der Verletzung aus einem Verkehrsunfall geltend gemacht, dann ist für die Bewertung von den jährlichen Aufwendungen für die Pflege auszugehen, die gem. § 42 Abs. 1 GKG auf den fünffachen Betrag zu erhöhen sind. Hiervon ist dann bei der positiven Feststellungsklage ein Abzug von 20 % zu machen. Das gilt auch dann, wenn der Haftpflichtversicherer mitverklagt wird. Hinzuzurechnen sind die bei Klageeinreichung fälligen Beträge (§ 42 Abs. 4 GKG).1

5673

Radioumbaukosten Der volle Wert ist maßgebend. Es handelt sich nicht um Nebenforderungen i.S. der § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG.

5674

Rentenansprüche Wird infolge der Tötung oder Körperverletzung ein Erwerbsschaden des Verletzten oder werden Unterhaltsschäden der Hinterbliebenen als Rentenansprüche geltend gemacht, so laufen Zuständigkeitsstreitwert und Gebührenstreitwert auseinander.

5675

Für den Zuständigkeitsstreitwert gelten die §§ 3, 9 ZPO, maßgebend ist der geforderte Betrag der nächsten dreieinhalb Jahre, sofern die Rente nicht für einen geringeren Zeitraum verlangt wird; bei Klageerhebung fällige Beträge sind hinzuzurechnen.

5676

Der Gegenstandswert der Gerichts- und Anwaltsgebühren berechnet sich gem. § 42 Abs. 1 GKG nach dem fünffachen Jahresbetrag der geforderten Rente, sofern der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen nicht geringer ist.

5677

Im Falle eines Rechtsstreits werden die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge hinzugerechnet (§ 42 Abs. 4 GKG).

5678

Bei der außergerichtlichen Regulierung werden dem Wert der zukünftig geforderten Beträge alle während des Mandats fällig gewordenen Beträge hinzugerechnet (§ 42 Abs. 4 GKG).2

5679

1 OLG Schleswig, Beschl. v. 3.9.1970 – 1 W 153/70, JurBüro 1971, 539. 2 OLG Nürnberg, Urt. v. 8.1.2002 – 3 U 3129/01, AGS 2002, 232; a.A. LG Stuttgart, v. 22.2.1978 – 13 S 60/77, AnwBl. 1978, 234 = RuS 1978, 157; N. Schneider, AGS 2004, 89.

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Verkehrsunfallschadenregulierung

* Æ Beispiel: Aufgrund eines Verkehrsunfalls im Januar 2009 ist der Anwalt beauftragt worden, für die hinterbliebene Ehefrau ab Februar 2009 außergerichtlich eine Unterhaltsrente i.H.v. 1.500 Euro monatlich einzufordern. Im September 2010 wird eine Einigung über die laufende Unterhaltsrente und die bis dahin angefallenen Beträge getroffen. Für die laufenden Beträge ab Oktober 2010 gilt ein Wert i.H.v. 60 6 1.500 Euro, also 90.000 Euro. Für die bis einschließlich September 2010 und damit fälligen Beträge gilt ein Wert i.H.v. (Februar 2009 – September 2010) 20 6 1.500 Euro = 30.000 Euro. Insgesamt ergibt sich somit für Geschäfts- und Einigungsgebühr ein Wert i.H.v. 120.000 Euro.

5680

Stirbt der Anspruchsteller im Laufe der Schadensregulierung, bleibt der fünffache Jahresbetrag für die bis dahin angefallenen Gebühren maßgebend;1 für die später anfallenden Gebühren gilt nur noch der Wert der fälligen Beträge.

5681

Zahlt der Gegner einen Teilbetrag, so verringert sich der Gegenstandswert für die weitere Tätigkeit nur dann, wenn die Restsumme infolge der Teilzahlung unter den fünffachen Jahresbetrag sinkt.2

5682

Wird die Rente durch eine einmalige Zahlung abgefunden, verbleibt es bei dem fünffachen Jahresbetrag.3

5683

Wird eine Abänderung der Rentenzahlungen begehrt, so ist dies auch außergerichtlich eine selbständige Angelegenheit, die gesondert zu bewerten ist.4 Abzustellen ist auf den jährliche Mehr- bzw. Minderbetrag. Ausgehend von § 42 Abs. 4 GKG wäre auch hier 5-fache Jahresbetrag maßgebend. Da die Abänderung in der Regel aber jährlich vorgenommen wird und daher auch nur für ein Jahr gelten soll, ist in der Regel nur vom Jahresbetrag auszugehen. Restwert

5684

S. unten „Sachschaden“. Rückstufung

5685

Nimmt der Geschädigte seine Kaskoversicherung in Anspruch und begehrt er anschließend Ersatz seines Rückstufungsschadens, so bemisst sich der Gegenstandswert nach der vollen Differenz zwischen den zu zahlenden Prämien und den Prämien, die bei schadensfreiem Verlauf des Versicherungsverhältnisses zu zahlen gewesen wären. § 9 ZPO ist unanwendbar. Sachschaden

5686

Der volle Betrag ist maßgebend.

5687

Wird der Sachschaden auf Totalschadenbasis abgerechnet und muss sich der Geschädigte den erzielten oder den erzielbaren Restwert des Fahrzeugs als 1 OLG Dresden, Rsp. 35, 214. 2 OLG Koblenz, Beschl. v. 28.1.1986 – 14 W 770/85, VersR 1987, 289. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.9.1976 – 15 U 204/72, VersR 1977, 868; OLG Frankfurt, MDR 1971, 404; OLG Schleswig, SchlHA 1968, 145; a.A. OLG Hamm, Beschl. v. 28.10.1965 – 3 W 56/65, NJW 1966, 162 = VersR 1966, 475. 4 AG Siegburg, Urt. v. 11.7.2003 – 8 C 167/03, AGS 2003, 345 mit Anm. N. Schneider = MDR 2003, 1143 = JurBüro 2003, 530 = NZV 2004, 150 = VersR 2004, 396.

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N. Schneider

Verkehrsunfallschadenregulierung Vorteilsausgleich anrechnen lassen, dann bleibt für die außergerichtliche Regulierung jedoch der volle Sachschaden maßgebend. Ausschlaggebend ist, dass sich die anwaltliche Tätigkeit auch auf die Prüfung des Vorteilsausgleichs erstreckt.1 Etwas anderes gilt nur, wenn der Anwalt von vornherein einen um den Restwert reduzierten Auftrag erhält. Wird der Anwalt von vornherein beauftragt, einen Teil des Schadens mit dem Kaskoversicherer zu regulieren, so vermindert sich der Gegenstandswert für die Schadensregulierung mit dem Haftpflichtversicherer um diesen Betrag. Die Abrechnung mit dem Kaskoversicherer ist eine eigene Angelegenheit und löst eigene Gebühren nach dem Wert der geltend gemachten Kaskoentschädigung aus.2

5688

Erhält der Anwalt dagegen zunächst einen umfassenden Auftrag, Schadensersatz vom Gegner zu verlangen und wird er erst später beauftragt, einen Teil des Schadens mit dem Kaskoversicherer zu regulieren, so vermindert sich der Gegenstandswert für die Schadensregulierung mit dem Haftpflichtversicherer nicht. Entscheidend bleibt der Auftragswert, der sich in der Regel dann um die Kosten der Kaskoregulierung erhöht (s. Rn. 5654).

5689

Sachverständigenkosten Sachverständigenkosten sind mit ihrem vollen Wert anzusetzen. Es handelt sich nicht um Nebenkosten i.S. der § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG.3

5690

Schadensfreiheitsrabatt S. oben „Rückstufung“.

5691

Schmerzensgeldforderungen, bezifferte Wird ein beziffertes Schmerzensgeld gefordert, ist diese Forderung mit dem vollen Wert anzusetzen (§ 3 ZPO).

5692

Schmerzensgeldforderungen, unbezifferte Die Bewertung ist umstritten. Eine Ansicht setzt den Gegenstandswert auf den letztlich zuerkannten Betrag fest. Nach anderer Ansicht soll die vom Geschädigten geäußerte Betragsvorstellung maßgebend sein. Zutreffend dürfte

1 LG Freiburg, Beschl. v. 1.12.1970 – 7 S 128/70, AnwBl. 1971, 361; LG Koblenz, Beschl. v. 13.4.1982 – 6 S 415/81, zfs 1982, 205; Onderka, Anwaltsgebühren in Verkehrssachen, Rn. 262; a.A. AG Hildesheim, Urt. v. 28.4.2006 – 19 C 91/06, AGS 2006, 396. 2 OLG Zweibrücken, Urt. v. 1.3.1968 – 1 U 4/68, AnwBl. 1968, 363; OLG Hamm, AnwBl. 1983, 141; LG Flensburg, Urt. v. 20.1.1986 – 4 O 303/85, JurBüro 1986, 723; AG Lippstadt, Urt. v. 14.9.1966 – C 119/66, AnwBl. 1966, 405; Urt. v. 30.11.1966 – C 443/66, 1967, 67; AG Erfurt, Urt. v. 14.10.1989 – 27 C 1070/98, zfs 1999, 31; a.A. AG Bad Homburg, Urt. v. 5.3.1987 – 3 C 1369/86, zfs 1987, 173; ausführlich N. Schneider, Haftpflicht- und Kaskoabrechnung – zwei verschiedene Angelegenheiten, AGS 2003, 292. 3 BGH, Beschl. v. 13.2.2007 – VI ZB 39/06, NJW 2007, 1752 = MDR 2007, 852; OLG München, Beschl. v. 16.11.1993 – 5 W 2314/93, NJW-RR 1994, 1484.

N. Schneider

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5693

Verkehrsunfallschadenregulierung es sein, darauf abzustellen, welcher Betrag ausgehend von der Sachdarstellung des Geschädigten angemessen wäre.1 Zweckmäßig ist es, bei Einreichung der Klage gem. § 61 GKG Angaben zur Wertvorstellung zu machen. S. dazu auch „Unbezifferte Anträge“ Rn. 5245 ff. Schmerzensgeldrente 5694

S. oben „Rente“. Standgeld

5695

Gezahlte Standgelder sind eigene Schadenspositionen und daher bei der Hauptforderung zu berücksichtigen. Das gilt auch, wenn das Standgeld noch nicht bezahlt ist, und insoweit Befreiung geltend gemacht wird (s. oben Rn. 5663). Transportkosten

5696

Transportkosten, also Abschleppkosten, Kosten der Rückverbringung vom Unfallort etc. sind Hauptforderung. Das Gleiche gilt auch für die Transportkosten des Verletzten oder seiner Angehörigen (also Kosten des Rettungshubschraubers, Krankenwagen, Taxi oder auch sonstige Rückverbringungskosten vom Unfallort). Umsatzsteuer

5697

Umsatzsteuer ist als Teil der Hauptforderung mit anzusetzen.2 Ob eine Vorsteuerabzugsberechtigung besteht, ist unerheblich, wenn ein bezifferter Betrag geltend gemacht wird. Maßgebend ist der geforderte Betrag.

5698

Ebenso ist die isoliert eingeklagte Umsatzsteuer – etwa bei einem Streit über die Vorsteuerabzusgberechtigung – voll zu bewerten.

5699

Wird lediglich Feststellung verlangt, so ist zu differenzieren: – Wird vom Anspruchsteller seine Vorsteuerabzugsberechtigung eingestanden, dann sind nur die Nettowerte heranzuziehen, ggf. abzüglich eines Feststellungsabschlags. – Ist der Anspruchsteller zum Vorsteuerabzug unstreitig nicht berechtigt, dann ist die Umsatzsteuer zu berücksichtigen. – Ist das Bestehen der Vorsteuerabzugsberechtigung strittig, dann dürfte es sachgerecht sein, diese mit der Hälfte zu berücksichtigen. Wird allerdings die Übernahme der Umsatzsteuer in den Feststellungsantrag mit aufgenommen, dann ist sie wiederum mit zu berücksichtigen, da es auf den Antrag ankommt.

1 S. hierzu im Einzelnen bei dem Stichwort „Unbezifferte Anträge“. 2 LG Hannover, Nds.Rpfl. 1974, 157; OLG Köln, Beschl. v. 23.11.1981 – 17 W 360/81 = Rpfleger 1982, 158 = AnwBl. 1982, 198 f. = JurBüro 1982, 1070.

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N. Schneider

Verkehrsunfallschadenregulierung Verdienstausfall Verdienstausfall ist als Hauptforderung zu berücksichtigen. Wird wegen eines Dauerschadens Verdienstausfall geltend gemacht, gilt für die Anwalts- und Gerichtsgebühren § 42 Abs. 1, 4 GKG; für den Zuständigkeitsstreitwert gilt § 9 ZPO. S. hierzu das Stichwort „Rentenansprüche“ Rn. 5675 ff.

5700

Wertminderung Die Wertminderung ist Hauptforderung und damit in voller Höhe zu berücksichtigen.

5701

Zinsen Zinsen aus der Schadensersatzforderung bleiben bei der Bemessung des Zuständigkeitsstreitwerts außer Betracht (§ 4 ZPO), es sei denn, sie werden selbständig als Hauptforderung geltend gemacht. Zinsen aus erledigten Schadenspositionen sind dagegen Hauptforderung. Es gilt hier das Gleiche wie bei den Anwaltskosten s. Rn. 5639. S. auch „Zinsen“ Rn. 6407 ff.

5702

* Æ Beispiel: Vorgerichtlich werden 5.000 Euro Reparaturkosten und 1.000 Euro Nutzungsentschädigung geltend gemacht. Der Versicherer zahlt nach mehrfachen Mahnungen die Reparaturkoten, nicht jedoch die Nutzungsentschädigung. Daraufhin erhebt der Geschädigte Klage auf Zahlung der Nutzungsentschädigung sowie auf Zinsen aus den Reparaturkosten. Die Zinsen aus den Reparaturkosten sind Hauptforderung und damit sowohl beim Zuständigkeitsstreitwert als auch beim Gebührenstreitwert zu berücksichtigen.

Zu berücksichtigen sind Zinsen erst recht, wenn sie als selbständige Schadensposition geltend gemacht werden, etwa Zinsen für einen Unfall- oder Zwischenkredit oder Zinsen, die der Geschädigte wegen Zahlungsverzugs an die Reparaturwerkstatt oder den Mietwagenunternehmer zahlen musste.

5703

Für die Gerichts- und Anwaltsgebühren haben sie zwar einen Wert, bleiben jedoch neben der Hauptforderung außer Ansatz § 43 Abs. 1 GKG. Zinsen aus erledigten Schadenspositionen sind dagegen Hauptforderung. Es gilt hier das Gleiche wie beim Zuständigkeitsstreitwert (Rn. 5702).

5704

Außer Ansatz bleiben sie auch dann, wenn sie als Kapitalbetrag geltend gemacht werden.

5705

Möglich ist hier jedoch bei der Anwaltsvergütung, dass einzelne Gebühren nur nach dem Wert der Zinsen an. S. hierzu auch das Stichwort „Zinsen“.

5706

Zulassungskosten S. oben „Ab- und Anmeldungskosten“.

5707

N. Schneider

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Verkehrswert

Verkehrswert Literatur: Schulz, Verkehrswert bei Zwangsversteigerungen, Rpfleger 1987, 441.

A. Allgemeines 5708

Der Wert einer Sache ist bestimmend für den Zuständigkeitsstreitwert, wenn es um deren Besitz oder um das Eigentum geht, § 6 ZPO.1 Maßgebend für die Bemessung ist dann deren Verkehrswert.2

5709

Für den Gebührenstreitwert ist § 6 ZPO entsprechend anzuwenden, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.).3 Ob dies zu einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise und damit zu einer Berücksichtigung des hinter dem Herausgabeverlangen stehenden Streit der Parteien zwingt, ist streitig. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein Problem der Verkehrswertbestimmung, sondern um die Frage, ob das Klagebegehren mit dem (vollen) Ansatz des Verkehrswertes zutreffend bewertet wird. Daher wird insoweit auf die Stichwörter „Auflassung“, „Grundstück“, „Herausgabe“ und „Gegenleistung“ verwiesen.

I. Begriffsbestimmung 5710

Der Verkehrswert bemisst sich nach dem Betrag, der sich erzielen ließe, wenn die Sache veräußert würde,4 nicht nach der subjektiven Einschätzung der Parteien.5

5711

Außer Ansatz bleibt demgegenüber der Wiederbeschaffungswert6 und erst recht ein etwaiger Liebhaberwert.7 Ebenso bleiben bei der Ermittlung des Verkehrswertes einer finanzierten Kaufsache deren Finanzierungskosten unberücksichtigt.8

II. Wertfestsetzung 5712

Der Verkehrswert ist nach § 3 ZPO zu schätzen,9 ggf. nach Besichtigung der Sache oder Einholung eines Sachverständigengutachtens. Maßgebend für die Bewertung sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage bzw. der Rechtsmittelschrift, § 4 Abs. 1 ZPO, § 40 GKG (§ 15 GKG a.F.).10 1 OLG Hamm, Beschl. v. 16.7.2002 – 21 W 1/02, MDR 2002, 1458; OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298. 2 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – II ZR 65/91, MDR 1992, 83 = NJW-RR 1991, 1210; Zöller/Herget, § 6 ZPO Rn. 2. 3 § 12 Abs. 1 GKG a.F. 4 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – II ZR 65/91, WM 1991, 1656 = NJW-RR 1991, 1210; LAG Hessen, Urt. v. 16.10.2006 – 19 Sa 701/06, juris. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.4.1997 – 16 W 13/97, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 158. 6 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – II ZR 65/91, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 131 mit Anm. Schneider = WPM 1991, 1960 = NJW-RR 1991, 1210 = MDR 1992, 83. 7 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rn. 11; Stein/Jonas/Roth, § 6 Rn. 16. 8 OLG Köln, JurBüro 1971, 86. 9 OLG Nürnberg, JurBüro 1961, 508. 10 OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.4.1997 – 16 W 13/97, OLGR 1998, 156; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.9.2003 – 7 W 167/03, juris; LAG Mainz, Urt. v. 16.10.2006 – 19 Sa 701/06, juris.

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Kurpat

Verkehrswert Wertangaben der Parteien sind für das Gericht nicht bindend, stellen aber ein wichtiges Indiz für die Wertbestimmung dar.1 Sie können berücksichtigt werden, selbst wenn sie nicht übereinstimmen. Im Einzelfall, insbesondere bei einer geringen Wertdifferenz und bei anderenfalls hohem Ermittlungsaufwand, kann es vertretbar sein, die unterschiedlichen Wertangaben der Parteien zu addieren und den Verkehrswert auf die Hälfte festzusetzen.2

5713

Haben die Parteien einen Kaufpreis vereinbart, wird dieser mangels abweichender Bewertungsumstände regelmäßig dem Verkehrswert der Kaufsache entsprechen.3 Das kann aber nur gelten, wenn zwischen dem Abschluss des Kaufvertrages und der Klageeinreichung kein längerer Zeitraum liegt.4

5714

B. Verkehrswert unbeweglicher Sachen I. Allgemeines Der Verkehrswert eines Grundstücks ist gleich dem Erlös, der im Verkaufsfalle erzielt würde. Der steuerliche Einheitswert eines Grundstücks ist für die Wertbestimmung ohne Bedeutung.5 Teilflächen sind nach dem Verhältnis ihrer Grundfläche zur Gesamtfläche des Objekts zu bewerten.6

5715

Bei einem bebauten Grundstück bemisst sich der Verkehrswert nach dem Mittelwert zwischen dem Gebäudewert und dem Boden- und Ertragswert. Bei der Schätzung dieses Erlöses ist der Ertragswert des Grundstücks als Rechnungsfaktor zu berücksichtigen; er ist aber regelmäßig nicht dem (höheren) Verkehrswert gleichzusetzen.7 Auch der Buchwert oder der Aufwand für die Bebauung des Grundstücks entsprechen nicht dem Verkehrswert, sondern stellen nur Anhaltspunkte für dessen Ermittlung dar.8

5716

Von kostenträchtigen Ermittlungen ist abzusehen, wenn auf ein für andere Gerichtsverfahren eingeholtes Wertgutachten zurückgegriffen werden kann.9 Der Verkehrswert bestimmt sich nicht ohne weiteres nach einem etwaig vereinbarten Kaufpreis, obschon dieser einen Anscheinsbeweis für die Höhe des Verkehrwerts begründet.10 Besteht der Kaufpreis in der Zahlung einer lebenslangen Rente und der Einräumung eines lebenslangen Wohnrechts, so bemisst sich der Grundstückswert nach der statistischen Lebenserwartung des Ver-

1 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 30/91, MDR 1992, 83 = NJW-RR 1991, 1210. 2 So etwa OLG Hamm, Beschl. v. 9.5.1984 – 6 WF 285/84, MDR 1984, 765. 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1990 – 1 W 130/89, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 128 = JurBüro 1990, 773; KG, JW 1931, 1047; OLG München, Beschl. v. 10.3.1997 – 28 W 2542/96, MDR 1997, 599 – Auflassung; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rn. 24. 4 LAG Mainz, Urt. v. 16.10.2006 – 19 Sa 701/06, juris – zur Wertentwicklung bei Personalcomputern. 5 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 30/91, MDR 1992, 83 = WPM 1991, 1690 = NJWRR 1991, 1210. 6 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.9.2003 – 7 W 167/03, juris. 7 OLG Frankfurt, JurBüro 1960, 303; Rpfleger 1969, 356. 8 OLG Dresden, Beschl. v. 7.1.2003 – 6 W 240/99, JurBüro 2003, 475. 9 Vgl. OLG Celle, Beschl. v. 29.9.2009 – 4 W 126/09, OLGR 2009, 1024. 10 OLG Bamberg, Beschl. v. 30.1.1990 – 1 W 130/89, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 128 = JurBüro 1990, 773; Hartmann, Anh. I § 48 GKG (§ 6 ZPO) Rn. 4.

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Verkehrswert käufers bei Vertragsschluss und nicht nach der tatsächlichen Lebensdauer.1 Ein etwaig vorhandenes Affektionsinteresse bleibt unberücksichtigt.2 5717

In der Rechtssprechung ist der Verkehrswert gewerblich genutzter Grundstücke im (groß)städtischen Bereich nach dem 4-fachen Einheitswert bzw. dem 10-fachen Jahresmietertrag,3 dem 15-fachen Jahresmietertrag4 und dem 17-fachen Jahresmietwert5 bestimmt worden.

5718

Bei einem unbebauten Grundstück, welches in einem Flächennutzungsplan als Grünfläche ausgewiesen ist, kommt dem Umstand, das eine spätere Bebauung gleichwohl noch in Betracht kommen kann – entgegen der Auffassung des OLG Nürnberg6 – nicht grundsätzlich eine werterhöhende Bedeutung zu. Wird Land als Grünfläche ausgewiesen, dann kann es auch nur als Grünfläche bewertet werden. Besteht hingegen eine reale Chance, dass die planungsmäßig vorgesehene Flächennutzung nicht endgültig ist, das Land also doch bebaut werden darf, kann den Verkehrswert erhöhen, weil solches Land gewissermaßen als „Bauerwartungsland“ betrachtet und gehandelt wird.

5719

Wertmindernde Umstände sind zu berücksichtigen, etwa wenn ein bebautes Grundstück teilweise mit Gebäuden versehen ist, die ohne Baugenehmigung errichtet worden sind.7 Rechtsbeschränkungen, die am Objekt haften und seinen wirtschaftlichen Wert mindern, müssen bei der Streitwertfestsetzung ermäßigend beachtet werden.8

II. Belastungen 5720

Die auf dem Grundstück ruhenden Lasten (Hypotheken, Grundschulden) sind nach bei der Streitwertfestsetzung nicht wertmindernd zu berücksichtigen, da das Grundstück entweder lastenfrei oder unter Anrechnung fortbestehender Belastungen auf den Kaufpreis übertragen werde.9

5721

Dagegen sind Belastungen, mit denen eine nachhaltige Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks verbunden ist, wertmindernd in Ansatz zu bringen. Hierzu zählen beispielsweise Erbbaurechte,10 Baubeschrän-

1 2 3 4 5

6 7 8 9

10

OLG Koblenz, Beschl. v. 18.5.1999 – 5 W 318/99, NJW-RR 2000, 163. Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rn. 11; Stein/Jonas/Roth, § 6 Rn. 16. OLG Nürnberg, JurBüro 1967, 163. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.9.2003 – 7 W 167/03, juris. LG München I, Beschl. v. 7.2.1995 – 29 O 12882/93, WuM 1995, 197 = JurBüro 1995, 482; bestätigt von OLG München, Beschl. v. 24.3.1995 – 21 W 1088/95, ZAP EN-Nr. 356/95. OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.4.1969 – 4 W 30/68, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 28. OLG Bamberg, Beschl. v. 2.2.1983 – 1 W 124/82. JurBüro 1983, 918. Vgl. auch OLG Neustadt, JR 1958, 384 – Preisstopp. BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518; JurBüro 1982, 697; OLG Bamberg, Beschl. v. 2.6.1992 – 3 W 399/92, JurBüro 1992, 629; Beschl. v. 30.1.1990 – 1 W 130/89, JurBüro 1990, 773; KG, MDR 2001, 56; OLG Frankfurt, JurBüro 1979, 1889; 1974, 1441; OLG Köln, MDR 1959, 223; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.9.2003 – 7 W 167/03, juris; OLG Schleswig, Beschl. v. 9.1.1980 – 7 W 11/79, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 80; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rn. 26; krit. noch die Vorauflage, s. weitere Nachw. bei den Stichwörtern „Auflassung“ Rn. 1186 ff. und „Grundstück“ Rn. 2888 ff. OLG Bamberg, Beschl. v. 2.6.1992 – 3 W 38/92, JurBüro 1992, 629.

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Verkehrswert kungen,1 Wegerechte2 und Grunddienstbarkeiten. Über eine streitwertmindernde Berücksichtigung beschränkt persönlicher Dienstbarkeiten, wie dem Nießbrauch oder dem Wohnrecht, besteht Uneinigkeit.3

C. Verkehrswert beweglicher Sachen I. Allgemeines Auch hier bestimmt sich der Verkehrswert nach dem auf dem freien Markt zu erzielenden Verkaufserlös. Dieser ist – beispielsweise bei gebrauchten Kraftfahrzeugen – nicht identisch mit dem Händlereinkaufspreis oder dem Betrag, zudem die Sache in Zahlung genommen wird, sondern liegt regelmäßig darüber.4

5722

Bei fabrikneuen Gegenständen kann für die Bemessung der Listenpreis (U.V.P.) des Herstellers herangezogen werden.5 Bei gebrauchten Sachen ist der Wert ggf. anhand von Zeitwertlisten zu ermitteln.6 Bei Kraftfahrzeugen in beiden Fällen sind neben Typ, Baujahr und Laufleistung auch die Anzahl der Vorbesitzer, Nutzungsart, Allgemeinzustand und Schäden zu berücksichtigen.7

5723

II. Sonderfälle Wird auf Herausgabe oder Duldung der Wegnahme eingebauter Sachen geklagt, ist der Streitwert gem. § 6 ZPO nach dem Verkehrswert zu berechnen, weil das Klagebegehren auf Erlangung des Besitzes an den Sachen gerichtet ist. Die Wegnahme, deren Duldung begehrt wird, ist gegenüber der Herausgabe nur ein anderes Mittel der Besitzverschaffung. Dieser Unterschied ist für die Anwendung des § 6 ZPO bedeutungslos. Wertbestimmend ist in beiden Fällen der regelmäßig verminderte Wert dieser Sachen, den sie nach der Trennung haben werden. Die Kosten für den Ausbau bleiben bei der Wertfestsetzung ebenso unberücksichtigt, wie die Kosten der Wiederherstellung des Wegnahmeberechtigten für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes.8 Auch die Mittel, die der 1 MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 6 ZPO Rn. 12. 2 BGH, JurBüro 1958, 387; Zöller/Herget, § 6 ZPO Rn. 2. 3 Bejahend OLG Karlsruhe, JurBüro 1955, 446 – Wohnrecht; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.3.1997 – 7 W 1/97, OLGR 1997, 324 – Nießbrauch; verneinend BGH, Beschl. v. 12.9.2000 – X ZR 89/00, NJW-RR 2001, 518 – Nießbrauch und Wohnrecht; Beschl. v. 11.12.1981 – V ZR 49/81, JurBüro 1982, 697 = ZIP 1982, 221; Beschl. v. 13.6.1958 – V ZR 268/65, NJW 1958, 1397 – Nießbrauch; MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 6 ZPO Rn. 12; Stein/Jonas/Roth, § 6 ZPO Rn. 17. 4 KG, Rpfleger 1962, 155 – Pkw; LAG Hessen, Urt. v. 16.10.2006 – 19 Sa 701/06; juris: Laptop; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rn. 14 m.w.N. 5 OLG Köln, Beschl. v. 21.11.1961 – 4 W 89/61, JurBüro 1992, 168 = JMBl.NW 1962, 168 – Neufahrzeug. 6 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7.8.1990 – 5 W 145/90, JurBüro 1990, 1661 – Bewertung von Gebrauchtfahrzeuge anhand der sog. Schwacke-Liste. 7 OLG Koblenz, Beschl. v. 26.1.2009 – 5 W 62/09, JurBüro 2009, 429 = AGS 2009, 402; LAG Koblenz, Beschl. v. 4.10.2007 – 1 Ta 174/07, NZA-RR 2008, 324 (Ls). 8 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 30/91, JurBüro 1971, 460 = ZMR 1991, 426 – Beschwer; KG, Rpfleger 1971, 227 = ZMR 1972, 80; LAG Kiel, Beschl. v. 26.9.2008 – 6 Sa 267/08, juris; Zöller/Herget, § 6 Rn. 5.

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5724

Verkehrswert Beklagte für eine zwischenzeitlich erfolgte Montage der herauszugebenden Gegenstände aufgewandt hat, bleiben für den Streitwert und die Beschwer (des Herausgabeschuldners) außer Ansatz.1 5725

Ohne Bedeutung ist der Wert einer Sache, wenn mit der Duldung der Wegnahme die Duldung eine über den Besitzverlust hinausgehenden Beeinträchtigung angestrebt wird, beispielsweise die Wegnahme einer Messvorrichtung der Einstellung der Energieversorgung dient. Hier bestimmt sich der Streitwert gem. § 3 ZPO nach dem klägerischen Interesse an der Versorgungseinstellung und nicht gem. § 6 ZPO nach dem Wert der Messeinrichtung (s. ausführlich unter dem Stichwort „Energie- und Wasserversorgung“).

5726

Bei der Klage auf Herausgabe von Schlüsseln ist danach zu unterscheiden, ob die Klage auf die Verschaffung des Besitzes an der verschließbaren Sache oder nur an einem (weiteren) Schlüssel zielt. Dies wird regelmäßig davon abhängen, ob sich die Sache bereits im Besitz des Klägers befindet.

5727

Wird nur die Herausgabe eines Not- oder Zweitschlüssels verlangt, ist deren Wert maßgeblich, wobei für die Wertermittlung auf die fiktiven Kosten der Beschaffung von Zweitschlüsseln oder der Erneuerung der Schließanlage abgestellt werden kann.2 Zielt die Herausgabe der Schlüssel demgegenüber auf die Einräumung des Besitzes – beispielsweise – an Räumlichkeiten, ist gem. § 6 ZPO deren Verkehrswert wertbestimmend. Bewertungsrechtliche Sondervorschriften, wie etwa für die Einräumung des Besitzes an einer Miet- oder Pachtsache (§ 8 ZPO, § 41 GKG) sind zu beachten.3

5728

Der Verkehrswert herauszugebender Edelmetalle richtet sich nach dem zurzeit der Klageeinreichung geltenden Börsen-Ankaufswert.4

5729

Bei einer Klage auf Herausgabe von Urkunden bestimmt sich der Wert in keinem Fall nach dem bloßen Papierwert. Vielmehr ist nach der Art der Urkunde zu unterscheiden: Wird schließlich auf Herausgabe von echten Wertpapieren (Inhaber- und Orderpapiere) geklagt, richtet sich der Streitwert gem. § 6 ZPO nach dem Wert des darin verbrieften Rechts. Denn hier folgt das Recht aus dem Papier dem Recht am Papier.5

5730

Bei allen sonstigen Urkunden, insbesondere den qualifizierten Legitimationspapieren und den bloßen Beweisurkunden, ist nicht der Wert des von ihnen erfassten Rechts für die Bewertung in Ansatz zu bringen, sondern gem. § 3 ZPO das Interesse des Klägers an der Verfügungsgewalt über das Dokument.6 Hierbei kann die Bewertung im Einzelfall, etwa wenn das verbriefte Recht bei anderweitigem Besitz gefährdet oder dauerhaft nicht durchsetzbar ist, dem

1 LAG Kiel, Beschl. v. 26.9.2008 – 6 Sa 267/08, juris. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.12.1992 – 11 W 123/92, OLGR 1993, 79. 3 Zöller/Herget, § 6 ZPO Rn. 5; LG Halle, Beschl. v. 20.5.1994 – 2 T 175/94, MDR 1994, 208 = WuM 1994, 532. 4 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – II ZR 65/91, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 131, NJW-RR 1991, 1210 – Goldbarren; OLG Rostock, Urt. v. 16.7.2008 – 1 U 48/08, MDR 2009, 133 = OLGR 2009, 81; OLG Düsseldorf, JurBüro 1969, 175; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rn. 18. 5 BGH, NJW 1989, 2755; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Besitz“ Rn. 19; Zöller/Herget, § 6 Rn. 7. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.5.1999 – 11 W 23/99, MDR 1999, 891; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7.8.1990 – 5 W 145/90, JurBüro 1990, 1661.

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Vermächtnisansprüche Wert des verbrieften Rechts entsprechen.1 Geht es um die Herausgabe von Geschäftspapieren, ist deren Bedeutung für die Fortführung des Unternehmen und Verpflichtung zur Abgabe steuerlicher Erklärungen zu berückschtigen.2 S. im Einzelnen bei einschlägigen Stichwörtern, beispielsweise „Wertpapiere“, „Kraftfahrzeugbrief“ und „Sparkassenbuch“.

Verlagsrecht S. das Stichwort „Urheberrecht, Verlagsrecht“.

Verlustigerklärung Literatur: Enders, JurBüro 2003, 562.

Der Beschluss über die Verlustigerklärung ergeht nach Rücknahme des Rechtsmittels von Amts wegen. Ebenfalls enthalten ist in diesem Beschluss die Entscheidung, dass der Rechtsmittelführer die Kosten des Rechtsmittels zu tragen hat (§§ 516 Abs. 3, 565 ZPO). Gerichtsgebühren fallen für diesen Beschluss nicht an, sodass es insoweit einer Streitwertfestsetzung nicht bedarf. Hinsichtlich der Bestimmung des Gegenstandswertes für die Anwaltsgebühren, kann auf die Ausführungen beim Stichwort „Berufungsrücknahme“ verwiesen werden.

5731

Vermächtnisansprüche Für Vermächtnisansprüche gem. § 2174 BGB gelten keine Besonderheiten. – Der Wert bestimmt sich bei einem Geldvermächtnis nach dem Wert der Forderung (§ 3 ZPO). – Sind bestimmte Sachen vermacht, gilt § 6 ZPO der Wert des dem Vermächtnis zugrunde liegenden Gegenstandes. Das gilt auch für ein sog. Verschaffungsvermächtnis. – Ist ein Grundstück vermacht, richtet sich also der Anspruch auf die Zustimmung zur Auflassung, gilt der volle Verkehrswert.3 – Sind dem Vermächtnisnehmer wiederkehrende Leistungen zugedacht worden, sind diese gem. § 9 ZPO mit dem 3 1/2-fachen Jahresbetrag anzusetzen, sofern der Bezugszeitraum nicht geringer ist. Es handelt sich nicht um die Geltendmachung gesetzliche Unterhaltsansprüche i.S. des § 42 Abs. 1 GKG.4 1 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7.8.1990 – 5 W 145/90, JurBüro 1990, 1661 – keine Möglichkeit der Fahrzeugveräußerung bei fehlendem Besitz des Kfz-Briefes. 2 LAG Koblenz, Beschl. v. 4.10.2007 – 1 Ta 174/07, NZA-RR 2008, 324 (Ls). 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 15.10.1987 – 3 W 110/87, JurBüro 1988, 517. 4 LG Oldenburg, Beschl. v. 21.11.1950 – T 646/50, JurBüro 1951, 269 zu § 9 ZPO a.F.: 12,5-facher Jahresbetrag.

Monschau

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Vermehrte Bedürfnisse 5733

Wird zunächst nur Auskunft verlangt, ist ein Bruchteil anzusetzen. S. hierzu das Stichwort „Auskunft“.

5734

Für einen gemeinsamen Vergleich über den Auskunfts- und den Pflichtteilsanspruch gilt nur der höhere Wert des Pflichtteilsanspruchs (§ 4 GKG).1

Vermehrte Bedürfnisse 5735

Zur Berechnung des Streitwerts einer Klage, mit der unter anderem der Anspruch einer Hausfrau wegen einer Vermehrung ihrer Bedürfnisse (Haushaltshilfe und Pflegekraft) geltend gemacht wurde.2 Es ist darauf zu achten, ob dieser Anspruch bereits durch andere Klageanträge ganz oder teilweise erfasst ist. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn bezifferte Anträge neben Feststellungsanträgen gestellt werden.

Vermögensrechtlicher Anspruch S. das Stichwort „Nichtvermögensrechtliche Streitigkeit“.

Vermögensverzeichnis, Errichtung S. das Stichwort „Stufenklage“.

Veröffentlichungsbefugnis 5736

Der Anspruch des Klägers, das erstrittene Urteil öffentlich bekannt zu machen, ergibt sich zumeist als Folgeanspruch aus Wettbewerbsverletzungen (vgl. § 7 UKlaG, § 12 Abs. 3 UWG, § 103 UrhG) bzw. aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht bei Ehrverletzungen.

5737

Der Wert der öffentlichen Bekanntmachung eines Urteils in mehreren Zeitungen beschränkt sich nicht auf die Druckkosten,3 sondern ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Überwiegend werden 10 % des Wertes des Unterlassungsanspruchs angesetzt.4

5738

Ist der Klageantrag auf Bewilligung einer Veröffentlichungsbefugnis mit einer Unterlassungs- oder Schadensfeststellungsklage verbunden, hat er nach Meinung einiger Gerichte keinen eigenen Streitwert.5 Diese Auffassung ist aller1 2 3 4

AG Ludwigslust, Beschl. v. 27.2.2002 – 2 C 809/99, juris. Vgl. KG, JurBüro 1975, 507. OLG Hamm, JMBl.NW 1954, 177. OLG Köln, Urt. v. 14.4.2000 – 6 U 135/99, ZIP 2000, 2017; OLG Celle, Urt. v. 2.3.2000 – 13 U 280/98, GRUR-RR 2001, 125; OLG Nürnberg, Urt. v. 20.7.1999 – 3 U 1559/99, JurBüro 2000, 275. 5 OLG Stuttgart, NJW 1959, 890; OLG Karlsruhe, WRP 1958, 190; OLG Nürnberg, JurBüro 1967, 72.

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N. Schneider

Versicherungsschutz dings bedenklich. Sie verstößt gegen den Grundsatz, dass das Begehren, also das Interesse des Klägers, für den Streitwert maßgebend ist. Wer aber zur Unterlassung zusätzlich Veröffentlichung begehrt, verlangt mehr als nur Unterlassung und erhält aufgrund der Wirkungen einer solchen Veröffentlichung auch mehr. Das sollte bei der Streitwertbemessung zum Ausdruck kommen.1

Versicherungsschutz Literatur: Platz, VersR 1967, 19; E. Schneider, MDR 1973, 181. Stichwortübersicht Rn. Abschluss einer Risikoversicherung 5754 Abzug für positive Feststellungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 5782 Ansprüche, Berechtigung . . . . . . 5745 Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5765 Deckungsschutz . . . . . . . . . . 5773 ff. – Anspruch aufgrund Pfändung . . . 5777 – Feststellungsklage . . . . . . 5768, 5776 – Gebührenstreitwert . . . . . . . . 5777 – Leasingvertrag . . . . . . . . . . . 5768 – Pfändungs- und Überweisungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . 5749 – Rechtsschutzversicherung . . . . 5775 – Rente . . . . . . . . . . . . . . . . 5776 Feststellung . . . . . . . . . . . . . 5759 ff. Feststellungsantrag für Zukunft . . 5770 Feststellungsklage . . . . . . . . . . 5781 Feststellungswiderklage . . . . . . . 5792 Feuerversicherung . . . . . . . . . . 5762 Haftpflichtsachen . . . . . . . . . . 5742 Haftpflichtversicherungsschutz . . . 5753 Höchsthaftungssummen . . . . . . . 5743 Insassen-Unfallversicherungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . 5785 Kfz-Haftpflichtversicherung, Deckungsschutzprozess . . . . . . 5788 Klägerinteresse – an Lebensversicherungssumme . 5756 f. – wertbestimmend . . . . . . . . . 5754 ff. Krankenhaustagegeld-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . 5765 f. Krankenversicherungsvertrag . . . . 5731 Künftige Leistung der Versicherungssumme . . . . . . . . . . . . 5755

Rn. Lebensversicherungsvertrag – Anfechtung und Widerklage . . . 5793 – Feststellungsklage auf Bestehen 5772a Leistung der Sicherung an Dritten . 5746 Leistung der Versicherungssumme . 5755 Leistungen des Versicherten an Verletzten . . . . . . . . . . . . . . . 5748 Negative Feststellungsklage . . . 5770 ff. Prämienzahlung . . . . . . . . . . . 5793 Rechtsmittelzulässigkeit . . . . . . 5776 Rechtsschutzversicherung . . . 5768, 5775 Regressverzicht . . . . . . . . . . . . 5789 Rente . . . . . . . . . . . . . . . . . 5769 – dynamische . . . . . . . . . . . . . 5786 Rückzahlung der Prämie . . . . . . . 5756 Schmerzensgeld . . . . . . . . . . . 5769 Selbstbeteiligung, vereinbarte . . . . 5784 Unbegründete Forderungen . . . . . 5752 Verdienstausfall . . . . . . . . . . . 5769 Vergleich über Beitragsweiterentrichtung . . . . . . . . . . . . . . 5758 Versicherteninteresse . . . . . . . . 5776 Versicherungssumme, eingeklagte . 5781 Versicherungsverhältnis, Interesse an Aufrechterhaltung . . . . . . . 5787 Versicherungsvertrag – Rückübertragung . . . . . . . . . . 5741 – unwirksamer . . . . . . . . . 5756, 5758 Vorschusszahlungen der Versicherungsgesellschaft . . . . . 5750 ff. Widerklage . . . . . . . . . . . . . . 5791 Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . 5747 Zukünftige Deckung, Feststellungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . 5769 Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . 5776

1 Richtig daher OLG Frankfurt, JurBüro 1972, 706 und OLG Hamburg, MDR 1977, 142, welche die Veröffentlichungsbefugnis gesondert bewerten; s. auch OLG Frankfurt, GRUR 1955, 450.

N. Schneider

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Versicherungsschutz

A. Anzuwendende Vorschriften 5739

Da das GKG insoweit keine besonderen Wertvorschriften enthält, gelten über § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG für den Gebührenstreitwert die gleichen Bewertungsgrundsätze wie für den Zuständigkeitsstreitwert. Gleiches gilt für die Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 RVG).

5740

Die Klage auf Leistung einer bezifferten Versicherungssumme ist nach dem Antrag zu bemessen (§§ 3, 6 ZPO). Werden laufende Leistungen verlangt, gelten die §§ 3, 9 ZPO. Wird Freistellung verlangt, ist nach § 3 ZPO der Wert der freizustellenden Forderung maßgebend (s. „Befreiung von einer Verbindlichkeit“, Rn. 1554 ff.).

5741

Wird auf Rückübertragung des früher abgetretenen Anspruchs aus einem noch nicht prämienfreien Versicherungsvertrag geklagt, so ist der Wert des Anspruchs nicht ohne Weiteres dem Wert des Rückkaufsrechts gleichzusetzen, da der Berechtigte die Wahl hat, entweder das Rückkaufsrecht auszuüben oder die Versicherung fortzusetzen; es ist nach § 3 ZPO zu schätzen.1

5742

In Haftpflichtsachen ist grundsätzlich der Betrag anzusetzen, der gegen den Versicherungsnehmer aus einem Haftpflichtfall gefordert wird.2 Zu offensichtlich unbegründeten Ansprüchen s. Rn. 5752.

5743

Die Angabe von Höchsthaftungssummen (Freistellung „bis zur Höhe von ... Euro“) ist für den Streitwert belanglos, solange der freizustellende Betrag nicht darüber liegt.3

5744

Das Interesse des Versicherten ist auch nicht auf den Wert eines möglichen Regressanspruches des Versicherten beschränkt, der durch geschäftsplanmäßige Erklärungen einer Begrenzung unterliegt, die wesentlich unter der möglichen Inanspruchnahme des Versicherten durch den Geschädigten liegen kann.4

5745

Auch die Berechtigung der Ansprüche, die der Verletzte geltend macht, ist bei der Wertfestsetzung grundsätzlich nicht zu prüfen,5 sondern nur in Ausnahmefällen.6

5746

Das OLG Düsseldorf7 unterscheidet danach, ob der geschädigte Dritte bereits bezahlt worden ist (voller Wert) oder die Leistung noch aussteht (Abzug von 20 % wie bei positiver Feststellungsklage).

5747

Zinsansprüche bleiben außer Ansatz.8

5748

Bei Leistungen, die vom Versicherten an den Verletzten zu erbringen sind und für die der Versicherer einstehen soll, sind grundsätzlich diese Leistungen zuzüglich der Kosten einer Verteidigung gegenüber den Ansprüchen des Verletzten Streitgegenstand auch des Deckungsprozesses.9 1 OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1. 2 OLG Nürnberg, JurBüro 1966, 1060; 1968, 542; OLG München, VersR 1968, 1083; OLG Bamberg, JurBüro 1981, 433. 3 OLG Bamberg, JurBüro 1981, 433 mit Anm. Mümmler. 4 OLG Schleswig, VersR 1977, 333. 5 OLG Nürnberg, JurBüro 1968, 542; OLG Frankfurt, JurBüro 1983, 1086. 6 OLG Nürnberg, JurBüro 1970, 305; OLG Düsseldorf, VersR 1974, 1034: Abstriche von illusionären Ansprüchen. 7 OLG Düsseldorf, VersR 1974, 1034. 8 OLG Nürnberg, VersR 1978, 854. 9 So jetzt auch BGH, MDR 1976, 649 = Rpfleger 1976, 207 = VersR 1976, 477.

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N. Schneider

Versicherungsschutz Das gilt auch dann, wenn der Geschädigte den Anspruch des Schädigers auf Deckungsschutz gegen dessen Versicherungsnehmer aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einklagt. Sind die Ansprüche des Geschädigten bereits durch Gerichtsurteil tituliert, dann liegt damit der Streitwert fest (Verurteilungssumme nebst Zinsen und Kosten).

5749

Der Streitwert einer Leistungsklage umfasst auch den Betrag etwaiger Vorschusszahlungen der die Schadensersatzpflicht bestreitenden Versicherungsgesellschaft des Schuldners, wenn diese Zahlungen ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückerstattung geleistet worden sind.1

5750

Wird über diese Ansprüche jedoch erst vorprozessual verhandelt, dann ist die Forderung des Geschädigten nicht ohne Weiteres wertbestimmend. Der Versicherer hat nur für begründete Ansprüche einzustehen.

5751

Deshalb macht die Rechtsprechung insoweit eine Einschränkung, dass bei der Streitwertfestsetzung für den Deckungsschutzprozess solche Forderungen des Verletzten unberücksichtigt zu bleiben haben, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen offensichtlich unbegründet sind.2

5752

Auch der Streitwert von Klagen auf Gewährung von Haftpflichtversicherungsschutz ist nach § 3 ZPO zu schätzen.3

5753

Wird auf Abschluss einer Risikoversicherung auf den Todesfall geklagt, so ist das Wertinteresse des Klägers ebenfalls nach § 3 ZPO zu bestimmen.4

5754

Bei der Festsetzung des Streitwertes eines Anspruchs auf zukünftige Leistung der Versicherungssumme ist von dieser ein gewisser, nicht sehr bedeutender Abzug vorzunehmen (§ 3 ZPO). Er rechtfertigt sich durch die fehlende Fälligkeit und die Notwendigkeit, bis zum Fälligkeitsjahr die Prämien weiterzuzahlen.5

5755

Werden nebeneinander Ansprüche auf Rückzahlung der Versicherungsprämie wegen Unwirksamkeit des Versicherungsbetrages und auf Regulierung eines Schadens wegen wirksamen Versicherungsvertrages geltend gemacht, dann sind die Werte dieser Ansprüche nicht zusammenzurechnen, sondern es ist nur der höhere Anspruch maßgebend.6

5756

Dies erklärt sich daraus, dass die Ansprüche einander ausschließen: entweder besteht der Versicherungsvertrag oder er besteht nicht, und je nachdem hat die Partei den einen Anspruch oder den anderen, keinesfalls aber beide.

5757

Der Wert der in einem Vergleich übernommenen Verpflichtung zur Weiterzahlung des Beitrages für eine Lebensversicherung oder Aussteuerversicherung bemisst sich nach dem 3,5-fachen Jahresbeitrag.7

5758

1 OLG Karlsruhe, Justiz 1965, 144. 2 OLG Düsseldorf, VersR 1974, 1034; OLG Frankfurt, JurBüro 1983, 1086; OLG Hamm, JurBüro 1989, 523. 3 BGH, VersR 1952, 64; OLG Hamburg, VersR 1952, 362; OLG Neustadt, Rpfleger 1957, 237; OLG Bremen, VersR 1957, 662; OLG Nürnberg, JurBüro 1966, 1060; JurBüro 1970, 305. 4 OLG Braunschweig, JurBüro 1975, 1099: 3/0. 5 OLG Hamburg, JurBüro 1957, 320. 6 OLG Hamm, VersR 1984, 1086 = KostRsp. GKG § 19 Nr. 89 zu § 19 Abs. 4 a.F. 7 OLG Celle, JurBüro 1968, 830 zu § 9 ZPO a.F.: 12,5-facher Jahresbeitrag.

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Versicherungsschutz

B. Feststellung 5759

Bei Klagen des Versicherten auf (positive) Feststellung, dass ein Versicherungsvertrag besteht, kommt es für die Bewertung auf die Natur des Versicherungsvertrages an.

5760

Geht es beispielsweise um einen Lebensversicherungsvertrag, dann ist das Interesse des Klägers auf die Versicherungssumme gerichtet, die im Todesoder Erlebensfalle vom Versicherer zu zahlen ist.

5761

Das OLG Karlsruhe1 hat dieses Interesse mit 1/4 des Betrags der Versicherungssumme geschätzt. Das OLG Hamm2 legt das Prämienaufkommen für vier Jahre zugrunde, wenn nicht zusätzlich noch Leistungen eingeklagt werden, die diesen Betrag übersteigen. Die Beschwer wird vom BGH festgesetzt auf den Endbetrag abzüglich 20 %, wobei Überschüsse nur anteilig Berücksichtigung finden.3

5762

Für eine Feuerversicherung z.B. ist Ausgangspunkt der Betrag der Deckungssumme, die im Einzelfall zu zahlen wäre.

5763

Beim Krankenversicherungsvertrag und entsprechenden Verträgen richtet sich der Streitwert nach den zu erwartenden Versicherungsleistungen, die nach § 3 ZPO zu schätzen sind.4

5764

Den Streitwert einer Klage auf Feststellung des Bestehens einer Krankenversicherung hat das OLG München5 nach dem fünfjährigen Betrag der Versicherungsprämie berechnet.

5765

Den Streitwert einer Klage des Versicherten auf Feststellung des Bestehens einer Krankenhaustagegeld-Versicherung hat das OLG Köln6 gem. § 3 ZPO auf den Betrag von fünf Jahresprämien geschätzt. Dieser Auffassung hat sich das OLG München angeschlossen.7 Abweichend hiervon stellt das OLG Saarbrücken die Prognose an, wie lange der Versicherungsvertrag noch fortbestehen werde.8 Das Gericht kam, weil der Kläger relativ jung war und der Vertrag bis zum 65. Lebensjahr des Versicherungsnehmers lief, gem. § 9 ZPO a.F. zum 12,5-fachen Jahresbetrag. Zweifelhaft erscheint, ob der Senat jetzt den Rechtsgedanken des § 9 ZPO (nur noch 3,5-facher Jahresbetrag) noch heranziehen würde.9 Die Klage auf Feststellung, dass eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zu bestimmten Lebensversicherungsverträgen nicht durch Rücktritt der beklagten Versicherungsgesellschaft beendet worden sei, hat der BGH in Anwendung des § 9 ZPO a.F. berechnet, also nach dem 12,5-fachen Jahresbetrag der monatlichen Rentenleistungen, und davon einen Feststellungsabschlag von 50 % gemacht.10 Warum statt der üblichen 20 % hier 50 % abgezogen worden sind, lässt sich nicht nachvollziehen. 1 2 3 4 5 6 7

OLG Karlsruhe, DRZ 1934 Nr. 269. OLG Hamm, Beschl. v. 26.4.2991 – 20 W 15/93, AnwBl. 1994, 45 = ZfSch 1993, 387. BGH, Beschl. v. 12.2.1992 – IV ZR 241/91, NJW-RR 1992, 608. OLG Hamburg, VersR 1952, 362. OLG München, Beschl. v. 30.5.1989 – 17 W 1663/89, r+s 1990, 106. OLG Köln, JurBüro 1977, 1130. OLG München, Beschl. v. 30.5.1989 – 17 W 1663/89, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 988 mit Anm. E. Schneider = r+s 1990, 106. 8 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 15.3.1993 – 5 W 34/93, JurBüro 1993, 738. 9 So offenbar Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Versicherungsschutz“ Rn. 2. 10 BGH, Beschl. v. 11.7.1990 – IV ZR 100/90, NJW-RR 1990, 1361; ebenso BGH, Beschl. v. 13.2.1992 – IV ZR 241/91, NJW-RR 1992, 608.

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Versicherungsschutz Das OLG Karlsruhe1 stellt demgegenüber bei einer Klage auf Feststellung der Verpflichtung, Leistungen aus einer Krankentagegeldversicherung für die ungewisse Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu erbringen, unter Berücksichtigung eines Feststellungsabschlags von 20 % auf den Bezug von sechs Monaten. Während ein Versicherungsvertrag regelmäßig auf unbestimmte Zeit geschlossen werde und deshalb – wenn sein Fortbestand festgestellt werden solle – die entsprechende Anwendung der Bewertungsvorgaben des § 9 ZPO gerechtfertigt sei, liege die regelmäßige Bezugsdauer von Krankentagegeld deutlich unter dreieinhalb Jahren, mag eine solcher Zeitraum in Einzelfällen auch nicht ausgeschlossen sein. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung erscheint dem Senat die Ermittlung des Streitwerts unter Zugrundelegung einer halbjährigen Bezugsdauer angemessen.

5766

Der Streitwert einer Klage auf Feststellung der Gewährung von Deckungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung richtet sich gem. § 3 ZPO grundsätzlich nach den voraussichtlichen, durch die gerichtliche oder außergerichtliche Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers entstehenden Kosten, deren Übernahme durch den Versicherer er erstrebt, abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20 %.2

5767

Bei der Deckungs-Feststellungsklage ist nach h.M. grundsätzlich der übliche Abschlag von 20 % zu machen,3 auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Feststellungsklage den Streit zwischen den Parteien endgültig erledigt, z.B., wenn gegen einen Rechtsschutzversicherer auf Feststellung der Deckungspflicht für die Kosten einer Instanz geklagt wird. Der Abschlag ist aber keine starre Größe (oben das Stichwort „Feststellungsklage“, Rn. 2277 ff.), kann also auch geringer bewertet werden oder im Einzelfall ganz unterbleiben.4 Zur Streitwertberechnung bei der Feststellungsklage wegen Gewährung von Rechtsschutz s. Rn. 5773 ff. Bei der Deckungsklage eines Autoleasingnehmers aus einer Fahrzeugversicherung ist auf die Verhältnisse des Leasinggebers abzustellen, sodass Mehrwertsteuer bei der Streitwertberechnung unberücksichtigt bleibt, wenn der Leasinggeber vorsteuerabzugsberechtigt ist.5

5768

Verlangt der Schädiger erhebliche bezifferte Zahlungen, etwa Schmerzensgeld, Rente und Verdienstausfall, dann hat der daneben gestellte Feststellungsantrag für die Zukunft eine verhältnismäßig geringe Bedeutung. Das kommt in der Bewertung zum Ausdruck, weil die wesentlichen Schäden bereits durch die bezifferten Zahlungsanträge abgedeckt sind. Abzustellen ist in diesem Fall auf die Wahrscheinlichkeit des Entstehens eines weiteren Schadens.6

5769

Bei Feststellungsklagen des Versicherers ist das Interesse bei positiver Klage auf die weitere Zahlung der Prämien für die Vertragsdauer gerichtet, bei negativer Klage darauf, im Eintrittsfall keine Deckung leisten zu müssen.7

5770

1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.3.2006 – 12 W 18/06, AGS 2006, 453 = OLGR 2006, 406. 2 BGH, Beschl. v. 8.3.2006 – IV ZB 19/05, 451, NJW-RR 2006, 791 = RuS 2006, 328. 3 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1050 mit Anm. E. Schneider = NJW-RR 1991, 1149; OLG Hamm, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 684 = AnwBl. 1984, 95 = VersR 1984, 257; Anders/ Gehle/Kunze, Stichwort „Deckungsprozess“ Rn. 1. 4 E. Schneider, Anm. zu KostRsp. ZPO § 3 Nr. 684; MDR 1985, 265, 268. 5 BGH, Beschl. v. 30.4.1992 – IV ZR 243/90, NJW-RR 1991, 1149. 6 OLG München, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 897 = JurBüro 1988, 230. 7 Vgl. OLG Köln, JW 1920, 58.

N. Schneider

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Versicherungsschutz 5771

Die negative Feststellungsklage des Versicherten ist darauf gerichtet, von der ferneren Prämienzahlung befreit zu werden. Ist beispielsweise, wie häufig bei Lebensversicherungen, die Kündigung für zwei oder drei Jahre ausgeschlossen, so besteht das Interesse am Freiwerden von diesen Jahresprämien.1

5772

Die negative Feststellungsklage des Versicherers gegen den Versicherten, der aus einem Unfall als Schädiger in Anspruch genommen ist, auf Freistellung, dass ein Anspruch gegen den Versicherer nicht bestehe, bewertet sich gem. § 3 ZPO nach der Höhe der gegen den Schädiger erhobenen Ansprüche.2

5772a

Klagt die Versicherungsgesellschaft auf Feststellung des Nichtbestehens eines Lebensversicherungsvertrages, den sie angefochten hat, dann richtet sich der Streitwert nach ihrem Interesse daran, die Versicherungssumme nicht zahlen zu müssen.3

C. Probleme beim Deckungsschutz 5773

Maßgebend ist, wofür Deckungsschutz verlangt wird. Geht es um die Erstattung oder die Befreiung von bereits bezifferten Leistungen, so ist deren Höhe gleich dem Streitwert.

5774

Geht es um noch unbezifferte Leistungen, ist deren zu schätzende Höhe maßgebend, begrenzt durch die Deckungshöchstsumme und gekürzt um den üblichen Feststellungsabschlag.4

5775

In der Rechtsschutzversicherung (s. auch oben Rn. 5768) entspricht der Streitwert der Deckungsschutzklage den voraussichtlichen Kosten des beabsichtigten Rechtsstreits oder der notwendigen Verteidigung dagegen. Die Höhe dieser Kosten wiederum ist zu berechnen nach dem für den abzudeckenden Rechtsstreit maßgebenden Streitwert. Von ihm ausgehend sind die Anwaltskosten beider Parteien, die Gerichtskosten und die Nebenausgaben – Ablichtungen, Zeugengelder usw. – zu ermitteln und zu addieren. Da es sich nur um eine Zukunftsprognose handelt, kann der Streitwert der Deckungsschutzklage höher liegen als die Prozesskosten, die später in dem Rechtsstreit selbst festgesetzt werden. Die Kostenprognose ist auf die Instanz zu beschränken, obwohl die Wahrscheinlichkeit oder gar Notwendigkeit der Einlegung eines Rechtsmittels nie auszuschließen ist.5 Diese Einschränkung beruht auf der Vorschrift des § 15 Abs. 1 lit. d ARB, wonach der Versicherte die Kosten tunlichst gering zu halten und insbesondere die Einlegung von Rechtsmitteln mit dem Versicherer abzustimmen hat. Deshalb wird auch die Deckungszusage immer nur für eine Instanz erteilt. Der Versicherungsnehmer wird dadurch nicht benachteiligt. Hat er die Feststellung erstritten, dass für eine Instanz Kostenschutz zu gewähren ist, dann ist damit praktisch präjudiziert, dass der Rechtsschutzversicherer generell zur Deckung verpflichtet ist, soweit sie in den ARB vorgesehen ist.

5776

Umstritten ist die Frage, ob die auf sozialen Erwägungen beruhende Vorschrift des § 42 GKG im Deckungsprozess analog anzuwenden ist (zur Abgrenzung 1 2 3 4 5

OLG München, Recht 1910 Nr. 3966. OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 423; s. aber oben Rn. 5742 ff. OLG Bamberg, JurBüro 1985, 1703 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 786. OLG Hamm, VersR 1984, 257 = AnwBl. 1984, 95; hierzu oben Rn. 5768. OLG Hamm, VersR 1984, 257 = AnwBl. 1984, 95.

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N. Schneider

Versicherungsschutz § 42 GKG – § 9 ZPO unten Rn. 5780). Für die Zuständigkeit und die Zulässigkeit des Rechtsmittels gilt auch im Renten-Deckungsschutzprozess § 9 ZPO. Das muss so sein, da anderenfalls für den Ersatzprozess des Verletzten gegen den Verletzer ein anderer Instanzenzug begründet werden könnte als für den Deckungsschutzprozess.1 Umgekehrt erscheint es dann aber auch unerlässlich, im Rahmen der nach § 3 ZPO vorzunehmenden Bewertung des Deckungsschutzprozesses als Ermessensrichtlinie für die Gebührenberechnung die Vorschrift des § 42 GKG heranzuziehen.2 Demgegenüber hatte der BGH3 bei der Schätzung nach § 3 ZPO die Vorschrift des § 9 ZPO als Richtlinie angewandt und kam daher zu ganz erheblich höheren Gebührenstreitwerten für den Deckungsschutzprozess, der dem Versicherten die Klage gegen seinen Versicherer nicht nur erheblich erschwert, sondern unter Umständen wegen des Kostenrisikos wirtschaftlich unmöglich macht.4

5777

Eine Lockerung dieser Judikatur ist durch BGH5 eingetreten. Es ging um den Fall, dass der Geschädigte den Versicherer unmittelbar in Anspruch nahm, wozu er durch § 3 Nr. 1 des Pflichtversicherungsgesetzes legitimiert ist (sog. Direktanspruch gegen den Versicherer).

5778

Hier hat der BGH den § 17 Abs. 2 Satz 2 GKG a.F. (§ 42 Abs. 2 Satz 2 GKG n.F.) angewandt, und zwar mit der Begründung, dabei handele es sich nicht um einen Anspruch aus Vertrag (worauf § 17 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F. § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG n.F. unanwendbar sei), sondern um einen gesetzlichen Anspruch deliktsrechtlicher Natur. Diese formale Begründung erscheint gekünstelt, ändert jedoch nichts an dem begrüßenswerten Ergebnis, das den Geschädigten davor bewahrt, allein aus Kostengründen in eine von vornherein ungünstige Rechtsposition zu geraten.

5779

Beim Gebührenstreitwert musste sich die unter Rn. 5776 ff. nachgewiesene Rechtsprechung bislang zwischen dem 12,5-fachen Jahresbetrag (§ 9 ZPO a.F.) und dem „sozialen“ Wert des § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F. (5-facher Jahresbetrag) entscheiden. Durch das RpflegeEntlG 1993 wurde der Prozesswert aber auf den 3,5-fachen Jahresbetrag reduziert (§ 9 ZPO n.F.). Jetzt wird also das Kostenrisiko durch die Anwendung des § 9 ZPO gemindert, § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG macht den Rechtsstreit teurer! Das Verhältnis zwischen dem Prozesswert und dem Gebührenwert ist „auf den Kopf“ gestellt.6

5780

1 S. Lappe, Anm. zu KostRsp. ZPO § 3 Nr. 167. 2 So z.B. OLG Hamm, JMBl.NW 1951, 12; OLG Saarbrücken JBl.Saar 1967, 107; OLG Nürnberg, JurBüro 1970, 305; OLG Frankfurt, JurBüro 1972, 1092 (für Geltendmachung des Deckungsschutzanspruches aufgrund einer Pfändung); OLG Saarbrücken, JBl.Saar 1967, 107, für einen Befreiungsanspruch der Versicherungsgesellschaft; ausführlich dazu E. Schneider, MDR 1973, 181. 3 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 280; VersR 1972, 440 = JurBüro 1972, 499; BGH, JurBüro 1974, 1249 = MDR 1974, 106 = NJW 1974, 1710. 4 Wie der BGH auch OLG Hamm, AnwBl. 1965, 182; OLG Bamberg, JurBüro 1973, 1089; OLG Frankfurt, JurBüro 1981, 272 = VersR 1981, 446; wohl auch OLG Nürnberg, JurBüro 1959, 328, das direkt (also unter Übergehung des § 3 ZPO) nach § 9 ZPO bewerten will. 5 BGH, NJW 1982, 1399 = MDR 1982, 389. 6 Lappe, NJW 1994, 1189.

N. Schneider

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Versicherungsschutz 5781

Zu beachten ist – gleichgültig, welcher Auffassung man folgt –, dass die Klage des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer mit dem Antrag, den Versicherer zu verurteilen, Versicherungsschutz zu gewähren, trotz der auf eine Leistungsklage hindeutenden Fassung stets eine Feststellungsklage ist.1

5782

Die Formulierung „... die Beklagte zu verurteilen ...“ ändert daran nichts.2 Deshalb ist stets – also sowohl bei Bewertung nach § 3 ZPO, § 42 GKG als auch nach §§ 3, 9 ZPO – der für positive Feststellungsklagen übliche Abschlag von 20 % zu machen.3

5783

Da aber die Bewertung des Deckungsschutzprozesses nach § 3 ZPO verläuft (ungeachtet, ob § 42 GKG oder § 9 ZPO als Richtlinie benutzt wird), ist es gerade hier möglich, im Rahmen des freien Schätzungsermessens4 den regelmäßigen Abzug von 20 % zu modifizieren. Das OLG Bamberg5 mindert ihn auf 10 %. Richtiger erscheint es, wenn man dem BGH folgt, einen höheren Prozentsatz anzunehmen.

5784

Auch hier gilt der allgemeine Bewertungsgrundsatz (s. z.B. das Stichwort „Miterbe“), dass unstreitige Rechtspositionen bei der Streitwertbemessung nicht berücksichtigt werden, im Versicherungsvertragsrecht also vor allem eine vereinbarte Selbstbeteiligung.6

5785

Deshalb darf auch der Streitwert für eine Feststellungsklage auf Gewährung von Insassen-Unfallversicherungsschutz nur auf den Betrag der Versicherungssumme festgesetzt werden, der auf den jeweiligen Insassen entfällt. Die Schwere der Verletzung und die Höhe der Heilungs- und Folgekosten sind insoweit unerheblich.7

5786

Bei der Bewertung des Deckungsanspruches für eine dynamische Rente ist ein Mittelwert zugrunde zu legen, dessen Bestimmung natürlich wiederum davon abhängt, ob man § 42 GKG (soweit in diesem Fall tatbestandlich anwendbar) oder § 9 ZPO als Richtmaß heranzieht.8

5787

Bei einem 58-jährigen, an einem Herzleiden erkrankten Mann, der aller Wahrscheinlichkeit nach eine ständige ärztliche Betreuung und somit einen regelmäßigen Anfall von Arzt- und Arzneikosten hat, ist die Bewertung des Interesses an der Aufrechterhaltung eines Versicherungsverhältnisses mit 1.000 DM angemessen.9

5788

Das OLG Hamm10 berechnet den Streitwert des Deckungsschutzfeststellungsprozesses in der Kfz-Haftpflichtversicherung mit Rücksicht auf die internen

1 2 3 4 5 6 7 8 9

OLG Köln, JurBüro 1965, 408; OLG Düsseldorf, VersR 1974, 1034. OLG Nürnberg, JurBüro 1970, 305. BGH, JurBüro 1965, 985; OLG Frankfurt, JurBüro 1981, 272 = VersR 1981, 446. Krit. zum Begriff Lappe, NJW 1993, 1750. OLG Bamberg, JurBüro 1973, 1089. OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.5.1983 – 17 W 17/83, JurBüro 1983, 1086. OLG München, Beschl. v. 25.11.1986 – 24 W 277/87, JurBüro 1988, 230. S. BGH, JurBüro 1972, 499 = VersR 1972, 440. LG Frankfurt, VersR 1955, 626; der Kläger selbst hatte den Wert seines Feststellungsbegehrens nur mit 150 DM beziffert. 10 OLG Hamm, VersR 1974, 637 = NJW 1974, 1387 = MDR 1974, 590.

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N. Schneider

Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO Absprachen der Versicherer untereinander nach einem Wert von höchstens 5.000 DM.1 Diese Auffassung ist jetzt auch vom BGH bestätigt worden.2 Es handelt sich hierbei um Folgendes: Die Kfz-Haftpflichtversicherer haben für Fälle, in denen wegen Obliegenheitsverletzungen, Gefahrerhöhungen oder Nichtzahlung von Prämien im Versicherungsinnenverhältnis die Leistungspflicht des Haftpflichtversicherers entfällt, Regressverzichte abgegeben, wonach sie den Versicherungsnehmer lediglich bis zu 5.000 DM in Anspruch nehmen.3 Soweit dieser Regressverzicht im Einzelfall zum Tragen kommt, wird dadurch auch die Wertfestsetzung im Deckungsschutzprozess des Versicherers gegen den Versicherungsnehmer beschränkt, weshalb OLG Hamm und OLG Düsseldorf (s. Rn. 5788) in den vorstehend erwähnten Entscheidungen einen Höchstwert von 5.000 DM annehmen.

5789

5790

D. Widerklage Der Anspruch auf Feststellung, dass die Versicherungsgesellschaft Versicherungsschutz zu gewähren habe, hat nicht denselben Gegenstand mit dem Widerklageantrag der Versicherung auf Zahlung eines ihr von der Finanzierungsgesellschaft abgetretenen Anspruchs aus dem Finanzierungsvertrag.4 Treffen Klage der Versicherung auf Prämienzahlung und Feststellungs-Widerklage des Versicherten auf Vertragsnichtigkeit zusammen, so ist der Wert der Zahlungsklage maßgebend; nur die Prämienzahlung ist in Streit. Der Streitwert für eine Widerklage auf Feststellung, dass die vom Kläger erklärte Anfechtung einen abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag nicht aufgelöst habe, ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Ein Ansatz mit dem 25-fachen Jahresbetrag der Versicherungsprämie ist vom OLG Köln in einer älteren Entscheidung5 als angemessen angesehen worden (s. aber auch die Bemessungsgrundsätze oben Rn. 5760 f.).

Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO Literatur: Schneider, MDR 1971, 437 ff.; Röttger, NJW 1994, 368; Mayer/Mayer, JurBüro 1993, 325. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . 5794 B. Gebührenstreitwert I. Überschreitung innerhalb der Instanz . . . . . . . . . . . . . . 5797 1. Gerichtsgebühren . . . . . . . . 5799 2. Anwaltsgebühren . . . . . . . . . 5800

Rn. II. Überschreitung, instanzübergreifend . . . . . . . . . . . . . . . . 5806 C. Rechtsmittel und Beschwer I. Überschreitung innerhalb der Instanz . . . . . . . . . . . . . . 5812 II. Instanzübergreifende Überschreitung . . . . . . . . . . . . . . . . 5815

1 S. dazu die Anm. Imendörffer, NJW 1974, 2137 sowie OLG Düsseldorf, VersR 1974, 1034. 2 BGH, JurBüro 1982, 1017 = VersR 1982, 591. 3 S. AnwBl. 1973, 162; BGHZ 80, 332 = MDR 1981, 828 = VersR 1981, 971. 4 OLG Frankfurt, JurBüro 1964, 900. 5 OLG Köln, VersR 1958, 241.

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5791

5792

5793

Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO Stichwortübersicht Rn. Aufrechnung, nicht erklärte . . . . 5798 Antragsüberschreitung – bezüglich der Hauptforderung . . 5798 – bezüglich der Zinsen, Früchte und Kosten . . . . . . . . . . . . 5797 – innerhalb der Instanz . . . . . . . 5797 – instanzübergreifend . . . . . . . . 5806 – mit Zustimmung der Parteien . . . . . . . . . . . . . 5809, 5811 Ausgangsverfahren . . . . . . . . . 5807 Beschränkung der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . 5813 Beschwer – bei erstinstanzlicher Überschreitung . . . . . . . . . . . . . . . . 5812 – bei zweitinstanzlicher Überschreitung . . . . . . . . . . . . . 5815 Beweis(aufnahme)gebühr . . . . . . 5804 Berufungsverfahren . . . . . . . . . 5807 Dispositionsmaxime . . . . . . . . 5794 Einzelfähigkeit . . . . . . . . . . . . 5804 Erweiterung des Streitgegenstandes 5811 Gebührenstreitwert – für das Ausgangsverfahren . . . . 5807

Rn. – für das Berufungsverfahren . 5807, 5811 – für das Revisionsverfahren . . . . . . . . . 5807, 5813, 5816 Gerichtsgebühren . . . . . . . . . . 5799 „Hinaufziehen“ vorinstanzlich noch rechtshängiger Teile der Klageforderung . . . . . . . . . . 5809 Instanzübergreifende Antragsüberschreitung . . . . . . . . . . . . . 5806 Instanzübergriff mit Einverständnis der Parteien . . . . . . . . . . . . 5809 Nebenforderungen . . . . . . . . . . 5797 Prozessökonomie . . . . . . . . . . 5811 Quotenteilurteil . . . . . . . . . . . 5815 Stufenklage . . . . . . . . . . . . . . 5815 Teilnahme an der Beweisaufnahme 5804 Teilurteil, unzulässiges . . . . . . . 5809 Terminsgebühr . . . . . . . . . . . . 5802 Überschreitung des Antrags . . . . 5812 Urteilsgebühren . . . . . . . . 5799, 5808 Verfahrensgebühr . . . . . . . . . . 5801 Verstoß gegen § 528, § 577 ZPO . . 5809 Von Amts wegen . . . . . . . . . . 5795 Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . 5799

A. Einleitung 5794

§ 308 ZPO ist Ausdruck der im Zivilprozess herrschenden Dispositionsmaxime. Danach wird der Streit- und Entscheidungsgegenstand durch den Antrag der Partei bestimmt. Aufgrund dieser Antragsbindung ist das Gericht nicht befugt, einer Partei (in der Hauptsache) etwas anderes oder mehr zuzusprechen, als von dieser beantragt worden ist. Entsprechende Regelungen finden sich für das Berufungsverfahren in § 528 ZPO und für das Revisionsverfahren in § 557 Abs. 1 ZPO, wonach eine Überprüfung und Abänderung der angegriffenen Entscheidung nur im Rahmen der hierzu gestellten Rechtsmittelanträge erfolgen darf.

5795

Ein Verstoß gegen § 308 ZPO ist mit den gegen die Entscheidung zulässigen Rechtsmitteln anzugreifen und vom Rechtsmittelgericht auch ohne Rüge von Amts wegen zu beachten. Ob und auf welchem Wege eine Korrektur der Entscheidung nach Eintritt der Rechtskraft möglich ist, ist streitig.1

5796

Fraglich ist, ob die Antragsüberschreitung Einfluss auf den Streitwert und damit auf die danach zu berechnenden Gebühren sowie die Beschwer hat. Hierbei ist weiter zu unterscheiden, ob der Verstoß sich auf eine Instanz beschränkt oder ob die höhere Instanz in das teilweise noch erstinstanzlich anhängige Verfahren eingreift und dadurch seinen Entscheidungsgegenstand erweitert.

1 Vgl. hierzu Zöller/Vollkommer, § 308 ZPO Rn. 6.

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Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO

B. Gebührenstreitwert I. Überschreitung innerhalb der Instanz Ohne Folgen bleibt hier der Verstoß gegen § 308 ZPO, wenn über den Klageantrag hinaus Zinsen, Früchte, Nutzungen oder vorgerichtliche Kosten zuerkannt werden. Denn diese bleiben gem. § 43 Abs. 1 GKG (§ 22 Abs. 1 GKG a.F.) bei der Bemessung des Streitwertes außer Betracht, solange sie als Nebenforderung geltend gemacht werden.

5797

Erfasst der Verstoß gegen die Dispositionsmaxime hingegen die Hauptforderung, beispielsweise weil das Gericht den Beklagten aufgrund eines nur angekündigten, aber dann nicht verlesenen Antrag verurteilt oder die Klage unter Berücksichtigung einer nicht zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung abgewiesen oder dem klagenden Arbeitnehmer statt des beantragten Nettolohnes den Bruttolohn zuerkannt hat,1 ist zu differenzieren:

5798

1. Gerichtsgebühren Die gerichtlichen Gebühren bemessen sich nach dem sich aus dem Klageantrag ergebenden Streitwert, § 43 GKG (§ 11 GKG a.F.). Dies gilt sowohl für die Verfahrensgebühr, deren Anfall und Höhe durch eine unzulässige Sachentscheidung nicht berührt werden, als auch für etwaig nach Nr. 1412, 1423 KV GKG zu berechnende Urteilsgebühren.2 Denn die Urteilsgebühr setzt nach dem Kostenverzeichnis zum GKG eine Verhandlung über den Urteilsgegenstand voraus. Daran fehlt es, wenn das Gericht von sich aus über die Anträge hinausgeht und beide Parteien damit im Urteil überrascht.3

5799

2. Anwaltsgebühren Hinsichtlich der anwaltlichen Gebühren ist maßgeblich darauf abzustellen, ob es sich hierbei um eine Pauschgebühr oder eine Tätigkeitsgebühr handelt.

5800

So bemisst sich die Verfahrensgebühr (Nrn. 3100, 3101 VV RVG, entspricht weitgehend § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) nicht nach dem unter Berücksichtigung der Überschreitung höheren Wert, weil es hierfür an einem entsprechenden Auftrag und einer dahingehenden anwaltlichen Tätigkeit (Betreiben des Geschäfts, Vorb. 3.2 VV RVG zu § 2 RVG) fehlt. Ein Anspruch, den der Kläger nicht geltend gemacht hat, über den das Gericht vielmehr eigenmächtig und unerlaubt mitentschieden hat, ist nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens oder des Mandats.

5801

Ebenso ist eine Streitwerterhöhung für die Terminsgebühr (Nrn. 3104, 3105 VV RVG, entspricht nur teilweise § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) zu verneinen. Nach der Neufassung entsteht diese Gebühr nicht erst mit der Antragstel-

5802

1 LAG Düsseldorf, Beschl. v. 7.1.1988 – 7 Ta 433/87, JurBüro 1988, 1079. 2 Zur Beeinflussung der nach altem Recht noch in weitergehendem Umfang anfallenden Urteilsgebühren vgl. BGH, NJW 1973, 2206 = MDR 1974, 36; OLG Frankfurt, JurBüro 1962, 479; OLG Stuttgart, WRP 1973, 608; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 7.1.1988 – 7 Ta 433/87, JurBüro 1988, 1079; a.A. OLG Köln, NJW 1960, 1471; OLG Nürnberg, Rpfleger 1956, 267. 3 E. Schneider, MDR 1971, 437.

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Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO lung,1 sondern bereits mit der Vertretung in einem Gerichtstermin, die allein aktive Anwesenheit des Anwalts an der Besprechung eines den Rechtsstreit betreffenden sachlichen oder rechtlichen Gesichtspunktes voraussetzt.2 Daher kommt ohne eine mündliche oder schriftsätzliche Erörterung des überschießenden Teils der späteren Entscheidung eine Werterhöhung nicht in Betracht. 5803

Sofern die Parteien allerdings über das zuerkannte Mehr verhandelt haben, ist das erweiterte Begehren dadurch Streitgegenstand geworden und deshalb für die Verfahrens- und Terminsgebühr nach allgemeinen Bemessungsgrundsätzen streitwertbestimmend.3

5804

Für die anwaltliche Teilnahme an der Beweisaufnahme stellt sich die Gebührenfrage dann, wenn das Gericht diese versehentlich auf die nicht geltend gemachte Mehrforderung ausgedehnt hat. Zwar sind mit der Ablösung der BRAGO durch das RVG sowohl die Beweisaufnahmegebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO) als auch die Beweisgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO) entfallen. Die Teilnahme des Anwalts an einer Beweisaufnahme innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens wird nunmehr mit der Terminsgebühr (Nr. 3104 und Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG) abgegolten. Beschränkt sich die anwaltliche Tätigkeit, etwa aufgrund einer Unterbevollmächtigung, auf die Teilnahme an einer Beweisaufnahme, ist diese jedoch als Einzeltätigkeit nach Nrn. 3401, 3402 VV RVG zu § 2 RVG zu vergüten. Für den Gegenstandswert kommt es hier nicht auf die Zulässigkeit der Beweisaufnahme an, sondern ob nach dem objektiv erkennbaren Willen des Gerichts eine Beweisaufnahme für erforderlich gehalten und bezweckt worden ist.4 Ist dieser (auch) auf eine Klärung nicht streitgegenständlicher und nachfolgend unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO entschiedener Tatsachenkomplexe gerichtet, ist der Wert entsprechend zu erhöhen. Denn für die Wertbestimmung ist der Gegenstand des Beweises maßgebend. Hierfür ist entscheidend, in welchem Umfang das Prozessgericht im Zeitpunkt der Beweisanordnung den Tatsachenkomplex klären wollte.5

5805

S. auch unter dem Stichwort „Beweisverfahren“.

II. Überschreitung, instanzübergreifend 5806

Eine instanzübergreifende Überschreitung der dem Rechtsmittelgericht zustehenden Entscheidungsbefugnis ist nur denkbar, wenn das Klagebegehren vorinstanzlich (noch) nicht vollständig beschieden worden ist. So etwa, wenn das Berufungsgericht, beispielsweise bei der Stufenklage, auf eine Berufung gegen ein stattgebendes Teilurteil unter Aufhebung des Urteils die ganze Klage abweist oder ein Urteil, dass versehentlich die Klage nur teilweise entscheidet, mit der Maßgabe bestätigt, dass auch der erstinstanzlich bislang nicht entschiedene Teil der Klageforderung zugesprochen wird. Hier ist fraglich, nach 1 2 3 4 5

So noch § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO. AnwK-RVG/N. Schneider, RVG, VV Vorb. 3 Rn. 94, 99. BGH LM BEG § 23 Nr. 3. Hartmann, 26. Aufl., § 31 BRAGO Rn. 122. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.12.1982 – 6 WF 107/82, JurBüro 1983, 1042; OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.8.1983 – 20 W 454/83, JurBüro 1983, 1822 = MDR 1984, 154; LAG Hamm, BB 1985, 667.

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Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO welchem Streitwert die gerichtlichen und anwaltlichen Gebühren im Ausgangs- und im Berufungsverfahren zu berechnen sind. Während die instanzübergreifende Entscheidung des Berufungsgerichts auf den Gebührenstreitwert des erstinstanzlichen Verfahrens (Ausgangsverfahrens) und die dort entstandenen Gebühren schon wegen des Grundsatzes der instanzbezogenen Streitwertfestsetzung keinen Einfluss hat, besteht über den Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens keine Einigkeit. Gem. §§ 528, 557 Abs. 1 ZPO wird der Streitgegenstand des Berufungs- bzw. Revisionsverfahrens durch die Rechtsmittelanträge bestimmt. Nach diesen bemisst sich grundsätzlich auch der Rechtsmittelstreitwert, § 47 GKG (§ 14 GKG a.F.).

5807

Für den BGH1 scheidet bei einem Instanzübergriff im Berufungsverfahren eine Werterhöhung aus, da der mitbeschiedene, vorinstanzlich noch anhängige Teil der Klageforderung nicht Gegenstand der Rechtsmittelanträge und damit des Streits im Rechtsmittelverfahren gewesen sei. Das gelte jedoch nicht für die (nach altem Recht anfallenden) Urteilsgebühren, da das Berufungsurteil die Klage in vollem Umfang bescheide und den Kläger entsprechend beschwere. Diese seien daher nach dem vollen Klagebetrag zu berechnen. Bei einer Revision gegen ein solches Berufungsurteil ist der Revisionsstreitwert folglich höher anzusetzen, als der Wert des Berufungsverfahrens.2

5808

Richtigerweise wird man jedoch danach unterscheiden müssen, ob das Rechtsmittelgericht in zulässiger oder unzulässiger Weise instanzübergreifend entschieden hat. Denn nach ganz überwiegender Ansicht liegt nicht in jeder Bescheidung eines vorinstanzlich noch anhängigen Anspruchs ein Verstoß gegen §§ 528 oder 557 Abs. 1 ZPO. Zwar ist es grundsätzlich unzulässig, einen derart verbliebenen Teilanspruch durch eine Klageerweiterung oder Widerklagerhebung in die Berufungsinstanz einzuführen und darüber zu entscheiden.3 Jedoch wird – nach entsprechender Erörterung in der mündlichen Verhandlung4 – ein „Hinaufziehen“ des vorinstanzlich noch anhängigen Teils überwiegend für zulässig erachtet, wenn der Erlass eines Teilurteils unzulässig war,5 der vom Teilurteil erfasste Anspruch zugleich die Grundlage des vorinstanzlich verbliebenen Anspruch bildet, so insbesondere bei der Stufenklage,6 oder sich der „Instanzübergriff“ auf ein (stillschweigendes) Einverständnis der Parteien stützt.7

5809

Darf das Berufungsgericht danach über einen erstinstanzlich noch anhängigen Anspruch mitentscheiden, dann wird der gesamte Anspruch auch Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens. Hat das Berufungsgericht dagegen instanzübergreifend entschieden, ohne hierzu ermächtigt (worden) zu sein, bleibt der

5810

1 BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091 = NJW-RR 1992, 1021; BGHZ 30, 215; FamRZ 1990, 863; MDR 1959, 909. 2 BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091 = NJW-RR 1992, 1021; BGHZ 30, 215; FamRZ 1990, 863; MDR 1959, 909. 3 BGH, Urt. v. 16.6.1959 – VI ZR 81/58, MDR 1959, 746 = NJW 1959, 1824; Beschl. v. 2.2.1983 – IVb ZB 702/81, MDR 1983, 652 = NJW 1983, 1311; Zöller/Heßler, § 528 ZPO Rn. 11, 15. 4 Mayer/Mayer, JurBüro 1993, 327 Fn. 26. 5 BGH, NJW 1960, 339. 6 BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091 = NJW-RR 1992, 1021; BGHZ 30, 215; FamRZ 1990, 863. 7 BGH, Urt. v. 25.3.1986 – IX ZR 104/85, MDR 1986, 930 = NJW 1986, 2108; OLG Düsseldorf, VersR 1989, 705.

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Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO Wert des mitbeschiedenen Teilanspruchs bei der Streitwertbemessung unberücksichtigt. 5811

Denn soweit sich die Erweiterung des Streitgegenstandes auf einen (stillschweigenden) Antrag der Parteien stützt, wird der gesamte Streitstoff kraft Parteiwillens für den Streitwert bestimmend.1 In den übrigen Fällen rechtfertigt die Prozessökonomie eine instanzübergeifende Entscheidung auch ohne Antrag der Parteien, sodass der vorinstanzlich verbliebene Teil nach einem entsprechenden gerichtlichen Hinweis oder spätestens durch die Urteilsverkündung Bestandteil des Streitstoffes wird.2 Daher richtet sich der Streitwert der Berufungsinstanz in diesen Fällen nach dem vollen Wert der Klage.3 In der Mehrzahl der Fälle wird daher der Streitwert des Berufungsverfahrens dem des Revisionsverfahrens entsprechen.

C. Rechtsmittel und Beschwer I. Überschreitung innerhalb der Instanz 5812

Die mit dem prozessual fehlerhaft zu Stande gekommenen Urteil verbundene Beschwer bestimmt sich unter Berücksichtigung der antragsüberschreitenden Bescheidung.4

5813

Auch der Gebührenstreitwert für das Rechtsmittelverfahren ist in diesem Fall nach der gesamten Urteilssumme zu bemessen.5 Dies zumindest dann, wenn die obsiegende Partei ein Urteil, das ihr mehr als beantragt zugesprochen hat, dem Gegner zustellen lässt, ohne dabei zu erklären, dass sie hinsichtlich des zu viel Zuerkannten keine Rechte aus dem Urteil herleite.6 Der Kläger kann jedoch die Wertermäßigung durch Nachholung dieser Erklärung herbeiführen, allerdings mit entsprechender Kostenfolge. Der Beklagte kann – wenn er das erstinstanzliche Urteil im Übrigen für richtig hält – sein Rechtsmittel bei Fehlen der Erklärung des Klägers auf die Beschwer beschränken, die ihm durch den Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO auferlegt worden ist.

5814

Diese Berechnung entspricht dem allgemeinen Streitwertrecht, wonach die Parteien auch sonst den Streitwert der Rechtsmittelinstanz durch ihre Erklärungen und Anträge bestimmen können. Sie können Verstöße gegen § 308 ZPO durch Stellen eines uneingeschränkten Berufungsantrages gewissermaßen heilen.7 Die Werterhöhung tritt dann aber nur für die Zeit ab Stellung des erweiterten Antrages ein. 1 KG, Rpfleger 1962, 154; OLG Düsseldorf, VersR 1989, 705. 2 BGH, Urt. v. 16.6.1959 – VI ZR 81/58, MDR 1959, 746 = NJW 1959, 1824; OLG Bamberg, Rpfleger 1960, 54; OLG Düsseldorf, Rpfleger 1965, 2; a.A. BGH, Beschl. v. 3.7.1959 – I ZR 169/55, MDR 1959, 909 = NJW 1959, 1827, der maßgeblich auf die gestellten Anträge abstellt. 3 BGH, Beschl. v. 12.3.1992 –I ZR 296/91, MDR 1992, 1091 = NJW-RR 1992, 1021; BGHZ 30, 215; FamRZ 1990, 863 – Abgrenzung zu BGH, MDR 1959, 909 = NJW 1959, 1827; Mayer/Mayer, JurBüro 1993, 325. 4 Vgl. hierzu Zöller/Vollkommer, § 308 ZPO Rn. 6. 5 OLG Köln, Urt. v. 21.12.2009 – 5 U 52/09, juris. 6 OLG Köln, Urt. v. 20.11.1959 – 4 U 154/59, NJW 1960, 1471. 7 BGH, FamRZ 1986, 661; OLG Köln, Urt. v. 21.12.2009 – 5 U 52/09, juris; LG Kaiserslautern, Urt. v. 25.2.1975 – 1 S 135/74, NJW 1975, 1037.

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Verteilungsverfahren

II. Instanzübergreifende Überschreitung Für die Beschwer der Revisionsinstanz ist bei einer instanzübergreifenden Antragsbescheidung durch das Berufungsgericht der volle Klagebetrag maßgebend.1 Dies gilt beispielsweise, wenn das erstinstanzliche Gericht bei einer Stufenklage den Rechnungslegungsanspruch durch Teilurteil zuerkannt und das Berufungsgericht die gesamte Klage abgewiesen hat.2 Ebenso hat der BGH3 entschieden, wenn auf die Berufung gegen ein Quotenteilurteil des Landgerichts das Oberlandesgericht die gesamte Klage abweist und gegen dieses Urteil Revision eingelegt wird.

5815

Der Gebührenstreitwert für das Revisionsverfahren gegen eine instanzübergreifende Antragsbescheidung durch das Berufungsgericht bestimmt sich nach dem Rechtsmittelantrag des Revisionsklägers, § 557 Abs. 1 ZPO, § 47 GKG (§ 14 GKG a.F.). Wird das Berufungsurteil in vollem Umfang zur Überprüfung gestellt, entspricht der Wert der vollen Klagesumme.

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Vertagung S. das Stichwort „Prozess- und Sachleitung“.

Verteilungsverfahren A. Einleitung Wird nach der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Schuldners ein Geldbetrag hinterlegt, der nicht ausreicht, um alle Gläubiger zu befriedigen, tritt das Verteilungsverfahren nach §§ 872 ff. ZPO ein.

5817

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Zuständigkeitsstreitwert Ein Zuständigkeitsstreitwert muss nicht festgesetzt werden, weil nach § 873 ZPO das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht ausschließlich zuständig ist (§ 802 ZPO).

5818

II. Streitwert für die Gerichtsgebühren Die Gerichtsgebühren berechnen sich nach dem Wert der Verteilungsmasse ohne Zinsen und Kosten (§ 43 GKG, §§ 5, 6 ZPO).4

5819

Wird mit der Klage die Einwilligung verlangt, dass ein hinterlegter Betrag an den Kläger ausgezahlt wird, so ist ebenfalls der Wert der klägerischen Forde-

5820

1 2 3 4

BGH, Beschl. v. 12.3.1992 – I ZR 296/91, MDR 1992, 1091 = NJW-RR 1992, 1021. BGH, MDR 1960, 393. BGH, VersR 1957, 447. Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 Stichwort „Verteilungsverfahren“.

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Verteilungsverfahren rung bestimmend, wenn sie nicht höher ist als der hinterlegte Betrag einschließlich aufgelaufener Hinterlegungszinsen; sonst ist der Hinterlegungsbetrag maßgebend.1 5821

Der Streitwert des Widerspruchs gegen einen Teilungsplan (§§ 878 ff. ZPO) richtet sich nach dem Interesse des Klägers daran aus, dass seine Forderung vorrangig bedient wird.2 Das ist der Mehrbetrag, der ihm zukommt, wenn sein Widerspruch durchgreift.3

5822

Im Zwangsversteigerungsverfahren4 ist die Sondervorschrift des § 54 GKG zu beachten. Die Gebühr für das Verteilungsverfahren bestimmt sich nach dem Gebot ohne Zinsen, für das der Zuschlag erteilt ist, einschließlich des Werts der nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte (§ 54 Abs. 3 GKG). Die Gebühr für die Erteilung des Zuschlags bestimmt sich nach dem Gebot ohne Zinsen, für das der Zuschlag erteilt ist, einschließlich des Werts der nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte zuzüglich des Betrages, in dessen Höhe der Ersteher nach § 114a ZVG als aus dem Grundstück befriedigt gilt (§ 54 Abs. 2 GKG).

5823

Bei der Zwangsversteigerung zur Aufhebung einer Gemeinschaft vermindert sich der nach § 54 Abs. 2 Satz 1 GKG zu berechnende Wert für die Erteilung des Zuschlags um den Anteil des Erstehers am Gegenstand des Verfahrens (§ 54 Abs. 2 Satz 2 GKG).

III. Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren 5824

Der Gegenstandswert für die Berechnung der Anwaltsgebühren richtet sich nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 4 RVG. Danach ist der Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung einschließlich der Nebenforderungen maßgeblich. Die zu vollstreckende Forderung setzt sich zusammen aus Kapital, Zinsen bis zum Tage des endgültigen Verteilungsplans, Kosten des der Vollstreckung vorausgegangenen Prozesses und früherer Vollstreckungsmaßnahmen sowie etwaigen weiteren Nebenforderungen.

5825

Der Gegenstandstreitwert ist allerdings durch die Höhe des zu verteilenden Geldbetrages nach oben begrenzt. Unter dem zu verteilenden Geldbetrag ist die hinterlegte Forderung nebst Zinsen zu verstehen, wobei die gem. § 874 Abs. 2 ZPO vorweg abzuziehenden Kosten des Verfahrens für die Ermittlung des Gegenstandswertes nicht abzuziehen sind.5

* Æ Beispiel: Der Anwalt vertritt einen Gläubiger, dem eine Forderung i.H.v. 15.000 Euro zusteht. Nach der Zwangsvollstreckung wird ein Betrag von 7.500 Euro hinterlegt. Hier berechnen sich die Anwaltsgebühren aus einem Wert von 7.500 Euro – wäre ein Betrag von 20.000 Euro hinterlegt worden, würden sich die Anwaltsgebühren aus 15.000 Euro plus Zinsen bis zum Tag des Verteilungsplans sowie Kosten früherer Prozesse und Vollstreckungsmaßnahmen berechnen. 1 2 3 4 5

RG, HRR 1931 Nr. 252; OLG Breslau, JW 1931, 2142. OLG Bamberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1067 mit Anm. Schneider = JurBüro 1991, 1691. OLG Colmar, OLGE 13, 66. Vgl. die Ausführungen beim Stichwort „Zwangsversteigerung“. Schneider/Wolf, § 25 Rn. 15; Mayer/Kroiß/Gierl, § 25 Rn. 16; a.A. Gerold/Schmidt/ Müller-Rabe, § 25 Rn. 10; Hartmann, Kostengesetze, § 25 RVG Rn. 8.

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Vertragsauflösung

Vertragsabschluss Die Klage auf Abschluss eines Vertrag ist auf Annahme eines auf den Abschluss eines Vertragsangebotes und damit auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet. Mit der Stattgabe der Klage wird die Abgabe der Erklärung fingert, § 894 Abs. 1 ZPO.

5826

Da die aus dem Vertrag resultierenden Ansprüche selbst nicht den Gegenstand des Rechtsstreits bilden, sind nicht sie, sondern ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers an dem angestrebten Vertragsschluss zu bewerten.1 Maßgeblich für das nach § 3 ZPO zu schätzende Abschlussinteresse des Klägers ist, welcher vermögensrechtliche Erfolg mit der erzwungenen Erklärung erstrebt wird.2 Eine sachgerechte Bewertung muss daher die aus dem Vertrag erwachsenden Leistungsansprüche bzw. die mit dem Abschluss verbundenen Feststellungs- oder Gestaltungswirkungen berücksichtigen.

5827

Bestehen keinerlei weitere Anhaltspunkte, ist eine Bruchteilsbewertung der Vertragsleistung angemessen,3 entsprechend der Bewertung der (Zwischen)Feststsellungsklage auf 8/10. Bei einem Mietvertrag ist dabei nicht auf die für die gesamte Vertragsdauer anfallende Gesamtmiete, sondern gem. § 9 ZPO auf den dreieinhalbfachen Wert der Jahresmiete ohne Nebenkostenvorausszahlungen abzustellen.4 Zur Streitwertbemessung für die Überprüfung und Umgestaltung eines bestehenden Vertrages ist auf das Interesse an der Vertragsänderung abzustellen. Je nach Umfang der Änderung kann dies der Bewertung einer auf Neuabschluss gerichteten Klage entsprechen. Entscheidend ist, welche Vertragsbestimmungen geändert werden sollen und welche Auswirkungen damit für den Kläger verbunden sind.5

5828

Vertragsauflösung Klagen, mit denen Vertragsauflösungen geltend gemacht werden, sind nicht abstrakt nach dem Wert der Leistung oder der Gegenleistung, sondern gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Klägers im konkreten Fall zu bewerten.

5829

Ist der Klageantrag auf Zustimmung zur Aufhebung oder Rückabwicklung des Vertrages gerichtet, handelt es sich um eine Leistungsklage auf Abgabe einer

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1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.11.2009 – 24 U 57/09, MDR 2010, 715; LAG BadenWürttemberg, Beschl. v. 29.10.1991 – 3 SA 56/91, JurBüro 1992, 627; a.A. ohne Begründung für den Abschluss eines Darlehensvertrages BGH, NJW 1959, 1493 mit Anm. Geißler – voller Darlehensbetrag. 2 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Willenserklärung“; Baumbach/Hartmann, dort unter § 3 ZPO Rn. 131 Stichwort „Vertragsabschluss“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Willenserklärung“. 3 MünchKomm.ZPO/Wöstmann, § 3 ZPO Rn. 129. 4 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.11.2009 – 8 W 348/09, AGS 2010, 195. 5 BGH, Beschl. v. 13.10.1988 – III ZR 121/86, NJW-RR 1989, 378 = MDR 1989, 237: betrifft eine Kooperationsvereinbarung; BGH, Urt. v. 24.11.1994 – IX ZR 222/93, MDR 1995, 319: betrifft die Änderung eines Gesellschaftsvertrags.

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Vertragsauflösung Willenserklärung. Mit der Stattgabe der Klage wird die Abgabe der Erklärung fingiert, § 894 Abs. 1 ZPO. Für deren Bewertung ist darauf abzustellen, welcher vermögensrechtliche Erfolg vom Kläger mit der Vertragsauflösung erstrebt wird. Entsprechend dem im Antrag verfestigten Klageinteresse sind die jeweils in Betracht kommenden Bewertungsregeln zu ermitteln, ggf. ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG1 zu schätzen.2 5831

Soweit nicht besondere Umstände vorliegen, ist der Wert der Leistung maßgebend, von der der Kläger durch Vertragsaufhebung freigestellt werden will3 oder die im Falle schon erbrachter Leistung an ihn zurückzugewähren ist.4 Das ist bei einer Klage auf Abgabe einer gemeinsamen Kündigungserklärung das Interesse an der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses und damit in der Regel die mit Vertragsfortdauer verbundenen finanziellen Belastungen (z.B. Miete).5

5832

Ist die Klage auf Zustimmung zur Rückabwicklung eines Kaufvertrages gerichtet, bemisst sich der Streitwert nach dem Wert der Kaufsache zzgl. der Zinsen auf den Kaufpreis.6 Unzutreffend ist es daher, bei einer Klage auf Zustimmung zur Wandlung (nach altem Recht) „mangels weiterer Angaben“ oder „wegen noch nicht vollzogenen Vertrages“ das klägerische Interesse nur mit einem 1/4 des Kaufpreises zu beziffern.7 Ebenso findet bei der Interessenbewertung keine Saldierung von Leistung und Gegenleistung im Falle einer ohne Klage gebotenen Vertragsdurchführung (vgl. hierzu das Stichwort „Gegenleistung“). Dem steht auch entgegen, dass sich der Streitwert bei gleichwertigen Leistungsverpflichtungen dann auf null beliefe.

5833

Das gilt auch bei Klagen auf Feststellung, dass ein gegenseitiger Vertrag aufgelöst ist. Für die Interessenermittlung kommt es weder auf einen – aufgrund gegenläufiger Interessen der Vertragsparteien ohnehin nicht existenten – „Wert des Vertragsverhältnisses“8 noch auf den Vermögensunterschied vor und nach Rückgängigmachung des Vertrages bzw. einer Saldierung der mit der Vertragsdurchführung verbundenen Vor- und Nachteile9 an. 1 § 12 Abs. 1 GKG a.F. 2 OLG München, Beschl. v. 25.1.1995 – 3 W 3089/94, JurBüro 1995, 484; Anders/Gehle/ Kunze, Stichwort „Willenserklärung“; Baumbach/Hartmann, § 3 Rn. 140 dort unter „Willenserklärung“; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 ZPO Rn. 6, dort unter „Abgabe einer Willenserklärung“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Willenserklärung“. 3 OLG Celle, Beschl. v. 18.10.1983 – 4 W 29/83, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 666; OLG München, Beschl. v. 20.3.1984 – 24 W 48/84, Beschl. v. 20.3.1984 – 24 W 48/84, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 706 = JurBüro 1984, 1235 mit Anm. E. Schneider. 4 OLG Bremen, Beschl. v. 14.8.1979 – 2 W 52/79, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 450 mit Anm. E. Schneider; OLG Celle, Beschl. v. 18.6.1984 – 16 W 32/84, AnwBl. 1984, 448 = Nds.Rpfl. 1994, 215. 5 KG, Beschl. v. 30.3.1992 – 2 W 1331/92, WuM 1992, 323 = NJW-RR 1992, 1490. 6 BGH, Beschl. v. 21.2.2002 – II ZR 91/00, AG 2003, 318 = NZG 2002, 518 = NJW-RR 2002, 823; Musielak/Heinrich, § 3 ZPO Rn. 38 unter „Willenserklärung“. 7 So aber OLG Hamm, Beschl. v. 2.6.1999 – 20 U 233/98, NJW-RR 1999, 1403 – Kaufvertrag; Beschl. v. 10.6.1999 – 22 W 13/99, MDR 1999, 1225 = NJW-RR 2000, 587; ablehnend auch Baumbach/Hartmann, Anh. § 3 Rn. 94 unter „Rücktritt“. 8 So aber OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.9.1995 – 5 W 150/95, MDR 1996, 101 – Feststellung der Nichtigkeit wegen Geschäftsunfähigkeit. 9 So RG, Gruchot Bd. 49, 1005; OLG Braunschweig, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 617 mit abl. Anm. E. Schneider; OLG München, OLGE 29, 222; Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts, § 26 Anm. L., S. 118.

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Vertragsauflösung Entscheidend ist auch hier der Wert der Leistung, von der der Kläger bei Vertragsauflösung freigestellt werden will1 oder die im Falle schon erbrachter Leistung an ihn zurückzugewähren ist.2 Das gilt ebenso für die Feststellungsklage des Insolvenzverwalters, dass das Vertragsverhältnis durch Ausübung des Wahlrechts nach § 103 InsoO beendet worden ist. Besteht die Leistung in einer dauerhaften Rechtsübertragung, kann – soweit keine Sondervorschriften greifen – dessen Wert durch ein Vielfaches des bisherigen durchschnittlichen Jahresertrages bestimmt werden.3

5834

Da mit der Klage zugleich eine (negative) Entscheidung über den Bestand etwaiger vertraglicher Verpflichtungen angestrebt wird, kommt der bei der positiven Feststellungsklage übliche prozentuale Abschlag nicht in Betracht. Die Wertbemessung entspricht vielmehr derjenigen, die bei der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages vorzunehmen ist (s. hierzu unter dem Stichwort „Nichtigkeit eines Vertrages“).

5835

Geht es um die Feststellung der Unwirksamkeit einer auf Vertragsauflösung gerichteten (außerordentlichen) Gestaltungserklärung, ist gem. § 3 ZPO das klägerische Interesse am Fortbestand des Vertrages und der damit verbundenen Leistungsverpflichtung des Beklagten wertbestimmend.4 Bei der Kündigung eines Franchisevertrages bestimmt das Interesse, die Geschäftstätigkeit weiter betreiben und hieraus Einnahmen bzw. Gewinne erzielen zu können, den Wert. Bei einem Streit über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung eines Darlehens entspricht das in der Regel dem Wert der von der Kündigung betroffenen Darlehenssumme.5 Steht die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung eines Handelsvertretervertrages im Streit, wird regelmäßig auf den durchschnittlichen Provisionsverdienst im Zeitraum zwischen Ausspruch der Kündigung und Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist abzustellen sein. In beiden Fällen ist im Hinblick auf den nur feststellenden Klageantrag der übliche prozentuale Abschlag (20 %) vorzunehmen.6

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Wird dagegen aufgrund einer Vertragsauflösung Herausgabe einer Sache verlangt, dann bestimmt sich der Streitwert nach § 6 ZPO. Das gilt auch dann, wenn auf Rückzahlung der Vergütung (z.B. des Kaufpreises) oder einer hierauf geleisteten Anzahlung geklagt wird, da dann ein bezifferter Geldbetrag gefordert wird.

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Ein daneben geltend gemachtes Feststellungsbegehren erhöht den Streitwert, soweit die nachteiligen Folgen des Kaufs über die Rückzahlung der Vergütung

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1 OLG Celle, Beschl. v. 18.10.1983 – 4 W 29/83, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 666; OLG München, Beschl. v. 20.3.1984 – 24 W 48/84, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 706 = JurBüro 1984, 1235 mit Anm. E. Schneider. 2 OLG Bremen, Beschl. v. 14.8.1979 – 2 W 52/79, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 450 mit Anm. E. Schneider; OLG Celle, Beschl. v. 18.6.1984 – 16 W 32/84, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 704 mit Anm. E. Schneider = AnwBl. 1984, 448 = Nds.Rpfl. 94, 215. 3 OLG Hamburg, Beschl. v. 25.6.2007 – 5 W 73/07, OLGR 2008, 92 = ZUM 2008, 66 – Beendigung eines Verlagsvertrages. 4 OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.10.2006 – 5 W 65/07, juris. 5 BGH, Beschl. v. 25.2.1997 – XI ZB 3/97, MDR 1997, 591 = NJW 1997, 1787. 6 OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.2.1999 – 24 U 5/97, OLGR 1999, 139; OLG Köln, Beschl. v. 23.1.1996 – 3 W 41/95, OLGR 1996, 128.

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Vertragserfüllung

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oder einer darauf geleisteten Anzahlung hinausgehen.1 Die ziffernmäßig bestimmten Ansprüche müssen immer als Mindestwert angesetzt werden.2 Den vorstehenden Hinweisen ist zu entnehmen, dass es im Einzelfall immer darauf ankommt, worauf der Anspruch auf Vertragsauflösung gestützt wird – z.B. Rücktritt, Wandelung (Altfälle), Heimfall, Irrtumsanfechtung und dgl. – und welcher konkrete Klageantrag gestellt wird. Einzelheiten sind bei dem Stichwort „Nichtigkeit eines Vertrages“ behandelt.

Vertragserfüllung 5840

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Steht zwischen den Parteien die Verpflichtung zur Vertragserfüllung im Streit, dann bestimmt sich der Streitwert nach dem Inhalt des Klageantrages. Neben der Klage auf Feststellung, dass der Beklagte zu einer (inhaltlich näher bestimmten) Vertragerfüllung verpflichtet ist, kommen ferner – je nach Vertrag – Leistungsanträge verschiedenen Inhalts in Betracht. Während sich der Wert der Feststellungsklage nach dem Interesse des Klägers an der Vertragserfüllung und damit nach dem fiktiven Wert des zugrunde liegenden Leistungsantrages abzüglich eines prozentualen Abschlages richtet (s. ausführlich unter dem Stichwort „Feststellungsklage“), ist für die Bewertung von Leistungsklagen wie folgt zu unterscheiden: Wird aufgrund der vertraglichen Vereinbarung auf Duldung eines bestimmten Verhaltens oder Zustandes geklagt, bemisst sich der Wert nach dem Interesse des Klägers gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG3 an der Vornahme der Handlung bzw. der Aufrechterhaltung des streitgegenständlichen Zustandes. Das Interesse deckt sich nicht mit den Kosten der Ersatzvornahme.4 Der Verkehrwert der Sache ist nach § 6 Satz 1 ZPO maßgeblich, wenn auf Duldung von deren Wegnahme geklagt wird.5 Zu den Einzelheiten s. unter dem Stichwort „Duldungsklage“. Begehrt der Kläger (unter Berufung auf vertragliche Vereinbarungen) die Unterlassung einer Handlung des Beklagten, ist auch hier gem. § 3 ZPO das Interesse des Klägers an der Unterlassung für die Wertbemessung maßgeblich. S. hierzu unter dem Stichwort „Unterlassung“. Wird aus einem gegenseitigen Vertrag auf Zahlung geklagt, dann bestimmt sich der Streitwert gem. § 6 ZPO nach der geforderten Geldleistung.6 Wenn die Lieferung von Sachen verlangt wird, ist deren Wert gem. § 6 Satz 1 ZPO anzusetzen, nicht die Höhe des Gewinnentganges, wenn dieser nicht zugleich beziffert verlangt wird.7 Anders liegt es, wenn im Rahmen einer Bezug1 KG, Rpfleger 1962, 120; OLG Braunschweig, OLGE 11, 166; Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts, § 26 Anm. L., S. 118. 2 RG, JW 1904, 64. 3 § 12 Abs. 1 GKG a.F. 4 OLG Koblenz, AnwBl. 2000, 264; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 ZPO Rn. 44, dort unter „Duldungsklage“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Duldung“. 5 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 30/91, MDR 1992, 196 = NJW-RR 1991, 1210. 6 RGZ 45, 404; 140, 359; KG, JW 1931, 1047; BGH, Beschl. v. 26.1.1994 – XII ZR 237/ 93, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1174. 7 OLG Breslau, OLGE 35 188; OLG Königsberg, JW 1904, 341; a.A. OLG Rostock, OLGE 35, 23.

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Vertragserfüllung verpflichtung auf Abnahme Einzelner oder künftiger Leistungen geklagt wird. Hier ist das Gewinninteresse des Klägers entscheidend. Ein zugleich gestellter Antrag auf Unterlassung des Leistungsbezuges bei einem Drittanbieter hat streitwertrechtlich denselben Gegenstand. Denn es geht um die Vermeidung eines Gewinnverlustes, sodass eine Zusammenrechnung ausscheidet.1 Wird auf Herausgabe eines Grundstücks geklagt, bleiben die darauf ruhenden Belastungen unberücksichtigt, soweit sie den objektiven Wert der Sache nicht beeinflussen. Lasten, die eine Beschränkung oder Beeinträchtigung des Eigentums bedeuten und deshalb den Verkehrswert vermindern, wie z.B. Grunddienstbarkeiten, setzen auch den Wert des Streitgegenstandes herab (auch hier sind die Einzelheiten streitig; s. dazu das Stichwort „Grundstück“ Rn. 2893 ff.).

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Geht der Streit lediglich um die Art und Weise der Erfüllung, dann ist der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an einer bestimmten Vertragserfüllung gem. § 3 ZPO zu schätzen2 (s. auch das Stichwort „Leistungsmodalitäten“). Hierbei kann der Streitwert der Klage auf Erfüllung der Lieferpflicht (Fertigstellung der bereits begonnenen Montage einer Maschine) nicht höher sein als der Wert der Kaufsache im Zeitpunkt der Klageerhebung abzüglich des Wertes bereits erbrachter Teilleistungen (Gesamtpreis abzüglich Wert der Maschinenteile und der Teilmontage). Der Umstand, dass durch die Ersatzvornahme gem. § 887 ZPO unverhältnismäßig hohe Kosten entstehen können, rechtfertigt keinen höheren Streitwert.3

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Gegenleistungen, die der Kläger zu erbringen hat, sind nicht Streitgegenstand und bleiben deshalb bei der Bewertung unberücksichtigt.4 Ebenso verhält es sich bei einem vom Beklagten wegen eines Gegenrechts geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht. Die Einzelheiten sind sehr umstritten; s. näher dazu das Stichwort „Gegenleistung“ Rn. 2509 ff. Zur Ermittlung des Streitwertes ist in solchen Fällen auch nicht zwischen Leistung und Gegenleistung zu saldieren.5

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Erfüllungshandlungen des Beklagten verändern den prozessualen Anspruch (Streitgegenstand) nicht, solange keine entsprechenden Erklärungen gegenüber dem Gericht abgegeben werden. So beispielsweise, wenn der Beklagte Teilzahlungen an den Kläger erbringt, Erledigungserklärungen zur Hauptsache aber erst später gegenüber dem Gericht abgegeben werden.6

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1 KG, JurBüro 1969, 1195 = Rpfleger 1969, 443. 2 BGH, Urt. v. 25.6.1981 – III ZR 96/80, MDR 1982, 36; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 3 ZPO Rn. 58, dort unter „Gegenseitiger Vertrag“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Vertragserfüllung“. 3 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1962, 111. 4 RGZ 140, 359; OLG Koblenz, Beschl. v. 30.8.1993 – 5 W 550/93, JurBüro 1994, 738 = AGS 1994, 50 = MDR 1994, 738. 5 KG, JW 1931, 1047; OVG Bremen, Beschl. v. 21.3.1983 – 1 B 52/82, AnwBl. 1984, 50. 6 OLG Stuttgart, JurBüro 1981, 860 = Justiz 1981, 316; OLG Frankfurt, JurBüro 1985, 1197; OLG Düsseldorf, AnwBl. 1993, 578 = JR 1993, 327 = JurBüro 1994, 241 = OLGR 1993, 235; a.A. OLG Schleswig, Beschl. v. 10.3.1981 – 9 W 30/81, JurBüro 1981, 921.

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Verwahrung

Verwahrung 5850

Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert einer Klage auf Herausgabe der verwahrten Sache ist nach § 6 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen.

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Verlangt der Kläger jedoch nur vorzeitige Rückgabe der in Verwahrung gegebenen Sache, dann geht es nicht um die Frage der Rückgabe an sich, sondern nur um die vom Kläger verkürzte Verwahrungszeit. Sein Interesse an der Zeitverschiebung ist in diesen Fällen nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.

Verweisung Literatur: Schneider JurBüro 1974, 823; N. Schneider NJW 2003, 2436 (Gebühren im Verfahren auf Bestimmung des zuständigen Gerichts).

5852

Gem. § 281 Abs. 2 ZPO ist der Beschluss, mit dem ein Gericht sich auf Antrag für örtlich und/oder sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweist, unanfechtbar und für das aufnehmende Gericht bindend. Eine erneute Zuständigkeitsprüfung durch das aufnehmende Gericht ist im Umfang der Bindungswirkung unzulässig. Von dem Antrag auf Verweisung ist der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu unterscheiden. Dessen Bewertung richtet sich gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Antragstellers, die Antragsgegner bei demselben Gericht zu verklagen, und entspricht in der Regel einem Bruchteil des Wertes der Hauptsache.1 Weitere Ausführungen unter dem Stichwort „Zuständigkeit“.

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Beruht die Verweisung auf einer streitwertbezogenen sachlichen Unzuständigkeit (§§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG) geht dem Beschluss häufig eine gesonderte Festsetzung des Zuständigkeitsstreitwertes voraus, zumindest sollten seinen Gründen Ausführungen zum Streitwert zu entnehmen sein. An diese (konkludente) Streitwertfestsetzung ist das aufnehmende Gericht gem. §§ 48 Abs. 1, 62 GKG (§§ 12 Abs. 1, 24 Satz 1 GKG a.F.) auch hinsichtlich des Gebührenstreitwertes insoweit gebunden, als diese durch das Unter- oder Überschreiten der 5.000-Euro-Grenze die sachliche Zuständigkeit begründet. Im Übrigen besteht jedoch keine Bindung, sodass der Gebührenstreitwert bis zu dieser Grenze herab- bzw. heraufgesetzt werden darf.2

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Zum Beschwerdewert bei der Rechtswegverweisung (§ 17a Abs. 4 GVG) s. unter dem Stichwort „Rechtswegverweisung“ Rn. 4781 ff.

1 BayObLG, Beschl. v. 21.3.2002 – 17 AR 20/02, IBR 2002, 584 mit Anm. Mandelkow; Vossler, NJW 2006, 117 (122). 2 OLG Nürnberg, JurBüro 1960, 168; Hartmann, § 62 GKG Rn. 9; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Verweisung“ Rn. 1; a.A. OLG Dresden, Beschl. v. 26.10.2007 – 8 W 1224/ 07, MDR 2008, 50.

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Verzicht

Verwendungsersatz S. das Stichwort „Mietstreitigkeiten“.

Verzicht Literatur: Enders, JurBüro 1996, 57 (61); ders., Außergerichtliche Tätigkeit – Gegenstandswert Testament, Erbvertrag und Erbverzicht, JurBüro 1996, 169 ff.; Madert, Zum Streitwert eines Unterhaltsverzichts, AGS 2000, 112.

Der Verzicht auf eine bestehende Forderung ist ein Erlass (§ 397 BGB). Hierbei handelt es sich um einen Vertrag, da nach dem Gesetz ein einseitiger Verzicht nicht vorgesehen ist.1 Demgegenüber kann der Berechtigte einseitig auf die Erhebung von Einreden oder die Ausübung von Gestaltungsrechten (z.B. Kündigung) verzichten. Für die Bewertung insbesondere von Vergleichsvereinbarung ist daher zu unterscheiden:

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(1) Geht es um den Erlass eines Anspruchs (Forderung), ist der Wert einer dahingehenden Vereinbarung gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.), nach den allgemeinen Regeln zu schätzen. Bestehen für die Bewertung der erlassenen Forderung streitwertrechtliche Sonderregeln, sind diese mit zu berücksichtigen.2

5856

Verzichtet in einem Prozessvergleich eine Partei auf einen erheblichen Teil von nicht rechtshängigen Ansprüchen, so sind bei der Festsetzung des Vergleichswerts Abstriche zu machen, soweit diese Ansprüche nicht realisierbar gewesen wären3 (s. dazu das Stichwort „Vergleich“).

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Der Verzicht des Beklagten auf das ihm zustehende Abänderungsrecht nach § 323 ZPO, beeinflusst der Streitwert der Klageforderung nicht.

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Im Unterhaltsrecht kann der nacheheliche Ehegattenunterhalt Gegenstand einer Erlassvereinbarung sein, § 1585c BGB. Nicht verzichtet werden kann dagegen auf Unterhalt für die Dauer des Getrenntlebens (§§ 1361 Abs. 4, 1360a Abs. 3, 1614 Abs. 1 BGB), auf Kindesunterhalt (§ 1614 Abs. 1 BGB) und auch nicht auf Verwandtenunterhalt (§ 1614 Abs. 1 BGB). Der Wert eines Unterhaltsverzichts in einem Vergleich bestimmt sich unter Berücksichtigung von § 42 Abs. 1 GKG a.F. nach dem Jahresbetrag des Unterhaltes, auf den verzichtet worden ist.4 Wird neben zukünftigen Unterhalt auch auf bereits fällige Unterhaltsbeträge verzichtet, sind diese gem. § 42 Abs. 5 GKG a.F. gesondert zu bewerten.5 Zu den Einzelheiten s. auch unter dem Stichwort „Unterhalt“ im FamFG-Teil.

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1 Palandt/Grüneberg, § 397 BGB Rn. 1. 2 Madert, AGS 2000, 112. 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 22.9.1988 – 6 W 29/88, JurBüro 1989, 201; OLG Frankfurt, MDR 1981, 57; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 9.5.2000 – 10 W 19/00, OLGR 2000, 404; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 30.9.1987 – 7 Ta 140/87, JurBüro 1988, 778; LAG Hamm, MDR 1980, 613; LAG Hamburg, Beschl. v. 15.10.1985 – 3 Ta 16/85, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 817 = JurBüro 1986, 752; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Vergleich“; a.A. Mümmler, JurBüro 1991, 767, 770; LAG Frankfurt, NJW 1964, 2129. 4 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.5.1999 – 16 UF 226/96, AGS 2000, 112 mit Anm. Madert. 5 Enders, JurBüro 1999, 337.

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Verzögerungsgebühr 5860

Auch der Verzicht des Klägers, der Unterhalt zu verlangen hat, auf eine Abänderung zu seinen Gunsten, also auf eine Erhöhung des Unterhaltes, bleibt unberücksichtigt.1

5861

Der Wert des Erbverzichts (§ 2346 ff. BGB) bestimmt sich nach Wert des auf den potentiellen Erben anfallenden Anteil am Nachlass.2

5862

(2) Verzichtet der Berechtigte (einseitig) auf die Ausübung von Gestaltungsrechten, wird maßgeblich darauf abzustellen sein, inwieweit der Bestand der Klageforderung hiervon betroffen gewesen wäre.

5863

Vereinbarungen über den „befristeten Verzicht“ auf die Erhebung der Verjährungseinrede sind oftmals Gegenstand eines (außergerichtlichen) Zwischenvergleichs. Da sie regelmäßig nur der Ermöglichung weiterer Sachaufklärung oder Vergleichsverhandlungen dienen und nicht den Bestand der (streitigen) Forderung berühren, ist eine Bruchteilsbewertung geboten. Hiervon abweichend ist der Streitwert nach dem vollen Betrag der Forderung zu bemessen, wenn der Schuldner auf die Geltendmachung einer bereits eingetretenen Verjährung verzichtet3 oder mit dem Gläubiger eine Verlängerung einer bereits abgelaufenen Verjährungsfrist vereinbart.4

Verzögerungsgebühr Literatur: Schneider JurBüro 1976, 5; Schmid, MDR 2001, 308.

5864

Wird durch Verschulden einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten der Gang eines Rechtsstreites verzögert, dann kann das Gericht dies mit einer besonderen Gebühr ahnden, die bis auf ein Viertel ermäßigt werden kann, § 38 GKG (§ 34 GKG a.F.).

5865

Der Gebührenstreitwert bestimmt sich nach dem Wert der Hauptsache, soweit sich die Verzögerung auf das gesamte Verfahren auswirkt. Erfasst die Verzögerung nur einen Teil des Prozesses, bleibt der Hauptsachewert maßgebend, wenn hinsichtlich des nicht betroffenen Teils kein Teilurteil ergeht.5

5866

Geht die Verzögerung von einem oder mehreren Streitgenossen aus, ist der Streitwert unter Berücksichtigung ihrer Beteiligung am Rechtsstreit zu bemessen, arg. § 100 Abs. 2 ZPO.6

5867

Für die Wertbestimmung ist auf den Zeitpunkt der Verzögerungshandlung oder der prozessualen Unterlassung, die sich verzögernd ausgewirkt hat.7 Der abweichenden Ansicht, wonach es auf den Zeitpunkt ankomme, in dem der Bestrafungsbeschluss ergeht8 kann nicht gefolgt werden, weil die Bestrafungs1 2 3 4 5 6 7 8

OLG Nürnberg, Bay.JMBl. 1959, 170. Enders, JurBüro 1996, 169. Vgl. etwa BGH, DB 1974, 2005. Vgl. etwa OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.2.2005 – 9 WF 38/05, OLGR 2005, 547 = NJW-RR 2005, 871. Binz/Dörndorfer/Zimmermann, § 38 GKG Rn. 19; Hartmann, § 38 GKG Rn. 27. Binz/Dörndorfer/Zimmermann, § 38 GKG Rn. 16; Hartmann, § 38 GKG Rn. 27. Meyer, § 34 GKG Rn. 17. Hartmann, § 38 GKG Rn. 27, zweifelnd Binz/Dörndorfer/Zimmermann, § 38 GKG Rn. 19.

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Vollmacht gebühr sich gegen eine konkrete verzögernde Handlung oder Unterlassung richtet, für die der Zeitpunkt der Beschlussfassung gleichgültig ist. Anderenfalls hätte das Gericht es in der Hand, die Höhe der Gebühr zu beeinflussen, indem es mit der Bestrafung zuwarten könnte, bis beispielsweise eine streitwerterhöhende Widerklage erhoben oder eine Antragserweiterung vorgenommen würde. Gegen die Verhängung ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt, gem. § 69 GKG (§ 34 Abs. 2 GKG a.F.) die Beschwerde zulässig. Dies gilt auch, wenn die Verhängung nicht durch Beschluss, sondern im Urteil erfolgt.1 Der Beschwerdewert richtet sich nach dann dem Betrag der auferlegten Verzögerungsgebühr.2

5868

Verzugszinsen S. das Stichwort „Nebenforderungen“.

Vollmacht A. Erteilung einer Vollmacht Wird auf Erteilung einer Vollmacht geklagt, dann richtet sich der Streitwert nach § 3 ZPO. Maßgebend ist das Interesse des Vollmachtnehmers an der von ihm in Anspruch genommenen Vertretungsbefugnis. Nähere Darlegungen dazu sind dann unerlässlich (§ 61 GKG), da grundsätzlich niemand daran interessiert sein kann, einen anderen gegen dessen Willen zu vertreten. Anders liegt es, wenn diese Tätigkeit zu vergüten wäre. In diesem Fall ist bei der Schätzung nach § 3 ZPO auf die Höhe der zu erwartenden Vergütung abzustellen.

5869

B. Herausgabe einer Vollmachtsurkunde Wird auf Herausgabe einer Vollmachtsurkunde geklagt, weil die Bevollmächtigung widerrufen worden sei, dann ist das Herausgabeinteresse ebenfalls nach § 3 ZPO zu schätzen.3 Wesentlicher Bemessungsgesichtspunkt ist die Gefahr des Vollmachtsmissbrauchs.

5870

§ 3 ZPO ist ebenso anzuwenden, wenn der Streit darüber geht, ob eine erteilte Vollmacht fortbesteht oder erloschen ist. Auch wirkt sich die Gefahr des Vollmachtmissbrauchs werterhöhend aus.

5871

1 OLG Celle, Beschl. v. 17.4.2000 – 8 W 186/00, MDR 2001, 350 mit Anm. Schmidt. 2 Zustimmend OLG Celle, Beschl. v. 13.8.2007 – 2 W 70/07, MDR 2007, 1345 = AGS 2007, 637 = NJW-RR 2007, 1726. 3 OLG Naumburg, OLGE 21, 59.

N. Schneider

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Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils

C. Streit über das Bestehen einer Vollmacht 5872

Bei einem Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Vollmacht ist gem. § 3 ZPO nach dem Interesse an der Feststellung des Vollmachtsverhältsverhältnisses. Der Wert kann nicht höher liegen als der Wert der Rechte, die durch die Vollmacht begründet werden können.

D. Anfertigen und Beurkunden einer Vollmacht 5873

Für das Anfertigen bzw. das Beurkunden einer Vollmacht dürfte auf das damit verbundene Interesse abzustellen sein, insbesondere auf den Wert des Vermögens, über das mit der Vollmacht verfügt werden kann; hiervon ist dann eine Quote je nach Bedeutung der Vollmacht anzunehmen.

5874

Für die Beurkundung einer Altersvorsorgevollmacht als Generalvollmacht ist der Geschäftswert nach der Höhe des Aktivvermögens ohne Abzug der darauf lastenden Verbindlichkeiten zu berechnen. Eine Herabsetzung des Geschäftswertes wegen der Beschränkung der Vollmacht im Innenverhältnis auf den Vorsorgefall kommt nicht in Betracht; wenn die Vollmacht im Außenverhältnis unbeschränkt ist und den Bevollmächtigten Ausfertigungen der Vollmacht erteilt werden.1 Das LG Osnabrück2 hat dagegen nur die Hälfte des Vermögens als Wert angenommen.

Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils 5875

Die Klage auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils (§ 722 ZPO) ist kein Akt der Zwangsvollstreckung, sodass nicht das Vollstreckungsgericht, sondern das Prozessgericht zuständig ist. Die Kosten und Zinsen, die das ausländische Urteil zuerkannt hat, sind deshalb bei der Festsetzung des Streitwerts nicht zu berücksichtigen.3 Entscheidend ist allein der Wert des im ausländischen Urteil titulierten Gegenstandes, für welchen das Vollstreckungsurteil beantragt wird.

5876

Für die Kosten wird dann eine Ausnahme gemacht, wenn sie im ausländischen Urteil ziffernmäßig allein oder neben der Hauptforderung genannt sind.4 Dagegen bestehen allerdings Bedenken, weil der Streitwert für die Vollstreckbarerklärung ausländischer Schuldtitel nach deutschem Recht zu bestimmen ist. Dieses kennt jedoch keine Vorschrift, welche die Umwandlung der Kosten-Nebenforderung in eine Hauptforderung anordnet. 1 OLG Oldenburg, Beschl. v. 13.7.2005 – 3 W 31/05, FamRZ 2006, 499; LG Koblenz, Beschl. v. 24.10.2007 – 2 T 532/07, FamRZ 2008, 2298. 2 LG Osnabrück, Nds.Rpfl. 1997, 28. 3 BGH, Beschl. 8.10.1956 – II ZR 305/55, LM Nr. 7 zu § 4 ZPO; OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.2.1993 – 20 W 29/93, JurBüro 1994, 117; OLG Köln, Beschl. v. 8.6.1994 – 16 W 29/94, OLGR 1994, 236; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 6.6.1986 – 2 WF 31/85, JurBüro 1986, 1404; LG Karlsruhe, Beschl. v. 28.8.1991 – 11 O 112/90, IPRspr 1991, Nr. 200d, 417. 4 So BGH, Rpfleger 1957, 15 mit abl. Anm. Lappe; wohl auch OLG Zweibrücken, KostRsp. GKG § 17 Nr. 83 = JurBüro 1986, 1404 und OLG München, Beschl. v. 17.1.1997 – 21 W 3225/96, OLGR 1997, 203.

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Vollstreckbarerklärung eines Urteils (§§ 537, 558 ZPO) Geht es um ein Urteil auf Zahlung gesetzlichen Unterhalts, dann ist § 42 Abs. 1 GKG anwendbar. Die Rückstände bestimmen sich jedoch in diesem Fall nicht nach § 42 Abs. 4 GKG, sondern nach dem Tenor des ausländischen Titels;1 nicht titulierte Rückstände bleiben deshalb außer Ansatz.2

5877

Im Rechtsbeschwerdeverfahren richtet sich der Streitwert für die Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung nach dem Wechselkurs bei Eingang der Rechtsbeschwerde.3

5878

Vollstreckbarerklärung eines Urteils (§§ 537, 558 ZPO) Im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines Urteils nach §§ 537, 558 ZPO bedarf es keines Streitwerts für die Zuständigkeit, da die Zuständigkeit des Berufungs- bzw. Revisionsgerichts in §§ 537 Abs. 1 Satz 1, 558 Satz 1 ZPO vorgegeben ist. Auch ein Streitwert für die Gerichtsgebühren ist nicht erforderlich, da für das Verfahren keine Gerichtsgebühren anfallen.

5879

Der Anwalt erhält für seine Tätigkeit im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung (§§ 537, 558 ZPO) eine eigenständige Verfahrensgebühr nach Nr. 3329 VV RVG, wenn und soweit der nicht angegriffene Teil des Urteils niemals Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens war. Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren ist nach § 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 23 Abs. 1 RVG zu schätzen.

5880

Die konkrete Bestimmung des Gegenstandswertes für die Anwaltsgebühren ist umstritten:

5881

Nach einer Meinung ist nur ein Bruchteil des vollen Wertes des nicht angefochtenen Teils des Urteils anzusetzen, der überwiegend mit 1/5 angenommen wird.4 Begründet wird dies damit, dass die Vollstreckbarerklärung nur eine vorläufige Regelung darstellt und den Gegner nicht an der Erweiterung seines Rechtsmittels hindert, womit das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers nur in der Ersparung der sonst erforderlichen Sicherheitsleistung liegt. Die Gegenmeinung5 bemisst den Streitwert nach dem vollen Wert der Verurteilung. Sie stellt maßgeblich darauf ab, dass das Interesse des Gläubigers, bereits vor Eintritt der Rechtskraft vollstrecken zu können, schon im Hin1 So OLG Hamburg, Beschl. v. 24.1.1997 – 12 W 14/96, OLGR 1997, 164; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 6.6.1986 – 2 WF 31/85, JurBüro 1986, 1404. 2 BGH, Beschl. v. 19.11.2008 – XII ZB 195/07, MDR 2009, 173 = JurBüro 2009, 140; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.11.2007 – 3 W 125/07, FamRZ 2008, 904; OLG Dresden, Beschl. v. 9.11.2005 – 21 UF 670/05, FamRZ 2006, 563; OLG Hamburg, Beschl. v. 24.1.1997 – 12 W 14/96, OLGR 1997, 164; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 6.6.1986 – 2 WF 31/85, JurBüro 1986, 1401; OLG Zweibrücken; Beschl. v. 24.1.1990 – 2 WF 11/ 90, KostRsp. GKG § 17 Nr. 121. 3 BGH, Beschl. v. 13.1.2010 – XII ZB 12/05. 4 OLG Hamm, Beschl. v. 12.1.1993 – 2 UF 427/91, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1181 mit Anm. Herget = FamRZ 1994, 248; OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.12.1995 – 5 U 22/95, OLGR 1996, 48. 5 Schneider/Wolf/N. Schneider, RVG, Nr. 3329 VV Rn. 26; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV 3329 Rn. 10; LG Bonn, MDR 2001, 416 mit Anm. N. Schneider.

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Vollstreckungsabwehrklage blick auf einen möglichen „Wettlauf“ mit anderen Gläubigern mit dem vollen Wert anzusetzen ist.

* Æ Beispiel: Der Beklagte ist zur Zahlung von 25.000 Euro verurteilt worden. Dagegen legt er Berufung ein, soweit eine Verurteilung von mehr als 15.000 Euro erfolgt ist. Der Anwalt des Klägers beantragt Zurückweisung der Berufung und stellt im Übrigen den Antrag, das landgerichtliche Urteil i.H.v. 15.000 Euro ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Nach der ersten Meinung berechnet sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 3329 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 3.000 Euro (1/5 des nicht angegriffenen Teils des Urteils). Die Gegenmeinung berechnet die Verfahrensgebühr aus dem vollen Wert des nicht angegriffenen Teils des Urteils (15.000 Euro). Gegen die zweite Meinung spricht entscheidend, dass die Vollstreckbarerklärung nur eine vorläufige Regelung darstellt und den Gegner nicht an der Erweiterung seines Rechtsmittels hindert, womit das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers nur in der Ersparung der sonst erforderlichen Sicherheitsleistung liegt.

Vollstreckungsabwehrklage Literatur: Gerold, JurBüro 1955, 423; Gerold, JurBüro 1957, 246. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . 5882 B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . . 5883 II. Umfang des Vollstreckungsausschlusses . . . . . . . . . . . . . 5886

Rn. III. Wertlose Forderung . . . . . . . 5894 IV. Anspruchsmehrheit . . . . . . . 5896 C. Einzelfälle aus der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . 5900

Stichwortübersicht Rn. Antrag auf Rückzahlung beigetriebener Beträge . . . . . . . . . . . 5896 Aufrechnungseinwand . . . . . . . 5901 Auskunftstitel, ~ gegen . . . . . . . 5900 Beitreibbarkeit der Forderung . . . . 5894 Baugrundschuld . . . . . . . . . . . 5906 Bürgschaftserklärung, Herausgabeantrag . . . . . . . . . . 5897, 5902 Darlehen, Unterwerfungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . 5896 Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung . . . . . . . 5899 Einstweilige Verhinderung der Vollstreckung . . . . . . . . . . . 5899 Erfüllung – gesetzlicher Unterhaltspflicht . . 5900 – teilweise . . . . . . . . . . . . . . 5892 Gesetzliche Unterhaltspflicht . . . 5900

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Rn. Herausgabe – Bürgschaftserklärung . . . . . . . – Schuldtitel . . . . . . . . . . . . . Konkludente Vollstreckungsbeschränkung . . . . . . . . . . . Kosten – nicht zu berücksichtigen . . . . . – Verrechnung bei Teilzahlung . . Leibrentenanspruch . . . . . . . . . Mehrere Schuldner . . . . . . . . . Prozesskostenvorschuss . . . . . . . Räumungstitel . . . . . . . . . . . . Ratenzahlung-Vollstreckung . . . . Rückstände . . . . . . . . . . . . . . Rückzahlungsantrag wegen beigetriebener Beträge . . . . . . . . . Streitgenossenschaft von persönlichem und dinglichem Schuldner

5897 5902 5889 5885 5904 5900 5898 5889 5900 5891 5900 5896 5898

Vollstreckungsabwehrklage Rn. Teilbetrag . . . . . . . . . . . . 5886, 5094 Teilungsversteigerung . . . . . . . . 5 . 907 Teilvollstreckung . . . . . . . . . . 5 . 886 Teilzahlung . . . . . . . . . . . . . . 5904 Tilgung, nicht bewiesen . . . . . . . 5904 Titelherausgabe . . . . . . . . . . . 5902 Titulierungsinteresse bei unstreitiger Teilerfüllung . . . . . . . . . . 5907 Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . 5900

Rn. Verhinderungsinteresse bei Teilungsversteigerung . . . . . . . . Vermögenslosigkeit des Schuldners Verrechnung von Teilzahlung . . . Verschleuderungsverlust . . . . . . Vollstreckungsaufschub . . . . . . Wirtschaftliche Betrachtungsweise Zinsen – nicht zu berücksichtigen . . . . – Verrechnung bei Teilzahlung . .

. . . . . .

5907 5894 5904 5907 5893 5895

. 5885 . 5904

A. Einleitung Mit der Vollstreckungsabwehrklage – immer auch noch Vollstreckungsgegenklage genannt – macht der Vollstreckungsschuldner Einwendungen gegen die im Urteil festgestellten materiell-rechtlichen Leistungsansprüche geltend. Die Klage nach § 767 ZPO ist nach h.M. eine prozessuale Gestaltungsklage, welche den endgültigen oder zeitweiligen Ausschluss der Vollstreckung des Titels zum Gegenstand hat.

5882

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Allgemeines Ein Zuständigkeitsstreitwert muss für die Vollstreckungsabwehrklage nicht festgesetzt werden, da nach § 767 Abs. 1 ZPO das Prozessgericht des ersten Rechtszugs ausschließlich zuständig ist.

5883

Der Gebührenstreitwert der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) bemisst sich gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Umfang der erstrebten Ausschließung der Zwangsvollstreckung,1 d.h. bei der Streitwertfestsetzung sind diejenigen Ansprüche zugrunde zu legen, die in dem Titel enthalten sind, der mit der Vollstreckungsabwehrklage angegriffen wird.2 Bei Zahlungstiteln ist daher der Betrag der Hauptforderung einschließlich etwaiger Rückstände anzusetzen.

5884

Zinsen und Kosten des Vorprozesses bleiben nach herrschender Meinung gem. §§ 43 Abs. 1 GKG, 4 Abs. 2 ZPO bei der Berechnung des Streitwerts der Vollstreckungsabwehrklage außer Betracht,3 es sei denn, die Abwehrklage richtet

5885

1 BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 310/04, MDR 2006, 1064; BGH, Beschl. v. 20.9.1995 – XII ZR 220/94, BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1219 = MDR 1995, 1258; BGH, Beschl. v. 11.7.1985 – III ZR 220/84; Beschl. v. 23.9.1987 – III ZR 96/87, NJW-RR 1988, 444. 2 OLG Celle, Beschl. v. 23.7.2009 – 6 W 106/09, AGS 2010, 36; OLG Jena, Beschl. v. 23.4.2008 – 5 W 527/07, OLGR 2008, 634; OLG Bamberg, Beschl. v. 15.2.2005 – 1 W 9/05, AGS 2005, 453; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.6.2003 – 16 WF 77/03, OLGR 2004, 428; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.10.2002 – 25 W 71/02, AGS 2003, 360; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.1.1999 – 21 W 56/98, JurBüro 1999, 326; KG, Rpfleger 1962, 153; OLG Koblenz, Beschl. v. 18.2.2000 – 13 WF 64/00, FamRZ 2001, 845; OLG Nürnberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 157; OLG Celle, JurBüro 1971, 1066; OLG Schleswig, SchlHA 1983, 142; OLG Bamberg, JurBüro 1984, 1398; OLG Hamm, Beschl. v. 8.3.1991 – 12 W 2/91, JurBüro 1991, 1327. 3 BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 310/04, MDR 2006, 1064; BGH, LM § 4 ZPO Nr. 4; KG, Beschl. v. 5.1.2009 – 2 U 125/06, JurBüro 2009, 486; OLG Jena, Beschl. v.

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Vollstreckungsabwehrklage sich ausschließlich gegen diese.1 Nach anderer Ansicht2 ist § 4 ZPO unanwendbar, sodass zur Hauptsumme Zinsen und Kosten hinzuzurechnen sind. Diese abweichende Entscheidung des LG Köln ist jedoch bereits in einer frühen Entscheidung des BGH3 als unzulänglich begründet abgelehnt worden. Die Kosten des Vorprozesses müssen schon deswegen unberücksichtigt bleiben, weil das einer Vollstreckungsabwehrklage stattgebende Urteil nicht die im Vollstreckungstitel enthaltene Kostenentscheidung erfasst,4 die deshalb in jedem Fall weiterhin Grundlage der Kostenfestsetzung bleibt.5 Sind die Kosten aber nicht Gegenstand des Verfahrens, können sie auch nicht den Streitwert und/oder die Beschwer beeinflussen.

II. Umfang des Vollstreckungsausschlusses 5886

Der Streitwertfestsetzung sind diejenigen Ansprüche zugrunde zu legen, die in dem mit der Vollstreckungsabwehrklage angegriffenen Titel enthalten sind. Bei Zahlungstiteln ist daher der Betrag der Hauptforderung einschließlich etwaiger Rückstände anzusetzen. Es kommt nicht darauf an, ob die titulierte Forderung realisierbar ist, ob sie in Wahrheit ganz oder teilweise getilgt ist und ob dies ganz oder teilweise im Verlauf des Prozesses unstreitig wird.6

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Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass sich aus den Anträgen oder der Klagebegründung ergibt, dass die Zwangsvollstreckung nur wegen eines Teilbetrags oder eines Restbetrags für unzulässig erklärt werden soll. In diesem Fall ist nur dieser Teilbetrag der Streitwertfestsetzung zugrunde zu legen.7 Dem Vollstreckungskläger steht es frei, den Umfang der erstrebten Ausschließung der Zwangsvollstreckung zu bestimmen. Dann bemisst sich der Wert der Vollstreckungsabwehrklage nach dem so bestimmten Umfang.8

1 2 3 4 5 6 7

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23.4.2008 – 5 W 527/07, OLGR 2008, 634; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.10.2006 – 5 W 60/06, MDR 2007, 355; OLG Koblenz, Rpfleger 1956, 147; OLG Hamburg, MDR 1957, 754; OLG Celle, JurBüro 1971, 1066; OLG Hamm, JurBüro 1990, 649; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.11.1990 – 1 W 53/90, MDR 1991, 353; OLG Köln JurBüro 1992, 251; OLG Nürnberg, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 9; LG Mannheim, WM 1965, 174; LG Mannheim, ZMR 1967, 183; LG Bayreuth, JurBüro 1980, 929. BGH, Beschl. v. 20.9.1995 – XII ZR 220/94, MDR 1995, 1258; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.10.2006 – 5 W 60/06, MDR 2007, 355. OLG Hamburg, MDR 1988, 1060; LG Köln, NJW 1964, 2165. BGH, MDR 1968, 662. BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1219 = MDR 1995, 1258 zur Beschwer. OLG Düsseldorf, Rpfleger 1993, 172; Zöller/Herget, §§ 103, 104 ZPO Rn. 21 „Vollstreckungsabwehrklage“. OLG Bamberg, JurBüro 1984, 1398; OLG Hamm, RPfleger 1991, 387; OLG Frankfurt a.M., OLGR 2003, 172, 173. BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 310/04, MDR 2006, 1064; OLG Frankfurt, JurBüro 1954, 375; OLG Braunschweig, Rpfleger 1956, 115; KG, JurBüro 1957, 179; OLG Bamberg, JurBüro 1981, 1571; OLG Hamm, Beschl. v. 8.3.1991 – 12 W 2/91, JurBüro 1991, 1237; LG Bayreuth, JurBüro 1980, 929; OLG Celle, Beschl. v. 25.3.2003 – 4 W 39/03, AGS 2003, 552 mit Anm. N. Schneider. BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 310/04, MDR 2006, 1064; BGH, Beschl. v. 2.2.1962 – V ZR 70/60, NJW 1962, 806; BGH, Beschl. v. 23.9.1987 – III ZR 96/87, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 890 mit Anm. Schneider; OLG Koblenz, Beschl. v. 18.2.2000 – 13 WF 64/00, FamRZ 2001, 845; OLG Hamm, JurBüro 1988, 1078; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.6.2003 – 16 WF 77/03, OLGR 2004, 428.

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Vollstreckungsabwehrklage Es reicht allerdings nicht zur Streitwertermäßigung aus, wenn der Gläubiger erklärt, nur wegen eines Teiles vollstrecken zu wollen. Denn allein der Vollstreckungskläger bestimmt den Streitgegenstand und eine bloße Absichtserklärung des Gläubigers macht den Titel nicht teilweise vollstreckungsunfähig. Erforderlich ist für die Streitwertermäßigung vielmehr, dass der Vollstreckungskläger die Unzulässigkeitserklärung nur wegen eines abgrenzbaren Teiles der titulierten Forderung beantragt.1 Missverständlich ist daher die Entscheidung des OLG Hamm,2 wonach sich der Streitwert reduziert, wenn der Gläubiger vorprozessual erklärt hat, er wolle trotz Vorliegens eines höherwertigen Titels lediglich wegen eines Teilbetrages vollstrecken. Entscheidend für die Wertfestsetzung ist nicht die Erklärung des Gläubigers, sondern der Antrag des Vollstreckungsschuldners.

5888

Eine konkludente Beschränkung des Umfangs des Vollstreckungsausschlusses, der dann wiederum zu einer Streitwertfestsetzung unterhalb der Summe der Hauptforderung führt, kann sich aber nicht nur aus dem Antrag des Klägers, sondern auch konkludent aus den Umständen ergeben.3

5889

* Æ Beispiele: – Der Vollstreckungskläger beziffert den Streitwert mit 10.000 Euro und zahlt danach den Prozesskostenvorschuss ein. Das Gericht bestimmt Termin zur mündlichen Verhandlung, ohne die Streitwertangabe in Zweifel zu ziehen. Desgleichen rügt der Gläubiger, der sich nur eine Vollstreckungsklausel i.H.v. 10.000 Euro hatte erteilen lassen, den Wertansatz nicht. Hier ergab sich nach Ansicht des OLG Köln aus den Gesamtumständen, dass die Klage auf diesen Teilbetrag beschränkt gewesen war.4 – Der Gläubiger vollstreckt aus dem Titel nur eine Teilforderung i.H.v. 5.000 Euro. Der Antrag der Vollstreckungsabwehrklage des Schuldners enthält zwar keine ausdrückliche Beschränkung auf diesen Teilbetrag. Jedoch hat der Vollstreckungsgegenkläger auf die gerichtliche Aufforderung um Angaben zur Streitwerthöhe den Gegenstandswert auf den Betrag des vom Gläubiger vollstreckten Teilforderung (5.000 Euro) beziffert. Damit hat er nach Ansicht des OLG Köln eine entsprechende Beschränkung zum Ausdruck gebracht.5

Anders verhält es sich jedoch, wenn der Vollstreckungskläger zwar einen Teil des Kaufpreises gezahlt hat, mit der Vollstreckungsabwehrklage aber weiterhin der gesamte Titel angegriffen und der bereits gezahlte Betrag zurückgefordert wird.6

5890

Der volle titulierte Betrag ist auch dann maßgebend, wenn der Gläubiger nur Ratenzahlungen nach Maßgabe ihrer Fälligkeit und damit derzeit nur einen Teilanspruch aus dem Titel vollstrecken kann oder will,7 etwa weil er vorpro-

5891

1 BGH, MDR 1962, 391; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 5.3.2008 – 23 U 30/07, JurBüro 2008, 315; OLG Köln, Beschl. v. 17.10.2003 – 13 W 54/03, OLGR 2004, 140; OLG Celle, JurBüro 1966, 1080; OLG Hamm, Beschl. v. 8.3.1991 – 12 W 2/91, JurBüro 1991, 1237. 2 OLG Hamm, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 935 = JurBüro 1988, 1078. 3 OLG Köln, Rpfleger 1976, 138; so auch OLG Köln, Beschl. v. 17.10.2003 – 13 W 54/03, RVG-Berater 2005, 21; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.6.2003 – 16 WF 77/03, OLGR 2004, 428; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.1.1999 – 21 W 56/98, JurBüro 1999, 326; OLG Koblenz, Beschl. v. 18.2.2000 – 13 WF 64/00, FamRZ 2001, 845. 4 OLG Köln, Rpfleger 1976, 138. 5 OLG Köln, Beschl. v. 17.10.2003 – 13 W 54/03, OLGR 2004, 140. 6 OLG Hamm, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1046 mit Anm. Schneider = JurBüro 1991, 1237. 7 OLG Celle, JurBüro 1966, 1080.

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Vollstreckungsabwehrklage zessual erklärt hat, er wolle aus einem höherwertigen Titel lediglich wegen eines Teilbetrages vollstrecken.1 5892

Tragen beide Parteien übereinstimmend teilweise Erfüllung des Zahlungstitels vor, beantragt der Titelschuldner aber gleichwohl uneingeschränkt die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung, dann ist der unstreitig erfüllte Teilbetrag nur mit einem geringen Titulierungsinteresse zu bewerten.2 Auf den Umfang der bereits eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen kommt es daher nicht an.3

5893

Bezweckt der Vollstreckungskläger nur die einstweilige Verhinderung der Zwangsvollstreckung, etwa weil er die derzeitige Fälligkeit des titulierten Anspruchs bestreitet, dann ist der Streitwert gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach seinem Interesse am Vollstreckungsaufschub zu bemessen.4 Erforderlich ist aber, dass das entsprechend geminderte Interesse im Klageantrag zum Ausdruck gebracht wird.

III. Wertlose Forderung 5894

Nach herrschender Meinung5 richtet sich der Streitwert auch dann nach dem Nennbetrag des vollstreckbaren Anspruchs, wenn die Forderung wegen Vermögenslosigkeit nicht beitreibbar ist und das Interesse des Abwehrklägers sich in der Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung der eidesstattlichen Versicherung erschöpft. Denn da der Streitgegenstand ausschließlich vom Kläger der Vollstreckungsabwehrklage bestimmt werde, komme es nicht darauf an, ob die titulierte Forderung in Wahrheit ganz/teilweise getilgt oder nicht realisierbar sei und ob dies ganz oder teilweise im Verlauf des Prozesses unstreitig werde.

5895

Mit dem Gebot wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist diese Ansicht im Hinblick auf die Vollstreckungsabwehrklage bei unstreitig wertlosen Forderungen allerdings nicht zu vereinbaren.6 Im Fall des BGH7 ging es um die Vollstreckungsabwehrklage einer vor der Löschung stehenden völlig insolventen GmbH gegen die mögliche Vollstreckung aus einem Schuldanerkenntnis. Dieses war tatsächlich nichts wert, weil der anerkannte Anspruch nicht beitreibbar war. Deshalb sollte in solchen Fällen ein Abschlag gemacht werden, wie dies auch bei Einbeziehung wertloser, nicht rechtshängiger Forderungen in einen Vergleich geschieht.8 Zuzustimmen ist der herrschenden Meinung dagegen in denjenigen Fällen, in denen der vollstreckbare Anspruch während des Verfahrens ganz/teilweise getilgt wird. Denn dann ist es Sache des Klägers, 1 OLG Hamm, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 935 = JurBüro 1988, 1078. 2 OLG Koblenz, JurBüro 1989, 133; s. dazu Lappe, ZAP Fach 24 S. 19. 3 KG, JurBüro 1957, 179; OLG München, Beschl. v. 18.10.1993 – 12 WF 1032/93, OLGR 1994, 23. 4 KG, JW 1933, 2344 mit Anm. Bartels; KG, DR 1939, 456. 5 BGH, Beschl. v. 9.2.2006 – IX ZB 310/04, MDR 2006, 1064; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.6.2003 – 16 WF 77/03, FamRZ 2004, 1226; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.1.2007 – 1 W 14/07, OLGR 2007, 996; BGH, NJW-RR 1988, 444 m.w.N.; vgl. dazu auch Schneider, MDR 1988, 360 zu Ziffer VI 3; LG Münster, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 8. 6 S. näher Schneider, Anm. zu KostRsp. ZPO § 3 Nr. 890; MDR 1988, 360, Ziff. VI 3. 7 BGH, Beschl. v. 23.9.1987 – III ZR 96/87, NJW-RR 1988, 444 m.w.N. 8 S. dazu das Stichwort „Vergleich“.

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Vollstreckungsabwehrklage diesen Umstand durch eine Beschränkung seines Klageantrages zu berücksichtigen, damit auch die Streitwertfestsetzung entsprechend angepasst werden kann.

IV. Anspruchsmehrheit Der Antrag, eine Zwangsvollstreckung in Höhe eines bestimmten Betrages, der bereits beigetrieben ist, für unzulässig zu erklären, und der Antrag auf Rückzahlung dieses beigetriebenen Betrages haben wirtschaftlich denselben Gegenstand, sodass nicht gem. § 5 ZPO, § 39 GKG zusammengerechnet werden darf.1 Ebenso liegt es, wenn die Zwangsvollstreckung aus einem notariell beurkundeten Darlehensvertrag mit Unterwerfungsklausel durch Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) abgewehrt werden soll, weil der Vollstreckungsgegenkläger bei Vertragsabschluss geschäftsunfähig gewesen sei und der Darlehensgläubiger auf Zahlung des Darlehensbetrags klagt, der ihm dann jedenfalls aus § 812 BGB zustehe.2

5896

Wird neben dem Antrag der Vollstreckungsabwehrklage auf Unzulässigkeitserklärung der Zwangsvollstreckung zusätzlich beantragt, den Gläubiger zu verurteilen, eine Bürgschaftserklärung herauszugeben, dann ist der Wert dieses Antrages ebenfalls streitwertmäßig nicht zu berücksichtigen.3 Die Vorschrift des § 5 ZPO ist unanwendbar, weil zwischen materiellem Anspruch und der dafür bestellten Sicherheit Identität des wirtschaftlichen Interesses besteht.4 Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Unzulässigerklärung wegen eines titulierten Teilbetrages begehrt wird.5

5897

Erheben mehrere Schuldner, beispielsweise sowohl die Schuldner eines persönlichen Schuldtitels als auch die Schuldner eines dinglichen Schuldtitels gemeinsam Vollstreckungsabwehrklage, so sind die verschiedenen Streitwerte nicht zusammenzurechnen, wenn den Schuldtiteln dieselbe Hauptschuld zugrunde liegt.6 Sind zwei Beklagte hinsichtlich eines Teils der Forderung als Gesamtschuldner verurteilt und einer von ihnen zur Zahlung eines weiteren Betrages, so ist für die von beiden erhobene Vollstreckungsabwehrklage nur der Wert des höchsten Verurteilungsbetrags maßgebend. Eine Zusammenrechnung findet ebenfalls nicht statt.7 Denn die Vollstreckung kann nicht insgesamt in Höhe der Summe der gegen die beiden Beklagten bestehenden Forderungen erfolgen, sondern maximal bis zur Höhe der höchsten Einzelhaftung.

5898

Mit der Vollstreckungsabwehrklage verbundene Anträge auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 771 Abs. 3, 769, 770 ZPO sind zusätzlich mit 1/5 des Hauptsachewertes zu beziffern, da die einstweilige Einstellung bis zur Entscheidung in der Hauptsache einen eigenständigen Wert

5899

1 OLG Schleswig, JurBüro 1958, 426 Nr. 81. 2 Vgl. dazu das Stichwort „Klage und Widerklage“. 3 BGH, Beschl. v. 11.7.1985 – III ZR 220/84, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 789 mit Anm. Schneider. 4 Vgl. Zöller/Herget, § 5 ZPO Rn. 8; s. ferner das Stichwort „Mehrere Ansprüche“. 5 OLG Hamburg, OLGE 15, 4. 6 OLG Schleswig, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 65 = JurBüro 1987, 267; ebenso für Vollstreckungsabwehrklage von Gesamtschuldnern: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.11.1990 – 1 W 53/90, MDR 1991, 353. 7 OLG Köln, Beschl. v. 12.6.1992 – 13 W 32/92, OLGR 1992, 305.

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Vollstreckungsabwehrklage für den Vollstreckungsgegenkläger darstellt.1 Dies hat jedoch nur noch für die Berechnung der Anwaltsgebühren Bedeutung, da für das Gericht in den Verfahren auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung in erster Instanz keine Gebühren und in der Beschwerdeinstanz Festgebühren anfallen.

C. Einzelfälle aus der Rechtsprechung 5900

Der Streitwert einer Vollstreckungsabwehrklage bemisst sich: – bei einer Klage gegen einen Auskunftstitel nach dem mit der Erteilung der Auskunft verbundenen zeitlichen und finanziellen Aufwand.2 – bei einer Klage gegen eine Rechnungslegungspflicht nach dem mit der Rechnungslegung verbundenen zeitlichen und finanziellen Aufwand sowie einem etwaigen Geheimhaltungsinteresse.3 – bei einer Klage gegen einen Räumungstitel ist nach § 41 GKG.4 – bei einer Klage gegen einen Titel auf Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht nach § 42 Abs. 1 GKG. Maßgebend ist also der Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen.5 Dieser ist nach § 42 Abs. 4 GKG um die im Zeitpunkt der Einreichung der Vollstreckungsabwehrklage bereits fällig gewesenen Rückstände zu erhöhen.6 Wird die Klage nur wegen der Rückstände erhoben, ist deren Betrag maßgebend.7 Bei Berechnung der Rückstände ist der Monat der Klageeinreichung nicht zu berücksichtigen.8 – bei einer Klage gegen einen Leibrentenanspruch nach § 9 ZPO.9

5901

Wird eine Vollstreckungsabwehrklage hilfsweise10 auch mit einer Aufrechnung begründet, so ist der Vollstreckungskläger im Falle der Klageabweisung in Höhe sowohl der titulierten Forderung als auch der aberkannten Aufrechnungsforderung beschwert.11 Diese Rechtsprechung ist zwar für die Berechnung des Wertes der Rechtsmittelbeschwer ergangen, gilt aber gem. § 45 Abs. 3 GKG auch für den Gebührenstreitwert.12

5902

Der Schuldner, der nach Titelschaffung gegen die titulierte Forderung wirksam aufgerechnet hat, kann statt der Vollstreckungsabwehrklage aus § 767 ZPO 1 OLG Köln, JurBüro 1974, 636; OLG Hamm, FamRZ 1980, 476; s. näher hierzu das Stichwort „Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung“. 2 OLG Hamburg, Beschl. v. 3.3.1989 – 2 UF 140/88, FamRZ 1989, 770. 3 OLG Köln, Beschl. v. 12.6.2007 – 2 W 41/07, JurBüro 2007, 488. 4 Vgl. zur Rechtsmittelbeschwer: BGH, Beschl. v. 29.5.1991 – XII ZR 22/91, NJW-RR 1992, 190. 5 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.6.2003 – 16 WF 77/03, OLGR 2004, 428; KG, Rpfleger 1962, 118; RG, DR 1940, 2267. 6 BGH, Beschl. v. 18.3.1981 – IVb ZR 585/80; OLG München, Beschl. v. 18.10.1993 – 12 WF 1032/93, OLGR 1994, 23. 7 OLG Kiel, DR 1939 Nr. 631. 8 OLG München, Beschl. v. 18.10.1993 – 12 WF 1032/93, OLGR 1994, 23. 9 RG, JW 1937, 1433. 10 Bei einer nur mit einer Aufrechnung begründeten Vollstreckungsabwehrklage erhöht sich der Streitwert nicht um den Betrag der Aufrechnungsforderung (OLG Köln, Beschl. v. 12.6.1992 – 13 W 32/92, OLGR 1992, 305). 11 BGHZ 38, 212; BGHZ 48, 356; BGH, Beschl. v. 1.2.1995 – XII ZR 218/94, MDR 1995, 407; OLG Karlsruhe, KostRsp. GKG § 19 Nr. 186 = MDR 1995, 643. 12 BGH, JurBüro 1968, 799; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.4.1999 – 9 W 27/ 99, MDR 1999, 1092; BGH, Beschl. v. 1.2.1995 – XII ZR 218/94, MDR 1995, 407.

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Vollstreckungsabwehrklage auch analog § 371 BGB die Klage auf Herausgabe des Titels erheben. Das Herausgabeverlangen ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bemessen, wobei auf das Interesse des Schuldners abzustellen ist, eine missbräuchliche Benutzung des Titels zu verhindern, und auf die Größe der Gefahr, dass dies geschieht.1 Wird der Anspruch auf Herausgabe des Titels mit der Vollstreckungsabwehrklage verbunden, dann ist er streitwertmäßig gesondert zu berücksichtigen, wenn die Unzulässigkeitserklärung wegen eines titulierten Teilbetrages begehrt wird.2 Das OLG Hamburg3 hat in einem solchen Fall die Vollstreckungsabwehrklage mit dem Betrag beziffert, wegen dessen die Unzulässigkeitserklärung beantragt war und den Herausgabeanspruch mit dem titulierten Differenzbetrag.

5903

* Æ Beispiel: Es ergeht ein Titel über 10.000 Euro. Der Schuldner erhebt Vollstreckungsabwehrklage mit dem Ziel, die Vollstreckung bis auf einen Betrag von 2.000 Euro zu untersagen. In diesem Fall hat der gleichzeitig geltend gemachte Herausgabeanspruch bezüglich des Titels einen Wert von 2.000 Euro, der von der Vollstreckungsabwehrklage – Wert: 8.000 Euro – nicht erfasst ist.

Wird auf die titulierte Forderung ein Teilbetrag gezahlt, so ist dieser zunächst auf die Kosten und Zinsen anzurechnen (§ 367 BGB). Bei der Bemessung der sodann erhobenen Vollstreckungsabwehrklage ist nur der die Kosten und Zinsen übersteigende Betrag des Tilgungsbetrages von dem Forderungsbetrag abzusetzen.4 Rechtsfolgen, die sich ergeben, wenn eine behauptete Tilgung nicht festgestellt wird (Verfall späterer Raten), haben bei der Bemessung des Streitwerts außer Betracht zu bleiben.5

5904

Wird mit der Vollstreckungsabwehrklage die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde über eine Buchgrundschuld begehrt und ist die Zwangsversteigerung bereits erfolgt, so entspricht der Streitwert dem noch hinterlegten restlichen Versteigerungserlös, wenn dieser geringer ist als der zu vollstreckende Forderungsbetrag.6

5905

Verbindet der Kläger mit der Klage, die Zwangsvollstreckung aus einer Buchgrundschuld für unzulässig zu erklären, den Antrag auf Erteilung einer Löschungsbewilligung für diese Grundschuld, so setzt das OLG Düsseldorf7 als Streitwert regelmäßig den doppelten Betrag der Grundschuld fest. Diese Entscheidung ist abzulehnen: Die Werte der beiden Anträge dürfen aufgrund wirtschaftlicher Identität gerade nicht addiert werden.

5906

Der Streitwert einer Vollstreckungsabwehrklage, mit der die Teilungsversteigerung eines gemeinsamen Grundstücks verhindert werden soll, bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers zu verhindern, dass das

5907

1 OLG Köln, JurBüro 1979, 1701. 2 OLG Hamburg, OLGE 15, 4. 3 OLG Hamburg, OLGE 15, 4; das LG Bonn (Beschl. v. 10.9.2001 – 10 O 150/01, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 101) setzt für den Herausgabeantrag einen Wert i.H.v. 10 % aus dem weitergehend titulierten Betrag an. 4 OLG Nürnberg, MDR 1967, 410. 5 OLG Nürnberg, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 157. 6 OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 5.3.2008 – 23 U 30/07, JurBüro 2008, 315. 7 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.1.2000 – 9 U 212/99, MDR 2000, 543.

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Vollstreckungsklausel Grundstück unter Wert zugeschlagen wird. Bei diesem „Verhinderungsinteresse“ geht es also weder um den Verkehrswert des Grundstücks noch um den Wert des Miteigentumsanteils des Klägers. Wohl ist Berechnungsgrundlage für das Verhinderungsinteresse der Verkehrswert, von dem ausgehend der „Verschleuderungsverlust“ schätzbar wird.1

Vollstreckungsgegenklage S. das Stichwort „Vollstreckungsabwehrklage“.

Vollstreckungsklausel 1. Klage nach § 768 ZPO 5908

Die Festsetzung eines Zuständigkeitsstreitwerts ist nicht erforderlich, da das Prozessgericht der ersten Instanz für die Klage nach § 768 ZPO ausschließlich zuständig ist. Der Gebührenstreitwert einer solchen Klage gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG entsprechend dem Interesse des Klägers an der einstweiligen Verhinderung der Zwangsvollstreckung zu schätzen. Dabei liegt der Wert grundsätzlich unterhalb des titulierten Forderungsbetrages, weil die Klage die Vollstreckung nur zeitweilig verhindert.2

5909

Der volle Wert ist aber ausnahmsweise anzusetzen, wenn mit den Einwendungen zugleich die materielle Anspruchsberechtigung des Titelgläubigers ausgeräumt werden soll.3

* Æ Beispiel: Der Kläger behauptet im Rahmen der Klage nach § 768 ZPO, er sei überhaupt nicht Erbe des nach dem Titel verpflichteten Schuldners. Hier liegt das Interesse des Klägers nicht nur in einer zeitweiligen Verhinderung der Zwangsvollstreckung, sondern vielmehr darin, überhaupt nicht aus dem Titel in Anspruch genommen werden zu können.

5910

Die Streitwertgrundsätze der Klage nach § 768 ZPO gelten auch für die vom Schuldner erhobene Erinnerung nach § 732 ZPO.4 Der Streitwert bemisst sich bei einer unbeschränkt erteilten Klausel für die Erinnerung auch dann nach der gesamten titulierten Forderung, wenn der Gläubiger zunächst nur wegen eines Teilbetrages vollstreckt.5

5911

Zinsen6 und Kosten bleiben gem. §§ 43 Abs. 1 GKG, 4 Abs. 2 ZPO außer Ansatz, selbst wenn sie durch einen Festsetzungsbeschluss tituliert worden 1 2 3 4

S. OLG München, JurBüro 1988, 231. OLG Köln, Beschl. v. 5.5.1980 – 2 W 7/80, MDR 1980, 852. OLG Köln, Beschl. v. 5.5.1980 – 2 W 7/80, MDR 1980, 852. LG Aachen, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 732 mit ausführlicher Anm. Schneider = JurBüro 1985, 254. 5 LG München, Beschl. v. 1.10.1998 – 13 T 17568/98, JurBüro 1999, 326. 6 Vgl. auch OLG Frankfurt, OLGR 1993, 107 = JurBüro 1994, 117: Erteilung der Vollstreckungsklausel zu einem ausländischen Schuldtitel.

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Vollstreckungsklausel sind.1 Die Regelung des § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG, wonach sich in der Zwangsvollstreckung der Gegenstandswert nach dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung einschließlich der Nebenforderung bestimmt, ist unanwendbar, weil die Erteilung der Vollstreckungsklausel noch nicht den Beginn der Zwangsvollstreckung darstellt, sondern diese lediglich vorbereitet. 2. Klage nach § 731 ZPO Aufgrund der ausschließlichen Zuständigkeit des Prozessgerichts erster Instanz für die Klage nach § 731 ZPO ist ein Zuständigkeitsstreitwert nicht erforderlich. Der Gebührenstreitwert einer Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel bemisst sich nach dem Wert des zu vollstreckenden Anspruchs.2

5912

Bei der Frage, ob der volle Wert des zu vollstreckenden Anspruchs oder ggf. nur ein Bruchteil davon anzusetzen ist, ist darauf abzustellen, welcher Streit dem Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zugrunde liegt: – Der volle Wert ist anzusetzen, wenn im Klauselstreit die Vollstreckbarkeit des Anspruchs schlechthin zur Entscheidung steht. – Nur ein Bruchteil des titulierten Anspruchs ist anzusetzen, wenn es im Klauselstreit nur um die Frage geht, zu welchem Zeitpunkt – etwa nach Beseitigung angeblicher Hindernisse für die Klauselerteilung – mit der Zwangsvollstreckung begonnen werden kann.

5913

Der Streitwert kann sich in Ausnahmefällen auf denjenigen Aufwand ermäßigen, der für den Kläger zur Erteilung der erstrebten Klausel noch erforderlich ist.3

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* Æ Beispiel: Der Klägerin klagt auf Erteilung der Vollstreckungsklausel. In dem Urteil waren die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt worden, die Auflassung zu bewilligen, Zug um Zug gegen Zahlung von 40.000 DM durch die Klägerin. Unstreitig hatte die Klägerin in Erfüllung der ihr obliegenden Zug-um-Zug-Leistung 26.666,67 DM an die Beklagten gezahlt. Bezüglich des Differenzbetrages war die Klägerin der Ansicht, durch Zahlung dieses Betrages an weitere Mitglieder der Erbengemeinschaft ihrer Leistungspflicht genügt zu haben.

Das OLG Zweibrücken hat in diesem Fall aus Billigkeitserwägungen auf den wirtschaftlichen Hintergrund abgestellt, da der Streit der Parteien nur noch um eine (niedrige) Restforderung ging. Da letztlich auch die Beklagten nicht in Abrede stellten, dass nach Zahlung des streitigen Restbetrages die Vollstreckungsklausel zu erteilen wäre, betraf der wirtschaftliche Hintergrund des Verfahrens nur den Streit um die Restforderung. Ähnlich wie bei einer Vollstreckungsabwehrklage, die sich gegen einen Titel richtet, aus dem nur noch ein Restbetrag vollstreckt wird, hat das OLG Celle es bei dieser Sachlage als gerechtfertigt angesehen, den Streitwert auf denjenigen Aufwand zu ermäßigen, der für den Kläger zur Erteilung der erstrebten Klausel allenfalls noch erforderlich war. 1 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 30.9.1997 – 7 W 30/97, OLGR 1998, 376; OLG Köln, Beschl. v. 5.5.1980 – 2 W 7/80, MDR 1980, 852. 2 OLG Köln, Rpfleger 1969, 247; LG Hildesheim, NJW 1964, 1232. 3 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 30.9.1997 – 7 W 30/97, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1271.

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Vollstreckungsschaden 3. Verfahren nach § 733 ZPO 5916

Im Verfahren über die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung nach § 733 ZPO1 fällt für das Gericht eine Festgebühr von 15 Euro an (Nr. 2110 KV GKG). Für die Berechnung des Gegenstandswertes für die Anwaltsgebühren ist auf die Höhe des zu vollstreckenden Anspruchs abzustellen. Für den Anwalt ist dieses Verfahren gem. § 18 Abs. 1 Nr. 5 RVG eine besondere Angelegenheit, für die er die Gebühr nach Nr. 3309 VV RVG erhält. Er erhält für die gesamte Tätigkeit in einem solchen Verfahren eine gesonderte Gebühr, unabhängig von der Frage, ob er bereits im vorangegangenen Verfahren als Prozessbevollmächtigter oder sonst bereits in der Zwangsvollstreckung tätig war.

Vollstreckungsschaden Literatur: Nieder, NJW 1975, 1000.

A. Einleitung 5917

Der Anspruch auf Ersatz des Vollstreckungsschadens ist in § 717 Abs. 2 ZPO geregelt. Danach ist der Kläger bei Aufhebung oder Abänderung eines für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Beklagten durch die Vollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung vorgenommene Leistung entstanden ist. Diesen Anspruch kann der Beklagte im anhängigen Rechtsstreit geltend machen. Wird der Anspruch geltend gemacht, so ist er als zurzeit der Zahlung oder Leistung rechtshängig geworden anzusehen.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 5918

Die ältere Rechtsprechung,2 die den Schadensersatzanspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO nur dann selbständig bewertete, wenn er durch selbständige Klage oder durch Widerklage und nicht nur durch einfachen Prozessantrag verfolgt wurde, kann heute als überholt angesehen werden, nachdem der Bundesgerichtshof neue Bemessungsgrundsätze aufgestellt hat.

5919

Macht der Beklagte seinen Anspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO im anhängigen Rechtsstreit geltend (sog. Inzidentantrag), so ist das angegangene Gericht ohne Rücksicht auf die Höhe des Streitwertes zuständig. Nach der Rechtsprechung des BGH erhöht der Inzidentantrag auch nicht den Gebührenstreitwert.3 Der BGH hat zutreffend darauf hingewiesen, dass ein Antrag nach § 717 Abs. 2 ZPO im anhängigen Rechtsstreit eine Erhöhung des Streitwertes schon deshalb nicht rechtfertige, weil dies dem Sinn und Zweck des § 717 Abs. 2 ZPO widerspräche, nämlich der durch eine Vollstreckungsmaßnahme des Gegners 1 LG München, Beschl. v. 1.10.1998 – 13 T 17568/98, JurBüro 1999, 326. 2 RGZ 63, 367; RGZ 124, 182; RGZ 145, 298; vgl. Nachweise in BGH, Beschl. v. 15.11.1962 – VII ZR 95/62, BGHZ 38, 237. 3 Beschl. v. 2.2.1962 – V ZR 70/60, MDR 1962, 391.

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Vollstreckungsschaden geschädigten Prozesspartei die Durchsetzung ihres Schadensersatzanspruches in vereinfachter Form zu ermöglichen. Weil der Antrag nach § 717 Abs. 2 ZPO zu keinem anderen Ergebnis führen könne als der den Gegenstand des Rechtsstreits bildende Anspruch, stelle er sich als eine Art Nebenforderung dar, sodass es nahe liege, ihn entsprechend §§ 43 Abs. 1 GKG, 4 ZPO streitwertmäßig außer Betracht zu lassen. Auch der BGH lehnt also eine Streitwerterhöhung bei einfachem Inzidentantrag ab.1 Dabei komme es auch nicht darauf an, ob der Inzidentantrag vom Beklagten (so der Wortlaut des § 717 Abs. 2 ZPO) oder vom Kläger (im Rahmen einer Klage auf Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung) oder – gegen den Wortlaut – vom Kläger gegen den vollstreckenden Beklagten2 gestellt werde.

5920

Macht der Beklagte seinen Anspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO in einem gesonderten Prozess geltend, so erfolgt die Zuständigkeitsbestimmung nach den allgemeinen Regeln und die Höhe des geforderten Schadensersatzes ist maßgeblich für die Gebührenberechnung. Der BGH3 hat jedoch die Differenzierung zur Behandlung der Widerklage aufgegeben und lässt Zinsen und Kosten schlechthin außer Ansatz, auch wenn der Beklagte die Verurteilungssumme mit Widerklage oder in einem gesonderten Prozess zurückverlangt.4 Um so mehr ist dann natürlich eine Werterhöhung hinsichtlich der zurückverlangten vollstreckten Hauptsumme zu verneinen.5

5921

Für Ansprüche nach §§ 302 Abs. 4, 600 Abs. 2 ZPO gilt Entsprechendes.6

5922

Soweit der Beklagte Ersatz weiteren Schadens verlangt, gelten für die Bewertung des entsprechenden Antrags die allgemeinen Bemessungsvorschriften.

5923

Hat der Kläger im ersten Rechtszug voll obsiegt, wird aber im zweiten Rechtszug ein Teil seines Anspruches rechtskräftig abgewiesen und auf Inzidentantrag des Beklagten erkannt, dass der vom Kläger bereits vollstreckte Betrag dem Beklagten zurückzuzahlen sei, so ist der Beklagte nicht gehindert, im weiteren Verfahren über den noch anhängigen Betrag weiteren (also echten) Schadensersatz aus § 717 Abs. 2 ZPO zu verlangen.

5924

Da dieser weitere Schadensersatzanspruch sich auf den rechtskräftig erledigten Teil des Prozesses bezieht, mit dem noch anhängigen also in keinem engeren Zusammenhang steht, ist in diesem Fall der Inzidentantrag wertmäßig zu berücksichtigen.7

5925

1 Ebenso LG Kiel, MDR 1960, 324; OLG Frankfurt, JW 1929, 1685; OLG Kiel, JW 1929, 883; OLG Hamburg, OLGE 15, 157; LAG Berlin, KostRsp. GKG § 19 Nr. 130 mit Anm. Schneider = MDR 1988, 364 unter Aufgabe seiner Ansicht in MDR 1978, 354. 2 BGH, Beschl. v. 2.2.1962 – V ZR 70/60, MDR 1962, 391. 3 BGH, Beschl. v. 15.11.1962 – VII ZR 95/62, BGHZ 38, 237. 4 Vgl. auch Johannsen, Anm. zu LM § 717 ZPO Nr. 6. 5 OLG Köln, JurBüro 1971, 179. 6 Johannsen, Anm. zu LM § 717 ZPO Nr. 6. 7 RGZ 145, 298.

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Vollstreckungsschutz

Vollstreckungsschutz Literatur: Stöber, JVBl. 1963, 50.

5926

Der Streitwert eines Vollstreckungsschutzverfahrens nach § 765a ZPO1 ist nur noch für die Berechnung der Anwaltsgebühren (Nr. 3328 VV RVG) von Bedeutung. Denn für das Gericht fallen sowohl erstinstanzlich (Nr. 2112 KV GKG: 15 Euro) als auch im Beschwerdeverfahren (Nr. 2121 KV GKG: 25 Euro, Nr. 2124 KV GKG: 50 Euro) wertunabhängige Festgebühren an.

5927

Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren ist nach § 25 Abs. 2 RVG festzusetzen: In Verfahren über Anträge des Schuldners ist der Wert nach dem Interesse des Antragstellers nach billigem Ermessen zu bestimmen. Im Rahmen des danach maßgeblichen „billigen Ermessens“ kann die ältere, zu den §§ 3, 6 ZPO ergangene Rechtsprechung über die Festsetzung des Gerichtsgebührenwertes herangezogen werden.

5928

Der Wert eines Anspruchs auf Vollstreckungsschutz lässt sich nicht generell bestimmen, weil er von dem konkreten Antrag abhängig ist und daher nicht immer gleich hoch ist wie der zu vollstreckende Anspruch. Der nach billigem Ermessen zu bestimmende Streitwert richtet sich nach dem Interesse des Schuldners an der beantragten Schutzmaßnahme im Einzelfall. Dieses Interesse ist regelmäßig mit einem Teil der Hauptforderung anzunehmen.2 Nicht maßgeblich ist der Wert des Pfandgegenstandes oder der Forderung, da es nicht um die Sachherausgabe geht und keine endgültige Erfüllungsverweigerung geltend gemacht wird.

5929

Der Streitwert für das Vollstreckungsschutzverfahren mit dem Ziel einstweiliger Aussetzung richtet sich bei einem Räumungsurteil nicht nach dem Wert des herauszugebenden Grundstücks,3 sondern ist nach billigem Ermessen zu schätzen. Die Einzelheiten sind umstritten: – Nach einer Meinung4 bemisst sich bei dieser Schätzung das Interesse des Schuldners nach der Höhe der Miete für die Dauer der beantragten Schutzanordnung. Ist die Dauer der Schutzanordnung zwar absehbar, aber noch unbestimmt, wird der Jahresmietbetrag angesetzt.5 1 Hinsichtlich der Vollstreckungsschutzverfahren nach §§ 707, 719, 769, 785, 786 ZPO vgl. das Stichwort „Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung“, hinsichtlich der Beschwerdeverfahren gegen Zwangs- und Ordnungsmittel das Stichwort „Ordnungsmittel“. 2 OLG Saarbrücken, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 84 – es wurde 1/5 angenommen; OLG Bamberg, BayJMBl. 1952, 218; OLG Bamberg, JurBüro 1953, 200; LG München II, Beschl. v. 23.3.1993 – 2 T 219/93, WuM 1994, 220; 1/5 der Jahresnettomiete bei Räumungsvollstreckungsschutz; AG Siegburg, NJW 1953, 706. 3 So aber: LG München I, Beschl. v. 7.2.1995 – 29 O 12882/93, WM 1995, 197 (in der Entscheidung geht es allerdings um den Streitwert des Vollstreckungsverfahrens, nicht um den Streitwert des Verfahrens um eine Schutzanordnung – vgl. zur a.A.: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.5.1996 – 3 W 42/96, MDR 1996, 858). 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.1.2005 – 5 W 55/05, JurBüro 2005, 384 = InVo 2005, 164; OLG Koblenz, Beschl. v. 29.1.1997 – 4 W 30/97, OLGR 1997, 34; OLG Münster, Rpfleger 1996, 166; LG Görlitz, AGS 2003, 408; LG Münster, Beschl. v. 12.9.1995 – 5 T 818/95, MDR 1995, 1269; LG München I, Beschl. v. 18.12.1995 – 14 T 2298/95, WuM 1996, 235. 5 So auch: AG Koblenz, DGVZ 1995, 94, das allerdings pauschal den einjährigen Mietzins zugrunde legt.

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Vollstreckungsschutz – Nach einer im Ergebnis ähnlichen Meinung ist zunächst der Jahresmietbetrag anzusetzen und dieser dann aufgrund der nur begrenzten Wirkung der Entscheidung nach § 765a ZPO auf einen Bruchteil zu ermäßigen. Bei diesem Bruchteil werden Ansätze von 20 %1 bis 50 %2 vertreten. – Die Gegenmeinung,3 die den Antrag auf zeitweilige Aussetzung der Zwangsvollstreckung gem. § 6 ZPO nach dem Betrag der Vollstreckungsforderung bemaß, dürfte inzwischen überholt sein. Bezieht sich der Antrag nach § 765a ZPO auf Räumungsschutz aus einem Zuschlagsbeschluss (§ 93 ZVG) beläuft sich der Wert auf 10 % des Zuschlagswertes, der nach dem Versteigerungsergebnis anzunehmen ist.4

5930

Auf das Vollstreckungsobjekt darf für die Wertbestimmung nur in den Fällen abgestellt werden, in denen der Schuldner mit seinem Rechtsbehelf die Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme verlangt. Dann ist § 6 ZPO entsprechend anwendbar.5

5931

Auch Vollstreckungsschutzverfahren auf Aussetzung der Verwertung (§ 813b ZPO) sind gem. § 25 Abs. 2 RVG zu bewerten. Für das Gericht fallen wiederum nur Festgebühren an (Nr. 2112, 2121 KV GKG). Der Streitwert besteht nach AG Hannover6 in der Regel in der aus dem Pfändungsprotokoll zu entnehmenden Differenz zwischen dem „gewöhnlichen Verkaufswert“ im Sinne des § 813 ZPO und dem vom Gerichtsvollzieher geschätzten Versteigerungserlös.

5932

Der Gegenstandswert für die Vertretung des Schuldners im Verfahren auf Ablehnung des Rechtspflegers im Zusammenhang mit einem vom Schuldner gestellten Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO bestimmt sich nach der Hälfte des Gegenstandes der Zwangsversteigerung.7

5933

Maßgebender Zeitpunkt für die Wertberechnung ist die Vornahme der anwaltlichen Handlung, die das Zwangsvollstreckungsverfahren einleitet. Haben mehrere Schuldner lediglich äußerlich zusammengefasste Vollstreckungsschutzanträge gestellt, so liegen gebührenrechtlich mehrere Vollstreckungsmaßnahmen und Gebührenangelegenheiten vor.8

5934

Vollstreckungsurteil S. das Stichwort „Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils“.

1 LG München II, Beschl. v. 23.3.1993 – 2 T 219/93, WuM 1994, 220; vgl. auch BGH, NJW 1991, 2280; KG, JurBüro 1982, 1243; OLG Köln, Rpfleger 1976, 138. 2 Schneider/Wolf, § 25 RVG Rn. 25; Lappe, Anmerkung zu OLG Koblenz, Beschl. v. 25.1.2005 – 5 W 55/05 in: KostRsp. RVG § 25 Nr. 1. 3 OLG München, NJW 1953, 1716. 4 BGH, Beschl. v. 14.6.2007 – V ZB 28/07, InVo 2007, 418 = NJW 2007, 3719. 5 LG Koblenz, Beschl. v. 8.8.1990 – 4 T 508/90, JurBüro 1991, 109; Stöber, JVBl. 1963, 50 Ziffer IV 2. 6 AG Hannover, Nds.Rpfl. 1970, 177. 7 BGH, Beschl. v. 15.10.2009 – V ZB 76/09, RVGreport 2009, 477. 8 LG Mannheim, Beschl. v. 2.2.1982 – 4 T 282/81, Rpfleger 1982, 238.

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Vorbehalt

Vorbehalt 5935

Der Streitwert der Klage auf Beseitigung des in einem Ausschlussurteil nach § 927 BGB enthaltenen Vorbehaltes der Rechte für einzelne Mitglieder einer Erbengemeinschaft entspricht dem vollen Wert des Grundstücks, weil bei Wegfall des Vorbehaltsurteils die Möglichkeit besteht, sich das Grundstück anzueignen, ohne einer Beschränkung durch die Miteigentumsanteile von Erben ausgesetzt zu sein.1

5936

Die Beschränkung der Haftung des Erben auf den Nachlass (§§ 780, 781 ZPO, §§ 1975 ff. BGB) vermindert den Streitwert nicht, weil es für die Bewertung eines bezifferten Anspruchs nicht darauf ankommt, ob und inwieweit er mit Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse des Schuldners oder andere Umstände zu verwirklichen ist. Der geringere „wirtschaftliche Wert“ einer Forderung stellt sich möglicherweise erst in der Zwangsvollstreckung heraus. Unter Umständen erweisen sich aber auch die Befürchtungen des (teilweisen) Ausfalles mit der Forderung als unbegründet. Alle diese Überlegungen sind unerheblich, weil bei bezifferter Forderung nur der Forderungsbetrag wertbestimmend ist.2

5937

Der Streitwert eines lediglich den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung betreffenden Rechtsmittels bestimmt sich nach dem Betrag, den der Rechtsmittelkläger bei Erfolg seines Rechtsmittels weniger zu zahlen hat.3

Vor- und Nacherbe 5938

Bei einer Widerspruchsklage des Nacherben nach § 773 ZPO gegen die Veräußerung eines zur Vorerbschaft gehörenden Gegenstandes ist auf den Anteil des klagenden Miterben abzustellen.4 Diese Fallgestaltung ist nicht zu vergleichen mit derjenigen einer Klage aus § 2039 BGB. Bei ihr wird der gesamte Anspruch von einem Miterben in Prozessstandschaft geltend gemacht.5 Diesen Fall betrifft die Entscheidung RG.6

5939

Für die Klage auf Feststellung, dass der Kläger Vorerbe des Erblassers geworden sei, ist der Streitwert geringer zu bemessen als bei der Feststellungsklage, die eine Vollerbenstellung betrifft.7 Der BGH hat einen Abschlag von 25 % vom Anteil am Nachlass vorgenommen.

5940

Klagt der nicht befreite Vorerbe gegen den Nacherben auf Zustimmung zu einem Verkauf eines aus dem Nachlass durch den Erbfall erworbenen Grundstücks und zur Auflassung an den Käufer, dann ist der Streitwert nach § 3 ZPO zu schätzen.8 1 2 3 4 5 6 7 8

OLG Koblenz, NJW 1962, 1162. RG, RGZ 54, 412. OLG Bamberg, Beschl. v. 29.10.1965 – 3 U 42/65, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 140. HRR 1932, Nr. 1954. Vgl. dazu E. Schneider, Rpfleger 1982, 268. RGZ 149, 193. BGH, Beschl. v. 10.5.1989 – IVa ZR 126/88, FamRZ 1989, 958 = JurBüro 1991, 108. OLG Schleswig, Beschl. v. 12.6.1968 – 5 W 40/68, Rpfleger 1968, 325 = JurBüro 1968, 735 = SchlHA 1968, 285; Hillach/Rohs, S. 281.

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Monschau

Vorgerichtliche Kosten Maßgebend ist das Interesse des Vorerben, das auf jeden Fall durch den Verkehrswert des Grundstücks begrenzt ist. Zugunsten des Vorerben eingetragene Belastungen des Grundstücks sind abzusetzen, wenn sie vom Eintritt der Nacherbfolge unberührt bleiben. Die vom Vorerben angebotenen Gegenleistungen für die begehrte Zustimmung zur Grundstücksveräußerung müssen dagegen unberücksichtigt bleiben.

5941

Bei der Bewertung ist die materielle Rechtslage zu berücksichtigen; der Vorerbe kann auch ohne Zustimmung verkaufen; diese nimmt aber dem Veräußerungsvorgang die Rechtswirkungen auf die Nacherbschaft.

5942

Der Anspruch auf Einwilligung in die Löschung des im Grundbuch eingetragenen Nacherbenvermerks hat nach OLG Schleswig neben der Zustimmung des Nacherben zur Veräußerung des Grundstücks keinen eigenen Streitwert.

5943

Zur Löschung eines Nacherbenvermerks s. das Stichwort „Nacherbenvermerk“. S. auch das Stichwort „Miterbe“.

Vorerbschaft S. das Stichwort „Miterbe“.

Vorgerichtliche Kosten Gliederungsübersicht A. Zuständigkeitsstreitwert . . . . I. Isolierte Klage . . . . . . . . . . II. Widerklage . . . . . . . . . . . . III. Klagenhäufung neben Hauptsacheanspruch . . . . . . . . . . 1. Die Gegenstände, aus denen sich die Anwaltsgebühren berechnen, sind Gegenstand des Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Gegenstände, aus denen sich die Gebühren berechnen, sind nicht Gegenstand des Rechtsstreits a) Bewertung . . . . . . . . . . . b) Erste Möglichkeit: Aufteilung nach Streitwerten . . . . . . . c) Zweite Möglichkeit: Aufteilung nach Kostenanteilen . . . d) Dritte Möglichkeit: Differenzberechnung (1) . . . . . . . . . e) Vierte Möglichkeit: Differenzberechnung (2) . . . . . . . . .

Rn. 5944 5945 5946 5947

Rn. f) Fünfte Möglichkeit: Berechnung nach dem nicht anhängigen Teilwert . . . . . . . . . 5957 g) Stellungnahme . . . . . . . . . 5958 IV. Die Kosten resultieren aus einer anderen Angelegenheit . . . . . . 5962 B. Rechtsmittelstreit . . . . . . . . 5964

5948

5951 5953 5954 5955 5956

C. Gebührenstreitwert I. Überblick . . . . . . . . . . . . . II. Anwaltskosten werden soliert eingeklagt . . . . . . . . . . . . . III. Die Gegenstände, aus denen sich die Anwaltsgebühren berechnen, sind Gegenstand des Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Gegenstände, aus denen sich die Gebühren berechnen, sind nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits . . . . . . . . . . . V. Die Kosten resultieren aus einer anderen Angelegenheit . . . . . . VI. Klage und Widerklage . . . . . .

N. Schneider

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5966 5969

5971

5975 5979 5980

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Vorgerichtliche Kosten

A. Zuständigkeitsstreitwert 5944

Vorgerichtlich entstandene Kosten, also insbesondere eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nebst Auslagen und Umsatzsteuer, die im Rechtsstreit eingeklagt werden, können Nebenforderungen (§ 4 ZPO) oder Hauptforderung sein. Möglich ist auch, dass ein Teil der Kosten Hauptforderung ist und ein anderer Teil Nebenforderung.

I. Isolierte Klage 5945

Werden vorgerichtlich entstandene Kosten als materiell-rechtlicher Schaden isoliert eingeklagt, sind sie immer Hauptforderung. Ihr voller Wert ist maßgebend (§ 3 ZPO).

II. Widerklage 5946

Auch dann, wenn ein isolierter Kostenerstattungsanspruch im Wege der Widerklage geltend gemacht wird, ist er voll zu bewerten.1 Eine Addition findet beim Zuständigkeitsstreitwert allerdings nicht statt.

III. Klagenhäufung neben Hauptsacheanspruch 5947

Werden vorgerichtliche Anwaltskosten neben der Hauptforderung geltend gemacht, so ist danach zu unterscheiden, ob die Kosten aus der anhängigen Hauptforderung resultieren oder nicht. 1. Die Gegenstände, aus denen sich die Anwaltsgebühren berechnen, sind Gegenstand des Rechtsstreits

5948

Werden vorgerichtliche Anwaltskosten oder ein Teil davon neben der Hauptforderung, aus der sie resultieren, geltend gemacht, dann handelt es sich um Nebenforderungen, die nach § 4 ZPO für den Zuständigkeitsstreitwert außer Ansatz bleiben.2

5949

Die gegenteilige Auffassung, die vor der ersten BGH-Entscheidung noch vertreten wurde,3 dürfte seit den Entscheidungen des BGH nicht mehr vertretbar sein und wird vom KG4 sogar als willkürlich bezeichnet, die im Falle der Verweisung keine Bindungswirkung entfaltet. 1 LG Aachen, Beschl. v. 29.12.2006 – 11 O 478/04, AGS 2007, 539. 2 BGH, Beschl. v. 30.1.2007 – X ZB 7/06, FamRZ 2007, 808 = MDR 2007, 919 = NJW 2007, 3289; Beschl. v. 15.5.2007 – VI ZB 18/06, MDR 2007, 1149 = FamRZ 2007, 1319 = JurBüro 2007, 487; Beschl. v. 12.6.2007 – VI ZR 200/06, AGS 2007, 578 = SchadenPraxis 2007, 370; Beschl. v. 25.9.2007 – VI ZB 22/07, NJW-RR 2008, 374; Beschl. v. 23.1.2008 – IV ZB 8/07, SVR 2008, 351; Beschl. v. 13.2.2007 – VI ZB 39/06, NJW 2007, 1752 = MDR 2007; ebenso zuvor bereits LG Berlin, Beschl. v. 9.5.2005 – 5 O 162/05, AGS 2006, 86 = MDR 2005, 1318; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 16.3.2005 – 3 W 20/ 05, AGS 2006, 251. 3 OLG Bamberg, Beschl. v. 12.1.2006 – 1 U 167/05; LG Hof, Beschl. v. 17.6.2005 – 22 O 300/05; Beschl. v. 22.5.2006 – 34 = 286/06 (sämtlich n.v.); LG Braunschweig, Beschl. v. 28.12.2004 – 1 O 3125/04, AGS 2005, 75. 4 KG, Beschl. v. 8.2.2008 – 2 AR 7/08, AGS 2008, 249 = NJW-RR 2008, 879.

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N. Schneider

Vorgerichtliche Kosten

* Æ Beispiel: Es wird vorgerichtlich ein Schaden i.H.v. insgesamt 8.000 Euro geltend gemacht. Da der Schuldner nicht zahlt, klagt der Gläubiger daraufhin auf Zahlung der 8.000 Euro sowie auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 8.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

618,00 Euro 20,00 Euro 638,00 Euro 121,22 Euro 759,22 Euro

Der Streitwert beläuft sich nur auf 8.000 Euro. Die Anwaltskosten bleiben gem. § 4 ZPO außer Ansatz.

Entgegen einer vielfach anzutreffenden Ansicht kommt es insoweit nicht auf den Klageantrag an, also darauf, ob die Anwaltskosten „als Haupt- oder Nebenforderung“ geltend gemacht werden.1 Der Klageantrag ist insoweit völlig unerheblich. Es kommt immer auf den Gegenstand an. Daher ist es auch unerheblich, ob die Kosten der Hauptforderung hinzugerechnet werden und nur ein einheitlicher Klageantrag gestellt wird oder die Kosten neben der im Klagewege geltend gemachten Hauptforderung Gegenstand eines eigenen Antrags sind. Unerheblich ist ferner, ob die vorgerichtlichen Kosten im Wege des Zahlungsoder des Freistellungsanspruchs geltend gemacht werden. Zur Bewertung eines Freistellungsanspruchs s. „Befreiung von einer Verbindlichkeit“ Rn. 1554 ff.

5950

2. Die Gegenstände, aus denen sich die Gebühren berechnen, sind nicht Gegenstand des Rechtsstreits a) Bewertung Werden vorgerichtliche Anwaltskosten im Rechtsstreit aus Gegenständen geltend gemacht, die nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind, dann sind diese Kosten als Hauptforderung zu berücksichtigten.2 Es fehlt in diesem Fall an der für eine Nebenforderung i.S. des § 4 ZPO erforderlichen Abhängigkeit.

* Æ Beispiel: Der Anwalt kündigt für den Vermieter wegen Zahlungsverzugs (monatliche Kaltmiete 500 Euro) und mahnt vier Monate Mietrückstand einschließlich Nebenkostenvorauszahlungen (monatlich insgesamt 600 Euro) an. Der Gegenstandswert der außergerichtlichen Tätigkeit berechnet sich nach dem Wert der Kündigung (6.000 Euro)3 sowie nach dem Wert der rückständigen Mieten (2.400 Euro). Beide Werte sind nach § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG zusammenzurechen. Der Anwalt rechnet daher vorgerichtlich wie folgt ab: 1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 8.400 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

673,50 Euro 20,00 Euro 693,50 Euro 31,77 Euro 825,27 Euro

1 BGH, Beschl. v. 30.1.2007 – X ZB 7/06, FamRZ 2007, 808 = MDR 2007, 919 = NJW 2007, 3289. 2 BGH, Beschl. v. 17.2.2009 – VI ZB 60/07, FamRZ 2009, 867 = AGS 2009, 344; KG, Beschl. v. 8.2.2008 – 2 AR 7/08, AGS 2008, 249 = NJW-RR 2008, 879. 3 Zum Wert der Kündigung s. „Mietstreitigkeiten“ Rn. 3927.

N. Schneider

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5951

Vorgerichtliche Kosten Der Mieter zieht aus, zahlt aber die Mieten nicht, sodass daraufhin Klage auf Zahlung der vier Mieten erhoben wird sowie auf Ersatz der gesamten Anwaltskosten. Der Streitwert des Zahlungsantrags hinsichtlich der restlichen Mieten beläuft sich auf 2.400 Euro. Der Wert des Kostenerstattungsanspruchs darf jetzt nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, da er nicht in vollem Umfang in Abhängigkeit zur Klageforderung steht. Er ist damit zum Teil selbst Hauptforderung, sodass insoweit das Bewertungsverbot des § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO nicht greift. Der Wert des Kostenerstattungsanspruchs kann andererseits aber auch nicht in voller Höhe hinzugerechnet werden, da die Kosten auf jeden Fall zum Teil in Abhängigkeit zur Hauptforderung stehen und damit Nebenforderung sind.

5952

Wie der Streitwertanteil, der jetzt hinzuzurechnen ist, zutreffenderweise berechnet wird, ist strittig. Fünf Möglichkeiten kommen in Betracht. b) Erste Möglichkeit: Aufteilung nach Streitwerten

5953

Eine Möglichkeit besteht darin, die auf den eingeklagten Anspruch und die auf den nicht eingeklagten Anspruch jeweils entfallenden Kosten nach dem Verhältnis der Hauptsachestreitwerte zu ermitteln. Dies ergäbe im Beispiel Rn. 5951 ausgehend von dem Gesamtwert der außergerichtlichen Ansprüche i.H.v. 8.400 Euro einen Anteil i.H.v. 2.400/8.400, der auf die anhängigen Zahlungsansprüche entfiele und ein Anteil i.H.v. 6.000/8.400, der auf den nicht eingeklagten Räumungsanspruch entfiele: Anteil nicht anhängige Ansprüche: Anteil anhängige Ansprüche:

6.000/8.400 6 825,27 Euro = 589,48 Euro 2.400/8.400 6 825,27 Euro = 235,79 Euro

Ein Bewertungsverbot nach § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO bestünde danach also i.H.v. 235,79 Euro, sodass die restlichen 589,48 Euro hinzuzurechnen wären. Der Streitwert würde sich demnach auf 2.400 Euro + 589,48 Euro belaufen, insgesamt somit auf 2.989,48 Euro.

c) Zweite Möglichkeit: Aufteilung nach Kostenanteilen 5954

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die auf den eingeklagten und den nicht eingeklagten Anspruch jeweils entfallenden Kosten nach dem Verhältnis der Kosten zu berechnen, die aus den jeweiligen Hauptforderungen entstanden wären, wenn der Anwalt nur nach diesen Einzelwerten beauftragt worden wäre. Diese Berechnungsmethode wurde früher z.B. vom OLG Hamm1 zur Berechnung versicherter und nicht versicherter Kosten bei Teilrechtsschutz vertreten. Diese Berechnungsmethode ist gerechter als die streitwertanteilige, da sie die Gebührendegression mit einbezieht. Sie erfordert allerdings eine aufwendigere Berechnung. Im Beispiel Rn. 5951 ergäbe dies folgende Berechnung: a) Alleine aus dem Wert des erledigten Schadensersatzanspruchs wären folgende Kosten entstanden: 1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 6.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

507,00 Euro 20,00 Euro 527,00 Euro 100,13 Euro 627,13 Euro

1 Beschl. v. 1.4.1992 – 20 U 283/91, NJW-RR 1992, 927 = JurBüro 1992, 413.

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Vorgerichtliche Kosten b) Alleine aus dem Wert des eingeklagten Zahlungsanspruchs wären folgende Kosten entstanden: 1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 2.400 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt c) Gesamt a) + b)

241,50 Euro 20,00 Euro 261,50 Euro 49,69 Euro 311,19 Euro 938,32 Euro

Von den insgesamt aus dem Wert von 8.400 Euro angefallenen Kosten entfielen damit anteilig 311,19/938,32 auf die mit eingeklagten Zahlungsansprüche und anteilig 627,13/938,32 auf den nicht eingeklagten Räumungsanspruch: Anteil nicht anhängige Ansprüche: Anteil nicht anhängige Ansprüche:

627,13/938,32 6 825,27 Euro = 551,57 Euro 311,19/938,32 6 825,27 Euro = 273,70 Euro

Ein Bewertungsverbot nach § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO bestünde danach also i.H.v. 273,70 Euro, sodass die restlichen 551,57 Euro hinzuzurechnen wären. Der Streitwert würde sich demnach auf 2400 Euro + 551,57 Euro belaufen, insgesamt somit auf 2.951,57 Euro.

d) Dritte Möglichkeit: Differenzberechnung (1) Eine dritte Methode will die Differenz der geltend gemachten Kosten aus dem Gesamtwert zu den (fiktiven) Kosten aus dem anhängigen Wert berücksichtigen.

5955

Im Beispiel Rn. 5951 ergäbe dies folgende Berechnung: Insgesamt sind entstanden aus 2.400 Euro wären entstanden Restbetrag

825,27 Euro – 311,19 Euro 514,08 Euro

Dieser Wert wäre als Hauptforderung anzusehen und somit zu berücksichtigen. Der Streitwert würde sich demnach auf 2.400 Euro + 514,08 Euro belaufen, insgesamt somit auf 2.914,08 Euro.

e) Vierte Möglichkeit: Differenzberechnung (2) Eine vierte Berechnungsmethode vertritt das KG.1 Es geht ebenfalls im Wege der Differenzberechnung vor, rechnet jedoch umgekehrt.

5956

Im Beispiel Rn. 5951 ergäbe dies folgende Berechnung: Insgesamt sind entstanden Aus 2.400 Euro wären entstanden Restbetrag

825,27 Euro – 627,13 Euro 198,14 Euro

Dieser Wert wäre als Hauptforderung anzusehen und somit zu berücksichtigen. Der Streitwert würde sich demnach auf 2.400 Euro + 196,14 Euro belaufen, insgesamt somit auf 2.596,14 Euro.

f) Fünfte Möglichkeit: Berechnung nach dem nicht anhängigen Teilwert Eine letzte Möglichkeit besteht schließlich darin, den Streitwert nach den Kosten zu berechnen, die angefallen wären, wenn der Kläger außergerichtlich nur nach dem Wert der nicht eingeklagten Ansprüche tätig geworden wäre. 1 KG, Beschl. v. 18.2.2008 – 2 AR 7/08, AGS 2008, 249 = NJW-RR 2008, 879.

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Vorgerichtliche Kosten Im Beispiel Rn. 5951 wären folgende Kosten entstanden, wenn der Anwalt außergerichtlich nur hinsichtlich der erledigten Ansprüche tätig geworden wäre: 1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 6.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

507,00 Euro 20,00 Euro 527,00 Euro 100,13 Euro 627,13 Euro

Dieser Wert wäre als Hauptforderung anzusehen und somit zu berücksichtigen. Der Streitwert würde sich demnach auf 2.400 Euro + 627,13 Euro belaufen, insgesamt somit auf 3.027,13 Euro.

g) Stellungnahme 5958

Zutreffend ist alleine die letzte Berechnungsmethode. In ständiger Rechtsprechung vertritt der BGH die Auffassung, dass dem Kostenerstattungsanspruch des Geschädigten hinsichtlich der ihm entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen ist, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht.1 Diese Berechnungsmethode ist auch bei der Streitwertberechnung zugrunde zu legen. Denn genau diesen Anspruch macht der Kläger als Schadensersatz für die vorgerichtliche Durchsetzung der nicht mehr anhängig gewordenen Ansprüche geltend. Diesen Betrag würde der Kläger auch geltend machen, wenn er seinen Schadensersatzanspruch insoweit beschränken würde, als er aus den nicht anhängigen Gegenständen entstanden ist. Diesen Betrag würde das Gericht auch zusprechen, wenn es den Schadensersatzanspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten nur insoweit als begründet ansehen würde, als er aus den nicht anhängigen Gegenständen entstanden ist.

5959

Alle anderen Methoden, nach denen der Streitwert anteilig oder nach einer Differenz zu berechnen wäre, würden zu kuriosen Widersprüchen führen.

* Æ Abwandlung Beispiel Rn. 5951: Nachdem der Mieter aufgrund der außergerichtlichen Kündigung ausgezogen ist, erhebt der Anwalt zunächst nur Klage auf Ersatz der außergerichtlichen Anwaltskosten, die durch die Kündigung entstanden sind, also auf 825,27 Euro (s. oben Rn. 5951). Später erweitert er die Klage und macht nunmehr auch die vier Monate Mietrückstand einschließlich Nebenkostenvorauszahlung geltend sowie die darauf entfallenen weiteren Anwaltskosten. Eingeklagt sind dann also 2.400 Euro nebst vorgerichtliche Kosten i.H.v. 825,27 Euro. Unstrittig ist nach allen Berechnungsmethoden, dass der Wert der ursprünglichen Klage mit 625,27 Euro anzusetzen war (s. oben I.). Dadurch, dass die Klage erweitert wurde, indem nämlich jetzt auch noch die Mieten sowie weitere Anwaltskosten geltend gemacht werden, kann sich aber der Streitwert für den ursprünglichen Klageantrag, der ja nach wie vor Hauptforderung bleibt, nicht reduzieren. Das wäre aber nach den anderen Berechnungsmethoden, die anteilig oder nach Differenz rechnen – s. oben a) bis c) – der Fall. Es wäre schon ein kurioses Ergebnis, dass eine Klageerweiterung zur Streitwertreduzierung führen würde.

* Æ Abwandlung zum vorstehenden Beispiel: Das Gericht spricht nur die vorgerichtlichen Anwaltskosten für die Räumung zu. Im Übrigen weist es die Klage ab.

1 Zuletzt BGH, Urt. v. 7.11.2007 – VIII ZR 341/06, NJW 2008, 1888 = MDR 2008, 351.

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Vorgerichtliche Kosten Obwohl der Beklagte zur Zahlung von 627,13 Euro verurteilt worden ist, wäre der Streitwert und damit wohl auch die Beschwer des Beklagten unter 600 Euro, sodass eine Berufung nicht in Betracht käme.

Die Berechnungsmethoden, die nach anteiligen Verhältnissen oder der Differenz rechnen, würden darüber hinaus zu dem Ergebnis führen, dass sich im Verlaufe des Rechtsstreits bei Klageerweiterungen oder Klagerücknahmen ständig der Streitwert verändern würde, weil sich die Wert- oder Kostenverhältnisse bzw. die Differenz ändern würden.

5960

Die einzig zutreffende und praktikable Lösung kann daher nur sein, den Wert des materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs in voller Höhe anzusetzen, also insoweit die Kosten nur aus dem nicht (mehr) anhängigen Wert angefallen wären (Berechnungsmethode e, Rn. 5956).

5961

IV. Die Kosten resultieren aus einer anderen Angelegenheit Werden vorgerichtliche Anwaltskosten geltend gemacht, die eine andere Angelegenheit betreffen, sind die Kosten immer Hauptforderung.1

5962

* Æ Beispiel: Der Anwalt hatte für den Geschädigten anlässlich einer Verkehrsunfallsache dessen Ansprüche mit dem Unfallversicherer reguliert. Da der Haftpflichtversicherer seine Haftung bestreitet, klagt der Geschädigte auf Ersatz seines Schadens nebst vorgerichtlicher Anwaltskosten zuzüglich der Anwaltskosten für die Regulierung mit dem Unfallversicherer. Die Regulierung mit dem Unfallversicherer ist eine eigene Angelegenheit. Die hierdurch bedingten Kosten sind vom Haftpflichtversicherer zu tragen.2 ihr Wert erhöht daher den Zuständigkeitsstreitwert.

Gleiches gilt, wenn in einem Haftpflichtprozess die Kosten der Kaskoregulierung als weitere Schadensposition mit geltend gemacht werden (s. „Verkehrsunfallschadenregulierung“ Rn. 5654).

5963

B. Rechtsmittelstreitwert Für den Rechtsmittelstreitwert gilt Gleiches wie für den Zuständigkeitsstreitwert.3

5964

Hier kann die Besonderheit hinzukommen, dass erstinstanzlich die vorgerichtlichen Kosten noch als Nebenforderung unberücksichtigt geblieben sind, sie dann aber im Rechtsmittelverfahren zur Hauptsache werden. Nur soweit die Hauptforderung in die Rechtsmittelinstanz gelangt ist, bleiben die daraus resultierenden Kosten als Nebenforderung gem. § 4 ZPO unberücksichtigt. Im Übrigen sind sie beim Wert des Beschwerdegegenstands zu berücksichtigen.4

5965

* Æ Beispiel: Der Anwalt hatte für den Geschädigten in einer Verkehrsunfallsache 3.000 Euro Schadensersatz nebst Kosten i.H.v. 1 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 20.1.2010 – 14 UH 3/10, AGS 2010, 310. 2 BGH, Urt. v. 10.1.2006 – VI ZR 43/05, NJW 2006, 1065 = MDR 2006, 929. 3 BGH, Beschl. v. 17.2.2009 – VI ZB 60/07, FamRZ 2009, 867 = AGS 2009, 344; KG, Beschl. v. 8.2.2008 – 2 AR 7/08, AGS 2008, 249 = NJW-RR 2008, 879. 4 BGH, Beschl. v. 11.1.2011 – VIII ZB 62/10.

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Vorgerichtliche Kosten 1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 3.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

245,70 Euro 20,00 Euro 265,70 Euro 50,48 Euro 316,18 Euro

geltend gemacht. Das AG spricht dem Geschädigten 2.500 Euro zu Im Übrigen (also hinsichtlich des weiteren Schadens über 500 Euro sowie der gesamten vorgerichtlichen Kosten) weist das Gericht die Klage ab. Gegen die Abweisung der Klage legt der Kläger Berufung ein. Der Wert des Beschwerdegegenstands beläuft sich auf 500 Euro zuzüglich der Kosten aus den erstinstanzlich zugesprochenen Schadenspositionen, die nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits sind. Diese Kosten belaufen sich nach zutreffender Auffassung (Rn. 5958) auf 1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 2.500 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

209,30 Euro 20,00 Euro 229,30 Euro 43,57 Euro 272,87 Euro

Der Wert des Beschwerdegegenstands beläuft sich damit auf (500 Euro + 272,87 Euro =) 727,87 Euro. Die Berufung ist zulässig.

C. Gebührenstreitwert I. Überblick 5966

Für den Gebührenstreitwert gilt grundsätzlich das Gleiche wie für den Zuständigkeitsstreitwert. Die vorgerichtlichen Kosten können Nebenforderungen (§ 43 Abs. 1 GKG) oder Hauptforderung sein.

5967

Im Rahmen der außergerichtlichen Vertretung sind die Anwaltskosten, die in der Regel nach Abschluss der Regulierung eingefordert werden, immer Nebenforderung (§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG).

5968

Werden vorgerichtliche Anwaltskosten im Rechtsstreit mit geltend gemacht, so sind sie – Hauptforderung, soweit sie isoliert eingeklagt werden, – Nebenforderung, soweit die Gegenstände, aus denen sie sich berechnen, Gegenstand des Rechtsstreits sind, – Hauptforderung, soweit die Gegenstände, aus denen sie sich berechnen, nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits sind. – Hauptforderung, soweit sie aus einer anderen Angelegenheit resultieren.

II. Anwaltskosten werden isoliert eingeklagt 5969

Werden vorgerichtliche Anwaltskosten oder wird ein Teil davon isoliert eingeklagt, dann sind die Kosten Hauptforderung und damit nach § 3 ZPO zu bewerten. Das folgt für die Anwalts- und Gerichtsgebühren aus § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG; § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG.

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N. Schneider

Vorgerichtliche Kosten

* Æ Beispiel: Es wird vorgerichtlich ein Schaden i.H.v. insgesamt 8.000 Euro geltend gemacht. Der Versicherer zahlt die 8.000 Euro. Der Geschädigte verlangt daraufhin noch den Ersatz seiner Anwaltskosten i.H.v. 1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 8.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

618,00 Euro 20,00 Euro 638,00 Euro 121,22 Euro 759,22 Euro

a) Der Versicherer zahlt diese Kosten nicht, da er der Auffassung ist, die Anwaltskosten seien nicht notwendig. Der Geschädigte erhebt daraufhin Klage auf Zahlung i.H.v. 759,22 Euro. b) Der Versicherer ist der Auffassung, eine 1,3-Geschäftsgebühr sei angemessen und zahlt nur 1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 8.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

535,60 Euro 20,00 Euro 555,60 Euro 105,56 Euro 661,16 Euro

Der Geschädigte erhebt daraufhin Klage auf Zahlung der restlichen (759,22 Euro – 661,16 Euro =) 98,06 Euro. Im Fall a) beträgt der Streitwert gem. § 3 ZPO 759,22 Euro, im Fall b) 98,06 Euro.

Gleiches gilt, wenn die Anwaltskosten isoliert im Wege einer Widerklage geltend gemacht werden (s. unten Rn. 5980).

5970

III. Die Gegenstände, aus denen sich die Anwaltsgebühren berechnen, sind Gegenstand des Rechtsstreits Werden vorgerichtliche Anwaltskosten oder ein Teil davon neben der Hauptforderung, aus der sie resultieren, geltend gemacht, dann handelt es sich um Nebenforderungen, die zwar einen eigenen Wert haben; dieser wird nach § 43 Abs. 1 GKG jedoch dem Wert der Hauptforderung nicht hinzugerechnet. Es handelt sich aus den selben Erwägungen wie beim Zuständigkeitsstreitwert um Nebenforderungen.

5971

* Æ Beispiel: Es wird vorgerichtlich ein Schaden i.H.v. insgesamt 8.000 Euro geltend gemacht. Der Versicherer zahlt nicht Der Geschädigte klagt daraufhin auf Zahlung der 8.000 Euro sowie auf Ersatz seiner Anwaltskosten i.H.v. 759,22 Euro (zur Berechnung s. Beispiel Rn. 5969). Der Streitwert beläuft sich nur auf 8.000 Euro. Die Anwaltskosten werden nicht mitgerechnet.

Beim Gebührenstreitwert können die Kosten allerdings Bedeutung gewinnen, wenn alleine daraus einzelne Gebühren anfallen (§ 43 Abs. 2 GKG).

5972

Bei den Gerichtsgebühren ist dies allerdings selten, da es kaum Stufenstreitwerte gibt. Möglich ist ein solcher Fall hier beim Übergang vom Mahnverfahren in das streitige Verfahren.

5973

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Vorgerichtliche Kosten

* Æ Beispiel: Gegen den Mahnbescheid über 3.000 Euro nebst vorgerichtlicher Kosten i.H.v. 1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 3.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

245,70 Euro 20,00 Euro 265,70 Euro 50,48 Euro 316,18 Euro

Widerspruch nur wegen der vorgerichtlichen Kosten eingelegt. Im Mahnverfahren wird die 0,5-Gebühr nach Nr. 1100 KV GKG aus 3.000 Euro erhoben. Die weitere Gebühr nach Nr. 1210 KV GKG wird dagegen gem. § 43 Abs. 2 GKG nur aus dem Wert der vorgerichtlichen Kosten, also aus 316,18 Euro erhoben. 1. 0,5-Gebühr, Nr. 1100 KV GKG (Wert: 3.000 Euro) 2. 3,0-Gebühr, Nr. 1210 KV GKG (Wert: 316,18 Euro) 3. gem. Anm. zu Nr. 1210 KV GKG anzurechnen, 0,5 aus 316,18 Euro Gesamt

5974

45,50 Euro 105,00 Euro – 17,50 Euro 132,50 Euro

Häufiger kommen solchen Fälle beim Anwalt vor, da hier mehrere Gebühren anfallen können.

* Æ Beispiel: Wie Beispiel Rn. 5971; der Versicherer zahlt nach Klageerhebung die 8.000 Euro Schaden. Über die Kosten wird eine Einigung getroffen. Für die Einigungsgebühr der Anwälte ist jetzt nur der Wert der Kosten, also im Fall a) 759,22 Euro und im Fall b) 98,06 Euro.

IV. Die Gegenstände, aus denen sich die Gebühren berechnen, sind nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits 5975

Werden vorgerichtliche Anwaltskosten im Schadensersatzprozess aus Gegenständen geltend gemacht, die nicht1 oder nicht mehr2 Gegenstand des Rechtsstreits sind, dann sind diese Kosten als Hauptforderung zu berücksichtigten.

* Æ Beispiel: Der Anwalt hatte für den Geschädigten in einer Verkehrsunfallsache 6.000 Euro Schadensersatz nebst Kosten i.H.v. 1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 6.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

507,00 Euro 20,00 Euro 527,00 Euro 100,13 Euro 627,13 Euro

Der Versicherer zahlt außergerichtlich 4.000 Euro, weigert sich jedoch, auch die Anwaltskosten zu zahlen. Er ist der Auffassung, diese seien nicht notwendig. Daher klagt der Geschädigte auf Zahlung von 2.000 Euro Schaden sowie 627,13 Euro Ersatz vorgerichtlicher Kosten. Die Kosten, soweit sie auf die vorgerichtlich erledigten Gegenstände entfallen, sind jetzt keine Nebenforderung, sondern Hauptforderung. Zur den verschiedenen Berech1 BGH, Beschl. v. 17.2.2009 – VI ZB 60/07, FamRZ 2009, 867 = AGS 2009, 344 = NJWSpezial 2009, 380; KG, Beschl. v. 8.2.2008 – 2 AR 7/08, AGS 2008, 249 = NJW-Spezial 2008, 252. 2 BGH, Beschl. v. 4.12.2007 – VI ZB 73/06, NJW 2008, 999 = MDR 2008, 404.

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N. Schneider

Vorgerichtliche Kosten nungsmethoden s. Rn. 5951. Nach zutreffender Ansicht sind die Kosten zu berücksichtigten, soweit sie nur aus dem Wert der erledigten Gegenständen angefallen wären, also 1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 4.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

367,50 Euro 20,00 Euro 387,50 Euro 73,63 Euro 461,13 Euro

Der Gebührenstreitwert beläuft sich damit auf 2.461,13 Euro.

* Æ Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel; Der Versicherer zahlt außergerichtlich 4.000 Euro sowie eine 1,3-Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer, also 1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 4.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

318,50 Euro 20,00 Euro 338,50 Euro 64,32 Euro 402,82 Euro

Er ist der Auffassung eine Geschäftsgebühr von 1,5 sei unbillig. Der Geschädigte klagt jetzt auf Zahlung von 2000 Euro Schaden sowie (627,13 Euro – 402,82 Euro =) 224,31 Euro Ersatz vorgerichtlicher Kosten. Auch jetzt sind die Kosten, soweit sie auf die vorgerichtlich erledigten Gegenstände entfallen, keine Nebenforderung, sondern Hauptforderung. Zur den verschiedenen Berechnungsmethoden s. Rn. 5951. Nach zutreffender Ansicht sind die Kosten zu berücksichtigten, soweit sie nur aus dem Wert der erledigten Gegenständen angefallen wären, also 1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 4.000 Euro) 2. ./. gezahlter 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 4.000 Euro) 3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 4. ./. gezahlter Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

367,50 Euro – 318,50 Euro 20,00 Euro – 20,00 Euro 49,00 Euro 9,31 Euro 58,31 Euro

Der Gebührenstreitwert beläuft sich damit auf 2.058,31 Euro.

Für den Gebührenstreitwert können sich darüber hinaus auch hier Stufenstreitwerte ergeben.

5976

Bei den Gerichtsgebühren sind Stufenstreitwerte allerdings selten, da die Gebühren für das Verfahren im Allgemeinen nur einmal für das gesamte Verfahren erhoben werden. Möglich sind Fälle wiederum hier beim Übergang vom Mahnverfahren in das streitige Verfahren.

5977

* Æ Beispiel: Gegen den Mahnbescheid über 3.000 Euro nebst vorgerichtlicher Kosten i.H.v. 1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 3.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

245,70 Euro 20,00 Euro 265,70 Euro 50,48 Euro 316,18 Euro

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Vorgerichtliche Kosten Widerspruch wird nur wegen der eines Teilbetrags von 1.000 Euro und der gesamten vorgerichtlichen Kosten eingelegt. Im Mahnverfahren wird die 0,5-Gebühr nach Nr. 1100 KV GKG aus 3.000 Euro erhoben. Die weitere Gebühr nach Nr. 1210 KV GKG berechnet sich dagegen gem. § 43 Abs. 2 GKG nur aus dem Wert der restlichen Hauptforderung sowie der vorgerichtlichen Kosten, soweit sie aus den weiteren 2.000 anfallen, also aus 1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 2.000 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

172,90 Euro 20,00 Euro 199,90 Euro 36,65 Euro 229,55 Euro

Dies ergibt dann folgende Berechnung 1. 0,5-Gebühr, Nr. 1100 KV GKG (Wert: 3000 Euro) 2. 3,0-Gebühr, Nr. 1210 KV GKG (Wert: 1.229,55 Euro) 3. gem. Anm. zu Nr. 1210 KV GKG anzurechnen, 0,5 aus 1.229,50 Euro Gesamt

5978

45,50 Euro 195,00 Euro – 32,50 Euro 207,50 Euro

Häufiger kommen solche Fälle bei den Anwaltsgebühren vor. Solche Fälle können auftreten, wenn sich nur die Hauptforderung – ohne Kosten – erledigt und die Kosten anhängig bleiben. Dann sind die anteiligen Kosten wiederum als Hauptforderung zu berücksichtigten.

* Æ Beispiel: Der Anwalt hatte für den Geschädigten in einer Verkehrsunfallsache 6.000 Euro Schadensersatz nebst Kosten i.H.v. 627,13 Euro geltend gemacht. Zur Berechnung der Kosten s. Beispiel Rn. 5975. Der Versicherer zahlt nach Klagezustellung 4.000 Euro, weigert sich jedoch, auch die Anwaltskosten zu zahlen. Er ist der Auffassung, diese seien nicht notwendig. In Höhe der 4.000 Euro wird die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Über die restlichen 2.000 Euro Schaden sowie die Kosten i.H.v. 627,13 Euro wird verhandelt. Die Gerichtsgebühr bemisst sich nach dem Wert von 6.000 Euro. Die Kosten werden nicht hinzugerechnet (§ 43 Abs. 1 GKG). Die teilweise Erledigung hat für sie keine Bedeutung. Die Verfahrensgebühr der Anwälte (Nr. 3100 VV RVG) bemisst sich ebenfalls nach 6.000 Euro. Die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) entsteht zum einen aus der verbliebenen Hauptforderung von 2.000 Euro. Daneben sind aber jetzt auch die Kosten, soweit sie auf die erledigten 4000 Euro entfallen, zu berücksichtigen, da sie jetzt ohne die Hauptforderung betroffen sind (§ 23 Abs. 1 Satz 1, § 43 Abs. 2 GKG). Dieser Wert beläuft sich auf 461,13 Euro. Zur Berechnung der Kosten s. Rn. 5975. 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 6.000 Euro) 2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,65 aus 6.000 Euro 3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 2.461,13 Euro) 4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

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N. Schneider

439,40 Euro – 219,70 Euro 193,20 Euro 20,00 Euro 432,90 Euro 82,25 Euro 515,15 Euro

Vorkaufsrecht

V. Die Kosten resultieren aus einer anderen Angelegenheit Werden vorgerichtliche Anwaltskosten geltend gemacht, die eine andere Angelegenheit betreffen, sind die Kosten auch hier immer Hauptforderung (s. oben Rn. 5962).

5979

VI. Klage und Widerklage Werden vorgerichtliche Kosten isoliert im Wege der Widerklage geltend gemacht,1 handelt es sich immer um eine Hauptforderung.2 Im Gegensatz zum Zuständigkeitsstreitwert werden hier allerdings die Werte von Klage und Widerklage addiert (§ 45 Abs. 1 GKG). Es liegt keinesfalls derselbe Streitgegenstand zugrunde. Auch wenn sich die Ansprüche ggf. wechselseitig ausschließen, fehlt es jedoch an der wirtschaftlichen Identität.

5980

* Æ Beispiel: Der Anwalt hatte vorgerichtlich versucht, für den Mieter die Kündigung eines Mietverhältnisses (monatliche Kaltmiete 500 Euro) abzuwehren. Der Vermieter erhebt anschließend Klage auf Räumung. Der Anwalt bestellt sich daraufhin für den Mieter und beantragt, Klageabweisung. Gleichzeitig erhebt er Widerklage auf die durch die Abwehr der Kündigung entstandenen Kosten, die er wie folgt berechnet. 1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 8.400 Euro) 2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

673,50 Euro 20,00 Euro 693,50 Euro 31,77 Euro 825,27 Euro

Der Streitwert der Klageforderung beläuft sich auf 6.000 Euro, der Wert der Widerklage auf 825,17 Euro. Die Werte werden nach § 45 Abs. 1 GKG zusammengerechnet.

Vorkaufsrecht Im BGB sind das schuldrechtliche (§§ 504 ff. BGB) und das dingliche (§§ 1094 ff. BGB) Vorkaufsrecht geregelt. Während das schuldrechtliche Vorkaufsrecht für bewegliche und unbewegliche Sachen gilt, kann ein dingliches Vorkaufsrecht nur an Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten begründet werden. Darüber hinaus sind in speziellen Gesetzen gesetzliche Vorkaufsrechte geregelt.

5981

Wird aufgrund des Vorkaufsrechts vom Kläger Verschaffung des Eigentums an dem mit dem Vorkaufsrecht belasteten Gegenstand bzw. Grundstück verlangt, so handelt es sich um eine nach § 6 ZPO zu bewertende Herausgabeklage. Der Streitwert bestimmt sich nach dem Verkehrswert der Sache.3

5982

1 S. hierzu Stöber, AGS 2006, 261 ff. 2 LG Aachen, Beschl. v. 29.12.2006 – 11 O 478/04, AGS 2007, 539. 3 BGH, Rpfleger 1957, 374 = JurBüro 1957, 224; RG, JW 1902, 181; Meyer, Anh. § 48 (§ 3 ZPO) Rn. 30; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 ZPO Rn. 166 unter „Vorkaufsrecht“; Baumbach/Hartmann, § 3 ZPO Rn. 135 Stichwort „Vorkaufsrecht“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Vorkaufsrecht“.

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Vorkaufsrecht 5983

Klagt ein Miterbe in Ausübung seines gesetzlichen Vorkaufsrechts nach § 2034 BGB auf Übertragung, so ist gem. § 6 ZPO der Wert seines Erbanteils maßgebend.1

5984

Ist die Klage demgegenüber auf Einräumung oder Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Vorkaufsrechts gerichtet, bestimmt sich der Streitwert der Klage nach § 3 ZPO. Maßgebend für die Bewertung ist das Interesse des Klägers an der Erlangung bzw. am Bestehen oder Nichtbestehen des Rechts.2 Es entspricht nach richtiger Auffassung nie dem vollen Wert des Gegenstands bzw. Grundstücks, da es lediglich die Möglichkeit gewährt, im Falle einer Veräußerung den Gegenstands bzw. das Grundstück zu dem mit dem Vorkäufer vereinbarten Preis zu übernehmen.3 Insoweit unterscheidet es sich von dem Vorvertrag, der eine Verpflichtung zum Abschluss des Hauptvertrages begründet. Auch dem Preis, der für die Überlassung des Gegenstandes bzw. des Grundstücks zu zahlen ist, kommt bei der Wertbemessung keine Bedeutung zu.4

5985

Geboten ist vielmehr eine Bewertung nach einem Bruchteil des Gegenstandsbzw. Grundstückswerts, über deren Höhe hingegen Uneinigkeit besteht. Vertreten werden nahezu sämtliche Bewertungen: – weniger als 1/2 des Grundstückswerts.5 – mindestens der 1/2 des Grundstückswerts.6 – 1/5 des Grundstückswerts.7 – 1/10 des Grundstückswerts, wenn die Möglichkeit eines Vorkaufsfalles völlig fern liegt.8

5986

Der BGH9 stellt völlig auf den Einzelfall ab und hält es für möglich, dass das Interesse des Klägers auch dem Wert des Grundstücks entsprechen könne.10 Dem ist insoweit zuzustimmen, dass der Maßstab für die Bewertung in jedem Einzelfall die Wahrscheinlichkeit des Verkaufsfalls ist. Dabei sollte jedoch ein Mindestwert von 10 % nicht unterschritten werden.11

5987

Nach § 3 ZPO ist auch die Feststellungsklage zu bewerten, der Beklagte habe sein (unbestrittenes) Vorkaufsrecht nicht oder nicht rechtzeitig ausgeübt.12

1 LG Bayreuth, JurBüro 1980, 1148. 2 BGH, Beschl. v. 4.12.1996 – VIII ZR 87/96, WM 1997, 643; Meyer, Anh. § 48 (§ 3 ZPO) Rn. 30. 3 OLG München, JurBüro 1951, 101. 4 RG, SeuffArchiv Bd. 42, 467; OLG Neustadt, Rpfleger 1957, 239. 5 OLG Schleswig, SchlHA 1953, 299; ebenso Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vorkaufsrecht“ Rn. 3: 1/10 bis 1/2. 6 OLG Nürnberg, JurBüro 1963, 43; AG Lahnstein, JurBüro 1978, 1563 – Einräumung eines Vorkaufsrechtes. 7 OLG München (JurBüro 1951, 1019) hat den Wert des Vorkaufsrechts mit 1/5 des Grundstückswertes bemessen. 8 OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.9.2003 – 4 U 144/03, ZOV 2004, 31 – für Löschung eines Vorkaufsrechts je nach Einzelfall, aber mindestens 10 %; OLG Celle, Beschl. v. 8.3.1967 – 7 W 25/66, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 172 = JurBüro 1967, 598. 9 BGH, Rpfleger 1957, 374 = JurBüro 1957, 224. 10 Ebenso OLG Nürnberg, JurBüro 1963, 43; OLG Celle, JurBüro 1957, 598. 11 OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.9.2003 – 4 U 144/03, ZOV 2004, 31. 12 BGH, Rpfleger 1957, 374 = JurBüro 1957, 224 = WPM 1957, 522 = BB 1957, 351.

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Vorläufige Vollstreckbarkeit Desgleichen ist § 3 ZPO anzuwenden auf die Bewertung des Anspruchs auf Löschung eines eingetragenen Vorkaufsrechts.1 Das OLG Nürnberg2 will die Klage auf Löschung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Eintragung eines Vorkaufsrechts mit mindestens dem halben Grundstückswert ansetzen. Das erscheint als Grundsatz verfehlt und wesentlich übersetzt.

5988

So wird die Löschung eines bereits gegenstandlos gewordenen Vorkaufsrechts mit einem 1/53 bis 1/104 bewertet.

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Eine spezielle Bewertungsvorschrift enthält § 20 Abs. 2 KostO für Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Hier ist die Einräumung eines Vorkaufsrechts „in der Regel“ mit dem halben Wert der Sache zu bewerten. Hiervon ist abzuweichen bei einem erkennbaren Unterschied zum Wert durchschnittlicher Fälle.5 So liegt es etwa, wenn mit einer Verwirklichung des Vorkaufsrecht in ungewöhnlich hohem Maße zu rechnen oder diese außergewöhnlich fern liegend ist.6

5990

Hierbei wird der Wert eines Vorkaufsrechts an einem Erbbaurecht nach dem Wert des Grundstücks und der Bebauung bestimmt. Bedarf die Veräußerung des Vorkaufsrechts dabei noch der Zustimmung des Grundstückseigentümers sollen 15 % des Wertes angemessen sei.7

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Vorläufige Vollstreckbarkeit Durch ein ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbares Urteil oder durch eine der Höhe nach falsch bemessene Sicherheitsleistung können der belasteten Partei Nachteile entstehen. Deshalb sieht § 718 Abs. 1 ZPO vor, dass in der Berufungsinstanz über die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils vorab zu verhandeln und zu entscheiden ist, wenn dies beantragt wird.

5992

Da für das Verfahren nach § 718 Abs. 1 ZPO keine Gerichtsgebühren anfallen, bedarf es insoweit keiner Wertfestsetzung. Gleiches gilt für den Zuständigkeitsstreitwert, da die Zuständigkeit des Berufungsgerichts bereits in § 718 ZPO festgelegt ist.

5993

Hinsichtlich der Anwaltsgebühren gilt Folgendes: Ist der Anwalt bereits in erster Instanz Prozessbevollmächtigter der Partei gewesen, dann gehört das

5994

1 OLG Schleswig, SchlHA 1953, 299; OLG Nürnberg, JurBüro 1963, 43; KG, Rpfleger 1969, 214. 2 OLG Nürnberg, JurBüro 1963, 43. 3 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 13.7.1990 – 30 W 67/90, JurBüro 1991, 395 = Rpfleger 1991, 54. 4 BayObLG, Beschl. v. 10.8.1995 – 32 BR 145/95, JurBüro 1996, 267; OLG Naumburg, Beschl. v. 19.1.1999 – 13 W 12/98, OLGR 1999, 336. 5 BayObLG, Beschl. v. 10.8.1995 – 32 BR 145/95, JurBüro 1996, 267 mit zust. Anm. Mümmler. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.9.1995 – 10 W 60/95, MDR 1996, 318; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 13.7.1990 – 30 W 67/90, JurBüro 1991, 395 = Rpfleger 1991, 54; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Vorkaufsrecht“ Rn. 5. 7 KG, Beschl. v. 1.7.1997 – 19 W 6246/95, JurBüro 1999, 43 – zu § 20 Abs. 2 KostO; a.A. OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.8.1978 – 1 W 46/78, n.v.; LG Osnabrück, Beschl. v. 23.10.1995 – 3 T 65/94, JurBüro 1996, 208 – beide 30 % zu § 20 Abs. 2 KostO.

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Vorläufige Vollstreckbarkeit Verfahren nach § 718 ZPO für ihn gebührenrechtlich noch zum Rechtszug (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 RVG), sodass keine gesonderten Gebühren anfallen. Die Gebühren nach Nr. 3328, 3332 VV RVG erhält der Anwalt allerdings dann gesondert, wenn im Verfahren nach § 718 ZPO eine abgesonderte mündliche Verhandlung stattfindet. 5995

Der Gegenstandswert für diese Gebühren bestimmt sich – da auf § 32 Abs. 1 RVG mangels Gerichtsgebührenwert nicht zurückgegriffen werden kann – gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG nach den Vorschriften des GKG, da es sich beim Verfahren nach § 718 ZPO um ein dem GKG unterfallenes Verfahren handelt, in dem keine Gerichtsgebühren erhoben werden. Der Wert ist daher in entsprechender Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu schätzen. Entscheidend ist das Interesse des Antragstellers an der konkreten Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit.

5996

Das Interesse des Antragstellers im Verfahren nach § 718 ZPO geht dahin, vor einem vorschnellen bzw. nicht ausreichend gesicherten Vollstreckungszugriff bewahrt zu werden. Das ist weniger als die endgültige Abwehr des titulierten Anspruches, z.B. durch Vollstreckungsabwehrklage. Insofern liegt es nahe, den Gegenstandswert für das Verfahren nach § 718 ZPO grundsätzlich nur mit einem Bruchteil der Hauptsache zu bewerten. Dies entspricht der Bewertung von Arresten und einstweiligen Verfügungen, die wegen ihres bloßen Sicherungscharakters auch nicht gleich der Hauptsache bewertet werden.

5997

Ausnahmsweise kann der Gegenstandswert auch mit dem Wert des Hauptsacheverfahrens bzw. der erstrebten Sicherheitsleistung gleichgesetzt werden. So hat das KG1 ein Verfahren, in welchem beantragt wurde, dass das erstinstanzliche Urteil nur gegen Sicherungsleistung vorläufig vollstreckbar sein solle, in Höhe der erstinstanzlichen Urteilssumme bewertet. Der Grund für diese hohe Bewertung lag darin, dass der Antragsteller dargelegt hatte, ohne Sicherheitsleistung befürchten zu müssen, die zu leistende Zahlung wegen Zahlungsunfähigkeit des Gegners unwiderbringlich zu verlieren. Gleiches gilt für den Fall, dass der Antragsteller die Beseitigung der vorläufigen Vollstreckbarkeit erstrebt. Dann entspricht der Streitwert der erstinstanzlichen Urteilssumme.2

5998

Grundsätzlich erscheint es jedoch bedenklich, Interesse des Antragstellers und Höhe der Sicherheit streitwertmäßig gleichzusetzen. Durch eine solche Bewertung wird verkannt, dass die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit keine endgültige Regelung ist, sondern eben nur eine einstweilige, die bis zur Aufhebung oder Rechtskraft gilt.

5999

Dies dürfte auch die Auffassung des BGH3 sein, der entschieden hat, dass der Streitwert eines Rechtsmittels gegen die Vorabentscheidung zur Sicherheitshöhe bei vorläufiger Vollstreckbarkeit nur mit einem Bruchteil der erstrebten Sicherheitsdifferenz festzusetzen ist. Er hat 1/10 angenommen.4 1 KG, Beschl. v. 13.9.1973 – 12 U 766/72, MDR 1974, 323. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.8.1982 – 17 U 148/81, JurBüro 1983, 140. 3 BGH, Beschl. v. 2.10.1985 – VIII ZR 196/85, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 801 mit Anm. Schneider. 4 Ebenso OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.12.1994 – 5 U 200/93, OLGR 1995, 46; vgl. auch die Entscheidungen des OLG Hamm (Beschl. v. 12.1.1993 – 2 UF 427/91, FamRZ 1994, 248) und des OLG Frankfurt (Beschl. v. 8.12.1995 – 5 U 22/95, JurBüro 1996,

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Vorschusszahlungen Zur Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs vgl. auch die Ausführungen beim Stichwort „Schiedsgerichtsverfahren“.

6000

Vormerkung Eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder an einem das Grundstück belastenden Rechts oder auf Änderung des Inhalts oder des Ranges eines solchen Rechts (§ 883 Abs. 1 Satz 1 BGB) gibt es nicht „an sich“, sondern immer nur bezogen auf eine bestimmte Eintragung. Danach richtet sich auch die Streitwertfestsetzung im Einzelfall.

6001

Die Bewertungsmaßstäbe sind deshalb jeweils unter den besonderen Stichwörtern behandelt, beispielsweise bei den Stichwörtern „Auflassungsvormerkung“, „Bauhandwerkersicherungshypothek“ und „Dienstbarkeit“.

6002

Vornahme von Handlungen Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert für Klagen, die auf die Vornahme von Handlungen gerichtet sind, ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen, wobei auf das Interesse des Klägers daran abzustellen ist, dass der Beklagte die geforderte Handlung vornimmt.1

6003

Die für den Beklagten entstehenden Vornahmekosten sind nicht ausschlaggebend, wenngleich sie als Bewertungsanhaltspunkt in Betracht kommen können.

6004

Vorrangseinräumung S. das Stichwort „Rangverbesserung“.

Vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung S. das Stichwort „Feststellungsklage“ bei Rn. 2405.

Vorschusszahlungen Der Streitwert einer Leistungsklage umfasst auch den Betrag bereits erbrachter Vorschusszahlungen der Versicherungsgesellschaft des Schuldners, wenn diese trotz Zahlung die Schadensersatzpflicht bestreitet und ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückerstattung geleistet hat.2 312) zum vergleichbaren Verfahren nach (dem jetzigen) § 537 ZPO, wo ebenfalls der Wert nur mit einem Bruchteil bzw. mit dem Wert der Avalkosten angesetzt wird. 1 Vgl. BGH, Beschl. v. 13.12.1995 – XII ZR 161/95, NJW-RR 1996, 460. 2 OLG Karlsruhe, Justiz 1965, 144.

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6005

Vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlös (§ 805 ZPO) 6006

Werden Vorschusszahlungen im Verlaufe des Verfahrens vorbehaltlos (a conto, als Teilzahlung) erbracht, dann muss die Vorschrift des § 367 BGB beachtet werden. Die Zahlungen sind vorweg auf Zinsen und Kosten zu verrechnen. Das ist deshalb wesentlich, weil sich insoweit der Streitwert nicht ermäßigt (§§ 43 Abs. 1 GKG, 4 Abs. 2 ZPO).1

Vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlös (§ 805 ZPO) 6007

Auf die Klage aus § 805 ZPO ist für den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert § 6 ZPO (i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) sinngemäß anzuwenden. Auszugehen ist bei der Streitwertberechnung von der Höhe der Forderung des klagenden Dritten, jedoch ohne Zinsen und Kosten (§ 43 Abs. 1 GKG, § 4 Abs. 2 ZPO). Deren Betrag ist mit dem Erlös der gepfändeten Sache zu vergleichen. Für den Streitwert maßgebend ist nur der geringere Wert.2

Währungsumrechnung 6008

Bildet den Streitgegenstand eine in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld, dann ist der Umrechnungsbetrag in Euro im Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung (Anhängigkeit) maßgebend, § 4 ZPO, § 40 GKG (§ 15 GKG a.F.). Nachfolgende Kursschwankungen bleiben auf den Streitwert ohne Einfluss. Im Berufungs- und Revisionsverfahren gilt außerdem § 47 GKG (§ 14 GKG a.F.). Zu Einzelheiten s. das Stichwort „Ausländische Währung“.

Wahlschuld 6009

Mehrere Leistungen können in der Weise geschuldet werden, dass nur die eine oder die andere zu bewirken ist (sog. Wahlschuld). Um der Bestimmtheit der Leistung willen muss klargestellt werden, wem das Wahlrecht zusteht. Danach richtet sich auch die Streitwertbemessung. Ist nichts vereinbart, so steht das Wahlrecht, ein Gestaltungsrecht, („im Zweifel“) dem Schuldner zu, § 262 BGB.

6010

Hat der Schuldner sein Wahlrecht ausgeübt, so gilt die gewählte Leistung als die von Anfang an allein geschuldete (§ 263 Abs. 2 BGB); diese ist daher auch wertbestimmend.

6011

Solange er sein Wahlrecht nicht ausgeübt hat, kommen alle Leistungsalternativen in Betracht. Das Interesse des Schuldners wird sich darauf richten, möglichst wenig belastet zu werden. Deshalb ist in diesem Fall der Streitwert der auf eine wahlweise Verurteilung gerichteten Klage nach dem geringwertigsten 1 Ausführlich dazu und auch zum Rechtsmittelwert Schneider, DRiZ 1979, 310. 2 RGZ 4, 365.

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Vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlös (§ 805 ZPO) 6006

Werden Vorschusszahlungen im Verlaufe des Verfahrens vorbehaltlos (a conto, als Teilzahlung) erbracht, dann muss die Vorschrift des § 367 BGB beachtet werden. Die Zahlungen sind vorweg auf Zinsen und Kosten zu verrechnen. Das ist deshalb wesentlich, weil sich insoweit der Streitwert nicht ermäßigt (§§ 43 Abs. 1 GKG, 4 Abs. 2 ZPO).1

Vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlös (§ 805 ZPO) 6007

Auf die Klage aus § 805 ZPO ist für den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert § 6 ZPO (i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) sinngemäß anzuwenden. Auszugehen ist bei der Streitwertberechnung von der Höhe der Forderung des klagenden Dritten, jedoch ohne Zinsen und Kosten (§ 43 Abs. 1 GKG, § 4 Abs. 2 ZPO). Deren Betrag ist mit dem Erlös der gepfändeten Sache zu vergleichen. Für den Streitwert maßgebend ist nur der geringere Wert.2

Währungsumrechnung 6008

Bildet den Streitgegenstand eine in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld, dann ist der Umrechnungsbetrag in Euro im Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung (Anhängigkeit) maßgebend, § 4 ZPO, § 40 GKG (§ 15 GKG a.F.). Nachfolgende Kursschwankungen bleiben auf den Streitwert ohne Einfluss. Im Berufungs- und Revisionsverfahren gilt außerdem § 47 GKG (§ 14 GKG a.F.). Zu Einzelheiten s. das Stichwort „Ausländische Währung“.

Wahlschuld 6009

Mehrere Leistungen können in der Weise geschuldet werden, dass nur die eine oder die andere zu bewirken ist (sog. Wahlschuld). Um der Bestimmtheit der Leistung willen muss klargestellt werden, wem das Wahlrecht zusteht. Danach richtet sich auch die Streitwertbemessung. Ist nichts vereinbart, so steht das Wahlrecht, ein Gestaltungsrecht, („im Zweifel“) dem Schuldner zu, § 262 BGB.

6010

Hat der Schuldner sein Wahlrecht ausgeübt, so gilt die gewählte Leistung als die von Anfang an allein geschuldete (§ 263 Abs. 2 BGB); diese ist daher auch wertbestimmend.

6011

Solange er sein Wahlrecht nicht ausgeübt hat, kommen alle Leistungsalternativen in Betracht. Das Interesse des Schuldners wird sich darauf richten, möglichst wenig belastet zu werden. Deshalb ist in diesem Fall der Streitwert der auf eine wahlweise Verurteilung gerichteten Klage nach dem geringwertigsten 1 Ausführlich dazu und auch zum Rechtsmittelwert Schneider, DRiZ 1979, 310. 2 RGZ 4, 365.

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Wahlschuld Leistungsgegenstand zu bestimmen.1 Dies gilt auch für die wahlweise Verurteilung des Schuldners.2 Für eine Zusammenrechnung der Werte der Leistungsgegenstände ist kein Raum.3 Steht das Wahlrecht dem Gläubiger zu, so liegt es entsprechend. Bei ausgeübter Wahl ist die Schuld konkretisiert; der Streitwert bestimmt sich nach dem Anspruch, den der Gläubiger erfüllt sehen will. Bis zur Ausübung des Wahlrechts geht das Interesse des Gläubigers darauf, den ihm günstigsten, d.h. den höherwertigen Anspruch erfüllt zu sehen. Er ist daher für die Wertbemessung maßgebend.4 Mit Klageerhebung muss der Kläger jedoch eine ihm zustehende Wahlbefugnis ausüben, sodass insoweit eine zulässige alternative Klagehäufung ausscheidet.5

6012

Besteht der Streit nur darüber, ob das Wahlrecht dem Gläubiger oder dem Schuldner zusteht, dann ist es gleichgültig, wer das Recht für sich in Anspruch nimmt. Die Parteirolle kann deshalb nicht ausschlaggebend sein, weil in jedem Fall immer nur der Differenzbetrag wertbestimmend sein darf. Denn da der Gläubiger an der Ausübung des ihm günstigeren, der Schuldner an der Ausübung des minder günstigen Rechts interessiert ist, beide Parteien aber davon ausgehen, dass jedenfalls das minder günstige Recht verwirklicht wird, ist das Interesse eines jeden stets nur auf den ihm günstigen oder ungünstigen Differenzbetrag zwischen den Wahlmöglichkeiten gerichtet.6

6013

Wird der Streit, wem das Wahlrecht zusteht, mit einer Feststellungsklage verfolgt, dann muss der Wert nach § 3 ZPO geschätzt werden; er wird sich am Differenzbetrag orientieren und darf im Einzelfall den höchsten möglichen Anspruch nicht übersteigen.

6014

Stellt der Kläger die Einräumung einer Wahlschuld in Abrede und klagt auf eine bestimmte Leistung, ist diese für den Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert maßgeblich.7 Von der Wahlschuld nach §§ 262 ff. BGB zu unterscheiden ist die Ersetzungsbefugnis (sog. facultas alternativa) des Schuldners. Hier hat die Verpflichtung des Schuldners von Anfang an einen bestimmten Inhalt. Ihm bleibt nur nachgelassen, sich durch eine andere Leistung an Erfüllung statt zu befreien.8 Die Streitwertbemessung beeinflusst dies nicht, weil die Klage auf eine bestimmte Leistung gerichtet ist, die allein die Bewertung bestimmt.9 Die dem Schuldner 1 RGZ 55, 81; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Wahlschuld“; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Wahlschuld“ Rn. 3; Musielak/Heinrich, § 3 ZPO Rn. 38 unter „Wahlschuld“; Stein/Jonas/Roth, § 5 ZPO Rn. 41; a.A. LG Berlin, JW 1931, 2451 u. JVBl. 1933, 229, das addierte, dabei aber verkannt hat, dass nur eine Leistung verlangt und geschuldet wird. 2 RG, JW 1906, 431 Nr. 18; RG, Warneyer 1908 Nr. 153. 3 Musielak/Heinrich, § 3 ZPO Rn. 38 unter „Wahlschuld“. 4 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Wahlschuld“; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Wahlschuld“ Rn. 3; Musielak/Heinrich, § 3 Rn. 38 unter „Wahlschuld“; Stein/Jonas/ Roth, § 5 ZPO Rn. 41. 5 MünchKomm.ZPO/Becker-Eberhard, § 260 ZPO Rn. 22. 6 Baumbach/Hartmann, Anh. § 3 Rn. 137 unter „Wahlschuld“; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Wahlschuld“ Rn. 4. 7 OLG Frankfurt, Urt. v. 15.4.2008 – 8 U 238/06, OLGR 2009, 585. 8 Palandt/Heinrichs, § 262 BGB Rn. 8. 9 RG, Warneyer 1940 Nr. 174; OLG Breslau, OLGR 6, 372.

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Wahlweise Verurteilung zustehende Möglichkeit einer anderen Leistung ist nicht Gegenstand der Verurteilung, auch hat der Gläubiger keinen Anspruch darauf.

Wahlweise Verurteilung 6016

Bei alternativer Verurteilung, die dem Beklagten die Wahl lässt, sich durch Zahlung einer Geldsumme von der Urteilsverbindlichkeit zu befreien, ist für den Streitwert die geringerwertige Leistung maßgebend.1

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Mit diesem Sachverhalt darf nicht die Wahlschuld nach §§ 262 ff. BGB verwechselt werden.

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Diese sog. facultas alternativa ist bei der Streitwertbemessung unberücksichtigt zu lassen, weil die Klage auf eine bestimmte Leistung gerichtet ist, die allein die Bewertung bestimmt. Der Beklagte darf nur durch Erbringen einer anderen Leistung den eingeklagten Anspruch erfüllen. Dabei handelt es sich aber nur um eine rechtliche Möglichkeit auf Seiten des Beklagten, die die Klage nicht beeinflusst.2

Wandelung 1. Einleitung 6019

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 1.1.2002 ist das Rechtsinstitut der Wandelung im Kaufvertragsrecht (§ 465 BGB a.F.) abgeschafft worden. Dem Käufer steht bei mangelhafter Sache nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen ein Rücktrittsrecht zu (§ 437 Nr. 2 BGB). Insofern werden unter diesem Stichwort nur kurz die Bewertungsgrundsätze für die Wandelung dargestellt, da sie lediglich noch für Altfälle von Bedeutung sind. Im Übrigen kann auf das Stichwort „Rücktritt“ verwiesen werden.

6020

Bei Klagen in Zusammenhang mit der Wandelung nach altem Recht ist danach zu differenzieren, ob der Käufer auf Einverständnis zur Wandelung oder ob er nach Wandelungserklärung unmittelbar auf Leistung klagt. 2. Klage auf Einverständnis

6021

Wird nur auf Einverständnis des Verkäufers geklagt, um die Wandelung gem. § 465 BGB a.F. zu vollziehen,3 dann geht es noch nicht um die Rückgewährpflicht, sondern um die Auflösung des Vertrages. Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert einer solchen Klage ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.4 1 2 3 4

RG, JW 1906, 431 Nr. 18; RG Warneyer, 1908 Nr. 153. RG, Warneyer 1940 Nr. 174; OLG Breslau, OLG 6, 372. Vgl. Staudinger/Honsell, § 465 BGB a.F. Rn. 15. BGH, Beschl. v. 21.2.2002 – II ZR 91/00, NJW-RR 2002, 823; OLG Hamm, Beschl. v. 10.6.1999 – 22 W 13/99, NJW-RR 2000, 587; RGZ 52, 428; OLG Dresden, OLGE 2, 432, OLG Braunschweig, OLGE 11, 166; 17, 75; OLG Darmstadt, OLGE 19, 48; OLG München, OLGE 29, 222; OLG Braunschweig, JurBüro 1983, 434; OLG Düsseldorf,

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Wandelung Bei der Schätzung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG sind folgende Gesichtspunkte zu beachten: Die Klage auf Zustimmung zur Wandelung kann nicht zu einem Titel führen, aus dem die Rückgewährpflicht vollstreckt werden kann. Maßgebend ist vielmehr das Klageziel, keine Leistung gegen Empfang der Gegenleistung erbringen zu müssen, weil dieser Leistungsaustausch zu einer Vermögensbeeinträchtigung des Klägers führen würde.1

6022

Abzustellen ist also auf das Interesse des Klägers, die Rechtmäßigkeit und Rechtswirksamkeit der Wandelung klarzustellen. Dabei kommt es in erster Linie darauf an, zu ermitteln, welche Nachteile der Kläger von sich abwenden will,2 wobei es in der Regel um die Wiederherstellung des Vermögensstandes vor Abschluss des zu wandelnden Vertrages geht.3 Es kommt also weder auf die Leistung als solche noch auf die Gegenleistung an.4 In Ermangelung näherer Angaben setzt das OLG Hamm5 als Streitwert 25 % des vereinbarten Kaufpreises an.

6023

3. Klage auf Leistung Wird nach Wandelungserklärung gem. § 467 BGB a.F. sofort auf Leistung geklagt, dann gelten die allgemeinen Bewertungsvorschriften.

6024

Verlangt der Kläger sein Geld zurück, so ist der Forderungsbetrag wertbestimmend (§ 6 Satz 1 ZPO).6 Auf den Wert der Gegenleistung kommt es nicht an. Verlangt er seine Sache zurück, ist deren Wert maßgebend (§ 6 Satz 1 ZPO), bei Grundstücken also der Verkehrswert.7 Die Vorschrift des § 6 Satz 2 ZPO ist in diesem Fall nicht – auch nicht analog – anwendbar, denn die Kaufpreisforderung steht zu der Kaufsache nicht im Verhältnis einer pfandrechtsartigen Sicherung.

6025

Da die Wandelung die Wiederherstellung des Vermögensstandes vor Vertragsabschluss erstrebt,8 ist im wirtschaftlichen Ergebnis die Wandlungsklage so zu bewerten wie Klagen auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages.9 Abzuwägen sind folglich die Vorteile und Nachteile des Klägers.10 Dabei geht es beim Wandelungskläger um den Vermögensnachteil, den er mit der Wandelung abwenden will, beispielsweise die Wertminderung einer mangelhaften Sache11 oder die negative Differenz zwischen dem Selbstkostenpreis der Herstellung und der Vergütung.12

6026

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Beschl. v. 7.6.1985 – 9 W 42/85, JurBüro 1986, 433; AG Hamburg, Urt. v. 12.2.1991 – 4 C 913/90, JurBüro 1992, 560. OLG Braunschweig, OLGE 17, 75. OLG Braunschweig, OLGE 11, 167. OLG Darmstadt, OLGE 19, 48. OLG Düsseldorf, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 807 mit Anm. Schneider = JurBüro 1986, 433. OLG Hamm, Beschl. v. 10.6.1999 – 22 W 13/99, NJW-RR 2000, 587. BGH, Urt. v. 17.6.2004 – IX ZR 56/03, RVG-Berater 2004, 103. LG Frankfurt, AnwBl. 1977, 252. OLG München, OLGE 29, 222. OLG Braunschweig, OLGE 35, 163; vgl. dazu näher das Stichwort „Nichtigkeit eines Vertrages“. OLG Dresden, OLGE 2, 432. RGZ 52, 427, 429. RGZ 40, 407.

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Wegnahme eingebauter Sachen 6027

Dem wird oft entgegengehalten, bei dieser Betrachtungsweise könne der Streitwert auf Null sinken, wenn nämlich die Leistung und Gegenleistung gleichwertig seien. Indessen ist weder auf die realen Verkehrswerte abzustellen, die das Gericht ohnehin zuverlässig nur durch Begutachtung ermitteln könnte, noch auf die Bewertung im Vertrag,1 sondern darauf, welche Einbußen sich für den Kläger aus dessen Klagevorbringen ergeben. Das lässt sich immer nur im Einzelfall ermitteln. Indiz für das Differenzinteresse kann beispielsweise ein Angebot des Klägers sein, den Vertrag mit einer geringerwertigen Gegenleistung aufrechtzuerhalten.2

Wechselnde Klageanträge S. hierzu die Ausführungen zu dem Stichwort „Klageänderung“.

Wechselprozess S. das Stichwort „Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess“.

Wechselseitige Rechtsmittel S. das Stichwort „Rechtsmittel“.

Wegnahme eingebauter Sachen 6028

Klagt der Mieter auf Duldung der Wegnahme eingebauter Sachen, so bestimmt sich der Streitwert gem. § 6 ZPO nach dem in der Regel verminderten Wert dieser Sachen, den sie nach der Trennung von den Mieträumen haben werden. Die Kosten des Wegnahmeberechtigten für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes bleiben unberücksichtigt.3 § 6 ZPO gelangt zur Anwendung, weil das Klagebegehren auf Erlangung des Besitzes an den Sachen gerichtet ist. Die Wegnahme, deren Duldung begehrt wird, ist gegenüber der Herausgabe nur ein anderes Mittel der Besitzverschaffung. Dieser Unterschied ist für die Anwendung des § 6 ZPO bedeutungslos.

6029

Anders liegt es jedoch, wenn mit der Duldung der Wegnahme eine über den Besitzverlust hinausgehende Beeinträchtigung angestrebt wird, beispielsweise 1 Verkannt vom OLG Bremen, JurBüro 1979, 1706. 2 OLG Darmstadt, OLGE 19, 48. 3 BGH, Beschl. v. 12.6.1991 – XII ZR 30/91, ZMR 1991, 426 = WuM 1991, 562 – Beschwer; KG, Rpfleger 1971, 227 = JurBüro 1971, 460 = WuM 1972, 112 = ZMR 1972, 80; Bub/Treier/Fischer, Geschäfts- und Wohnraummiete, VIII Rn. 241; Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts, S. 171; Köhler/Kossmann, Handbuch der Wohnraummiete, § 204 Rn. 15; Zöller/Herget, § 6 ZPO Rn. 5.

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Kurpat

Werbung, unverlangte die Wegnahme einer Messvorrichtung, die der Einstellung der Energieversorgung dient. Hier bestimmt sich der Streitwert gem. § 3 ZPO nach dem klägerischen Interesse an der Versorgungseinstellung und nicht gem. § 6 ZPO nach dem Wert der Messeinrichtung (s. ausführlich unter dem Stichwort „Mietstreitigkeiten“ Rn. 3901). Erhebt der Mieter gegenüber einer Räumungsklage für den Fall der Verurteilung zur Räumung hilfsweise Widerklage auf Ersatz von Verwendungen und Duldung der Wegnahme von Einrichtungen, so ist der Streitwert der Hilfsanträge dem Wert des Räumungsbegehrens hinzuzurechnen, wenn darüber entschieden wird, §§ 3, 6 ZPO, § 45 Abs. 1 GKG (§ 19 Abs. 1 GKG a.F.).1

6030

Werbung, unverlangte Literatur: Steckler, GRUR 1993, 865; Vogt, NJW 1993, 2845; Schmittmann, JurBüro 1999, 572 und JurBüro 2003, 398; Richter, MMR-Aktuell 2010, 305649.

A. Allgemeines Unverlangte Werbung wird Verbrauchern und Geschäftsleuten heutzutage auf verschiedensten Wegen übersandt. Aufgrund des Zeitvorteils wird die früher weit verbreitete Brief- oder Postwurfsendung in immer stärkerem Maße durch Telefax, E-Mail und SMS ersetzt. Diese Werbung ist ohne das (zumindest konkludente) Einverständnis des Empfängers nicht nur wettbewerbswidrig im Sinne des §§ 3, 7 UWG,2 sondern begründet auch einen Unterlassungsanspruch nach §§ 823, 1004 BGB.3 Das am 3.8.2009 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen vom 29.7.20094 untersagt die Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen „vorherige ausdrückliche“ Einwilligung. Danach sind Werbeanrufe nicht mehr zulässig, wenn sich eine Einwilligung nur schlüssig aus dem Verhalten des Verbrauchers ergibt.

6031

Der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert entsprechender Unterlassungsklagen gegen den Absender/Anrufer ist nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen. Man kann bei der Streitwertbestimmung nach dem Adressaten unterscheiden (Verbraucher oder Wettbewerber/Geschäftsmann) oder auch nach der Art der Kontaktaufnahme (Telefonanruf, SMS, Fax, E-Mail, Brief/

6032

1 OLG Frankfurt, ZMR 1956, 35. 2 LG Traunstein, Beschl. v. 18.12.1997 – 2 HKO 3755/97, NJW 1998, 1648. 3 LG Berlin, Beschl. v. 18.9.2002 – 16 O 515/02, MMR 2003, 202; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 14.6.1994 – 13 S 10228/93, AfP 2000, 395; LG Berlin, Beschl. v. 14.5.1998 – 16 O 301/98, NJW 1998, 3208; OLG Hamm, Beschl. v. 23.4.1991 – 4 U 261/90 (juris); a.A. AG Kiel, Urt. v. 30.9.1999 – 110 C 243/99, MMR 2000, 51; zutreffend differenzierend: LG Augsburg, Urt. v. 4.5.1999 – 2 O 4416/98, NJW 2000, 593 – Antragsteller hatte sich zuvor in die Datenbank des Absenders aufnehmen lassen – sowie LG Kiel, Urt. v. 20.6.2000 – 8 S 263/99, MDR 2000, 1331 – keine unzulässige E-Mail, wenn sie ein bindendes Vertragsangebot enthält. 4 BGBl. I 2009, 2413.

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Werbung, unverlangte Postwurfsendung). Da es sich um Werbung handelt, ist der Inhalt der Mitteilung aber in jedem Fall geschäftlich, d.h. in irgendeiner Form von dem Willen geprägt, dem Adressaten etwas zu „verkaufen“. Soweit der Inhalt der Mitteilung privater oder persönlicher Natur ist, werden entsprechende Unterlassungsansprüche unter dem Stichwort „Belästigung“ behandelt.

B. Bemessungsgrundsätze 6033

Maßgeblich für die Wertbestimmung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO ist das Interesse des Klägers an der begehrten Unterlassung1 und der Umfang der erlittenen Beeinträchtigung. Ob und welche Aufwendungen der Beklagte machen muss, um die künftigen Störungen zu unterlassen, ist unerheblich.2 Bei der Bestimmung dieses klägerischen Interesses kann nach dem Adressaten der Werbung differenziert werden.

I. Werbung gegenüber Verbrauchern 1. Allgemeines 6034

Das Interesse eines Verbrauchers, der den Werbenden nach §§ 823, 1004 BGB auf Unterlassung in Anspruch nimmt, bemisst sich zunächst nach den finanziellen Folgen, die für den Kläger mit dem Empfang der Werbung verbunden sind. Bei der Übersendung eines Telefax wird man die Kosten für Papier, Tinte, Wartung und Unterhaltung des Gerätes ansetzen können. Bei der Übersendung von E-Mail oder SMS wird in dieser Hinsicht nur der Zeitverlust für Abrufen, Lesen und Löschen der unerwünschten Nachricht berücksichtigungsfähig sein. Bei Postwurfsendungen besteht die Beeinträchtigung ebenfalls nur in dem Aussortieren der Werbung, die sodann zu entsorgen ist. Bei unerwünschten Werbeanrufen per Telefon dürfte ein finanzieller Nachteil bei Privatpersonen, die zuhause angerufen werden, nur schwer auszumachen sein.

6035

Neben diesen rein finanziellen Nachteilen ist aber weiter zu berücksichtigen, dass von der Übersendung unerwünschter Werbung eine nicht unerhebliche Belästigung ausgeht – man denke hier nur an das blockierte Faxgerät oder das an seine Kapazitätsgrenzen stoßende E-Mail-Postfach. Besonders deutlich wird die Belästigung bei der Werbung per SMS, die im Regelfall unmittelbar auf dem Handy angezeigt wird, ohne dass die Möglichkeit des Sammelns oder Umleitens besteht. Gleiches gilt für die heutezutage weit verbreitete unmittelbare Weiterleitung von E-Mails auf das Handy.

6036

Den höchsten Belästigungsfaktor dürfte in diesem Zusammenhang die unzulässige Telefonwerbung aufweisen. Er ist deutlich höher einzustufen als bei der Werbung durch SMS oder E-Mail, da der Empfänger eines Telefonanrufs in der Regel nicht erkennen kann, von wem der Anruf stammt und ob er für ihn 1 BGH, GRUR 1990, 1052; KG, Beschl. v. 23.9.2002 – 5 W 106/02, JurBüro 2003, 142; OLG Köln, JurBüro 1990, 246. 2 Anders verhält es sich bei der Bestimmung der Beschwer des zur Unterlassung verurteilten Beklagten – insofern zutreffend die verhältnismäßig niedrige Wertfestsetzung des LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 14.6.1994 – 13 S 10228/93, AfP 2000, 395, auf 1.000 DM bei unzulässiger Telefaxwerbung.

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Werbung, unverlangte von Bedeutung ist. Um dies herauszufinden, ist er gezwungen, den Anruf anzunehmen und sich persönlich mit dem Anrufer auseinander zu setzen. Eine E-Mail oder SMS kann er hingegen ohne ein solches persönliches Gespräch löschen. Besonders belästigend sind Telefonanrufe, die zu ungewöhnlichen Tageszeiten bzw. auf dem Privatanschluss des Betroffenen erfolgen.1 Darüber hinaus kann – auch wenn sich der Streitwert nach den Interessen des Klägers richtet – auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass den Unterlassungsklagen auch ein gewisser Abschreckungseffekt zukommen soll. Es sind auch die Breitenwirkung und das häufige Erscheinen solcher Zusendungen, die in ihrer Gesamtheit das Ausmaß der Belästigung erst bestimmen, zu berücksichtigen.2 Dem Beklagten ist auch bewusst, dass er sich – gerade beim Versand von E-Mails und SMS – einer massenhaft auftretenden, von den Betroffenen mindestens als belästigend empfundenen Vorgehensweise bedient. Er kann über die modernen Medien sehr schnell und effektiv eine große Menge an Werbung verteilen.3 Dies darf ihm über niedrige Streitwerte in Unterlassungsverfahren nicht auch noch finanziell vereinfacht werden. Die Nachahmungsgefahr ist bei einer derartigen, für den Absender einfachen und kostengünstigen Werbemöglichkeit groß, sodass nicht nur die Unterlassung im Einzelfall das Ziel der begehrten Unterlassung, sondern auch ein Abschreckungseffekt für die Zukunft beabsichtigt ist.

6037

Das KG4 hat im Hinblick auf die einmalige Übersendung einer Werbemail einen Wert von 350 Euro für ein einstweiliges Verfügungsverfahren für ausreichend erachtet und dies damit begründet, dass im konkreten Fall keine Beeinträchtigungen ersichtlich gewesen seien, die über einen einfachen Löschvorgang hinausgegangen wären. Diese Entscheidung ist abzulehnen. Es kommt für die Wertsetzung nicht allein darauf an, welche Beeinträchtigungen der Kläger durch die bereits übersandte Werbung erlitten hat, sondern auch darauf, welche Belästigungen er für die Zukunft fürchtet und deshalb auf Unterlassung klagt.

6038

Das OLG Karlsruhe hat den Wert einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung von E-Mail-Werbung auf 500 Euro festgesetzt und darauf hingewiesen, dass es für solche Verfahren keinen Regelstreitwert gebe.5

6039

Bei aller Kritik, die Regelstreitwerten im Hinblick auf ihre Vereinheitlichungswirkung entgegengebracht wird, allerdings ist zu bedenken, dass eine Einzelfallschätzung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO auch nicht immer zu zwingenden Beträgen kommen wird. Insofern erscheint es gerade für die Handhabung der Praxis empfehlenswert, jedenfalls den Ausgangspunkt einer Bewertung an einem Regelwert auszurichten. Dieser dürfte für unverlangte Werbung im privaten Bereich bei 2.000 Euro liegen und kann – je nach den Umständen des Einzelfalls – auch durchaus die Größenordnung von 10.000 Euro erreichen.

6040

1 LG Heidelberg, Beschl. v. 4.4.2007 – 5 T 12/07, MMR 2007, 805. 2 OLG Schleswig, Beschl. v. 5.1.2009 – 1 W 57/08, JurBüro 2009, 256. 3 So zutreffend: KG, Beschl. v. 23.9.2002 – 5 W 106/02, JurBüro 2003, 142. Nach Heidrich (MMR 2004, 324, 325) lag der Anteil von Werbe-E-Mails schon im Jahr 2004 bei 62 % des weltweiten E-Mail-Verkehrs. 4 KG, Beschl. v. 5.4.2002 – 14 W 40/02, JurBüro 2002, 371. 5 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.1.2008 – 6 W 121/07, GRUR-RR 2008, 262.

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Werbung, unverlangte

II. Werbung im beruflichen/gewerblichen Bereich 6041

Wird der Unterlassungsanspruch durch einen Wettbewerber des Absenders geltend gemacht, bzw. ist die Kommunikation durch E-Mail, Fax, Telefon oder SMS für den Empfänger erkennbar von geschäftlicher oder beruflicher Bedeutung, so ist zusätzlich zu den oben genannten Kriterien die durch den Wettbewerbsverstoß zu befürchtende Umsatzeinbuße zu berücksichtigen1 bzw. der Streitwert im Hinblick auf den gesteigerten Lästigkeitsfaktor zu erhöhen. Denn es ist durchaus ein qualitativer Unterschied, ob beispielsweise der private E-Mail-Account oder der Account im Büro mit unerwünschter Werbung überhäuft wird bzw. ob sich ein Verbraucher im Urlaub oder ein Geschäftsmann während seiner Arbeitszeit mit SMS-Eingängen beschäftigen muss.

6042

Ähnlich wie auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes ist die Rechtsprechung aufgrund der Vielfalt der zu beurteilenden Sachverhalte sehr uneinheitlich. Die nachfolgende Sammlung von Entscheidungen soll einen Überblick über die jeweiligen Fallgestaltungen und Erwägungen der Gerichte bei der Wertfestsetzung geben.2

6043

1.000 Euro – Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Unterlassung von E-Mail-Werbung, wobei der Senat allerdings auch ausführt, dass das Interesse höher geschätzt werden könne, wenn dem Betroffenen – was er darzulegen habe – ein größerer Schaden durch den Eingriff in seinen Betrieb entstanden sei.3

6044

1.500 Euro – Wert einer Unterlassungsklage wegen unzulässiger Telefax-Werbung. Der Senat hat darauf abgestellt, dass der dem Kläger entstandene Schaden zwar denkbar gering gewesen sei. Daneben dürfe jedoch die Belästigung durch das blockierte Faxgerät und das Verhalten des Beklagten nicht unberücksichtigt bleiben, der trotz Widerspruch des Klägers vorprozessual die Auffassung vertreten hatte, ihm Werbefaxe schicken zu dürfen.4

6045

2.000 Euro – Wert einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung von SMS-Werbung auf ein Handy. Im Vergleich zur Werbe-E-Mail hat diese Werbung einen höheren Belästigungsgrad. E-Mails können gesammelt und dann zu beliebiger Zeit gelesen werden, während SMS den Empfänger sofort und in jeglicher Situation erreichen. Der Gesichtspunkt der Marktbedeutung stellt dagegen keinen werterhöhenden Faktor dar.5 – Wert einer Unterlassungsklage gegen Telefonwerbung. Der Beklagte hatte einem Dienstleistungsunternehmen der EDV-Branche Binde- und Laminiergeräte angeboten. Das KG hat hervorgehoben, dass allein das Interesse des

1 BGH, WM 1990, 2058. 2 Vgl. auch die umfangreiche Zusammenstellung von Einzelfallentscheidungen bei Richter, MMR-Aktuell 2010, 305649. 3 OLG Celle, Beschl. v. 27.12.2001 – 13 W 112/01, OLGR 2002, 48. 4 OLG Stuttgart, Beschl. v. 1.10.1999 – 10 W 37/99, OLGR 2000, 280 = CR 2000, 107. 5 KG, Beschl. v. 27.7.2006 – 9 W 50/06, AGS 2006, 611 = JurBüro 2006, 645.

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Werbung, unverlangte Gestörten beachtlich sei und die Streitwertfestsetzung keinen Disziplinierungsfaktor im Hinblick auf Nachahmer beinhalte.1 2.500 Euro – Wert einer Unterlassungsklage eines Freiberuflers gegen die unerwünschte Telefax-Werbung eines Seminarveranstalters.2 – Wert einer Unterlassungsklage eines Journalisten gegen das per E-Mail übermittelte Angebot, einen Newsletter zu beziehen.3

6046

3.000 Euro – Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 30.11.20044 im Rahmen einer Streitwertüberprüfung einen Wert von 3.000 Euro bei einer „verhältnismäßig geringfügigen Belästigung“ nicht beanstandet. Daraus kann jedoch kein Ausgangswert für sonstige Fälle abgeleitet werden, weil der Senat erkennbar die Einzelfallabwägung des Berufungsgerichts unterstellt hat. – Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens bezüglich eines Telefonanrufs, der spätabends auf dem Privatanschluss der Antragstellerin erfolgte.5 Für das Hauptsacheverfahren hätte die Kammer 6.000 Euro angesetzt. – Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Unterlassung des Einwurfs von Werbematerial in den Hausbriefkasten.6 Nach Ansicht des Gerichts lag nur eine sehr geringfügige Beeinträchtigung vor, da sich die Störung durch einfaches Herausnehmen der Werbung aus dem Briefkasten und Entsorgung im Altpapier beseitigen ließ. Hierdurch entstünden keine Mühen oder Kosten.

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4.000 Euro – Wert einer Unterlassungsklage eines Rechtsanwalts gegen unaufgeforderte Zusendung von Telefaxwerbung an seine Kanzlei.7

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4.500 Euro – Wert einer Unterlassungsklage gegen das einmalige Zusenden einer E-Mail und die dadurch ausgelöste SMS-Nachricht; 3.000 Euro für das entsprechende einstweilige Verfügungsverfahren.8

6049

6.000 Euro – Beschwer bei einmaliger Zusendung einer E-Mail (Newsletter mit Informationen für Kapitalanleger) an Anwaltskanzlei9 – Vertretbare Wertfestsetzung für ein einstweiliges Verfügungsverfahren bzgl. einer E-Mail an den Wettbewerber (Versicherungsdienstleistungen), womit der Unterlassungsanspruch außer auf §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB auch auf § 8 UWG gestützt werden konnte.10

6050

1 KG, Beschl. v. 12.9.2006 – 9 U 167/06, KGR 2007, 206 – der Senat hat aus diesen Gründen die landgerichtliche Wertfestsetzung (7.500 Euro) deutlich nach unten korrigiert. 2 AG Essen, Urt. v. 2.6.1999 – 8 C 126/99, juris. 3 LG Berlin, Beschl. v. 19.9.2002 – 16 O 515/02, JurBüro 2003, 143. 4 BGH, Beschl. v. 30.11.2004 – VI ZR 65/04, RVGreport 2005, 80. 5 LG Heidelberg, Beschl. v. 4.4.2007 – 5 T 12/07, MMR 2007, 805. 6 AG Rostock, Beschl. v. 17.12.2008 – 47 C 487/08, juris. 7 AG Siegburg, Urt. v. 11.4.2002 – 10 C 190/02, MDR 2002, 849 = JurBüro 2002, 422. 8 OLG Schleswig, Beschl. v. 5.1.2009 – 1 W 57/08, JurBüro 2009, 256. 9 BGH, Beschl. v. 20.5.2009 – I ZR 218/07, MDR 2009, 1234 = NJW 2009, 2958. 10 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 20.9.2005 – 4 W 52/05, JurBüro 2006, 81.

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Werbung, unverlangte 6051

7.500 Euro – Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens wegen unerwünschter E-Mail-Werbung. Dabei hat der Senat insbesondere berücksichtigt, dass zwar durch das Herunterladen der E-Mail nur ein geringer finanzieller Schaden bzw. zeitlicher Aufwand verursacht werde. Da die Versendung von E-Mails aber sehr kostengünstig sei, müsse von einem besonders großen Nachahmungseffekt ausgegangen werden. Zudem sei der Werbewert einer E-Mail auch deshalb relativ hoch, weil sich der Empfänger vor dem Löschen mit ihrem Inhalt befassen müsse.1 – Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, wenn die Kommunikation mittels E-Mail für den Antragsteller erkennbar von besonderer geschäftlicher oder beruflicher Bedeutung ist (hier: Steuerberater).2 – Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Unterlassung unerwünschter Werbung durch Postwurfsendung in Klarsichtfolie („Einkauf Aktuell“).3

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10.000 Euro – Wert der Unterlassungsklage einer Künstleragentur gegen einen Künstler, der sich bei ihr ohne Einverständnis per Telefax beworben hatte.4 – Wert einer Einstweiligen Verfügung, mit der einem Finanzmakler die weitere Versendung von Werbe-E-Mails an eine Anwaltskanzlei untersagt wird.5

6053

30.000 Euro – Wert der Unterlassungsklage eines Verbraucherverbandes (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG) gegen einen Weinhändler wegen unerbetener Telefonwerbung. Der Senat hat darauf abgestellt, dass das satzungsgemäß wahrgenommene Verbraucherinteresse zu bewerten sei.6

6054

Im Hinblick auf die allgemeine Preisentwicklung und die zunehmende Bedeutung von Werbung per E-Mail, Fax oder SMS im gewerblichen Bereich erscheinen Regelstreitwerte von 5.000 Euro für das einstweilige Verfügungsverfahren und 7.500 Euro für das Hauptsachverfahren nicht überhöht.

Werbung per SMS, unverlangte S. das Stichwort „SMS, unerwünschte“.

1 2 3 4 5 6

KG, Beschl. v. 23.9.2002 – 5 W 106/02, JurBüro 2003, 142. KG, Beschl. v. 26.2.2007 – 12 W 16/07, MDR 2007, 923. LG Bonn, Urt. v. 15.6.2004 – 10 O 181/04, juris. OLG Hamm, Beschl. v. 23.4.1991 – 4 U 261/90, juris. OLG Koblenz, Beschl. v. 29.9.2006 – 14 W 590/06, MDR 2007, 356 = AGS 2006, 561. KG, Beschl. v. 9.4.2010 – 5 W 3/10, MDR 2010, 839.

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Werkvertrag

Werkvertrag A. Einleitung Die Bewertung von Streitigkeiten im Werkvertragsrecht folgen keiner einheitlichen Regelung. Vielmehr ist jeweils darauf abzustellen, welche Ansprüche bzw. Rechte der Kläger geltend macht. Danach sind die einschlägigen Bewertungsregelungen zu bestimmen.

6055

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Bei Klage des Bestellers auf Herstellung des Werkes und dessen Übergabe richtet sich der Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG. Maßgeblich ist der wirtschaftliche Wert der Herstellung. Dieser wird im Regelfall mit dem vereinbarten Werklohn angesetzt werden können. Denn die Preisabrede macht deutlich, was dem Besteller dieses konkrete Werk wert ist. Sein Interesse ist wertbestimmend.

6056

Bei Klage des Unternehmers auf Zahlung des Werklohnes ist der Forderungsbetrag maßgebend (§ 6 Satz 1 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG). Mängelrechte und Minderungsansprüche des Bestellers vermindern den Streitwert nicht, sondern bleiben unberücksichtigt.

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Der Wert einer Klage des Bestellers auf Beseitigung eines Werkmangels ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Wertbestimmend ist das Interesse des Bestellers (Klägers) an der Mängelbeseitigung. Es ist gleichbedeutend mit dem Betrag der Kosten, der für die Beseitigung aufzuwenden wäre, wenn der Besteller sich eines Dritten bedienen müsste.

6058

Die Klage des Unternehmers auf Abnahme eines hergestellten Werkes (§ 640 Abs. 1 BGB) ist ebenfalls nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bewerten. Ausgangspunkt der Schätzung ist die Höhe der Werklohnforderung. Denn durch die Abnahme kann der Unternehmer die Fälligkeit seines Vergütungsanspruches erzwingen (§ 641 BGB). Allerdings ist mit der Verurteilung zur Abnahme des Werkes die Berechtigung des Vergütungsanspruches selbst noch nicht geklärt. Der Streitwert muss sich deshalb unterhalb des verlangten Werklohnes bewegen, da er allein das Fälligwerden zum Bewertungsgegenstand hat.

6059

Man wird den Wert regelmäßig etwa mit einem Bruchteil von 1/4 der geforderten Vergütung ansetzen können. Das OLG Frankfurt1 hat das Interesse des Unternehmers sogar mit 50 % der Vergütung für die streitigen Bauteile angesetzt, wenn im selbständigen Beweisverfahren deren Abnahmereife festgestellt werden soll.

6060

Steht einer Klage des Bestellers auf Gewährleistung eine Widerklage auf Herausgabe der zur Sicherung dieser Ansprüche übergebenen Bürgschaftsurkunde gegenüber, dann liegt im Rahmen der Bestimmung des Gebührenstreitwerts derselbe Streitgegenstand i.S. des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG vor.2 Gleiches

6061

1 OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.6.1995 – 19 W 18/95, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1213 mit Anm. Herget. 2 OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.6.1998 – 12 W 36/98, OLGR 1998, 427.

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Wertbegrenzungen gilt wegen wirtschaftlicher Identität für den Zuständigkeitsstreitwert (§ 5 ZPO). Nur soweit die Bürgschaftsurkunde über einen höheren Betrag als die Klageforderung lautet, ist wegen des Mehrbetrages ein zusätzliches Herausgabeinteresse des Beklagten anzusetzen.1 6062

Erhebt der Unternehmer gegenüber der Klage auf Ersatz von Nachbesserungskosten Widerklage auf Zahlung des restlichen Werklohns, dann sind die Streitwerte von Klage und Widerklage zu addieren, wenn der Streit nach dem Vorbringen der Parteien über die Summe beider Anträge geht.2 Ebenso ist zu bewerten, wenn gegenüber der Werklohnklage mit der Widerklage Gewährleistungsansprüche3 oder ein Vorschussanspruch4 geltend gemacht werden.

6063

Zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzansprüche, die in der Praxis nicht selten wegen verspäteter Fertigstellung eines Bauvorhabens, erhöhter Finanzierungskosten und dergleichen geltend gemacht werden, erhöhen unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 GKG den Streitwert, soweit es sich um echte Ersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung handelt.5 Die bloße Rechtsverteidigung mit Gewährleistungsansprüchen führt dagegen lediglich zu einer anderen Entstehungsberechnung des Vergütungsanspruchs und stellt keine – unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 GKG streitwerterhöhende – Aufrechnung dar.6 Näheres hierzu unter dem Stichwort „Aufrechnung“.

Wertbegrenzungen A. Überblick 6064

Die Kostengesetze sehen in einigen Fällen Wertbegrenzungen vor. Damit sind nicht die Fälle der privilegierten Streitwerte gemeint (z.B. in § 41 Abs. 1, 2 und 5 GKG für Mietsachen, in § 42 Abs. 1 GKG für Schadensersatzrenten oder in § 42 Abs. 3 GKG für arbeitsrechtliche Bestandsstreitigkeiten), sondern die Fälle, in denen fest bezifferte Höchstbeträge vorgesehen sind.

6065

Diese Begrenzungen gelten nur für den Gebührenstreitwert. Auf den Zuständigkeits- oder Rechtsmittelstreitwert haben sie keinen Einfluss, da sich dieser ausschließlich nach der ZPO bestimmt.

1 OLG Stuttgart, Urt. v. 12.3.1980 – 13 W 7/80, MDR 1980, 678; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.6.1998 – 12 W 36/98, OLGR 1998, 427 – der Senat setzt eine Quote von 30 % des überschießenden Betrags an. 2 OLG Bamberg, Beschl. v. 25.4.1985 – 3 W 46/85, JurBüro 1985, 1212. 3 OLG Schleswig, Beschl. v. 17.3.1986 – 14 W 9/86, JurBüro 1987, 255. 4 OLG Celle, Beschl. v. 21.12.1994 – 16 W 66/94, OLGR 1995, 274. 5 OLG Koblenz, Beschl. v. 22.5.2001 – 5 W 347/01, JurBüro 2002, 197 = AGS 2002, 126. 6 OLG Düsseldorf, OLGR 1992, 94; OLG Hamm, NJW-RR 1992, 448; OLG Köln, JurBüro 1992, 683; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.9.1996 – 23 W 26/96, OLGR 1997, 118; OLG Schleswig, Urt. v. 11.4.2000 – 3 U 56/98, KostRsp. GKG § 19 Nr. 221 = OLGR 2000, 411 bzgl. der Verteidigung mit Minderungsansprüchen.

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N. Schneider

Wertbegrenzungen

B. Wertbegrenzungen nach dem GKG I. Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes In Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes darf der Streitwert 250.000 Euro nicht übersteigen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 GKG).

6066

II. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten darf der Streitwert nicht über 1 Mio. Euro angenommen werden (§ 48 Abs. 2 Satz 2 GKG).

6067

Soweit mehrere Gegenstände gegeben sind, beträgt für jeden Gegenstand der Höchstwert 1 Mio. Euro. Die einzelnen Werte sind dann nach § 39 Abs. 1 GKG zu addieren.

6068

III. Allgemeine Wertbegrenzung Nach § 39 Abs. 2 GKG beträgt der Höchstwert, soweit nichts anderes geregelt ist, 30 Mio. Euro.

6069

Die Regelung ist verfassungsgemäß.1

6070

Die Begrenzung gilt auch dann, wenn mehrere Gegenstände gegeben sind. Es darf nicht etwa für jeden Gegenstand der Höchstwert angenommen und dann nach § 39 Abs. 1 GKG addiert werden.

6071

Eine Erhöhung des Streitwertes bei mehreren Streitgenossen ist für die Gerichtskosten – im Gegensatz zu den Anwaltsgebühren – nicht vorgesehen.

6072

C. Wertbegrenzungen nach der KostO Nach § 30 KostO ist in Angelegenheiten ohne bestimmten Geschäftswert der Wert nach freiem Ermessen festzusetzen. In Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung ist der Wert regelmäßig auf 3.000 Euro anzunehmen. Er kann nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000 Euro angenommen werden (§ 30 Abs. 2 Satz 2 KostO).

6073

In nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten gilt nach § 30 Abs. 3 KostO Entsprechendes.

6074

Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 KostO beträgt der Geschäftswert im Übrigen höchstens 60 Mio. Euro, soweit nichts anderes bestimmt ist.

6075

D. Wertbegrenzungen nach dem RVG I. Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung In Verfahren über den Antrag auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO richtet sich der Gegenstandswert der Anwaltsgebühren nach 1 Zur gleichlautenden Begrenzung nach § 22 RVG: BVerfG v. 13.2.2007 – 1 BvR 910/05 und 1 BvR 1389/05, AGS 2007, 413 = NJW 2007, 2098 = FamRZ 2007, 974 = NJWSpezial 2007, 334 = MDR 2007, 1043.

N. Schneider

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6076

Wertbegrenzungen dem Betrag, der einschließlich der Nebenforderungen aus dem Vollstreckungstitel noch geschuldet wird; der Wert beträgt jedoch höchstens 1.500 Euro.

II. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten 6077

In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten darf der Streitwert, wenn er gem. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen ist und es an genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Schätzung mangelt, nicht über 500.000 Euro angenommen werden.

6078

Soweit mehrere Gegenstände gegeben sind, beträgt für jeden Gegenstand der Höchstwert 500.000 Euro. Die einzelnen Werte sind dann nach § 22 Abs. 1 RVG zu addieren.

III. Entsprechende Anwendung des GKG und der KostO 1. Besondere Wertgrenzen 6079

Soweit das GKG oder die KostO besondere Wertbegrenzungen vorsehen (s. Rn. 6066, 6073), gelten diese auch für die Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 RVG). 2. Allgemeine Wertgrenzen a) Überblick

6080

Soweit die allgemeinen Wertgrenzen des § 39 Abs. 2 GKG und des § 18 Abs. 1 Satz 1 KostO betroffen sind, geltend diese zunächst einmal auch für die Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG).

6081

* Æ Beispiel: Der Beklagte wird auf Zahlung eines Betrages i.H.v. 100 Mio. Euro verklagt. Der Gegenstandswert ist auf 30 Mio. Euro zu begrenzen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 2 GKG).

Das RVG enthält allerdings einige abweichende Regelgungen. b) § 18 Abs. 1 Satz 1 KostO 6082

Soweit sich der Wert nach der KostO richtet, gilt nicht die Höchstgrenze von 60 Mio. Euro, sondern die geringere Grenze des § 22 Abs. 2 Satz 1 RVG. Es darf auch in diesem Fall kein höherer Wert als 30 Mio. Euro angenommen werden. Das hat der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 22 RVG1 klar gestellt. Daher kann der Wert der Gerichtsgebühren hier vom Wert der Anwaltsgebühren abweichen und muss ggf. nach § 33 RVG gesondert festgesetzt werden.

6083

Nur bei mehreren Auftraggebern kommt eine Erhöhung nach § 23 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 22 Abs. 2 Satz 2 RVG in Betracht (s.u. Rn. 6086 ff.). 1 Geändert durch das 2. JuMoG, dort Art. 20 (BGBl. I, 3416, in Kraft getreten am 31.12.2006).

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N. Schneider

Wertbegrenzungen c) § 39 Abs. 2 GKG Soweit der Wert im gerichtlichen Verfahren nach § 39 Abs. 2 GKG begrenzt ist, kommt es für den Anwalt auf die Anzahl der Auftraggeber an. – Soweit und der Anwalt nur einen Auftraggeber vertritt, gilt die Begrenzung des § 39 Abs. 2 GKG auch für ihn (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG). – Soweit der Anwalt mehrere Auftraggeber vertritt, eröffnet ihm § 23 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 22 Abs. 2 Satz 2 RVG eine Anhebung der Wertgrenze um 30 Mio. Euro je weiteren Auftraggeber, höchstens jedoch auf 100 Mio. Euro.

6084

Erforderlich sind mehrere Auftraggeber. Die Begrenzung auf 30 Mio. Euro gilt auch dann, wenn der Auftraggeber in unterschiedlicher Parteirolle betroffen ist. Angeknüpft wird an die Person des Auftraggebers, nicht an dessen prozessuale Stellung.

6085

* Æ Beispiel: Der Anwalt erhebt für den Kläger Klage auf Zahlung von 40 Mio. Euro. Es wird Widerklage erhoben mit einem Wert von 50 Mio. Euro. Zwar werden die Werte von Klage- und Widerklage zussammen gerechnet (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 45 Abs. 1 GKG); auch hier greift jedoch die Höchstgrenze nach § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 2 GKG. Es bleibt beim Höchstwert von 30 Mio. Euro.

Vertritt der Anwalt in derselben Angelegenheit mehrere Auftraggeber, so wird die Begrenzung gem. § 23 Abs. 1 Satz 4 RVG insoweit gelockert, als der Gegenstandswert je Person 30 Mio. Euro betragen darf (§ 22 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 RVG). Insgesamt wird der Gegenstandswert jedoch dann auf 100 Mio. Euro begrenzt (§ 22 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 RVG).

6086

Aus der Formulierung, dass der Wert für jede Person höchstens 30 Mio. Euro beträgt, ergibt sich nicht, dass die Sreitwertgrenze mit jedem weiteren Auftraggeber automatisch um 30 Mio. Euro steigt. Vielmehr ist wie folgt vorzugehen: – Zunächst einmal ist für jeden Auftraggeber getrennt zu prüfen, nach welchem Gegenstandswert er dem Anwalt einen Auftrag erteilt hat. Dieser Gegenstandswert ist dann ggf. auf 30 Mio. Euro zu begrenzen. – Hiernach ist dann nach § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG zusammenzurechnen, wobei in Fällen wirtschaftlicher Identität eine Addition zu unterbleiben hat. – Insgesamt darf kein höherer Wert als 100 Mio. Euro angenommen werden (§ 23 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. 22 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 RVG).

6087

* Æ Beispiel: Der Anwalt vertritt zwei Auftraggeber, die jeweils einen Anspruch i.H.v. 40 Mio. Euro geltend machen. Der Gegenstandswert ist zunächst je Person auf 30 Mio. Euro zu begrenzen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 2 GKG). Da verschiedene Gegenstände zugrunde liegen, sind die Werte zu addieren. Der nach § 23 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 23 Abs. 2 Satz 2 RVG zu berechnende Gesamtwert beläuft sich jetzt auf 60 Mio. Euro.

Die Summe der einzelnen Werte darf den Betrag von 100 Mio. Euro nicht übersteigen (§ 22 Abs. 2 Satz 2 RVG)

* Æ Beispiel: – Der Anwalt vertritt fünf Auftraggeber, die jeweils einen Anspruch i.H.v. 40 Mio. Euro geltend machen.

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6088

Wertbegrenzungen Der Gegenstandswert ist zunächst je Person wiederum auf 30 Mio. Euro zu begrenzen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 2 GKG). Da verschiedene Gegenstände zugrunde liegen, sind die Werte zu addieren. Da der nach § 22 Abs. 1 RVG zu berechnende Gesamtwert sich jetzt auf 150 Mio. Euro belaufen würde, ist die Höchstgrenze des § 22 Abs. 2 Satz 2 RVG von 100 Mio. Euro erreicht, sodass nach diesem Wert abzurechnen ist. – Der Anwalt vertritt fünf Auftraggeber, die jeweils einen Anspruch i.H.v. 25 Mio. Euro geltend machen. Jetzt greift die Begrenzung hinsichtlich des einzelnen Auftraggebers nicht, da jeder Einzelwert unter 30 Mio. Euro liegt. Zu beachten ist allerdings die Höchstgrenze von 100 Mio. Euro, sodass auch hier nach diesem Wert abzurechnen ist. – Der Anwalt vertritt zwei Auftraggeber. Für den einen macht er einen Anspruch i.H.v. 10 Mio. Euro geltend, für den anderen i.H.v. 40 Mio. Euro. Der Gegenstandswert für den einen Kläger beläuft sich auf 10 Mio. Euro. Für den anderen ist er auf 30 Mio. Euro zu begrenzen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 2 GKG). Da verschiedene Gegenstände zugrunde liegen, sind die Werte zu addieren. Der Gesamtwert beläuft sich jetzt auf 40 Mio. Euro. Keinesfalls darf mit der Begründung addiert werden, der Gesamtbetrag (10 Mio. Euro + 40 Mio. Euro = 50 Mio. Euro) liege unter der Grenze für zwei Auftraggeber von 60 Mio. Euro.

6089

Eine Addition hat zu unterbleiben, wenn derselbe Gegenstand zugrunde liegt. Dann wird der Mehraufwand des Anwalts bereits durch die Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG abgegolten.1

* Æ Beispiel: Drei Personen werden als Gesamtschuldner auf Zahlung eines Betrags i.H.v. 100 Mio. Euro in Anspruch genommen. Der Gegenstandswert ist je Person auf 30 Mio. Euro zu begrenzen (§ 19 Abs. 1 Satz 2 RVG). Der nach § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 2 GKG zu berechnende Gesamtwert beläuft sich jetzt nicht auf 90 Mio. Euro, sondern auf 30 Mio. Euro, da wegen wirtschaftlicher Identität eine Addition unterbleibt. Der Anwalt erhält lediglich die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG.

6090

Die früher vom OLG Dresden2 vertretene und OLG Köln3 übernommene Gegenauffassung4 dürfte angesichts der Entscheidung des BGH trotz der Bedenken von Bischof5 nicht mehr vertretbar sein. Sie würde nämlich dazu führen, dass der Anwalt insgesamt mehr verlangen könnte, als ihm nach § 7 Abs. 2 RVG in der Summe gegen die einzelnen Auftraggeber zustehen würde.

* Æ Beispiel:6 Die Klägerin hatte die beiden durch dieselben Prozessbevollmächtigten vertretenen Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von über 112 Mio. Euro verklagt. Unstrittig ist für den Anwalt des Beklagten eine 1,6-Verfahrensgebühr abzurechnen, da sein Mehraufwand bei demselben Gegenstand durch die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG berücksichtigt wird. Nach Auffassung des OLG Köln war aus einem Wert von 30 Mio. + 30 Mio. = 60 Mio. Euro abzurechnen. Dies ergab eine 1,6-Verfahrensgebühr (Nrn. 3100, 1008 VV RVG) i.H.v. 290.393,60 Euro.

1 BGH v. 2.3.2010 – II ZR 62/06, NJW 2010, 1373 = MDR 2010, 718; OLG Hamm, AGS 2010, 394 = RVGreport 2010, 273. 2 OLG Dresden v. 27.6.2006 – 10 W 600/06, AGS 2007, 521. 3 OLG Köln v. 26.6.2009 – 18 U 108/07, AGS 2009, 454 = NJW 2009, 3586. 4 So auch Maier-Reimer, NJW 2009, 3550. 5 Bischof, NJW 2010, 1374. 6 Nach OLG Köln v. 26.6.2009 – 18 U 108/07, AGS 2009, 454 = NJW 2009, 3586.

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N. Schneider

Wertbegrenzungen Nach § 7 Abs. 2 RVG haftet jeder Auftraggeber gegenüber dem Anwalt aber nur insoweit, als er haften würde, wenn er den Auftrag alleine erteilt hätte. Jede Partei haftete danach nur auf eine 1,3-Verfahrensgebühr aus 30 Mio. Euro, also auf 118.944,80 Euro. Zusammen ergab dies einen Betrag i.H.v. 237.889,60 Euro. Das ist also der Höchstbetrag, den beide Beteiligte insgesamt zahlen mussten. Das OLG Köln kommt jedoch zu einem Gesamtanspruch i.H.v. 290.393,60 Euro, also zu einem um 52.504,00 Euro höheren Gesamtbetrag, als der Anwalt überhaupt von seinen Auftraggebern verlangen kann.

Die von Maier-Reimer1 vertretene Kürzung durch eine einschränkende Auslegung des § 7 Abs. 2 RVG hat der BGH2 zu Recht abgelehnt. Für sie gibt es keine gesetzliche Grundlage und bei zutreffender Auslegung des § 22 Abs. 2 Satz 2 RVG auch keine Notwendigkeit. Kommt es zu einem Parteiwechsel, bleibt es ebenfalls bei der einfachen Höchstgrenze.3

6091

* Æ Beispiel: Gegen den A wird Klage auf Zahlung von 40 Mio. Euro erhoben. Später wird im Wege des Parteiwechsels die Klage gegen den A zurückgenommen und nunmehr gegen den B gerichtet. Zwar vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber, allerdings wegen desselben Gegenstands. Daher tritt nur eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG ein,4 aber keine Werterhöhung nach § 23 Abs. 1 Satz 4 RVG i.V.m. § 22 Abs. 2 Satz 2 RVG. Es bleibt beim Höchstwert von 30 Mio. Euro.

IV. Allgemeine Wertbegrenzung Soweit sich der Gegenstandswert nicht gem. § 23 Abs. 1 RVG nach den Vorschriften des GKG richtet, und damit nicht schon die dortige Begrenzung des § 39 Abs. 2 GKG greift, gilt § 22 Abs. 2 Satz 1 RVG. Danach beträgt der Wert in derselben Angelegenheit ebenfalls höchstens 30 Mio. Euro (entsprechend § 39 Abs. 2 GKG), wobei auch hier eine Erhöhung bei mehreren Auftraggebern in Betracht kommt. Insoweit kann auf die Ausführungen zu Rn. 6086 ff. Bezug genommen werden.

6092

Die Vorschrift ist verfassungsgemäß.5

6093

Der Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1 RVG ist gering, da er nur außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens greift, und auch nur dann, wenn die außergerichtliche Tätigkeit nicht Gegenstand eines Rechtsstreits sein kann (arg. e § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG). Fraglich ist, ob die Begrenzung des § 22 Abs. 2 RVG auch in den Fällen des § 35 RVG gilt, in denen auf die StBGebVO verwiesen wird. Die StBGebVO 1 2 3 4

Maier-Reimer, NJW 2009, 3550. BGH v. 2.3.2010 – II ZR 62/06, NJW 2010, 1373 = MDR 2010, 718. AnwK-RVG/N. Schneider, § 22 Rn. 29. Zur Berechnung der Anwaltsvergütung bei einem Parteiwechsel s. BGH v. 19.10.2006 – V ZB 91/06, NJW 2007, 769 = MDR 2007, 365; ebenso OLG Nürnberg v. 14. 1. 1020 – 6 W 16/10, AGS 2010, 167 = MDR 2010, 532; OLG Stuttgart, AGS 2010, 7 = MDR 2010, 356 = FamRZ 2010, 831. 5 BVerfG v. 13.2.2007 – 1 BvR 910/05 u. 1 BvR 1389/05, AGS 2007, 413 = NJW 2007, 2098 = FamRZ 2007, 974 = MDR 2007, 1043.

N. Schneider

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6094

Wert einer Sache sieht nämlich keine Begrenzung vor. Dem Wortlaut nach würde die Begrenzung greifen. Das erscheint insoweit bedenklich, als der Steuerberater dieselbe Tätigkeit ohne Wertbegrenzung abrechnen kann, nicht aber der Anwalt.

* Æ Beispiel: Der Mandant muss eine Erbschaftssteuererklärung abgeben. Der Wert des Nachlasses beträgt 60 Mio. Euro. Er beauftragt mit der Abgabe der Steuererklärung a) einen Steuerberater, b) einen Anwalt. Der Steuerberater rechnet die Abgabe der Steuererklärung nach § 24 Nr. 12 StBGebV ab (eine Gebühr von 2/10 bis 10/10 – Mittelgebühr 0,6). Gegenstandswert ist der Wert des Erwerbs von Todes wegen vor Abzug der Schulden und Lasten, jedoch mindestens 12.500 Euro (§ 24 Nr. 12, 2. Halbs. StBGebV). Der Steuerberater rechnet also nach einem Gegenstandswert von 60 Mio. Euro ab. Für den Anwalt richten sich die Gebühren ebenfalls nach § 24 Nr. 12 StBGebV; diese Vorschrift ist auch für den Anwalt anzuwenden (§ 35 RVG). Die Nrn. 2300 ff. VV RVG sind unanwendbar (Vorbem. 2 Abs. 1 VV RVG). Hinsichtlich des Gegenstandswertes würde jetzt jedoch § 22 Abs. 2 Satz 1 RVG greifen: Der Anwalt dürfte seiner Berechnung höchstens einen Wert von 30 Mio. zugrunde legen.

Hier dürfte von einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG auszugehen sein, weil dieselbe Tätigkeit ungleich vergütet wird. Abgesehen davon spricht die jetzige Gesetzesfassung auch gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers, der mit dem § 35 RVG gerade die Gleichstellung von Anwalt und Steuerberater erreichen wollte,1 diese jetzt aber wieder teilweise aufgibt. Daher dürfte § 35 RVG der Vorrang zu geben sein, sodass die Begrenzung hier nicht gilt.

E. Vergütungsvereinbarungen 6095

Unbenommen bleibt es dem Anwalt, bei den vorgenannten Wertbegrenzungen eine Vergütungsvereinbarung abzuschließen und in dieser Vergütungsvereinbarung entweder nur die Vorschriften der § 39 Abs. 2 GKG, § 18 Abs. 1 Satz 1 KostO, § 22 Abs. 2 Satz 1 RVG abzubedingen oder sogleich einen höheren Gegenstandswert als 30 Mio. Euro zu vereinbaren.2 Beide Regelungen bedürfen allerdings der Form der §§ 3a ff. RVG. S. dazu das Stichwort „Vereinbarungen zum Streitwert“ Rn. 5430 ff.

Wert einer Sache 6096

Der Wert einer Sache ist bestimmend für den Streitwert, wenn es um deren Besitz oder um das Eigentum daran geht, § 6 ZPO.3 Maßgebend für die Bemessung ist dann deren Verkehrswert. Hierfür sind wichtigster Bewertungsumstand die bezifferten Angaben des Klägers in der Klagebegründung.4 Wegen der Einzelheiten s. unter dem Stichwort „Verkehrswert“. 1 BT-Drucks. 15/1971, S. 243. 2 N. Schneider, Vergütungsvereinbarung, Rn. 860. 3 OLG Hamm, Beschl. v. 16.7.2002 – 21 W 1/02, OLGR 2002, 2002, 427 = MDR 2002, 1458; OLG Köln, Beschl. v. 20.9.2004 – 19 U 214/02, MDR 2005, 298. 4 OLG Köln, MDR 1977, 584 m.w.N.; OLG Bamberg, JurBüro 1980, 1866.

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Kurpat

Wert einer Sache Wird mit einer Klage auf Herausgabe einer Sache der Antrag auf Wertersatz für den Fall verbunden, dass eine Herausgabe unmöglich ist oder nicht binnen einer vorgegebenen Frist erfolgt (§§ 255, 259, 510b ZPO), so findet keine Zusammenrechnung der beiden Ansprüche gem. §§ 5 ZPO, 39 GKG statt.1

6097

Mit beiden Anträgen verfolgt der Kläger – wirtschaftlich betrachtet – dasselbe Ziel,2 sodass Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert sich nach dem höheren Einzelwert bestimmen. Denn der für den Herausgabeantrag maßgebliche Verkehrswert zum Zeitpunkt der Klageeinreichung (§ 4 ZPO) muss nicht notwendigerweise dem – materiell-rechtlich regelmäßig für einen anderen Zeitpunkt zu bestimmende – Wiederbeschaffungswert entsprechen.3 Dass es sich bei Wertersatzansspuch um einen den Herausgabeantrag „nachbereitenden“ Anspruch handelt, rechtfertigt keine Beschränkung auf den Herausgabeantrag.4 Denn mit dem Ersatzanspruch wird auch eine gegenüber dem Herausgabeanspruch (ggf.) weiter gehende Ausgleichspflicht rechtskräftig beschieden. Die Möglichkeit des Beklagten, eine Zahlungspflicht durch rechtzeitge Erfüllung des Herausgabeanspruchs zu vermeiden, verändert nicht den für die Wertfestsetzung maßgeblichen Streitgegenstand, die Verpflichtung zu einer künftigen Leistung (§ 259 ZPO). Die den Beklagten im Falle rechtzeitiger Erfüllung des Herausgabeanspruch – bei einer Orientierung an einem höherwertigen Ersatzanspruch – treffende weiter gehende Kostenlast ist Folge der von ihm begründeten Besorgnis der Nichterfüllung. § 45 Abs. 3 GKG, wonach sich der Gebührenstreitwert nur dann nach dem höheren Wert eines Hilfsantrages bemisst, wenn über diesen eine Entscheidung ergeht, gelangt entgegen der Ansicht des KG5 nicht zur Anwendung,6 da Fristsetzungs- und Zahlungsantrag nicht in einem Eventualverhältnis zum Herausgabeantrag stehen (s. hierzu auch unter dem Stichwort „Hilfsantrag“). Es handelt sich vielmehr um eine sog. uneigentliche Klagehäufung, bei der die einzelnen und von Beginn an rechtshängigen Klageanträge aufeinander aufbauen.7 Unabhängig davon scheidet auch bei (analoger) Anwendung des § 45 Abs. 3 GKG eine Zusammenrechnung der Einzelwerte aus, da diese denselben Gegenstand betreffen. S. ferner bei den Stichwörtern „Herausgabeklage“ und „Mehrere Ansprüche“. 1 OLG Jena, Beschl. v. 24.8.1998 – 5 W 513/98, OLGR 1999, 100; LG Hildesheim, Nds.Rpfl 1965, 253; LG Köln, Beschl. v. 20.12.1983 – 13 T 82/83, MDR 1984, 501; LAG Düsseldorf, JurBüro 1990, 243; 1989, 955; a.A. Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Unechte Hilfsanträge“ Rn. 3, die für den Zuständigkeitsstreitwert in Widerspruch zu ihren Ausführungen unter dem Stichwort „Klagenhäufung“ eine Addition aller Anträge befürworten. 2 LG Köln, Beschl. v. 20.12.1983 – 13 T 82/83, MDR 1984, 501. 3 Insoweit zutreffend KG, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W 23/09, juris; LG Köln, Beschl. v. 20.12.1983 – 13 T 82/83, KostRsp. GKG § 19 Nr. 77 mit abl. Anm. E. Schneider = MDR 1984, 501; ebenso OLG Jena, Beschl. v. 24.8.1998 – 5 W 513/98, OLGR 1999, 100. 4 So aber E. Schneider, MDR 1984, 853; ebenso noch die 11. Auflage. 5 KG, Beschl. v. 8.9.2009 – 19 W 23/09, juris; LAG Niedersachen, Beschl. v. 16.12.2004 – 15 Ta 53/09, ArbuR 2009, 227; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 5.12.2009 – 6 Ta 583/06, juris; a.A. LAG Nürnberg, Beschl. v. 16.12.2004 – 4 Ta 255/04, juris. 6 Für eine entsprechende Anwendung LG Köln, Beschl. v. 20.12.1983 – 13 T 82/83, MDR 1984, 510; LAG Düsseldorf, JurBüro 1989, 955; 1990, 243; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Unechter Hilfsantrag“ Rn. 1; Lappe, Anm. zu BGH, KostRsp. § 5 Nr. 92; a.A. E. Schneider = MDR 1984, 583. 7 S. ausführlich Kaiser, MDR 2004, 311, 313.

Kurpat

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6098

Wertpapiere

Wertpapiere 6099

Der Streitwert einer Klage, die auf Herausgabe von Wertpapieren gerichtet ist, bestimmt sich gem. §§ 4, 6 ZPO nach deren Kurswert im Zeitpunkt der Klageerhebung. Das gilt auch für den Gebührenstreitwert (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG). Steigt oder fällt der Kurswert im Verlauf der Instanz, so ist dies für den Gebührenstreitwert unerheblich (§ 4 ZPO, § 40 GKG). Zur Beschwer (§ 546 Abs. 2 ZPO) und dem hierfür maßgeblichen Zeitpunkt s. BGH.1

6100

Sind die Wertpapiere unstreitig nicht realisierbar, dann kommt nur das Herausgabeinteresse an den wertlosen Papieren als Bewertungsumstand in Betracht.2

6101

Bezieht sich der einheitliche Klageantrag auf die Mehrheit von Gegenständen, deren Wert sich zwischen Beginn und Ende der Instanz zum Teil erhöht, zum Teil erniedrigt hat (Wertpapiere verschiedener Sorten), so bleibt für den Streitwert der von § 4 ZPO, § 40 GKG gesetzte Zeitpunkt maßgeblich.

6102

Der negativen Feststellungsklage einer AG, dass sie nicht verpflichtet sei, den Beklagten 57 Aktien im Nennwert von 1.000 DM zum Kurswert von 413 % anzubieten, entspricht als positives Gegenstück eine Leistungsklage der Beklagten gegen die Klägerin auf Abgabe einer Willenserklärung (Angebot der 57 Aktien zum Kurswert von 413 %). Eine solche negative Feststellungsklage ist nach § 3 ZPO zu bewerten. Die Vorschrift des § 6 ZPO findet weder unmittelbar noch analog Anwendung.

6103

Behaupten die Beklagten einer negativen Feststellungsklage, der wirkliche Kurswert der Aktien belaufe sich auf 1.100 DM, so ist ihre Berühmung gleich bedeutend mit dem Ausdruck einer Gewinnerwartung i.H.v. (1100 % – 413 % =) 687 % Kurswert-Differenz. Das in der negativen Feststellungsklage der Klägerin zum Ausdruck kommende Interesse geht deshalb auf Abwehr dieser Gewinnerwartung, die im Falle einer Abgabe der Aktien zu Lasten der Klägerin ginge.

6104

Beruhen die gegensätzlichen Angaben der Parteien über den Kurswert der Aktien auf nicht glaubhaft gemachten Schätzungen, dann darf das Gericht nicht die eine oder die andere Schätzung einer Partei ohne weiteres als Berechnungsgrundlage für den Streitwert übernehmen.

6105

Fehlen objektive Anhaltspunkte für den wirklichen Kurswert der Aktien, so ist es gerechtfertigt, in Anwendung des § 3 ZPO aus den gegensätzlichen Schätzungen der Parteien einen Mittelwert zu bilden. Von diesem ausgehend ist dann die in der Berühmung der Beklagten liegende Gewinnerwartung und das in der negativen Feststellungsklage ausgedrückte Abwehrinteresse der Klägerin zu berechnen und danach der Streitwert zu beziffern.3

6106

Der Streitwert einer Klage auf Herausgabe von Urkunden, die selbst nicht Rechtsträger sind, bestimmt sich nach dem Interesse des Klägers an der Herausgabe. 1 BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 974 = MDR 1989, 909 = NJW 1989, 2755; bestätigt für eine Klage auf Herausgabe von Goldbarren MDR 1992, 83 = KostRsp. ZPO § 6 Nr. 131 mit Anm. E. Schneider = NJW-RR 1991, 1210; KG, Rpfleger 1962, 118. 2 OLG Köln, JurBüro 1974, 1438 = MDR 1975, 60; 1/10 des Nominalwertes herausverlangter Wechsel. 3 OLG Köln, JurBüro 1971, 713 = KostRsp. ZPO § 3 Nr. 270.

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N. Schneider

Widerruf

Wertsicherungsklausel Literatur: Aufderhaar, Praxisrelevante Probleme beim Umgang mit Preisklauseln im Gewerberaummietrecht, NZM 2009, 564.

Bei der (echten) Wertsicherungsklausel handelt es sich um eine vertragliche Regelung, wonach eine Änderung der vereinbarten Vergleichsgröße unmittelbar und zwangsläufig eine Änderung der durch die Klausel gesicherten Geldschuld auslöst.1

6107

Davon abzugrenzen ist der bloße Leistungsvorbehalt, nach dem die Geldschuld bei Eintritt bestimmter Voraussetzungen erst noch durch eine dann zu treffende Vereinbarung der Vertragsparteien oder die Bestimmung eines Dritten den neuen Bedingungen angepasst werden soll.2

6108

Die Bewertung einer dahingehenden Vereinbarung richtet sich nach den von ihr ausgehenden wirtschaftlichen Auswirkungen. Im Regelfall, etwa bei einer mit einer Wertsicherungsklausel versehenen Unterhaltsvereinbarung, ist ein Ansatz von 5–20% der Jahresgrundleistung angemessen.3 Dies entspricht auch in etwa der Bewertung derartiger Klauseln in der freiwilligen Gerichtsbarkeit.4

6109

Bei Anfechtung einer Wertsicherungsklausel (Angleichung an die Beamtenbesoldung) bestimmt sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung dieser Klausel (§ 3 ZPO). Es sind bei der Wertfestsetzung die aus dieser Klausel sich ergebenden Möglichkeiten einer Erhöhung, aber auch einer Herabsetzung der Leistung in Betracht zu ziehen.5

6110

Widerklage S. das Stichwort „Klage und Widerklage“ und „Rechtsmittel“.

Widerruf Literatur: Schneider, JurBüro 1965, 589; Schneider, ZAP Fach 13, S. 147.

A. Einleitung Für die Klage auf Widerruf mündlicher oder schriftlicher Äußerungen bzw. Willenserklärungen gibt es keine besondere Bewertungsvorschrift. Es ist daher für die Bestimmung des Zuständigkeits- und Gebührenstreitwerts zu ermitteln, was mit dem Klageantrag verlangt wird. 1 BGH, Urt. v. 17.9.1954 – V ZR 79/53, BGHZ 14, 310 = WM 1955, 74. 2 BGH, Urt. v. 4.6.1962 – VIII ZR 24/61, NJW 1962, 1393. 3 Enders, JurBüro 1999, 337; Groß, Anwaltsgebühren in Ehe- und Familiensachen, Rn. 199. 4 Vgl. BayOblG, JurBüro 1975, 1483 = Rpfleger 1975, 410; OLG Hamm, JurBüro 1972, 709 = Rpfleger 1972, 268; LG Osnabrück, Beschl. v. 23.10.1995 – 3 T 565/94, JurBüro 1996, 208. 5 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Wertsicherungsklausel“.

Onderka

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Widerruf

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 6112

Der Streitwert ist im Regelfall nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Folgende Fallgruppen können unterschieden werden:

I. Persönlichkeitsrechtsverletzungen 6113

Bezieht sich der Widerrufsanspruch auf Beleidigungen und andere Persönlichkeitsrechtsverletzungen, so ist der Gebührenstreitwert dieser nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit nach § 48 Abs. 2 GKG zu bewerten.1 Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Umfang und die Bedeutung der Sache sowie die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien. Der Wert darf nicht über 100.000 Euro angenommen werden. Der Zuständigkeitsstreitwert ist unter Beachtung dieser Grundsätze nach § 3 ZPO zu schätzen.

6114

Wird der Widerrufsanspruch neben dem Anspruch auf Unterlassung bestimmter Behauptungen geltend gemacht, so muss er gesondert bewertet werden.2 Ebenfalls verschiedene und deshalb zusammenzurechnende Streitwerte haben die Anträge auf Widerruf einer Äußerung gegenüber verschiedenen Adressaten.3

6115

Begehrt der Kläger Widerruf einer Behauptung und Unterlassung dieser Behauptung für die Zukunft sowohl zum Schutz seiner Ehre als auch zum Schutz seines wirtschaftlichen Rufes, dann trifft ein nichtvermögensrechtlicher mit einem vermögensrechtlichen Anspruch zusammen. Die dann gebotene Bewertung ist streitig:

6116

– Nach einer Ansicht ist § 48 Abs. 2 GKG nicht anwendbar, da eine Aufgliederung der Klageansprüche in einem vermögensrechtlichen und einen nichtvermögensrechtlichen Teil und eine gesonderte Bewertung beider Teile nicht möglich sei. Der Streitwert müsse daher einheitlich nach § 3 ZPO geschätzt werden.4 – Nach anderer Ansicht ist auf solche Fälle nur § 48 Abs. 2 GKG anzuwenden.5

6117

Beide Ansichten sind verfahrensrechtlich nicht zu halten. Werden mehrere prozessuale Ansprüche – ein vermögensrechtlicher und ein nichtvermögensrechtlicher Anspruch – durch Klagehäufung geltend gemacht, dann kann diese Selbständigkeit der Streitgegenstände nicht deshalb aufgehoben oder ignoriert werden, weil die Streitwertberechnung auf Schwierigkeiten stößt. Beide Ansprüche müssen gesondert bewertet werden. Die Einzelwerte sind dann gem. § 5 ZPO zusammenzurechnen.6 1 Vgl. dazu das Stichwort „Ehrkränkende Äußerungen“. 2 OLG Düsseldorf, Beschl.v. 16.5.1980 – 15 W 34/80, AnwBl. 1980, 358; OLG Saarbrücken, KostRsp. ZPO § 5 Nr. 4. 3 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1970, 207; OLG München, Beschl. v. 10.11.1992 – 21 W 2023/ 92, MDR 1993, 286. 4 OLG Celle, Nds.Rpfl. 1970, 207. Ähnlich auch das BAG (Beschl. v. 2.3.1998 – 9 AZR 61/96 (A), JurBüro 1998, 647), wonach beim Zusammentreffen von vermögensrechtlichen und nichtvermögensrechtlichen Interessen ggf. der sich aus § 3 ZPO ergebende höhere Wert festgesetzt werden kann. 5 OLG Köln, MDR 1963, 510. 6 KG, JurBüro 1969, 320; Stein/Jonas/Schumann, § 5 ZPO Rn. 13.

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Onderka

Widerspruch gegen Grundbucheintragung Von dieser Streitfrage abzugrenzen ist der Fall, dass ein Widerrufsanspruch (oder ein Unterlassungsanspruch) gleichzeitig auf vermögensrechtliche und nichtvermögensrechtliche materielle Anspruchsgrundlagen gestützt wird. In diesem Fall wird nur ein prozessualer Anspruch verfolgt und nur einfach – nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG – bewertet.1

6118

II. Widerruf einer Kündigung Erhebt der Mieter gegenüber der Klage auf Räumung eines Geschäftsraumes Widerklage auf Widerruf der Kündigung und für den Fall der Verurteilung zur Räumung hilfsweise Widerklage auf Ersatz von Verwendungen und Duldung der Wegnahme von Einrichtungen, so ist für die Gebühren der Streitwert der Hilfsanträge dem Wert des Räumungsbegehrens gem. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG zuzurechnen, soweit eine Entscheidung über sie ergeht.2

6119

III. Widerruf von Verträgen Nach § 355 BGB kann der Verbraucher, wenn ihm ein Widerrufsrecht eingeräumt wurde, den entsprechenden Vertrag widerrufen. Ähnliche Widerrufsrechte gibt es bei sog. Haustürgeschäften nach § 312 BGB sowie bei Fernabsatzverträgen nach § 312d BGB.

6120

Bei Streit über die Wirksamkeit eines solchen Widerrufs sind zur Berechnung des Zuständigkeits- und Gebührenstreitwertes die Vorteile und Nachteile bei Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Widerrufs gegeneinander abzuwägen. Es gibt daher keine allgemein geltende Bewertungsregel, sondern in jedem Einzelfall muss nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG geschätzt werden. Je mehr Belastungen und negative Auswirkungen bei Erfüllung des Vertrages auf den Widerrufenden zukommen, umso höher ist sein Interesse an der Unwirksamkeit des Vertrages zu bewerten.3

6121

Widerspruch gegen Grundbucheintragung A. Einleitung Die Eintragung eines Widerspruchs gegen einen unrichtigen Grundbuchinhalt (§ 894 BGB) erfolgt aufgrund einstweiliger Verfügung oder aufgrund einer Bewilligung desjenigen, dessen Recht durch die Berichtigung des Grundbuchs betroffen wird (§ 899 BGB).

6122

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Die Bewertung richtet sich sowohl bei einer Eintragung durch einstweilige Verfügung als auch bei einer Eintragung durch Bewilligung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG. 1 Vgl. dazu Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht 1986, S. 183. 2 OLG Frankfurt, ZMR 1956, 35; Schneider, MDR 1988, 464. 3 S. näher dazu Schneider, ZAP Fach 13, S. 147.

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Widerspruch gegen Grundbucheintragung 6124

Zu Recht ist die Rechtsprechung in diesen Fällen grundsätzlich von der formalen Anwendung des § 6 ZPO abgerückt und hat auf das nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzende wirkliche wirtschaftliche Interesse der Parteien abgestellt.1 Es kommt also nicht auf den Nennbetrag des Grundpfandrechts an, sondern es ist das Interesse des Klägers an der Berichtigung des Grundbuchs unter Berücksichtigung der Höhe der Valutierung des Grundpfandrechts zu ermitteln.

6125

Bei dieser Schätzung ist die Höhe der Valutierung des Grundpfandrechts Ausgangspunkt. Sodann muss berücksichtigt werden, welche objektiv realistische Gefahr von der unrichtigen Grundbucheintragung für den Kläger (noch) ausgeht: – Eine geringe Bewertung ist angebracht, wenn der Grundbucheintragung nur noch formale Bedeutung zukommt, etwa weil die Unbegründetheit des Widerspruchs bereits aufgrund rechtskräftigen Urteils feststeht und die Parteien sich darüber auch einig sind2 oder die gesicherte Forderung erloschen ist. Die dann verbleibende „Buchposition“ hat kaum einen Wert, zumal dann der noch eingetragene Widerspruch auch für die Veräußerung oder Belastung des Grundstücks weitgehend bedeutungslos ist. – Andererseits kann auch der Wert des Hauptanspruchs erreicht werden, wenn die unmittelbare Gefahr einer Weiterveräußerung des Grundstücks besteht oder auf sonstige Weise die Vereitelung des Vollstreckungsanspruchs droht.3 Das OLG Neustadt4 hat in einem solchen Fall den Wert einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs dem Wert des Hauptanspruchs auf Herausgabe des Grundstücks gleichgesetzt und die Hälfte des Verkehrswertes ohne Berücksichtigung der Belastungen festgesetzt.

6126

Soweit die Höhe der Valutierung streitig ist oder streitig wird, muss der höchste Betrag angesetzt werden. Soll nur ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück durch einstweilige Verfügung auf Eintragung eines Grundbuchwiderspruchs gesichert werden, ist beim Streitwert wegen des vorläufigen Charakters ein Wert 1/4 des Miteigentumsanteils vorzunehmen.5

6127

Die gleichen Bewertungsgrundsätze (§ 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG) gelten für die Klage auf Löschung eines eingetragenen Widerspruchs. Hier ist auf das Interesse des Klägers an der Löschung abzustellen.6 Das OLG Hamburg hat dabei im Falle des gegen eine Sicherungshypothek eingetragenen Widerspruchs den Streitwert so hoch wie die Hypothek angesetzt.

1 OLG Koblenz, Beschl. v. 28.6.2006 – 5 W 379/06, OLGR 2006, 1016 = AGS 2006, 562; OLG Hamburg, MDR 1975, 846 Nr. 49; OLG Köln, MDR 1980, 1025. 2 LG Bayreuth, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 463 = JurBüro 1979, 1884: 1/10 des Grundstückswertes. 3 OLG Bamberg, JurBüro 1978, 1552. 4 OLG Neustadt, Rpfleger 1967, 1. 5 OLG Koblenz, Beschl. v. 28.6.2006 – 5 W 379/06, OLGR 2006, 1016 = AGS 2006, 562. 6 OLG Hamburg, OLGE 17, 76.

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Onderka

Wiederkaufsrecht

Wiederaufnahmeverfahren Es gibt zwei Arten der Wiederaufnahme des Verfahrens, nämlich die Nichtigkeitsklage nach § 579 ZPO und die Restitutionsklage des § 580 ZPO. In beiden Fällen handelt es sich darum, dass ein rechtskräftiges Endurteil wieder beseitigt werden soll, weil die Entscheidungsgrundlage aufgrund schwerer Verfahrensmängel gewonnen worden ist oder völlig unzuverlässige Beweismittel verwertet worden sind.

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Die Bewertungsgrundsätze für beide Arten der Verfahrenswiederaufnahme decken sich und sind deshalb geschlossen unter dem Stichwort „Restitutionsklage“ behandelt.

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Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Im Falle schuldloser Versäumung einer Notfrist kann der Säumige gem. § 233 ff. ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. Die Kosten der Wiedereinsetzung sind dem Antragsteleller aufzuerlegen, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Antragsgegners entstanden sind, § 238 Abs. 4 ZPO.

6130

Für eine gesonderte Wertfestsetzung besteht regelgmäßig kein Anlass, da das Verfahren durch die gerichtliche und anwaltilche Verfahrensgebühr (Nr. 12100 KV GKG bzw. Nr. 3100 VV RVG) abgegolten ist.1 Bei einer anwaltlichen Einzeltätigkeit im Wiedereinsetzungsverfahren bestimmt sich der Gegenstandswert nach dem Forsetzungsinteresse des Antragstellers und damit regelgmäßig nach dem Wert der Hauptsache. Das gilt auch für den Wert des Beschwerdeverfahrens.2

6131

Wiederkaufsrecht Der Streitwert entspricht nicht dem Sachwert (§ 6 ZPO), sondern es ist gem. § 3 ZPO das Interesse des Klägers am Bestehen oder Nichtbestehen des Rechts zu schätzen.3 Es gelten insoweit dieselben Grundsätze wie für das „Vorkaufsrecht“ (s. das Stichwort dort).

1 Zöller/Greger, § 238 ZPO Rn. 12. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.7.2004 – 2 W 44/02, OLGR 2004, 327. 3 BGH, Urt. v. 17.12.1972 – V ZR 137/69, BGHZ 57, 356 = WM 1972, 242 u. Urt. v. 23.6.1972 – V ZR 95/70, JurBüro 1972, 778 zum Wiederkauf nach Siedlungsrecht.

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Wiederkehrende Leistungen

Wiederkehrende Leistungen Literatur: Spengler, Rpfleger 1954, 421; H. Schmidt, MDR 1970, 481; Schneider, MDR 1976, 270 (Bewertung bei Hochbetagten). Stichwortübersicht Rn. Abwehr der Vollstreckung § 826 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 6139 Arbeitnehmeranspruch . . . . . . . 6159 Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . 6160 Außergerichtliche Durchsetzung . 6168 ff. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . 6133 ff. Bestimmte Dauer des Bezugsrechts 6140 Bundesentschädigungsgesetz . . . . 6157 Deckungsschutz . . . . . . . . . . . 6156 Einheitlicher Rechtsgrund . . . . . 6133 Einmalige Leistung . . . . . . . . . 6135 Einzelansprüche, einheitlicher Rechtsgrund . . . . . . . . . . . . 6133 Fällige Beträge . . . . . . . . . 6138, 6144 – als Klageeinreichung . . . . . . . 6162 – Anknüpfungspunkt . . . . . . . . 6169 – kapitalisierend geltend gemacht . 6163 – in Rentenform . . . . . . . . . . 6163 f. Fälligkeit, unregelmäßig wiederkehrende . . . . . . . . . . . . . . 6134 Feststellungsklage – fällige Beträge . . . . . . . . . . . 6178 – negative . . . . . . . . . . . . . . 6177 – positive . . . . . . . . . . . 6142, 6176 – Übergang zur Leistungsklage . . 6179 Gebührenstreitwert . . . . . . . . 6149 ff. Hauptsacheerledigung, teilweise . . 6175 Kündigungsschutzprozess . . . . . . 6161 Kurkosten . . . . . . . . . . . . . . 6135 Lagergelder . . . . . . . . . . . . . . 6135 Leistungen, verschieden hoch . . . 6172 Rückstände, s. Fällige Beträge

Rn. Sachliche Zuständigkeit . . . . . 6140 ff. Schadensersatzanspruch – wegen Zinsverlust . . . . . . . . 6136 – gegen Anwalt wegen Verjährung . 6137 – gegen Anwalt wegen Verlust des Unterhaltsanspruchs . . . . . . . 6150 – wegen Tötung/Verletzung . 6155, 6168 Sterilisation, fehlgeschlagene . . . . 6151 Teilleistungen auf Hauptforderung . 6175 Teilweise Hauptsacheerledigung . . 6175 Tötung . . . . . . . . . . . . . . . . 6155 Unbestimmte Dauer des Bezugsrechts . . . . . . . . . . . . . . . 6140 Unregelmäßig wiederkehrende Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . 6134 Ununterbrochene Dauer von Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . . 6134 Unterhaltsaufwendungen nach fehlgeschlagener Sterilisation . . 6151 Urlaub mit Vollpension . . . . . . . 6135 Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . 6180 Vermächtnisanspruch . . . . . . . . 6158 Versicherungsrechtlicher Anspruch auf Deckungsschutz . . . . . . . 6156 Vollstreckung von wiederkehrenden Leistungen . . . . . . . . . . 6139 Vorübergehend wiederkehrende Leistungen . . . . . . . . . . . . . 6154 Wegfall des Bezugsrechts . . . . . . 6143 Zahlungen während Rechtsstreit . . 6173 Zinsen und Kosten . . . . . . . . . 6174 Zuständigkeitswert . . . . . . . . . 6148

A. Begriff der „Wiederkehrenden Leistungen“ 6133

Ein Recht auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen (vgl. den Wortlaut der § 9 ZPO, § 42 GKG, § 24 KostO) wird dann angenommen, wenn die Einzelansprüche auf einem einheitlichen Rechtsgrund beruhen und in wenigstens annähernd gleichmäßigen Zeitabschnitten wiederkehrend fällig werden.1

6134

Nutzungen von unterbrochener Dauer, bei denen die Einzelansprüche nur unregelmäßig wiederkehrend fällig werden, oder ein Recht, das fortdauernd oder ununterbrochen genutzt wird, rechnen nicht hierzu; sie sind nach § 6 oder § 3 ZPO zu bewerten.2 1 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Wiederkehrende Leistungen“ Rn. 2 mit Beispielen. 2 OLG Celle, OLGE 13, 72; OLG München, OLGE 33, 147 – Nießbrauch, Wohnrecht.

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N. Schneider

Wiederkehrende Leistungen Um wiederkehrende Leistungen handelt es sich auch dann nicht, wenn eine einmalige, bezifferte Leistung gefordert wird, die lediglich in ihrer Höhe nach Zeitabschnitten mit festen Sätzen berechnet wird, z.B. bei Kurkosten, Lagergeldern, Urlaub mit Vollpension.1 Auch Ratenzahlungen sind keine wiederkehrenden Leistungen.

6135

Zinsen sind keine wiederkehrenden Leistungen. S. das Stichwort „Zinsen“ Rn. 6407 ff.

6136

Deshalb sind auch Schadensersatzansprüche, die auf Zinsverlust wegen des Nichtzahlens einer Schuld gestützt werden, nicht als wiederkehrende Leistungen, sondern als Ansprüche auf einen bestimmten Schadensersatzbetrag in Geld anzusehen.2 Aus diesem Grund ist auch ein Schadensersatzanspruch gegen einen Rechtsanwalt wegen Verjährenlassens einer Unterhaltsforderung nicht nach 42 GKG privilegiert.

6137

Ebenso ist nicht als wiederkehrende Leistungen zu bewerten, wenn aus einem Recht auf solche nur einzelne Leistungen beziffert eingeklagt werden, etwa fällige Beträge; dann handelt es sich um konkrete Geldansprüche, die nach dem Wert der eingeklagten Summe zu beziffern sind.3

6138

Wird die Vollstreckung wiederkehrender Leistungen mit einer Klage aus § 826 BGB abgewehrt, so ist diese Klage nach § 9 ZPO zu bewerten.4

6139

B. Zuständigkeitswert Der Streitwert für die sachliche Zuständigkeit der Gerichte bei Ansprüchen auf wiederkehrende Nutzungen und Leistungen wird gem. § 9 ZPO nach dem 3 1/2-fachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist. Damit liegt der Zuständigkeitswert jetzt unter den „sozialen“ Gebührenwerten des § 41 Abs. 1 und 2 GKG. Lappe5 hält die Regelung für verfassungswidrig.6

6140

Die Anwendung des § 9 ZPO a.F. setzte früher voraus, dass es sich um wiederkehrende Leistungen von mindestens 12 1/2-jähriger Dauer handelte, anderenfalls war der Wert nach § 3 ZPO zu schätzen.7 Diese Rechtsprechung ist überholt. Jetzt ist § 9 ZPO auch in diesen Fällen einschlägig.8 Bedeutsam war

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1 2 3 4 5

RGZ 13, 396; 23, 363 f. KG, JW 1930, 3331. RGZ 19, 421; KG, Rpfleger 1951, 474. OLG Düsseldorf, FamRZ 1978, 377. Lappe, NJW 1994, 1189: das bisherige Verhältnis zwischen Prozesswert und Gebührenwert ist „auf den Kopf“ gestellt. 6 MünchKomm.ZPO/Lappe, Ergänzungsband, § 9 Rn. 3; NJW 1993, 2785; a.A OLG Frankfurt, KostRsp. ZPO § 9 Nr. 51 mit Anm. Lappe = OLGR 1994, 156; zum Übergangsrecht OLG Celle, KostRsp. ZPO § 9 Nr. 48 = Nds.Rpfl. 1993, 191; BGH, MDR 1995, 421 = NJW-RR 1995, 443 = AnwBl. 1995, 205. 7 KG, Rpfleger 1962, 156; OLG Saarbrücken, KostRsp. ZPO § 9 Nr. 5; OLG Bamberg, KostRsp. GKG a.F. § 12 Nr. 47, c. 8 Ebenso Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Wiederkehrende Leistungen“ Rn. 8.

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Wiederkehrende Leistungen das bislang für die Bewertung von Rentenansprüchen hochbetagter Berechtigter; der Streitwert war nach § 3 ZPO zu schätzen; jetzt gilt § 9 ZPO.1 S. Stichwort „Rente“ Rn. 4821. 6142

Für die Streitwertberechnung einer auf wiederkehrende Leistungen gerichteten positiven Feststellungsklage ist in Anwendung der §§ 9, 3 ZPO das Feststellungsinteresse mit dem üblichen Feststellungsantrag zu bemessen.2 S. das Stichwort „Feststellungsklage“ Rn. 2431 ff.

6143

Entfallen ist die Unterscheidung, ob es sich um wiederkehrende Leistungen handelt, bei denen der Wegfall des Bezugsrechts oder der Zeitpunkt hierfür ungewiss oder gewiss ist. Maßgeblich ist immer der 3 1/2-fache Jahreswert des Bezugs, der nur unterschritten wird, wenn bei bestimmter Dauer der Bezüge der Gesamtbetrag geringer ist.

6144

Entsprechend dem Gedanken des § 42 Abs. 4 GKG (§ 17 Abs. 4 GKG a.F.) sind auch bei § 9 ZPO Rückstände – genauer gesagt fällige Beträge – dem Streitwert hinzuzurechnen.3

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Die Rückstände brauchen dazu nicht besonders beziffert zu werden.4 Entsprechend der Regelung in § 42 Abs. 5 GKG und § 4 Abs. 1 ZPO ist für die Abgrenzung der Rückstände nicht auf den Eintritt der Rechtshängigkeit abzustellen, sondern auf die Einreichung der Klage. Die bei Einreichung fälligen Beträge werden dem Streitwert hinzugerechnet (§ 42 Abs. 5 GKG). Der Einreichung der Klage steht dabei die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe gleich, wenn die Klage alsbald nach Mitteilung der Entscheidung über den Antrag oder über eine alsbald eingelegte Beschwerde eingereicht wird (§ 42 Abs. 5 Satz 2 GKG).

6146

Da die Feststellungsklage sich nur auf die Zukunft richtet, sind bei ihrer Bewertung5 Rückstände außer Acht zu lassen, es sei denn, sie würden neben dem Feststellungsantrag durch bezifferten Leistungsantrag in den Prozess eingeführt.

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In diesem Fall ist wie bei der Leistungsklage § 5 ZPO anwendbar, es ist also zusammenzurechnen. 6

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Der Zuständigkeitsstreitwert – ebenso die Beschwer einer Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung – ist nicht nach dem Jahresbetrag des § 41 Abs. 5 GKG zu berechnen, sondern nach §§ 3, 9 ZPO. Anzusehen ist der 3-fache Jahreswert der geforderten Erhöhung.7

C. Der Gebührenstreitwert 6149

Für die Gebühren sind Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen in § 42 GKG oder § 48 Abs. 1 Satz 2 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO geregelt. 1 Herget Anm. zu KostRsp. ZPO § 9 Nr. 47 mit Bsp. aus der Sterbetafel. 2 OLG München, MDR 1962, 413: 10-facher Jahresbetrag nach § 9 ZPO a.F. 3 BGH, Beschl. v. 17.3.2004 – XII ZR 162/00, JurBüro 2004, 378 = AGS 2004, 249 = WuM 2004, 368 = MietRB 2004, 234 = MDR 2004, 1437; RGZ 19, 416; BGHZ 2, 74. 4 BGHZ 2, 76. 5 S. dazu BGHZ 1, 43. 6 BGHZ 2, 76 f. 7 BGH, Beschl. v. 12.5.2003 – VII ZB 10/01, AGS 2003, 489 = JurBüro 2004, 207.

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Wiederkehrende Leistungen Nicht privilegiert ist eine Schadensersatzforderung gegen einen Anwalt, der den Verlust eines Unterhaltungsanspruches verschuldet hat;1 denn in diesem Fall wird der Anwalt nicht „wegen“ einer bevorrechtigten Forderung in Anspruch genommen, sondern aus positiver Verletzung des Mandatsvertrages.

6150

Dementsprechend hat der BGH2 auch den Anspruch der Eltern auf Ersatz ihrer Unterhaltsaufwendungen für ein nach fehlgeschlagener Sterilisation geborenes Kind nicht nach § 42 GKG, sondern diese Klagen gegen einen Dritten wegen schuldhafter Verursachung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht nach § 9 ZPO bewertet.3

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Es ist allerdings nicht zu verkennen, dass die darin liegende kritiklose Übernahme der Zuständigkeits- und Zulässigkeitsregeln der ZPO auf den Gebührenstreitwert in der Vergangenheit zu so übersetzten Streitwerten führen konnte, dass die betroffenen Eltern praktisch entweder einer Rechtswegsperre ausgesetzt waren oder der Rechtsstreit nur nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe geführt werden konnte, wobei auf die Eltern ganz erhebliche Ratenbelastungen zukommen konnten.

6152

Die analoge Anwendung des § 42 GKG wäre sachgerechter gewesen; durch die Neufassung des § 9 ZPO, mit der nur eine Verlagerung von Rechtsstreitigkeiten vom LG auf das AG beabsichtigt war, hat der Streitpunkt erheblich an Bedeutung verloren.

6153

Auch bei unregelmäßigen oder nur vorübergehenden wiederkehrenden Leistungen ist nach LG Hamburg4 als Bemessungsvorschrift § 3 ZPO anzuwenden. Hier müsste man aber über § 9 Satz 2 ZPO regelmäßig zu demselben Wert kommen.

6154

Wird wegen der Tötung eines Menschen oder der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit des Menschen Schadensersatz durch Entrichtung einer Geldrente verlangt, so ist der 5-fache Betrag des einjährigen Bezuges maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist (§ 42 Abs. 2 Satz 1 GKG). Fällige Beträge werden auch hier hinzugerechnet.

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Hinsichtlich der umstrittenen Anwendung des § 42 GKG auf versicherungsrechtliche Ansprüche wegen Deckungsschutzes s. das Stichwort „Versicherungsschutz“ Rn. 5776 ff.

6156

Auch wiederkehrende Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz sind auf den 5-fachen Betrag des einjährigen Bezugs festzusetzen.

6157

Der Streitwert eines Vermächtnisanspruches auf Gewährung wiederkehrender Leistungen bis zum Tode richtet sich dagegen nach § 9 ZPO, weil es sich nicht um die Geltendmachung gesetzlicher Unterhaltsansprüche handelt.5

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Bei Ansprüchen von Arbeitnehmern sind nach § 42 Abs. 2 GKG (arbeitsgerichtliches Verfahren: § 43 Abs. 3 GKG – § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG a.F.) die wiederkehrenden Leistungen lediglich auf den 3-fachen Jahresbetrag festzuset-

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1 BGH, JurBüro 1979, 193 = MDR 1979, 302 = AnwBl. 1979, 114 = Rpfleger 1979, 59; OLG Köln, KostRsp. ZPO § 17 Nr. 136 = JurBüro 1992, 698. 2 BGH, JurBüro 1981, 846 = MDR 1980, 746 = VersR 1981, 481 = NJW 1981, 1318. 3 BGH, KostRsp. GKG § 17 Nr. 142 = WM 1994, 182. 4 LG Hamburg, JW 1929, 2334 Nr. 4. 5 LG Oldenburg, JurBüro 1951, 269.

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Wiederkehrende Leistungen zen. Das gilt auch für wiederkehrende Leistungen, die ein Arbeitnehmer als Schadensersatz geltend macht.1 6160

Ist das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann es vor Ablauf von 3 Jahren gekündigt werden, dann ist der Streitwert geringer als mit dem 3-fachen Jahresbezug anzusetzen.2

6161

Im Kündigungsschutzprozess ist jedoch die Sondervorschrift des § 42 Abs. 3 GKG (§ 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG a.F.) zu beachten, wonach der Streitwert höchstens auf den Wert des Dreimonatseinkommens des Klägers festgesetzt werden darf.3 Klagt der Geschäftsführer einer GmbH auf Feststellung der Unwirksamkeit seiner Kündigung, ist aber nach § 42 Abs. 2 GKG zu bewerten;4 ebenso das OLG Frankfurt,5 wenn es dem Kläger in erster Linie um den weiteren Bezug der monatlichen Vergütung geht.

6162

Bei Ansprüchen auf Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht und bei Ansprüchen wegen Tötung eines Menschen oder wegen der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit eines Menschen und bei Arbeitnehmeransprüchen, sind fällige Beträge aus der Zeit vor der Klageeinreichung dem Streitwert hinzuzurechnen (§ 42 Abs. 4 GKG).

6163

Für die Höhe des Streitwertes bei wiederkehrenden Leistungen ist es unerheblich, ob die fälligen Beträge in Rentenform oder selbständig kapitalisiert geltend gemacht werden.

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Fällige Beträge aus der Zeit vor Einreichung der Klage sind also auch dann dem Streitwert zuzurechnen, wenn sie als Rente gefordert werden.6

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Andererseits sind die seit Klageeinreichung angefallenen fälligen Beträge dem Streitwert auch dann nicht zuzurechnen, wenn sie ziffernmäßig bestimmt sind und neben der künftig zu zahlenden Rente als ein fester Betrag gefordert werden.7

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Wird bei einer von Anfang an erhobenen Leistungsklage auf Rentenzahlung die Rente später rückwirkend mit einem höheren Betrag geltend gemacht, so gilt der Differenzbetrag zwischen der zuletzt und der zuerst verlangten Rente streitwertmäßig als Rückstand.8

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In welcher Instanz die nach Klageeinrichtung angefallenen Rückstände geltend gemacht werden, ist gleichgültig.9

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Werden Rentenansprüche wegen Tötung oder Verletzung eines Menschen außergerichtlich durchgesetzt, dann entfällt eine Wertfestsetzung für Gerichtsgebühren (§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG). Es muss jedoch gem. § 23 Abs. 1 Satz 3 1 LAG Frankfurt, NJW 1966, 692. 2 OLG Köln, Rpfleger 1974, 164: einmal Jahresbezug wegen der besonderen Umstände des Falles, sonst Kündigungszeitraum. 3 S. dazu Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Arbeitsgerichtsverfahren“. 4 OLG Naumburg, OLGR 1995, 214; a.A. Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Wiederkehrende Leistungen“ Rn. 37 und Stichwort „Organ“: § 9 ZPO, es sei denn, das Organ hat eine arbeitnehmerähnliche Stellung. 5 OLG Frankfurt, OLGR 1995, 238. 6 OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 647. 7 BGH, MDR 1960, 663; OLG Nürnberg, JurBüro 1962, 647. 8 OLG Köln, Beschl. v. 22.7.2003 – 4 WF 59/03, FamRB 2004, 45 mit Anm. N. Schneider = AGS 2004, 32; a.A. OLG Düsseldorf, MDR 1957, 686. 9 BGH, MDR 1960, 663.

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Wiederkehrende Leistungen RVG auf Antrag der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit bestimmt werden. Dann stellt sich die Frage, wie die „fälligen Beträge“ zu erfassen sind. Die „Zeit vor Einreichung der Klage“ (§ 42 Abs. 4 GKG) scheidet als Anknüpfungspunkt aus, weil es keine Klageerhebung gibt.

6169

Es käme in Betracht, im Wege der Analogie, die gerichtliche Geltendmachung durch Klageeinrichtung und die anwaltliche Geltendmachung durch schriftsätzliche Geltendmachung gegenüber dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer gleichzusetzen, sodass danach anfallende Rentenbeträge den Streitwert nicht mehr beeinflussen.1

6170

Diese Auffassung ist jedoch unzutreffend und wird von der ganz h.M. auch abgelehnt.2 Der Wortlaut der Vorschrift des § 42 Abs. 4 GKG ist eindeutig. Sämtliche bis zur Klageeinreichung fälligen Beträge werden dem Wert der laufenden Beträge hinzuaddiert. Kommt es nicht zu einer Klageerhebung, so sind sämtliche bis zur Erledigung, also in der Regel bis zur außergerichtlichen Beendigung fälligen Beträge hinzuzuaddieren.

6171

Sind die wiederkehrenden Leistungen in den einzelnen Jahren verschieden hoch, dann ist zu differenzieren: – Soweit auf § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 9 ZPO oder auf § 42 Abs. 1, 2 oder 3 GKG abgestellt wird, gilt der Jahresbetrag der höchsten Leistung für die Streitwertbestimmung.3 So sind z.B. Staffelvereinbarungen, wie sie in Mietsachen üblich sind, zu berücksichtigen.4 – Soweit auf § 42 Abs. 1 GKG abgestellt wird, gilt nur der Zeitraum der Wert der auf die Klage oder den Prozesskostenhilfeantrag folgenden 12 Monate.

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* Æ Beispiel: Die Klage wird im November 2006 eingereicht. Maßgebend ist der Betrag des Zeitraums von Dezember 2006 bis November 2007. Wird von vornherein für einen Monat innerhalb dieser zwölf Monate keine Leistung verlangt, so ist der nächste Monat hinzuzurechnen. Bewertet werden also die ersten zwölf Monate, für die Leistung verlangt wird.

Werden während des Rechtsstreits Zahlungen geleistet, so sind sie nach Vorschrift des § 366 Abs. 2 BGB zunächst auf die Rückstände als die ältere Schuld anzurechnen.

6173

Stehen auch noch Zinsen und Kosten aus, so sind auch diese zunächst zu tilgen (§ 367 Abs. 1 BGB), ohne dass sich dies wegen der § 43 GKG, § 4 ZPO auf die Höhe des Streitwerts auswirkt.

6174

Hinsichtlich der auf die Hauptforderung zu verrechnenden Teilleistungen ermäßigt sich der Streitwert für die Zukunft nicht schon mit der Zahlung, sondern erst, wenn die entsprechenden prozessualen Erklärungen, etwa die teilweise Hauptsacheerledigung, in der mündlichen Verhandlung abgegeben wird.5

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1 LG Stuttgart, AnwBl. 1978, 234. 2 S. hierzu OLG Nürnberg, Beschl. v. 8.1.2002 – 3 U 319/01, AGS 2002, 232; N. Schneider, AGS 2004, 58. 3 RGZ 160, 83. 4 BGH, Beschl. v. 21.9.2005 – XII ZR 256/03, AGS 2006, 143. 5 RG, DJZ 1913, 99.

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Willenserklärung 6176

Der Wert einer positiven Feststellungsklage, die wiederkehrende Leistungen zum Gegenstand hat, ist regelmäßig mit 80 % des Wertes der entsprechenden Leistungsklage anzusetzen, auch wenn die Leistungen von Gegenleistungen abhängig sind.1 Kein Abzug ist jedoch vorzunehmen, wenn der Streitwert bereits durch eine Gebührenprivilegierung verkürzt worden ist, wie etwa bei den §§ 41, 42 GKG.

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Bei einer negativen Feststellungsklage, die wiederkehrende Leistungen zum Gegenstand hat, ist der Streitwert nicht geringer als bei der entsprechenden Leistungsklage anzusetzen, also regelmäßig auf den 5-fachen Jahresbetrag.2 Zu den Rückständen s. das Stichwort „Feststellungsklage“ Rn. 2300.

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Erstreckt sich die positive Feststellungsklage auf fällige Beträge, dann ist § 42 Abs. 2 GKG anzuwenden. Von dem bezifferten Betrag der Rückstände ist ein Abschlag von 20 % vorzunehmen.3 S. aber das Stichwort „Feststellungsklage“ Rn. 2432.

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Beim Übergang einer Feststellungsklage zur Leistungsklage auf Rentenzahlung sind die bisher entstandenen Rückstände dem Streitwert für die daneben fortgeführte Feststellungsklage hinzuzurechnen.4

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Schließen die Parteien über einen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen einen Vergleich, dann ist auch bei Zahlung einer Kapitalabfindung nicht diese, sondern die Bewertung des verglichenen Anspruchs maßgebend, sodass also auch Vergünstigungsvorschriften wie § 42 GKG zu beachten sind.5

Willenserklärung I. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert 6181

Die Klage auf Abgabe einer Willenserklärung führt im Falle ihrer Stattgabe zur Erklärungsfiktion gem. § 894 Abs. 1 ZPO, bei Zug-um-Zug-Verurteilung jedoch erst nach Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung (durch den Rechtspfleger).6 Für die Bewertung des Streits um die Abgabe einer Willenserklärung ist darauf abzustellen, welche Rechtsänderung7 bzw. welcher vermögensrechtliche Erfolg mit der erzwungenen Erklärung erstrebt wird. Entsprechend dem im Antrag verfestigten Klageinteresse sind die jeweils in Betracht kommenden Bewertungsregeln zu ermitteln, ggf. ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) zu schätzen.8

1 BAG, NJW 1961, 1788. 2 BGHZ 2, 276; BAG, JZ 1961, 666. 3 RGZ 19, 416; BGHZ 2, 74; OVG Münster, AnwBl. 1957, 228; LAG Frankfurt, NJW 1966, 691. 4 BGHZ 2, 77; OLG Düsseldorf, MDR 1957, 686. 5 OLG Düsseldorf, VersR 1977, 868, s. näher dazu das Stichwort „Vergleich“. 6 Vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.10.1994 – 3 WF 143/94, JurBüro 1995, 254. 7 OLG München, Urt. v. 9.1.2008 – 20 U 3478/07, ZfIR 2008, 727. 8 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.10.1994 – 3 WF 143/94, JurBüro 1995, 254; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.10.2001 – 5 W 642/01, MDR 2002, 39 = NJW-RR 2002, 37; Anders/ Gehle/Kunze, Stichwort „Willenserklärung“; Baumbach/Hartmann, Anhang nach § 3 ZPO Rn. 140 Stichwort „Willenserklärung“; Musielak/Heinrich, § 3 ZPO Rn. 38

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Willenserklärung Beispielhaft seien erwähnt: – Klage auf Abschluss eines Vertrages (s. auch unter dem Stichwort „Vertragsabschluss“). Hier sind nicht die durch den Vertrag begründeten Ansprüche, sondern gem. § 3 ZPO das wirtschaftliche Interesse des Klägers am Abschluss des Vertrages wertbestimmend.1 Bei einem Mietvertrag ist dabei im Regelfall nicht auf für die gesamte Vertragsdauer anfallende Gesamtmiete, sondern gem. § 9 ZPO auf den 3,5-fachen Wert der Jahresnettomiete abzustellen.2 S. auch die Stichwörter „Vertragsabschluss“ und „Vertragsauflösung“. – Klage auf Zustimmung zur Rückabwicklung eines Kaufvertrags. Hier bemisst sich der Streitwert nach dem Wert der Kaufsache zzgl. der Zinsen auf den Kaufpreis.3 – Klage auf Abgabe einer gemeinsamen Kündigungserklärung. Maßgeblich für die Bemessung ist das Interesse des Klägers an der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses und damit in der Regel die mit Vertragsfortdauer verbundenen finanziellen Belastungen (z.B. Miete).4 S. auch unter dem Stichwort „Mietstreitigkeiten“ Rn. 3933. – Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung. Wertbestimmend ist gem. § 41 Abs. 5 GKG (§ 16 Abs. 5 GKG a.F.) der Jahresbetrag des zusätzlich geforderten Mietzinses (zu den Einzelheiten vgl. das Stichwort „Mietstreitigkeiten“ Rn. 3797, 3801, 3823 ff.). – Klage auf Zustimmung zur Eigentumsübertragung. Maßgebend für den Streitwert ist immer der Verkehrswert der Sache, § 6 Satz 1, 1. Alt. ZPO.5 – Klage auf Auflassung eines Grundstücks. Der Wert bestimmt sich gem. § 6 ZPO grundsätzlich nach dessen Verkehrswert soweit nicht aufgrund eines dahinter stehenden Streits über Restkaufpreiszahlung oder Mängelbeseitigung eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten ist (s. hierzu unter dem Stichwort „Auflassung“). Demgegenüber richtet sich der Wert einer Klage auf Zustimmung zum Vollzug der Auflassung nach dem Wert der Gegenforderung.6 – Klage auf Zustimmung zur Einräumung eines Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts. Hier ist nach § 3 ZPO auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers abzustellen.7 – Klage auf Erteilung einer Löschungsbewilligung. Die Bemessung des Streitwerts bestimmt sich nach dem Gegenstand der Löschungsbewilligung. Ist diese auf die Löschung von Grundpfandrechten (z.B. Hypotheken, oder Grundschuld) gerichtet, bestimmt sich der Streitwert gem. § 6 Satz 1 Alt. 3

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Stichwort „Willenserklärung“; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 3 ZPO Rn. 6 unter „Abgabe einer Willenserklärung“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Willenserklärung“. LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 29.10.1991 – 3 SA 56/91, JurBüro 1992, 627. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.11.2009 – 8 W 348/09, AGS 2010, 195. BGH, Urt. v. 12.2.2003 – VIII ZR 130/01, VersR 2003, 1530 = NJW-RR 2003, 823. KG, Beschl. v. 30.3.1992 – 2 W 1331/92, WuM 1992, 323 = NJW-RR 1992, 1490. OLG Jena, Beschl. v. 30.7.1998 – 7 W 217/98, OLGR 1998, 350; Stein/Jonas/Roth, § 3 ZPO Rn. 51 Stichwort „Eigentum“. BGH, Beschl. v. 6.12.2001 – VII ZR 42/00, MDR 2002, 295 = NJW 2002, 684; OLG Bamberg, Beschl. v. 21.6.1993 – 8 W 28/93, JurBüro 1994, 361; Musielak/Heinrich, § 3 Rn. 38 unter „Willenserklärung“; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Willenserklärung“. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 25.7.2005 – 4 W 209/05, juris.

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Willenserklärung









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ZPO nach dem Nennbetrag des Pfandrechts sowie nicht das Grundstück einen geringerern Wert hat (§ 6 Satz 2 ZPO).1 Ob und in welchem Umfang eine vom Nennbetrag abweichendende Valutierung berücksichtigt werden muss, ist sehr umstritten2 (s. hierzu unter dem Stichwort „Löschung von Grundpfandrechten“). Im Übrigen ist gem. § 3 ZPO nach dem Wert des zu löschenden Rechtes vorzunehmen, soweit nicht der Sicherungszweck weggefallen ist.3 Klage auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung. Maßgebend ist das vermögensrechtliche Interesse des Klägers an der Zustimmung.4 S. auch unter den Stichwörtern „Grundbuchberichtigung“ und „Eintragungsbewilligung“. Klage auf Freigabe eines hinterlegten Betrages. Die Bewertung richtet sich nach der Höhe des hinterlegten Geldbetrages einschließlich aufgelaufener Zinsen.5 S. auch unter dem Stichwort „Freigabe“. Geht es um die Freigabe von Gegenständen richtet sich der Streitwert gem. § 6 ZPO nach dem Wert der Sache. Klage auf Anmeldung zum Handelsregister. Wertbestimmend ist das Interesse des Mitgesellschafters an der Offenlegung der Beteiligungs- oder Vertretungsverhältnisse. Dieses ist nach einem Bruchteil der Einlage zu bestimmen.6 Klage auf Erteilung eines Dienstzeugnisses für den Geschäftsführer einer GmbH. Hier ist in Anlehnung an die arbeitsgerichtliche Bewertungspraxis7 betreffend die Erteilung und Berichtigung von Zeugnissen auf den Wert eines Monatseinkommens abzustellen.8 Klage auf Zustimmung zum Realsplittung (Anlage U). Wertbestimmend sind die mit der Abgabe angestrebten steuerrechtlichen Vorteile.9

Im Übrigen ist bei den einschlägigen Stichwörtern nachzuschlagen. Einige Einzelheiten finden sich ferner bei den Stichwörtern „Abgabe einer Willenserklärung“ und „Zustimmung“. 1 BGH, Beschl. v. 24.10.2007 – IV ZR 99/07, juris. 2 S. zum Meinungsstand OLG Nürnberg, Beschl. v. 27.11.2008 – 6 W 2061/08, MDR 2009, 217 = NJW-RR 2009, 721 = WM 2009, 721; OLG Rostock, Beschl. v. 5.8.2009 – 3 W 44/09, OLGR 2009, 969. 3 OLG Celle, Beschl. v. 23.12.2004 – 16 W 11/05, OLGR 2005, 295; OLG Düsseldorf, OLGR 2000, 189. 4 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.10.2001 – 5 W 642/01, MDR 2002, 379 = AGS 2002, 65 = ZMR 2002, 346 = NJW-RR 2002, 37; LG Stuttgart, Urt. v. 27.10.2006 – 27 O 356/06, FamRZ 2007, 1034: Interesse an der Aufhebung der Gemeinschaft bei Löschungsbewilligungsverlangen zur Ermöglichung der Teilungsversteigerung. 5 BGH, MDR 1967, 280; OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.7.2002 – 4 W 1675/02, KostRspr. ZPO § 3 Nr. 1048 = OLGR 2003, 79; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 unter „Hinterlegung“. 6 OLG Köln, BB 1971, 1005: 1/10. 7 Vgl. etwa LAG Düsseldorf, JurBüro 1988, 725; LAG Hamm, Beschl. v. 23.2.1989 – 8 Ta 3/89, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 957 = MDR 1989, 572; JurBüro 1990, 39; LAG Köln, Beschl. v. 26.8.1991 – 10 Ta 61/91, JurBüro 1992, 24 = MDR 1991, 1177; LAG Köln, Beschl. v. 27.7.1995 – 13 Ta 144/95, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1217. 8 LG Bayreuth, Beschl. v. 14.3.1990 – 2 O 287/90, JurBüro 1990, 772, 773. 9 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.10.1994 – 3 WF 143/94, JurBüro 1995, 254; OLG München, Beschl. v. 25.11.1994 – 16 WF 1065/94, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1198 = OLGR 1995, 72.

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Wirtschaftliche Identität

II. Rechtsmittel und Beschwer Hier wird auf Seiten des unterliegenden Beklagten darauf abzustellen sein, ob die Abgabe der Willenserklärung die rechtliche (oder wirtschaftliche) Position des Beklagten gleichermaßen beeinflusst wie die des Klägers.

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Wirtschaftliche Identität A. Allgemeines Hat die Rechtsverfolgung eine Mehrheit von Ansprüchen zum Inhalt, dann ist für eine zutreffende Bestimmung von Streit- und/oder Gegenstandswert zunächst danach zu unterscheiden, ob das Begehren nur auf verschiedene Klagegründe gestützt oder eine Mehrheit von Streitgegenständen geltend gemacht wird.

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Von rechtlicher Identität und nur einem zu bewertenden prozessualen Anspruch (Streitgegenstand) ist auszugehen, wenn das Klagebegehren auf verschiedene materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen oder auf ein (unselbständiges) Haupt- und Hilfsvorbringen gestützt wird. Sind infolge dessen verschiedene Bewertungsvorschriften anwendbar, dann bestimmt sich der Wert nach der vorrangig anwendbaren und bei gleichrangig anwendbaren nach der höchsten Bewertungsvorschrift.

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* Æ Beispiel: Der auf Herausgabe klagende Vermieter eines Wohnhauses, der zugleich Eigentümer des Hausgrundstückes ist, stützt seine Klage auf die Beendigung des Mietvertrages und auf sein Eigentum. Es handelt sich um einen Fall der rechtlichen Identität, denn der Herausgabeanspruch wird nur auf unterschiedliche materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen, hier §§ 546 Abs. 1 bzw. 985 BGB gestützt. Der Gebührenstreitwert richtet sich nach dem Wert der Jahresmiete und nicht nach dem Wert des Hausgrundstücks, da § 41 Abs. 2 GKG als speziellere Norm einer Bewertung nach § 48 GKG i.V.m. § 6 ZPO vorgeht.

Bei einer Mehrheit von prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) sind grundsätzlich einzeln zu bewerten und für die Ermittlung des Streit- und Gegenstandswertes im Regelfall zu addieren. Das folgt für den Zuständigkeitsstreitwert aus § 5 Satz 1 ZPO, für den Gebührenstreitwert aus § 39 Satz 1 GKG und für den Gegenstandswert aus § 23 RVG.

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Eine Ausnahme besteht nur für Nebenforderungen, d.h. von einer in demselben Rechtsstreit verfolgten Hauptforderung abhängige, jedoch von ihr getrennt zu berechnende Forderungen. Diese bleiben, von gesetzlich geregelten Einzelfällen (Art. 45 ScheckG und Art. 48 WG) abgesehen, bei der Bestimmung des Zuständigkeits- und Gebührenstreitwerts grundsätzlich unberücksichtigt, § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG (vgl. im Einzelnen unter dem Stichwort „Nebenforderungen“).

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Vor einer Zusammenrechnung muss jedoch geprüft werden, ob die prozessualen Ansprüche wirtschaftlich identisch sind. Denn betreffen diese „denselben Gegenstand“, weil der eine Anspruch aus dem anderen folgt, auf dasselbe (wirtschaftliche) Interesse zielt oder nur den Zweck verfolgt, den anderen Anspruch zu rechtfertigen, dann scheidet eine Zusammenrechnung der

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Wirtschaftliche Identität Einzelwerte nach einhelliger Auffassung aus.1 In diesen Fällen der wirtschaftlichen Identität bestimmt sich der Wert nach dem höherwertigeren Einzelanspruch. 6190

Der Grundsatz, dass eine Addition wirtschaftlich identischer Ansprüche oder Gegenstände unterbleibt, hat in die Wertvorschriften nur für einzelne, wenngleich wesentliche Fallgestaltungen Eingang gefunden: – für die Anträge bei der Stufenklage (§ 44 GKG), s. hierzu das Stichwort „Stufenklage“ Rn. 5049 f. – bei Haupt- und Hilfsantrag, die denselben Gegenstand betreffen (§ 45 Abs. 1 Satz 2 u. 3 GKG), s. hierzu das Stichwort „Hilfsantrag“ Rn. 3097 ff. – Klage und Widerklage betreffen, die denselben Gegenstand betreffen (§ 45 Abs. 1 Satz 2 u. 3 GKG), s. hierzu das Stichwort „Klage und Widerklage“ Rn. 3307 ff. – bei dem Zusammentreffen eines nichtvermögensrechtlichen mit einem daraus abgeleiteten vermögensrechtlichen Anspruch (§ 48 Abs. 3 GKG), s. hierzu das Stichwort „Mehrere Ansprüche“ Rn. 3651, 3662 ff. – bei wechselseitigen Rechtsmitteln, die denselben Gegenstand betreffen (§ 45 Abs. 2 GKG), s. hierzu das Stichwort „Rechtsmittel“ Rn. 4701 ff. – bei einem Prozesskostenhilfeverfahren und nachfolgender Hauptsache (Nr. 3335 Abs. 2 VV RVG)

B. Fallkonstellationen 6191

Verfolgt der Kläger bei der objektiven Klagehäufung mehrere Leistungsansprüche aus demselben Rechtsverhältnis, so scheidet eine Zusammenrechnung aus, wenn diese auf Erreichung des gleichen wirtschaftlichen Ziels gerichtet sind.

* Æ Beispiele: Der Kläger begehrt neben der Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung die Rückzahlung des aus dem Titel bereits vollstreckten Betrages.2 oder Der Käufer eines Pkw verlangt vom Verkäufer die Herausgabe des Fahrzeuges sowie die Herausgabe der Fahrzeugpapiere und Originalschlüssel.3 Trotz Mehrzahl von Anträgen geht es – wirtschaftlich betrachtet – in beiden Fällen jeweils um die dieselbe Pflicht, die Zahlung des titulierten Betrages bzw. die Verschaffung von Besitz und Eigentum am Pkw.

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Ebenso scheidet eine Zusammenrechnung der Einzelwerte aus, wenn der Kläger zugleich auf Leistung und auf Sicherung seines Leistungsinteresses klagt. In gleicher Weise ist zu bewerten, wenn neben dem Leistungsantrag vorbereitende, unterstützende oder nachbereitende Zusatzanträge gestellt werden.

* Æ Beispiele: Der Werkunternehmer klagt gegen den Auftragsgeber (und Grundstückseigentümer) auf Werklohn und Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek.4 1 2 3 4

Vgl. etwa OLG Bamberg, Beschl. v. 24.2.2010 – 6 W 3/10, juris. OLG Schleswig, JurBüro 1969, 1195. OLG Hamm, Beschl. v. 20.7.2010 – 28 U 2/10, juris. OLG Jena, Beschl. v. 18.2.2010 – 5 W 341/09, IBR 2010, 370; a.A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.12.2008 – 5 W 48/08, MDR 2009, 322: Addition.

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Wirtschaftliche Identität oder Der Verkäufer klagt auf Kaufpreiszahlung Zug um Zug gegen Übereignung der Kaufsache und auf Feststellung des Annahmeverzuges bezüglich der Gegenleistung.1 In beiden Fällen sind die nebeneinander gestellten Klageanträge – wirtschaftlich betrachtet – auf denselben Erfolg gerichtet, die Durchsetzung des Leistungsinteresses.

Wird auf Leistung und daneben auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses geklagt, scheidet Wertaddition regelmäßig aus, wenn der Leistungsanspruch aus dem festzustellenden Rechtsverhältnis resultiert. Wertbestimmend ist der regelmäßig höhere Leistungsantrag, wenn dieser die möglichen Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis abdeckt.

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* Æ Beispiel: Der Verletzte verlangt Zahlung von Schadensersatz über insgesamt 5.000 Euro und die Feststellung, dass der Zahlungsanspruch auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht. Der Anspruch auf Schadenersatz ist Folge der unerlaubten Handlung, deren Feststellung wertmäßig daher nicht über den Betrag der möglichen Ersatzansprüche hinausgehen kann. Dient doch die Feststellung ohnehin nur dazu, die Vollstreckungsmöglichkeiten auch bei einer Restschuldbefreiung nach Durchführung eines Insolvenzverfahrens zu erhalten. Ungeachtet des Streits über die Einzelbewertung derartiger Feststellungsanträge,2 beruhen doch beide Klageanträge – wirtschaftlich betrachtet – auf demselben klägerischen Interesse, dem Ausgleich erlittener Einbußen. Eine Zusammenrechnung scheidet daher aus.3

Ist die Klage (neben dem Feststellungsantrag) dagegen nur auf eine Teilleistung gerichtet oder betrifft der Feststellungsantrag ein Dauerschuldverhältnis, muss differenziert werden.

* Æ Beispiel: Der Verkäufer einer Sache klagt gegen den Käufer Feststellung eines zwischen den Parteien bestehenden Kaufvertrages und Zahlung des hälftigen Kaufpreises. Der Wert des Feststellungsantrages bemisst sich nach dem Wert des Kaufvertrages, mithin für den Verkäufer nach dem daraus resultierenden Kaufpreisanspruch, wegen der fehlenden Vollstreckbarkeit gekürzt um 20 % (s. unter „Feststellungsklage“ Rn. 2289 ff.). Da die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung den Bestand des festzustellenden Kaufvertrages voraussetzt, kommt eine Addition grundsätzlich nicht in Betracht. Der Streitwert bestimmt sich nach dem höherwertigen Leistungsantrag. Wird dagegen – wie hier – nur auf Zahlung eines Teils des Kaufpreises geklagt, beispielsweise 5.000 Euro, ist für die Bewertung der höherwertige Feststellungsantrag maßgebend. Hier muss jedoch beachtet werden, dass dieser – aufgrund der Kürzung um 20 % – das wirtschaftliche Interesse nicht vollständig abdeckt. Zum Wert des Feststellungsantrages sind daher 20 % des Leistungsantrages zu addieren. Der Streitwert beläuft sich daher auf 8.000 Euro (10.000 Euro minus 20 %) zuzüglich 1.000 Euro (20 % von 5.000 Euro), mithin auf 9.000 Euro. S. hier auch unter „Mehrere Ansprüche“ Rn. 3667. Begehrt ein Versicherungsnehmer neben Versicherungsleistungen die Feststellung, dass der Versicherungsvertrag fortbesteht, so kommt dieser aufgrund der Möglichkeit

1 KG, Beschl. v. 21.3.2005 – 8 W 65/04, MDR 2005, 898; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.7.2008 – 24 W 46/08, MDR 2009, 57 = AGS 2009, 45 = JurBüro 2009, 96; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.10.2007 – 7 W 79/07, JurBüro 2007, 648 = AGS 2008, 402; a.A. OLG Bremen, Beschl. v. 21.6.2007 – 2 U 5/07, ZGS 2007, 471: zusätzlicher Wert. 2 Vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 22.1.2009 – IX ZR 235/08, MDR 2009, 594 = AGS 2009, 342 = NJW 2009, 921 = ZIP 2009, 435 m.w.N. 3 LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.8.2009 – 5 Ta 61/09, NZI 2009, 695; a.A. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 8.10.2007 – 7 W 79/07, JurBüro 2007, 648 = AGS 200, 402.

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Wirtschaftliche Identität künftiger Versicherungsfälle eine eigene wirtschaftliche Bedeutung zu. Die jeweiligen Einzelwerte sind folglich zusammenzurechnen.1

6195

Ist die Klage gegen mehrere Beklagte gerichtet (subjektive Klagehäufung), scheidet eine Zusammenrechnung der jeweiligen Klageanträge aus, wenn diese – wirtschaftlich betrachtet – auf denselben Gegenstand gerichtet sind, etwa weil die Leistung materiell-rechtlich nur einmal verlangt werden kann.

* Æ Beispiel: Der Vermieter verklagt mehrere Mieter einer Wohnung als Gesamtschuldner auf Zahlung rückständiger Miete. Da der Gläubiger die Leistung zwar von jedem Gesamtschuldner, insgesamt jedoch nur einmal verlangen kann (§ 421 BGB), liegt wirtschaftliche Identität vor.2

6196

In gleicher Weise ist zu bewerten, wenn Klage und Widerklage „denselben Gegenstand“ betreffen. Denn der „Gegenstand“ i.S. von § 45 GKG ist nicht identisch mit dem (zweigliedrigen) Streitgegenstand des Prozessrechts.3 Hier kommt eine Wertaddition wegen wirtschaftlicher Identität nicht in Betracht, wenn der Gegenstand von Klage und Widerklage dieselbe körperliche Ausprägung findet bzw. auf dessen Wert gerichtet ist oder die Erfüllung bzw. den Bestand ein und derselben vertraglichen Leistungspflicht zum Gegenstand hat.

* Æ Beispiel: Kläger und Widerklage verlangen wechselseitig die Zustimmung zur Auszahlung eines hinterlegten Betrages.4

6197

Eine Zusammenrechnung ist dagegen geboten, wenn Klage und Widerklage trotz desselben zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses zeitlich, bezogen auf den Inhaber oder den Gesamtbetrag unterschiedliche Vermögenspositionen bzw. Ansprüche betreffen (vgl. im Einzelnen unter den Stichwort „Klage und Widerklage“ Rn. 3308 ff.).

* Æ Beispiel: Nach einem Verkehrsunfall verlangen beide Unfallbeteiligte jeweils ihren eigenen Schaden.5 oder Einer Klage auf Zahlung der restlichen Vergütung etwa wegen Rücktritts vom Vertrag wird mit einer Widerklage auf Erstattung bereits geleisteter Anzahlungen begegnet.6

1 OLG Oldenburg, Beschl. v. 29.3.2010 – 5 W 16/10, MDR 2010, 990 = VersR 2010, 1243. 2 BGH, Beschl. v. 25.11.2003 – VI ZR 418/02, BGHR 2004, 638 = MDR 2004, 406 = VersR 2004, 882 = NJW-RR 2004, 63; ebenso für Räumungsklage gegen Haupt- und Untermieter OLG Brandenburg, Beschl. v. 24.3.2010 – 3 U 146/09, juris; ebenso für Gesamtgläubigerschaft OLG Bamberg, Beschl. v. 24.2.2010 – 6 W 3/10, juris. 3 BGH, Beschl. v. 6.10.2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506 = BGHR 2005, 180; Urt. v. 28.9.19894 – XII ZR 50/94, MDR 1995, 198 = NJW 1994, 3292 = WuM 1994, 705 = ZMR 1995, 117; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.2008 – 10 W 114/08, OLGR 2009, 225 = JurBüro 2009, AGS 2009, 42 = NJW 2009, 1515. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.5.1984 – 21 W 19/84, JurBüro 1984, 1868; KG, Rpfleger 1962, 120. 5 OLG Köln, Beschl. v. 11.9.1989 – 24 W 26/89, JurBüro 1990, 241 = VersR 1991, 1429 = Kos.Rsp. GKG § 19 Nr. 153 mit Anm. Schneider. 6 OLG Bamberg, Beschl. v. 25.4.1985 – 3 W 46/85, JurBüro 1985, 1212; OLG Celle, Beschl. v. 14.11.1984 – 2 W 82/84, Nds.Rpfl. 1985, 18; OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.10.1982 – 5 W 3202/82, JurBüro 1983 105 = AnwBl. 1983, 89.

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Wohnrecht Trotz materiell-rechtlichem Gleichlauf der Entscheidung über die jeweiligen (Wider-) Klageansprüche geht es doch um unterschiedliche Vermögenspositionen, im erstgenannten Fall um die verschiedener Anspruchsinhabers und im zweitgenannten Fall um verschiedene Teile einer vereinbarten Vergütung.

Eine Vielzahl weiterer Rechtsprechungsnachweise findet sich bei den Stichwörtern „Mehrere Ansprüche“ und „Klage und Widerklage“.

6198

Wohnrecht A. Überblick Die Bewertung von (schuldrechtlichen und dinglichen) Wohnrechten ist kontrovers und vor allem undurchsichtig. Selbst im einschlägigen Schrifttum sind Unstimmigkeiten erkennbar, die irreführen können.

6199

Der Grund dafür liegt darin, dass die Änderung der Rechtslage durch die seinerzeitige Neufassung des § 16 Abs. 1 GKG a.F. (vormals § 10 GKG a.F.; jetzt § 41 Abs. 1 GKG) nicht immer hinreichend beachtet und dann ältere Judikatur kritiklos verwertet wurde.

6200

Während § 10 Abs. 1 GKG a.F. den gegenüber § 8 ZPO ermäßigten Gebührenwert nur auf streitige „Miet- oder Pachtverhältnisse“ bezog, sind durch die seinerzeitige Neufassung des Gesetzes (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) auch „ähnliche Nutzungsverhältnisse“ begünstigt worden. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte damit erreicht werden, mietähnliche Dauerwohnrechte und öffentlich-rechtliche, auf Gebrauchsüberlassung gerichtete Leistungsverhältnisse in den Anwendungsbereich des § 16 GKG a.F. (jetzt § 41 Abs. 1 GKG n.F.) einzubeziehen. Daher ist bei der Bewertung von Wohnrechten zu unterscheiden zwischen „mietähnlichen Wohnrechten“ und „sonstigen Wohnrechten“.

6201

B. Mietähnliche Wohnrechte Auf die mietähnlichen Wohnrechte ist § 41 Abs. 1 GKG anzuwenden.1

6202

Die Einräumung eines Wohnrechts in einem Testament erfolgt aufgrund Vermächtnisses.2 Ein solches Wohnvermächtnis, das in einer letztwilligen Verfügung angeordnet ist, stellt kein den Miet- oder Pachtverhältnissen „ähnliches Nutzungsverhältnis“ i.S. des § 41 Abs. 1 GKG dar.3 Das Wohnrecht selbst ist als Leihe zu qualifizieren.4 Der Streitwert bei einem Streit über ein durch Testament eingeräumtes Wohnrecht richtet sich nach § 9 ZPO und ist nach dem 3 1/2-fachen Wert des einjährigen Wertes des Wohnrechts – der zu schätzen ist – zu bestimmen.5

6203

1 OLG Frankfurt, MDR 1963, 937; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1964, 106; OLG Düsseldorf, JurBüro 1965, 550; OLG Köln, JMBl.NW 1968, 117; LG Hildesheim, JurBüro 1963, 772. 2 LG Deggendorf, Beschl. v. 22.1.2002 – 1 O 438/01, ZEV 2003, 247. 3 KG, JurBüro 1962, 294. 4 LG Deggendorf, Beschl. v. 22.1.2002 – 1 O 438/01, ZEV 2003, 247. 5 LG Deggendorf, Beschl. v. 22.1.2002 – 1 O 438/01, ZEV 2003, 247.

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Wohnrecht 6204

Bei einem Streit der Parteien darüber, ob das Wohnrecht dinglich gesichert werden soll, liegen die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 GKG ebenfalls nicht vor.1

6205

Der Streitwert einer Klage auf Löschung eines Dauerwohn- und Nutzungsrechts und auf Räumung und Herausgabe der genutzten Räume bestimmt sich nach § 41 GKG, wenn ein wiederkehrendes Entgelt für die Ausübung des Nutzungsrechts gezahlt wird.2

6206

Zwischen den Anträgen auf Verurteilung zur Löschungsbewilligung und Verurteilung zur Räumung besteht keine wirtschaftliche Identität. Die Werte beider Anträge sind demnach gem. § 5 ZPO, § 39 Satz 1 GKG; § 22 Abs. 1 RVG zusammenzurechnen.3

6207

Das streitige Wohnrecht nach § 1093 BGB ist weder ein Recht auf wiederkehrende Nutzung noch ein dem Miet- bzw. Pachtverhältnis ähnliches Nutzungsverhältnis.4 A.A. ist allerdings das OLG München,5 das das auf § 1093 BGB gestützte Wohnungsrecht als mietähnliches Dauerwohnrecht angesehen hat.

C. Sonstige Wohnrechte, insbesondere das Dauerwohnrecht 6208

Fehlt es an einem Entgelt nach Art eines Mietzinses, dann ist § 41 Abs. 1 GKG unanwendbar, weil es an einer Berechnungsgrundlage mangelt.6

6209

In diesen Fällen wird überwiegend über § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG die Regelung des § 3 ZPO als Bemessungsvorschrift herangezogen.7

6210

Der Gebührenstreitwert für eine Klage auf Räumung und Herausgabe von Räumen richtet sich nach § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO, wenn es nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Sache nach lediglich um die Beendigung einer auf tatsächlicher Gestattung beruhenden Mitbenutzung der Räume geht.8 Das gem. § 3 ZPO zu schätzende Interesse des Klägers an der Beendigung der Mitbenutzung entspricht grundsätzlich dem einjährigen fiktiven Mietzins für die vom Beklagten genutzten Räume. Geht man von einem unentgeltlichen Wohnrecht aus, ergibt sich nichts anderes, weil die überwiegende Meinung bei der Bestimmung des Gebührenstreitwerts nicht auf § 41 Abs. 2 GKG, sondern auf § 3 ZPO abstellt9 bzw. eine Mindermeinung10 für eine Räumungsklage nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft § 41 Abs. 2 GKG unmittelbar anwendet. 1 2 3 4 5 6 7

8 9 10

OLG Köln, JMBl.NW 1968, 177. OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.7.1998 – 5 W 13/98, OLGR 1999, 231. OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.7.1998 – 5 W 13/98, OLGR 1999, 231. AG Lahr, Beschl. v. 21.7.2004 – 2 C 260/03, AGS 2005, 355; a.A. OLG München, Beschl. v. 11.12.1998 – 14 W 257/98, ZMR 1999, 173. OLG München, Beschl. v. 11.12.1998 – 14 W 257/98, ZMR 1999, 173. LG Lübeck, JurBüro 1959, 430; OLG Frankfurt, OLGR 1995, 132. OLG Schleswig, SchlHA 1950, 261, 292; OLG Düsseldorf, JMBl.NW 1951, 117; OLG Frankfurt, MDR 1957, 506 u. 1963, 937; OLGR 1995, 132; KG, JurBüro 1967; 294; OLG Braunschweig, Rpfleger 1964, 97 zu ZPO §§ 3, 9; OLG Köln, JMBl.NW 1968, 177; BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1147 = WM 1994, 181 = NJW-RR 1994, 909 – zur Beschwer, wenn es nur um den Umfang eines unstreitigen Wohnrechts geht. OLG Frankfurt/M., OLGR 2009, 930 = AGS 2009, 499. OLG Braunschweig, NZM 2008, 423; OLG Naumburg, OLGR 2001, 131. OLG Jena, OLGR 1997, 363; Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., § 41 GKG Rn. 14.

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Wohnrecht Allerdings besteht keine Einigkeit darüber, woran sich die Bewertung nach freiem Ermessen gem. § 3 ZPO orientieren soll.

6211

Der BGH tendiert zu einer entsprechenden Anwendung des § 24 Abs. 2 KostO und hält § 9 ZPO für nicht anwendbar.1 Das ist richtig, weil es beim unentgeltlichen Dauerwohnrecht nicht um ein Recht auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen i.S. des § 9 ZPO geht, sondern um ein dauerndes Recht, welches nicht periodisch strukturiert ist. Ferner fehlt es an der Entgeltlichkeit der Nutzung. Die Vorschriften der § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) und § 9 ZPO betreffen Miet-, Pacht- und ähnliche Nutzungsverhältnisse und sind insofern unanwendbar. Diese Auffassung wird auch von der überwiegenden Rechtsprechung vertreten.2 Bei der Bewertung ist demnach vom Wert des Wohnrechts auszugehen. Zur Ermittlung des Gesamtwerts des Rechts ist vom Monatswert der Jahreswert zu ermitteln und mit einem Faktor zu vervielfältigen, der aus einer entsprechenden Anwendung der Tabelle in § 24 Abs. 2 KostO zu entnehmen ist. Abzustellen ist insoweit auf das Alter des Beklagten im für die Bewertung maßgeblichen Zeitpunkt des Eingangs der Klage (§ 4 Abs. 1 ZPO, § 12 Abs. 1 GKG).

6212

Sehr weitergehend ist dabei das OLG Düsseldorf, das den Wert eines unentgeltlichen lebenslangen Wohnungsrechts nach dem 11-fachen Betrag der einjährigen Nutzung bemisst.3

6213

Nach anderer Auffassung4 hat sich die Bemessung des Streitwerts im Rahmen des § 3 ZPO an § 16 GKG a.F. in analoger Anwendung zu orientieren.

6214

Das OLG München5 und das OLG Frankfurt/M.6 haben für die Schätzung nach § 3 ZPO die Vorschrift des § 9 ZPO als Anhalt genommen. Ebenso ist das OLG Celle7 bei der Bewertung einer negativen Feststellungsklage verfahren, nach der der Mieter nicht zur unentgeltlichen Nutzung der Wohnung auf Lebenszeit berechtigt sei.

6215

Andere haben die Vorschrift des § 41 GKG (§ 16 GKG a.F.) als maßgeblich angesehen,8 verkennend, dass es nicht um ein Recht auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen i.S. des § 9 ZPO geht, sondern um ein dauerndes Recht, welches nicht periodisch strukturiert ist. Ohnehin fehlt es an der Entgeltlichkeit der Nutzung.

6216

Wird ein Dauerwohnrecht nach §§ 31 ff. WEG dergestalt begründet, dass der Berechtigte wirtschaftlich eine Stellung gewinnt, die derjenigen eines Eigen-

6217

1 BGH, NJW-RR 1994, 909; Beschl. v. 23.9.1992 – XII ZR 33/92, juris; OLG Braunschweig, Urt. v. 29.4.1999 – 2 U 2/99, n.v.; OLG Braunschweig, Beschl. v. 19.10.1988 – 2 W 139/88, n.v. 2 OLG Schleswig, SchlHA 1950, 261; AnwBl. 1967, 233; LG Lübeck, JurBüro 1959, 430; OLG Köln, JMBl.NW 1968, 177; JurBüro 2006, 477; LG Heidelberg, KostRsp. GKG § 16 Nr. 34 = AnwBl. 1984, 373; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.8.1996 – 9 W 63/96, AGS 1997, 4; OLG Braunschweig, AGS 2008, 299. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.8.1996 – 9 W 63/96, AGS 1997, 4. 4 OLG Naumburg, Beschl. v. 6.4.2000 – 13 W 14/00, juris; OLG Dresden, Beschl. v. 2.4.2003 – 11 W 408/03, juris. 5 OLG München, JurBüro 1951, 101. 6 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 12.5.2006 – 19 W 16/06. 7 OLG Celle, JurBüro 1966, 427. 8 OLG Frankfurt/M., MDR 1963, 937; OLG Stuttgart, ZMR 1963, 32; LG Bayreuth, KostRsp. GKG § 16 Nr. 15 = JurBüro 1981, 756.

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Wohnrecht tümers entspricht, dann ist nach AG Frankfurt1 die Sondervorschrift des § 41 Abs. 1 GKG unanwendbar. Ein solches Nutzungsverhältnis hat keinen mietähnlichen Charakter mehr, sodass Besitzstreitigkeiten nach § 6 ZPO zu bewerten sind. 6218

Das AG Frankfurt a.a.O. nimmt entsprechend der noch herrschenden Meinung an, § 6 ZPO spreche zwar nur vom Besitz, gelte aber erst recht für Streitigkeiten über das Eigentum. Gerade dies ist zweifelhaft.2

6219

Begehrt ein Grundstückseigentümer die Herausgabe eines im Anbau seines Hausanwesens befindlichen Raumes und ist zwischen den Parteien streitig, ob sich ein dem Beklagten zustehendes dingliches Wohnrecht auf den streitgegenständlichen Raum erstreckt, ist der Streitwert nach freiem Ermessen (§ 3 ZPO) zu bestimmen. Es liegt weder eine Grunddienstbarkeit noch ein Mietbzw. Pachtverhältnis vor, sodass weder § 9 ZPO noch § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 GKG a.F.) direkt anwendbar sind. Das streitige Wohnrecht nach § 1093 BGB ist weder ein Recht auf wiederkehrende Nutzung noch ein dem Miet- bzw. Pachtverhältnis ähnliches Nutzungsverhältnis.3

6220

In der neueren Rechtsprechung wird der Gedanke des § 41 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) dagegen häufig im Rahmen der Ermessensausübung nach § 3 ZPO herangezogen.

6221

Der Streitwert einer Klage auf Löschung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit (Wohnrecht) und die Klage auf Räumung dieser Wohnung ist jeweils der Wohnwert bezogen auf ein Jahr; § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) analog.4

6222

Der Gebührenstreitwert einer Klage auf Zustimmung zur Löschung eines im Grundbuch eingetragenen dinglichen Wohnrechts richtet sich nach dem Löschungsinteresse des Klägers. Sofern das dingliche Wohnrecht nicht einem mietähnlichen Dauerwohnrecht gleichkommt, ist das Löschungsinteresse in Anlehnung an § 9 ZPO zu schätzen.5 Danach ist der 3 1/2-jährige Bezug des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen und Leistungen maßgeblich.

6223

Im Zusammenhang mit Streitigkeiten um beschränkte persönliche Dienstbarkeiten in Gestalt von Wohnrechten ist § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 GKG a.F.) entsprechend anzuwenden, sodass für den Gegenstandswert die fiktive Jahresmiete maßgeblich ist.6

6224

Bei einer Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Wohnrechts ist der Gebührenstreitwert gem. § 3 ZPO zu schätzen, wobei der Rechtsgedanke des § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG a.F.) zu berücksichtigen ist. Daher ist als 1 AG Frankfurt, Urt. v. 28.2.1983 – 30 C 4003/83, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 102 mit Anm. E. Schneider = AnwBl. 1984, 449. 2 OLG München, Beschl. v. 18.1.1983 – 24 W 232/82, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 96 mit Anm. E. Schneider = JurBüro 1983, 1393; OLG Celle, Beschl. v. 29.4.1983 – 14 U 15/ 83, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 97 mit Anm. E. Schneider = Nds.Rpfl. 1983, 184 = JurBüro 1983, 1391; s. dazu das Stichwort „Auflassung“ Rn. 476 ff. 3 AG Lahr, Beschl. v. 21.7.2004 – 2 C 260/03, AGS 2005, 355; a.A. OLG München, Beschl. v. 11.12.1998 – 14 W 257/98, ZMR 1999, 173. 4 OLG Dresden, Beschl. v. 2.4.2002 – 11 W 408/03, juris. 5 BGH, NJW-RR 1994, 909; Beschl. v. 23.9.1992 – XII ZR 33/92, juris; OLG Frankfurt/ M., ZAP EN-Nr. 678/2006. 6 OLG Dresden, Beschl. v. 2.4.2002 – 11 W 408/03, juris.

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Wohnrecht Streitwert die jährlich zu erzielende Miete abzüglich eines Festsetzungsabschlags von 20 % festzusetzen.1 Der Gebührenstreitwert einer Klage auf Herausgabe eines Grundstücks bestimmt sich bei einem nicht mietrechtlich ausgestalteten Wohnrecht nach § 3 ZPO. Im Rahmen dieser Wertfestsetzung finden die Grundsätze der §§ 48 Abs. 1, 41 Abs. 1 GKG (§ 16 GKG a.F.) Anwendung.2

6225

Gleiches gilt, wenn es nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Sache nach lediglich um die Beendigung einer auf tatsächlicher Gestattung beruhenden Mitbenutzung der Räume geht.3 Dann ist für die Wertbestimmung nicht § 6 ZPO maßgeblich. Die Vorschrift ist anwendbar bei Streitigkeiten, deren Gegenstand der Besitz einer Sache ist. Ein bloßes (unentgeltliches) Recht einer gemeinsamen, aber im Alleineigentum eines Partners stehenden Wohnung beruht grundsätzlich auf dessen tatsächlicher Gestattung und fällt nicht unter § 6 ZPO.4 Der Mitbenutzer der Räume ist in einem solchen Fall regelmäßig nur Besitzdiener, weil persönliche und wirtschaftliche Leistungen nicht aufgrund von wechselseitig abgeschlossenen Verträgen erbracht werden.5 Für die Bemessung des Gebührenstreitwerts ist auch nicht § 41 Abs. 2 GKG maßgeblich. Denn die Räumung wird nicht wegen Beendigung eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Nutzungsverhältnisses verlangt, wenn nach der Klagebegründung kein rechtsgeschäftlich begründetes Besitzverhältnis, sondern nur eine tatsächlich geduldete Mitbenutzung von Räumen zugrunde liegt. Beim Streit um ein unentgeltliches dingliches Wohnrecht ist nach OLG Frankfurt/M.6 der Streitwert nicht nach § 41 Abs. 1 GKG (§ 16 Abs. 1 GKG), sondern vielmehr nach § 3 ZPO zu bestimmen und zwar gerade auch dann, wenn der Streit der Parteien nicht um das Bestehen des Wohnrechts selbst geht, sondern nur die Frage betrifft, ob es grundbuchlich zu wahren ist. Im Rahmen des § 3 ZPO sei dann wiederum hinsichtlich des Interesses des Klägers zu berücksichtigen, dass er an der grundbuchlichen Sicherung eines unentgeltlichen Wohnrechts ein höheres Interesse hat als an der eines entgeltlichen, denn es bringt ihm größere wirtschaftliche Vorteile, weshalb der Gegenstandswert den als untere Grenze zu betrachtenden einfachen Jahresmietwert deutlich zu überschreiten hat.7

6226

Andererseits – so das OLG Frankfurt/M. weiter – müsse gerade bei Wohnrechten der in § 41 Abs. 1 GKG (16 Abs. 1 GKG) ausgeprägte soziale Schutzzweck – keine Rechtswegschranke durch kostentreibende Streitwerte im Streit um Wohnraum – auch im Rahmen des § 3 ZPO mitberücksichtigt werden. Als oberer Streitwertrahmen sei daher der fünffache Jahresmietbetrag anzunehmen. Innerhalb des so gesetzten Spielraums ist der doppelte Jahresmietwert als Streitwert anzunehmen, wenn es nur um die Grundbucheintragung des ansonsten unbestrittenen unentgeltlichen Wohnrechts geht.

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1 2 3 4

OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 10.9.2002 – 24 W 28/02, NZM 2002, 1046. OLG Naumburg, Beschl. v. 6.4.2000 – 13 W 14/00, AGS 2001, 159 = OLGR 2001, 131. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 27.5.2009 – 19 W 28/09, AGS 2009, 499. Hillach/Rohs, Streitwertkommentar, 9. Aufl., § 40 I c; Anders/Gehle/Kunze, Streitwertkommentar, 4. Aufl., S. 81, jeweils m.w.N. 5 BGH, NJW 2008, 443; 2008, 2334, 2335; 2008, 1959. 6 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 29.3.1995 – 19 W 8/95, OLGR 1995, 132. 7 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 29.3.1995 – 19 W 8/95, OLGR 1995, 132.

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Wohnung 6228

Als Belastung bleibt ein lebenslanges Wohnrecht bei der Berechnung des Gebührenstreitwerts einer Klage auf Herausgabe eines Hausgrundstücks außer Betracht.1

Wohnung 6229

Zu Streitwertfragen betreffend Mietwohnungen s. das Stichwort „Mietstreitigkeiten“. Zu Fragen betreffend die Herausgabe und Zuweisung der Ehewohnung s. die Stichwörter im FamFG-Teil „Ehewohnungssachen“ und „Verbundverfahren“.

Wohnungsbesetzungsrecht 6230

Wonach der Wert des Wohnungsbesetzungsrechts zu bemessen ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. Einigkeit besteht nur insoweit, dass sich der Wert solcher Dienstbarkeiten nicht nach den §§ 22, 24 KostO bestimmt, sondern seine Grundlage in § 30 KostO findet.2 Streitig ist aber, wie die Wertbemessung innerhalb dieses gesetzlichen Anwendungsbereichs zu erfolgen hat.

6231

Vertreten werden drei Auffassungen: – Das KG3 und das OLG Braunschweig4 gehen von § 30 Abs. 1 KostO aus und wollen auf den Nutzungs(miet-)wert abstellen.Dabei greift das KG5 allerdings mangels geeigneter Anknüpfungspunkte letztlich doch wieder auf § 30 Abs. 2 KostO zurück. Das OLG Braunschweig6 nimmt 20 % des Nutzungs(miet-)werts der von der Dienstbarkeit betroffenen Wohnungen an (entsprechend § 24 KostO). – Nach anderer Auffassung ist zwar auch auf § 30 Abs. 1 KostO abzustellen, jedoch nicht auf den Mietwert der Wohnungen, sondern als Anhaltspunkt der Aufwendungszuschuss – entweder als Darlehn oder als verlorener Zuschuss – heranzuziehen und hiervon einen Bruchteil bei der Wertfestsetzung zugrunde zu legen. Das AG Remscheid/LG Wuppertal7 sowie das OLG Düsseldorf8 haben insoweit einen Anteil von 15 % des Darlehensbetrags als angemessen angesehen, und dabei berücksichtigt, dass das Besetzungsrecht 15 Jahre lang bestehen sollte und ein solcher Zeitraum einem Anteil von 1 2 3 4 5 6 7

AG Kenzingen, Urt. v. 14.1.1997 – C 463/96, AnwBl. 1997, 286. KG, DNotZ 1969, 49 ff.; BayObLG, Rpfleger 1985, 330. KG, Beschl. v. 20.5.1968 – 1 W 534/68, Rpfleger 1968, 370. OLG Braunschweig, Beschl. v. 6.2.1961 – 2 W 158/60. KG, Beschl. v. 20.5.1968 – 1 W 534/68, Rpfleger 1968, 370. OLG Braunschweig, Beschl. v. 6.2.1961 – 2 W 158/60. AG Remscheid, Beschl. v. 18.2.1991 – 18 RS 16885, JurBüro 1991, 1665; LG Wuppertal, Beschl. v. 14.6.1991 – 6 T 360/91, JurBüro 1991, 1665. 8 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.10.1991 – 3 Wx 286/91, Rpfleger 1992, 177 = JurBüro 1992, 482; AG Remscheid, Beschl. v. 18.2.1991 – 18 RS 16885, JurBüro 1991, 1665; LG Wuppertal, Beschl. v. 14.6.1991 – 6 T 360/91, JurBüro 1991, 1665; OLG Oldenburg, Beschl. v. 1.9.1994 – 1 W 66/94, KostRsp. KostO § 30 Nr. 87 = JurBüro 1995, 97.

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Kurpat

Wohnungsbesetzungsrecht (bis zu) 15 % der Gesamtnutzungsdauer eines Neubaus entspricht, die üblicherweise mit 100 Jahren angesetzt wird. Das LG Bonn1 und das OLG Oldenburg2 legen den Wert des Wohnungsbesetzungsrechts mit 20 % des Darlehensbetrags fest, weil das Darlehen das öffentliche Interesse an der Beschaffung des betroffenen Wohnraums widerspiegele. – Nach einer dritten Ansicht fehlt es in solchen Fallgestaltungen regelmäßig an genügend konkreten Anhaltspunkten für eine Schätzung, sodass auf den Regelgeschäftswert gem. § 30 Abs. 2 KostO zurückzugreifen sei.3 Wenn es sehr wahrscheinlich ist, dass das Besetzungsrecht nur noch für zwei Wohnungen praktisch werden wird, muss die Streitwertberechnung niedrig ausfallen. Angenommen wurde in diesem Fall ein Wert von 2.500 DM.4 Nach Auffassung des OLG München5 ist der Geschäftswert für die Eintragung dieses Rechts nach § 30 Abs. 2 KostO regelmäßig auf 3.000 Euro festzusetzen, wenn die Eintragung eines Wohnungsbesetzungsrechts nicht im Zusammenhang mit der Gewährung eines Aufwendungszuschusses oder eines zinsverbilligten Darlehens oder der Verpflichtung zur verbilligten Vermietung der Wohnung steht. Jedoch können hohe Grundstückswerte bei der Frage der Erhöhung nach § 30 Abs. 2 Satz KostO mit einer angemessenen Quote berücksichtigt werden. Letztlich ist nach richtiger Auffassung des OLG München6 zu unterscheiden, ob für die Gewährung des Wohnungsbesetzungsrechts ein Aufwendungszuschuss oder ein Darlehen günstiger gewährt wird als zu Marktbedingungen. Ist das der Fall, kann der Wert der Gegenleistung (Zuschuss bzw. Zinsvergünstigung) ohne Weiteres nach § 30 Abs. 1 KostO geschätzt werden. Gleiches kann gelten, wenn der Grundstückseigentümer verpflichtet ist, zu einem unter der Vergleichsmiete liegenden Mietzins die Wohnung anzubieten. In anderen Fällen ist § 30 Abs. 2 KostO anzuwenden, da hier regelmäßig keine genügenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Schätzung vorliegen. Der kapitalisierte Mietwert oder der Grundstückswert als solcher bietet keinen genügenden tatsächlichen Anhaltspunkt zur Schätzung, da diese durch das Wohnungsbesetzungsrecht nicht beeinflusst werden. Bei der Bewertung nach § 30 Abs. 2 KostO ist von einem Regelwert von 3.000 Euro auszugehen, wobei allerdings nach der Lage des Falles ein höherer oder niedrigerer Betrag, höchstens jedoch 500.000 Euro angenommen werden kann (§ 30 Abs. 2 Satz 2 KostO). Hierbei kann dann auch der Grundstückswert einfließen, da bei einem Verkauf das Bestehen des Wohnungsbesetzungsrechts den Kaufpreis allein schon wegen dessen Lästigkeit für den Erwerber beeinflussen kann.7

1 LG Bonn, Beschl. v. 30.8.2001 – 4 T 579/00, Rpfleger 2001, 621. 2 OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.3.1997, NdsRpfl 1997, 157 = JurBüro 1997, 485. 3 OLG Oldenburg, Beschl. v. 9.12.1993 – 5 W 140/93, KostRsp. KostO § 30 Nr. 86 = JurBüro 1994, 619 = Nds.Rpfl. 1994, 65 = OLGR 1994, 445 = Rpfleger 1994, 273; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Wohnungsbesetzungsrecht“. 4 OLG Nürnberg, Beschl. v. 5.12.1958 – 4 W 184/58, JurBüro 1960, 168. 5 OLG München, Beschl. v. 20.9.2007 – 32 Wx 138/07, Rpfleger 2008, 159. 6 OLG München, Beschl. v. 20.9.2007 – 32 Wx 138/07, Rpfleger 2008, 159. 7 OLG München, Beschl. v. 20.9.2007 – 32 Wx 138/07, Rpfleger 2008, 159.

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Wohnungseigentum

Wohnungseigentum Literatur: Bärmann/Seuß, Praxis des Wohnungseigentums, 5. Aufl., 2010; Hügel/Scheel, Rechtshandbuch Wohnungseigentum, 3. Aufl. 2011; Jennißen, WEG, 2. Aufl. 2010; Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl. 2010; Timme, WEG, 1. Aufl. 2010. Gliederungsübersicht Rn. A. Einleitung . . . . . . . . . . . . 6233 B. Zuständigkeitsstreitwert . . . . 6235 C. Gebührenstreitwert I. Allgemeines . . . . . . . . . . . II. Prüfungsfolge 1. Überblick . . . . . . . . . . . . 2. Bezifferte Klagen . . . . . . . . . 3. Unbezifferte Klagen . . . . . . . 4. Übersicht: Prüfungsreihenfolge . a) Ermittlung des „Normalstreitwerts“ . . . . . . . . . .

6237 6240 6250 6252 6254 6255

Rn. b) Ermittlung des „Mindeststreitwerts“ . . . . . . . . . c) Ermittlung des „Höchststreitwerts“ . . . . . . . . . d) Ermittlung des „absoluten Höchststreitwerts“ . . . . . e) Fälle des § 49a Abs. 2 GKG III. Streitwert-ABC . . . . . . . .

. 6258 . 6261 . 6265 . 6266 . 6270

D. Rechtsmittelstreitwert, Wert des Beschwerdegegenstandes, Beschwer . . . . . . . . . . . . . 6398

A. Einleitung 6233

Seit Inkrafttreten des Reformgesetzes vom 26.3.2007 (BGBl. I, 370) mit Wirkung zum 1.7.2007 ist nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 43 ff. WEG grundsätzlich die Zivilprozessordnung (ZPO) auf Wohnungseigentumsstreitigkeiten anwendbar (§ 3 Abs. 1 EGZPO). Der Gesetzgeber sah keinen Grund mehr für ein von den allgemeinen Vorschriften der ZPO abweichendes Wohnungseigentumsverfahren.

6234

Ein besonderes „Wohnungseigentumsgericht“ gibt es daher nicht mehr.1 Wohnungseigentumsstreitigkeiten sind nunmehr gewöhnliche Zivilprozesse, für die der Gesetzgeber nur die örtliche und sachliche Zuständigkeit und teilweise den Instanzenzug besonders geregelt hat.2 Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Bemessung des Streitwerts, wobei die Rechtsprechung in den nächsten Jahren noch vieles klären muss.

B. Zuständigkeitsstreitwert 6235

Der Zuständigkeitsstreitwert ist gem. §§ 23, 71 GVG für die Abgrenzung der sachlichen Zuständigkeit zwischen Amtsgericht und Landgericht maßgeblich. Seine Festlegung erfolgt ausschließlich nach §§ 3 bis 9 ZPO. Nach §§ 23 Nr. 2 Buchst. c, 71 Abs. 2 GVG sind alle Streitigkeiten innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft gem. § 43 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 WEG, die so genannten Binnenstreitigkeiten, streitwertunabhängig den Amtsgerichten zugewiesen. Es handelt sich um eine ausschließliche Zuständigkeit. Bewertungsprobleme stellen sich insoweit also nicht. 1 OLG München, Beschl. v. 24.6.2008 – 31 AR 74/08, NZM 2008, 777 = WuM 2008, 426 = NJW-RR 2008, 1466 = MietRB 2008, 302. 2 Bärmann/Seuß/Bonifacio, § 43 Rn. 46.

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Wohnungseigentum Demgegenüber richtet sich die Zuständigkeit gem. § 23 Nr. 1 GVG für die in § 43 Nr. 5 WEG geregelten wohnungseigentumsbezogenen sog. Drittklagen nach dem Streitwert. Das Amtsgericht ist für einen Streitwert bis 5.000 Euro zuständig (§ 23 Nr. 1 GVG), andernfalls ist das Landgericht zuständig (§ 71 Abs. 1 GVG). Es handelt sich hierbei nicht um ausschließliche Zuständigkeiten. Für diese Klagen besteht nur eine spezielle ausschließliche örtliche Zuständigkeit gem. § 43 Nr. 5 WEG.

6236

C. Gebührenstreitwert I. Allgemeines In Wohnungseigentumsverfahren regelt sich der Gebührenstreitwert nun nach der Sondervorschrift des § 49a GKG, der sich nach der amtlichen Überschrift auf „Wohnungseigentumssachen“ bezieht. Hierunter fallen jedenfalls die Binnenstreitigkeiten nach § 43 Nr. 1–4 WEG.1 Ungeklärt ist, ob auch die wohnungseigentumsbezogenen Drittklagen gem. § 43 Nr. 5 WEG erfasst sind2 oder ob insoweit die allgemeinen Vorschriften gelten.3

6237

Nach diesseitiger Auffassung fallen auch Streitigkeiten gem. § 43 Nr. 5 WEG unter die Sondervorschrift. Bereits aus der Überschrift „Wohnungseigentumssachen“ ist erkennbar, dass der Gesetzgeber aus Vereinfachungsgründen den Gebührenstreitwert einheitlich regeln wollte. Dementsprechend sollte dem Verwalter nach §§ 27 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 WEG auch in Streitigkeiten gem. § 43 Nr. 5 WEG die Befugnis eingeräumt werden, einen höheren als den gesetzlichen Streitwert zu vereinbaren.4

6238

Für Verfahren, die am 1.7.2007 anhängig waren, bleibt es beim bisherigen Rechtszustand, § 62 WEG.5

6239

II. Prüfungsfolge 1. Überblick Die Sondervorschrift des § 49a GKG soll für eine klare Streitwertvorgabe sorgen,6 ist aber in der Handhabung kompliziert und erfordert eine mehrstufige Prüfung.

6240

Ausgangspunkt der Überlegung ist, dass der Gesetzgeber mit § 49a GKG einen Ausgleich schaffen wollte zwischen dem Wert des Streitgegenstandes und dem Gesamtinteresse der Beteiligten, ohne einen Wohnungseigentümer wegen der Höhe der Kosten davon abzuhalten, Beschlüsse gerichtlich überprüfen zu lassen. Im Grundsatz soll der kollektiv berechnete Gebührenstreitwert gem. § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG pauschal um die Hälfte reduziert werden.

6241

1 2 3 4 5

Jennißen/Suilmann, § 49a GKG, Rn. 1; Einsiedler, ZMR 2008, 765, 770. So Bärmann/Seuß/Bergerhoff, F. Rn. 317; Abramenko, AGS 2007, 281. So Prütting/Gehrlein/Gehle, § 3 Rn. 258. So in Bärmann/Seuß/Bergerhoff, F. Rn. 317. Zur entspr. Anwendung des § 49a GKG auf Altfälle, vgl. OLG Köln, Beschl. v. 2.2.2007 – 16 Wx 256/06, NJW 2007, 1759 = MietRB 2007, 177; ähnlich OLG Hamm, Beschl. v. 3.1.2008 – 15 W 240/07, MietRB 2008, 335 = ZMR 2009, 58. 6 BT-Drs. 16/887 S. 41.

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Wohnungseigentum 6242

Der so errechnete Gebührenstreitwert stellt dann den „Normalstreitwert“ im Wohnungseigentumsprozess dar. Dieser Normalstreitwert ist sowohl nach unten als auch nach oben gebührenrechtlich „abgesichert“.

6243

Gem. § 49a Abs. 1 Satz 2, 3 GKG darf der Normalstreitwert das Interesse des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen an der Entscheidung nicht unterschreiten (Absicherung nach unten durch Erfassung eines „Mindeststreitwerts“).

6244

Umgekehrt darf der Normalstreitwert das Fünffache des Wertes ihres Interesses nicht überschreiten und in keinem Fall den Verkehrswert des Wohnungseigentums des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen übersteigen.

6245

Grundlage ist ein komplexes Stufensystem, das für den Gebührenstreitwert in Wohnungseigentumssachen danach unterscheidet, ob es sich um einen bezifferten Anspruch handelt, ob ein Wohnungseigentümer oder mehrere gegen die anderen Wohnungseigentümer klagen oder ob sich eine Klage gegen einen oder mehrere Wohnungseigentümer richtet.1

6246

Geht es um bezifferbare Ansprüche, ist § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO anwendbar, auch wenn dies entgegen der ursprünglich vom Bundesrat2 angedachten klarstellenden Formulierung („soweit die Klage keine bezifferte Geldforderung betrifft“) nicht eindeutig aus dem Wortlaut des § 49a GKG hervorgeht. Allerdings ist kein Grund ersichtlich, das WEG-Verfahren in einem solchen Fall anders als einen normalen Zivilprozess zu behandeln.

6247

Demnach ergeben sich etwa bei einer Klage der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen einen Wohnungseigentümer auf Zahlung rückständigen Wohngeldes keine gebührenrechtlichen Besonderheiten. Der Streitwert wird hier durch die Höhe der Klageforderung bestimmt.

6248

Ebenso wenig ist § 49a GKG bei einem Mahnverfahren nach § 43 Nr. 6 WEG anwendbar, weil es dort wegen § 688 Abs. 1 ZPO um bestimmte und deshalb bezifferte Geldansprüche geht.3

6249

Handelt es sich um Klagen eines Wohnungseigentümers oder mehrerer Wohnungseigentümer gegen die anderen Wohnungseigentümer, kommt § 49a Abs. 1 GKG zur Anwendung („Klage gegen Alle“), während § 49a Abs. 2 GKG einschlägig ist, wenn ein Wohnungseigentümer oder mehrere verklagt werden („Klage gegen Einzelne“). Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Absätzen des § 49a GKG besteht darin, dass für den letztgenannten Fall des § 49a Abs. 2 GKG keine Streitwertgrenze nach unten, kein sog. Mindeststreitwert, geregelt ist. 2. Bezifferte Klagen

6250

Bei bezifferten Klagen in Wohnungseigentumssachen richtet sich der Gebührenstreitwert nach § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Maßgeblich ist allein die Höhe der verlangten Forderung, nicht ein bestimmtes individuelles Interesse der Beteiligten. 1 Vgl. Timme/Elzer, § 43 WEG Rn. 201. 2 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 16/887, S. 53. 3 Briesemeister, NZM 2007, 345, 347.

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Wohnungseigentum

* Æ Beispiel: Der Verband nimmt den Verwalter aufgrund eines entsprechenden Beschlusses der Eigentümerversammlung auf Schadensersatz i.H.v. 1.860 Euro wegen einer Verletzung des Verwaltervertrages in Anspruch, weil der Verwalter es schuldhaft versäumt habe, Baumängel rechtzeitig vor Ablauf der Gewährleistungsfrist zu erkennen und die Gemeinschaft auf den drohenden Ablauf der Gewährleistungsfrist hinzuweisen und eine Entscheidung der Wohnungseigentümerversammlung über das weitere Vorgehen herbeizuführen. Der Streitwert beträgt 1.860 Euro. Überlegungen zu den weiteren Interessen der Beteiligten bedarf es nicht.

Andere bezifferte Klagen sind beispielsweise Schadenersatzklagen gegen einen Wohnungseigentümer oder gegen den Verband. Praxisrelevant ist auch die Klage des Verbandes gegen einen Wohnungseigentümer auf Zahlung rückständigen Wohngeldes und des Saldos aus einer Jahresabrechnung.

6251

3. Unbezifferte Klagen Bei unbezifferten Klagen ist § 49a GKG einschlägig. Danach müssen zur Bestimmung des Streitwerts unterschiedliche Werte ermittelt werden. Zunächst ist das Interesse der Parteien und aller Beigeladenen an der Entscheidung zu bestimmen. Danach muss das Interesse des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen, und letztlich der Verkehrswert des Wohnungseigentums festgestellt werden.

6252

Zwar erscheint die Anknüpfung an den Verkehrswert kein geeignetes Mittel der Streitwertbestimmung zu sein; allerdings dürfte die praktische Bedeutung aufgrund der zweifachen Begrenzung des sog. Höchststreitwerts gem. § 49a Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 3 GKG gering bleiben.

6253

4. Übersicht: Prüfungsreihenfolge 1. Ermittlung des „Normalstreitwerts“ Ermittlung des Gesamtinteresses aller an dem Verfahren Beteiligten und Begrenzung dieses Interesses auf 50 % (§ 49a Abs. 1 Satz 1 GKG) 2. Ermittlung des „Mindeststreitwerts“ (§ 48 Abs. 2 Satz 2 GKG) Festlegung des Interesses des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen als Untergrenze 3. Ermittlung des „Höchststreitwerts“ (§ 49a Abs. 1 Satz 2 GKG) Begrenzung des Interesses des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen auf das Fünffache als Obergrenze (= 5-facher „Mindestwert“) 4. Ermittlung des „absoluten Höchststreitwerts“ (§ 49a Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 GKG) Begrenzung des Streitwerts auf den Verkehrswert des Wohnungseigentums als weitere Obergrenze (§ 49a Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 GKG) 5. Fälle des § 49a Abs. 2 GKG („Klage gegen Einzelne“) Festlegung des Interesses der Beklagten und der auf ihrer Seite Beigetretenen; Begrenzung nach dem „Höchststreitwert“ und dem „absoluten Höchststreitwert“.

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Wohnungseigentum a) Ermittlung des „Normalstreitwerts“ 6255

Bei einer unbezifferten „Klage gegen alle“1 in Wohnungseigentumssachen nach § 43 WEG ist der Streitwert gem. § 49a Abs. 1 Satz 1 WEG grundsätzlich auf 50 % des Interesses der Parteien, aller beigeladenen Wohnungseigentümer und – soweit dieser betroffen ist – des Interesses des Verwalters an der Entscheidung zu bemessen.

6256

Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, auf das geringere Interesse der einzelnen Partei abzustellen, um die Wohnungseigentümer anzuhalten, die über ihr subjektives Interesse hinausgehende Wirkung des Verfahrens auf die anderen Beteiligten zu bedenken und von einer leichtfertigen Klage abzusehen.2

6257

Praxisrelevante Fälle des § 49a Abs. 1 Satz 1 WEG sind vor allem Anfechtungsklagen nach § 46 WEG sowie Klagen gem. §§ 15 Abs. 3, 21 Abs. 4 und Abs. 8 WEG. b) Ermittlung des „Mindeststreitwerts“

6258

In einem zweiten Schritt ist der Mindeststreitwert zu ermitteln und dieser mit dem Normalstreitwert zu vergleichen. Denn der Normalstreitwert darf das Interesse der Klageparteien und der auf ihrer Seite Beigetretenen an der Entscheidung (= Mindeststreitwert nach § 49a Abs. 1 Satz 2, Fall 1 GKG) nicht unterschreiten.

6259

Liegt der Normalstreitwert über dem Mindeststreitwert, verbleibt es für die weitere Prüfung bei dem Normalstreitwert. Liegt der Normalstreitwert unter dem Mindeststreitwert, bildet letzterer die Grundlage der weiteren Prüfung.

6260

Die Fälle, in denen der Normalstreitwert durch den Mindeststreitwert verdrängt wird, werden in der Praxis eher selten sein. In Betracht kommt insbesondere eine Beschlussanfechtung durch einen Mehrheitseigentümer, dem kein anderer Wohnungseigentümer beitritt. Geht es etwa um die Anfechtung eines Jahresabrechnungsbeschlusses, bemisst sich der Normalstreitwert nach der Hälfte des Betrages derselben. Dieser Betrag liegt bei einem Mehrheitseigentümer jedoch unter dem Mindeststreitwert, der sich ja nach dem (über 50 %) liegenden Individualinteresse des Klägers richtet.3 c) Ermittlung des „Höchststreitwerts“

6261

Bildet der Normalstreitwert den Vergleichsmaßstab, wird dieser durch den sodann zu ermittelnden „Höchststreitwert“ nach § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG begrenzt. Der Höchststreitwert in diesem Sinne ist der 5-fache Wert des für die Klagepartei und die auf ihrer Seite Beigetretenen maßgeblichen Interesses an der Entscheidung, letztlich also der fünffache Mindeststreitwert.

1 S. oben Rn. 6249. 2 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 14.7.2009 – 5 W 109/09, ZWE 2010, 35 = NZM 2010, 408; s. auch (noch zu § 48 WEG a.F.) BVerfG, Beschl. v. 12.2.1992 – 1 BvL 1/89, BVerfGE 85, 337 = NJW 1992, 1673 = MDR 1992, 713 = Rpfleger 1992, 344. 3 Vgl. Hügel/Scheel, Teil 17 Verfahrensrecht, Rn. 152.

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Wohnungseigentum Damit soll ein etwaig niedrigeres subjektives Interesse des Klägers berücksichtigt und unverhältnismäßig hohe Kosten, die den Interessen des Rechtssuchenden erkennbar zuwiderlaufen, vermieden werden.1

6262

Die Fälle, in denen der Normalstreitwert durch den Höchststreitwert gekappt wird, sind in der Praxis häufiger. So fallen das Individualinteresse eines einzelnen Wohnungseigentümers mit einer kleinen Wohneinheit und das Kollektivinteresse aller anderen Wohnungseigentümer gerade bei Streitigkeiten um Jahresabrechnungen in großen Wohnungseigentumsanlagen oftmals stark auseinander. Deshalb ist in solchen Fällen der Normalstreitwert in das Verhältnis zum fünffachen Kläger- (und ggf. Beigetretenen-)Interesse zu setzen. Erweist sich Letzteres als höher, stellt es den Gebührenstreitwert dar, § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG.

6263

Bildet der Mindeststreitwert den Vergleichsmaßstab, bedarf es der Ermittlung des Höchststreitwerts nicht, da der einfache Wert der Interessen naturgemäß niedriger ist als deren fünffacher Wert.

6264

d) Ermittlung des „absoluten Höchststreitwerts“ In einem letzten Prüfungsschritt im Rahmen des § 49a Abs. 1 GKG ist der zuvor ermittelte Streitwert in Beziehung zum Verkehrswert des Wohnungseigentums des Einzelnen und des auf seiner Seite Beigetretenen (= absoluter Höchststreitwert) zu setzen.

6265

Praktische Bedeutung haben die Höchststreitwerte nach § 49a Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 GKG in großen Wohnanlagen bei Streitigkeiten um Wirtschaftspläne oder Jahresabrechnungen,2 bei Anfechtungen von Sonderumlagen oder Sanierungsbeschlüssen3 sowie bei Auseinandersetzungen über die Abberufung eines Verwalters. Denn in diesen Fällen ist das Abänderungsinteresse des Einzelnen mitunter gering und beläuft sich jeweils auf den von ihm zu tragenden Anteil.4

6265a

e) Fälle des § 49a Abs. 2 GKG § 49a Abs. 2 GKG erfasst die Fälle, in denen eine unbezifferte Klage gegen einen oder mehrere Wohnungseigentümer, aber eben nicht gegen alle (mit Ausnahme des Klägers) gerichtet ist („Klage gegen Einzelne“).

6266

Anwendbar ist die Vorschrift bei Klagen Dritter, bei Klagen des Verbandes gegen einen Wohnungseigentümer oder bei Unterlassungsklagen einzelner Wohnungseigentümer gegen den störenden Wohnungseigentümer.5

6267

Der Streitwert im Rahmen des § 49a Abs. 2 GKG ist zu bestimmen nach dem Normalstreitwert auf der Grundlage des Interesses der Beklagten und der auf ihrer Seite Beigetretenen. Der so ermittelte Normalstreitwert ist mit dem

6268

1 Noch zu § 48 WEG a.F.: BVerfG, Beschl. v. 12.2.1992 – 1 BvL 1/89, BVerfGE 85, 337 = NJW 1992, 1673 = MDR 1992, 713 = WuM 1992, 293 = Rpfleger 1992, 344. 2 BayOblG, Beschl. v. 20.1.2005 – 2 Z BR 141/04, ZMR 2005, 387 = BayOblGR 2005, 2001 = MietRB 2005, 181. 3 OLG Hamburg, Beschl. v. 6.6.2000 – 2 Wx 66/99, ZMR 2001, 379 = FGPrax 2001, 59. 4 Timme/Elzer, § 43 WEG Rn. 213. 5 Vgl. Timme/Elzer, § 43 WEG Rn. 214.

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Wohnungseigentum „Höchststreitwert“ und dem „absoluten Höchststreitwert“ in Beziehung zu setzen. Einen „Mindeststreitwert“ wie bei § 49a Abs. 1 GKG, der eine Untergrenze festlegt, gibt es hier nicht. 6269

Praxisrelevant sind vor allem Unterlassungsklagen nach § 15 Abs. 3 WEG (ggf. in Verbindung mit § 1004 BGB).

III. Streitwert-ABC 6270

Nachfolgend werden Einzelfälle aufgezählt, deren überwiegend Entscheidungen zu § 48 Abs. 2 WEG a.F. zugrunde liegen. Die Entscheidungen können nur Anhaltspunkte sein, weil sie sich auf das jeweilige Parteiinteresse naturgemäß beziehen. Letztlich ist das für den Normalstreitwert zu ermittelnde Gesamtinteresse aller Verfahrensbeteiligten als Ausgangspunkt der Streitwertbemessung im Einzelfall auch von weiteren Faktoren, insbesondere der Größe der Wohnungseigentumsanlage und der wirtschaftlichen Bedeutung abhängig.

6271

Bei der Ermittlung ist nicht allein auf den Wortlaut des Klageantrags abzustellen, sondern durch Auslegung der wirkliche Wille des Klägers zu ermitteln.1

6272

Die nachfolgenden Entscheidungen, die überwiegend noch zum alten Recht ergangen sind, lassen sich zwar ohne Weiteres zur Streitwertermittlung heranziehen; allerdings ist stets zu prüfen, ob das Gericht im Hinblick auf § 48 Abs. 3 WEG a.F. den Geschäftswert niedriger festgesetzt hat, weil die Kosten des Verfahrens zu dem Interesse eines Beteiligten nicht in einem angemessenen Verhältnis standen. Dieser Abschlag ist nach neuem Recht nicht mehr vorzunehmen, weil die Reduzierung nach anderen Kriterien, wie dargelegt, erfolgt.2 Stichwortübersicht Abberufung (des Verwalters) . . . . Abmahnung . . . . . . . . . . . . . Anfechtung (Beschluss) . . . . . . . Anpflanzungen . . . . . . . . . . . Aufhebung . . . . . . . . . . . . . . Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . Bauliche Änderung . . . . . . . . . Bauliche Änderung, Terrasse . . . . Bauliche Änderung, Wind-/Sichtschutz am Balkon . . . . . . . . . Bauliche Änderung, Wohnungseingangstür . . . . . . . . . . . . . . Bauliche Änderung, Wintergarten . Bauliche Änderung, Parabolantenne Betreten von Sondereigentum . . . Entfernung . . . . . . . . . . . . . . Eigentümerversammlung . . . . . . Einstweilige Verfügung . . . . . . . Entziehung . . . . . . . . . . . . . . Entlastung . . . . . . . . . . . . . .

Rn. 6273 6279 6280 6311 6292 6293 6294 6296 6297 6299 6300 6301 6315 6317 6319 6321 6322 6326

Einsichtnahme . . . . . . . . . . . . Erhöhung des Nutzungsentgelts für Einrichtungen zur Wäschepflege . Fälligkeitsregelung im Wirtschaftsplan . . . . . . . . . . . . . . . . Hausordnung . . . . . . . . . . . . . Herausgabe . . . . . . . . . . . . . . Instandhaltung . . . . . . . . . . . . Jahresabrechnung, Erstellung . . . . Jahresabrechnung, Genehmigung . Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . Kreditaufnahme . . . . . . . . . . . Lastschriftverfahren . . . . . . . . . Leistungsklage . . . . . . . . . . . . Mobilfunkantenne . . . . . . . . . . Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . Nutzung, Dachräume . . . . . . . . Nutzung, Laden als Fischgroßhandelsgeschäft . . . . . . . . . . . .

Rn. 6329 6330 6331 6332 6337 6342 6343 6346 6352 6353 6354 6357 6358 6360 6362 6365

1 LG Saarbrücken, Beschl. v. 4.3.2009 – 5 T 40/09, NZM 2009, 323 = NZM 2010, 416. 2 Hannemann/Weber, Handbuch des Wohnungseigentumsrechts, 1. Aufl. 2007, § 13 Rn. 5.

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Wohnungseigentum

Protokoll . . . . . . . . . . . . . . Rechnungslegung . . . . . . . . . . Rückschnitt Hecke . . . . . . . . . Sanierungsmaßnahmen . . . . . . Selbständiges Beweisverfahren . . Sonderumlage bei Sanierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . Sondernutzungsflächen . . . . . . Umzugskostenpauschale . . . . . Unterlassung . . . . . . . . . . . . Unterlassung, bordellähnlicher Betrieb . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

Rn. 6366 6367 6369 6370 6372

. . . .

6374 6375 6378 6381

. 6382

Rn. Unterlassung, Nutzung von Räumen . . . . . . . . . . . . . . . . Verlegung eines Müllcontainers . . Verwalter, Abberufung des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . Verwalter, Beendigung des Verwaltervertrages . . . . . . . . . . . . Vermietung . . . . . . . . . . . . . Wahl eines Schriftführers . . . . . Wirtschaftsplan . . . . . . . . . . . Zahlungsklage . . . . . . . . . . . Zustimmung . . . . . . . . . . . .

. 6384 . 6385 6385a . . . . . .

6386 6392 6393 6394 6395 6396

Abberufung (des Verwalters) Vor der WEG-Reform war bei Verfahren auf Abberufung des Verwalters dessen Honorar für die Restlaufzeit des Verwaltervertrags als Streitwert festzusetzen.1 Das ist auch nach der Reform sachgerecht, weil die Abberufung des Verwalters für die Gemeinschaft von umso größerer Bedeutung ist, je länger die Laufzeit des Verwaltervertrags und die Bestellung des Verwalters noch dauern.

6273

Daher liegt der Streitwert für einen Antrag auf Abberufung des Verwalters nach § 49a GKG im Regelfall bei 50 % des Honorars des Verwalters für die Restlaufzeit des Verwaltervertrags, wobei sich allerdings das (5-fache) Interesse des Klägers gem. § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG nicht (nur) nach seinem Anteil am Verwalterhonorar bemisst, sondern darüber hinaus geht.2

6274

Ginge man für die Streitwertbemessung lediglich vom hälftigen Verwalterhonorar für die Restlaufzeit des Verwaltervertrags aus, entspräche dies nur dem hälftigen Interesse der Parteien und aller Beigeladenen (§ 49a Abs. 1 Satz 1 GKG). Eine solche Begrenzung anhand des Anteils des Einzelnen am Verwalterhonorar vorzunehmen, erscheint auch deshalb fragwürdig, weil das Einzelinteresse sich nicht auf seinen Anteil am Verwalterhonorar richtet. Auch bei einer Abberufung des Verwalters bleibt die Wohnungseigentumsgemeinschaft nicht verwalterlos und der Kläger muss ein Verwalterhonorar anteilig mitzahlen. Entscheidend ist das eigentliche Interesse des Klägers. Ihm geht es bei seinem Abberufungsverlangen regelmäßig nicht darum, keinen Anteil am Verwalterhonorar bezahlen zu müssen, sondern darum, sich von dem unliebsamen Verwalter endgültig zu trennen und einen anderen einzusetzen.3 Das Interesse an einer Abberufung des Verwalters ist aber umso höher, je länger der Verwaltervertrag und die -bestellung noch laufen und je höher die Kosten des Verwalters sind.4 Da das Eigeninteresse des Klägers aber nicht zwingend mit dem Gesamthonorar für die Restlaufzeit des Verwaltervertrags identisch ist, erscheint es angemessen, das klägerische Interesse unabhängig von sei-

6275

1 Vgl. nur BGH, Beschl. v. 19.9.2002 – V ZB 30/02, NJW 2002, 3704 = MDR 2002, 1424; BGH, Beschl. v. 20.6.2002 – V ZB 39/01, NJW 2002, 3240 = MDR 2002, 1427. 2 LG München I, Beschl. v. 3.6.2009 – 1 T 499/09, ZMR 2009, 802 = ZfIR 2009, 571; OLG Celle, Beschl. v. 7.1.2010 – 4 W 208/09, MDR 2010, 472 = NJW 2010, 1154; a.A. OLG München, Beschl. v. 25.8.2009 – 32 W 2033/09, NJW-RR 2009, 1615 = NZM 2009, 788 = MietRB 2009, 359 (streitig waren Abberufung und Vertragsbeendigung). 3 Vgl. Elzer, NZM 2008, 432. 4 LG Köln, Beschl. v. 22.12.2008 – 29 T 181/08, NZM 2009, 364.

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Wohnungseigentum nem konkreten Anteil am Verwalterhonorar mit jedenfalls mindestens 10 % des gesamten Verwalterhonorars für die Restlaufzeit zu bemessen.1 Dann verbleibt es im Ergebnis regelmäßig wegen der Grenze des § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG (fünffaches Klägerinteresse) beim Grundsatz des § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG, sodass sich der Streitwert von 50 % des Verwalterhonorars für die Restlaufzeit des Vertrages bemisst. 6276

Die Streitwertbemessung nur am anteiligen Verwalterhonorar für die Restlaufzeit des Verwaltervertrages würde zu überproportional niedrigen Streitwerten für Angelegenheiten führen, die sowohl für den Einzelnen als auch für die Gemeinschaft von erheblicher Bedeutung und die als Gerichtsverfahren umfangreich und aufwändig sind.2

6277

Das OLG Celle3 hat für den Sonderfall, dass die Klägerin zur Anfechtung eines Negativbeschlusses über die Verwalterabberufung gezwungen war, da andernfalls im bereits zuvor anhängigen Parallelrechtsstreit ihr Rechtsschutzbedürfnis entfallen wäre, angenommen, dass der Streitwert angemessen zu reduzieren sei. In diesem Fall bemesse sich das Interesse der Klägerin bzw. der Parteien an der Ungültigerklärung des Negativbeschlusses als Annex zum eigentlichen Leistungsbegehren im Parallelverfahren lediglich mit jeweils 1/10 des im Rahmen der Streitwertberechnung des Leistungsbegehrens zugrunde gelegten Betrags.

6278

Das Gericht hätte unter Beachtung des § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG den Streitwert auf das Fünffache hoch setzen müssen. Eine Begründung für die Streitwertreduzierung fehlt. Nicht ausschlaggebend darf bei der Streitwertfestsetzung sein, ob ein Beschluss nur aufgrund formeller oder auch wegen materieller Fehler aufgehoben wird. Abmahnung

6279

Das BayObLG4 hat den Streitwert für einen Antrag eines Wohnungseigentümers auf Feststellung der Ungültigkeit und Rechtswidrigkeit einer vom Verwalter ausgesprochenen Abmahnung im Sinne des § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG auf 1.000 Euro bemessen. Anfechtung (Beschluss)

6280

Für die Streitwertfestsetzung in einem Wohnungseigentumsverfahren, das die Anfechtung eines Beschlusses der Wohnungseigentümer betrifft, ist bei der Ermittlung des maßgeblichen Interesses gem. § 49a GKG nicht allein auf den Wortlaut des Klageantrags abzustellen, sondern durch Auslegung der wirkliche Wille des Klägers nach § 133 BGB zu ermitteln.5

6281

Beschränkt sich die Beanstandung des Anfechtenden sowohl an der Gesamtjahresabrechnung als auch hinsichtlich der Einzelabrechnungen dieses Jahres 1 So auch OLG Celle, Beschl. v. 7.1.2010 – 4 W 208/09, MDR 2010, 472 = NJW 2010, 1154; LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 24.2.2010 – 14 T 251/10 WEG, ZWE 2010, 281 = NZM 2010, 587. 2 So auch LG München I, Beschl. v. 3.6.2009 – 1 T 499/09, NZM 2009, 625 = ZMR 2009, 802. 3 OLG Celle, Beschl. v. 7.1.2010 – 4 W 209/09, MDR 2010, 472 = NJW 2010, 1154. 4 BayObLG, Beschl. v. 9.3.2004 – 2 Z BR 19/04, NJW-RR 2004, 1020 = NZM 2004, 383. 5 LG Saarbrücken, Beschl. v. 4.3.2009 – 5 T 40/09, NZM 2009, 323 = NZM 2010, 416.

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Wohnungseigentum auf den ihm angelasteten Kaltwasserverbrauch, so ist der maßgebliche wirkliche Wille des Klägers darauf gerichtet, die von ihm als ungerechtfertigt empfundene Belastung mit diesem Kaltwasserverbrauch abzuwenden.1 Wird ein Negativbeschluss einer Wohnungseigentümergemeinschaft angefochten (hier: Ablehnung eines Kostenerstattungsanspruchs eines Wohnungseigentümers) und gleichzeitig die Verpflichtung der Wohnungseigentümer zur Vornahme der abgelehnten Maßnahme verlangt, so handelt es sich bei natürlicher Betrachtungsweise um einen einheitlichen Lebenssachverhalt, der eine Zusammenrechnung der Streitwerte für die Anträge nicht rechtfertigt.2

6282

Bei nur isolierter Anfechtung eines Negativbeschlusses entspricht nach Auffassung des OLG Köln3 der Streitwert nicht dem Streitwert der Klage auf Anordnung einer Maßnahme; vielmehr sei in der Regel ein Abschlag von 50 % vorzunehmen. In diesem Fall hatte die Eigentümerin einer PenthouseWohnung einen Beschluss der Eigentümerversammlung angefochten, mit dem diese die Sanierung der Fenster in ihrer Wohnung abgelehnt hatte. Das AG setzte den Streitwert auf 25.000 Euro, entsprechend den voraussichtlichen Sanierungskosten fest. Das LG ging von einem Streitwert von 4.000 Euro aus, das OLG letztlich von 12.500 Euro. Für das Berufungsverfahren sei gem. § 47 Abs. 1, 2 GKG vom Interesse der beklagten Wohnungseigentümer daran, die Kosten der Fenstersanierung der Penthouse-Wohnung nicht tragen zu müssen, auszugehen. Abzustellen sei allerdings nicht nur auf das Interesse des einzelnen Berufungsklägers, sondern auf das Interesse aller Beklagten, da diese notwendige Streitgenossen seien. Richtig sei es aber, den Streitwert nicht in Höhe der gesamten mutmaßlichen Sanierungskosten festzusetzen; vielmehr sei ein deutlicher Abschlag von im Regelfall 50 % vorzunehmen, weil die Aufhebung des Negativbeschlusses die Gemeinschaft nicht unmittelbar zur Vornahme der Sanierungsmaßnahme verpflichte. Ausgangspunkt habe aber nicht ein Regelstreitwert zu sein, sondern der konkrete Wert der Maßnahme, um deren Vornahme die Parteien streiten. Die Entscheidung über die Wirksamkeit eines Negativbeschlusses bleibe indes in ihrer Rechtskraftwirkung hinter der eines Urteils, das die Maßnahme anordnet, zurück. Bei einer Feststellungsklage werde zwar nur ein Abschlag von regelmäßig 20 % vorgenommen. Der Fall sei vergleichbar. Allerdings bleibe die Wirkung der Ungültigerklärung eines Negativbeschlusses hinter der positiven Feststellung einer entsprechenden Verpflichtung zurück. Unerheblich sei, dass im Falle einer neuen Antragstellung in der Eigentümerversammlung die Wohnungseigentümer ihre Zustimmung aufgrund des ergangenen Urteils über den Negativbeschluss wohl nicht verweigern werden. Die Rechtskraftwirkung bleibe hinter der Anordnung der Maßnahme zurück. Der so gefundene Streitwert von 12.500 Euro sei nicht gem. § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG zu halbieren, da er das Interesse der klagenden Eigentümerin an der Sanierung der Fenster nicht unterschreiten dürfe.

6283

Der Streitwert im Beschlussanfechtungsverfahren betreffend eine Anfechtung der Wiederwahl des Verwalters bzw. eine Ablehnung der Kündigung des

6284

1 LG Saarbrücken, Beschl. v. 4.3.2009 – 5 T 40/09, NZM 2009, 323 = NZM 2010, 416. 2 OLG Celle, Beschl. v. 14.1.2010 – 4 W 10/10, ZMR 2010, 627 = MietRB 2010, 117. 3 OLG Köln, Beschl. v. 12.5.2010 – 16 W 15/10, IMR 2010, 496 mit Anm. Müller = ZWE 2010, 275 = ZMR 2010, 786 = MietRB 2010, 268 = Info M 2010, 459.

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Wohnungseigentum Hausmeistervertrags bemisst sich gem. § 49a GKG entsprechend dem Gesamtinteresse der Beteiligten nach der Höhe der Verwaltervergütung für den Zeitraum, für den der Verwalter weiterbestellt werden sollte1 bzw. nach der Höhe der Hausmeistervergütung für den Zeitraum, über den er ohne die abgelehnte Kündigung weiter für die WEG tätig sein würde.2 Sofern in der Vergangenheit für Regieleistungen noch weitere Kosten angefallen sind, sollen diese außer Betracht bleiben, weil ihr Anfall in der Zukunft nicht feststeht. Das für die Berechnung nach § 49a GKG maßgebliche Individualinteresse des Klägers geht hingegen nur dahin, dass der bisherige Verwalter nicht wiederbestellt und sein Vertrag als Hausmeister gekündigt wird. Ihm geht es also allein um die Person des Verwalters und die Unzufriedenheit mit dieser. 6285

Die Bemessung seines Interesses ist nach objektiven Kriterien zu schätzen. Die Kammer lehnt dabei zu Recht eine Begrenzung auf das finanzielle Interesse, also auf den auf den Kläger entfallenden (geringen) Anteil des Verwalterund Hausmeisterhonorars ab, sondern stellt vielmehr auf einen Prozentsatz i.H.v. 10 % der gesamten Verwalter- und Hausmeistervergütung ab.3

6286

Beschließt die Versammlung später doch noch eine Abwahl des Verwalters und die Kündigung des Hausmeistervertrags, und wird die Klage übereinstimmend für erledigt erklärt, so beläuft sich das Interesse der Parteien ab dem Zeitpunkt der Erledigungserklärung des Klägers, nur noch auf das Kosteninteresse der bislang entstandenen Kosten des Rechtsstreits.4 Richtigerweise wird man auf den Zeitpunkt der Zustimmung zur bis dahin einseitigen Erledigungserklärung bzw. auf den Ablauf der Frist nach § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO abstellen müssen.5

6287

Bei der Streitwertfestsetzung eines Beschlussmängelverfahrens über die Verwalterbestellung bemisst sich das Einzelinteresse des Klägers auch dann nach seinem Anteil an den Verwalterkosten für die gesamte Vertragslaufzeit, wenn es dem Kläger allein um die Person des Verwalters und damit um ein ideelles Interesse geht.6 Will der Kläger mit der Klage die Wiederwahl des Verwalters verhindern, geht es ihm dabei allein um die Person des Verwalters und nicht um die Zahlung der Vergütung. Die Bemessung des Interesses „Unzufriedenheit mit dem Verwalter“ sei anhand von objektiven Kriterien zu schätzen, in der Regel aufgrund des Verwalterhonorars. Das Interesse sei nicht höher zu bewerten als das rein finanzielle Interesse des Klägers, welches sich auf den nach Einheiten jeweils entfallenden Anteil des Verwalterhonorars beschränken würde. Letztlich gehe es dem Kläger darum, dass sein Anteil an diesem Honorar an einen geeigneten Verwalter fließt. 1 Vgl. OLG Celle, Beschl. v. 14.1.2010 – 4 W 10/10, ZMR 2010, 627 = MietRB 2010, 117; OLG München, Beschl. v. 25.8.2009 – 32 W 2033/09, NJW-RR 2009, 1615 = NZM 2009, 788. 2 LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 24.2.2010 – 14 T 251/10 WEG, ZWE 2010, 281 = NZM 2010, 587. 3 So auch OLG Celle, Beschl. v. 14.1.2010 – 4 W 10/10, ZMR 2010, 627 = ZWE 2010, 190 = MietRB 2010, 117; a.A. OLG München, Beschl. v. 25.8.2009 – 32 W 2033/09, NJW-RR 2009, 1615 = MietRB 2009, 359. 4 LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 24.2.2010 – 14 T 251/10, IMR 2010, 498. 5 Zum Meinungsstand s. Deckenbrock/Dötsch, JurBüro 2003, 287 ff. 6 LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 13.4.2010 – 14 T 2469/10 WEG, IMR 2010, 257 = ZWE 2010, 281 = NZM 2010, 587.

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Wohnungseigentum Das LG Hamburg1 bemisst den Streitwert bei der Anfechtung eines Beschlusses über die Jahresabrechnung nach der sog. „Hamburger Formel“ in der Regel nach dem Eigeninteresse des Klägers zuzüglich eines Bruchteils von 25 % des – abzüglich des Einzelinteresses des Klägers – verbleibenden Gesamtinteresses. Das Gesamtinteresse ergibt sich also nicht nur aus dem Nachzahlungsbetrag des Anfechtenden. Auch wenn sich der Anfechtende nicht gegen die Gesamtkosten, sondern nur dagegen wendet, an einigen Kostenpositionen überhaupt beteiligt zu werden, ist zu berücksichtigen, dass er den Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung insgesamt anficht, sodass das Gesamtinteresse nicht nur aus der Höhe der betroffenen Positionen der Einzelabrechnung zu ermitteln ist. Das gilt sowohl für Beschlüsse betreffend die Genehmigung der Jahresabrechnung als auch des Wirtschaftsplans.

6288

Bei einer modernisierenden Instandsetzung bemisst sich der Streitwert für die Beschlussanfechtung nach dem vollen Wert der Umstellungsmaßnahmen. 2

6289

Das vermögenswerte (Jahres-)Interesse des Beschwerdeführers an der Vermeidung der Folgen einer für unbestimmte Dauer getroffenen Regelung (hier: „Laubfegeplan“) ist mindestens mit dem 3-fachen Jahreswert der wirtschaftlichen Belastung anzusetzen.3

6290

Führt die mehrheitliche Ablehnung eines Eigentümerantrags über die Änderung eines „Schneefegeplans“ (jeder Wohnungseigentümer sei jeweils für eine Woche für die Schneeräumung verantwortlich) beim Antragsteller zu jährlichen Mehrkosten, so ist sein für die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde maßgebliches Änderungsinteresse wirtschaftlich mit dem 3-fachen dieses Wertes zu bemessen.4

6291

Aufhebung Der Streitwert eines Verfahrens betreffend eines Zweitbeschlusses der Wohnungseigentümer, mit welchem ein Beschluss, den Verwalter zu beauftragen, „... im Rahmen eines Beweissicherungsverfahrens zu prüfen, ob bei Erstellung der Balkone gegen die Regeln der Baukunst verstoßen wurde ...“. aufgehoben wurde, ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte auf 2.500 Euro zu schätzen.5

6292

Auskunft Der Streitwert richtet sich nach dem Interesse an der begehrten Auskunftserteilung. Er beträgt einen Bruchteil des Wertes der Hauptsache, deren Durchführung mit der Auskunft vorbereitet werden soll. Es handelt sich stets um 1 LG Hamburg, Beschl. v. 10.10.2008 – 318 T 79/08, ZMR 2009, 71; Beschl. v. 17.9.2009 – 318 T 34/09, IMR 2010, 355 = ZMR 2010, 144 = ZWE 2010. 2 BayObLG, Beschl. v. 27.11.2003 – 2 Z BR 176/03, ZMR 2004, 442 = MietRB 2004, 239. 3 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.11.2007 – 3 Wx 195/07, NZM 2008, 93 = ZMR 2008, 549. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.11.2007 – 3 Wx 195/07, NZM 2008, 93 = ZMR 2008, 549. 5 KG, Beschl. v. 15.9.1999 – 24 W 911/98, FGPrax 2000, 10 = WuM 2000, 88, 89 = NZM 2000, 552: 5.000 DM.

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Wohnungseigentum eine Einzelfallermittlung. Die Gerichte schwanken zwischen 10 % und 50 %1 desjenigen Anspruchs, dessen Geltendmachung die Auskunft erleichtern soll. Bauliche Änderung 6294

Bei baulichen Änderungen, Instandsetzungsmaßnahmen oder Modernisierungen ist zu differenzieren: Geht es dem Kläger in erster Linie um seine individuelle Kostenbelastung aus der Maßnahme, ist dieses Interesse für die Streitwertermittlung von maßgeblicher Bedeutung.

6295

Vielfach wird der Kläger aber generell mit einer beabsichtigten Veränderung der Gestaltung der Wohnanlage nicht einverstanden sein; dann richtet sich das Klagebegehren auf die Maßnahmen als solche. In diesem Fall besteht kein Einzelinteresse. Daher bestimmt der Streitwert sich in diesen Fällen – wie nach alter Rechtslage – nach dem Betrag des Gesamtinteresses. Zu berücksichtigen sind insoweit insbesondere die Bau- bzw. Beseitigungskosten und die mit den Maßnahmen verbundenen Beeinträchtigungen der Sondernutzungsfläche. Der so ermittelte Betrag ist nach § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG um die Hälfte zu kürzen und gem. der Wertgrenze, die durch den Wert des Sondereigentums des Klägers bestimmt wird, zu bemessen.2 Bauliche Änderung, Terrasse

6296

In dem Antrag auf teilweise Beseitigung einer Terrassenpflasterung vor einem Café-Restaurant, ist auch ein Antrag auf Einschränkung der Nutzung von Gemeinschaftsflächen zu gastronomischen Zwecken mit enthalten. Unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten ist der Streitwert auf 10.000 Euro zu schätzen.3 Der Streitwert kann je nach Bau- bzw. Beseitigungskosten und den mit den Maßnahmen verbundenen Beeinträchtigungen der Sondernutzungsfläche erheblich höher sein. Bauliche Änderung, Wind-/Sichtschutz am Balkon

6297

In einem vom BayObLG zu entscheidenden Anfechtungsverfahren4 hatte die Eigentümerversammlung beschlossen, die Anbringung eines Wind-/Sichtschutzes an den Balkonen der Anlage zu genehmigen. Das Gericht hat den Streitwert ohne nähere Begründung auf 1.500 Euro bemessen.

6298

Der Streitwert eines Verfahrens betreffend eine Klage eines Wohnungseigentümers gegen die übrigen Eigentümer auf Feststellung, dass eine bauliche Änderung am Gemeinschaftseigentum mangels Nachteils gem. § 14 Nr. 1 WEG zustimmungsfrei sei und deshalb nicht von ihm beseitigt werden müsse, hat das LG München I5 auf 4.000 Euro festgesetzt. 1 10 %–20 %: BGH, Beschl. v. 21.4.1999 – XII ZB 158/98, FamRZ 1999, 1497; Beschl. v. 24.6.1992 – XII ZB 56/92, FamRZ 1993, 46; OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.11.1995 – 1 UF 203/95, FamRZ 1997, 38; 50 %: BayObLG, Beschl. v. 22.5.1997 – 2 Z BR 45/97, WE 1998, 75 = WuM 1997, 462; LG Erfurt, Beschl. v. 30.3.1999 – 7 T 37/99, NZM 2000, 519. 2 Vgl. Drasdo, NJW-Spezial 2009, 753. 3 BayObLG, Beschl. v. 25.9.2001 – 2 Z BR 65/01, NZM 2002, 128; NJW-RR 2001, 1383. 4 BayObLG, Beschl. v. 9.6.2004 – 2 Z BR 44/04. 5 LG München I, Urt. v. 16.11.2009 – 1 S 4964/09, WuM 2010, 444 = ZfIR 2010, 84.

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Wohnungseigentum Bauliche Änderung, Wohnungseingangstür Das OLG München1 hat den Geschäftswert für den begehrten Rückbau einer optisch und gestalterisch erheblich veränderten Wohnungseingangstür auf 2.000 Euro festgesetzt und sich dabei insbesondere an den ursprünglichen Baukosten und anfallenden Beseitigungskosten orientiert. Die Antragsteller hatten die Kosten der von ihnen eingebauten, mit dem bisherigen Bestand im Wesentlichen vergleichbaren Tür mit knapp 1.600 DM (rund 800 Euro) beziffert und durch eine Handwerkerrechnung belegt, während die Antragsgegner die ihnen entstehenden Kosten für Ausbau und Neueinbau einer Abschlusstür samt Türstock nur pauschal mit 5.000 Euro bis 6.000 Euro bemessen hatten.

6299

Bauliche Änderung, Wintergarten Für die Bodenmessung des Geschäftswerts sind maßgebend die konkreten Einbau- und anfallenden Beseitigungskosten,2 die das OLG München,3 ausgehend von dortigen rund 90.000 DM auf 46.000 Euro geschätzt hat.

6300

Bauliche Änderung, Parabolantenne Die Festsetzung des Streitwerts in Klagen auf Beseitigung von Parabolantennen bereitet in der Praxis – sowohl in Wohnungseigentums- als auch in Mietsachen Schwierigkeiten. Die Entscheidungen der Gerichte sind dementsprechend sehr unterschiedlich und kaum prognostizierbar.

6301

In einer Entscheidung aus dem Jahre 1995 hat das OLG Köln4 den Streitwert in einem Beschlussanfechtungsverfahren auf 7.000 DM beziffert. In diesem Verfahren hatte das Gericht sich mit der Frage zu befassen, ob ein Wohnungseigentümer den Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft, das Haus an das Breitkabelnetz anzuschließen und die bisher vorhandene Dachantenne zu demontieren, hinnehmen muss, wenn diese Veränderung seine bisherigen Möglichkeiten des Rundfunk- und Fernsehempfangs nicht spürbar – wohl aber in geringem Umfange – beeinträchtigt, während die Neuerung den übrigen Eigentümern zusätzliche Informationsmöglichkeiten verschafft.

6302

Das OLG Koblenz5 hat den Streitwert eines Antrags, durch den der Einbau einer Empfangsanlage für Satellitenfernsehen verhindert werden soll, gem. § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG auf 3.000 Euro bemessen. Die Kammer hat das Interesse der anderen Wohnungseigentümer an der Einrichtung einer Empfangsanlage für Satellitenfernsehen hoch bewertet, da zum einen erheblich mehr Programme zur Verfügung stünden und zum anderen auf lange Sicht die nicht unerheblichen Gebühren für den Empfang von Kabelfernsehen entfielen. Da die Antragstellerin ihr eigenes Interesse vertretbar auf 600 Euro beziffert hatte,

6303

1 OLG München, Beschl. v. 31.3.2006 – 34 Wx 111/05, JurBüro 2006, 428 = MietRB 2006, 191. 2 BayObLG, Beschl. v. 15.7.1998 – 3 Z BR 94/98, 3Z BR 95/98, WuM 1998, 688 = JurBüro 1999, 198. 3 OLG München, Beschl. v. 31.3.2006 – 34 Wx 111/05, MietRB 2006, 191 = JurBüro 2006, 428 = ZMR 2006, 797. 4 OLG Köln, Beschl. v. 19.7.1995 – 16 Wx 83/95, WuM 1996, 109 = WE 1996, 39 = NJWE-MietR 1996, 110 = NJW-CoR 1996, 190. 5 OLG Koblenz, Beschl. v. 4.5.2009 – 5 W 288/09, WuM 2010, 321 = ZMR 2010, 305.

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Wohnungseigentum sei es nicht zu beanstanden, insoweit den gesetzlichen Höchstbetrag zugrunde zu legen. 6304

Das LG Nürnberg-Fürth1 ist im Anfechtungsverfahren hinsichtlich eines Beschlusses der Gemeinschaft über die Instandsetzung bzw. den Austausch der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Satellitenempfangsantenne ohne nähere Begründung von 2.000 Euro ausgegangen.

6305

Das AG Hamburg-Altona2 bemisst den Streitwert auf 1.500 Euro. In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger mit Erfolg den Negativbeschluss der Wohnungseigentümer auf Aufstellen einer Parabolantenne im hinteren Garten der Anlage durch ihn mit Mehrheit abgelehnt.

6306

Nach AG Hannover3 und AG Neumarkt4 beziffert sich der Streitwert einer Klage auf Entfernung einer vom Beklagten angebrachten Parabolantenne auf 1.500 Euro.

6307

Nach OLG Köln5 beziffert sich der Streitwert eines Nichtigkeitsfeststellungsverfahrens betreffend eines Beschlusses der Gemeinschaft auf Rückbau einer Satelitenschüssel auf 1.500 Euro.

6308

OLG Hamm6 und AG Kerpen7 haben als Streitwert 1.000 Euro (bzw. 2.000 DM) angenommen.

6309

Nunmehr hat das AG Wedding8 den Streitwert einer Klage der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen einen Wohnungseigentümer auf Beseitigung einer Parabolantenne nach dem Wertverlust, den das Gebäude durch eine optische und/oder Substanzbeeinträchtigung des Hauses erleidet, auf nur 300 Euro festgesetzt. Eine Substanzbeeinträchtigung sei weder vorgetragen noch ersichtlich; daher sei allein die optische Beeinträchtigung maßgeblich, die mit nicht mehr als dem Mindeststreitwert von 300 Euro zu bemessen sei, was sich aus der Entscheidung des BGH vom 17.5.20069 ergebe.

6310

Diese Streitwertfestsetzung ist allerdings fehlerhaft. Das Gericht übersieht bereits, dass die ins Feld geführte Entscheidung des BGH keinen wohnungseigentumsrechtlichen Bezug hat, sondern die Klage eines Vermieters gegen seinen Mieter betraf, der die Parabolantenne in einem mit Beton ausgegossenen Eimer unauffällig auf dem Balkon platziert hatte. In dieser Entscheidung ging es um die Ermittlung der Beschwer des Vermieters, dessen Beseitigungsklage abgewiesen worden war. Das AG Wedding verkennt, dass sich der Streitwert in WEG-Sachen nach § 49a GKG richtet und daher das Interesse beider Parteien bei der Streitwertbemessung maßgeblich ist. Regelmäßig beträgt der Streitwert daher gem. § 49 Abs. 1 Satz 1 GKG 50 % des Interesses von Kläger 1 LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 23.5.2008 – 14 T 2925/08, ZMR 2008, 737 = WE 2009, 7. 2 AG Hamburg-Altona, Urt. v. 12.1.2010 – 303C C 39/09, ZMR 2010, 645. 3 AG Hannover, Urt. v. 1.4.2009 – 464 C 8352/08, ZMR 2009, 695. 4 AG Neumarkt, Urt. v. 5.12.2008 – 3 C 796/08 WEG, ZMR 2009, 720. 5 OLG Köln, Beschl. v. 26.7.2004 – 16 Wx 134/04, MietRB 2005, 73; Beschl. v. 31.8.2004 – 16 Wx 166/04, NJW 2004, 3496 = MietRB 2005, 96. 6 OLG Hamm, Beschl. v. 4.12.1992 – 15 W 324/92, MDR 1993, 233 = NJW 1993, 1276; Beschl. v. 1.10.2001 – 15 W 166/01, ZMR 2002, 538 = NJW-RR 2002, 1020. 7 AG Kerpen, Urt. v. 28.10.2008 – 26 C 35/07, ZMR 2009, 153. 8 AG Wedding, Beschl. v. 8.4.2010 – 9 C 477/09, IMR 2010, 258. 9 BGH, Beschl. v. 17.5.2006 – VIII ZB 32/05, MietPrax-AK § 3 ZPO Nr. 3.

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Wohnungseigentum und Beklagten. Für die WEG, welche den Beseitigungsanspruch der einzelnen Eigentümer nach § 10 Abs. 6 WEG ausübt, mag sich der Streitwert nach einer optischen und/oder Substanzbeeinträchtigung des Gebäudes bewerten. Das Interesse des verklagten Eigentümers geht aber dahin, die Parabolantenne weiter nutzen zu dürfen. Dieses Interesse ist gesondert nach § 3 ZPO zu schätzen. Anschließend ist zu diesem Betrag das Interesse der übrigen Eigentümer auf Beseitigung hinzuzuaddieren und das ermittelte Gesamtinteresse zu halbieren. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben wird der Streitwert in Verfahren auf Beseitigung von Parabolantennen bei kleinen bis mittleren Wohnungseigentumsanlagen regelmäßig zwischen 2.000 Euro und 3.500 Euro liegen. Anpflanzungen Maßgeblich sind die Kosten der Maßnahme, das individuelle Erhaltungsinteresse des Anfechtenden und die Auswirkungen der Beseitigung auf den Nutzwert der Anlage.

6311

Der BGH1 hat den Gebührenstreitwert betreffend den Rückschnitt einer Hecke auf dem Grundstück des vermietenden Sondernutzungsberechtigten auf 10.000 Euro festgesetzt.

6312

Das OLG Braunschweig2 hat für den geltend gemachten Anspruch auf Entfernen einer Hecke und deren Neuanpflanzung einen Gebührenstreitwert von 2.100 Euro festgesetzt.

6313

Bei der Anfechtung eines Beschlusses über das Fällen von Bäumen bestimmt sich der Geschäftswert aus der Addition vom immateriellen Interesse an der Erhaltung der Bäume und Baumfällkosten, Wiederbepflanzung und Risikozuschlag für das Gelingen der Ersatzpflanzung; eine schematische Begrenzung auf das Fünffache des Eigeninteresses scheidet aus.3

6314

Betreten von Sondereigentum Geht es dem Anspruchsteller darum, ob der Ausschluss des Geschäftsführers einer Verwalter-GmbH mit über 20 Mitarbeitern von dem Recht, Hobbyräume eines Wohnungseigentümers zum Zweck der Besichtigung zu betreten, wegen des gespannten Verhältnisses zwischen ihm und dem betroffenen Wohnungseigentümer gerechtfertigt ist, beträgt der Streitwert 500 Euro.4

6315

Verlangt ein Wohnungseigentümer von der Wohnungseigentümergemeinschaft einen Zugang der Wohnung im 1. OG zum Garten und begehrt er hierzu die Duldung einer – baurechtlich zulässigen – Treppe vom Balkon zum hinteren, im Gemeinschaftseigentum stehenden Gartengrundstück, beziffert der Streitwert sich gem. § 48 Abs. 3 WEG auf 10.000 Euro.5

6316

1 BGH, Beschl. v. 4.3.2010 – V ZB 130/09, MDR 2010, 688 = NJW-RR 2010, 807. 2 OLG Braunschweig, Beschl. v. 8.2.2007 – 3 W 1/07, MietRB 2007, 100. 3 OLG Hamburg, Beschl. v. 7.1.2004 – 2 Wx 2/04, ZMR 2004, 265, 266: 5.000 Euro; a.A. OLG Hamm, NZM 2001, 549. 4 BayObLG, Beschl. v. 4.9.1997 – 2 Z BR 100/97, NZM 1998, 39 = ZMR 1997, 668. 5 OLG Köln, Beschl v. 16.1.2009 – 16 Wx 192/08, WuM 2010, 106 = MietRB 2009, 236.

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Wohnungseigentum Entfernung 6317

Ein Verfahren betreffend einen Antrag, eine mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer eingebaute zentrale Enthärtungsanlage für Trinkwasser wegen dadurch aufgetretener Hauterkrankung eines Wohnungseigentümers wieder zu entfernen, hat einen Streitwert von 2.500 Euro.1

6318

Das BayObLG2 hat den Streitwert betreffend den Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Entfernung eines schon bei Begründung des Wohnungseigentums auf einer Gemeinschaftsfläche befindlichen Grillplatzes mit 5.000 Euro bemessen. Eigentümerversammlung

6319

Im Verfahren auf gerichtliche Entscheidung ist es angemessen, den Geschäftswert für einen Antrag auf Einberufung einer Eigentümerversammlung mit dem Tagesordnungspunkt „Neuwahl des Verwalters“ mit etwa der Hälfte der in Betracht kommenden Verwaltervergütung anzusetzen. Hierdurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es nicht um die Abberufung oder Bestellung eines Verwalters geht, sondern nur um die Einberufung einer Eigentümerversammlung zu dieser Frage.3

6320

Verfolgt ein Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Unterbindung der Herbeiführung und Durchführung einer rechtswidrigen Eigentümerversammlung im Wege der einstweiligen Verfügung, weil der Verwalter nach Ablauf seiner Bestellungszeit nicht befugt ist, zu dieser Eigentümerversammlung einzuladen, die Versammlung abzuhalten und sie zu führen, hat das Gericht sich bei der Streitwertbemessung primär an den Kosten weiterer gerichtlicher Abwehr von auf der Versammlung rechtswidrig ergangenen Beschlüssen zu orientieren, die dem Antragsteller durch die begehrte einstweilige Verfügung erspart bleiben könnten. Die Untergrenze ist auf 10.000 Euro zu schätzen. Einstweilige Verfügung

6321

Der Streitwert für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nach den vorgenannten Kriterien, ausgehend von dem Wert des zu sichernden Anspruchs zu schätzen. Dabei ist regelmäßig ein Bruchteil der zu sichernden Forderung anzusetzen, der mangels anderer Anhaltspunkte auf etwa ein Drittel des Wertes des Hauptsacheverfahrens zu bewerten ist. Entziehung

6322

Der Streitwert einer Klage auf Entziehung des Wohnungseigentums richtet sich nach § 49a GKG. Denn die Vorschrift erfasst die in § 43 WEG genannten Verfahren. Dazu gehört auch die Klage auf Entziehung des Wohnungs1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.10.1998 – 11 Wx 53/98, WuM 1999, 52 = NZM 1999, 274. 2 BayObLG, Beschl. v. 16.6.2004 – 2 Z BR 049/04, 2Z BR 49/04, WuM 2004, 568 = ZMR 2004, 924 = MietRB 2004, 349. 3 BayObLG, Beschl. v. 11.9.1997 – 2 Z BR 97/97, ZMR 1998, 299 = NZM 1998, 119 = BayObLGR 1998, 2 = WE 1998, 271–272 = WuM 1997, 706.

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Wohnungseigentum eigentums, § 43 Nr. 2 WEG.1 Nach altem Recht war das noch anders, weil seinerzeit für WEG-Verfahren das FGG und für Entziehungsklagen die ZPO galten. Nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur richtet sich das Interesse der Beteiligten nicht nach dem Wert der Störung, deren Beseitigung die Entziehungsklage dient,2 sondern nach dem Verkehrswert des zu veräußernden Wohnungs- bzw. Teileigentums, ohne Berücksichtigung von Belastungen.3 Diese Beurteilung ist sachgerecht, weil sie der Bedeutung des Entziehungsverfahrens für die Beteiligten angemessen Rechnung trägt und eine rechtssichere Bemessung des Streitwerts ermöglicht.

6323

Anders zu beurteilen sind die Fälle, in denen es um die Anfechtung eines Entziehungsbeschlusses nach § 18 Abs. 3 WEG geht. Der Beschluss bereitet das Entziehungsverfahren vor und ist eine besondere Prozessvoraussetzung der Entziehungsklage. In diesem Verfahren werden die materiellen Voraussetzungen des § 18 Abs. und Abs. 2 WEG nicht geprüft. Es handelt sich nicht um ein ZPO-Verfahren, sondern es unterliegt den Vorschriften des WEG/FGG. Daher ist § 48 Abs. 3 WEG einschlägig, wonach es auf das Interesse der Beteiligten ankommt. Maßgeblich ist das Interesse am Behalten der Eigentumswohnung und das Interesse am Ausscheiden des betroffenen Wohnungseigentümers aus der Gemeinschaft.4

6324

In der Regel wird der Streitwert danach 20 % des Verkehrswertes des betroffenen Wohnungseigentums angemessen sein.5

6325

Entlastung Beim Streit um die Beschlussanfechtung betreffend die Entlastung von Verwalter oder Verwaltungsbeirat bestimmt sich der Geschäftswert danach, in welchem Umfang Schadensersatzansprüche in Betracht kommen.6

6326

In Ermangelung dafür vorhandener konkreter Anhaltspunkte ist hilfsweise als Wert ein Bruchteil (maximal 10 %) des Jahresumsatzes der Gemeinschaft anzusetzen.7

6327

1 Bärmann/Wenzel, § 43 WEG Rn. 74; Timme/Hogenschurz, § 18 WEG Rn. 56. 2 So aber Heinemann, MietRB 2008, 90, 91; OLG Köln, Beschl. v. 15.1.1999 – 16 Wx 193/98, ZMR 1999, 284: bei Verzug mit Wohngeldzahlungen Höhe der Rückstände maßgeblich. 3 BGH, Beschl. v. 21.9.2006 – V ZR 28/06, NJW 2006, 3428 = MDR 2007, 263; OLG Rostock, Beschl. v. 7.3.2006 – 7 W 63/05, ZWE 2007, 98 = ZMR 2006, 476; OLG Köln, Beschl v. 16.8.2010 – 16 W 25/10, ZWE 2010, 461 = ZMR 2010, 977; Timme/Elzer, § 43 WEG Rn. 217; Timme/Hogenschurz, § 18 WEG Rn. 56; Riecke/Schmid/Abramenko, Anh. zu § 50 Rn. 5. 4 Vgl. auch Timme/Elzer, § 43 WEG, Rn. 217 „Entziehung“. 5 BayObLG, Beschl. v. 16.8.1991 – BReg 2 Z 106/91, WuM 1991, 633 = WE 1991, 164; OLG Köln, Beschl. v. 23.12.1997 – 16 Wx 236/97, ZMR 1998, 376 = WuM 1998, 307; OLG Rostock, Beschl. v. 3.11.2008 – 3 W 5/08, ZMR 2009, 470 = OLGR 2009, 603 = GE 2009, 1133 = WE 2009, 198 = NZM 2009, 489. 6 BayObLG, Beschl. v. 8.4.2004 – 2 Z BR 021/04, MietRB 2004, 267; OLG Köln, Beschl. v. 13.12.2002 – 16 Wx 196/02, OLGR 2003, 113 = NZM 2003, 125 = ZMR 2003, 959. 7 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.7.1999 – 3 W 129/99, ZMR 1999, 663; OLG Köln, Beschl. v. 13.12.2002 – 16 Wx 196/02, NZM 2003, 125 = ZMR 2003, 959.

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Wohnungseigentum 6328

Allerdings kann im Einzelfall auch ein Pauschalbetrag im Rahmen einer Schätzung nach § 3 ZPO in Betracht kommen.1 So wurde der Streitwert mit pauschalen 500 Euro,2 1.000 Euro3 und 2.500 Euro4 bemessen. Im Hinblick auf die Größe der Anlage und das erhebliche Gewicht der Vorwürfe kann im Einzelfall ein Betrag von 25.000 Euro angemessen sein.5 Einsichtnahme

6329

Der Geschäftswert für einen Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Einsichtnahme in und Herausgabe von Verwalterunterlagen ist mit 2.500 Euro anzusetzen.6 Erhöhung des Nutzungsentgelts für Einrichtungen zur Wäschepflege

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Bei der Erhöhung des Nutzungsentgelts für Einrichtungen zur Wäschepflege bestimmt sich der Geschäftswert nach dem einjährigen Erhöhungsbetrag.7 Fälligkeitsregelung im Wirtschaftsplan

6331

Der Streitwert eines Beschlussanfechtungsverfahrens betreffend eine Regelung, die für einen konkreten Wirtschaftsplan die sofortige Fälligkeit der gesamten Jahresbeiträge vorsieht und den Wohnungseigentümern in Verbindung mit einer Verfallklausel die Zahlung in monatlichen Raten nachlässt, hat der BGH8 auf 3.000 Euro bemessen. Hausordnung

6332

Zielt die Beschlussanfechtung auf die Wirksamkeit der gesamten Hausordnung, ist für die Streitwertbemessung das Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer an dem Beschluss maßgeblich. Dieses Interesse ist mit 4.000 Euro angemessen bewertet.9

6333

Zielt die Beschlussanfechtung dagegen auf die Wirksamkeit einer Teilregelung in der Hausordnung dahingehend, dass Kinderwagen „vorübergehend“ im Hausflur abgestellt werden dürfen, ist das für den Streitwert maßgebliche Interesse mit 1.250 Euro zu schätzen.10 1 BayObLG, Beschl. v. 28.8.2001 – 2 Z BR 108/01, WuM 2002, 48 = ZMR 2002, 66; AG Regensburg, Beschl. v. 6.3.2009 – 8 C 2322/08, ZMR 2009, 646; OLG Hamm, Beschl. v. 19.5.2000 – 15 W 118/00, WE 2000, 256 = NZM 2001, 549 = ZWE 2000, 485. 2 OLG München, Beschl. v. 18.4.2006 – 32 Wx 41/06, NZM 2006, 587; ZWE 2002, 272; BayObLG, Beschl. v. 10.1.1997 – 2 Z BR 35/96, WuM 1997, 234, 237 = NJW-RR 1997, 715. 3 KG, Beschl. v. 5.10.2005 – 24 W 6/05, MDR 2006, 744 = MietRB 2006, 196. 4 BayObLG, Beschl. v. 9.10.1997 – 2 Z BR 86/97, ZMR 1998, 101 = ZfIR 1998, 32. 5 BayObLG, Beschl. v. 17.8.2005 – 2 Z BR 229/04, FGPrax 2005, 245 = NJW-RR 2006, 20 = NZM 2006, 62 (Hotelanlage mit 450 Appartements). 6 LG Stade, Beschl. v. 11.1.2001 – 9 T 305/00, ZMR 2001, 483. 7 BayObLG, Beschl. v. 28.3.1979 – BReg 2 Z 7/78, ZMR 1979, 214 = Rpfleger 1979, 265; Beschl. v. 14.8.2003 – 2 Z BR 148/03. 8 BGH, Beschl. v. 2.10.2003 – V ZB 34/03, NJW 2003, 3550 = MietRB 2004, 17. 9 BayObLG, Beschl. v. 13.12.2001 – 2 Z BR 156/01, WuM 2002, 166 = ZMR 2002, 526. 10 OLG Hamm, Beschl. v. 3.7.2001 – 15 W 444/00, NJW-RR 2002, 10 = ZMR 2001, 1006.

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Wohnungseigentum Ist eine Regelung hinsichtlich des dauernden Verschließens der Haustür im Streit, ist der Streitwert auf 2.000 Euro zu schätzen.1

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Besteht Streit über die Wirksamkeit eines in der Hausordnung geregelten generellen Haustierhaltungsverbots, kann der Streitwert auf 2.750 Euro geschätzt werden,2 bei eingeschränktem Verbot auf 2.500 Euro.3

6335

Der Streitwert eines auf die Hausordnung gestützten Antrags auf Unterlassung des Musizierens über Zimmerlautstärke in einer Eigentumswohnung bemisst sich auf 2.500 Euro.4 Gleiches gilt für einen Antrag auf Ungültigerklärung einer das Musizieren einschränkenden Hausordnung.5

6336

Herausgabe Bemessungsvorschrift ist § 6 ZPO, der nach § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auch für den Gebührenstreitwert gilt. Die Obergrenze des § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG darf nicht überschritten werden. Danach ist das Interesse an der Herausgabe für die Streitwertbemessung maßgeblich, wobei die Größe der Wohnungseigentumsanlage wegen der wirtschaftlichen Bedeutung ein wichtiges Bemessungskriterium ist.

6337

Wird die Herausgabe von Verwaltungsunterlagen verlangt, ist zu berücksichtigen, dass ohne Vorliegen der Unterlagen eine ordnungsgemäße Verwaltungsarbeit blockiert ist und der Gemeinschaft auch wirtschaftliche Nachteile drohen.

6338

Handelt es sich um kleine Wohnungseigentumsanlagen von bis zu zehn Einheiten, wird in der Regel ein Streitwert von 3.000 Euro für die begehrte Herausgabe sämtlicher Verwaltungsunterlagen angemessen sein.

6339

Betrifft das Herausgabeverlangen eine sehr große Wohnungseigentumsanlage, kann sich das Interesse durchaus auf 15.000 Euro belaufen.

6340

Geht es dagegen nur um die Herausgabe bestimmter Unterlagen (hier: Kontobelege von Treuhandkonten), kann bei kleinen Anlagen ein Streitwert von 1.000 Euro6 in Betracht kommen.

6341

Instandhaltung Wendet sich ein Wohnungseigentümer gegen eine Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsmaßnahme, bemisst sich der Streitwert nach dem Gesamtwert der beabsichtigten Kosten, wenn die Notwendigkeit der Maßnahme streitig ist.7 Behauptet der Kläger dagegen, der Instandhaltungsbedarf sei mit einem geringeren Kostenaufwand zu beseitigen, ist auf den Betrag abzustellen, der nach Auffassung des Klägers insgesamt eingespart werden kann.8 1 KG, Beschl. v. 17.7.1985 – 24 W 1956/85, WuM 1985, 357 = ZMR 1985, 345. 2 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 2.10.2006 – 5 W 154/06-51, NJW 2007, 779 = ZMR 2007, 308. 3 KG, Beschl. v. 8.4.1998 – 24 W 1012/97, NJW-RR 1998, 1385 = MDR 1998, 1345. 4 BayObLG, Beschl. v. 28.2.2002 – 2 Z BR 141/01, NZM 2002, 492 = WuM 2002, 380 = ZMR 2002, 605 = ZWE 2002, 312, 314; OLG Frankfurt, Beschl. v. 6.8.2003 – 20 W 22/ 02, NZM 2004, 31 = NJW-RR 2004, 14. 5 BGH, Beschl. v. 10.9.1998 – V ZB 11/98, NJW 1998, 3713 = MDR 1999, 28. 6 LG Verden, Urt. v. 5.5.2008 – 8 O 219/07. 7 Timme/Elzer, § 43 WEG Rn. 217 „Instandhaltung“. 8 Jennißen/Suilmann, WEG, § 49a GKG, Rn. 22.

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Wohnungseigentum Jahresabrechnung, Erstellung 6343

Bemessungsgrundlage für den Streitwert sind die Kosten, die die Wohnungseigentümer aufwenden müssen, wenn eine Jahresabrechnung etwa im Rahmen des § 887 ZPO durch einen Dritten erstellt werden muss. Die Kosten richten sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Größe der Wohnanlage, und sind ggf. nach § 287 ZPO zu schätzen.1

6344

Dagegen ist das OLG Frankfurt2 der Auffassung, dass das Interesse aller Beteiligten i.S. von § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG an der Erstellung einer Jahresabrechnung grundsätzlich mit dem Regelsatz von 3.000 Euro anzunehmen sei, der jedoch im Einzelfall höher oder niedriger ausfallen könne. In den streitgegenständlichen Wirtschaftsjahren hatte die Klägerin aufgrund der Wirtschaftspläne jeweils Wohngeldvorauszahlungen i.H.v. 4.000 Euro geleistet. Dieser Betrag sei an Stelle des Regelsatzes i.H.v. 3.000 Euro zugrunde zu legen.

6345

Die Entscheidung des OLG ist unzutreffend, weil der Senat sich an § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO orientiert. Die Vorschrift gilt jedoch nur für FGG-Verfahren, nicht aber für Wohnungseigentumssachen nach neuem Recht. Das Interesse an der Erstellung einer Jahresabrechnung bemisst sich auch nicht an Vorauszahlungen aufgrund des Wirtschaftsplans. Jahresabrechnung, Genehmigung

6346

Wird die Genehmigung der Jahresabrechnung angegriffen, ist der Streitwert nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu bemessen.3 Eine schematische prozentuale Herabsetzung verbietet sich.

6347

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 49a GKG. Danach ist der Streitwert auf 50 % des Interesses der Parteien und aller Beigeladenen an der gerichtlichen Entscheidung festzusetzen, § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG. Er darf das Interesse des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen an der Entscheidung nicht unterschreiten und das Fünffache des Werts ihres Interesses nicht überschreiten, § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG.

6348

Bezüglich der Anfechtung eines Beschlusses über die Genehmigung der Jahresabrechnung ist das Gesamtinteresse nach ständiger Rechtsprechung des LG Hamburg4 nach der sog. Hamburger Formel zu bestimmen, wonach sich das Interesse in der Regel aus dem Eigeninteresse des Klägers zuzüglich eines Bruchteils von 25 % des – abzüglich des Einzelinteresses des Klägers – verbleibenden Gesamtinteresses berechnet. Das Gesamtinteresse ergibt sich nicht nur aus dem Nachzahlungsbetrag. Auch wenn sich der Kläger nicht gegen die Gesamtkosten, sondern nur dagegen wendet, an einigen Kostenpositionen überhaupt beteiligt zu werden, hat er den Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung insgesamt angefochten, sodass das Gesamtinteresse nicht nur aus der Höhe der betroffenen Positionen der Einzelabrechnung zu ermitteln ist.

1 Ott, IMR 2009, 367; Drasdo, NJW-Spezial 2009, 753. 2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.6.2009 – 3 W 34/09, MietRB 2009, 325 = NJW 2010, 1154. 3 BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, NJW 2005, 2061 = MDR 2005, 1156; Timme/ Elzer, § 43 WEG Rn. 217 „Jahresabrechnung“. 4 Vgl. nur LG Hamburg, Beschl. v. 10.10.2008 – 318 T 79/08, ZMR 2009, 71.

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Wohnungseigentum Bei formalen Mängeln ist nach Auffassung des OLG Hamburg1 sogar eine weitere Reduzierung um 50 % vorzunehmen.

6349

Mit diesem Ansatz kommen auch andere Gerichte zu einer Herabsetzung des Streitwerts von in der Regel zwischen 20 % bis 25 %.2

6350

Wird die Anfechtung auf einzelne Positionen beschränkt, so sind diese maßgeblich;3 etwas anderes gilt, wenn die Anfechtung sich nicht gegen Einzelpositionen richtet, sondern der der Abrechnung insgesamt zugrunde liegende Verteilungsschlüssel in Frage gestellt wird.4

6351

Kosten Wendet der Kläger sich gegen eine Kostentragungslast, ist für die Streitwertbemessung die Höhe der angegriffenen Kosten maßgeblich. In der Regel wird der Anteil, der auf den Kläger entfallen würde, zugrunde zu legen sein.5

6352

Kreditaufnahme Ficht ein Wohnungseigentümer den Eigentümerbeschluss über eine Kreditaufnahme an, bemisst sich der Streitwert nach der vollen Höhe des Kredits und nicht nur nach dem auf ihn im Innenverhältnis entfallenden Anteil.6

6353

Lastschriftverfahren Für den Streitwert der Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses, durch den die Wohnungseigentümer zur Teilnahme am Lastschriftverfahren verpflichtet werden, ist das Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer am rechtzeitigen Eingang und der vereinfachten Überwachung der Wohngeldzahlungen maßgeblich.

6354

Für das vermögenswerte Interesse der Wohnungseigentümer ist in erster Linie maßgebend, dass ihnen die Freiheit genommen wird, selbst zu entscheiden, auf welche Weise sie die auf das Gemeinschaftskonto des Verwalters zu leis-

6355

1 OLG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2010 – 9 W 34/10, ZMR 2010, 873. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.3.2009 – 14 Wx 17/07, ZWE 2009, 229; KG, Beschl. v. 18.2.2004 – 24 W 126/03, 24 W 154/03, NJW-RR 2004, 878 = MietRB 2005, 10; BayObLG, Beschl. v. 28.8.2001 – 2 Z BR 108/01, WuM 2002, 48 = ZMR 2002, 66; Beschl. v. 10.1.1997 – 2 Z BR 35/96, ZMR 1997, 256 = NJWE-MietR 1997, 161 = NJWRR 1997, 715; OLG Hamm, Beschl. v. 19.5.2000 – 15 W 118/00, WE 2000, 256 = ZWE 2000, 485 = NZM 2001, 549; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 9.7.1999 – 3 W 129/99, ZMR 1999, 663; nach anderen 10 %: LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 23.3.2009 – 14 T 2103/09, InfoM 2009, 346 = ZMR 2009, 555; Beschl. v. 23.5.2008 – 14 T 2925/08, WE 2009, 7 = ZMR 2008, 737. 3 BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, NJW 2005, 2061 = MDR 2005, 1156; BayObLG, Beschl. v. 20.10.1988 – BReg 3 Z 91/88, DB 1989, 104 = WuM 1989, 44; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 14.7.2009 – 5 W 109/09-42, 5 W 109/09, ZWE 2010, 35 = NZM 2010, 408; s. auch Drasdo, NJW-Spezial 2009, 753, 754; Timme/Elzer, § 46 WEG Rn. 41. 4 OLG Saarbrücken, Beschl. v. 14.7.2009 – 5 W 109/09, ZWE 2010, 35 = NZM 2010, 408; OLG Köln, Beschl. v. 2.2.2007 – 16 Wx 256/06, NJW 2007, 1759 = MietRB 2007, 177. 5 Vgl. auch Timme/Elzer, § 43 WEG Rn. 217 „Kosten“. 6 KG, Beschl. v. 3.11.1993 – 24 W 5915/93, WuM 1994, 108 = ZMR 1994, 72.

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Wohnungseigentum tenden Zahlungen erbringen, und dass ihnen die Verpflichtung auferlegt wird, dem Verwalter ein Bankkonto zu benennen – ggf. ein solches einzurichten –, eine Einzugsermächtigung zu erteilen und dafür zu sorgen, dass für die jeweils fällige Wohngeldrate Deckung vorhanden ist. 6356

Daneben kann die Gefahr unberechtigter Abbuchungen durch den Einzugsberechtigten berücksichtigt werden. Dieses Interesse kann im Einzelfall 2.000 Euro betragen.1 Leistungsklage

6357

Der Streitwert einer Leistungsklage bemisst sich gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 WEG nach dem Nennbetrag der jeweiligen Klageforderung. Mobilfunkantenne

6358

Das OLG Köln hat den Streitwert für einen Antrag auf Duldung aller Maßnahmen zum Aufbau einer Funkstation auf dem Dach der Wohnanlage, namentlich die Aufstellung einer näher bezeichneten Antennenanlage sowie den weiteren Antrag auf Duldung aller zur Herstellung des Energieversorgungsanschlusses dieser Funkstation erforderlichen Maßnahmen auf 19.200 Euro bemessen.2

6359

Das OLG München3 hat den Streitwert in einem ähnlich gelagerten Fall mit lediglich 8.000 Euro geschätzt. Dies ist angesichts der Größe der Wohnanlage und der wirtschaftlichen Bedeutung erheblich zu wenig. In dem entschiedenen Fall bestand die Anlage aus einem Längsbau mit fünf Geschossen und 20 Eigentumswohnungen, einem Hochhaus mit acht Geschossen und 32 Eigentumswohnungen und einem dazwischen gelegenen Pavillon, in dem vier Geschäfte und eine Tiefgarage im Untergeschoss vorgesehen waren. Die Antragstellerin war Eigentümerin einer Wohnung im Längsbau, die sie vermietet hatte; die Antragsgegner waren die Eigentümer der Wohnungen im Hochhaus und hatten die Errichtung einer Mobilfunkanlage auf ihrem Haus genehmigt, deren Entfernung die Antragstellerin begehrte. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten

6360

Das OLG Düsseldorf4 hat den Streitwert eines Unterlassungsanspruchs des Verwalters gegen einen Wohnungseigentümer, der sich in diversen in der Wohnungseigentumsanlage verbreiteten Aushängen und Schreiben polemisch herabsetzend geäußert hat, auf 12.000 Euro geschätzt.

6361

Zielt der Antrag auf die Bestellung eines Verwaltungsbeirates, dürfte der Wert mit etwa 3.000 Euro zu bemessen sein.5

1 BayObLG, Beschl. v. 12.6.1997 – 2 Z BR 48/97, WE 1998, 114 = WuM 1997, 460. 2 OLG Köln, Beschl. v. 10.1.2003 – 16 Wx 221/02, BauR 2003, 1089 = MietRB 2003, 40 = NZM 2003, 200 = NJW-RR 2003, 371 = ZMR 2003, 706. 3 OLG München, Beschl. v. 13.12.2006 – 34 Wx 109/06, MDR 2007, 711 = MietRB 2007, 39. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.9.2000 – 15 U 63/00, ZWE 2001, 164. 5 Merle, ZWE 2009, 168, 169.

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Wohnungseigentum Nutzung, Dachräume Streiten die Verfahrensbeteiligten über die Nutzung von Dachräumen zu Wohnzwecken, bemisst sich der Geschäftswert nach dem Interesse des betroffenen Wohnungseigentümers an der weiter gehenden Nutzung sowie dem Interesse der übrigen Wohnungseigentümer, die Ausweitung der Nutzung zu verhindern.

6362

Das Interesse ist weder mit der Differenz einer zu erzielenden Jahresmiete noch mit einer etwaigen Kaufpreisdifferenz im Fall eines Verkaufs der Wohnung gleichzusetzen. Zugleich ist das Interesse der übrigen Wohnungseigentümer zu berücksichtigen, eine weiter gehende Nutzungsmöglichkeit zu unterbinden.

6363

Das BayObLG hat unter Berücksichtigung einer Dachraumgröße von knapp 47 m2 und einem als Ausgleich gezahlten Betrag von 5.000 Euro einen Geschäftswert von 5.000 Euro angesetzt.1

6364

Nutzung, Laden als Fischgroßhandelsgeschäft Ein Beschlussanfechtungsverfahren betreffend eine größere Wohnanlage, mit dem Ziel, die Vermietung einer in der Teilungserklärung als „Laden“ bezeichneten Einheit (Erdgeschoss ca. 360 qm und im Kellergeschoss ca. 165 qm) zum Betrieb eines Fisch- und Feinkostgroßhandels zu genehmigen, hat einen Streitwert von 20.000 Euro.2

6365

Protokoll Der Geschäftswert eines Verfahrens über die Berichtigung des Protokolls einer Wohnungseigentümerversammlung bemisst sich nach dem Interesse der Beteiligten an der Berichtigung, nicht nach den bloßen Berichtigungskosten.3

6366

Rechnungslegung Der Streitwert einer Vollstreckungsabwehrklage gegen eine Rechnungslegungsverpflichtung ist nach dem mit der Rechnungslegung verbundenen zeitlichen und finanziellen Aufwand zu bemessen.4

6367

Anders als bei einem Anspruch auf Zahlung bei einer Geldsumme, bei dem das Interesse des Titelgläubigers und des Titelschuldners regelmäßig gleich – nämlich mit dem Nennbetrag der Forderung – zu bewerten sind, decken sich das Interesse des Gläubigers eines Rechnungslegungsanspruchs an der Legung der Rechnung und das Abwehrinteresse des Schuldners daran, keine Abrechnung erteilen zu müssen, regelmäßig nicht. Dieses Abwehrinteresse des Schuldners, nach dem sich der Gegenstandswert einer gegen eine titulierte Rechnungslegungspflicht gerichteten Vollstreckungsabwehrklage ebenso be-

6368

1 BayObLG, Beschl. v. 1.12.2004 – 2 Z BR 196/04, WuM 2005, 278; das AG hatte den Streitwert – überzogen – auf 100.000 Euro bemessen. 2 OLG München, Beschl. v. 8.12.2006 – 34 Wx 111/06, MDR 2007, 513 = NJW-Spezial 2007, 147. 3 BayObLG, Beschl. v. 9.7.1996 – 3 Z BR 106/96, WE 1997, 116 = WuM 1996, 726. 4 OLG Köln, Beschl. v. 12.6.2007 – 2 W 41/07, InVo 2008, 22 = JurBüro 2007, 488.

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Wohnungseigentum misst, wie der Streitwert eines gegen einen solchen Titel gerichteten Rechtsmittels, bestimmt sich vielmehr nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, der für ihn mit der Legung der Rechnung verbunden ist, sowie nach einem etwaigen Geheimhaltungsinteresse des Verurteilten, nicht aber nach dem Wert des Rechnungslegungsanspruchs. 1 Rückschnitt Hecke 6369

Ein Antrag auf Ungültigerklärung eines Beschlusses auf Rückschnitt einer Hecke von ca. 160 cm auf 80 cm (verbunden mit einer längerfristigen Schädigung der Hecke) ist mit einem Streitwert von 2.000 Euro angemessen bewertet.2 Sanierungsmaßnahmen

6370

Die Gesamthöhe der konkret angefochtenen Maßnahme bestimmt grundsätzlich den Streitwert.3

6371

Das ist wiederum anders zu beurteilen, wenn sich aus § 49a GKG Abweichendes ergibt. Wird beanstandet, dass eine als notwendig anerkannte Reparatur mit zu hohem Kostenaufwand durchgeführt werden soll, obwohl sie auch mit geringerem Aufwand durchgeführt werden könnte, so bestimmt sich das für die Streitwertbemessung maßgebliche Interesse nicht nach dem Gesamtvolumen der beschlossenen Maßnahme, sondern nach der Differenz der beiden in Betracht kommenden Maßnahmen. Diese ist als konkrete Einzelbeanstandung grundsätzlich in voller Höhe anzusetzen. Wird mit der Anfechtung nur eine weniger aufwendige Sanierung oder die Wahl eines günstigeren Anbieters bezweckt, ist die Kostendifferenz maßgeblich.4 Selbständiges Beweisverfahren

6372

Der Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens ist mit dem Hauptsachewert oder mit dem Teil des Hauptsachewertes anzusetzen, auf den sich die Beweiserhebung bezieht.5

6373

Dies kann beispielsweise bedeuten, dass dann, wenn im Beweisverfahren nicht alle behaupteten Mängel bestätigt werden, für die Streitwertfestsetzung diejenigen Kosten zu schätzen sind, die sich ergeben hätten, wenn jene Mängel festgestellt worden wären.6 Sonderumlage bei Sanierungsmaßnahmen

6374

Das OLG Köln7 bemisst den Gebührenstreitwert mit 15 % der angefochtenen Sonderumlage. 1 OLG Hamburg, Beschl. v. 3.3.1989 – 2 UF 140/88, FamRZ 1989, 770. 2 OLG München, Beschl. v. 12.9.2005 – 34 Wx 54/05, NJW-RR 2006, 88 = ZMR 2006, 67 = NZM 2006, 828 = MietRB 2006, 69. 3 BayObLG, Beschl. v. 12.10.2000 – 3 Z BR 218/00, WuM 2000, 690 = NZM 2001, 246; Beschl. v. 12.10.1988 – BReg 3 Z 74/88, JurBüro 1989, 535 = NJW-RR 1989, 80. 4 BayObLG, Beschl. v. 11.3.1998 – 3 Z BR 461/97, WuM 1998, 314 = JurBüro 1998, 365. 5 BGH, Beschl. v. 16.9.2004 – III ZB 33/04, NJW 2004, 3488 = MDR 2005, 162. 6 OLG Jena, Beschl. v. 30.1.2001 – 1 W 31/01, OLGR 2001, 132 = AGS 2001, 109. 7 OLG Köln, Beschl. v. 2.2.2001 – 16 Wx 131/00, ZMR 2001, 574.

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Wohnungseigentum Sondernutzungsflächen Der Geschäftswert beim Streit um Sondernutzungsflächen ist im Allgemeinen niedriger anzusetzen als der Grundstückswert (Verkehrswert). Auch wenn sich jeder starre Schematismus verbietet, kann – neben anderen Faktoren – aber der Grundstückswert einen wichtigen Anhaltspunkt für die Wertfestsetzung bilden.

6375

Dementsprechend kann der Streitwert betreffend einen Antrag auf Übertragung des Sondernutzungsrechts an einem Pkw-Stellplatz 8.000 Euro1 betragen.

6376

Geht es hingegen nicht um das Eigentum als solches, sondern um die Abgrenzung von Nutzungsrechten an zwei Flächen von lediglich knapp 5 qm und etwa 8 qm, ist das streitwertmindernd zu berücksichtigen; in einem solchen Fall kann der Streitwert auf 2.250 Euro zu bemessen sein.2

6377

Umzugskostenpauschale Gem. § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG bemisst sich der Wert allein nach dem Interesse der Beteiligten an der Entscheidung, und zwar dem Interesse aller Beteiligten, nicht lediglich des Antragstellers.3

6378

Das Verfahren auf Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses, eine Umzugskostenpauschale von 75 Euro pro Ein- und Auszug einer Partei einzuführen, hat dementsprechend einen Streitwert von 5.000 Euro.4 Dieser Betrag entspricht dem Interesse sämtlicher Beteiligten angesichts der Häufigkeit von Umzügen innerhalb eines Jahres, die – bei unterstellter Gültigkeit des Eigentümermehrheitsbeschlusses – das Eingreifen der Umzugskostenpauschale begründen.

6379

Eine Herabsetzung des Wertes gem. § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG kommt nicht in Betracht, weil die Kosten, die sich unter Berücksichtigung des Interesses aller Beteiligten durch diese Geschäftswertfestsetzung ergeben, in keinem unangemessenen Verhältnis zum Interesse der Antragsteller stehen.

6380

Unterlassung Geht es im gerichtlichen Verfahren in Wohnungseigentumssachen um Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, so richtet sich der Gebührenstreitwert sowohl an dem Interesse des Klägers an der Beseitigung des beanstandeten Verhaltens als auch an dem Abwehrinteresse des Beklagten an der Möglichkeit der Fortsetzung der Nutzung.5

6381

Unterlassung, bordellähnlicher Betrieb Wird in einer Wohnanlage mit 42 Eigentumswohnungen in einer Wohnung die Prostitution ausgeübt, so wird dadurch der Miet- und Wohnwert der ge1 2 3 4 5

LG Köln, Urt. v. 15.5.2002 – 28 O 631/01, MDR 2002, 1186. BayObLG, Beschl. v. 28.2.2001 – 2 Z BR 113/00, ZWE 2001, 552. BGH, Beschl. v. 17.9.1992 – V ZB 21/92, MDR 1992, 1177 = NJW 1992, 3305. AG Osnabrück, Beschl. v. 23.9.2005 – 40 II 87/03 = Info M 2005, 259. BayObLG, Beschl. v. 1.2.2001 – 2 Z BR 105/00, ZMR 2001, 557 = NJW-RR 2001, 1383; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.6.1999 – 14 Wx 35/99, JurBüro 2000, 82 = NZM 2000, 194 = NJW-RR 2000, 89.

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Wohnungseigentum samten Anlage – also auch entfernt liegender Wohnungen – gemindert. Der Streitwert bemisst sich dann insbesondere an dem Interesse der antragstellenden Eigentümer an einem Unterlassen der von der Wohnung des Antragsgegners ausgehenden Beeinträchtigungen auf die Wertminderung der übrigen (hier: 41) Wohnungen der Anlage, und zwar selbst dann, wenn die Wertminderung in entfernt liegenden Einheiten geringer ist als in solchen, die der beanstandeten Wohnung unmittelbar benachbart sind.1 6383

Dagegen hat das BayObLG2 den Jahresmietzins für die Streitwertbemessung herangezogen. Das sei grundsätzlich nicht zu beanstanden, denn die Untersagung der Nutzung von Teileigentumsräumen zum Zweck eines bordellartigen Betriebs stelle lediglich eine Vermietungsbeschränkung dar. Unterlassung, Nutzung von Räumen

6384

Steht die grundsätzliche Nutzungsmöglichkeit von zwei Räumen zu dauernden Wohnzwecken in Frage sowie das Interesse der übrigen Wohnungseigentümer, eine solche Nutzung zu verhindern, ist ein Streitwert von 15.000 Euro sachgerecht.3 Verlegung eines Müllcontainers

6385

Ein Antrag eines Wohnungseigentümers, einen Müllcontainer innerhalb der Wohnanlage an einen anderen Stellplatz verlegen zu lassen, hat einen Streitwert von 1.200 Euro.4 Verwalter, Abberufung des Verwalters

6385a

S. hierzu oben Rn. 6265, 6273 ff. Verwalter, Beendigung des Verwaltervertrages

6386

In einer Wohnungseigentumssache, die auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung des Verwaltervertragsverhältnisses gerichtet ist, ist der Streitwert nach der Höhe der Verwaltervergütung zu bemessen, die auf die Zeit nach der Kündigung entfällt.5

6387

Eine Kürzung dieses Betrages um den von dem anfechtenden Wohnungseigentümer ggf. zu tragenden Anteil an dessen Vergütung (eine Frage der Anstel1 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.6.1999 – 14 Wx 35/99, JurBüro 2000, 82 = NJW-RR 2000, 89 = NZM 2000, 194. 2 BayObLG, Beschl. v. 20.9.2001 – 2 Z BR 39/01, ZWE 2002, 127 = ZMR 2002, 142. 3 OLG München, Beschl. v. 6.11.2006 – 34 Wx 105/06, ZMR 2007, 302 = WE 2008, 8 = ZfIR 2007, 38 = MietRB 2007, 39 = ZWE 2007, 110. 4 BayObLG, Beschl. v. 3.11.2004 – 2 ZB 73/04. 5 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 3.9.2009 – 7 W 57/09, ZMR 2010, 141 = AGS 2009, 606; Briesemeier, IMR 2010, 74; OLG Celle, Beschl. v. 7.1.2010 – 4 W 208/09, IMR 2010, 74; BayObLG, Beschl. v. 12.10.2000 – 3 Z BR 218/00, ZMR 2001, 128; Beschl. v. 18.1.1995 – 2 Z BR 128/94, JurBüro 1995, 646 = WuM 1996, 663; OLG Köln, Beschl. v. 21.9.1998 – 16 Wx 126/98, WuM 1999, 306 = NZM 1998, 960; OLG Schleswig, Beschl. v. 23.5.1990 – 2 W 98/89, NJW-RR 1990, 1045, 1046; OLG Köln, Beschl. v. 22.9.1972 – 16 W 102/72, NJW 1973, 765; LG Köln, Beschl. v. 22.12.2008 – 29 T 181/08, NZM 2009, 364.

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Wohnungseigentum lung und des Verwaltervertrages) ist in der Regel nicht gerechtfertigt, weil das Interesse des Klägers dahin geht, durch die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung letztlich die Verwaltervergütung für den restlichen vertraglichen Zeitraum zu erhalten. Etwas anderes gilt nur, wenn ein Wohnungseigentümer sich gerade (und nur) gegen die Höhe des sich gem. dem Verwaltervertrag zu zahlenden Honorars wendet. Nur in diesem Falle – Anfechtung der Anstellung eines Verwalters wegen vom Kläger für nicht ordnungsgemäß erachteter Vertragsregelungen – ist das klägerische Interesse das zukünftige Honorar und dessen Höhe.

6388

Beim Streit um die Höhe der Verwaltervergütung ist ggf. die Differenz zwischen den Ansätzen beider Seiten maßgeblich.

6389

Bei der Streitwertfestsetzung eines Beschlussmängelverfahrens über die Verwalterbestellung bemisst sich das Einzelinteresse des Klägers auch dann nach seinem Anteil an den Verwalterkosten für die gesamte Vertragslaufzeit, wenn es dem Kläger allein um die Person des Verwalters und damit um ein ideelles Interesse geht.1 In diesem Fall wird das Interesse des Klägers bestimmt durch die „Unzufriedenheit mit dem Verwalter“, sodass als einziges objektives Kriterium nur das Verwalterhonorar zur Verfügung steht. Das Interesse ist nicht höher zu bewerten als das rein finanzielle Interesse des Klägers, welches sich auf den nach Einheiten jeweils entfallenden Anteil des Verwalterhonorars beschränkt. Letztlich geht es dem Kläger darum, dass sein Anteil an diesem Honorar an einen geeigneten Verwalter fließt. Nach anderer Ansicht2 sind aufgrund des ideellen Interesses pauschal 10 % der Vergütung als Streitwert anzusetzen.

6390

Der Streitwert eines Beschlussanfechtungsverfahrens betreffend eine Vollmacht des Verwalters zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung nebst Anwaltsbeauftragung bemisst sich auf 5.000 Euro.3

6391

Vermietung Der Geschäftswert eines Antrags, die Benutzung eines vermieteten Kfz-Stellplatzes zu unterlassen, kann mit dem einjährigen Mietwert bzw. dem einjährigen Erhöhungsbetrag festgesetzt werden.4

6392

Wahl eines Schriftführers Ein Antrag auf Ungültigerklärung eines Beschlusses über die Bestellung eines Schriftführers für die Eigentümerversammlung hat einen Streitwert von 500 Euro.5

1 LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 13.4.2010 – 14 T 2469/10. 2 LG München I, Beschl. v. 3.6.2009 – 1 T 499/09, NZM 2009, 625 = ZWE 2009, 315 = ZMR 2009, 802 = ZfIR 2009, 571 = MInfo M 2010, 144; Müller, ZMR 2010, 139 ff. 3 BayObLG, Beschl. v. 10.8.2001 – 2 Z BR 21/01, NZM 2001, 959 = NJW-RR 2002, 158. 4 BayObLG, Beschl. v. 16.4.1993 – 2 Z BR 16/93, WuM 1993, 494 = JurBüro 1994, 554. 5 BayObLG, Beschl. v. 19.2.2004 – 2 Z BR 219/03, NZM 2004, 794 = ZMR 2005, 211.

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Wohnungseigentum Wirtschaftsplan 6394

Für den Geschäftswert ist bei einer Teilanfechtung des Wirtschaftsplans nach herrschender Meinung die Höhe der angegriffenen Positionen maßgeblich.1 Zahlungsklage

6395

Maßgeblich ist der verlangte Betrag, vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, vgl. Rn. 6250. Zustimmung

6396

Der Gebührenstreitwert eines Verfahrens auf Verpflichtung des Verwalters oder der anderen Wohnungseigentümer zur Zustimmung der Veräußerung des Wohn- bzw. Teileigentums beträgt 10 % bis 20 % des Verkaufspreises.2 Die Streitwertobergrenze von 20 % ist aber nur bei einem verhältnismäßig geringen Wert eines Wohnungs- oder Teileigentums zu wählen; bei einem hohen Wert, der bei etwa mehr als 50.000 Euro liegen wird, sind hingegen nur 10 % des Verkaufspreises anzusetzen.3

6397

Der Streitwert für die Anträge auf Zustimmung zum Gebrauch bestimmter Kellerräume bei Belassung der von den Beteiligten im Übrigen getroffenen Gebrauchsregelung sowie auf Zustimmung zum Einbau einer Tür im Keller kann auf 3.000 Euro geschätzt werden.4

D. Rechtsmittelstreitwert, Wert des Beschwerdegegenstandes, Beschwer 6398

Der Rechtsmittelstreitwert oder auch Wert des Beschwerdegegenstands ergibt sich aus dem vom Rechtsmittelführer verfolgten Ziel, die Beschwer ganz oder teilweise zu beseitigen. Im Normalfall wird der Rechtsmittelstreitwert durch die Beschwer und den Berufungsantrag bestimmt, also nach dem individuellen vermögenswerten Interesse des Rechtsmittelführers an der Änderung der angefochtenen Entscheidung.5

6399

Unter Beschwer ist der Wert des rechtlichen Nachteils zu verstehen, den eine Partei durch eine gerichtliche Entscheidung erleidet; der Umfang des Rechtsmittels ist insoweit ohne Belang,6 auch eine Klageerweiterung nach Schluss der mündlichen Verhandlung.7 Die Vorschriften der §§ 3 bis 9 ZPO sind nur 1 BGH, Beschl. v. 2.6.2005 – V ZB 32/05, NJW 2005, 2061 = MDR 2005, 1156; BayObLG, Beschl. v. 20.10.1988 – BReg 3 Z 91/88, BayObLGZ 198, 326 = DB 1989, 104 = WuM 1989, 44. 2 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 12.11.2007 – 20 W 395/07, IMR 2008, 142; KG, Beschl. v. 12.1.2007 – 11 W 15/06, ZMR 2007, 553 = WuM 2007, 162. 3 KG, Beschl. v. 12.1.2007 – 11 W 15/06, ZMR 2007, 553 = WuM 2007, 162 = GuT 2007, 46 = NZM 2008, 47; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.5.2005 – 3 Wx 321/04, NJW-RR 2005, 1254 = NZM 2005, 787 = OLGR 2005, 592 = ZMR 2005, 971, 972. 4 OLG München, Beschl. v. 26.9.2005 – 34 Wx 74/05, NJW-RR 2006, 87 = NZM 2006, 704. 5 BGH, Beschl. v. 17.9.1992 – V ZB 21/92, MDR 1992, 1177 = NJW 1992, 3305; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.3.2004 – 11 Wx 45/03, OLGR 2004, 213. 6 BGH, Beschl. v. 10.10.1983 – III ZR 87/83, MDR 1984, 196 = NJW 1984, 371. 7 BGH, Beschl. v. 19.3.2009 – IX ZB 152/08, NJW-RR 2009, 853 = AGS 2009, 295 = MDR 2009, 824 = BGHR 2009, 743 = FamRZ 2009, 972.

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Zeugnisverweigerung dann heranzuziehen, wenn die Beschwer sich nicht unmittelbar aus dem Nachteil selbst ergibt; bei Abweisung eines Zahlungsanspruchs und bei Verurteilung zu einer Zahlung besteht eine dahingehende Notwendigkeit also nicht. Maßgebend ist das wirtschaftliche Interesse des Rechtsmittelklägers am Erfolg seines Rechtsmittels; der Wert ist im Regelfall mit der Beschwer identisch oder – bei begrenzt eingelegtem Rechtsmittel – niedriger; nur ausnahmsweise kann er höher sein.1 Die Obergrenze des Rechtsmittelstreitwerts liegt im rechtskraftfähigen Inhalt der angefochtenen Entscheidung.2 Daher gelten die zum Gebührenstreitwert ausgeführten Grundsätze.

Zeugnis S. das Stichwort „Willenserklärung“.

Zeugnisverweigerung A. Allgemeines Gem. §§ 383, 384 ZPO ist ein Zeuge berechtigt, das Zeugnis aus bestimmten persönlichen und sachlichen Gründen zu verweigern. Will er von davon Gebrauch machen, dann hat der Zeuge die dafür maßgeblichen Gründe anzugeben und glaubhaft zu machen (§ 386 Abs. 1 ZPO). Über die Rechtmäßigkeit seiner Weigerung ist, sofern es sich nicht um eine Tatsache handelt, die der Amtsermittlung unterliegt, nur auf Antrag des Beweisführers im Wege des Zwischenstreits zu entscheiden.3 Gegen das Zwischenurteil ist die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde eröffnet, § 387 Abs. 3 ZPO.

6400

B. Gebührenstreitwert Der Wert des Zwischenstreites über eine Zeugnisverweigerung richtet sich nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) und ist grundsätzlich frei zu schätzen. Hierbei ist der Zwischenstreit selbständig und als vermögensrechtliche Streitigkeit zu bewerten, wenn die Hauptsache vermögensrechtliche Ansprüche betrifft.4 Für diese Betrachtung spricht, dass es sich bei 1 2 3 4

BGH, Beschl. 24.11.1994 – GSZ 1/94, FamRZ 1995, 349 = NJW 1995, 664. BGH, Beschl. v. 8.5.2007 – VIII ZR 133/06, WuM 2007, 395 = MDR 2007, 1093. Zöller/Greger, § 387 ZPO Rn. 2. Vgl. BGH, Beschl. v. 25.3.1991 – II ZA 9+10/90, KostRspr. § 3 Nr. 1034; Musielak/ Heinrich, § 3 ZPO Rn. 39 unter „Zeugnisverweigerung“; Stein/Jonas/Roth, § 3 ZPO Rn. 13; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 Stichwort „Zeugnisverweigerung“; a.A. 11. Auflage; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 12.10.2007 – 4 W 182/07, NZI 2008, 40 – mit Rückgriff auf Regelwert des § 51 Abs. 2 GKG; OLG Köln, Rpfleger 1973, 321; BayObLG, Beschl. v. 21.8.1986 – BReg. 1 Z 34/86, KostRsp. GKG § 12 Nr. 113 = FamRZ 1986, 1237; ausführlich Schneider, Anm. zu BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1034.

Kurpat

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Zeugnisverweigerung dann heranzuziehen, wenn die Beschwer sich nicht unmittelbar aus dem Nachteil selbst ergibt; bei Abweisung eines Zahlungsanspruchs und bei Verurteilung zu einer Zahlung besteht eine dahingehende Notwendigkeit also nicht. Maßgebend ist das wirtschaftliche Interesse des Rechtsmittelklägers am Erfolg seines Rechtsmittels; der Wert ist im Regelfall mit der Beschwer identisch oder – bei begrenzt eingelegtem Rechtsmittel – niedriger; nur ausnahmsweise kann er höher sein.1 Die Obergrenze des Rechtsmittelstreitwerts liegt im rechtskraftfähigen Inhalt der angefochtenen Entscheidung.2 Daher gelten die zum Gebührenstreitwert ausgeführten Grundsätze.

Zeugnis S. das Stichwort „Willenserklärung“.

Zeugnisverweigerung A. Allgemeines Gem. §§ 383, 384 ZPO ist ein Zeuge berechtigt, das Zeugnis aus bestimmten persönlichen und sachlichen Gründen zu verweigern. Will er von davon Gebrauch machen, dann hat der Zeuge die dafür maßgeblichen Gründe anzugeben und glaubhaft zu machen (§ 386 Abs. 1 ZPO). Über die Rechtmäßigkeit seiner Weigerung ist, sofern es sich nicht um eine Tatsache handelt, die der Amtsermittlung unterliegt, nur auf Antrag des Beweisführers im Wege des Zwischenstreits zu entscheiden.3 Gegen das Zwischenurteil ist die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde eröffnet, § 387 Abs. 3 ZPO.

6400

B. Gebührenstreitwert Der Wert des Zwischenstreites über eine Zeugnisverweigerung richtet sich nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG (§ 12 Abs. 1 GKG a.F.) und ist grundsätzlich frei zu schätzen. Hierbei ist der Zwischenstreit selbständig und als vermögensrechtliche Streitigkeit zu bewerten, wenn die Hauptsache vermögensrechtliche Ansprüche betrifft.4 Für diese Betrachtung spricht, dass es sich bei 1 2 3 4

BGH, Beschl. 24.11.1994 – GSZ 1/94, FamRZ 1995, 349 = NJW 1995, 664. BGH, Beschl. v. 8.5.2007 – VIII ZR 133/06, WuM 2007, 395 = MDR 2007, 1093. Zöller/Greger, § 387 ZPO Rn. 2. Vgl. BGH, Beschl. v. 25.3.1991 – II ZA 9+10/90, KostRspr. § 3 Nr. 1034; Musielak/ Heinrich, § 3 ZPO Rn. 39 unter „Zeugnisverweigerung“; Stein/Jonas/Roth, § 3 ZPO Rn. 13; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 Stichwort „Zeugnisverweigerung“; a.A. 11. Auflage; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 12.10.2007 – 4 W 182/07, NZI 2008, 40 – mit Rückgriff auf Regelwert des § 51 Abs. 2 GKG; OLG Köln, Rpfleger 1973, 321; BayObLG, Beschl. v. 21.8.1986 – BReg. 1 Z 34/86, KostRsp. GKG § 12 Nr. 113 = FamRZ 1986, 1237; ausführlich Schneider, Anm. zu BGH, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 1034.

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Zeugnisverweigerung dem Zwischenstreit um ein Nebenverfahren im laufenden Rechtsstreit handelt, dass der Entscheidung in der Hauptsache dient.1 6402

Wertbestimmend ist nicht die Konfliktsituation des Zeugen, sondern das Interesse der beweisführenden Partei mit der Zeugenvernehmung den Ausgang des Rechtsstreits zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Maßgeblich ist daher die (beweismittelrechtliche) Bedeutung der Aussage für den Ausgang des Verfahrens. Da dies von dem Vorhandensein weiterer Beweismittel, dem Umfang des Beweisgegenstandes im Verhältnis zum Streitgegenstand und etwaig weiteren vom Gericht nach § 286 ZPO zu berücksichtigenden Umständen abhängig ist, scheidet eine schematische Gleichsetzung mit dem Wert der Hauptsache aus.2

6403

Dem steht das Verbot der antizipierten Beweiswürdigung nicht entgegen,3 da die Relevanz des Beweismittels nicht von seiner prognostizierten Überzeugungskraft sondern von einer formalen Bedeutung für die Notwendigkeit und den Umfang der Beweisaufnahme abgeleitet wird. Denn mit Zwischenurteil, das die Rechtmäßigkeit der Zeugnisverweigerung ausspricht, wird im Fall einer drohenden Beweislastentscheidung mittelbar über den Anspruch des Klägers entschieden.4

6404

Bei der Bemessung wird in der Regel von einer Bruchteilsbewertung bezogen auf den Wert des vom Beweisantrag erfassten Teils des Streitgegenstandes auszugehen sein, es sei denn das Beweismittel ist für den weiteren Verlauf des Rechtsstreits, etwa wegen einer drohenden Beweislastentscheidung, von entscheidender Bedeutung.5

C. Beschwerdewert 6405

Für den im Zwischenstreit unterlegenen Beweisführer folgt die der Wert der Beschwer aus seiner Interesse an der Beweisführung und damit dem Gebührenstreitwert.6

6406

Für den unterlegenen Zeugen ist maßgeblich auf dessen Gründe für die Zeugnisverweigerung abzustellen.7

1 So auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.12.2003 – I-5 W 48/03, OLGR 2004, 372 = MDR 2004, 1083 = AGS 2004, 392 für das Verfahren der Sachverständigenablehnung. 2 BGH, Beschl. v. 25.3.1991 – II ZA 9+10/90, KostRspr. ZPO § 3 Nr. 1034; OLG Frankfurt, Urt. v. 19.11.2003 – 9 U 70/98, NotBZ 2004, 490; Stein/Jonas/Roth, § 3 ZPO Rn. 13 m.w.N.; a.A. OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.10.1963 – 2 W 136/63, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 103; KG, JurBüro 1964, 616; KG, JurBüro 1968, 739 – in der Regel Hauptsachewert. 3 So aber Schneider, Anm. zu BGH, KostRspr. ZPO § 3 Nr. 1034. 4 Vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.8.1997 – 2 W 3/97, FamRZ 1998, 563 = NJW-FER 1998, 89 – Duldung der Blutentnahme zur Feststellung der Abstammung. 5 BGH, Beschl. v. 25.3.1991 – II ZA 9+10/90, KostRspr. ZPO § 3 Nr. 1034; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.8.1997 – 2 W 3/97, FamRZ 1998, 563 = NJW-FER 1998, 89 – Duldung der Blutentnahme zur Feststellung der Abstammung; a.A. OLG Karlsruhe, RPfl 1966, 64: stets niedriger als der Hauptsachewert. 6 OLG Frankfurt, Urt. v. 19.11.2003 – 9 U 70/98, OLGR 2004, 81 = NotBZ 2004, 490. 7 Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Zeugnisverweigerung“.

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Kurpat

Zinsen

Zinsen A. Zuständigkeitsstreitwert I. Überblick Eingeklagte Zinsen können Nebenforderungen (§ 4 Abs. 1 ZPO) oder Hauptforderung sein. Möglich ist auch, dass ein Teil der Zinsen Hauptforderung ist und ein anderer Teil Nebenforderung. Zur Bewertung als Hauptforderung s. unten Rn. 6435.

6407

II. Isolierte Klage Werden Zinsen isoliert eingeklagt, sind sie immer Hauptforderung. Ihr voller Wert ist maßgebend. Zur Bewertung als Hauptforderung s. unten Rn. 6435.

6408

III. Zinsen werden zusammen mit der zugehörigen Hauptforderung geltend gemacht Werden Zinsen neben der Hauptforderung geltend gemacht, aus der sie sich berechnen, dann handelt es sich um Nebenforderungen, die nach § 4 Abs. 1 ZPO für den Zuständigkeitsstreitwert außer Ansatz bleiben.

6409

* Æ Beispiel: Eingeklagt wird eine Kaufpreisforderung i.H.v. 5.000 Euro nebst Zinsen.

Der Wert der Zinsen wird nicht mitgerechnet. Der Streitwert beläuft sich auf 5.000 Euro. Unerheblich ist, wie der Zinsantrag formuliert ist, insbesondere, ob die Zinsen als „Nebenantrag“ geltend gemacht oder ob sie kapitalisiert – ggf. mit der Hauptforderung – eingefordert werden.1

6410

* Æ Beispiel: Eingeklagt werden 5.500 Euro, wobei 5.000 Euro auf die Hauptforderung entfallen und 500 Euro auf zwischenzeitlich aufgelaufene Zinsen. Die Zinsen werden auch hier nicht mitgerechnet. Der Wert beträgt 5.000 Euro.

IV. Klage auf Zinsen aus anderer Hauptforderung Eingeklagte Zinsen sind nur dann Nebenforderung, wenn sie sich aus der eingeklagten Hauptforderung berechnen. Berechnen sie sich dagegen aus einer anderen Hauptforderung, dann sind sie selbst weitere Hauptforderung.

* Æ Beispiel: Eingeklagt werden 5.000 Euro Kaufpreisforderung und 500 Euro Zinsen aus einer Darlehnsforderung. Der Wert der Zinsen wird jetzt als weitere Hauptforderung hinzugerechnet (§ 5 ZPO). Der Streitwert beträgt 5.500 Euro. 1 BGH, Beschl. v. 25.11.2004 – III ZR 325/03.

N. Schneider

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Zinsen

IV. Klage auf Zinsen aus einem anderen nicht eingeklagten Teil der Hauptforderung 6412

Auch dann, wenn Zinsen aus einem Teil der Hauptforderung resultieren, der nicht mit eingeklagt worden ist, sind die Zinsen als Hauptforderung zu berücksichtigen. Es fehlt auch in diesem Fall an der für eine Nebenforderung i.S. des § 4 Abs. 1 ZPO erforderlichen Abhängigkeit der (eingeklagten) Hauptforderung.1

* Æ Beispiel: Der Beklagte schuldete dem Kläger eine Kaufpreisforderung i.H.v. 12.000 Euro, mit der er seit dem 1.2. in Verzug war. Im Dezember zahlte der Beklagte schließlich 7.000 Euro ausdrücklich auf die Hauptforderung, da er nach seiner Auffassung nicht verpflichtet war, Zinsen zu zahlen. Wegen des Restbetrages von 5.000 Euro sowie der gesamten Zinsen seit dem 1.2. wird nunmehr Klage eingereicht. Soweit die Zinsen aus den eingeklagten 5.000 Euro resultieren, sind sie Nebenforderung nach § 4 Abs. 1 ZPO und damit nicht werterhöhend. Soweit sich die Zinsen dagegen aus den gezahlten 7.000 Euro berechnen, sind sie Hauptforderung, da sie nicht vom Bestand der eingeklagten Hauptforderung abhängig sind. Der Streitwert beträgt auf jeden Fall mehr als 5.000 Euro, sodass das Landgericht zuständig ist.

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Keine Frage der Zinsbewertung ist es, wenn Teilzahlungen gem. §§ 366, 367 ZPO erst auf Zinsen verrechnet werden, da dann die Hauptforderung bestehen bleibt.

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* Æ Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel; der Schuldner hat die 7.000 Euro auf Hauptforderung und Zinsen gezahlt. Die zwischenzeitlich aufgelaufenen Zinsen aus den 10.000 Euro beliefen sich auf 500 Euro. Jetzt bleibt die Hauptforderung i.H.v. 5.000 Euro bestehen. Wird sie nebst Zinsen eingeklagt, beläuft sich der Streitwert auf 5.500 Euro. Die weiteren Zinsen werden nicht mitberechnet.

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Nach BGH ist sogar dann zu addieren, wenn von mehreren Gesamtgläubigern einer die Hauptforderung und ein anderer die Zinsen einklagt.

* Æ Beispiel: Zwei Eheleute sind Gesamtgläubiger einer Forderung i.H.v. 5.000 Euro. Der Ehemann klagt auf Zahlung von 5.000 Euro; die Ehefrau klagt auf Zahlung von 5 % Zinsen aus 5.000 Euro seit Rechtshängigkeit, deren Wert hier mit 500 Euro angenommen werden soll. Der Wert der Klageforderung des Ehemannes beläuft sich auf 5.000 Euro. Der Wert des Klageantrags der Ehefrau beläuft sich nur auf den Wert der Zinsen, also 500 Euro. Diese Zinsen sind jetzt aber keine Nebenforderung. Zwar wären sie Nebenforderung zu der vom Ehemann eingeklagten Forderung. Darauf kommt es jedoch nicht an. Zinsen sind nur dann Nebenforderung im Sinne des § 4 ZPO, wenn sie in demselben Prozess von derselben Partei verlangt werden.2 Dies ist zutreffend und entspricht einhelliger Auffassung. Der Begriff Nebenforderung setzt voraus, dass eine Hauptforderung besteht. Diese besteht aber hinsichtlich der Klägerin zu 2) gerade nicht, da

1 BGH, Beschl. v. 12.12.1957 – VII ZR 135/57, BGHZ 26, 174 = NJW 1958, 342 = DB 1958, 193 = Rpfleger 1958, 83; Beschl. v. 24.3.1992 – VII ZR 146/93, NJW 1994, 1869 = MDR 1994, 720. 2 BGH, Beschl. v. 14.5.1992 – II ZR 275/91, KostRsp. ZPO § 4 Nr. 72; ebenso E. Schneider, Die Klage im Zivilprozess Rn. 291 und 614.

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N. Schneider

Zinsen sie nicht auch auf Zahlung von 5.000 Euro klagt. Für sie ist daher nach § 3 ZPO nur der Wert ihres Antrags, nämlich der der Zinsen maßgebend. Ausgehend hiervon beliefe sich also der Streitwert des Verfahrens auf 5.500 Euro.

Nach zutreffender Ansicht1 muss man in einem solchen Fall im Ergebnis von einem Additionsverbot wegen wirtschaftlicher Identität ausgehen. Das Additionsverbot wegen wirtschaftlicher Identität gilt nämlich nicht nur im Verhältnis zu wirtschaftlich identischen Hauptforderungen, sondern auch im Verhältnis zu den davon abhängigen Nebenforderungen.

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V. Aufgelaufende Zinsen sind Teil der Hauptforderung geworden Zinsen sind auch dann keine Nebenforderung, wenn sie der Hauptforderung zugeschlagen werden, etwa bei einer Klage auf Herauszahlung einer Mietkaution oder Freigabe eines hinterlegten Betrags. S. hierzu die Stichwörter „Mietstreitigkeiten“ Rn. 3955 ff., „Hinterlegung“ und „Kreditgebühren“ jeweils m.w.N.

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Auch bei einer Klage auf Zustimmung zu einem Teilungsplan werden Zinsen, die dem zu teilenden Konto inzwischen gutgeschrieben sind, nicht als Nebenforderung geltend gemacht; sie sind vielmehr wie Hinterlegungszinsen Berechnungsfaktor für die Hauptforderung und somit für deren Bewertung maßgebend.2

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VI. Befreiung von Zinsen Wird ein Befreiungsanspruch geltend gemacht, nach dem der Beklagte auch von Zinsen befreien soll, ist strittig, ob die Zinsen mitzuberechnen sind. S. dazu „Befreiungsanspruch“.

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B. Beschwer Für die Berechnung des Werts des Beschwerdegegenstands gelten die gleichen Grundsätze wie für den Zuständigkeitsstreitwert.

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Zinsen wirken sich hier auch dann werterhöhend aus, wenn sie erstinstanzlich Nebenforderung waren, aber im Rechtsmittelverfahren ohne den zugehörigen Hauptanspruch angefochten werden.

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* Æ Beispiel: Der Beklagte ist zur Zahlung von 1.000 Euro nebst Zinsen verurteilt worden. Er legt Berufung ein, soweit er verurteilt worden ist, mehr als 600 Euro zu zahlen sowie wegen der gesamten Zinsen. Der Wert der Zinsen, soweit sie aus den nicht angefochtenen 400 Euro bis zur Einreichung des Rechtsmittels angefallen sind (§ 4 Abs. 1 ZPO), wird jetzt mitgerechnet, da insoweit keine Abhängigkeit mehr besteht. Die Berufung ist zulässig.

Zur Beschwer bei Verurteilung oder Abweisung des Zinsanspruchs s. im Übrigen das Stichwort „Rechtsmittel“, Rn. 4766 ff.

1 Lappe, Anm. zu BGH KostRsp. ZPO § 4 Nr. 72. 2 BGH, Beschl. v. 3.12.1997 – IV ZR 133/97, NJW-RR 1998, 1284.

N. Schneider

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Zinsen

C. Gebührenstreitwert I. Gerichtsgebühren 1. Überblick 6423

Im Gegensatz zum Zuständigkeitsstreitwert haben Zinsen für den Gebührenstreitwert immer einen Wert. Hier besteht allerdings ein Additionsverbot, wenn die Zinsen als Nebenforderung geltend gemacht werden (§ 43 Abs. 1 GKG) und im Übrigen eine Wertbegrenzung (§ 43 Abs. 2 GKG). 2. Isolierte Klage

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Werden Zinsen isoliert eingeklagt, sind sie immer Hauptforderung. Ihr voller Wert ist maßgebend. Eine Begrenzung nach § 43 Abs. 2 GKG auf den Wert der Hauptforderung, aus der sie sich ableiten, kommt nicht in Betracht. Zur Bewertung als Hauptforderung s. unten Rn. 6435.

* Æ Beispiel: Nach Bezahlung der Kaufpreisforderung klagt der Kläger auf die bis zur Zahlung entstandenen Zinsen. Der volle Wert der Zinsen ist maßgebend, auch wenn er die Kaufpreisforderung übersteigt.

3. Zinsen werden zusammen mit der zugehörigen Hauptforderung geltend gemacht 6425

Werden Zinsen neben der Hauptforderung geltend gemacht, aus der sie sich berechnen, dann handelt es sich um Nebenforderungen. ihr Wert wird nach § 43 Abs. 1 GKG der Hauptforderung nicht hinzugerechnet. Es gilt das Gleiche wie beim Zuständigkeitsstreitwert.

* Æ Beispiel: Eingeklagt wird eine Kaufpreisforderung i.H.v. 5.000 Euro nebst Zinsen. Der Wert Zinsen wird nicht mitgerechnet.

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Zu berücksichtigen ist der Wert der Zinsen dagegen, wenn sie zwar zusammen mit der Hauptsache geltend gemacht werden, aber einzelne Gebühren nur hinsichtlich der Zinsen angefallen sind. Diese Gebühren richten sich dann nur nach dem Wert der Zinsen (§§ 36 Abs. 1, 43 Abs. 2 GKG), wobei der Wert auf den Betrag der Hauptforderung begrenzt ist, selbst wenn die Zinsforderung höher liegt.

* Æ Beispiel: Gegen den Mahnbescheid (3.000 Euro) wird nur hinsichtlich der Zinsen (Wert 500 Euro) Widerspruch erhoben, nicht auch hinsichtlich der Hauptforderung. Die 0,5-Gebühr der Nr. 1110 KV GKG richtet sich nach dem Wert der Hauptsache. Die weitere 3,0-Gebühr der Nr. 1210 KV GKG richtet sich dagegen nur nach dem Wert der Zinsen. Anzurechnen ist dann noch eine 0,5-Gebühr aus dem Wert der Zinsen (Anm. zu Nr. 1210 KV GKG). 0,5-Gebühr, Nr. 1110 KV GKG (Wert: 3.000 Euro) 3,0-Gebühr, Nr. 1210 KV GKG (Wert: 500 Euro) anzurechnen gem. Anm. zu Nr. 1210 KV GKG, 0,5 aus 500 Euro Gesamt

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N. Schneider

44,50 Euro 105,00 Euro – 12,50 Euro 137,00 Euro

Zinsen 4. Klage auf Zinsen aus anderer Hauptforderung Berechnen sich die Zinsen aus einer anderen Hauptforderung, dann sind sie auch für die Gerichtsgebühren Hauptsache und werden addiert. Es gilt auch hier das Gleiche wie beim Zuständigkeitsstreitwert (s. oben Rn. 6407).

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5. Klage auf Zinsen aus den anderen, nicht eingeklagten Teil der Hauptforderung Auch dann, wenn Zinsen aus einem Teil der Hauptforderung resultieren, der nicht mit eingeklagt worden ist, sind die Zinsen als Hauptforderung zu berücksichtigten. Es fehlt auch in diesem Fall an der für eine Nebenforderung i.S. des § 43 Abs. 1 GKG erforderlichen Abhängigkeit der (eingeklagten) Hauptforderung. Es gilt wiederum hier das Gleiche wie beim Zuständigkeitsstreitwert (s. Rn. 6407).

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6. Aufgelaufene Zinsen sind Teil der Hauptforderung geworden Auch bei den Gerichtsgebühren sind Zinsen, die der Hauptforderung zugeschlagen werden, als Hauptforderung zu bewerten (s. Rn. 6417).

6429

D. Anwaltsgebühren I. Grundsatz: Bewertung nach § 43 GKG Da sich die Anwaltsgebühren gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG nach dem für die Gerichtsgebühren geltenden Vorschriften berechnen, gilt insoweit das Gleiche wie für den Streitwert der Gerichtsgebühren (Rn. 6423 ff.).

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II. Stufenwerte Zu beachten ist, dass es bei den Anwaltsgebühren auch dazu kommen kann, dass sich einzelne Gebühren nur aus dem Wert der Zinsen berechnen. Dann ist für diese Gebühren gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG i.V.m. §§ 36 Abs. 1, 43 Abs. 2 GKG der Wert der Zinsen maßgebend.

* Æ Beispiel: Gegen den Mahnbescheid über 3.000 Euro nebst Zinsen wird Widerspruch nur wegen der eines Teilbetrages von 1.000 Euro und der gesamten Zinsen eingelegt. Insoweit wird das streitige Verfahren durchgeführt. Im Mahnverfahren wird die 0,5-Gebühr der Nr. 3307 VV RVG nach dem Wert von 3.000 Euro erhoben. Die Gebühren des gerichtlichen Verfahrens berechnen sich dagegen aus 1.000 Euro zuzüglich der bis zur Einreichung des Mahnantrags angefallenen Zinsen aus den weiteren 2.000 Euro, da insoweit jetzt keine Abhängigkeit mehr besteht.

* Æ Beispiel: Eingeklagt sind 3.000 Euro nebst Zinsen. Der Beklagte zahlt die 3.000 Euro, nicht aber auch die Zinsen. Daraufhin wird der Rechtsstreit in der Hauptsache vor der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt. Über die Zinsen wird verhandelt.

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Zinsen Die Verfahrensgebühr richtet sich nach dem Wert von 3.000 Euro. Die Zinsen bleiben insoweit gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG außer Ansatz. Die Terminsgebühr berechnet sich gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG i.V.m. §§ 36 Abs. 1, 43 Abs. 2 GKG nach dem Wert der Zinsen.

6432

Möglich ist auch, dass sich dieselbe Gebühr zu unterschiedlichen Gebührensätzen sowohl aus dem Wert der Hauptsache als auch aus dem Wert der Zinsen berechnet. Dann ist § 15 Abs. 3 RVG zu beachten. Insgesamt darf nicht mehr als eine Gebühr aus dem Gesamtwert berechnet werden, wobei der Gesamtwert gem. § 43 Abs. 1 GKG auf den Wert der Hauptsache begrenzt ist.1

* Æ Beispiel: Im Termin zur mündlichen Verhandlung weist das Gericht darauf hin, dass die Klage i.H.v. 10.000 Euro zwar schlüssig sei, nicht jedoch der Zinsantrag (Wert: 100 Euro). Nach Erörterung wird der Zinsantrag zurückgenommen. Der Kläger beantragt ein Versäumnisurteil. Angefallen ist eine 0,5-Terminsgebühr aus der Hauptsache (Wert: 10.000 Euro) und eine 1,2-Terminsgebühr aus dem Wert der Zinsen (100 Euro). Insgesamt darf nicht mehr abgerechnet werden, als eine 1,2-Terminsgebühr aus dem Gesamtwert (10.000 Euro). 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 Euro) 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 100 Euro) 3. 0,5-Terminsgebühr, Nrn. 3104, 3105 VV RVG (Wert: 10000 Euro) (die Begrenzung nach § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als 1,2 aus 10000 Euro (583,20 Euro), ist nicht erreicht) 4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG Zwischensumme 5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG Gesamt

631,80 Euro 30,00 Euro 243,00 Euro

20,00 Euro 924,80 Euro 175,71 Euro 1.100,51 Euro

III. Zwangsvollstreckung 6433

Eine abweichende Bewertung gilt in der Zwangsvollstreckung. Hier greift nicht § 23 RVG, sondern die vorrangige Vorschrift des § 25 RVG. Danach sind Zinsen, die bis zur Ausführung des jeweiligen Vollstreckungsauftrags anfallen, beim Gegenstandswert voll zu berücksichtigen. S. das Stichwort „Zwangsvollstreckung“ Rn. 6479.

IV. Zwangsversteigerung 6434

Auch in der Zwangsversteigerung gilt nicht § 23 RVG, sondern die vorrangige Vorschrift des § 26 RVG. Auch danach sind Zinsen beim Gegenstandswert voll zu berücksichtigen.

1 OLG Köln, Beschl. v. 5.12.2005 – 17 W 232/05, AGS 2006, 224 mit Anm. Schons = JMBl.NW 2006, 144 = JurBüro 2006, 254 = RVGreport 2006, 104.

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N. Schneider

Zug-um-Zug-Leistung

E. Bewertung Soweit der Wert der Zinsen maßgebend ist, gilt Folgendes: – Werden Zinsen beziffert geltend gemacht oder mit festem Zinssatz für einen bestimmten Zeitraum, so gilt nach § 3 ZPO der geforderte Betrag. Dies gilt insbesondere für rückständige Zinsen. – Werden zukünftige Zinsen geltend gemacht, folgt die Bewertung nicht aus § 9 ZPO, sondern nach § 3 ZPO.1 Die Vorschrift des § 9 ZPO will nur solche Rechte erfassen, die ihrer Natur nach und erfahrungsgemäß eine Dauer von wenigstens 3 1/2 Jahren haben oder jedenfalls mit Rücksicht auf den Grad der Unbestimmtheit des Zeitpunkts, wann das den Wegfall des Rechts begründende Ereignis eintritt, eine solche Dauer haben können.2 Der BGH3 hatte zu § 9 ZPO a.F., der einen Zeitraum von 12 1/2 Jahren vorsah, die Ansicht vertreten, erfahrungsgemäß könne nicht als Regel angenommen werden, eine fällige Forderung werde solange nicht bezahlt werden. Jetzt beträgt der Zeitraum nur noch 3 1/2 Jahre (§ 9 ZPO i.d.F des RpflegeEntlG 1993) und liegt damit, gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten, wohl nicht mehr außerhalb der Erfahrung. Letztendlich muss im Einzelfall – und zwar nach § 3 ZPO – geschätzt und festgesetzt werden. Dabei wird man im Ergebnis häufig zu § 9 ZPO vergleichbaren Werten gelangen. – Bei einer Zinsforderung mit ungewissem Erfüllungszeitpunkt ist der Streitwert nach § 3 ZPO frei zu schätzen.4 Der BGH5 hat die Rückstände und den auf ein Jahr geschätzten Zinsschaden zugrunde gelegt. Unzutreffend LG Osnabrück,6 das unmittelbar nach § 9 ZPO festgesetzt hat. Lediglich dann sind Zinsen wiederkehrende Leistungen i.S. des § 9 ZPO, wenn sie für Vermögensanlagen, etwa für Hypotheken, verlangt werden.7

6435

Im Rechtsstreit ist bei der Bewertung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage abzustellen (§ 4 ZPO, § 40 GKG). Maßgebend sind die geforderten Zinsen sowie die zu diesem Zeitpunkt noch zu erwartenden zukünftigen Zinsen.

6435a

Im Rechtsmittelverfahren ist auf den Zeitpunkt der Rechtsmitteleinreichung abzustellen, wenn nur die Zinsen angefochten werden (§ 4 ZPO).

6435b

Zug-um-Zug-Leistung S. das Stichwort „Gegenleistung“. 1 BGH, Urt. v. 6.11.1961 – III ZR 143/60, BGHZ 36, 144 = NJW 1962, 583 = MDR 1962, 285; OLG Celle, Nds.Rpfl. 1965, 229; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.8.1992 – 9 W 69/ 92, JurBüro 1993, 166. 2 RG, RGZ 24, 377, zum alten Recht: 12 1/2 Jahre. 3 BGH, Urt. v. 6.11.1961 – III ZR 143/60 BGHZ 36, 147, 148, = NJW 1962, 583 = MDR 1962, 285. 4 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.8.1992 – 9 W 69/92, KostRsp. § 3 Nr. 1116 = OLGR 1992, 331 = JurBüro 1993, 166. 5 BGH, Urt. v. 25.6.1981 – III ZR 96/80, JurBüro 1981, 1490 = Rpfleger 1981, 396 = NJW 1981, 2360. 6 LG Osnabrück, Beschl. v. 17.4.1957 – 8 T 78/57, JurBüro 1957, 354. 7 RGZ 24, 377; KG, OLGE 23, 77.

N. Schneider

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Zuständigkeit

Zulassung zur Sprungrevision S. das Stichwort „Sprungrevision, Zulassung der“.

Zurückbehaltungsrecht S. das Stichwort „Gegenleistung“.

Zusammenrechnung S. das Stichwort „Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung)“.

Zuschlag in der Grundstücksversteigerung S. das Stichwort „Zwangsversteigerung“.

Zuständigkeit Literatur: N. Schneider, Gesonderte Gebühren im Verfahren auf Bestimmung des zuständigen Gerichts, NJW 2003, 2436; Vossler, Die gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung für Streitgenossen, NJW 2006, 117.

6436

Fragen der Zuständigkeit können in vielfältiger Weise auftreten. Die streitwertrechtliche Bewertung hängt wesentlich davon ab, ob ihre Beantwortung durch das Gericht zu einer die Klage abweisenden, den Rechtsstreit verweisenden oder fortsetzenden Entscheidung führt. Im Einzelnen ist wie folgt zu unterscheiden: 1. Rechtsweg

6437

Erachtet das Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig, hat es das gem. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG von Amts wegen auszusprechen. Bei Eröffnung des Rechtsweg zu dem angerufenen Gericht steht eine dahingehende Entscheidung gem. § 17a Abs. 3 GVG im Ermessen des Gerichts, soweit nicht eine der Parteien die Zulässigkeit rügt. Gegen die jeweilige Entscheidung, die nach Anhörung durch Beschluss ergeht, ist gem. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG die sofortige Beschwerde eröffnet. Die Rechtsprechung zur Höhe des Beschwerdewertes ist uneinheitlich, wobei Bruchteilsbewertungen deutlich überwiegen.1 1 So BGH, Beschl. v. 27.10.2005 – III ZR 66/05, BGHR 2006, 189 = MDR 2006, 286 = NJW-RR 2006, 286; Beschl. v. 24.2.2000 – III ZB 33/99, MDR 2000, 598 = NJW 2000, 1343; Beschl. v. 19.12.1996 – III ZB 105/96, MDR 1997, 386: 1/3 bis 1/5; OLG Celle, OLGR 1997, 43: 1/3; OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.4.1994 – 5 W 6/94, OLGR 1994, 119: 1 /3; OLG Köln, Beschl. v. 24.4.1997 – 6 W 5/97, OLGR 1997, 228: 1/2; Beschl. v. 8.7.1993 – 7 W 93/93, NJW-RR 1993, 639: 1/3; OLG Naumburg, Beschl. v. 12.6.1997 – 6 W 50/97, OLGR 1997, 356: 1/5; OLG Rostock, Beschl. v. 15.6.2005 – 1 W 64/03,

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Kurpat

Zuständigkeit Gegen den Ansatz des Hauptsachewertes1 spricht, dass bei fehlender Rechtswegeröffnung keine Klageabweisung, sondern nur eine – von Amts wegen vorzunehmende – Verweisung droht (§ 17a GVG). S. ausführlich das Stichwort „Rechtswegverweisung“. 2. Sachliche Zuständigkeit Den Zwischenstreit über die sachliche Zuständigkeit bewertet die Rechtsprechung nach der Hauptsache, da Durchgreifen der Einrede der gesamte Anspruch durch Endurteil abzuweisen ist. S. auch das Stichwort „Einrede, Einwendung“.

6438

3. Gerichtsstand Der Wert des Streitgegenstandes für das durch Zwischenurteil abgeschlossene Verfahren über die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit2 richtet sich nach dem in der Klage geltend gemachten vollen Anspruch, denn es kann zum Endurteil führen.3

6439

4. Gerichtsstandsbestimmung Von dem Antrag auf Verweisung ist der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu unterscheiden. Das Gerichtsstandsbestimmungsverfahren (§ 37 ZPO) gehört, wenn es zur Bestimmung des zuständigen Gerichts führt, kostenrechtlich zu den Kosten des Rechtsstreits.4 Kommt es dagegen zu einer Zurückweisung oder Rücknahme des Antrages, kommt ein – etwaig – nachfolgendes Klageverfahren nicht als Hauptsache in Betracht. Über die Kosten des Bestimmungsverfahrens, dass für den Anwalt eine „Besondere Angelegenheit“ (§ 15 RVG) darstellt,5 ist daher gem. § 91 ZPO analog zu entscheiden. Deren Bewertung richtet sich gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Antragstellers, die Antragsgegner bei demselben Gericht zu verklagen und entspricht in der Regel einem Bruchteil des Wertes der Hauptsache,6 je nach den Umständen des Einzelfalles zwischen 1/10 bis zu 1/4.7

1 2 3 4 5

6 7

OLGR 2005, 720: 1/5; OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.8.2009 – 12 W 39/09, OLGR 2009, 910; OLG Thüringen, OLG-NL 1997, 96: 1/3; OVG Münster, Beschl. v. 25.5.2004 – 21 E 62/04, BauR 2004, 1759: 1/2; LAG Nürnberg, Beschl. v. 20.8.2002 – 6 Ta 63/02, ARST 2002, 265: 1/3. Etwa bei BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – V ZB 113/07, BGHR 2008, 712 = NVwZ-RR 2008, 742; OLG Köln, Beschl. v. 8.12.1992 – 2 W 160/92, OLGR 1993, 140. KG, MDR 1957, 366; Lappe, NJW 1994, 1189, 1190. Zöller/Greger, § 280 ZPO Rn. 11. Vossler, NJW 2006, 117 (121); Stein/Jonas/Roth, § 37 ZPO Rn. 4. OLG Köln, Beschl. v. 13.3.2007 – 5 W 87/06, MDR 2007, 921 = JurBüro 2007, 302 = OLGR 2007, 495; a.A. OLG Dresden, Beschl. v. 14.7.2005 – 1 AR 120/04, Rpfleger 2006, 44 = OLGR 2006, 233; OLG München, Beschl. v. 13.6.2007 – 31 AR 79/07, MDR 2007, 453. Zutr. Vossler, NJW 2006, 117 (122). BayObLG, Beschl. v. 21.3.2002 – 17 AR 20/02, IBR 2002, 584 mit Anm. Mandelkow: 1 /4; KG, Beschl. v. 23.6.2000 – 28 AR 62/00, KGR 2000, 310; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.1.2008 – 19 AR 9/07, MDR 2008, 473 = AGS 20008, 141: 1/5; OLG Koblenz, Beschl. v. 12.10.2006 – 4 SmA 21/06, NJW 2006, 3723 = NZG 2006, 902: 1/10; OLG Köln, AGS 2003, 205 mit Anm. N. Schneider: 1/10.

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Zuständigkeit 5. Verweisung 6441

Beabsichtigt das angerufene Gericht (nach entsprechendem Antrag) sich für örtlich und/oder sachlich unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit gem. § 281 ZPO an ein anderes Gericht zu verweisen, geht dem Beschluss häufig eine gesonderte Festsetzung des Zuständigkeitsstreitwertes voraus, zumindest sollten seinen Gründen Ausführungen zum Streitwert zu entnehmen sein. An diese (konkludente) Streitwertfestsetzung ist das aufnehmende Gericht gem. §§ 48 Abs. 1, 62 GKG (§§ 12 Abs. 1, 24 Satz 1 GKG a.F.) auch hinsichtlich des Gebührenstreitwertes insoweit gebunden, als diese durch das Unter- oder Überschreiten der 5.000-Euro-Grenze die sachliche Zuständigkeit begründet. Im Übrigen besteht jedoch keine Bindung, sodass der Gebührenstreitwert bis zu dieser Grenze herab- bzw. heraufgesetzt werden darf.1 6. Zwischenstreit

6442

Mit dem Zwischenstreit besteht die Möglichkeit, Fragen der Zulässigkeit vor einer Prüfung der sachlichen Begründung der Klage vorab und gesondert durch Zwischenurteil zu entscheiden,2 das unabhängig vom Erreichen der Rechtsmittelsumme3 anfechtbar ist. Das Verfahren über den Zwischenstreit zählt zur anwaltlichen Tätigkeit, die mit dem Verfahren zusammenhängt (§ 19 Abs. 1 Nr. 3 RVG [§ 37 Nr. 3 BRAGO]) und wird daher nicht gesondert vergütet. Beschränkt sich die anwaltliche Tätigkeit hingegen auf die Vertretung einer Partei oder eines Zeugen im Zwischenstreit, so wird er als Bevollmächtigter in einem Rechtsstreit tätig und hat Anspruch auf die Gebühren des 3. Teils des VV RVG.4

Zuständigkeitsbestimmung S. das Stichwort „Gerichtsstandsbestimmungsverfahren“.

Zustimmung zur Sprungrevision S. das Stichwort „Sprungrevision“.

Zwangsgeld nach § 888 ZPO S. das Stichwort „Ordnungsmittel“.

1 OLG Nürnberg, JurBüro 1960, 168; Hartmann, § 62 GKG Rn. 9; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Verweisung“ Rn. 1; a.A. OLG Dresden, Beschl. v. 26.10.2007 – 8 W 1224/ 07, OLGR 2008, 42 = MDR 2008, 50. 2 Zöller/Greger, § 280 ZPO Rn. 1. 3 BGH, Urt. v. 10.11.1997 – II ZR 336/96, MDR 1998, 177. 4 Vgl. Zöller/Greger, § 387 ZPO Rn. 8.

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Kurpat

Zwangsversteigerung

Zwangsimpfung Der Streitwert eines auf § 75 EinlALR gestützten Rentenanspruchs wegen einer auf eine Zwangsimpfung zurückzuführenden Körperbeschädigung ist nach § 17 Abs. 2 GKG a.F. (jetzt § 42 Abs. 1, 4 GKG), nicht nach § 9 ZPO a.F. zu berechnen.1

6443

Zwangsversteigerung Literatur: E. Schmidt, MDR 1976, 180.

A. Einleitung Der zwangsweise Zugriff auf Grundstücke im Wege der Zwangsversteigerung ist im ZVG geregelt. Die maßgeblichen Wertvorschriften für Verfahren nach diesem Gesetz finden sich für die Gerichtsgebühren in § 54 GKG und für die Anwaltsgebühren in § 26 RVG.

6444

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert Für die Aufgaben der Zwangsversteigerung ist nach § 1 Abs. 1 ZVG das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht ausschließlich zuständig, sodass es eines Zuständigkeitsstreitwerts nicht bedarf. Hinsichtlich des Gebührenstreitwerts ist zwischen den Gerichtsgebühren und den Anwaltsgebühren zu differenzieren:

6445

I. Gerichtsgebührenwert Für die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung oder über den Beitritt zum Verfahren fällt eine Festgebühr von 50 Euro an (Nr. 2210 KV GKG), sodass sich die Frage nach einem Wert nicht stellt.

6446

Für die sonstigen Verfahrensabschnitte (Verfahren im Allgemeinen, Versteigerungstermin, Erteilung des Zuschlags, Verteilungsverfahren etc.) fallen wertabhängige Gebühren an (Nr. 2211 ff. KV GKG), die sich nach § 54 GKG bestimmen. Hierbei gilt Folgendes:

6447

Nach § 74a Abs. 5 ZVG wird der Grundstückswert (Verkehrswert) vom Vollstreckungsgericht – ggf. nach Anhörung eines Sachverständigen – festgesetzt. Der Wert der beweglichen Gegenstände, auf die sich die Versteigerung erstreckt, ist unter Würdigung aller Verhältnisse frei zu schätzen. Die Gebühren für das Verfahren im Allgemeinen und für die Abhaltung des Versteigerungstermins (Nr. 2211 und Nr. 2213 KV GKG) werden in erster Linie nach diesem gem. § 74a Abs. 5 ZVG festgesetzten Wert berechnet.2

6448

Fehlt es an einer solchen Festsetzung des Verkehrswertes durch das Vollstreckungsgericht, so ist für die Gebühren für das Verfahren im Allgemeinen und 1 BHZ 53, 172 unter Aufgabe von BGHZ 7, 335. 2 LG Paderborn, Beschl. v. 10.10.1988 – 5 T 252/88, Rpfleger 1989, 168.

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Zwangsversteigerung für die Abhaltung des Versteigerungstermins der Einheitswert maßgebend (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und 2 GKG). 6449

Bei fehlendem Nachweis des Einheitswertes ist das Finanzamt um Auskunft zu ersuchen (§ 54 Abs. 1 Satz 4 GKG). Es kann sich in diesem Zusammenhang nicht auf die Schweigepflicht nach § 30 AO berufen. Im Gesetzentwurf1 heißt es dazu, dass die Datenanforderung beim Finanzamt das letzte Mittel zur Wertermittlung sei, sodass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausnahmsweise nicht ausdrücklich erwähnt werden müsse.

6450

Nicht der Einheitswert, sondern ein nach den Grundsätzen der Einheitsbewertung zu schätzender Wert ist maßgebend, wenn der Gegenstand des Verfahrens vom Gegenstand der Einheitsbewertung wesentlich abweicht, der Wert sich nachträglich wesentlich verändert hat oder der Einheitswert noch nicht festgestellt ist (§ 54 Abs. 1 Satz 3 GKG).

6451

Die Gebühr für die Erteilung des Zuschlags (Nr. 2214 KV GKG) bestimmt sich nach § 54 Abs. 2 Satz 1 GKG. Maßgeblich ist also das Gebot ohne Zinsen, für das der Zuschlag erteilt ist, einschließlich des Werts der nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte. Hinzu kommt der Betrag bzgl. dessen der Ersteher nach § 114a ZVG als aus dem Grundstück befriedigt gilt. Erfolgt die Zwangsversteigerung zur Aufhebung einer Gemeinschaft, so vermindert sich der nach § 54 Abs. 2 Satz 1 GKG berechnete Wert für die Zuschlagsgebühr um den Anteil des Erstehers an dem Verfahrensgegenstand (§ 54 Abs. 2 Satz 2 GKG).

6452

Bei Zuschlägen an verschiedene Ersteher wird die Gebühr von jedem Ersteher nach dem Wert der auf ihn entfallenden Gegenstände erhoben, wobei eine Bietergemeinschaft als ein Ersteher gilt (§ 54 Abs. 5 GKG). Wird das Grundstück an einen nicht zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigten unterhalb der 7/10-Grenze zugeschlagen und kommt eine analoge Anwendung von § 114a ZVG in Betracht, so ist das Meistgebot für die Höhe der Zuschlagsgebühr maßgebend und nicht 7/10 des Verkehrswerts.2

6453

Bei einer Mehrheit von Gegenständen ist nach § 54 Abs. 4 GKG der Gesamtwert maßgebend.

6454

Die Gebühr für das Verteilungsverfahren (Nr. 2215 KV GKG) bestimmt sich nach dem Gebot ohne Zinsen, für das der Zuschlag erteilt ist, einschließlich des Werts der nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte (§ 54 Abs. 3 GKG).

6455

Zur Drittwiderspruchsklage eines Mieters oder Pächters, wenn der Ersteher auf Räumung klagt, s. das Stichwort „Mietstreitigkeiten“.

6456

Stellt der Ersteher nach Durchführung des Versteigerungsverfahrens den Antrag auf Eintragung ins Grundbuch, bemisst sich der Geschäftswert (§ 19 KostO) grundsätzlich nach dem gem. § 74a Abs. 5 ZVG festgesetzten Verkehrswert des Grundstücks und nicht nach dem geringeren Gebot, für das das Grundstück zugeschlagen wurde.3 Dies gilt auch dann, wenn der Er1 BT-Drucks. 12/6962. 2 LG Mönchengladbach, Beschl. v. 9.10.2002 – 5 T 143/02, Rpfleger 2003, 148. 3 OLG Zweibrücken, Beschl. v. 16.3.1988 – 3 W 40/88, JurBüro 1988, 1045; ebenso BayObLG, Beschl. v. 5.10.1995 – 3 Z BR 228/95, JurBüro 1996, 207; OLG Frankfurt, JurBüro 1980, 1061; KG, JurBüro 1980, 1062; OLG Bremen, Beschl.v. 12.2.1990 – 3 W

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Onderka

Zwangsversteigerung steher ursprünglich hälftiger Miteigentümer des betreffenden Grundstücks war.1

II. Anwaltsgebührenwert Der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren im Zwangsversteigerungsverfahren (Nr. 3311 und Nr. 3312 VV RVG) richtet sich nach § 26 RVG. Danach wird für die Wertberechnung darauf abgestellt, welche Personen der Anwalt im Zwangsversteigerungsverfahren vertritt:

6457

1. Gläubiger oder dinglich gesicherter Beteiligter Bei Vertretung des Gläubigers oder eines Beteiligten, der dinglich gesichert ist oder ein vollstreckungshinderndes Recht anmeldet und glaubhaft macht (§ 9 ZVG), bestimmt sich der Gegenstandswert gem. § 26 Nr. 1 RVG nach dem Wert des dem Auftraggeber zustehenden Rechts einschließlich der Nebenforderungen.

6458

Wie das betreffende Recht zu bewerten ist, dazu enthält § 26 RVG keine Regelung. Teilweise2 wird vertreten, die Vorschriften der ZPO (§§ 3–9) bzw. des GKG (§§ 41, 42, 48) anzuwenden. Andere Stimmen3 befürworten eine Schätzung nach § 33 RVG, die sich an dem tatsächlichen Wert orientiert. Die Nebenforderungen bestehen aus den Zinsen (bis zum Erlass des Anordnungsbeschlusses), den Prozesskosten, den Kosten eventueller vorhergehender Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sowie den Zwangsversteigerungskosten.

6459

Der Gegenstandswert für die Vetretung einer der in § 26 Nr. 1 RVG genannten Personen ist gem. § 26 Nr. 1 Halbs. 4 RVG in zweifacher Hinsicht nach oben begrenzt: Zum einen durch den Wert des Gegenstands der Zwangsversteigerung, zum anderen durch den im Verteilungsverfahren zur Verteilung kommenden Erlös. Ist also entweder – der gerichtlich festgesetzte Verkehrswert (§§ 66 Abs. 1, 74a Abs. 5 ZVG) – oder die Teilungsmasse (§ 107 ZVG)

6460

geringer als das dem Gläubiger bzw. dem Beteiligten zustehende Recht, ist der geringere Wert für die Anwaltsgebühren maßgeblich. Wird das Verfahren nur wegen einer Teilforderung betrieben, ist diese maßgebend, wenn es sich um einen Anspruch eines Gläubigers handelt, der nicht in einer rangbesseren Klasse zu befriedigen ist. Der Grundstückswert – im Verteilungsverfahren der Erlös – ist bestimmend, wenn er geringer ist (§ 26 Nr. 1 Halbs. 2 RVG).

12/90, n.v.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.8.1990 – 8 W 342/89, JurBüro 1990, 1493; a.A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.3.1987 – 10 W 158/86, Rpfleger 1987, 411. 1 BayObLG, Beschl. v. 5.10.1995 – 3 Z BR 228/95, JurBüro 1996, 207. 2 Mümmler, JurBüro 1972, 745; Hartung/Römermann/Schons, § 26 RVG Rn. 10. 3 Schneider/Wolf/Wolf, § 26 RVG Rn. 5; Hartmann, § 26 RVG Rn. 3; Riedel/Sußbauer/ Keller, RVG, § 26 Rn. 11; Mayer/Kroiß/Gierl, § 26 RVG Rn. 14.

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Zwangsversteigerung 2. Andere Beteiligte 6462

Vertritt der Anwalt einen anderen Beteiligten, insbesondere also den Schuldner, den eingetragenen (Mit)Eigentümer, den Miterben, den Insolvenzverwalter oder den Testamentsvollstrecker, dann ist der Wert des Versteigerungsgegenstandes (Verkehrswert des Grundstücks gem. §§ 74a Abs. 5, 66 Abs. 1 ZVG) maßgebend, im Verteilungsverfahren der Erlös, bei Mitberechtigten deren Anteil (§ 26 Nr. 2 RVG). Werden mehrere Grundstücke versteigert, so errechnet sich der Gegenstandswert aus der Summe der jeweiligen Verkehrswerte. Wird nur der Anteil eines Miteigentümers versteigert (also insbesondere bei der Teilungsversteigerung), ist der Wert dieses Anteils maßgeblich.

6463

Der Gegenstandswert für die Vertretung des Schuldners im Verfahren auf Ablehnung des Rechtspflegers im Zusammenhang mit einem vom Schuldner gestellten Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO bestimmt sich nach der Hälfte des Gegenstandes der Zwangsversteigerung.1 3. Nicht beteiligter Bieter

6464

Vertritt der Anwalt einen nicht beteiligten Bieter, dann ist das höchste Gebot wertbestimmend, das der Anwalt auftragsgemäß für seinen Mandanten abgegeben hat. Ist ein Gebot unterblieben, richten sich die anwaltlichen Gebühren nach dem Wert des Versteigerungsobjekts.

C. Rechtsmittel und Beschwer I. Gerichtsgebührenwert 6465

Fällt im Verfahren erster Instanz eine Festgebühr an und wird die Beschwerde entweder verworfen oder zurückgewiesen, so entsteht auch im Beschwerdeverfahren nur eine Festgebühr i.H.v. 100 Euro (Nr. 2240 KV GKG). Ist die Beschwerde erfolgreich, ist das Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei. Eine Wertfestsetzung ist also insoweit nicht erforderlich.

6466

Fällt im Verfahren erster Instanz eine Wertgebühr an (Nr. 2211 ff. KV GKG), gilt dies auch für das Beschwerdeverfahren (Nr. 2241 KV GKG), sodass ein Wert festgesetzt werden muss. Dieser ist nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen.2 Im Einzelnen gilt hier Folgendes: 1. Zuschlagsbeschwerde

6467

Für die Bewertung der Zuschlagsbeschwerde (§ 96 ZVG) nach § 3 ZPO ist das mit der Beschwerde verfolgte wirtschaftliche Interesse maßgebend.3 Soweit 1 BGH, Beschl. v. 15.10.2009 – V ZB 76/09, RVGreport 2009, 477. 2 Schneider, MDR 1976, 181 zu Ziff. 7; KG, JurBüro 1982, 1223. 3 OLG Bamberg, JurBüro 1979, 1863; OLG Bamberg, JurBüro 1980, 1885; KG, Beschl. v. 12.1.1982 – 1 W 88/82, JurBüro 1982, 1223 = KostRsp. GKG § 29 Nr. 3 [4] mit Anm. Schneider; OLG Bremen, Beschl. v. 21.3.1983 – 2 W 8/83, JurBüro 1984, 89 = KostRsp. GKG § 29 Nr. 6 unter Aufgabe der früher abweichenden Ansicht in JurBüro 1977, 1591; LG Bayreuth, JurBüro 1976, 1248; 1978, 892; näher begründet bei Schneider, MDR 1976, 180.

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Zwangsversteigerung der Schuldner die Beschwerde nicht näher begründet, ist das wirtschaftliche Interesse in der Regel auf den Unterschied zwischen dem nach § 74a Abs. 5 ZVG festgesetzten Verkehrswert und dem Gebot, auf das der Zuschlag erteilt ist, zuzüglich des Werts etwa bestehen bleibender Rechte festzusetzen.1 2. Widerspruch gegen Teilungsplan Wird Widerspruch gegen den Teilungsplan eingelegt, dann ist der Wert ebenfalls gem. § 3 ZPO zu schätzen, und zwar nach dem Interesse des Widerspruchsführers an einer Änderung des Teilungsplans.2 Entscheidend ist der Vergleich zwischen der wirtschaftlichen Position des Widerspruchsführers bei Erfolg des Widerspruchs einerseits und Durchführung des Teilungsplans andererseits.

6468

3. Beschwerden im Einstellungsverfahren Beschwerden im Rahmen des Einstellungsverfahrens nach §§ 30, 30a ZVG sind mit 1/5, allenfalls mit 1/3 des Wertes der zu vollstreckenden Forderung zu bemessen.3 S. auch das Stichwort „Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung“.

6469

Der das Interesse des Schuldners an der zeitweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung ausdrückende Bruchteil des Grundstückswertes darf nicht höher als die Forderung des Gläubigers angesetzt werden.4

6470

Ist der Beschwerdeführer einer Einstellungsbeschwerde nach § 180 Abs. 2 ZVG daran interessiert, weiterhin mietfrei zu wohnen, dann berechnet sich nach LG Passau5 der Wert nach dem Nutzwert dieser Räume bzw. bei Ersatzräumen nach dem Nutzwert für die Dauer von sechs Monaten.

6471

4. Beschwerde gegen Wertfestsetzung Der Wert der Beschwerde gegen die Verkehrswertfestsetzung (§ 74a Abs. 5 ZVG) im Zwangsversteigerungsverfahren ist vom OLG Celle6 mit 20 % der Differenz zwischen festgesetztem und angestrebtem Wert beziffert worden.

6472

Hat das Landgericht im Zwangsversteigerungsverfahren den Wert eines Verfahrens als Beschwerdegericht festgesetzt, dann gibt es dagegen nunmehr auch die Streitwertbeschwerde als Erstbeschwerde. Die bisherige Rechtslage7 ist mit Wirkung zum 1.7.2004 dahingehend geändert worden, dass für die Streitwertbeschwerde nach §§ 68 Abs. 1, 66 Abs. 3 GKG die frühere Beschränkung des § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG („Die Beschwerde ist ausgeschlossen, wenn das Rechtsmittelgericht den Beschluss erlassen hat.“) nicht übernommen wurde.

6473

1 2 3 4 5 6 7

KG, Beschl. v. 12.1.1982 – 1 W 88/82, JurBüro 1982, 1223. OLG Bamberg, JurBüro 1979, 1685 mit Anm. Mümmler und 1885. OLG Bamberg, JurBüro 1981, 919. OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.5.1986 – 8 W 164/86, Justiz 1986, 413. LG Passau, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 798. OLG Celle, Rpfleger 1982, 435. Vgl. dazu OLG Köln, JurBüro 1969, 1194; OLG Bremen, Beschl. v. 25.10.1993 – 2 W 97/93, n.v.

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Zwangsvollstreckung Hinsichtlich der Einzelheiten kann auf das Stichwort „Streitwertbeschwerde“ verwiesen werden.

II. Anwaltsgebührenwert 6474

Bei der Bestimmung des Gegenstandswertes für die Anwaltsgebühren im Beschwerdeverfahren ist danach zu differenzieren, ob die Gerichtsgebühren sich nach einem Gegenstandswert richten oder als Festgebühren anfallen: – Soweit sich die Gerichtsgebühren im Beschwerdeverfahren nach einem Wert richten, ist dieser auch für die Anwaltsgebühren maßgeblich (§ 32 Abs. 1 RVG). – Soweit die Gerichtsgebühren im Beschwerdeverfahren als Festgebühren anfallen, bestimmt sich der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren nach dem Interesse des Beschwerdeführers unter Anwendung billigen Ermessens (§ 23 Abs. 2 Satz 1 RVG). Die Summe von 500.000 Euro darf nicht überschritten werden. Fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Schätzung, ist ein Regelwert von 4.000 Euro anzusetzen.

Zwangsvollstreckung Literatur: Göttlich, JurBüro 1959, 388; Schneider, JurBüro 1967, 368; Schneider, JurBüro 1967, 630; Mümmler, JurBüro 1986, 1121; Mümmler, JurBüro 1995, 395; Hellwich, JurBüro 1998, 637; Enders, JurBüro 1999, 60.

A. Einleitung 6475

Unter diesem Stichwort werden die grundsätzlichen Bewertungsfragen der Zwangsvollstreckung behandelt. Soweit es um konkrete Vollstreckungsverfahren oder -maßnahmen geht, beispielsweise die eidesstattliche Versicherung, Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, eine Zwangsversteigerung oder eine Durchsuchungsanordnung nach § 758 ZPO, wird auf die jeweiligen besonderen Stichwörter verwiesen.

B. Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert I. Zuständigkeit 6476

Hinsichtlich der den Gerichten zugewiesenen Anordnungen von Vollstreckungshandlungen und Mitwirkungen bei solchen sind nach § 764 ZPO die Amtsgerichte als Vollstreckungsgerichte zuständig. Daneben werden einige Bereiche der Zwangsvollstreckung vom Prozessgericht (§§ 887, 888, 890 ZPO), vom Arrestgericht (§§ 930 Abs. 1, 931 Abs. 3 ZPO) sowie vom Grundbuchamt (§ 867 ZPO) wahrgenommen. Eine wertabhängige Zuständigkeit gibt es nicht, sodass auch kein Zuständigkeitsstreitwert festgesetzt werden muss.

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Zwangsvollstreckung

II. Gerichtsgebühren Da die Gerichtsgebühren in der Zwangsvollstreckung – mit Ausnahme des Verteilungsverfahrens (Nr. 2117 KV GKG), das in einem gesonderten Stichwort behandelt wird – Festgebühren sind (Nr. 2110 ff. KV GKG), ist eine Wertfestsetzung für die Berechnung der Gerichtsgebühren nicht erforderlich.

6477

III. Anwaltsgebühren Mangels Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren lässt sich der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren nicht aus § 32 Abs. 1 RVG ableiten. Einschlägig für die Anwaltsgebühren ist vielmehr § 25 RVG, der eine eigene und abschließende Regelung für den Bereich der anwaltlichen Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung trifft. Danach wird der Gegenstandswert wie folgt bestimmt:

6478

1. Vollstreckung wegen Geldforderungen (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG) Bei der Vollstreckung wegen einer Geldforderung ist die Höhe der beizutreibenden Forderung einschließlich der Nebenforderungen entscheidend.1 Es werden also die einzuziehenden Zinsen und die aufgelaufenen Kosten2 mitgerechnet. Bei den Zinsen ist allerdings streitig, ob hierzu nur die bis zur Auftragserteilung angefallenen Zinsen zählen3 oder auch die bis zur Ausführung der Vollstreckung weiter entstandenen.4

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Entscheidend ist für die Bestimmung der Forderungshöhe, welchen Auftrag der Gläubiger dem Anwalt hinsichtlich der zu vollstreckenden Forderung erteilt hat.

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* Æ Beispiel: Der Gläubiger hat einen titulierten Anspruch über 15.000 Euro. Er erteilt dem Anwalt den Auftrag, einen Betrag von 10.000 Euro nebst Zinsen und Kosten bis zum Tag der Antragstellung (500 Euro) zu vollstrecken. Hier beläuft sich der Gegenstandswert auf 10.500 Euro.

Bezieht sich der Auftrag des Gläubigers auf die Pfändung eines bestimmten Gegenstandes, dessen Wert niedriger ist als der Wert der zu vollstreckenden Forderung, so ist der Wert dieses Gegenstandes maßgeblich und nicht der Wert der Forderung (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 RVG). Mit dem „bestimmten Gegenstand“ in § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG ist derjenige gemeint, den der Gläubiger als Vollstreckungsobjekt benennt.5 Dies kann eine Sache, ein Recht oder eine Forderung sein.6

1 Anders im vorausgehenden Klauselerteilungserverfahren, vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.2.1993 – 20 W 29/93, JurBüro 1994, 117. 2 KG, JW 1928, 738 Nr. 10. 3 So richtig Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Zwangsvollstreckung wegen einer titulierten Geldforderung“, S. 495 Rn. 4; Schneider/Wolf, § 25 RVG Rn. 2. 4 So Gerold/Schmidt/Madert, § 57 BRAGO Rn. 29; Mümmler, JurBüro 1995, 395; Hartmann, KostenG, § 25 RVG Rn. 5; Mayer/Kroiß/Gierl, § 25 RVG Rn. 6. 5 LG Kiel, KostRsp. ZPO § 6 Nr. 133 = JurBüro 1991, 1198. 6 LG Hamburg, JurBüro 2001, 110; vgl. m.w.N. unter dem Stichwort „Pfändung“.

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Zwangsvollstreckung

* Æ Beispiel: Der Gläubiger hat einen titulierten Anspruch über 20.000 Euro und erteilt den Auftrag, den PKW des Schuldners zu pfänden, der einen Wert von 13.000 Euro hat. Hier beläuft sich der Gegenstandswert auf 13.000 Euro.

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Abzustellen ist bei diesem Vergleich auf den objektiven Verkehrswert des gepfändeten Gegenstands im Zeitpunkt der gebührenauslösenden anwaltlichen Tätigkeit. Fehlvorstellungen des Gläubigers über den Wert führen also nicht zu einem davon abweichenden Gegenstandswert.

* Æ Beispiel: Handelt es sich bei dem PKW im vorhergehenden Beispiel etwa um ein Unfallfahrzeug, welches lediglich noch 5.000 Euro wert ist, so beläuft sich auch der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren auf diesen Betrag.1

Denn dass der Gläubiger sich bei seiner Wertangabe falsche Vorstellungen gemacht hat, kann nicht zu einer höheren Kostenbelastung des Schuldners führen. Wenn wegen einer Forderung in eine Forderung gepfändet werden soll, bestimmt der geringere Wert der zu pfändenden Forderung den Streitwert.2 6483

Bei einer Vorratspfändung nach § 850d Abs. 3 ZPO, wenn also künftig fällig werdendes Arbeitseinkommen wegen fälliger und künftig noch fällig werdender Unterhaltsansprüche oder wegen Rentenansprüchen infolge Körper-/Gesundheitsverletzungen gepfändet wird, sind bei der Ermittlung des Gegenstandswertes die noch nicht fälligen Ansprüche nach § 51 Abs. 1 FamGKG, § 42 Abs. 1 GKG zu bewerten (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 3 RVG). Maximal kann der Gesamtbetrag der geforderten Leistung angesetzt werden.

6484

Auf die Vorauspfändung – die Pfändung wegen künftig fällig werdender Unterhaltsansprüche in Kontoguthaben3 – ist § 25 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 3 RVG entsprechend anzuwenden.4

6485

Der Gegenstandswert einer Vorpfändung entspricht dem einer „normalen“ Pfändung.5

6486

Handelt es sich um ein Pfandrecht, das an einer Sache durch eine Anschlusspfändung (§ 826 ZPO) begründet worden ist, dann wird man nicht den vollen Wert der Sache in Ansatz bringen dürfen, denn in diesem Fall muss aus dem Erlös zunächst der vorrangige Gläubiger befriedigt werden. In aller Regel erhält der nachrangige Pfändungsgläubiger aus dem Erlös nur noch einen geringen Teil oder auch gar nichts. Dieser Nachteil ist bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu berücksichtigen und kann durch einen nach § 3 ZPO geschätzten Abzug erfasst werden, auch wenn dies in § 25 Abs. 1 RVG nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Jedenfalls kann dieser Vorschrift entnommen werden, dass ein geringerer Wert berücksichtigt werden muss.

1 Schneider/Wolf, § 25 RVG Rn. 7 m.w.N. auch zur Gegenmeinung. 2 LG Hamburg, JurBüro 2001, 110; vgl. auch die Nachweise unter dem Stichwort „Pfändung“. 3 BGH, Beschl. v. 31.10.2003 – IXa ZB 200/03, InVo 2004, 193 = Rpfleger 2004, 169. 4 Schneider/Wolf, § 25 RVG Rn. 11. 5 OLG Köln, Beschl. v. 15.11.2000 – 17 W 278/99, Rpfleger 2001, 149 = InVo 2001, 148, 151.

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Zwangsvollstreckung 2. Vollstreckung wegen Herausgabe oder Leistung (§ 25 Abs. 1 Nr. 2 RVG) Bei der Herausgabe- oder der Räumungsvollstreckung richtet sich der Streitwert nach § 25 Abs. 1 Nr. 2 RVG, also nach dem Wert der Gegenstände, die herauszugeben bzw. zu leisten sind. Abzustellen ist hier auf den Verkehrswert des betreffenden Gegenstands.

6487

Auch soweit dem Herausgabeverlangen ein beendetes Miet- oder Nutzungsverhältnis zugrunde lag, war früher nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 57 Abs. 2 Satz 1 BRAGO der Wert der herauszugebenden Sache maßgebend. Da sich damit die Räumungsvollstreckung ganz erheblich verteuert hatte und eine derartige Änderung im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens nie verlangt worden war,1 hielten Teile der Rechtsprechung2 am Jahresmietzins des § 16 GKG a.F. fest. Mit der Neuregelung in § 25 Abs. 1 Nr. 2 RVG hat sich diese Streitfrage erledigt. Denn bei einer Herausgabe und insbesondere bei der Räumung darf der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren höchstens den Streitwert nach dem GKG erreichen und das ist der Jahresmietwert nach § 41 Abs. 2 GKG. Nur dann, wenn die Herausgabe ausschließlich aus einem anderen Rechtsgrund verlangt wird, ist der Verkehrswert maßgeblich.3

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3. Vollstreckung wegen Handlung, Duldung oder Unterlassung (§ 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG) Bei der Vollstreckung einer Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungsverpflichtung bestimmt sich der Gegenstandswert nach dem Wert, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für die Gläubiger hat (§ 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG).4 Das Interesse des Gläubigers ist regelmäßig mit dem Erfüllungsinteresse gleichzusetzen.5 Nach anderer Ansicht kann nur ein Bruchteil des Hauptsachewertes angesetzt werden.6 Hinsichtlich der Einzelheiten kann auf die Ausführungen beim Stichwort „Ordnungsmittel“ verwiesen werden.

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4. Abnahme der eidesstattlichen Versicherung (§ 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG) In Verfahren auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung ist die Höhe der tatsächlich noch geschuldeten Forderung maßgeblich (§ 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG). 1 Vgl. Donnerbauer, WuM 1994, 597, der von der „wundersamen Gebührenvermehrung“ sprach. Mümmler (JurBüro 1995, 453) nahm eine Gesetzeslücke an, weil in § 57 Abs. 2 BRAGO die Räumung einer unbeweglichen Sache keine Erwähnung fand. 2 OLG Köln, MDR 1997, 1165; KG, JurBüro 1996, 364; OLG Frankfurt, NJW-RR 1996, 1481; OLG München, JurBüro 1996, 367; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.4.1998 – 10 W 30/98, ZMR 1998, 619 m.w.N.; a.A. OLG Rostock, JurBüro 1997, 477; OLG Karlsruhe, JurBüro 1996, 364, OLG Hamm, NJW-RR 1997, 511; LG München I, JurBüro 1995, 482; LG Dortmund, Beschl. v. 19.9.1995 – 9 T 3726/95, Rpfleger 1996, 212. 3 Vgl. LG Augsburg, Beschl. v. 31.3.2005 – 5 T 1005/05, DGVZ 2005, 95; Schneider/ Wolf, § 25 RVG Rn. 18. 4 Vgl. dazu BayObLG, Beschl. v. 18.4.2002 – 2 Z BR 9/02, NJW-RR 2002, 1381. 5 Schneider/Wolf, § 25 RVG Rn. 19; OLG Köln, Beschl. v. 24.3.2005 – 25 WF 45/05, AGS 2005, 262 = OLGR 2005, 259; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 Stichwort „Ordnungs- und Zwangsmittelfestsetzung“; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 25 RVG Rn. 19. 6 KG, Beschl. v. 5.4.2005 – 5 W 168/04, AGS 2005, 304; Stein/Jonas/Roth, § 3 ZPO Rn. 70 Stichwort „Zwangsgeld“.

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Zwangsvollstreckung Ohne Belang ist dagegen die Höhe der titulierten Forderung oder die Höhe des Betrages, dessentwegen aktuell vollstreckt wird. Hinsichtlich der Einzelheiten kann auf die Ausführungen beim Stichwort „Eidesstattliche Versicherung“ verwiesen werden. 5. Vertretung des Schuldners (§ 25 Abs. 2 RVG) 6491

Bei Vertretung des Schuldners bestimmt sich der Gegenstandswert gem. § 25 Abs. 2 RVG nach dessen Interesse unter Berücksichtigung billigen Ermessens. Abzustellen ist also auf den konkreten Antrag des Schuldners und das Rechtsschutzziel, das er damit verfolgt. Im Einzelnen kommen in Betracht: – Schutzantrag nach § 765a ZPO Hier wird in der Regel ein Bruchteil von 1/5 des Hauptsachewerts angesetzt.1 Geht es um Räumungsschutz aus einem Zuschlagsbeschluss nach § 93 ZVG, setzt der BGH einen Wert von 1/10 des nach dem Versteigerungsergebnis anzunehmenden Zuschlagwertes an.2 – Schutzantrag gegen Räumungsvollstreckung Will der Schuldner erreichen, dass die Vollstreckung vorübergehend zum Zwecke der Weiternutzung seiner Wohnung eingestellt wird, so bestimmt sich der Wert nach dem Mietwert der streitigen Zeit. Maximal ist der Jahresbetrag der Miete anzusetzen.3 Eine andere Ansicht will nur die Hälfte des Nutzungswertes ansetzen.4 – Schutzantrag gegen Kontenpfändung Der Antrag nach § 850k ZPO wird nach dem von der Pfändungsdauer erfassten Guthaben bewertet, wobei dieser Wert in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 GKG auf den dreifachen Jahresbetrag zu begrenzen ist.5 – Beschwerde gegen Zwangs- und Ordnungsmittel Die Beschwer des zu einer Unterlassung verurteilten Beklagten richtet sich nach den Nachteilen, die aus der Erfüllung des Unterlassungsanspruchs entstehen, nicht nach dem im Falle einer Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeld.6 Ausnahmsweise ist allerdings die Höhe des verhängten Ordnungsmittels entscheidend, wenn der Schuldner sich mit seiner Beschwerde allein gegen dieses wendet. – Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung Bei Anträgen nach §§ 707, 719, 732 Abs. 2, 765a, 766 Abs. 1 Satz 2, 769 ZPO ist im Hinblick auf die lediglich vorübergehende Vollstreckungshinderung nur ein Bruchteil des Hauptsachewertes (im Regelfall 1/5) anzusetzen.7 1 Mayer/Kroiß/Gierl, § 25 RVG Rn. 23; LG München II, WuM 1994, 220. 2 BGH, Beschl. v. 22.3.2007 – V ZB 152/06, InVo 2007, 418. 3 OLG Koblenz, Beschl. v. 25.1.2005 – 5 W 55/05, JurBüro 2005, 384; OLG Koblenz, OLGR 1997, 34; LG Görlitz, Beschl. v. 3.6.2004 – 2 T 43/03, AGS 2003, 408; LG Münster, Rpfleger 1996, 166. 4 Schneider/Wolf, § 25 RVG Rn. 25. 5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.2.2004 – 26 W 67/03, OLGR 2004, 241. 6 BGH, Beschl. v. 8.1.2009 – IX ZR 107/08, AGS 2009, 240 = NJW-RR 2009, 549. 7 BGH, NJW 1991, 2280; Mayer/Kroiß/Gierl, § 25 RVG Rn. 24; Schneider/Wolf, § 25 RVG Rn. 28; Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16 Stichwort „Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung“.

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Zwangsvollstreckung 6. Forderung unpfändbar/wertlos Umstritten ist die Bestimmung des Gegenstandswertes, wenn sich im Rahmen der Vollstreckung herausstellt, dass die zu pfändende Forderung nicht existiert oder unpfändbar und damit im Ergebnis wertlos ist: – Nach zutreffender Ansicht ist in diesen Fällen ein Wert in Höhe der geringsten Gebührenstufe (zurzeit 300 Euro) festzusetzen, weil dies der geringste Wert i.S. von § 25 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 RVG ist.1 – Nach anderer Ansicht ist die Mindestgebühr von 10 Euro nach § 13 Abs. 2 RVG anzusetzen.2 – Eine dritte Meinung schließlich spricht sich dafür aus, auf den Wert des Pfandgegenstandes abzustellen, wie er sich nach der Behauptung des Gläubigers zu Beginn der Vollstreckung darstellte3 bzw. auf den Wert der zu vollstreckenden Forderung.4

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7. Sonstiges Der Wert der Bekanntmachung eines Urteils als Vollstreckungsmaßnahme ist unabhängig vom Streitwert der Hauptsache (Unterlassung) nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG zu schätzen. Dieser Wert beschränkt sich nicht auf die Druckkosten der Bekanntmachung, sondern bestimmt sich nach dem Interesse, das die Partei an der Bekanntmachung ihrer Rehabilitierung hat. Im Allgemeinen wird dieses Interesse mit einem Bruchteil des Werts des Rehabilitierungsanspruches angemessen bewertet. Jedoch kann der Wert der Bekanntmachung unter Umständen den Wert des Unterlassungsanspruchs selbst erreichen, wenn die beanstandete Handlung in die breiteste Öffentlichkeit gedrungen ist und daher der Gläubiger auch an dem breitesten Bekanntwerden ein ebenso großes Interesse hat wie an der Rehabilitierung im Urteil selbst.5

6493

Der Wert einer Klage auf Herausgabe eines Vollstreckungstitels ist gem. § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach freiem Ermessen zu bestimmen. Die vorstehend dargestellten Gebührenvorschriften sind nicht einschlägig, da es sich um eine eigene Klage und nicht um eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung handelt. Maßgeblich ist das Interesse des Klägers an dem Besitz des Titels, das darauf gerichtet ist, einen Missbrauch des Titels zu verhindern. Liegt bereits

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1 LG Hamburg, Beschl. v. 19.1.2009 – 332 T 109/08, ZMR 2009, 697; AG HamburgAltona, Beschl. v. 6.7.2006 – 322 M 540/06, AGS 2007, 100 mit Anm. von Mock; LG Hamburg, Beschl. v. 11.5.2000 – 314 T 43/00, JurBüro 2001, 110; Schneider/Wolf, § 25 RVG Rn. 8; Mayer/Kroiß/Gierl, § 25 RVG Rn. 10; zu den Einzelzeiten vgl. die Ausführungen beim Stichwort „Pfändung“. 2 OLG Köln, Beschl. v. 15.11.2000 – 17 W 278/99, Rpfleger 2001, 149; OLG Köln, JurBüro 1987, 1048; LG Kiel, SchlHA 1990, 12; AG Hamburg-Altona, Beschl. v. 6.7.2006 – 322 M 540/06, AGS 2007, 100. 3 OLG Neustadt, Rpfleger 1968, 2; ebenso LG Kiel, Beschl. v. 21.3.1991 – 3 T 130/90, JurBüro 1991, 1198: Entscheidend ist der volle, vom Gläubiger bezeichnete Anspruch. 4 LG Hamburg, Beschl. v. 20.3.2006 – 322 T 10/06, AnwBl. 2006, 449; LG Düsseldorf, Beschl. v. 12.7.2005 – 19 T 154/05, AGS 2006, 86; LG Hamburg, Beschl. v. 20.3.2006 – 322 T 10/06, AnwBl 2006, 499. 5 OLG Hamm, Rpfleger 1955, 256 zu § 3 ZPO; vgl. hinsichtlich der Einzelheiten das Stichwort „Veröffentlichungsbefugnis“.

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Zwischenfeststellungsklage ein die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärendes Urteil vor, kann dieses Interesse wertmäßig vernachlässigt werden.1

Zwischenfeststellungsklage Literatur: Meyer, JR 1955, 253; Schneider, MDR 1979, 268.

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Nach § 256 Abs. 2 ZPO darf der Kläger durch Erweiterung des Klageantrages, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt wird.

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Ein Zuständigkeitsstreitwert muss nicht festgesetzt werden, da die Zwischenfeststellungsklage bei dem Gericht zu erheben ist, welches den bereits anhängigen Rechtsstreit zwischen den Parteien verhandelt.

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Für den Gebührenstreitwert sind der Inzidentantrag des Klägers oder die Widerklage des Beklagten selbständig zu bewerten. Dabei wird häufig der zusätzliche Streitgegenstand umfassender sein als das primäre Klagebegehren, sodass auch bei der Widerklage gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG zumindest ein überschießender Teil anzusetzen ist.

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Eine Zwischenfeststellungsklage hat ausnahmsweise einen über den Streitwert der Klage hinausgehenden Streitwert, wenn der Feststellungsantrag nicht nur für die bereits erhobene Klage, sondern auch für weitere Ansprüche vorgreiflich ist.2

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Andererseits handelt es sich jedoch um ein bloßes Feststellungsverfahren, sodass nach allgemeinen Regeln ein Abschlag zu machen ist,3 der gewöhnlich bei 20 % liegt.4 Beim Streitwert der Zwischenfeststellungswiderklage ist ein Abschlag für das Prozessrisiko bei der Durchsetzung von Gegenforderungen zu machen.5

6500

S. zu den Bewertungsfragen im Einzelnen das Stichwort „Feststellungsklage“.

Zwischenstreit und -urteil Literatur: Schneider, MDR 1968, 888; ders, JurBüro 1970, 23; Schneider, MDR 2001, 130; Freund, Zur Streitverkündung: Zulässigkeit, Zwischenstreit und Gegenstandswert, NZBau 2010, 83.

A. Anwendbare Vorschriften 6501

Der Zwischenstreit dient der Verfahrensökonomie, indem er die Prüfung der sachlichen Begründung der Klage bis zu einer rechtsmittelfähigen Klärung vor1 2 3 4 5

BGH, Beschl. v. 9.6.2004 – VIII ZB 124/03, AGS 2004, 298. LG München, Beschl. v. 11.5.2009 – I 13 T 239/09, JurBüro 2009, 430. BGH, NJW-RR 1991, 509; Zöller/Greger, § 256 ZPO Rn. 30. Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Zwischenfeststellungsklage“ S. 500. LG München, Beschl. v. 11.5.2009 – I 13 T 239/09, JurBüro 2009, 430.

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Zwischenstreit und -urteil greiflicher Zulässigkeits- und Verfahrensfragen zurückstellt.1 Nach Anordnung einer abgesonderten Verhandlung entscheidet das Gericht durch Zwischenurteil, dass unabhängig vom Erreichen der Rechtsmittelsumme2 anfechtbar ist. Es handelt sich um ein gebührenpflichtiges Endurteil, wenn die Klage als unzulässig abgewiesen wird. Erlässt das Gericht bei einem Streit über die Zulässigkeit einer Beweisaufnahme, beispielsweise über die Verpflichtung zur Duldung einer ärztlichen Befunderhebung, statt eines (möglichen) Zwischenurteils einen Beweisbeschluss, unterliegt dieser nicht der Anfechtung.3 Das Verfahren über den Zwischenstreit zählt zur anwaltlichen Tätigkeit, die mit dem Verfahren zusammenhängt (§ 19 Abs. 1 Nr. 3 RVG (§ 37 Nr. 3 BRAGO) und wird daher nicht gesondert vergütet. Beschränkt sich die anwaltliche Tätigkeit hingegen auf die Vertretung einer Partei oder eines Zeugen im Zwischenstreit, so wird er als Bevollmächtigter in einem Rechtsstreit tätig und hat Anspruch auf die Gebühren des 3. Teils des VV RVG.4

6502

Eine einheitliche Regel für den Bemessung des Gebühren- und Rechtsmittelstreit (Beschwer) lässt sich aufgrund der prozessual sehr unterschiedlichen Fallgestaltungen nicht aufstellen.

6503

B. Einzelfälle aus der Rechtsprechung Stellt das Gericht durch Zwischenurteil fest, dass der Rechtsstreit infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei gem. § 240 ZPO unterbrochen worden ist,5 bestimmt sich der Streitwert der dagegen gerichteten Berufung nach dem Interesse des Berufungsklägers an der Verfahrensfortsetzung. Entsprechend der Bewertung zur Verfahrensaussetzung ist eine Bruchteilsbewertung geboten,6 die in der Regel bei 1/5 des Hauptsachewertes liegen sollte. Die (Feststellung der) Unterbrechung steht – wie im gleich gelagerten Fall der Aussetzung – einer Streitwertfestsetzung nicht entgegen.7

6504

Besteht Streit über die Zulässigkeit des Beitritts eines Nebenintervenienten, bestimmt sich der Wert nach dem Interesse des Streithelfers an der Zulassung seines Beitritts. Dieses Interesse kann geringer sein als der Wert des Streitgegenstandes des Hauptprozesses, auch wenn er die gleichen Anträge stellt wie die von ihm unterstützte Partei.8 (S. näher unter dem Stichwort „Nebenintervention“).

6505

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Zöller/Greger, § 280 ZPO Rn. 1. BGH, Urt. v. 10.11.1997 – II ZR 336/96, MDR 1998, 177. BGH, Beschl. v. 17.1.2007 – XII ZB 154/06, FamRZ 2006, 549. Vgl. Zöller/Greger, § 387 ZPO Rn. 8. Zur Unzulässigkeit einer dahingehenden Beschlussfeststellung vgl. BGH, Beschl. v. 9.3.2006 – IX ZB 161/05, MDR 2006, 1007; Beschl. v. 10.11.2005 – IX ZB 240/04, MDR 2006, 529 = NJW-RR 2006, 288; auch OLG München, Urt. v. 12.11.2008 – 7 U 3047/08, juris. 6 Im Ergebnis auch OLG München, Urt. v. 12.11.2008 – 7 U 3047/08, juris; Beschl. v. 20.7.2007 – 20 W 1976/07, MDR 2008, 291 = ZIP 2007, 2052 – wenngleich jeweils mit einer 1/10-Bewertung. 7 OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.7.2006 – 2 W 30/06, juris. 8 RGZ 111, 410; BGH, JurBüro 1953, 305; OLG München, AnwBl. 1985, 648; OLG München, AnwBl. 1985, 646; LG Köln, Beschl. v. 16.9.1965 – 2 O 35/61, KostRsp. § 3 ZPO Nr. 139 = MDR 1966, 423; Anders/Gehle/Kunze, Stichwort „Nebeninterven-

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Zwischenstreit und -urteil 6506

Die Zurückweisung eines Prozessbevollmächtigten (§ 157 ZPO) führt nicht zu einem Zwischenstreit, eröffnet aber der betroffenen Partei die Möglichkeit der Beschwerde. Der Beschwerdewert richtet sich der Wert nach Interesse der betroffenen Partei an der Prozessvertretung durch den ausgeschlossenen Bevollmächtigten.1

6507

Wertbestimmend für den Zwischenstreit über die Verpflichtung des Klägers zur Prozesskostensicherheit für eine Klage oder ein Rechtsmittel ist der Wert der Hauptsache.2 Die Beschwer des zur Leistung der Prozesskostensicherheit verurteilten Klägers bestimmt sich nach der Höhe der angeordneten Sicherheit.3 S. auch die Stichworte „Sicherheitsleistung im Prozess“ Rn. 4963.

6508

Der Streitwert eines Zwischenstreits über eine Richterablehnung, eine Schiedsrichterablehnung oder eine Sachverständigenablehnung wird teils nach dem Streitwert der Hauptsache,4 teils durch eine am Hautsachewert orientierte Schätzung nach § 3 ZPO,5 teils als nichtvermögensrechtliche Streitigkeit bewertet.6 Der letzteren Auffassung ist zuzustimmen (s. näher das Stichwort „Ablehnung von Richtern, Schiedsrichtern und Sachverständigen“ Rn. 921 ff.).

6509

Bei einem Zwischenstreit über die Vorlage einer Urkunde gem. § 422 ZPO ist für dessen Bewertung entscheidend, was diejenige Partei, die die Vorlage verlangt, damit erreichen will. Handelt es sich um eine Beweisurkunde, ist deren Bedeutung für den Ausgang des Verfahrens wertbestimmend.7 So hat der BGH den Zwischenstreit über die Vorlage von Unterlagen zum Zwecke der Darlegung und des Nachweises eines Vermögensschadens ohne weitere Begründung mit dem Wert der Hauptsache bemessen.8 Da die Bedeutung von dem Vor-

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tion“; Meyer, Anh. § 48 (§ 3 ZPO) Rn. 22; Musielak/Heinrich, § 3 Rn. 32 unter „Nebenintervention“; Zöller/Vollkommer, § 71 Rn. 7a; a.A. OLG München, NJW-RR 1989, 429, grundsätzlich Wert der Hauptsache. A.A. für den verwaltungsgerichtlichen Zwischenstreit OVG Sachsen, SächsVBl. 2003, 38: 1/5 des Hauptsachestreitwertes. BGH, Beschl. v. 20.3.2002 – IV ZR 3/01, BGHR 2002, 951; Beschl. v. 7.10.1981 – VIII ZR 198/80, WM 1981, 1287; Urt. v. 20.6.1962 – VIII ZR 65/61, BGHZ 37, 264 = JurBüro 1962, 213; offen gelassen in VersR 1991, 122; OLG Hamburg, Beschl. v. 28.1.2002 – 14 U 98/01, AGS 2003, 82; OLG Köln, Beschl. v. 19.5.2008 – 12 U 21/08, juris. OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.3.1986 – 10 U 8/86, MDR 1986, 593; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 Stichwort „Zwischenstreit“. BGH, Beschl. 17.1.1968 – IV ZB 3/68, NJW 1968, 796; OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.4.2010 – 1 W 7/10, juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.4.2008 – 10 W 190-192/07, OLGR 2008, 471 = AGS 2008, 499 = RPfleger 2008, 538; OLG Frankfurt, AGS 2006, 299; OLG München, Beschl. v. 28.6.2006 – 34 SchH 2/06, juris. OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.7.2008 – 11 W 24/08, BauR 2008, 1941 (Ls) = IBR 2009, 54: 1/3 des Hauptsachewertes; OLG Frankfurt, MDR 2007, 1399: 1/4 des Hauptsachewertes; OLG Hamburg, MDR 1990, 58; OLG Koblenz, JurBüro 1991, 503: 1/10 je abgelehnter Richter; DRiZ 1989, 180; OLG Rostock, OLGR 2006, 586. OLG Bamberg, MDR 1982, 589; OLG Köln, ZSW 1981, 44; MDR 1976, 322; OLG Nürnberg, MDR 1983, 846; Zöller/Herget, § 3 Rn. 16 Stichwort „Ablehnung“. OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.11.2006 – 6 U 165/06, juris; a.A. OLG Köln, Beschl. v. 8.2.1982 – 2 U 134/82, MDR 1983, 321: Bewertung analog dem Auskunftsanspruch bei der Stufenklage mit 1/4. BGH, Beschl. v. 26.10.2006 – III ZB 2/06, MDR 2007, 541 = NJW 2007, 155 = BGHReport 2007, 73.

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Kurpat

Zwischenstreit und -urteil handensein weiterer Beweismittel, dem Umfang des Beweisgegenstandes im Verhältnis zum Streitgegenstand und etwaig weiteren vom Gericht nach § 286 ZPO zu berücksichtigenden Umständen abhängig ist, scheidet eine schematische Gleichsetzung mit dem Wert der Hauptsache aus. Bedarf es zur Klagestattgabe des Nachweises zweier (tatsächlicher) Anspruchsvoraussetzungen und dient die Urkunden nur dem Nachweis einer davon, kommt der Ansatz des hälftigen Hauptsachewerts in Betracht.1 Soll dagegen mit der Urkunde eine genauere Berechnung der Klageforderung ermöglicht werden, sollte sich die Bewertung an die des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs bei der Stufenklage anlehnen, sodass in der Regel 1/4 des Hauptsachewertes anzusetzen ist.2

6510

Auch für den Zwischenstreit über die Rechtmäßigkeit einer Zeugnisverweigerung bestehen unterschiedliche Bewertungsansätze. Zutreffend ist es, auf das Interesse der beweisführenden Partei abzustellen und die (formale) Bedeutung der Zeugenaussage für den Ausgang des Rechtsstreits abzustellen.3 Zu den Einzelheiten s. das Stichwort „Zeugnisverweigerung“ Rn. 6401.

6511

Streiten die Beteiligten über die Pflicht zur Duldung einer Blutentnahme zur Feststellung der Abstammung, bestimmt sich der Wert des Zwischenstreits für die beweisführende Partei nach ihrem wirtschaftlichen Interesse am Ausgang des Rechtsstreits. Handelt es sich bei dem Abstammungsgutachten um das einzig verbliebene Beweismittel, ist der volle Hauptsachewert anzusetzen.4

6512

Der Wert des Streitgegenstandes für das durch Zwischenurteil abgeschlossene Verfahren über die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit5 sowie über sonstige die Zulässigkeit von Klage und Rechtsmittel betreffende Einwendungen richtet sich nach dem in der Klage geltend gemachten vollen Anspruch, denn er kann zum Endurteil führen.6 Für die Berufung gegen eine Zuständigkeit bejahendes Zwischenurteil kann das dagegen nicht gelten, weil hier nur über die Zuständigkeit und nicht mit Rechtskraft über die Hauptsache entschieden wird.7

6513

Demgegenüber ist der Streit über den zulässigen Rechtsweg mit dem Hauptsachewert nicht identisch, da hier nur eine – von Amts wegen vorzunhmende – Verweisung droht, § 17a GVG. Hier ist eine auf den Hauptsachewert bezoge1 OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.11.2006 – 6 U 165/06, juris. 2 OLG Köln, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 614 = MDR 1983, 321; s. auch das Stichwort „Stufenklage“ Rn. 5071 ff. 3 BGH, Beschl. v. 25.3.1991 – II ZA 9+10/90, KostRspr. ZPO § 3 Nr. 1034; OLG Frankfurt, Urt. v. 19.11.2003 – 9 U 70/98, OLGR 2004, 81 = NotBZ 2004, 490; Stein/Jonas/ Roth, § 3 Rn. 13 m.w.N.; a.A. OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.10.1963 – 2 W 136/63, KostRsp. ZPO § 3 Nr. 103; KG, JurBüro 1968, 739; JurBüro 1964, 616. – in der Regel Hauptsachewert. 4 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.8.1997 – 2 W 3/97, FamRZ 1998, 563 = NJW-FER 1998, 89; unklar OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.1.1996 – 4 W 4074/95, FamRZ 1996, 1155 = NJW-RR 1996, 645: in der Regel 1/2 des Hauptsachewerts. 5 KG, MDR 1957, 366; OLG Düsseldorf, RPfleger 1972, 463; Lappe, NJW 1994, 1189, 1190. 6 Zöller/Greger, § 280 ZPO Rn. 11. 7 OLG Frankfurt, OLGR 1999, 153; LG Braunschweig, Beschl. v. 14.5.1973 – 7 S 43/73, NJW 1973, 1846.

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Zwischenvergleich ne Bruchteilsbewertung geboten.1 S. im Übrigen die Stichworte „Einrede, Einwendung“ und „Rechtswegverweisung“.

Zwischenvergleich 6514

Unter einem Zwischenvergleich versteht man eine gütliche Regelung im Verlaufe des Rechtsstreits, die sich nicht auf den Streitgegenstand insgesamt bezieht, sondern nur auf einen Teil davon oder auf den Verfahrensablauf oder auf vorgreifliche Fragen.

6515

Seine Bewertung richtet sich ebenso wie der Gesamtvergleich nach dem Gegenstand des verglichenen Verfahrens. Es liegt nahe, sich an den für die Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) geltenden Beurteilungskriteren zu orientieren. Ein gerichtlicher Zwischenvergleich ist jedenfalls nicht deshalb niedriger zu bewerten, weil nicht sicher war, ob er zur vollständigen Erledigung des Rechtsstreits führen oder beitragen werde.2

6516

S. zu den Einzelheiten das Stichwort „Vergleich“.

6517–6599 Einstweilen frei.

1 BGH, Beschl. v. 30.9.1999 – V ZB 24/99, MDR 1999, 1521 = NJW 1999, 3785; Beschl. v. 19.12.1996 – III ZB 105/96, MDR 1997, 386 = NJW 1998, 909; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.7.2008 – 24 W 19/08, OLGR 2008, 781: 1/4. 2 OLG Schleswig, JurBüro 1966, 240.

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3. Teil: Streitwert im FamFG-Verfahren Abänderung A. Allgemeines Das Gesetz geht von dem Grundsatz aus, dass eine rechtskräftige Entscheidung mit Dauerwirkung aufgehoben oder abgeändert werden kann, wenn sich die zugrunde liegende Sach- und Rechtslage nachträglich wesentlich ändert.

6600

Diesen Grundsatz regelt nunmehr § 48 FamFG und bezieht sich auf die Abänderung von rechtskräftigen Entscheidungen mit Dauerwirkung in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (arg. e § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG).

6601

Der in § 48 FamFG enthaltene Grundsatz wird ergänzt durch besondere Abänderungsregelungen, die den Grundsatz erweitern oder einschränken und zwar – § 54 Abs. 1 FamFG, wonach das Gericht in einer einstweiligen Anordnungssache die Entscheidung abändern kann, – § 166 FamFG, der die Abänderung von Entscheidungen und gerichtlich gebilligten Vergleichen in nichtvermögensrechtlichen Kindschaftssachen regelt, – § 185 FamFG, der in Abstammungssachen die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens normiert, – §§ 225, 226 FamFG, die die Abänderung einer Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung bestimmen (§§ 51, 52 VersAusglG), – § 227 FamFG, wonach auch Entscheidungen über Ausgleichsansprüche nach der Scheidung und Vereinbarungen nach den §§ 6–8 VersAusglG abgeändert werden können, – § 264 Abs. 1 Satz 2 FamFG, der festlegt, dass eine Abänderung von Entscheidungen nach den §§ 1382 und 1383 BGB ausgeschlossen ist.

6602

Auf Familienstreitsachen findet § 48 FamFG keine Anwendung. Es gelten über § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG – § 323 ZPO (Abänderungsklage) und § 324 ZPO (Nachforderungsklage zur Sicherheitsleistung) wonach den nachehelichen Unterhalt betreffend die Abänderung (Erhöhung) der in einem Urteil (Beschluss) bestimmten Sicherheit beansprucht werden kann und darüber hinaus für Unterhaltssachen – § 238 FamFG, der die Abänderung gerichtlicher Entscheidungen beinhaltet, – § 239 FamFG, der sich auf die Abänderung von Vergleichen und Urkunden, – § 240 FamFG, der sich auf die Abänderung von Entscheidungen nach §§ 237 und 253 FamFG, die sich auf die Abänderung von Entscheidungen über künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen beziehen. Dass der Gesetzgeber über § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG zusätzlich § 323 ZPO für anwendbar erklärt, der sich seinem Wortlaut nach vollständig in § 238 Abs. 1 FamFG wieder findet, ist nachvollziehbar, weil die Abänderung wiederkehrender Leistungen auch bei vertraglichen Unterhaltsvereinbarungen in Betracht kommt.

6603

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Abänderung

B. Die Bewertungen 6604

6605

6606

Die Frage des Zuständigkeitsverfahrenswerts stellt sich in Verfahren, deren Gegenstand die Abänderung einer Entscheidung in einer Familiensache ist, nicht. Entsprechende Abänderungsverfahren sind gleichermaßen Familiensachen. Nach § 23a Abs. 1 Nr. 1 GVG ist das Amtsgericht in Familiensachen unabhängig vom Wert des Verfahrens ausschließlich zuständig. Für die Zulässigkeit der Beschwerde ist der Wert des Beschwerdegegenstands maßgebend (§ 61 Abs. 1 FamFG). Dieser berechnet sich nicht nach dem FamGKG, da dieses nur den Wert für die Gerichtsgebühren regelt.1 Mangels einer Regelung der Beschwer oder des Werts des Beschwerdegegenstands im FamFG ist in Abänderungsverfahren, die Familienstreitsachen sind, auf die §§ 3 ff. ZPO zurückzugreifen.2 Im Übrigen kommt es in nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten auf den Wert des Beschwerdegegenstands nicht an (arg. e § 61 Abs. 1 FamFG). Der Wert für die Gerichtsgebühren ist abzuleiten aus der jeweiligen Wertvorschrift, die bereits für die Bemessung der abzuändernden Entscheidung herangezogen worden ist. Zu beachten ist ggf. der Umfang der Abänderung, wenn sich das Abänderungsbegehren nicht auf den gesamten Verfahrensgegenstand bezieht.

6607

Über § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG ist in Abänderungsverfahren der für die Gerichtsgebühren geltende Wert für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren im gerichtlichen Verfahren maßgeblich.

6608

Die jeweiligen Wertvorschriften des FamGKG gelten auch für die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts (§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG).

C. Gebührenverfahrenswert 6609

6610

6611

Eine besondere Wertvorschrift existiert weder für die Abänderung von Entscheidungen in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit noch in Familienstreitsachen. Allerdings ist ein allgemeiner Grundsatz für Abänderungsverfahren in der für Rechtsmittelverfahren maßgeblichen Wertvorschrift des § 40 FamGKG enthalten: Im Abänderungsverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert demgemäß nach den „Anträgen des Antragstellers“. Wird die Abänderung der gerichtlichen Entscheidung/des Titels uneingeschränkt begehrt, so ist der Wert des Gegenstands der abzuändernden Entscheidung maßgeblich. Wird nur eine teilweise Abänderung geltend gemacht, so ist bei der Wertfestsetzung in vermögensrechtlichen Angelegenheiten auf die Differenz der verlangten Herauf- oder Herabsetzung zwischen dem festgesetzten und dem beantragten Betrag abzustellen. In nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten, in denen Abänderungsverfahren entweder nach einem Regelwert oder nach dem Auffangwert zu bemessen sind, ist einer nur teilweise geltend gemachten Abänderung der Entscheidung über die Anpassung unter Billigkeitsgesichtspunkten Rechnung zu tragen (§§ 42 Abs. 1, 2, § 44 Abs. 3, § 45 Abs. 3, 47 Abs. 2, 48 Abs. 3, 49 Abs. 2, 50 Abs. 3 FamGKG). 1 Keidel, § 61 FamFG Rn. 9. 2 Friederici/Kemper/Klußmann, § 61 Rn. 5; Schneider/Wolf/Volpert, § 40 Rn. 25.

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Abstammungssachen Wird wechselseitig Abänderung geltend gemacht, so sind die Werte der einzelnen Anträge zu addieren (§ 33 Abs. 1 Satz 1 FamGKG), es sei denn, sie betreffen denselben Verfahrensgegenstand.

6612

Nach OLG Köln1 und KG2 unterbleibt eine Wertaddition aber dann, wenn in einer Unterhaltssache Herabsetzung des Zahlbetrages begehrt und für denselben Zeitraum die Rückzahlung der zu viel gezahlten Unterhaltsbeträge beansprucht wird. OLG Köln und KG argumentieren mit Identität der Verfahrensgegenstände, wobei die gegenteilige Auffassung vertretbar ist.

6613

S. ausführlich zur Abänderung die Stichwörter – „Kindschaftssachen“, – „Vereinfachtes Verfahren“, – „Gewaltschutzsachen“, – „Nachforderungsklage“, – „Versorgungsausgleichssachen“, – „Vollstreckungsabwehrklage“. – „Unterhaltssachen“.

Abfindung S. das Stichwort „Unterhaltsverzicht“.

Abstammungssachen Literatur: N. Schneider, Gebühren in Familiensachen, 1. Aufl. 2010, Rn. 1551 ff.; Stößer, Das neue Verfahren in Abstammungssachen nach dem FamFG, FamRZ 2009, 923–930; N. Schneider, Die Verfahrenswerte nach dem FamGKG, AnwBl. 2009, 777. Gliederungsübersicht Rn. A. Allgemeines I. Betroffene Verfahren . . . . . . . 6614 II. Die Bewertungen . . . . . . . . . 6616 B. Beschwer . . . . . . . . . . . . . 6621 C. Gebührenverfahrenswert . . . . I. Regelwert 1. Abstammungssachen nach § 169 Nr. 1 und Nr. 4 FamFG . . . . . 2. Abstammungssachen nach § 169 Nr. 2 und Nr. 3 FamFG . . . . . II. Billigkeitsanpassung der Regelwerte . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bemessungskriterien für eine Erhöhung des Verfahrenswerts . 2. Bemessungskriterien für eine Ermäßigung des Verfahrenswerts

6622

6623 6625 6626 6627

Rn. III. Zusammentreffen mehrerer Abstammungssachen 1. Antragshäufung . . . . . . . . . 2. Zusammentreffen von Abstammungssachen mit einer Unterhaltssache . . . . . . . . . . . . IV. Zusammentreffen einer Abstammungssache mit einem anderen Verfahren . . . . . . . V. Beschwerde . . . . . . . . . . . VI. Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . VII. Rechtsbeschwerde . . . . . . . VIII. Einstweilige Anordnungen . . . IX. Vollstreckung . . . . . . . . . .

6629

6635

6641 6642 6643 6644 6645 6648

6628

1 OLG Köln, Beschl. v. 15.6.2010 – 4 WF 13/10, NJW-Spezial 2010, 541 = AG Kompakt 2010, 134. 2 KG, Beschl. v. 5.10.2010 – 19 WF 138/10, AGS 2011, 39 = NJW-Spezial 2010, 763.

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Abstammungssachen

A. Allgemeines I. Betroffene Verfahren 6614

Abstammungssachen definiert § 169 FamFG. Danach handelt es sich um Verfahren, die gerichtet sind auf – die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Eltern-Kind-Verhältnisses (§ 1600d BGB), insbesondere der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Anerkennung der Vaterschaft (§ 169 Nr. 1 FamFG), – die Ersetzung der Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und Anordnung der Duldung einer Probeentnahme § 1598a Abs. 1 Satz 1 BGB (§ 169 Nr. 2 FamFG), – die Einsicht in ein Abstammungsgutachten und Aushändigung einer Abschrift nach § 1598a Abs. 4 BGB (§ 169 Nr. 3 FamFG), oder – die Anfechtung der Vaterschaft nach § 1600 BGB (§ 169 Nr. 4 FamFG).

6615

Der nach bisherigem Recht für Abstammungssachen maßgebende Begriff der Kindschaftssache ist für die die Verwandtschaft regelnden Verfahren abgelöst worden. Kindschaftssachen sind begrifflich nunmehr die Familiensachen nach § 111 Nr. 2 FamFG. Das wiederum sind nach § 151 FamFG Verfahren, die die elterliche Sorge, das Umgangsrecht, die Kindesherausgabe, die Vormundschaft, die Pflegschaft, die Unterbringung eines Minderjährigen und die Aufgaben nach dem JGG betreffen. Verfahren, die das Bestehen oder Nichtbestehen eines Verwandtschaftsverhältnisses zum Gegenstand haben, wurden bereits in der Vergangenheit nach den für sie geltenden materiellen Vorschriften als Abstammungssachen bezeichnet und heißen jetzt einheitlich auch verfahrensrechtlich Abstammungssachen.

II. Die Bewertungen 6616

Die Frage des Zuständigkeitsverfahrenswerts stellt sich in Abstammungssachen nicht. Nach § 23a Abs. 1 Nr. 1 GVG ist das Amtsgericht in Familiensachen unabhängig vom Wert des Verfahrens ausschließlich zuständig. Abstammungssachen sind Familiensachen nach § 111 Nr. 3 FamFG.

6617

Für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist der Wert des Beschwerdegegenstands maßgebend (§ 61 Abs. 1 FamFG). Da es sich um nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten handelt, ist die Beschwerde unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstands zulässig, sodass es einer Wertfestsetzung nicht bedarf.

6618

Der Wert für die Gerichtsgebühren ergibt sich aus § 47 FamGKG.

6619

Über § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG ist der für die Gerichtsgebühren geltende Wert auch für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren im gerichtlichen Verfahren maßgeblich.

6620

Gem. § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG finden die Wertvorschriften des FamGKG für die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts entsprechende Anwendung, da der Gegenstand des Verfahrens teilweise auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte. Die Vaterschaft, die Einwilligung in eine Probeentnahme etc. können außergerichtlich anerkannt/erteilt werden. Einer gerichtlichen Entscheidung bedarf es insoweit nicht. 1380

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Abstammungssachen

B. Beschwer Abstammungssachen sind nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten. Nach § 61 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde gegen Endentscheidungen unabhängig von dem Wert des Beschwerdegegenstands zulässig. Auf die Beschwer, die für die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht geregelt ist, kommt es deshalb nicht an.

6621

C. Gebührenverfahrenswert Die gebührenrechtliche Bewertung in Abstammungssachen ergibt sich aus § 47 Abs. 1 FamGK. Bei den Verfahren i.S. des § 169 FamFG handelt es sich – was nach bisherigem Recht nicht einheitlich der Fall gewesen ist1 – nunmehr insgesamt um Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Der Gesetzgeber hat in § 47 Abs. 1 FamGKG feste Regelwerte normiert, die nach § 47 Abs. 2 FamGKG unter Billigkeitsgesichtspunkten herauf- und herabgesetzt werden können.

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I. Regelwert 1. Abstammungssachen nach § 169 Nr. 1 und Nr. 4 FamFG In den Abstammungssachen nach – § 169 Nr. 1 FamFG, also für Feststellungsverfahren und – § 169 Nr. 4 FamFG, also für Vaterschaftsanfechtungsverfahren gilt gem. § 47 Abs. 1, Halbs. 1 FamGKG ein Regelwert i.H.v. 2.000 Euro.

6623

Der Höhe nach hat sich im Vergleich zu den bisher maßgeblichen Wertvorschriften nichts geändert. Die Bewertung von Feststellungs- und Anfechtungsverfahren ergab sich nach früherem Recht aus § 48 Abs. 3 Satz 3 GKG a.F., wonach die entsprechenden Verfahren ebenfalls mit einem Wert i.H.v. 2.000 Euro zu bemessen waren. Dabei handelte es sich jedoch um unabänderliche Festwerte, während jetzt eine Abweichung vom Regelwert möglich ist (§ 47 Abs. 2 FamGKG).

6624

2. Abstammungssachen nach § 169 Nr. 2 und Nr. 3 FamFG Für die Abstammungssachen nach – § 169 Nr. 2 FamFG, also für Verfahren, die die Ersetzung der Einwilligung in eine Untersuchung und Anordnung der Duldung einer Probeentnahme betreffen und – § 169 Nr. 3 FamFG, also für Verfahren, die auf Einsicht in ein Abstammungsgutachten und Aushändigung einer Abschrift gerichtet sind, und die gegenüber den Feststellungs- und Anfechtungsverfahren geringere Bedeutung haben, ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Halbs. 2 ein Regelwert i.H.v. 1.000 Euro.

1 Prütting/Helms/Stößer, § 169 FamFG Rn. 1.

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Abstammungssachen

II. Billigkeitsanpassung der Regelwerte 6626

Die sich für die jeweiligen Abstammungssachen aus § 47 Abs. 1 FamGKG ergebenden Regelwerte können auf der Grundlage der Vorschrift des § 47 Abs. 2 FamGKG herauf- oder herabgesetzt werden und zwar dann, wenn der nach § 47 Abs. 1 FamGKG bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist. 1. Bemessungskriterien für eine Erhöhung des Verfahrenswerts1

6627

Kriterien, die für eine Erhöhung des Regelwerts des § 47 Abs. 1 FamGKG nach § 47 Abs. 2 FamGKG maßgeblich sein können, sind Folgende: – die Vermögensverhältnisse des potentiellen Vaters, – Umfang und Bedeutung der Sache aufgrund nachträglicher Betrachtung,2 – die Weigerung, eine Probeentnahme zu dulden, – zwangsweise Vorführung zur Untersuchung, – mangelnde Mitwirkung der Kindesmutter, – die Bestellung eines Verfahrensbeistands gem. § 174 FamFG, – umfangreiche Anhörungen, – eine Vielzahl von Beteiligten, – es kommen mehrere Väter in Betracht und werden in das Verfahren einbezogen, – die Wichtigkeit, die das Verfahren für die Gestaltung der nichtvermögensrechtlichen Lebensbeziehungen der Beteiligten hat, – der Umfang der Auswirkungen der streitigen Familienrechtsstellung hinsichtlich des Unterhalts und des Erbrechts.3 2. Bemessungskriterien für eine Ermäßigung des Verfahrenswerts4

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Kriterien, die für eine Ermäßigung des Regelwerts des § 47 Abs. 1 FamGKG nach § 47 Abs. 2 FamGKG maßgeblich sein können, sind Folgende: – gleichgerichtete Anträge der Beteiligten und zwar von Beginn des Verfahrens an, – bereits außergerichtlich erkennbare Kooperationsbereitschaft der Beteiligten.

III. Zusammentreffen mehrerer Abstammungssachen 1. Antragshäufung 6629

Werden mehrere Abstammungssachen, die dasselbe Kind betreffen, miteinander verbunden, was nach § 179 Abs. 1 Satz 1 FamFG zulässig ist, liegen auch mehrere Verfahrensgegenstände vor, sodass die Regelwerte für die jeweilige

1 2 3 4

Thiel/Schneider, Die Abweichung vom Regelverfahrenswert, FPR 2010, 323. OLG Köln, NJW 1960, 2197. OLG Frankfurt, NJW 1952, 550. Thiel/Schneider, Die Abweichung vom Regelverfahrenswert, FPR 2010, 323.

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Abstammungssachen Abstammungssache gesondert zu ermitteln und nach § 33 Abs. 1 Satz 1 FamGKG zu addieren sind.1 Nach § 179 Abs. 2 FamFG ist eine Verbindung von Abstammungssachen im Übrigen nicht zulässig. Es ist deshalb weder statthaft, dass Geschwister in demselben Verfahren ihre Vaterschaft anfechten, noch dass die Vaterschaftsanfechtung gegen mehrere Kinder in demselben Verfahren verfolgt wird.2 Aber auch bei einer unzulässigen Verbindung unterschiedlicher Verfahrensgegenstände sind die Werte stets gesondert zu ermitteln und nach § 33 Abs. 1 Satz 1 FamGKG zu addieren.

6630

Davon geht auch Klüsener3 aus, suggeriert aber, dass eine Abstammungssache, gerichtet gegen mehrere Kinder, auch statthaft ist. Dem dürfte im Hinblick auf das Verbindungsverbot des § 179 Abs. 2 FamFG nicht zu folgen sein, weil es eine Abstammungssache, die mehrere Kinder betrifft, jedenfalls nicht geben darf. Der von Klüsener vertretenen Auffassung liegt noch die frühere Rechtslage zugrunde, wonach der Wert je Kind anzusetzen gewesen ist.4

6631

Zutreffend erkannt worden ist zwar, dass es in Abstammungsverfahren eine den §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 2 FamGKG vergleichbare Regelung, wonach eine Kindschaftssache auch dann als ein Gegenstand zu bewerten ist, wenn sie mehrere Kinder betrifft, nicht gibt und daraus grundsätzlich auch die richtige Schlussfolgerung gezogen werden kann, dass dann, wenn mehrere Kinder betroffen sind, auch mehrere Gegenstände vorliegen.5 Das Verbindungsverbot des § 179 Abs. 2 FamG bringt diese Schlussfolgerung für Abstammungssachen im Ergebnis aber zu Fall.

6632

Auch Keske6 nimmt an, dass die Anfechtung der Vaterschaft mehrere Kinder betreffend zulässig sei.

6633

Wenn verfahrenswidrig verbunden wird, was angesichts der nach wie vor noch bestehenden Unkenntnis des neuen Verfahrensrechts anzunehmen ist, muss man allerdings nach § 33 Abs. 1 FamGKG die einzelnen Werte addieren.

6634

2. Zusammentreffen von Abstammungssachen mit einer Unterhaltssache Ist ein Verfahren auf Feststellung des Bestehens der Vaterschaft gem. § 169 Nr. 1 FamFG mit einer Unterhaltssache nach § 237 FamFG verbunden worden, was nach § 179 Abs. 1 Satz 2 FamFG – wie nach bisherigem Recht – grundsätzlich zulässig ist, sind die Verfahrenswerte der Abstammungssache und der Unterhaltssache gesondert zu bestimmen.

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Bei der Bemessung des Verfahrenswerts ist dann § 33 Abs. 1 Satz 2 FamGKG zu beachten, der den bereits nach § 39 GKG geltenden Grundsatz übernom-

6636

1 Zöller/Herget, Anh. § 3 ZPO Anhang nach § 3 „Abstammung“; AnwK-RVG/Schneider/Mock, § 47 Rn. 281. 2 Prütting/Helms/Stößer, § 179 Rn. 2. 3 Prütting/Helms/Klüsener, § 47 Rn. 3. 4 N. Schneider, Gebühren in Familiensachen, Rn. 1570. 5 Prütting/Helms/Klüsener, § 47 FamFG Rn. 3. 6 FA-FamR/Keske, S. 1750, Rn. 89.

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Abstammungssachen men hat, dass bei Verbindung eines nichtvermögensrechtlichen Anspruchs mit einem aus ihm hergeleiteten vermögensrechtlichen Anspruch nur der höhere Anspruch maßgebend ist.1 6637

Dabei gilt § 33 Abs. 1 Satz 2 FamGKG weiterhin als Ausnahme von dem Grundsatz, dass in demselben Verfahren und in demselben Rechtszug die Werte mehrerer Verfahrensgegenstände zusammengerechnet werden (§ 33 Abs. 1 Satz 1 FamGKG). Der Wert für die regelmäßig höher zu bewertende Unterhaltssache bleibt auch dann bestehen, wenn die Vaterschaft in dem verbundenen Verfahren nicht festgestellt worden ist.2 Der Wert der Unterhaltssache kann aber auch geringer sein.

6638

* Æ Beispiel: Das minderjährige Kind hat ein Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft nach § 1600d BGB eingeleitet und innerhalb dieses Verfahrens einen Antrag, gerichtet auf Zahlung des Mindestunterhalts, beim FamG anhängig gemacht. Die Kindesmutter vereinnahmt für das noch nicht einjährige Kind Unterhaltsvorschussleistungen i.H.v. monatlich 133 Euro. Da die Unterhaltsvorschusskasse die Unterhaltsvorschussbeträge auf das Kind zur gerichtlichen Geltendmachung nicht zurückübertragen hat, macht die Kindesmutter lediglich die Differenz zum Mindestunterhalt geltend, was einem Betrag i.H.v. monatlich 92 Euro (225 Euro – 133 Euro) entspricht. Der Wert für das Verfahren ist wie folgt festzusetzen: Der Antrag auf Feststellung der Vaterschaft (§ 169 Nr. 1 FamFG) ist nach § 47 Abs. 1, Halbs. 1 FamGKG zu bewerten. Danach ergibt sich ein Verfahrenswert i.H.v. 2.000 Euro. Der Wert für den Zahlungsantrag ist nach den §§ 35, 51 Abs. 1 FamGKG zu bemessen und auf (12 6 92 Euro) 1.104 Euro festzusetzen. Nach § 33 Abs. 1 Satz 2 FamGKG ist nur der höhere Wert, hier also der des Feststellungsantrages, i.H.v. 2.000 Euro für den Wert des Verfahrens maßgebend.

6639

In der Regel dürfte der Wert des Zahlungsanspruchs der höherwertige sein,3 da der 12-fache Betrag des derzeitigen monatlichen Mindestunterhalts der ersten Altersstufe bereits einem Wert i.H.v. 2.700,00 Euro (12 6 225 Euro) entspricht und den Regelwert des § 47 Abs. 1, Halbs. 1 FamGKG übersteigt.

6640

Zu beachten ist, dass fällige Unterhaltsbeträge dem sich aus § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG für den laufenden Unterhalt ergebenden Betrag nach § 51 Abs. 2 Satz 1 FamGKG hinzuzurechnen sind.

1 Vgl. OLG Hamburg, DAVorm. 1972, 34; OLG Köln, JurBüro 1972, 1093; KG, Rpfleger 1973, 226 = JurBüro1973, 456 = NJW 1973, 1050; OLG Oldenburg, KostRsp. GKG a.F. § 14 B Nr. 25; OLG Bamberg, JurBüro 1973, 143; OLG München, JurBüro 1981, 1376 = DAVorm. 1981, 681; JurBüro 1984, 1214 = Rpfleger 1984, 333 = FamRZ 1984, 820; OLG Celle, OLGR 1995, 284; OLG Köln, FamRZ 2001, 779; OLG Naumburg, FamRZ 2008, 1645; Schneider/Wolf/Volpert/Türck-Brocker, § 47 FamGKG Rn. 13. 2 OLG Naumburg, FamRZ, 1645, OLG Saarbrücken, AGS 2002, 185; OLG Karlsruhe, FamRZ 1995, 492. 3 OLG Koblenz, KostRsp. GKG § 17 Nr. 123 = FamRZ 1990, 900; Schneider/Wolf/Volpert/Türck-Brocker, § 47 FamGKG Rn. 14.

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Abstammungssachen

IV. Zusammentreffen einer Abstammungssache mit einem anderen Verfahren Die einzig möglichen Verfahrensverbindungen in Abstammungssachen sind die gesetzlich normierten Fälle des § 179 Abs. 1 FamFG. Danach können Abstammungssachen, die dasselbe Kind betreffen und ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren mit einer Unterhaltssache zusammentreffen. Im Übrigen aber ist nach § 179 Abs. 2 FamFG eine Verbindung von Abstammungssachen miteinander oder mit anderen Verfahren unzulässig.

6641

V. Beschwerde Im Beschwerdeverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Rechtsmittelanträgen, § 40 Abs. 1 Satz 1 FamGKG oder nach der Beschwer, § 40 Abs. 1 Satz 2 FamGKG. Der Wert darf nicht höher angesetzt werden als in erster Instanz (§ 40 Abs. 2 FamGKG).

6642

VI. Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde Ist Gegenstand des Verfahrens ein Antrag auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde, ist für die Bewertung des Verfahrens der Wert des Rechtsmittelverfahrens maßgebend, § 40 Abs. 3 FamGKG.

6643

VII. Rechtsbeschwerde Im Rechtsbeschwerdeverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Rechtsmittelanträgen, § 40 Abs. 1 Satz 1 FamGKG oder nach der Beschwer, § 40 Abs. 1 Satz 2 FamGKG. Der Wert darf nicht höher angesetzt werden als in erster Instanz (§ 40 Abs. 2 FamGKG).

6644

VIII. Einstweilige Anordnungen Nach § 49 Abs. 1 FamFG kann das Gericht durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme treffen, soweit dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht.

6645

Nach den für das Rechtsverhältnis „Abstammung“ maßgebenden Vorschriften dürfte es in Statusverfahren nicht statthaft sein, einstweilige Anordnungen zu erlassen.1 Deshalb waren bereits nach früherem Recht einstweilige Anordnungen in Abstammungssachen nicht möglich (vgl. § 620 ZPO a.F.).

6646

Eine einstweilige Anordnung kommt nur insoweit in Betracht, als die Vaterschaftsfeststellung (§ 169 Nr.1 FamFG) mit einem Verfahren, gerichtet auf Zahlung von Kindesunterhalt verbunden wird (§§ 179 Abs. 1, 237 FamFG). Der Wert der einstweiligen Anordnung die Unterhaltshaltssache betreffend richtet sich dann nach § 41 FamGKG, wobei in der Regel der sich aus den

6647

1 N. Schneider, Gebühren in Familiensachen, Rn. 1572.

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Adoptionssachen §§ 35, 51 FamGKG ergebende volle, auch für die Hauptsache maßgebende, Wert anzusetzen sein dürfte, weil einstweilige Anordnungen in Unterhaltssachen regelmäßig endgültigen Charakter und keine geringere Bedeutung gegenüber einem Hauptsacheverfahren, gerichtet auf Zahlung von Unterhalt, haben, da sie die Hauptsache in Höhe des titulierten Unterhalts vorwegnehmen.1 S. hierzu ausführlich die Stichwörter „Unterhaltssachen“ Rn. 8443 ff. und „Einstweilige Anordnung“ Rn. 7352 ff.

IX. Vollstreckung 6648

S. hierzu das Stichwort „Vollstreckung“ Rn. 8931 ff., 8935.

Abtrennung aus dem Verbund S. das Stichwort „Verbund“.

Abtretung von Versorgungsansprüchen S. das Stichwort „Versorgungsausgleichssachen“.

Adoptionssachen Literatur: N. Schneider, Gebühren in Familiensachen, 1. Aufl. 2010, Rn. 1602 ff.; H. Schneider, Kosten in Adoptionssachen, JurBüro 2010, 396. Gliederungsübersicht Rn. A. Allgemeines I. Betroffene Verfahren . . . . . . 6649 II. Die Bewertungen . . . . . . . . 6652 B. Beschwer . . . . . . . . . . . . . 6658 C. Gebührenverfahrenswert I. Überblick . . . . . . . . . . . . 6659 II. Auffangwert 1. Keine besonderen Wertvorschriften für Adoptionssachen . 6664 2. Bewertung nach dem Auffangwert . . . . . . . . . . . . . . . . 6665

Rn. 3. Bewertung nach billigem Ermessen a) § 42 Abs. 2 FamGKG . . . b) Hilfsregelwert . . . . . . . 4. Höchstgrenze . . . . . . . . . 5. Zeitpunkt der Wertberechnung . . . . . . . . . . . . . III. Beschwerde . . . . . . . . . . IV. Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde . . . . . . . . . . V. Rechtsbeschwerde . . . . . . VI. Einstweilige Anordnung . . . VII. Vollstreckung . . . . . . . .

. 6667 . 6671 . 6672 . 6673 . 6674 . . . .

6675 6676 6677 6679

1 Schneider/Thiel, AnwBl. 2010, 350; OLG Düsseldorf, AGS 2010, 105; AG Lahnstein, AGS 2010, 264.

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Adoptionssachen

A. Allgemeines I. Betroffene Verfahren Adoptionssachen sind nach § 186 FamFG Verfahren, die – die Annahme als Kind (§ 186 Nr. 1 FamFG), – die Ersetzung der Einwilligung zur Annahme als Kind (§186 Nr. 2 FamFG), – die Aufhebung des Annahmeverhältnisses (§ 186 Nr. 3 FamFG), – die Befreiung vom Eheverbot des § 1308 Abs. 1 BGB (§ 186 Nr. 4 FamFG), – die Anerkennung nach §§ 1, 2 Adoptionswirkungsgesetz (§ 199 FamFG) zum Gegenstand haben.

6649

Adoptionssachen sind Familiensachen nach § 111 Nr. 4 FamFG und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Sie sind nicht verbundfähig und können auch mit anderen Verfahren nicht verbunden werden (§ 196 FamFG).

6650

Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme Minderjähriger ergeben sich aus §§ 1741–1766 BGB, diejenigen für die Annahme Volljähriger aus §§ 1767–1772 BGB. Die Ersetzung der Einwilligung zur Annahme als Kind richtet sich nach den §§ 1746, 1748, 1749 BGB. Aus §§ 1759 ff. BGB ergeben sich die Voraussetzungen für die Aufhebung der Annahme Minderjähriger, die §§ 1771 ff. BGB betreffen die Aufhebung des Annahmeverhältnisses Volljähriger. § 186 Nr. 4 FamFG selbst nennt die Vorschrift des § 1308 Abs. 1 BGB, als materiell-rechtliche Grundlage für die Befreiung vom Eheverbot.

6651

II. Die Bewertungen Die Frage des Zuständigkeitsverfahrenswerts stellt sich in Adoptionssachen nicht. Nach § 23a Abs. 1 Nr. 1 GVG ist das Amtsgericht in Familiensachen unabhängig vom Wert des Verfahrens ausschließlich zuständig.

6652

Für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist der Wert des Beschwerdegegenstands maßgebend (§ 61 Abs. 1 FamFG). Da es sich um nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten handelt, ist die Beschwerde unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstands zulässig. Einer Wertfestsetzung bedarf es daher nicht.

6653

Der Wert für die Gerichtsgebühren ergibt sich mangels einer besonderen Vorschrift aus dem Auffangtatbestand des § 42 Abs. 2, 3 FamGKG. Adoptionssachen, die einen Minderjährigen betreffen, sind grundsätzlich gerichtsgebührenfrei. Dies ergibt sich aus einem den §§ 1, 3 FamGKG i.V.m. Vorbem. 1.3.2 Abs. 1 Nr. 2 KV FamGKG zu entnehmendem Umkehrschluss, wonach Gebühren nur für diejenigen Adoptionssachen erhoben werden, die einen Volljährigen betreffen.1 In Verfahren betreffend die Adoption Minderjähriger ist eine Festsetzung des Verfahrenswerts nach § 55 FamGKG daher unzulässig.

6654

Über § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG ist der für die Gerichtsgebühren geltende Wert in Verfahren, gerichtet auf die Adoption Volljähriger, auch für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren maßgebend.

6655

1 N. Schneider, Gebühren in Familiensachen, Rn. 1611; Schneider/Wolf/Volpert, Vorbem. 1.3.2 KV FamGKG Rn. 26.

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Adoptionssachen 6656

Soweit das Verfahren die Adoption eines Minderjährigen betrifft, gilt § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG. Die Vorschrift des § 42 Abs. 2, 3 FamGKG ist entsprechend anzuwenden. Die Festsetzung des Verfahrenswerts für die Anwaltsgebühren ist dann auf Antrag im Verfahren nach § 33 RVG festzusetzen.

6657

Außergerichtliche Tätigkeiten in Adoptionssachen dürften stets das gerichtliche Verfahren vorbereiten (§ 19 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 RVG) und daher bereits die Gebühren nach den Nrn. 3100 ff. VV RVG auslösen, nicht die der Nr. 2300 VV RVG. In Adoptionssachen ist immer eine gerichtliche Entscheidung erforderlich (§§ 197, 198 FamFG). Ungeachtet dessen würden hier nach § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG die gleichen Bewertungen gelten.

B. Beschwer 6658

Adoptionssachen sind nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten. Nach § 61 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde gegen Endentscheidungen unabhängig von dem Wert des Beschwerdegegenstands zulässig. Auf die Beschwer, die für die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht geregelt ist, kommt es deshalb nicht an. Eine Wertfestsetzung ist daher nicht erforderlich.

C. Gebührenverfahrenswert I. Überblick 6659

Der Gesetzgeber hatte für die Bewertung von Adoptionssachen Volljähriger, für die nach bisherigem Recht das Vormundschaftsgericht zuständig gewesen ist, auf die §§ 98 Abs. 2, 30 Abs. 2 Satz 1 KostO zurückgegriffen und den Verfahrenswert in vielen Fällen im Wege der Schätzung auf 3.000 Euro festgesetzt, wobei für die Annahme eines Minderjährigen als Kind oder die Aufhebung eines Annahmeverhältnisses nach § 91 KostO Gerichtsgebührenfreiheit bestand und über § 30 Abs. 3 Satz 2 KostO a.F. für die Anwaltsgebühren dann regelmäßig ein Wert i.H.v. 3.000 Euro maßgebend war.

6660

Da Adoptionssachen nunmehr Familiensachen sind (§ 111 Nr. 4 FamFG), ist der Anwendungsbereich der KostO nach § 1 Satz 1 KostO nicht mehr eröffnet. Denn bundesgesetzlich ist in § 1 Satz 1 FamGKG bestimmt, dass Gebühren und Auslagen in Familiensachen nur (noch) nach dem FamGKG erhoben werden.

6661

Das übersehen Weidemann/v. Swieykowski,1 und Hartmann,2 die in Adoptionssachen zur Bewertung des Verfahrens nach wie vor § 30 Abs. 2 und 3 der KostO anwenden und regelmäßig von dem sich insoweit aus der KostO ergebenden Wert i.H.v. 3.000 Euro ausgehen wollen.

6662

Das gleiche Ergebnis kann hinsichtlich der Höhe der Bewertung zwar im Einzelfall auch über die Anwendung der Wertvorschriften des FamGKG erzielt werden, sodass sich wertmäßig kein Unterschied ergeben muss. Eine weitere Anwendung der KostO auf Adoptionssachen verbietet sich aber nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Satz 1 FamGKG. 1 FamVerf/Weidemann/v. Swieykowski, § 9 X. 2 Hartmann, KostG, § 30 KostO Rn. 60; für die Volljährigenadoption wird jetzt auf § 42 FamGKG zurückgegriffen, vgl. Hartmann, § 42 FamGKG Rn. 1.

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Adoptionssachen Eine Anwendung der KostO auf Familiensachen kommt nur noch ausnahmsweise und dann nur mittelbar über die in §§ 36, 46 FamGKG enthaltenen Verweisungen in Betracht, im Übrigen aber nicht mehr. Offenbar haben die Verfasser nicht mit einer aktuellen Fassung der KostO gearbeitet, denn spätestens dann wäre aufgefallen, dass es den § 30 Abs. 3 Satz 2 der KostO a.F. seit Inkrafttreten des FGG-ReformG gar nicht mehr gibt.

6663

II. Auffangwert 1. Keine besonderen Wertvorschriften für Adoptionssachen Eine Bewertungsvorschrift für Adoptionssachen hält das FamGKG in den besonderen Wertvorschriften der §§ 43–52 FamGKG nicht vor. Es ist deshalb auf die allgemeinen Wertvorschriften zurückzugreifen.

6664

2. Bewertung nach dem Auffangwert Demgemäß kommt eine Bewertung von Adoptionssachen nur nach der Auffangvorschrift des § 42 FamGKG in Betracht.1 Denn die Auffangnorm des § 42 FamGKG ist dann anzuwenden, wenn sich für die zu bewertende Familiensache eine besondere oder andere allgemeine Wertvorschrift aus dem FamGKG im Übrigen nicht ergibt.

6665

§ 42 Abs. 1 FamGKG regelt die Bestimmung des Verfahrenswerts in vermögensrechtlichen Angelegenheiten; § 42 Abs. 2 FamGKG ist wertbestimmend für nichtvermögensrechtliche Verfahrensgegenstände. Adoptionssachen sind nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten, sodass § 42 Abs. 2 oder § 42 Abs. 3 FamGKG zur Bemessung des Verfahrenswerts einschlägig ist. Nach dem OLG Düsseldorf2 bestimmt sich bei einer Volljährigenadoption der Wert vorrangig nach § 42 Abs. 2 FamGKG und nur bei Fehlen genügender Anhaltspunkte nach § 42 Abs. 3 FamGKG.

6666

3. Bewertung nach billigem Ermessen a) § 42 Abs. 2 FamGKG Nach § 42 Abs. 2 FamGKG ist der Wert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere – des Umfangs der Sache, – der Bedeutung der Sache, – der Vermögensverhältnisse der Beteiligten, – der Einkommensverhältnisse der Beteiligten nach billigem Ermessen zu bestimmen.

6667

Einzelfallbezogene Umstände können in Adoptionssachen z.B. Folgende sein: – die gesellschaftliche Stellung und das Ansehen des Annehmenden,3

6668

1 Prütting/Helms/Klüsener, § 42 FamGKG Rn. 15; Schneider/Wolf/Volpert/Thiel, § 42 FamGKG Rn. 76 und Verfahrenswert-ABC Rn. 12. 2 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.6.2010 – 8 WF 205/09, FamRZ 2010, 1937 = NJW-RR 2010, 1661. 3 LG Darmstadt, Beschl. v. 14.4.2008 – 6 T 13/08, FamRZ 2008, 1876–1877 = ZEV 2009, 46; BayObLG, Rpfleger 1981, 247–248.

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Adoptionssachen – die wirtschaftliche Stellung des Anzunehmenden, – der Annehmende wird erbrechtlich wie ein leiblicher Abkömmling bedacht,1 – der Ausschluss des Erbrechts.2 6669

Ein bestimmter Prozentsatz vom Vermögen ist bei der Bewertung der Vermögensverhältnisse nicht statisch festzulegen. Es ist vielmehr stets einzelfallbezogen der Wert des Verfahrens nach billigem Ermessen3 zu ermitteln. Das LG Darmstadt4 hat den Wert in einem Verfahren, das eine Volljährigenadoption zum Gegenstand hatte, auf 200.000 Euro festgesetzt und zwar ausgehend davon, dass das Vermögen des Annehmenden 500.000 Euro betragen hatte und der Anzunehmende über Grundbesitz verfügte. In einem anderen Verfahren5 hat es bei einem Reinvermögen des Annehmenden i.H.v. 15.000 Euro einen Prozentsatz i.H.v. 5 % ermittelt und für die Wertfestsetzung verfünffacht. Das OLG Düsseldorf6 hat eine Festsetzung des FamG Wesel bestätigt, wonach wegen der Bedeutung der Angelegenheit der Wert bei einer Volljährigenadoption auf 30.000 Euro festgesetzt worden ist.

6670

Eine Verdoppelung des ermittelten Verfahrenswerts bei der Annahme als Kind durch Eheleute, also durch zwei Personen, kommt nicht in Betracht, wäre verständlicherweise auch nicht sachgerecht.7 b) Hilfsregelwert

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Ergeben sich im Verfahren keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bewertung nach § 42 Abs. 2 FamGKG, so ist auf den „Auffanghilfswert“ des § 42 Abs. 3 GKG abzustellen, der für vermögensrechtliche- und nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten gilt und 3.000 Euro beträgt. Auf diesen Wert dürfte – so wie es nach bisherigem Recht in vielen Fällen auch der Fall gewesen ist – überwiegend abgestellt werden. 4. Höchstgrenze

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Bei der Festsetzung ist stets zu berücksichtigen, dass der Wert des Verfahrens den Betrag von 500.000 Euro nicht übersteigen darf (§ 42 Abs. 2 FamGKG). 5. Zeitpunkt der Wertberechnung

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Für den Zeitpunkt der Wertberechnung ist nach § 34 Satz 1 FamGKG auf den Zeitpunkt der jeweiligen ersten Antragstellung abzustellen. Es sind danach die einzelfallbezogenen Umstände, die zu einer Bewertung nach § 42 Abs. 2 FamGKG führen, bezogen auf den Zeitpunkt der Antragseinreichung zu ermitteln und festzustellen. 1 LG Darmstadt, Beschl. v. 14.4.2008 – 6 T 13/08, FamRZ 2008, 1876–1877 = ZEV 2009, 46. 2 BayObLG, Beschl. v. 12.1.1981 – 1 Z 122/80, Rpfleger 1981, 247–248. 3 S. das Stichwort „Auffangwert“ Rn. 6789. 4 LG Darmstadt, Beschl. v. 14.4.2008 – 6 T 13/08, FamRZ 2008, 1876–1877. 5 LG Darmstadt, Beschl. v. 13.6.2002 – 6 T 24/02, FamRZ 2003, 248. 6 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.6.2010 – 8 WF 205/09, FamRZ 2010, 1937 = NJW-RR 2010, 1661. 7 OLG Hamm, Beschl. v. 13.4.1989 – 15 W 390/87 , JMBl.NW 1989, 176–177.

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Adoptionssachen Während dies bezogen auf die Vermögens- und Einkommensverhältnisse möglich erscheint, ergeben sich Bedenken, soweit z.B. der Umfang des Verfahrens bei der Wertfestsetzung eine Rolle spielt. Dieser kann regelmäßig erst mit dessen Beendigung festgestellt und in Relation gesetzt werden, sodass im Rahmen der endgültigen Wertfestsetzung nach § 55 Abs. 3 FamGKG noch Veränderungen vorzunehmen sein dürften und insoweit der Zeitpunkt der jeweiligen ersten Antragstellung nicht maßgebend sein kann.1

III. Beschwerde Im Beschwerdeverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Rechtsmittelanträgen, § 40 Abs. 1 Satz 1 FamGKG oder nach der Beschwer, § 40 Abs. 1 Satz 2 FamGKG. Der Wert darf nicht höher angesetzt werden als in erster Instanz (§ 40 Abs. 2 FamGKG).

6674

IV. Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde Ist Gegenstand des Verfahrens ein Antrag auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde, ist für die Bewertung des Verfahrens der Wert des beabsichtigten Rechtsbeschwerdeverfahrens maßgebend, § 40 Abs. 3 FamGKG.

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V. Rechtsbeschwerde Im Rechtsbeschwerdeverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Rechtsmittelanträgen, § 40 Abs. 1 Satz 1 FamGKG oder nach der Beschwer, § 40 Abs. 1 Satz 2 FamGKG. Der Wert darf nicht höher angesetzt werden als in erster Instanz (§ 40 Abs. 2 FamGKG).

6676

VI. Einstweilige Anordnung In Adoptionssachen sind einstweilige Anordnungen nicht statthaft. Das Gericht kann durch eine einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme nur dann treffen, wenn dies nach den für das jeweilige Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist, was in den Status bestimmenden Adoptionssachen gerade nicht der Fall ist.

6677

Wird ein einstweiliges Anordnungsverfahren dennoch eingeleitet, so ist es auch zu bewerten. Maßgebend ist für die Bewertung dann § 41 FamGKG. Der für die Hauptsache bestimmte Wert ist, wenn das einstweilige Anordnungsverfahren geringere Bedeutung gegenüber einer gedachten oder anhängigen Hauptsache hat, zu ermäßigen (§ 41 Satz 1 FamGKG) und nach § 41 Satz 2 FamGKG entweder mit der Hälfte des Hauptsachewerts oder darunter/darüber anzusetzen.

6678

VII. Vollstreckung Vollstreckungsmaßnahmen kommen in Adoptionssachen nicht in Betracht. 1 Schneider/Wolf/Volpert, § 34 FamGKG Rn. 26 ff.

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Anerkennung anderer ausländischer Entscheidungen als Ehesachen

Anerkenntnis S. das Stichwort „Anerkenntnis und Anerkenntnisurteil“ im ZPO-Teil Rn. 993 ff.

Anerkennung anderer ausländischer Entscheidungen als Ehesachen Literatur: N. Schneider, Gebühren in Familiensachen, Rn. 1620 ff.

A. Allgemeines I. Betroffene Verfahren 6680

Abgesehen von Entscheidungen in Ehesachen (§ 107 FamFG) werden ausländische Entscheidungen im Übrigen anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. § 108 Abs. 1 FamFG übernimmt den auch weiterhin in § 328 ZPO enthaltenen Grundsatz einer automatischen Anerkennung. Anerkennung im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, dass sich die Wirkungen, die der Entscheidung im ausländischen Gerichtsstaat zukommen, auf das Inland erstrecken. Hierzu bedarf es einer im Ausland wirksamen Entscheidung.

6681

Gem. § 108 Abs. 2 FamFG kann aber derjenige Beteiligte, der ein rechtliches Interesse daran hat, die Anerkennung oder Nichtanerkennung einer ausländischen Entscheidung nichtvermögensrechtlichen Inhalts beantragen. Lediglich für nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten, insbesondere die Anerkennung oder Nichtanerkennung der Annahme als Kind, gilt das neu eingeführte Anerkennungsverfahren.1 Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ist nur ausgeschlossen, soweit Anerkennungshindernisse gem. § 109 FamFG vorliegen, nämlich bei – Unzuständigkeit der deutschen Gerichte, – fehlerhafter Verfahrensführung, – entgegenstehender Rechtskraft einer anderweitigen Entscheidung, – Verstoß gegen den „ordre public“.

6682

Verfahren, deren Gegenstand die Anerkennung einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit ist, sind Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Funktional zuständig ist die Abteilung des Amtsgerichts, die nach – § 23b GVG (Familiengerichte), – § 23c GVG (Betreuungsgerichte) für den Gegenstand der anzuerkennenden Entscheidung zuständig wäre.

1 OLG Köln, Beschl. v. 9.4.2010 – 4 UF 56/10, FamRZ 2010, 1590 = NJW-RR 2010, 1225.

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Anerkennung anderer ausländischer Entscheidungen als Ehesachen

II. Die Bewertungen Anders als die Anerkennungsverfahren in Ehesachen, sind Anerkennungsverfahren anderer ausländischer Entscheidungen ausschließlich gerichtliche Verfahren und nicht den Justizverwaltungen zugewiesen. Zuständig ist stets das Amtsgericht. Wenn Gegenstand des Verfahrens eine Angelegenheit ist, die dem Katalog der nichtvermögensrechtlichen Familiensachen des § 111 FamFG zuzuordnen ist, dann ist auch für die Anerkennung im Inland das Familiengericht sachlich zuständig.

6683

Die Frage des Zuständigkeitsverfahrenswertes stellt sich in den Anerkennungsverfahren anderer ausländischer Entscheidungen deshalb nicht. Nach § 23a Abs. 1 Nr. 1 GVG ist das Amtsgericht in Familiensachen unabhängig vom Wert des Verfahrens ausschließlich zuständig. Fällt die anzuerkennende Entscheidung in den Zuständigkeitsbereich der Betreuungsgerichte, so wäre nach § 23c GVG das Betreuungsgericht und zwar ebenfalls unabhängig vom Wert des Verfahrens zuständig.1

6684

Für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist in nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten eine Beschwer nicht erforderlich (arg. e § 61 Abs. 1 FamFG).

6685

Für das Anerkennungsverfahren nach § 108 Abs. 2 FamFG fallen im familiengerichtlichen Verfahren Festgebühren als Entscheidungsgebühren an. Im Falle der Zurückweisung des Antrags entstehen Festgebühren i.H.v. 200 Euro (Nr. 1714 KV FamGKG). Wenn das Verfahren durch die Zurücknahme des Antrags vor Ablauf des Tages, an dem die Endentscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird, beendet ist, reduziert sich die Gebühr der Nr. 1714 KV FamGKG auf 75 Euro (Nr. 1715 KV FamGKG). Im Beschwerdeverfahren und im Rechtsbeschwerdeverfahren wird nach Nr. 1720 KV FamGKG eine Festgebühr i.H.v. 300 Euro erhoben, die sich unter den Voraussetzungen der Nr. 1721 KV FamGKG auf 75 Euro ermäßigt und sich unter den Voraussetzungen der Nr. 1722 KV FamGKG auf 150 Euro reduziert.

6686

Über § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG sind dann, wenn Festgebühren nach dem FamGKG erhoben werden, die Vorschriften des FamGKG für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren im gerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden. Insoweit ist nicht auf den Inhalt der Entscheidung abzustellen: Denn Anerkennungsverfahren sind im FamGKG nicht geregelt. Der Gegenstandswert der Anwaltsgebühren ist deshalb nach dem Auffangwert des § 42 Abs. 2, 3 FamGKG zu bemessen.

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Außergerichtliche Tätigkeiten des Rechtsanwalts dürften stets das gerichtliche Verfahren vorbereiten und daher bereits die Gebühren nach den Nrn. 3100 ff. VV RVG auslösen, nicht die der Nrn. 2300 VV RVG. In Verfahren, gerichtet auf die Anerkennung anderer ausländischer Entscheidungen als Ehesachen ist stets eine gerichtliche Entscheidung erforderlich. Ungeachtet dessen würden hier nach § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG die gleichen Bewertungen gelten.

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1 Musielak/Borth, § 109 FamFG Rn. 5.

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Anerkennung anderer ausländischer Entscheidungen als Ehesachen

B. Beschwer 6689

Anerkennungsverfahren nach § 108 Abs. 2 FamFG, deren Gegenstand stets nichtvermögensrechtlich ist, können unabhängig von einer Beschwer angefochten werden.

C. Gebührenverfahrenswert I. Gerichtsgebühren 6690

Für das Anerkennungsverfahren nach § 108 Abs. 2 FamFG fallen im familiengerichtlichen Verfahren Festgebühren an (Nrn. 1714 ff. KV FamGKG).

6691

Eine gerichtliche Wertfestsetzung kommt insoweit nicht in Betracht, weil sich die Gerichtsgebühren in Anerkennungssachen nicht nach dem Wert des Verfahrens richten.

II. Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren 6692

Da im familiengerichtlichen Anerkennungsverfahren Festgebühren erhoben werden, ist eine Wertfestsetzung von Amts wegen unzulässig. Der Verfahrensbevollmächtigte ist nach § 33 Abs. 1 RVG berechtigt, die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit in dem gerichtlichen Verfahren zu beantragen, weil es an einem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert fehlt.

6693

Da im neu eingeführten gerichtlichen Anerkennungsverfahren für nichtvermögensrechtliche Verfahrensgegenstände Festgebühren nach dem FamGKG erhoben werden, sind nach § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG die Wertvorschriften des FamGKG entsprechend anzuwenden.

6694

Eine besondere Wertvorschrift für Anerkennungsverfahren existiert nicht. Bisher hatte die Rechtsprechung in den Anerkennungsverfahren Ehesachen betreffend die für sie geltende Wertvorschrift des § 48 GKG a.F. zur Bewertung entsprechend herangezogen. Deshalb ist der erste Blick auch darauf gerichtet, in den Verfahren nach § 108 Abs. 2 FamFG gleichermaßen vorzugehen und die besonderen Wertvorschriften für die jeweilige nichtvermögensrechtliche Angelegenheit entsprechend heranzuziehen (Kindschaftssache, dann wäre § 45 FamGKG, Abstammungssache, dann wäre § 47 FamGKG, Adoptionssache, dann wäre § 42 Abs. 2, 3 FamGKG, Ehewohnungs- und Haushaltssache,1 dann wäre § 48 FamGKG einschlägig).

6695

Allerdings spricht gegen die analoge Anwendung der jeweiligen besonderen Wertvorschriften, dass das Anerkennungsverfahren einen von der nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit abweichenden Verfahrensgegenstand behandelt.

6696

Demgemäß kommt eine Bewertung nur entsprechend der Auffangvorschrift des § 42 Abs. 2, 3 FamGKG in Betracht. Denn die Auffangnorm des § 42 FamGKG ist immer dann anzuwenden, wenn sich für die zu bewertende An-

1 A.A. in Prütting/Helms/Hau, § 108 FamFG Rn. 55, der Ehewohnungs- und Haushaltssachen als vermögensrechtliche Angelegenheiten definiert.

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Anerkennung anderer ausländischer Entscheidungen als Ehesachen gelegenheit eine besondere oder andere allgemeine Wertvorschrift aus dem FamGKG nicht herleiten lässt: Anerkennungsverfahren sind im FamGKG nicht geregelt. Die Abgeschlossenheit des FamGKG verbietet Analogien, zumal durch die Regelung des Auffangwertes eine Regelungslücke nicht angenommen werden kann. Betroffen sind stets nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten, sodass § 42 Abs. 2 oder § 42 Abs. 3 FamGKG zur Bemessung des Verfahrenswertes einschlägig sind.1

6697

Nach § 42 Abs. 2 FamGKG ist der Wert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere – des Umfangs der Sache, – der Bedeutung der Sache, – der Vermögensverhältnisse der Beteiligten, – der Einkommensverhältnisse der Beteiligten nach billigem Ermessen zu bestimmen. Eine Orientierung an den jeweiligen besonderen Wertvorschriften ist zur Ausfüllung des billigen Ermessens zulässig.

6698

Ergeben sich im Verfahren keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bewertung nach Billigkeit i.S. des § 42 Abs. 2 FamGKG, so ist auf den „Auffanghilfswert“ des § 42 Abs. 3 GKG zurückzugreifen, der für vermögensrechtliche- und nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten gilt und 3.000 Euro beträgt.

6699

Bei der Festsetzung ist stets zu berücksichtigen, dass der Wert des Verfahrens den Betrag von 500.000 Euro nicht übersteigen darf (§ 42 Abs. 2 FamGKG).

6700

III. Beschwerde Im Beschwerdeverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Rechtsmittelanträgen, entsprechend § 40 Abs. 1 Satz 1 FamGKG. Der Wert darf nicht höher angesetzt werden als in erster Instanz (§ 40 Abs. 2 FamGKG).

6701

IV. Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde Ist Gegenstand des Verfahrens ein Antrag auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde, ist für die Bewertung des Verfahrens der Wert des beabsichtigten Rechtsbeschwerdeverfahrens maßgebend, entsprechend § 40 Abs. 3 FamGKG.

6702

V. Rechtsbeschwerde Im Rechtsbeschwerdeverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Rechtsmittelanträgen, entsprechend § 40 Abs. 1 Satz 1 FamGKG. Der Wert darf nicht höher angesetzt werden als der Wert in erster Instanz (entsprechend § 40 Abs. 2 FamGKG).

1 Schneider, Gebühren in Familiensachen, Rn. 1639.

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6703

Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen

Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen Literatur: N. Schneider, Gebühren in Familiensachen, Rn. 1646 ff.; Thiel, Die Kosten in Verfahren, die die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen betreffen, nach neuem Recht, AGS 2009, 366.

A. Allgemeines 6704

Verfahren auf Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in Ehesachen sind keine Familiensachen und auch keine Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 1 Satz 1 FamGKG, der bestimmt, dass in Familiensachen einschließlich der Vollstreckung durch das Familiengericht und für Verfahren vor dem Oberlandesgericht nach § 107 FamFG, Kosten (Gebühren und Auslagen) nur nach dem FamGKG erhoben werden, soweit nichts anderes bestimmt ist.

6705

Das gerichtliche Verfahren gem. § 107 FamFG wird neben den Familiensachen genannt. Anerkennungsverfahren sind in das FamFG aufgenommen worden und sollen im gerichtlichen Verfahren entsprechend den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit behandelt werden (§ 107 Abs. 7 Satz 3 FamFG). Das FamFG gibt ihnen in Abschnitt 9 die Bezeichnung „Verfahren mit Auslandsbezug“. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 JVKostO i.V.m. Nr. 204 des Gebührenverzeichnisses von den Justizbehörden der Länder handelt es sich begrifflich um „sonstige Justizverwaltungsangelegenheiten mit Auslandsbezug“.

I. Betroffene Verfahren 6706

Zu unterscheiden sind Verfahren, für die die Landesjustizverwaltung zuständig ist und solche, die nach Einleitung bei der Landesjustizverwaltung vor dem Oberlandesgericht fortgeführt werden, wenn der Antrag im Verwaltungswege abgelehnt oder festgestellt wird, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen. 1. Verfahren vor der Landesjustizverwaltung

6707

Entscheidungen, durch die im Ausland eine Ehe – für nichtig erklärt, – aufgehoben, – dem Ehebande nach oder unter Aufrechterhaltung des Ehebandes geschieden oder – durch die das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe zwischen den Beteiligten festgestellt worden ist, werden nur anerkannt, wenn die Landesjustizverwaltung festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung vorliegen (§ 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG).

6708

Zuständig für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen ist gem. § 107 Abs. 2 FamFG die Justizverwaltung des Landes, in dem einer 1396

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Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hat keiner der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so ist nach § 107 Abs. 2 Satz 2 FamFG die Justizverwaltung des Landes zuständig, in dem eine neue Ehe geschlossen oder eine Lebenspartnerschaft begründet werden soll. Ergibt sich insoweit keine Zuständigkeit, dann ist nach § 107 Abs. 2 Satz 3 FamFG die Justizverwaltung des Landes Berlin zuständig. Die Landesjustizverwaltung kann die ihr nach § 107 Abs. 1 FamFG zustehenden Befugnisse durch Rechtsverordnung an einen oder mehrere Präsidenten der Oberlandesgerichte übertragen (§ 107 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Von der Ermächtigung haben folgende Bundesländer auch Gebrauch gemacht:1 – Nordrhein-Westfalen – Baden-Württemberg – Saarland – Bayern – Sachsen – Brandenburg – Sachsen-Anhalt – Bremen – Niedersachsen

6709

Die Entscheidung über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen ergeht auf Antrag (§ 107 Abs. 4 Satz 1 FamFG), für den als Verwaltungsbehörde das Standesamt zuständig ist. Wurde von der Ermächtigung gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 FamFG Gebrauch gemacht, dann wird der Antrag vom Standesamt an den Präsidenten des Oberlandesgerichts weitergeleitet oder das Verfahren unmittelbar beim Präsidenten des Oberlandesgerichts anhängig gemacht. Auch in diesem Falle bleibt es aber ein Verwaltungsverfahren, für das insoweit Verfahrenskostenhilfe nicht bewilligt werden kann.2

6710

Dem Antrag beizufügen sind: – eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der ausländischen Entscheidung, – Nachweis über die Rechtskraft der Entscheidung, – Nachweis über die Registereintragung, – Heiratsurkunde der aufgelösten Ehe, – Übersetzungen fremdsprachiger Schriftstücke, – Bescheinigung über das Einkommen (z.B. Kopie der letzten Gehaltsmitteilung).

6711

2. Verfahren vor dem Oberlandesgericht gem. § 107 Abs. 5 bis Abs. 7 FamFG a) Ablehnung der Anerkennung (§ 107 Abs. 5 FamFG) Lehnen Landesjustizverwaltung oder der Präsident des Oberlandesgerichts den Antrag ab, so kann der Antragsteller beim Oberlandesgericht eine gerichtliche Entscheidung beantragen (§ 107 Abs. 5 FamFG). Zuständig ist nach § 107 Abs. 7 FamFG ein Zivilsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Landesjustizverwaltung ihren Sitz hat. § 107 Abs. 7 FamFG gilt entsprechend, wenn die Feststellung begehrt wird, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Entscheidung nicht vorliegen (§ 107 Abs. 3 FamFG). 1 Bassenge/Roth, FamFG/RpflG, § 107 FamFG Rn. 6. 2 OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.10.2010 – 17 VA 1/10, FamRZ 2011, 384.

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Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen b) Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen (§ 107 Abs. 6 FamFG) 6713

Wird durch die Landesjustizverwaltung oder den Präsidenten des Oberlandesgerichts festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung vorliegen, kann auch derjenige Ehegatte, der den Antrag nicht gestellt hat, beim Oberlandesgericht eine gerichtliche Entscheidung beantragen.

II. Die Bewertungen 6714

Die Frage des Zuständigkeitsverfahrenswertes stellt sich in den Verfahren, gerichtet auf die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen deshalb nicht, weil die Landesjustizverwaltungen wertunabhängig zuständig sind. Soweit in den Fällen der Ermächtigung (§ 107 Abs. 3 Satz 1 FamFG) oder gem. § 107 Abs. 5 bis 7 FamFG beim Oberlandesgericht eine Entscheidung beantragt werden kann, ergibt sich ebenfalls eine wertunabhängige ausschließliche Zuständigkeit.

6715

Da es sich in den Anerkennungsverfahren um nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten handelt,1 ist die Beschwerde gegen die gerichtliche Entscheidung unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstands zulässig. Einer Wertfestsetzung bedarf es daher nicht.

6716

In Justizverwaltungsangelegenheiten werden Gebühren und Auslagen nur nach der JVKostO erhoben und zwar nach Nr. 204 des Gebührenverzeichnisses der Justizverwaltung der Länder. Im gerichtlichen Verfahren fallen Festgebühren an, wenn der Antrag zurückgewiesen oder zurückgenommen wird. Die Gerichtsgebühren richten sich nach Teil 1 Hauptabschnitt 7 KV FamGKG. Ist das Verfahren erfolgreich, ist es gerichtsgebührenfrei.

6717

Für die Anwaltsgebühren ist in den Justizverwaltungsangelegenheiten § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, in den gerichtlichen Verfahren vor dem Oberlandesgericht über § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG, § 42 Abs. 2, 3 FamGKG für den Wert maßgebend. Die Festsetzung des Verfahrenswertes für die Anwaltsgebühren im gerichtlichen Verfahren erfolgt dann auf Antrag im Verfahren nach § 33 RVG.

6718

Außergerichtliche Tätigkeiten in Anerkennungsverfahren ausländischer Entscheidungen in Ehesachen lösen die Gebühr nach Nr. 2300 unter Zugrundelegung des sich aus § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG ergebenden Gegenstandswertes aus.

B. Beschwer 6719

Anerkennungsverfahren sind stets nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten. Nach § 61 Abs. 1 FamFG (§ 107 Abs. 7 Satz 3 FamFG) ist die Beschwerde gegen Endentscheidungen unabhängig von dem Wert des Beschwerdegegenstands zulässig. Auf die Beschwer, die für die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht geregelt ist, kommt es deshalb nicht an. Eine Wertfestsetzung ist daher nicht erforderlich.

1 BayObLG, Beschl. v. 22.7.1993 – 3 Z BR 36/93, BayObLGZ 1993, 222 = NJW-RR 1993, 1351; BayObLG, Beschl. v. 24.3.1994 – 3 Z BR 66/93, AnwBl. 1994, 423.

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Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen

C. Gebührenverfahrenswert Zu bewerten ist das Anerkennungsverfahren nur für die Anwaltsgebühren. Für das Verwaltungsverfahren fallen Rahmengebühren und das gerichtliche Verfahren Festgebühren an, sodass eine Wertfestsetzung entbehrlich und auch gar nicht zulässig ist.

6720

I. Verfahren vor der Landesjustizverwaltung 1. Gebühren für das Verwaltungsverfahren Soweit nichts anderes bestimmt ist, werden in den sonstigen Justizverwaltungsangelegenheiten mit Auslandsbezug Gebühren und Auslagen nur nach dem JVKostO erhoben. Die Gebühren bestimmen sich gem. § 2 JVKostO nach dem Gebührenverzeichnis (Anlage zu § 2 Abs. 1 JVKostO). Nach der Nr. 204 des Gebührenverzeichnisses von den Justizbehörden der Länder sind Rahmengebühren zu erheben. Für die Feststellung der Landesjustizverwaltung, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung vorliegen oder nicht vorliegen (§ 107 FamFG) werden Rahmengebühren von 10 bis 300 Euro erhoben.

6721

Die Gebühr wird auch erhoben, wenn die Entscheidung der Landesjustizverwaltung von dem Oberlandesgericht oder in der Rechtsbeschwerdeinstanz aufgehoben wird und das Gericht in der Sache selbst entscheidet. Die Landesjustizverwaltung entscheidet in diesem Fall über die Höhe der Gebühr erneut. Sie ist in diesem Fall so zu bemessen, als hätte die Landesjustizverwaltung die Feststellung selbst getroffen.

6722

Bei Rahmengebühren setzt die Behörde, die die gebührenpflichtige Amtshandlung vornimmt, die Höhe der Gebühr fest. Sie hat dabei insbesondere – die Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten, – die mit der Vornahme der Amtshandlung verbundene Mühewaltung und – die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kostenschuldners zu berücksichtigen.

6723

Hat der Antrag Erfolg, so ist das Verfahren gebührenfrei.

6724

2. Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren im Verwaltungsverfahren Die außergerichtliche Tätigkeit in Anerkennungsverfahren betrifft das vor der Landesjustizverwaltung zu führende Verwaltungsverfahren und löst die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG aus. Fraglich ist, nach welchem Gegenstandswert die Geschäftsgebühr zu bemessen ist. Die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts bereitet das gerichtliche Verfahren vor dem Oberlandesgericht vor, soweit sich die Angelegenheit nicht bereits durch die Entscheidung der Verwaltungsbehörde erledigt. Die Tätigkeit kann aber nicht selbst Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein.

6725

§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG ist für die Bewertung in den gebührenpflichtigen Verwaltungsverfahren nicht einschlägig, weil sich die Gebühren nicht nach dem Wert bestimmen; es werden Rahmengebühren erhoben.

6726

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Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen 6727

Der Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG ist deshalb nicht eröffnet, weil eine entsprechende Anwendung der Wertvorschriften des jeweiligen Kostengesetzes bei Rahmengebühren im Verwaltungsverfahren nicht in Betracht kommt.

6728

Da sich der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit in Anerkennungsverfahren auch nicht anderen Vorschriften des RVG (§§ 23a–33 RVG) entnehmen und auch nicht aus § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG herleiten lässt, bemisst sich der Wert gem. § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 RVG nach billigem Ermessen. Ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte, auf deren Grundlage eine Wertbestimmung nach billigem Ermessen in Betracht kommt, dann ist der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit mit 4.000 Euro zu festzusetzen (§ 23 Abs. 3 Satz 2, Halbs. 2 RVG).

6729

Der sich aus § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 RVG i.H.v. 4.000 Euro ergebende Hilfswert kann nach Lage des Falles herauf- und herabgesetzt werden. Nach oben ist er aber begrenzt auf 500.000 Euro. Diese Begrenzung ist auch für die nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Familiensachen vorgesehen (§ 42 Abs. 2 FamGKG).

II. Verfahren vor dem Oberlandesgericht 1. Gerichtsgebühren 6730

§ 1 Satz 1 FamGKG bestimmt, dass Kosten in den Verfahren vor dem OLG nach § 107 FamFG nur nach dem FamGKG erhoben werden, soweit nichts anderes bestimmt ist. Eine anderweitige Bestimmung ergibt sich nicht. Die JVKostO gilt nur für das Verfahren vor der Landesjustizverwaltung.

6731

Die Gerichtsgebühren bestimmen sich nach Teil 1 Hauptabschnitt 7 KV FamGKG. Es werden Festgebühren erhoben. Im Verfahren über einen Antrag nach §§ 107 Abs. 5, Abs. 6, 107 Abs. 8, 108 Abs. 2 FamFG wird eine Gebühr nur erhoben, wenn der Antrag zurückgewiesen wird. Es entsteht dann eine Festgebühr i.H.v. 200 Euro gem. Nr. 1714 KV FamGKG. Wenn das Verfahren durch Zurücknahme des Antrags endet, ermäßigt sich die Gebühr nach Nr. 1715 KV FamGKG auf 75 Euro.

6732

Auch im Verfahren über die Beschwerde oder Rechtsbeschwerde gegen eine Entscheidung des OLG entsteht nach Nr. 1720 KV FamGKG eine Festgebühr i.H.v. 300 Euro, die sich nach Nr. 1721 KV FamGKG auf 75 Euro oder nach Nr. 1722 KV FamGKG auf 150 Euro ermäßigen kann.

6733

Wird antragsgemäß entschieden, ist das Verfahren gerichtsgebührenfrei. 2. Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren

6734

Da im gerichtlichen Verfahren Festgebühren oder keine Gebühren erhoben werden, ist eine Wertfestsetzung von Amts wegen unzulässig. Der Verfahrensbevollmächtigte ist nach § 33 Abs. 1 RVG berechtigt, die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit in dem gerichtlichen Verfahren zu beantragen, weil es an einem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert fehlt.

6735

Da im gerichtlichen Anerkennungsverfahren keine Gebühren oder Festgebühren nach dem FamGKG erhoben werden, sind nach § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG die 1400

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Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen Wertvorschriften des FamGKG entsprechend anzuwenden. Eine besondere Wertvorschrift für Anerkennungsverfahren in Ehesachen existiert nicht. Demgemäß kommt eine Bewertung nur entsprechend der Auffangvorschrift des § 42 Abs. 2, 3 FamGKG in Betracht. Denn die Auffangnorm des § 42 FamGKG ist immer dann anzuwenden, wenn sich für die zu bewertende Angelegenheit eine besondere oder andere allgemeine Wertvorschrift aus dem FamGKG nicht ergibt.

6736

Anerkennungsverfahren in Ehesachen sind nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten, sodass § 42 Abs. 2 oder § 42 Abs. 3 FamGKG zur Bemessung des Verfahrenswertes einschlägig sind.1

6737

Nach § 42 Abs. 2 FamGKG ist der Wert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere – des Umfangs der Sache, – der Bedeutung der Sache, – der Vermögensverhältnisse der Beteiligten, – der Einkommensverhältnisse der Beteiligten nach billigem Ermessen zu bestimmen.

6738

Ergeben sich im Verfahren keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bewertung nach Billigkeit i.S. des § 42 Abs. 2 FamGKG, so ist auf den „Auffanghilfswert“ des § 42 Abs. 3 GKG zurückzugreifen, der für vermögensrechtliche- und nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten gilt und 3.000 Euro beträgt.

6739

Bei der Festsetzung ist stets zu berücksichtigen, dass der Wert des Verfahrens den Betrag von 500.000 Euro nicht übersteigen darf (§ 42 Abs. 2 FamGKG).

6740

Nach dem BayObLG2 hatte sich die Wertfestsetzung in Anerkennungsverfahren in Ehesachen nach bisherigem Recht an der für Ehescheidungsverfahren maßgeblichen Wertvorschrift zu orientieren und sollte danach nicht unter dem insoweit normierten Mindestwert (vgl. jetzt § 43 Abs. 1 Satz 2 FamGKG: 2.000 Euro) angenommen werden. Im Übrigen sei er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten nach Ermessen zu bestimmen. Für die Einkommensverhältnisse sei das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute einzusetzen.

6741

Die sonstigen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Umfang und die Bedeutung der Sache, dürften zwar regelmäßig keinen Anlass geben, diesen, nur nach § 43 FamGKG geltenden Mindestwert, zu unterschreiten. Denn der Umfang der Sache, in dessen Rahmen auch die rechtliche Schwierigkeit und die Anwendung ausländischen Rechts zu würdigen sind, werden regelmäßig nicht unterdurchschnittlich sein. Die sich aus § 43 FamGKG für die Ehesache ergebenden Bewertungsgrundsätze können für das Anerkennungsverfahren in Ehesachen insoweit auch entsprechend herangezogen werden, zumal § 42 Abs. 2 FamGKG überwiegend von denselben Bewertungskriterien ausgeht. Unmittelbar ist die Vorschrift aber nicht anwendbar.

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1 Schneider, Gebühren in Familiensachen, Rn. 1666. 2 BayObLG, Beschl. v. 22.7.1993 – 3 Z BR 36/93, BayObLGZ 1993, 222 = NJW-RR 1993, 1351; BayObLG, Beschl. v. 24.3.1994 – 3 Z BR 66/93, AnwBl. 1994, 423; BayObLG, Beschl. v. 8.9.1999 – 1 Z BR 16/98, FamRZ 1999, 1375 = NJW-RR 1999, 1375.

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Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen

III. Beschwerde 6743

Im Beschwerdeverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Rechtsmittelanträgen, entsprechend § 40 Abs. 1 Satz 1 FamGKG. Der Wert darf nicht höher angesetzt werden als in erster Instanz (§ 40 Abs. 2 FamGKG).

IV. Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde 6744

Ist Gegenstand des Verfahrens ein Antrag auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde, ist für die Bewertung des Verfahrens der Wert des beabsichtigten Rechtsbeschwerdeverfahrens maßgebend, entsprechend § 40 Abs. 3 FamGKG.

V. Rechtsbeschwerde 6745

Im Rechtsbeschwerdeverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Rechtsmittelanträgen, entsprechend § 40 Abs. 1 Satz 1 FamGKG. Der Wert darf nicht höher angesetzt werden als der Wert in erster Instanz, entsprechend § 40 Abs. 2 FamGKG.

VI. Einstweilige Anordnungen 6746

Einstweilige Anordnungen kommen in Anerkennungsverfahren ausländischer Entscheidungen in Ehesachen grundsätzlich in Betracht (§ 107 Abs. 7 Satz 3 FamFG). Sie sind gerichtsgebührenfrei, da das Kostenverzeichnis des FamGKG keine Regelungen enthält.

6747

Eine Wertfestsetzung hat auf Antrag für die Anwaltsgebühren zu erfolgen und richtet sich im Falle der Gerichtsgebührenfreiheit über § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG nach §§ 41, 42 Abs. 2, 3 FamGKG. Danach ist der Wert des Verfahrens in der Regel zu ermäßigen, § 41 Satz 1 FamGKG, wenn das einstweilige Anordnungsverfahren geringere Bedeutung gegenüber der Hauptsache hat. Ist dies nicht der Fall, kommt eine Ermäßigung nicht in Betracht. Ist dies der Fall, kann Anhaltspunkt für die Bewertung des einstweiligen Anordnungsverfahrens die Hälfte des für die Hauptsache bestimmten Wertes sein, § 41 Satz 2 FamGKG, wobei sowohl eine Bemessung oberhalb als auch unterhalb des hälftigen Hauptsachewertes in Betracht kommt.1

Anahme als Kind S. das Stichwort „Adoptionssachen“.

1 Schneider/Wolf/Volpert/Fölsch, § 41 FamGKG Rn. 9; OLG Brandenburg, Beschl. v. 18.3.2010 – 9 WF 58/10, AGS 2010, 84; BT-Drucks. 16/6308, S. 395; Binz/Dorndörfer/ Petzoldt/Zimmermann, § 41 FamGKG Rn. 2; a.A. FamVerf/v. Swieykowski-Trzaska, § 1 Rn. 568.

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Arrest

Anordnungen nach PsychKG S. die Stichwörter „Unterbringungssachen Minderjähriger“, Rn. 8348 ff., „Unterbringungssachen Volljähriger“, Rn. 8377 ff. und „Kindschaftssachen“, Rn. 7942 ff.

Anpassung wegen Invalidität/Tod/Unterhalt S. das Stichwort „Versorgungsausgleichsachen“.

Antragshäufung S. die Stichwörter „Mehrere Ansprüche (Antragshäufung)“, Rn. 7979 ff. und „Mehrere Ansprüche (Klagenhäufung)“ im ZPO-Teil Rn. 3638 ff.

Anwendung ausländischen Rechts in Ehesachen S. die Stichwörter „Auslandsbezug“, Rn. 6961 ff. und „Ehesachen“, Rn. 7246.

Arrest Literatur: E. Schneider, Der Streitwert des Aufhebungsverfahrens bei Arrest und einstweiliger Verfügung, JurBüro 1977, 1516; N. Schneider, Die Verfahrenswerte nach dem FamGKG, AnwBl. 2009, 777 ff.; N. Schneider, Gebühren in Familiensachen, Rn. 437, 1022.; N. Schneider, Festsetzung des Verfahrenswerts nach dem FamGKG, ZAP, Fach 24, 1163; Thiel, Der neue Auffangtatbestand § 42 FamGKG, FRR 2010, 319; Witte, Die Wertvorschriften im einstweiligen Anordnungsverfahren, FPR 2010, 316; Fischinger, Die Neuregelung des vorzeitigen Zugewinnausgleichs, FamRZ 2009, 1718. Gliederungsübersicht Rn. A. Allgemeines I. Betroffene Verfahren . . . . . . . 6748 II. Die Bewertungen . . . . . . . . . 6753 B. Beschwer . . . . . . . . . . . . . 6758 C. Gebührenverfahrenswert I. Überblick . . . . . . . . . . . . . 6760 II. Auffangwert 1. Keine besonderen Wertvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . 6768

Rn. 2. Bewertung nach billigem Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Billigkeitskriterien . . . . . . . . 4. Höchstgrenze . . . . . . . . . . . 5. Zeitpunkt der Wertberechnung . III. Beschwerde . . . . . . . . . . . . IV. Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . V. Rechtsbeschwerde . . . . . . . .

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Arrest

A. Allgemeines I. Betroffene Verfahren 6748

Verfahrensrechtliche Bestimmungen ergeben sich für den Arrest unmittelbar aus dem FamFG nicht. § 119 Abs. 2 Satz 1 FamFG bestimmt aber, dass das Gericht in Familienstreitsachen den Arrest anordnen kann. Über § 119 Abs. 2 Satz 2 FamFG gelten in Arrestverfahren die Vorschriften der ZPO (§§ 916–934 und 943–945 ZPO).

6749

Der Arrest kann in folgenden Verfahren angeordnet werden: – in Unterhaltssachen nach § 231 Abs. 1 FamFG – in Güterrechtssachen nach § 261 Abs. 1 FamFG, – in sonstigen Familiensachen nach § 266 Abs. 1 FamFG und – in den jeweils entsprechenden Lebenspartnerschaftssachen nach § 269 Abs. 1 FamFG.

6750

Der Arrest dient der Sicherung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen wegen einer Geldforderung oder eines Anspruchs, der in eine Geldforderung übergehen kann (§ 916 Abs. 1 ZPO). Er findet auch zur Sicherung künftiger Ansprüche statt (Unterhalts- und Zugewinnausgleichsansprüche).

6751

Ob künftige Zugewinnausgleichsansprüche unmittelbar durch einen Arrest gesichert werden konnten, war bisher strittig. Allerdings dürfte der Streit jetzt dadurch beendet worden sein, dass § 1389 BGB, wonach Sicherheitsleistung bei der Geltendmachung eines vorzeitigen Zugewinns beansprucht werden konnte, aufgehoben1 worden und eine unmittelbare Sicherung durch Arrest jetzt eindeutig zulässig ist: Der Zugewinnausgleichsanspruch kann, sobald er im Verbund mit der Scheidung oder isoliert vorzeitig geltend gemacht wird, durch Arrest gesichert werden.2

6752

Die Frage, ob ein Arrestverfahren überhaupt Familiensache sein kann, ist im Sinne einer einheitlichen Behandlung von Arrest und Hauptsache zu bejahen. Abgelehnt wird die Einordnung als Familiensache mit der Begründung, dass der Arrest als solcher nicht Streitgegenstand sein könne.3 Überwiegend aber wird die Ansicht vertreten, dass es für die Beantwortung der Frage, ob ein Arrestverfahren Familiensache sein kann oder nicht, auf die Rechtsnatur des zu sichernden Anspruchs ankommt. Ein Arrestverfahren ist danach Familiensache, wenn auch das Hauptsacheverfahren Familiensache wäre.4 Maßgebend ist danach immer der Bezug zur Hauptsache. In Familienstreitsachen (§ 112 FamFG) ist für die jeweilige Hauptsache das Familiengericht zuständig, sodass es letztendlich auch den Arrest anordnen kann.5 Deshalb sind auch Arrestverfahren, deren Gegenstand in der Hauptsache Familienstreitsachen sind, Familiensachen. 1 BT-Drucks. 635/08, S. 41. 2 OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.8.2010 – 15 WF 246/10, AGS 2010, 556; Fischinger, FamRZ 2009, 1718. 3 OLG Hamm, Beschl. v. 31.10.1977 – 1 UF 294/77, FamRZ 1978, 128 = NJW 1978, 57. 4 OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.2.1978 – 1 WF 33/78, NJW 1978, 1012 = FamRZ 1978, 350; OLG Schleswig, Beschl. v. 10.2.1978, 8 WF 32/78, SchlHA 1978, 70; Thomas/ Putzo/Hüßtege, § 919 ZPO Rn. 5. 5 BGH, Beschl. v. 10.10.1979 – IV ARZ 52/79, FamRZ 1980, 46 = MDR 1980, 216.

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Arrest

II. Die Bewertungen Die Frage des Zuständigkeitsverfahrenswertes stellt sich in Familiensachen nicht. Nach § 23a Abs. 1 Nr. 1 GVG ist das Amtsgericht in Familiensachen unabhängig vom Wert des Verfahrens ausschließlich zuständig.

6753

Für die Zulässigkeit der Beschwerde ist der Wert des Beschwerdegegenstands maßgebend (§ 61 Abs. 1 FamFG). Dieser berechnet sich nicht nach dem FamGKG, da dieses nur den Wert für die Gerichtsgebühren regelt.1 Mangels einer Regelung der Beschwer oder des Wertes des Beschwerdegegenstands im FamFG ist auf die §§ 3 ff. ZPO zurückzugreifen (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG).2

6754

Der Wert für die Gerichtsgebühren ergibt sich aus § 42 Abs. 1 FamGKG.

6755

Über § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG ist der für die Gerichtsgebühren geltende Wert auch für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren im gerichtlichen Verfahren maßgeblich.

6756

Dies gilt auch für die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts (§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG), die nicht der Hauptsache, sondern dem Arrest vorausgeht.3

6757

B. Beschwer Arrestverfahren sind vermögensrechtliche Angelegenheiten. Nach § 61 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde gegen Endentscheidungen daher nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt.

6758

In Familienstreitsachen sind für die Bemessung der Beschwer über § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG die §§ 3 ff. ZPO heranzuziehen. Bei der Berechnung des Beschwerdegegenstands ist in Güterrechts- und sonstigen Familiensachen für die Beschwer die Höhe der zu sichernden Forderung, in der Regel aber ein darunter liegender Wert, maßgeblich, weil es nicht um die Feststellung, sondern um die Sicherung der Forderung geht. Für die Sicherung von Unterhalt als wiederkehrende Leistung ist nach § 9 ZPO für die Beschwer auf den 3 1/2fachen Wert des einjährigen Bezuges abzustellen, wobei fällige Beträge hinzuzurechnen sind.

6759

C. Gebührenverfahrenswert I. Überblick Eine eigenständige Wertvorschrift für Arrestverfahren ist in das FamGKG nicht eingeführt worden. Aus der Vorbem. 1.4. FamGKG ergibt sich aber, dass der Gesetzgeber Arrestverfahren in die für einstweilige Anordnungen maßgebliche Systematik einbeziehen wollte. Denn nach Vorbem. 1.4 Satz 1 KV FamGKG werden in Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung 1 Keidel, § 61 FamFG Rn. 9. 2 Friederici/Kemper/Klußmann, § 61 FamFG Rn. 5; Schneider/Wolf/Volpert, § 40 Rn. 25. 3 S. dazu N. Schneider, Die Verfahrenswerte nach dem FamGKG, AnwBl. 2009, 781; zur vergleichbaren Lage in allgemeinen Zivilsachen s. BGH, Urt. v. 12.3.2009 – IX ZR 10/08, AGS 2009, 261 = AnwBl. 2009, 462 = NJW 2009, 2068 = MDR 2009, 772.

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Arrest und über deren Aufhebung oder Änderung die Gebühren nur einmal erhoben. Dies gilt nach Vorbem. 1.4, Satz 2 FamGKG entsprechend in Arrestverfahren. 6761

Auch nach seiner Begründung will der Gesetzgeber, mit dem Ziel einer Vereinfachung, einstweilige Anordnung und Arrest einheitlich behandeln.1 Sein Vereinheitlichungsbestreben verleitet zu der teilweise bereits gezogenen Schlussfolgerung, die allein für einstweilige Anordnungen maßgebliche Wertvorschrift des § 41 FamGKG entsprechend für die Bewertung von Arrestverfahren heranzuziehen.

6762

Fölsch2 und sich ihm anschließend Witte3 begründen dies mit einer dem Gesetzgeber unterstellten unbewusst planwidrigen Regelungslücke. Herget4 versucht aus Vorbem. 1.6 Satz 2 KV FamGKG herzuleiten, dass sich der Wert für die Gerichtsgebühren in Arrestverfahren in Familienstreitsachen aus § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO ergebe. Von Swieykowski-Trzaska5 nimmt schließlich ohne weitere Begründung eine Bewertung nach § 3 ZPO an.

6763

Es kommt aber weder eine analoge Anwendung der allein für einstweilige Anordnungsverfahren maßgeblichen Wertvorschrift des § 41 FamGKG in Betracht noch eine Bewertung über § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG nach § 3 ZPO. Denn zum einen ergibt sich keine, die analoge Anwendung des § 41 FamGKG voraussetzende, Regelungslücke. Zum anderen darf § 3 ZPO deshalb zur Bewertung nicht herangezogen werden, weil die §§ 3 ff. ZPO nur unter den Voraussetzungen des § 2 ZPO gelten, die dann, wenn es um den Verfahrenswert für Familiensachen geht, nicht gegeben sein können.

6764

Der Gesetzgeber hat ein einheitliches Gerichtskostengesetz für Familiensachen eingeführt und in § 1 Satz 1 FamGKG geregelt, dass Kosten (Gebühren und Auslagen) nur nach diesem Gesetz erhoben werden. Ist ein familiengerichtliches Arrestverfahren zu bewerten, sind deshalb allein die Vorschriften des in sich geschlossenen FamGKG maßgebend.

6765

Deshalb ist auch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber im Allgemeinen Teil des FamGKG mit § 41 FamGKG allein einstweilige Anordnungsverfahren bemessen wollte. Ihm ist auch das Bewusstsein zu unterstellen, dass er eine eigenständige Regelung für Arrestverfahren nicht vergessen, vielmehr die scheinbare Lücke intendiert hat. Von einer Regelungslücke kann nämlich bereits deshalb nicht ausgegangen werden, weil das FamGKG stets regelt, wenn die Kostenvorschriften für einstweilige Anordnungsverfahren auch für Arrestverfahren gelten sollen (Vorbem. 1.4 Satz 1, Überschrift zu Teil 1 des Hauptabschnitts 4 Abs. 2 FamGKG KV). Unterstellt werden kann dem Gesetzgeber aber, dass er den Arrest, der grundsätzlich nur in Familienstreitsachen in Betracht kommt, im Sinne der beabsichtigten Vereinheitlichung von Arrestverfahren nicht anders bewertet wissen wollte, als es für Zivilsachen nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO der Fall ist.

6766

In Zivilsachen wird der Arrest nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung billigen Ermessens bestimmt. Auch in Verfahren über einen

1 2 3 4 5

BT-Drucks. 16/6308, S. 314. Schneider/Wolf/Volpert/Fölsch, § 41 Rn. 6 ff. Witte, Die Wertvorschriften im einstweiligen Anordnungsverfahren, FPR 2010, 316. Zöller/Herget, Anhang zu § 3, S. 95. FamVerf/v. Swieykowski-Trzaska, § 1 Rn. 568.

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Arrest Antrag auf Anordnung, Abänderung oder Aufhebung des Arrests in Familiensachen ist der Wert daher nach billigem Ermessen zu bestimmen.1 Als Bewertungsvorschrift für den Arrest kommt deshalb allein der im FamGKG vorgesehene Auffangwert des § 42 Abs. 1 FamGKG in Betracht. § 42 Abs. 1 FamGKG ist nämlich immer dann einschlägig, wenn sich der Verfahrenswert aus den Vorschriften des Gesetzes im Übrigen nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht: Dann ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.2 Dass der Gesetzgeber den Arrest mit dem Auffangwert des § 42 FamGKG bewertet wissen wollte, ergibt sich auch aus seiner Begründung zu § 42 FamGKG.3 § 42 Abs. 1 FamGKG ermöglicht eine unmittelbare Bemessung von Arrestverfahren und vereinheitlicht neben den Verfahrensordnungen auch ihre Bewertung. Zuzugeben ist Fölsch4 insoweit, dass auch er es jedenfalls für vertretbar hält, für Arrestverfahren auf § 42 Abs. 1 FamGKG zurückzugreifen, um ihn im Lichte des § 41 FamGKG auszulegen. Das OLG München5 und das OLG Celle6 haben sich der Auffassung, dass Arrestverfahren in Familiensachen nach § 42 Abs. 1 FamGKG zu bemessen sind, mit zutreffender Begründung angeschlossen.

6767

II. Auffangwert 1. Keine besonderen Wertvorschriften Eine Bewertung von Arrestverfahren kommt nur nach der Auffangvorschrift des § 42 FamGKG in Betracht.7 Denn die Auffangnorm des § 42 FamGKG ist dann anzuwenden, wenn sich für die zu bewertende Familiensache eine besondere oder andere allgemeine Wertvorschrift aus dem FamGKG im Übrigen nicht ergibt.

6768

§ 42 Abs. 1 FamGKG regelt die Bestimmung des Verfahrenswertes in vermögensrechtlichen Angelegenheiten. § 42 Abs. 2 FamGKG ist wertbestimmend für nichtvermögensrechtliche Verfahrensgegenstände. Arrestverfahren sind stets nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten, sodass § 42 Abs. 1 FamGKG zur Bemessung des Verfahrenswertes einschlägig ist.

6769

Eine Bewertung nach § 42 Abs. 3 FamGKG, der für vermögensrechtliche und nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten gilt, dürfte in Arrestverfahren ausscheiden. Geht es um die Sicherung einer Geldforderung, dann liegen auch zwangsläufig immer Anhaltspunkte für eine Bestimmung nach billigem Ermessen, insbesondere die Höhe des Wertes der zu sichernden Forderung, vor. Auf § 42 Abs. 3 FamGKG ist in vermögensrechtlichen Angelegenheiten aber nur dann zurückzugreifen, wenn keine genügenden Anhaltspunkte gem. § 42 Abs. 1 FamGKG gegeben sind.

6770

1 FA-FamR/Keske, 17. Kap. Rn. 75. 2 N. Schneider, Die Verfahrenswerte nach dem FamGKG, AnwBl. 2009, S. 781; Schneider/Wolf/Volpert/Thiel, § 42 Rn. 70. 3 BT-Drucks. 16/6308, S. 305. 4 Schneider/Wolf/Volpert/Thiel, AnwBl. 2009, § 41 Rn. 6 ff. 5 OLG München, Beschl. v. 16.11.2010 – 33 UF 1650/10. 6 OLG Celle, Beschl. v. 7.10.2010 – 10 WF 316/10, AGS 2010, 555 mit Anm. N. Schneider = NJW-Spezial 2010, 699. 7 Prütting/Helms/Klüsener, § 42 FamGKG Rn. 15; Schneider/Wolf/Volpert/Thiel, § 42 FamGKG Rn. 76 und Verfahrenswert-ABC Rn. 12.

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Arrest 2. Bewertung nach billigem Ermessen 6771

Nach § 42 Abs. 1 FamGKG ist der Wert nach billigem Ermessen zu bestimmen. Billiges Ermessen will eine unter objektiven Kriterien ermittelte Angemessenheit zum Ausdruck bringen und erreichen.1

6772

In Familiensachen kommt der Arrest insbesondere zur Sicherung von Zugewinnausgleichsforderungen und zur Sicherung von Unterhaltsrückständen in Betracht. Künftiger nachehelicher Unterhalt kann ausnahmsweise durch Arrest gesichert werden, wenn der Scheidungsantrag rechtshängig ist.2

6773

Maßgeblich für eine Wertfestsetzung nach billigem Ermessen ist beim Arrest das Interesse des Beteiligten an der Sicherung der in Streit stehenden Forderung, nicht ihre Feststellung. Ausgangspunkt für die Bewertung ist zunächst der Wert der Hauptsache. Ausgehend davon ist beim Arrest dann eine etwaige Ermäßigung nach Billigkeit vorzunehmen, wobei auch eine Festsetzung mit dem Hauptsachewert grundsätzlich in Betracht kommt. Das OLG München3 und das OLG Brandenburg4 nehmen in der Regel ein Drittel des Betrags des zu sichernden Anspruchs an.

6774

Das OLG Frankfurt5 geht mit guter Begründung, die auch für Familienstreitsachen als Arrestverfahren relevant ist, im Einzelfall vom vollen Wert der zu sichernden Forderung aus: „Zwar ist der Streitwert im Arrestverfahren im Regelfall niedriger anzusetzen als die Hauptsacheforderung. Allerdings kann in Ausnahmefällen der Streitwert durchaus die Höhe der Hauptsacheforderung erreichen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ein gesteigertes Interesse des Antragstellers an der Sicherung seiner Forderung gegeben ist.6 „Die Arrestbeklagten hatten unstreitig die eidesstattliche Versicherung abgegeben und andere Gläubiger konnten ihre Forderungen nicht in gleicher Weise durch einen Arrest vorläufig sichern, wie es dem Arrestkläger gelungen ist. In einem solchen Fall ist ausnahmsweise der Streitwert des Arrestverfahrens in der Höhe anzusetzen, in der der Arrestkläger Sicherung begehrt hat.“ 3. Billigkeitskriterien

6775

Kriterien, die das Interesse an der zu sichernden Forderung als besonders hoch erscheinen lassen, können Folgende sein: – es befinden sich Immobilien im Ausland, – die Vereitelung der Vollstreckung hat strafrechtlichen Charakter, – der ausgleichsverpflichtete Ehegatte hat eine falsche Versicherung an Eides statt hinsichtlich seines Endvermögens abgegeben, – wesentliche Vermögensteile wurden verschwiegen, – der unterhaltsverpflichtete Kindesvater ist bereits mehrfach wegen Verletzung der Unterhaltspflicht in Erscheinung getreten, – der Arrest führt zur Befriedigung. 1 2 3 4 5 6

Thiel, Auffangtatbestand des § 42 FamGKG, FPR 2010, 319. OLG Hamm, Beschl. v. 20.6.1995 – 3 UF 51/95, FamRZ 1995, 1427. OLG München, Beschl. v. 16.11.2010 – 33 UF 1650/10. OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.8.2010 – 15 WF 246/10, AGS 2010, 556. OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.2.2004 – 2 W 75/03. BGH, NJW 1991, 639; OLG Köln, OLGR 1999, 336.

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Arrest Es ist auch davon auszugehen, dass eine Erhöhung des Wertes für das Arrestverfahren über den „Regelverfahrenswert“ eines Drittels bis hin zum halben Wert, ausnahmsweise bis zum vollen Wert der Hauptsacheforderung in Betracht kommen kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn andernfalls die Vollstreckung ganz vereitelt würde.1 Davon ist auch dann auszugehen, wenn der Arrest zur Befriedigung führt2 und das Hauptsacheverfahren entbehrlich macht.

6776

Überwiegend aber nehmen die Gerichte Abschläge von dem Wert der Hauptsache vor, weil der Arrest nur sichert.3 Nach dem OLG Köln4 könne beispielsweise der Gebührenstreitwert eines Unterhaltsverfahrens auf den Jahreswert begrenzt sein. Dieser Wert sei dann aber für einen Unterhaltsarrest nicht anzusetzen, sondern je nach Bedeutung der Sicherung mit einem Bruchteil davon, nämlich 50 %, zu bemessen. Demgegenüber gehen das OLG Düsseldorf5 und das OLG Karlsruhe6 zwar ebenfalls von einer Begrenzung beim Unterhaltsarrest auf den Jahreswert aus, allerdings zutreffend dann ohne „weiteren Abschlag“. Bei der Bewertung des Arrests lassen sich nach der bisher ergangenen Rechtsprechung Bruchteilswerte entnehmen, die zumeist im Bereich von 1/3–1/2 des Hauptsachewerts anzunehmen sind.7

6777

Das OLG Naumburg8 hat in einem Arrestverfahren, durch den der Zugewinnausgleichsanspruch gesichert werden sollte, den Wert der Hauptsache ohne weitere Begründung auch für das Arrestverfahren angenommen. Den vollen Hauptsachewert hat auch das OLG Hamburg9 berücksichtigt.

6778

4. Höchstgrenze Der Wert der Hauptsache begrenzt den Verfahrenswert. Unabhängig davon ist bei der Festsetzung stets zu berücksichtigen, dass der Wert des Verfahrens den Betrag von 30 Mio. Euro nicht übersteigen darf (§ 33 Abs. 2 FamGKG).

6779

5. Zeitpunkt der Wertberechnung Für den Zeitpunkt der Wertberechnung ist nach § 34 Satz 1 FamGKG auf den Zeitpunkt der jeweiligen ersten Antragstellung abzustellen. Es sind danach die einzelfallbezogenen Umstände, die zu einer Bewertung nach § 42 Abs. 1 FamGKG führen, bezogen auf den Zeitpunkt der Antragseinreichung zu ermitteln und festzustellen.

6780

Während dies, bezogen auf die Vermögens- und Einkommensverhältnisse möglich erscheint, ergeben sich Bedenken, soweit z.B. der Umfang des Verfahrens bei der Wertfestsetzung eine Rolle spielt und sich auch objektive Umstände erst im Verlaufe des Verfahrens offenbaren. Diese können dann im

6781

1 LG Weiden, JurBüro 1973, 1084. 2 KG, Beschl. v. 20.12.1996 – 14 W 8213/96, KGR 1997, 240; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.2.2004 – 2 W 8/04, RVGRport, 2004, 278. 3 OLG Braunschweig, NJW-RR 1996, 256. 4 OLG Köln, Beschl. v. 16.10.2000 – 14 WF 119/00, FamRZ 2001, 342. 5 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.8.1985 – 3 WF 137/85, FamRZ 1985, 1155. 6 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.10.1997 – 18 WF 71/97 = OLGR 1998, 386. 7 Zöller/Herget, § 3 ZPO Rn. 16. 8 OLG Naumburg, Besch. v. 30.1.2008 – 8 WF 4/08, FamRZ 2008, 2202. 9 OLG Hamburg, Beschl. v. 9.10.2001 – 2 UF 61/01, FPR 2002, 561.

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Auffangwert Einzelfall erst mit dessen Beendigung festgestellt und in Relation gesetzt werden, sodass im Rahmen der endgültigen Wertfestsetzung nach § 55 Abs. 3 FamGKG noch Veränderungen vorzunehmen sein dürften und insoweit jedenfalls der Zeitpunkt der jeweiligen ersten Antragstellung nicht abschließend maßgebend sein kann.1

III. Beschwerde 6782

Im Beschwerdeverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Rechtsmittelanträgen, § 40 Abs. 1 Satz 1 FamGKG oder nach der Beschwer, § 40 Abs. 1 Satz 2 FamGKG. Der Wert darf nicht höher angesetzt werden als in erster Instanz (§ 40 Abs. 2 FamGKG). Nach der Entscheidung des OLG Karlsruhe2 dürfte nunmehr zunächst auch klargestellt sein, dass gegen die Ablehnung eines dinglichen Arrests nach § 119 Abs. 2 Satz 2 FamFG nicht § 567 ZPO, sondern die §§ 58 ff. FamFG einschlägig sind.

IV. Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde 6783

Ist Gegenstand des Verfahrens ein Antrag auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde ist für die Bewertung des Verfahrens der Wert des beabsichtigten Rechtsbeschwerdeverfahrens maßgebend, § 40 Abs. 3 FamGKG.

V. Rechtsbeschwerde 6784

Im Rechtsbeschwerdeverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Rechtsmittelanträgen, § 40 Abs. 1 Satz 1 FamGKG oder nach der Beschwer, § 40 Abs. 1 Satz 2 FamGKG. Der Wert darf nicht höher angesetzt werden als in erster Instanz (§ 40 Abs. 2 FamGKG). S. ausführlich das Stichwort „Arrest“ im ZPO-Teil, Rn. 1104 ff.

Aufenthaltsbestimmungsrecht S. die Stichwörter „Bestimmte Kindschaftssachen“, Rn. 7029 ff., „Elterliche Sorge“, Rn. 7415 ff. und „Kindschaftssachen“, Rn. 7942 ff.

Auffangwert Literatur: N. Schneider, Gebühren in Familiensachen, 1. Aufl., Rn. 1023 ff., N. Schneider, Die Verfahrenswerte nach dem FamGKG, AnwBl. 2009, 777, Schneider/Thiel, Die Abweichung vom Regelverfahrenswert, FPR 2010, 323; Thiel, Der neue Auffangtatbestand des § 42 FamGKG, FPR 2010, 319; Krause, Die Verfahrenswerte nach dem FamGKG, FamRB 2009, 321; Volpert, Verfahrenswert-Angabe durch den Antragsteller in Familiensachen (§ 53 FamGKG), FPR 2010, 327; Volpert, Die Gerichtskostenvorauszahlungspflicht im familiengerichtlichen Verfahren, FPR 2010, 327. 1 Schneider/Wolf/Volpert, § 34 Rn. 26 ff. 2 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.8.2010 – 18 UF 100/10, FamRZ 2011, 234.

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Auffangwert Gliederungsübersicht A. Allgemeines . . . . . . . . . I. Betroffene Verfahren . . . . . 1. Kindschaftssachen . . . . . . 2. Adoptionssachen . . . . . . . 3. Versorgungsausgleichssachen 4. Unterhaltssachen . . . . . . . 5. Güterrechtssachen . . . . . . 6. Ehewohnungssachen . . . . . 7. Gewaltschutzsachen . . . . . 8. Sonstige Familiensachen . . . 9. Lebenspartnerschaftssachen . II. Die Bewertungen . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

Rn. 6785 6787 6788 6789 6790 6791 6793 6794 6795 6796 6797 6798

B. Beschwer . . . . . . . . . . . . . 6804 C. Gebührenverfahrenswert I. Überblick . . . . . . . . . . . . . 1. Vermögensrechtliche Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten . . . . . . . . . 3. Hilfswert für vermögens- und nichtvermögensrechtliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . 4. Wertgrenze . . . . . . . . . . . . II. Prüfungsreihenfolge 1. Anderweitige Verfahrenswertbestimmung . . . . . . . . . . .

6805 6806 6807

6808 6809

Rn. 2. Abgrenzung der vermögensrechtlichen zur nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit a) Vermögensrechtliche Angelegenheit . . . . . . . . . . . b) Nichtvermögensrechtliche Angelegenheit . . . . . . . . 3. Billiges Ermessen a) Vermögensrechtliche Angelegenheiten . . . . . . . . . . b) Nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten . . . . . . . 4. Auffanghilfswert . . . . . . . . III. Zeitpunkt der Wertberechnung IV. Zusammentreffen von vermögens- und nichtvermögensrechtlichen Verfahrensgegenständen . . . . . . . . . . . . . V. Wertbegrenzung . . . . . . . . VI. Beschwerde . . . . . . . . . . . VII. Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . VIII. Rechtsbeschwerde . . . . . . . IX. Einstweilige Anordnung . . . . X. Arrestverfahren . . . . . . . . . XI. Vollstreckung . . . . . . . . . .

6813 6814 6816

6818 6822 6825 6830

6834 6835 6837 6838 6839 6840 6841 6847

6810

A. Allgemeines Mit dem Inkrafttreten des FGG-Reformgesetzes wollte der Gesetzgeber auch die Kosten und Wertansätze in familiengerichtlichen Verfahren vereinheitlichen. Das Nebeneinander von Vorschriften aus dem GKG, der ZPO, der KostO und dem RVG hat er aufgegeben. Zur Bewertung familienrechtlicher Verfahren sind jetzt ausschließlich die Vorschriften der §§ 33 bis 52 FamGKG maßgebend.

6785

Die absolute Geltung des FamGKG für alle familiengerichtlichen Verfahren erfordert eine Auffangvorschrift. Denn es ist unmöglich, jeden Einzelfall durch allgemeine oder besondere Wertvorschriften zu erfassen. Deshalb sind Verfahren, für die sich ein Wert aus den übrigen Vorschriften des FamGKG nicht ergibt, mit dem Auffangwert des § 42 FamGKG zu bemessen.

6786

I. Betroffene Verfahren Eine Bewertung nach § 42 FamGKG kommt nur für Familiensachen nach § 111 Nr. 2, 4, 7–11 FamFG in Betracht.

6787

1. Kindschaftssachen Für „bestimmte Kindschaftssachen“ und „übrige Kindschaftssachen“ sind zwar besondere Wertvorschriften in den §§ 45, 46 FamGKG normiert. Sie erThiel

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6788

Auffangwert fassen aber nicht alle Kindschaftssachen (§ 151 FamFG), sodass ein Teil der nichtvermögensrechtlichen Kindschaftssachen nach § 42 Abs. 2, 3 FamGKG zu bewerten sind: – die religiöse Kindererziehung betreffenden Maßnahmen nach § 1801 BGB (§§ 2, 3, 7 Gesetz über die religiöse Kindererziehung), – die Ersetzung der Zustimmung zu der Sorgeerklärung eines beschränkt geschäftsfähigen Elternteils nach § 1626c Abs. 2 Satz 1 BGB, – die Ersetzung der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zur Bestätigung der Ehe nach § 1315 Abs. 1 Satz 3 BGB, – Entscheidungen über die Auskunft der persönlichen Verhältnisse des Kindes nach § 1686 BGB etc. 2. Adoptionssachen 6789

Für Adoptionssachen (§ 186 FamFG) gibt es keine besondere Wertvorschrift. Es ist deshalb mit dem Auffangwert zu bemessen: – die Ersetzung der Einwilligung oder der Zustimmung des Betreuers beim Volljährigen nach §§ 1767 Abs. 2, 1746 Abs. 3 BGB,1 – Namensänderung bei der Annahme Volljähriger, §§ 1767 Abs. 2, 1757 Abs. 4 BGB etc. 3. Versorgungsausgleichssachen

6790

Für Versorgungsausgleichssachen (§ 217 FamFG) besteht zwar eine besondere Wertvorschrift (§ 50 FamGKG). Allerdings ist fraglich, ob der sich aus § 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG ergebende Regelwert auch für die Bewertung von Anpassungsverfahren wegen Unterhalts gilt. Verfahrensgegenstand ist weder der Ausgleich oder die Abänderung von Anrechten noch der Unterhaltsanspruch selbst. Es dürfte deshalb auf den Auffangwert zurückzugreifen sein.2 4. Unterhaltssachen

6791

Wird Unterhalt nach § 1612 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht als bezifferte Geldforderung geltend gemacht, ist für die Bewertung der Unterhaltssache (§ 231 Abs. 1 FamFG) nicht § 35 FamGKG, sondern § 42 Abs. 1, 3 FamGKG einschlägig. § 51 FamGKG bleibt daneben wiederum entsprechend anwendbar.

6792

Auch dann, wenn der Unterhalt nicht beziffert, sondern dynamisiert (§ 1612a BGB) als bestimmter Prozentsatz geltend gemacht wird, ist nicht § 35 FamGKG, sondern § 42 Abs. 1, 3 FamGKG für die Bemessung des Verfahrenswertes heranzuziehen. In diesem Fall bleibt § 51 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 FamGKG daneben wiederum anwendbar, wonach abweichend von § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG der Monatsbetrag des zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags geltenden Mindestunterhalts nach der zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Altersstufe zugrunde zu legen ist.

1 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.6.2010 – 8 WF 205/09, FamRZ 2010, 1937. 2 Schneider/Wolf/Volpert/Thiel, Verfahrenswert-ABC, Rn. 23; a.A. Wick, Der neue Versorgungsausgleich in der Praxis, Rn. 237.

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Auffangwert 5. Güterrechtssachen § 52 FamGKG regelt nur, unter welchen Voraussetzungen in einer bestimmten Verfahrenskonstellation eine Zusammenrechnung der Werte zu erfolgen hat.1 Zur Bewertung von Güterrechtssachen, die nicht auf eine Geldforderung gerichtet sind, und für die daher nicht § 35 FamGKG gilt, ist deshalb auch § 42 Abs. 1, 3 FamGKG heranzuziehen, z.B. in Verfahren, die – den Anspruch auf vorzeitigen Zugewinnausgleich gem. §§ 1386, 1385 BGB, – die Stundung der Ausgleichsforderung gem. § 1382 Abs. 1 BGB, – die Übertragung von Vermögensgegenständen gem. § 1383 BGB, – einen Antrag auf Sicherheitsleistung für eine gestundete Forderung nach § 1382 Abs. 3 BGB betreffen.

6793

6. Ehewohnungssachen § 42 Abs. 1 FamGKG und nicht § 48 Abs. 1 FamGKG ist auch anwendbar, wenn in Ehewohnungssachen Nutzungsentschädigung als wiederkehrende Leistung (§ 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB) geltend gemacht wird.2 Dabei dürfte § 51 Abs. 1 FamGKG entsprechend heranzuziehen sein. S. ausführlich das Stichwort „Ehewohnungssachen“.

6794

7. Gewaltschutzsachen § 42 Abs. 1 FamGKG und nicht § 49 Abs. 1 FamGKG ist auch anwendbar, wenn in Gewaltschutzsachen Nutzungsentschädigung als wiederkehrende Leistung (§ 2 Abs. 5 GewSchG) geltend gemacht wird. Dabei dürfte § 51 Abs. 1 FamGKG entsprechend heranzuziehen sein. S. ausführlich das Stichwort „Gewaltschutzsachen“.

6795

8. Sonstige Familiensachen Die sonstigen Familiensachen (§ 266 Abs. 1 FamFG), für die eine Bewertung nach § 35 FamGKG nicht in Betracht kommt, dürften überwiegend nach § 42 FamGKG zu bewerten sein: – Ansprüche auf Mitwirkung an der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung gem. § 1353 Abs. 1 BGB, – Ansprüche auf Zustimmung zum steuerlichen Realsplitting gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG, – Ansprüche auf Übertragung des Schadensfreiheitsrabatts etc.

6796

9. Lebenspartnerschaftssachen Über § 5 FamGKG sind in Lebenspartnerschaftssachen (§ 269 FamFG) die Kostenregelungen der ihnen entsprechenden Familiensachen anzuwenden.

1 Schneider/Wolf/Volpert, § 52 Rn. 3. 2 A.A. OLG Bamberg, Beschl. v. 10.2.2011 – 2 UF 289/10.

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Auffangwert

II. Die Bewertungen 6798

Die Frage des Zuständigkeitsverfahrenswertes stellt sich in Familiensachen, die mit dem Auffangwert zu bemessen sind, nicht. Nach § 23a Abs. 1 Nr. 1 GVG ist das Amtsgericht in Familiensachen unabhängig vom Wert des Verfahrens ausschließlich zuständig.

6799

Für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist der Wert des Beschwerdegegenstands maßgebend (§ 61 Abs. 1 FamFG). In nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Beschwerde unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstands zulässig. Einer Wertfestsetzung bedarf es daher nicht. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten richtet sich die Beschwer in Familienstreitsachen unmittelbar nach den §§ 3 ff. ZPO. In den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist auf die §§ 3 ff. ZPO entsprechend zurückzugreifen.

6800

Der Wert für die Gerichtsgebühren ergibt sich aus – § 42 Abs. 1 FamGKG für eine vermögensrechtliche Angelegenheit, – § 42 Abs. 2 FamGKG für eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit und aus – § 42 Abs. 3 FamGKG, wenn in einer vermögensrechtlichen oder nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bemessung nach § 42 Abs. 1 oder 2 FamGKG vorliegen.

6801

In Verfahren, für die keine Gerichtsgebühren erhoben werden, richtet sich der Wert für die Anwaltsgebühren nach § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG.

6802

Über § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG ist der für die Gerichtsgebühren geltende Wert in Verfahren, die mit dem Auffangwert bewertet werden, auch für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren maßgebend.

6803

Dies gilt auch für die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts (§ 23 Abs. 1 Satz 3 RVG).

B. Beschwer 6804

In nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten kommt es auf die Beschwer nicht an. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist das Interesse des Verfahrensgegenstands nach §§ 3 ff. ZPO zu bemessen.

C. Gebührenverfahrenswert I. Überblick 6805

§ 42 FamGKG entspricht im Wesentlichen § 30 KostO, die als Auffangnorm in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit galt. § 42 FamGKG unterscheidet in Abs. 1 und Abs. 2 zwischen vermögensrechtlichen und nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten und sieht außerdem in Abs. 3 einen bezifferten Auffangwert vor für alle Verfahren, in denen selbst für die Bestimmung eines Auffangwertes genügende Anhaltspunkte nicht gegeben sind.

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Thiel

Auffangwert 1. Vermögensrechtliche Angelegenheiten § 42 Abs. 1 FamGKG gilt für vermögensrechtliche Angelegenheiten und zwar dann, wenn sich der Verfahrenswert aus den übrigen Vorschriften des FamGKG nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht: Dann ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.

6806

2. Nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten § 42 Abs. 2 FamGKG normiert die Voraussetzungen für die Verfahrenswertbemessung in nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten und bestimmt, dass die Bemessung des Verfahrenswertes unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere – des Umfangs, – der Bedeutung der Sache, – der Vermögensverhältnisse der Beteiligten und – Einkommensverhältnisse der Beteiligten nach billigem Ermessen, zu erfolgen hat.

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3. Hilfswert für vermögens- und nichtvermögensrechtliche Ansp